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German Pages 286 Year 1978
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 342
Wahlkreiseinteilung durch Richterspruch? Die reapportionment Rechtsprechung in den USA
Von
Klaus Köpp
Duncker & Humblot · Berlin
KLAUS
KÖPP
Wahlkreiseinteilung durch Richterspruch?
Schriften zum öffentlichen Band 342
Recht
Wahlkreiseinteilung durch Richterspruch? D i e r e a p p o r t i o n m e n t Rechtsprechung in den USA
Von
Klaus Kopp
D U N C K E R
&
H U M B L O T / B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1978 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1978 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 04163 1
Vorwort Reapportionment bezeichnet i n den USA einen Sachverhalt, der m i t „Neu-Verteilung der Abgeordnetensitze auf neu eingeteilte oder neu einzuteilende Wahlkreise i n den einzelnen Staaten der Union" nur sehr unvollkommen definiert und m i t Blick auf seine juristischen und politischen Zusammenhänge auch nicht annähernd umschrieben worden ist. Der an sich schon i n hohem Grade komplexe Sach- und Verfahrenszusammenhang jeder Wahlkreiseinteilung w i r d noch weiter kompliziert, wenn sich an ihm, wie i n den USA seit 1962, die Gerichte m i t dem Absolutheitsanspruch einer „richtigen" Verfassungsauslegung beteiligen. Dann kann — das dürfte unmittelbar einleuchten — die dritte Gewalt zu einem politischen Faktor werden, wie es Klaus Hopt vor fast einem Jahrzehnt angesichts der ersten reapportionment Entscheidungen des Supreme Court der USA bereits erkannt hat. I m Rahmen der Publikationsreihe „Schriften zum öffentlichen Recht" erweitert daher seine Arbeit (Bd. 108: Die Dritte Gewalt als politischer Faktor) die hier vorgelegte Untersuchung zur politikwissenschaftlichen Seite hin, während Rudolf Dolzers Versuch über „Die staatstheoretische und staatsrechtliche Stellung des Bundesverfassungsgerichts" (Bd. 181) durch die Übernahme eines Teils der amerikanischen Theorien zu Stellung und Funktion des Supreme Court i m Verfassungsgefüge der USA einen Ansatz zur Erweiterung i n rechtsvergleichender Richtung bietet. Das Festlegen von Wahlkreisgrenzen, das den wichtigsten Teil des reapportionment Verfahrens bildet, kann i n einem Mehrheitswahlsystem von wahlentscheidender Bedeutung sein. Daher ist es nicht verwunderlich, daß sich zur Zeit der sog. Großen Koalition zwischen CDU und SPD i n der zweiten Hälfte der 1960er Jahre m i t der Diskussion u m die Einführung eines „mehrheitsbildenden Wahlrechts" der Blick deutscher Juristen auch auf die angelsächsischen Länder und ihre traditionellen Mehrheitswahlsysteme richtete. Herr Professor Dr. Dr. Gerhard Leibholz, der stets anregende und für viele junge Juristen richtungweisende Verfassungsrichter und Staatsrechtslehrer, lenkte denn auch i n seinem Göttinger Seminar mein Interesse auf die gerade verstärkt aus den USA nach Deutschland dringenden Nachrichten über die Pro-
6
Vorwort
blematik einer Änderung der Wahlkreisgrenzen und über die Rolle, die der Supreme Court i n diesem politisch hoch sensiblen Veränderungsprozeß spielte. Seiner sowie der Fürsprache der Herren Professoren Dres. Ernst Rudolf Huber und Hartmut von Hentig verdanke ich es, daß ich m i t einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes das Studienjahr 1969/70 an der Washington University School of L a w i n St. Louis, Missouri, verbringen und mich m i t dem amerikanischen Verfassungs- und Verfahrensrecht vertraut machen konnte. I n St. Louis wurde m i r deutlich, daß, wer richterliches Handeln — jedenfalls i n den USA — richtig verstehen und i n seinen Wirkungen beurteilen w i l l , die Verfahrenstechniken, die dieses Handeln leiten und zum Teil bedingen, nicht vernachlässigen darf. Beim Studium der reapportionment Fälle hat mich Herr Professor Jules B. Gerard darauf aufmerksam gemacht, daß der potentiell am tiefsten i n das „politische Dickicht" eindringende Teil richterlicher reapportionment A k t i v i t ä t wohl die Durchsetzung des Prinzips „one man — one vote" i m Kommunalbereich darstellt. Seinem Hinweis folgend habe ich i n den USA besonders die Rechtsprechung zum lokalen reapportionment erarbeitet. Doch mit dieser Ausweitung der Thematik hatte ich mich m i t dem Gesamtkomplex reapportionment eingelassen m i t der Folge, daß die Fülle des Materials ins fast Unübersehbare anwuchs und eine Beschränkung unabweisbar wurde. Zur Ausarbeitung des spezifisch juristischen Teils des reapportionment Komplexes gewährte m i r die Universität Bremen, die das Institut des Doktorvaters nicht kennt, 1972/73 ein Stipendium nach dem Graduiertenförderungsgesetz, das m i r auch einen Aufenthalt am MaxPlanck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht i n Heidelberg ermöglichte. So wurde das Manuskript der vorliegenden Arbeit i m Herbst 1974 unter Verzicht auf eine Erörterung des der reapportionment Rechtsprechung zugrunde liegenden ökonomischen, sozialen und politischen Wandlungsprozesses i n den USA nach dem II. Weltkrieg abgeschlossen. Einige Aufsätze aus dem Frühjahr 1975 konnten bei einer Überarbeitung des zusammenfassenden Teils I V (Erkenntnisse und Hypothesen) noch berücksichtigt werden. A u f eine detaillierte Fortführung der Besprechung der reapportionment Entscheidungen bis i n die Gegenwart hinein habe ich u m so leichter verzichten können, als eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung bisher nicht eingetreten ist. Der Leser, dem eine Überblicks-
Vorwort
weise Weiterführung ausreicht, sei auf den der Arbeit angefügten k u r zen Nachtrag hingewiesen. Die Gesellschaft der Freunde der Universität Bremen e.V. hat m i r durch die Bremer Stiftung zur Förderung der Wissenschaften und der Universität einen großzügigen Druckkostenzuschuß gewährt und so die Drucklegung dieser Arbeit doch noch ermöglicht. I h r gilt mein besonderer Dank. Der Anteil, den meine Frau am Zustandekommen dieser Arbeit hat, läßt sich ohnehin nicht zureichend mit Worten des Dankes beschreiben. Konstanz, i m Dezember 1977
Klaus Kopp
Inhaltsverzeichnis Einleitung Α. Überblick und Aufgabe
19
B. Skizze des politisch-soziologischen Hintergrunds
28
Teil
I
Malapportionment und richterliche Selbstbeschränkung A. Die gerichtlichen Entscheidungen bis 1962
33
1. Uberblick über die Rechtsprechung i n den Einzelstaaten
33
2. Die Supreme Court Entscheidungen von 1932
36
3. Colegrove v. Green (1946)
41
4. Die Supreme Court Entscheidungen bis 1961
50
5. Baker v. Carr (1962)
65
B. Colegrove D o k t r i n u n d political questions 1. Political questions vor dem Supreme Court a) Theorien der political questions
68 70 72
b) Verfahrensrechtliche Nichtentscheidungen u n d political question Doktrin 78 aa) Die F u n k t i o n des Supreme Court i n der Sicht Bickels
78
bb) Die Techniken der Nichtentscheidung
81
cc) Bickels normative political question Theorie
83
dd) Die K r i t i k an Bickels Theorie
85
c) Die funktionell-rechtliche Theorie der political question D o k t r i n 2. Richterliche Selbstbeschränkung i n apportionment Fragen
88 91
a) Die „politische" Entscheidungspraxis des Supreme Court
91
b) Umkehrung der preferred freedoms Doktrin?
94
C. Apportionment und equal protection clause v o r der Wende
99
10
Inhaltsverzeichnis Teil
II
Reapportionment und das Prinzip des one man — one vote Α. Die Entwicklung des Prinzips der formalen Gleichheit der Wahlkreisgrößen f ü r das apportionment der Legislative 109 1. Die Entscheidungen
109
a) Gray v. Sanders (1963) u n d Wesberry v. Sanders (1964)
109
b) Reynolds v. Sims u n d dessen Schwesterfälle (1964)
111
2. Die Regeln zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer W a h l kreiseinteilung 117 a) Drei Tests
117
b) Abweichungen von der N o r m
119
c) Erfordernis des „honest and good faith effort"
121
Β . Die Ausweitung des Prinzips auf kommunale Verwaltungseinheiten . . 123 1. Die gerichtlichen Entscheidungen bis 1968
124
a) Lösungs versuche der einzelstaatlichen Gerichte
124
b) Lösungsversuche der Bundesgerichte
132
c) Die school board Fälle u n d das Problem der legislativen F u n k tionen 135 d) Die Entscheidungen des Supreme Court
137
2. Die Grenzen des Prinzips auf lokaler Ebene
147
a) Ernannte Gremienmitglieder
147
b) Verwaltungseinheiten m i t allgemeinen Aufgaben
147
c) Verwaltungseinheiten m i t speziellen Aufgaben
148
d) Verwaltungseinheiten m i t speziellen Aufgaben regionaler A r t . . 149 3. Neue Entwicklungen u n d offene Fragen
151
a) Hadley v. Junior College District (1970)
151
b) Die Rechtslage nach Hadley
156
c) Regional government als Prüfstein
157
C. Die Grenzen des one m a n — one vote Prinzips i m Bereich von Gleichheit u n d Allgemeinheit der W a h l 164 1. Ausschluß des Grundsatzes one man — one vote bei besonderen Auswahlverfahren 164 a) Zulassung neuer Parteien
164
Inhaltsverzeichnis b) Nominierungsverfahren u n d Präsidentschaftswahl
166
c) Governor-Stichwahl durch die Legislative
169
d) Richterwahlen
171
2. Einschränkungen der Wahlberechtigung bei allgemeinen Wahlen 173 3. Einschränkungen der Wahlberechtigung bei Wahlen zu Gremien m i t besonderen Aufgaben 178 Teil
III
One man — one vote und die Folgeprobleme A . Die richterlichen Maßnahmen zur Durchsetzung des reapportionment 181 1. Gerichte versus Legislative
181
2. Gerichte u n d K o m m u n a l Verwaltung
192
B. Die inhaltlichen Probleme der Wahlkreiszusammensetzung 1. Bevölkerungszahl u n d Zensusergebnis
193 195
2. Einerwahlkreise u n d Großwahlkreise für mehrere Abgeordnete . . 197 3. Wahlkreis u n d Repräsentation
206
C. Die Wahlkreisgrenzziehung
210
1. Richterliche Uberprüfung legislativer Wahlkreisgrenzziehung
211
2. Wahlkreisgrenzziehung durch die Gerichte
216
D. Der neue Trend: apportionment Rechtsprechung unter Chief Justice Burger 217 Teil
IV
Erkenntnisse und Hypothesen A . Z u den Grundzügen der reapportionment Rechtsprechung
230
B. Z u den Folgen der reapportionment Rechtsprechung
249
C. Z u den Bedingungen der reapportionment Rechtsprechung
252
D. Z u r Bewertung der reapportionment Rechtsprechung
255
Nachtrag
268
12
Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis
1. Bücher, Sammelwerke, Gutachten etc
272
2. Aufsätze
274
3. Notes, Comments, Entscheidungsbesprechungen
278
4. A u s w a h l weiterführender L i t e r a t u r
280
Verzeichnis der Entscheidungen
281
Zitierweise — Abkürzungen — Begriffe Mehrfach genannte Schriften werden regelmäßig i n abgekürzter F o r m oder n u r m i t dem Namen des Autors zitiert. Die kurze F o r m ist i m L i t e r a turverzeichnis (durch Klammerzusatz) ausgewiesen. Zitate aus englischsprachigen Texten sind nach der amerikanischen Zitierweise (Band- oder Jahreszahl, abgekürzter Titel, Seitenzahl), Zitate aus deutschsprachigen T i t e l n i n der i n der Bundesrepublik üblichen Weise kenntlich gemacht (vgl. auch die folgenden Abkürzungen u n d das Verzeichnis der Entscheidungen). Bei Gerichtsentscheidungen w i r d regelmäßig n u r eine Fundstelle angegeben. Die zum Verständnis des Textes unbedingt erforderlichen Begriffe des amerikanischen Verfahrensrechts werden i m Anschluß an die folgenden Abkürzungen kurz erläutert.
Abkürzungen A. A. 2d aff'd aff'g A l a L Rev A l b a n y L Rev A m J Com L A m Pol Sci Rev Anm. Annals App. Div. A r k L Rev Art. at Baylor L Rev B r o o k l y n L Rev Buffalo L Rev Β U L Rev BVerfG Calif L Rev Cal. Rptr. Case W Res L Rev COG Colum L Rev Conn L Rev Cranch Ct. App. Ct. Civ. App. D.... Dallas
A t l a n t i c Reporter A t l a n t i c Reporter, Second Series affirmed affirming Alabama L a w Review A l b a n y L a w Review American Journal of Comparative L a w American Political Science Review Anmerkung Annals of the American Academy of Potitical Social Science Appellate Division Arkansas L a w Review Artikel, Article auf Seite Baylor L a w Review B r o o k l y n L a w Review Buffalo L a w Review Boston University L a w Review Bundesverfassungsgericht California L a w Review California Reporter Case Western Reserve University L a w Review Council of Governments Columbia L a w Review Connecticut L a w Review Cranch, Hrsg. der U.S. Court of Appeals Court of C i v i l Appeals District of . . . Dallas, Hrsg. der U.S.
and
14 D.C.Cir. Diss. DÖV Duke L J DVB1 ed. 2 n< * ed. E.D Emory L J etc. et s. ex rei. F. F. 2d Fordham L Rev F.Supp. Ga L Rev Geo L J Geo Wash L Rev H a r v C i v i l Rights Rev H a r v L Rev How. Hrsg. l a L Rev ibid. id. Ind L J JöR N.F. Ky L J L a L Rev L.Ed. L.Ed. 2d L Rev M.D Mercer L Rev Mich L Rev M i n n L Rev Misc. n. Ν C L Rev N.D.... N.E. N.E. 2d Nebr L Rev N.J.Super. No. Notre Dame L a w . Nr. N.W. N.W. 2d N.Y.
Abkürzungen Circuit Court for the District of Columbia Dissertation Die Öffentliche V e r w a l t u n g Duke L a w Journal Deutsches Verwaltungsblatt editor second edition Eastern District of . . . Emory L a w Journal et cetera u n d folgende (et sequentes) ex relatione Federal Reporter Federal Reporter, Second Series Fordham L a w Review Federal Supplement (Entscheidungen der federal dist r i c t courts seit 1933) Georgia L a w Review Georgetown L a w Journal George Washington University L a w Review H a r v a r d C i v i l Rights — C i v i l Liberties Review H a r v a r d L a w Review Howard, Hrsg. der U.S. Herausgeber Iowa L a w Review ibidem idem Indiana L a w Journal Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Neue Folge Kentucky L a w Journal Louisiana L a w Review United States Supreme Court Reports, Lawyers' Edition Lawyers' Edition, Second Series . . . L a w Review Middle District of . . . Mercer University L a w Review Michigan L a w Review Minnesota L a w Review New Y o r k Miscellaneous Reports note (Fußnote) N o r t h Carolina L a w Review Northern District of . . . N o r t h Eastern Reporter N o r t h Eastern Reporter, Second Series Nebraska L a w Review New Jersey Superior Court Reports Nummer Notre Dame L a w y e r Nummer N o r t h Western Reporter N o r t h Western Reporter, Second Series New Y o r k (Appellate Division Reports)
Abkürzungen N.Y.Cty.Supr.Ct. N.Y.S. NYSB J Ν Y U L Rev Ohio St L J P. P. 2d Ph.D. rev'd Rutgers L Rev S. S C L Rev S.Ct. S.D. . . . S.E. S.E. 2d Sec. So. So. 2d So Calif L Rev Staat Stan L Rev STAT. St L U L J Suffolk U L Rev Super.Ct Supr Ct Rev S.W. S.W. 2d Tenn L Rev U Chi L Rev U C L A L Rev U Pa L Rev US U.S. U.S.C. U t a h L Rev v. Va L Rev V a n d L Rev vgl. V i ü L Rev vols. VVdStRL W and M L Rev Wash L Rev W.D. . . . Wheat. Willamette L J Yale L J ZaöRV ζ. Β .
New Y o r k County Supreme Court New Y o r k Supplement New Y o r k State Bar Journal New Y o r k University L a w Review Ohio State University L a w Journal Pacific Reporter Pacific Reporter, Second Series Philosophiae Doctor reversed Rutgers L a w Review Seite South Carolina L a w Review Supreme Court Reporter Southern District of . . . South Eastern Reporter South Eastern Reporter, Second Series Section Southern Reporter Southern Reporter, Second Series Southern California L a w Review Der Staat Stanford L a w Review Statutes at Large St. Louis University L a w Journal Suffolk University L a w Review Superior Court of . . . Supreme Court Review South Western Reporter South Western Reporter, Second Series Tennessee L a w Review University of Chicago L a w Review University of California at Los Angeles L a w Review University of Pennsylvania L a w Review United States United States Supreme Court Reports United States Code U t a h L a w Review versus (gegen) V i r g i n i a L a w Review Vanderbilt L a w Review vergleiche Villanova L a w Review volumes Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer W i l l i a m and M a r y L a w Review Washington L a w Review Western District of . . . Wheaton, Hrsg. der U.S. Willamette L a w Journal Yale L a w Journal Zeitschrift f ü r ausländisches öffentliches Recht u n d Rechtsvergleichung zum Beispiel
16
Begriffe
Einige Begriffe des anglo-amerikanischen Rechts Eine Einführung i n die Technik der A u f f i n d u n g der Rechtsquellen und zugleich einen Überblick über die wichtigsten, n u r unter Verlust ihres spezifischen Gehalts ins Deutsche übersetzbaren Begriffe des anglo-amerikanischen Rechts gibt Dieter Blumenwitz: Einführung i n das anglo-amerikanische Recht, 1971. Eine weitere erste H i l f e z u m Verständnis des amerikanischen Rechts, w e n n diese auch f ü r einen Prozeß u m Verfassungsrechtsfragen leider selten ausreicht, bietet Robert F. Weissenstein: Anglo-amerikanisches Rechtswörterbuch, I. T e i l (English — Deutsch), Zürich 1950. I n entscheidender Weise hilfreich sind erst englisch sprachige Werke von der Qualität etwa eines Black's Law Dictionary. Nachfolgend sollen daher die i m T e x t verwendeten Termini, insbesondere des Verfahrensrechts, kurz erklärt werden. action at l a w
Klage nach den hergebrachten Regeln des common l a w (im Unterschied zu statute l a w u n d dem Recht der equity)
affirmed
bestätigt
appeal
Rechtsmittel; beim Supreme Court: nach 28 U.S.C. §§ 1252 -1257 Berufung gegen bestimmte Entscheidungen einzelstaatlicher Gerichte (näher Haller, S. 105 ff.), diese Berufungen umfassen einen Rechtsanspruch auf Entscheidung durch den Supreme Court
appeal dismissed
Rechtsmittel zurückgewiesen; beim Supreme Berufung aus Sachgründen abgewiesen
Court:
apportionment
siehe dazu die Erläuterungen i n A n m . 11 (Einleitung)
cause remanded
Sache (insgesamt) zurückverwiesen v o n dem sie kam)
(an das
Gericht,
certiorari, w r i t of — ermessensbedingter Beschluß über die Annahme einer letztinstanzlichen Entscheidung zur Überprüfung durch (Supreme Court) den Supreme Court (näher Haller, S. 105 ff.), 28 U.S.C. §§ 1254, 1257 concurring vote
i m Ergebnis, aber nicht i n der Begründung m i t der Mehrheitsentscheidung übereinstimmende Meinung
decree
oft w i e judgment (endgültige Entscheidung), meint j e doch manchmal, daß die Sache zwar endgültig, aber nicht alle möglichen Aspekte umfassend entschieden wurde
directions to dismiss Anordnung, ohne erneute Verhandlung aus Sachgründen abzuweisen discretion
Ermessen, ohne Zusatz: freies Ermessen
dismissal
Abweisung aus Sachgründen
dismissed
abgewiesen, i m U r t e i l ohne Zusatz: aus Sachgründen abgewiesen
dissenting vote
abweichende Meinung
equity
Rechtsregeln, m i t denen i m Einzelfall die Rechtsschutzlücken, die sich i m aktionenrechtlichen System des common l a w zeigten, geschlossen w u r d e n u n d die sich
Begriffe so zu einem eigenen Verfahrens- u n d Beurteilungssystem entwickelten (näher dazu Zweigert / Kötz, S. 235 ff., 248 f., oder Blumenwitz, S. 7 ff.), obwohl sie i n den USA stets von denselben Gerichten gehandhabt w u r d e n w i e Klagen nach dem common l a w ; das equity Verfahren r ä u m t wegen seines Anwendungsbereichs (vgl. injunction) ein weiteres Ermessen ein, als i n der Regel nach statute oder common l a w möglich ist holding
Entscheidung (etwa i m Sinne von Tenor u n d der i h n tragenden Gründe)
independent state ground
i m einzelstaatlichen Recht begründeter, von Bundesrecht unabhängiger Rechtsgrund
injunction
gerichtliches Verbot i m equity Verfahren, das m i t dem Zusatz preliminary, temporary, provisional oder permanent i n etwa der deutschen Einstweiligen A n o r d nung bzw. Verfügung entspricht, ohne Zusatz oder m i t dem Zusatz f i n a l oder perpetual zum U r t e i l auf U n t e r lassen, m i t dem Zusatz mandatory zum U r t e i l auf Leistung (Vornahme) oder D u l d u n g w i r d
judgment affirmed
die (endgültige) Entscheidung der unteren Instanz w i r d (wenigstens dem Ergebnis nach) bestätigt
judgment reversed
die (endgültige) Entscheidung w i r d aufgehoben u n d die Sache w i r d zu erneuter Verhandlung u n d Entscheidung an die untere Instanz zurückverwiesen
jurisdiction
Zuständigkeit i m weitesten Sinne, sogar: gerichtlicher Gewalt überhaupt
merits
(materielle) Rechtsgründe, die die Sache selbst betreffen (nicht Vorfragen, nicht Verfahren oder Formalien)
moot
gegenstandslos; das Rechtsschutzinteresse fehlt oder ist weggefallen
motion
Antrag
order
Zwischenentscheidung; Anweisung, die die Sache nicht endgültig abschließt
overrule
per curiam
rehearing
Ausübung
eine Entscheidung einer unteren Instanz abändern (i. S. von verwerfen) oder eine eigene Vorentscheidung als Präzedenzfall beseitigen Entscheidung des Gerichts, ohne oder m i t n u r knapper Begründung (zumeist bei Einstimmigkeit, doch auch, w e n n einzelne Richter eine zustimmende oder abweichende Meinung kundtun) erneute Verhandlung; Wiederaufnahme des Verfahrens (zu dem einzigen Zweck, i n der ersten Verhandlung Übersehenes nachzuholen)
reapportionment
siehe dazu die Erläuterungen i n A n m . 11 (Einleitung)
reargument
erneute mündliche Rechtsausführungen (mit dem einzigen Zweck, das Gericht auf einschlägige rechtliche Gesichtspunkte oder auf Mißverständnisse bei der B e u r teilung der Tatsachen hinzuweisen)
2 Köpp
18
Begriffe
relief
Abhilfe, Rechtsschutz (wenn überhaupt justiziabel)
relief i n equity
A b h i l f e nach den Rechtsregeln der equity (insoweit oft synonym m i t remedy)
remedy
Rechtsbehelf i m weitesten Sinne (nicht beschränkt auf „Rechtsmittel" i m deutschen Recht)
rule of four
Regel, nach der der Supreme Court eine Sache zur Sachentscheidung annimmt, w e n n sich vier der neun Justices dafür aussprechen
standing to sue
a k t i v klagebefugt (in bundesrechtlichen Streitigkeiten gegen staatliche Organe, w e n n deren Handeln rechtlich geschützte Interessen des Einzelnen verletzt hat oder zu verletzen droht)
mangels eines grundsätzlichen u n d entscheidungserheb(for) w a n t of a substantial federal lichen (oder eine erneute Entscheidung erfordernden) bundesrechtlichen Problems question (for) w a n t of equity
mangels eines auf den Rechtsregeln der equity beruhenden Rechts (Anspruchs) auf der Basis der vorgetragenen Tatsachen
Einleitung Α. Uberblick und Aufgabe Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind politisch organisiert als föderale Republik. Ihre seit 1789 textlich i m wesentlichen unverändert gebliebene Verfassung setzt die bundesstaatlichen Organe i n klassischer Weise gewaltenteilend zueinander i n Beziehung. A l l e legislativen Institutionen, bundes- wie einzelstaatlicher A r t , haben demokratisch-repräsentativen Charakter 1 . Dennoch war es noch i m Jahre 1962 i n 14 der 50 Einzelstaaten der Union möglich, daß weniger als 20 °/o der repräsentierten Bevölkerung 2 i n wenigstens einem der beiden Häuser 8 der Legislative eine absolute Mehrheit bilden und so theoretisch die Gesetzgebung des Einzelstaates kontrollieren konnten. I n insgesamt 40 Staaten bestand diese Möglichkeit für einen Bevölkerungsanteil von weniger als 35 % 4 . Fünf Jahre später wurden nur noch drei einzelstaatliche Abgeordnetenhäuser von weniger als 45 °/o kontrolliert, i n nicht einem einzigen Haus konnten Abgeordnete die absolute Mehrheit erringen, die weniger als 40 % der Bevölkerung repräsentierten 5 . Diese überaus rasche Änderung einer Situation, die sich ständig weiter zum Nachteil bestimmter Bevölkerungsteile verschärft hatte und die eine direkte Folge der extrem verschieden großen Wahlkreise — aus der englischen Geschichte geläufig unter dem Stichwort „rotten boroughs" — darstellte, war nicht das Ergebnis des normalen demo1 F ü r den deutschen Sprachraum grundlegend hierzu i m m e r noch Fraenkel: Das amerikanische Regierungssystem, 1962, u n d Loewenstein: Verfassungsrecht und Verfassungspraxis der Vereinigten Staaten, 1959, ersterer politikwissenschaftlich, letzterer mehr rechtswissenschaftlich orientiert. 2 Die Repräsentation der gesamten Bevölkerung eines Wahlkreises — nicht etwa n u r des Teils, der f ü r den siegreichen Kandidaten seine Stimme abgab — bildet die theoretische Grundlage des amerikanischen relativen Mehrheitswahlsystems. Ob bei der Wahlkreisgleichheit die Gesamtbevölkerung oder die wahlberechtigte Bevölkerung zur Grundlage gemacht w e r den muß, ist ein T e i l p u n k t i m Streit u m die Wahlkreisgleichheit. Siehe dazu T e i l I I I B. 3 A l l e i n Nebraska hat n u r ein Haus. I n i h m bildeten 1962 36,6 °/o eine absolute Mehrheit. 4 Vgl. Boyd (für die National M u n i c i p a l League), Compendium on Legislative Apportionment (1962). 6 Siehe A n m . 4, ferner Dixon, Democratic Representation 560 - 628.
2*
20
Einleitung
kratisch-politischen Prozesses. Sie wurde vielmehr bewirkt durch eine demokratisch gerade nicht — oder nur sehr indirekt — legitimierte Institution: den United States Supreme Court. I n einer Serie von Entscheidungen stellte das oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten i m Jahre 1964 die Verfassungswidrigkeit der Wahlkreisgesetze von dreizehn Einzelstaaten fest. Zugleich erklärte es sich m i t den Maßnahmen der Untergerichte einverstanden, die durch eine Anzahl von Verfügungen (orders) und anleitenden Erklärungen (views, guidelines) die Legislativen zu zwingen i m Begriff waren, ihre Wahlkreise so einzuteilen, daß sie alle i n etwa die gleiche Bevölkerungszahl aufwiesen (Reynolds
v. Sims ß
u. a., 1964). M i t seinen E n t -
scheidungen, die inhaltlich m i t dem Schlagwort „one man — one vote" knapp, wenn auch unvollständig gekennzeichnet werden können, aktivierte der Supreme Court sein latentes Potential als „policy-maker" 7 i m amerikanischen Verfassungssystem und übertrug darüber hinaus den Bundesgerichten — zum zweiten M a l innerhalb einer Generation 8 — die „policy-execution". Die Gerichte haben sich die Entscheidung zu aktivem Eingreifen i n das politische Kräftefeld wegen des delikaten Verhältnisses von Judikative und Legislative einerseits und von Bundesgerichtsbarkeit und föderalem einzelstaatlichem Hoheitsbereich andererseits nicht leicht gemacht. M i t der sogenannten Colegrove Doktrin, die weithin als Teil einer umfassenderen „political question doctrine" angesehen worden ist, 6 Die behandelten Gerichtsentscheidungen sind i m Entscheidungsregister erfaßt. Die Stellen, an denen i n dieser Schrift genauer auf sie eingegangen w i r d , sind dabei hervorgehoben. 7 Angesichts seiner mangelnden demokratischen Legitimation setzt sich das Gericht damit stets naturgemäß dem V o r w u r f aus, u n - w e n n nicht a n t i demokratisch zu handeln. Von der Tatsache allerdings, daß der Supreme Court als „policy-maker" w i r k t , w i r d i n den USA allgemein ausgegangen. Vgl. etwa Dahl, Pluralist Democracy 164, 168 -170. Z u „ p o l i c y - m a k i n g " u n d „policy-execution" i m apportionment Bereich kurz Loewenstein, „Baker v. Carr: Policy Decision u n d der Supreme Court", i n : Festschrift für Fraenkel, S. 237 ff. Allerdings geschieht richterliches „ p o l i c y - m a k i n g " nie losgelöst v o n den ökonomischen u n d politischen K r ä f t e n i n der Gesellschaft u n d dem gruppendynamischen K o n t e x t i m Gericht — ja, ist oftmals selbst n u r die (geschickt von außen herbeigeführte) Übernahme vorformulierter u n d i n der Öffentlichkeit wie der Fachpresse forcierter Argumentationsmuster. Vgl. dazu die i n s t r u k t i v e n Beiträge von Vose, „ N A A C P Strategy i n the Covenant Cases" u n d von M u r p h y , „Marshaling the Court", beide i n : Scheier (ed.): P o l i c y - M a k i n g i n American Government, 1969. Z u r jeweiligen Intensität von richterlichem „ p o l i c y - m a k i n g " unter den Chief Justices W a r ren u n d Burger vgl. neuestens das Jahrestreffen der Western Political Science Association i n Denver, Colorado, v o n 1974 unter dem Thema „ T h e Burger Court: New Directions i n Judicial P o l i c y - M a k i n g " (23 Emory L J 643). 8 Zuerst i m Streit u m die Frage der Rassenintegration: B r o w n v. Board of Education, 347 U.S. 483 (1954).
Α. Überblick u n d Aufgabe
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schienen sich die Gerichte i m Jahre 1946 festgelegt zu haben. Sie überließen die parteipolitisch brisante Frage der Änderung der Wahlkreiseinteilung, die unter dem relativen Mehrheitswahlrecht sehr oft von wahlentscheidender Bedeutung ist, ausdrücklich den Politikern. Den betroffenen Wählern empfahlen sie, Abhilfe über die politischen Verfahren der Kandidatenauswahl, des parlamentarischen Gebens und Nehmens, des Volksbegehrens, des Volksentscheids oder der Verfassungsänderung zu suchen. Justice Frankfurter faßte das i n Colegrove υ. Green (1946) kurz und treffend i n dem vielzitierten Satz zusammen: „Courts ought not to enter this political thicket 9 ." Den Umschwung brachte erst 1962 die Entscheidung Baker v. Carr, die von einigen Kommentatoren enthusiastisch m i t der weitreichenden historischen Entscheidung Marbury v. Madison auf eine Stufe gestellt worden ist 1 0 , i n der Chief Justice Marshall i m Jahre 1803 das richterliche Prüfungsrecht i n Anspruch genommen hatte. I n Baker erklärte das (inzwischen anders besetzte) Gericht unter der Führung von Chief Justice Earl Warren m i t Hilfe einer nach allen Regeln fall juristischer Unterscheidungstechnik gefaßten Begründung Fragen der Wahlkreiseinteilung für gerichtlich überprüfbar und lehnte zugleich die Anwendung der political question Doktrin auf diesen Sachbereich ausdrücklich ab. Damit begann die „reapportionment revolution". Innerhalb weniger Jahre arbeiteten die Gerichte nicht nur das grundsätzliche equal apportionment 1 1 — die Gleichheit der Wahlkreise gemessen an ihrer Bevölkerungszahl — rechtlich-theoretisch heraus, sondern sorgten gerade auch dafür, daß ihrer Forderung i n der politischen Praxis nachgekommen wurde. Da die Wahlkreiseinteilung grundsätzlich Aufgabe der Legislative und daher (mit Ausnahme der Vertreter i m Bundesrepräsentantenhaus) der davon selbst betroffenen Abgeordneten ist, mußten 9
Colegrove v. Green, 328 U.S. 549, 556. z.B. Loewenstein i n : Festschrift für Fraenkel, S. 272, oder Dixon, Democratic Representation 3. 11 Apportionment ist streng genommen n u r die A u f t e i l u n g v o n Abgeordnetensitzen auf Untergliederungen einer Gebietskörperschaft, also ζ. B. der 345 Sitze des Repräsentantenhauses auf die 50 Einzelstaaten der Union. Der A k t der Grenzziehung für die Wahlkreise innerhalb der Untergliederung u n d damit ihre Unterteilung selbst ist als districting zu bezeichnen. Solange die Untergliederungen — i n den Einzelstaaten zumeist die counties — u n angetastet blieben, stellte sich die Aufteilung, sollte sie entsprechend der Bevölkerungszahl geschehen, als eigentliches apportionment bzw. bei Neuaufteilung als reapportionment dar. Sobald infolge des Erfordernisses bevölkerungsmäßiger Gleichheit der Wahlkreise die Untergliederungsgrenzen nicht mehr als vorgegeben zu behandeln waren, w a r die insoweit unbeschränkte Wahlkreiseinteilung n u r noch districting bzw. redistricting. In der L i t e r a t u r w i r d jedoch der Ausdruck apportionment i m allgemeinen f ü r das districting mitbenutzt u n d nur, w e n n es darauf ankommt, genauer u n terschieden. 10
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Einleitung
sich die Richter vor allem gegen den hinhaltend zähen Widerstand der i n den einzelstaatlichen Legislativen fest etablierten Politiker und der hinter ihnen stehenden Interessengruppen durchsetzen. I m übrigen waren die Abgeordneten beider großer Parteien weder bereit, i m Zuge einer Neueinteilung solche Wahlkreise, die für ihre Partei als „sicher" galten, aufzulösen, noch hatten sie ein Interesse daran, anschließend möglicherweise gegeneinander kandidieren zu müssen. Andererseits konnten die Richter eine nach ihren „Erkenntnissen" allein verfassungsgemäße Wahlkreiseinteilung nicht i n der üblichen Weise dadurch herstellen, daß sie das angegriffene Wahlkreiseinteilungsgesetz für verfassungswidrig erklärten. Sie mußten vielmehr dem Gesetzgeber bestimmte positive Handlungen zur verfassungsrechtlichen Pflicht (mit Sanktionsdrohung) machen, u m so eine verfassungsgemäße Wahlkreisneueinteilung durch die Legislative zu erzwingen. Die zu diesem Zweck von Gerichten angeordneten Maßnahmen reichten von der Verkürzung der laufenden Legislaturperiode über die Drohung, Wahlen at-large anzuordnen 12 , bis zur eigenhändigen Neufestlegung von Wahlkreisgrenzen durch die Richter selbst. Stand daher i n den Jahren 1964 bis 1967 die Neueinteilung der Wahlkreise für die Abgeordneten zu den einzelstaatlichen Gesetzgebungskörperschaften (state legislative apportionment) i m Vordergrund des Interesses, so verlagerte sich der Schwerpunkt der Rechtsprechung danach auf das weite Gebiet des local government . Hier standen potentiell über 90 000 Verwaltungseinheiten zu gerichtlicher Überprüfung an, die i n Aufgabenstellung, Zusammensetzung und Wahlmodus sehr verschiedenartig sind 1 3 . Viele Gerichte zögerten, die i n den state legislative apportionment Fällen herausgearbeitete, simple Formel one man — one vote auf die Wahlkreiseinteilungen dieser lokalen Einheiten anzuwenden. Immerhin hatten viele ganz andere Funktionen als die einer gesetzgebenden Körperschaft, für die die Formel entwickelt worden war. Die — lange hinausgezögerte — Entscheidung des Supreme Court (Avery υ. Midland County , 1968), daß das one man — one vote Prinzip auf der lokalen Ebene gelte, warf deshalb mehr Probleme auf als sie löste: Welche Einheiten sind überhaupt betroffen? Gehören dazu außer Gemeindeparlamenten auch alle speziellen Verwaltungseinheiten wie police und fire boards, boards of education, public park authorities, sewage districts, etc.? Wie ist es bei freiwilliger Zusammenarbeit meh12 Bei Wahlen at-large bildet das gesamte Staatsgebiet einen einzigen Wahlkreis m i t der Folge, daß (im reinen Mehrheitswahlsystem) die siegreiche Partei i n der Regel sämtliche Abgeordneten stellt. 13 Nach Statistical Abstract 1963, at 415, waren es i m Jahre 1962 insgesamt 91185 Selbstverwaltungseinheiten, davon 34 678 school districts. Die restlichen 56 507 Einheiten entfielen auf counties, municipalities, townships u n d die mannigfachen special districts.
Α. Überblick u n d Aufgabe
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rerer Gemeinden i n solchen speziellen boards, die von gewählten Vertretern mehrerer Gemeinden besetzt werden? usw. I m Zuge der Erörterung dieser Fragen rang sich eine Mehrheit des Gerichts 1970 dazu durch, reapportionment Probleme allein über den individuellen, verfassungsrechtlichen Anspruch auf Wahlgleichheit zu lösen, wie es Justice Black schon zu Beginn der apportionment Rechtsprechung i n einem langen dissenting opinion formuliert hatte: No one w o u l d deny that the equal protection clause w o u l d . . . prohibit a l a w that w o u l d expressly give certain citizens a half vote and others a f u l l vote. . . . The constitutionally guaranteed r i g h t to vote and the right to have one's vote counted clearly i m p l y the policy that state election systems, no matter w h a t their form, should be designed to give approximately equal weight to each vote cast 1 4 .
I n Hadley υ. Junior College District (1970) legte das Gericht fest, die equal protection clause der Bundesverfassung erfordere, daß „equal numbers of voters can vote for proportionally equal numbers of officials". Damit schien allen Spekulationen und Befürchtungen, daß m i t der reapportionment Rechtsprechung die Richter die parteipolitischen Gewichte verteilen würden, der Boden entzogen zu sein, wenn auch die Probleme kaum weniger geworden waren. Richterliches apportionment schien nicht mehr auf die Frage hinauszulaufen, was oder wer repräsentiert werden soll. Das Problem der Differenzierung der Wahlgleichheit nach inhaltlichen Kriterien schien umgangen. Die formale, aber absolute Stimmengleichheit bei jeglicher Wahl zu einem öffentlichen A m t war hier postuliert worden. Ob sich die Gerichte bei konsequenter Beschränkung auf dieses simple Erfordernis strikter numerischer Gleichheit aus der politischen „Schußlinie" hätten bringen können, ob sie sich so (wieder?) auf eine „rein richterliche" Funktion hätten zurückziehen können, oder ob sich auch dann nur der Bezugspunkt ihres „political judgment" gewandelt hätte, w i r d i m Anschluß an die Analyse der Rechtsprechung zu überdenken sein. Die Entscheidungen seit 1971 zeigen, daß der „neue" Supreme Court m i t vier von dem republikanischen Präsidenten Nixon ernannten Justices die mögliche Beschränkung seiner richterlichen „Erkenntnisakte" auf die i n Hadley dargelegten formalen Kriterien nicht beibehalten hat. Die Frage der „effective representation" (wessen? und wie?) ist m i t der inhaltlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Stimmabgabe i n Großwahlkreisen m i t mehr als einem Abgeordneten auch für die Gerichte wieder problematisch geworden. Die hier grob skizzierte Entwicklung der reapportionment Rechtsprechung der einzelstaatlichen (state courts) und (wegen der primär 14
Black i n Colegrove at 569/70, 571.
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Einleitung
verfassungsrechtlichen Problematik) vor allem der Bundesgerichte (federal courts) w i r d i m Hauptteil dieser Studie kritisch dargestellt. Dies geschieht allein unter juristischem Blickwinkel. Dafür sind zwei Gründe ausschlaggebend gewesen: 1. Jede politikwissenschaftliche Erörterung der m i t der reapportionment Rechtsprechung aufgeworfenen staatsrechtlichen Probleme bedarf der Feststellung des juristischen, besonders des verfahrensrechtlichen und verfahrenstatsächlichen Tatbestandes, w i l l sie auch für Richter und andere Juristen einleuchtend sein und auf die Praxis der i n diesem Bereich tätigen Personen zurückwirken 1 5 . Eine solche, m i r gerade für eine sozialwissenschaftlich fundierte staatsrechtliche Analyse notwendig erscheinende umfassende Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes soll hier erfolgen. Sie soll damit den Boden bereiten für eine breite, auch von (hiernach „juristisch" informierten) Nichtjuristen getragene Bewertungs- und Folgendiskussion, die dann zu konkreten Problemlösungsvorschlägen i m rechtlichen wie i m politischen Bereich unter Beachtung der sozioökonomischen Zusammenhänge durchdringen kann. 2. Auch für eine rechtsvergleichende Studie ist die Darstellung der reapportionment Rechtsprechung notwendiger Bestandteil. Eine Rechtsvergleichung schon jetzt durchzuführen, hätte zum einen bedeutet, die i n sich relativ abgeschlossenen juristischen Befunde noch für einen längeren Zeitraum der Fachöffentlichkeit vorzuenthalten. Es hätte zum anderen diese ohnehin umfangreiche Untersuchung ganz erheblich anwachsen lassen. Denn: Wollte diese Studie wirklich vergleichend sein, hätte sie die sozialen und politischen Wurzeln der apportionment Rechtsprechung eingehend darlegen müssen, u m erst dann über einen Vergleich auf der soziologischen und rechtsstilistischen Ebene zu einer fundierten Rechtsvergleichung m i t konkreten Lösungsvorschlägen zu gelangen 16 . 15 I n den zu knappen juristischen Ausführungen sehe ich ζ. B. ein (von der Aufgabenstellung her w o h l notwendiges) Manko der politikwissenschaftlichen Dissertation Klaus Hopts: Die A u s w i r k u n g e n der Entscheidungen des Supreme Court i n Baker v. Carr auf das politische System der USA, veröffentlicht als: Die D r i t t e Gewalt als politischer Faktor — Eine Fallstudie zur Reform der Wahlkreiseinteilung i n den USA, Schriften zum ö f f e n t lichen Recht, Bd. 108, 1969. 16 Vgl. zu Z i e l u n d Methode Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, Bd. I, S. 5 ff., bes. S. 11, 72 ff., bei denen m i r allerdings (trotz des Bekenntnisses S. 77/78) die Bedeutung der Rechtssoziologie doch etwas zu kurz zu k o m men scheint. Dies mag an den Eigenheiten des Privatrechts liegen. Das öffentliche Recht w i r d jedenfalls i n besonderem Maße u n d besonders deutlich erkennbar von den gesellschaftlichen K r ä f t e n bestimmt. Wirtschaftliche Abläufe, soziale Zustände u n d politische Ideen bestimmen die öffentlichrechtlichen Normen so sehr, daß auf Rechtssoziologie u n d Geschichte nicht verzichtet werden kann. Ä h n l i c h Kaiser u n d Bernhardt, ZaöRV 24 (1964), 401/2 bzw. 438, einschränkend allerdings Strebel, ebendort, 411/2. Ge-
Α. Überblick u n d Aufgabe
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Da die Weite des Problemfeldes „apportionment" eine juristische Grundlegung aller i n diesem Bereich weiterführenden Arbeiten, seien sie rechtlich-sozialwissenschaftlich, politikwissenschaftlich (auch vergleichenderweise) oder rechtsvergleichend, ohnehin erforderlich macht, scheint m i r die hier vorgenommene Beschränkung gerechtfertigt zu sein. Allerdings habe ich versucht, von vornherein nicht abstrakt die rechtlichen Ergebnisse des Entscheidungsprozesses wiederzugeben und i n ebenso abstrakte rechtsdogmatische Erörterungen einzubinden, sondern habe mich bemüht, die Entscheidungen, jedenfalls des Supreme Court an den entscheidenden Wendepunkten, als die Ergebnisse der staatstheoretischen Auffassungen („Vorverständnisse") und (teilweise) der Lernprozesse der die Entscheidung treffenden Personen, der Richter also, darzustellen. Gerade das Verfassungsrecht ist politisches Recht und als solches von den sich stets wandelnden, daher veränderbaren politischen Vorstellungen und Wünschen der i n dem so verfaßten Staat lebenden Bevölkerung beeinflußbar. Die Richter nehmen als zumeist sehr bewußte Staatsbürger an diesen Prozessen teil — und sind deshalb grundsätzlich den Bemühungn der Wissenschaft gegenüber, seien sie Erkenntnis (im Sinne von Bewußtmachung) oder offen politischer Gestaltungsvorschlag, aufgeschlossen. Das ermutigt mich, die bei der Darstellung der reapportionment Rechtsprechung erkennnbar werdenden staatsrechtlichen Probleme weiterer Erörterung für wertzuhalten. I h rer bedürftig sind sie vom Standpunkt „reiner Erkenntnis" ohnehin 1 7 . I m letzten Teil dieser Untersuchung w i r d deshalb der Versuch unternommen, die Diskussion durch (aus der Rechtsprechungsanalyse heraus) begründete Hypothesen voranzubringen. Schon an dieser Stelle möchte ich indessen auf einige Aspekte aufmerksam machen, die m i r auch für den deutschen Juristen das Befassen rade die Offenheit des Ansatzes der „funktionalen Rechtsvergleichung" (etwa Scharpf, Politische Kosten, S. 12/13) erlaubt es hier, „ w i r k l i c h k e i t s nah" zu arbeiten. 17 Wie wenig bekannt allein die wissenschaftliche Herausarbeitung der political question D o k t r i n (siehe Scharpf, unten A n m . 19) auch heute noch ist und w i e rasch die Unkenntnis des Verfahrensrechts des anderen Landes zu Fehlurteilen verführt, offenbaren die Aussagen zweier hervorragender Sachkenner, jedenfalls der A r b e i t des Bundesverfassungsgerichts: 1. „ M a n fragt hier (in den USA) nicht w i e bei uns nach der Justitiabilität der anzuwendenden Verfassungsnorm, sondern einfach danach, ob die zur Beurteilung vor den Gerichtshof gelangte Frage einen politischen oder gar hochpolitischen Charakter hat. Glaubt das Gericht, diese Frage bejahen zu müssen, so w i r d der F a l l zur Entscheidung nicht angenommen." (Leibholz i n DVB1 1974, 398). 2. „ U n l i k e the U.S. Supreme Court the German Constitutional Court cannot refuse to decide a case properly before i t on the ground that i t presents a ,political question 4 ." (Rupp-v. Brünneck, 20 A m J Com L (1972), at 401 n. 51.) Insoweit ist die Diskussion über den Stand von 1961 — W D S t R L 20, 118 (Leibholz), 120 (Ipsen), 121 (Friesenhahn), 128 (Draht) — doch w o h l noch nicht hinausgekommen.
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Einleitung
m i t der amerikanischen reapportionment Rechtsprechung als lohnenswert erscheinen lassen. Zunächst einmal geht es u m das Verhältnis des Richters zum „Politischen". I n den reapportionment Fällen w i r d es für jeden einzelnen amerikanischen Richter zu einer praktischen Frage. I n Deutschland ist es vor allem Gegenstand theoretischer Überlegungen gewesen, die etwa i n der Statusdenkschrift des Bundesverfassungsgerichts durch die A b grenzung der „politischen Rechtsstreitigkeiten" von den „rein politischen Streitigkeiten" ihren Ausdruck gefunden haben 18 . Die reapportionment Rechtsprechung gibt Anlaß zu der Frage, ob eine Ausgrenzung von „rein politischen" Fragen materiell-rechtlich möglich ist, oder ob nicht die Gerichte mangels Identifizierbarkeit solcher Fragen und damit der praktisch-inhaltlichen Unterscheidbarkeit von Rechtsstreitigkeiten und politischen Streitigkeiten auf funktionelle Gesichtspunkte allein verwiesen werden müssen. Die hierfür einen Ansatzpunkt bietende political question Rechtsprechung des Supreme Court hat Fritz Scharpf 19 für die Zeit bis 1964 untersucht und die Versuche i n der amerikanischen Literatur, eine adäquate D o k t r i n zu entwickeln, einer kritischen Analyse unterzogen. Seine Aufarbeitung ist für meine Ausführungen über die verschiedenen political question Theorien grundlegend gewesen 20 . Das Verständnis der Funktion der Judikative, wie sie i n der amerikanischen Praxis deutlich wird, kann ferner Aufschluß darüber geben, wann und inwieweit die Gerichtsbarkeit, unabhängig von positivrechtlichen Ermächtigungen, für die Durchsetzung ihrer Urteile i n der 18 Statusdenkschrift, abgedruckt i n JöR N. F. 6, 144, fußend auf dem Statusbericht Leibholz', JöR N. F. 6, 120; ferner die zusammenfassenden D a r stellungen von Roellecke: P o l i t i k u n d Verfassungsgerichtsbarkeit, 1961, u n d W i t t i g , „Politische Rücksichten i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts?", Staat 1969, 137 ff.; neuestens nochmals Leibholz, „Das B u n desverfassungsgericht i m Schnittpunkt v o n Recht u n d P o l i t i k " , DVB1 1974, 396 ff. 19 Scharpf: Grenzen der richterlichen Verantwortung, 1965. Scharpf geht auf die soeben gestellte Frage selbst allerdings nicht ein. Sie ist v o n Ehmke auf der Staatsrechtslehrertagung 1961 gestellt, aber nicht beantwortet w o r den; vgl. „Prinzipien der Verfassungsinterpretation", W D S t R L 20, S. 53 ff. (75/76) u n d Diskussionsbeitrag S. 122. Seither hat Walter Haller die Zusammenstellung bis 1970 weitergeführt (Supreme Court u n d P o l i t i k i n den USA, 1972, S. 186 -188, 220 - 222 zum V i e t n a m - K r i e g ; S. 282 - 288 zur Zulassung A d a m Clayton Powells als Kongreßabgeordneter; S. 214-217 zur Anerkennung der Verstaatlichung einer Zuckerfirma auf Kuba), ohne allerdings neue theoretische Aspekte aufzufinden. Dolzer (Die staatstheoretische u n d staatsrechtliche Stellung des Bundesverfassungsgerichts, 1972) behandelt zwar die political question D o k t r i n zu wenig differenziert (S. 100 -107), stellt aber einige der auch m i r aussichtsreich erscheinenden amerikanischen Ansätze zu einer Theorie des Politischen i n der Rechtsprechung i m wesentlichen richtig dar (S. 59/60, 69 - 71). 20 Siehe unten, T e i l I B. 1. a) - c).
Α. Überblick und Aufgabe
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„Wirklichkeit" — das umfaßt die Exekutive ebenso wie die Legislative — selber Sorge tragen darf oder muß. Die entsprechende Diskussion i n der Bundesrepublik, die insbesondere m i t den Veröffentlichungen von Christoph Böckenförde 21 und Hans Hugo K l e i n 2 2 verbunden ist, betraf gerade auch den Wahlkreisbeschluß des Bundesverfassungsgerichts i m Jahre 196323. Hier dürfte die Rechtsprechung der amerikanischen Gerichte geeignet sein, einerseits zusätzlichen Anlaß zum grundsätzlichen Überdenken traditioneller Auffassungen 24 von der Aufgabe der dritten Gewalt zu geben, andererseits aber auch die Diskussion von der Orientierung an der Grenzsituation einer Existenzbedrohung des Staates 25 zu befreien. Aber auch die inhaltlichen Probleme von Wahlkreiseinteilung und Wahlgleichheit sind für die deutsche Situation nicht uninteressant. Wenn auch amerikanische Lösungen nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können, so schärft doch (bei der Ä h n lichkeit beider Länder angesichts ihres wirtschaftlichen Entwicklungsstandes und der Wert- und Zielvorstellungen ihrer Bevölkerung) die Beschäftigung m i t diesen Problemen den Blick für die Fragen, die bislang m i t der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeswahlgesetz bestenfalls aufgeworfen sind, ganz zu schweigen von der direkten Relevanz, die der reapportionment Rechtsprechung für alle Überlegungen zukommt, auch i n der Bundesrepublik das rela21 Böckenförde: Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, 1966, bes. S. 129 -138; siehe dazu die Besprechung des Buches durch Häberle i n D Ö V 1966, 660 ff. 22 Klein, Hans Hugo: Bundesverfassungsgericht u n d Staatsraison, 1968, bes. S. 12, 33 ff. 28 BVerfG, Beschluß v o m 22.5.1963 — 2 B v C 3/62 — ; dazu Frowein, „Gleichheit der W a h l u n d Größe der Wahlkreise", D Ö V 1963, 857 ff., u n d Maurer: Die verfassungswidrige Bundestagswahl, 1969, S. 4 0 - 4 3 ; i m Z u sammenhang der übrigen Rechtsprechung umfassend Pestalozza, „Die Geltung verfassungswidriger Gesetze", AöR 96 (1971), 27 ff., bes. 53 A n m . 78, 55 A n m . 82, 68 (zu Fristsetzungen des Gerichts, hinter denen aber n u r die D r o hung stand, die angegriffene Regelung für verfassungswidrig zu erklären, nicht die Drohung, selbst neues Recht zu schaffen); wegen der „abschließenden Regelung" des B V e r f G G grundsätzlich ablehnend etwa Söhn, A n wendungspflicht, 1974, S. 54/55. 24 A u f diese Vorstellungen f i x i e r t zu sein scheint Knöpfle, DVB1 1969, 442, 443: Eine ungeschriebene Befugnis . . . zu gestaltenden A k t e n . . . könnte i n einer gewaltenteilenden Ordnung . . . allenfalls als „Staatsnotrecht" . . . f ü r den F a l l einer Staatskrise infolge einer Funktionsunfähigkeit oder -Willigkeit (z.B. „Verfassungsstreik") eines anderen obersten Staatsorgans i n Erwägung gezogen werden. — Anders w o h l Hans Hugo Klein, Staatsraison, S. 40f.; zur Ersetzung des Gewaltenteilungsschemas durch eine Funktionenordnung u n d zu den Sachverhalten der Funktionenverschränkung siehe Achterberg: Probleme der Funktionenlehre, 1970, bes. S. 107 ff. 25 So i n der Nachfolge Carl Schmitts ganz besonders Hans Hugo Klein, Staatsraison, S. 32, 37 u n d passim.
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Einleitung
tive Mehrheitswahlrecht einzuführen, sei es i n Einerwahlkreisen oder i n Großwahlkreisen, i n denen mehrere Abgeordnete gewählt werden 2 6 . B. Skizze des politisch-soziologischen Hintergrunds Angelpunkt einer politikwissenschaftlichen wie einer rechtsvergleichenden Analyse des sogenannten malapportionment und des sich erst m i t Hilfe der Rechtsprechung durchsetzenden reapportionment scheint m i r die mit der Industrialisierung verbundene Urbanisierung Amerikas zu sein. Ohne dies ausführen zu wollen, sollen hier i n geraffter Form die für ein Verständnis der Dringlichkeit der Probleme notwendigen Fakten referiert und (teilweise) interpretiert werden. I m Jahre 1870 lebten i n den damaligen USA 96 °/o der Bevölkerung auf Farmen. Es gab nur wenige Kleinstädte und nicht eine einzige Großstadt. I m Jahre 1960 dagegen war die Farmbevölkerung schon auf 8 % abgesunken; mehr als zwei Drittel der Amerikaner lebten i n der Stadt, d. h. i n cities und towns m i t einer Einwohnerzahl von über 250027. Die Stadtbevölkerung des Jahres 1960 war bereits so groß wie die Gesamtbevölkerung i m Jahre 193028. Die Wahlkreiseinteilung hat dieser Bevölkerungsumschichtung nicht Rechnung getragen. Die traditionell dominierende Mehrheit der die ländliche Bevölkerung vertretenden Abgeordneten hat sie vielmehr zunächst bewußt ignoriert und dann sogar i h r politisches Gewicht durch Änderung des Wahlrechts aktiv zu vermindern gesucht. Schließlich haben die etablierten Politiker dort, wo eine Anpassung gar nicht zu vermeiden war, ihre Vormachtstellung m i t anderen institutionellen Neuerungen (bis heute erfolgreich) abgesichert: Solange die Einzelstaaten agrarisch ausgerichtet waren, blieb die Zahl der Repräsentanten auch i n jenen Einzelstaaten i n etwa proportional zur Bevölkerungszahl, i n denen die Verfassung nicht, wie i n den meisten Staaten, die Bevölkerung ausdrücklich zur Grundlage für die Wahlkreiseinteilung erklärte. I n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte jedoch mit dem Beginn der Industrialisierung der Bevölkerungszuwachs i n den Industriegebieten ein. Er resultierte zum einen aus der beginnenden „Landflucht", zum anderen aus dem stark an26 Vgl. zur Frage der Einführung der Mehrheitswahl i n der Bundesrepub l i k vor allem den Bericht des v o m Bundesinnenminister i m Jahre 1967 eingesetzten Beirats für Fragen der Wahlrechtsreform: Z u r Neugestaltung des Bundeswahlrechts, 1968, u n d die maßgebenden Gegenargumente bei v. der V r i n g : Reform oder Manipulation?, 1968, u n d Hans Meyer: Wahlsystem u n d Verfassungsordnung, 1973. 27 Statistical Abstract 1963 at 20. 28 Weaver, The Future of the American City 4.
Β . Skizze des politisch-soziologischen Hintergrunds
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schwellenden Strom der Einwanderer, der zwischen 1870 und 1890 über 11 Millionen arbeitsuchende Menschen (bei einer Gesamtbevölkerung i m Jahre 1880 von rund 50 Millionen) zusätzlich ins Land brachte. Diese Entwicklung hätte entweder eine bevölkerungsproportionale Neuverteilung der Sitze auf die Wahlkreise oder aber eine neue Wahlkreiseinteilung erfordert. Beides wurde jedoch, i n den meisten Staaten sogar entgegen ausdrücklicher Anordnung zu periodischem reapportionment i n der Verfassung 29 , nicht getan. I m Gegenteil: Gerade die von der Industrialisierung besonders betroffenen einzelstaatlichen Legislativen, deren Abgeordnete bisher von Wahlkreisen m i t gleicher Bevölkerungszahl gewählt worden waren, strichen dieses Erfordernis aus ihrer Verfassung. Stattdessen legten sie die Gebietskörperschaften — counties, townships — als unveränderliche Wahlkreise fest m i t der Maßgabe, daß zunächst jede einzelne Gebietskörperschaft von einem Abgeordneten repräsentiert werden müsse und erst die noch übrigen (wenigen) Sitze, deren Gesamtzahl zugleich eingefroren wurde, entsprechend der Bevölkerungszahl auf die Wahlkreise zu verteilen seien 30 . Hier ging es also ganz deutlich darum, die Vorherrschaft der ländlichen Bevölkerungskreise zu sichern 81 und damit zugleich den von ihnen gewählten Abgeordneten die Sitze zu erhalten. Ähnliche Vorgänge lassen sich i m Bundeskongreß nachweisen: I m Jahre 1910, dem letzten Jahr, i n dem der Zensus eine Mehrheit für das ländliche Amerika auswies, führte der Kongreß das Senioritätsprinzip für die Besetzung des Amtes des Ausschußvorsitzenden ein 8 2 m i t der Folge, daß die m i t sicherer Mehrheit stets wiedergewählten Abgeordneten aus den agrarischen Landstrichen des Südens und mittleren Westens das parlamentarische Heft bis vor wenigen Jahren i n der Hand 29
So i n Alabama, Illinois, Iowa, Michigan, Minnesota u n d Tennessee. So Pennsylvania schon 1874, New Y o r k 1894, Ohio 1903; siehe i m einzelnen McKay, Reapportionment 275 - 475 (Appendix). 81 E i n politisches Indiz dieser Bewegung ist auch das A u f k o m m e n der Populisten, die i n der W a h l v o n 1892 mehr als 1 M i l l i o n Stimmen — vor allem i n den ländlichen Gebieten des M i t t l e r e n Westens — f ü r ihren P r ä sidentschaftskandidaten, James B. Weaver, erhielten u n d die Governors i n N o r t h Dakota, Kansas u n d Colorado stellten. 82 Den G r u n d f ü r die Einführung des seniority system (Erhaltung der Vormacht des ländlichen Amerika) leugnet auch Alexander M. Bickel nicht, obwohl er 1968, gerade wegen der reapportionment Fälle, die i h m das government by consent zu zerstören geeignet scheinen, f ü r die Erhaltung dieser die A r b e i t des Kongresses i n entscheidendem Maße bestimmenden Einrichtung plädiert: „They (seniority and committee systems) reward length of service and expertise, as i n one fashion or another a l l legislatures . . . must. Long tenure is, i n turn, most often the gift of a homogeneous district, which w i l l tend also to liberate a Congressman from the varied concerns of a closely devided and diverse constituency, and thus enable h i m to specialize singlemindedly i n a branch of legislative business." (Bickel, The New Age of Political Reform 11). 80
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Einleitung
behalten haben. Nach dem nächsten Zensus (von 1920) führte das Repräsentantenhaus zum ersten M a l das i n der Verfassung vorgeschriebene reapportionment 3 3 nicht sofort durch. Erst 1929, also bereits kurz vor dem folgenden Zensus, wurde ein reapportionment act verabschiedet, der zudem das Erfordernis der WahlkreisgfleicTiheit nicht mehr enthielt. 1921 begann der Kongreß zudem, die das Anwachsen der Stadtbevölkerung mitverursachende Einwanderung durch Festlegung von Nationalitätsquoten zu steuern und (vor allem) damit drastisch zu beschränken. Die Bevölkerungsumschichtung bei unveränderter und gegen Änderungen zusätzlich abgesicherter Wahlkreiseinteilung hatte zum Teil groteske Folgen 3 4 : Los Angeles County hatte zum Beispiel i m Jahre 1960 über 6 Millionen Einwohner, während i m 28. Distrikt nur 14 294 Menschen lebten. Dennoch waren beide Distrikte gleichberechtigt durch einen Abgeordneten i m Senat Kaliforniens vertreten. Die Stimme eines Wählers i m ländlichen 28. Distrikt hatte damit ebensoviel Gewicht wie die Stimme von 422 Wählern i n der Stadt Los Angeles zusammen. Ein anderes extremes Beispiel findet sich i n Vermont. Dort w a r traditionell jeder Ort m i t einem Abgeordneten i m Repräsentantenhaus vertreten — der kleinste Flecken m i t 24 Personen ebenso wie die größte Stadt m i t 35 531 Einwohnern. Wenn dies auch zwei besonders krasse Fälle sind, so zeigen doch alle Statistiken, daß ähnliche Beispiele — sogar noch 1963/64 — i n sämtlichen Einzelstaaten zu finden waren. Inzwischen hat sich der Trend umgekehrt. Der 1960er Zensus ergab, daß seit 1950 acht von Amerikas zehn größten Städten Einwohner verloren hatten. Die bisher noch i n den Großstädten dominierende middle class zieht hinaus i n die Vororte, die suburbs. Der Prozentsatz der Großstadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung verringert sich ständig. Zur Zeit der Wende der reapportionment Rechtsprechung (1962) hatte sich daher neben der traditionell überrepräsentierten Landbevölkerung und den ebenso traditionell unterrepräsentierten Großstädtern die nun oft am stärksten unterrepräsentierte Gruppe der Bewohner Suburbias gebildet. Letztere klagten denn auch i n den Reapportionment Cases. Da die ländliche Bevölkerung i n der Regel die traditionell i m jeweiligen Einzelstaat vorherrschende Partei wählt, wurden i n den Süd- und i n den Grenzstaaten die Demokraten, i n den Nordstaaten überwiegend 33 A r t . I, See. 3: Representatives . . . shall be apportioned among the several States . . . w i t h i n every subsequent T e r m of ten Years . . . . 34 M c K a y , Reapportionment 46/47 (Statistics).
Β . Skizze des politisch-soziologischen Hintergrunds
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die Republikaner begünstigt. Die Abwanderung des Mittelstandes i n die suburbs w i r k t e sich besonders für die Republikaner zum Nachteil aus 36 , so daß die Republikanische Partei insgesamt gesehen von einem reapportionment nur profitieren konnte. Eine entweder von der jeweils am Ruder befindlichen Partei oder von den langjährigen Parlamentariern beider Parteien i n Komplizenschaft geübte Manipulation der Machtverhältnisse ist das „gerrymander i n g " 3 6 . Diese i m deutschen Sprachraum sog. Wahlkreisgeometrie hat m i t dem Grundsatz der gleichen Größe der Wahlkreise zwar an sich nichts zu tun. Wenn man die reapportionment Entscheidungen aber, wie es manche Kommentatoren schon i m Anschluß an Chief Justice Warrens dictum i n Reynolds (1964) getan haben, auf „fair and effective representation" hinzielend betrachtet und nicht auf die formale Gleichheit des Zählwerts der Stimmen reduziert, dann stellt sich m i t der i n haltlichen Repräsentationsproblematik auch die des parteipolitischen gerrymandering. Die Gefahr, daß die Richter i n das gefürchtete „politische Dickicht" eindringen müssen, ist bei der Behandlung dieser Fragen besonders groß. Die Rechtsprechung des „neuen" Supreme Court unter Chief Justice Burger gibt bereits einen Vorgeschmack davon. War der Schlachtruf der amerikanischen Revolution „no taxation without representation", so kann das beschriebene malapportionment unter ähnlichem Gesichtspunkt gesehen werden. Die Conference of Mayors, die i n den 50er Jahren von ihren Bürgern als „second-class Citizens" sprach, schätzte z.B., daß 1960 die Bevölkerung der Städte 9 0 % aller Steuern zahlte, während sie nur zu 2 5 % i n den über die Verteilung der Steuern befindenden Legislativen repräsentiert war. Die Auswirkungen dieser Unterrepräsentation reichten von schlichtem Ignorieren aller spezifisch städtischen Probleme bis zur direkten finanziellen Bevorzugung der ländlichen counties bei der projektorientierten Verwendung des Steueraufkommens. Zwei Beispiele aus Klageschriften i n reapportionment Fällen mögen das verdeutlichen: 85
B o y d (für die National M u n i c i p a l League), passim; ausdrücklich auch Republican National Committee, Research Division, Congressional District i n g (1963) ; zu den politischen A u s w i r k u n g e n näher Note, „Reapportionment", 79 H a r v L Rev 1228 (1966), at 1238/9. 86 Dieses Abstecken der Wahlkreisgrenzen nach Gesichtspunkten der Bevorzugung einer u n d dementsprechender Benachteiligung anderer Parteien (sog. Wahlkreisgeometrie) simuliert eindrucksvoll f ü r den Bundestagswahlkreis Nr. 149 (Ahrweiler) v. der Vring, S. 257 ff. Der Begriff gerrymander ist ein Beispiel angelsächsischer Wortschöpfung i m politischen A l l t a g : Die v o n Governor Gerry i m Jahre 1812 nicht blockierte legislative Wahlkreiseinteil u n g von Massachusetts soll einen Journalisten an einen Salamander erinnert u n d i h n zu dem Ausspruch veranlaßt haben, hier handele es sich w o h l u m einen „Gerry-mander". Z u Wahlkreisgrenzziehung u n d gerrymandering siehe unten, T e i l I I I C.
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Einleitung
Die General Assembly von Tennessee vergab 1957/58 bei der Verteilung des county aid fund 57,9 % mehr Geld, als ihnen pro Kopf zugestanden hätte, an genau jene 23 ländlichen counties, die nach ihrer Bevölkerungszahl 23 direkte Abgeordnete zuviel i n der Legislative hatten. Umgekehrt erhielten die 10 städtischen counties, die 25 Repräsentanten zuwenig hatten, gleich 136,9 °/o (!) weniger Geld 3 7 . Niemand kann m i t Ernst behaupten, die Schulprobleme der Stadt New York seien weniger komplex und billiger zu lösen als die auf dem flachen Land. Eher gilt wohl noch das Gegenteil. Dennoch erhielt New York City aus dem einzelstaatlichen Unterstützungsprogramm 1961/62 für jeden Schüler des öffentlichen Schulsystems nur $ 197, während i m übrigen durchschnittlich $ 314 pro Schüler zugeteilt wurden 3 8 . Die Verhältnisse auf der Ebene der Gemeindeverbände sind nicht anders, ja oft noch grotesker, und dabei für den einzelnen Bürger viel klarer erkennbar. So ist es nicht verwunderlich, daß die Benachteiligten sich angesichts der komplizierten und langwierigen Verfahren von Volksbegehren oder Verfassungsänderung an die Gerichte wandten. Das waren die einzigen Institutionen, die ihnen i n absehbarer Zeit und m i t relativ geringem finanziellem Aufwand möglicherweise zu gleicher Repräsentation und damit zu einer ihrer Kopfzahl entsprechenden politischen Mitbestimmung verhelfen konnten. Dabei ging es zunächst darum, die i n den einzelstaatlichen Verfassungen festgelegten Rechte v o l l auszuschöpfen. Erst als sich zeigte, daß das nicht mehr ausreichte, weil die Verfassungen selbst die U n gleichheiten festgeschrieben hatten und die einzelstaatliche Gerichtsbarkeit den K o n f l i k t m i t ihrer Legislative scheute, legten die Kläger das X I V . amendment der Bundesverfassung, also den allgemeinen Gleichheitssatz, ihrer Klage zugrunde und aktivierten damit — i m Ergebnis erfolgreich — die Bundesgerichtsbarkeit für i h r Anliegen.
37 38
B r i e f for Appellants 13, Baker v. Carr, 369 U.S. 186 (1962). Transcript of Record 255, W M C A v. Lomenzo, 377 U.S. 633 (1964).
TEIL I
Malapportionment und richterliche Selbstbeschränkung Α. Die gerichtlichen Entscheidungen bis 1962 1. Uberblick über die Rechtsprechung in den Einzelstaaten
Die Rechtsprechung i n den Einzelstaaten zum Problem des reapportionment ist ausgesprochen unübersichtlich. I m Laufe der Jahre sind i n Aufsätzen und i n gerichtlichen Entscheidungen darüber Aufstellungen gemacht worden, i n welchen Fällen Gerichte es abgelehnt haben, Fragen der Sitzeverteilung zu entscheiden, und i n welchen sie die Entscheidung i n positivem oder negativem Sinne getroffen haben 1 . Aber Robert G. Dixon 2 hat schon den Finger auf die Wunde gelegt: Diese Zusammenstellungen führen sehr schnell i n die Irre, wenn sie nicht m i t größter Sorgfalt gelesen werden. Das gilt gerade auch für A r t h u r L. Goldbergs A r t i k e l „The Statistics of Malapportionment" (1962)3, auf dessen Aufstellungen i n neueren Publikationen häufig Bezug genommen wird 4 . Goldberg vermittelt die Vorstellung, als seien die Untergerichte zumindest teilweise erfolgreich gegen die Ungleichheit der Sitzeverteilung zu Felde gezogen. Das ist jedoch nicht richtig. Vielmehr sind von den bei i h m angeführten 29 Fällen einige durch die Entscheidung von Obergerichten aufgehoben worden, i n den meisten anderen Fällen sind keine die Entscheidung durchsetzenden, gerichtlichen A n ordnungen ergangen 5 . Nur i n zwei Fällen® haben die Gerichte überhaupt angeordnet, daß eine anstehende Wahl wegen der bestehenden Ungleichheit der Wahlkreise nicht durchzuführen sei. Ohne i m einzelnen darauf eingehen zu wollen, welche Gerichte i n welchen Fällen welche reapportionment Entscheidungen getroffen ha1 z.B. Walter, „Reapportionment and U r b a n Representation", 195 Annais 11 (1938); Lewis, „Legislative Apportionment and the Federal Courts", 71 H a r v L Rev 1057 (1958); Goldberg, „ T h e Statistics of Malapportionment", 72 Yale L J 90 (1961). 2 Dixon, Democratic Representation 104. 8 Goldberg, ibid. (Anm. 1). 4 z. B. auch bei Scharpf, Grenzen, S. 278. 5 Vgl. i m einzelnen Dixon, Democratic Representation 104/5. 6 Williams v. Wood, 162 S.W. 1031 (Ct. Civ. App. Texas 1914), u n d State v. Cunningham, 53 N.W. 35 (Wis. 1892).
3 Köpp
T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
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ben, soll doch folgendes festgehalten werden, u m die Bedeutung der neueren Entwicklung u m so klarer erkennbar zu machen: Die ungleiche Größe der Wahlkreise wurde i n vielen Fällen durch die (z. T. gerade zu diesem Zweck eingefügten) Repräsentationsbestimmungen i n der Verfassung der Einzelstaaten hervorgerufen 7 . Für das Oberhaus schrieben eine Reihe von Verfassungen vor, daß jede Gebietskörperschaft — i n der Regel die county — ohne Rücksicht auf die Zahl ihrer Einwohner einen Repräsentanten haben sollte. Dieses System w i r d als „federal model" bezeichnet, w e i l nach der Bundesverfassung jeder Einzelstaat ohne Rücksicht auf seine Einwohnerzahl zwei Senatoren i n den Senat der Vereinigten Staaten entsenden darf. Für das Unterhaus war zwar i n fast allen Verfassungen die Verteilung der Sitze grundsätzlich nach der Einwohnerzahl vorgesehen 8 . Dreißig Einzelstaaten schrieben aber darüber hinaus vor, daß jede Gebietskörperschaft wenigstens einen Abgeordneten entsenden durfte 9 . Da die vorgeschriebene Gesamtzahl der Sitze i n den meisten dieser Staaten die Zahl der Gebietskörperschaften nur u m wenige überstieg, blieben einfach nicht genügend Sitze übrig, u m den einwohnerstarken counties Sitze i m Verhältnis zur Größe ihrer Einwohnerzahl zuzuteilen 10 . Aber auch wenn nach der Verfassung eine gerechtere Sitzeverteilung möglich war, erreichten die Kläger ihr Ziel nicht. Sie scheiterten letztlich am Selbstinteresse der von den Änderungen betroffenen Abgeordneten 11 . Die Gerichte erklärten normalerweise ein reapportionment Gesetz nur für verfassungswidrig, ohne also positiv einen anderen apportionment Plan für verbindlich zu erklären. Das führte entweder dazu, daß das zeitlich zuvor geltende Gesetz anzuwenden war — m i t zumeist noch mehr Ungleichheit 1 2 — oder daß die Legislative i n der 7
Vgl. oben, T e x t zu A n m . 29 ff. (Einleitung). Vgl. die Tabelle bei M c K a y , Reapportionment 460 - 475. 9 Auch das w a r eine A r t „federal model", w e i l nach der Bundesverfassung jeder Staat Anspruch auf mindestens einen Sitz i m Repräsentantenhaus hat. 10 Vgl. z.B. Petuskey v. Clyde, 234 F.Supp. 960 (D. U t a h 1964), at 963: (It) is mathematically impossible to apportion upon a population basis a House of Representatives composed of not more t h a n ninety members and w i t h each county having at least one member. — Weitere Beispiele u n d Einzelheiten bei Hopt, Auswirkungen, S. 22 - 26. 11 Eine eingehende Fallstudie dazu bietet Shank, New Jersey Reapportionment Politics (1969). 12 Vgl. z.B. M o r a n v. Bowley, 179 N.E. 526 (1932): Der Apportionment A c t des Staates Illinois v o n 1931 f ü r KongreßWahlkreise, der ein MißVerhältnis von etwa 3 : 1 auf wies, w u r d e f ü r void erklärt, w e i l er den Reapportionment A c t des Bundes v o n 1911 verletze. Anwendbar sei deshalb der Illinois Apportionment A c t v o n 1901 — der aber hatte Differenzen von 8 :1. M i t t e n i n den Versuch, nunmehr den A c t v o n 1901 zu F a l l zu bringen, platzte die Entscheidung des Supreme Court, der Reapportionment A c t v o n 1911 8
Α . Entscheidungen bis 1962
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Weise tätig wurde, daß sie ein nur wenig geändertes Gesetz verabschiedete, das dann gleichfalls für verfassungswidrig erklärt werden mußte, usw. Nach einigem H i n und Her dieser A r t gaben es die Gerichte dann auf. So erklärte ein Gericht i n Massachusetts i m Jahre 1916, nachdem es auf die beschriebene Weise 13 die Ungleichheit von 6182 :1957 auf 4282 : 2427 vermindert hatte: W i t h some hesitation w e are brought to the conclusion that the inequalities of voting power between the several districts . . . are not quite so great and the means for avoiding t h e m are not quite so clear as to leave fair-minded men i n no reasonable doubt t h a t there is a grave and unnecessary inequality between the different districts 1 4 .
David O. Walter hat i m Jahre 193815 nicht einen einzigen Fall gefunden, i n dem ein Gericht das einzelstaatliche Gesetzgebungsorgan erfolgreich zu völlig verfassungskonformer Sitzeverteilung gezwungen hätte. Den Grund dafür erblickte er i m Prinzip der Gewaltenteilung, das den Gerichten verwehre, i n die Tätigkeit der Legislative einzugreifen, nicht einmal, „to force the legislature to perform a legislative duty, even if that performance is required by the constitution" 1 6 . Ohne eine andere, generelle Begründung liefern zu können, müssen doch Zweifel daran angemeldet werden, daß dieser Gesichtspunkt ausschlaggebend war, denn viele einzelstaatliche Gerichtsbarkeiten folgen dem i n der Bundesverfassung zum Ausdruck kommenden Prinzip der Gewaltenteilung nicht. Sie sehen ihre Funktion allein i n der Verfassung ihres Staates festgelegt m i t der Folge, daß sie teilweise auf Gebieten aktiv werden, welche politische Entscheidungen verlangen, die als solche normalerweise i m politisch legislativen Raum gefällt werden 1 7 . Festzustellen bleibt dennoch, daß die Gerichte der Einzelstaaten die legislative Sitzeverteilung nicht wirksam kontrolliert und sie den sei außer K r a f t getreten (siehe Wood v. Broom). Daraufhin entschied der Illinois Supreme Court, die Grundlage seiner bisherigen Entscheidung sei entfallen, u n d weigerte sich, w e i t e r h i n einzugreifen (Daly v. County of Madison, 38 N.E. 2d 160, 1941). 13 Attorney General v. Suffolk County Apportionment Commissioners, 113 N.E. 581 (1916); Donovan v. Suffolk County Apportionment Commissioners, 113 N.E. 740 (1916); Brophy v. Suffolk County Apportionment Commissioners, 113 N.E. 1040 (1916). 14 Brophy, ibid, at 1042. 15 Walter, „Reapportionment and U r b a n Representation", 195 Annals 11 (1938). 16 Ibid, at 13. 17 Vgl. Dixon, Democratic Representation 102/3, u n d dessen exemplarischer Hinweis auf die Praxis der Gerichte Virginias, i n gerichtlichen E n t scheidungen per court order den Städten U m l a n d zuzuteilen, Grenzen neu festzusetzen, finanzielle Beteiligungen der eingemeindeten Gebiete festzulegen, usw.; andererseits haben einige Einzelstaaten den Gewaltentrennungsgrundsatz ausdrücklich i n ihre Verfassung aufgenommen. 3·
T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
36
Grund dafür nicht auf den verfassungsrechtlichen Begriff haben.
gebracht
2. Die Supreme Court Entscheidungen von 1932
Die Bundesgerichtsbarkeit orientierte sich bis 1962 (Baker v. Carr) an der Supreme Court Entscheidung Colegrove v. Green (1946)18. Diese Entscheidung beeinflußte auch die Haltung der einzelstaatlichen Gerichte, denn das Ergebnis der nach ihr benannten D o k t r i n war Nichteingreifen der Gerichtsbarkeit i n die Wahlkreiseinteilung, wie sie die Legislative vorgenommen hatte 1 9 . Manche Kommentatoren sahen darin einen Teil einer umfassenden political question Doktrin, andere eine verfassungswidrige Rechtsverweigerung durch das höchste Gericht. Beide Gruppen übersahen aber bei der Generalisierung der gerichtlichen Ausführungen, daß gerade bei der Entscheidung Colegrove v. Green die i m Jahre 1932 ergangenen Entscheidungen des Gerichts i n apportionment Sachen eine erhebliche Rolle gespielt haben. N u r unter Beachtung der juristischen Feinheiten 2 0 kann die Haltung des Gerichts voll gewürdigt werden. Nach dem bundesweiten Zensus von 1930 waren die Sitze i m Repräsentantenhaus des Bundeskongresses entsprechend der Bevölkerungsverschiebung zwischen den Einzelstaaten neu verteilt worden. Bei dieser Neuverteilung, die aufgrund des alle 10 Jahre durchgeführten Zensus vorzunehmen ist, hatten zwei D r i t t e l der Einzelstaaten entweder Sitze hinzugewonnen oder Sitze verloren. Seit dem Jahre 1842 ist bundesgesetzlich vorgeschrieben, daß die Repräsentanten i n Wahlkreisen zu wählen sind 2 1 . Die Einteilung dieser Wahlkreise obliegt den Einzelstaaten. Nach den Apportionment Acts von 1872 und 1911 sollten die Wahlkreise unter anderem möglichst gleich groß sein 22 . Das neue Gesetz von 1929 enthielt jedoch diese Vorschrift, aus deren Verletzung der Kongreß allerdings auch bisher keinerlei Konsequenzen gezogen hatte, nicht mehr 2 3 . I n Staaten, deren Sitze vermehrt wurden, gab es politisch kaum Schwierigkeiten, wenn die Legislative es versäumte, eine neue Wahlkreiseinteilung zu verabschieden. Die zusätzlichen Repräsentanten konnten von der Gesamtbevölkerung gewählt werden, ohne daß die 18
Colegrove v. Green, 328 U.S. 549 (1946) u n d die Ausführungen i n T e i l I
A4. 19
K u r z dazu auch Hopt, Auswirkungen, S. 31 - 33. Z u den juristischen T e r m i n i siehe oben S. 16. 21 5 STAT. 491. 22 17 STAT. 280 (1872), 37 S T A T . 13 (1911): (T)he Representatives . . . shall be elected b y districts composed of a contiguous and compact territory and containing as nearly as practicable an equal number of inhabitants (§ 3, Sec. 3). 23 Vgl. oben, Text zu A n m . 33 (Einleitung). 20
Α. Entscheidungen bis 1962
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geographische Breite der Repräsentation wesentlich beeinträchtigt wurde. Hier führte deshalb auch nur eine einzige Klage über die einzelstaatliche Gerichtsbarkeit bis zum Supreme Court. Aus den Staaten, die Sitze verloren hatten, erreichten dagegen vier Klagen gegen die Neueinteilung der Wahlkreise den Supreme Court — zwei von einzelstaatlichen und zwei von Bundesgerichten. I n den drei Fällen, die über die Gerichtsbarkeiten der Einzelstaaten zum Supreme Court gelangten 24 , war es dem Gericht möglich, eine Entscheidung zu treffen, ohne die Frage nach der Justiziabilität von Problemen der Wahlkreiseinteilung eindeutig zu beantworten. Die Leitentscheidung ist Smiley v. Holm (1932)25. I n Minnesota hatte — ähnlich wie i n den Fällen aus Missouri und New York — der Governor sein Veto gegen das neue Wahlkreisgesetz eingelegt und war i n der Legislative nicht überstimmt worden. Die Antragsteller verlangten die Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes und eine injunction gegen seine Anwendung m i t der Begründung, (1) das Veto habe das Gesetz zu Fall gebracht und (2) das Gesetz verletze die Standards des Reapportionment Acts von 1911. Der Supreme Court von Minnesota 2 6 hatte entschieden, (1) daß legislative Akte, die die Wahlkreiseinteilung für Kongreßwählen betreffen, vom einzelstaatlichen Governor nicht durch ein Veto zu Fall gebracht werden könnten, und (2) daß der Reapportionment Act von 1911 wegen des neuen Gesetzes von 1929 außer K r a f t getreten sei. Letztere Feststellung war nötig, weil der Act von 1911 nicht nur Kriterien für die Wahlkreisgröße und -form festlegte, sondern auch eindeutig dem Argument Nr. 1 widersprach: „ . . . such State shall be redistricted i n the manner provided by the laws thereof . . . " (Sec. 4). I m übrigen, meinte das oberste Gericht Minnesotas, läge die Anwendung der Wahlkreiskriterien durch die Legislative jenseits richterlicher Überprüfbarkeit. Insbesondere könne das X I V . amendment der Bundesverfassung i n keiner Weise verletzt werden. Der Supreme Court hob dieses Urteil m i t einer allein auf die erste Feststellung bezogenen Begründung auf: Nichts i n der Bundesverfas24 Smiley v. Holm, 184 M i n n . 228, 238 N.W. 494, a f f d , 285 U.S. 355 (1932); Koenig v. Flynn, 258 N.Y. 292, 179 N.E. 705, a f f d , 285 U.S. 375 (1932); Carroll ν. Becker, 329 Mo. 501, 45 S.W. 2d 533, a f f d , 285 U.S. 380 (1932). 25 Smiley v. Holm, 285 U.S. 355 (1932). 26 State ex rei. Smiley v. Holm, 238 N.W. 494 (Berufung gegen order sustaining a demurrer; später Entscheidung des t r i a l court i n der Sache, affirmed v o m Minnesota Supreme Court ohne neue Begründung).
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T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
sung hindere einen Einzelstaat daran vorzuschreiben, daß legislative Akte, die den Staat für Kongreßwahlen einteilen, dem auch sonst gegen Gesetze möglichen Veto des Governors unterliegen 2 7 . Anschließend gab das Gericht als A n t w o r t auf die Frage, ob der Act von 1911 noch i n K r a f t sei, seine Meinung dazu kund, was nach dem 1930er Zensus i n den einzelnen Staaten zu geschehen hätte. Dabei spielte es alle drei Möglichkeiten durch: Sei die Anzahl der dem Einzelstaat zustehenden Sitze unverändert geblieben, könne es auch unter dem Reapportionment Act von 1929 bei der Wahlkreiseinteilung aufgrund des Reapportionment Acts von 1911 bleiben. Ein neues Wahlkreisgesetz sei nicht vonnöten. Habe sich die Anzahl der Sitze für einen Staat erhöht, so würden nach Art. I See. 2 2 8 der Bundesverfassung die zusätzlichen Repräsentanten „appropriately be elected by the State at large" 2 9 . I m dritten Fall — „as i n the case of Minnesota" —, wenn nämlich ein Einzelstaat weniger Sitze als bisher zu besetzen hat, sei die Lage anders, weil die bestehenden Wahlkreise überhaupt nicht zum neuen apportionment paßten: I t follows that i n such a case, unless and u n t i l new districts are created, a l l representatives allotted to the State must be elected b y the State at large. That w o u l d be required, i n the absence of a redistricting act, i n order to afford the representation to which the State is constitutionally entitled, and the general provisions of the A c t of 1911 cannot be regarded as intended to have a different import. This conclusion disposes of a l l the questions properly before the Court 3 0 .
Die Ungültigkeit der Wahlkreisgesetze von Minnesota hat der Supreme Court i n Smiley damit nicht festgestellt, also auch nicht mit einem Verstoß gegen das X I V . amendment begründet. Das war auch gar nicht nötig: Die alten Wahlkreise waren durch die Verminderung der Sitze i m Reapportionment Act von 1929, also einem Gesetz des Kongresses (Repräsentantenhaus), hinfällig geworden, während die neue Wahlkreiseinteilung wegen des Vetos des Governors — nur insoweit wurde entschieden: „judgment reversed" — nicht zur Wirksamkeit gelangt war 3 1 . 27
Smiley v. Holm, 285 U.S. at 372/3. The House of Representatives shall be composed of Members chosen every second Year b y the People of the several States . . . . 29 Smiley at 374. Diese beiden Fälle waren, w i e der Supreme Court hervorhebt, auch i n See. 4 des Acts v o n 1911 so geregelt. 30 Smiley at 374/5. 31 Das verkennt auch Scharpf i n : Grenzen, S. 278 m i t A n m . 315 sowie S. 292, w e n n er meint, der Supreme Court habe i n Smiley, etc., einzelstaatliche Wahlkreisgesetze f ü r u n g ü l t i g erklärt. Wäre es so gewesen, dann hätte der Supreme Court tatsächlich Wahlkreisfragen entschieden u n d sich davon i n Colegrove distanzieren müssen, was Justice Frankfurter — w i e Scharpf 28
Α. Entscheidungen bis 1962
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Obwohl es denkbar ist, daß eine Sondersitzung der Legislative von Minnesota ein gültiges neues Wahlkreisgesetz hätte verabschieden können, ist eine Wahl at-large i n Minnesota durchgeführt worden, aber eben ohne ausdrückliche gerichtliche Anordnung 3 2 . I n den beiden anderen Fällen ging es direkt u m die Wahlkreiskriterien. Aber auch hier konnte der Supreme Court entscheiden, ohne auf die Frage der Justiziabilität der Wahlkreiseinteilung selbst einzugehen. A u f die Berufungen 3 3 gegen zwei Urteile von Bundesgerichten i n Mississippi und Kentucky gab der Supreme Court eine vollständige Begründung nur der ersten Entscheidung: Wood v. Broom (1932). Die federal district courts hatten injunctions gegen die neuen Wahlkreisgesetze erlassen, weil diese die Standards des Reapportionment Acts von 1911 verletzten: I n Mississippi umfaßte ζ. B. der größte Wahlkreis mehr als doppelt so viele Wähler wie der kleinste. Der Supreme Court folgte den Untergerichten jedoch nicht, sondern hielt den Act von 1911 für unanwendbar. Chief Justice Hughes, der die Mehrheitsentscheidung des Supreme Court verfaßte, begründete dies damit, daß mit Inkrafttreten des Reapportionment Acts von 1929 derjenige von 1911 außer K r a f t getreten sei. Dann betonte er ausdrücklich: „ . . . i t is unnecessary to consider the questions raised as to . . . relief i n equity . . . or as to the justiciability of the controversy, if i t were assumed that the requirements . . . (of the Act of 1911) are still i n effect. . . . Upon these questions the Court expresses no opinion" 3 4 . Die Kläger hatten aber vor dem federal district court auch eine Verletzung der Bundesverfassung geltend gemacht. Dazu nahm Chief Justice Hughes i n seinen Ausführungen zwar nicht Stellung, referierte die Argumente jedoch i n der Sachverhaltsdarstellung. Die Mehrheit einigte sich dann auf folgenden Tenor: The decree is reversed and the cause is remanded to the District Court w i t h directions to dismiss the b i l l of complaint. (Hervorhebungen von mir!)
Damit war sicherlich eine auf das Verhältnis der Reapportionment Acts von 1911 und 1929 bezogene Entscheidung (holding) getroffen. auch ausdrücklich bemerkt, S. 287 — nicht getan hat. Die Ungenauigkeit f i n det sich zuerst bei Justice Black i n seinem Minderheitsvotum i n Colegrove: „ W h a t is asked is that this Court do exactly w h a t i t did i n Smiley v. Holm . . . to declare a state apportionment b i l l i n v a l i d and to enjoin state officials from enforcing i t " (at 573). 32 Vgl. Schumate, „Minnesota's Congressional Election A t - L a r g e " , 27 A m Pol Sci Rev 58 (1933). I n V i r g i n i a ist einmal — allerdings gegründet auf ins einzelne gehende Bestimmungen i n der Verfassung v o n V i r g i n i a — eine W a h l at-large auf Anweisung eines (einzelstaatlichen) Gerichts h i n erfolgt: B r o w n v. Saunders, 159 Va. 28, 166 S.E. 105 (1932). 33 Wood v. Broom, 1 F.Supp. 134 (S.D. Miss. 1932), rev'd, 287 U.S. 1 (1932); Mahan v. Hume, 1 F.Supp. 142 (E.D. K y . 1932), rev'd, 287 U.S. 575. 34 Wood v. Broom, 287 U.S. at 8.
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Aber da mit der direction to dismiss die Klage abgewiesen wurde, muß man Wood hinsichtlich der Grundrechtsfrage als eine inzidente Entscheidung i n der Sache interpretieren: Nicht die equal protection clause des X I V . amendment, sondern nur ein Gesetz des Kongresses begründet ein Recht der Wähler auf Wahlkreisgleichheit. Wichtig für alle späteren apportionment Entscheidungen ist auch das Votum der starken Minderheit von vier Justices — Brandeis, Stone, Roberts und Cardozo. Sie meinten, die Klage hätte abgewiesen werden müssen „for want of equity, without passing upon the question whether . . . the Act of 1911... is applicable" 3 5 . Dieses knappe Votum, das i n Colegrove m i t ausschlaggebend werden sollte, ist schwer deutbar. Nach den zitierten Ausführungen von Chief Justice Hughes dürfen w i r annehmen, daß die Frage nach der Justiziabilität und der Abhilfemöglichkeiten unter den Richtern des Supreme Court diskutiert worden ist. Dabei scheint sich wenigstens die Mehrheit streng am Fall orientiert und den Begriff controversy auf den vorliegenden Streit begrenzt zu haben. Ja, die Formulierung von Chief Justice Hughes legt es nahe, daß die Fragen von justiciability und relief sich nur auf die inhaltlichen Kriterien des Reapportionment Acts von 1911 bezogen, nämlich: compactness (konzentriertes Gebiet), contiguity (zusammenhängendes Gebiet) und equality (gleiche Größe) i n den Distrikten von Illinois. Daß die Minderheit demgegenüber eine Gesamtbetrachtung anstellte, also allgemein die Justiziabilität von apportionment Problemen i n Frage gestellt hat, muß bezweifelt werden. Hätte die Minderheit das t u n wollen, so wäre es für sie ein Leichtes gewesen, auf das Minderheitsvotum von district court Richter Holmes hinzuweisen. Holmes hatte nämlich der Legislative „exclusive discretion" i n apportionment Fragen zugebilligt und außerdem gesagt: „This court has no jurisdiction i n matters of a political nature except when necessary to the protection of rights of property 3 6 ." Dafür, daß die Minderheit grundsätzlich die Justiziabilität von apportionment Fragen bejahte, spricht weiter die Formulierung „for want of equity" (anstelle von „for lack of equitable jurisdiction"). Allerdings bleibt bei dem simplen „for want of equity" offen, ob die Justices generell relief i n equity versagen wollten oder nur keine i m 85 Ibid. at 8. Die Frage sei nämlich i n der Vorinstanz gar nicht angesprochen worden. Es schiene so, als seien alle Beteiligten vielmehr davon ausgegangen, daß das klägerische Begehren an dem A c t v o n 1911 zu messen sei. 86 Wood, 1 F.Supp. at 136 (Hervorhebungen von m i r ) ; auch der A t t o r n e y General v o n Mississippi meinte: „ A federal court of equity has no j u r i s d i c t i o n to prevent the deprivation of a political r i g h t " (Wood, 287 U.S. at 2). Den dieser Auffassung entsprechenden A n t r a g v o r Gericht gab Chief Justice Hughes wieder als „dismiss the b i l l . . . (2) for lack of equitable jurisdiction to grant the relief asked. . . . " , während die Nr. 1 des Abweisungsantrags schlicht lautete: „ . . . (1) for w a n t of equity . . . " (Wood, 287 U.S. at 4).
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Einzelfall durchsetzbaren Abhilfemaßnahmen erblickten. Für den ersteren Standpunkt spricht, daß eine Begründung für das Votum „for want of equity" eher nötig gewesen wäre, wenn die Justices equitable relief wegen bestimmter Kautelen des Falles hätten versagen wollen. K l a r ist deshalb nur, daß die Minderheit die Berufung i n Wood v. Broom (1932) aus equity Erwägungen zurückgewiesen hätte, während die Mehrheit diese Frage ausdrücklich unbeantwortet ließ. So hatte der Supreme Court i m Jahre 1932 fünf apportionment Fälle entschieden, ohne die Justiziabilität der Einteilung von Bundeswahlkreisen durch die Einzelstaaten zu verneinen. Unter Mißachtung der tatsächlichen Vorgänge und der Entscheidungsformeln i n Smiley und Wood ist deshalb teilweise angenommen worden, die Bundesgerichte hätten Wahlkreisfragen behandelt und sogar Wahlen at-large angeordnet 3 7 . Letzteres ist eindeutig unrichtig. Andererseits läßt es sich nicht leugnen: Der Supreme Court hat i n Wood die equal protection clause der Bundesverfassung als Prüfungsmaßstab für die einzelstaatliche Wahlkreiseinteilung nicht herangezogen, sondern die Wahlkreisgleichheit als einen Standard des einfachen Gesetzesrechts behandelt. 3. Colegrove v. Green (1946)
I n der Sache Colegrove ν . Green (1946)38, die die Rechtsprechung bis zur grundsätzlichen Neuorientierung von 1962 bestimmte, konnte der Supreme Court nun zum ersten M a l der Frage nicht mehr ausweichen, ob ein einzelstaatliches Gesetz über die Durchführung der Kongreßwahlen, das ungleich große Wahlkreise festlegte, verfassungswidrig sei. Geltend gemacht wurde allein ein Verstoß gegen die equal protection clause des X I V . amendment. Der Supreme Court ließ i n Colegrove die klagabweisende Entscheidung des federal district court i n Rechtskraft erwachsen, indem er eine Sachentscheidung m i t 4 : 3 Stimmen ablehnte 39 . Wenn auch eine Mehrheit von vier Justices für das verfahrensmäßige Ergebnis „appeal dismissed" zustande kam, so konnten sich die vier — die zudem bei einem m i t neun Richtern besetzten Gericht selbst eine Minderheit gewesen wären — doch nicht auf eine gemeinsame Begründung einigen. Justice Rutledge sprach sich eindeutig für dismissal for want of equity aus. Justice Frankfurter, der für sein V o t u m die Zu87 Lewis at 1057, 1078 -1088; US Commission on C i v i l Rights Report, Voting I (1963) at 123, 128. 38 Colegrove ν. Green, 328 U.S. 549 (1946). 89 N u r sieben Justices haben Colegrove unterschrieben, w e i l Justice Jackson als Ankläger i n Nürnberg weilte u n d Chief Justice Stone zwischen E n t scheidung u n d Veröffentlichung verstorben war.
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Stimmung der Justices Burton und Reed erhielt, gab dagegen mehrere unterschiedliche Begründungen. Bevor die Standpunkte von Mehrheit und Minderheit i n den Verfahrensfragen untersucht werden sollen, sei — m i t der Überzeugung, daß inhaltliche Vorstellungen letztlich für verfahrensmäßiges Vorgehen entscheidend sind — dargelegt, welche Positionen die sieben Justices i n den materiell-rechtlichen Fragen des Falles bezogen hatten: Justice Frankfurter stimmte i m ersten Teil seiner Urteilsbegründung der m. E. richtigen Interpretation 4 0 zu, die die Vorinstanz Wood v. Broom (1932) gegeben hatte: I n Wood habe der Supreme Court entschieden, daß das Gleichheitserfordernis für Kongreßwahlkreise zwar ein bundesgesetzliches gewesen sei (im außer K r a f t getretenen Reapportionment Act von 1911), nicht aber als ein aktuelles bundesverfassungsrechtliches Gebot gelten könne 4 1 . Für die Minderheit — die Justices Black, Douglas und Murphy — ergab sich das Erfordernis der Wahlkreisgleichheit demgegenüber direkt aus der equal protection clause und dem „right to vote" der Bundesverfassung. Justice Black legte i n einem dissenting opinion die Gründe dafür dar 4 2 : Die jetzt als verfassungswidrig, w e i l verschieden groß (etwa 1 :9), angegriffenen Wahlkreise stammten aus dem Jahre 1901. Alle Versuche, die Legislative zu einem angemessenen reapportionment zu zwingen, seien gescheitert; ebenso alle gerichtlichen Schritte i n der Gerichtsbarkeit des Staates Illinois. Da nun keine geeigneten rechtlichen M i t t e l mehr verfügbar seien, u m die Verletzung des Wahlrechts zu verhindern, müsse unter equity Gesichtspunkten Abhilfe geschaffen werden. Eine erneute Anwendung des Illinois Apportionment Act von 1901 würde gegen die equal protection clause des X I V . amendment 40
Vgl. die Ausführungen zu Wood v. Broom, oben, T e x t zu A n m . 33 ff. Diese inhaltliche Entscheidung Frankfurters ist zwar aus dem Colegrove U r t e i l allein schlecht erkennbar. Frankfurter sagt dort (at 551), der district court habe recht u n d „ . . . We could also dispose of this case on the authority of Wood v. Broom." Sein Standpunkt w i r d aber deutlich, w e n n m a n die Entscheidung des district court (64 F.Supp. 632) heranzieht. Dieser hatte dem Supreme Court ausdrücklich nahegelegt, Wood zu verwerfen (overrule), w e i l eine Verletzung des Grundsatzes der Wahlgleichheit, hervorgerufen durch die ungleiche Größe der Wahlkreise, gegen die Bundesverfassung verstoße (at 634). Das lehnte Frankfurter ab, indem er ausführte: „ N o t h i n g has now been adduced to lead us to overrule w h a t this Court found to be the requirements under the Act of 1929 . . . " (nämlich, daß W a h l kreisgleichheit nicht mehr erforderlich ist). „No manifestation has been shown by Congress even to question the correctness of that which seemed compelling to this Court i n enforcing the will of Congress i n Wood v. Broom." (Hervorhebungen von mir.) Diese Position Frankfurters, die ich für die gemeinsame Basis v o n Wood, Colegrove u n d MacDougall v. Green halte, übersieht Scharpf, Grenzen, S. 283, 292, insbesondere 295 f. 42 Black, dissenting i n Colegrove, at 566 et s. 41
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verstoßen, da sie eine unhaltbare Diskriminierung der klagenden Wähler m i t sich brächte. Den Einzelstaaten sei nicht gestattet, bestimmte, an sich wahlberechtigte Bürger auszusondern und ihnen das Wahlrecht völlig zu entziehen 43 . Gleiches müsse für eine teilweise Entziehung gelten 4 4 . Das Gesetz von 1901 bewirke hier, daß die Wirksamkeit der Stimmen der Kläger auf nur ein Neuntel der Wirksamkeit der Stimmen anderer Bürger reduziert würde. Deshalb sei ein Verstoß gegen die equal protection clause gegeben. — Verletzt sei außerdem das Wahlrecht: H a d Illinois passed an A c t requiring that a l l of its t w e n t y - s i x Congressmen be elected b y the citizens of one county, i t w o u l d clearly have amounted to a denial to the citizens of the other counties of their constitutionally guaranteed right to vote. A n d I cannot imagine that an A c t that w o u l d have apportioned t w e n t y - f i v e Congressmen to the State's smallest county and one Congressman to a l l the others, w o u l d have been sustained b y any court. Such an A c t w o u l d clearly have violated the constitutional policy of equal representation. The 1901 Apportionment A c t here involved violates that policy i n the same w a y 4 5 .
Justice Rutledge, der die entscheidende Stimme für dismissal abgegeben hatte, ließ die inhaltliche Frage offen, meinte aber, ein Recht auf absolute Wahlkreisgleichheit gebe es jedenfalls nicht. Das sei nur i m Abstrakten möglich. Ein Recht auf Wahlkreisgleichheit könnte allein auf annähernd gleich große Wahlkreise gehen („rough approximation"), bei deren Bildung die politischen Instanzen beträchtlichen Entscheidungsspielraum hätten 4 6 . Soweit also die Kläger und die Justices Black, Douglas und Murphy die vollständige Gleichheit des Zählwerts aller Stimmen anstrebten, waren die übrigen Richter nicht bereit, ihnen zu folgen. Ja, Justice Frankfurters Votum unterstützt gerade die Auffassung, daß Verstöße gegen die Wahlkreisgleichheit nicht an der Bundesverfassung zu messen seien. Ausschlaggebend für die Entscheidung i n Colegrove waren daher die Standpunkte der eine Mehrheit bildenden vier Justices i n den verfahrensmäßigen Fragen. Wenn die Positionen i n den Voten — je für sich gelesen — auch deutlich zum Ausdruck kommen, so hat es doch eine Reihe von Mißverständnissen und Fehldeutungen, insbesondere um Justice Frankfurters Votum, gegeben. 48 Hier bezieht sich Black auf N i x o n v. Herndon, 273 U.S. 536 u n d N i x o n v. Condon, 286 U.S. 73, den beiden Fällen, i n denen der Demokratischen P a r tei von Texas verwehrt wurde, Neger von ihren Vorwahlen zur Kandidatenaufstellung auszuschließen. 44 Siehe oben, Text zu A n m . 14 (Einleitung). 45 Black, dissenting i n Colegrove, at 571/2. 46 Rutledge, concurring i n Colegrove, at 566.
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T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
Justice Frankfurters Urteilsbegründung hat zwei Teile. Der erste Teil beginnt m i t dem Satz: The District Court was clearly r i g h t i n deeming itself bound b y Wood υ. Broom , supra, and w e could also dispose of this case on the authority of Wood v. Broom 4,7,
Der zweite Teil beginnt m i t dem Satz: B u t w e also agree w i t h the four Justices (Brandeis, Stone, Roberts and Cardozo, JJ) who were of opinion that the b i l l i n Wood v. Broom , supra, should be „dismissed for w a n t of e q u i t y " 4 8 .
Da Justice Rutledge ebenfalls für dismissal for want of equity votierte, hätte es kaum Zweifel am holding des Gerichts gegeben, wenn nicht das Votum for want of equity unklar bleibt, solange es nicht i m einzelnen begründet wird. Und genau da beginnen die Schwierigkeiten der Colegrove Voten. Was immer man i n Frankfurters Votum hineinliest, aus den oben zitierten Sätzen w i r d deutlich, daß Frankfurter sich i n Colegrove — wenn auch vielleicht nur, u m eine Mehrheit zu gewinnen — für dismissal for want of equity entschieden hat. Dennoch haben Gerichte und Kommentatoren seine an den zitierten Anfangssatz des zweiten Teils direkt anschließenden Ausführungen i n der Folgezeit für sich allein gelesen und sie so hinsichtlich der Justiziabilität von Wahlkreisfragen und des gesamten Komplexes der „political questions" fehlgedeutet. Wenn ich recht sehe, liegt der Grund dafür i n dem zwar naheliegenden, aber fatalen Vorgehen der Interpreten, Justice Frankfurters Vot u m durch die Brille Justice Blacks zu lesen, denn Black hatte i m M i n derheitsvotum erklärt: (I)t is the Court's d u t y to invalidate the state law. I t is contended, however, that a court of equity does not have the power, or even i f i t has the power, that i t should not exercise i t i n this case. To do so, is argued, w o u l d mean that the Court is entering the area of „ p o l i t i c a l questions" 4 9 .
Zunächst zur Frage der Justiziabilität: Frankfurter spricht davon, daß den Gerichten die Behandlung der apportionment Fragen von Verfassungs wegen entzogen, genauer: daß sie dem Kongreß ausschließlich zugewiesen sei 50 . Es läßt sich vielleicht auch i n seine Ausführungen hineinlesen, daß er die Wahlkreiseinteilung für rein politisch i m Sinne von „rechtlich nicht faßbar, daher außerrechtlich" hält. Beides sind Argumente, die die mangelnde Justiziabilität von apportionment Fragen begründen könnten. Aber Frankfurter macht Ausführungen dieser A r t i n einem Kontext, aus dem sich 47 48 49 50
Colegrove at 551. Colegrove at 551. Black, dissenting i n Colegrove, at 572. Colegrove at 554.
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ergibt, daß die Justiziabilität der Fragen i m Sinne von fehlender „jurisdiction" doch nicht gemeint war: Frankfurter des zweiten equity und „jurisdiction
erklärt i m Anschluß an den oben zitierten Anfangssatz Abschnitts seiner Urteilsbegründung, also zu want of ausdrücklich nicht zu Ausführungen über mangelnde i n matters of a political nature":
We are of opinion that the appellants ask of this Court w h a t is beyond its competence to grant. This is one of those demands on j u d i c i a l power which cannot be met by verbal fencing about „jurisdiction". I t must be resolved by considerations on the basis of w h i c h this Court, f r o m time to time, has refused to intervene i n controversies. I t has refused to do so because due regard for the effective w o r k i n g of our Government revealed this issue to be of a peculiarly political nature and therefore not meet for j u d i c i a l determination 5 1 .
Diesem „Obersatz" folgen dann eine Reihe von — unten darzustellenden — Gründen, aus denen das Gericht nicht eingreifen solle, u. a. das Argument, „the subject has been committed to the exclusive control of Congress". Diese Argumentation Justice Frankfurters, die aus gerichtspolitischen Gründen ein Eingreifen des Supreme Court ablehnt, w i l l also gerade das allgemeine Verhältnis von political questions und jurisdiction nicht bestimmen. Die Frage w i r d vielmehr i m Minderheitsvotum von Justice Black (vgl. obiges Zitat) angesprochen, der damit auch nicht Frankfurter antwortet, sondern erwidert auf den Schriftsatz des Attorney General von Illinois, i n dem ausgeführt w i r d : Since this case involves only power to act. . . . The doctrine or intervene i n political matters l i m i t s of proceedings i n equity wrongs 5 2 .
political issues, the district court had no t h a t equity cannot interfere w i t h elections is classical and fundamental. The traditional have not embraced a remedy for political
Auch Justice Rutledges Votum läßt sich sinnvoll nur als Argumentation nicht gegen Justice Frankfurter, sondern gegen den Schriftsatz von Illinois verstehen: I concur i n the result. B u t for the r u l i n g i n Smiley v. Holm , 285 U.S. 355, I should have supposed that the provisions of the Constitution . . . (Art. I, §§ 2, 4, 5) . . . w o u l d remove the issues i n this case f r o m justiciable cognizance. But, i n m y judgment, the Smiley case rules squarely to the contrary, save only i n the matter of degree.
51
Colegrove at 552. S. 8 des Schriftsatzes; die beiden letzten Sätze entstammen der E n t scheidung Giles v. Harris, 189 U.S. 475 (1903) at 486. Justice Frankfurter zitiert Giles zwar f ü r das Argument, i n seinen Rechten beeinträchtigt sei n u r Illinois als Gemeinwesen, nicht die (privaten) Kläger. A u f die Ausführungen über die „ t r a d i t i o n a l l i m i t s " i n dieser Entscheidung bezieht er sich dagegen nicht, obwohl der Schriftsatz ausdrücklich darauf hinweist! 52
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Assuming that that decision is to stand, I t h i n k , w i t h M r . Justice Black, that its effect is to rule that this Court has power to afford relief i n a case of this type as against the objection that the issues are not justiciable 5 3 .
Da Justice Frankfurter für dismissal for want of equity statt für mangelnde jurisdiction i m Sinne von „not justiciable" 5 4 votierte und auch Justice Rutledge sowie die Minderheit die Justiziabilität bejahte, ist festzustellen, daß alle beteiligten sieben Justices — die Mehrheit auch eines vollständig besetzten Gerichts — von der grundsätzlichen Justiziabilität der Wahlkreisfragen ausgegangen sind. Während aber Justice Black sofort das Recht des einzelnen Wählers auf Gleichheit seiner Stimme m i t der seines Mitwählers bemüht, u m ein verkrustetes System des politischen Einflusses m i t Hilfe des individuellen Rechtsanspruchs zu verändern 5 5 , haben die Frankfurter-Gruppe und Justice Rutledge stärkste Bedenken, damit ein anderes System — das der Gewaltenteilung — möglicherweise aus dem Gleichgewicht zu bringen. Justice Rutledge meinte: Die Bedeutung der zu entscheidenden Verfassungsprobleme berge die Gefahr von Zusammenstößen m i t den „political departments of the government" i n sich 56 und mache das Judizieren i n diesen Fällen zu so „delikaten" Angelegenheiten, daß „jurisdiction should be exercised only i n the most compelling circumstances" 57 . I m vorliegenden Fall sei es überhaupt nicht mehr möglich, w i r k same Abhilfemaßnahmen durchzuführen: erstens sei die Zeit bis zur Wahl zu kurz, u m neue Wahlkreise einzuteilen, und zweitens würden Wahlen at-large den Wählern jene Repräsentation ihrer Distrikte nehmen, die der Kongreß gerade vorgeschrieben habe — „ A n d the cure sought may be worse than the disease" 58 . 53
Rutledge, concurring i n Colegrove, at 564/5. Das W o r t „justiciable" benutzt Frankfurter n u r ein einziges M a l : i n einem Zitat, m i t dem er feststellt, daß zwar anders als i n Wood die Entscheidung i n Colegrove unter dem Declaratory Judgment A c t ergehe, daß dies aber inhaltlich keinen Unterschied mache, denn es bleibe bei den „established equitable principles" : „ . . . the test for determining whether a federal court has authority to make a declaration such as is here asked, is whether the controversy ,would be justiciable i n this Court i f presented i n a suit for i n j u n c t i o n . . Nashville, C. & St. L. R. Co. v. Wallace . . . " (Colegrove at 552). 55 Black, dissenting i n Colegrove, at 573: „ . . . i t is a mere ,play upon words' to refer to a controversy such as this as ,political· i n the sense that courts have nothing to do w i t h protecting and vindicating the right of a voter to cast an effective ballot". 56 Rutledge, concurring i n Colegrove, at 565: „As a matter of legislative attention . . . the case made . . . is strong. B u t the relief i t seeks pitches this Court into delicate relation to the functions of state officials and Congress, compelling them to take action which heretofore they have declined to take v o l u n t a r i l y or to accept the alternative of electing representatives f r o m Illinois at large i n the forthcoming elections." 57 Rutledge, concurring i n Colegrove, at 565. 54
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Doktrin:
Justice F r a n k f u r t e r s berühmtes V o t u m ist zumeist dahingehend vers t a n d e n w o r d e n , daß er die f ü r andere F a l l g r u p p e n e n t w i c k e l t e p o l i t i c a l q u e s t i o n D o k t r i n a u f das G e b i e t des a p p o r t i o n m e n t ü b e r t r a g e n h a b e 5 9 . F r a n k f u r t e r selbst h a t aber w e d e r d e n B e g r i f f b e n u t z t , n o c h die e i n schlägigen E n t s c h e i d u n g e n d a z u b e h a n d e l t 6 0 . D a F r a n k f u r t e r sich a u ß e r d e m i n s e i n e m V o t u m f ü r d i e A u f r e c h t e r h a l t u n g d e r E n t s c h e i d u n g d e r V o r i n s t a n z aussprach, d i e sich a u f das M e h r h e i t s v o t u m des S u p r e m e C o u r t i n Wood ν . Broom stützte, h a l t e i c h seine d a r ü b e r h i n a u s g e h e n d e n A u s f ü h r u n g e n n i c h t f ü r d i e A n w e n d u n g einer, w i e w e i t auch i m m e r g e f e s t i g t e n D o k t r i n , s o n d e r n schlicht f ü r eine A b h a n d l u n g ü b e r d i e R o l l e des S u p r e m e C o u r t i m V e r f a s s u n g s s y s t e m d e r V e r e i n i g t e n S t a a t e n u n d d e r G r ü n d e , w e s h a l b das G e r i c h t a u f b e s t i m m t e n , p o l i t i s c h besonders k o n t r o v e r s e n G e b i e t e n g r u n d s ä t z l i c h E n t s c h e i d u n g e n n i c h t t r e f f e n sollte. Es h a n d e l t sich u m eine A b h a n d l u n g ü b e r das P r o b l e m r i c h t e r l i c h e r Selbstbeschränkung, dessen A r g u m e n t e i m A n s c h l u ß a n das P o s t u l a t „ n o t m e e t f o r j u d i c i a l d e t e r m i n a t i o n " das d i f f u s e V o t u m „ f o r w a n t of e q u i t y " k l a r e r m a c h e n s o l l t e 6 1 : D i e K l ä g e r seien n i c h t i n e i n e m p r i v a t e n Recht v e r l e t z t . B e t r o f f e n 58
Rutledge, concurring i n Colegrove, at 566. So i n der Wissenschaft i n den ersten Jahren ζ. B. „Comment", 35 Calif L Rev 252, 254 u n d „Note", ibid., 297 (1947), „Recent Decisions", 45 M i c h L Rev 368, 369 (1947); trotz genauer funktionell-rechtlicher Erfassung der political question D o k t r i n (vgl. unten, T e i l I B., A n m . 81) i n diesem P u n k t auch „ N o te", 62 H a r v L Rev 659 (1949), at 664 η. 36; zur Übernahme i n die einzelstaatliche Rechtsprechung vgl. unten A n m . 100; auch Scharpf faßt Frankfurters Ausführungen zusammen m i t dem Satz: „ . . . kurz: Die Frage der Wahlkreisgleichheit sei als political question nicht justiziabel" (Grenzen, S. 280); ebenso, ohne zu zweifeln, Haller (Supreme Court u n d Politik, S. 256); anders aber 1958 schon A n t h o n y Lewis, der Colegrove i n erster L i n i e sieht als „a deliberate w i t h h o l d i n g of j u d i c i a l power because of problems foreseen i n its exercise" (at 1081). 60 I m Gegensatz zu Justice Black, der sich etwa m i t dem political question F a l l Coleman ν. M i l l e r , 307 U.S. 433 (1930), auseinandersetzt, bringt F r a n k furter aus der Fülle der political question Entscheidungen allein Pacific States Telefone and Telegraph Co. v. Oregon, 223 U.S. 118 (1912), u n d auch nur als einfaches Zitat. Die beiden dort gleichfalls als Beispiele f ü r nicht gerichtlich durchsetzbare Verfassungsnormen genannten Entscheidungen sind sogar eindeutig keine political question Fälle: zu Mississippi v. Johnson siehe Scharpf, Grenzen, S. 412/3; Kentucky v. Dennison, 16 L.Ed. 717 (1861), i n dem es u m die moralische, ausdrücklich nicht rechtliche Pflicht eines Governors geht, einen entflohenen Gesetzesbrecher einem anderen Einzelstaat herauszugeben, w i r d i n Scharpfs umfassender Analyse nicht einmal erwähnt (der Supreme Court qualifizierte die Sache 1923 als einen Fall, i n dem es an jurisdiction mangele, Massachusetts v. Mellon, 262 U.S. 447). 61 So i m Ergebnis auch Shapiro, L a w and Politics, at 190: „ . . . he has given us one of his famous essays on j u d i c i a l modesty . . . " . Das w i r d bestätigt durch die jetzt veröffentlichten Notizen von Justice M u r p h y , aus denen hervorgeht, daß die Justices sich nicht einer D o k t r i n anschließen wollten, son59
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T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
sei a l l e i n d e r S t a a t I l l i n o i s als G e m e i n w e s e n . D i e K l ä g e r versuchten, das G e r i c h t d a z u z u b r i n g e n , das W a h l v e r f a h r e n des Staates I l l i n o i s z u r e k o n s t r u i e r e n u n d f ü r d e n S t a a t n e u e W a h l k r e i s g r e n z e n festzulegen. Das k ö n n t e n G e r i c h t e aber n i c h t leisten. Sie k ö n n t e n höchstens d i e b e stehende E i n t e i l u n g f ü r v e r f a s s u n g s w i d r i g e r k l ä r e n . Das k ö n n t e j e d o c h z u W a h l e n a t - l a r g e f ü h r e n , d i e i m Gegensatz s t ü n d e n z u d e m d i e M i n d e r h e i t e n schützenden u n d deshalb v o m Bundesgesetzgeber gesetzlich f i x i e r t e n P r i n z i p der d i s t r i k t m ä ß i g e n R e p r ä s e n t a t i o n . Z u d e m w ü r d e der Kongreß möglicherweise den nicht i n Wahlkreisen gewählten A b g e o r d n e t e n d i e A n e r k e n n u n g versagen, w e i l n a c h A r t . I § 5 cl. 1 der V e r f a s s u n g jedes H a u s „ J u d g e of t h e Elections, R e t u r n s a n d Q u a l i f i c a t i o n s of i t s o w n M e m b e r s " sei. Es sei k l a r , daß a p p o r t i o n m e n t F ä l l e d i e Gerichte d i r e k t u n d a k t i v i n die politischen Auseinandersetzungen v e r w i c k e l n w ü r d e n . D a v o n h ä t t e sich d e r S u p r e m e C o u r t t r a d i t i o n e l l f e r n gehalten. D i e G e r i c h t e s o l l t e n i n dieses p o l i t i s c h e D i c k i c h t auch n i c h t e i n d r i n g e n . Das w i d e r s p r ä c h e d e m d e m o k r a t i s c h e n System. D i e V e r fassung h a b e d i e E n t s c h e i d u n g ü b e r F r a g e n d e r „ f a i r r e p r e s e n t a t i o n b y t h e States i n t h e p o p u l a r H o u s e " deshalb ausschließlich d e m K o n greß ü b e r t r a g e n . W e n n d e r K o n g r e ß „ s t a n d a r d s of f a i r n e s s " i n diesen F r a g e n verletze, so k ö n n e n u r das V o l k selbst d u r c h d i e W a h r n e h m u n g s e i n e r p o l i t i s c h e n Rechte A b h i l f e schaffen 6 2 . dern Gründe zusammentrugen, die k l a r machen sollten, w a r u m das Gericht den Fragen lieber aus dem Wege gehen wollte. Beiser, „ T h e Misread M i l e stone: Colegrove ν. Green", 39 Ν Y St Β J 336 (1967), berichtet nach den A u f zeichnungen der beteiligten Justices B u r t o n u n d M u r p h y interessante Einzelheiten darüber, w i e die Entscheidung zustande k a m : I n der Besprechungssitzung des Gerichts, an der Chief Justice Stone noch teilnahm, w a ren mindestens sechs Justices bereit gewesen, zusammen m i t Justice Black (!) jegliche A b h i l f e abzulehnen. Ursprünglich stimmte n u r Douglas f ü r die k l ä gerische Position, während Murphy schwankte. Reed meinte, dies sei etwas, was dem Kongreß übertragen worden sei. Frankfurter äußerte: The real t h i n g here is to have Congress deal w i t h it. Rutledge (!) hielt die Klage f ü r „political", daher nicht justiziabel. Burton meinte auch, die Sache sei p o l i tisch u n d gehöre nicht vor die Gerichte. Blacks Position scheint n u r insoweit k l a r gewesen zu sein, als er gegen ein Eingreifen des Gerichts war. Nach M u r p h y s Notizen hat Black sich gegen jegliche „control of elections" ausgesprochen. E r habe den Gegensatz v o n Gericht u n d Legislative betont u n d gemeint: I didn't t h i n k courts had the power to make t h e m (legislators) act. I f courts have power (plaintiffs) have made a clear case. — Nach Burtons Aufzeichnungen hat Black dagegen gemeint, die Gerichte hätten diese „power", es liege aber ein „case or controversy" nicht vor. Bestimmte Fragen seien ihrer N a t u r nach v o n Gerichten nicht faßbar. Chief Justic Stone faßte dann w o h l zusammen: I t is an effort to accomplish indirectly w h a t w e can't do directly. I t w o u l d create confusion i n each state. I t isn't court business. (Murphy) Der Chief Justice bestimmte schließlich Justice Black (!) z u m Verfasser der Entscheidung (Burton an zwei Stellen). V i e r Tage später w a r Black zu anderen Ergebnissen gekommen, u n d Justice Frankfurter w u r d e m i t dem Abfassen der Entscheidung betraut. D a n n verstarb Chief Justice Stone, Justice M u r p h y schlug sich zur Minderheit, u n d Justice Rutledge modifizierte seinen Standpunkt erheblich.
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Da sich vier Justices i n Colegrove für want of equity ausgesprochen hatten, stellte sich für die Justices Black, Douglas und Murphy die Frage, wie sie sich i n den kommenden apportionment Fällen verhalten sollten. Sollten sie die Sache zum Schwur bringen m i t der möglichen Folge, daß sich die absolute Mehrheit des Gerichts den allgemeinen Erwägungen Justice Frankfurters anschloß und sich eindeutig und uneingeschränkt auf die Politik der Nichteinmischung i n apportionment Fragen festlegte? Oder war es nicht besser, die Dinge so lange offenzuhalten, bis eine Mehrheit für ihren Standpunkt abzusehen war? Jo Desha Lucas 6 3 meint, aus den auf Colegrove folgenden Entscheidungen gehe hervor, daß die Minderheit sich i n „tactics of dissent" geübt habe, u m eine m i t Gründen versehene Entscheidung durch das voll besetzte Gericht zu vermeiden. Die folgenden Überlegungen und die anschließende Analyse der Voten i n den späteren Fällen scheint m i r diesen zunächst bestechenden Gedanken zu widerlegen. Sicherlich wäre eine von der großen Mehrheit des Gerichts getragene Entscheidung für eine Nichteinmischungspolitik das Abträglichste für den Minderheitsstandpunkt gewesen. Fast ebenso übel — w e i l i m Ergebnis auch Nichteinmischung — mußte es aber doch sein, wenn das Gericht kontinuierlich ohne erneute Entscheidungsbegründung die apportionment Sachen summarisch zurückwies. Ich meine, eine — wenn auch abweisende und so Ungleichheiten legitimierende — Entscheidung i n der Sache, die (1) damit völlig klar machen würde, daß apportionment Probleme von den Gerichten behandelt werden und die (2) notgedrungen (andere) Kriterien für die Beurteilung der Fragen entwickeln müßte, wäre noch das geringste Übel 6 4 . Es mußte deshalb schon ein Erfolg für die Minderheit sein, wenn es ihr gelang, das Gericht zu einer Sachentscheidung zu bewegen.
62 Scharpf (Grenzen, S. 284 - 291) u n d Shapiro (Law and Politics 185 - 192) haben die Widersprüche u n d schwachen Punkte dieser Argumente m. E. erschöpfend dargelegt. Die inhaltliche Diskussion w i r d deshalb erst bei der Erörterung von Colegrove, political questions u n d Frankfurters klärenden Ausführungen i n Baker v. Carr aufgenommen (unten T e i l I A . 5., B. u n d C.) 63 Lucas, „Legislative Apportionment and Representative Government: The Meaning of Baker v. Carr", 61 M i c h L Rev 711, at 722 (1963). 64 Eine Entscheidung dahingehend, daß das Gericht i n apportionment Sachen keine „ j u r i s d i c t i o n " habe, lag außerhalb der vernünftigerweise f ü r das Gericht möglichen Alternativen, vgl. unten T e i l I B., Text zu A n m . 99. Daß dies auch nicht beabsichtigt war, erklärte Justice F r a n k f u r t e r schließlich i n Baker v. Carr (1962) selbst, vgl. unten, Text zu A n m . 110.
4 Köpp
T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
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4. Die Supreme Court Entscheidungen bis 1961
Als Justice Jackson aus Nürnberg zurückgekehrt war und der neue Chief Justice Vinson sein A m t angetreten hatte, wurde versucht, Colegrove noch einmal vor das vollständig besetzte Gericht zu bringen, um evtl. eine klarere Entscheidung zu erhalten. Das Gericht — wiederum ohne Beteiligung von Justice Jackson und dem Chief Justice — lehnte jedoch zwei Anträge (for rehearing und reargument) ohne Begründung ab 6 5 . Justice Rutledge sprach sich demgegenüber dafür aus, die Sache neu zu entscheiden. Er plädierte für eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung m i t der am gleichen Tag anstehenden apportionment Sache Cook v. Fortson (zugleich für Turman ν . Duckworth) 6e. Da Rutledge für Neuentscheidung war und nur sieben Justices an der Entscheidung teilnahmen, wäre die Black-Gruppe i n der Lage gewesen, Colegrove erneut zur Entscheidung zu bringen. Aber die drei Richter votierten — ich gebe zu: hier wohl i n taktischer Absicht — für die A b lehnung. I n Cook v. Fortson (1946)67 wurde Georgias county unit system als verfassungswidrig angegriffen. Dieses Wahlsystem, nach dem statewide offices besetzt wurden, war dem des Wahlmännergremiums zur Wahl des Präsidenten der USA (federal electoral college) nachgebildet. Die verschiedenen counties des Staates Georgia erhielten je nach ihrer Einwohnerzahl zwei, vier oder sechs Stimmen (unit-votes). Dem Sieger i n der county wurden sämtliche unit-votes der county zugeschlagen. Das führte zu großen Unterschieden i m Zählwert der abgegebenen Wählerstimmen, weil die Unterschiede i n den Einwohnerzahlen die Relation von 1 : 2 : 3 weitaus überstiegen 68 . Der federal district court hatte die Klagen unter Hinweis auf Colegrove ν . Green abgewiesen 69 . Als die Sache vor den Supreme Court kam, hatten die primaries, gegen deren Durchführung injunctions beantragt worden waren, aber bereits stattgefunden. Deshalb wies das Gericht die Berufungen als moot zurück 7 0 . 85
Colegrove v. Green, 329 U.S. 825 u n d 828 (1946). Cook v. Fortson, 68 F.Supp. 624 (N.D.Ga. 1946), T u r m a n v. Duckworth, 68 F.Supp. 744 (1946, N.D.Ga.). 87 Cook v. Fortson u n d T u r m a n v. Duckworth, 329 U.S. 675 (1946). 88 Darüber hinaus konnte die Stimme eines Wählers gerade f ü r den K a n didaten zählen, dem er seine Stimme vorenthalten hatte. Wie bei den Präsidentschaftswahlen w a r es also möglich, daß ein Kandidat siegte, der noch weniger als die relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigte. 89 Siehe A n m . 66. 70 Der Supreme Court zitiert auch n u r US v. Anchor Coal Co., 279 U.S. 812 (1929) — eine Entscheidung, i n der Beispiele f ü r dismissal for mootness aufgeführt werden, obwohl i n Anchor selbst mootness gar nicht zum Tragen kam. ββ
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Justice Rutledge, der ein concurring vote abgab, stellte aber klar, daß das neben der injunction beantragte Feststellungsurteil noch hätte ergehen können. Er hielt deshalb Cook nicht für obviously moot, sondern hätte gern nach mündlicher Verhandlung i n der Sache entschieden, weil es sich u m eng m i t Colegrove zusammenhängende Fragen handele 71 . Die Justices Black und Murphy meinten, „probable jurisdiction should be noted". Dann gelangte ein weiterer Fall aus dem Kampf des Professors der politischen Wissenschaft an der Northwestern University, Kenneth Colegrove, vor den Supreme Court: Colegrove v. Barrett (1947)72. Hierbei ging es um die ungleiche Größe der Wahlkreise für die Wahlen zum Senat des Staates Illinois 7 8 . Gerügt wurde wiederum die Verletzung der equal protection clause des X I V . amendment. Der federal district court hatte eine Entscheidung ohne Begründung for want of equity abgelehnt. Der Supreme Court lehnte, gleichfalls ohne Begründung, for want of a substantial federal question ab. Justice Rutledge, der ebenfalls ablehnte, begründete sein Votum damit, daß seine Kollegen weder bereit gewesen waren, Colegrove v. Green wieder aufzunehmen, noch i n Sachen Cook v. Fortson (Turman ν . Duckworth) zu verhandeln. Da Black, Douglas und Murphy der Meinung waren, „probable jurisdiction should be noted", hätte Rutledge es nach der „rule of f o u r " 7 4 i n der Hand gehabt, eine m i t Gründen versehene Entscheidung i n der Sache zu erwirken. Es waren zudem i n Barrett alle Voraussetzungen dafür gegeben: Die Ungleichheiten i n der Größe der Wahlkreise waren exorbitant. Bis zur nächsten Wahl war auch noch Zeit genug vorhanden, u m ein neues Wahlkreisgesetz zu schaffen. Es handelte sich eben nur nicht u m Kongreßwahlen wie i n Colegrove, sondern u m Wahlen zum Legislativorgan des Einzelstaates. Gerade dam i t aber war die Frage ganz klar gestellt: Ist das einzelstaatliche apportionment an der equal protection clause der Bundesverfassung zu messen? Einer solchen Entscheidung wollte Rutledge allerdings, wie er i n Colegrove klargemacht hatte, gerade ausweichen. So versuchte er, i n seinem Sondervotum Barrett als eine Entscheidung einzuordnen, i n der das Gericht wiederum einer voll m i t Gründen versehenen Entschei71
Rutledge, concurring i n Cook, at 676. Colegrove v. Barrett, 330 U.S. 804 (1947). 73 Es handelte sich also nicht u m eine „Neuauflage der Colegrove-Klage", w i e Scharpf meint (Grenzen, S. 281). 74 Siehe dazu z.B. Wright, Federal Courts 430-431; die „ r u l e of four" g i l t auch bei jurisdictional statements i n Fällen on appeal: Memorandum Justice Brennans i n Ohio ex rei. Eaton v. Price, 360 U.S. 240 (1959). 72
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dung ausweicht, ohne sich klar zur Politik der Nichteinmischung durch ein dismissal for want of equity zu bekennen. Für die Minderheit war es demgegenüber nötig, durch dissent ihren inhaltlich abweichenden Standpunkt deutlich zu machen. A u f keinen Fall mehr als Nichteinmischung läßt sich die nächste Sache interpretieren, die zwar nicht direkt die Wahlkreiseinteilung für Kongreßwahlen — wie i n Colegrove ν . Green — oder einzelstaatliche Wahlen — wie i n Colegrove v. Barrett — zum Gegenstand hatte, i n der es aber doch u m Vorschriften ging, die die Teilnahme an Wahlen betrafen: MacDougall v. Green (1949)75. Nach den Wahlgesetzen des Staates Illinois war zur Zulassung einer neuen Partei ein Quorum von 25 000 Unterschriften erforderlich, wobei je 200 aus 50 der insgesamt 102 counties stammen mußten. Die neugegründete Progressive Party des ehemaligen Vizepräsidenten Henry A. Wallace und des „singing cowboy" Senators von Idaho, Glen H. Taylor, hatte zwar rund 75 000 Unterschriften, besonders aus Chicago und den größeren Städten Illinois', erhalten, konnte aber die erforderliche Zahl aus den ländlichen counties nicht beibringen. Das zuständige State Officers Electoral Board hatte deshalb die Zulassung der Partei zu den Wahlen abgelehnt. MacDougall und andere erhoben daraufhin Klage vor dem federal district court und beantragten zunächst eine injunction gegen den Governor, sie als Kandidaten i n die Wahlzettel aufzunehmen. Sie machten Verstöße gegen mehrere Verfassungsbestimmungen, u. a. der equal protection clause, geltend: Da sich 52 °/o der Wähler allein i n Cook County — die Stadt Chicago m i t Umland — und 87 °/o der Wähler i n den 49 einwohnerstärksten counties konzentrierten, sei es theoretisch möglich, daß eine neue Partei, die gerade 25 000 Anhänger unter den 13 °/o der ländlichen Bevölkerung besitze, zugelassen werden müsse, während eine weitaus stärkere Partei, die sich auf die städtischen Wähler stütze, ausgeschlossen bliebe. Der federal district court lehnte den Erlaß der injunction ab, ohne einen Präzedenzfall zu zitieren, und stellte fest, (1) die angegriffene Regelung verstoße nicht gegen die Bundesverfassung und (2) dem Gericht fehle „jurisdiction", die Entscheidung des Electoral Board zu überprüfen und für nichtig zu erklären 7 6 . M i t einer kurzen per curiam Begründung bestätigte der Supreme Court diese Entscheidung: 75 7e
MacDougall v. Green, 335 U.S. 281 (1948). MacDougall v. Green, 80 F.Supp. 725 (N.D.III. 1948).
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I t is allowable State policy to require that candidates for state-wide office should have support not l i m i t e d to a concentrated locality. . . . To assume that political power is a function exclusively of numbers is to disregard the practicalities of government. Thus, the Constitution protects the interests of the smaller against the greater b y giving i n the Senate entirely unequal representation to populations. I t w o u l d be strange indeed, and doctrinaire, for this Court, applying such broad constitutional concepts as due process and equal protection of the laws, to deny a State the power to assure a proper diffusion of political i n i t i a t i v e as between its t h i n l y populated counties and those having concentrated masses, i n v i e w of the fact that the latter have practical opportunities for exerting their political weight at the polls not available to the former. The Constitution — a practical instrument of government — makes no such demands on the States. Colegrove v. Green , 328 U.S. 549, and Colegrove ν . Barrett , 330 U.S. 804 77 .
Zweifel daran, daß der Supreme Court m i t diesen Worten materiellrechtlich entschieden hat, könnten sich daraus ergeben, daß Justice Frankfurter i n der Sachverhaltsdarstellung nur die eine Begründung des federal district court angibt (want of jurisdiction) und die Entscheidung des Supreme Court schlicht lautet: judgment affirmed. Aber es muß dabei berücksichtigt werden, daß der Supreme Court, wie auch aus späteren apportionment Entscheidungen erkennbar w i r d 7 8 , die Entscheidung der Vorinstanz nicht korrigiert, wenn seine eigene Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht, und er i m Ergebnis m i t der vorinstanzlichen übereinstimmt. Als Präzedenzfälle führt das Gericht Colegrove und Barrett an. Auch das scheint zunächst der Interpretation von MacDougall als einer materiell-rechtlichen Entscheidung zu wiedersprechen. Ich meine jedoch, die Zitate haben gerade die entgegengesetzte Aussagekraft. Man erinnere sich: I n Colegrove war die Frankfurter-Gruppe bereit gewesen, die Klage on the merits zu entscheiden, nämlich aufgrund der i m Sinne der Vorinstanz interpretierten Entscheidung Wood v. Broom: Die Wahlkreisgleichheit sei nicht ein verfassungsrechtliches Erfordernis, sondern nur vom Kongreß i n einem reapportionment act gesetztes Recht. Dasselbe verfassungsrechtliche Minus scheint m i r das Gericht i n Barrett statuiert zu haben, als es eine Entscheidung kurz for want of a substantial federal question ablehnte, anstatt durch ein simples „appeal dismissed" die for want of equity Entscheidung der Vorinstanz zu bestätigen. MacDougall kann so als Explikation der Barrett Entscheidung i m Sinne von Nichtanwendung bundesverfassungsrechtlicher Normen i m einzelstaatlichen apportionment angesehen werden 7 9 . 77
MacDougall, 335 U.S. at 283/4. Vgl. unten, T e x t zu A n m . 93; Radford v. Gary (1957), K i d d v. McCanlass (1956), Anderson v. Jordan (1952). 79 „The Constitution . . . makes no such demands on the States." (MacDougall, 335 U.S. at 284). 78
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Daß der Supreme Court, ohne die Justiziabilität dieser parteipolitisch brisanten Fragen zu bezweifeln, eindeutig materiell-rechtlich entschieden hat, w i r d bestätigt sowohl durch die Behandlung des Falles durch Justice Douglas für die Minderheit, die allein materiell-rechtlich argumentiert und die equal protection clause für verletzt ansieht 80 , als auch besonders durch das Sondervotum Justice Rutledges. Justice Rutledge distanziert sich ausdrücklich von Mehrheit und M i n derheit. Erst dann plädiert er wiederum dafür, die Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen zu vermeiden und die Berufung for want of equity zurückzuweisen. Er sah noch größere zeitliche Schwierigkeiten für gegeben als i n Colegrove und bezweifelte auch diesmal, daß das Gericht wirksame und nicht nur noch nachteiligere Abhilfemaßnahmen ergreifen könnte 8 1 . I n MacDougall zeigt sich also die klare Niederlage der Justices Black, Douglas und Murphy i n der Sachfrage. Ihre Ansicht, daß die equal protection clause der Bundesverfassung rechtlicher Maßstab einzelstaatlicher Wahlgesetze sei, hatte sich i m vollbesetzten Gericht nicht durchgesetzt. Allerdings: das Gericht hatte sich die für die K l ä ger m. E. ungünstigere These der generellen oder auch nur i m Einzelfall zu beachtenden Nichteinmischung bei parteipolitisch kontroversen Fällen auch nicht zu eigen gemacht. Dennoch war MacDougall streng genommen als Präzedenzfall für apportionment Sachen von geringer Bedeutung: Es handelte sich nicht u m einen reapportionment Fall, bei dem die Gefahr bestand, daß das Gericht über die Erklärung der Verfassungswidrigkeit hinaus positive Anordnungen hätte treffen müssen, die ein aktives Eingreifen i n parteipolitische Kontroversen über die Wahlkreiseinteilung bedeutete. Wenn auch die größenmäßige Ungleichheit der counties die Grundlage abgab für das Argument, die equal protection clause sei verletzt, so wurde doch das Gericht nicht aufgefordert, eine Angleichung herzustellen, sondern nur die einzelstaatliche Regelung für verfassungswidrig zu erklären. I n das gefürchtete politische Dickicht hätte sich Justice Frankfurter also nicht zu begeben brauchen.
80 Das Minderheitsvotum von Justice Douglas beginnt direkt so: „ I t h i n k that the . . . Illinois Election Code . . . violates the Equal Protection Clause of the Fourteenth Amendment." (335 U.S. at 287). 81 Rutledge, concurring i n MacDougall: „ I n its facts and legal issues this case is closely analogous to Colegrove v. Green . . . . I t presents serious constitutional questions . . . That a bare m a j o r i t y of this Court resolves t h e m one w a y and three others hold opposing views only emphasizes their substantial character and supreme importance." (335 U.S. at 284) „ . . . I express no opinion concerning the constitutional and other questions presented." (ibid, at 287).
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Daß alle diese Fälle parteipolitische Folgen zeitigten, bleibt davon unberührt. Entscheidung wie Nichtentscheidung haben insofern Bedeutung. I n MacDougall w i r d das selbst i m Verhalten der Parteien deutlich: War der beklagte republikanische Governor von Illinois vor dem federal district court dem Begehren der Kläger noch entgegengetreten, so beantragte er vor dem Supreme Court schon Aufhebung des abweisenden Urteils. Sein Sinneswandel w i r d erklärlich aus dem Ergebnis der Präsidentschaftswahl: Präsident Truman gewann i n Illinois nur m i t der knappen Mehrheit von 34 000 Stimmen. Die 75 000 Wähler, die für die Zulassung der Progressive Party der ehemaligen Demokraten Wallace und Taylor ihre Unterschrift geleistet hatten, haben so höchstwahrscheinlich Truman zur Mehrheit verholfen 8 2 . Nach MacDougall verließen die Justices Murphy und Rutledge das Gericht, Clark und Minton traten an ihre Stelle. Die Mehrheit i n apportionment Sachen wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Es konnte sich daraus allenfalls eine Verminderung der Gruppe der Protagonisten für die Forderung one man — one vote ergeben. Das wurde denn auch gleich i n der ersten Sitzungsperiode i n neuer Besetzung deutlich: i n der Sache South v. Peters (1950)83. Angegriffen wurde erneut Georgias county unit system, nach dem diesmal die Kandidaten der Demokratischen Partei für die Bundessenatorenwahl, für die Governorwahl und für die Wahl zu einigen weiteren Exekutivämtern des Staates Georgia zu nominieren waren. Das Mißverhältnis der Wählerzahlen der größten zur kleinsten county betraf 1 :122, die entsprechenden unit-votes waren 2 und 6 8 4 . Die Mehrheit des federal district court, der per curiam entschied, erblickte i n Wood v. Broom (1932) den sie bindenden Präzedenzfall, da Wood bisher nicht overruled worden sei 8 6 : Der Supreme Court habe i n Wood trotz dahingehender Argumente den Klägern Abhilfe nicht nach der equal protection clause geschaffen. Die Auffassung dieses Gerichts, die ich, wie oben dargelegt 86 , für richtig halte, deckt sich also m i t der desjenigen district court, der Colegrove i n erster Instanz entschieden hatte und dessen Interpretation sich dann Justice Frankfurter i n Colegrove zu eigen machte. Das Minderheitsvotum der Supreme Court Justices i n Wood scheint die Mehrheit des district court i n South allerdings irrigerweise als Bestätigung der Auffassungen der Vorinstanz Woods aufgefaßt zu ha82
Diesen einleuchtenden Hinweis gibt Lewis, at 1079, η. 130. South v. Peters, 339 U.S. 276 (1950). 84 Vgl. South v. Peters, 89 F.Supp. 672, 683 (Richter Andrews, dissenting): Das durchschnittliche Verhältnis betrug 1 :11. 85 South v. Peters, 89 F.Supp. 672 (N.D.Ga. 1950). 8e Vgl. oben, Text zu A n m . 33. 83
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ben, denn die Richter meinten, jenes Minderheitsvotum (for want of equity) beruhe „on the ground that the matter was political and not of equitable cognizance". Anders sah district court Richter Andrews i n seinem Dissens die Präjudizien. Für i h n war allein Colegrove maßgebend: Colegrove sei ablehnend entschieden worden, weil wirksame Abhilfe nicht geschaffen werden konnte, keinesfalls aber wegen mangelnder jurisdiction, ein politisches Übel m i t gerichtlichen M i t t e l n zu beseitigen. South v. Peters unterscheide sich jedoch grundlegend von Colegrove: Wahlkreise seien hier unnötig, weil nicht die Kandidaten als Repräsentanten der Bevölkerung des jeweiligen Wahlkreises nominiert werden sollten, sondern Kandidaten für Georgias zwei Senatorenstellen i m Bundeskongreß, den Governor Georgias und für andere jeweils i n Wahlen at-large zu besetzende Ämter. Deshalb bedürfe es i n South auch nicht neuer Gesetzgebungsakte oder irgendwelcher apportionment Anordnungen des Gerichts, um Abhilfe zu schaffen. Die Kläger verlangten nur, daß ihre Stimme genau so gezählt werde wie die der anderen Wähler. Die Mehrheit des Supreme Court folgte Richter Andrews indes nicht, sondern bestätigte das Urteil des federal district court per curiam mit folgender kurzer Begründung: We affirm. Federal courts consistently refuse to exercise their equity powers i n cases posing political issues arising f r o m a state's geographical distribution of electoral strength among its political subdivisions. See MacDougall v. Green , 335 U.S. 281 (1948); Colegrove v. Green , 328 U.S. 549 (1946); Wood v. Broom , 287 U.S. 18 (1932); cf. Johnson v. Stevenson , 170 F. 2d 108 (C.A. 5th Cir., 1948)87.
Dieser Feststellung wiedersetzten sich nur die Justices Black und Douglas. Justice Douglas verfaßte das die knappe, aber weitreichende Mehrheitsentscheidung i m einzelnen angreifende Minderheitsvotum, das auf mehr als vier Druckseiten die Parallele zu den Diskriminierungsverboten aus rassischen Gründen zieht: (A)s M r . Justice Holmes said of the same argument i n Nixon v. Herndon, supra, p. 540, i t is „ l i t t l e more t h a n a play upon words" to call i t a political suit and therefore a nonjusticiable one. . . . We have here a system of discrimination i n p r i m a r y v o t i n g that undermines the advances made b y the Nixon , Classic and Allwright cases. Those decisions are defeated b y a device as deeply rooted i n discrimination as the practice w h i c h keeps a m a n f r o m the v o t i n g booth because of his race, creed or color, or w h i c h fails to count his vote after i t has been c a s t . . . . Georgia need not be remapped politically. The Georgia legislature need not take new action after our decree. There is no necessity that we supervise an election. There need be no change or alteration i n the place of the election, its time, the ballots that are used, or the regulations that govern its conduct 8 8 . 87 88
South v. Peters, 339 U.S. 276 (1950). Douglas, dissenting i n South, at 280/1.
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Aber eine klare Mehrheit hatte sich auf Nichtintervention i n apportionment Fragen festgelegt, wenn auch die juristische Konstruktion keineswegs zweifelsfrei war. Die Unklarheit folgt vor allem aus den Zitaten. I n Wood v. Broom (1932) hatte die Mehrheit die Erörterung des equity Gesichtspunktes ausdrücklich abgelehnt. MacDougall v. Green (1948) war i n der Sache entschieden worden. Beide Entscheidungen sind daher gemessen am Begründungstext i n South fehlzitiert. Relevant ist allein Colegrove. Dort war tatsächlich for want of equity eine Entscheidung i n der Sache abgelehnt worden. Allerdings findet sich die jetzt anklingende generelle Begründung („cases posing political issues") nur i n dem von insgesamt drei Justices getragenen Plädoyer Frankfurters für Nichteinmischung i n apportionment Sachen. South macht aber deutlich, was die genaue Analyse der Ausführungen Frankfurters i n Colegrove bereits ergab: Nicht mangelnde Justiziabilität der Probleme wurde i n Colegrove von Frankfurter statuiert, sondern gewollte generelle Zurückhaltung des Gerichts i n apportionment Fragen unter dem Gesichtspunkt der Ausübung der an sich vorhandenen equity powers. Das, so scheint es rückblickend, war der Standpunkt der vier Dissenters i n Wood, und das ist es, was unter dem Stichwort Colegrove D o k t r i n die theoretische Diskussion u m die political question D o k t r i n befruchtete. South v. Peters (1950) war vor Baker v. Carr (1962) die letzte m i t Gründen versehene Entscheidung des Supreme Court, die das apportionment eines gesamtstaatlichen Legislativorgans betraf 8 9 . Das Gericht hatte eine — so schien es — programmatische Entscheidung getroffen. Daher muß es verwundern, daß die nachfolgenden Fälle mit ähnlicher Konstellation nicht unter Hinweis auf South summarisch abgewiesen wurden, ja, daß die Entscheidung South v. Peters später nie wieder zitiert wurde. Eine kurze Untersuchung der Folgeentscheidungen ist deshalb angezeigt, u m etwa die Gründe dafür zu ermitteln. Remmey ν . Smith (1952) war nach Ansicht des federal district court prematurely brought und deshalb for want of equity abgewiesen worden. Der Supreme Court wies die Berufung for want of a substantial federal question ohne irgendein Zitat zurück 90 . I n genau der gleichen Weise wies das Gericht i n Cox v. Peters (1952) einen weiteren A n g r i f f 9 1 auf Georgias county unit system ab. I n Rem89 Der F a l l Tedesco ν. Board of Supervisors, der noch i n derselben S i t zungsperiode wie South entschieden wurde, betraf die Wahlkreiseinteilung der Stadt New Orleans. Die Berufung w u r d e einstimmig ohne Z i t a t for w a n t of a substantial federal question abgewiesen. Vgl. dazu unten, T e i l I I B., Text zu A n m . 2. 90 Remmey v. Smith, 342 U.S. 916 (1952), 102 F.Supp. 708 (E.D.Pa. 1951). 91 Cox v. Peters, 342 U.S. 936 (1952), w a r nach Cook v. Fortson, ibid. (Anm.
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mey m e i n t e n u r J u s t i c e B l a c k , i n Cox auch J u s t i c e D o u g l a s „ p r o b a b l e j u r i s d i c t i o n s h o u l d be n o t e d " . Cox w a r i n s o f e r n e i n besonderer F a l l , als n i c h t eine e q u i t y K l a g e v o r l a g , s o n d e r n e i n a c t i o n at l a w f o r m o n e y damages. A u f South v. Peters , besser: a u f Ermessen b e i der A u s ü b u n g d e r e q u i t y p o w e r , k o n n t e sich d e r S u p r e m e C o u r t deshalb n i c h t b e r u f e n . South v. Peters setzt aber auch voraus, daß d i e G e r i c h t e j u r i s d i c t i o n i m S i n n e v o n A r t . I I I der B u n d e s v e r f a s s u n g haben, sonst h ä t t e es eines a u s d r ü c k l i c h e n V o r e n t h a l t e n s d e r e q u i t y p o w e r n i c h t b e d u r f t . Cox k a n n deshalb s i n n v o l l e r w e i s e n u r — w i e MacDougall! — als eine der V o r i n s t a n z i m E r g e b n i s z u s t i m m e n d e E n t s c h e i d u n g i n der Sache g e d e u t e t w e r d e n 9 2 : W a h l e n nach d e m c o u n t y u n i t system, das schon d e r f e d e r a l d i s t r i c t c o u r t i n South v. Peters m i t B i l l i g u n g des S u p r e m e C o u r t i n d e r Sache a u f r e c h t e r h a l t e n h a t t e , v e r s t o ß e n n i c h t gegen d i e B u n d e s v e r f a s s u n g . Die drei folgenden Entscheidungen sind durch rückverweisende Z i t a t e i n e i n e n n i c h t sogleich d u r c h s c h a u b a r e n Z u s a m m e n h a n g gestellt. Es h a n d e l t sich u m Anderson v. Jordan (1952), Kidd v. McCanlass (1956) u n d Radford v. Gary (1957). A l l e d r e i E n t s c h e i d u n g e n l a u t e n : T h e m o t i o n t o dismiss is g r a n t e d a n d t h e a p p e a l is d i s m i s s e d 9 3 . D e m f o l g e n n u r noch die Z i t a t e . I n a l l e n d r e i F ä l l e n i s t Colegrove z i t i e r t . I m ü b r i -
67), u n d South v. Peters, ibid. (Anm. 83), der dritte F a l l dieser A r t v o r dem Supreme Court. 92 Vgl. dazu Lucas, at 731 - 734; anders aber Justice Brennan i n Baker v. Carr: mangelnde state action. Das ist zwar richtig insofern, als der Georgia Supreme Court tatsächlich mangelnde state action festgestellt hatte, w e i l das neue p r i m a r y Gesetz Georgias nicht mehr die Durchführung von p r i m a ries vorschrieb, sondern n u r Regeln bereitstellte für den Fall, daß die Parteien primaries abhielten. D a m i t hatte das Gericht Cox v. Peters von den p r i m a r y Entscheidungen N i x o n v. Herndon, 273 U.S. 536 (1927), US v. Classic, 313 U.S. 299 (1941) u n d S m i t h v. A l l w r i g h t , 321 U.S. 649 (1944), zu unterscheiden versucht. A b e r i n Terry v. Adams (1953), als der Supreme Court die Kandidatenwahl durch die private Jaybird Association wegen i h r e r t a t sächlichen W i r k u n g i m „Einparteienstaat" Texas als T e i l des staatlichen W a h lVerfahrens angesehen hatte, ist Cox (1952) als state action F a l l nicht genannt worden. Wäre Cox ein solcher gewesen, hätte er behandelt (distinguished) werden müssen. Ich halte deshalb die Beurteilung des US Solicitor General f ü r sachgerechter: „ I n this case . . . presumably because a similar controversy had been here t w o terms ago i n South v. Peters . . . the Court apparently pretermitted the immediate question decided b y the Supreme Court of Georgia and went directly to w h a t i t deemed the ultimate issue i n the case, namely, the merits of the claim of violation of federal constitutional rights." (Memorandum for the U n i t e d States as Amicus Curae i n Support for the Petition for Rehearing, p. 6.) H i n z u kommt, daß die B e r u fungsbeklagten sich vor dem Supreme Court nicht mehr auf das — w o h l als auf schwachen Füßen stehend erkannte — U r t e i l des Georgia Supreme Court stützten, sondern auf die apportionment Entscheidungen. 98 Anderson v. Jordan, 343 U.S. 912 (1952) — Vorentscheidung nicht veröffentlicht; K i d d v. McCanlass, 352 U.S. 920 (1956), 292 S.W. 2d 40 (1956); Radford v. Gary, 352 U.S. 991 (1957), 145 F.Supp. 541 (W.D.Okla. 1956).
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gen w i r d nur direkt zurückverwiesen, also: Radford verweist auf Kidd und Kidd auf Anderson. Anderson selbst verweist nicht auf South v. Peters, sondern zitiert, ohne South zu nennen, die dort angeführten Entscheidungen i n dieser Reihenfolge: MacDougall, Colegrove, Wood. Man fragt sich, was wohl der gemeinsame Nenner all dieser Entscheidungen sein mag. Gemeinsamer Nenner ist sicherlich nicht der i n South genannte: ermessenmäßige Nichtausübung der federal equity power, denn gerade Anderson — aber auch Kidd — erwuchs aus einer einzelstaatlichen, nicht der Bundesgerichtsbarkeit. Gemeinsam ist allen Entscheidungen, daß die Kläger m i t ihrem Begehren, der Supreme Court möge aus der Bundesverfassung die Forderung nach Wahlkreisgleichheit ableiten, nicht zum Zuge gekommen sind. Die Frage bleibt aber, aus welchem Grunde das geschehen ist. Ein Vergleich der Begründungen für die Anträge auf dismissal vor dem Supreme Court scheint m i r hierfür Aufschluß zu geben. I n Anderson und Kidd, die aus einzelstaatlichen Gerichtsbarkeiten kamen, war jeweils als Punkt 1 angeführt worden, es bestehe ein i n dependent state ground, der eine Entscheidung des Supreme Court überflüssig mache. Dieser Grund ist aber m i t keinem der Zitate vereinbar: Wood, Colegrove und MacDougall kamen von federal courts. Zudem kam Radford v. Gary aus der Bundesgerichtsbarkeit. Die zitierten drei Entscheidungen passen auch nicht zu dem i n Anderson vorgeschlagenen Ablehnungsgrund: for want of jurisdiction. I n allen drei Anträgen w i r d aber das Fehlen einer substantial federal question postuliert und — i n unterschiedlicher Weise — auf die politische Natur des apportionment hingewiesen. So heißt es i n Anderson: es fehle an einer substantial federal question, weil die Fragen „political" seien. I n Kidd sind es zwei getrennte Begründungen: (1) Fehlen einer substantial federal question on the merits, (2) beim apportionment handele es sich um „political questions". I n Radford heißt es: „Appellees move to dismiss on the ground that the questions presented i n appellant's Jurisdictional statement 4 herein are so unsubstantial as to not need further argument . . . 9 4 ." Die Antragsteller weisen dazu auf die Anträge und das Urteil der Vorinstanz hin. Dort war außer gegen „jurisdiction over the subject matter" argumentiert worden, es fehle ein „claim against defendents upon which relief could be granted", also ein materiell-rechtlicher Anspruch. Der federal district court hatte dazu unter Hinweis auf South v. Peters festgestellt, gemessen an der Colegrove D o k t r i n enthalte der Fall nur „state political issues", i n die die Bundesgerichte sich nicht einmischen sollten. Der Sachverhalt i n Radford entspreche denen i n Colegrove und MacDougall. 94
Brief for Appellees, Radford v. Gary, 352 U.S. 991 (1957).
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„Lack of a substantial federal question" i m nicht-technischen Sinne 95 scheint mir tatsächlich das Motto zu sein, unter dem der Supreme Court eine Entscheidung i n den drei angeführten Fällen abgelehnt hat. Nun bedeutet „lack of a substantial federal question" nicht unbedingt, daß es an einem materiell-rechtlichen Anspruch fehlen muß. Aber es bedeutet immer auch verfahrensrechtlich: Das Gericht hat über die vorgelegte Frage bereits vorher abschließend geurteilt. Dann rekurriert das Gericht auf frühere Entscheidungen 96 . Das scheint hier der Fall zu sein, weil der Supreme Court jeweils zurückverweist i n einer Kette, die i n die Dreiheit der Urteile MacDougall, Colegrove, Wood — i n dieser Reihenfolge — mündet. M i t anderen Worten: Die Berufungen konnten zurückgewiesen werden, w e i l das Gericht i n MacDougall, Colegrove und Wood die Sache bereits endgültig entschieden hatte. W i r sind also wieder auf die Interpretation dieser drei Entscheidungen zurückgeworfen. Das i n den Anträgen jeweils angeführte dogmatisch unklare Argument, i m Spiel seien politische Fragen, legt stets aufs neue nahe, den Gesamtkomplex unter dem verfahrensmäßigen Aspekt der „political question" zu sehen. Die genannte Zitatentrinität spricht aber gerade gegen eine solche Auffassung. I n MacDougall, immer zuerst genannt (!), hatte der Supreme Court eindeutig i n der Sache entschieden, nämlich gegen die Anwendung der equal protection clause: „The Constitution . . . makes no such demands on the States." Davon ging das Gericht auch i n Wood aus, als es die dort anstehenden apportionment Fragen als solche des einfachen Bundesrechts behandelte. Zweifelhaft ist zunächst die Bedeutung Colegroves für diesen materiell-rechtlichen Zusammenhang, da die Berufung dort wegen der ausschlaggebenden Stimme von Justice Rutledge m i t 4 : 3 „for want of equity" abgewiesen wurde. Aber Justice Frankfurter hatte dargelegt, daß für ihn und die i h m zustimmenden beiden Justices Wood an sich der richtige Präzedenzfall sei, so daß Colegrove i m Rahmen der Zitatendreiheit m i t MacDougall und Wood wohl auch als ablehnende Sachentscheidung verstanden werden kann. Für eine solche Auffassung spricht, daß niemals später South v. Peters, das den equity Gesichtspunkt herausstellt, zitiert wurde. Daraus darf man schließen, daß die scheinbar rein verfahrensmäßige Colegrove Doktrin (im Sinne von Justice Frankfurters gerichtspolitischer Argumentation für eine generelle Nichteinmischung der Gerichte i n appor95 „Technisch" wäre die Abweisung n u r nach Regel 19 Nr. 1 der Revised Rules of the Supreme Court von 1954 (98 L.Ed.) bzw. der insoweit gleichlautenden Regel 38 Nr. 5 (a) u n d (b) von 1939 (83 L.Ed. 1654) i n certiorari-Fällen möglich gewesen. A l l e drei hier i n Frage stehenden Fälle sind aber B e r u fungssachen. Z u m Unterschied siehe unten, T e i l I B. 1. zu den A n m . 58 - 64. 96 Siehe näher Note, „The Insubstantial Federal Question", 62 H a r v L Rev 488 (1949).
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tionment Sachen) i n Wahrheit inhaltlich bestimmt war: Die Gleichheit der Wahlkreise w i r d von der Bundesverfassung nicht gefordert. Ob das von den zu verschiedenen Zeiten dem Supreme Court angehörenden Justices selbst immer gesehen worden ist, ist zu bezweifeln, insbesondere wenn man bedenkt, daß die besprochene Zitatentrinität — inhaltlich nicht klar erklärbar — auch jener Formulierung i n South v. Peters angefügt worden war, die statuiert, daß die Gerichte nicht eingreifen „ i n cases posing political issues arising from a state's geographical distribution of electoral strength among its political subdivisions". Bedenkt man ferner, daß die bis 1957 stets zitierten Entscheidungen zeitlich (1932, 1946, 1948) u n d personell sehr unterschiedliche Voraussetzungen haben, so w i r d klar, daß das Gericht, abgesehen von der Minderheit, einen bewußten, dogmatisch begründeten Standpunkt i n Wahlkreisangelegenheiten nicht eingenommen hat. Die Mehrheit der Justices war wohl einfach froh, nicht auch noch die politisch brisanten Wahlkreisprobleme lösen zu müssen. So läßt sich eindeutig nur feststellen: (1) Das Gericht hat das Erfordernis der Wahlkreisgleichheit nicht aus der equal protection clause abgeleitet. (2) Das Gericht hat andererseits die Justiziabilität von Wahlkreisfragen (im Sinne von fehlender jurisdiction) niemals i n Frage gestellt. M i t dem Wechsel der Justices i n der zweiten Hälfte der 50er Jahre bahnte sich dann eine Änderung der Haltung der Supreme Court an. Noch vor Kidd v. McCarilass (1956) und Radford v. Gary (1957) wurde Earl Warren zum Chief Justice ernannt und die Justices Harlan und Brennan lösten die Justices Jackson und Minton ab. Kurz nach den beiden letzten Entscheidungen, die per curiam ergingen und Hinweise auf dissents nicht enthielten, ersetzte Justice Whittaker Justice Reed. Dieser Wechsel der Supreme Court Justices muß die Kläger i n Hartsfield ν . Sloan (1958)97 bewogen haben, erneut den apportionment Streit vor die Gerichte zu bringen, denn es ging u m genau dieselben Fragen betreffend Georgias county unit system wie bereits i n Cook v. Fortson (1946), South v. Peters (1950) und Cox v. Peters (1952). Der Richter erster Instanz lehnte es denn auch ab, die Sache überhaupt zu hören, denn „ . . . the federal question sought to be raised here is unsubstantial for the reason that the previous decisions of the Supreme Court of the United States foreclose the subject und leave no room for inference that the question sought to be raised can be the subject of controversy" 9 8 . 97
Hartsfield v. Sloan, 357 U.S. 916 (1958). Hartsfield v. Sloan, N.D.Ga. 1958; die Entscheidung ist nicht veröffentlicht; das Zitat ist entnommen: Lucas, at 739. 98
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Vor dem Supreme Court drangen die Kläger zwar nicht m i t ihrem Antrag durch, den Richter anzuweisen, die Sache zu hören. Aber die Mehrheitsverhältnisse wurden deutlich: Die Justices Black und Douglas erhielten Unterstützung von Justice Brennan und Chief Justice Warren für ihr Votum „a rule to show cause should issue". Dieses Votum und die Tatsache, daß Justice Burton von Justice Stewart ersetzt worden war, so daß von der Mehrheit i n MacDougall und Colegrove allein Justice Frankfurter noch amtierte, scheint den Versuch inspiriert zu haben, ein Steuergesetz Indianas m i t der Begründung anzugreifen, es sei von einer verfassungswidrig zusammengesetzten Legislative beschlossen worden, denn diese sei aufgrund eines verfassungswidrigen apportionment Gesetzes gewählt worden. N u n war es aber nach dem Recht Indianas möglich, das Steuergesetz direkt anzugreifen und es auch auf seine Verfassungsmäßigkeit h i n überprüfen zu lassen. Deshalb wies der federal district court i n Mathews v. Handley (1959) die Klage ab, und der Supreme Court bestätigte das Urteil einstimmig und ohne Zitate". Dennoch waren die Chancen für eine Änderung der Haltung des Supreme Court aufgrund seiner geänderten Besetzung stark gestiegen, so daß es nur noch eine Frage der Zeit war, wann der nächste apportionment Fall vor den Supreme Court kommen würde. I n den Einzelstaaten war mittlerweile die Haltung des Supreme Court i n den apportionment Fällen nach Colegrove v. Green (1946) nicht ohne Einfluß geblieben. Hatten vorher immerhin einige Gerichte den Versuch gemacht, die Legislativen wenigstens zu einem der jeweiligen Staatsverfassung konformen apportionment zu bewegen, so lehnten sie nun, zum Teil m i t ausdrücklichem Hinweis auf Colegrove, ein Tätigwerden ganz ab 1 0 0 .
99
Mathews v. Handley, 361 U.S. 127 (1959). I n State ex rei. Broughton v. Zimmerman, 52 N.W. 2d 903 (Wis. 1952) sind f ü n f Entscheidungen seit 1946 zustimmend zitiert. Das Gericht i n W i s consin verweist — w i e fast alle anderen — auf den Gewaltenteilungsgrundsatz, der i n Fergus ν. Marks, 152 N.E. 557 (III. 1926) zuerst so deutlich herausgestellt worden ist. Schließlich zitiert das Gericht sogar ausführlich aus Justice Frankfurters V o t u m i n Colegrove v. Green, i n dem Frankfurter erk l ä r t haben soll, „reapportionment ordinarily presents a political question and not a justiciable one". Ferner Butcher v. Rice u n d Costello v. Rice, 153 A . 2d 869 bzw. 888 (Pa. 1959); Scholle v. Hare, 104 N.W. 2d 63 (1960); Barnes v. Barnett, 129 So. 2d 938 (1961) — auch m i t Hinweis auf Colegrove. N u r drei Entscheidungen scheinen davon abzuweichen. Doch diese beruhen auf ganz speziellen tatsächlichen Umständen: 1. Thompson v. Zimmerman, 60 N.W. 2d 416 (Wis. 1953); 2. Brewer v. Gray, 86 So. 2d 799 (Fla. 1956); 3. State v. Myers, 319 P. 2d 828 (Wash. 1957). 100
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Erst am Ende der 1950er Jahre gab es Ausnahmen. Jeweils ein einzelstaatliches Gericht und ein Bundesgericht paßten sich dem Supreme Court nicht a n 1 0 1 : (1) 1958 ignorierte der federal district court von Minnesota Colegrove und dessen Nachfolgeentscheidungen. Er stellte seine Zuständigkeit fest, da die Frage der Verletzung der equal protection of the laws aufgeworfen worden sei, behielt sich eine Entscheidung i n der Sache aber noch vor, bis die Legislative Minnesotas Gelegenheit gehabt habe, sich m i t dem — angesichts der i m Gerichtsverfahren nachgewiesenen erheblichen Ungleichheiten — notwendigen reapportionment zu befassen (Magraw ν . Donovan, 1958) 102 . (2) 1960 entschied ein state court i n New Jersey zwar nicht i n der Sache, auch war nicht die equal protection clause des X I V . amendment, sondern die Verfassung von New Jersey betroffen. Aber das Gericht lehnte doch ein Eingreifen nicht völlig ab. Es betonte vielmehr seine Zuständigkeit m i t Bezug auf eine lange Reihe von alten apportionment Entscheidungen (1892 -1934) sowie auf Magraw v. Donovan und Dyer ν . Kazuhisa 103, erklärte Colegrove für nicht einschlägig, w e i l dort die einzelstaatliche Verfassung keine apportionment Verpflichtung enthielt, und setzte dann die Entscheidung aus, u m der Legislative Gelegenheit zu geben, das reapportionment nach den Zensusergebnissen des Jahres 1960 durchzuführen 1 0 4 . I n beiden Fällen reagierte die Legislative des Einzelstaates prompt und verabschiedete ein apportionment Gesetz innerhalb eines Jahres. Bevor w i r uns n u n der entscheidenden Wende der reapportionment Rechtsprechung zuwenden können, muß ein weiterer Fall behandelt 101 Z w e i weitere Fälle sind hier nicht direkt einschlägig: (1) I n Dyer ν. Kazuhisa, 138 F.Supp. 220 (D.Hawaii 1956), entschied sich das Gericht i n H a w a i i zwar grundsätzlich f ü r ein Eingreifen i n apportionment Sachen. Aber es w a r als Territorialgericht auch nicht w i e die übrigen federal district courts an die Bestimmungen des A r t i k e l I I I der Verfassung über die Aufgaben der Bundesjustiz gebunden. Der Bundeskongreß änderte dann sogleich das Grundgesetz Hawaiis dahingehend, daß n u n der Governor das reapportionment durchzuführen habe, das zudem ausdrücklich vor den Gerichten sollte angefochten werden können (Constitution of Hawaii, A r t . I I I ,
§4).
(2) In re Review of Chapter 482, Oregon L a w 1961, 364 P. 2d 1004 (1961) u n d In re Apportionment of Senators and Representatives, 365 P. 2d 1042 (1961) erklärte der Oregon Supreme Court einen reapportionment P l a n für gegen die Verfassung Oregons verstoßend u n d verfügte die Erstellung eines neuen Plans durch den Oregon Secretary of State. I n Oregon waren jedoch (a) das richterliche Prüfungsrecht i n apportionment Sachen gesetzlich festgelegt u n d (b) i n der Verfassung sowohl genaue mathematische Formeln vorhanden als auch vorgeschrieben, daß der Secretary of State das reapportionment durchzuführen habe, falls die Legislative es nicht tue. 102 Magraw v. Donovan, 163 F.Supp. 184, at 187. 108 Siehe dazu A n m . 101. 104 Asbury Park Press, Inc. v. Woolley, 161 A . 2d 705 (N.J. 1960).
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werden, der einerseits das Verständnis der Position Justice Frankfurters erleichtert, andererseits auch für die Argumentation einer neuen Mehrheit nicht unwichtig erscheint: Gomillion ν . Lightfoot (I960) 105 . Die Legislative von Alabama hatten die Grenzen der Stadt Tuskegee neu festgelegt, nach Auffassung der Kläger m i t dem Ziel, den politischen Einfluß des bekannten Neger-Colleges Tuskegee Institute zu untergraben und die weiße Mehrheit i n der Stadt zu sichern. Das Ergebnis der Neufestsetzung war denn auch eindeutig: Das Institut und fast alle Einwohner m i t schwarzer Hautfarbe fanden sich außerhalb der Stadtgrenze wieder. Doch nicht ein einziger Weißer war von der Ä n derung betroffen. Der Supreme Court erklärte die Grenzziehung einstimmig für verfassungswidrig. Damit behielten zugleich die ursprünglichen Grenzen ihre Gültigkeit, so daß ein weiteres Eingreifen der Gerichte zu neuerlicher Grenzziehung nicht erforderlich war. Justice Frankfurter schrieb das von der Mehrheit getragene Urteil. Er grenzte den Fall von Colegrove ab, indem er sich allein auf das X V . amendment bezog, das die Beeinträchtigung des Wahlrechts aus rassischen Gründen verbietet: When a legislature thus singles out a readily isolated segment of a racial m i n o r i t y for special discriminatory treatment, i t violates the Fifteenth Amendment. . . . W h i l e i n f o r m this is merely an act redefining metes and bounds, i f the allegations are established, the inescapable h u m a n effect of this essay i n geometry and geography is to despoil colored citizens, and only colored citizens, of their theretofore enjoyed voting rights. That was not Colegrove υ. Green 1 0 6 .
Justice Whittaker dagegen kam zum gleichen Ergebnis m i t Hilfe der equal protection clause: Die Neger waren deshalb nicht mehr wahlberechtigt, weil sie nicht länger Einwohner der Stadt waren; und sie waren ausgegrenzt worden, weil sie Neger waren. Nicht nur ihr Wahlrecht war also betroffen, sondern ihr gesamter Status als Bürger. Als solche waren sie wegen ihrer Rasse i n bestimmter Weise besonders behandelt worden. Das widerspreche der equal protection clause und dem ursprünglichen Anliegen des X I V . amendment — eine Sonderbehandlung der Neger zu verhindern. Es ist nicht ohne weiteres einsichtig, w a r u m sich die Mehrheit allein auf das X V . amendment stützte, denn auch eine Entscheidung unter der equal protection clause hätte die Colegrove D o k t r i n wegen der klaren rassischen Grundlagen des Falles nicht beeinträchtigt. Doch Justice Frankfurter scheint jegliche Anwendung der equal protection clause i n Grenzziehungsfragen m i t Mißtrauen betrachtet zu haben. 105 100
Gomillion v. Lightfoot, 364 U.S. 339 (1960). Gomillion at 346/7.
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5. Baker v. Carr (1962)
Die beiden grundsätzlichen Auffassungen über die politische und j u ristische Tragbarkeit eines Eingreifens der Gerichte i n die von den Legislativen der Einzelstaaten beschlossenen Wahlkreiseinteilungen artikulierten sich schließlich, ζ. T. versteckt i n traditionell juristischer Argumentation, i n umfassender Weise i n Baker υ. Carr (1962) 107 . Der hochangesehene Justice Frankfurter argumentierte ein letztes M a l m i t dem vollen Einsatz des i h m zu Gebote stehenden juristischen und rhetorischen Instrumentariums für die Selbstbeschränkung des Gerichts i n den „politischen" apportionment Fragen. Aber er erhielt nur die Unterstützung von Justice Harlan, der die Stelle Justice Jacksons eingenommen hatte. Die Gegenseite, seit Colegrove standhaft von den Justices Black und Douglas i n ihren dissenting opinions vertreten, war inzwischen m i t Chief Justice Warren (seit 1953) und den anderen, neu an das Gericht berufenen Justices Clark (1949), Brennan (1956) u n d Stewart (1962) auf eine Mehrheit von 6 Stimmen angewachsen. Justice Whittaker nahm an der Entscheidung nicht teil. Der Sachverhalt i n Baker enthielt fast alle Merkmale der bisherigen apportionment Fälle: Die Legislative von Tennessee hatte seit 1901, also über 60 Jahre lang, kein apportionment Gesetz mehr verabschiedet, obwohl nach der Verfassung des Staates ab 1871 alle 10 Jahre neu einzuteilen war. Grundlage des apportionments der 99 Sitze des Repräsentantenhauses auf die counties war die Zahl ihrer wahlberechtigten Einwohner. Die 33 Senatssitze sollten dann so auf die counties aufgeteilt werden, daß möglichst ein Ausgleich für jene Wahlberechtigten stattfand, die bei der Sitzeverteilung der Repräsentanten nicht i n vollem Umfang berücksichtigt werden konnten. Sollten mehrere counties einen Wahlkreis bilden, so mußten sie aneinandergrenzen. Geteilt werden durften die counties nicht. Seit 1901 war nun die Bevölkerungszahl Tennessees von etwa 2 M i l lionen m i t einer halben M i l l i o n wahlberechtigter Bürger auf mehr als 3,5 Millionen m i t etwa 2 Millionen Wahlberechtigten gestiegen. Dabei war ein Mißverhältnis der county Einwohnerzahlen entstanden, das etwa 2300 i n der kleinsten zu rd. 42 000 i n der größten county betrug 1 0 8 . Die Kläger aus einem einwohnerstarken Wahlkreis rügten die Verletzung der equal protection clause des X I V . amendment „ b y virtue of the debasement of their votes" und beantragten, das Gesetz von 1901 für verfassungswidrig zu erklären sowie weitere Maßnahmen zu treffen, u m die Entwertung ihrer Stimmen i n Zukunft zu verhindern 1 0 9 . 107 108 109
Baker v. Carr, 369 U.S. 186 (1962). Vgl. Record, Baker v. Carr, at 25 - 31. Baker at 195 (zunächst eine i n j u n c t i o n gegen die Durchführung
5 Köpp
von
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Der federal district court hatte die Klage abgewiesen, 1. weil dem Gericht die „jurisdiction over the subject matter" fehle, 2. weil fehle: „a claim upon which relief can be granted". Es bezog sich zur Begründung auf die oben erörterten Entscheidungen des Supreme Court und meinte m i t Blick auf Colegrove: I t has long been recognized and is accepted doctrine that there are indeed some rights guaranteed b y the Constitution for the violation of which the courts cannot give redress 1 1 0 .
Der Supreme Court hob dieses Urteil m i t 6 :2 Stimmen auf und verwies die Klage an den district court zurück „for further proceedings consistent w i t h this opinion". I n der Begründung erklärte Justice Brennan für das Gericht: 1. Der federal district court hat jurisdiction over the subject matter. 2. Die Klage ist justiziabel. 3. Die Kläger sind aktiv legitimiert („standing"). 4. Das Gericht bezweifelt nicht, daß der district court i n der Lage sein wird, Abhilfemaßnahmen (relief) zu finden, falls er eine Rechtsverletzung feststellen wird. 5. Die Frage nach der geeigneten und angemessenen Maßnahme ist derzeit unangebracht. Die Justices Black, Clark und Stewart schrieben dazu concurring, die Justices Harlan und Frankfurter dissenting opinions. Justice Frankfurter machte seinem Ruf als „scholar on the bench" alle Ehre. I n seinen 63 Druckseiten umfassenden Ausführungen präzisierte und ergänzte er seine Argumente für ein Nichteingreifen der Gerichte und veränderte sie dabei zugleich. Zunächst gab er zu, daß es an jurisdiction „ i n the strict sense of want of power" i n apportionment Fällen nicht mangele, er das auch i n Colegrove nicht so gemeint habe 1 1 1 . Aber, so behauptete er, schon i n Colegrove seien drei entscheidende Fragen i n bestimmter Weise beantwortet worden: 1. Die Bundesgerichte sollten i n die traditionelle Sphäre legislativer „policy-making" aus Unbehagen an der Wahlkreiseinteilung nicht eingreifen. Wahlen nach dem Gesetz von 1901; falls die Legislative nicht verfassungsgemäß neu einteile, ein reapportionment decree des Gerichts entsprechend der Vorschrift der Tennessee Constitution oder eine Anweisung, Wahlen atlarge durchzuführen). 110 Baker v. Carr, 179 F.Supp. 824 (M.D.Tenn. 1959), at 828. 111 Frankfurter, dissenting i n Baker, at 277; vgl. auch meine Analyse oben, Text zu A n m . 47 ff.
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2. Juristische Maßstäbe (standards) könnten nicht aufgestellt werden dafür, welches Gewicht der numerischen Gleichheit der Wähler bei der politischen Machtverteilung zukommt. 3. Geeignete Abhilfemaßnahmen gäbe es nicht — besonders für das „politische" Problem, ob Wahlen at-large den Wahlen i n ungleich großen Wahlkreisen vorzuziehen sind. Diese Überlegungen seien für die Rechtsprechung nach Colegrove bestimmend gewesen, nach seiner Meinung: „summarized i n the loose shorthand phrase »political questions'". Dann setzte sich Frankfurter m i t der political question D o k t r i n selbst auseinander und meinte m i t Bezug auf Alexander M. Bickels Aufsatz „The Passive Virtues" 1 1 2 , das Gericht habe i n ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß es „a class of controversies" gebe, für deren Behandlung es an juristischen Maßstäben und Abhilfemöglichkeiten fehle. „To classify the various instances as ,political questions 4 is rather a form of stating this conclusion than revealing of analysis 1 1 3 ." Seine ausführlichen Darlegungen dazu und insbesondere seine Analyse jener Fälle, die unter der Klausel: The United States shall guarantee to every State of this Union a Republican Form of Government (Art. IV, Sec. 4 — sog. guaranty clause) 114 als nicht justiziabel behandelt worden sind, sollen des näheren i m Rahmen der folgenden, mehr theoretischen Untersuchung behandelt werden. Justice Brennan hat auf ähnlich ausführliche Weise der political question D o k t r i n und den guaranty clause Fällen nachgespürt. Für i h n hat der Angriff der Kläger unter der equal protection clause jedoch nichts m i t der guaranty clause zu tun. Dagegen wendet sich Frankfurters Argumentation: Es scheine zwar so, als stritten die Kläger unter Einsatz der equal protection clause i n einer mehr privaten, weniger unpersönlichen Klage gegen eine Diskriminierung ihrer selbst als Teil einer benachteiligten Gruppe. Aber die Diskriminierung bestehe doch darin, daß ihnen vorenthalten werde, was die Kläger als den ihnen zustehenden proportionalen Teil des politischen Einflusses i m Staate ansehen. Ungleich großer politischer Einfluß aber sei das praktische Ergebnis jeglicher Machtverteilung innerhalb der staatlichen Institutionen. Jede Aufteilung politischer Macht, die als „non-republican" angegriffen werde, wirke zum Nachteil einiger und zum Vorteil anderer Gruppen innerhalb des einen „body politic". Der Kampf u m die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheid oder u m die Übertragung von Kompetenzen auf lokale statt zentrale Einrichtungen — bis112
Bickel, „Foreword: The Passive Virtues", 75 H a r v L Rev 40 (1961). us Frankfurter, dissenting i n Baker, at 280/1. 114
5*
Manchmal auch bezeichnet als republican f o r m clause.
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her vom Supreme Court stets unter der guaranty clause als nicht j u ristisch überprüfbar behandelt — sei ein Kampf zwischen Machtgruppen gewesen, deren Einfluß auf die verschiedenen Staatsorgane unterschiedlich sei. So sei es auch hier. Bevor man von „debasement" oder „dilution" des Wertes der abgegebenen und gezählten Stimmen sprechen könne, müsse man die Bezugsebene festgelegt haben, an der man den Stimmenwert messen könne. Man müsse also zunächst zwischen den verschiedenen theoretischen Grundlagen der Repräsentation wählen, u m eine angemessene Struktur des Gemeinwesens Tennessee festzulegen. M i t einer solchen Auswahl entscheide man aber gerade über die republican form of government, die bisher stets als juristisch nicht überprüfbar galt. „Equal protection" könne man i n diesem Zusammenhang also nicht von der „republican form" trennen. Deshalb sei auch diese Sache nichts als ein verschleierter guaranty clause F a l l 1 1 5 . I m übrigen ergebe sich aus der equal protection clause ebensowenig wie aus der guaranty clause ein Maßstab, an dem ein apportionment Gesetz gemessen werden könne. Denn auch wenn die grundlegende theoretische Frage, was denn repräsentiert werden solle i n einer repräsentativen Legislative, beantwortet worden sei, bleibe „(apportionment . . . a subject of extraordinary complexity, involving . . . considerations of geography, demography, electoral convenience, economic and social cohesions . . . , communications, the practical effects of . . . the lobby and the city machine, ancient traditions . . . , respect for proven incumbents, mathematical mechanics,... and a host of others" 1 1 6 . A l l e diese Faktoren seien nicht für eine Bewertung geeignet, wie sie von Richtern nach ihrer Ausbildung, Erfahrung oder von Natur aus vorhandenen Fähigkeiten geleistet werden können. Das gelte u m so mehr, als man bei jeder Phase dieses komplizierten Wertungsablaufs auf die parteipolitischen Machtkämpfe stoße. Die Bundesgerichtsbarkeit darin zu verwickeln, hieße eine weitere Quelle der Spannungen und Probleme zwischen Bund und Einzelstaaten schaffen. B. Colegrove D o k t r i n und political questions
I n Baker v. Carr (1962) war die Mehrheit des Gerichts Justice Frankfurters Argumenten gegen eine juristische Überprüfung von Wahlkreiseinteilungen zum ersten Mal nicht mehr gefolgt, obwohl er gerade (aber auch erst) jetzt eine juristisch plausible Begründung veröffentlichte. Zunächst ging es um Inhalt und präjudizielle Wirkung der bisherigen Supreme Court Entscheidungen, die i n der Lehre unter dem Namen 115 116
Frankfurter, dissenting i n Baker, at 297 - 301. Ibid. at 323.
B. Colegrove D o k t r i n u n d political questions
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Colegrove Doktrin behandelt werden. Hier tat sich die Mehrheit schwer. I n der Frage der Rassentrennung hatte Chief Justice Warren i n der berühmten Entscheidung Brown v. Board of Education (1954) die vom Supreme Court i m Jahre 1896 für legitim befundene Doktrin des „separate, but equal" 1 , ohne irgendeine einschlägige Vorentscheidung zu besprechen, kurz und mit gerichtspolitischem Elan erklärt: We cannot t u r n the clock back . . . we must consider public education i n the light of its f u l l development and its present place i n American life throughout the nation 2 .
I n Baker sucht man solche Klarheit vergeblich. Justice Brennan belegt jede der oben besprochenen Entscheidungen i m apportionment Bereich m i t einem Etikett und behauptet mehr als daß er beweist, nicht einer der Fälle sei einschlägig für den vorliegenden 3 . Damit belohnte er zwar die Anstrengungen der Prozeßvertreter der Kläger, setzte sich aber der konzentrierten K r i t i k all jener Kommentatoren, Hochschullehrer und Richter aus, die sicher waren, i n der m i t Colegrove beginnenden Rechtsprechung eine i n etwa kontinuierliche Linie erkannt zu haben 4 . W i r müssen dieser K r i t i k mindestens i n zwei Punkten recht geben: Erstens ist es für das höchste Gericht nicht angemessen, sich auf dubiose Unterscheidungen i n einigen Sachgebieten einzulassen, sie i n anderen dagegen souverän zu übergehen, und zweitens zeigt die genaue Analyse, daß zwei Entscheidungen i n ihrer rechtlichen Konstellation nun wirklich nicht von Baker v. Carr unterschieden werden können. Justice Frankfurter hat letztere sogleich der Mehrheit präsentiert: Colegrove ν . Barret (1947)5 — die Illinois state legislative apportionment Sache, die die gleichen Wahlkreisungleichheiten aufwies wie Baker — und Kidd v. McCanlass (1956)6 — i n der es sogar u m denselben Staat, Tennessee, und dessen seit 1901 nicht neu eingeteilte Wahlkreise ging. Beide Fälle sind bei der Darstellung der die Colegrove Doktrin begründenden Entscheidungen besprochen worden. U m diese Doktrin ging es denn auch i n erster Linie i n Baker. Oben habe ich darzutun versucht, daß die Grundlage der apportionment Entscheidungen bis Baker v. Carr — wenn auch ohne ausdrück1
Plessy v. Ferguson, 163 U.S. 537 (1896). B r o w n v. Board of Education, 347 U.S. 483, at 492/3. 3 Baker at 201 - 204, 232 - 237 u n d meine Besprechungen oben i n Teil I A 2 - 4 ; i m einzelnen dazu ferner Lucas, at 713-741; generell u n d ständig v o n neuem kritisiert diese A r t der Behandlung v o n Vorentscheidungen ζ. B. K u r land, etwa i n „1970 T e r m : Notes on the Emergence of the Burger Court", 1971 Supr Ct Rev 265, at 267. 4 Siehe dazu etwa Bickel, „The D u r a b i l i t y of Colegrove v. Green", 72 Yale L J 39 (1962), u n d Note, „Challenges to Congressional Districting: A f t e r Baker v. Carr Does Colegrove v. Green Endure?", 63 Colum L Rev 98 (1963), jeweils m i t weiteren Nachweisen. 5 Vgl. oben T e i l I Α., T e x t zu A n m . 72 ff. 6 Vgl. oben T e i l I Α., T e x t zu A n m . 93 ff. 2
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liehe Begründung — materieller A r t war: Die Wahlkreisgleichheit ist kein bundesverfassungsrechtliches Erfordernis! Anders ausgedrückt: Wahlkreiseinteilungen sind nicht an der equal protection clause meßbar. Die Entscheidungen des Supreme Court beginnend m i t Colegrove und insbesondere die eine Überprüfung der die vorinstanzlichen U r teile ablehnenden Supreme Court Entscheidungen nach South v. Peters (1950) waren dagegen i n der Öffentlichkeit wie i n der Fachwelt dahingehend ausgelegt worden, daß allein funktionelle Gründe ausschlaggebend für das Nichteingreifen der Gerichte gewesen seien, daß der Supreme Court eine richterliche Selbstbeschränkung auf dem Gebiet der Wahlkreiseinteilung praktiziere, die Teil der political question Doktrin des Gerichts sei. Die auf Baker folgende Diskussion der political question D o k t r i n ergibt, daß diese D o k t r i n m i t allgemeinen, funktionell-rechtlichen Patentrezepten, die aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz hergeleitet werden, sehr wenig zu t u n hat. Colegrove und die political question Doktrin des Supreme Court, so soll gezeigt werden, sind nicht miteinander vereinbar. 1. Political questions vor dem Supreme Court
Justice Frankfurter i n dissent und Justice Brennan für die Mehrheit behandelten i n Baker ausgiebig die political question Doktrin. Beide untersuchten — jeweils i m Hinblick auf die anstehende apportionment Entscheidung — die oben besprochenen Fälle von Smiley υ. Holm (1932) bis Gomillion v. Lightfoot (1960). Brennan geht dabei von dem traditionellen Grundsatz aus, daß die Nichtjustiziabilität politischer Fragen i n erster Linie „a function of the Separation of powers" ist. Er beschränkt die Gewaltenteilung ebenso traditionell auf die horizontale, „the relationship between the judiciary and the coordinate branches of the Federal Government, and not the federal judiciary's relationship to the States". Brennan meint, wie noch Frankfurter i n Colegrove, es sei zu entscheiden, ob eine Angelegenheit „has i n any measure been committed by the Constitution to another branch of government". Doch ob das so sei, müsse das Gericht als „ultimate interpreter of the Constitution" erst selber feststellen. Zu diesem Zweck seien jeweils repräsentative Fälle zu analysieren und die durchgehenden Züge der Doktrin aufzuzeigen 7 . Frankfurters Textinterpretationen und der Hinweis auf parteipolitischen Hader genügen Brennan also nicht. Er w i l l i n demonstrierbarer Tradition des Gerichts bleiben und sucht deshalb Leitlinien i n der Fülle 7
Baker at 210/1.
. Colegrove D o k t r i n u n d political questions
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der Präzedenzien. Das Ergebnis seiner Untersuchungen, die die Sachgebiete Auswärtige Beziehungen, Feststellung von Beginn und Ende von Kriegen, Indianerangelegenheiten sowie Verfahren bei Verfassungsänderungen und Gesetzgebung umgreifen 8 , faßt er wie folgt zusammen: Prominently on the surface of any case held to involve a political question is found — a textually demonstrable constitutional commitment of the issue to a coordinate political department; — or a lack of judicially discoverable and manageable standards for resolving i t ; — or the impossibility of deciding without an initial policy determination of a k i n d clearly for nonjudicial discretion; — or the impossibility of a court's undertaking independent resolution without expressing lack of the respect due coordinate branches of government; — or an unusual need for unquestioning adherence to a political decision already made; — or the potentiality of embarrassment from multifarious pronouncements by various departments on one question. (Aufgliederung von mir) 9 . Die Analyse ergibt nach seiner Auffassung, daß es sich u m „political questions", nicht u m „political cases" handeln müsse, solle die D o k t r i n wirksam werden. Hinsichtlich jener political question Kategorie, die die Fälle umfaßt, i n denen der Supreme Court eine Entscheidung ablehnte, weil sie unter die Klausel fallen, der Bund habe den Einzelstaaten eine republican form of government zu garantieren, stellte er deshalb fest: Alle diese guaranty clause Fälle lassen sich unter die oben aufgeführten Charakteristika der „political questions" einordnen. Ihre Nichtjustiziabilität folge nicht etwa aus einer gewissen Affinität zu „matters of the State Governmental organization". Ein Beispiel dafür sei gerade die Sachentscheidung i n Gomillion v. Lightfoot (1960), nachdem die Mehrheiten beider damit befaßten Untergerichte noch eine Entscheidung abgelehnt hatten, indem sie auf das umfassende Recht der einzelstaatlichen Legislative verwiesen, kommunale Grenzen nach ihrem Gutdünken festzulegen. Justice Frankfurter sieht dagegen als einheitliches K r i t e r i u m der political question Fälle das Fehlen von „judicial standards and judicial remedies" an. Aber er weiß auch, daß die Gerichte oft schon Lösungen entwickelt haben, obwohl die Kriterien dafür zunächst schwer erkenn8 Vgl. dazu die Erörterungen unter dem jeweils gleichen T i t e l bei Scharpf, Grenzen, S. 15 ff., 155 ff., 248 ff. bzw. 225 ff. 9 Baker at 217.
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bar waren. Das, so stellt er selber fest, sei möglich gewesen, weil sich die Gerichte an der föderalen Struktur des Staates und den ungeschriebenen Prinzipien der Verfassung orientiert hätten. Die föderale Struktur ist für i h n dann — oder etwa darum? — der Ansatzpunkt, m i t dem er die apportionment Fälle i n den Griff bekommt: Er gliedert ein Sachgebiet der political questions aus, das Brennan nicht als solches anerkannt hat: „matters concerning the structure and organization of the political institutions of the States" 10 . I n diesen Fällen — Frankfurter nennt ausdrücklich South v. Peters (1950) und MacDougall ν . Green (1948) — habe sich das Gericht stets zurückgehalten, sofern nicht, wie etwa i n Smiley v. Holm (1932), begrenzte, rechtlich eindeutig faßbare Fragen zu beurteilen waren, die die staatliche Struktur unangetastet ließen. Sein Ergebnis: I n probing beneath the surface of cases i n which the Court has declined to interfere w i t h the actions of political organs of government, of decisive significance is whether i n each situation the ultimate decision has been to intervene or not to intervene 1 1 .
Die Entscheidung, einzugreifen oder nicht, w i r d nach seiner Auffassung nicht bestimmt von der zu entscheidenden Rechtsfrage — Brennan: „political questions" i m Gegensatz zu „political cases" — sondern: The crux of the matter is that courts are not f i t instruments of decision where w h a t is essentially at stake is the composition of those large contests of policy traditionally fought out i n n o n - j u d i c i a l forums, b y which governments and the actions of governments are made and unmade 1 2 .
Frankfurters political question D o k t r i n ist damit i m Grundsatz vol u n t a t i s sie ist politische Entscheidung, orientiert an den zu interpretierenden theoretischen Grundlagen der Verfassung. Als sich überschneidende Erwägungen gelten i h m dabei: — „the caution not to undertake decision where standards meet for judicial judgment are lacking" — „the reluctance to interfere w i t h matters of state government i n the absence of an unquestionable and effectively enforceable mandate" — „the unwillingness to make courts arbiters of the broad issues of political organization historically committed to other institutions and for whose adjustment the judicial process is ill-adapted" 1 3 . a) Theorien der political
questions
Baker v. Carr steht so i m Schnittpunkt von political question Theorien, wie sie die beiden Justices der bisherigen Rechtsprechung des 10 11 12 18
Frankfurter, dissenting i n Baker, at 284. Ibid. at 285. Ibid. at 287. Ibid. at 289.
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Supreme Court entnehmen zu können glaubten. Theorien über die political question Doktrin, auf die die Justices zurückgreifen konnten, gab es i m Jahre 1962 mehrere. Die Diskussion darüber war i n größerem Zusammenhang wieder aufgebrochen, nachdem Judge Learned Hand 1958 unter anderem m i t Hinweis auf die vom Supreme Court nie definierten „political questions" die klassische Legitimierung des richterlichen Prüfungsrechts i n Frage und i m Ergebnis auf den Kopf gestellt hatte 1 4 . Die klassische Theorie des richterlichen Prüfungsrechts hatte Chief Justice Marshall i n Marbury v. Madison (1803) und Cohens v. Virginia (1821) formuliert: I t is most true that this Court w i l l not take jurisdiction i f i t should not; but i t is equally true, t h a t i t must take jurisdiction i f i t should. The judiciary cannot, as the legislature may, avoid a measure because i t approaches the confines of the constitution. We cannot pass i t b y because i t is doubtful. W i t h whatever doubts, w i t h whatever difficulties, a case may be attended, we must decide i t i f i t be brought before us. We have no more right to decline the exercise of jurisdiction which is given, than to usurp that which is not given. The one or the other w o u l d be treason to the constitution 1 5 .
Wenn dies aber nicht gilt, der Supreme Court also i m Grunde frei darüber entscheidet, ob er — und sei es nur i n bestimmten Fällen — i n die Tätigkeit der staatlichen Organe eingreifen w i l l oder nicht, dann rüttelt das an den Grundfesten der klassischen Theorie. Dann könnten die Gerichte tatsächlich stets vor die Frage gestellt sein, „how importunately the occasion demands an answer" 1 6 . I n seiner A n t w o r t auf die Thesen Learned Hands bekannte sich Herbert Wechsler zur klassischen Theorie und stellte jene Überlegungen an, die für Justice Brennan als Sprecher der Mehrheit i n Baker leitend wurden 1 7 : Nur eine solche political question D o k t r i n ist m i t der klassischen Theorie vereinbar, die zum Inhalt hat, daß die Gerichte feststellen, ob die Verfassung bestimmte Fragen einem anderen Staatsorgan zur endgültigen Entscheidung ausschließlich übertragen hat. Diese Feststellung verlangt eine Interpretation der Verfassung, die m i t solchen Maßstäben durchzuführen ist, die auch sonst die interpretative 14 Richter Learned H a n d anläßlich der Oliver Wendell Holmes Lectures des Jahres 1958 an der H a r v a r d School of L a w , gedruckt u. a. i n : Hand, The B i l l of Rights (1958). 15 So bestärkt Marshall i n Cohens v. Virginia, 19 U.S. (6 Wheat.) 264 (1821), at 404, die unausgesprochene Voraussetzung seines Urteils M a r b u r y v. M a d ison, 5 U.S. (1 Cranch.) 137 (1803), daß das Gericht alle Fragen zu entscheiden hat, die i h m i n korrekter Weise unterbreitet worden sind. 16 Hand, B i l l of Rights 15. 17 Wechsler, „ T o w a r d Neutral Principles of Constitutional L a w " , 73 H a r v L R e v 1 (I960); auch Justice Douglas geht davon aus: Where the Constitution assigns a particular function w h o l l y and indivisibly to another department, the federal judiciary does not intervene. (Douglas, concurring i n Baker v. Carr, at 246).
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Arbeit der Gerichte bestimmen. „That, I submit, is toto caelo different from a broad discretion to abstain or intervene 1 8 ." Fritz Scharpf hat vor dem Hintergrund dieser Kontroverse die gesamte political question Rechtsprechung des Supreme Court einer eingehenden Analyse unterzogen 19 . Er geht m i t Recht davon aus, daß eine political question Doktrin, die aus der Fallpraxis gewachsen und auch i n Zukunft für die Gerichte leitend sein will, zunächst einmal die Entscheidungspraxis des Supreme Court zu erklären i n der Lage sein muß. Daran, so weist er überzeugend nach, scheiterten fast alle derzeitigen Theorien. So lassen sich zwei der vier Beispiele, die Wechsler zur Unterstützung seiner klassischen Theorie der political questions ausdrücklich anführt — das alleinige Recht des Senats zur Entscheidung i n impeachment Fällen und die Bestimmung: Each House shall be the Judge of the Elections, Returns, and Qualifications of its own Members —, zwanglos als ausdrückliche Ausnahme von der Zuweisung der judicial power an die Gerichte auffassen. Eine Übertragung dieser Nicht-Kompetenz auf andere political question Fallgruppen, bei denen es gerade nicht u m judizielle, sondern u m legislative oder exekutive Entscheidungen der politischen Organe geht, ist deshalb leicht angreifbar, zumal Wechsler i n den beiden anderen Beispielen (die guaranty clause und die apportionment Klausel i n Art. I § 4) seine Auffassung nur m i t den Formeln „bears obvious relationship to" und „ i t also may be reasonable to conclude" zu stützen i n der Lage ist 2 0 . Wechslers Auffassung w i r d ebenso wie W estons These: „(T)he line between j u d i c i a l and political questions . . . is the line d r a w n by the constitutional delegation and non o t h e r " 2 1
eindeutig dadurch widerlegt, daß der Supreme Court innerhalb eines Kompetenzbereichs, ζ. B. der foreign treaty power oder der war power, einige Fragen ohne Rücksicht auf die Stellungnahme der politischen Organe selbst entschieden, andere Fragen dagegen zur political question erklärt hat 2 2 . A n den von beiden Autoren nicht erklärten Widersprüchen innerhalb der Fallgruppen scheitern auch jene Theorien, die Scharpf als „oppor18
Wechsler, at 9. Scharpf: Grenzen der richterlichen Verantwortung, Die political-quest i o n - D o k t r i n i n der Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court, 1965; ders., „ J u d i c i a l Review and the Political Questions: A Functional Analysis", 75 Yale L J 517 (1966). 20 Wechsler, at 8. 21 Weston, „Political Questions", 38 H a r v L Rev 296 (1925), at 331. 22 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Scharpf, Grenzen, S. 390 - 392 m i t Verweisen, insbesondere auch auf Finkelsteins, durch genaue Analyse der Fälle begründete Zweifel an Westons These i n „ F u r t h e r Notes on Judicial Self-Limitation", 39 H a r v L Rev 221 (1925). 19
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t u n i s t i s c h e " bezeichnet h a t , w e i l sie das A u s w e i c h e n d e r G e r i c h t e v o r K o n f l i k t e n m i t d e n p o l i t i s c h e n O r g a n e n oder d e r Ö f f e n t l i c h k e i t als d i e a l l e i n i g e G r u n d l a g e d e r p o l i t i c a l q u e s t i o n E n t s c h e i d u n g e n bezeichn e t e n 2 3 . Finkelstein hatte erklärt: What are these political questions? To w h a t matters does the t e r m apply? I t applies to a l l those matters of which the court, at a given time, w i l l be of the opinion that i t is impolitic or inexpedient to take jurisdiction. Sometimes this idea of inexpediency w i l l result f r o m the fear of the vastness of the consequences that a decision on the merits m i g h t entail. Sometimes i t w i l l result from the feeling that the court is incompetent to deal w i t h the particular type of question involved. Sometimes i t w i l l be induced b y the feeling that the matter is ,too high 4 for the courts. B u t always there w i l l be a weighing of considerations i n the scale of political wisdom 2 4 . D i e G e r i c h t e k ö n n e n sich aber k a u m a n d e r p o l i t i s c h k o n t r o v e r s e n N a t u r d e r z u b e u r t e i l e n d e n R e c h t s p r o b l e m e o r i e n t i e r t haben, d e n n u m s t r i t t e n e r als e t w a d i e F r a g e d e r V e r f a s s u n g s m ä ß i g k e i t d e r B u n d e s b a n k 2 5 , das V e r b o t d e r S k l a v e n h a l t u n g i n d e n n ö r d l i c h e n T e r r i t o r i e n nach d e m M i s s o u r i C o m p r o m i s e 2 6 , d e r E i n f ü h r u n g d e r B u n d e s e i n k o m m e n s s t e u e r 2 7 , d e r N e w D e a l G e s e t z g e b u n g 2 8 oder der R a s s e n t r e n n u n g i n d e n S c h u l e n 2 9 w a r e n sie ganz sicher n i c h t . A l l e diese F ä l l e s i n d j e d o c h i n d e r Sache entschieden w o r d e n . F i n k e l s t e i n s These b e r ü h r t sich j e d o c h s t a r k m i t d e n V o r s t e l l u n g e n , m i t d e n e n n e u e r l i c h w i e d e r verschiedene A u t o r e n d i e F u n k t i o n u n d A r b e i t s w e i s e des S u p r e m e C o u r t i m p o l i t i s c h e n K r ä f t e s p i e l u m s c h r e i 23 Finkelstein, „ J u d i c i a l Self -Limitation", 37 H a r v L Rev 338 (1924); Strum, The Supreme Court and the „Political Question" (Diss, zum Ph.D., The New School for Political and Social Science, 1964). 24 Finkelstein, at 344/5. 26 McCulloch v. Maryland, 17 U.S. (4 Wheat.) 316 (1819). 25 Dred Scott v. Sandford, 60 U.S. (19 How.) 393 (1857). 27 Pullock v. Farmers' Loan and Trust Co., 157 U.S. 429 (1895). 28 Die vier wichtigsten Entscheidungen, i n denen der Supreme Court New Deal Gesetze für verfassungswidrig erklärte, sind Schechter Poultry Co. v. US, 295 U.S. 495 (1935) zum National I n d u s t r i a l Recovery A c t ; Carter v. Carter Coal Co., 298 U.S. 238 (1936) zum Bituminous Coal Conservation A c t ; US v. Butler, 297 U.S. 1 (1936) zum A g r i c u l t u r a l A d j u s t m e n t A c t ; Railroad Retirement Board ν. A l t o n R. R., 295 U.S. 330 (1935). Präsident Roosevelt versuchte dann sogleich nach seinem überwältigenden Wahlsieg des Jahres 1936 durch den bekannten „Court packing p l a n " v o m 5. Febr. 1937 die M e h r heitsverhältnisse i m Gericht zu seinen Gunsten zu ändern. Dieser Plan scheiterte. Doch hatte sich inzwischen Justice Roberts — möglicherweise sogar beeindruckt v o m Wahlsieg Roosevelts — auf die Seite der bisherigen Minderheit geschlagen (vgl. etwa Mason, The Supreme Court: Vehicle of Revealed T r u t h or Power Group, 1930 -1937, at 57). Zwischen 1937 und 1939 konnte Roosevelt dann vier frei gewordene Richterstellen durch Justices seiner W a h l besetzen (Black, Reed, F r a n k f u r t e r u n d Douglas). Z u r Rechtsprechung insgesamt siehe Ehmke: Wirtschaft u n d Verfassung, S. 138 ff., 381 ff. 29 B r o w n v. Board of Education, 347 U.S. 483 (1954).
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ben: als ein „educational body" m i t Zeit für „the sober second thought", anzuwenden m i t einem „high sense of strategy and tactics" 3 0 . A u f dieser politischen Ebene, besonders mit Blick auf die Durchsetzungschancen der anstehenden Entscheidungen, und wohl beeinflußt von der Behandlung der apportionment Fälle durch den Supreme Court hat Philippa Strum 1964 die political questions zu erklären versucht: Das Gericht halte so lange m i t einer Sachentscheidung zurück, bis sich i n der Gesellschaft ein Konsens über die Fragen gebildet habe, u m nicht „the always delicate social fabric" zu zerstören: No rules are forced upon a country not yet ready for them; on the contrary, the country at-large is permitted to w o r k out its o w n rules, which can then be translated into the l a w through j u d i c i a l fiat 3 1 .
Nun hat diese Beschreibung sicherlich als solche ihren Wert. Ein Gericht, das so stark i m Spannungsfeld von Norm und Wirklichkeit operiert wie der Supreme Court, kommt nicht umhin, die Reaktion der öffentlichen Meinung und der politischen Organe i n seine entscheidungserheblichen Überlegungen einzubeziehen 82 . Doch hat Alexander M. Bickel überzeugend nachgewiesen, welch ein Arsenal von Techniken dem Supreme Court zur Verfügung steht, wenn es darum geht, eine Rechtsfrage nicht oder noch nicht zu entscheiden 33 . A u f die political question Doktrin brauchte sich das Gericht dafür nicht zu berufen — und hat es auch nicht getan 84 , nicht einmal i n den apportionment Fällen, wie ich oben jeweils i m Einzelfall nachzuweisen mich bemüht habe. Schon während der ersten Kontroverse über den Inhalt einer political question D o k t r i n i n der Mitte der 20er Jahre hatte Oliver P. Field erklärt, entscheidend sei stets „a lack of legal principles to apply to the question presented" gewesen: „Where no rules exist, the court is powerless to act 3 5 ." Doch die dogmatische Schwäche dieser „kognitiven" Theorie, die als ein Element der political question Rechtsprechung auch bei Brennan und Frankfurter i n Baker auftaucht, hat unter Hinweis auf die rechts30 Ursprünglich v o r allem Justice Stone, „ T h e Common L a w of the United States", 50 H a r v L Rev 4 (1936), at 25; jetzt Rostow, „ T h e Democratic Character of Judicial Review", 66 H a r v L Rev 193 (1952), at 208; ders., The Sovereign Prerogative (1962) at 34; ferner Bickel, The Least Dangerous Branch (1962) at 26 et passim. 31 Strum, at 235. 32 I n w i e w e i t solche Überlegungen den Inhalt, nicht n u r die F o r m der E n t scheidung bestimmen dürfen, bedarf allerdings weiterer theoretischer Durchdringung. 33 Bickel, Branch 118 et s. u n d meine Darstellung unten, Text zu Anm. 50 ff. 34 Vgl. näher Scharpf, Grenzen, S. 396. 35 Field, „ T h e Doctrine of Political Questions i n the Federal Courts", 8 M i n n L Rev 485 (1924), at 511/2.
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schöpferische Tradition der angelsächsischen Gerichtsbarkeit Charles G. Post 36, ihre Unvereinbarkeit m i t anderen Fallgruppen, besonders deutlich i n den political question Entscheidungen zum Gesetzgebungsverfahren 3 7 , Fritz Scharpf aufgezeigt. I n normativer Umschreibung auf der Grundlage einer bestimmten Theorie der höchstrichterlichen Entscheidung i n Verfassungsfragen ist diese These jedoch nicht von der Hand zu weisen. Louis L. Jaffe formuliert: (T)he Constitution grants to the President certain powers which i m p l y certain further a u x i l i a r y powers. B u t there may be something about the nature of these powers which, i n addition to their constitutional assignment, marks t h e m as „political". M a n y of the questions that arise are of the sort for which w e do not choose, or have not been able as yet to establish, strongly guiding rules. We may believe that the job is better done w i t h o u t rules, or that even though there are applicable rules, these rules should be only among the numerous relevant considerations 38 .
Die erste Alternative („that the job is better done without rules") zwingt allerdings nicht zur Anwendung der political question Doktrin. Wenn klargemacht werden kann, daß es etwa für eine Entscheidung des Präsidenten rechtliche Regeln nicht geben soll, dann ist es dogmatisch allein korrekt, die Entscheidung materiell-rechtlich zu legitimieren, weil sie nicht gegen die Verfassung verstößt 39 . I n political question Fällen dagegen sind entscheidungserhebliche Rechtsregeln durchaus vorhanden. Nur: das Gericht überläßt ihre Anwendung den politischen Organen. Damit könnte nun Jaffes zweite Alternative vereinbar sein: „ . . . even though there are applicable rules, these rules should be only among the numerous relevant considerations". Wenn rechtliche Regeln zwar vorhanden sind, das Gericht sie aber nicht anwendet, dann liegt die Interpretation nahe, daß das geschieht, weil das Gericht nicht-rechtliche Faktoren als entscheidungserheblich anerkennt und deshalb auf die Beurteilung des gesamten Komplexes verzichtet. Diese These Jaffes, die Bickel seiner Auffassung von der political question Doktrin zugrundegelegt hat, kann widerspruchslos wenigstens die als „political questions" vom Gericht gekennzeichneten Entscheidungsprobleme erklären. Bickel deutet sogar Frankfurters Votum i n Colegrove und Baker i n dieser Weise 40 . Aber: MacDougall v. Green hat 36
Post, The Supreme Court and Political Questions (1936). Scharpf, Grenzen, S. 258 ff. 38 Jaffe, „Standing to Secure Judicial Review of Public Actions", 74 H a r v L Rev 1265 (1961), at 1303. 39 Ebenso Bickel, Branch 186 u n d Scharpf, Grenzen, S. 398. 40 Bickel, Branch 191,194 resp. 196. 37
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mit ausdrücklich dieser Begründung zu einer legitimierenden Entscheidung i n der Sache geführt — unterstützt, wenn nicht gar formuliert von Justice Frankfurter. Hier mußte deshalb auch die K r i t i k an Jaffes These ansetzen. Scharpf hat genau das getan und darauf hingewiesen, daß immer dann, wenn der Supreme Court überzeugt war, die politischen Organe müßten auch nicht-rechtliche Faktoren bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, das Gericht nicht m i t der political question D o k t r i n reagiert hat, sondern den politischen Organen durch ein „positives Kompetenzverständnis" und flexible, situationsbedingte Definitionen der Kompetenzschranken Freiraum geschaffen hat 4 1 . Erinnert sei einerseits an die Entscheidungen zur Wirtschaftsregulierung nach 1937 unter der commerce clause und substantive due process, andererseits an die Frage der Grundrechtsbindung innerhalb der war power, insbesondere i n den Entscheidungen zur Zwangsumsiedlung der Ameriko-Japaner i m letzten Weltkrieg 4 2 . Wenn daher den außerrechtlichen Faktoren auch durch eine legitimierende Entscheidung Rechnung getragen werden kann, ist nicht einzusehen, weshalb der Supreme Court m i t Hilfe der political question D o k t r i n einer Entscheidung i n der Sache ausweichen sollte. Diese K r i t i k basiert allerdings auf der Annahme, daß ein Gericht möglichst Sachentscheidungen fällen sollte, folgt also der klassischen Auffassung von der Pflicht der Gerichte, einschließlich des Supreme Court, zur Streitentscheidung. Bickels normative Theorie über den Inhalt der political questions t r i f f t dieser Einwand nur bedingt, denn Bickel verneint wie Judge Learned Hand die Pflicht des Supreme Court zur Streitentscheidung. Deshalb muß die political question Kontroverse doch i n jenem größeren Zusammenhang behandelt werden, innerhalb dessen es u m Inhalt und Umfang des höchstrichterlichen Prüfungsrechts geht. b) Verfahrensrechtliche Nichtentscheidungen und political question Doktrin aa) Die Funktion des Supreme Court i n der Sicht Bickels Alexander M. Bickel sieht entscheidende Unterschiede — die Chief Justice Marshall i n Marbury v. Madison und Cohens v. Virginia zu vernebeln gesucht habe — zwischen der Rolle des Supreme Court bei der 41
Scharpf, Grenzen, S. 400. Vgl. zur Wirtschaftsregulierung Stern, „ T h e Commerce Clause and the National Economy, 1933 - 1945", 59 H a r v L Rev 645 (1946), at 883, die Japanese Relocation Cases: Korematsu v. US, 323 U.S. 214 (1944), Hirabayashi v. US, 320 U.S. 81 (1943); Beispiele f ü r materiell-rechtliche Entscheidungen anstelle der A n w e n d u n g der political question Doktrin, vor allem i m Grenzbereich von Kriegsrecht u n d Recht des Einzelnen, gibt Scharpf i n 75 Yale L J 517 (1966), at 561, η. 168. 42
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Entscheidung von Verfassungsfragen und der Funktion der allgemeinen Gerichtsbarkeit. Letztere hätte i n erster Linie den Auftrag zu friedenstiftender Streitentscheidung, i n zweiter den zur Verteidigung und Fortentwicklung der Rechtsordnung. Die allgemeinen Gerichte müßten stets alle Streitigkeiten entscheiden, sonst wäre Chaos die Folge. Aber der Supreme Court habe andere Aufgaben. Er sei dazu da, zur allgemeinen Rechtsprechung ein zusätzliches, i m Grundsätzlichen verankertes („principled") Urteil abzugeben. Seine Interpretationen seien außergewöhnlich und begrenzt, und wenn sie geschähen, dann nicht, u m ein Chaos zu vermeiden, sondern u m eine bestehende Rechtsordnung zu verändern, die an sich lebensfähig ist und sich durch andere, normalere Prozesse entwickelt hat. Die verfassungsgemäße Funktion des Supreme Court sei es „to define values and proclaim principles" 4 3 . Aus dieser Aufgabe zu „principled judgment" rechtfertigt sich für Bickel wie auch für Herbert Wechsler das höchstrichterliche Prüfungsrecht. Es bringt ein Moment i n den Prozeß repräsentativer Demokratie ein, das sonst nicht da wäre: „principle", d.h.: „standards of action that derive their w o r t h from a long view of society's spiritual as w e l l as material needs and that command adherence whether or not the immediate outcome is expedient or agreeable" 44 . Hier ist es also wieder: „the sober second thought of the community", jetzt als zum Prinzip geronnene Erfahrung, die die Justices als „counter-majoritarian force" — insofern fast an Piatons Weise erinnernd — i m politischen Bildungsprozeß der Nation geltend zu machen haben. Bickel: Ein solches Prinzip sei — wenn auch m i t der i h m eigenen Flexibilität — absolut und müsse absolut zur Geltung kommen. Müßte es, um i n der Gesellschaft wirksam zu werden, durch pragmatische Kompromisse modifiziert werden, so wäre es nicht Prinzip, sondern nur eine Regel, die als Zweckmäßigkeitsmaßnahme von der Legislative allein getragen werden müßte. Daraus schließt Wechsler, daß die Gerichte nur eines von beiden könnten: entweder ein Prinzip finden und es kompromißlos anwenden oder ein solches nicht finden, dann aber die i n Frage stehende legislative Entscheidung für rechtsgültig erklären 4 5 . Bickel widerspricht dem 4 6 . Er meint, diese Wechsler'sche Alternative müsse dazu führen, daß das Gericht mit „overtones of principle" sehr vieles für verfassungsgemäß erklären müßte, das die Legislative nur aus Zweckmäßigkeitsgründen verabschiedet habe. Oft aber sei gerade Prinzip und Zweckmäßigkeit zugleich vonnöten. Wechslers „neutral principles" 43 44 45 4β
Bickel, Branch 68,173. Id. at 58. Wechsler, at 15,19. Bickel, Branch 68 - 71.
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beschnitten dem Supreme Court die Möglichkeit, prinzipielle Ziele zu verkünden und zugleich eine notwendige Einschränkung des Prinzips bei zielgerechter Tendenz aus Zweckmäßigkeitsgründen hinzunehmen. Diese Möglichkeit brauche der Supreme Court aber, w e i l — so bedauerlich das auch sei — nicht jeder Grundsatz sogleich umgesetzt werden könne i n direkte Aktionen, die die gesellschaftliche Wirklichkeit m i t sofortiger Wirkung umgestalteten. Die Frage sei, wie das Gericht die notwendigen Kompromisse hervorbringe oder jedenfalls nicht behindere. Man müsse beachten, daß der Supreme Court nicht nur zwei, sondern drei Handlungsalternativen habe. Er könne einerseits einen Rechtssatz als m i t dem Prinzip unvereinbar für verfassungswidrig erklären. Er könne den Rechtssatz andererseits als „nicht verfassungswidrig" legitimieren, wenn er m i t dem Prinzip vereinbar sei. Aber der Supreme Court könne auch beides nicht t u n — und darin liege das Geheimnis seiner Fähigkeit, m i t der Spannung zwischen Prinzip und Zweckmäßigkeit fertig zu werden. Das Gericht greife nicht ein, sondern es begründe nur, daß und w a r u m es nicht legitimiere. Damit gebe es den politischen Prozessen relativ freien Spielraum, werde aber weder seiner Funktion als „proclaimer and protector of the goals" noch dem Prinzip selbst untreu, dessen Verwirklichung ja definiertes Ziel des Gerichts bleibe. U m den politischen Organen und der Gesellschaft die (am Prinzip gemessenen) tendenziell richtigen Maßnahmen bzw. Antworten zu entlocken, habe der Supreme Court i n seiner langen Rechtsprechung „an almost inexhaustible arsenal of techniques and devices" entwickelt. Bickel macht deutlich 47 , daß das Gericht m i t Hilfe einer Reihe von verfahrensrechtlichen Praktiken 4 8 i n der Lage ist, eine Auswahl der Fälle zu treffen, die es entscheiden w i l l . Probleme, die das Gericht zu entscheiden nicht oder noch nicht für opportun hält — i n dieser Frage ist ein „principled judgment" nicht möglich — bleiben dann unbehandelt. Die gerichtspolitische Parallele etwa zu den Gedanken Finkelsteins sind offensichtlich. Doch geht es zunächst nur u m die Verfahrenstechniken, nicht u m political questions 49 .
47
Id. at 143 - 164, 169 - 183. Justice Brandeis, als dessen Assistent Bickel längere Zeit tätig war, hat die P r a k t i k e n des Supreme Court beim Ausweichen vor der Entscheidung der verfassungsrechtlichen Frage schon 1936 zusammengefaßt i n seinem concurr i n g opinion i n Ashwander v. T.V.A., 297 U.S. 288, 341, at 345 - 348. 49 Vgl. zum Folgenden die Darstellungen bei Scharpf, Grenzen, S. 352 - 388, u n d Haller, Supreme Court u n d Politik, S. 139 -161, 344 - 352. Die folgenden Fußnoten beschränken sich deshalb i n der Regel auf einen weiterführenden Nachweis. 48
. Colegrove D o k t r i n u n d political questions
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bb) Die Techniken der Nichtentscheidung Einige dieser Techniken sind auch für die klassische Auffassung vom richterlichen Prüfungsrecht, die die unbedingte Pflicht des Supreme Court zur Streitentscheidung beinhaltet, deshalb unbedenklich, w e i l sie stets zu einer Entscheidung i n der Sache führen: Die Anwendung der „void for vagueness" Formel 6 0 oder der „delegation" D o k t r i n 6 1 sowie die restriktive Interpretation verfassungsrechtlich zweifelhafter Rechtssätze. Problematisch sind dagegen jene Techniken des Supreme Court, die ein als notwendig erachtetes Bestandteil der klassischen Vorstellung, das Erfordernis von „case or controversy", näher ausfüllen sollen. E i n „case or controversy" setzt zunächst überhaupt eine Verletzung der Rechte des Klägers voraus. Da der Supreme Court das weit auslegt und sogar bestimmte taxpayers' suits und competitors' suits zugelassen hat 6 2 , ist es i h m möglich, zumindest die äußeren Grenzen pragmatisch zu bestimmen. Seine Bewegungsfreiheit ist hier aber noch gering. Stark erweitert hat der Supreme Court seinen Spielraum m i t Hilfe der „ripeness" Regel. Damit verlangt das Gericht, daß i n dem betreffenden F a l l die Rechtsverletzung konkret eingetreten sein muß 6 3 . Durch sehr flexible Handhabe dieser Regel scheint sich der Supreme Court einen echten Freiraum geschaffen zu haben, der m i t der strikten A n wendung klassischer Vorstellungen von „case or controversy" nicht zu vereinbaren ist. Auch die Praxis der Zurückweisung von Revisionsanträgen mangels „standing to raise the issue" ist m i t Marbury und Cohens wohl nicht mehr auf einen Nenner zu bringen. M i t dieser Formel werden Revisionskläger ohne Sachentscheidung abgewiesen, die von den Untergerichten verurteilt werden, obwohl sie geltend machen, die Rechtsgrundlage ihrer Verurteilung sei verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit w i r d deshalb nicht festgestellt, weil nicht ihre, sondern die verfassungsmäßigen Rechte Dritter verletzt sind. Selbst der Supreme Court faßt diese Regel als „rule of practice" auf 6 4 und hat dementsprechend viele Ausnahmen zugelassen 66 . 60 Dazu etwa Note, „ T h e Void-for-Vagueness Doctrine i n the Supreme Court", 109 U Pa L Rev 67 (1960) u n d die neueren Entscheidungen: Palmer v. City of Euclid, 402 U.S. 544 (1971); US v. Vuitch, 402 U.S. 62 (1971). Erstere Entscheidung erging zum Straftatbestand „verdächtige Person" bei bestimmten Verhaltensweisen, letztere zum Abtreibungsgesetz. 61 Dazu Ehmke: Wirtschaft u n d Verfassung, S. 545 ff. 52 Dazu die jetzt grundlegende Entscheidung Flast v. Cohen, 392 U.S. 83 (1968); i m übrigen umfassend Sedler, „Standing to Assert Constitutional ius tertii i n the Supreme Court", 71 Yale L J 599 (1962). 53 Dazu etwa Davis, „Ripeness of Governmental A c t i o n for Judicial Rev i e w " , 68 H a r v L Rev 1122, 1326 (1955) u n d Vining, „Direct Judicial Review and the Doctrine of Ripeness i n Administrative L a w " , 69 Mich L Rev 1443 (1971).
6 Köpp
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A u ß e r „ r i p e n e s s " u n d „ s t a n d i n g t o raise t h e issue" i s t es das E r f o r d e r n i s v o n „ a d v e r s a r i n e s s " , das d e m S u p r e m e C o u r t e i n e n w e i t e n A u s w a h l s p i e l r a u m e r m ö g l i c h t . J u s t i c e B r e n n a n i n Baker
v. Carr:
Have appellants alledged such a personal stake i n the outcome of the controversy as to assure that concrete adverseness, which sharpens the presentation of issues upon which the court so largely depends for i l l u m i n a t i o n of d i f f i cult constitutional questions? This is the gist of the question of standing 5 ®. Z u diesen f l e x i b e l g e h a n d h a b t e n K r i t e r i e n v o n „case o r c o n t r o v e r s y " , deren wichtigste unter dem Oberbegriff „ s t a n d i n g " 5 7 abgehandelt w e r den, k o m m e n z w e i w e i t e r e M ö g l i c h k e i t e n des Gerichts, F ä l l e n i c h t z u entscheiden: „ d e n i a l of c e r t i o r a r i " u n d „ d i s m i s s a l of a p p e a l " , auch l e t z t e r e h ä u f i g m i t d e m A t t r i b u t : „ f o r w a n t of a s u b s t a n t i a l f e d e r a l question"58. D i e A n n a h m e v o n F ä l l e n v o n d e n e i n z e l s t a a t l i c h e n G e r i c h t e n (cert i o r a r i ) s t e h t bis a u f w e n i g e A u s n a h m e n , f ü r die (anstelle des f r ü h e r e n w r i t of e r r o r ) a p p e a l v o r g e s c h r i e b e n i s t 5 9 , i m E r m e s s e n des S u p r e m e C o u r t , d e r sich d a z u eigene R e g e l n gegeben h a t 6 0 . A l l e r d i n g s geschieht n a c h B i c k e l s A n a l y s e d i e A u s ü b u n g des Ermessens f r e i nach d e r „ i m p o r t a n c e of t h e issue a n d t h e s u i t a b i l i t y of t h e c a s e " 6 1 . B e r u f u n g e n , die n u r e i n e n k l e i n e n T e i l d e r V o r l a g e n z u m S u p r e m e C o u r t ausmachen, v e r p f l i c h t e n a n sich z u r E n t s c h e i d u n g 6 2 . D o c h s t e l l t e C h i e f J u s t i c e W a r r e n selbst fest: I t is only accurate to a degree to say t h a t our jurisdiction i n cases on appeal is obligatory as distinguished f r o m discretionary on certiorari 8 3 . 54
So ausdrücklich i n N.A.A.C.P. v. Alabama, 357 U.S. 449 (1958), at 459. Dazu zuletzt Note, „Standing to Assert Constitutional lus T e r t i i " , 88 H a r v L Rev 423 (1974). 58 Brennan i n Baker v. Carr at 204. 57 Siehe neuerlich Davis, „Standing: Taxpayers and Others", 35 U C h i L Rev 601 (1968); Jaffe, „Standing Again", 84 H a r v L Rev 633 (1971); umfassend jetzt Scott, „Standing i n the Supreme Court — A Functional Analysis", 86 H a r v L Rev 645 (1973); gelegentlich spielt hier auch die Erledigung der Hauptsache eine Rolle, vgl. Note, „The Mootness Doctrine i n the Supreme Court", 88 H a r v L Rev 373 (1974). 58 Vgl. die Beispiele i n T e i l I A . 4.; zu den Voraussetzungen v o n „appeal" u n d „certioriari" kurz Haller, Supreme Court u n d Politik, S. 105 - 108. 59 Siehe 28 U.S.C. § 1257. 60 Regel 19 der Revised Rules of the Supreme Court of the U n i t e d States v o n 1967 (18 L.Ed. 2d at x l i x ) , die gleichlautend f ü r den gesamten hier behandelten Zeitraum galt (vgl. Regel 38, Nr. 5 von 1939, 83 L.Ed. 1654). 61 Bickel, Branch 134. 62 Siehe 28 U.S.C. §§ 1252 - 1254. 83 Ansprache des Chief Justice vor dem American L a w Institute am 19. 5. 1954, zitiert von Wiener, „The Supreme Court's New Rules", 68 H a r v L Rev 20 (1955), at 51; zur Praxis des Supreme Court i n appeal u n d certiorari Sachen berichtet interessante Einzelheiten auch Hart, „Foreword: The Time Chart of the Justices", 73 H a r v L Rev 84 (1960), at 87 et s. 55
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Bickel findet denn auch Erwägungen, die an die „ripeness" Regel erinnern und stellt fest: „Many are the dismissals for want of a convenient, or timely, or suitably presented question 64 ." cc) Bickels normative political question Theorie I n den Zusammenhang m i t diesen Techniken, deren kluge (prudent) Anwendung für i h n die „passiven Tugenden" des Supreme Court ausmachen, stellt Bickel nun die political question Doktrin. Sie hält er für die „culmination of any progression of devices for withholding the ultimate constitutional judgment of the Supreme Court — and i n a sense their sum" 6 5 . Die Doktrin beruhe auf dem Selbstverständnis des Supreme Court, der sich aus verschiedenen, ungleich gewichtigen Gründen außerstande sehe, eine Entscheidung zu fällen: a) wegen der Fremdheit der Materie, die sich einer w i r k l i c h prinzipientreuen Problemlösung einfach widersetze — dies ist, wie schon aus seiner Grundposition ersichtlich ist und sogleich erneut deutlich werden wird, Bickels entscheidender Gesichtspunkt — b) der Folgenschwere der richterlichen Entscheidung wegen, die zu Unausgewogenheit des Urteils tendiere, c) der Sorge, nicht so sehr, daß die Entscheidung ignoriert werden könnte, sondern eher, daß sie an sich vielleicht ignoriert werden sollte, aber doch befolgt werden würde, und wegen d) der inneren Verwundbarkeit, des eigenen Zweifels an einer Institution, die den Wählern nicht verantwortlich sei und so keine Grundlage besitze, aus der sie K r a f t schöpfen könnte 6 6 . Zwar seien diese Probleme bei jeder Supreme Court Entscheidung i n einem gewissen Maße vorhanden, aber der Gradunterschied könne i n manchen Fällen entscheidend sein. Dabei kommt es für Bickel bei der Frage, ob das Gericht einen Fall nach den an sich vorhandenen rechtlichen Regeln entscheide oder ob es den Fragenkomplex bzw. eine Vorfrage als „political question" den politischen Organen zur Entscheidung überlassen soll, vor allem darauf an, welches Gewicht den von Legislative und Exekutive zu beurteilenden nicht-rechtlichen Faktoren gegenüber einem zu etablierenden Prinzip, dem neuen Rechtsgrundsatz, zukommen soll. Dies zu entscheiden, versteht Bickel als ein normatives Problem des Gerichts, zu dessen Lösung die bereits angeführten Überlegungen zu Funktion und politischem Selbstverständnis des Supreme Court entscheidend beitragen: Hält der Supreme Court das Prinzip für absolut und für uneingeschränkt durchsetzbar, denn entscheidet er i n 64
66 ββ
6·
Bickel, Branch 126.
Ibid. at 183. Ibid. at 184.
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der Sache. Ob aber der Supreme Court das Prinzip absolut setzen und daran judizieren kann, richtet sich danach, welches Gewicht das Gericht den nicht-rechtlichen Faktoren zukommen lassen soll — und das heißt i n praxi: „ w i l l " . Das Problem der Abgrenzung ist für Bickel eine Frage kluger Rechtsprechungspolitik, bei der es darum geht, wenigstens immer das prinzipielle Ziel zu sichern, denn manchmal müsse ein Verstoß gegen das Prinzip als notwendig hingenommen werden, w e i l es i n der gesellschaftlichen Wirklichkeit noch nicht absolut durchgesetzt werden kann: „The judgment of necessity is prudential 6 7 ." Manchmal wage es das Gericht aber, die Entscheidung über die Notwendigkeit selbst zu treffen und das Prinzip rein durchzusetzen. Das geschehe gewöhnlich, wenn das Sachgebiet innerhalb des Erfahrungsbereichs des Gerichts liege, wie i m Strafrecht, oder wenn der eigene politische Sinn den Justices sage, daß sich die Notwendigkeit, die zur Zurückhaltung führte, vermindert hat, oder schließlich wenn es ziemlich gesicherte Erkenntnisse heranziehen könne, u m die Notwendigkeit der Zurückhaltung zu widerlegen. Grundsätzlich aber gilt für Bickel: The role of the Court and its raison d'être are to evolve, „to preserve, protect and defend" principle. I f the political institutions at last insist upon a course of action that cannot be accommodated to principle, i t is no part of the function of the Court to bless it, however double — negatively 6 8 .
Wenn auch der Supreme Court so gezwungen ist, den Notwendigkeiten nachzugeben und seine Macht als Verfassungsorgan, Verfassungsprinzipien i n positives Recht zu verwandeln, ruhen zu lassen, so brauche er doch nicht auf seinen starken Einfluß als „teacher to the citizenry" zu verzichten: The power to which Marshall successfully l a i d claim is not the f u l l measure of the Court's authority i n our day. A n d the Court's arguments need not be compulsory i n order to be compelling. M a n y of the devices of not doing engage the Court, as I have shown, i n colloquies w i t h the political institutions. B y their very nature, w i t h h a r d l y a w o r d spoken i n further e x planation, vagueness and delegation, for example, ask for a legislative affirmation of just w h a t i t is that necessity demands. B u t the Court can at the same time do more. I t can see to i t that the political judgment of necessity is undertaken w i t h awareness of the principle on w h i c h i t impinges. I n American life, the Court is second only to the presidency i n having effect i v e l y at its disposal the resources of rhetoric. Hence . . . the Court can exp l a i n the principle that is i n play and praise it, and thus also guard its integrity. I t can do so even w h e n no device is available for authoritatively d r a w i n g the political institutions into a colloquy near the bench. For the Court can speak over their heads to the nation 6 8 . 67 w
Ibid, at 187. Ibid, at 188.
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dd) Die K r i t i k an Bickels Theorie Zwei Haupteinwände sind gegen Bickels Theorie gemacht worden: 1. Das Gericht hätte bei dieser Auffassung stets die Ausübung seines Prüfungsrechts zu rechtfertigen. 2. Das Gericht sei ständig versucht, Grundwerte zu preisen und Prinzipien zu verkünden, ohne die intellektuelle Verantwortung für ihre Durchsetzung zu übernehmen. Fritz Scharpf stellt zum ersten Einwand die rhetorische Frage: Welchen Zweifeln muß ein Urteil ausgesetzt sein, wenn das Gericht einmal konzidiert, daß für bestimmte Fragen und bestimmte Situationen, die nur graduell von den „normalen" Verfassungsproblemen abweichen, der Geltungsanspruch der Verfassung hinter anderen Erwägungen zurücktreten muß 69 ? und konstatiert dann, die Beweislast für die Legitimität des richterlichen Prüfungsrechts sei dann i n jedem Einzelfall dem Supreme Court zugeschoben70. Beides ist richtig: Aber eine solche „Umkehr der Beweislast" folgt immer aus einer Grundposition, die die klassische Pflicht zur Entscheidung eines jeden Rechtsstreits, der auf verfahrensmäßig korrekte Weise vor den Supreme Court gekommen ist, verneint. So sah Learned Hand, der auch die konsequentesten Folgerungen aus dieser Auffassung zog, den Grund für die Verankerung eines richterlichen Prüfungsrechts i n der Verfassung allein darin, daß irgendwer die Einzelstaaten, den Kongreß und den Präsidenten innerhalb ihrer K o m petenzen halten müsse, „to prevent the defeat of the venture at hand" 7 1 . Wenn das die einzige Rechtfertigung für das Prüfungsrecht des Supreme Court ist, dann ergibt sich allerdings eine Pflicht zur Entscheidung nur i n zwei Fällen: 1. i n allen anders nicht lösbaren Kompetenzkonflikten und 2. wenn der Zusammenbruch des Verfassungslebens droht. Da letzteres normalerweise nicht der Fall ist, ging Learned Hand ausdrücklich davon aus, daß für alle „normalen" Streitigkeiten, die also nicht die Kompetenzabgrenzung betreffen 72 , ein Prüfungsrecht des Supreme Court nicht besteht. Sieht sich das Gericht dann genötigt einzugreifen, dann muß es das positiv begründen. Da auch Bickel eine Pflicht des Supreme Court zur „normalen" Streitentscheidung verneint, — eine Grundposition, m i t der sich die 69
Scharpf, Grenzen, S. 402. So Scharpf i n 75 Yale L J, at 563; i n seinem Buch hat er das Problem noch als Frage formuliert (Grenzen, S. 402). 71 Hand, B i l l of Rights 14. 72 Nach Hands Auffassung sind auch die Grundrechte deshalb an sich nicht justiziabel, sondern n u r als Programmsätze zu sehen. 70
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Anwendung der Verfahrenstechniken durch das Gericht einfach erklären läßt und aus der auch Bickels political question D o k t r i n bruchlos folgt — verlagert sich für i h n allerdings die Begründungslast für das Eingreifen von der Verfassung qua richterlicher Interpretation auf das Gericht qua politischer Dezision 73 . Zweifel an der Stichhaltigkeit der so notwendig gewordenen positiven Begründung richten sich dann weniger auf die inhaltliche Frage einer verfassungsrechtlich vertretbaren Abgrenzung als auf die politische Rolle des Supreme Court. Das wiederum dürfte sich deutlich zu Lasten seiner bisher als „neutral" verstandenen Stellung als Gericht auswirken, die Wechsler beschwört, wenn er meint, die Justices des Supreme Court müßten „desinterested" entscheiden, müßten also unabhängig von jeglicher Parteipolitik und frei von allem sie ablenkenden Einfluß des eigenen Ich immer nur bestimmte grundlegende, gesellschaftliche Werte, die i n der Verfassung enthalten sind, verkünden und i m Einzelfall zur Anwendung bringen. I n diesem Zusammenhang gewinnt der zweite Einwand besonderes Gewicht. Korematsu v. U.S. (1944)74 illustriert das Problem: Die Mehrheit des Supreme Court hatte die kriegsbedingte Zwangsumsiedlung von Amerikanern japanischer Abstammung von der Westküste ins Landesinnere für nicht verfassungswidrig, weil „reasonable", erklärt. A l l e i n Justice Jackson wandte sich gegen eine Anwendung des „reasonable" Tests 75 . Er war nicht bereit, eine situationsbedingte Interpretation der Verfassung zu sanktionieren, hier: die „reasonably expedient military precautions" zu legitimieren. Für i h n waren die Maßnahmen verfassungswidrig, weil sie i m Frieden ohne Zweifel verfassungswidrig gewesen wären. Da er andererseits zugeben muß: „Defense measures w i l l not, and often should not, be held w i t h i n the limits that bind civil authority i n peace", plädiert er für die Anwendung der political question Doktrin. Bickel zitiert eine lange Passage aus dieser dissenting opinion Justice Jacksons, u m zu zeigen, welche weitreichende W i r k u n g die Legitimierung umstrittener Maßnahmen hat. Die Erklärung der Verfassungsgemäßheit, so meint er, „ w i l l not only tip today's political balance but may add impetus to the next generation's choice of one policy over 73 I m Grunde ist auch jene „verfassungsrechtliche" Interpretation stark von dem verfassungspolitischen Vorverständnis der Richter beeinflußt, die nach Bickels Theorie offen zu begründen wäre. Insofern ist Bickels Auffassung ein begrüßenwerter Schritt zu rationalerer Entscheidung. 74 Korematsu v. US, 323 U.S. 214 (1944); dazu die Besprechung v o n Scharpf (Grenzen, S. 202 ff.). 76 Justice M u r p h y hielt reasonableness nicht f ü r gegeben (at 235). Auch Justice Roberts hätte den Test angewandt (at 231, η. 8), doch meinte er, hier hätten die Angeklagten sich widersprechenden Anordnungen gegenüber gesehen.
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another" 7 6 . Ähnlich hatte es Justice Jackson ausgedrückt: Der „passing incident" der Zwangsumsiedlung werde durch die Sachentscheidung des Gerichts zu einer Verfassungsdoktrin m i t „generative power of its own". Das Gericht legitimiere das Prinzip der rassischen Diskriminierung i m Strafprozeß und der Verpflanzung amerikanischer Bürger. The principle then lies about l i k e a loaded weapon ready for the hand of any authority t h a t can b r i n g f o r w a r d a plausible claim of an urgent need. Every repetition embeds the principle more deeply i n our l a w and t h i n k i n g and expands i t to new purposes 77 .
Hier hat der Supreme Court nach Bickels Auffassung „expediency" legitimiert statt „principle", w e i l er dem I r r t u m der Wechsler'schen A l ternative verfallen sei — und er habe so die Absicht der Verfassung nicht verwirklicht, den Supreme Court aus der politischen Arena herauszuhalten 78 . Jackson postuliert nun zwar das unabänderliche, absolute Prinzip, wie es Bickel preist. Doch er kann es nur, weil er zugleich auf dessen Durchsetzung verzichtet und damit aufgibt, eine realisierbare A n t w o r t auf die für die konkrete Situation gestellte Rechtsfrage zu geben. Dies aber führt zur Verkündung unerfüllbarer moralischer Prinzipien und muß letztlich gerade auch die Funktion des Supreme Court als „teacher to the citizenry" unterminieren. Denn die Wirksamkeit der richterlichen Rhetorik beruht vor allem auf der Tatsache, daß das Gericht i m Konfliktsfall einer Verfassungsverletzung durch Sachurteil entgegenzutreten bereit ist. Rekapitulieren w i r : Bickels political question Theorie ist normativ. Sie folgt aus seiner Auffassung von der Rolle des Supreme Court i m Spannungsverhältnis von „principle" und „expediency". Die Problemat i k dieser normativen Theorie w i r d deutlich an ihren Konsequenzen für die Rechtsprechung des Gerichts. Diese Konsequenzen w i r k e n zurück auf Bickels zunächst bestechende Grundposition und stellen sie i n Frage. Zudem ist festzuhalten, daß die i n der Konsequenz der Bickerschen Theorie liegende starke Ausdehnung des Bereichs der political questions nicht stattgefunden hat, wenn man von der apportionment Rechtsprechung einmal absieht, deren Interpretation hier noch offen bleiben soll. Vielmehr hat der Supreme Court selbst regelmäßig realistische und flexible Antworten auf die legitimen Erfordernisse der wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Praxis gefunden — und i n Sachentscheidungen verkündet. 76 77 78
Bickel, Branch 131. Jackson, dissenting i n Korematsu, at 246. Bickel, Branch 131/2.
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T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
Fritz Scharpf hat deshalb eingehend und überzeugend nachweisen können, daß die political question D o k t r i n nur i n einem sehr begrenzten Rahmen wirksam geworden ist. Seine Interpretation ist auch mit der klassischen Auffassung von der Pflicht des Supreme Court zur Streitentscheidung vereinbar — die der Supreme Court i n Cooper υ. Aaron (1958)79 als Grundlage seines Selbstverständnisses noch einmal herausgestellt hat. c) Die funktionell-rechtliche Theorie der political question Doktrin Fritz Scharpf erklärt die political question Entscheidungen des Supreme Court aus dessen Funktion als Verfassungsgericht. M i t der „funktionell-rechtlichen" Theorie kann er nachweisen, daß der Supreme Court nur jene Rechtsfragen zu politischen erklärt hat, für deren Beantwortung er qua Gericht die Verantwortung nicht übernehmen kann 8 0 . Des subjektiven Charakters auch dieser Entscheidungen ist sich Scharpf bewußt. Aber: Aus diesem Gesichtspunkt lassen sich alle political question Entscheidungen i n den verschiedenen materiell-rechtlichen Fallgruppen erklären. Als K r i t e r i e n 8 1 eines solchen „normativ qualifizierten praktischen Urteils", die zugleich die Grenzen der richterlichen Verantwortung festsetzen, nennt Scharpf folgende: 1. das Problem ausreichender und zutreffender Informationen, u m zu einem sachgerechten Urteil zu kommen, 2. die Notwendigkeit einheitlicher Entscheidungen des amerikanischen government gegenüber dem Ausland, 3. die Respektierung spezifischer Verantwortungsbereiche der politischen Organe, wenn und weil das Gericht nicht i n der Lage ist, auch die Konsequenzen und Rückwirkungen seiner Entscheidung vorherzusehen und zu beherrschen 82 . Der Wirkungsbereich der so abgesteckten political questions ist dadurch wieder erheblich eingeschränkt, daß das Gericht die Entscheidungen über Grundrechtsfragen und Kompetenzkonflikte nicht aus der Hand gibt und wohl auch — ich meine: gerade aus funktionell-rechtlichen Gründen 8 3 — nicht geben kann. 79
Cooper ν. Aaron, 358 U.S. 1 (1958), at 18 - 20. Scharpf, Grenzen, S. 404/5. 81 Genau diese K r i t e r i e n sind schon 1949 — allerdings ohne den detaillierten Nachweis ihrer Stimmigkeit, den Scharpf geführt hat — herausgearbeitet worden i n Note, „ I n j u n c t i v e Protection of Political Rights i n Federal Courts", 62 H a r v L Rev 659, at 663. 82 Scharpf, Grenzen, S. 405 ff. 83 Kompetenzkonflikte zu lösen, gehört zur Grundkompetenz eines V e r fassungsgerichts (so selbst Learned Hand, vgl. oben, T e x t zu A n m . 71). F ü r Grundrechtsfragen gilt m. E. dasselbe, w e i l diese i n erster L i n i e A b w e h r 80
B. Colegrove D o k t r i n und political questions
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Dabei scheint Scharpf Coleman υ. Miller (1914)84 zunächst als eine Entscheidung angesehen zu haben, die als Einzelfall nur m i t einem besonderen Argument zu rechtfertigen war — durch Nichteingreifen ermögliche der Supreme Court ein M i n i m u m an demokratischer Kontrolle seiner Verfassungsrechtsprechung zu den Verfahrensvorschriften für den Verfassungsgeber (amending process). Die genauere Analyse der Ausführungen Chief Justice Hughes i n Coleman hat i h n später die Entscheidung eindeutig unter die Fälle der mangelnden Informationsmöglichkeiten des Gerichts einreihen lassen 85 . So sind es allein die guaranty clause Fälle, die nach Scharpf sich nicht sogleich i n dieses Schema einpassen lassen 86 . Zwar können die Fälle der Anerkennung einer einzelstaatlichen Regierung — Luther v. Borden (1849), Texas v. White (1869), Taylor v. Beckham (1900)87 — m i t den bisherigen Kriterien i n Analogie zu der Anerkennung ausländischer Staaten gelöst werden. Doch scheint sich die Entscheidung Pacific States Telephone & Telegraph Co. v. Oregon (1912)88 dieser Interpretation zu entziehen. Scharpf meint, das Gericht habe diese Sache, da es hier hätte Neuland betreten müssen, doch wohl deshalb als politische behandelt, w e i l es der Überzeugung war, es fehle bisher an einer der richterlichen Erkenntnis zugänglichen Definition der republican form und weil das Gericht gemeint habe, es sei für die Verfassungsentwicklung insgesamt besser, wenn diese Frage auch weiterhin offen bliebe 89 . rechte des Bürgers gegen die staatliche Gewalt sind. Eine Verweisung qua political question Entscheidung an ein anderes Staatsorgan w ü r d e dieses zum Richter i n eigener Sache machen. 84 Coleman ν. M i l l e r , 307 U.S. 433 (1939); siehe Scharpfs Darstellung der Entscheidung i n : Grenzen, S. 251 ff., u n d seine Beurteilung, Grenzen, S. 414/5. 85 Scharpf i n 75 Yale L J 517, at 570: Hughes habe i n Coleman die „reasonable t i m e " (zur Ratifikation von amendments durch die Einzelstaaten) nicht n u r an den noch weiter w i r k e n d e n W i l l e n des pouvoir constituant, sondern vor allem auch an die w e i t e r h i n bestehende Notwendigkeit der Verabschiedung des amendment aus ökonomischen Gründen gebunden gesehen — u n d diese „legislative facts" festzustellen, könne der Supreme Court nicht leisten. Das weitere Argument Hughes' (wie auch Frankfurters i n Baker v. Carr), „lack of satisfactory criteria for j u d i c i a l determination", verschleiere n u r den eigentlichen G r u n d f ü r die Anwendung der political question D o k trin. Gerade als Paradebeispiel f ü r eine political question Entscheidung aus Gründen mangelnder Informationsmöglichkeiten w i r d Coleman auch genannt i n Note, 62 H a r v L Rev 659 (1949), at 663, η. 30. Scharpfs U r t e i l scheint zeitweilig durch seine Sympathie f ü r den Standpunkt Blacks (concurring i n Coleman, at 459) beeinträchtigt worden zu sein (vgl. 75 Yale L J, at 587 589). 86 Die Darstellung der Fälle siehe bei Scharpf, Grenzen, S. 239 ff. 87 L u t h e r v. Borden, 48 U.S. (7 How.) 1 (1849); Texas v. White, 74 U.S. (7 Wali. 700) 730 (1869); Taylor v. Beckham, 178 U.S. 548 (1900). 88 Pacific States Telephone & Telegraph Co. v. Oregon, 223 U.S. 118 (1912). 89 Scharpf, Grenzen, S. 245.
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T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
Zu dieser „normativen", sowohl Jaffe und Bickel als auch Justice Frankfurter bestätigenden Interpretation muß Scharpf aber nur deshalb Zuflucht nehmen, weil er sich auf die vom Supreme Court angeführte Begründung für die Nichtentscheidung i n Pacific States einläßt und deren Stichhaltigkeit allein untersucht. Chief Justice White hatte i n Anlehnung an die ad horrendum Argumentation Chief Justice Taneys i n Luther die Konsequenzen einer i n der Sache stattgebenden Entscheidung beschworen: Wenn die Einführung der Elemente direkter Demokratie, Volksbegehren und Volksentscheid, der Garantie einer republican form of government widersprechen, dann seien nicht allein das jetzt angegriffene Steuergesetz verfassungswidrig, weil es auf einem Volksentscheid beruhe, sondern alle Gesetze, die seit Einführung jener Instrumente verabschiedet worden seien; ja, es sei sogar die Legalität aller governmental functions zu verneinen, w e i l dasselbe government nicht zugleich republican und nicht-republican sein könne. Das hätte u. a. zur Folge, daß die Gerichte auch für die Wiederherstellung eines „republican government" sorgen, Kongreß und Präsidenten zur Anerkennung dieses neuen government und den Kongreß zur A u f nahme der unter dem neuen Regime gewählten Senatoren und Repräsentanten verpflichten müßten. Scharpfs Zweifel 9 0 an der Stichhaltigkeit dieser Argumentationskette sind begründet. Das Problem liegt i n der Umdeutung des Angriffs auf ein bestimmtes, angeblich auf verfassungswidrige Weise zustandegekommenes Gesetz i n einen Angriff auf die gesamte staatliche Ordnung. Aber Pacific States ist doch subjektiv gerade ein Musterbeispiel für Scharpfs K r i t e r i u m Nr. 3: Das Gericht meint die Verantwortung für die Entscheidung nicht übernehmen zu können, w e i l es sich außerstande sieht, auch die Folgen m i t seinen M i t t e l n zu beherrschen. — Die Justices mögen sich geirrt haben. Ihre Argumentation mag brüchig sein. Ein Anwendungsfall der political question D o k t r i n bleibt es deshalb doch. Justice Brennan scheint m i r daher durchaus Recht zu haben, wenn er meint, die guaranty clause Fälle seien m i t den Kriterien der übrigen political question Fälle erklärbar. Scharpfs funktionell-rechtliche Theorie ist auch sonst nicht weit von Brennan entfernt: Beide bezeugen den begrenzten Anwendungsbereich der political question Doktrin und zeigen, daß von „discretion" nicht die Rede sein kann. Justice Frankfurter führt für seine gegenteilige Auffassung die apportionment Entscheidungen, Colegrove ν . Green (1946) an der Spitze, ins Feld. Aber: Der Supreme Court hat nicht ein einziges M a l eine 90
Ibid., S. 242 ff.; vgl. dazu auch Bonfield, „Baker v. Carr: New L i g h t on the Constitutional Guarantee of Republican Government", 50 Calif L Rev 245 (1962).
B. Colegrove D o k t r i n u n d political questions
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apportionment Sache ausdrücklich zur political question erklärt. Colegrove ist erst durch fachwissenschaftliche Ausdehnung der political question Doktrin zu einer political question Entscheidung gemacht worden. Dabei ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß erst Colegrove selbst und die späteren apportionment Entscheidungen zu dieser Ausweitung der political questions Anlaß gegeben haben. E i n gegenüber Bickels Auffassungen verengtes Verständnis von Umfang und Inhalt der „political questions" könnte zu einer anderen Ausdeutung Cole groves und ihrer Nachfolgeentscheidungen führen, die zugleich die Kontinuität der Rechtsprechung zu bezeugen i n der Lage sein könnte. Dazu allerdings könnten Alexander M. Bickels Einsichten über die „passive virtues" von großem Nutzen sein. 2. Richterliche Selbstbeschränkung: in apportionment Fragen
a) Die „politische"
Entscheidungspraxis
des Supreme Court
Bickel selbst hat die Entscheidung Colegrove v. Green einer Beurteilung anhand seiner Theorie der Nicht-Entscheidung unterzogen 01 . Danach ist Colegrove ein political question F a l l 9 2 : „Equal representation" sei zweifellos die stille Sehnsucht der amerikanischen Demokratie, doch hätten die politischen Organe es stets für „necessary or expedient" gehalten, das Prinzip zu modifizieren, indem sie nicht nur Menschen, sondern auch Interessen, Gruppen, Religionen eine Repräsentation zugestanden hätten. Es handele sich i n den USA nicht u m eine direkte, sondern u m eine repräsentative Demokratie, i n der nicht nur nach „responsive", sondern nach „ t r u l y representative government" gestrebt werde. Könnte man jegliche Ungleichheit i n der individuellen Repräsentation genauso moralisch als prinzipiell untragbar bezeichnen wie die Ungleichheit i n Status und Behandlung der Rassen, dann wäre alles ganz einfach. Aber das könne man eben nicht. Repräsentative Gremien könnten sich nur i n pragmatischem „ t r i a l and error" entwickeln, denn sie sollten auf die Standpunkte, die Interessen und Ziele einer heterogenen Gesamtwählerschaft eingehen und wohl abwägend beraten, dabei aber nicht so i n Fraktionen verfallen oder ausbalanciert sein, daß sie zu tendenziell allgemeine Zustimmung erheischenden Beschlüssen unfähig sind. „Equal representation" sei ein Ziel unter vielen, wenn auch das einzige prinzipielle. Es müsse aber mit anderen Zielen abgestimmt werden, und dafür gäbe es bis jetzt keine auf einem Prinzip beruhende A r t und Weise. „Who, after all, remembering the Weimar Republic or the Fourth French Republic, 91 92
Bickel, Branch 189 - 198. Id. at 191.
92
T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
favors proportional representation?" Hierin unterscheiden sich nach Bickel die apportionment Fragen vom Problem der Rassentrennung: (A)pportionment is necessarily a very h i g h percentage of politics w i t h a very small admixture of definable principle. I n race relations, the proportions are reversed 9 8 .
Daher sei der Supreme Court i n Colegrove außerstande gewesen, ein dominierendes Prinzip zu formulieren, nicht einmal als Ziel. Das Gericht habe es aber andererseits auch nicht für seine Aufgabe gehalten, die von den politischen Organen für zweckmäßig gehaltene Ordnung m i t seinem Urteil abzusegnen, oder das einzige prinzipielle Ziel, die Gleichheit der Repräsentation, sowie die Vorteile, die aus dem Einfluß des Prinzips erwachsen könnten, aufzugeben: „There was no judicial review i n Colegrove, no checking of political action, and no legitimation 9 4 ." Bickels Fazit deckt sich zwar insoweit m i t unseren Untersuchungen der Colegrove Entscheidung, als weder eine Legitimation noch nur eine inhaltliche Prüfung der verfassungsrechtlichen Problematik für das Ergebnis ausschlaggebend war. Allein: das gilt nur für Colegrove v. Green, denn dieser Fall wurde durch Justice Rutledges Votum unter der Rubrik „for want of equity" entschieden. Er berief sich auf die „discretionary equity power" der Gerichte, die i n die einzelstaatliche Gesetzesausführung nur eingreifen sollten, „to prevent irreparable i n j u r y which is clear and imminent" 9 5 . Die Umstände des Einzelfalles — Nähe des Wahltermins — waren für sein Votum letztlich ausschlaggebend. Anders MacDougall: Dies bleibt eine legitimierende Sachentscheidung, und auch Wood v. Broom muß als solche verstanden werden 9 6 . Folgen w i r zudem der K r i t i k an der political question Auffassung Bickels und ferner der Scharpf sehen Analyse der political question D o k t r i n des Supreme Court — und es spricht alles dafür, daß Scharpf die Dinge richtig gesehen hat —, dann handelt es sich auch bei Colegrove nicht u m eine Nichtentscheidung qua political question 97 : Das Gericht besaß alle einschlägigen Informationen oder konnte sie sich 98 Id. at 193. I n den school segregation Fällen hätten die Südstaaten zwar u. a. m i t der v o n der gesellschaftlichen W i r k l i c h k e i t geforderten Notwendigkeit einer Trennung der Schulkinder nach Rassen argumentiert, aber i n der Praxis habe es sich nicht n u r u m zeitweilig notwendige Abweichungen von einem noch unvollständigen, erst teilweise anwendbaren Prinzip gehandelt, sondern u m die grundsätzliche Negation eines i n der Entstehung befindlichen Prinzips, das zu verkünden dem Gericht sonst unmöglich gewesen wäre. 94 Bickel, Branch 194. 95 Rutledge, concurring i n Colegrove, at 566, η. 3. 9β Siehe Besprechung oben, T e i l I A. 4., T e x t zu den A n m . 33 ff., 75 ff., 95. 97 So schon 1949 Note, 62 H a r v L Rev 659, at 664.
B. Colegrove D o k t r i n u n d political questions
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beschaffen. Es sah sich durchaus i n der Lage, auch die Folgen einer Sachentscheidung mit gerichtlichen M i t t e l n i n den Griff zu bekommen, wenigstens soweit i m Falle eines Stattgebens der Klage nur eine Erklärung der Verfassungswidrigkeit anstand. Colegrove war objektiv eine klagabweisende Entscheidung i n der Sache. Doch haben die nachfolgenden Justices die Entscheidung nicht als solche behandelt. I n allen auf Colegrove v. Green (1946) folgenden Fällen hätten sie die Möglichkeit gehabt, m i t eindeutigen Worten eine Sachentscheidung darüber zu fällen, ob equal protection auch die Gleichheit der Größe der Wahlkreise erforderlich macht. Sie haben es nicht getan. Sie haben vielmehr eine klare, öffentliche Festlegung vermieden und ihr Instrumentarium verfahrensrechtlicher Techniken i n „politischer" Weise gehandhabt, so daß Philippa Strum m i t ihrer gerichtspolitischen Interpretation der political question D o k t r i n die Haltung der Justices durchaus richtig beschrieben hat. So war das Ergebnis der verfahrensmäßigen Abwiegelungstaktik des Supreme Court das Bestehenbleiben ungleicher Wahlkreise. Aber für die Öffentlichkeit schien eine negative Entscheidung des Gerichts i n der Sache nicht gefällt worden zu sein. W i r wissen aus den nachgelassenen Notizen der Justices Murphy und Burton 9 8 , daß zunächst von den Supreme Court Justices der Colegrove Entscheidung allein Justice Douglas für die klägerische Position stimmte. Alle anderen, einschließlich des zur Zeit der Beratung noch nicht verstorbenen Chief Justice Stone, hielten die Sache anfangs ihrer Natur nach für eine Angelegenheit der politischen Organe und nicht der Gerichte. Von den sieben beteiligten Justices wechselten oder modifizierten also nicht weniger als drei zwischen Beratung und endgültiger Entscheidung ihre Position. Da m i t 4 :3 die endgültige Entscheidung i n Colegrove so knapp ausgefallen war, und das Problem i m Laufe der Jahre ständig an politischer Bedeutung gewann, ist es nicht abwegig anzunehmen, daß die nachfolgenden Justices immer weniger Drang gespürt haben, das apportionment gänzlich per eindeutig legitimierendem Richterspruch an die sich zur Änderung unfähig erweisenden politischen Organe zu überweisen. Da mußten jene Möglichkeiten verfahrensmäßiger Taktik durchaus gelegen kommen, die die außergerichtliche Entwicklung nicht beeinträchtigten und zugleich als Einzelfallentscheidung das Gericht nicht generell und öffentlich festlegten. Begünstigt wurde der Supreme Court durch die Untergerichte, die Colegrove dahingehend interpretierten, daß die Bundesgerichte i n Wahlkreisfragen nicht eingreifen sollten. So konnte der Supreme Court die Berufungen zurückweisen, ohne die Vorentscheidungen unter A n 98
Siehe T e i l I Α., A n m . 61.
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T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
gäbe von Gründen abändern zu müssen. Nicht erklärbar bleibt i n diesem Zusammenhang allerdings MacDougall v. Green, w e i l hier per curiam i n der Sache abschlägig entschieden worden war: Es ist den Einzelstaaten von der Verfassung her nicht verboten, die Gewichte bei der Bildung neuer politischer Parteien und ihrer Teilnahme an bundesweiten Wahlen zwischen den dünn besiedelten und den bevölkerungsstarken counties ungleich zu verteilen. Aber MacDougall ließ sich i n der Sache von den echten apportionment Fällen unterscheiden. Es handelte sich nicht u m den Angriff auf eine Wahlkreiseinteilung und — vielleicht ausschlaggebend — machte deshalb i m Gegensatz zum reapportionment ein weiteres Eingreifen der Gerichte infolge des Spruches, sei er negativ oder positiv, nicht notwendig. I n Anlehnung an Bickels funktionelle Theorie der Nichtentscheidung können w i r annehmen: Das Gericht hat die Wahlkreisungleichheiten hingenommen, indem es gerichtliche Selbstbeschränkung bei der A n nahme der Fälle zu endgültiger, autoritativer, die Ungleichheiten m i t dem Gewicht seiner Institution unterstützender Entscheidung praktizierte. Der Supreme Court hat so m i t seiner Rechtsprechung bis 1962 zwar streng genommen Wahlkreisungleichheiten legitimiert. Aber das war wegen der verfahrensmäßigen Form der Entscheidung für die Öffentlichkeit nicht so deutlich erkennbar, als daß die Diskussion über die Frage, ob die Ungleichheit der Wahlkreise verfassungswidrig sei, dadurch — zumindest zeitweise — rein akademisch geworden wäre. Eine Begründung für diese Zurückhaltung des Gerichts, die die Legitimierung verschleierte, findet sich i n dem Teil von Justice Frankfurters Colegrove Votum, i n welchem er unter dem Titel „for want of equity" generell ein Eingreifen der Gerichte i n apportionment Fällen ablehnte. b) Umkehrung
der preferred
freedoms Doktrin?
Justice Frankfurters These i n Colegrove war: Das, was die Kläger vom Gericht verlangten, liegt „beyond its competence to grant". Zur Begründung führte er zunächst den Verfassungstext an und meinte, die Kompetenz, „fair representation by the States i n the popular House" zu sichern, sei von der Verfassung ausschließlich dem Repräsentantenhaus selbst zugewiesen worden. Vergleiche m i t anderen Fallgruppen machen nun deutlich, daß dem Supreme Court der Bezug auf den Text der Verfassung ohne zusätzliche Argumente niemals ausgereicht hat. Andere, explizite Kompetenzzuweisungen, wie etwa die foreign relations oder die war power, haben den Supreme Court nicht an der Ausübung seines materiellen Prüfungsrechts, wenigstens auf Teilgebieten, gehindert. Fritz Scharpf hat das i m einzelnen dargelegt" und dann gemeint, das Gericht hätte sich
B. Colegrove D o k t r i n u n d political questions
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seinem Selbstverständnis nach u m so weniger an einem Eingreifen gehindert fühlen dürfen, als es sich hier u m Grundrechtsfragen handele. Das ist jedoch gerade die Frage. Nach Frankfurters Darstellung der Rechtslage sind Grundrechte gar nicht i m Spiel 1 0 0 . Wenn Scharpf dann weiter den V o r w u r f erhebt, Frankfurter postuliere i m Ergebnis die Umkehrung der „preferred freedoms" Doktrin, so fordert das zu W i derspruch heraus 101 . Scharpf scheint einerseits den Stellenwert dieser D o k t r i n i m Verfassungsverständnis Justice Frankfurters zu verkennen, andererseits außer acht zu lassen, daß die D o k t r i n weder dogmatisch geklärt ist noch unangefochten praktiziert wurde. Die D o k t r i n der „preferred freedoms" entwickelte sich i n Gegenbewegung zu jenem self-restraint, aufgrund dessen von 1937 an eine neue Mehrheit des Supreme Court Wirtschaftsregulierende Gesetze des Kongresses nur noch auf Verstöße gegen das Willkürverbot überprüfte. A r t und Umfang der Wirtschaftsregulierung blieb damit allein dem Gesetzgeber überlassen, weil dieser politisch direkt den Bürgern verantwortlich ist, während das Gericht weiterhin — oder: nun m i t Nachdruck — seine Funktion darin sah, jene demokratisch-politischen Prozesse offen zu halten, die den Bürgern eine Änderung unerwünschter wirtschaftsregulierender Gesetzgebungsakte ermöglichten 102 . Das waren jedenfalls die Überlegungen Justice Stones, die seinen berühmt gewordenen Ausführungen i n Fußnote 4 der Entscheidung US ν . Carolene Products Co. (1938) zugrundelagen 103 . I n der Folgezeit 99 Scharpf, Grenzen, S. 288 ff., 390-392; ebenso zur commerce power B i k kel, Branch 191. 100 Daher liegt auch die Diskussion darüber, ob Frankfurter den Klägern die A k t i v l e g i t i m a t i o n (standing) habe absprechen wollen, neben der Sache. Sein Satz „ T h e basis for the suit is not a private wrong, b u t a w r o n g suffered by Illinois as a p o l i t y " muß i m Zusammenhang m i t dem anschließenden gesehen werden: „ I n effect this is an appeal to the federal courts to reconstruct the electoral process of Illinois i n order that i t may be adequately represented i n the councils of the nation." (Näheres dazu sogleich i m Text.) Auch Brennan i n Baker, n. 27, sieht darin k e i n standing Problem; Gründe: 1. Die Entscheidung befaßt sich sogleich m i t den merits. 2. K e i n Z i t a t an dieser Stelle bezieht sich auf die standing Frage. 101 Es zeugt v o n Scharpfs Mißinterpretation, w e n n er meint (Grenzen, S. 291), nach Colegrove „müßte m a n annehmen, daß dann, w e n n die K o r r u p t i o n des demokratischen Prozesses ein M a x i m u m erreicht . . . u n d w e n n solche P r a k t i k e n parteipolitische Bedeutung erlangt haben, das Gericht seine K o n t r o l l f u n k t i o n nicht länger ausüben dürfe". 102 Vgl. dazu Ehmke: Wirtschaft u n d Verfassung, S. 437 ff., besonders S. 440, 442, 455. 103 US v. Carolene Products Co., 304 U.S. 144 (1938). Stones Fußnote 4 l a u tet auszugsweise:
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gelangte der Grundgedanke des Offenhaltens der politischen Prozesse i n der Judikatur zum I. amendment — freedoms of religious exercise, of speech, of the press, to peacably assemble, und to petition the government — zwar rasch große Bedeutung, wurde aber zugleich als sog. preferred freedoms doctrine auf diesen Bereich eingeengt. So lautete die D o k t r i n schließlich: Regelungen, die die Grundrechte des I. amendment einschränken, haben — anders als i m Bereich der Wirtschaftsregulierung — die Vermutung der Gültigkeit nicht für sich. N u n hat Justice Frankfurter zwar mehrfach gegen den Begriff „preferred freedoms" Stellung genommen 104 . I n der Substanz ist er der D o k t r i n aber stets gefolgt 1 0 5 , entsprach sie doch seiner abwägend wertenden und differenzierenden Betrachtungsweise. Warum sollte für i h n i n apportionment Sachen etwas anderes gelten? Weil er aus funktionellen Gründen nicht gewillt war, die Wahlkreisgleichheit als verfassungsrechtliche Norm i n die equal protection clause hineinzuinterpretieren? W i r erinnern uns: Frankfurter konnte sich für die Auffassung, apportionment Fälle seien nicht an der Bundesverfassung zu messen, auf Wood v. Broom (1932) berufen. Da Justice Rutledge diese Ansicht nicht teilte, sondern aus besonderen Gründen des Falles ein richterliches Eingreifen ablehnte, votierte auch Frankfurter für Nichteingreifen „for want of equity", wobei er aber die Begründung generell faßte: Die Behandlung von apportionment Fragen läge jenseits richterlicher Kompetenz. Es sei eine legislative Aufgabe, i n die hineinzujudizieren und etwa bei der damit verbundenen parteipolitischen Auseinandersetzung Partei zu nehmen, dem demokratischen Prinzip widerspreche. Zur Lösung solcher Probleme seien die Gerichte nicht geeignet. Das aber sind funktionelle Argumente, die aus rechtsphilosophischen Vorstellungen und politischer Theorie gespeist werden. Sie sind es i n There may be narrower scope for operation of the presumption of constitutionality w h e n legislation appears on its face to be w i t h i n a specific p r o h i b i t i o n of the Constitution . . . I t is unnecessary to consider n o w whether legislation w h i c h restricts those political processes w h i c h can ordinarily be expected to b r i n g about repeal of undesirable legislation, is to be subjected to more exacting j u d i c i a l scrutiny under the general prohibitions of the Fourteenth Amendment than are most other types of legislation. . . . Nor need we inquire whether similar considerations enter into the review of statutes directed at particular religious . . . or national . . . or racial m i n o rities . . . whether prejudice against discrete and insular minorities may be a special condition, which tends seriously to curtail the operation of those political processes ordinarily to be relied upon to protect minorities, and which may call for a correspondingly more searching j u d i c i a l i n q u i r y . . . . 104 Insbesondere: Frankfurter, concurring i n Kovacs v. Cooper, 336 U.S. 77 (1949), at 89 - 97. 105 Vgl. die Analyse v o n McKay, „ T h e Preference for Freedom", 34 N Y U L Rev 1182 (1959), at 1191 et s.
. Colegrove D o k t r i n u n d political questions
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der gleichen Weise wie die Stone'schen Grundgedanken i n der Fußnote 4, der Mutter der preferred freedoms Doktrin. Eine logische Rangordnung unter ihnen besteht nicht. Eine Wertentscheidung aber hatte Frankfurter getroffen: für das unbedingte Heraushalten der Justiz aus jeglicher Parteipolitik. Daß er das zugleich als eine Machtfrage begriff, die von der Frage der — wiederum auch edukativ verstandenen — Funktion des Supreme Court nicht getrennt werden kann, machte er i n Baker deutlich: The Court's authority — possessed neither of the purse nor the sword — ultimately rests on sustained public confidence i n its moral sanction. Such feeling must be nourished by the Court's complete detachment, i n fact and i n appearance, f r o m political entanglements and b y abstention f r o m injecting itself into the clash of political forces i n political settlements 1 0 6 .
So muß auch Frankfurters vielzitierter Colegrove Satz „Courts ought not to enter this political thicket" verstanden werden. Er hat nichts zu t u n m i t einer etwaigen Angst des „reinen" Richters vor „schmutziger" Parteipolitik, sondern ist Ausdruck eines Verfassungsverständnisses, i n dem die „Balance der Gewalten" eine entscheidende Rolle spielt. M i t balance of power ist zunächst das Verhältnis der Justiz zur Legislative gemeint, genauer: zum Kongreß und den einzelstaatlichen Häusern, zu deren Aufgaben es gehört, die Verteilung der Sitze und die A r t und Weise ihrer Besetzung zu regeln 1 0 7 . Aber das eigentliche Problem der apportionment Fragen liegt tiefer: Was geschieht, wenn der Kongreß diese Aufgabe nicht oder nicht i n der von der Verfassung geforderten Weise erfüllt? — Dann, so meinte Frankfurter, können die Gerichte den Kongreß nicht zwingen: I t never occurred to anyone t h a t this Court could issue Congress to perform its mandatory duty to apportion. has many commands that are not enforceable b y clearly f a l l outside the conditions and purposes t h a t action 1 0 8 .
mandamus to compel . . . The Constitution courts because they circumscribe j u d i c i a l
Frankfurter verstand die Verfassung i n traditioneller Weise als Begrenzung der Staatsgewalt und sah den Supreme Court ebenso traditionell allein i n seiner Funktion als „negativer Gesetzgeber". Solange nur diese Funktion betroffen war, hatte Frankfurter gegen eine Instrumentalisierung einer D o k t r i n der „preferred freedoms" zum Offenhalten der politischen Prozesse nichts einzuwenden. Ob die D o k t r i n auch jemals mehr intendierte als einen negativen Schutz des Einzelnen vor staatlichen Eingriffen i n seine staatsbürgerlichen Rechte, allerdings io® Frankfurter, dissenting i n Baker, at 267. 107 The Times, Places and Manner of holding Elections for Senators and Representatives, shall be prescribed i n each State by the Legislature thereof; b u t the Congress may at any time b y L a w make or alter such Regulations . . . (Art. I, Sec. 4 US Constitution). 108 Colegrove at 555/6.
7 Köpp
T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
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auch i n sein „right to vote und have his vote counted", darf bezweifelt werden. Der Gedanke vom Offenhalten der politischen Prozesse zwingt jedenfalls nicht sogleich zu positiver A k t i v i t ä t . Stones Fußnote 4 enthält j a auch keinerlei Hinweis auf das Wie einer Konkretisierung des Gedankens. So kann man feststellen, daß Frankfurters funktionelle Argumentation nur dann dem funktionellen Grundgedanken der preferred freedoms Doktrin widerspricht, wenn man i n Fußnote 4 einen A u f r u f zu mehr als „negativer Gesetzgebung" sehen w i l l . Die richterliche Ausgestaltung der Stone'schen Gedanken zu einer „ D o k t r i n " wies nicht i n diese Richtung, denn sie qualifizierte sich allein i n der Abwehr staatlicher Eingriffe i n die Religions-, Meinungsäußerungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Die Vorstellung vom „ ö f f n e n " politischer Prozesse durch Verfassungsjudikatur bedeutet dagegen Ausblick i n eine neue Dimension richterlicher Gestaltung. Sie fordert nicht nur die Wiederaufnahme eines judicial activism, das Gesetze des Kongresses für m i t der Verfassung nicht vereinbar erklärt, w e i l die Justices eine bestimmte Philosophie i n die Verfassung hineinlesen — gegen eine solche A r t richterlicher Tätigkeit auf wirtschaftlichem Gebiet hatte Frankfurter bereits i n den 30er Jahren Stellung bezogen und für j u d i cial self-restraint plädiert. Nein, apportionment machte anderes und doch zugleich mehr erforderlich: die Erzwingung gesetzgeberischer Akte von der Legislative nach den inhaltlichen Vorstellungen der Justiz. Das konnte für Frankfurter nicht mehr nur inkorrekte Verfassungsauslegung sein; das mußte er als Verstoß gegen die Grundfesten der Verfassung, die Gewaltenteilung, ansehen. Und so zielten seine Argumente darauf ab nachzuweisen, daß richterliche Tätigkeit auf dem Gebiet des legislative apportionment m i t der Funktion der richterlichen Gewalt i m Verfassungsstaat der USA nicht vereinbar ist. Die immanente Grenze der dritten Gewalt sah er — jenseits der Frage der Durchsetzbarkeit richterlicher Sprüche i n der Wirklichkeit — naheliegenderweise dort, wo das Politische der Tätigkeit der Legislative beginnt. Aber das Problem war eben die juristisch nachprüfbare Dingfestmachung des Politischen. So geriet i h m i n der ersten Äußerung zur Sache, i n Colegrove (1946), die Abgrenzung i m wesentlichen nur zu einem Appell an das politische Verständnis der Richterschaft: apportionment sei eine Angelegenheit „of a peculiar political nature and therefore not meet for judicial determination" 1 0 9 . Charakterisiert werde es durch „its embroilment i n politics, i n the sense of party contests and party interests" 1 1 0 . 100 110
Id. at 552. Id. at 554.
C. Apportionment u n d equal protection clause
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Erst die neue Mehrheit des Gerichts zwang Frankfurter i n Baker (1962) zu einer inhaltlich begründeten Ausgrenzung des „Politischen". Sie orientierte sich an der Rechtsprechung des Supreme Court zur guaranty clause und zur equal protection clause der Bundesverfassung.
C. Apportionment und equal protection clause v o r der Wende
Angelpunkt der Position Justice Frankfurters i m Streit u m das Eingreifen der Gerichte i n das legislative apportionment ist jener Teil seines Votums i n Baker v. Carr (1962), i n dem er sich direkt m i t dem Begehren der Kläger aufgrund der equal protection clause auseinandersetzte. Darin legte er dar, daß das Geltendmachen einer Verletzung des equal protection of the laws nichts daran ändere, daß es sich u m eine guaranty clause Klage handele, weil der Streit i n Wirklichkeit u m die richtige Grundlage des „representative government" i n den Einzelstaaten gehe: I t is, i n effect, a Guarantee Clause claim masquerading under a different label. . . . For a court could not determine the equal protection issue w i t h o u t i n fact first determining the Republican-Form issue, simply because w h a t is reasonable for equal protection purposes w i l l depend upon w h a t frame of government, basically, is allowed 1 .
Die Entscheidung über das „frame of government" aber war für i h n notwendigerweise eine politische, weil ein rechtlicher Maßstab dafür bisher nicht gefunden worden sei und i n der Verfassung auch nicht gefunden werden könne; es sei denn, die Justices schrieben die Verfassung neu. I m übrigen galten Frankfurters Argumente den Ausführungen Justice Douglas* und des Solicitor General der als amicus curae zugelassenen USA, die davon ausgingen, daß die equal protection clause als Standard die grundsätzliche Stimmengleichheit enthalte, wovon allerdings begründete Abweichungen möglich sein sollten. Der Streit u m die Möglichkeit einer Erkennbarkeit solcher „reasonable" Abweichungen verdeckt die eigentliche, am Ende der Entwicklung schließlich auch offenbar werdende Erkenntnis Frankfurters, daß als gerichtlich leicht handhabbarer Standard der equal protection clause allein der Standard der absoluten und formalen numerischen Gleichheit i n Frage kam. Diesen Standard wollte Frankfurter nicht, vor allem aber wollte er i h n nicht durch das Gericht eingeführt sehen. Denn ein solcher Standard mußte vom Supreme Court i n die Verfassung hineingelesen, mußte von den Justices gesetzt werden. Das verstieß gegen seine A u f fassung von der Aufgabe der dritten Gewalt. Jedenfalls i n diesem Bereich traditionell legislativer Gestaltungsfreiheit war das gerichtliche 1
7·
Frankfurter, dissenting i n Baker, at 297, 301.
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T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
Festschreiben eines der vielen bisherigen Standards für das apportionment i n seiner Sicht legislatives, nicht mehr judizielles Entscheiden. Apportionment mußte den „politischen" Organen, sei es des Bundes, wie i n Colegrove, sei es der Einzelstaaten, wie diesen i n der republican form clause garantiert, überlassen bleiben. Doch Frankfurter argumentierte zunächst intra constitutionem: Von „debasement" (Verfälschung) oder „dilution" (Verringerung) des Wertes einer Stimme könne man nur reden, wenn man vorher festgelegt habe, wie denn eine Stimme bewertet werden solle. Die Bestimmung der dazu nötigen Bezugsebene werde jetzt vom Gericht verlangt. Komme das Gericht diesem Verlangen nach, so lege es die Grundlage des „representative government" fest und entscheide so i n der einen oder anderen Weise über die „republican form of government". Fragen der republican form clause habe der Supreme Court bisher jedoch stets als nicht-justiziabel behandelt. Damit war Frankfurter wieder bei seinem entscheidenden Einwand: Es sei nicht die Funktion des Gerichts, i n der Verfassung nicht vorentschiedene „politische" Streitfragen zu entscheiden. Sein Kernsatz lautet: What is actually asked of the Court i n this case is to choose among competing bases of representation — ultimately, really, among competing theories of political philosophy — i n order to establish an appropriate frame of government for the State of Tennessee and thereby for a l l the States of the Union 2 .
Frankfurter führte das nicht weiter aus. Doch waren sich sicherlich alle Justices darüber i m klaren, daß er jene Wahl meinte, die Bickel erst kurz zuvor wieder angesprochen hatte: die Wahl zwischen „government by consent" und „government by m a j o r i t y " 3 — i m Grunde ein Problem der Integration der Minoritäten i n das kleinstädtisch-protestantische Amerika. Bickel w i r d nicht müde zu betonen, daß für die USA government by consent notwendig ist und sich historisch bewährt hat. Ermöglicht w i r d es durch die Dreiheit der Institutionen: Senat, Repräsentantenhaus und Präsident bzw. Governor, die jeweils auf einer anderen politischen Basis operieren. Die von der Gesamtbevölkerung gewählten Senatoren und die Spitze der Exekutive sind der sie jeweils tragenden Mehrheit verbunden, die — bei den Senatoren regional begrenzt und daher relat i v speziell, beim Präsidenten generell — eine Koalition der vereinten Minoritäten rassischer, religiöser und ethnischer A r t (in der Regel aus der Stadt) darstellt. Das Repräsentantenhaus vertritt demgegenüber 2
Ibid. at 300. Bickel, Branch 192; später eingehender ders., The New Age of Political Reform (1968), at 2, 8 et s., 48. 8
C. Apportionment u n d equal protection clause
101
vor allem die Interessen der ländlichen Bevölkerung, die — insgesamt selbst Minorität — auf diese Weise an der Willensbildung wirkungsvoll beteiligt bleibt. Kein Zweifel, das malapportionment ermöglicht i h r die wirkungsvollste Beteiligung am politischen Prozeß 4 . Wahlkreisgleichheit birgt dagegen die Gefahr ihrer Majorisierung durch die vereinten städtischen Minoritäten. Frankfurters Satz von der Wahl zwischen „competing theories of political philosophy" halte ich vor diesem Hintergrund für die richtige Darstellung des zugrundeliegenden Streits, der sich niederschlägt i n der juristischen Überordnung entweder des individuellen Rechts auf gleiche Wahl oder des Rechts auf angemessene Interessenvertretung i m politischen Prozeß. Die Mehrheit der Justices wollte das entweder nicht wahrhaben oder wollte aus anderen, ihnen diesem Einwand gegenüber übergeordnet erscheinenden Gesichtspunkten die von Frankfurter als unzulässig weil funktionswidrig postulierten Entscheidungen doch fällen. Keiner der die Mehrheit bildenden Justices trat jedenfalls Frankfurters Einwänden m i t inhaltlichen Argumenten entgegen. Justice Brennan reduzierte das Problem i n seinem Mehrheitsvotum auf die Analyse und Beurteilung der Präzedenzfälle des Supreme Court und hielt Frankfurter die These entgegen: (T)he Fourteenth Amendment claim is not so enmeshed w i t h those political question elements which render Guaranty Clause claims nonjusticiable as actually to present a political question itself 5 .
Die Vorentscheidung war eben schon gefallen, als die Mehrheit i m Gegensatz zu Frankfurter eine political question Kategorie der „matters of the State Governmental organisation" nicht anerkannt hatte. Darauf verwies Brennan nun und bezog sich dann insbesondere auf Gomillion v. Lightfoot (1960), u m zu zeigen, daß der Supreme Court bei der Verletzung von Grundrechten stets i n der Sache entschieden hat — in Gomillion gerade gegen die Ansicht des court of appeals, daß die Einzelstaaten das Recht besitzen, die Grenzen ihrer Untergliederungen (Kreise, Städte, andere Kommunen) nach ihrem Gutdünken zu verändern. Justice Frankfurter hatte i n Gomillion selbst erklärt: When a State exercises power w h o l l y w i t h i n the domain of state interest, i t is insulated f r o m federal j u d i c i a l review. B u t such insulation is not carried over w h e n state power is used as an instrument for circumventing a federally protected right®.
So ging es dann nur noch u m die Frage, welchen Inhalts jenes Recht war, das durch die ungleiche Größe der Wahlkreise verletzt sein konnte. 4 Hopt, Auswirkungen, S. 167 ff., gibt dazu einen guten Überblick unter dem Gesichtspunkt der divided party control des einzelstaatlichen government. 5 Baker at 227. 6 Gomillion at 347.
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T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
Doch auch diese Frage wurde nur andiskutiert. Justice Stewart hob i n seinem zustimmenden Votum hervor, es sei i n Baker nur entschieden worden, daß (1) die Gerichte nicht von Verfassungs wegen von der Beurteilung der apportionment Fragen ausgeschlossen sind, (2) eine justiziable Frage i n einer schlüssigen Klageschrift vorgelegt worden ist, und daß (3) die Kläger aktiv legitimiert sind 7 . Die Frage nach der „justiciable cause of action" enthielt versteckt das von Frankfurter angesprochene Problem. A l l e öffentlich votierenden Justices sahen sich veranlaßt, mehr oder weniger ausführlich zu erklären, welchen Inhalt die angezogene equal protection clause für die Beurteilung des legislativen apportionment von Tennessee habe. Dabei gingen alle von den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur equal protection clause aus. Justice Brennans opinion of the court bleibt bei dieser Aussage stehen: Judicial standards under the Equal Protection Clause are w e l l developed and familiar, and i t has been open to courts since the enactment of the Fourteenth Amendment to determine, i f on the particular facts they must, that a discrimination reflects no policy, b u t simply arbitrary and capricious action 8 .
Dieser m i n i m u m rationality test — sonst auch spiegelbildlich formuliert als Verbot jedes „invidious discrimination" — hätte für die Einzelstaaten nur erforderlich gemacht, i h r apportionment nach verständlichen, gleichmäßig angewandten Regeln zu ordnen. Wäre das der Fall, hätte der Supreme Court das einzelstaatliche apportionment als „nicht verfassungswidrig" zu bezeichnen und damit ζ. B. gleichmäßig festgelegte Ungleichheiten zu legitimieren. Justice Harlan, der Justice Frankfurters dissent beitrat, meinte denn auch i n Tennessees apportionment durchgehend gleichmäßig angewandte Regeln zu finden, so daß es für i h n überhaupt an einer Rechtsverletzung und damit auch an einer schlüssigen Klage fehlte 9 . Justice Clark konnte dagegen keinerlei „state policy" entdecken. Tennessees apportionment war für i h n „a crazy quilt without rational basis". Er und auch Justice Stewart sahen die Entscheidung MacDougall υ. Green (1948) als einschlägig an 1 0 . Dort hatte der Supreme Court i n 7 Stewart, concurring i n Baker, at 266. darauf hin, daß der district court sich m i t einandergesetzt hat. 8 Baker at 226. 9 Harlan, dissenting i n Baker, at 311 et s. 10 Clark, concurring i n Baker, at 251/2;
266.
Justice Stewart weist m i t Recht der inhaltlichen Frage nicht aus-
(Appendix). Stewart, concurring i n Baker, at
C. Apportionment u n d equal protection clause
103
der Sache entschieden m i t Worten, die die Frage nach dem Vorhandensein einer „rational state policy" als entscheidend kennzeichneten: I t w o u l d be . . . doctrinaire . . . applying such broad constitutional concepts as . . . equal protection of the laws, to deny a state the power to ensure a proper diffusion of political initiative. . . . (Hervorhebung v o n Justice Clark) 1 1 .
Doch der Begriff „proper" impliziert weitere inhaltliche Beurteilungen als die der reinen Rationalität i m Sinne von Einsichtigkeit und Verständlichkeit, wie es Clark und Stewart zu verstehen schienen. Das kommt deutlich zum Ausdruck i n einem anderen, von den Justices nicht zitierten MacDougall Satz: I t is allowable State policy to require that candidates for state-wide office should have support not l i m i t e d to a concentrated locality (Hervorhebung von m i r ) 1 2 .
Diese stärker inhaltlich wertende Fixierung, die auf invidiousness und discrimination abstellt, ist Justice Douglas' Ausgangspunkt. Daß er dabei an die Rechtsprechung des Supreme Court i n den civil liberties Fällen gedacht hat, i n denen das Gericht möglicherweise über den minimum rationality test hinaus (in sehr begrenztem Umfang) die Legitimität der rational state policy an grundlegenden Werten der Bundesverfassung gemessen hat 1 3 , ist sehr zweifelhaft, denn er argumentiert völlig unabhängig davon. Er versteht das Problem der Wahlkreisgleichheit eindeutig als Teil des individuellen Rechtes auf gleiche Wahl, hier: auf eine m i t gleichen Einflußchancen ausgeübte Wahl. Das Wahlrecht des Einzelnen gehöre zur republican form of government. Die Einzelstaaten könnten zwar Qualifikationen für die Ausübung des Wahlrechts festlegen, aber die Bundesverfassung setze dem Grenzen. Rasse, Hautfarbe und ehemalige Sklaverei seien nach dem X I V . amendment völlig als Anknüpfungspunkt für die Wahlberechtigung verboten, ebenso nach dem X I X . amendment das Geschlecht. Die dritte grundrechtliche Grenze jeder individuellen Wahlrechtsbeschränkung sei nun die equal protection clause des X I V . amendment, so daß sich die Frage stelle: „ . . . may a State weight the vote of one county, or one district more heavily than i t weights the vote i n another"? Allerdings muß die 11
Clark, concurring i n Baker, at 252. Vgl. MacDougall at 283. Dies ist entgegen Scharpf (Grenzen, S. 295, A n m . 365) keineswegs sicher. Gerade i n G r i f f i n v. Illinois, 351 U.S. 12 (1956), i n dem entschieden wurde, daß die Einlegung eines Rechtsmittels i m Strafverfahren bei armen Angeklagten nicht von der vorherigen Zahlung der Kosten des stenographischen Protokolls erster Instanz abhängig gemacht werden darf, argumentierte das Gericht v o r allem auf der Basis der due process clause, w e n n auch die equal protection clause m i t genannt worden ist. Dasselbe gilt f ü r Douglas v. California, 372 U.S. 353 (1963), nach dem einem armen Angeklagten die Ernennung eines Pflichtverteidigers trotz vorhersehbarer Nutzlosigkeit (nach A n sicht des damit befaßten Gerichts) nicht versagt werden darf. Vgl. u n t e n S. 176. Neuestens dazu Knapp, JöR N. F. 23 (1974), 421, 445 ff.; wie hier M e n delson, 66 A m Pol Sei Rev 1226, 1227 (1972). 12
18
104
T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
A n t w o r t nach Douglas aus der equal protection clause selbst gefunden werden: The traditional test under the Equal Protection Clause has been whether a State has made „ a n invidious discrimination" as i t does w h e n i t selects „a particular race or nationality for oppressive treatment". . . . Universal equality is not the test; there is room for weighting. As w e stated i n W i l l i a m son v. Lee Optical Co. . . . „ T h e prohibition of the Equal Protection Clause goes no further t h a n the invidious discrimination 1 4 ."
Die Tatsache allerdings, daß eine Stimme i n einem Wahlkreis z.B. 19mal mehr wert ist als eine Stimme i n einem anderen Wahlkreis, bedeutet für Douglas, daß per se „invidious discrimination" vorliegt. Doch bleibt auch bei i h m die Grenze unklar, wenn er sagt, allgemeine Gleichheit (universal equality) werde nicht verlangt, das Ziel sei „substantial equality". Jedenfalls sollen nach seiner Auffassung die Gerichte die verantwortlichen Staatsorgane anweisen können, die haarsträubenden Ungerechtigkeiten (egregarious injustices) zu eliminieren 1 5 . Abgesehen von der hier scheinbar implizierten Umkehr der Beweislast — der Staat muß nachweisen, daß „invidious discrimination" nicht vorliegt —, die Justice Clark ausdrücklich vertrat, während Douglas sie 16 i m Einklang mit Harlan, Frankfurter und Stewart gerade ablehnte, abgesehen also von dieser wichtigen Frage zeigen sich an den inhaltlichen Ausführungen der Justices die Schwierigkeiten jeglichen Eingreifens der Gerichte i n das legislative apportionment unter der equal protection clause. Justice Frankfurter setzt denn auch gleich dort an: (T)he Court n a t u r a l l y shrinks from asserting that i n districting at least substantial equality is a constitutional requirement enforceable b y courts. Room continues to be allowed for weighting. This of course implies that geography, economics, u r b a n - r u r a l conflict, and a l l the other non-legal factors which have throughout our history entered into political districting are to some extent not to be ruled out i n the undefined vista now opened u p b y review i n the federal courts of state reapportionments. To some extent-aye, there's the r u b 1 7 .
Frankfurters Einwand des „to some extent" t r i f f t den K e r n des Problems — das sich stellt, sobald das Gericht sich gegen Frankfurter und für ein grundsätzliches Eingreifen entschlossen hat. Seine übrigen 14
Douglas, concurring i n Baker, at 244/5. Id. at 250, η. 5. 16 Id. at 245. Scharpf (Grenzen, S. 310, A n m . 455) i r r t aber, w e n n er meint, Stewart habe Douglas' materiell-rechtlichen Standpunkt deshalb abgelehnt, w e i l er (Stewart) gegen eine U m k e h r der Beweislast gewesen wäre. Douglas v e r t r i t t ausdrücklich denselben Standpunkt w i e Stewart: Die Kläger müssen die Rechtsverletzung beweisen. Stewart w i l l m i t seinem V o t u m n u r deutlich machen, daß das Gericht eine bindende Aussage über materielle Standards nicht getroffen hat, Justice Douglas' Äußerungen über invidious discriminat i o n also gleichfalls nicht zum holding gehören. 17 Frankfurter, dissenting i n Baker, at 268/9. 15
C. Apportionment u n d equal protection clause
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Ausführungen aber führen davon wieder ab, indem sie das Argument auf ein Teilgebiet zu beschränken scheinen ( „ . . . of course, implies . . . " ) . Das erlaubt so der Mehrheit eine bequeme K r i t i k , bei der das eigentlich angesprochene Problem aus dem Blick gerät. Doch bleiben w i r zunächst bei Frankfurters — ich möchte sagen: vordergründigem — Einwand: Wenn das Gericht nicht-rechtliche Faktoren bei der Beurteilung nicht ausschließe, müsse es zur Bestimmung des „reasonableness" eines legislativen apportionment diese Faktoren abwägen, wozu rechtliche Maßstäbe ebensowenig zur Verfügung stünden wie bei einer Beurteilung der republican form of government. I n Frankfurters klassischer Formulierung: Apportionment, b y its character, is a subject of extraordinary complexity, i n v o l v i n g — even after the fundamental theoretical issues concerning w h a t is to be represented i n a representative legislature have been fought out or compromised — considerations of geography, demography, electoral convenience, economic and social cohesions or divergencies among particular local groups, communications, the practical effects of political institutions l i k e the lobby and the city machine, ancient traditions and ties of settled usage, respect for proven incumbents of long experience and senior status, mathematical mechanics, censuses compiling relevant data, and a host of others 1 8 .
Dieser Einwand erfährt berechtigte K r i t i k . Justice Douglas ist darin ganz deutlich: (T)he legality of claims and conduct is a traditional subject for j u d i c i a l determination. A d j u d i c a t i o n is often perplexing and complicated. A n example of the extreme complexity of the task can be seen i n a decree apportioni n g water among the several States. Nebraska v. Wyoming, 325 U.S. 589, 665. The constitutional guide is often vague, as the decisions under the Due Process and Commerce Clauses show. The problem under the Equal Protect i o n Clause is no more intricate 1 9 .
Dies entkräftet für sich zwar noch nicht Frankfurters Einwand, es gebe überhaupt keine rechtlichen Maßstäbe. Aber gerade gelesen auf dem Hintergrund Frankfurters eigener Aufzählung der zu berücksichtigenden Faktoren w i r d deutlich, daß wenigstens ein Oberbegriff gegeben ist, an dem sich Frankfurter selbst orientiert: die sachgerechte Gestaltung eines repräsentativen Wahlrechts. Der Solicitor General hat dies i m folgenden Jahr i n seinem amicus curae Schriftsatz i n Gray v. Sanders (1963) m i t Rücksicht auf das Ziel einer „substantial equality" als materiellen Maßstab der equal protection clause so formuliert: B y „indivious" w e mean discrimination that is unsupported b y any objective or justification which is properly relevant to the purposes of the legislative or electoral process 20 .
18
Id. at 323. Douglas, concurring i n Baker, at 245. 20 Gray v. Sanders, 372 U.S. 368 (1963), B r i e f for the U n i t e d States as Amicus Curae, at 41. 19
106
Teil I : Richterliche Selbstbeschränkung
Auch diese Formulierung läßt einen großen Wertungsspielraum für die Legislative. Doch der Spielraum ist nicht größer als der, den das Gericht den Einzelstaaten i n der Entscheidung MacDougall v. Green (1948) — selbst wertend — einräumt, wenn es von „allowable State policy" spricht und von staatlicher „power to assure a proper diffusion of political initiative . . . " . Strengere Maßstäbe hat Frankfurter selbst nicht angelegt. Bleibt Frankfurters Argumentation angreifbar, soweit er die rechtliche Bewertbarkeit der von ihm genannten Faktoren i n Frage stellt, so wiegt sein Einwand mangelnder rechtlicher Maßstäbe schwerer bei dem eigentlichen Punkt seiner K r i t i k , der durch seine Eloquenz hinsichtlich der Bewertbarkeit nur verschleiert worden ist: Wenn das Gericht nicht bereit ist, weiterhin judicial self-restraint m i t Hilfe der Rechtsprechung zur republican form of government zu üben, dann bleibe i h m als Alternative allein die Postulierung und gerichtliche Durchsetzung der absoluten numerischen Gleichheit. Das bedeutet für Frankfurter zwar „to rewrite the Constitution". Aber er hat klar erkannt, daß das der einzige rechtlich handhabbare Maßstab ist. Seine Argumente setzen diese Erkenntnis voraus, wenn er meint: Jedes Legitimieren von Abweichungen von der numerischen Gleichheit unter dem „reasonable" Test mit dem Ziel, irgendwelche „substantial equality" herzustellen, sei reine politische Festlegung durch die richterliche Gewalt, da rechtliche Maßstäbe dafür fehlten. Letztere K r i t i k w i r d durch die spätere Rechtsprechung zum legislativen apportionment bestätigt. Warum etwa ein Ungleichheitsverhältnis von 1,3 : 1 verfassungsgemäß, von 1,4 : 1 aber verfassungswidrig sein soll, läßt sich materiell nicht begründen. Gerechtfertigt ist ein solches Ergebnis allein als verfahrensrechtliches. Eine Ungleichheit läßt sich nur rechtfertigen, wenn i m Einzelfall feststeht, daß sie allein die Folge der m i t dem Ziel der absoluten Gleichheit der Wahlkreise i n Angriff genommenen Wahlkreisgrenzziehung ist. Doch so weit war die Mehrheit des Supreme Court i m Jahre 1962 nicht bereit, sich festzulegen. Sie scheint geglaubt zu haben, die Stimmgewichtsverzerrungen schon irgendwie i n den Griff bekommen zu können, wenn das Gericht erst einmal grundsätzlich klar gemacht hat, daß es diese Ungleichheiten auf ihre Verfassungsmäßigkeit h i n zu überprüfen gedenkt. Das wiederum erschien Frankfurter als Illusion, u n d er warnte vor der Hoffnung, die Legislativen würden von sich aus ein angemessenes apportionment durchführen, sobald die Gerichte nur ihr mögliches Eingreifen ankündigten. Mögen auch die von Frankfurter vorhergesehenen praktischen Probleme bei der Anwendung der absoluten Gleichheit groß sein, so war
C. Apportionment und equal protection clause
107
doch nicht daran zu zweifeln, daß ein rechtlicher Standard für das apportionment festgelegt werden konnte. Es ging eben nur u m die Frage, ob die Gerichte diesen Standard setzen sollten. Frankfurters Argumentation war dabei klar: (1) Die Wahlkreisgleichheit ist i n der Bundesverfassung nicht verankert, auch nicht i n der equal protection clause. Sie dort hineinzulesen, heißt, eine mögliche theoretische Grundlage des demokratischen Staates durch eine nicht-demokratische Institution als einzig verbindliche festzulegen. (2) Die Durchsetzbarkeit einer solchen Entscheidung i n der politischen Wirklichkeit ist zweifelhaft. I m Falle eines Scheiterns leidet die Glaubwürdigkeit und der Einfluß des Supreme Court auch bei der Lösung anderer Konflikte. Für Frankfurter ging es letztlich um die Grundfrage: Wer oder was soll repräsentiert werden? N u r die Personen als solche oder die Interessen jener Personen, seien sie wirtschaftlicher, sozialer, ethnischer, religiöser, rassischer oder anderer Art? Soll „government by consent" gelten wie bisher oder „government by majority"? Politische Entscheidungen dieser A r t müssen nach Frankfurter dem Volk selbst per Stimmzettel überlassen bleiben: „ I n a democratic society like ours, relief must come through an aroused popular conscience that sears the conscience of the people's representatives 21 ." Gerichte sind an die von den Vertretern des Volkes i n seinem Namen beschlossenen Gesetze gebunden. Fällen sie eigene „politische" Entscheidungen, so handeln sie funktionsw i d r i g und gefährden das gesamte soziale System. M i t Frankfurters eigenen Worten: Unless judges, the judges of this Court, are to make their p r i v a t e views of political wisdom the measure of the Constitution — views which i n a l l honesty cannot b u t give the appearance, i f not reflect the reality, of involvement w i t h the business of partisan politics so inescapably a part of apportionment controversies — the Fourteenth Amendment, „itself a historical product", Jackman v. Rosenbaum Co. ... provides no guide for j u d i c i a l oversight of the representation problem. . . . The Court's authority — possessed neither of the purse nor the sword — u l t i m a t e l y rests on sustained public confidence i n its m o r a l sanction. Such feeling must be nourished by the Court's complete detachment, i n fact and i n appearance, f r o m political entanglements and b y abstention f r o m injecting itself into the clash of political forces i n political settlements 2 2 .
Doch gegen Frankfurters hehres Ziel der Erhaltung des Systems und der es tragenden Prinzipien setzt Justice Clark — wie Justice Douglas i n Colegrove v. Green (1946) — das Recht des einzelnen Bürgers, das durchzusetzen letztlich die Aufgabe jeder staatlichen Gewalt, auch der Gerichte, ist: 21 22
Frankfurter, dissenting i n Baker, at 270. Id. at 301/2, 267.
108
T e i l I : Richterliche Selbstbeschränkung
I t is w e l l for this Court to practice self-restraint and discipline i n constitutional adjudication, b u t never i n its history have those principles received sanction where the national rights of so many have been so clearly i n f r i n g ed for so long a time. National respect for the courts is more enhanced through the forthright enforcement of those rights rather t h a n b y rendering them nugatory through the interposition of subterfuges. I n m y v i e w the ultimate decision today is i n the greatest tradition of this Court 2 3 .
28
Clark, concurring i n Baker, at 264.
TEIL I I
Reapportionment und das Prinzip des one man — one vote Α. Die Entwicklung des Prinzips der formalen Gleichheit der Wahlkreisgrößen für das apportionment der Legislative 1. Die Entscheidungen
a) Gray ν . Sanders (1963) und Wesberry
v. Sanders (1964)
Bevor der Supreme Court überhaupt einen Fall zur Entscheidung annahm, der den materiell-rechtlichen Fragenkomplex des apportionment eines einzelstaatlichen Legislativorgans zum Gegenstand hatte, verkündete er ein Urteil, das die Lösung einiger der anstehenden Probleme bereits andeutete, zumindest aber erkennen ließ, wohin die einzelnen Justices tendierten: Gray v. Sanders (1963)1. M i t Gray kam erneut die Frage vor das höchste Gericht, ob Georgias county unit system m i t der equal protection clause vereinbar sei. Dies war bereits der fünfte Versuch, die durch den Wahlmodus bedingte absolute Kontrolle der Geschicke des Staates durch ländliche Bevölkerungskreise m i t Hilfe der Gerichte zu brechen. Die Geschichte dieser Versuche spiegelt die Haltung des Supreme Court i n Wahlkreisfragen wider und zeigt die entscheidende Bedeutung des Richterwechsels für die Rechtsprechung: 1. Cook υ. Fortson (1946), Zurückweisung des Berufungsantrags als moot, weil die angegriffenen primaries bereits stattgefunden hatten, dissenting: Black und Murphy 2 , 2. South ν . Peters (1950), generelle Ablehnung des Eingreifens „ i n cases posing political issues", die sich aus der Verteilung des Wählereinflusses auf die verschiedenen Untergliederungen des Staates ergeben, dissenting: Black und Douglas 3 , 3. Cox ν . Peters (1952), Ablehnung for want of a substantial federal question, dissenting: Black und Douglas 4 , 1 Gray v. Sanders, von Reynolds v. Sims 2 Siehe oben, T e i l I 8 Siehe oben, T e i l I 4 Siehe oben, T e i l I
372 U.S. 368 (1963), entschieden am 18. 3.1963; Annahme am 10. 6.1963. Α., Text zu A n m . 67. Α., T e x t zu A n m . 83. Α., Text zu Anm. 91.
110
T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
4. Hartsfield υ. Sloan (1958), Ablehnung eines Antrags, den Richter erster Instanz zu verpflichten, die Sache zu hören, dissenting: Black und Douglas sowie Brennan und Chief Justice Warren 5 . Schon m i t der Annahme von Gray v. Sanders (1963) zur Entscheidung war also klar, daß eine Mehrheit des Gerichts eine Änderung der Rechtsprechung i m Auge hatte. South v. Peters wurde hinfällig und damit eine auf diese Entscheidung begründete Auffassung von der Nichtjustiziablität der „politischen Frage des Wählereinflusses". Dennoch äußerte sich das Gericht zu keinem der bisherigen vier Fälle. Justice Douglas, hierin unterstützt auch von den Justices Stewart und Clark, grenzte für die Mehrheit den Fall ab gegen alle legislativen apportionment Entscheidungen, die ja die Wahl verschiedener Abgeordneter aus je einem eigenen Wahlkreis betrafen. Er meinte, Gray sei „only a voting case", w e i l er die Wahl eines einzigen „Staatsbeamten" aus einem einzigen Wahlkreis, dem Gesamtstaat, betreffe. Innerhalb einer Wählerschaft müßten alle Wähler eine gleichwertige Stimme haben. Dies sei ein Erfordernis der equal protection clause, denn: The concept of „ w e the people" under the Constitution visualizes no preferred class of voters b u t equality among those who meet the basic qualifications®.
Die Bevorzugung ländlicher Wähler vor anderen sei damit ausgeschlossen und könne auch nicht m i t einer Analogie zu den Regelungen über die Zusammensetzung des federal electoral college gerechtfertigt werden, w e i l diese als Folge eines speziellen historischen Kompromisses nicht analogiefähig seien. Die Mehrheit des Gerichts folgte Douglas darüber hinaus i n dem seine Vorstellungen aus Baker aufgreifenden und über Gray weit hinausweisenden Ausspruch: The conception of political equality from the Declaration of Independence, to Lincoln's Gettysburg Address, to the Fifteenth, Seventeenth, and Nineteenth Amendments can mean only one t h i n g — one person, one vote 7 .
Nach Justice Frankfurters Ausscheiden aus dem Supreme Court blieb als grundsätzlicher Dissenter allein Justice Harlan. Er legte auch i n Gray die unter der equal protection clause entwickelten Maßstäbe an und meinte, es sei jedenfalls nicht irrational, wenn Georgia ein Wahlsystem benutze, das sicherstelle, daß nicht nur der „city point of view" zum Tragen komme. Douglas hielt er entgegen, aus den Regelungen des X I V . (Hautfarbe), X V I I . (Senatoren „elected by the people") und X I X . (Geschlecht) amendment könne ein allgemeines Prinzip nicht hergeleitet werden. Sie beträfen nur „certain specific situations". 5
Siehe oben, T e i l I Α., T e x t zu Anm. 97. • Gray at 379/80. 7 Gray at 381.
Α . Entwicklung des Prinzips
111
Doch Harlans Argumentation blieb vergeblich. Ganz i m Sinne des Postulats von Justice Douglas entnahm eine Mehrheit von 6 :3 i m ersten legislativen apportionment Fall nach Baker, i n Wesberry v. Sanders (1964)8, gerade aus der dem X V I I . amendment ähnlichen Wendung i n A r t . I § 2 „chosen . . . by the people of the several States" die neue Regel: „ . . . as nearly as practicable one man's vote i n a congressional election is to be worth as much as anothers 9 ". Justice Black als Verfasser der Entscheidung merkte sogleich an, daß die equal protection clause, die Justice Clark für allein einschlägig hielt, hierbei nicht herangezogen werde 1 0 . Seine m i t Zitaten aus den historischen Reden i m Verfassungskonvent von 1787 ausgeschmückte, vor allem aber auf den sog. Great Compromise gestützte generelle Begründung für die obige Regel ( „ . . . our Constitution's plain objective . . . was that of making equal representation for equal numbers of people the fundamental g o a l . . . " ) wurde allerdings von Justice Harlan, der darin die Unterstützung der Justices Clark und Stewart fand, m i t ähnlichem historischen „Beweismaterial" i m wesentlichen widerlegt 1 1 . Harlan argumentierte dann unter Hinweis auf den Zusammenhang der verschiedenen Verfassungsbestimmungen, die historische Praxis und den Grundsatz der Gewaltenteilung erneut dahingehend, daß i n der Verfassung den legislativen Organen des Bundes und der Einzelstaaten die ausschließliche Kompetenz für die Wahlkreiseinteilung zugewiesen worden sei — eine Position, die politisch vielleicht wünschenswert, gemessen an der Rechtsprechung des Supreme Court aber rechtlich nicht zwingend war 1 2 . Die Mehrheit des Gerichts sah die Angelegenheit denn auch vor allem unter individual-grundrechtlichem Aspekt: No r i g h t is more precious i n a free country t h a n that of having a voice i n the election of those w h o make the laws. . . . Other rights, even the most basic, are illusory i f the r i g h t to vote is undermined. Our Constitution leaves no room for classification of people i n a w a y that unnecessarily abridges this r i g h t 1 8 .
b) Reynolds v. Sims und dessen Schwester fälle (1964) Hatte der Supreme Court i n Wesberry zum ersten M a l das Erfordernis gleich großer Wahlkreise bei der Wahl zu einer Legislative direkt 8
Wesberry v. Sanders, 376 U.S. 1 (1964). Wesberry at 7. 10 Wesberry at 7, η . 10. 11 Harlan, dissenting i n Wesberry, at 29 et s. Es ging nach seinen Nachweisen stets u m das „apportionment among the States". Die Abgeordneten i n der Constitutional Convention waren keineswegs einem egalitären popular government zugetan. 12 Vgl. die Diskussion zu Colegrove v. Green, besonders oben, T e i l I B. 2. b). 18 Wesberry at 17/8. 9
112
T e i l I I : Das Prinzip des one m a n — one vote
aus d e r V e r f a s s u n g e n t n o m m e n , so entschied er a m 15. 6.1964 d e n j a h r z e h n t e a l t e n S t r e i t u m das verfassungsrechtliche E r f o r d e r n i s g l e i c h g r o ßer W a h l k r e i s e b e i W a h l e n z u d e n L e g i s l a t i v e n d e r E i n z e l s t a a t e n z u g u n s t e n d e r k l a g e n d e n W ä h l e r 1 4 . I n Reynolds v. Sims (1964) u n d f ü n f gleichzeitig veröffentlichten Schwesterfällen 15, die alle wesentlichen S p i e l a r t e n des e i n z e l s t a a t l i c h e n a p p o r t i o n m e n t u m f a ß t e n , e r k l ä r t e d e r Supreme Court sämtliche vorgelegten apportionment Systeme f ü r v e r fassungswidrig u n d formulierte dann die Prinzipien, die dem n o t w e n d i g e n r e a p p o r t i o n m e n t z u g r u n d e z u l i e g e n h ä t t e n . G e n a u eine Woche danach w a n d t e das G e r i c h t d i e n e u e n G r u n d s ä t z e a u f n e u n w e i t e r e Staaten an u n d verwies die F ä l l e 1 6 durch knappe per c u r i a m Entscheidungen zur erneuten Verhandlung u n d Entscheidung unter Berücks i c h t i g u n g d e r i n Reynolds etc. d a r g e l e g t e n A u f f a s s u n g e n des G e r i c h t s i n die Vorinstanz zurück. Chief Justice Warren selbst f o r m u l i e r t e ebenso w i e i m entscheidend e n school s e g r e g a t i o n F a l l v o n 1954 (Brown v. Board of Education) die g r u n d l e g e n d e n sechs U r t e i l e f ü r eine M e h r h e i t v o n sechs J u s t i c e s 1 7 . D i e 14 Eine ausführliche Darstellung der zentralen Entscheidungen v o n 1964, ihrer politischen u n d verfahrensmäßigen Entwicklung v o r den Untergerichten, der Atmosphäre u n d Argumentationen i n den Verhandlungen vor dem Supreme Court sowie schließlich ihrer Durchsetzung i n den Einzelstaaten gibt m i t stark politologischem Einschlag D i x o n i n : Democratic Representat i o n — Reapportionment i n L a w and Politics, 1968. H i e r findet sich auch eine gute Zusammenfassung der Versuche parteipolitischer Kreise, i m Wege der Verfassungsänderung (z.B. „ D i r k s e n Amendment") dem Supreme Court die jurisdiction über apportionment Fragen positiv-rechtlich zu entziehen. Z u letzterem auch Loewenstein i n : Festschrift f ü r Fraenkel. Ferner zu den reapportionment Entscheidungen bis 1964 u n d die Reaktionen darauf Hopt, Auswirkungen, K a p i t e l 2 u n d 3. 15 Reynolds v. Sims, 377 U.S. 533 (1964) — aus Alabama; W M C A , Inc. v. Lomenzo, 377 U.S. 633 (1964) — aus N e w Y o r k ; M a r y l a n d Commission for F a i r Representation v. Tawes, 377 U.S. 656 (1964) — aus M a r y l a n d ; Davis v. Mann, 377 U.S. 678 (1964) — aus V i r g i n i a ; Roman v. Sincock, 377 U.S. 695 (1964) — aus Delaware; Lucas v. Colorado General Assembly, 377 U.S. 713 (1964) — aus Colorado. 16 Beadle v. Scholle, 377 U.S. 990 (1964) u n d Marshall v. Hare, 378 U.S. 561 (1964) — beide aus Michigan; Meyers v. Thigpen, 378 U.S. 554 (1964) — aus Washington; W i l l i a m s v. Moss, 378 U.S. 558 (1964) — aus Oklahoma; Germano v. Kerner, 378 U.S. 560 (1964) — aus I l l i n o i s ; Hearne v. Smylie, 378 U.S. 563 (1964) — aus Idaho; Pinney v. B u t t e r w o r t h , 378 U.S. 564 (1964) — aus Connecticut; Swann v. Adams, 378 U.S. 553 (1964) — aus Florida; Nolan v. Rhodes, 378 U.S. 556 (1964) — aus Ohio; H i l l v. Davis, 378 U.S. 565 (1964) — aus Iowa. 17 Warren, Black, Douglas, Brennan, W h i t e u n d Goldberg: Diese Gruppe blieb während aller sechs Entscheidungen unverändert. Frankfurter w a r schon v o r Gray v. Sanders ausgeschieden, u n d weder W h i t e noch Goldberg schlossen sich H a r l a n als dem letzten Opponenten an. Stewart u n d Clark äußerten allerdings besondere Ansichten: F ü r Stewart w a r ein apportionment Plan verfassungsgemäß, w e n n er i m Lichte der Charakteristika u n d der Notwendigkeiten des Staates als rational erschien u n d nicht die systematische Unterdrückung des Willens der M e h r -
Α. Entwicklung des Prinzips
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Leitentscheidung ist Reynolds v. Sims. Dort beginnt Warren sogleich m i t der entscheidenden Einordnung der apportionment Problematik, m i t der Verletzung des right to vote: The r i g h t of suffrage can be denied b y a debasement or d i l u t i o n of the weight of a citizen's vote just as effectively as by w h o l l y prohibiting the free exercise of the franchise 18 .
M i t dieser Aussage erhebt Warren — i n den Fußnoten ausdrücklich aus den abweichenden Voten i n Colegrove (1946), MacDougall (1948) und South v. Peters (1950) zitierend — die Argumentation der dissenters Black und Douglas zur Grundlage der ersten Sachentscheidung des Supreme Court i n einem einzelstaatlichen apportionment Fall. Doch die Verletzung des right to vote reichte der Mehrheit zur Beurteilung des apportionment nicht aus. Warren ordnet es daher ein i n die Normstruktur der equal protection clause. A u f diese Weise w i r d das als solches nicht einschränkbare, w e i l auf absolut gleiche Stimmgewichtigkeit festgelegte Wahlrecht des i m übrigen qualifizierten Wählers i m Grundsatz doch beschränkbar — und die Kontinuität der Rechtsprechung seit Baker v. Carr bleibt gewahrt: I n Baker habe das Gericht bereits die equal protection clause als maßgebend bezeichnet. I n Wesberry habe es den grundlegenden Standard inhaltlich fixiert. Zwar sei letztere Entscheidung zum apportionment des bundesstaatlichen Repräsentantenhauses und deshalb aufgrund der Klausel des A r t . I § 2 („chosen . . . by the People") ergangen: „Nevertheless Wesberry clearly established that the fundamental principle of representative government i n this country is one of equal representation for equal numbers of people without regard to race, sex, economic status or place of residence w i t h i n a State 1 0 ." Jetzt müsse eben festgestellt werden, ob es verfassungsrechtlich anzuerkennende Prinzipien gäbe, die eine Abweichung von diesem basic standard of equality among voters rechtfertigten. I m Rahmen des Gleichheitssatzes nimmt sich das dann so aus: (T)he concept of equal protection has been traditionally viewed as requiring the u n i f o r m treatment of persons standing i n the same relation to the governmental action questioned or challenged. W i t h respect to the allocation of legislative representation, a l l voters, as citizens of a State, stand i n the same relation regardless of where they live. A n y suggested criteria for the differentiation of citizens are insufficient to j u s t i f y any discrimination, as to the weight of their votes, unless relevant to the permissible purposes of legislative apportionment 2 0 . heit erlaubte. Clark w o l l t e darüber hinaus folgende Faktoren anerkennen: 1. die Häufigkeit des reapportionment i n einem Staat, 2. besondere geographische u n d ökonomische Rücksichten, die das derzeitige apportionment rechtfertigen, 3. die Notwendigkeit, dem Einzelstaat beim apportionment seines Senats einigen Spielraum i m Rahmen der Rationalität zu lassen, w e n n sein Repräsentantenhaus auf Bevölkerungsbasis gewählt w i r d . 18 Reynolds at 555. 19 Ibid. at 560/1. 8 Köpp
114
T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
Das right to vote, vorher ausdrücklich als „individual and personal i n nature" gekennzeichnet, w i r d damit vom absolut gleichen Recht relativiert zum „predominant consideration i n determining whether a State's legislative apportionment scheme constitutes an invidious discrimination" 2 1 . Doch eines stellt der Supreme Court unzweideutig fest: m i t dem Ziel der „substantially equal representation" ist eine eigenständige Repräsentation von Gebietskörperschaften, also counties, cities und townships nicht vereinbar: Legislators represent people, not trees or acres. Legislators are elected by voters, not towns or cities or economic interests 2 2 .
Die Bevölkerung, so sagt Warren, ist Ausgangspunkt und ausschlaggebendes K r i t e r i u m bei der Beurteilung aller apportionment Streitigkeiten. Infolgedessen erklärte das Gericht die Wahlkreiseinteilungen für beide Häuser der Legislative des Staates Alabama für verfassungsw i d r i g und wies i m Zusammenhang damit drei aus der bundesstaatlichen Verfassung und Praxis gewonnene Rechtfertigungsgründe für ein Abweichen vom Standard der gleichen Größe aller Wahlkreise zurück: (1) Rechtlich irrelevant sei eine federal analogy dahingehend, daß eines der beiden Häuser i n den Einzelstaaten ähnlich wie der Senat des Bundeskongresses völlig ohne Rücksicht auf die Einwohnerzahl i n den Wahlkreisen zusammengesetzt sein dürfe. — Hierbei argumentierte das Gericht historisch — die Körperschaften der Einzelstaaten waren nie selbst souveräne Gebilde, die erst durch Kompromiß einen vertraglichen Zusammenschluß herbeigeführt hätten — und politisch: „ . . . the probable result would be frustration of the majority w i l l through minority veto i n the house not apportioned on a population basis . . ," 2 3 . 20
Ibid, at 565. Ibid, at 561. 22 Ibid, at 562. 28 Reynolds at 573 et s., 576, u n d Roman v. Sincock, at 708/9. Das amerikanische Verfassungssystem, so Warren an anderer Stelle (Reynolds at 566), enthält genügend andere Vorrichtungen f ü r den Minderheitenschutz, als daß m a n einer Minderheit die Kontrolle über eine einzelstaatliche Legislative einräumen müßte. Auch das Zweikammersystem werde nicht Schaden nehmen, denn die Repräsentation unterschiedlicher Wählerschaften sei durch das Erfordernis der substantiellen Wahlkreisgleichheit j a nicht ausgeschlossen: Die Wahlkreise könnten geographisch verschieden groß sein. Sie könnten so zurechtgeschnitten sein, daß eine geringe Unterrepräsentation einiger Gebiete i n einem Haus i n dem anderen Haus ausgeglichen werde. Hätte ein Haus n u r Einerwahlkreise, so könnte das andere Großwahlkreise haben, aus denen mehrere Abgeordnete gewählt werden. Auch die Legislaturperiode eines Hauses könne j a länger sein als die des anderen Hauses, alles m i t dem Ziel: „ . . . to insure mature and deliberate consideration of, and to prevent precipitate action on, proposed legislative measures" (Reynolds at 576/7). 21
Α. E n t w i c k l u n g des Prinzips
115
(2) M i t dem Argument, der Kongreß habe Ungleichheiten sanktioniert, indem er Staaten m i t erheblichem malapportionment i n die Union aufgenommen habe, konnten die Beklagten nicht durchdringen, da das Gericht die Ungleichheiten als Grundrechtsverletzungen auffaßte 24 . (3) E i n Zitat aus Gray v. Sanders ließ schließlich alle Schriften zur Begründung jener anderen federal analogy zu Makulatur werden, die solche Abweichungen von der rechnerischen Durchschnittsgröße der Wahlkreise als nicht zu beanstanden erklärten, die sich i m Rahmen von zahlenmäßigen Ungleichheiten hielten, wie sie sich i m electoral college bei der Wahl zum Präsidenten ergaben 25 . Nachdem so die Mehrheit des Supreme Court entschieden hatte, daß hinsichtlich seiner Repräsentation i n der Legislative jeder Wähler verglichen m i t jedem anderen Wähler vor dem apportionment Gesetz grundsätzlich gleich zu sein habe, war für eine diese grundsätzliche Festlegung wieder aufhebende Beurteilung der Fälle nach dem einfachen rationality test, also anhand des Willkürverbots, kein Raum mehr. Die Diskriminierung von Wählern aus zu großen Wahlkreisen sei mathematisch leicht zu demonstrieren, meinte das Gericht 2 6 . Es deutete dafür zwei Verfahren an, die allerdings das gesamte apportionment System eines Staates betrafen: 1. der Nachweis, daß eine Mehrheit der Bevölkerung nicht auch von einer Mehrheit der Abgeordneten vertreten w i r d 2 7 , und 2. der Nachweis, daß die Bevölkerung i n den Wahlkreisen sehr unterschiedlich groß ist (in Reynolds ζ. B. 5 : l ) 2 8 . N u n sei zwar mathematische Exaktheit kaum eine i n der Praxis durchsetzbare Forderung der Verfassung 29 . Aber — und das ist die verfassungsrechtlich entscheidende Formel: The Equal Protection Clause requires that a State make an honest and good faith effort to construct districts, i n both houses of its legislature, as nearly of equal population as is practicable 3 0 .
Deshalb erklärte der Supreme Court i m Schwesterfall Roman υ. Sincock, daß nur solche „minor deviations" von der absoluten numerischen Gleichheit verfassungsrechtlich erlaubt seien, die zwangsläufig 24
Reynolds at 582, Roman at 709.
26
Reynolds at 574/5. Ibid. at 563. Ibid. at 565. Ibid. at 569. Ibid. at 577, 568. Ibid. at 577.
26 27 28 29 36
8·
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T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
entstehen bei getreulicher Durchführung einer auf Bevölkerungsgleichheit basierenden Wahlkreiseinteilung 8 1 . Auch diese Formulierung scheint zunächst allerhand Spielraum zu lassen für andere Faktoren als die Zahl der Einwohner. Erforderlich ist danach eben nur „population-based representation". I n Reynolds formulierte Warren zudem sehr wenig präzise Grundsätze für erlaubte Abweichungen „incident to the effectuation of a rational state policy": Mehr als i n congressional districting könne ein Einzelstaat sich bei der Wahlkreiseinteilung an die bestehenden Grenzen der kommunalen Körperschaften halten und er könne „compact districts of contiguous territory" anstreben, w e i l eine Grenzziehung ohne Anlehnung an bestehende politische, historische oder natürliche Grenzlinien fast einer offenen Einladung zu parteipolitischer Wahlkreisgeometrie (partisan gerrymandering) gleichkomme. Überhaupt könne „more flexibility constitutionally permissible" sein bei einzelstaatlichem apportionment als bei der Einteilung der Wahlkreise für den Bundeskongreß 32 . Doch von dem hier scheinbar zugelassenen Spielraum bleibt fast nichts übrig angesichts all jener, schon von Frankfurter i n Baker v. Carr angeführten Momente einer denkbaren „rational state policy", die der Supreme Court i n Reynolds und den übrigen Fällen von vornherein für nicht verfassungsgemäß erklärt: Geschichte oder Tradition 3 3 , Ausgleich zwischen urban und rural power 3 4 , Sicherung wirksamer Vertretung dünn besiedelter Gebiete 35 , Schutz insularer Minoritäten 3 6 , Sicherstellung guter Erreichbarkeit des Abgeordneten für seine Wählerschaft 37 , Repräsentation von ökonomischen oder anderen Gruppeninteressen 38 , ja sogar die Bevorzugung der bodenständigen Bevölkerung i m Vergleich zu stark mobilen Einwohnern wie dem Militärpersonal und ihren Angehörigen 39 . Bei der stark individuell-rechtlichen Sicht der Problematik durch die Mehrheit konnten diese Argumente auch kaum Erfolg haben. Daß es allein auf das Maß der Grundrechtsverletzung ankommt, machte das Gericht mit nicht zu überbietender Deutlichkeit i m letzten Urteil der grundlegenden Entscheidungsserie von 1964 klar, i n Lucas v. Colorado General Assembly* 0. 31
Roman at 710. Reynolds at 578/9. 33 Reynolds at 579/80; M a r y l a n d Committee v. Tawes, at 675; Davis ν. Mann, at 691. 34 Davis at 692. 35 Reynolds at 580. 36 Lucas v. Colorado General Assembly, at 738, n. 31. 37 Reynolds at 580. 88 Ibid, at 580; Lucas at 738. 39 Davis at 691. 32
Α. Entwicklung des Prinzips
117
Colorados Verfassung enthielt zwei i n der Geschichte des Staates auch häufig benutzte Instrumente zur Durchsetzung des Volkswillens, das Volksbegehren und den Volksentscheid, sowie die Möglichkeit der Verfassungsänderung und -ergänzung durch Mehrheitsentscheidungen. Wenn auch letzteres nur auf Vorschlag von je einer Zweidrittelmehrheit i n beiden Häusern der Legislative möglich war, so standen den Wählern Colorados doch immerhin politische Wege zur Abschaffung des malapportionment zur Verfügung. Nun hatte die Mehrheit der B ü r ger i m Wege des amendment eine Wahlkreiseinteilung m i t einer Ungleichheit von 3,6 : 1 gutgeheißen, bei der die Abgeordneten von 33,2 °/o der Bevölkerung die Mehrheit i m Senat innehatten. Diese Wahlkreiseinteilung war sogar i n derselben Abstimmung einer anderen vorgezogen worden, die ein reapportionment auf Bevölkerungsbasis vorgesehen hatte 4 1 . Doch auch eine solche ausdrückliche Mehrheitsentscheidung der betroffenen Einwohner kann nach Auffassung des Supreme Court bestehende oder zu schaffende Wahlkreisungleichheiten nicht legitimieren oder auch nur das zuständige Gericht zum Nichteingreif en berechtigen: A n individual's constitutionally protected r i g h t to cast an equally weighted vote cannot be denied even by a vote of a m a j o r i t y of a State's electorate, if the apportionment scheme adopted b y the voters fails to measure up to the requirements of the Equal Protection Clause 42 . 2. Die Regeln zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Wahlkreiseinteilung
Die Mehrheit des Supreme Court meinte i n Reynolds, die Entwicklung der verfassungsrechtlichen Regeln für das notwendig werdende reapportionment der Einzelstaaten nur auf der Basis von Fall-zu-FallEntscheidungen i n den Griff bekommen zu können, und überließ deshalb den Untergerichten die Aufgabe, „more concrete and specific standards for evaluating state legislative apportionment schemes" herauszuarbeiten 43 . a) Drei Tests Die Untergerichte verwendeten i n der Folgezeit drei verschiedene Tests zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit von apportionment Plänen: 40
Lucas at 738, η. 31. Ibid. at 731 et s.; der Supreme Court meinte zwar i m Gegensatz zum federal district court, daß wegen der i n beiden Fällen vorgesehenen Wahlen at-large i n den einzelnen counties eine echte Alternative (etwa Einerwahlkreise) nicht gegeben war. Doch k a m es darauf ersichtlich nicht an. 42 Lucas at 736. 43 Reynolds at 578. 41
118
T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
1. Die erste Prüfung galt i n der Regel dem Verhältnis der repräsentierten Bevölkerungszahl pro Abgeordneten 44 i n dem überrepräsentiertesten zu jener i n dem unterrepräsentiertesten Wahlkreis eines Staates. Dies blieb stets der am häufigsten benutzte Test. Beispielsweise bestand 1962, wie bereits erwähnt, i n Kaliforniens Senat ein extremes Mißverhältnis von 422 :1. I m Jahre 1965 waren die entsprechenden Zahlen bereits 1,33 : l 4 5 . 2. Als zweites stellten die Gerichte i n der Regel fest, um wieviel Prozent die Bevölkerung (pro Abgeordneten) i n dem unterrepräsentiertesten Wahlkreis die Bevölkerung i n dem fiktiven Idealwahlkreis des betreffenden Staates übertraf. Dabei gingen bis zu den Entscheidungen des Supreme Court i m Jahre 1967 Kommentatoren und Untergerichte von einem „Richtsatz" von 15 °/o als noch legitim aus. 3. Der dritte Test verlangt folgendes Verfahren: Es w i r d zunächst die Anzahl der Abgeordneten der überrepräsentiertesten Wahlkreise i n der Reihenfolge ihrer Übergewichtigkeit addiert, bis sie zu einer Mehrheit aller Abgeordneten des Legislativorgans angewachsen sind. Dann w i r d festgestellt, wieviele Einwohner durch diese Abgeordneten repräsentiert werden, und die gefundene Zahl m i t der Gesamteinwohnerzahl des Staates konfrontiert, u m herauszufinden, welcher Prozentsatz der Bevölkerung über eine absolute Mehrheit i m Repräsentantenhaus verfügt. Dieses Verfahren hat der Supreme Court selbst erst 1967 zur Begründung der Ungleichheit herangezogen. Aber er hat i n Reynolds und den Schwesterfällen auf das Verfahren und die m i t diesen getroffenen Feststellungen hingewiesen. Die meisten Untergerichte haben diesen Test dann als zusätzliches Erkenntnismittel angewendet 46 . Allerdings konzidierten sie stets auch Verhältnisse unter 50 %>, sofern beide anderen Tests zufriedenstellende Ergebnisse brachten. A m Ende des Jahres 1967 waren bereits i n sämtlichen Staaten der Union mindestens 45 % der Bevölkerung erforderlich, u m eine Mehrheit i n beiden Häusern der Legislative zu erreichen. 1962 waren es noch 40 44 Es w u r d e n nicht i m m e r Einerwahlkreise benutzt, sondern zum T e i l daneben auch Großwahlkreise. Z u r Problematik letzterer siehe unten T e i l I I I
B. 2.
45 Eine Zusammenstellung der Änderungen bis 1967 gibt f ü r jeden Einzelstaat Dixon, Democratic Representation, Appendix A . 46 Eine der wenigen Ausnahmen ist Vigneault v. Secretary of the Commonwealth, 237 N.E. 2d 286 (Mass. 1968). Das einzelstaatliche Gericht berief sich allein auf den d r i t t e n Test, u m die geschichtlich bedingte besondere Repräsentation zweier Insel-counties i n Massachusetts zu rechtfertigen: Dies sei eine „ r a t i o n a l state policy". Sie führe n u r zu „ m i n o r deviation", w e i l 49,76 °/o der Bevölkerung eine Mehrheit i m Abgeordnetenhaus hätten (die Inselcounties hatten 3714 bzw. 5948 Einwohner, der county Durchschnitt w a r 22 064 Personen).
Α. E n t w i c k l u n g des Prinzips
119
Staaten gewesen, i n denen eine privilegierte Einwohnergruppe von unter 35 % der Gesamtbevölkerung über eine Mehrheit i n wenigstens einem Haus der Legislative verfügte. b) Abweichungen
von der Norm
Den Untergerichten standen also Methoden zur Berechnung von Ungleichheiten zur Verfügung. Sie hatten auch eine „ N o r m " : districts as nearly of equal population as is practicable. Doch was war „practicable"? Und: gab es auch dafür eine zahlenmäßige Grenze? I n den Jahren 1965 und 1966 wurde die große Mehrzahl der Legislativen der Einzelstaaten gerichtlich zu einem verfassungsgemäßen reapportionment angehalten. Die für zulässig gehaltenen zahlenmäßigen Abweichungen vom Standard gleich großer Wahlkreise waren so unterschiedlich wie die damit befaßten Gerichte, ohne daß auch nur eine einigermaßen einheitliche Linie erkennbar war. N i m m t man etwa die 15 % Abweichung von der Durchschnittsgröße als Maßstab (Test Nr. 2), so war 1966 die Wahlkreiseinteilung von 25 Staaten verfassungswidrig 47 . Für Test Nr. 1 hatte der Supreme Court immerhin einen Anhalt gegeben, als er i n Lucas v. Colorado General Assembly (1964) die Einteilung des A b geordnetenhauses von Colorado m i t etwa 1,7 : 1 als „at least arguably apportioned substantially on a population basis" bezeichnete 48 . Aber die Rechtsungleichheit zwischen den Einzelstaaten war sehr groß und dem entsprach das Bedürfnis der Beteiligten nach einem neuerlichen Spruch des Supreme Court i n diesen Fragen. Das Gericht kam schließlich i m Jahre 1967 diesem Bedürfnis nach m i t den Entscheidungen Swann v. Adams und Kilgarin v. Hill. Die Leitentscheidung ist Swann v. Adams (1967)49. Hier hatte die Legislative Floridas ein neues apportionment Gesetz erlassen, nachdem das alte 1964 vom Supreme Court für verfassungswidrig erklärt worden war. Der federal district court hatte das neue Gesetz legitimieren wollen, weil nach seiner Auffassung die Abweichungen vom Standard der Wahlkreisgleichheit nicht sehr groß waren und er eine Diskriminierung irgendwelcher Interessen nicht hatte feststellen können. Verglichen m i t anderen Staaten waren die Abweichungen tatsächlich nicht groß: Die senatorischen Wahlkreise hatten eine Spannweite von 78 595 bis 114 053, die für das Abgeordnetenhaus von 34 584 bis 48 785. Dabei ergab Test Nr. 1 ein Verhältnis von 1,3 : 1 (Senat) und 1,41 : 1 (Haus). Test Nr. 2 zeigte Überrepräsentationen von 15,09 % (Senat) und 18,28% (Haus) bei gleichzeitiger Unterrepräsentation von 10,56% 47 48 49
Dixon, Democratic Representation 442, Appendix A. Lucas at 730. Swann v. Adams, 385 U.S. 440 (1967).
120
T e i l I I : Das Prinzip des one m a n — one vote
(Senat) bzw. 15,27 °/o (Haus). Eine Mehrheit der Politiker i m Senat repräsentierte 48,38%, i m Abgeordnetenhaus 47,79% der Bevölkerung (Test Nr. 3). Dem Supreme Court jedoch waren diese Zahlen ohne eine ausdrückliche Erklärung aus einer rational state policy zu hoch. Vergleicht man die Einwohnerzahl des größten mit der des kleinsten Wahlkreises i n beiden Häusern, so ergeben sich bezogen auf den einwohnerschwächsten Wahlkreis Unterschiede von 3 0 % (Senat) und 4 0 % (Haus). Diese, i n den Augen mancher tendenziöse Berechnung benutzt Justice White i n den Urteilsgründen, um klarzumachen, 1. daß das i n Reynolds zugestandene Abweichen von mathematisch exakter Wahlkreisgleichheit nur ein unvermeidbares M i n i m u m sein darf, 2. daß i n Swann v. Adams solche „de minimis gen und
deviations" nicht vorlie-
3. daß die dem einen Einzelstaat zugestandenen Abweichungen von 10 oder 15 % vom Durchschnitt für einen anderen nichts zu bedeuten haben, denn ein Abweichen rechtfertigen könne stets nur „a satisfactory explanation grounded on acceptable state policy" 5 0 . Diese strikte Anwendung der i n Reynolds entwickelten one man — one vote Regel exemplifizierte das Gericht kurz darauf i n Kilgarin v. Hill (1967)51. Hier ging es vor allem u m die Frage der Beweislast. Justice Clark votierte dabei m i t den Justices Harlan und Stewart, die schon i n Swann ihre Meinung begründet hatten: Legislative Akte kämen stets vor das Gericht „ w i t h strong presumption of regularity and constitutionality". Der Beweis der Verfassungswidrigkeit obliege dem Kläger. Es sei nicht Aufgabe des Staates, jeden Aspekt seines komplexen Plans zur Rekonstruktion der Legislative zu rechtfertigen: „ I can think of no other area of law i n which there is an analogous presumption of invalidity attaching to a legislative enactment of a State i n an area of its admitted competence and superior experience 52 ." Doch die Mehrheit hielt an ihrer Beweislastregelung fest. Wenn die Kläger Abweichungen von der Wahlkreisgleichheit von 14,84% und 11,64 % sowie Wahlkreisunterschiede von 1,31 : 1 beweisen könnten, obliege es dem Einzelstaat, solche nicht mehr als „minor" zu bezeichnenden Abweichungen m i t einer rational state policy zu rechtfertigen. Ausdrücklich offen lassen konnte das Gericht die Frage, ob die Verwendung von county Grenzen eine solche policy sei, denn dem district court waren zwei andere apportionment Pläne vorgelegt worden, die 50 51 52
Ibid. at 444. K i l g a r l i n v. H i l l , 368 U.S. 120 (1967). Harlan, dissenting i n Swann, at 448/9.
Α. E n t w i c k l u n g des Prinzips
121
gleichfalls ohne county Grenzen zu verletzen zu „substantially smaller deviations from the principles of Reynolds v. Sims" führten 5 3 . Dies war denn auch das letzte der Merkmale jener i n Reynolds verkündeten reapportionment Formel, das von den Einzelstaaten und einigen Untergerichten nicht recht ernst genommen worden war: das Erfordernis eines „honest and good faith effort", möglichst gleich große Wahlkreise zu schaffen. c) Erfordernis
des „honest and good faith effort"
Die Geschichte der Wahlkreiseinteilung von Missouri für die Wahlen zum Bundesrepräsentantenhaus illustriert jenes vom Supreme Court abgesegnete Verfahren, das Dixon m i t feiner Ironie als Geburt einer neuen Maxime bezeichnet hat, der Maxime der „constitutional equity" oder: „That which may be made more equal is not equal 5 4 !" 1965 erklärte ein federal district court Missouris Congressional Districting Act m i t Rücksicht auf Wesberry v. Sanders (1964) für verfassungswidrig, hielt aber m i t Abhilfemaßnahmen zurück, u m der Legislative noch einmal Gelegenheit zu geben, sich mit der Sache zu befassen 55 . Das daraufhin verabschiedete neue Gesetz enthielt nur eine Abweichung von der Norm i n Höhe von 9,9 %>. Doch Richter John W. Oliver lehnte es ab, „to be drawn into a sterile controversy over averages and percentages", denn die as-nearly-as-practicable Regel sei nicht „an escape hatch for the reluctant" 5 6 . Das Gericht erklärte das Gesetz für verfassungswidrig und ließ die Sache anhängig bleiben, u m ein neues apportionment Gesetz sogleich überprüfen zu können. Der Supreme Court bestätigte das Urteil des federal district court. Die Legislative habe nicht den erforderlichen „honest and good faith effort" gezeigt, denn es sei ein apportionment Plan m i t geringeren Ungleichheiten i m Parlament behandelt worden, wenn er auch aus politischen Gründen keine Mehrheit gefunden hätte 5 7 . Wiederum machte sich Missouris Legislative an die Arbeit und verabschiedete 1967 ein apportionment Gesetz, das nun nur noch eine Abweichung vom Durchschnitt i n Höhe von 3,13 °/o nach oben und 2,84 °/o nach unten aufwies, i n Zahlen: Idealwahlkreis 431 981 (plus 13 542, minus 12 260). Einer der district court Richter hielt diese Zahlen für „ t r u l y of a ,de minimis 4 nature" 5 8 . Doch die beiden anderen stellten Verfassungswidrigkeit wegen fehlerhaften Verfahrens fest: 63
K i l g a r l i n at 124. Dixon, Democratic Representation 447. 55 Preisler v. Secretary of State of Missouri, 238 F.Supp. 187 (W.D.Mo. 1965). 56 Preisler v. Secretary of State of Missouri, 257 F.Supp. 953 (W.D.Mo. 1966), at 974. 67 K i r k p a t r i c k v. Preisler, 385 U.S. 450 (1967). 54
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T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
a) Die Legislative habe nicht die Zensuszahlen von 1960 benutzt, sondern weniger genaue Angaben aus neuerer Zeit. b) Ein redistricting Plan hätte der Legislative vorgelegen, der noch weniger zahlenmäßige Ungleichheit aufwies. c) Schon der Austausch einiger counties von einem Wahlkreis zu einem anderen hätte deutlich weniger Abweichung vom Durchschnitt ergeben. Der Supreme Court bestätigte diese Entscheidung i n Kirkpatrick Preisler (1969)59 und machte noch einmal deutlich:
ν.
(T)he „as nearly as practicable" standard requires that the State make a good-faith effort to achieve precise mathematical equality. . . . Unless population variances among congressional districts are shown to have resulted despite such effort, the State must j u s t i f y each variance, no matter how small. . . . We can see no nonarbitrary w a y to pick a cutoff point at which population variances suddenly become de minimis 90.
Der „de minimis" Ansatz war für das Gericht schließlich auch aus einem anderen Grund unhaltbar: „ . . . to consider a certain range of variances de minimis would encourage legislators to strive for that range rather than for equality as nearly as practicable" 6 0 . Z u den Einzelfragen einer Rechtfertigung von Abweichungen gab eine Mehrheit von sechs Justices 61 folgende Richtlinien: 1. „Practicability" heißt nicht politische Machbarkeit: „reasonable legislative compromise" rechtfertigt Abweichungen nicht. 2. Die Grenzen politischer Untergliederungen (county, municipality) müssen zugunsten kleinerer Einheiten (township, precinct) überschritten werden, denn auch sie sind kein Heilmittel gegen Wahlkreisgeometrie. Die Möglichkeit, ungleich große Wahlkreise zu schaffen, erleichtert i m Gegenteil das partisan gerrymandering 6 2 . 3. Andere Zahlen als die der gesamten Einwohner einschließlich nicht wahlberechtigter Soldaten und Studenten sind verfassungsrechtlich zweifelhaft, jedenfalls solange ihre Zahl nicht möglichst genau festgelegt worden ist. 4. Wenn auch die Wahlkreiseinteilungen nach jedem Zensus 10 Jahre lang Bestand haben, so dürfen doch erwartete Bevölkerungswanderungen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie m i t einem hohen Grad an Genauigkeit vorausgesagt werden können, „thoroughly documented 58 Richter Matthes, dissenting i n Preisler v. Secretary of State, 279 F.Supp. 952 (W.D.Mo. 1967). 59 K i r k p a t r i c k v. Preisler, 394 U.S. 526 (1969). 60 Id. at 530/1. β1 Justice Fortas stimmte m i t dem Urteilstenor überein, wandte sich aber gegen den „standard of near-perfection". H a r l a n u n d W h i t e schrieben abweichende Voten. 62 K i r k p a t r i c k at 534, 534 η. 4.
Β . Ausweitung auf den Kommunalbereich
123
and applied throughout the State i n a systematic, not an ad hoc, manner". 5. Abweichungen aus Gründen spezifischer Interessenvertretung oder geographischer Ästhetik sind nicht gerechtfertigt: „ A State's preference for pleasingly shaped districts can hardly justify population variances." So erstand aus fünfjährigem Test vor den Gerichten jene Formel des one man — one vote unter der equal protection clause zu neuem Glanz, die Chief Justice Warren schon i n Reynolds v. Sims verkündet hatte: (T)he Equal Protection Clause requires that a State make an honest and good f a i t h effort to construct districts, i n both houses of its legislature, as nearly of equal population as is practicable 6 8 .
B. Die Ausweitung des Prinzips auf kommunale Verwaltungseinheiten I m Gegensatz zu der i n Deutschland üblichen Ausgestaltung der Kommunalverwaltung als einer bis i n die Spitzenposition von Beamten und Angestellten besetzten Behörde, werden i n den USA viele kommunale Aufgaben von Verwaltungseinheiten wahrgenommen, deren leitendes Organ nicht ein Kommunalbeamter, sondern ein von der Bevölkerung gewähltes sog. board ist. Diese boards arbeiten i n der Regel unter der Rechtsaufsicht eines kommunalen Organs, das — selbst oft „board" genannt — die allzuständige „Regierungsgewalt", die general governing power, besitzt. I m einzelnen ist die Entscheidungsgewalt der verschiedenen boards je nach ihren besonderen Aufgaben unterschiedlich ausgestaltet. Die jeweils i m einzelnen übertragenen Befugnisse reichen bei dem einen board von der eigenständigen Festsetzung eines speziellen Steuersatzes und des Eingehens von langfristigen Verbindlichkeiten, etwa für den Schulbedarf, bis bei einem anderen board zur simplen Überwachung der korrekten Ausführung der von der K o m mune beschlossenen Maßnahmen durch deren Angestellte, etwa der Abwässerbeseitigung oder spezieller polizeilicher Aufgaben. So gibt es beispielsweise neben den generell zuständigen boards die school boards, police and fire boards, boards of finance, boards of public works, park authorities, irrigation districts, harbor districts, sewage districts etc. Die Wahl der Mitglieder solcher boards vollzog sich zumeist i n sehr unterschiedlich großen Wahlkreisen, die häufig identisch waren m i t seit langem i n der größeren Kommune aufgegangenen kleinen Flecken oder die die Einteilung des Ortes nach anderen historisch gewachsenen oder auch geographisch sich ergebenden Ortseinteilungen widerspiegelten. Auch i n diesem kommunalen Bereich erschallte deshalb immer 68
Id. at 577.
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wieder der Ruf nach gleich großen Wahlkreisen m i t der Folge, daß schließlich auch die Gerichte davon nicht unberührt blieben. Für sie stellten sich die Fragen: Welches ist der rechtliche Maßstab für die Beurteilung von kommunalen Wahlkreiseinteilungen? Gilt allein das Willkürverbot oder gibt es besondere Kriterien materieller Art? Muß die Rechtsprechung des Supreme Court zum apportionment der einzelstaatlichen Legislative i m Kommunalbereich zugrundegelegt werden? Wenn ja, gilt das für alle boards oder nur für bestimmte, und dann: für welche? Es soll nun nicht versucht werden, die gesamte umfangreiche Rechtsprechung zur Frage der Wahlkreiseinteilung für Wahlen zu lokalen Verwaltungseinheiten darzustellen. Vielmehr soll der i n der Fülle der einzelstaatlichen wie bundesstaatlichen Urteile durchaus erkennbare „rote Faden" hervorgehoben und seine Affinität zur übrigen apportionment Rechtsprechung deutlich gemacht werden. 1. Die gerichtlichen Entscheidungen bis 1968
a) Lösungsversuche der einzelstaatlichen
Gerichte
Soweit das apportionment ihrer Legislative zur Debatte stand, bemühten sich die einzelstaatlichen Gerichte bis Baker v. Carr (1962) einigermaßen erfolglos, die Landespolitiker zu einer ihrer eigenen Verfassung konformen Wahlkreiseinteilung zu bewegen. Sie resignierten angesichts des politischen Widerstandes letztlich wegen ihrer Auffassung vom Vorrang der politischen Entscheidungsprozesse i n Wahlkreisfragen 1 . Ähnlich war auch i m kommunalen Bereich die Haltung der Gerichte bis i n die 60er Jahre von dem Wunsch bestimmt, die inhaltlichen Fragen der kommunalen Wahlkreisproblematik den politischen Organen zu überlassen. Leitentscheidung und typisches Beispiel der Reaktion der einzelstaatlichen Gerichte auf lokale apportionment K l a gen war Tedesco υ. Board of Supervisors of Elections (1949). Die Stadt New Orleans war bisher nach einem sog. commission plan, einer Ratsverfassung, regiert worden. Die Gesamtbürgerschaft wählte den Bürgermeister und 4 commission councilmen. Diese teilten dann die Aufgaben so untereinander auf, daß jedem Ratsherrn die Administration einer der städtischen Verwaltungsabteilungen oblag. Die neuen, vom Staat Louisiana 1948 erlassenen Änderungen der Stadtverfassung wandelten nun die reine commission form of government ab. Sie erweiterten den Rat auf sieben Mitglieder, von denen jedes i n einem der sieben neugeschaffenen „municipal districts" zu wählen war. Nur der Bürgermeister sollte weiterhin at-large gewählt werden. Die Wahl1
Vgl. oben, T e i l I Α., Text zu A n m . 11 ff.
Β . Ausweitung auf den Kommunalbereich
125
distrikte waren sehr unterschiedlich groß. Der kleinste hatte 8 508, der größte 48 020 Einwohner. Kläger aus dem größten Wahlkreis hielten die Neuregelung für verfassungswidrig und machten u. a. geltend, sie würden dem government von Personen ausgesetzt, über die sie nicht abgestimmt hätten, und die ungleich großen Wahlkreise verletzten ihre verfassungsmäßigen Rechte. Da die Verletzung einer Reihe von Bestimmungen der Verfassung des Staates Louisiana i m Vordergrund zu stehen schien, brachten die K l ä ger ihren Fall vor die einzelstaatliche Gerichtsbarkeit. E i n Louisiana court of appeals 2 meinte, nachdem es die Supreme Court Entscheidung i n Colegrove v. Green (1946) als „most confusing" bezeichnet hatte, daß eine nach der Bundesverfassung zu beurteilende Frage schon deshalb nicht vorliege, weil es sich nicht u m eine Bundeswahl handele. Die Einzelstaaten hätten den Bürgern das Recht verliehen, ihre städtischen Amtsträger zu wählen. Deshalb könnten sie dieses Recht auch abändern, solange sie nicht gegen das X V . und X I X . amendment verstießen. Ob die equal protection clause des X I V . amendment überhaupt betroffen sei, ließ das Gericht offen. Jedenfalls wäre nur bei „unwarranted discrimination" ein Rechtsverstoß denkbar. Dafür hätten die Kläger aber nichts vorgetragen. Es müsse daher, wie stets, angenommen werden, daß die Legislative „properly and on sound reason" gehandelt habe 3 . A u f diese oder ähnliche Weise lehnten es die Gerichte also ab, die apportionment Fragen unter der equal protection clause zu behandeln. Sie erhielten dabei die Unterstützung des Supreme Court, der zu dieser Zeit i n der oben 4 erläuterten Weise „politisch" sich verhaltend, i n Tedesco ν. Board of Supervisors (1950) eine Sachentscheidung ablehnte „for want of a substantial federal question", ohne eine Begründung auch nur anzudeuten 5 . Obwohl der Supreme Court i n Baker v. Carr (1962) sich zur Frage der Durchsetzbarkeit gerichtlicher Entscheidungen i n Wahlkreisfragen nur sehr vage geäußert hatte — etwa i n dem Sinne: die Gerichte w ü r den schon geeignete und angemessene Abhilfemaßnahmen finden —, erwies sich das Jahr 1962 doch auch i n lokalen apportionment Streitigkeiten als das Jahr des Durchbruchs zu mehr Gleichheit i n der Größe der Wahlkreise. Einige einzelstaatliche Gerichtsbarkeiten scheuten den K o n f l i k t m i t ihrer Legislative nicht länger, wenn sie auch zunächst ihre Entscheidungen auf einzelstaatliches oder lokales Recht stützten. 2 3 4 5
Tedesco ν. Board of Supervisors of Elections, 43 So. 2d 514 (La. 1949). Id. at 518. Siehe T e i l I Β 2 a. Tedesco v. Board of Supervisors, 339 U.S. 940 (1950) — ohne ein Z i t a t !
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Die Verfassung der Stadt Cleveland, Ohio, ζ. B. sah für die Wahlen zum city council Wahlkreise „as nearly equal i n population as may be" 6 sowie die Neueinteilung nach jedem Bundeszensus vor. Die Stadt hatte keine der beiden Vorschriften eingehalten. Der Supreme Court von Ohio entschied i n State ex rei . Scott v. Masterson (1963), die Stadt sei aus ihrer Verfassung zwingend verpflichtet, die Wahlkreise neu einzuteilen. Gegenüber dem Argument des Stadtrats, das Versäumnis, neu einzuteilen, sei eine legislative oder politische Angelegenheit, i n die die Gerichtsbarkeit nicht einzugreifen habe, erklärte das Gericht: „One of the basic functions of the courts . . . is (it) to compel the other branches of government to conform to the basic law 7 ." I n Kalifornien gelang es den Bürgern gleichfalls, die Gerichte i n apportionment Fragen zu engagieren. I n Griffin v. Board of Supervisors (1963)8 legte der Supreme Court von Kalifornien den reapportionment Abschnitt des einzelstaatlichen County Government Code dahingehend aus, daß es periodische Neueinteilung vorsehe, „to prevent drastic population differences from destroying the representative system of government" 9 . Vorrangiges Ziel des Gesetzes sei ein apportionment gemäß Bevölkerungszahl, doch: „the board may give consideration t o " 1 0 Geographie, Topographie, Dichte der Wahlkreise und Interessengleichheit. Damit interpretierte das Gericht letztere Faktoren, die zunächst dem Faktor Bevölkerungszahl gleichrangig zu sein schienen, als untergeordnet und folgerte daraus, daß die i n Griffin vorliegenden Abweichungen von der Gleichheit der Bevölkerungszahlen i n den Wahlkreisen nicht gerechtfertigt seien: 50 °/o der Wählerschaft lebte i n einem Wahlkreis und nur 1,5 % i n einem anderen. Die auf diesen Spruch folgende Neueinteilung der Wahlkreise durch den county board erbrachte ein Verhältnis der Bevölkerungszahlen von 2,2 :1. Auch sie wurde angegriffen, diesmal m i t der Begründung, sie weiche noch immer zu sehr von der gesetzlich geforderten Gleichheit ab 1 1 . Die Richter des Supreme Court von Kalifornien allerdings waren von der A n t w o r t der counties auf ihren Spruch offensichtlich angetan 12 . Sie maßen die Abweichungen von der exakten mathematischen Gleichheit m i t der Elle der übrigen anerkannten Faktoren des County Government Code und kamen zu dem Ergebnis, daß die Abweichungen gerechtfertigt seien. Der county board hatte z.B. sich nicht dazu ent« State ex rei. Scott v. Masterson, 183 N.E. 2d 376 (1963), at 378. Id. at 379. 8 G r i f f i n v. Board of Supervisors, 384 P. 2d 421 (1963). 9 Id. at 423. 10 I d at 422. 11 G r i f f i n v. Board of Supervisors, 388 P. 2d 888 (1964). 12 Id. at 889: „obviously a great improvement".
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schließen können, die jenseits der Stadtgrenzen wohnende Bevölkerung, die als suburbaner Ring u m die Stadt herum lag, i n Sektionen aufzuteilen und jeweils den angrenzenden Kreisen m i t ländlichem Zuschnitt zuzuschlagen. Der Wahlkreis m i t der kleinsten Bevölkerungszahl umfaßte 71 °/o des county Gebietes und war durch stark gebirgiges und waldreiches Land von den übrigen county getrennt. Auch diese Regelung hielt das Gericht für vertretbar. Doch es betonte, jeder Einzelfall müsse anhand seiner besonderen Gegebenheiten beurteilt werden. Dann befaßte sich der kalifornische Supreme Court m i t dem A r g u ment der Kläger, der County Government Code selbst verletzte die equal protection clause der Bundesverfassung. Das Gericht zitierte einige kürzlich ergangene Entscheidungen von Gerichten anderer Staaten, die bei der Beurteilung des reapportionment ihrer Legislative andere Faktoren als den der reinen Bevölkerungszahl zugelassen hatten. A u f lokaler Ebene, so meinte nun Kaliforniens Supreme Court, sei die Anerkennung solcher anderen Faktoren noch eher gerechtfertigt, denn county governments erfüllten wichtige Aufgaben i n solchen Gebieten, die keine eigene Gemeinde bildeten (unincorporated areas), z.B. Polizei, Feuerwehr, Straßenbau und -erhaltung, usw. I n Griffin bestünden die beiden überrepräsentiertesten Wahlkreise aus solchen ländlichen Gebieten, die die county administration notwendig brauchten, während die übrigen Kreise Gemeindeverwaltungen besäßen. Aus diesen Gründen folge aus der Wahlkreisungleichheit eine Verletzung des Gleichheitssatzes nicht. Doch m i t diesen und ähnlichen Urteilen i n anderen Einzelstaaten waren die benachteiligten Wähler nicht zufrieden. Sie verlangten wie auf gesamtstaatlicher so auch auf lokaler Ebene die absolute Wahlkreisgleichheit. Die beiden Jahre 1963 und 1964 können als Übergangszeit bezeichnet werden. Die Gerichte waren sich i m allgemeinen über die mögliche Stichhaltigkeit der klägerischen Argumente i m klaren. Aber sie zogen es vor, die Kläger zunächst an ihre kommunalen „Legislativorgane" zu verweisen 18 , die oftmals noch nicht i n irgendeiner organisierten Weise m i t der Forderung nach Neueinteilung gemäß ihrem lokalen Recht konfrontiert worden waren. I n einem Fall hielt ein Gericht auch die Entscheidung der einzelstaatlichen Legislative aufrecht, einen Gemeindeverband von der sofortigen Neueinteilung gemäß einzelstaatlichem Gesetz auszunehmen, w e i l dieser i n Verhandlungen über einen Zusammenschluß m i t anderen Gemeinden begriffen w a r 1 4 .
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ζ. B. Glass v. Hancock County Election Commission, 156 So. 2d 825 (1963). Vgl. der unten (Anm. 69) näher zu behandelnde F a l l Davis v. Dusch, 139 S.E. 2d 25 (1964), der die neugeschaffene City of V i r g i n i a Beach betraf. 14
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Dann entschied 1964 der Supreme Court über die Klagen gegen das apportionment der einzelstaatlichen Legislativen und verstärkte damit den Druck auf die Gerichtsbarkeit, die politische Szene durch richterliche Maßnahmen zu verändern. Gerade eine Woche nach der Verkündung von Reynold v. Sims (1964) erhoben benachteiligte Bürger i n Kent County, Michigan, Klage gegen das apportionment ihres board of supervisors. Die Entscheidung Brou wer v. Bronkema (1964)15 war die erste, die sich m i t der Frage befaßte, ob das gerade vom Supreme Court verkündete Prinzip des one man — one vote auch auf lokaler Ebene zu gelten habe. Nach der Verfassung von Michigan aus dem Jahre 1963 (!) hatte jede Gemeinde (township) Anspruch auf einen Sitz i m county board. Jede Stadt erhielt zusätzliche Sitze entsprechend ihrer Bevölkerungszahl. Da zugleich die Größe des county board festlag, wurde i n Kent County die größte Stadt m i t 60 °/o der Gesamtbevölkerung der county von weniger als einem D r i t t e l der Mitglieder des county board vertreten 1 6 . Judge Searl, der Richter erster Instanz, dessen Ausführungen die Grundlage der Argumentation der Kläger i n sämtlichen weiteren apportionment Fällen bilden sollte, entschied, daß das apportionment der county dem gleichen Standard entsprechen müsse, den der Supreme Court dem legislativen reapportionment zugrundegelegt hatte. Er bezog sich auf die Feststellung Justice Frankfurters i n Gomillion v. Lightfoot (1960), daß der Einzelstaat seine Befugnisse nicht dazu mißbrauchen dürfe, ein bundesstaatlich geschütztes Recht zu umgehen 17 , und stellte dann fest: Der Supreme Court habe i n Reynolds ein neues „federally protected right", das des „equal apportionment", verkündet. Dieses dürfe der Staat nun den Bürgern seiner Untergliederungen, den kommunalen Körperschaften, nicht vorenthalten. Seine Argumentationskette, besser: Willensbekundung, zitierten später die meisten Gerichte i n lokalen apportionment Fällen 1 8 : 1. Das X I V . amendment bindet die Einzelstaaten und jedes seiner I n strumente, das Befugnisse ausübt, die i h m vom Einzelstaat übertragen worden sind. 15 Brouwer v. Bronkema, No. 1855, Cir. Ct K e n t County, Mich., Sept. 11, 1964, veröffentlicht i n 13 National M u n i c i p a l League, Court Decisions on Legislative Apportionment 81. 16 Brouwer ν. Bronkema, 141 N.W. 2d 98 (1965), at 102. 17 Siehe dazu Gomillion v. Lightfoot, 364 U.S. at 347. 18 So z.B. noch fast w ö r t l i c h der Supreme Court v o n I o w a 1968 i n M a n dicino v. K e l l y , 158 N.W. 2d 754. Das Problematische dieser Argumentation liegt i n der Tatsache, daß Nr. 3 nicht logisch aus Nr. 1 u n d 2 folgt: Z w a r darf ein Staat nicht durch seine Beauftragten etwas tun, das er nicht selber auch t u n dürfte, aber das heißt nicht, daß die Organisationsform des Beauftragten der des Auftraggebers entsprechen muß. Ob local governments „legislative" Befugnisse des E i n zelstaates wahrnehmen, ist ohnehin zweifelhaft.
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2. Die county ist ein Instrument des Einzelstaates, und der board of supervisors ist dessen legislatives Organ. 3. Der Einzelstaat darf seine legislativen Befugnisse nur durch ein Legislativorgan ausüben, dessen Mitglieder aus Wahlkreisen kommen, die auf Bevölkerungsbasis eingeteilt worden sind. Wenn der Einzelstaat einen Teil seiner Befugnisse delegiert, darf er das nur an ein legislatives Organ, das nach demselben „basic constitutional standard" gebildet worden ist. Die Kläger blieben auch i n der Berufungsinstanz siegreich, allerdings allein deshalb, weil von den acht Richtern des Michigan Supreme Court nur vier für die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils votierten, also die für eine Aufhebung erforderliche Mehrheit des Obergerichts nicht zustandekam 19 . Jene vier Richter, die die Aufhebung ablehnten, stellten i n der U r teilsbegründung die direkte Analogie zu Reynolds υ. Sims i n Frage. Sie meinten, ein verfassungsrechtlich geschütztes right to vote gäbe es nur i n den Wahlen zur einzelstaatlichen Legislative. Aber sie kamen auf einem anderen Wege zum gleichen Ergebnis wie der Richter erster Instanz. Sie analysierten Michigans Repräsentationsbestimmungen i m einzelnen und stellten fest, daß die städtischen Abgeordneten, aber auch die der township vom Volke und nicht von der politischen Körperschaft gewählt würden. Daraus schlossen sie, daß das Wahlrecht des Einzelnen betroffen sei. Da aber die equal protection clause nicht nur auf ausdrücklich zuerkannte Rechte, sondern auf sämtliche Rechte und jegliche Form staatlicher Tätigkeit (state action) Anwendung finde, so meinten diese Richter, sei der Unterschied dieses Falles zu Reynolds unerheblich. Die Richter legten deshalb die inhaltlichen Kriterien der Supreme Court Entscheidung an und statuierten einen Mangel an Gleichheit ohne rationale Rechtfertigung 19 . Dennoch setzte das Gericht seine Entscheidung über Abhilfemaßnahmen bis zum Ende des Jahres 1967 aus, u m der Legislative Gelegenheit zur Neueinteilung zu geben. Zugleich stellte es den Klägern anheim, das Gericht erneut anzurufen, falls die Legislative geeignete Maßnahmen zur Korrektur der Wahlkreiseinteilung nicht ergreifen sollte. Die unterlegenen vier Richter äußerten sehr pointiert ihre abweichende Meinung 2 0 : Der Supreme Court habe seine Anweisungen i n Reynolds ausdrücklich auf einzelstaatliche Legislativen beschränkt. Deshalb stehe es den Einzelstaaten frei, für ihre lokalen Körperschaften andere Funktionen für die Wahlkreiseinteilung vorzuschreiben. Das könne sehr gut die Auffassung sein, die der Supreme Court i n Zukunft 19
Brouwer v. Bronkema, 141 N.W. 2d at 117. I n Brouwer u n d der damit verbundenen Sache Knudson v. Klevering, 141 N.W. 2d 120. 20
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verkünden würde. Richterliches Analogisieren habe sich schon öfter als fehlerhaft erwiesen, insbesondere bei dem Versuch, eine „federal analogy" für die einzelstaatliche Legislative zu konstruieren. Das Gericht sollte den Supreme Court nicht überholen wollen, zumal Volksbegehren und Volksentscheid als politische M i t t e l zur Verfügung stünden, um jede Ungerechtigkeit schnell zu korrigieren. M i t ähnlicher Argumentation wie der der vier unterlegenen Richter i n Brouwer wiesen denn auch einige Gerichte die Anwendung des one man — one vote Prinzips auf der kommunalen Ebene zurück 2 1 . Anders der Supreme Court von Wisconsin: Er wurde bekannt durch seine raschen und sicheren Schritte i n jene Richtung, i n die sich auch der Supreme Court schließlich bewegen sollte. I n State ex rei . Sonneborn v. Sylvester (1965)22 erklärte das Gericht die für fast alle counties Wisconsins geltenden apportionment Vorschriften für verfassungswidrig. Da das Gesetz selbst Urheber des malapportionment war, mußte die Frage eindeutig beantwortet werden: Macht die equal protection clause des X I V . amendment die Wahlkreisgleichheit für county boards erforderlich? Einer positiven A n t w o r t i m Wege zu stehen schien das Argument, counties seien Körperschaften des Staates, die per Gesetz und ohne direkte Zustimmung der Bevölkerung geschaffen worden seien. Doch das Gericht wies hin auf das Wahlverfahren, infolgedessen sich der governing body der county erst konstituiere, und darauf, daß Wisconsin den county boards „a substantive bundle of legislative powers" zugewiesen habe. Dann meinte es: Since the compositions of the legislature must conform to the principle of equal representation, i t is logical that the a r m of political subdivision of such legislature enacting legislation should be governed by the same p r i n ciple of equal representation 2 3 .
Die beiden Elemente einer analogen Anwendung der Reynolds Prinzipien waren damit herausgestellt: die legislative Funktion und das Wahlverfahren. Andere Gerichte untersuchten daraufhin die „legislative powers" der betroffenen county boards genauer. Sie stellten fest, daß neben den traditionell als legislative eingestuften Rechten — Rechtsverordnungen zu erlassen, Steuern zu beschließen, Gelder zuzuweisen etc. — die county boards auch administrative und oft judizielle Funktionen besaßen. Dennoch legten sie bei ihrer Beurteilung den Schwerpunkt stets auf die legislative Funktion, nannten diese „substantial" und fanden so 21 Vgl. z. B. die untergerichtlichen Urteile i n Johnson v. Genesee County, Lodico v. Board of Supervisors, Moody ν. Flowers. 22 State ex rei. Sonneborn v. Sylvester, 132 N.W. 2d 249 (1965). 23 Id. at 256.
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jene „county legislature", die sie dem Prinzip des one man — one vote unterstellen wollten 2 4 . Auch das Argument, die Bürger könnten m i t Hilfe des Volksbegehrens und des Volksentscheids die notwendigen Änderungen herbeiführen, verlor bei den einzelstaatlichen Richtern nach 1964 an Überzeugungskraft als hinreichendem Grund, von Abhilfemaßnahmen Abstand zu nehmen. Sie schöpften zwar weiterhin alle Möglichkeiten aus, die apportionment Fragen als „politische" an die Legislativen zurückzuüberweisen. Doch die Auffassung des Supreme Court i n Lucas v. Colorado (1964) setzte sich durch: Das Recht des Einzelnen auf gleichwertige Stimmabgabe kann diesem auch durch die Entscheidung einer Mehrheit der Wähler nicht genommen werden. Daher war es die A u f gabe der Gerichte, für eine umfassende Neueinteilung Sorge zu tragen. Der geeignete Partner dafür war die Legislative. Die Gerichte gaben zwar zu, daß die einzelstaatlichen Legislativen durchaus das Recht haben, ihre county governments der Wahl durch die Bürger wieder zu entziehen und Amtsträger durch die Exekutive ernennen zu lassen. Aber sie folgerten: Solange das nicht geschehen sei, blieben die Mitglieder der county boards „elective officials" nach dem Reynolds-Standard. Soweit city oder township governments ähnliche Strukturen aufwiesen wie die county boards — legislative Funktionen ausgeübt von gewählten Amtsträgern —, wandten die einzelstaatlichen Gerichte bald die Reynolds-Regeln auch auf diese an m i t Begründungen, wie sie i n Brouwer v. Bronkema für das county board dargelegt worden waren. Seaman v. Fedourich (1965)25 war die Leitentscheidung, die die Frage für den Staat New York entschied, i n dem sich die facettenreichste einzelstaatliche reapportionment Rechtsprechung entwickelte. So berührte schon i n Seaman der county court das nächste Problem: Welches hat die Berechnungsgrundlage für die Gleichheit der Wahlkreise zu sein? Die Stadt hatte die etwa 3200 Patienten eines großen gesamtstaatlichen Krankenhauses bei der Konstruktion gleich großer Wahlkreise nicht berücksichtigt. Sie hatte ferner Schätzungen über Zuwachs und Abnahme der Bevölkerung i n den einzelnen Kreisen seit dem Zensus von 1960 benutzt. Beide Verfahren lehnte der county court ab und entschied: Der Bundeszensus ist die einzige autorisierte Berechnungsgrundlage für Wahlkreiseinteilungen 2 6 . Das Berufungsgericht 27 bestätigte diese Entscheidung und erklärte: Der Ausschluß der Krankenhauspatienten ohne eine nähere Unter24 ζ. B. Hanion v. Towey, 142 N.W. 2d 741 (Minn. 1966); M a u k v. Hoffmann, 209 A . 2d 150 (N.Y. Super. 1965). 25 Seaman v. Fedourich, 258 N.Y.S. 2d 1008. 2e Id. at 1011.
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suchung relevanter Faktoren, wie etwa ihrem bisherigen Wohnort und dem Ort ihrer Wahl i n der Vergangenheit, sei w i l l k ü r l i c h und diskriminierend 2 8 . Die einzelstaatlichen Gerichte haben also die Entwicklung der Supreme Court Rechtsprechung i n apportionment Angelegenheiten scharf beobachtet und sich bald i n Fortführung dieser Rechtsprechung dazu durchgerungen, den Reynolds Standard des one man — one vote auf kommunale Körperschaften anzuwenden, jedenfalls soweit gewählte legislative Amtsträger der county, city oder township betroffen waren. b) Lösungsversuche der Bundesgerichte Eine ähnliche Entwicklungslinie wie i n der Rechtsprechung der einzelstaatlichen Gerichte läßt sich i n der Bundesgerichtsbarkeit beobachten. Nach einem zurückhaltenden Beginn bewegten sich die Bundesrichter auf Positionen größerer Entscheidungsfreudigkeit zu. Vor Reynolds ν . Sims (1964) orientierten sich die Bundesgerichte, die sich bis dahin nur sehr selten m i t apportionment Fragen befaßt hatten, an der vom Supreme Court sanktionierten Entscheidung des Louisiana Court of Appeals Tedesco ν . Board of Supervisors (1950)29 und suchten nach rationality oder reasonableness der Wahlkreiseinteilungen, ohne besonderen Nachdruck auf Bevölkerungsgleichheit zu legen 30 . I n Johnson v. Genesee County (1964)31 — die Entscheidung wurde drei Tage nach Reynolds verkündet — beantragten die Kläger, die Auftragsvergabe für die Verbesserung der Abwässerbeseitigung zu verhindern, weil sie von einem nicht auf verfassungsgemäße Weise gewählten county board beschlossen worden sei. Es w a r also nicht direkt Klage erhoben worden m i t dem Ziel, die Wahlkreisgrößen anzugleichen. Der federal district court hätte sich deshalb leicht der Sache entledigen können, indem er erklärte, das Recht des Staates Michigan schließe ausdrücklich die richterliche Ungültigkeitserklärung von Beschlüssen aus, die ein Gremium getroffen hat, dessen Mitglieder auf verfassungswidrige Weise gewählt worden sind. Das Gericht vermerkte diese Möglichkeit, fühlte sich aber wegen der „importance of the issues" verpflichtet, gleich die der Klage zugrundeliegende Frage der Wahlkreisgleichheit zu behandeln. Da das Recht Michigans county apportionment auf Bevölkerungsbasis nicht vorschrieb u n d auch die Gerichtsbarkeit des Staates noch 27 28 29 30 31
Seaman v. Fedourich, 262 N.Y.S. 2d 444 (1965). Id. at 452. Vgl. oben, T e x t zu A n m . 2. ζ. B. Simon v. Lafayette Parish Police Jury, 226 F.Supp. 301 (La. 1964). Johnson v. Genesee County, 232 F.Supp. 563 (E.D.Mich. 1964).
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nicht dahingehend entschieden hatte — die Klage i n Brouwer v. Bronkema wurde erst kurz danach eingereicht —, konnte das Bundesgericht darauf nicht zurückgreifen. Andererseits hatte der Supreme Court das X I V . amendment noch nicht dahin ausgelegt, daß es auch Wahlkreisgleichheit auf der lokalen Ebene verlange. So entschied der federal district court, daß nach der Rechtsprechung des Supreme Court die Zusammensetzung von kommunalen Gremien allein Sache des Einzelstaates sei. Deshalb sei dem Gericht die Problematik der Wahlkreiseinteilung für lokale legislative Gremien gänzlich entzogen. Zwar könne es gut sein, daß m i t der Zeit das X I V . amendment so weit ausgedehnt würde. Wahrscheinlicher aber sei es, daß die nach dem kürzlichen reapportionment gewählten neuen Legislativen selbst ein völlig anderes Verhältnis von Bevölkerung und governmental power i n den lokalen Gremien ihres Staates einführen würden 8 2 . Diese Entscheidung zeigt die typische Einstellung der Bundesrichter i n der ersten Phase der Entwicklung: ein deutliches Plädoyer für einen vorangehenden Supreme Court, verbunden m i t der Hoffnung, die politischen Organe des Staates möchten sich selber helfen, u m den Gerichten das Eindringen i n das „political thicket" zu ersparen. Der Schatten Justice Frankfurters lag auch nach Reynolds noch erkennbar über der Bundesgerichtsbarkeit. Die Entscheidung des Bundesgerichts für den südlichen Distrikt des Staates New York entspringt derselben Haltung: Lodico v. Board of Supervisors (1966)88. Der district court registrierte den Willen und das Können der Gerichtsbarkeit dieses Staates, das reapportionment Problem zu meistern 34 , und meinte, es sollte „refrain from trespassing i n a field which fundamentally belongs to the voters of the county", weil Vorbereitungen bereits getroffen worden seien, einen Neueinteilungsplan den Wählern zur Entscheidung vorzulegen. Dementsprechend erklärten die Richter, nur i n dem Fall eingreifen zu wollen, daß „ w i l l f u l determination not to cure the disproportions i n voting strength" 3 5 nachgewiesen werde. Zwar setzte das Gericht eine zeitliche Grenze für die Überprüfung der Verhältnisse, aber das neue K r i t e r i u m der „ w i l f u l ness" bewahrte es davor, schon bald etwas unternehmen zu müssen. Dasselbe Gericht erklärte auch jene ungewöhnliche Methode der Stadt New York für nicht verfassungswidrig, die der parteipolitischen Minderheit ein M i n i m u m an Repräsentation gesetzlich sicherte. Die Stadt New York war i n 27 gleich große Wahlkreise eingeteilt. Zusätzlich aber wählten die Bürger jedes der fünf traditionellen und ungleich 82 88 84 85
Id. at 572. Lodico v. Board of Supervisors, 256 F.Supp. 442 (S.D.N.Y. 1966). Id. at 449. Id. at 450.
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großen Stadtteile je zwei Repräsentanten, für welche Ämter jede Partei nur einen einzigen Kandidaten aufstellen durfte. 1965 stellte der federal district court trotz dieses Arrangements nur „minimal dispar i t y i n voting strength" fest, aus dem nicht die Gefahr erwachse, daß eine Minorität einer Majorität ihren Willen auf zwinge 3 6 . Doch auch i n der Bundesgerichtsbarkeit mehrten sich die weiterführenden Entscheidungen. Ellis ν . Mayor and City Council of Baltimore (1964)37 ist ein verhältnismäßig frühes Beispiel dafür. Die drei Richter des federal district court nahmen sich nicht einmal die Zeit, die Anwendung des one man — one vote Prinzips auf die Wahlen zum Rat der Stadt i n Frage zu stellen. Sie stellten starke Abweichungen von der numerischen Gleichheit der städtischen Wahlkreise fest, zitierten Reynolds und schlossen sogleich auf eine Verletzung der equal protection clause der Bundesverfassung 38 . Dabei wandten sie die für das reapportionment der einzelstaatlichen Legislativen aufgestellten Regeln uneingeschränkt auf den city council an. Fraglich schien ihnen nur, ob für die Gleichheit der Wahlkreise die Bevölkerung oder die registered voters 3 9 maßgebend seien. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß der Supreme Court i n Reynolds nur die Bevölkerungszahl als Berechnungsmaßstab zugelassen habe 40 . Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil. Es setzte nur hinzu, daß registered voters als Berechnungsgrundlage die Gefahr der Manipulation heraufbeschwöre, die dann sehr schwierig zu beweisen wäre 4 1 . Waren sie erst einmal bereit, die Reynolds-Prinzipien i m Kommunalbereich anzuwenden — und mehr und mehr Bundesgerichte taten das —, dann legten auch sie, ähnlich wie die einzelstaatlichen Gerichte, jeweils sorgfältig dar, daß das betroffene lokale Gremium die für eine Analogie zur einzelstaatlichen Legislative ausreichenden legislativen Funktionen besaß. Einige Gerichte knüpften aber bald an generellere Gesichtspunkte an: I n Martinolich v. Dean (1966)42 ζ. B. unterschied der federal district court zunächst zwischen den „governmental agencies of special or 8β Blaikie ν. Wagner, 258 F.Supp. 361 (S.D.N.Y. 1965), at 368, 370; vgl. dazu auch unten T e i l I I I B. 3., insbesondere der T e x t zu den Anmerkungen 55, 56. 37 Ellis v. Mayor and City Council of Baltimore, 234 F.Supp. 945 (D.Md. 1964). 38 Id. at 950. 39 I n fast allen amerikanischen Bundesstaaten muß sich jeder qualifizierte Wähler ins Wahlregister eintragen lassen, u m am Wahltag seine Stimme abgeben zu können. 40 Ellis, 234 F.Supp. at 953. 41 Ellis v. Mayor and City Council of Baltimore, 352 F. 2d 123 (4th Cir. 1965), at 129. 42 Martinolich v. Dean, 256 F.Supp. 612 (S.D.Miss. 1966).
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limited power" und der „vast authority and responsibility", die der board of supervisors als „constitutional agency of government" habe. Dann führte das Gericht einfach alle Befugnisse des board an, ohne die „legislativen" unter ihnen herauszustellen. M i t diesen Befugnissen über Steuern, Straßen, finanzielle Angelegenheiten, Bebauung, sanitäre Einrichtungen, usw. seien die supervisors „to a large extent, the government of their county". Daraufhin wandte das Gericht die Reynolds-Regeln an und zitierte dazu Ellis und einige der oben besprochenen Entscheidungen einzelstaatlicher Gerichte. So waren gegen Ende des Jahres 1966 die meisten Gerichte der Meinung, daß das one man — one vote Prinzip auch für local governing bodies gelte. Sie wiesen entweder die legislative Funktion dieser Gremien aus oder stellten fest, daß das Gremium Befugnisse i n einem Umfang besaß, die es zu dem government der betreffenden Körperschaft machte. c) Die school board Fälle und das Problem der legislativen Funktionen Nicht nur die Mitglieder der generell für die Belange einer Gebietskörperschaft zuständigen boards wurden von der Bevölkerung durch Wahlen berufen. Gewählt wurden auch viele andere kommunale Amtsträger. Mußten deren Wahlkreise auch den Prinzipien des one man — one vote entsprechen? Da die meisten speziellen boards i n erster Linie administrative Aufgaben wahrnahmen, ließ sich eine direkte Analogie zum apportionment der Legislative nicht ohne weiteres ziehen. Waren deshalb boards zu beurteilen, die die generelle Befugnis zum Erlaß von Satzungen nicht besaßen, so versuchten die meisten Gerichte i n Übereinstimmung mit ihrer bisherigen Auffassung, bei diesen boards dennoch genügend „legislative functions" zu finden, um die ReynoldsRegeln anzuwenden. Dann stand i n Strickland v. Burns (1966)43 die Wahlkreiseinteilung für die Mitglieder einer county school commission zur gerichtlichen Überprüfung an. Die Wahlkreise waren unterschiedlich groß. Entsprechend den Erfahrungen i n anderen Fällen mit speziellen boards, verteidigte sich die county mit dem Argument, die commission habe i n allererster Linie administrative Aufgaben. Sie wies dabei vor allem darauf hin, daß sie gerade die Befugnisse nicht besitze, auf die die Gerichte bisher bei der Feststellung legislativer Funktionen so großen Wert gelegt hatten: die „power to levy taxes". Aber die Mehrheit des angerufenen Bundesgerichts, deren drei Richter jeweils eine eigene Begründung ihrer Auffassung veröffentlichten, 43
Strickland v. Burns, 256 F.Supp. 824 (M.D.Tenn. 1966).
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stellten eine Funktionsanalyse gar nicht an. Dem Vorsitzenden Richter reichte es aus, daß die county school commission einen Bruchteil jener Funktionen wahrnahm, die auch die einzelstaatliche Legislative ausübte, und daß dieser Teil nicht als „insignificant or unimportant" bezeichnet werden könne 4 4 . Ein weiterer Richter stimmte zu und erklärte, es sei fruchtlos, die ohnehin trügerische Unterscheidung (elusive distinction) zwischen legislativen und administrativen Funktionen zu treffen 4 5 . Die Ansicht der Mehrheit lief deshalb auf den ersten Blick darauf hinaus festzustellen, ob die delegated powers bedeutende waren oder nicht. Die eigentliche Grundlage der Entscheidung scheint m i r aber woanders zu liegen. Dafür geben jene Entscheidungen einen Anhaltspunkt, die als authorities von den Richtern zitiert wurden. Mehrere Entscheidungen sind angeführt, die generell zuständige boards betreffen. Sie unterstützen die Auffassung der Richter, daß die Reynolds-Prinzipien auf kommunaler Ebene gelten. A n school board Entscheidungen zitiert die Mehrheit des Gerichts aber nur eine einzige: Delozier ν . Tyrone Area School Board (1965)4β. Delozier war acht Monate zuvor entschieden worden und hatte ebenfalls das school board nicht als ein Gremium m i t legislativer Funktion bezeichnet. Die Bundesrichter i n Delozier erwähnten zwar das Recht des school board, Schulsteuern zu erheben, und merkten an, daß die Schulsteuern oft die gewichtigste kommunale Steuerlast darstellte. Entscheidendes Gewicht legten die Richter jedoch auf die Tatsache, daß die Mitglieder des school board i n allgemeiner Wahl gewählt wurden, obwohl die einzelstaatliche Legislative ihr Schulsystem auch durch nicht gewählte boards hätte verwalten lassen können. Daraus schlossen sie, daß die Wahlen zum school board unter dem Gebot des one man — one vote stehen, und zitierten dazu Gray v. Sanders (1963), die Supreme Court Entscheidung, die neben Legislativen ja gerade die Amtsträger m i t rein administrativen Aufgaben betraf, und Lynch v. Torquato (1965)47, eine Entscheidung, i n der ihr Berufungsgericht ihnen bestätigt hatte, daß Gray auch für die county gilt. Hier begann sich also i n der Bundesgerichtsbarkeit ein Test zu entwickeln, der m i t dem Blick auf die Existenz einer Wahl der Gremienmitglieder jegliche Untersuchung der Funktionen des gewählten Gremiums überflüssig zu machen geeignet war. Die Bedeutung dieses Blickwechsels blieb jedoch zunächst verborgen, weil die Entscheidungen 44
Id. at 827. Id. at 836. 46 Delozier v. Tyrone Area School Board, 247 F.Supp. 30 (W.D.Pa. 1965). 47 Lynch v. Torquato, 343 F. 2d 370 (3rd Cir. 1965), i n der vorausgesetzt w i r d , daß Gray f ü r county commissioniers u n d county representatives g i l t („we assume"). 45
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des Supreme Court von 1967 die Unterscheidung von legislativen und administrativen Funktionen zu sanktionieren schienen. Dennoch: Strickland hatte diese Unterscheidung fallengelassen und sich zu der Frage bekannt, wie wichtig denn die Befugnisse des betroffenen Gremiums seien — eine Ansicht, die die Richter m i t dem, allerdings nur zögernd i n einer Fußnote dargelegten Vorschlag rechtfertigten, daß „perhaps Baker v. Carr ..., Gray v. Sanders . . . and Wesberry v. Sanders . . . should be included as ,one man, one vote' decisions" 48 . d) Die Entscheidungen des Supreme Court A m 22. Mai 1967 verkündete der Supreme Court seine ersten Entscheidungen i n lokalen apportionment Angelegenheiten. Zwei der vier Fälle, Moody ν . Flowers (1966)49 und Board of Supervisors v. Bianchi (1966)50, betrafen eindeutig die Frage, ob das one man — one vote Prinzip auch für kommunale Verwaltungseinheiten gelte. Während ein Bundesgericht i n Moody die Frage verneinte, wandte ein anderes i n Bianchi den Reynolds-Test an, wenn es auch von eigenen konkreten Abhilfemaßnahmen so lange wie möglich Abstand nahm. Trotz der weit überwiegenden Anzahl von gerichtlichen Entscheidungen, die Reynolds grundsätzlich auch i m Kommunalbereich angewendet sehen wollten, war die Frage doch noch umstritten, und der Supreme Court hatte Gelegenheit zu einer klaren Entscheidung. Die Mehrheit des federal district court i n Moody berief sich auf Chief Justice Warrens Zitat der Supreme Court Entscheidung Hunter v. City of Pittsburgh (1907) i n Reynolds: (T)hese governmental units are „created as convenient agencies for exercising such . . . powers of the State as may be entrusted to them" and the „number, nature, and duration of the powers conferred upon (them) . . . and the territory over which they (the governmental powers) shall be exercised rests i n the absolute discretion of the State" 6 1 .
Dann fügten die beiden Richter ihre Auffassung vom Inhalt der reapportionment Entscheidungen seit Baker v. Carr (1962) an: Neben Wahlkreisungleichheiten müsse ein schwerwiegender rechtlicher Mangel vorliegen, u m richterliches Eingreifen i n das „political thicket" zu rechtfertigen, z.B. das lang andauernde, aus Beharrungsvermögen, Apathie oder hartnäckiger Weigerung sich ergebende Unterlassen einer Legislative, ihre Wahlkreise ihrer Verpflichtung aus einzelstaatlichem Recht gemäß einzuteilen, oder die außergewöhnliche Veränderung von 48
Strickland, 256 F.Supp. at 826, η. 3. Moody v. Flowers, 256 F.Supp. 195 (M.D.Ala. 1966). 60 Board of Supervisors ν. Bianchi, 256 F.Supp. 617 (E.D.N.Y. 1966) u n d zuvor 238 F.Supp. 997 (1965). 51 Reynolds at 575. 49
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lokalen Grenzen mit dem offensichtlichen Ziel, Farbige ihres Wahlrechts zu berauben, oder das Fehlen politischer Abhilfemöglichkeiten als Folge des „stranglehold", mit dem eine Minorität den politischen Prozeß beherrscht 52 . Auch hielt die Mehrheit i n Moody die Tatsachen keineswegs für diskriminierend: I n den beiden betroffenen counties i n Alabama repräsentierten 20 °/o und 29 °/o der Mitglieder des county board eine Bevölkerung von 61 °/o bzw. 49 °/o53. Da i n Alabama die counties nicht das Recht besaßen, ihre Wahlkreise selbst einzuteilen, riet das Gericht den Klägern, solche Abgeordnete i n Alabamas Legislative zu wählen, die ihr Vorbringen unterstützten. Bei dem gerade erfolgten gesamtstaatlichen reapportionment dürfe das nicht schwierig zu erreichen sein, zumal für die Mehrheit von 61 % i n Houston County. So schloß der federal district court: Solange gleiche Repräsentation i n der einzelstaatlichen Legislative die Gleichbehandlung der Bevölkerung eines Staates möglich mache, sollten Gerichte nicht eingreifen i n county governments, die begrenzte, nicht generelle Befugnisse haben und von der Legislative als politische Untergliederungen erst geschaffen worden seien. I n Bianchi stellte der federal district court i m Jahre 1965 — das Verfahren lief seit 1963 — zunächst die Entwicklung der einzelstaatlichen Rechtsprechung des Staates New York, i n dem sein Bezirk liegt, zur Frage des lokalen apportionment i n allen Einzelheiten dar und zeigte dann die Möglichkeit legislativen Tätigwerdens sowohl des Gesamtstaates als auch der counties auf. Obwohl sie damit den Klägern andere erfolgversprechende Wege zur Herstellung der Wahlkreisgleichheit nachgewiesen hatten — die Gerichte des Staates New York legten 1965 das one man — one vote Prinzip längst ihrem county apportionment zugrunde —, blieben die Bundesrichter i m Gegensatz zu ihren Kollegen i n Alabama nicht dort stehen. Sie erklärten die Reynolds-Regeln grundsätzlich für anwendbar und setzten das Verfahren nur aus, um die erhofften legislativen Maßnahmen abzuwarten. Als innerhalb eines Jahres nichts geschehen war, ordneten sie als Zwischenlösung weighted voting 5 4 an und setzten der county eine Frist zur Vorlage eines verfassungsgemäßen apportionment Plans an das Gericht 55 . Gegen diese Entscheidung legte die county Berufung zum Supreme Court ein. Da die beiden Bundesuntergerichte die apportionment Entscheidungen des Supreme Court unterschiedlich auslegten, hatte das Gericht die Möglichkeit zu erklären, welche Auffassung die richtige sei. Bianchi 52 53 54 55
Moody at 199. Id. at 198/9 („far short of proving invidious discrimination"). Siehe dazu unten, T e i l I I I Α., Text zu A n m . 21 u n d A n m . 21 selbst. Moody at 200.
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gab darüber hinaus Anlaß, ein Wort zur Angemessenheit der Abhilfemaßnahmen zu sagen. Doch es scheint, als habe die Justices der M u t verlassen, nachdem sie die Fälle zur Entscheidung und mündlicher Verhandlung zugelassen hatten. Sie verwiesen Moody und Bianchi 58 allein aus verfahrensmäßigen Gründen an die Untergerichte zurück: Die Fälle beträfen nur die Verfassungen einzelner counties und nicht gesamtstaatliches Recht. Sie hätten deshalb nicht von einem mit drei Richtern besetzten federal district court und damit direkter Berufungsmöglichkeit zum Supreme Court entschieden werden dürfen. Vielmehr gehörten sie vor den Einzelrichter m i t Berufungsmöglichkeit an einen zwischengeschalteten federal court of appeals. Erst dann wäre ein Antrag an den Supreme Court auf Überprüfung der Berufungsentscheidung zulässig gewesen 57 . Auch i n den beiden anderen Fällen scheute sich der Supreme Court, die Frage des lokalen apportionment zu entscheiden: Er nahm nur zum Zwecke der Argumentation („arguendo") an, daß one man — one vote auch i m Kommunalbereich gelte. Dennoch: Beide Entscheidungen sind bedeutsam, denn sie markieren bereits die Grenzen einer extensiven Anwendung der Reynolds-Prinzipien. Sailors ν . Board of Education (1967)58 gab A n t w o r t auf die Frage, ob die Reynolds-Regeln, falls i m Kommunalbereich anwendbar, nur für Ämter gelten, die eindeutig „elective" sind, oder ob sie auch für solche gelten, die als „appointive" zu qualifizieren waren. Die weitere Frage war, ob ein Einzelstaat die Anwendung des one man — one vote Prinzips dadurch umgehen durfte, daß er local governments m i t „appointive officials" besetzte. I n Sailors stellten sich die Probleme bei den county school boards des Staates Michigan. Die fünf Mitglieder dieser boards wurden nicht von der Bevölkerung der county, sondern von Abgeordneten der einzelnen Schulen innerhalb der county gewählt. Unabhängig von Bevölkerungszahl oder Schülerzahl oder Schulsteueraufkommen entsandte jeder Schuldistrikt nur ein Mitglied seines school board — selbst at-large gewählt —, um alle zwei Jahre das county school board zu wählen. Die Kläger i n Sailors fühlten sich durch dieses System diskriminiert, weil 56 Board of Supervisors v. Bianchi, 387 U.S. 97 (1967), als führende Sache verbunden m i t der Sache Moody ν. Flowers, ibid. 57 I n der New Yorker Entscheidung (Bianchi) w a r dies nicht so eindeutig, w e i l die angegriffene Zusammensetzung des county board gleichzeitig den Bestimmungen des gesamtstaatlichen Rechts f ü r county boards entsprach. Der US Solicitor General bezeichnete die Supreme Court Entscheidung deshalb auch als „ n a r r o w reading" der Verfahrensregel; vgl. Brief of the United States as Amicus Curae, A v e r y ν. M i d l a n d County, US Supreme Court, October T e r m 1967, No. 39, at 71. 58 Sailors v. Board of Education, 387 U.S. 105 (1967).
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i n ihrem Schuldistrikt — einem von 39 — 55,6 °/o der Bevölkerung der county wohnte. Die Mehrheit des federal district court 5 9 stellte fest, daß sich der Supreme Court i n neuerer Zeit nicht m i t lokalen apportionment Fragen befaßt hatte, und bekannte sich deshalb zu seiner eigenen Entscheidung des Jahres 1964 (Johnson v. Genesee County), i n der das Gericht dargelegt hatte, daß nach den früheren Entscheidungen des Supreme Court die Zusammensetzung lokaler Gremien ausschließlich einzelstaatliche Angelegenheiten seien 60 . I n einem langen dissenting opinion verglich der unterlegene Richter den Fall m i t dem verfassungswidrigen county unit system Georgias und meinte, die Mehrheitsentscheidung widerspreche völlig dem Geist der reapportionment Entscheidungen. Sie verweigere den Bürgern angemessene Repräsentation i n lokalen Gremien und lasse die unbeschränkte Umgehung der Reynolds-Regeln zu 6 1 . Der Supreme Court jedoch bestätigte das Urteil der Vorinstanz 6 2 . Justice Douglas 68 führte wörtlich die oben zitierte Passage aus Hunter ν . City of Pittsburgh (1907)64 an und erklärte, es gäbe keinen Grund, weshalb nicht-legislative Ämter nicht durch den Governor, die Legislative oder irgendein System, das „appointive" und nicht „elective" sei, ausgewählt werden dürften. Denn: Solange ein bundesrechtlich geschütztes Recht nicht verletzt werde, hätte jede Form staatlichen governments „vast leeway i n the management of its internal affairs". Obwohl die Abgeordneten das county school board „wählten", sei das Wahlsystem doch „basically appointive, rather than elective". Als Grund dafür nannte Justice Douglas i n einer Fußnote: Die abstimmenden Delegierten der school boards würden i n keiner Weise von der Bevölkerung ihres Schuldistrikts bei der Wahl des county school board kontrolliert 6 5 . Die Frage, ob der Einzelstaat auch kommunale „legislative" Gremien durch ein Verfahren der Ernennung besetzen könnte, ließ der Supreme Court unbeantwortet, denn der county school board i n Sailors „performs essentially administrative functions; and while they are important, they are not legislative i n the classical sense" 66 . 69
Sailors v. Board of Education, 254 F.Supp. 17 (1966), at 28/9. Siehe oben, T e x t zu A n m . 31. 61 Sailors at 18 - 28. • 2 Sailors, 387 U.S. at 108. 68 Die Justices H a r l a n u n d Stewart schlossen sich der Mehrheit n u r i m Ergebnis an. 64 Siehe oben, T e x t zu A n m . 51. 65 Sailors, 387 U.S. at 109, 109 η. 6. ββ Id. at 110. 60
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Der Supreme Court zog hier also die Unterscheidung legislativ — administrativ dem Ansatz „importance of power" vor. Andererseits verstand er sich nicht zu einer Definition der administrativen Funktion. Justice Douglas zählte einfach — wiederum nur i n einer Fußnote — die Hauptbefugnisse des county school board auf, zu denen gehörten: Ernennung eines superintendant, Durchführung kooperativer spezieller Schulprogramme, Anstellung von Lehrern dafür, aber auch Festsetzung bestimmter Steuern, Erstellung eines Haushaltsplans und die Zuordnung von Wohngebieten von einem Schuldistrikt zu einem anderen 67 . Sailors machte also klar, daß, wenn es überhaupt auf der lokalen Ebene galt, das one man — one vote Prinzip nur auf „elective offices" anzuwenden ist. Für die Frage, ob ein A m t als „elective" zu gelten hat, ist das Wahlverfahren und könnte die Unterscheidung zwischen legislativen und administrativen Funktionen entscheidend sein. Ausdrücklich erkannte der Supreme Court an: Viable local governments may need many innovations, numerous combinations of old and new devices, great f l e x i b i l i t y i n municipal arrangements to meet changing u r b a n conditions. We see nothing i n the Constitution to prevent experimentation 6 8 .
E i n solches Experiment billigte der Supreme Court i n der vierten Entscheidung von 1967: Dusch υ. Davis 69. Dem Gericht schien das Repräsentationssystem der neugeschaffenen City of Virginia Beach „to reflect a detente between urban and rural communities that may be important i n resolving the complex problems of the modern megalopolis i n relation to the city, the suburbia, and the rural countryside" 7 0 . Nach dem apportionment Plan von Virginia Beach wählte die gesamte Bürgerschaft der Stadt einen Stadtrat von elf Mitgliedern. Während vier Stadträte ohne besondere Wohnsitzverpflichtung waren, mußte jeder der übrigen sieben i n einem anderen der sieben Stadtteile seinen Wohnsitz haben. Da die gerade erst zu einer gemeinsamen Stadt vereinigten Gebiete — drei m i t ländlichem, drei m i t städtischem und eines m i t vorwiegend touristischem Charakter — bevölkerungsmäßig sehr stark voneinander abwichen (29 040 : 733), klagten städtische Wähler gegen den sog. Seven-Four-Plan wegen Verletzung der equal protection clause. Der Einzelrichter hielt den Seven-Four-Plan nicht für verfassungswidrig. Doch der federal court of appeals hob das Urteil auf mit einer 67 ω 69 70
Id. at 110, η. 7. Id. at 110/11. Dusch v. Davis, 387 U.S. 112 (1967). Id. at 117.
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Begründung, die über das Sicherstellen der Gleichheit des Wahlakts hinausging: The principle of one-person-one-vote extends also to the level of representation and enacts approximately equal representation of the people . . . that each legislator, state or municipal, represents a reasonable l i k e number i n population 7 1 .
Gleiche Repräsentation, so meinte das Gericht, werde durch den SevenFour-Plan nicht erreicht. Zwar würden die Ratsherren von der gesamten Bevölkerung gewählt, aber die natürlicherweise dominierenden „provinziellen" Interessen würden sie zu Repräsentanten der Stadtteile und nicht der gesamten Bürgerschaft machen. Dem schien ein Präzedenzfall entgegenzustehen. I n Fortson v. Dorsey (1965)72 hatte der Supreme Court die Wahl mehrerer einzelstaatlicher Senatoren aus einem einzigen Großwahlkreis zugelassen, der zum Zwecke der Wohnsitzqualifikation selbst i n Distrikte eingeteilt worden war. Diesen Fall meinte der federal court of appeals aber von Dusch unterscheiden zu können, weil dort die Distrikte schon „substantially of equal population" waren. Der Supreme Court wollte als Unterscheidung jedoch nur anerkennen, daß etwa eine Verschleierung vorliege, wenn also „the borough's resident on the council represented i n fact only the borough" 7 3 . Doch das sei i n Dusch nicht der Fall. Wie i n Fortson seien die Stadtteile nur als Grundlage für den Wohnsitz, nicht für die Wahl oder die Repräsentation festgelegt worden. Der Seven-Four-Plan mache keinen Unterschied nach Rasse, Glauben, wirtschaftlicher Stellung oder Wohnort. Analog zu Fortson wählten alle Wähler jeden einzelnen Stadtrat, der, da er deshalb die Interessen aller beachten müsse, „the city's, not the borough's councilman" sei. Selbst wenn man Reynolds v. Sims für einschlägig halte, meinte Justice Douglas für das Gericht, sei m i t der equal protection clause die Frage nach dem „invidious discrimination" zu stellen (!) 74 . Invidious discrimination sei aber nicht gegeben, denn dem Plan lägen vernünftige Überlegungen zugrunde. Wie der federal district court schon ausgeführt habe: The principal and adequate reason for providing for the election of one city councilman for each borough is to assure that there w i l l be members of 71
Dusch v. Davis, 361 F. 2d 495 (4th Cir. 1966), at 497. Fortson v. Dorsey, 379 U.S. 433 (1965). 73 Dusch v. Davis, 387 U.S. at 116. 74 Dies ist eine i m Jahre 1967 u n d besonders f ü r Justice Douglas zunächst erstaunliche Feststellung. M i t den Entscheidungen zum legislativen apportionment — Swann v. Adams u n d K i l g a r l i n v. H i l l — hätte man hier das strenge Erfordernis der numerischen Gleichheit der Wahlkreise erwartet. Aber gemeint ist w o h l nicht Reynolds speziell, sondern Reynolds als G r u n d satzentscheidung zur Anwendung der equal protection clause bei W a h l v e r fahren. Das wäre verständlich: N u r bei Wahlkreiseinteilungen g i l t die formale absolute Gleichheit, i m übrigen das Willkürverbot. 72
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the City Council w i t h some general knowledge of r u r a l problems to the end that this heterogeneous city w i l l be able to give due consideration to questions presented throughout the entire area 7 5 .
1967 hatte der Supreme Court also i n vier Entscheidungen die Probleme des one man — one vote auf lokaler Ebene noch offen lassen können. Ein Jahr später konnte er ihnen nicht mehr ausweichen. I n Avery v. Midland County (1968)76 hatte das kommunale Gremium, der commissioners court von Midland County, Texas, i m wesentlichen die gleichen Befugnisse wie die county boards i n anderen Einzelstaaten, von der Festsetzung des Steuersatzes bis h i n zum Bau von Straßen und Brücken. Er bestand aus fünf Mitgliedern, von denen eines, der Richter der county, at-large und die übrigen vier aus Distrikten gewählt w u r den. Die vier Distrikte hatten 67 906 bzw. 852, 828 und 414 Einwohner. Die Ungleichheit ergab sich daraus, daß die Stadt Midland nur aus einem einzigen Distrikt bestand. Avery durchlief zunächst den Instanzenweg der Gerichtsbarkeit des Staates Texas. Das erste Gericht erklärte die Einteilung der Distrikte für nichtig, weil sie dem apportionment Passus der texanischen Verfassung widerspräche, der vorschrieb, daß Distrikte zu bilden seien „for the convenience of the people" 7 7 . Das Gericht wies deshalb die commissioners an, neue Distrikte m i t „substantially" gleicher Bevölkerungszahl zu bilden 7 8 . Der als nächstes Gericht m i t der Sache befaßte court of civil appeals legte die Verfassung anders aus: Eine Pflicht, gleich große Wahlkreise zu bilden, bestünde nicht; gefordert werde nur „practical districting" 7 9 . Der Supreme Court von Texas hob dann i m Jahre 1966 beide Urteile auf und erklärte die Einteilung für verfassungswidrig sowohl nach der Verfassung des Bundes als auch der des Staates Texas. Aber er hielt eine „rational variance from equality of population" für zulässig, die auf Faktoren beruhe, wie „number of qualified voters, land areas, geography, miles of county road, and taxable values" 8 0 . Midlands commissioners court erhielt Gelegenheit, neue Distrikte unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bilden. Der United States Supreme Court — Justice White formulierte das Urteil für eine Mehrheit von 5 : 3 8 1 — stellte fest, daß nun die Frage zu 75
Dusch, 387 U.S. at 116. A v e r y v. M i d l a n d County, 390 U.S. 474 (1968). 77 A r t . V, § 18 der Constitution of the State of Texas. 78 Z i t i e r t S. 921 der Entscheidung des Court of C i v i l Appeals, A v e r y v. M i d l a n d County, 397 S.W. 2d 919 (1965). 79 Id. at 922/3. 80 A v e r y v. M i d l a n d County, 406 S.W. 2d 422 (S.Ct.Tex. 1966), at 428. 81 Die Justices Harlan, Stewart u n d Fortas dissentierten, 390 U.S. at 486 et s. Harlan meinte, es läge noch keine endgültige Entscheidung des höchsten einzelstaatlichen Gerichts vor, w e i l der Texas Supreme Court die nicht76
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beantworten sei, ob das X I V . amendment die Wahl von „local government officials" aus Wahlkreisen m i t unterschiedlich großer Bevölkerungszahl verbiete. Er erklärte ohne Umschweife: „As has almost every court which has addressed itself to this question, he hold i t does 82 ." Die Begründung entspricht den Ausführungen Richter Searls i n Brouwer v. Bronkema (1964) 83 : Der commissioners court sei „the general governing body of the county". Die Tätigkeit des local government sei state action und unterliege den Vorschriften des X I V . amendment. Delegiere der Einzelstaat „lawmaking power" an die Kommune und schreibe Wahlkreise vor, so müsse er sicherstellen, daß alle wahlberechtigten Bürger das Recht auf „an equally effective voice i n the election process" haben 84 . Davon befreie den Staat auch nicht die Tatsache, daß die Mitglieder seiner Legislative selbst verfassungsgemäß gewählt worden seien, denn die kommunalen Einheiten hätten stets mehr oder weniger selbständige Entscheidungsbefugnisse. I n einer Fußnote 85 billigte das Gericht auch die Anwendung von Lucas v. Colorado: Auch eine Mehrheitsentscheidung der Wähler rechtfertigt ein verfassungswidriges apportionment von lokalen Gremien nicht. Dann befaßte sich das Gericht m i t der Unterscheidung legislativer von administrativen Funktionen und stellte fest, daß der commissioners court Funktionen ausübe, die normalerweise als legislative, exekutive oder administrative und einige sogar als judizielle bezeichnet würden. Doch damit sei der commissioners court gerade repräsentativ für jene „ u n i t of local government w i t h general responsibility and power for local affairs", i n der praktisch jeder Amerikaner lebe 86 . Nun hatte der Supreme Court von Texas erklärt, die vorhandenen legislativen Funktionen des Gremiums seien „negligible". Seine Hauptfunktion bestehe i n der „administration of business affairs" und seine Tätigkeiten „disproportionately concern the rural areas". Infolgedessen sei er nur „theoretically the governing body of the county" 8 7 . bevölkerungsbezogenen Faktoren n u r vorgeschlagen, ihre Verwendung aber nicht angeordnet habe. Fortas w o l l t e das Ergebnis des von den texanischen Gerichten angeordneten redistricting abwarten. Stewart Schloß sich beiden Auffassungen an. Die Mehrheit des Supreme Court erblickte demgegenüber die endgültige Entscheidung i n der Tatsache, daß das U r t e i l des Texas Supreme Court keine weiteren Verhandlungen i n den texanischen Gerichten vorsah (390 U.S. at 478). Z u der Kontroverse über die inhaltlichen Fragen siehe sogleich i m Text. 82 Avery, 390 U.S. at 479/80. 88 Siehe oben, Text zu A n m . 15 ff. 84 Avery, 390 U.S. at 476, 480. 85 Id. at 481, η. 6. 86 Id. at 483. 87 Avery, 406 S.W. 2d at 426.
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Dem widersprach der Supreme Court Ausschlaggebend seien die gesetzlich übertragenen Befugnisse, nicht die tatsächlich ausgeübten. Die übertragenen Befugnisse zeigten aber: „The court does have the power to make a large number of decisions having a broad range of impacts on all the citizens of the county." Damit grenzte der Supreme Court dieses Gremium zugleich ab gegen ein „special purpose u n i t of government assigned the performance of functions affecting definable groups of constituents more t h a n other constituents" 8 8 .
Die Frage, ob die Wahlkreise bei solchen Gremien etwa eingeteilt werden dürften „ i n ways which give greater influence to the citizens most affected by the organisation's functions", ließ das Gericht ausdrücklich unbeantwortet. Nachdem die Mehrheit des Supreme Court nochmals hervorgehoben hatte, daß sie Experimenten, Neuerungen und Entwicklungen i m K o m munalbereich nicht i m Wege stehen wolle, wie sie m i t Sailors u n d Dusch gezeigt habe, erklärte sie: Our decision today is only that the Constitution imposes one ground rule for the development of arrangements of local government: a requirement that units w i t h general governmental powers over an entire geographic area not be apportioned among single member districts of substantially unequal population 8 9 .
Justice Harlan, für den die Gerichtsbarkeit i n apportionment Sachen ohnehin jenseits ihrer „proper constitutional role" 9 0 operierte, konnte i n Avery überhaupt keine Rechtfertigung für ein weiteres Eindringen i n das „political thicket" entdecken. Da sie von den einzelstaatlichen Legislativen geschaffen seien, könnten die local governments doch auch von diesen oder den Wählern per amendment zur einzelstaatlichen Verfassung reformiert werden. Zumindest müßte das Gericht noch eine angemessene Zeitspanne warten, bevor es Reynolds i m Kommunalbereich anwende, denn die administrative Durchführbarkeit der richterlichen one man — one vote Regeln habe selbst beim legislativen apportionment bisher nicht nachgewiesen werden können. Schwierige administrative Probleme seien noch ungelöst. Die Arbeitsbelastung der Gerichte sei schon jetzt erheblich. Eine kaum abschätzbare weitere Belastung stehe bevor, wenn Reynolds nun auf jene mehr als 80 000 kommunalen Verwaltungseinheiten angewendet werden müßte. I m übrigen gäbe es einen überzeugenden funktionalen Grund, die Reynolds-Regeln nicht auf den Kommunalbereich auszudehnen: Den Einzelstaaten werde die Möglichkeit genommen, m i t Legislativorganen zu experimentieren, die i n rationaler Weise anders zusammengesetzt sind 88 Avery, 390 U.S. at 483/4. 89 90
Id. at 485/6. Harlan, dissenting i n Avery, 390 U.S. at 488.
10 Kopp
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— ein Ergebnis, das dem Ziel der apportionment Rechtsprechung, die notwendige Anpassung an sich verändernde Gegebenheiten sicherzustellen, direkt entgegensteht 91 . Insbesondere warnte Harlan vor den direkten Konsequenzen der Entscheidung i n Avery: 1. Obwohl die Bevölkerung der Stadt ihr eigenes city government habe, werde sie nun allein durch ihre Zahl auch die ländlichen county Angelegenheiten bestimmen. 2. Den local governments werde allgemein verwehrt, gewählte Gremien mit teilweise speziellen Aufgaben zu bilden, da deren Tätigkeit, die die Bürger ungleich stark betrifft, nicht entsprechend ungleich große Repräsentation nach sich ziehen dürfe 9 2 . 3. Die Schaffung von Großkreisen (metropolitan governments) i m Verhandlungswege, bei dem etwa für das Einbringen unverhältnismäßig großen Steueraufkommens zusätzliche Repräsentation i m Entscheidungsorgan zugestanden werde, sei nunmehr ausgeschlossen. Justice Fortas, dessen dissenting opinion sich Justice Stewart insoweit anschloß, bewertete die Funktion der county boards anders als die Mehrheit. Er meinte, die Tätigkeit der meisten county boards berühre die verschiedenen Bürger innerhalb ihres Gebietes i n völlig unterschiedlicher Weise, genau wie die governing boards von speziellen Verwaltungseinheiten. Nach eingehendem Studium der Fakten i n Avery stellte er fest, daß die Zuständigkeit des commissioners court über die gesamte county „more i n form, than i n reality" bestehe. Er befasse sich vornehmlich m i t den Problemen der ländlichen Gebiete und deren Bewohner, während er die städtischen Angelegenheiten dem gewählten city council überließe 98 . Fortas verstand sich deshalb nur zu einer direkten Analogie zu Reynolds: Das one man — one vote Prinzip erstrecke sich allein auf solche kommunale Gremien, die i m Ergebnis „miniature state legislatures" seien wie einige city councils 94 . M i t der Ausweitung des one man — one vote auf local governing bodies waren die Probleme also weiter gewachsen. Welche lokalen Verwaltungseinheiten waren betroffen? Die Mehrheit hatte i n Avery neben dem city und county governing board auch school boards bereits erwähnt 9 5 . Wie war das zu verstehen? Wie weit reicht die Entscheidung der Mehrheit? 81 92 93 94 96
Id. at 491. Id. at 492. Fortas, dissenting i n Avery, 390 U.S. at 508, 499, 501. Id. at 500, η. 5. Avery, 390 U.S. at 480.
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2. Die Grenzen des Prinzips auf lokaler Ebene
Die Supreme Court Entscheidungen i n Avery v. Midland County (1968), Dusch v. Davis (1967) und Sailors ν. Board of Education (1967) bilden die rechtliche Grundlage für eine Beantwortung der soeben gestellten Fragen. Die Bewertung der Funktionen des i m Wege eines Wahlverfahrens zu besetzenden lokalen Gremiums spielt bei der Feststellung des zu beurteilenden Sachverhalts die wesentliche Rolle. Andererseits setzt das Erfordernis eines Wahlverfahrens bereits eine klare Grenze für die Ausweitung der one man — one vote Regel. a) Ernannte
Gremienmitglieder
I n Sailors hatte der Supreme Court klar entschieden, daß der Staat bei der Auswahl von zu ernennenden Mitgliedern eines Gremiums verfassungsrechtlich nicht an die Regeln der Repräsentation, wie sie das one man — one vote Prinzip vorsieht, gebunden ist. Das gilt aber nach Sailors auch für Gremienmitglieder, deren Wahl als „basically appointive" zu beurteilen ist. Beispiele aus der Rechtsprechung sind: die Auswahl der Mitglieder einer Kommission für den Hafendistrikt von New Orleans durch den Governor Louisianas von Listen, die gewerbliche Vereinigungen vorlegen (Hamilton v. McKeithen) 96 und ein arbitration board, der über die Verwendung bestimmter öffentlicher Gelder entscheidet und von dessen Mitgliedern je einer vom Arbeitgeber und den Arbeitnehmern gewählt wird, während die gewählten beiden ein d r i t tes Mitglied bestimmen (Harney ν . Russo) 97. b) Verwaltungseinheiten
mit allgemeinen
Aufgaben
Nach Avery v. Midland County erstreckt sich das one man — one vote Prinzip uneingeschränkt auf Gremien m i t „general governmental powers over an entire geographic area". Das schließt alle governing boards von counties, cities, towns und villages ein. Verwaltungseinheiten mit nur speziellen Befugnissen fallen nicht darunter. Doch diese müssen schon sehr genau bestimmt werden: I n der Stadt Paterson, New Jersey, existierte ein board of aldermen, das aufgrund eines eindeutig verfassungswidrigen apportionment besetzt worden war. Die meisten seiner ursprünglichen Befugnisse waren allerdings inzwischen drei speziellen boards, dem board of fire and police commissioners, dem board of finance und dem board of public works, übertragen worden, deren Mitglieder der Bürgermeister ernannte. Da der board of aldermen weder die Zuständigkeit besaß, Steuern festzusetzen, Flächennutzungspläne oder Bebauungspläne auf9e 97
io*
H a m i l t o n v. McKeithen, 226 So. 2d 494 (S.Ct.La. 1969). Harney ν. Russo, 225 Α. 2d 560 (S.Ct.Penn. 1969).
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zustellen, bonds auszugeben oder überhaupt Schulden zu machen, noch auch nur über die Einrichtung öffentlicher Einrichtungen entscheiden konnte, entschied das Untergericht des Staates New Jersey i n Schwartz v. Board of Aldermen (1969)98, daß seine Befugnisse weit weniger beinhalteten als „general governmental powers". Es lehnte deshalb die Anwendung der Reynolds-Regeln auf dieses Gremium ab. Nach seiner Feststellung besaß die Stadt gar nicht so etwas wie ein general governmental body. Das Berufungsgericht 99 versuchte zunächst, diese Analyse zu erschüttern, indem es die wenigen übriggebliebenen Befugnisse stark überbewertete. Doch m i t seinem Hauptargument über die Anwendung des one man — one vote Prinzips ging es über die Supreme Court Entscheidung i n Avery hinaus: Der board of aldermen sei eben das einzige gewählte Gremium der Stadt und „the only governing body as such" i n Paterson. Schwartz macht also deutlich, daß Avery noch nicht das letzte Wort i n lokalen apportionment Fragen sein konnte. c) Verwaltungseinheiten
mit speziellen Aufgaben
Ausdrücklich hatte der Supreme Court i n Avery angemerkt, daß Verwaltungseinheiten für spezielle Aufgaben, deren Tätigwerden bestimmte Wählergruppen mehr als andere berührt, von Reynolds möglicherweise nicht betroffen sei. Welche Einheiten gemeint waren, ist nicht einfach zu bestimmen. Gemeinhin gelten als special purpose units solche, die allgemeine Dienstleistungen erbringen, also Feuerwehr, Polizei, Wasserversorgung, M ü l l - und Abwässerbeseitigung, Straßenbeleuchtung, Schaffung und Erhaltung öffentlicher Erholungseinrichtungen i m weitesten Sinne, usw. Sie werden zwar häufig von Gremien aus ernannten Mitgliedern oder von einzelnen, von der Gesamtbürgerschaft gewählten Amtsträgern geleitet. Dann besteht ein apportionment Problem nicht. Aber viele solcher units werden auch von boards verwaltet, deren Mitglieder i n Wahlkreisen gewählt werden. I n Bergerman ν . Lindsay (1969) 100 entschied der New York County Supreme Court, New York Citys damaliger Board of Estimate sei ein solcher „special body . . . created for and operating w i t h i n a well defined, narrow range", vergleichbar m i t anderen besonderen Behörden, wie dem Board of Health oder der Public Service Commission. Die Mitglieder des board waren zwar gewählte Amtsträger. Doch es fanden keine besonderen Wahlen zur Besetzung des board statt. Der board 98
Schwartz ν. Board of Aldermen, 250 Α. 2d 438 (Super. Ct. N.J. 1969). Schwartz v. Board of Aldermen, 254 A . 2d 803 (Super. Ct. N.J., App. Div., 1969). 100 Bergerman v. Lindsay, 58 Misc. 2d 1013 = 297 N.Y. 2d 421 (N.Y.Cty. Supr.Ct. 1969). 99
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setzte sich vielmehr aus dem mayor, dem comptroller, dem Präsidenten des Board of Aldermen und den fünf borough presidents zusammen. Letztere waren von der Bevölkerung der ungleich großen Stadtteile gewählt worden, um die Stadtteilverwaltung zu leiten. Sie waren also ex officio Mitglieder des Board of Estimate. Da eine direkte Wahl nicht vorliegt, scheint m i r überhaupt zweifelhaft, ob dieser board unter die Avery-Regeln fällt, wie der county court angenommen hat. Es könnte auch Sailors einschlägig sein und eine A r t „appointive process" vorliegen — zumindest, wenn die Wahlentscheidung der Bürger die Mitgliedschaft ihres borough president i m Board of Estimate deshalb nicht einschließen konnte, weil das board zur Zeit der Wahl noch nicht existierte. N i m m t man aber an, Avery sei einschlägig, ist immer noch offen, ob nicht trotzdem Reynolds anzuwenden wäre, mit der Folge, daß die Zusammensetzung des board verfassungsw i d r i g wäre, denn unter die i n Avery vorgeschlagene Ausnahmeregelung fällt der board wohl nicht. Dafür hätte das Gericht feststellen müssen, daß die Tätigkeit des Board of Estimate definierbare Wählergruppen mehr als andere Wähler betraf. Der als vergleichbar bezeichnete Board of Health und die Public Service Commission fallen sicherlich nicht darunter. I n Ausübung ihrer Funktionen berühren sie potentiell alle Bürger der Stadt i n gleicher Weise, wie es bei den special purpose units die Regel ist. Avery s begrenzt formulierte „ ground-rule", die auf „general governmental powers" abstellt, erfaßt die Verwaltungseinheiten m i t speziellen Aufgaben i n der Regel nicht. Doch es kommt darauf an, wie speziell die Aufgaben sind. Denn: Was sind general powers? Special purpose units könnten durchaus „general powers" ausüben. Man denke nur an school boards oder public service commissions. Es w i r d wiederum deutlich: Avery konnte noch nicht das letzte Wort i n lokalen apportionment Fragen sein. d) Verwaltungseinheiten
mit speziellen Aufgaben regionaler
Art
Apportionment Probleme entstehen meistens, wenn Gemeinden unterschiedlicher Größe aus technischen, ökonomischen oder anderen Gründen zusammenarbeiten und gemeinsame Verwaltungseinheiten schaffen, die spezielle Aufgaben für sämtliche beteiligten Gemeinden wahrnehmen. Solche special regional units, die etwa für die Wasserversorgung oder die Feuerwehr zuständig sind, werden häufig von boards geleitet oder überwacht, deren Mitglieder von den beteiligten Kommunen „gewählt" werden. Sofern jedes local government, das selbst nach dem one man — one vote Prinzip gewählt worden ist, mit einem Mitglied i n dem regional board vertreten ist oder je einen Delegierten entsendet, u m die board Mitglieder zu bestimmen, kann Sailors
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einschlägig sein. Wenn aber die Mitglieder direkt von den Bürgern der beteiligten Gemeinden gewählt werden, ist die apportionment Problematik gegeben. Thompson ν . Board of Directors of Turlock Irrigation District (1967) 101 ist ein Beispiel für einen Fall, der unter die Ausnahme i n Avery fallen würde und der zugleich die Argumentation der Gerichte vor Avery enthält. Der Turlock Irrigation District umfaßte Ländereien i n drei kalifornischen counties. Er wurde verwaltet von einem board of directors mit fünf Mitgliedern, die von „divisions" m i t etwa gleich großer Quadratmeterzahl, aber sehr unterschiedlicher Bevölkerungszahl gewählt wurden. Das einzelstaatliche Gericht erwog zunächst die extremen Möglichkeiten bei grundsätzlicher Annahme, daß das one man — one vote Prinzip auf lokaler Ebene anwendbar ist: Sollte es für alle vom Staat geschaffenen Verwaltungseinheiten gelten, w e i l diese Befugnisse der Legislative ausüben? Oder sollte es nur für solche Gremien gelten, die „pure legislative powers" besaßen? Dann wählte das Gericht den mittleren Weg, den Weinstein 1965 i n einem einflußreichen Aufsatz 1 0 2 vorgeschlagen hatte. Nach Weinstein richtet sich die Feststellung der „general powers" nach den Aufgaben der Verwaltungseinheit, der Menge und der A r t ihrer Zuständigkeiten sowie der A r t und Weise der Durchführung ihrer Aufgaben. Ein kalifornischer irrigation district, so stellte das Gericht fest, w i r d geschaffen und betrieben allein, u m den Boden zu verbessern. Die Tätigkeit seines Verwaltungsorgans hat keine Auswirkungen auf die allgemeine Bevölkerung innerhalb der Grenzen des Distrikts. N u r die Eigentümer der Ländereien sind an seiner Bildung beteiligt. Die Besteuerung für Zwecke des Distrikts richtet sich allein nach der Quadratmeterzahl, ist also unabhängig von der Einwohnerzahl, der Bebauung der Grundstücke oder sonstiger Verbesserung oder Veränderung des reinen Bodens. Aus diesen Tatsachen Schloß das Gericht, daß das one man — one vote Prinzip nicht aufgrund des X I V . amendment Geltung beanspruchen könne. Aber Kaliforniens Water Code verlangte „divisions as nearly as equal i n area and population". Da der Supreme Court von Kalifornien i n Griffin ν . Board of Supervisors (1963) den ähnlich lautenden County Government Code so ausgelegt hatte 1 0 3 , ordnete das 101 Thompson ν. Board of Directors, 55 Cal. Rptr. 689 (1967). 102 Weinstein, „ T h e Effect of the Federal Reapportionment Decisions on Counties and Other Forms of M u n i c i p a l Government, 65 Colum L Rev 21 (1965), at 32. 108
Siehe oben, Text zu A n m . 8 ff.
Β . Ausweitung auf den Kommunalbereich
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Gericht auch hier ein reapportionment gemäß Bevölkerungszahl an. I m merhin, ein ähnlich gelagerter Fall nach Avery i n einem Einzelstaat ohne gesetzliche apportionment Vorschriften fällt sicherlich unter Averys Ausnahmeregel. Erforderlich für die Anwendung der apportionment Regeln auf Verwaltungseinheiten m i t speziellen Aufgaben bleibt also das Vorliegen von „general governmental powers over an entire geographic area" (Avery v. Midland County , 1968). 3. Neue Entwicklungen und offene Fragen
Zweifel an der Brauchbarkeit der Unterscheidung general powers — special powers und damit überhaupt an der Bedeutung der AveryEntscheidung ergeben sich aus der bisher letzten Entscheidung des Supreme Court über die grundsätzliche Anwendbarkeit des one man — one vote Prinzips auf lokale Verwaltungseinheiten, aus Hadley v. Junior College District (1970) 104 . Schulen und Hochschulen bilden i n vielfältiger Weise den Mittelpunkt und das Organisationszentrum des sozialen Lebens der typischen amerikanischen Kommune. Für die Schaffung und Erhaltung von Erziehungs- und Bildungseinrichtungen zahlt der amerikanische Bürger zugleich i n der Regel die höchsten lokalen Steuern. Die für das B i l dungswesen verantwortlichen school boards sind deshalb häufig die bedeutendsten Verwaltungsorgane des Ortes. Da sie andererseits nicht die general law making bodies der Kommunen sind, haben sie den Gerichten als erste Anlaß zur Überprüfung der Rechtsprechung in lokalen apportionment Fragen gegeben. So setzte sich ein Bundesgericht i n dem school board Fall Strickland v. Bums (1966) als erstes über die Unterscheidung legislativer — administrativer Funktionen hinweg — ein Standpunkt, den der Supreme Court schließlich i n Avery übernahm. Ein anderes Gericht sah bereits 1965 i n Delozier v. Tyrone Area School Board den Schwerpunkt der Beurteilung allein i n der Frage des benutzten Wahlverfahrens. Hadley hat nun den Blick erneut geändert. Ob allerdings der Avery-Test nur modifiziert oder grundsätzlich neue Regeln verkündet worden sind, w i r d erst die weitere Entwicklung der Rechtsprechung des Supreme Court erweisen. a) Hadley v. Junior College District (1970) Nach dem Recht des Staates Missouri können sich mehrere selbständige Schuldistrikte zusammenschließen, u m einen junior college district unter der Leitung eines sechsköpfigen board of trustees zu bilden. Das Errichtungsgesetz sah die Aufteilung der sechs Sitze nach „school enumeration", der Anzahl der i n den Schuldistrikten ansässigen Perso104
Hadley v. Junior College District, 397 U.S. 50 (1970).
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T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
nen zwischen 6 und 20 Jahren vor. Acht Schuldistrikte bildeten den Junior College District of Metropolitan Kansas City. Der Kansas City School District, i n dem etwa 60 % der zur Anrechnung kommenden jungen Leute lebten, wählte drei trustees, also 50 % des board. Steuerzahler aus Kansas City erhoben Klage gegen diese Regelung m i t der Begründung, sie verletze die equal protection clause der Bundesverfassung. Der Supreme Court von Missouri 1 0 5 bestätigte ein die Klage abweisendes Urteil erster Instanz und erklärte, der board of trustees sei „essentially an administrative body", den die Legislative geschaffen habe mit der einzigen und speziellen Aufgabe, ein zweijähriges junior college zu leiten. Deshalb sei Avery und das one man — one vote Prinzip nicht anwendbar. Vielmehr müsse der board als nicht-legislative Verwaltungseinheit ähnlich dem county school board i n Sailors gesehen werden. Der United States Supreme Court kam jedoch zu einem anderen Ergebnis. Justice Black formulierte die Mehrheitsentscheidung, gegen die die Justices Harlan und Stewart sowie der an die Stelle Earl Warrens getretene Chief Justice Burger Front machten. Black führt zunächst die gesetzlich festgelegten Befugnisse der trustees an: Steuern festzusetzen und zu erheben, bestimmte bonds auszugeben, Lehrer anzustellen und zu entlassen, Verträge abzuschließen, Gebühren zu erheben, Studenten disziplinarisch zu bestrafen, über Anträge anderer Schuldistrikte auf Aufnahme i n den junior college district zu beschließen, Grundstücke i m Wege der Enteignung zu erwerben und allgemein das junior college zu verwalten. Dann erklärt er schlicht: Auch wenn diese Befugnisse nicht ganz so umfassend sind wie die der Midland County commissioners, so zeigen sie doch, daß die trustees „important governmental functions" erfüllen. W i r meinen, diese Befugnisse sind „general enough and have sufficient impact throughout the district", um das Prinzip, das w i r i n Avery angewendet haben, auch hier anzuwenden 1 0 8 . Bis hierher war das Urteil eine Anwendung des „general powers" Test der Auen/-Entscheidung, modifiziert durch den „importance of power" Ansatz des Strickland-Urteils. Dann jedoch wandte sich die Entscheidung den Prinzipien zu: Obwohl das A m t der trustees sich von den Ämtern i n den früheren Fällen unterscheide, so sei es doch genau das gleiche i n dem einen entscheidenden Punkt: Die Amtsträger werden durch allgemeine Wahlen bestimmt. Dies sei der „constant factor" aller apportionment Entscheidungen. 105 10β
Hadley v. Junior College District, 432 S.W. 2d 328 (S.Ct.Mo. 1969), at 333. Hadley, 397 U.S. at 54.
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When a court is asked to decide whether a State is required b y the Constit u t i o n to give each qualified voter the same power i n an election open to all, there is no discernible v a l i d reason w h y constitutional distinctions should be d r a w n on the basis of the purpose of the e l e c t i o n . . . W h i l e there are differences i n the powers of different officials, the crucial consideration is the r i g h t of each qualified voter to participate on an equal footing i n the election process . . . and f r o m their perspective the h a r m f r o m unequal treatment is the same i n any election, regardless of the officials selected 107 . G e g e n ü b e r W e i n s t e i n s h ä u f i g b e n u t z t e m T e s t 1 0 8 w a n d t e die M e h r h e i t des Gerichts e i n : I f the purpose of a particular election were to be the determining factor . . . courts w o u l d be faced w i t h the difficult job of distinguishing between various elections 1 0 9 . D i e s e n G e d a n k e n w e i t e r s p i n n e n d n a h m B l a c k zuerst J u s t i c e F r a n k f u r t e r s F r a g e nach d e n j u d i c i a l l y m a n a g e a b l e standards a u f u n d p r ü f t e d i e Hypothese, die e q u a l p r o t e c t i o n clause g e l t e n u r f ü r „ i m p o r t a n t elections". Seine A n t w o r t : Das k o m m t doch w o h l ganz a u f die Sicht des e i n z e l n e n W ä h l e r s an. W e n n aber e i n E i n z e l s t a a t vorschreibe, daß e i n A m t s t r ä g e r d u r c h a l l g e m e i n e W a h l z u b e s t i m m e n sei, d a n n sei schon das e i n ausreichendes A n z e i c h e n d a f ü r , daß das A m t w i c h t i g , d i e W a h l „ i m p o r t a n t " ist. Ä h n l i c h b e u r t e i l t e d i e M e h r h e i t d i e U n t e r s c h e i d u n g zwischen W a h l e n für Amtsträger m i t legislativen Aufgaben u n d Wahlen zu administrat i v e n Ä m t e r n . D i e U n t e r s c h e i d u n g sei i n gleicher Weise „ u n m a n a g e a b l e " , denn, z i t i e r e n d aus Avery: „(G)overnmental a c t i v i t y cannot easily be classified i n t h e n e a t categories f a v o r e d b y civics tests." Desh a l b k a m die M e h r h e i t z u d e m E r g e b n i s , daß (A)s a general rule, whenever a state or local government decides to select persons b y popular election to perform governmental functions, the Equal Protection Clause of the Fourteenth Amendment requires that . . . w h e n members of an elected body are chosen f r o m separate districts, each dist r i c t must be established on a basis w h i c h w i l l insure, as far as is practicable, that equal numbers of voters can vote for proportionally equal numbers of officials 1 1 0 . Davon
hielt
der
Supreme
Court
nur
eine
einzige
Ausnahme
für
möglich: I t is of course possible that there might be some case i n which a State elects certain functionaries whose duties are so far removed f r o m n o r m a l governmental activities and so disproportionately effect different groups that a popular election i n compliance w i t h Reynolds . . . might not be required 1 1 0 .
107 108 109 110
Id. at 54/55. Siehe oben, T e x t zu A n m . 102. Hadley, 397 U.S. at 55. Id. at 56.
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T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
I m anstehenden Fall sah das Gesetz vor, daß ein Schuldistrikt, der zwischen 33,3 °/o und 50 % der gesamten „school enumeration" umfaßt, zwei von insgesamt sechs trustees wählen durfte. Bei Zahlen zwischen 50 °/o und 66,6 % sollten drei trustees und bei über 66,6 % vier trustees i n dem betreffenden Schuldistrikt direkt gewählt werden. Die jeweiligen restlichen trustees waren von den übrigen Schuldistrikten at-large zu wählen. Nach diesem System haben die Wähler i n großen Schuldistrikten zwar oft weniger wirksame „voting power" als die i n den kleinen Schuldistrikten, aber sie können niemals mehr haben. Doch auch diese A r t „eingebauter" Diskriminierung verletzt nach Auffassung der Mehrheit des Supreme Court das one man — one vote Prinzip. Chief Justice Burger verfaßte eine kurze abweichende Meinung, i n der er das Fehlen sinnvoller Richtlinien für die Anwendung der „general rule" kritisierte. I m übrigen Schloß er sich zusammen mit Justice Stewart der dissenting opinion Justice Harlans an. Harlan wies darauf hin, daß die Mehrheit i n Hadley die relative Flexibilität der Avery-Regel, daß das one man — one vote Prinzip nur auf „general governmental bodies" Anwendung findet, aufgegeben habe 1 1 1 . Dieses Ergebnis müsse keineswegs aus dem geltend gemachten Fehlen rechtlicher Regeln für eine Unterscheidung zwischen den Wahlen zu den verschiedenen kommunalen Verwaltungsorganen gefolgert werden. Wenn überhaupt, sei allein die Ähnlichkeit der Funktionen von generell für die Verwaltung eines Gebietes zuständigen lokalen Organen m i t Legislativen des Staates ein rechtfertigender Grund für das Aufzwingen der formalen Wahlgleichheit. Die offensichtlich neue, der Strenge der legislativen apportionment Fälle entsprechenden Regel für sämtliche lokale Verwaltungseinheiten stellte Harlan jener Aussage i n Reynolds gegenüber, daß mehr Flexibilität i n einzelstaatlichem apportionment erlaubt sein könne als i n der Wahlkreiseinteilung für den Kongreß, und folgerte aus letzterem: „The need for more flexibility becomes greater as we proceed down the spectrum from the state legislature to the single-purpose local entity 1 1 2 ." Dann wandte Harlan sich dem konkreten Fall zu und verwies zunächst auf das Motiv der Legislative Missouris, das Errichtungsgesetz von 1961 zu erlassen: Die Bildung von junior colleges sollte erleichtert werden, denn die bis dahin geltende Regelung, daß jeder Schuldistrikt ein junior college errichten durfte, hatte nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Waren es 1961 nur 5000 Studenten i n sieben junior colleges, so hatten sich 1967 bereits 120 Schuldistrikte i n zwölf junior college 111 112
Harlan, dissenting i n Hadley, 397 U.S. 59 at 60. Ibid. at 67.
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districts mit über 30 000 Studenten zusammengeschlossen. Dies, so meinte Harlan, sei das Ergebnis des neuen Gesetzes, das eine angemessene Repräsentation mit den praktischen Problemen der Errichtung neuer Bildungseinrichtungen zu verbinden verstanden hatte. Ein besonders großer Schuldistrikt beteiligte sich freiwillig m i t der genauen Kenntnis, daß seine Repräsentation i m board of trustees etwas geringer sein würde als sein genau proportionaler Anteil an der gesamten school enumeration. Ein solcher Schuldistrikt könnte ja auch ein eigenes junior college errichten. Hier sei also ein freiwilliger Kompromiß ähnlich der Bildung der USA aus dreizehn kleinen und großen Einzelstaaten zustandegekommen. Dementsprechend hätte nach den Ausführungen i n Reynolds das Gericht das apportionment der junior colleges als strukturell verfassungsgemäß hinnehmen können. I m übrigen widerspreche das Hadley-Urteil auch dem Erfordernis der Gleichheit „as far as practicable", denn jede prozentuale Regelung i m Gesetz enthalte ein „ b u i l t - i n bias" entweder gegen kleine oder gegen große Schuldistrikte. Deshalb sei es Missouri praktisch untersagt worden, eine i m Gesamtstaat geltende Regelung zu treffen. Es müsse nun für jeden junior college district eine eigene apportionment Regelung getroffen werden. Sicherlich könnte doch Missouri feststellen, daß das zu umständlich und daß eine gesamtstaatliche Regelung besser sei. Rechtfertigen diese Überlegungen nicht den Schluß, die i m Errichtungsgesetz getroffene Repräsentationsregelung schaffe Gleichheit „as far as is practicable"? Die Mehrheit gebe keinen Hinweis, was denn „practicable" sei. Sie schlage zwar vor, mehrere kleine Schuldistrikte sollten gemeinsam repräsentiert werden. Wenn das bei sechs trustees vielleicht noch möglich sei, bei drei trustees gebe es Schwierigkeiten. Sei ein board mit drei Mitgliedern deshalb verfassungswidrig? Und warum sollte bei Schuldistrikten eine solche relativ ungleich große Repräsentation zulässig sein, wenn sie bei counties i m legislativen apportionment nicht verfassungsmäßig sei? Wenn also Repräsentation von mehreren Distrikten der geforderten Gleichheit nicht entsprechen könne, warum verlange der „as far as practicable" Standard nicht gleich Wahlen at-large für die trustees? M i t diesen Fragen w i l l Harlan aufzeigen, daß die Anwendung der strengen one man — one vote Formel das Gericht nicht davon befreit hat, politische Überlegungen zu beurteilen und so eine politische, nicht mehr rechtliche Entscheidung zu fällen. Er schlägt vor, die Konsequenzen des strikt angewandten one man — one vote dadurch zu mildern, daß auf lokaler Ebene vernünftige Gründe, die legitime Interessen eines Staates widerspiegeln, als Rechtfertigungsgrund für relativ geringe Abweichungen von der absoluten Gleichheit anerkannt werden.
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Teil I I : Das Prinzip des one man — one vote
b) Die Rechtslage nach Hadley Justice Harlans Feststellung, daß der Supreme Court i n Hadley die i n Avery enthaltenen Grenzen gesprengt hat, ist richtig: 1. Die „ground rule" i n Avery umfaßt nur Verwaltungseinheiten m i t „general governmental powers". Hadleys „general rule" betrifft alle Amtsträger, die i n allgemeinen Wahlen berufen werden und „governmental functions" ausüben, also auch solche, die spezielle Verwaltungseinheiten leiten. 2. Dem Ansatz entsprechend wären nach Avery Verwaltungseinheiten m i t speziellen Aufgaben von der one man — one vote Regel nicht betroffen. Ausdrücklich als möglicherweise ausgenommen hat der Supreme Court dort allerdings nur jene speziellen Verwaltungseinheiten bezeichnet, deren Tätigkeit definierbare Wählergruppen mehr als andere Wähler betrifft. I n Hadley findet sich eine solche Lücke zwischen Regel und Ausnahme nicht. Die Regel betrifft alle gewählten Amtsträger, die Ausnahme läßt eine Einschränkung der Wahlberechtigung zu, wenn (a) die Pflichten des zu wählenden Amtsträgers „normal governmental activities" nicht umfaßt und (b) die Funktionen des Amtsträgers bestimmte Gruppen i n so besonderer Weise betrifft, daß allgemeine Wahlen nach den Reynolds-Regeln nicht nötig sind. 3. Dennoch hat Hadley die Entscheidung i n Avery nicht etwa „overruled". Die Mehrheit wendet i n Hadley ausdrücklich den Avery-Test an. Es spricht also nichts dafür, daß der Supreme Court andere Regeln i n lokalen apportionment Sachen aufstellen wollte. Entscheidend sollten weiterhin sein „general governmental powers over an entire geographic area". Doch das Gericht legt seinen Begriff „general powers" aus: Es sind darunter nicht nur jene umfassenden Befugnisse zu verstehen, die der einzige „general governmental body" einer Gebietskörperschaft hat, sondern auch umfassende Befugnisse i n bezug auf einen begrenzten Aufgabenbereich (ζ. B. junior college), wenn diese „important" sind und „sufficient impact" i m gesamten Distrikt haben. Avery und Hadley lassen sich deshalb interpretieren als Entscheidungen, die sich jeweils m i t einem der beiden Elemente einer Analogie zu Reynolds besonders befassen: m i t legislativen Befugnissen und m i t dem Wahlverfahren. Eine direkte Analogie zu Reynolds — Justice Fortas' Miniaturlegislative — lehnte das Gericht ab. Der Mehrheit i n Avery genügte eine Verwaltungseinheit m i t generellen Befugnissen — zumindest, weil eine Gewaltenteilung auf lokaler Ebene nicht besteht. Nun ließe sich argumentieren, der Supreme Court habe die Reynolds-Regeln i n Hadley nur angewandt, weil die Befugnisse des board
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of trustees generell genug waren, u m Avery anzuwenden, insbesondere, weil die als „important powers" zu qualifizierenden Befugnisse, Steuern festzusetzen und einzutreiben, vorhanden waren. Diese Unterscheidung i n generell — speziell oder besser: wichtig — unwichtig ist sicherlich Grundlage der holding — und m i t einer einschränkenden Interpretation läßt sich Hadley durchaus so begrenzen. Die Mehrheit i n Hadley, fünf Justices, interpretierte die apportionment Fälle allerdings uneingeschränkt als right to vote Fälle. Das Recht auf Gleichheit der Wahl kann aber i n jeder Wahl verletzt werden. Würde der Supreme Court diese Sicht der Dinge durchhalten — Justice Black vertrat diese Auffassung mindestens seit Colegrove ν . Green (1946) —, dann würde die Analogie zu Reynolds an Bedeutung verlieren und Hadley sich als die neue Grundsatzentscheidung i n allen nichtlegislativen apportionment Fragen erweisen. Einschränkungen würden dann nicht mehr bei der Gleichheit, sondern nur noch bei der Allgemeinheit der Wahl möglich sein 1 1 8 . c) Regional government als Prüfstein M i t Hadley ist auch die Bildung von general regional districts, metropolitan governments und councils of governments schwieriger geworden. Idealtypisch sind „metros" — i m Gegensatz zu regional zuständigen Verwaltungseinheiten m i t einer speziellen Aufgabe wie Wasserversorgung, Müllabfuhr, Straßenbeleuchtung, etc. — Verwaltungseinheiten mit general governmental powers i n einem Gebiet, das die Gebiete jener bisher selbständigen generell zuständigen governments umfaßt, die sich zu einer einzigen Einheit zusammengeschlossen haben. Bisher haben sich erst i n drei Fällen eine Stadt m i t ihrem Umland zu einer Metropole dieser A r t zusammengeschlossen: 1963 Nashville m i t Davidson County, Tennessee, 1967 Jacksonville m i t Duval County, Florida, und 1970 Indianapolis mit Marion County, Indiana 1 1 4 . Die Zusammenschlüsse i n Tennessee und Florida haben große Ähnlichkeit miteinander. I m Nashville Projekt wurde ein general service district gebildet, der beispielsweise Gesundheitswesen, Sozialhilfe, 113
Dazu näher unten, T e i l I I C. Dazu Huston, „Special Service Districts i n a City-County Consolidation: Conflict between Metropolitan Reform and ,One M a n — One Vote* i n Indianapolis-Marion County", 47 I n d L J 101 (1971); Grant & M c A r t h u r , ,„One M a n — One Vote 1 and County Government: Rural, U r b a n and Metropolitan Implications", 36 Geo Wash L Rev 760 (1968). E i n vierter Zusammensdiluß w a r mehr eine Konsolidierung zweier Stadtteile: Baton Rouge — East Baton Rouge, Louisiana. 114
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T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
Polizei, Steuern, Krankenhäuser, Parks, Spiel- und Erholungsstätten umfaßt. Die Urbanen Sonderdienstleistungen, wie die Straßenreinigung und -beleuchtung, Feuerwehr und Müllabfuhr, blieben dagegen auf das Stadtgebiet beschränkt 115 . Für sie zahlen die Stadtbewohner zusätzliche Steuern. I n Jacksonville gibt es neben dem general service district fünf getrennte urban service districts. Doch alle bisher genannten Dienstleistungen werden vom general government administriert. Indianapolis dagegen ist anders organisiert. Hier fusionierten Stadt und county nicht vollständig: nach Indianas Uni-Government Act von 1969 bleiben Orte über 5000 Einwohner — das waren drei i n Marion County — von dem Zusammenschluß ausgeschlossen, obwohl sie zuvor Teile der county waren 1 1 6 . Ferner blieben die bestehenden Schuldistrikte, Polizei und Feuerwehr unangetastet. Allerdings hat das neue general government auf diesen Gebieten special service districts eingerichtet, die mehrere bestehende Distrikte zusammenfassen. I n dem Polizeidistrikt können sich auch die an sich von der Konsolidierung ausgeschlossenen drei Ortschaften beteiligen. Für die haushaltsmäßige Betreuung der special districts (einschließlich Steuererhebung) wurden besondere special service district councils errichtet. Mitglieder sind diejenigen der 25 Abgeordneten i m city-county council, i n deren Einzelwahlkreisen 50 °/o der Bevölkerung die special services i n Anspruch nehmen, und die i n der county at-large gewählten Abgeordneten, wenn 60 °/o der county Bewohner i m special service district wohnen. Dieses eigenartige Arrangement w i r f t erneut die Frage auf, ob solche ex officio Mitglieder nach einem „basically appointive" Verfahren bestimmt worden sind. I n Sailors ν . Board of Education (1967) hatte der Supreme Court die Wahl eines county school board als „appointive" angesehen, bei der nur jeweils ein Vertreter des lokalen school board stimmberechtigt war. I n Indianapolis fehlt es dagegen an einem besonderen Wahlakt zum special council. Gewählt w i r d der Abgeordnete von der Bevölkerung zum Repräsentanten i m allgemeinen Rat. Er ist ex officio Mitglied i m special council, wenn sein Wahldistrikt m i t 50 bzw. 60 °/o am special service district beteiligt ist. Daß damit die Mitglied115
Näher dazu Huston, ibid. at 102, η. 8. I n mehrfacher Hinsicht w u r d e n die Orte dennoch der jurisdiction der neuen Einheit unterworfen, i n Indianapolis ζ. B. durch den County Drainage Board, das Department of Flood Control, den Board of Public Works i n L u f t verschmutzungsangelegenheiten, etc. Dafür nahmen die Bewohner dieser Orte an der W a h l der Abgeordneten at-large zum neuen Rat u n d z u m B ü r germeister teil. I n Dortsch v. Lugar, 266 N.E. 2d 25 (1971) rechtfertigte der Indiana Supreme Court diese Regelung unter Berufung auf A v e r y v. M i d l a n d County (1969), indem er feststellte, v o n einer erheblichen Z a h l der Entscheidungen des Rats w ü r d e n die Einwohner der „excluded cities" betroffen, w e n n auch vielleicht weniger intensiv als die Einwohner der neuen Stadt. 116
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schaft als „basically elective" bezeichnet werden muß 1 1 7 , ist nicht sogleich einsichtig. Würde der allgemeine Rat die special council M i t glieder, selbst mit Rücksicht auf die Repräsentation der vom special district Betroffenen, delegieren, d.h.: aus seiner Mitte wählen, so entspräche das dem Verfahren i n Sailors . Genau diese Rücksichtnahme schreibt das Gesetz aber nun vor und verengt damit den Entscheidungsspielraum für die Wahl auf Null. So braucht eine Wahl nicht mehr stattzufinden, weil sie zum selben Ergebnis führt. Dennoch: dies ist nicht Sailors . Dort sollten die Mitglieder des county school board nicht repräsentieren, sondern aus fachlicher Kompetenz geborene Entscheidungen treffen — durchaus politisch, aber ohne Verantwortung gegenüber der Basis, den betroffenen Eltern. I m special service district council von Indianapolis sollen die Betroffenen ihre Stimme hören lassen. Nur auf einen zusätzlichen Wahlakt w i r d verzichtet, weil die ex officio Mitglieder schon Repräsentanten ihrer Wahlkreisbevölkerung sind. Damit schlägt die U r w a h l quasi durch auf die special council Mitgliedschaft und macht das Verfahren „basically elective". Als solche wären die apportionment Prinzipien anzuwenden. Doch scheint mir das Verfahren i n Indianapolis weniger das Gebot des one man — one vote zu verletzen, als vor allem die Wahlberechtigung gleichheitswidrig zu verteilen. Die gesetzliche Regelung bewirkt, daß solche Wähler ein Ratsmitglied auswählen können, die gar nicht von dem special district betroffen sind, während andererseits Betroffene, die zudem für die Dienstleistungen Steuern zu zahlen haben, das Wahlrecht zum special council nicht haben, weil sie i n ihrem Wahlkreis weniger als 50 °/o der Wähler stellen 1 1 8 . Die Ratsmitglieder des city-county council allerdings werden auch i n Indianapolis i n allgemeiner Wahl bestimmt, so daß für sie nach Avery das one man — one vote Prinzip gilt. I n einigen Gebieten, i n denen regional zuständige Verwaltungseinheiten m i t speziellen Aufgaben, also special service districts der soeben erörterten Art, bestehen, haben die einzelnen beteiligten Gemeinden versucht, mehrere solcher speziellen Einheiten unter einem leitenden Organ zusammenzufassen und diesem noch weitere regionale Aufgaben, zum Teil m i t begrenzten legislativen Befugnissen, zu übertragen. Solche multi-purpose districts sind aber bisher stets an der Abneigung der Wähler gescheitert 119 . Schon den special districts war vorge117
So auch Huston, ibid. at 107. Ä h n l i c h hat es i m Grundsatz der federal district court gesehen, der i n B r y a n t v. Whitcomb ( C i v i l No. I P 69-C-115, S.D.Ind. 1970), ohne ein E n d u r t e i l zu sprechen, einzelne Normen als verfassungswidrig bezeichnete u n d dem Gesetzgeber Vorschläge zur Abänderung unterbreitete (berichtet nach Huston, ibid. at 111). 118
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worfen worden: Sie reagierten nicht auf lokale Wünsche und Anregungen. Sie koordinierten ihre Tätigkeit nicht wirksam m i t denen der anderen lokalen Verwaltungseinheiten. Sie lösten regionale Probleme nur punktuell und damit weitgehend wirkungslos. Doch entscheidend war wohl die Befürchtung der gewählten lokalen Amtsträger, durch die Entwicklung zu größeren Einheiten die Kontrolle über ihre Kommune zu verlieren. Hier bot sich als Kompromiß 1 2 0 ein gemeinsames Organ waltungsspitzen, der council of governments (COG), an: cities, counties und andere Verwaltungseinheiten behalten tionen, die mayors aber bilden einen gemeinsamen Rat zur gionaler Probleme.
lokaler VerTownships, ihre FunkLösung re-
Zwischen 1954 und 1970 sind mehr als 150 solcher COGs m i t unterschiedlicher Rechtsform entstanden, die Mehrzahl von ihnen i n den späten 60er Jahren 1 2 1 . Das bekannteste Beispiel ist San Franciscos Association of Bay Area Governments 122 . Gemeinsam ist ihnen jedoch stets, daß der gewählte oberste Amtsträger jeder beteiligten Gemeinde dem Rat angehört, jede Gemeinde nur eine Stimme besitzt und es ihr freisteht, jederzeit aus dem Rat auszuscheiden. Vorteilhaft w i r k t e sich zunächst vor allem der Abbau gegenseitigen Argwohns durch Kommunikation aus. Gemeinsame regionale Planung aufgrund gemeinsam erarbeiteter Grundlagen wurde dadurch möglich. Geschah dies anfangs nur als Empfehlung an die Mitglieder, so später als gemeinsamer Beschluß. Kooperative Dienstleistungen schlossen sich an: Informationszentralen der Polizei, regionale Datenerfassung und -Verarbeitung i n Datenbanken, gemeinsamer Grunderwerb. Diese kooperativen Bemühungen erfuhren Unterstützimg durch finanzielle Zuwendungen des Bundesgesetzgebers 128 . Je mehr und je wichtiger aber die Entscheidungen werden, die die Gemeindevertreter i m COG treffen, desto mehr stellt sich die Frage 119 Vgl. Advisory Commission on Intergovernmental Relations, Summary of City-County Consolidation Developments (Dec. 1969). 120 Andere Formen sind: City-County Zusammenschluß unter einem home rule charter, Übernahme von county Aufgaben durch die Stadt, A n n e x i o n der county durch die Stadt. Vgl. dazu näher Grant & M c A r t h u r , ibid. Z u r K r i t i k vor allem Dixon, „Rebuilding the U r b a n Political System: Some Heresies Concerning Citizen Participation, Community Action, Metros, and One M a n — One Vote", 58 Geo L J 955 (1970). 121 Smith, Stanford, „ T h e Constitutionality of a One U n i t — One Vote Rule by M a t u r i n g Councils of Governments", 1971 U t a h L Rev 94, at 97. 122 v g l . dazu z.B. Jones, Victor, „Metropolitan Detente: Is I t Politically and Constitutionally Possible?", 36 Geo Wash L Rev 741 (1968). 123 Nach dem Housing and U r b a n Development A c t v o n 1965 (42 U.S.C. §§ 3301 - 3371) u n d dem Demonstration Cities and Metropolitan Development Act von 1966 (40 U.S.C. § 461-g).
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nach der angemessenen Repräsentation nicht der Gemeinde als body politic, sondern der betroffenen Bevölkerung. Die Bevölkerung wählt ihren obersten Gemeindevertreter auf der Basis one man — one vote. Der Gemeindevertreter ist ex officio M i t glied des COG, das sich freiwillig nur deshalb gebildet hat, weil jedes Mitglied gleiches Stimmrecht besitzt. Nach Hadley v. Junior College District (1970) und dem oben zum special district council von Indianapolis Angeführten ist auch hier an der Charakterisierung als „basically elective" nicht vorbeizukommen 1 2 4 . Hat sich der COG zum governmental body entwickelt, muß er nach dem Prinzip des one man — one vote zusammengesetzt sein, es sei denn, der Supreme Court würde für diese A r t „souverän" ausgehandelter Zusammensetzung die bisher stets abgelehnte „federal analogy" zulassen. Dafür gibt es i n der Tat gewichtige Argumente. Eine „federal analogy" bei der Zusammensetzung der einzelstaatlichen Legislative hat der Supreme Court i n Gray und Reynolds abgelehnt m i t der Begründung, die als Grundeinheiten verwendeten counties seien vom Staat gebildete Untergliederungen und deshalb nicht wie „a group of formerly independent States" zu behandeln. Dieses Argument gilt natürlich auch für die lokalen Einheiten unterhalb der counties. Dennoch: Councils of governments kommen (anders als die einzelstaatlichen Untergliederungen und ihre Organe) freiwillig durch „compromise or concession" zustande. COGs sind deshalb selbst nicht „state created". Die Gemeinden handeln auch unabhängig die ihren lokalen Verhältnissen entsprechenden apportionment Regeln aus. Insofern stehen sie den Schuldistrikten Missouris nicht gleich, die sich an die Prozentsätze des Errichtungsgesetzes für junior colleges halten mußten (Hadley). Die Bildung von umfassend oder auf Teilgebieten zuständigen Gemeindeverbänden zur Inangriffnahme der ständig wachsenden Probleme der Städte und Vorstädte w i r d immer notwendiger. W i l l der Supreme Court nicht entgegen seinem eigenen Bekenntnis „roadblock i n the path of innovation" (Avery) sein, dann muß er eine Möglichkeit für Experimente auf lokaler Ebene finden. Die Figur der „federal analogy" bietet sich dafür an. I n Sailors hat das Gericht die Frage ausdrücklich offengelassen, ob ein Einzelstaat lokale legislative Gremien i m Wege der Ernennung statt durch Wahl besetzen könnte. Insofern sind vom Governor eingesetzte metro boards wie der T w i n Cities Metropolitan Council von Minneapolis-St. Paul auch noch anfechtbar. Dennoch: Councils of go124 Anders Dixon, ibid. (oben, A n m . 120) at 982, der ein COG, das als region a l government w i r k t , unter die Ausnahmeregel von A v e r y v. M i d l a n d County bringen zu können glaubt.
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vernments, die durch freiwilligen Kompromiß sich zusammenschließender lokaler Gebietskörperschaften entstanden sind, können von den bisher i n der Rechtsprechung behandelten Verwaltungseinheiten unterschieden und i m Wege einer „federal analogy" als nicht verfassungsw i d r i g behandelt werden 1 2 5 . Wenn es auch wünschbar ist, die lokale Kooperation und die Bildung umfassenderer lokaler Verwaltungseinheiten nicht auch noch m i t rechtlichen Hindernissen zu belasten, so muß m i t Rücksicht auf Hadley doch daran gezweifelt werden, daß der Supreme Court die „federal analogy" für councils of governments zuläßt. Größer sind deshalb die Chancen der COGs, die Regel des one man — one vote inhaltlich zu unterlaufen 1 2 6 : Grundlage des Prinzips i m Hinblick auf governmental bodies ist das Postulat, daß niemand durch Mehrheitsbeschluß gebunden werden soll, wenn er nicht zuvor ein i m Verhältnis zu allen anderen an der Abstimmung Beteiligten gleich großes Stimmgewicht i n die Waagschale werfen konnte. Entscheidend ist dabei der Zusammenhang von Mehrheitsprinzip und rechtlicher Verbindlichkeit der Beschlüsse. Ein council, i n dem nur I n formationen ausgetauscht werden und der den Mitgliedern unverbindliche Ratschläge erteilt, braucht eindeutig nicht nach den apportionment Regeln zusammengesetzt zu sein. Jedes Mitglied kann frei entscheiden, ob es einen vorgeschlagenen Plan verwirklichen w i l l oder nicht. Gleichfalls nicht nach dem one man — one vote Prinzip besetzt zu sein, braucht ein council, i n dem alle Programme einstimmig verabschiedet sein müssen, u m bindend zu sein. Dabei ist Voraussetzung, daß die i m council gefällte Entscheidung des Gemeindeoberhaupts von i h m auch allein für seine Gemeinde getroffen werden kann oder daß ein Beschluß des COG erst wirksam wird, wenn alle zustimmungsbedürftigen Maßnahmen i n den zuständigen kommunalen Gremien genehmigt worden sind. Es handelt sich dann jeweils u m eigenständige, wenn auch koordinierte Verwaltungsentscheidungen. Ein COG kann daher auch auf der Basis einer Stimme pro Mitglied und zugleich dem Mehrheitsprinzip arbeiten, wenn gesichert ist, daß ein Mitglied jedem Programm, das i h m mißfällt, fernbleiben kann. 125 Ob das auch gelten muß, nachdem die ursprünglichen Gemeinden v ö l l i g u n d ununterscheidbar i n der größeren Kommune aufgegangen sind — diese Entwicklung haben einige Stadtteile New Yorks durchgemacht —, ist eine Frage, deren Beantwortung m i t einer ähnlichen Problematik belastet ist w i e die des gewachsenen malapportionment: W a n n werden tatsächliche Verhältnisse verfassungswidrig, w e m obliegt die Aufklärungspflicht u n d w i e w e i t reicht diese? 126 Vgl. S m i t h ibid. at 102 et s.
Β . Ausweitung auf den Kommunalbereich
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Dann bleiben alle Projekte durchführbar, für deren ökonomisch sinnvolle Durchführung nicht die Teilnahme aller Mitgliedsgemeinden erforderlich ist, wie ζ. B. bei regionalen Computerzentren. Programme, die nur gemeinsam verwirklicht werden können, müßten allerdings von allen getragen werden. Diese Einstimmigkeit ließe sich nun leichter herstellen, wenn sich die Mitglieder des COG Regeln unterwerfen, wonach etwa eine qualifizierte Mehrheit i n bestimmten Fragen der regionalen Entwicklung verlangen kann, daß nicht kooperationswillige Mitglieder entweder doch zustimmen oder aus dem council insgesamt ausscheiden. I n diesem Fall w i r d die dissentierende Gemeinde gezwungen abzuwägen, ob ihr die Ablehnungsgründe gewichtig genug sind, u m von der weiteren Teilnahme am regionalen Ausbau, an laufenden gemeinsamen Dienstleistungen und vor allem an der Verteilung von Geldern für die Regionalentwicklung, ζ. B. nach dem Demonstration Cities and Metropolitan Development Act von 1966, ausgeschlossen zu sein. Ob dann aber noch die Voraussetzung der Nichtanwendbarkeit des one man — one vote Prinzips, die wirksame Ausübung des Rechts, nicht teilzunehmen, gewährleistet ist, erscheint fraglich. Nicht mehr wirksam ist das Freiwilligkeitsprinzip jedenfalls, wenn gezwungenermaßen ausscheidende Gemeinden keine Möglichkeit haben, die bisher von dem COG dargebrachten Dienstleistungen, ζ. B. Abwässerbeseitigung, innerhalb angemessener Frist von anderer Seite zu erlangen. Deshalb werden nur solche Zwangsmaßnahmen für ein COG i n Frage kommen, die nicht den Ausschluß von allen gemeinsamen bisherigen oder auch zukünftigen Programmen beinhalten. Die größere A k t i v i t ä t regionaler councils führt aber ohnehin zu größerer Publizität. Wichtige, von der Mehrheit propagierte Programme können dann durch Öffentlichkeitsarbeit und damit indirektem Druck einem zunächst widerstrebenden Gemeindevorsteher „aufgezwungen" werden. Auch begrenzter finanzieller Druck bietet sich an, ζ. B. die Nichtrückerstattung eines Teils der Mitgliedsbeiträge für den council, den dieser für ein bestimmtes Programm ausgibt, obwohl die betreffende Gemeinde nun nicht mehr daran teilnimmt. Schließlich könnte jedes Mitglied verpflichtet werden, vor dem Ausscheren aus einem gemeinsamen Vorhaben das mehrheitliche Einverständnis seines Gemeinderats oder eine Entscheidung der Wähler herbeizuführen. Verfahren dieser A r t würden die Möglichkeit einer Gemeinde, aus dem COG auszuscheiden, nicht i n solcher Weise beschränken, als daß deshalb das one man — one vote Prinzip für dessen Zusammensetzung gelten müßte. Hier wäre die Freiwilligkeit der Entscheidung noch gewährleistet. Derzeit ist, soweit ersichtlich, i n den Statuten eines jeden COG das Recht auszuscheiden garantiert 1 2 7 . Je mehr sich das COG jedoch zum 11·
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general governmental body entwickelt, desto größer w i r d das Konfliktpotential, m i t dem es fertig werden muß. Die Grenze seiner W i r k samkeit liegt i n seiner essentiellen Freiwilligkeit. Ob das reicht, den COG von den Anforderungen der Rechtsprechung an die Besetzung von general governmental bodies mit important (legislative) functions zu bewahren, w i r d nicht zuletzt von den Anschauungen der neuen M i t glieder des Supreme Court abhängen. C. Die Grenzen des one man — one vote Prinzips im Bereich von Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl 1. Ausschluß des Grundsatzes one man — one vote bei besonderen Auswahlverfahren
I n den Entscheidungen von 1964 (Wesberry v. Sanders, Reynolds v. Sims, u. a.) hatte sich der Supreme Court dazu bekannt, daß für Wahlen zu den legislativen Körperschaften des Bundes und der Einzelstaaten gleich große Wahlkreise nach der equal protection clause erforderlich sind. Ungleich große Wahlkreise begründeten nun eine Vermutung dafür, daß das right to vote der Wähler i n den übergroßen Wahlkreisen verletzt worden ist. Ungleichheit der Bevölkerungszahl ließ sich nicht mehr durch Erwägungen über ausgleichende Repräsentation bestimmter Interessen rechtfertigen: Legislators represent people, not trees or acres. Legislators are elected by voters, not farms or cities or economic interests (Reynolds ν . Sims).
Galt aber das Erfordernis gleich großer Wahlkreise am Wahltag, so mußte es i m gesamten Wahlverfahren von Bedeutung sein. a) Zulassung neuer Parteien Seit langem hatte der Supreme Court anerkannt, daß auch die Gestaltung der Vorwahlen (Kandidatenauswahl) dann, wenn sie einen „integral part" des Wahlvorgangs bilden, gegen das right to vote verstoßen kann (US v. Classic, 1941; Smith v. Allwright, 1944). Doch i m Jahre 1949 hatte er i n MacDougall v. Green 1 mehrheitlich entschieden, daß die Voraussetzungen einer Kandidatenaufstellung, die Zulassung einer Partei zur Wahl überhaupt, vom zuständigen Einzelstaat beschränkt werden konnten: Die Statuten des Staates Illinois, die von den i m Gesamtstaat auftretenden Kandidaten insgesamt 25 000 Unterschriften einschließlich je 200 aus mindestens 50 der 102 counties verlangten, stünden m i t der Verfassung i m Einklang, obwohl 52 %> der Wähler des 127 Vgl. Hanson, „ T o w a r d a New U r b a n Democracy: Metropolitan Consolidation and Decentralization", 58 Geo L J 863 (1970). 1 Siehe oben, T e i l I Α., T e x t zu A n m . 75 ff.
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Staates allein i n Cook County (Chicago m i t Umland) und 87 °/o i n den 49 volkreichsten counties wohnten. 1968 war das Zahlenverhältnis noch eindrucksvoller geworden: 93,4 % der Wähler lebten i n 49 counties, 6,6 °/o i n den restlichen 53 counties. Kandidaten einer Partei m i t gerade 25 000 Anhängern unter den 6,6 °/o der Wählerschaft i m Lande konnten daher zur Wahl zugelassen, Kandidaten einer vielleicht viel größeren Partei, die Rückhalt i n der Wählerschaft von 93,6 °/o aller Wähler hat, mußten abgewiesen werden. M i t Bezug auf diese als diskriminierend empfundenen Verhältnisse griffen 1968 Kandidaten der American Independent Party des ExGovernors von Alabama, George Wallace, die Entscheidung des Illinois electoral board an, der ihnen die Zulassung zur Präsidentschaftswahl versagt hatte. Der federal district court lehnte unter Berufung auf MacDougall v. Green die Klage als unschlüssig (for failure to state a cause of action) ab 2 . I m Supreme Court jedoch, dessen MehrheitsVerhältnisse sich ja i n den 20 Jahren seit MacDougall erheblich verändert hatten, waren die Kläger erfolgreich. I n Moore v. Ogilvie (1969) entschied das Gericht: MacDougall v. Green is overruled. Die Entscheidung sei „out of line" m i t den apportionment Entscheidungen Baker ν . Carr (1962), Gray v. Sanders (1963), Reynolds v. Sims (1964). Die ratio der Vorschriften des Staates Illinois, jede neue Partei solle eine gewisse Unterstützung i m gesamten Staat nachweisen und sich nicht auf wenige Ortschaften beschränken, greift nach Auffassung des Supreme Court gegenüber der equal protection clause nicht durch. Die Regelung stelle eine rigide, willkürliche Formel dar, die wenig besiedelte und volkreiche counties ungerechtfertigterweise gleich behandele. Erneut legte der Supreme Court sein Bekenntnis ab: „The idea that one group can be granted greater voting strength than another is hostile to the one man, one vote basis of our representative government 8 ." Anderer Ansicht waren nur die Justices Stewart und Harlan. Sie meinten, die reapportionment Entscheidungen seien gar nicht einschlägig. Dort sei es u m Stimmen und Wähler gegangen. A l l e i n durch die Wahlkreiseinteilung seien dort die Wähler aus übermäßig großen Wahlkreisen diskriminiert worden, ohne daß sie m i t Aussicht auf Erfolg dem abhelfen konnten. Hier aber wäre überhaupt eine Rechtsverletzung so lange gar nicht möglich, wie die Kandidaten zugelassen werden würden. Es gäbe keinerlei Anzeichen dafür, daß die Kandidaten, wenn sie nur den Versuch gemacht hätten, nicht auch den Vorschriften erfolgreich hätten nachkommen können. (Mit anderen Worten: nach 2 3
Moore v. Ogüvie, 293 F.Supp. 411 (N.D.III. 1968). Moore v. Ogilvie, 394 U.S. 814, at 819.
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Auffassung der dissenters mangelte es den Klägern am Rechtsschutzinteresse, an dem Erfordernis von „case or controversy".) Die Gesamtzahl der verlangten Unterschriften stelle zudem nur V2 % der gesamten Wählerstimmen dar, so daß eine übermäßige Beschränkung des Zugangs zur passiven Wahl auch von daher nicht vorliege 4 . Moore v. Ogilvie sei viel eher m i t Dusch v. Davis (1967) zu vergleichen, i n dem Wohnsitzanforderungen für Kandidaten trotz unterschiedlich großer Wohngebiete als „reasonable" angesehen worden seien. Nicht die scheinbare Ausweitung von apportionment Regeln auf die Kandidatenaufstellung macht die Entscheidung Moore ν . Ogilvie zu einer interessanten, sondern zwei andere Tatsachen: 1. Hier w i r d MacDougall als Sachentscheidung gelesen und ausdrücklich overruled. I n der angeblichen political question Zeit des Supreme Court bis 1962 war gerade MacDougall stets an erster Stelle der Präzedenzien genannt worden 5 . Es zeigt sich jetzt, daß unsere Interpretation — zumindest soweit MacDougall betroffen ist — der Auffassung des Supreme Court entspricht. 2. Die Hinweise auf die apportionment Fälle und die Aussagen zum one man — one vote Prinzip sind i n der Entscheidung reine dicta. Moore ν . Ogilvie wurde entschieden nach dem traditionellen Raster der equal protection clause (arbitrariness, discrimination). Das Gericht hielt i m Jahre 1969 i m Gegensatz zu 1949 die i n dem Statut zum Ausdruck kommende Zweck-Mittel-Relation des Staates Illinois nicht mehr für reasonable. W i r können also feststellen: One man — one vote spielt nur dann eine Rolle, wenn ein Wahlgebiet i n vergleichbare Wahlkreise unterteilt worden ist bzw. werden soll. b) Nominierungsverfahren
und Präsidentschaftswahl
Das Prinzip des one man — one vote hat bisher auch seine Grenzen gefunden i m Vorfeld der Wahlen, i m Nominierungsverfahren, obwohl hier fast stets die eigentliche politische Entscheidung fällt. Die Gerichte haben i n den White Primary Cases® zwar alle Formen der rassischen 4 Der Supreme Court hatte i n Williams v. Rhodes, 393 U.S. 23 (1968) die Vorschriften des Staates Ohio f ü r verfassungswidrig erklärt, die von neu zuzulassenden Parteien ein Quorum von 1 5 % der Wählerschaft (dort ca. 433 000 Unterschriften) verlangten. 5 Siehe oben, T e i l I Α., T e x t zu A n m . 93. β N i x o n v. Herndon, 273 U.S. 536 (1927); N i x o n v. Condon, 286 U.S. 73 (1932); US v. Classic, 313 U.S. 299 (1941); S m i t h v. A l l w r i g h t , 321 U.S. 649 (1944); Terry v. Adams, 345 U.S. 461 (1953); sämtlich kurz dargestellt i n Scharpf, Grenzen, S. 272 ff.; seither: S m i t h v. Paris, 386 F. 2d 979 (5th Cir. 1967) aff'g 257 F.Supp. 901 (M.D.Ala. 1966) u n d US v. Democratic Executive Committee, 288 F.Supp. 943 (M.D.Ala. 1968) — gewollte D i s k r i m i n i e r u n g der
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Diskriminierung bei der innerparteilichen Auswahl von Kandidaten für verfassungswidrig erklärt. Aber sie erreichten das nur m i t der Figur des „integral part of the election process", die die Partei insoweit zum agent of the state, ihre Kandidatenauswahl zu state action machte. Dieses blieb die einzige Ausnahme von dem Grundsatz, daß Parteien als freiwillige Zusammenschlüsse Privater von staatlicher Aufsicht frei sind 7 . Deshalb erfuhr etwa die Forderung nach einer Wahl des county chairman durch alle registered voters der Partei (statt durch die Vorsitzenden der örtlichen Untergliederungen) keine richterliche Unterstützung 8 . Das gleiche gilt für state chairmen 9 , selbst wenn diese das Recht besitzen, einen neuen Kandidaten zu nominieren, falls der auf der Basis one man — one vote gewählte Kandidat gestorben ist oder von der Kandidatur zurücktritt. Die Auswahl der Wahlmänner für das sog. electoral college zur Bestimmung des Präsidenten der USA ist dem one man — one vote Test gleichfalls unterworfen worden. I n Delaware v. New York et al. (1966)10 griffen dreizehn Staaten die innerstaatliche Regelung an, daß derjenige Präsidentschaftskandidat, der die Mehrheit der Stimmen erhält, über sämtliche Wahlmännerstimmen des Staates verfügt (winner-take-all System). Die Parallele zu Gray v. Sanders (1963) ist offensichtlich. Doch da der Supreme Court hier i n erster Instanz zuständig und seine jurisdiction zudem rein discretionary ist, konnte das Gericht i n einem k u r zen Beschluß ohne irgendeine Begründung schon die Zulassung der Klage ablehnen 11 . Ein federal district court stellte 1968 die Vereinbarkeit einer at-large Wahl für die Wahlmänner eines Staates fest, weil innerhalb des Staates jeder Wähler gleiche Chancen habe 12 . Soweit i n anderen Staaten Neger durch Änderung des parteiinternen Wahlverfahrens von ungleich großen D i s t r i k t e n zu at-large Wahlen m i t Wohnsitzvorschrift unter dem Deckmantel, sich den neuen Reapportionment Entscheidungen anpassen zu w o l l e n (vgl. dazu unten, T e i l I I I C., Text zu A n m . 13). 7 So noch einmal sehr deutlich die federal district courts i n S m i t h ν. State Executive Committee, 288 F.Supp. 371 (N.D.Ga. 1968) u n d i n I r i s h v. Democratic-Farmer-Labor Party, 287 F.Supp. 794 (D.Minn. 1968) aff'd i n 399 F. 2d 119 (8th Cir. 1968). 8 Lynch v. Torquato, 228 F.Supp. 268 (W.D.Pa. 1964) aff'd i n 343 F. 2d 370 (3rd Cir. 1965). 9 z.B. Rogers v. State Committee of the Republican Party, 96 N.J.Super. 265 (Super. Ct. N.J. 1967). 10 Delaware v. New Y o r k et al., 385 U.S. 895 (1966). 11 Acht von dreizehn solcher Klagen innerhalb der original jurisdiction beschied der Supreme Court zwischen 1960 u n d 1966 m i t : „ M o t i o n for leave to file b i l l of complaint denied." 12 Williams v. V i r g i n i a State Board of Elections, 288 F.Supp. 622 (E.D.Va. 1968).
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T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
E i n e r w a h l k r e i s e f ü r electors g e b i l d e t seien u n d d i e W ä h l e r d o r t w i r k samer i h r e S t i m m e einsetzen k ö n n t e n , sei A b h i l f e n u r auf n a t i o n a l e r Ebene z u schaffen. E i n e solche K l a g e m e h r e r e r S t a a t e n aber sei gerade gescheitert (Delaware v. New York et al, 1966). D e r wissenschaftlichen B e h a n d l u n g des verfassungsrechtlich v e r a n k e r t e n V e r f a h r e n s z u r W a h l des P r ä s i d e n t e n 1 3 u n t e r d e m B l i c k w i n k e l d e r a p p o r t i o n m e n t Rechtsprechung h a b e n d i e E n t s c h e i d u n g e n a l l e r d i n g s A u f t r i e b gegeben. D i e L i t e r a t u r d a z u 1 4 b e g i n n t a l l m ä h l i c h ebenso u n ü b e r s e h b a r z u w e r d e n w i e d i e z u d e n a p p o r t i o n m e n t E n t scheidungen. D i e j ü n g s t e n V o r s t ö ß e p o l i t i s c h e r G r u p p e n u n t e r d e m B a n n e r des one m a n — one v o t e b e t r a f e n d i e B e s e t z u n g d e r e i n z e l s t a a t l i c h e n D e l e gationen i m Nominierungskonvent, der nationalen Parteiversammlung, d i e d e n P r ä s i d e n t s c h a f t s k a n d i d a t e n w ä h l t . D r e i B e r u f u n g s g e r i c h t e des B u n d e s h a b e n i n d e n J a h r e n 1971/72 das X I V . a m e n d m e n t f ü r a n w e n d b a r e r k l ä r t , a l l e r d i n g s n i c h t ganz e i n h e i t l i c h ü b e r d i e G r u n d l a g e eines a p p o r t i o n m e n t d e r D e l e g i e r t e n g e u r t e i l t 1 5 . 1972 befaßte sich d e r S u p r e m e C o u r t z u m e r s t e n M a l m i t d e r Frage. I n e i n e r S o n d e r s i t z u n g , d r e i Tage v o r B e g i n n des K o n v e n t s d e r D e m o k r a t i s c h e n P a r t e i , e n t schied sich d i e M e h r h e i t des Gerichts i n O'Brian v. Brown (1972) 1 6 f ü r 18
Dazu gehört auch die Regelung, daß, falls ein Kandidat eine absolute Mehrheit nicht erreicht (z. B. bei drei Kandidaten, w i e zuletzt 1968 m i t Nixon, McGovern u n d Wallace), die Entscheidung dem Repräsentantenhaus obliegt. Dabei haben die Abgeordneten eines jeden Staates n u r insgesamt eine einzige Stimme. Eine solche Entscheidung w a r bisher n u r i m Jahre 1800 nötig. Allerdings ging es damals noch u m die Wahl, w e r Präsident u n d w e r Vizepräsident sein sollte. Jefferson siegte schließlich i m 36. Wahlgang über Aaron B u r r (beide Republikaner, aber B u r r hatte mehr Sympathien bei den an sich geschlagenen Federalists). 14 Vgl. die Zusammenstellungen i n Note, „Regulation of Political Parties: Vote D i l u t i o n i n the Presidential Nomination Procedure", 54 l a L Rev 471 (1968), u n d Note, „The Presidential Nomination: Equal Protection at the Grass Roots", 42 So Calif L Rev 169 (1968). 15 Bode v. National Democratic Party, 452 F. 2d 1302 (D.C.Cir. 1971): V e r teilung gemäß dem Stimmenanteil bei der letzten W a h l nicht erforderlich; Georgia v. National Democratic Party, 447 F. 2d 1271 (D.C.Cir. 1971): Gesamtbevölkerung als apportionment Grundlage nicht verfassungswidrig; Maxey v. Washington State Democratic Committee, 319 F.Supp. 673 (W.D. Wash. 1970): beides möglich. Anders noch 1968 ein Gericht des 8th Circuit i n I r i s h v. Democratic-Famer-Labor Party, 399 F. 2d 119: malapportionment innerhalb des direkt wählenden precinct, der v o m Minnesota p r i m a r y l a w erfaßt w i r d , sei eine nicht justiziable Angelegenheit; einschlägig sei Sailors v. Board of Education (1967). 18 O'Brian ν. Brown, 92 S.Ct. 2718 (1972). Die Justices Douglas u n d Marshall votierten gegen die Vertagung. Marshall wies darauf hin, daß auch nach dem Konvent die Fragen nicht moot seien, da sie die Beteiligung am W a h l verfahren beträfen. I n der T a t : Moore v. Ogilvie (1969) ist als „continuing controversy" trotz Beendigung der W a h l i m Gericht entschieden worden. Vgl. zu den I m p l i k a t i o n e n Comment, „ O ' B r i a n v. B r o w n : The Politics of Avoidance", 58 l a L Rev 432 (1972).
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eine Vertagung i n der Sache u. a., weil noch eine innerparteiliche Lösung, die Entscheidung des Konvents selbst i n der Sache, möglich war. Darüber hinaus aber ließ die Mehrheit des Supreme Court Zweifel daran erkennen, daß 1. die Sache überhaupt justiziabel und 2. ein Verstoß gegen das X I V . amendment gegeben ist. Hier finden sich Formulierungen wieder, die an Colegrove ν . Green (1946) erinnern: O'Brian beträfe „relationships of great delicacy", die „essentially political" seien. Handelt es sich hier u m eine Neuauflage der „politischen" Entscheidungspraxis des Supreme Court i n apportionment Fragen vor Baker v. Carr oder um den Beginn der Festschreibung einer neuen political question Kategorie? Das Gericht unter Chief Justice Burger betritt hier verfassungsrechtlich neuen Boden. c) Governor-Stichwahl
durch die Legislative
Der Fall, daß ein Kandidat für ein höchstes Staatsamt nicht die absolute Mehrheit erhält, ist so selten nicht. Die Bundesverfassung schreibt für die Präsidentschaftswahl vor, daß die Auswahl des Präsidenten beim Repräsentantenhaus liegt, wenn kein Kandidat i m electoral college die absolute Mehrheit der Wahlmännerstimmen auf sich vereinigen konnte 1 7 . Ähnliche Regelungen sind i n den Verfassungen der meisten Einzelstaaten zu finden 1 8 . Georgias Verfassung sieht z.B. seit 1824 vor, daß die Legislative des Staates m i t einfacher Mehrheit zum Governor einen jener beiden Kandidaten wählt, die i n der allgemeinen Wahl die meisten Stimmen erhalten haben 19 . Eine solche Situation ergab sich nach der Wahl von 1966. Die Georgia General Assembly wählte daraufhin den Demokraten Lester G. Maddox zum Governor. Der Kandidat der Republikaner, Howard H. Callaway, der i n der allgemeinen Wahl die meisten Stimmen erhalten hatte 2 0 , unterlag. A u f die Klage von Wählern hin, die meinten, es hätte hier nach Georgias Wahlrechtsbestimmungen eine allgemeine Stichwahl stattfinden müssen, erklärte der federal district court die anderslautende Verfassungsbestimmung für verfassungswidrig 21 . M i t knapper Mehr17
Siehe oben, A n m . 13. Außer i n Georgia w ä h l t die Legislative i n Mississippi u n d Vermont den Governor, falls k e i n Kandidat i n der allgemeinen W a h l die absolute M e h r heit errungen hat. 37 weitere Einzelstaaten m i t relativer Mehrheitswahl überlassen ihrer Legislative die A u s w a h l des Governors i m Falle einer Stimmengleichheit. N o r t h Carolina hat eine solche Regelung i n einem einfachen Gesetz niedergelegt. 19 A r t . V, § 1 Constitution of the State of Georgia. 20 Callaway 47,07 °/o, Maddox 46,88 °/o, A r n a l l 6,05 °/o ( w r i t e - i n Kandiat). 21 Morris v. Fortson, 262 F.Supp. 93 (N.D.Ga. 1966). 18
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heit hob der Supreme Court i n Fortson v. Morris (1966) diese Entscheidung auf 2 2 . Er stellte fest, die Bundesverfassung zwinge einen Einzelstaat nicht, seinen Governor oder ein anderes Mitglied der Exekutive i n allgemeiner Wahl oder überhaupt durch Wahl zu bestimmen. Georgia habe sich für zwei alternative Wahlverfahren entschieden: Zuerst werde allgemein gewählt. Führe diese Wahl nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so finde eine neue Wahl nach einem anderen Verfahren statt: die Wahl durch die Legislative, wobei die erste Wahl als Nominierungsverfahren behandelt werde 2 3 . Vier Justices 24 waren anderer Auffassung. Für sie handelte es sich u m ein einziges Wahlverfahren m i t zwei Phasen, das dazu führen könne, daß der Gewinner verliere. Daher sei Gray v. Sanders (1963)25 einschlägig. Danach müsse jede Stimme dasselbe Gewicht haben wie jede andere. I n der Wahl durch die Legislative würden viele Stimmen aber gar nicht gezählt, selbst wenn der Abgeordnete ebenso stimmte wie die Mehrheit i n seinem Wahlkreis. I m übrigen zementierte die Entscheidung der Mehrheit des Gerichts den faktischen Einparteienstaat i m Süden. Die Mehrheit des Supreme Court interpretierte Gray v. Sanders dagegen viel enger. I n Gray sei vom Staat Georgia nur verlangt worden, das county u n i t system abzuschaffen. Das sei geschehen. Zwar sei die Legislative noch nicht verfassungsgerecht zusammengesetzt. Der Supreme Court habe ihr aber als Übergangsregelung i m Toombs υ. Fortson (1966)26 nur einige Beschränkungen auferlegt. Unter diese falle die Governor-Stichwahl nicht. Letzteres Argument griff Justice Fortas m i t Unterstützung von Chief Justice Warren und Justice Douglas zusätzlich an. Der Supreme Court habe i n Toombs der Legislative nur nicht ihren Status als de factoLegislative abgesprochen. Jetzt solle der Staat indirekt erreichen dürfen, was er direkt (durch das county unit system) nicht erreichen dürfe. Es sei auch sehr zu bezweifeln, ob ein Einzelstaat heute noch einen Governor durch die Legislative wählen dürfe. Die Mehrheit stelle das ohne hinreichende Erörterung einfach nebenbei fest. M i t ihrer Entscheidung kehre das Gericht die durch die apportionment und voting rights Entscheidungen i n Gang gesetzte Belebung der politischen Anteilnahme 22
Fortson v. Morris, 385 U.S. 231 (1966). Id. at 233/4; Georgias Governors waren bis 1824 ohnehin allein von der Legislative gewählt worden. Das Haus bestimmte drei Kandidaten, der Senat wählte einen aus. 24 Justice Douglas, dem sich Chief Justice Warren u n d die Justices B r e n nan u n d Fortas anschlossen, 385 U.S. 236 - 242. 25 Siehe oben, T e i l I I Α., Text zu A n m . 1 ff. 28 Toombs v. Fortson, 384 U.S. 210 (1966), aff'g 241 F.Supp. 65 (N.D.Ga. 1965). 28
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an der Basis um und storniere die Entwicklung zu tieferer Einsicht i n die dynamischen Verfassungsbestimmungen, die das grundlegende Element der Demokratie betreffen: das Wählen. I t is not merely the casting of the vote or its mechanical counting that is protected b y the Constitution. I t is the function — the office — the effect given to the vote, that is protected 2 7 .
I n Gray v. Sanders sei entschieden worden, daß die equal protection clause verletzt sei, wenn die Wahl zu einem A m t eine andere Grundlage habe als die Mehrheit der Stimmen. Von diesem Prinzip sei der Supreme Court i n Fortson v. Morris (1966) abgerückt. d) Richterwahlen I n Hadley v. Junior College District als „general rule" festgelegt, daß
(1970) hat der Supreme Court
„ w h e n members of an elected body are chosen f r o m separate districts, each district must be established on a basis w h i c h w i l l assure, as far as practicable, that equal numbers of voters can vote for proportionately equal numbers of officials" 2 8 .
Unter diese Hegel fallen auf den ersten Blick auch die Richter, soweit sie aus unterschiedlich großen Bezirken i n ihr A m t gewählt werden. Sieht man die Entscheidungen des Supreme Court streng unter dem Gesichtspunkt des right to vote, dann macht es keinen Unterschied, welches A m t durch Wahl besetzt werden soll: Soll gewählt werden, so muß jede Stimme gleichwertig sein. Dennoch bleiben Zweifel, die an die Funktion des Richteramtes anknüpfen. Sollte das one man — one vote Prinzip so völlig unabhängig von seinem Ziel verstanden werden können? Legislative oder auch administrative Aufgaben haben die Richter, zumindest idealtypisch, nicht, und nur i m Zusammenhang m i t den Wahlämtern der Legislative und Exekutive ist das Prinzip zu verfassungsrechtlicher Anerkennung gelangt. I m Jahre 1966 gab es die Richterwahl i n 33 Staaten der Union 2 9 . I n 24 Staaten wählten die Bürger at-large, i n drei gab es zusätzliche Wohnsitzvoraussetzungen, i n einem Staat gab es drei Richter aus Wahlbezirken und zwei at-large gewählte. Fünf Einzelstaaten benutzten das reine Wahlkreissystem. I m Romiti ν. Kerner (1966) war der Streitfall zunächst eindeutig gegeben. Die Kläger beriefen sich auf Gray v. Sanders (1963) und ver27
Fortas, dissenting i n Fortson v. Morris, 385 U.S. 242, at 250. Hadley, 397 U.S. 50 at 56. 29 I n 13 Staaten ernannte der Governor die Richter, i n sechs davon m i t legislativer Zustimmung. I n den restlichen f ü n f Staaten ernannte die Legislative oder einer ihrer Ausschüsse die Richter. Diese Aufstellung findet sich i n Appendix, Brief of Defendant W i l l i a m J. Scott, R o m i t i ν. Kerner, 256 F.Supp. 35 (N.D.III. 1966). 28
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suchten, das one man — one vote Prinzip generell auf die Justiz auszudehnen, soweit Richter gewählt und nicht ernannt wurden. Die Beklagten verwiesen demgegenüber auf die Entwicklung des Prinzips i m Zusammenhang mit „repräsentativen" Organen und die völlig andere Funktion der Richter: Sie sollen unparteiisch m i t fachlichem Können entscheiden und möglichst lange ihr A m t ausüben. Besondere Umstände i m Laufe des Prozesses führten dann dazu, daß die verfassungsrechtlichen Fragen i n Romiti υ. Kerner nicht entschieden zu werden brauchten 30 . Aber die Richter des federal district court machten klar, sie hätten wenig Zweifel, daß i n einem geeigneten Fall ein rechtlich erheblicher Unterschied zwischen den apportionment Regeln bei Wahlen zur Legislative und bei der Wahl von state supreme court Richtern gefunden werden würde. Stokes v. Fortson (1964)31 war ein solcher Fall nicht. I n Georgia hatte jeder Gerichtsbezirk ein Obergericht m i t einem i m Bezirk ansässigen Richter, der dort nominiert, aber von der Bevölkerung des gesamten Staates gewählt wurde. Das Hauptproblem lag hier i n der faktischen Ausschaltung von schwarzen Kandidaten und republikanischen Parteigängern. Doch der federal district court zog m i t Rücksicht auf die Reapportionment Cases den klaren Strich: Manifestly, judges and prosecuters are not representatives i n the same sense as are legislators or the executive. Their function is to administer the law, not to espouse the cause of a particular constituency 8 2 .
I n zwei weiteren Fällen ging es nicht u m die Wahl der Richter, sondern die Aufteilung ihres Arbeitsgebietes nach Bevölkerungszahl, also um Dienstleistung, nicht u m Kontrolle. I n Buchanan ν . Rhodes (1966)33 hielt ein federal district court die Verteilung der richterlichen Amtssitze auch nach dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit für die Parteien für legitim, und i n Trial Lawyers v. Rockefeller (1967)34 erkannte ein 30 R o m i t i v. Kerner, 256 F.Supp. 35 (N.D.III. 1966). Illinois hatte seine Wahlbezirke durch Verfassungsänderung 1962 neu eingeteilt. Bis dahin w a r n u r einer der sieben Richter v o n jenen fünf counties gewählt worden, i n denen einschließlich Cook County 5 9 % der Bevölkerung Illinois' lebten. N u n sollte Cook County drei Richterstellen besetzen, alle übrigen counties die restlichen vier. Die derzeitigen Richter sollten aber bis zu i h r e m A b schied i m A m t bleiben. Während des Prozesses starb ein Richter u n d ein weiterer nahm seinen Abschied, so daß zwei Plätze frei wurden, die von Cook County zu besetzen waren. Ü b r i g blieb Richter Schaefer, der u r sprünglich einzige, v o n den Einwohnern Cook Countys mitgewählte Richter. Bei dieser Sachlage konnte der federal district court eine Diskriminierung der Kläger von Cook County nicht mehr feststellen. 31 Stokes v. Fortson, 234 F.Supp. 575 (N.D.Ga. 1964). 82 Id. at 577. 33 Buchanan v. Rhodes, 249 F.Supp. 860 (N.D.Ohio 1966). 34 New Y o r k State Association of T r i a l Lawyers v. Rockefeller, 267 F.Supp. 148 (S.D.N.Y. 1967).
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anderer Art, Umfang und Menge der Prozesse als entscheidende K r i t e rien für die Verteilung der Richter i m Staatsgebiet an. Der Supreme Court hat zur Richterwahl bisher nicht entschieden. Nach den local apportionment Fällen, vor allem Hadley und Avery, sind auch die Richterwahlbezirke nach dem Prinzip des one man — one vote festzulegen, müssen sie also gleich groß sein. Das würde auch für den sog. Missouri-Plan zur Auswahl und Amtsdauer der Richter gelten: W i r d eine Richterstelle frei, so legt eine bestimmte Kommission oder ein Ausschuß dem Governor eine Liste von drei Kandidaten vor, aus der er einen Bewerber auswählt und ernennt. Der so ernannte Richter bleibt i m A m t bis zum nächsten allgemeinen Richterwahltermin. A n diesem Tag w i r d die Wählerschaft befragt, ob der Richter i m A m t bleiben soll. Bestätigen i h n die Wähler, bleibt er i m Amt. Wählen sie i h n ab, beginnt das dargestellte Ernennungsverfahren von neuem 35 . Andererseits hat der Supreme Court die funktionale Argumentation nicht von vornherein verworfen. Jedenfalls läßt sein Verhalten i n Sullivan ν . Alabama State Bar (1968)36 diese Deutung zu. Der Supreme Court bestätigte hier die Entscheidung des federal district court, der festgestellt hatte, die „powers" des Board of Commissioners of the Alabama State Bar (ζ. B. Standesregeln aufzustellen, Zulassungen zur Anwaltschaft auszusprechen) seien „judicial, not legislative i n character". Daher sei die Wahl eines Vertreters der Anwaltschaft aus jedem der nach Bevölkerungszahl und Zahl der praktizierenden Anwälte sehr unterschiedlichen Gerichtsbezirke nicht zu beanstanden. Das Prinzip des one man — one vote sei nicht über Reynolds v. Sims (1964) und Avery v. Midland County (1968) hinaus anwendbar. Eine eindeutige Entscheidung des Supreme Court zur Frage der A n wendbarkeit der reapportionment Regeln auf Richterwahlkreise steht also noch aus. Ob der „Burger Court" sich i n dieser Frage zu Justice Blacks right to vote Gesichtspunkt bekennt oder den funktionalen Aspekt, der i m Gericht m i t dem Namen Frankfurter eng verbunden ist, i n den Vordergrund stellen wird, ist zwar offen. Der Trend der 1970er Jahre geht jedoch i n letztere Richtung. 2. Einschränkungen der Wahlberechtigung bei allgemeinen Wahlen
Solange sich die Stoßrichtung der Protagonisten des one man — one vote Prinzips gegen das malapportionment der bundes- und einzelstaatlichen Legislativen richtete, spielte die Frage, wer denn „one man", 85 Näher dazu etwa M a l m , „Comment: One M a n — One Vote and Judicial Selection", 50 Nebr L Rev 642 (1971). 8β S u l l i v a n v. Alabama State Bar, 394 U.S. 812 (1968), a f f g 295 F.Supp. 1216 (M.D.Ala. 1968).
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also wahlberechtigt sei, nur eine geringe Rolle. Die Wahlen waren theoretisch allgemeine Wahlen. Altersgrenzen und Wohnsitzvoraussetzungen ergaben sich aus den zunächst nicht weiter problematisierten gesetzlichen Vorschriften. Soweit Diskriminierungen praktisch wurden, ließen sie sich am X V . amendment messen. Doch gerade i n diesem Bereich setzte sich die Fortentwicklung der „substantive" equal protection clause des X I V . amendment schließlich durch. Ein wesentlicher Vorschriftenkomplex allgemeiner A r t , der die Wirksamkeit des one man — one vote Prinzips begrenzt, ist eben die Einschränkung der Wahlberechtigung aufgrund von Wohnsitzanforderungen. Unbestritten haben die Einzelstaaten das Recht, Wohnsitzanforderungen an die Ausübung des Wahlrechts zu knüpfen 3 7 . I n der Regel w i r d „bona fide residence" als Voraussetzung für die Wahlberechtigung verlangt. Dies zu erfüllen, hat sich allerdings für einige Bevölkerungsgruppen als schwierig erwiesen, insbesondere für Soldaten, Studenten, Krankenhauspatienten und Bundesbeamte, die auf Bundesterritorien (Exklaven) wohnen 3 8 . I n Carrington v. Rash (1965)39 erklärte der Supreme Court eine Klausel der texanischen Verfassung für verfassungswidrig, die alle aktiven Angehörigen der Streitkräfte vom Wahlrecht ausschloß: Dieser Ausschluß stelle invidious discrimination dar und verletze deshalb das X I V . amendment, denn den Soldaten sei von vornherein die Möglichkeit genommen, sich als bona fide residents auszuweisen. Eine als „reasonable" anzusehende Rechtfertigung für diesen Ausschluß habe der Staat nicht beibringen können. Diese Entscheidung wäre an sich kaum bemerkenswert, handelt es sich doch scheinbar u m die simple Anwendung des traditionellen Tests nach der equal protection clause. Doch genaueres Hinsehen zeigt, daß der Inhalt des Kriteriums „reasonableness" sich gewandelt hat von der einfachen Rationalität einer Entscheidung, über welche „reasonable men may differ", zur komplexen Inhaltsbestimmung von „reasonable" durch das Gericht als das, was nicht invidious discrimination darstellt. Die Verwandtschaft dieser Regel m i t der i n den Reapportionment Cases w i r d deutlich i n dem Obersatz, m i t dem Justice Stewart als Verfasser der Entscheidung den größeren Zusammenhang herstellte: „We deal here w i t h matters close to the core of our constitutional system." I n solchen Fällen reicht dem Supreme Court also rationality nicht, hier muß reasonableness nachgewiesen werden.
37 38 39
Lassiter v. Northampton Election Board, 360 U.S. 45 (1950). Zuletzt dazu Evans v. Cornman, 398 U.S. 419 (1971). Carrington v. Rash, 380 U.S. 89 (1965).
C. Grenzen des Prinzips
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Justice Harlan protestierte denn auch heftig: 1. Es sei niemals vorgesehen gewesen, die equal protection clause auf einzelstaatliche Wahlfragen auszudehnen. 2. Wenn man sie aber anwende, dann wie bisher m i t dem rationality Test. Für die texanische Wahlkreiseinschränkung gebe es viele vernünftige Gründe. Der Sonderbehandlung von Militärpersonal liege deshalb eine rational classification zugrunde. Doch die neue, inhaltliche Qualität der Rechtsprechung zur equal protection clause, die Reynolds v. Sims (1964) erbracht hatte, setzte sich durch. 1966 ging es i n Harper ν . Virginia Board of Elections (1966) um die Verfassungsmäßigkeit einer (sehr geringen) jährlichen Wahlsteuer, soweit ihre Zahlung Zulassungsvoraussetzung zu innerstaatlichen Wahlen war. Der Supreme Court entschied, daß ein Staat die equal protection clause stets verletzt, wenn er den Reichtum eines Wählers oder die Zahlung einer Gebühr zur Wahlvoraussetzung macht. Diese Faktoren hätten mit der Fähigkeit, sich vernünftig am Wahlvorgang zu beteiligen, nichts zu tun. Deshalb stellten sie invidious discrimination dar. Was Gleichbehandlung i m Sinne der equal protection clause sei, könne sich eben ändern (Beispiel: Brown υ. Board of Education, 1954). Erst kürzlich habe das Gericht die equal protection clause einer „searching re-examination" unterzogen und festgestellt, daß die Möglichkeit gleicher Teilnahme an Wahlen von der equal protection clause gefordert werde (Reynolds v. Sims). We have long been m i n d f u l that w h e n fundamental rights and liberties are asserted under the Equal Protection Clause, classifications which m i g h t invade or restrain t h e m must be closely scrutinized and carefully confined 4 0 .
Drei Justices votierten dagegen. Justice Black warf der Mehrheit vor, sie habe hier nicht gefragt, ob Virginias Wahlsteuer „irrational", „ u n reasonable", „arbitrary" oder „invidious" sei. Der einzige Grund für die Entscheidung sei die tiefsitzende Gegnerschaft des Gerichts gegenüber jeglicher Steuerzahlung als Wahlvoraussetzung. Damit setze das Gericht seine Überzeugung gegenüber der des Staates durch. Zwar berufe es sich dabei auf die school segregation und die reapportionment Entscheidungen. Aber das sei nicht deren Intention gewesen. Jetzt jedenfalls werde das Konzept einer geschriebenen Verfassung verlassen. Wenn eine politische Theorie, die der Verfassung unterliege, veraltet sei, dann sei es Aufgabe des verfassungsgebenden Volkes, durch amendment Abänderung zu schaffen. Das sei ζ. B. bei der Frage der Hautfarbe als K r i t e r i u m der Wahlberechtigung geschehen. Nur eine solche Klassifizierung könne daher niemals „rational" sein. 40
Harper ν. V i r g i n i a Board of Elections, 383 U.S. 663 (1966), at 670.
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T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
Justice Harlan, dem sich Justice Stewart anschloß, hatte die gleichen grundsätzlichen Einwände. Auch er stellte eindeutiges Abweichen von den bisherigen equal protection standards fest. Von diesem sei das Gericht bisher nur abgewichen, als es seine eigenen Vorstellungen von modernem amerikanischen representative government i n die reapportionment Entscheidungen hineingeschrieben habe. Auch A r m u t sei (im Gerichtsverfahren) als absoluter Wert i n die equal protection clause noch nie ausdrücklich hineingelesen worden. Die das etwa nahelegenden Entscheidungen 41 analysierten die Tatsachen anhand der due process clause. Die equal protection clause sei nur bei der Entscheidung m i t genannt worden. Noch i n Carrington v. Rash (1965) habe das Gericht den üblichen Test angewendet. Sein (Harlans) eigener dissent betreffe nur dessen unrichtige Anwendung. Hier aber greife das Gericht zurück auf jenen „highly subjective approach manifested by Reynolds und: die equal protection clause „(does not) rigidly impose upon America an ideology of unrestraint egalitarianism". I n Cardona ν . Power (1966)42 werden die Positionen der Justices dann noch deutlicher. Eine i m Spanischen unbestritten literate Puertoricanerin war m i t ihrer Klage auf Zulassung zur Wahl abgewiesen worden, weil sie New Yorks Wahlgesetz nicht nachkommen konnte, das die nachweisbare Fähigkeit, Englisch zu lesen und zu schreiben, voraussetzte. Zwar verwies die Mehrheit die Sache aus technischen Gründen an die Vorinstanz zurück. Aber Justice Douglas, dem sich Justice Fortas anschloß, stellte Lesen und Schreiben als Wahlvoraussetzung überhaupt i n Frage, und erklärte: Our philosophy that removal of unwise laws must be left to the ballot, not to the courts, requires that recourse to the ballot not be restricted as New Y o r k has attempted. I t l i t t l e profits the Spanish-speaking people of New Y o r k that this literacy test can be changed b y legislation either i n A l b a n y or i n Washington D.C., i f they are barred f r o m participating i n the process of selecting those legislatures 4 3 .
Justice Harlan, dem sich wieder Justice Stewart anschloß, erklärte erneut, Wahlfragen seien allein einzelstaatliche Angelegenheiten. I m übrigen habe das Gericht jenen von Justice Douglas vertretenen Standpunkt nie vertreten, der der equal protection clause zwei Ebenen unterschiebe, indem er von dem Staat den Nachweis von mehr als rational policy verlangt, wenn „grundlegende Rechte und Freiheiten bedroht sind". 41 G r i f f i n v. Illinois, 351 U.S. 12 (1956) — unentgeltliche Stenogrammprotokolle — u n d Douglas v. California, 372 U.S. 353 (1963) — Pflichtverteidiger bei Berufungen; vgl. dazu oben, T e i l I C., A n m . 13. 42 Cardona v. Power, 384 U.S. 672 (1966). 43 Douglas, dissenting i n Cardona v. Power, 384 U.S. 672 (1966), 675, at 676/7.
C. Grenzen des Prinzips
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Damit wollte Harlan offensichtlich Parallelentscheidungen zur Rechtsprechung des Gerichts zur due process clause von vornherein verhindern. Das Gericht hatte bereits i n vielen Entscheidungen betont, daß es für den Staat dann, wenn „fundamental personal liberties" betroffen sind, nicht ausreicht nachzuweisen, ein Gesetz habe „some rational relationship to the effectuation of a proper state purpose": Where there is a significant encroachment u p o n personal liberty, the State may prevail only upon showing a subordinating interest which is com-
pelling". Doch es w a r klar, daß diese allgemeinen Überlegungen auch für die Klassifizierungen nach dem Gleichheitssatz zutreffen mußten. I n Shapiro ν . Thompson (1969)45 hat sich diese Ansicht dann auch für die equal protection clause ausdrücklich, wenn auch wohl vorläufig nur i n eng begrenztem Rahmen 46 , durchgesetzt. Für einen Antrag auf Sozialhilfeleistungen erklärte das Gericht eine einjährige Wartefrist für alle Neuankömmlinge i n einem Staat für verfassungswidrig, w e i l es das i n der Verfassung garantierte Recht auf Freizügigkeit ohne zwingenden Grund einschränke: Since the classification here touches on the fundamental r i g h t of interstate movement, its constitutionality must be judged b y the stricter standard of whether i t promotes a compelling state interest. Under this standard, the w a i t i n g period requirement clearly violates the Equal Protection Clause 47 .
I n Shapiro hatte Justice Brennan erklärt, diese Entscheidung sage nichts über Wartezeiten oder Wohnsitzerfordernisse als Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts aus. Dies schien das Gericht für die Sache Hall v. Beals zurückgestellt zu haben. Der federal district court hatte dort die analoge Anwendung der Grundgedanken der reapportionment Entscheidungen auf eine Vorschrift des Staates Colorado abgelehnt, nach der für die Eintragung i n die Wählerliste zur Präsidentschaftswahl 1968 die eidesstattliche Erklärung erforderlich war, daß der Wähler bereits sechs Monate i n dem Staat seinen Wohnsitz hätte. Diese Regelung war nach Auffassung des district court nicht irrational oder unreasonable 48 . Als Hall v. Beals (1970)49 vor dem Supreme Court verhandelt wurde, hatte der Staat die Wartefrist auf zwei Monate verkürzt, so daß die Kläger nicht länger i n ihren Rechten verletzt waren 44
(Hervorhebung v o n mir) Bates v. City of L i t t l e Rock, 361 U.S. 516 (1960),
524.
45
Shapiro v. Thompson, 394 U.S. 618 (1969). Z u r Begrenzung der „neuen" Gleichheitsrechtsprechung auf bestimmte Gebiete siehe näher Gunther, 86 H a r v L Rev 1 (1972) at 8 et s. 47 Id. at 638. 48 H a n v. Beals, 292 F.Supp. 610 (D.Colo. 1968), at 614. Ebenso hatte 1964 ein federal district court die Frist von einem Jahr f ü r nicht unreasonable erklärt (Drueding v. Devlin, 234 F.Supp. 721 — D.Md. 1964 —). 49 H a l l v. Beals, 396 U.S. 45 (1970). 46
12 Köpp
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und so die Sache per curiam für moot erklärt wurde. I n seinem dissent, dem sich Justice Brennan anschloß, zog Justice Marshall jedoch die Konsequenzen aus Harper, Kramer und Carrington und plädierte für eine Entscheidung i n der Sache unter Anwendung des compelling state interest test. I n der Frage der Einschränkung des Wahlrechts über den Zugang zur Wahl verlangt der Supreme Court also i m Rahmen des Gleichheitssatzes mehr als die Abwesenheit von W i l l k ü r . Hier — „ i n the core of our constitutional system" — rechtfertigt allein ein compelling state interest eine Beschränkung des Wahlrechts. Reasonableness w i r d so zum „zwingenden Erfordernis" und damit stärker richterlicher Wertung überantwortet als nach dem traditionellen rationality test. Absolute formale Gleichheit schied hier wegen des dynamischen Charakters der zu regelnden tatsächlichen Verhältnisse ohnehin aus. 3. Einschränkungen der Wahlberechtigung bei Wahlen zu Gremien mit besonderen Aufgaben
Neben den Einschränkungen allgemeiner A r t sind vor dem Hintergrund der Ausführungen der Justices i n Avery v. Midland County (1968) und Hadley v. Junior College District (1970) Einschränkungen des one man — one vote Prinzips auf lokaler Ebene entwickelt worden, die Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl i n gleicher Weise betreffen. I n Kramer v. Union Free School District (1969) fühlte sich ein Junggeselle diskriminiert, weil i h m per New Yorker Schulgesetz versagt war, an den Wahlen zum school board teilzunehmen. Die Wahlberechtigung war begrenzt auf a) steuerpflichtige sowie
Grundeigentümer
und Pächter
im
Schuldistrikt
b) Erziehungsberechtigte, deren Kinder die öffentlichen Schulen besuchten. Der Supreme Court per Chief Justice Warren stellte zunächst ausdrücklich fest, daß es nicht u m die allgemeinen Voraussetzungen der Wahlberechtigung (Bürgerrecht, bona fide Wohnsitz, Alter von 21 Jahren) gehe. Hier würden vielmehr Unterschiede gemacht zwischen grundsätzlich Wahlberechtigten. Die Zuerkennung von Wahlberechtigung bilde aber die Grundlage „of our representative society". Jede unberechtigte Diskriminierung unterminiere die Legitimität von representative government. Deshalb müsse das Gericht prüfen, ob der Ausschluß eines Teils der allgemeinen Wahlberechtigten von besonderen Wahlen notwendig sei „to promote a compelling state interest". A n dieser Stelle zitiert Warren die Entscheidung Carrington v. Rash (1965), i n der Texas untersagt worden war, Militärpersonal völlig von
C. Grenzen des Prinzips
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einzelstaatlichen Wahlen auszuschließen — und interpretiert damit dieses Urteil als eines, das den compelling state interest Test bereits angewendet habe. Justice Harlans damaliger Protest erweist sich also als gerechtfertigt. Dann spannt der Chief Justice den Bogen zu den reapportionment Fällen: The presumption of constitutionality and the approval given „rational" classifications i n other types of enactments are based on an assumption that the institutions of state government are structured so as to represent f a i r l y a l l the people. However, w h e n the challenge to the statute is i n effect a challenge of this basic assumption, the assumption can no longer serve as the basis for presuming constitutionality. . . . Legislation which delegates decision-making to bodies elected by only a portion of those eligible to vote for the legislature can cause unfair representation. Such legislation can exclude a m i n o r i t y of voters f r o m any voice i n the decisions just as effectively as i f the decisions were made by legislators the m i n o r i t y had no voice i n selecting 50 .
Für die Entscheidung i n Kramer blieben diese grundlegenden Ausführungen allerdings ohne Bedeutung, denn: Selbst wenn man anerkenne, daß die Wahlberechtigung auf diejenigen beschränkt werden dürfe, die i n besonderem Maße an Schulangelegenheiten interessiert seien, so sei die hier getroffene Beschränkung jedenfalls zu ungenau, da sie eine ganze Reihe von Interessierten (Eltern von noch nicht schulpflichtigen Kindern oder Kindern i n Privatschulen, Großeltern, andere Verwandte usw.) ebenfalls nicht berücksichtige. Drei Justices votierten gegen diese Entscheidung. Stewart, Black und Harlan meinten, New York habe eine rationale Entscheidung getroffen. Ungenauigkeiten seien unvermeidliche Begleiterscheinungen jeder A b grenzung. E i n „exacting" equal protection test oder gar der compelling state interest test gelte hier jedenfalls nicht. Es handele sich ja nicht um eine allgemeine Wahl, sondern um „a limited, special-purpose election". Einigkeit herrschte dagegen i n Cipriano ν . City of Houma (1969)51 darüber, daß ein Einzelstaat das Stimmrecht nicht auf steuerpflichtige Grundeigentümer beschränken darf, wenn es u m die Abstimmung über die Frage geht, ob die Gemeinde sich verschulden solle, u m bestimmte öffentliche Einrichtungen (Gas, Wasser, Elektrizitätsversorgung) zu schaffen. Dabei sollten die Einnahmen aus dem Betrieb dieser Einrichtungen zur Schuldenabtragung verwendet werden (revenue bonds), Überschüsse dem Haushalt der Stadt zugutekommen 62 . Für den Supreme Court war entscheidend, daß praktisch alle Einwohner der Stadt 50
K r a m e r v. U n i o n Free School District, 395 U.S. 621 (1969), at 628. Cipriano v. City of Houma, 359 U.S. 701 (1969). 52 Dazu näher Richter Wisdom, dissenting i n der Entscheidung 1. Instanz, 286 F.Supp. 823 (E.D.La. 1968), at 828. 51
12*
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T e i l I I : Das Prinzip des one man — one vote
von den Versorgungseinrichtungen direkt betroffen und die Vorteile und Nachteile über den städtischen Haushalt von allen zu tragen waren. Die Justices Black und Stewart stimmten zu, weil die Klassifizierung völlig irrelevant für die Erreichung der staatlichen Zielsetzung sei. Justice Harlan fühlte sich gebunden durch die Präzedenzentscheidungen Reynolds v. Sims (einzelstaatliches apportionment, 1964), Harper ν . Virginia Board of Elections (Wahlsteuer, 1966) und Avery v. Midland County (lokales apportionment, 1968). I m Jahre 1970 war die Mehrheit i n ähnlicher Sache bereits wieder auf fünf Justices zusammengeschrumpft. Statt revenue bonds waren diesmal general obligation bonds, also Schuldverschreibungen, betroffen, für deren Abtragung besondere Grundsteuern erhoben, aber auch andere Steuereinnahmen benutzt werden konnten. Der Supreme Court bestätigte i n City of Phoenix v. Kolodziejski (1970)53 die Entscheidung des federal district court, der die Interessen der Grundeigentümer als nicht so unterschiedlich von denen der anderen Bürger angesehen hatte, als daß sie den Ausschluß letzterer vom Stimmrecht i n Sachen general obligation bonds rechtfertigten. Während Justice Black i m Ergebnis zustimmte, waren Justice Stewart und Justice Harlan sowie der neue Chief Justice Burger anderer Ansicht. Der gerade ernannte Justice Blackmun nahm an der Entscheidung noch nicht teil. Justice Stewart formulierte die Einwände der Dissenters. Er bestand darauf, daß die Entscheidungskette Reynolds v. Sims — Kramer v. Union Free School District — Hadley ν . Junior College District hier nicht einschlägig sei, da eine „Wahl" i m Rahmen der repräsentativen Demokratie, bei der Kandidaten zu öffentlichen Ämtern aufgestellt werden, gar nicht vorliege. Anders als i n Cipriano υ. City of Houma (1969) sei hier die Schuld von den Steuerzahlern abzutragen. Der Einzelstaat habe dafür eine gesetzliche Verpflichtung zur Grundsteuererhebung geschaffen, während er die Verwendung anderer Gelder für Zins und Tilgung nur nicht untersagt habe. Das aber sei eine völlig rational public policy und nicht invidious discrimination. Auch hier w i r d es also auf die Zusammensetzung des Supreme Court ankommen, inwieweit die Regeln des one man — one vote die equal protection clause inhaltlich bestimmen und die Abgrenzungen i n Hadley v. Junior College District als tragfähig erkannt werden werden.
53
City of Phoenix v. Kolodziejski, 399 U.S. 204 (1970).
TEIL I I I
One man — one vote und die Folgeprobleme A. Die richterlidien Maßnahmen zur Durchsetzung des reapportionment 1. Gerichte versus Legislative
Das „Finden" einer „richtigen" Entscheidung durch Interpretation der Verfassung ist eine Sache, das Durchsetzen der Entscheidung gegenüber den betroffenen, der Rechtsprechung gegenüber als gleichgeordnet verstandenen Gewalten ist eine durchaus andere Angelegenheit. Das gilt insbesondere i n reapportionment Fällen, weil ein Stillhalten der Legislative infolge eines Richterspruchs gerade nicht ausreicht, um dem Recht Genüge zu tun. Reapportionment erfordert positives Tun der gesetzgebenden Körperschaften, und es erfordert von den Gerichten, die Politiker zum Handeln zu zwingen. Nicht Schutz vor staatlichem Eingriff verlangt der Bürger vom Richter, sondern Eingriff des Richters i n die Entscheidungsprozesse des Staates zur Erzwingung eines durch Interpretation der Verfassung festgelegten Organisationsprogamms. Verfassungsvollzug durch die rechtsprechende Gewalt? Dies ist das eigentlich Revolutionäre der reapportionment Rechtsprechung. Es hätte beinahe schon zu Beginn die Entwicklung der Rechtsprechung verhindert: I n der ersten Konferenz der Supreme Court Justices i m Falle Colegrove ν . Green (1946) waren sechs oder sieben der acht beteiligten Justices der Auffassung, Eingriffe i n einzelstaatliches reapportionment seien nicht „court business". Ursprünglich trat allein Justice Douglas für die Position der Kläger ein, während Justice Black i m Hinblick auf die betroffenen Legislativen erklärt haben soll, er glaube nicht, daß „courts had the power to make them act" 1 . Doch nachdem der Bann gebrochen war, haben sich die Gerichte dem Bürger nicht versagt. Sie haben Mittel und Wege gefunden, die Politiker zu bestimmtem Handeln zu bewegen. Die Methoden des richterlichen reapportionment, das Instrumentar i u m des gerichtlichen Zwanges ist von den Untergerichten entwickelt 1
Siehe dazu näher oben, T e i l I Α., Anm. 61.
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T e i l I I I : Die Folgeprobleme
worden 2 . Der Supreme Court hat das Prinzip des one man — one vote inhaltlich festgelegt, sich aber i n dem Prozeß der Durchsetzung des Prinzips von Anfang an stark zurückgehalten. I n Reynolds v. Sims (1964) lehnte das Gericht ausdrücklich ab, sich m i t der „difficult question of the proper remedial devices" zu beschäftigen, da die Maßnahmen i n diesem „new and developing area of the l a w " sich den Umständen und lokalen Verhältnissen entsprechend unterscheiden werden würden. Chief Justice Warren verwies daher auf Justice Douglas* Aussage i n dessen concurring opinion i n Baker v. Carr (1962), daß „any relief accorded can be fashioned i n the light of wellknown principles of equity". Allerdings stellte das Gericht grundsätzlich klar, daß nur ein außergewöhnlicher Fall es rechtfertigen würde, keine Maßnahmen zu ergreifen, die weitere Wahlen nach einem als verfassungswidrig erkannten apportionment Gesetz verhinderten. Ein solcher Fall sei wohl gegeben, wenn eine Wahl kurz bevorstehe und ihre Durchführung bereits angelaufen sei. Dann könne ein Gericht vernünftigerweise die Unterbrechung des Wahlvorgangs zwecks Einführung übereilter Änderungen zu vermeiden suchen. Es komme eben auf die zeitliche Nähe der anstehenden Wahl und auf Apparatismus und Komplexität der Wahlgesetze eines Staates an. Einige Hinweise für die Untergerichte gab der Supreme Court dann doch i n Reynolds v. Sims (1964) dadurch, daß er das Vorgehen der Richter der Vorinstanz ausdrücklich guthieß. Bei dieser Gelegenheit artikulierte das Gericht seine Auffassung, daß „proper judicial restraint" gerade beim Eingreifen i n den politischen Prozeß Aufgabe der Gerichte sei: — (R)eapportionment is primarily a matter for legislative consideration and determination. ... — (J)udicial relief becomes appropriate only when a legislature fails to reapportion according to federal constitutional requisites i n a timely fashion after having had an adequate opportunity to do so3. Ein „appropriate and w e l l considered exercise of judicial power" sei sowohl der frühzeitige Hinweis auf die Rechtsauffassung des Gerichts, u m der Legislative Richtlinien für ihr Handeln zu geben, als aber auch eine rechtzeitige Anordnung eines provisorischen reapportionment Plans, den das Gericht selbst zusammengestellt hat 4 . 2 Zusammenfassend dargestellt vor allem i n : Note, „Legislative Reapportionment: The Scope of Federal Judicial Relief", 1965 Duke L J 563; Note, „The Case for District Court Management of the Reapportionment Process", 144 U Pa L Rev 504 (1966); Comment, „Reapportionment and the Problem of Remedy", 13 U C L A L Rev 1345 (1966) von Daniel G. Zerfas. 3 Reynolds at 586. 4 Id. at 586/7.
Α. Die Durchsetzung des reapportionment
183
Die Untergerichte haben infolgedessen die Sache stets bis zu einem ihnen verfassungsgemäß erscheinenden Ergebnis anhängig gehalten, während dieser Zeit aber immer wieder die zuständigen Organe zur Verabschiedung eines reapportionment Plans aufgefordert. Dabei hat sich die Drohung, einen eigenen reapportionment Plan i n Kraft zu setzen, als sehr wirksam erwiesen, die betroffenen Instanzen zum Handeln aus eigenem Recht zu bewegen. I m einzelnen wandten die Untergerichte eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen an, um — i m Anschluß an die Feststellung, daß der derzeitige apportionment Plan verfassungswidrig ist — ein reapportionment zu erreichen, das den Anforderungen des one man — one vote Prinzips entsprach 5 : (1) Das Gericht untersagte jegliche Wahl nach dem verfassungswidrigen apportionment Plan 6 . Sofern die Wahl kurz bevorstand, verzichtete das Gericht allerdings darauf oder ordnete die Wirksamkeit seiner Verfügung erst für einen Zeitpunkt nach dem Wahltag an 7 . (2) Das Gericht stellte eigene Durchsetzungsmaßnahmen bis zu einem bestimmten Termin (oder auch ohne Termin) zurück m i t der ausdrücklichen Hoffnung, daß die zuständigen politischen Organe inzwischen einen reapportionment Plan entsprechend der gerichtlichen Sachentscheidung i n K r a f t setzen würden 8 . (2 a) War die Zeit für eine längerfristige Vertagung zu knapp, untersagte das Gericht eine Wahl nach dem bisherigen Plan und verlängerte per Gerichtsbeschluß die Legislaturperiode der amtierenden Legislative m i t der Auflage, ein verfassungsgemäßes reapportionment durchzuführen 9 . (2 b) Hatte das Gericht die Wahl nach dem alten Plan noch zugelassen, dann erklärte es sogleich die neugewählte Legislative für rechtlich unfähig, andere Angelegenheiten zu erledigen als ein rechtswirksames reapportionment Gesetz zu verabschieden 10 , oder 5 Soweit die Richter selbst einen Plan i n K r a f t setzten, handelt es sich oberflächlich betrachtet zwar u m eine abschließende Maßnahme. Doch dienen auch diese Maßnahmen vor allem dazu, die Abgeordneten zu einem reapportionment zu bewegen, letztlich eben dadurch, daß ihnen ein fremder Plan, wenigstens zeitweilig, aufgezwungen wurde. β ζ. B. i n Ellis v. Mayor and City Council of Baltimore, ibid. (Teil I I Β., Anm. 37). 7 ζ. Β . i n Davis v. Cameron, 238 F.Supp. 462 (S.D.Iowa 1965). 8 Neben fast allen Fällen der ersten reapportionment Runde 1964/5 ζ. Β . noch Wells v. Rockefeller, 273 F.Supp. 984 (S.D.N.Y. 1967). 9 Zuerst i n B u t t e r w o r t h v. Dempsey, 237 F.Supp. 302 (D.Conn. 1965). 10 z.B. i n M a n n v. Davis, 238 F.Supp. 458 (E.D.Va. 1964); diesen schwerwiegenden Eingriff i n die legislative Tätigkeit hat der Supreme Court allerdings auch einmal eingeschränkt: am deutlichsten i n Parsons v. Buckley, 379 U.S.
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T e i l I I I : Die Folgeprobleme
(2 c) das Gericht verkürzte per Beschluß die Amtszeit der neugewählten Abgeordneten 11 . (3 a) Das Gericht setzte der Legislative eine Frist zur Verabschiedung eines neuen Plans verbunden m i t der Warnung, anderenfalls eine Wahl at-large anzuordnen 12 . (3 b) Das Gericht warnte, daß es nach Ablauf der Frist einen eigenen reapportionment Plan i n K r a f t setzen werde 1 3 . (4 a) Das Gericht hielt einen gerichtlichen reapportionment Plan für erforderlich und forderte deshalb die Parteien zur Vorlage von Plänen auf, aus denen das Gericht dann auszuwählen gedachte 14 . (4 b) Das Gericht ernannte einen „special master" — einen Experten oder eine Gruppe von Experten —, der dem Gericht einen verfassungsgemäßen Plan vorlegen sollte 15 . (5) Das Gericht wählte von den i h m vorgelegten Plänen denjenigen aus und setzte i h n i n Kraft, der mathematisch der Forderung nach Repräsentation proportional zur Bevölkerung entsprach 16 . (6) Das Gericht setzte den reapportionment Plan i n Kraft, den ein „special master" vorgelegt hatte 1 7 . (7) Das Gericht änderte den i h m vorgelegten Plan ab oder kombinierte mehrere vorgelegte Pläne und setzte den eigenhändig geänderten Plan in Kraft 18. (8) Das Gericht begrenzte die Wirksamkeit des von i h m selbst i n K r a f t gesetzten Plans auf die anstehende Wahl, weil er dem Ideal des one man — one vote noch nicht entsprach 19 . (9) Das Gericht ordnete eine Wahl at-large an 2 0 . 359 (1965), i n dem die der Legislative gesetzte Frist zu stark verkürzt worden war. 11 So besonders von state courts, ζ. Β . Treiber v. Lanigan, 264 N.Y.S. 2d 797 (1965), u n d Chisacuye v. Lota, 444 P. 2d 904 (S.Ct.Hawaii 1968); der Supreme Court bestätigte eine solche Entscheidung ζ. Β . i n Hughes v. W M C A , 379 U.S. 694 (1965): ein Jahr statt zwei Jahre. 12 ζ. B. i n Germano ν. Kerner, 241 F.Supp. 715 (N.D.III. 1965). 13 ζ. B. i n Silver ν. Jordan, 241 F.Supp. 576 (S.D.Cal. 1964). 14 z.B. i n D r e w v. Scranton, 229 F.Supp. 310 (M.D.Pa. 1963); I n re Apportionment of Sanilac County, 162 N.W. 2d 913 (Ct.App.Mich. 1968). 15 E t w a B u t t e r w o r t h v. Dempsey, 237 F.Supp. 302 (D.Conn. 1965): Direktor des Yale Computer Research Center; Stout v. Bottorff, 246 F.Supp. 825 (S.D.Ind. 1965): die Dekane dreier juristischer Fakultäten als eine K o m m i s sion. 18 Beispielsweise I n re Apportionment of Sanilac County, ibid. (Anm. 14). 17 Beispielsweise I n re Orans, 216 N.E. 2d 311 (Ct.App. N.Y. 1966). 18 ζ. B. i n Moss v. B u r k h a r t , 220 F.Supp. 149 (W.D.Okla. 1963). 19 ζ. B. i n Sims v. F r i n k , 208 F.Supp. 431 (M.D.Ala. 1962). 20 Montano v. Lee, 298 F.Supp. 871 (D.Conn. 1968) — eine sehr selten durchgeführte Maßnahme, w e n n auch oft angedroht.
Α. Die Durchsetzung des reapportionment
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(10) Das G e r i c h t v e r f ü g t e , daß b e i A b s t i m m u n g e n i n d e r L e g i s l a t i v e d i e S t i m m e eines j e d e n A b g e o r d n e t e n e i n G e w i c h t p r o p o r t i o n a l d e r Z a h l d e r v o n i h m v e r t r e t e n e n B e v ö l k e r u n g besitzt, bis e i n verfassungsm ä ß i g e r r e a p p o r t i o n m e n t P l a n verabschiedet w o r d e n s e i 2 1 . A u ß e r diesen M a ß n a h m e n s i n d u n t e r d e n S t i c h w ö r t e r n „ e f f e c t i v e r e p r e s e n t a t i o n " u n d „ m i n o r i t y r e p r e s e n t a t i o n " andere W a h l - u n d A b s t i m m u n g s v e r f a h r e n , insbesondere „ f r a c t i o n a l v o t i n g " , vorgeschlagen w o r d e n 2 2 . D i e G e r i c h t e h a b e n aber n u r d i e h i e r a n g e f ü h r t e n v e r wendet23. O h n e h i e r i n eine W e r t u n g d e r r e c h t l i c h e n u n d tatsächlichen P r o b l e m a t i k jenes v o m S u p r e m e C o u r t b e f ü r w o r t e t e n „ p r o p e r j u d i c i a l r e s t r a i n t " e i n t r e t e n z u w o l l e n , s i n d doch e i n i g e w e i t e r e A n m e r k u n g e n z u m V e r h ä l t n i s d e r r i c h t e r l i c h e n M a ß n a h m e n z u e i n a n d e r sowie i m H i n b l i c k a u f i h r e W i r k u n g e n g e g e n ü b e r d e n verschiedenen p o l i t i s c h e n O r g a n e n v o n n ö t e n . D e r A d r e s s a t d e r soeben beschriebenen r i c h t e r l i c h e n M a ß n a h m e n i s t i n a l l e r R e g e l d i e L e g i s l a t i v e . I n E i n z e l f ä l l e n ist e i n b o a r d of elections z u s t ä n d i g , d e r n i c h t n u r aus A b g e o r d n e t e n , sond e r n auch aus g e w ä h l t e n A m t s t r ä g e r n d e r E x e k u t i v e , sehr s e l t e n auch 21 Diese Methode des „weighted voting" w u r d e allein i m Staate New Y o r k von den Gerichten angeordnet: Shilbury v. Board of Supervisors, 260 N.Y. 2d 931 (1965), a f f d 627 N.Y.S. 2d 1022 (S.Ct.N.Y. Appellate D i v . 1966); Board of Supervisors v. Bianchi, ibid. T e i l I I B., A n m . 50; aber: Iannucci v. Board of Supervisors, 282 N.Y.S. 2d 502 (S.Ct.N.Y. 1967) gegen „weighted voting" wegen der i h m innewohnenden W i r k u n g e n : 1. E i n w i n n e r - t a k e - a l l Effekt i m Kleinen gibt unproportionales Gewicht der Partei des derzeitigen Abgeordneten. 2. Der Einfluß des Abgeordneten auf seine Kollegen bleibt unverhältnismäßig groß. — Eine detaillierte Gesamtdarstellung gibt Johnson, „ A n Analysis of Weighted V o t i n g as Used i n Reapportionment of County Government i n New Y o r k State", 34 A l b a n y L Rev 1 (1969). 22 Siehe dazu Dixon, Democratic Representation 505 et s. 28 H i e r ist ein Unterschied zwischen state u n d federal courts nicht gemacht worden, da das Verhältnis v o n rechtsprechender zu legislativer Gew a l t i m Vordergrund steht u n d den einzelstaatlichen Gerichten auch keine anderen Maßnahmen zur Verfügung stehen. Tendenziell sind letztere sogar beeinflußbar von den politischen K r ä f t e n ihres Staates (parteipolitische Richterwahl, „republikanischer" Supreme Court des Staates). I n aller Regel sind die state legislative reapportionment Klagen auch v o r die federal district courts gebracht worden. Der Supreme Court hat aber mehrfach betont, daß er es Befürwortet, daß die einzelstaatlichen Gerichte das reapportionment gegenüber ihrer Legislative selbst durchsetzen: Scranton v. Drew, 379 U.S. 40 (1964); Scott v. Germano, 381 U.S. 407 (1965), ausdrücklich entgegen Germano v. Kerner, 241 F.Supp. 715 (N.D.I11. 1965). Die Vorteile liegen auf der Hand: weniger Fälle f ü r die ohnehin überlasteten Bundesgerichte, weniger politische K r i t i k an einer bundesstaatlichen Einrichtung. Doch selbst i n Germano hat der Supreme Court den federal district court angewiesen, die Klage anhängig zu lassen. Der district court sollte n u r der einzelstaatlichen Gerichtsbarkeit genügend Zeit geben, ein verfassungsgemäßes reapportionment durchzusetzen. Tatsächlich ist dann schließlich ein reapportionment Plan gemeinsam v o m federal district court u n d dem Supreme Court von Illinois formuliert u n d v o n den Parteien akzeptiert worden; vgl. die Berichte i n People ex rei. Engle v. Kerner, 210 N.E. 2d 165 (S.Ct.Ill. 1965) u n d Germano ν. Kerner, 247 F.Supp. 141 (N.D.III. 1965).
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aus Berufsbeamten oder anderen nicht gewählten Persönlichkeiten besteht 24 . Jede Auseinandersetzung zwischen einem Gericht und dem beklagten Staatsorgan hat stark individuelle Züge, sobald es u m die Frage der Durchsetzung des inhaltlichen richterlichen Spruches, genauer: die Erarbeitung eines verfassungsgemäßen reapportionment Plans geht. Es finden sich i n den diesbezüglichen Beschlüssen der Gerichte deshalb auch kaum Hinweise auf ähnliche oder gleiche Maßnahmen anderer Gerichte, es sei denn, auf allgemeine Aussagen des Supreme Court. Die Individualität der Richter wie der Abgeordneten und des Governors bricht sich voll Bahn, da es genaue Anweisungen des Supreme Court über das Vorgehen der Gerichte nicht gibt. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich etwa die Reihenfolge der Maßnahmen des federal district court von Connecticut und deren Intensität erheblich von denen des federal district court i n Südkalifornien unterscheiden, wenn auch das Ziel der Gerichte jeweils dasselbe ist: das möglichst rasche, verfassungsgemäße reapportionment der legislativen Kammern durch diese selbst. Politikwissenschaftliche Untersuchungen der Hintergründe und Motive des Handelns der Gerichte sind bisher äußerst selten. Die Diskussion findet vor allem unter Juristen statt über die (abstrakte) Vernünftigkeit und rechtliche Haltbarkeit der einzelnen gerichtlichen Maßnahmen, die die höchstrichterlichen dicta zuzulassen scheinen, und w i r d häufig verbunden m i t der Klage, die Ungeschicktheit der Gerichte hätte allein zu Konfusion bei den Beteiligten, vermeidbarer Arbeitsüberlastung der Gerichte und vor allem erheblichen und unnötigen Kosten für den Steuerzahler geführt 2 5 . Als Beispiel dafür werden zumeist die reapportionment Vorgänge i n Connecticut angeführt. Dort hatte der federal district court am 23. J u l i 1964, sogleich nach der höchstrichterlichen Bestätigung seines Urteils, daß das apportionment beider legislativen Kammern des Staates verfassungswidrig ist 2 6 , angeordnet: 1. eine Sondersitzung der Legislative zur Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, 2. die Durchführung dieser Versammlung, 3. die Vorlage eines von dieser Versammlung ausgearbeiteten apportionment Plans an das Volk i n einem Referendum und 4. eine außerordentliche Wahl nach dem neuen Plan. 24 E i n Beispiel ist Oklahomas State Election Board, dem der federal district court auch ohne Umschweife einen eigenen reapportionment Plan aufzwang; vgl. Reynolds v. State Election Board, 233 F.Supp. 323 (W.D.Okla. 1964) u n d 1963 Moss ν. B u r k h a r d t , 220 F.Supp. 149 (W.D.Okla. 1963). 25 So, als einer von vielen, Zerfas i n seinem Aufsatz i n 1 3 U C L A L Rev 1345 (1966). 29 Pinney v. Butterworth, 378 U.S. 564 (1964).
Α. Die Durchsetzung des reapportionment
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Darüber hinaus hatte das Gericht festgelegt, daß die nach dem verfassungswidrigen apportionment Gesetz gewählte Legislative keine anderen Aktivitäten mehr entfalten dürfte als solche, die das reapportionment betrafen. Als der Governor auf die Schwierigkeiten hinwies, die letztere Anordnung für das Gesetzgebungsprogramm des Staates mit sich bringe, änderte das Gericht, sechs Tage nach seiner ersten A n ordnung, seinen Beschluß dahingehend ab, daß 1. das normale Gesetzgebungsverfahren weiterlaufen dürfe, 2. eine Sondersitzung der Legislative ein vorläufiges reapportionment für die Wahl i m November durchführen müsse, 3. die verfassungsgebende Versammlung einzuberufen sei und 4. diese Versammlung bis zum 1. 3.1965 einen endgültigen reapportionment Plan vorzubereiten habe, der einem Referendum zu unterwerfen sei. Da die Abgeordneten sich i n der Sondersitzung nicht auf ein reapportionment einigen konnten, trat das Gericht am 24. 9.1964 wieder zusammen, setzte den November-Wahltermin außer K r a f t und verlängerte die laufende Legislaturperiode. Zugleich ordnete es eine erneute Sondersitzung der Legislative zur Erarbeitung eines vorläufigen reapportionment, eine dementsprechende Wahl i m Jahre 1965 und die Einberufung der verfassungsgebenden Versammlung zur Ausarbeitung eines endgültigen apportionment an. Auch diese Anordnung hatte nur kurz Bestand. A m 29.10. erlaubte das Gericht der weitersitzenden Legislative, ihre übliche gesetzgeberische Tätigkeit weiterzuführen, setzte ihr aber eine Frist bis zum 30.1.1965 für die Vorlegung eines vorläufigen apportionment Planes. A m 18.11.1964 beauftragte das Gericht zusätzlich den Direktor des Yale University Computer Center als „special master" damit, einen reapportionment Plan zu entwickeln als Ersatzplan, falls die Legislative ein verfassungsmäßiges reapportionment nicht zustande bringe. A m 18.1.1965 beschloß die Legislative ein vorläufiges reapportionment. Der federal district court akzeptierte es und ordnete die Wahl für den 8.11.1965 an. Zugleich erlaubte er den ohehin schon weitersitzenden Abgeordneten, i n der Zwischenzeit i m A m t zu bleiben, verlangte aber erneut eine verfassungsgebende Versammlung für den 1.7.1965, die ein endgültiges reapportionment durchführen sollte 2 7 . Dieser Geschehensablauf zeigt deutlich, daß dem Gericht die Kontrolle über die Durchführung seiner Anordnungen verlorengegangen war und es sich zudem zeitweilig auch die Möglichkeit eigener Tätigkeit genommen hatte. Warum das aber so geschah, läßt sich nicht ohne weiteres erkennen. Lag es an der Kurzsichtigkeit oder politischen Naivität der Richter? A n der Überschätzung ihrer Macht, der Unkenntnis der 27 Sämtliche Anordnungen finden sich i n B u t t e r w o r t h v. Dempsey, 237 F.Supp. 302 (D.Conn. 1965).
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T e i l I I I : Die Folgeprobleme
spezifischen Kräfteverhältnisse innerhalb und zwischen den Parteien? Hätten die Richter diese kennen müssen oder dafür sorgen müssen, daß sie vor ihren Entscheidungen diese kennenlernten? A u f welche Weise? Und: ist all das „richterliches Handeln"? Es gibt i n den Anordnungen des federal district court von Connecticut immerhin eine gewisse innere Logik, die von einer Maximalforderung ausgeht und die Nichtdurchsetzbarkeit erfahrend sich auf begrenztere Anordnungen i n der Folgezeit zurückzieht. Ein Überblick über die Palette der möglichen Maßnahmen legt es dem Gericht dagegen nahe, zunächst weniger drängende und erst später graduell stärker i n den legislativen Prozeß eingreifende, i h n störende Maßnahmen zu ergreifen. Ein solches Verfahren hätte sich theoretisch als rechtlich und nicht politisch geben können. Doch ein solches Verhaltensmuster ist auch i n den übrigen gerichtlichen reapportionment Verfahren nicht nachzuweisen 28 . Eine politikwissenschaftliche Untersuchung über das dreijährige reapportionment Verfahren i m Staat Washington 29 , an dem neben dem Gericht und den Anwälten zwei Governors verschiedener Parteien, der Generalstaatsanwalt, der Innenminister, die League of Women Voters und die Washington State Grange 80 teilnahmen, gibt einigen Aufschluß. Die gerichtlichen Maßnahmen waren: Dez. 1962 M a i 1963 J u l i 1964
Okt. 1964
— Aufforderung zum reapportionment i n der beginnenden Legislaturperiode 1963 - 65 — Drohung, Wahlen at-large anzuordnen — Drohung „weighted voting" anzuordnen, wenn nicht ein reapportionment i n einer Sondersitzung bis zum 31. 8.1964 erfolgt sei — Rücknahme der Juli-Anordnung, dafür die Anordnung: 1. Reapportionment hat die erste legislative Angelegenheit i n der Wahlperiode 1965 zu sein. 2. Alle andere Gesetzgebung hat zu unterbleiben, bis ein reapportionment Gesetz verabschiedet ist.
28 Eine Kurzfassung sämtlicher state legislative apportionment Verfahren findet sich i n M c K a y , Reapportionment 275-475 (Appendix), während sich eine Sammlung v o n Beispielen f ü r die w o h l nach parteipolitischen Gesichtspunkten erfolgte A u s w a h l von apportionment Plänen durch Bundesrichter findet bei Green & Hobday, „ A Short I n q u i r y into Tennessee County Court Apportionment by the Federal Judiciary", 37 Tenn L Rev 528 (1970). 29 McDermott, „ J u d i c i a l Sanctions and Legislative Redistricting i n W a shington State", 45 Wash L Rev 681 (1970). 30 Grange ist eine Sektion der ursprünglich geheimen Bauernorganisation Patrons of Husbandry.
Α. Die Durchsetzung des reapportionment
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3. Die Wahlperiode w i r d auf ein Jahr verkürzt. (Drei Wochen später wurden Nr. 3 gestrichen und Nr. 2 modifiziert: Ausschußarbeit ist erlaubt, nur die Verabschiedung von Gesetzen bleibt untersagt.) 19.2.1965 — Terminanberaumung für eine Verhandlung über weitere Maßnahmen 9. März 1965 — Akzeptierung eines reapportionment Kompromisses, zu der sich die Legislative und der Governor schließlich nach 47 Tagen durchgerungen hatten. Der Verfasser der Fallstudie führt als Verhaltensmuster und Motive der Richter folgendes an: 1. Die Richter verwendeten durchgängig Sanktionen, die dazu tendierten, ihre eigene Rolle bei deren Durchsetzung zu vermindern. 2. Die Richter lehnten es ab, Anordnungen zu erlassen, die m i t großer Wahrscheinlichkeit ignoriert werden würden: Sie drohten zwar zweimal dem Governor, u m i h n zur Einberufung einer Sondersitzung der Legislative zu veranlassen, verpflichteten i h n aber nicht dazu und ordneten auch nicht am Governor vorbei selber eine Sondersitzung der Legislative an. Stattdessen versuchten sie eine für die Abgeordneten untragbare politische Situation zu schaffen, indem sie sehr scharfe Sanktionen (Wahl at-large, weighted voting) androhten, und hofften, dadurch indirekt Druck auf den Governor ausüben zu können. 3. Die Richter versuchten, realistische Zeitspannen einzuhalten. Als eine Sondersitzung terminlich unmöglich geworden war, revidierten sie ihren Zeitplan. Das war zwar richterlicher Rückzug, korrespondierte aber m i t dem Hauptmotiv, weder selbst Wahlkreise festlegen zu müssen noch ein Chaos bei Wahl- oder Gesetzgebungsverfahren herbeizuführen. Bei Überprüfung der Gründe für das ursprüngliche Nichtbefolgen der richterlichen Aufforderung, neu einzuteilen, bestätigt die Studie die bekannten Tatsachen: a) den Selbsterhaltungstrieb vieler Abgeordneter beider Parteien, b) die Hoffnung der schwächeren Partei, bei gerichtlichem reapportionment besser abzuschneiden als bei einem von der gegnerischen Partei durchgesetzten, c) den Wunsch des Governors, sein Gesetzgebungsprogramm durch neue Streitigkeiten zu gefährden, d) die Schwäche und Neuartigkeit der richterlichen (hier: keine Richtlinien, keine Fristen).
nicht
Anordnungen
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Allerdings konnte auch hier festgestellt werden, daß organisierter grundsätzlicher Widerstand analog der südstaatlichen Rassenintegrationsgegnerschaft nicht aufgetreten ist. Die Untersuchung kommt zu Ergebnissen, die — zugespitzt — als begründete Hypothesen über den Einzelfall hinaus Geltung beanspruchen dürfen: 1. Das Eingreifen des Gerichts war conditio sine qua non für ein reapportionment. a) Das Gerichtsverfahren gab allen interessierten Gruppen Zugang zu einem neuen politischen Forum, i n dem potentiell reapportionment möglich war. Die Richter hielten dieses neue Forum offen durch ständige Überwachung, bis das Ziel erreicht war. b) Richterliches Eingreifen verstärkte erheblich die Legitimität der Forderung von reapportionment proportional zur Bevölkerungszahl. Dabei operierte die Richterschaft unter ihren symbolischen Attributen der Unvoreingenommenheit, der Unparteilichkeit, der Gerechtigkeit. Sie stützte sich auf Normen der Verfassung und das Argument, das Ziel sei die echte repräsentative Demokratie. Das hatte zur Folge, daß einer möglichen Opposition bedeutende symbolkräftige Argumente nicht zur Verfügung standen. c) Gerichtliche Beteiligung am reapportionment Prozeß war entscheidend wegen der potentiellen Macht der Richter, selbst einen reapportionment Plan i n Kraft zu setzen. 2. Das Eingreifen des Washingtoner Gerichts war nicht sehr effektvoll. a) Die Richter konnten zwar eine spezielle Form der Leitung ausüben, es gab aber keine Garantie dafür, daß ihnen gefolgt wurde. b) Die Sanktionen waren nur von begrenzter Wirksamkeit, denn die Richter setzten m i t großer Vorsicht sich selber Grenzen, 1. weil sie ohnehin kein Interesse hatten, sich zu engagieren, 2. weil es eine unangenehme Aufgabe war, die die normalen Spannungen zwischen Bundesorganen und Einzelstaaten nur verstärken konnte, 3. weil sie wegen ihrer starken Arbeitsbelastung möglichst wenig selbst t u n wollten, 4. weil reapportionment durch das Gericht den Richtern mit Sicherheit den V o r w u r f der Parteilichkeit von einer der mehreren Seiten eingebracht hätte, 5. weil starkes Engagement i n solchen politischen Angelegenheiten zumindest teilweise ihrem Ansehen als faire und unpolitische Schiedsleute abträglich gewesen wäre. c) Die Sanktionen erwiesen sich als begrenzt wirksam, weil die Richter den Governor nicht direkt mit einem gerichtlichen Ultimat u m konfrontierten, ihre übrigen Beschlüsse i h n jedoch nicht durchschlagend beeinflussen konnten.
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d) Die Richter machten einen strategischen Fehler, als sie ohne Not ihre Drohung, eine Wahl at-large durchführen zu lassen, durch die Drohung, nur weighted voting anzuordnen, ersetzten. 3. Der Kompromiß zwischen den politischen Kräften war großenteils durch deren Eigeninteresse bestimmt. a) Der Washingtoner reapportionment Streit war nicht eingebettet i n eine Massenbewegung. b) Die Notwendigkeit des reapportionment war von den Bundesgerichten festglegt worden. Der Druck, es zu Ende zu führen, kam von denen, die am meisten dadurch zu gewinnen anstanden (hier: die Republikanische Partei). c) Den Richtern ging es um zahlenmäßige Bevölkerungsgleichheit i n den Wahlkreisen, den Parteien um die Kontrolle des legislativen Prozesses. Daher war die Mehrheitspartei so schwer zu Zugeständnissen zu bewegen, und daher hatte sie das reapportionment i n der ersten Wahlperiode hintertrieben: Sie erwartete eine überwältigende Mehrheit i n der Legislative und erneut den Governor-Posten nach der nächsten Wahl. d) Einzelne führende Parteigenossen konnten ihre persönliche Position i m Verlauf der Streitigkeiten stärken (hier: der republikanische Governor und der Führer der Demokraten i m Senat). Der Supreme Court hat die Untergerichte i m wesentlichen gewähren lassen und dies noch 1971 erneut zum Ausdruck gebracht: I n Ely ν . Klahr (1971)31 ging es u m eine weitere Stufe i n dem seit 1964 anhängigen Streit u m ein verfassungsmäßiges apportionment des Staates Arizona. Der federal district court hatte die Wahl von 1970 nach einem reapportionment Plan durchführen lassen, der gleichzeitig auch von i h m selbst als verfassungswidrig erkannt worden war. Die Kläger fürchteten, daß der federal district court auch die nächste Wahl wieder nach diesem Plan durchführen lassen würde, wenn die Legislative nicht inzwischen einen verfassungsgemäßen verabschieden würde. Sie verlangten vom Supreme Court Eingriff i n das district court management der Angelegenheit, insbesondere das Kürzen der Frist für die Legislative. Doch der Supreme Court erklärte ausdrücklich, der district court wisse besser als er, ob die Frist ausreichend sei, die nötigen Maßnahmen noch zu treffen, und er ziehe es vor, die Angelegenheit i n den Händen des district court zu belassen. Andererseits kritisierte der Supreme Court anläßlich einer komplexen und weitreichenden Entscheidung, daß der federal district court zu undifferenziert und möglicherweise i m Übermaß vorgegangen sei. 81
Ely v. K l a h r , 403 U.S. 108 (1971).
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Seine Worte betreffen zwar an sich die inhaltliche Entscheidung und nicht die Pressionsmaßnahmen des district court. Aber sie lassen sich i n geeignetem Fall ohne weiteres auf das Management des reapportionment Prozesses anwenden: The remedial powers of an equity court must be adequate to the task, but they are not unlimited. . . . The court entered judgment without expressly putting aside on supportable grounds the alternative of . . . 3 2 . Die Durchsetzung der Entscheidungen liegt also weiterhin bei den Untergerichten. Sie haben sich, vor allem i n legislativen apportionment Fällen, m i t den politischen Instanzen i n durchaus politischer Weise auseinandergesetzt. Sie haben aber darüber hinaus, vor allem i n local apportionment Fällen, die administrative Durchführung weitgehend bestimmt. 2. Gerichte und Kommunalverwaltung
Ein einigermaßen typisches Beispiel für die besonders detaillierten Anordnungen i m Kommunalbereich ist das richterliche apportionment des Selbstverwaltungsgremiums von Sumner County, Tennessee, des sog. Quarterly Court 3 8 . Kläger und Beklagte legten dem Bundesdistriktrichter Miller je zwei reapportionment Pläne vor: Beide Pläne der Beklagten sahen eine vom Quarterly Court durchzuführende Änderung der Wahlkreisgrenzen vor, der erste nach der Zahl der Wohnhäuser multipliziert m i t dem nationalen Wohnmittel von 3,8 Personen pro Haus, der zweite auf der Basis der Wähler, die sich vor der Novemberwahl 1968 eingetragen hatten (registered voters). Der erste Plan der Kläger sah die Beibehaltung der bestehenden Wahlkreisgrenzen, aber die Zuteilung von zusätzlichen Stimmen proportional zur Zahl der registered voters vor (weighted voting). Der zweite klägerische Plan basierte auf Zahlen der neuesten (nach November) Liste der registered voters. Die bestehenden Distrikte sollten so zusammengefaßt werden, daß sie etwa gleich groß sein w ü r den. Letzteren Plan akzeptierte der Richter als vorläufiges reapportionment und gab den Beklagten zehn Tage Zeit, entweder einen eigenen Plan vorzulegen oder Einwände gegen den vorläufig akzeptierten Plan vorzubringen. Die Beklagten legten einen neuen Plan vor. Die Kläger machten gegen diesen geltend, er verstoße gegen die Verfassung von Tennessee, indem er jedem der nur vier Distrikte zehn Ratsherren 32
Whitcomb v. Chavis, 403 U.S. 124 (1971), at 160/1. Sudekum v. Hayes, 415 F. 2d 41 (6th Cir. 1969), i n dessen Anhang die Anordnungen von Federal District Judge M i l l e r abgedruckt sind. 33
Β . Die Wahlkreiszusammensetzung
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(magistrates) zuwies, während die Verfassung nur zwei vorsieht (Art. 6, See. 15). Richter Miller wies die Parteien an, diesen letzten K o n f l i k t auszuräumen, und meinte, daß die Ratsherrenzahl zwischen zwei und zehn liegen sollte. Eine Übereinkunft wurde nicht erzielt. M i t der Begründung, der Plan sei von Leuten aufgestellt worden, die die Lokalitäten kennten, und er verstoße auch auf der Basis der registered voters nicht gegen das one man — one vote Prinzip, ordnete deshalb der Richter folgendes an: 1. Der jüngste Plan der Beklagten sei m i t der Maßgabe verbindlich, daß sechs magistrates pro Distrikt zu wählen seien. 2. Die Wahl habe am 9. August 1969 stattzufinden und sei i n den Zeitungen einmal pro Woche i n vier aufeinanderfolgenden Wochen zu veröffentlichen. 3. Eine besondere Wählereintragung sei i n jedem Distrikt eine Woche lang, einschl. Sonnabend, durchzuführen. 4. A u f seiner (nächsten) Sitzung vom 14. J u l i 1969 dürfe der Quarterly Court nur Routineangelegenheiten behandeln, insbesondere nicht Steuern festlegen und Schuldverschreibungen oder ungewöhnliche Ausgaben bewilligen. 5. Eine Sondersitzung des neuen Rates habe zwischen dem 10. und 25. August stattzufinden, u m sich m i t der Bewilligung der notwendigen Gelder zu befassen. 6. Der Rechtsstreit bleibe anhängig, damit das Gericht vorgehende A n ordnungen durchsetzen könne. Das von den Klägern angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Maßnahmen 34 , einschl. der Außerachtlassung der Verfassung von Tennessee: Bei unvermeidlichem K o n f l i k t zwischen bundes- und einzelstaatlicher Verfassung müsse letztere weichen, hier gehe das X I V . amendment vor 3 5 . B. Die inhaltlichen Probleme der Wahlkreiszusammensetzung Grenzen für die Ausgestaltung von reapportionment Plänen fanden Parteien und Gerichte i n den Vorschriften der einzelstaatlichen Verfassungen. Sie reichten von einfachen Zeitvorschriften für Legislaturperioden oder periodisches reapportionment 1 bis zu komplizierten Regelun34 Solche ins einzelne gehende Anordnungen finden sich ausschließlich auf kommunaler Ebene, sind dort aber sehr häufig; vgl. für die einzelstaatliche Gerichtsbarkeit etwa I n re Apportionment of Sanilac County, Board of Supervisors, 162 N.W. 2d 913 (Ct.App.Mich. 1968). 35 Siehe A n m . 33. 1 ζ. B. i n Vermont; dazu Buckley v. Hoff, 234 F.Supp. 191 (D.Vt. 1964).
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gen zum Größenverhältnis der beiden legislativen Kammern zueinander 2 . Der Supreme Court hatte i n Reynolds erklärt, die Gerichte sollten ihre Abhilfemaßnahmen so weit wie möglich m i t den einzelstaatlichen Verfassungen i n Einklang halten. Auch die Bundesgerichte hielten sich deshalb i n der Regel an die einzelstaatlichen Vorschriften. Schienen diese ihnen aber nicht einhaltbar bei dem Versuch, gleich große Wahlkreise und zugleich eine zahlenmäßig nicht übergroße Legislative zu schaffen, dann setzten sie sich — wie soeben beispielsweise dargelegt — über sie hinweg mit dem Hinweis auf den Vorrang der bundesverfassungsrechtlichen Vorschriften 3 . Die Einzelheiten dieser Rechtsprechung sollen hier nicht dargelegt werden 4 . Ungleich wichtiger und bis heute nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, auf welcher Grundlage die Größe der Wahlkreise festzustellen und zu vergleichen ist: Gilt die Gesamtbevölkerungszahl gemäß den Erhebungsvorschriften des Bundeszensus? Oder die Zahl der i m Wahlkreis wohnhaften Bürger des Einzelstaates? Oder alle Einwohner, die einen ersten Wohnsitz i m Wahlkreis haben (residents)? Oder nur die Inhaber der amerikanischen Staatsbürgerschaft? Oder etwa nur alle wahlberechtigten Bürger (qualified voters)? Oder die für die vergangene oder anstehende Wahl eingetragenen Wähler (registered voters)? Oder die an der letzten Wahl tatsächlich Beteiligten (actual voters)? Die große Bedeutung dieser Frage zeigt sich weniger beim reapportionment eines gesamten Staates als i m Kommunalbereich. So repräsentiert z. B. i m Stadtrat von New Haven, Connecticut, dem Standort der Yale University, jeder alderman etwa 4600 Menschen. Aber Distrikt I hat nur 800 Wahlberechtigte, die restlichen 3800 Bewohner sind zwar vom Zensus gezählte, aber nicht wahlberechtigte Studenten i n Wohnheimen. I n praktisch allen kleinen College-Orten besteht dasselbe Problem. Ein anderes Beispiel sind die Bewohner größerer Heil- und Pflegeanstalten. I n Seaman v. Fedourich (1965)5 handelte es sich u m 3200 2 z.B. i n Wyoming: Jede county mußte von mindestens einem Senator u n d einem Repräsentanten vertreten sein, aber die Gesamtzahl der Repräsentanten durfte nicht weniger als die dreifache A n z a h l der Senatoren betragen; dazu Schaefer v. Thomson, 240 F.Supp. 247 (D.Wyo. 1964). 3 z. B. i m Hinblick auf die einzelstaatliche Legislative i n B u t t e r w o r t h v. Dempsey, 229 F.Supp. 754 (D.Conn. 1964) ein Bundesgericht u n d i n Jackman v. Bodine, 188 A. 2d 642 (N.J.Super. 1963) ein einzelstaatliches Gericht. 4 Dazu knapp, umfassend u n d kritisch der Aufsatz i n 114 U P a L R e v 504 (1966), at 517; oberflächlich dagegen 1965 Duke L J 563, at 589/90; beide T i t e l siehe oben, T e i l I I I Α., A n m . 2. 5 Siehe oben, T e i l I I B., Text zu Anm. 25 ff.
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Patienten eines Landeskrankenhauses, die nicht berücksichtigt worden waren (bei städtischen Wahlkreisen i n der Größenordnung zwischen 7000 und 15 000 Einwohnern). Ebenso umstritten ist das Problem, ob Bevölkerungsverschiebungen seit dem als maßgebend angesehenen Stichtag der Bevölkerungszählung bei der Festlegung der Wahlkreisgröße berücksichtigt werden können oder etwa müssen. 1. Bevölkerungszahl und Zensusergebnis
Auseinandergesetzt m i t der Frage, was denn „population" als die regelmäßig angegebene Grundlage des apportionment eigentlich bedeutet, hat sich der Supreme Court zum ersten M a l i n Burns υ. Richardson (1966)β. I n diesem Fall war Hawaii von der ursprünglichen Berechnungsgrundlage, hawaiische Staatsangehörigkeit, abgewichen, w e i l die notwendigen Statistiken fehlten. Da bei der Benutzung der Gesamtbevölkerungszahl (total population) als Basis die Erhebungsgrenzen des Bundeszensus hätten verwendet werden müssen, die mit den traditionellen lokalen Grenzen nicht übereinstimmten, hatte man die Zahl der eingetragenen Wähler (registered voters) als eine Kompromißlösung gewählt: Sie entsprach i n etwa dem Ergebnis, das sich bei der Benutzung der beiden anderen Berechnungsmöglichkeiten auch ergeben hätte, war zudem leicht festzustellen, von vornherein nach Wahlbezirken geteilt und bevorzugte schließlich ein wenig die kleineren Inseln gegenüber der Hauptinsel Oahu. Letzteres, so hatte der federal district court festgestellt 7 , war gerechtfertigt, da wegen der Konzentration von Touristen und vorübergehend stationiertem M i l i t ä r die Zensuszahlen auf Oahu stets besonders hoch liegen. Schließlich war ein i m Vergleich zum Festland sehr großer Teil der Wahlberechtigten auch tatsächlich eingetragen (nach Feststellung des district court 87 °/o), von denen 88 - 93 °/o i n den letzten vier Wahlen auch zur Wahlurne gegangen waren. Der Supreme Court hatte sich nun i n den Reapportionment Cases von 1964 stets auf die „population basis" bezogen. Jetzt wies Justice Brennan darauf hin, daß das Gericht offengelassen hatte, ob es sich dabei u m total population oder citizen population handelte. Für die Mehrheit von sechs Justices erklärte er, die equal protection clause verlange nicht von den Einzelstaaten, ihrem apportionment die total population Zahlen des Bundeszensus zugrunde zu legen, oder daß Gruppen, wie Ausländer, Besucher, kurzzeitige oder vorübergehende Bewohner, bei der Berechnung der Wahlkreisgröße mitzuzählen seien. Die Entscheidung * Burns v. Richardson, 384 U.S. 73 (1966), at 86. 7 Burns v. Richardson, 238 F.Supp. 468 (D.Hawaii 1965), at 474. 1
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darüber „involves choices about the nature of representation", i n die das Gericht einzugreifen so lange keinen Grund sehe, wie die Auswahl nicht gegen die Verfassung verstoße (wie etwa i n Carrington v. Rash, 19658, durch den Ausschluß aller Militärpersonen). E i n besonderes Problem stelle allerdings die Verwendung von Zahlen über eingetragene Wähler (registered voters) oder die Wahlbeteiligung (actual voters) dar. Diese beruhe auf Kriterien, die über diejenigen der Staatsangehörigkeit hinausgingen, indem sie auf das Ausmaß der politischen A k t i v i t ä t abstellten. Als solche seien sie anfällig für unzulässige Einflüsse, m i t denen die politisch Mächtigen möglicherweise die Unterrepräsentation bestimmter Gruppen verewigen könnten. Ein Zitat aus der untergerichtlichen Entscheidung Ellis v. Mayor & City Council of Baltimore (1965)9 rundete die Bedenken ab: Die Zahl der registered voters könne plötzlich und erheblich von Wahl zu Wahl verschieden sein, und zwar aus so zufälligen Gründen wie: stark kontroverse Streitpunkte, ein besonders populärer Kandidat oder auch nur die Wetterlage. Die Berechnung nach registered voters sei zudem besonders problematisch, wenn, wie i n Hawaii, das apportionment zehn Jahre lang gelten solle. Dennoch veranlaßten die besonderen Verhältnisse Hawaiis den Supreme Court, dort registered voters als Grundlage der Wahlkreiseinteilung nicht zu verwerfen 1 0 : Das apportionment von Hawaii sei deshalb nicht verfassungswidrig, weil es eine Sitzeverteilung ergeben habe, die „not substantially different" von der sei, die sich ergeben hätte aus der Anwendung einer „permissible population basis". Trotz dieser erheblichen Bedenken haben einige Bundesuntergerichte und einzelstaatliche Gerichte registered voters als Basis zugelassen, auch nach 1966 und ζ. T. ohne besondere Rechtfertigung 11 . I n Kirkpatrick v. Preisler (1969)12 hatte der Supreme Court Gelegenheit, erneut auf die Probleme einzugehen. Beim apportionment von Repräsentanten nach der Bundesverfassung, die i n A r t . I, See. 2 von Wahl „by the People" spricht, so erklärte Justice Brennan für die Mehrheit, könne die Frage sein, ob überhaupt je etwas anderes als total population die Berechnungsgrundlage sein dürfe. Dennoch nahm er argumentativ an, daß „eligible voter population", also wahlberechtigte Bevölkerung i m Gegensatz zur Gesamtbevölkerung, als Basis dienen könne 1 3 . 8
Siehe Besprechung oben, T e i l I I C., T e x t zu A n m . 39 ff. • Siehe oben, Besprechung i n T e i l I I B., Text zu A n m . 37 ff. 10 Burns v. Richardson, 384 U.S. at 93. 11 Otis v. Boyd, 294 F.Supp. 813 (E.D.Tenn. 1968) oder H a r t m a n n v. City and County of Denver, 440 P. 2d 778 (S.Ct.Colo. 1968). 12 K i r k p a t r i c k v. Preisler, 394 U.S. 526 (1969).
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Hier hatte sich das Gericht also nochmals für die Basis „population" wenigstens beim congressional apportionment festgelegt. Doch auch eine solche Grundlage besitzt am Tage der Wahl wieder Ungenauigkeiten, die aus den inzwischen eingetretenen Bevölkerungsverschiebungen resultiert. Wiederum sind die Auswirkungen auf der lokalen Ebene besonders schwerwiegend, zumal der Bundeszensus nur alle zehn Jahre stattfindet 1 4 . Der Supreme Court hatte sich i n Kirkpatrick blem zu befassen. Sein Leitsatz war:
auch m i t diesem Pro-
Situations may arise where substantial population shifts over such a period (10 years) can be anticipated. Where these shifts can be predicted w i t h a high degree of accuracy, States that are redistricting may properly consider them.
Aber das Gericht verlangte Genauigkeit und Vollständigkeit: B y this we mean to open no avenue for subterfuge. Findings as to population trends must be thoroughly documented and applied throughout the State i n a systematic, not an ad hoc, manner 1 5 .
Ein Untergericht hat schon 1968 den Weg gewiesen. A u f Vorschlag des Klägers ordnete ein Berufungsgericht des Bundes i n Shalvoy v. Curran 16 an, der district court solle die beklagten Beamten der City of Bridgeport, Connecticut, anweisen, bei der ohnehin alle zwei Jahre stattfindenden Prüfung der Wahlberechtigung, genauer: Werbung, sich für die Wahl einzutragen, zugleich die Gesamtzahl der Bevölkerung festzustellen. Die Stadt müsse ihre Werber verpflichten, bei jeder A k t i o n von Tür zu Tür nicht nur nach den Wahlberechtigten, sondern auch nach der Gesamtzahl der dort Wohnenden zu fragen. Wenn dann erhebliche Größenunterschiede zwischen den Wahlkreisen festgestellt würden, müßten rechtzeitig Abhilfemaßnahmen ergriffen werden. 2. Einerwahlkreise und Großwahlkreise für mehrere Abgeordnete
Gäbe es i n einem Staat nur Einerwahlkreise, wäre m i t der richtigen Feststellung der „Größe" eines Wahlkreises das Problem seiner Vergleichbarkeit m i t anderen Wahlkreisen gelöst und die formale Gleichheit der Wähler vor allem eine Frage der Arithmetik. Die Geometrie, also die Wahlkreisgrenzziehung, wäre ein davon deutlich abhebbarer Teil solch juristischer Mathematik. 18
Id. at 534. I n Shalvoy v. Curran (siehe unten, A n m . 16) etwa zeigen die Kläger auf, welche bevölkerungsmäßigen Folgen sich aus einem Bundesfernstraßenbau und dem städtischen Neubauprogramm f ü r die City of Bridgeport, Conn., i n den Jahren 1960 - 1967 ergeben haben. 15 K i r k p a t r i c k v. Preisler, 394 U.S. at 535. 16 Shalvoy v. Curran, 393 F. 2d 55 (2nd Cir. 1968). 14
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Aber es gibt i n vielen Staaten der USA neben Einerwahlkreisen auch Großwahlkreise, i n denen mehrere Abgeordnete gewählt werden (multi-member districts) und überlappende Wahlkreise beider A r t e n i n vielfältigen Kombinationen (floterial districts). I n Virginia wurden beispielsweise i n einem Gebiet von drei counties und einer Stadt zwei Abgeordnete auf folgende Weise gewählt: bei einem gesamtstaatlichen Idealwahlkreis von 39 669 Einwohnern ein Abgeordneter von der Stadt i n Verbindung mit einer der counties (zusammen 53 363 Einwohner), der andere Abgeordnete von allen vier Kommunen gemeinsam (90 760), so daß zwei counties m i t insgesamt 37 397 Einwohnern nur an der Wahl des zweiten Abgeordneten (floterial district) m i t beteiligt waren. Dieses Arrangement prüfte ein federal district court und stellte auf rein arithmetischer Basis eine Unterrepräsentation der beiden allein am floterial district beteiligten counties fest. Seine Lösung war, einen multi-member district zu bilden, also die vier Kommunen zu einem Großwahlkreis zusammenzuschließen, aus dem beide Abgeordnete atlarge zu wählen waren 1 7 . Abgesehen davon, daß i n diesem Beispiel auch der neue Großwahlkreis das rechnerische Ideal von 2 χ 39 669, also 79 668 Einwohnern, u m mehr als 10 000 überstieg, war das politische Problem, daß die Stadt zusammen m i t jener ursprünglich privilegierten county beide Abgeordnete bestimmen konnte, durch die Neuregelung keineswegs gelöst 18 . Durch eine große Anzahl von Einzelstudien ist die sich aufdrängende Hypothese bestätigt worden, daß muli-member districts eine Repräsentation von Minoritäten i n aller Regel verhindern 1 9 . Die Gerichte haben an diesen Problemen trotz ihrer anfänglichen Fixiertheit auf die arithmetische Gleichheit nicht vorbeisehen können. I n Reed v. Mann (1964) hatte ein federal district court die Begründung, multi-member districts seien wegen ihres internen winner-take-all Effekts grundsätzlich verboten, nicht für ausreichend gehalten, solche Wahlkreise für verfassungswidrig zu erklären 2 0 . Auch der Supreme Court entschied schon 1965 i n Fortson v.Dorsey, daß multi-member districts neben Einerwahlkreisen grundsätzlich zulässig seien, wenn der Zahl der Abgeord17 M a n n v. Davis, 245 F.Supp. 241 (E.D.Va. 1965); ähnlich Stout v. Bottorff, 246 F.Supp. 825 (S.D.Ind. 1965): M a r i o n County 424 090, Hendricks County 19 116 und Morgan County 23 304 Einwohner, ursprüngliches Arrangement: sieben Senatoren f ü r Marion, einer (floterial) f ü r alle drei counties gemeinsam. 18 I n Baker v. Carr, 247 F.Supp. 629 (M.D.Tenn. 1965), at 640, hat ζ. B. der federal district court die floterial districts nicht angetastet, w e i l sie rechnerisch der N o r m nahekamen. 19 Vgl. die einzelnen Nachweise bei Dixon, Democratic Representation 504. 20 Reed v. Mann, 237 F.Supp. 22 (N.D.Ga. 1964).
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neten i m Großwahlkreis ein lineares Vielfaches der Einwohnerzahl des idealen Einerwahlkreises entspricht. Dazu hatte der Supreme Court auf Chief Justice Warrens dictum i n Reynolds v. Sims (1964) verweisen können, i n dem dieser die Verwendung sowohl von multi-member als auch von floterial districts vorgeschlagen hatte, u m eine einheitliche Repräsentation von größeren politischen Einheiten sicherzustellen. Aber das Gericht erklärte i n Fortson zugleich, daß rechnerische Gleichheit allein die Bildung von Großwahlkreisen nicht vor erfolgreichen Angriffen auf die Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens schützen könne: I t might w e l l be that, designedly or otherwise, a m u l t i - m e m b e r constituency apportionment scheme, under the circumstances of a particular case, w o u l d operate to minimize or cancel out the voting strength of racial or political elements of the v o t i n g population 2 1 .
Doch, so führte das Gericht i n Burns v. Richardson (1966) aus, W i r kungen solcher A r t müßten durch Tatsachen eindeutig bewiesen werden. I n Kilgarlin v. Hill (1967) stellte der Supreme Court schließlich die Beweispflicht der Kläger fest und ließ i m Grundsatz single-member, multi-member und floterial districts nebeneinander bestehen 22 . A l l e r dings äußerte Justice Douglas i n einem concurring vote grundsätzliche Zweifel an der Verwendung von Großwahlkreisen, indem er meinte, ein solches Wahlsystem „allows the majority to defeat the minority on all fronts" 2 3 . So war für Untergerichte und Legislative durchaus offen, ob nicht Großwahlkreise aus inhaltlichen Gründen i m Einzelfall doch verfassungswidrig seien. I m Jahr zuvor hatte eine Mehrheit des Iowa Supreme Court i n Kruidenier v. McCulloch (1966)24 aufgrund umfangreichen Beweismaterials, wenn auch letztlich spekulativ, die vermischte Verwendung von Einer- und Großwahlkreisen für verfassungswidrig erklärt, w e i l der Wähler i n einem Großwahlkreis mehr „voting power" habe als ein Wähler i n einem Einerwahlkreis: Er habe die besseren Möglichkeiten, Abgeordnete zu finden, die seine Sache verfechten, und eine weitaus größere Chance, daß einer oder mehrere seiner Abgeordneten dem Ausschuß angehören, der seine Probleme bearbeitet 25 . Doch der United States Supreme Court hatte eine Überprüfung dieser Entscheidung abgelehnt, so daß erst 1971 die Probleme der Groß Wahlkreise dem Supreme Court unterbreitet worden sind: i n Whitcomb v. Chavis und Connor υ. Johnson. 21 22 23 24 25
Fortson v. Dorsey, 379 U.S. 433 (1965), at 439. K i l g a r l i n v. H i l l , 386 U.S. 120 (1967), at 121. Douglas, concurring i n Fortson, at 126. Kruidenier v. McCulloch, 142 N.W. 2d 355 (S.Ct.Iowa 1966). Id. at 363.
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Zwischen beiden Entscheidungen liegt nur ein Zeitraum von vier Tagen 26 . Dennoch scheinen sie sich direkt zu widersprechen. Während der Supreme Court i n Connor per curiam, aber gegen Chief Justice Burger und die Justices Black und Harlan 2 7 einen federal district court anwies, nur Einerwahlkreise zu bilden und i n K r a f t zu setzen, entschied er einstimmig i n Whitcomb, daß Großwahlkreise nicht per se gegen die equal protection clause verstoßen. Doch dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich aus dem Unterschied zwischen einem Urteil über die Verfassungswidrigkeit eines legislativen apportionment Plans (Whitcomb) und der Durchführung eines reapportionment durch die Gerichte selbst (Connor). I n letzterem w i r d discretion, Ermessen, Auswahl, Bevorzugung geübt, wie es sonst nur außergerichtlichen Organen zukommt. Insoweit ist die Aussage der Mehrheit des Supreme Court eindeutig: Wenn district courts gezwungen sind, apportionment Pläne zu erarbeiten, sind Einerwahlkreise generell großen multi-member districts vorzuziehen 28 . Ob und bei welcher Konstruktion Großwahlkreise aber gegen die Verfassung verstoßen, stand i n Connor nicht zur Entscheidung. Hier war Whitcomb v. Chavis (1971) einschlägig 29 . Whitcomb betraf die multi-member districts des Staates Indiana, die gebildet worden waren, weil die einzelstaatliche Verfassung eine Teilung von counties zum Zweck des apportionment untersagte. Marion County, die bevölkerungsreichste des Staates, umfaßt neun townships einschl. der Hauptstadt Indianapolis. Gewählt wurden acht Senatoren und fünfzehn Abgeordnete i n Marion County als Großwahlkreis. Einige Kläger verlangten eine Aufteilung des Großwahlkreises i n Einerwahlkreise mit der Begründung, durch den multi-member district werde ihnen equal protection of the laws vorenthalten, denn er verwässere das Wahlrecht einer identifizierbaren rassischen Minorität innerhalb der county, der sie angehörten. I n Anwendung des Grundsatzes des Supreme Court i n Fortson v. Dorsey (1965), daß eine Rechtsverletzung vorliegen könne, wenn ein Großwahlkreissystem „ w o u l d operate to minimize or cancel out the voting strength of racial or political elements of the voting population", suchte der angerufene federal district court zunächst benachteiligte Elemente der Wählerschaft zu identifizieren. Dabei gelangte er zu folgender Definition eines „ghetto": 26
Connor: 3. J u n i ; Whitcomb: 7. J u n i 1971. Die dissenters machten geltend, daß die Anweisungen des Supreme Court Konfusion bei Wählern, Kandidaten u n d Behörden verursache, w e i l erst ganz kurz v o r der eigentlichen W a h l feststehe, w o die Wahlkreisgrenzen verlaufen. Dies sei u m so erstaunlicher, als bisher m u l t i - m e m b e r districts f ü r einzelstaatliche Legislativen i m m e r gebüligt worden seien. 28 Connor ν. Johnson, 402 U.S. 690 (1971), at 692; bekräftigt i n Connor ν. Williams, 404 U.S. 549 (1972). 29 Whitcomb v. Chavis, 403 U.S. 124 (1971). 27
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A p r i m a r i l y residential section of an urban area characterized b y a higher relative density of population and a higher relative proportion of substandard housing t h a n i n the overall metropolitan area w h i c h is inhabited predominantly b y members of a racial, ethnic, or other m i n o r i t y group, most of w h o m are of lower socioeconomic status t h a n the prevailing status i n the metropolitan area and whose residence i n the section is often the result of social, legal, or economic restrictions or custom 3 0 .
Ein solches Getto fand der federal district court innerhalb Marion Countys Center Township. Schon ein Vergleich dieses Gebietes m i t Washington Township, einem reichen Vorort, i n dem die obere M i t t e l klasse dominierte, ergab, daß i n den Wahlperioden 1960-1968 bei insgesamt 21 Senatoren und 67 Abgeordneten i n Center Township 2 bzw. 12, i n Washington County aber 11 Senatoren und 28 Abgeordnete residierten, obwohl i n Center 41,14 °/o der Bevölkerung wohnten, während es i n Washington nur 14,64 °/o waren. Gemessen am Wohnsitz der Senatoren und Abgeordneten war nach Auffassung des federal district court eine erhebliche Ungleichheit der Repräsentation und insbesondere eine starke Benachteiligung des von Schwarzen bewohnten Center Township Getto festzustellen. Das Gericht meinte, die Benachteiligung werde noch verstärkt durch die Tendenz der Center Township Repräsentanten, eine gemeinsame Linie bei Gesetzesvorhaben und Abstimmungen zu verfolgen (bloc voting). Dies sei aber vor allem ein Resultat der Wahl at-large i m Großwahlkreis, die die Vertretung der Interessen einer zahlenmäßig starken Minderheit innerhalb der Wählerschaft verhindere. Die Wahl at-large mache es darüber hinaus einem sorgfältigen Wähler schwierig, eine rationale Wahl zu treffen, da er m i t je 23 Kandidaten beider Parteien konfrontiert werde. Die Verminderung der voting strength der Getto-Wählerschaft resultiere aus der strengen Kontrolle der politischen Parteien über die Kandidatenauswahl, aus dem Unvermögen der Schwarzen, sich die Möglichkeit zu verschaffen, für Kandidaten ihrer Wahl zu stimmen, und aus dem Fehlen eines bestimmten Repräsentanten, der ihnen gegenüber für seine Stimmabgabe i n der Legislative Rechenschaft ablegen müßte. Da die Repräsentanten ihrer Partei und der gesamten county verantwortlich seien, sei es schwierig für einen Einzelnen, von einer Generallinie abzuweichen und die Interessen der Getto-Minderheit wirksam zu vertreten. Zwar sei jeder Abgeordnete von Marion County auch den Gettobewohnern verantwortlich, aber „(p)artial responsiveness of all legislators is (not) . . . equal (to) total responsiveness and the informed concern of a few specific legislators" 81 . 30 31
Whitcomb v. Chavis, 305 F.Supp. 1364 (S.D.Ind. 1970), at 1373. Id. at 1386.
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Soweit die Klage eines Wählers betroffen war, der i n Lake County nur für 16 Sitze, nicht für 23, wie i n Marion County, stimmen konnte, meinte der federal district court, er habe wahrscheinlich eine weniger wirksame Repräsentation erhalten als die Wähler i n Marion County: „He votes for fewer legislators and, therefore, has fewer legislators to speak for him." Da jedoch das Gericht der Legislative die Korrektur des als verfassungswidrig festgestellten apportionment überließ und ihr neben dem Vorschlag, Einerwahlkreise zu bilden, empfahl, das Prinzip der gleichartigen Wahlkreise (uniform district principle) zu beachten, wurde diesem Kläger darüber hinausgehende Abhilfe nicht zugestanden. Der Supreme Court bestätigte i n Whitcomb v. Chavis (1971) zunächst einstimmig seine bisherige Einstellung, daß multi-member districts nicht per se verfassungswidrig sind 3 2 . Das Gericht lehnte damit die von John F. Banzhaf i n einer Reihe von Aufsätzen 33 dargelegten Argumente ab, (a) daß Wähler i n Großwahlkreisen deshalb große voting power besäßen, weil sie (wie er mathematisch nachwies) mehr Chancen hätten, daß Ergebnis von Wahlen zu bestimmen (tie breaking votes), (b) daß diese Wähler wirkungsvoller i n der Legislative repräsentiert würden, weil die Abgeordneten aus Großwahlkreisen als Block abstimmten. Beide Argumente sah der Supreme Court als nur theoretische an. I m ersteren Fall würden viele politische Faktoren nicht beachtet, die das tatsächliche Stimmgewicht der Wähler ausmachten, wie Parteizugehörigkeit, Rasse, bisherige Wahlcharakteristika, usw. Das zweite Argument habe nicht i n praxi substantiiert werden können, und bloc voting könne genauso wirkungsvoll von mehreren Abgeordneten aus Einerwahlkreisen gemeinsam praktiziert werden 8 4 . Uneinig waren die Justices aber dann i n der Frage, ob durch den multi-member district von Marion County das Stimmgewicht der Schwarzen des Center Township Getto i n verfassungswidriger Weise gemindert werde, wie es der federal district court angenommen hatte. Hier ging es also nicht mehr um eine grundsätzliche Entscheidung zwischen Einer- und Großwahlkreisen, sondern um die Frage, unter welchen Umständen Großwahlkreise i m Einzelfall verfassungswidrig seien. 32
Whitcomb v. Chavis, 403 U.S. at 142 (Opinion of the Court), 178 (dissent). 33 Vgl. insbesondere Banzhaf, „ M u l t i - M e m b e r Electoral Districts — Do They Violate the ,One Man, One Vote* Principle?", 75 Yale L J 1309 (1966) u n d „Weighted V o t i n g Doesn't W o r k : A Mathematical Analysis", 19 Rutgers L Rev 317 (1965). 34 Whitcomb v. Chavis, 403 U.S. at 144 - 148.
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I n Burns υ. Richardson (1966) hatte der Supreme Court i m Anschluß an Fortson gemeint, wenn (1) Wahlkreise sehr groß i m Verhältnis zur Gesamtzahl der Repräsentanten i n der Legislative seien oder wenn (2) diese nicht, wie i n Fortson, unterteilt seien i n Wohnbezirke, um die Verteilung der Abgeordneten über das Gesamtgebiet des Wahlkreises sicherzustellen, oder wenn (3) Großwahlkreise i n beiden Häusern der Legislative vorherrschten, sei der „invidious effect" solcher Wahlkreise leichter nachzuweisen. A u f dieses dictum bezog sich das Votum Justice Douglas* i n Whitcomb, dem sich allerdings nur die Justices Brennan und Marshall anschlossen. Er sah alle drei Faktoren als gegeben an und meinte, der invidious effect des Marion County district auf das Stimmgewicht sei i m Urteil des federal district court i m einzelnen nachgewiesen. Doch die Mehrheit m i t Chief Justice Burger, den Justices White, Stewart und Blackmun, aber auch Justice Black, war anderer Ansicht. Diese Justices interpretierten das Fortson dictum dahin, ein m u l t i member apportionment Plan müsse sein: „conceived or operated as purposeful devices to further racial or economic discrimination" (Hervorhebung von mir) 3 5 . Eine Absicht zu diskriminieren war allerdings i n Whitcomb nicht einmal behauptet worden. Sogar nachgewiesen jedoch waren die für Getto-Schwarze diskriminierenden Auswirkungen des multi-member district von Marion County. Aber auch auf der Basis des Fortson-dictums fand die Mehrheit keine tatsächliche Verminderung von voting strength: Getto-Wähler könnten ebenso wie die anderen Wähler einer Partei beitreten, darin mitarbeiten und an der Kandidatenaufstellung teilnehmen. Es ließe sich nicht feststellen, daß Getto-Bewohner regelmäßig von den Kandidatenlisten der Parteien ausgeschlossen würden und ihnen so die Chance verwehrt sei, Abgeordnetensessel zu besetzen. Vielmehr sei es wahrscheinlich, daß die geringere Repräsentation aus der Tatsache folge, daß die Republikanische Partei vier von fünf Wahlen zwischen 1960 und 1968 gewonnen habe, Center Township aber überwiegend demokratisch wähle. Getto-Wähler seien entscheidend für einen Wahlerfolg der Demokratischen Partei, die deshalb das Getto bei der Kandidatenaufstellung nicht übergehen könne. Wie sich aus den A k t e n ergäbe, seien 1964, als die Demokratische Partei gewonnen habe, genügend Abgeordnete aus dem Getto gewählt worden. Die Republikanische Partei habe zwar nicht zu jeder Wahl Kandidaten aus dem Getto aufgestellt. Sie sei aber ja auch nicht die Partei des Gettos, so daß das Fehlen von Abgeordneten aus dem Getto mehr eine Folge von verlorenen Wahlen 35 Justice Douglas, dissenting, beharrte dagegen auf der tatsächlichen Fortson-Aussage, daß n u r der invidious effect nachgewiesen zu werden braucht: ibid. at 177, 179.
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als von beabsichtigter Benachteiligung sei. Eine Verletzung der equal protection clause sei jedenfalls bisher nicht i n der Tatsache gesehen worden, daß die Wähler des Verlierers ohne Stimme i n der Legislative blieben. Das gelte für Einer- wie für Großwahlkreise. I m übrigen habe der Rechtsstreit nichts dafür ergeben, daß die Vertretung der besonderen Interessen dès Gettos durch Abgeordnete aus Einerwahlkreisen zu anderen Ergebnissen geführt hätte als durch at-large gewählte Abgeordnete des Großwahlkreises. Damit war für den Supreme Court der Nachweis der Voraussetzungen der Fortson-Regel i n Whitcomb nicht erbracht, und es konnte nur noch die Frage sein, ob umgekehrt nicht jede feststellbare Interessengruppe, die geographisch eingrenzbar und groß genug ist, u m i n einem Einerwahlkreis die Mehrheit zu bilden, einen Anspruch auf Repräsentation i n der Legislative hat 3 6 . Ohne eine A n t w o r t darauf zu geben, meinte der Supreme Court, daß das Rechtskräftigwerden der insoweit zwar nur eine rassische Minderheit betreffenden Entscheidung des federal district court zu endlosen Rechtsstreitigkeiten über Großwahlkreise wegen der Repräsentation von Interessengruppen führen würde. Dann befaßt er sich noch einmal m i t den bekannten Nachteilen der multi-member districts: (1) Die siegreiche Partei bringt alle Abgeordneten durch (winner-take-all). (2) Minoritäten werden tendenziell unterdrückt, siegreiche Parteien aber weit überrepräsentiert. Dennoch meinte der Supreme Court: Da dies allgemeine Probleme des Mehrheitswahlrechts, nicht aber der Großwahlkreise i m besonderen seien, habe eine Verletzung des X I V . amendment durch die Verwendung von multi-member districts nicht nachgewiesen werden können: The short of i t is that we are unprepared to hold that district-based elections decided by p l u r a l i t y vote are unconstitutional i n either single- or m u l t i member districts simply because the supporters of losing candidates have no legislative seats assigned to them 8 7 .
Die Mehrheit des Supreme Court hat damit alle grundsätzlichen A n griffe gegen multi-member districts für nicht stichhaltig befunden. Schließlich rügte der Supreme Court den federal district court dafür, daß er nicht erörtert habe, ob es nicht ausreiche, Marion County allein i n Einerwahlkreise aufzuteilen (statt ganz Indiana) oder nur vorzuschreiben, daß stets einige der Abgeordneten i m Getto ihren Wohnsitz haben müssen (wie i n Fortson v. Dorsey, 1965). Trotz dieser Rüge erklärte eine Mehrheit des Supreme Court 3 8 i n Teil V I I des Urteils, die Anordnung des federal district court, ein reapportionment des gesam36
Id. at 156 (Teil V des Urteüs). Id. at 160. 38 Insoweit Chief Justice Burger, die Justices White, Black und Blackmun sowie die dissenters Douglas, Brennan u n d Marshall. 87
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ten Staates Indiana müsse erfolgen, für rechtens. Doch dies geschah auf der Basis der bisherigen apportionment Rechtsprechung, weil das Untergericht auf der Grundlage der Zensuszahlen von 1960 für den Senat ein Verhältnis von größtem zu kleinstem Distrikt von 1,327 : 1 und für das Repräsentantenhaus von 1,279 : 1 festgestellt hatte 3 9 . M i t dieser Entscheidung bleibt die Grundlage der gleichen Wahl, wie das Gericht sie seit Reynolds v. Sims entwickelt hat, unberührt, während der Supreme Court die Fragen der gleichen Repräsentation (von Interessen) noch nicht abschließend beantwortet zu haben scheint. Daß allerdings mathematische Berechnungen von Stimmgewicht wenig Eindruck auf die Gerichte machen, zeigt sich auch an den Entscheidungen zum Verbot des sog. single shot oder bullet voting . Hierbei handelt es sich u m die Vorschriften einiger Einzelstaaten, i n denen von den Wählern i n Großwahlkreisen oder bei Wahlen at-large verlangt wird, so viele Stimmen für verschiedene Kandidaten abzugeben, wie Sitze zu besetzen sind. Anderenfalls ist ihre Stimme insgesamt ungültig. Dieses Verfahren kann dazu führen, daß Stimmen ungleich gewichtig sind: I n Richland County, South Carolina, ζ. B. waren zehn Abgeordnete at-large zu wählen. Die Demokratische Partei hatte auch zehn Kandidaten aufgestellt, die Republikaner aber nur zwei. I n einem solchen Fall liegen mathematisch die Wahlchancen zwischen den folgenden beiden Extremen: Hält eine einfache Mehrheit von Wählern die beiden Republikaner für geeigneter als zwei der zehn demokratischen Kandidaten und gibt deshalb jeder dieser Wähler seine acht übrigen Stimmen genau denselben acht demokratischen Kandidaten, dann ziehen die von dieser Mehrheit gewählten Abgeordneten ins Parlament ein. Verteilen die dieser Mehrheit zugehörenden Wähler aber ihre acht übrigen Stimmen i n gleichem Umfang auf alle zehn Kandidaten der demokratischen Partei, dann brauchen die beiden Republikaner mehr als 72 °/o aller Stimmen, u m einen Abgeordnetensitz zu bekommen. Zwischen diesen Extremen liegt natürlich das tatsächliche Wahlverhalten. Die beiden Republikaner aber verlieren sehr leicht die Wahl, obwohl eine Mehrheit aller Wähler für sie stimmt, wenn diese Mehrheit sich nicht i n bezug auf die übrigen acht Kandidaten einig ist. I n Boineau v. Thornton (1964)40 hatte es der federal district court abgelehnt, über eine Klage m i t dieser Begründung zu entscheiden, da die Möglichkeit einer Verletzung der Verfassung nicht ersichtlich sei. 39
Ibid. at 161. Boineau v. Thornton, 235 F.Supp. 175 (E.D.S.C. 1964) — complaint dismissed for w a n t of equity: Das Gesetz verlange nicht, daß republikanische Wähler f ü r Demokraten stimmen müßten. Sie könnten i m Wege des w r i t e i n acht andere Personen wählen. 40
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Diesen Beschluß bestätigte der Supreme Court 1964 per curiam ohne Begründung 4 1 . Vier Jahre später kam ein federal court of appeals i n Gordon v. Meeks (1968)42 zu demselben materiellen Ergebnis, aber auf umgekehrte Weise: Es sei nicht diskriminierend, wenn ein Staat wünsche, daß alle Abgeordneten durch eine absolute Mehrheit von Wählern gewählt würden, und diesen deshalb verbiete, nur eine ihrer — i n diesem Falle fünf — Stimmen auszunutzen, denn sonst: „ . . . one may have his vote count five times as much for a particular candidate as that of the citizen who expresses choices for as many candidates as there are to be elected" 4 3 . Die Angelegenheit sei eben nach der Entscheidung Avery v. Midland County (1968) zu beurteilen: Die Stimmen einiger Wähler dürfen nicht mehr Gewicht haben als die anderer Wähler. 3. Wahlkreis und Repräsentation
Neben der zu Vergleichen notwendigen Bevölkerungszahl sowie der A r t und Größe des Wahlkreises stellt sich beim reapportionment für die Legislative wie für die Gerichte stets die inhaltliche Frage, wer denn durch die i n den festzulegenden Wahlkreisen zu wählenden A b geordneten vertreten werden soll. Daß es Menschen, nicht Bäume oder Hektar Land sind, hat Chief Justice Warren i n Reynolds v. Sims (1964) direkt so ausgesprochen. Doch scheint das Urteil mehr zu enthalten, wenn i n i h m von „fair and effective representation for all citizens" die Rede ist. Robert G. Dixon z. B. erkennt darin den Beginn einer Korrekt u r der „malrepresentation of interests", die eine Folge der Mehrheitswahl i n Wahlkreisen ist, daher identifizierbare Teile der Wählerschaft hart treffen kann und so die Wirksamkeit des Zweiparteiensystems i n Frage stellt. Andere sagen noch deutlicher, i n Reynolds ν . Sims sei festgelegt: jedem Bürger stehe „an equally effective voice" zu, und dies scheine proportionale Repräsentation zu verlangen 44 . Dixon meinte 1968: I n short, now that the first round of reapportionment has been accomplished, there is need to t a l k „one man-one vote" a l i t t l e less and to t a l k a l i t t l e more of „political equity", and of functional components of effective representation. A mathematically equal vote w h i c h is politically worthless because of gerrymandering or w i n n e r - t a k e - a l l districting is as deceiving as „emporer's clothes" 4 6 .
41 42 43 44 45
Boineau v. Thornton, 379 U.S. 15 (1964). Gordon v. Meeks, 394 F. 2d 3 (5th Cir. 1968). Id. at 4. So ζ. B. Note, „Reapportionment", 79 H a r v L Rev 1228 (1966), at 1244. Dixon, Democratic Representation 22.
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Als ein Arbeitsauftrag für politische Wissenschaftler ist diese A n regung durchaus geeignet. Der Interpretation der reapportionment Rechtsprechung dient sie jedoch nicht. „Fair and effective representation" w i r d dabei als Begriff aus dem Zusammenhang des ReynoldsUrteils gerissen und durch inhaltliche Auffüllung zu einem verfassungsrechtlichen Prinzip erklärt, das die Mehrheit des Supreme Court jedenfalls bisher nicht i n der Verfassung verankert sah. Chief Justice Warren hatte erklärt: (E)ach and every citizen has an inalienable r i g h t to f u l l and effective participation i n the political processes of his State's legislative bodies. Most citizens can achieve this participation only as qualified voters through the election of legislators to represent them. F u l l and effective participation by a l l citizens i n state government requires therefore, that each citizen have an equally effective voice i n the election of members of his state legislature. . . . Since the achieving of fair and effective representation for a l l citizens is concededly the basic a i m of legislative apportionment, we conclude that the Equal Protection Clause guarantees the opportunity for equal participation by a l l voters i n the election of state legislators 4 6 .
Für die Mehrheit des Supreme Court i n Reynolds ging es verfassungsrechtlich also nur u m die formal gleiche Wirksamkeit der Stimme i m Wahlprozeß, u m „ f u l l and effective participation" — „fair and effective representation" ist an keiner Stelle Grundlage der Entscheidung. Wie sehr effective representation und effective participation auseinanderfallen können, hat Dixon schon vor Reynolds m i t folgendem Beispiel deutlich gemacht: W i r nehmen an, county A habe 25 000 Wähler und Partei Y gewinne den Abgeordnetensitz m i t 20 000 Stimmen gegen Partei X m i t 5000; county Β habe 100 000 Wähler und gleichfalls einen Sitz, den Partei X mit 55 000 gegen 45 000 (Partei Y) gewinne. Vergleichen w i r beide counties, dann scheinen die Wähler i n county Β i m Verhältnis 1 : 4 unterrepräsentiert zu sein. Aber: i m Hinblick auf die politischen Parteien i n dem Gebiet der beiden counties liegt „substantial equality" vor. Partei X hat m i t insgesamt 60 000 Stimmen einen Sitz erhalten, Partei Y m i t 65 000 Stimmen ebenfalls einen Sitz. W i r d nun ein reapportionment durchgeführt auf der Basis county A (25 000), dann erhält county Β vier Sitze, und exakte numerische Gleichheit ist hergestellt, aber: bezüglich der Repräsentation der politischen Parteien ergibt sich, daß Partei X m i t 60 000 Stimmen jetzt vier Sitze bekommt, während Partei Y m i t 65 000 Stimmen nur einen Sitz erhält 4 7 . M i t seinen Ausführungen über die Mehrheitswahl i n Whitcomb v. Chavis (1971) hat der Supreme Court jedoch solche inhaltlichen U n 46
Reynolds at 565/6. Dixon, „Apportionment Standards and Judicial Powers", 38 Notre Dame Law. 367 (1963), at 387. 47
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gleichheiten sanktioniert, solange sich nicht intentional W i l l k ü r zum Nachteil identifizierbarer Minoritäten feststellen läßt. Ein Ausgleich scheint hier nur über eine Wahlkreisgrenzziehung möglich zu sein, die Interessengruppen und Minoritäten identifiziert und bei der Festlegung der Wahlkreisgrenzen auf sie Rücksicht nimmt. Bevor jedoch die juristische Überprüfbarkeit solchen gerrymandering und dessen zielgerichtete Anwendung durch einen das reapportionment durchführenden federal district court erörtert wird, sind einige Grenzfälle zu beachten, i n denen sich den Gerichten die Frage der effective representation i m Gewand der Repräsentation von Minoritäten stellte, ohne daß Grenzziehungsprobleme aufgeworfen waren. Der Supreme Court hatte i n Dusch v. Davis (1967)48 die Wohnsitzverpflichtung für einen Teil der at-large gewählten kommunalen A b geordneten für nicht verfassungswidrig erklärt, obwohl die dieser Verpflichtung zugrunde liegenden Wohngebiete bevölkerungsmäßig ungleich groß waren 4 9 . I n Mandicino ν . Kelly (1968)50 hatte der Iowa Supreme Court über die Verfassungsmäßigkeit des county Wahlgesetzes von Iowa zu befinden, das vorschrieb, daß bei Wahlen at-large grundsätzlich nicht mehr als zwei Mitglieder eines county board of supervisors i n demselben Wohngebiet wohnen dürften. Hatte der board nur fünf oder sieben councilmen, war dies sogar nur möglich, wenn eine Stadt m i t über 35 000 Einwohnern betroffen war. I n Mandicino lebten 80 %> der county Bevölkerung i n der Stadt. Dennoch war sie m i t nur zwei von fünf councilmen i m board of supervisors vertreten. Die auf dem Lande lebende Minorität von 20 °/o wählte zwar nicht die drei councilmen allein, i n ihrem Gebiet mußten diese aber ihren Wohnsitz haben. Der Iowa Supreme Court sah den Fall unter dem Gesichtspunkt des Gegensatzes von Stadt und Land. Er meinte, die Sachlage sei von Dusch v. Davis (1967) zu unterscheiden, w e i l die Abgeordneten aus den städtischen Gebieten i n Dusch eine Mehrheit bildeten und jene Wohnsitzverpflichtungen nicht — wie bisher — als ein Versuch angesehen werden konnten, das Prinzip des one man — o n e vote zu umgehen bzw. Amtsinhaber i m A m t zu belassen. I n Iowa werde von Gesetzes wegen die Kontrolle einer Bevölkerungsminderheit verewigt. Dies sei i n v i dious discrimination, die auch nicht dadurch geheilt werde, daß alle Bürger die Abgeordneten gemeinsam wählten. Wie sich aus den tat48
Siehe oben, T e i l I I B., T e x t zu A n m . 69 ff. Nach dem V o r b i l d v o n Dusch u n d Fortson v. Dorsey (1964) ist 1968 z.B. Robertson v. Gallion i n Alabama entschieden worden (282 F.Supp. 157, M.D.Ala. 1968). 50 Mandicino v. K e l l y , 158 N.W. 2d 754 (S.Ct.Iowa 1968), betraf Woodbury County, Iowa, m i t dem Z e n t r u m Sioux City. 49
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sächlichen Feststellungen ergäbe, dienten die drei Abgeordneten allein ländlichen Interessen, seien also anders als i n Fortson v. Dorsey (1964) i n Wirklichkeit Repräsentanten nur der Wohngebiete, nicht der ganzen county. Damit w i r k e das Gesetz „to minimize voter strength" 5 1 , und sei als Ausnahme von Dusch unter der Fortson-Regel verfassungswidrig. Eine Einschränkung des parteipolitischen winner-take-all Effekts darf also nicht so weit gehen, daß eine andere, nach Interessen identifizierbare und so fiktive Mehrheit (Stadtbevölkerung) faktisch nicht ihre Interessen durchsetzen kann. I n Mandicino hat das Prinzip der effective representation (Landbevölkerung — Stadtbevölkerung) also teilweise gerichtliche Bestätigung gefunden — wenn auch nur durch die Tatsache der numerischen Überzahl. E i n nur inhaltlich begründeter Angriff auf die Wahl at-large m i t Wohnsitzverpflichtung scheiterte dagegen i n Goldblatt v. City of Dallas (1969)52. Der Kläger erhielt die Mehrheit der Stimmen i n seinem Wohnsitzgebiet, nicht aber i m Groß Wahlkreis, und trug vor: Einige einflußreiche Millionäre hätten ihre Kontrolle des city council von Dallas m i t Hilfe der Wahl at-large, i n der sie einzelne Kandidaten massiv unterstützten, auf die ganze Stadt ausgedehnt. Sie würden dadurch den Willen der Wähler bestimmter Wohngebiete verfälschen und den Anspruch auf gleiche Wahlchancen für unabhängige Kandidaten vereiteln, da diese finanziell i m Wahlkampf nicht mithalten könnten. Wenige bestimmten so den Willen der Mehrheit. Hier versagten sich die Gerichte dem Kläger m i t Fortson v. Dorsey, nicht ohne jedoch anzumerken: „The wrong of public apathy cannot be Tightened by judicial compulsion 53 ." Daß andererseits die gezielte Repräsentation von Minoritäten nicht von vornherein als unzulässig angesehen wird, zeigt sich i n mehreren Entscheidungen. Minority representation laws i n drei Einzelstaaten sind bisher gerichtlich überprüft worden. Dabei waren zwei Arten des Minoritätenschutzes beteiligt: 1. Begrenzung der Sitze für die siegreiche Partei, 2. Beschränkung der Kandidaten auf weniger als die Gesamtzahl der Sitze. I n Montano ν . Lee (1968)54 lehnten es die Bundesgerichte ab, der unterlegenen Partei zehn Sitze i m 30köpfigen board of aldermen zuzu« Id. at 764. " Goldblatt v. City of Dallas, 414 F. 2d 774 (5th Cir. 1969). * 3 Id. at 776. M Montano v. Lee, 401 F. 2d 214 (2nd Cir. 1968) u n d 298 F.Supp. 871 (D.Conn. 1968). 14 K ö p p
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erkennen, weil solche general legislative bodies nicht unter Connecticuts Minority Representation Statute fielen. Die Frage, ob die Regelung, daß die siegreiche Partei höchstens zwei D r i t t e l der Sitze eines board besetzen darf, verfassungsgemäß ist, ließen die Gerichte offen. Der bekannteste Fall einer Beschränkung von Kandidaten ist New York Citys borough representation. Über die 27 Abgeordneten der Stadt hinaus wählen die New Yorker seit 1961 i n jedem der fünf ungleich großen Stadtteile (boroughs) zwei weitere Abgeordnete. Diese werden von der Stadtteilbevölkerung at-large gewählt. Aber jede Partei darf nur einen einzigen Kandidaten aufstellen und jeder Wähler nur eine Stimme abgeben. Damit ist eine geringe Repräsentation der unterlegenen Partei sichergestellt. Die Gerichte des Staates New York haben dieses Arrangement trotz ihres besonderen Eifers für das Ziel des one man — one vote nicht für verfassungswidrig befunden 55 , und der Supreme Court hat eine Überprüfung abgelehnt „for want of a substantial federal question" (Blaikie ν . Powers , 1964)56. I m wesentlichen der gleichen Auffassung war der Supreme Court von Illinois, der es ebenfalls mit der Verfassung i m Einklang fand, wenn weniger Kandidaten von einer einzelnen Partei zugelassen werden, als insgesamt Plätze zu besetzen sind (Daniels v. Carpentier, 1964)57. C. Die Wahlkreisgrenzziehung Spätestens wenn Wahlkreisgrenzen nicht mehr m i t den historischen oder für Verwaltungszwecke festgelegten Grenzen i n Übereinstimmung gebracht werden können, weil sich sonst die numerische Gleichheit der Bevölkerungszahlen i n den Wahlkreisen nicht herstellen läßt, taucht für die Parteien — und wenn die Legislative nicht tätig w i r d : für die Gerichte — das Problem der inhaltlich „richtigen" Wahlkreisgrenzziehung auf. Während für die Gerichte und idealiter für alle Wahlkreiseinteilung das Problem besteht, nach welchen Gesichtspunkten die Grenzen festgelegt werden sollen, bemißt sich für die Parteien die „Richtigkeit" der Grenzen häufig allein nach dem vorauszusehenden Wahlergebnis, so daß die Grenzziehung durch die Mehrheitspartei i n der Legislative allzu oft nur das Ziel hat, möglichst viele gegnerische Wählerstimmen unwirksam werden zu lassen.
55 66 57
Blaikie v. Powers, 193 N.E. 2d 55 (Ct.App.N.Y. 1963). Blaikie v. Powers, 375 U.S. 439 (1964). Daniels v. Carpentier, 198 N.E. 2d 514 (S.Ct.Ill. 1964).
. Die W a h l k r e i s e n z u n g
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Letzteres ist „Wahlkreisgeometrie" (gerrymander), wie sie i n den USA oft rassisch, meist aber politisch motiviert ist und seit dem frühen 18. Jahrhundert praktiziert w i r d 1 : Die systematische und zielgerichtete Wahlkreisgrenzziehung, bei der die Zahl der Wahlkreise jener Partei maximiert werden soll, die die Grenzziehung durchsetzt, während die Zahl der der Opposition konzedierten Wahlkreise minimiert werden soll. I m Idealfall gewinnt dann die Opposition die i h r konzedierten Wahlkreise mit 100 °/o der Stimmen, und die übrigen Wahlkreise fallen mit einer Stimme Mehrheit der parlamentarischen Mehrheitspartei zu. Damit besteht die Möglichkeit, m i t einer Minderheit aller Stimmen die Mehrheit der Sitze zu erringen. Inhaltlich ist es eine echte Verfälschung des Wählerwillens. Die Aufgabe der Gerichte gegenüber der Legislative i n Sachen Wahlkreisgeometrie glaubte Justice Douglas, dissenting i n Whitcomb v. Chavis (1971), auf die Formel bringen zu können: The problem of the gerrymander is to defeat or circumvent the sentiments of the community. The problem of the l a w is to prevent i t 2 . 1. Richterliche Überprüfung legislativer Wahlkreisgrenzziehung
Doch daß die Gerichte Bestimmungen der Verfassung anwenden könnten, u m das übliche gerrymander zu verhindern, war lange Zeit keinesfalls sicher. Jeweils zwei Hauptentwicklungslinien lassen sich i n der Rechtsprechung unterscheiden: einerseits rassische i m Gegensatz zu anderer, vor allem parteipolitischer Wahlkreisgeometrie, andererseits diskriminierende Festlegung von Einerwahlkreisgrenzen i m Gegensatz zur ebenso diskriminierenden Bildung von Großwahlkreisen. Der Supreme Court behandelt den Großwahlkreis als eine A r t special gerrymander, möglicherweise weil es sehr viel grobschlächtiger gehandhabt werden kann als eine Wahlkreisgrenzziehung für Einerwahlkreise. Die Justices erörtern i n den Entscheidungen zu multi-member districts i n erster Linie das Problem, daß durch deren Bildung und der damit verbundenen Wahl at-large identifizierbare Minderheiten ihrer wirksamen Interessenvertretung beraubt werden. Da die Klagen als reapportionment Klagen erhoben und i n diesem Zusammenhang behandelt worden sind, scheint die Justiziabilität dieser A r t des gerrymander dem Supreme Court nicht zweifelhaft gewesen zu sein (Reynolds, Fortson, Bums). Erst i n Whitcomb v. Chavis (1971)3 findet sich 1 Griffith, The Rise and Development of the Gerrymander, 1907: Das erste Beispiel soll Pennsylvania i m Jahre 1705 gegeben haben (at 26). 2 Douglas, dissenting i n Whitcomb v. Chavis, 403 U.S. at 177. 3 Siehe oben T e i l I I I B., Text zu A n m . 32 ff.; die Zusammenfassung lautet: (W)e have deemed the v a l i d i t y of m u l t i - m e m b e r district systems justiciable, recognizing also that they may be subject to challenge where the circum-
14·
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ein Hinweis zur Justiziabilität, der zugleich eine Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit von Großwahlkreisen ist. I n der Frage der Großwahlkreise macht der Supreme Court keinen Unterschied zwischen rassischem und politischem gerrymander. Beides unterwirft er der einen Beweislastregel, die er i n Whitcomb mehrheitlich dahin präzisierte, daß die Kläger nachweisen müssen, der multi-member district sei konzipiert und wirksam als zweckgerichtetes Mittel, rassische oder ökonomische Diskriminierung zu unterstützen 4 . Erstaunlicherweise haben die Gerichte bei der Beurteilung von Grenzziehungen für Einerwahlkreise Unterschiede zwischen rassischem und politischem gerrymander gemacht. Die nach dem Bürgerkrieg i n die Verfassung eingefügten amendments hatten die Gleichstellung der Farbigen zum Ziel. Daher scheinen die Gerichte eher bereit gewesen zu sein, auf Klagen gegen Wahlkreiseinteilungen einzugehen, die eine Diskriminierung aus rassischen Gründen geltend machten. Jedenfalls war der erste Fall, i n dem sich der Supreme Court mit Wahlkreisgrenzziehung und equal protection clause zu befassen hatte, Wright υ. Rockefeller (1964)5, während fast alle Justices i n Gomillion v. Lightfoot (1960) die Neufestlegung der Stadtgrenzen von Tuskegee, Alabama, i n der Weise, daß die meisten Neger ausgegrenzt waren, noch nach dem X V . amendment beurteilt und für verfassungswidrig erklärt hatten 6 . I n Wright ging es u m die Frage, ob die Legislative von New York verfassungswidrig gehandelt hat, als sie Manhattan Island nach rassischen Gesichtspunkten (Neger und Puertoricaner) i n vier Wahldistrikte für das Repräsentantenhaus einteilte. Angegriffen wurde die Konzentration der Neger und Puertoricaner (86,3 °/o) i m 18. Distrikt, der den Stadtteil Harlem umfaßte. Die anderen Distrikte waren zu 94,9 °/o (17.) bzw. 72,5% (20.) und 71,5% (19.) von Weißen bewohnt. Da der 17. Distrikt politisch einen sicheren Wahlkreis der Republikaner darstellte, waren interessenmäßig sogar zwei Minoritäten betroffen: Farbige und Republikaner. Ohne auf die Frage der grundsätzlichen Justiziabilität der Klage einzugehen, entschieden sowohl der federal district court wie der Supreme Court i n der Sache: Die Kläger haben nicht beweisen können, daß die Legislative von New York sich entweder von rassischen Überlegungen stances of a particular case may »operate to minimize or cancel out the voting strength of racial or political elements of the voting population*. (Hervorhebung von m i r , Z i t a t aus Whitcomb v. Chavis, 403 U.S. at 143). 4 Siehe oben, T e i l I I I Β., T e x t zu A n m . 35. 5 W r i g h t v. Rockefeller, 376 U.S. 52 (1964). ® Siehe oben, T e i l I Α., Text zu A n m . 105 f.
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hat leiten lassen oder die Grenzen tatsächlich auf rassischer Grundlage gezogen hat 7 . Der Supreme Court lehnte es ab, einen prima facie Beweis von Diskriminierung darin zu sehen, daß ein weit überwiegend hoher Prozentsatz der Farbigen i n einem einzigen Wahlkreis wohnt. Das Ziel jener Wahlkreisgrenzziehung scheint für die von den Republikanern beherrschte einzelstaatliche Legislative auch eher gewesen zu sein, von Manhattan wenigstens einen republikanischen Repräsentanten zu erhalten, als die demokratische Mehrheit der Insel nach rassischen Gesichtspunkten aufzuteilen. Da die Beweise für eine Grenzziehung nach rassischen Gesichtspunkten ohnehin fehlten, blieb das zugrunde liegende Problem der Verfassungsmäßigkeit einer auf effective representation hinzielenden Grenzziehung ebenso offen wie die dessen möglichen Inhalts: Während die farbigen Kläger i n Wright gerade eine Auflösung des Harlem-Wahlkreises und eine gleichmäßige Verteilung ihrer Rassenangehörigen auf die Distrikte Manhattans verlangten, plädierten andere Farbige als intervenors i m Ergebnis für die Beibehaltung des konzentrierten Minoritätendistrikts. Justice Douglas ging i n seinem dissenting opinion sogar auf die noch grundsätzlichere Problematik kurz ein, indem er meinte, „racial boroughs" widersprächen ebenso demokratischen Grundsätzen wie „rotten boroughs" und die Aufteilung der Wählerschaft nach sozialen Gruppen bringe die Gefahr des fragmentierten Staates m i t sich. Deshalb plädierte er für den Abbruch jeglicher rassischer Segregation ohne Rücksicht auf die Frage, was denn die Legislative m i t der Wahlkreiseinteilung beabsichtigt habe. Andererseits warnte er jedoch vor solchem Abbruch, wenn ein Wahlkreis mit rassischem Übergewicht eine „actual neighborhood" darstelle 8 . Hier ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen 9. I m Jahre 1968 erklärte ein federal district court i n Ince υ. Rockefeller deutlich, die Verfassung gebe weder einer rassischen noch nationalen Gruppe 7 8
W r i g h t at 56. Douglas, dissenting i n Wright, at 61, 67. Sein Bekenntnis lautet (ibid. at
67): When racial or religious lines are d r a w n b y the State, the multiracial, m u l t i religiuos communities that our Constitution seeks to w e l d together as one become separatist; antagonisms that relate to race or religion rather than to political issues are generated; communities seek not the best representative but the best racial or religious partisan. Since that system is at w a r w i t h the democratic ideal, i t should f i n d no footing here. „Separate b u t equal" and „separate b u t better off" have no more place i n voting districts t h a n they have i n schools, parks, railroad terminals or any other facility serving the public. 9 I n Honeywood v. Rockefeller, 214 F.Supp. 897 (E.D.N.Y. 1963), blieben die Kläger ebenso aus Beweisgründen erfolglos w i e späterhin, z.B. i n Connor v. Johnson, 279 F.Supp. 619 (S.D.Miss. 1967).
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ein Recht auf concentrated voting power 1 0 . Und auch i m umgekehrten Fall, als die mehrheitlich farbige Bevölkerung der Stadt Tulsa drei außerstädtischen Wahlkreisen mit zugeschlagen worden war, blieb der Supreme Court i n Ferrell v. Hall (1972)11 bei seiner Auffassung, daß die Wahlkreiseinteilung (allein) aus rassischen Gründen erfolgt sein muß, um verfassungswidrig zu sein, und daß die Kläger diesen Beweis zu führen hätten. Unter dieser strengen Beweislastregel waren bisher nur Klagen erfolgreich, i n denen die Richter selbst die lokalen Verhältnisse kannten und die Unterdrückung der Rechte der schwarzen Minderheit eine lange Geschichte hat, so daß andere Erklärungen für die festgestellte Benachteiligung der Neger den Richtern nicht plausibel erschienen 12 . I n Smith v. Paris (1966)13 geschah dies sogar, obwohl die Beklagten geltend machten, gerade dem one man — one vote Prinzip Rechnung tragen zu wollen, und das Arrangement nach der Rechtsprechung des Supreme Court verfassungsgemäß war: 21 at-large gewählte Mitglieder des Democratic Party Executive Committee, von denen 16 Wohnsitzverpflichtungen hatten. Zuvor waren diese 16 i n ungleich großen Distrikten gewählt worden. Die Richter stellten dazu fest: 1. Keine Klage habe zur Änderung des bestehenden Systems gezwungen. 2. Der natürlichere Weg einer Änderung wäre gewesen, die 30 Jahre alten Distrikte größenmäßig anzugleichen. 3. Es sei erst eine Änderung erfolgt, als infolge der Anstrengungen unter dem Voting Rights Act von 1965 i n vier Distrikten die Neger die Mehrheit errungen hatten. Anders stellt sich die Rechtslage i n der Frage der parteipolitischen Wahlkreisgeometrie dar. Hier war lange Zeit zweifelhaft, ob die Grenzziehungsfragen überhaupt justiziabel sind. Dies ergab sich aus der „politischen" Behandlung der Berufungen i n gerrymandering Fällen durch den Supreme Court. I n WMCA ν . Lomenzo (1965) hatte ein federal district court entschieden, daß parteipolitische Wahlkreisgrenzziehung nicht nach der Verfassung beurteilt werden könne 1 4 . Der Supreme Court bestätigte das Urteil per curiam 1 5 , und Justice Harlan meinte u. a. i n seinem con10 11 12 13 14 15
Ince v. Rockefeller, 290 F.Supp. 878 (S.D.N.Y. 1968). Ferrell v. Hall, 406 U.S. 939 (1972). Sims v. Baggett, 247 F.Supp. 96 (M.D.Ala. 1965). Smith v. Paris, 257 F.Supp. 901 (M.D.Ala. 1966). W M C A v. Lomenzo, 238 F.Supp. 916 (S.D.N.Y. 1965), at 925/6. W M C A v. Lomenzo, 382 U.S. 4 (1965).
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curring opinion, der Supreme Court bestätige damit, daß parteipolitisches gerrymandering nicht aufgrund der Verfassung gerichtlich angegriffen werden könne 1 6 . I m Jahre 1966 lehnte der Supreme Court eine Entscheidung i n Sachen Badgley v. Hare ab for want of a substantial federal question, obwohl u. a. auch die Verletzung der Verfassung durch gerrymandering i n der Revisionsschrift 17 geltend gemacht worden war. Aus diesen Andeutungen schlossen zwei Bundesrichter i n Sincock v. Gately (1967)18, obwohl sie drei Beweise von gerrymandering gefunden hatten 1 9 , daß parteipolitische Wahlkreisgrenzziehung nicht nach der Verfassung zu beurteilen sei. Bei einer Reihe anderer Urteile, i n denen parteipolitisches gerrymandering eine Rolle spielte, standen entweder die rassischen Benachteiligungen an erster Stelle oder die Gerichte sahen ohnehin politisches gerrymandering als nicht bewiesen an, so daß die Frage der Justiziabilität offengelassen werden konnte 2 0 . Der Supreme Court von New Jersey hielt 1966 die Frage für jenseits j u r i stischer Beurteilung, weil die Verfassung nach seiner Auffassung politisch motivierte Wahlkreisgrenzziehung nicht verbietet (Jones υ. Fai cey , 1966)21, meinte aber dann, Ausnahmen „may w e l l appear w i t h experience" 22 . Erst 1971 ließ sich aus Ely υ. Klahr (1971) entnehmen, daß der Supreme Court jetzt gewillt ist, sich mit den Problemen des parteipolitischen gerrymander inhaltlich auseinanderzusetzen. Der federal district court i n Ely hatte den apportionment Plan der Legislative von Arizona aus mehreren Gründen für verfassungswidrig angesehen: 1. weil die Größe der Wahlkreise aufgrund von Berechnungen nicht des Zensus festgelegt, sondern von voter registration i n Verbindung mit Zensuszahlen errechnet worden war, 2. weil die Grenzen so gezogen waren, daß kein derzeitiger Amtsinhaber gegen einen anderen anzutreten brauchte, 3. w e i l ausdrücklich solche Distrikte gebildet worden waren, i n denen jeweils eine Partei die klare Mehrheit besaß. Die letzteren beiden Gründe hatte der federal district court für absolut un1β
Harlan, concurring i n W M C A , at 5/6. Badgley v. Hare, 385 U.S. 114 (1966). Es handelte sich u m einen A n g r i f f gegen die Entscheidung des Michigan Supreme Court: I n re Apportionment of the Michigan Legislature, 140 N.W. 2d 436 (S.Ct.Mich. 1966). 18 Sincock v. Gately, 262 F.Supp. 739 (D.Del. 1967). 19 Id. at 809, 812, 815. 20 Vgl. dazu näher bei Dixon, Democratic Representation 490 - 491. I n K i l garlin v. M a r t i n , 252 F.Supp. 404 (S.D.Tex. 1966), zog sich allerdings der federal district court darauf zurück, daß die equal protection clause nicht mehr als substantial population equality verlange, deshalb allein das persönliche, formal gleiche Wahlrecht geschützt sei. 21 Jones v. Falcey, 222 A. 2d 101 (S.Ct.N.J. 1966). 22 Id. at 105/6. 17
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geeignet zur Wahlkreiseinteilung erklärt 2 8 , das reapportionment aber doch als Übergangslösung bis zur vorgeschriebenen Neueinteilung nach dem 1970er Zensus hingenommen. Hierzu merkte Justice White für die Mehrheit des Supreme Court an, daß das Gericht schon i n Bums erklärt habe, die Verringerung der Zahl der Wahlkämpfe zwischen Amtsinhabern beinhalte für sich allein nicht invidiousness, während Justice Douglas, dessen concurring vote sich Justice Black anschloß, zusätzlich auf die parteipolitische Zielsetzung des districting hinwies, invidious discrimination allerdings auch nur wegen mangelnder Repräsentation von Minoritäten als Folge des Berechnungsmodus für die Wahlkreisgrößen feststellte 24 . Eine Entscheidung brauchte i n diesem Verfahren jedoch insoweit nicht getroffen zu werden, so daß sich der Supreme Court erst 1973 i n stark veränderter Besetzung der Frage annehmen mußte (Gaffney v. Cummings, 1973). 2. Wahlkreisgrenzziehung durch die Gerichte
I n den Fällen, da die Legislative gar nicht oder nicht rechtzeitig ein apportionment durchgeführt hat, stehen die federal district courts vor dem Problem, selbst die Wahlkreiseinteilung vorzunehmen und Grenzen selbst zu ziehen. Dafür ist ihnen vom Supreme Court ein weiter Ermessensspielraum zugestanden worden, der erst i n letzter Zeit etwas eingeschränkt zu werden scheint. I n Whitcomb v. Chavis (1971) machte der Supreme Court klar: „The remedial powers of an equity court must be adequate to the task, but they are not unlimited" 2 5 , und i n Minnesota State Senate ν . Beens (1972) erklärte der Supreme Court zum ersten Mal, daß ein Untergericht zu weit gegangen sei, als dieses den apportionment Plan der Legislative, der 67 Wahlkreise vorsah, zurückwies, die Wahlkreise auf 35 reduzierte und die Zahl der Senatoren u m 50 %>, die der Repräsentanten u m 25 °/o kürzte 2 6 . Eine Leitlinie hatte der Supreme Court allerdings schon i n Reynolds ν . Sims (1964) gegeben: Soweit wie möglich sollten die apportionment Vorschriften der einzelstaatlichen Verfassungen eingehalten werden 2 7 . I n der Frage der Vermeidung von gerrymandering hatte Chief Justice Warren gemeint: Indiscriminate districting w i t h o u t any regard for political subdivisions or natural or historical boundary lines, may w e l l be l i t t l e more than an open i n v i t a t i o n to partisan gerrymandering 2 8 . 28 E l y v. K l a h r , 313 F.Supp. 148 (D.Ariz. 1971), at 151/2, i m Ergebnis bestät i g t durch den Supreme Court i n 403 U.S. 108 (1971). 24 E l y v. K l a h r , 403 U.S. 108; Douglas, concurring, 116 at 118 - 120. 25 Whitcomb v. Chavis, 403 U.S. 124 (1971), at 161. 26 Minnesota State Senate v. Beens, 406 U.S. 187 (1972). 27 Reynolds at 584.
D. Der neue Trend unter Chief Justice Burger
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Infolgedessen haben die Gerichte zwei Zielrichtungen beibehalten: Erstens haben sie die numerische Gleichheit der Größe der Wahlkreise angestrebt, indem sie sich aus den ihnen vorliegenden Plänen diejenigen heraussuchten bzw. einen solchen zusammenstellten, der die geringste Abweichung von der Gleichheit enthielt. Zweitens haben sie bestehende Grenzen einzelstaatlicher Untergliederungen beizubehalten versucht. Als dies nicht möglich war, hat ein Gericht die umstrittenen Gebiete i n möglichst rechteckig gestaltete Distrikte aufgeteilt 2 9 . So haben alle Gerichte bisher die Frage umgehen können, ob sie Minoritäten oder Interessengruppen, die ihnen als solche bekannt waren, besondere Repräsentation durch „einen von ihnen" — als dem alten Prinzip der Integration i n die amerikanische Gesellschaft: einer von uns i n hohem politischen A m t — zubilligen oder ob sie eine solche Gruppe auf mehrere Wahlkreise verteilen sollten, u m so Rücksichtnahme auf das Gruppeninteresse durch mehr als einen Abgeordneten zu erreichen. Sollte letztere Alternative sich einem Gericht unumgehbar stellen, dann hätte Justice Frankfurter recht behalten: Das Gericht hätte zu wählen zwischen „competing bases of representation" (Baker v. Carr, 1962). Doch selbst i n dieser Frage ist eine „principled decision" denkbar, ohne daß die Gerichte i m „political thicket" (Frankfurter i n Cole grove ν. Green, 1946) als „parteipolitisch motiviert" interpretierbare Entscheidungen zu fällen hätten. D. Der neue Trend: apportionment Rechtsprechung unter Chief Justice Burger Als i m Jahre 1969 Earl Warren als Chief Justice des Supreme Court zurücktrat und der republikanische Präsident Nixon einen (nach der von i h m bevorzugten Terminologie) „strict constructionist", Warren E. Burger, zum Nachfolger berief, ging eine Ä r a zu Ende, die m i t den Entscheidungen Brown v. Board of Education (1954) und Baker υ. Carr (1962) entscheidenden Anteil an der Änderung der politischen Verhältnisse i m Lande hatte und die das B i l d des Supreme Court als eines jedenfalls potentiell aktiven politischen Verfassungsorgans geprägt hat. — I n apportionment Angelegenheiten zeigten sich die Folgen der Berufungspolitik Nixons bereits 1970 i n der local apportionment Entscheidung Hadley v. Junior College District, als der neue Chief Justice den Justices Harlan und Stewart i n ihrem dissenting vote beitrat. Ende 1970 konnte Präsident Nixon erneut einen Mann seiner Couleur ernennen, Justice Blackmun, und m i t dem Tode Justice Blacks und dem 28 29
Id. at 578/9. Harris v. Shanahan, 390 P. 2d 772 (S.Ct.Kan. 1964).
218
T e i l I I I : Die Folgeprobleme
Rücktritt Justice Harlans i m Herbst 1971 hatten sich 1972 m i t den Justices Powell und Rehnquist bereits vier Änderungen i n der Besetzung des Supreme Court ergeben 1 . Nach einer Übergangsperiode, i n der die Justices Stewart und White die Entscheidungen des Gerichts zu prägen schienen2, konnte nun vom „Burger Court" gesprochen werden 3 . Änderungen i n der apportionment Rechtsprechung deuteten sich allerdings schon 1971 i n der Entscheidung Abate ν. Mündt an 4 . Die Mehrheit, bestehend aus dem Chief Justice und den Justices Black, White, Marshall und Blackmun, m i t deren Entscheidung i m Ergebnis auch die Justices Harlan und Stewart einverstanden waren, urteilte, daß ein apportionment Plan auf der kommunalen Ebene von der strikten Gleichheit der Wahlkreisgrößen abweichen könne, wenn er auf besonderen lokalen Umständen und Notwendigkeiten beruhe. Hiergegen votierten allein die Justices Brennan und Douglas, die darauf bestanden, daß ein Plan, der eine Abweichung von maximal 11,9 % enthält, und bei dem nicht nachgewiesen wird, daß ein goodfaith effort gemacht worden ist, Gleichheit der Wahlkreisgrößen herzustellen, nach der bisherigen Rechtsprechung des Supreme Court verfassungswidrig sei 5 . Justice Brennan hielt der Mehrheit vor, i n welchen Punkten sie von Reynolds und den nachfolgenden Entscheidungen abgewichen ist. Vor allem aber sah er Wells v. Rockefeller (1969)β als Präzedenzfall an. Dort hatte der Supreme Court eine Abweichung von 12,1 %> für verfassungswidrig erklärt, weil der Versuch, Regionen m i t ausgeprägten Eigeninteressen intakt zu halten, nicht zur Überrepräsentation einiger solcher Regionen gegenüber anderen führen dürfe. Da seit Avery v. Midland County (1968)7 das Prinzip des one man — one vote voll auf kommunale Einheiten angewandt werde, könne die Mehrheit jetzt nicht m i t dem Argument, die überlappenden Funktionen und die Identität der Personen i n Stadt und county seien tradionell gegeben und das apportionment enthalte kein Vorurteil gegen bestimmte politische Interessen oder geographische Gebiete, den apportionment Plan von Rockland County aufrechterhalten. 1 Seit 1972 besteht damit der Supreme Court aus Chief Justice Burger u n d den Justices Douglas, Brennan, Stewart, White, Marshall, Blackmun, Powell u n d Rehnquist. 2 Vgl. Kurland, „1971 T e r m : The Year of the Stewart-White Court", 1972 Supr Ct Rev 181. 3 Der beim R ü c k t r i t t Nixons i m Jahre 1974 bereits 74 Jahre alte Justice Brennan, ein v o n Präsident Eisenhower 1957 ernannter liberaler Republikaner, soll 1971, als er versucht w a r zurückzutreten, i m A m t geblieben sein, u m N i x o n an der Ernennung eines weiteren Konservativen zu hindern. 4 Abate ν. M ü n d t , 403 U.S. 182 (1971). 5 Id. at 187 - 189. 6 Wells v. Rockefeller, 394 U.S. 542 (1969). 7 Siehe dazu oben, T e i l I I B., T e x t zu A n m . 76 ff.
D. Der neue Trend unter Chief Justice Burger
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Rockland County bestand aus fünf Ortschaften m i t Bevölkerungszahlen i m Jahre 1969 zwischen 12 114 und 73 051. Bis 1966, als der federal district court wegen ihrer ungleichen Größe ein reapportionment anordnete 8 , war jeder Ort von seinem town supervisor i m county board of supervisors vertreten. Der angegriffene Plan von 1968 benutzte den kleinsten Ort als Grundeinheit und teilte 18 supervisors entsprechend auf die fünf Ortschaften auf. Die notwendige Abrundung ergab Abweichungen von der Grundeinheit von minus 7,1 bis plus 4,8 °/o. Die Mehrheit des Supreme Court erblickte i n dem Ziel, den Zusammenhang der Ortschaften zu erhalten, eine Rechtfertigung für Abweichungen i n dieser Höhe, da kein Versuch vorläge, eine bestimmte Gruppe zu bevorteilen. Zwar reiche dies allein nicht aus, aber zusammen m i t der Notwendigkeit und der Tradition, eine enge Zusammenarbeit zwischen town und county zu sichern, und dem Vorteil, dieselben Individuen i n beiden Körperschaften zu haben, rechtfertige sich selbst die Höhe der Abweichungen. 1971 dokumentierte dann Justice Harlan i n seinem Sondervotum 9 i n Whitcomb v. Chavis die Abweichungen von der bisherigen Rechtsprechung: Er stellte die Entscheidung i n Abate m i t ihrer fast 12prozentigen Abweichung von der Gleichheit dem Grundsatz aus Hadley v. Junior College District (1970) gegenüber, daß auch i n kommunalen Verwaltungseinheiten die Wahlkreisgröße („as far as practicable") gleich zu sein habe. Er stellte ferner die Fortson-Regel über multi-member districts der Entscheidung i n Whitcomb gegenüber, i n der das nach dieser Regel ergangene untergerichtliche Urteil aufgehoben wurde, w e i l es die equal protection clause mißverstehe. Schließlich stellte Harlan der Regel aus Gray v. Sanders (1963), daß einer Gleichheit der „voting power" nicht ausgewichen werden könne, wenn die Klasse der Wähler festgelegt ist und ihre Wahlberechtigung feststeht, die Entscheidung i n Gordon v. Lance (1971)10 gegenüber, i n der die Mehrheit des Supreme Court die Regelung West Virginias aufrechterhielt, daß jede öffentliche Verschuldung durch Schuldverschreibungen und jede Erhöhung der Steuerrate der Zustimmung von 60 % der Wähler bedarf. Harlan bezeichnet die neuen Entscheidungen als „wunderliche Resultate", und sie sind es auch gemessen an der apportionment Rechtsprechung der späten 60er Jahre. Letztere ist für Harlan nur verständlich als Reflexion der tiefen persönlichen Bindung einiger Mitglieder des Gerichts an das Prinzip der reinen Demokratie der Mehrheit, dessen 8
Lodico v. Board of Supervisors, 256 F.Supp. 440 (S.D.N.Y. 1966). Harlan, concurring i n Whitcomb, at 124 et s. 10 Gordon v. Lance, 403 U.S. 1 (1971); n u r Brennan u n d Marshall dissentierten. 9
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nicht aus der Verfassung fließende Begründung sich aus Justice Douglas* Formulierung i n Gray v. Sanders (1963) ergibt: The conception of political equality f r o m the Declaration of Independence, to Lincoln's Gettisburg Address, to the Fifteenth, Seventeenth, and Nineteenth Amendments can mean only one t h i n g — one person, one vote.
Diese Philosophie hätte laut Harlan zu anderen Ergebnissen i n den entschiedenen Fällen geführt, denn das Prinzip sei nicht kompromißfähig mit Rücksicht auf das Ziel, politische Zwecke zu erreichen. Jetzt aber sei das Gericht tatsächlich gefangen i m politischen Dickicht und suche einen Weg herauszugelangen. Einen solchen Weg scheint das Gericht erst seit 1973 vor sich zu sehen, nachdem es 1972 nur memorandum Entscheidungen ohne erhebliche neue Aspekte erlassen hatte. Chief Justice Burger hatte zum Verfasser der ersten neuen Entscheidungen Justice Rehnquist bestimmt, und die neuen Fronten waren von Anfang an deutlich zu erkennen. Die Mehrheit des Burger Court bildeten die Justices Burger, Blackmun, Powell und Rehnquist zusammen mit den Wechslern Stewart und White, i n der Opposition standen die Protagonisten des konsequenten one man — one vote: Brennan, Douglas und der i m Jahre 1967 von Präsident Johnson ernannte farbige Justice Marshall. I n Salyer Land Company v. Tulare Lake Basin Water Storage District (1973)11 und der anschließenden per curiam Entscheidung Associated Enterprises v. Toltec Watershed Improvement District (1973)12 ging es letztlich u m die oben 18 gestellte Frage, ob sich i m Kommunalbereich Hadley v. Junior College District (1970) als neue Grundsatzentscheidung, die das Recht auf Gleichheit bei jeder Wahl postuliert, durchsetzt oder ob das Gericht Hadley m i t einschränkender Interpretation auf die Grundsätze von Avery v. Midland County (1968) begrenzen würde. Die neue Mehrheit von sechs Justices entschied sich für letzteres. Justice Rehnquist erwähnte i n Salyer m i t keinem Wort die grundsätzlichen Ausführungen Justice Blacks zum Wahlverfahren 1 4 i n Hadley. Er zitierte vielmehr allein die Anwendung der Avery-Grundsätze auf den junior college district i n Hadley, nach denen „important governmental functions w i t h i n the district" nötig seien, die „general enough and w i t h sufficient impact throughout the district" zu sein hätten, um eine Anwendung der strengen one-man-one-vote Regeln 11 Salyer L a n d Company v. Tulare Lake Basin Water Storage District, 410 U.S. 719 (1973). 12 Associated Enterprises ν. Toltec Watershed Improvement District, 410 U.S. 743 (1973). 18 Siehe T e ü I I Β . 3. b). 14 Siehe oben, T e i l I I B., T e x t zu A n m . 107 - 110.
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zu rechtfertigen 15 . Zugleich übernahm Rehnquist die Ausnahmeregel 16 i n Hadley, nach der bestimmte Amtsträger („whose duties are so far removed from normal governmental activities and so disproportionately affect different groups that a popular election . . . might not be required") nicht i n einem Wahlverfahren nach dem one-man-one-vote Prinzip gewählt werden müssen. I n Anwendung dieser Regeln schloß die Mehrheit von 1973, daß ein water storage district, dessen Aufgabe hauptsächlich i m Bereitstellen, Aufbewahren und Verteilen von Wasser für die Bewässerung von Farmland bestehe, wegen dieses „special limited purpose" und seines „disproportionate effect of its activities on landowners as a group" eine Ausnahme zu Hadley und Avery darstelle 17 . Justice Rehnquist nannte abgrenzend aber auch eine Reihe jener Dienstleistungen einer Kommune, die arguendo eine andere Entscheidung erzwungen hätten, nämlich: Schulen, Wohnungsbau, öffentliche Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen, Straßenbau und ähnliche, von der Kommune finanzierte Vorhaben, oder auch nur Einrichtungen zur Verbesserung der Lebensqualität i n der Kommune, wie Läden und Krankenhäuser, ganz abgesehen von Feuerwehr- und Polizeistationen. Dieser Mehrheitsentscheidung widersprachen die Justices Douglas, Brennan und Marshall 1 8 m i t faktischen wie rechtssystematischen A r gumenten: Faktisch betreibe ein kalifornischer water storage district Schutz gegen Überschwemmungen durch Wasserkontrolle und Deichbau. Diese Tätigkeiten beträfen i n ihren Auswirkungen sämtliche Einwohner des Distrikts. Deshalb hätten die zu wählenden Amtsträger „ v i t a l and important governmental functions" und müßten daher i m Sinne der Hadley-Entscheidung i n allgemeiner Wahl gewählt werden 19 . Systematisch müßte das aber heißen, daß anhand der Entscheidungen zur Beschränkung der Wahlberechtigung (Phoenix ν . Kolodziejski, 1970, und Kramer v. Union Free School District, 1969)20 nach einem compelling state interest zu fragen sei, der die Einschränkung des Stimmrechts auf Grundeigentümer rechtfertigen könne 2 1 . Fast dieselben Einwände hatten die Dissenters i n der Sache Associated Enterprises v. Toltec Watershed Improvement District (1973). 15
Salyer at 727. Siehe oben, T e i l I I B., T e x t zu A n m . 110. 17 Salyer at 728. 18 Salyer, 410 U.S. 735. 19 Id. at 737 - 740. 20 Vgl. oben, T e ü I I C. 3. 21 Das noch weitergehende Problem, daß die Stimmenzahl des Eigentümers sich nach der Größe seines Grundeigentums richtet u n d juristische Personen damit bei Wahlen m i t s t i m m e n können, muß i n diesem Zusammenhang unerörtert bleiben. Vgl. dazu Askin, 62 Geo L J 1001 (1974). 16
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T e i l I I I : Die Folgeprobleme
Auch hier ging es u m die Zähmung der Wassermassen durch Deichbaumaßnahmen, die zugleich die Natur und so die Umwelt entscheidend verändern können. Auch hier waren die durch Bundes- und Landesrecht geregelten Tätigkeiten des district nicht von der Zustimmung der betroffenen Bewohner abhängig. Damit war für die Justices Brennan, Douglas und Marshall klar, daß die leitenden Ämter des district durch allgemeine Wahlen besetzt werden müssen, die Wahlberechtigung also nicht auf Grundeigentümer beschränkt werden darf. Doch Justice Stewarts abweichender Standpunkt aus Kramer und Kolodziejski, m i t dem er ursprünglich schon i n Avery die one-man-one vote Regeln auf „mini-legislatures" beschränken wollte, daß nämlich nicht eine allgemeine Wahl i m Sinne der repräsentativen Demokratie, sondern nur eine „limited, special-purpose election" gegeben sei, hatte 1973 unter den neuen Justices insoweit Beifall gefunden, als dieser Standpunkt m i t den bestehenden Präzedenzien, wenn auch erst durch deren Interpretation i n bestimmtem Sinne, vereinbar erschien. Die Interpretation von Vorentscheidungen ist denn auch das Instrument, m i t dem die neue Mehrheit i m Kernbereich des reapportionment vom späten Warren Court abweichende Wege ging: i n Mahan v. Howell (1973)22. Der federal district court hatte i n Mahan entschieden, daß eine Differenz von 16,4 °/o i n der Größe der Wahlkreise für die Besetzung der Sitze des Repräsentantenhauses von Virginia nach dem vom Supreme Court i n Kirkpatrick v. Preisler (1969) und Wells v. Rockefeller (1969) gesetzten Standard des one man — one vote zu groß ist, auch wenn sie sich zurückführen läßt auf den Versuch des Parlaments, die traditionellen county Grenzen zu erhalten. Die neue Mehrheit erklärte dies für unrichtig, da es zwei zu unterscheidende Entscheidungsstaffetten gäbe: 1. Die zitierten Entscheidungen beträfen congressional und gründeten i n Wesberry v. Sanders (1964)23.
districting
2. Grundlage der Entscheidung hätte Reynolds ν . Sims (1964) sein müssen. Denn i n Reynolds hätte Chief Justice Warren gerade vorgeschlagen, daß (a) mehr Flexibilität erlaubt sei bei einzelstaatlichem als bei congressional apportionment und (b) dabei die Grenzen der Untergliederungen des Einzelstaates i n größerem Umfang beim districting herangezogen werden könnten, schließlich daß 22 28
Mahan v. Howell, 410 U.S. 315 (1973). Vgl. oben, T e i l I I Α., T e x t zu A n m . 8.
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(c) solche Abweichungen als „rational" gerechtfertigt sein könnten, die daraus folgten, daß den politischen Untergliederungen etwas eigenständige Repräsentation i n wenigstens einem der beiden Häuser zugebilligt werde. Während i n Kirkpatrick das Ziel der Erhaltung von Untergliederungsgrenzen Abweichungen nicht hätte rechtfertigen können, sei i n Abate ν . Mündt (1971) als einem county apportionment Fall dies als Rechtfertigung anerkannt worden. Die neue Mehrheit gibt als Grund für diese unterschiedliche Behandlung der Fälle die Gefahr an, daß die Anwendung des Tests der „absoluten Gleichheit" das normale Funktionieren von einzelstaatlichem und lokalem government beeinträchtigen könnte: Die Virginia General Assembly habe erhebliche Befugnisse zur Gesetzgebung über lokale Angelegenheiten, so daß den Untergliederungen eine Stimme bei der Ausarbeitung der sie betreffenden Gesetze zugestanden werden müsse. Der federal district court habe demgegenüber zwölfmal die Untergliederungsgrenzen zerschnitten und so population equality an die Stelle von subdivision representation gesetzt 24 . Daß zum Beispiel Scott County nach dem Plan des district court praktisch keine Möglichkeit mehr besitze, lokale Angelegenheiten wirkungsvoll zu vertreten, liege daran, daß fünf Abstimmungsbezirke von Scott County mit 6063 Personen dem benachbarten Wahlkreis m i t 87 041 Einwohnern zugeschlagen wurden, während die übrigen gut 18 000 Einwohner von Scott County sich i n ihrem Wahlkreis gegen die insgesamt 76 346 Einwohner der anderen counties nicht mehr würden durchsetzen können. A u f der Grundlage dieser Überlegungen fand die Mehrheit des Supreme Court zurück zum rationality test. Rehnquist zitierte 2 5 aus Reynolds die „legitimate considerations incident to the effectuation of a rational state policy" und aus Roman v. Sincock (1964) die „minor deviations only as may occur i n recognizing certain factors that are free from any taint of arbitrariness or discrimination". Dann verkündete er den Kompromiß: (A) State's policy urged i n justification of disparity i n district population, however rational, cannot constitutionally be permitted to emasculate the goal of substantial equality 2 6 .
Übrig blieb i n Mahan υ. Howell allein die Frage, ob die Absicht Virginias, den lokalen Untergliederungen Repräsentation als Untergliederungen zu geben, durch die Einteilung der Wahlkreise auch verwirklicht wird, und ob die so gerechtfertigten Abweichungen von der numerischen Gleichheit innerhalb erträglicher Grenzen (tolerable 24 25 26
M a h a n at 323. Id. at 324. Id. at 326.
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limits) bleiben. Ohne die erste Frage ausdrücklich zu beantworten, stellte das Gericht zur letzteren fest, daß es keine Möglichkeit gibt, aus der equal protection clause herauszulesen, welche Prozentzahl noch eine erlaubte Abweichung darstellt, hielt aber jedenfalls die gut 16 °/o i m Falle Virginias für nicht jenseits der erträglichen Grenze. Es kann nicht verwundern, daß diese Ausführungen den scharfen Widerspruch derjenigen Justices herausforderten, die an der Formulierung der Prinzipien i n Reynolds beteiligt waren: Douglas und Brennan, jetzt unterstützt von Justice Marshall. Brennan wies i n dem gemeinsamen dissenting vote der drei Justices 27 zunächst darauf hin, daß die Formel i n der Verfassung Virginias „as nearly as practicable representation i n proportion to the population of the district" Wahlkreisgleichheit vorschreibe, und zitierte i n einer Anmerkung 2 8 eine lange Reihe von einzelstaatlichen und Bundesgerichten, die Abweichungen unter 16,4 °/o für verfassungswidrig erklärt haben. I m übrigen hielt er Abweidlungen von sogar 23,6 °/o für gegeben. Entscheidend aber sind Justice Brennans grundsätzliche Ausführungen zum Prinzip des one man — one vote des Warren Court: a) Die bisherigen Entscheidungen hätten zwei Grundsätze erbracht, (1) daß präzise Bevölkerungsgleichheit das höchste Ziel des reapportionment ist und nach der Verfassung stets anderen Erwägungen vorgeht, (2) daß i m Fall der Ungleichheit der Staat beweisen muß, daß präzise Bevölkerungsgleichheit nicht ohne Gefahr für irgendein entscheidendes staatliches Interesse erreicht werden kann. b) Es hätte bisher unterschiedliche Standards i n der Beurteilung des einzelstaatlichen und des congressional reapportionment nicht gegeben, und zwar weder i n der Frage der Gleichheit noch der der Beweislast (Swann, Kirkpatrick, Hadley). c) Nicht Nachweis der Rationalität, sondern der Notwendigkeit einer Abweichung von der Gleichheit sei bisher vom Einzelstaat verlangt worden (Swann, Kilgarlin). d) Das Argument, es gebe einen Prozentsatz, der von vornherein als „de minimis" angesehen werden könne, sei stets abgelehnt worden. Schließlich ging Brennan auf den Grund ein, der der Mehrheit ausreichend erschien, politischen Untergliederungen Gewicht bei der Wahlkreiseinteilung qua Untergliederung zuzuerkennen: die Behandlung lokaler Fragen i m Parlament. Brennans Einwände laufen auf folgendes hinaus: 27 28
Brennan, dissenting i n part i n Mahan, 410 U.S. 333. Id. at 336, η. 3.
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Gerade das Konzept der effective representation spricht i m Falle V i r ginias gegen eine Repräsentation der counties, weil diese so unterschiedlich groß sind, daß viele innerhalb ihres Wahlkreises, sobald es um Fragen der einzelnen county geht, den bevölkerungsreichen counties unterlegen sind. N u r wenn beide Voraussetzungen gegeben sind — besonderes Interesse der Wähler einer bestimmten county an einer Frage und starkes Gewicht der county i m gesamten Wahlkreis —, kann county Repräsentation wirksam werden. Gerade dann aber bevorzugt der apportionment Plan jene Wähler, die i n großen counties leben. Dies wiederum ist nach den reapportionment Entscheidungen von 1964 verfassungswidrig. A u f dem Hintergrund dieser Ausführungen erscheint Brennans A r gument für präzise Gleichheit i n neuem, stärkerem Licht. Aber — es war i m Jahre 1973 nicht die Entscheidung der Mehrheit. Einstimmig entschied der Supreme Court allerdings White v. Weiser (1973)29, indem er auf der Linie der Entscheidung Kirkpatrick v. Preis1er (1969) für das congressional reapportionment nur solche Abweichungen von der bevölkerungsmäßigen Gleichheit der Wahlkreisgrößen erlaubte, die „are unavoidable despite a good-faith effort to achieve absolute equality, or for which justification is shown" 3 0 . Das Ziel der Legislative, Untergliederungsgrenzen beizubehalten, rechtfertige A b weichungen beim reapportionment zur Wahl des US House of Representatives nicht. Ebensowenig könnten hier von vornherein „kleine" Abweichungen zugelassen werden, denn erstens seien die congressional districts nicht so ineinander verflochten und beladen m i t lokalen Interessen und zweitens bedeute jedes Prozent Abweichung von der Größe der Wahlkreise bereits fast 5000 Einwohner. Doch die Einstimmigkeit dieser Entscheidung w i r d relativiert durch ein offenes Wort der neuen Justices Powell und Rehnquist sowie des Chief Justice. I n ihrem zusätzlichen concurring opinion, das Justice Powell verfaßte 31 , erklären sie, daß sie, wären sie 1969 bereits M i t glieder des Gerichts gewesen, eine Regel der mathematischen Exaktheit bei legislativem reapportionment nicht aus der Verfassung herausgelesen hätten. Kirkpatrick v. Preisler (1969) sei aber eindeutig einschlägig, und deshalb würden sie ihr folgen, solange das Gericht diese Entscheidung nicht neu zu erwägen bereit sei. Es bleibt festzustellen, daß der ebenfalls erst 1970 zum Supreme Court gekommene Justice Blackmun dieser Erklärung nicht beigetreten ist und daß der noch i n Kirkpatrick dissentierende Justice White 29 30 31
W h i t e v. Weiser, 412 U.S. 783 (1973). Id. at 790, K i r k p a t r i c k v. Preisler, 394 U.S. at 531. Powell, concurring i n White v. Weiser, 412 U.S. 798.
15 K ö p p
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die Entscheidung White v. Weiser (1973) selbst verfaßt hat, so daß davon ausgegangen werden kann, daß Kirkpatrick Bestand haben wird. Justice Marshall gibt sich zudem i n einem concurring opinion 3 2 als Verfechter der strikten numerischen Gleichheit zu erkennen. Er lehnt es darüber hinaus ab, den die Abhilfemaßnahmen formulierenden federal, district court an die vorangegangenen politischen Wertentscheidungen der Legislative zu binden, ζ. B. an die Maxime, daß möglichst wenige derzeitige Abgeordnete gegeneinander kandidieren sollten. Marshall meint: (T)he j u d i c i a l remedial process i n the reapportionment area — as i n any area — should be a fastedious neutral and objective one, free of a l l political considerations and guided only b y the controlling principle of strict accuracy i n representative apportionment 3 3 .
I n zwei weiteren Entscheidungen des Jahres 1973 bekräftigte der Burger Court seinen Standpunkt, daß zu unterscheiden sei zwischen congressional und state legislative apportionment und daß deshalb i n letzterem der Einzelstaat nicht jede Abweichung von der numerischen Gleichheit rechtfertigen müsse. I n Gaffney v. Cummings (1973)34 erklärte der Supreme Court Abweichungen der Wahlkreisgrößen voneinander i m Umfang von 1,81 °/o (Senat) und 7,83 °/o (Repräsentantenhaus von Conncecticut) für nicht prima facie diskriminierend, so daß eine Rechtfertigung des Staates für sie nicht erforderlich w a r 3 5 . Zur Begründung führte der Supreme Court an, daß seit Reynolds v. Sims (1964) i n einzelstaatlichem reapportionment eben nur substantial equali t y verlangt werde, die i n zehnjährigen Abständen erhobenen Zensuszahlen ohnehin nicht oder nicht mehr richtig seien und die Bevölkerungszahlen selbst bei absoluter Wahlkreisgleichheit nicht die Gleichheit der Stimmen garantierten, weil gerade nicht die Wähler Grundlage der Zählung seien. Zugleich bekannte sich der Supreme Court zu dem Ziel eines fair and effective representation, das andere wichtige Faktoren als reine Bevölkerungszahlen i n das apportionment einzubeziehen habe. Dieses Ziel werde nicht dadurch gefördert, daß apportionment standards so schwierig gemacht würden, daß das reapportionment regelmäßig der Legislative aus der Hand genommen und von Bundesgerichten durchgeführt werde, die selbst politische Entscheidungen treffen müßten bei der Ausarbeitung eines eigenen oder der Entscheidung über die A n nahme eines ihnen von den Klägern vorgelegten Planes, der ganz andere Ziele verfolgt als der des Staates 36 . 32 33 34 35 36
Marshall, concurring i n White v. Weiser, 412 U.S. 798. Id. at 799. Gaffney v. Cummings, 412 U.S. 735 (1973). Id. at 741, 743. Id. at 749.
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Auch i n White v. Regester (1973) hatte der federal district court Kirkpatrick ν . Preisler (1969) als einschlägig angesehen und nach der Feststellung, daß Abweichungen von 9,9 % gegeben waren, vergeblich nach Rechtfertigungen durch den Staat gesucht. Der Supreme Court berief sich auf die ganz jungen Entscheidungen Mahan und besonders Gaffney für sein Urteil, daß auch 9,9% noch minor deviations seien 38 , fügte aber hinzu, daß sehr wahrscheinlich größere Unterschiede zwischen Wahlkreisen ohne Rechtfertigung durch die Durchführung einer rational state policy nicht toleriert werden könnten. Anschließend führte das Gericht eine neue A r t der Betrachtung der Ungleichheiten vor: Die durchschnittliche Abweichung der Wahlkreisgrößen vom Ideal sei 1,82%; nur 23 Kreise (von 90) seien über- oder unterrepräsentiert u m mehr als 3 %, nur drei davon u m mehr als 5 %. White v. Regester (1973) bestätigte auch die Rechtsprechung zu den multi-member districts, wie sie i n Whitcomb v. Chavis (1971) ihren Ausdruck gefunden hat: Groß Wahlkreise sind verfassungswidrig, wenn sie dazu benutzt werden, „to cancel out or minimize the voting strength" von politischen oder rassischen Gruppen. Z u solchem Nachweis ist die Feststellung nicht ausreichend, daß die Gruppe nicht legislative Sitze proportional zur Größe ihrer Wählerschaft besetzt hält. Vielmehr müssen die Kläger beweisen, daß die politischen Prozesse, die zu Nominierung und Wahl führen, den Mitgliedern der Gruppe nicht i n gleicher Weise offenstand wie anderen Personen. A u f der Grundlage dieser Rechtsprechung bestätigte der Supreme Court die Auflösung zweier Großwahlkreise durch den federal district court 3 9 . I n dem einen multi-member district, i n dem keine Wohnsitzverpflichtung bestand, war die Negergemeinde einerseits durch verschiedene Verfahrensregeln an der wirksamen Teilnahme an dem Nominierungsverfahren der Demokratischen Partei gehindert, andererseits durch rassische Wahlkampftaktiken i n weißen Wahlbezirken bei der Interessenvertretung durch weiße Sympathisanten beeinträchtigt worden 4 0 . I n dem anderen Großwahlkreis waren es Mexikoamerikaner, die noch wirksamer und länger durch Wahl-, Steuer- und Registrierungsvorschriften, aber auch durch ihre kulturelle und wirtschaftliche Abgesonderheit an der Teilnahme am politischen Prozeß gehindert waren als bisher die Neger. I n beiden Fällen hatten die federal district courts den gewollten Ausschluß der speziellen Gruppen von „effective participation i n political life" durch das M i t t e l des Großwahlkreises 37 38 39 40
15·
W h i t e v. Regester, 343 F.Supp. 704 (1972). White v. Regester, 412 U.S. 755 (1973) at 764. Id. at 765 - 767. Id. at 767.
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T e i l I I I : Die Folgeprobleme
festgestellt und zur Abhilfe die Bildung von Einerwahlkreisen vorgeschrieben. Die Probleme der Wahlkreisgrenzziehung bei der Bildung von Einerwahlkreisen sind oben beschrieben worden 4 1 . I n Gaffney v. Commings (1973)42 hatte der Supreme Court Gelegenheit, über die Verfassungsmäßigkeit einer Grenzziehung nach einem „political fairness principle" zu entscheiden. Ein Apportionment Board, i n besonderer Weise unter M i t w i r k u n g der Parteien besetzt, hatte i n Conncecticut fast alle Wahlkreisgrenzen m i t dem Ziel gezogen, einen Wahlkreisplan zu erhalten, der grob annähernd der politischen Stärke der Republikanischen und Demokratischen Parteien i m Staat entsprach. Während die Beklagten dies als wünschenswerte Überlegungen beim reapportionment hinstellten, griffen die Kläger es als gigantischen gerrymander an. Der Supreme Court hielt i n Gaffney diese A r t gerrymandering für nicht verfassungswidrig 43 : Jede A r t districting sei stärker „politically fair" als eine Wahl at-large, bei der eine Partei 100 °/o der Sitze erhalte. Politische Überlegungen seien eben untrennbar m i t districting und apportionment verbunden, denn es bedarf keines Übermenschen, die politischen Konsequenzen der Wahlkreisgrenzziehung zu erkennen, wenn alle Registrations- und Wahlergebnisse Stimmbezirk für Stimmbezirk vorliegen. Der politisch unbekümmerte Vorschlag, es sollten nur Zensusdaten, nicht auch politische Daten benutzt werden dürfen, könne zu dem wohl größten gerrymander führen, und es sei wahrscheinlich, daß die politischen Implikationen eines Plans rasch entdeckt würden m i t der Folge, daß sie, wenn der Plan nicht geändert werde, auch gew o l l t seien. Deshalb könne angenommen werden, daß stets beiderlei Daten benutzt würden. Wahlkreisgrenzziehung auf diese Weise — so erklärte der Supreme Court dann — sei nicht gänzlich von richterlicher Überprüfung befreit, wie das Beispiel der multi-member districts zeige. Doch jenseits White ν . Regester (1973), Whitcomb v. Chavis (1971) und Gomillion ν . Lightfoot (1960) habe sich das Gericht nicht gewagt oder den zum Scheitern verurteilten Versuch unternommen, die Politik aus dem auszumerzen, was den unerläßlichen politischen Prozeß eines Staatswesens darstelle. K l a r gesagt, sollte richterliches Interesse am geringsten sein, wenn ein Staat bezwecke, die politische Macht auf die bestehenden Parteien nach deren Wahlerfolg zu verteilen und so „a rough sort of proportional representation" herzustellen, solange der Plan sich innerhalb „tolerable population limits" bewege. 41 42 43
Siehe oben, T e ü I I I C. Gaffney v. Cummings, 412 U.S. 735 (1973). Id. at 752.
D. Der neue Trend unter Chief Justice Burger
229
Dieser scheinbar nur vorsichtig veränderten Rechtsprechung versagten sich jedoch die Justices Brennan, Douglas und Marshall 4 4 . Sie wiesen erstens darauf hin, daß praktisch weder Connecticut (in Gaffney) noch Texas (in Regester) den Versuch unternommen haben, ihr Versagen zu rechtfertigen, Wahlkreise „as nearly of equal population as is practicable" zu bilden. Andere vorgeschlagene apportionment Pläne hätten die Ungleichheiten erheblich reduziert. Zweitens stellten sie fest, daß die Grenze der ohne Rechtfertigung tolerierten Abweichungen nach der neuen Rechtsprechung bei 10 °/o liegt. Eine solche Regel hätte zuvor niemals eine Mehrheit i m Gericht gefunden. Sie sei völlig neu 4 5 . Zur Einschätzung dieser neuen Rechtsprechung meinte Brennan: Sie unterminiere die Verwirklichung des auch von der Mehrheit anerkannten Prinzips der strikt mathematischen Gleichheit der Wahlkreise, denn der außerordentliche „record of compliance w i t h the constitutional mandate" sei ein Erfolg der Entscheidung i n Kirkpatrick v. Preisler (1969) gewesen: Vor 1969 gab es Abweichungen von über 15 °/o bei den senatorischen Wahlkreisen i n 44 von 50 Staaten, bei den Repräsentantenhäusern sogar i n 48 der 50 Staaten. Nach Kirkpatrick aber lag bei der Hälfte der Staaten die senatorische Abweichungsrate unter 5 °/o, bei den Repräsentantenhäusern immerhin bei 20 der 42 Staaten, deren Zahlen bekannt waren. Diese hoffnungsvolle Entwicklung werde durch die neuen Entscheidungen gebremst, das Recht des Einzelnen auf gleiche Wahl beschnitten und m i t dem de minimis Ansatz zum ersten Mal abstrakten Zahlen verfassungsrechtliche Bedeutung beim apportionment zugesprochen. Eine i n den Zusammenhang der gesamten reapportionment Rechtsprechung gestellte Diskussion der beschriebenen Standpunkte der Justices des Burger Court soll i m folgenden Teil IV, insbesondere bei den Ausführungen zur Bewertung der reapportionment Rechtsprechung (IV D.) erfolgen.
44 Brennan, dissenting i n part i n Gaffney u n d Regester, 412 U.S. 772 (1973), dem Douglas u n d Marshall beitraten. 46 Verbunden ist damit die dementsprechend neue Beweislastverteilung, die entgegen Reynolds v. Sims (1964) erst eine Rechtfertigung durch den Staat f ü r Abweichungen jenseits von 10 % verlangt, während die Kläger bei geringeren Abweichungen auf den Nachweis der intendierten D i s k r i m i n i e rung („to minimize or cancel out the voting strength of racial or political" minorities) zurückgeworfen sind.
TEIL IV
Erkenntnisse und Hypothesen A. Zu den Grundzügen der reapportionment Rechtsprechung 1. Die reapportionment Rechtsprechung der Bundesgerichtsbarkeit, i n deren Nachfolge auch erst von einer reapportionment Rechtsprechung der einzelstaatlichen Gerichte gesprochen werden kann, gliedert sich deutlich i n drei Abschnitte: die Periode der richterlichen Selbstbeschränkung des Supreme Court, die Periode der Entwicklung und Durchsetzung des one man — one vote Prinzips als der Grundlage des reapportionment auf bundesstaatlicher, einzelstaatlicher und kommunaler Ebene und schließlich die beginnende Periode der Modifizierung der Rechtsprechung aufgrund richterlicher Orientierung am Problem der Repräsentation anstelle des absoluten Prinzips individueller Gleichheit der Wahl. 2. Das regelmäßige bundesrichterliche Befassen m i t dem Problem der Wahlkreisgleichheit i n den Einzelstaaten begann m i t einer sogleich als grundlegend betrachteten Entscheidung, Colegrove v. Green (1946), deren Inhalt allerdings wegen des Stimmenverhältnisses 3 : 1 :3 i n mehrfacher Weise unklar blieb. Das Votum des berühmten Justice Frankfurter ist dabei als ein von bestimmten verfassungstheoretischen Vorstellungen getragenes, gerichtspolitisches Plädoyer für das grundsätzliche Nichteingreifen von Gerichten i n Wahlkreiseinteilungsfragen zu verstehen, ohne daß die Entscheidung selbst mehrheitlich auf diesem Gedanken beruht. 3. Die sich an Colegrove anschließende Selbstbeschränkung der Supreme Court Justices, die paradoxerweise (weil sie einer „Trennung" gerade widerspricht) unter dem Einfluß von funktionalen Gedanken zur strikten Trennung der drei Gewalten stand, zeigte sich i n der A n wendung der verschiedenen verfahrenstechnischen Möglichkeiten des Gerichts, apportionment Fälle nicht durch Urteil nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, sondern ohne formale Legitimation des einen oder anderen Standpunktes den Rechtsstreit den Untergerichten und durch diese i n der Folgezeit den politischen Organen zu überlassen. Die Entscheidungen dieser Rechtsprechungsperiode sind i m einzelnen dargelegt worden 1 . Sie zeigen ein geteiltes
Α. Z u den Grundzügen
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Gericht, das (1) von zwölf Fällen überhaupt nur i n Wood v. Broom (1932) und Colegrove v. Green (1946) eine mündliche Verhandlung durchgeführt und den mit apportionment Fragen verwandten F a l l MacDougall v. Green (1948) per curiam entschieden hatte, das (2) offensichtlich i n seiner Mehrheit nicht gewillt war, Wahlkreiseinteilungen rechtlich zu überprüfen, dessen tatsächliche (versteckte) Entscheidungsgrundlage (3) nichtsdestoweniger materieller A r t war: Wahlkreisgleichheit sei kein verfassungsrechtliches Erfordernis. 4. Diese politische Entscheidungspraxis, die sich i n der verfahrensmäßigen Abwiegelung der Probleme i m Sinne von Alexander M. Bickels „passiven Tugenden" zeigte und vermied, eine für die Öffentlichkeit eindeutige Sachentscheidung zu fällen, ist i n Wissenschaft und Praxis nicht als solche erkannt worden 2 . 5. I m Gefolge des Plädoyers Justice Frankfurters versuchte man vielmehr, zur Erklärung der frühen apportionment Rechtsprechung des Supreme Court übergeordnete dogmatische Kategorien zu finden. Die Rechtslehre erfand so die sog. Colegrove Doktrin der Nicht Justiziabilität von Fragen der Wahlkreiseinteilung (im Sinne mangelnder Zuständigkeit), während bei genauer Betrachtung Colegrove ν . Green (1946) die grundsätzliche jurisdiction der Gerichtsbarkeit gerade bestätigte. 6. Andererseits führte das Entscheidungsverhalten des Supreme Court zu verstärkten Bemühungen u m die Bestimmung des Verhältnisses dieses Gerichts zu den anderen Verfassungsorganen und dabei vor allem zum erneuten Versuch einer Konkretisierung der political question Doktrin durch die Wissenschaft (Rostow, Hand, Wechsler, Jaffe, Bickel) 8 . 7. Die nicht enden wollenden Anstrengungen vor Gericht ziehender Bürger, das Übel des malapportionment zu beseitigen, erreichten schließlich mit Hilfe neuernannter Justices, die die unbeugsame bisherige Minderheit der Justices Douglas und Black zur Mehrheit werden ließen, daß sich der Supreme Court grundsätzlich m i t den apportionment Fragen und so dem political question Problem beschäftigte. A l lerdings führte die höchstrichterliche Auseinandersetzung u m die political questions nur zur Auflistung der i n der bisherigen Rechtsprechung aufgetauchten political question Elemente. Dabei erwies sich der mögliche Anwendungsbereich einer entsprechenden D o k t r i n als sehr eng. 1
Siehe oben, T e i l I Α. 1. - 4. Siehe oben, T e i l I B. 2. Selbst Scharpf behandelt die Entscheidungen bis 1961 als political question Entscheidungen (Grenzen, S. 279 ff.) u n d nennt dabei Colegrove v. Green (1946) die „ a m weitesten zum Z e n t r u m der Verfassungsgerichtsbarkeit vorgeschobene Bastion" der political question D o k t r i n (Grenzen, S. 321). 3 Siehe oben, T e i l I Β . 1. 2
232
Teil I V : Erkenntnisse und Hypothesen
8. Fritz Scharpf ist es gelungen, die political question Entscheidungen des Supreme Court funktionell-rechtlich zu erklären. Zwar lassen auch seine Kriterien einen erheblichen Beurteilungsspielraum der Justices erkennen 4 . Doch zeigt seine Analyse, daß bei der Entscheidung, ob eine Frage als „politische" gerichtlich unbehandelt bleibt, nicht völlige „discretion" herrscht (wie Justice Frankfurter glauben machen wollte: „to intervene or not to intervene"). Dies hätte auch der grundsätzlichen Auffassung des Supreme Court von der Pflicht, Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, widersprochen. M i t Scharpf ist davon auszugehen, daß das Gericht i n der Frage der political questions die immanenten Grenzen seiner innerstaatlich gerichtlichen Funktion erreicht hat: Zwar sind juristische Regeln für die Entscheidung der Rechtsfrage vorhanden, aber das Gericht vermag die Verantwortung für eine Entscheidung pro oder contra aus bestimmten Gründen (Informationsmangel, notwendig erscheinende Einheitlichkeit des Staates nach außen, mangelnde Vorhersehbarkeit oder Beherrschbarkeit der Entscheidungsfolgen) nicht zu übernehmen. 9. Damit ist zugleich zweierlei klargestellt: (1) Ob „die zur Beurteilung vor den Gerichtshof gelangte Frage einen politischen oder gar hochpolitischen Charakter hat" (Leibholz) 5 ist für die Einordnung als political question unerheblich. (2) Political questions i n der Rechtsprechung des Supreme Court haben nichts mit dem Mangel einer „justitiablen Norm" (Leibholz) zu tun 6 . Normen sind vorhanden; das Gericht hält sich aus funktionellen Gründen nur nicht für befugt, diese i n eigener Verantwortung anzuwenden. 10. Für die Entscheidung von Wahlkreiseinteilungsfragen kann der Supreme Court die Verantwortung übernehmen. Es handelt sich um innerstaatliche Angelegenheiten, für die dem Gericht alle Informationen zugänglich sind und deren rechtliche Konsequenzen ebenfalls von Gerichten beurteilbar erscheinen. Apportionment ist von dieser theoretischen Position her nicht ein Sachgebiet von political questions 7 . 11. Die Behandlung der apportionment Fragen durch den Supreme Court war tatsächlich rein gerichtspolitisch (oben Nr. 3 und 4). Selbstbeschränkung dieser politischen A r t , also eine Praxis ohne dogmatische Begründung, läßt sich allerdings — dies sei als Hypothese statuiert — nur i n einer Ubergangsphase aufrechterhalten: solange die Bedingun4
Siehe oben, T e i l I B., Text zu den A n m . 80 ff. Leibholz, DVB1 1974, 396, 398. Es sei i n den USA entscheidend f ü r die Abgrenzung politischer Streitigkeiten von politischen Rechtsstreitigkeiten, ob der Supreme Court dies bejahe oder verneine. 6 Gegen Leibholz, Statusbericht, JöR N. F. 6, 125 A n m . 22, u n d Knapp, JöR N. F. 23, 425 A n m . 12. 7 Siehe oben, T e i l I B., Text zu Anm. 94 ff.; anders Scharpf, vgl. A n m . 2. 5
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gen einer bestimmten inhaltlichen Festlegung noch nicht vorhanden sind 8 . W i r d die Phase zu lang, so setzt sich i n der Profession die Vorstellung von einer — wenn auch dogmatisch nicht begründeten — neuen political question Kategorie derart fest, daß es zur Änderung des Entscheidung sverhaltens einer besonderen Konstellation i n der Besetzung des Gerichts und grundlegender Begründungen einer als „neu" erscheinenden materiellen Rechtsprechung bedarf. — Der publizistische Aufruhr, den die Entscheidung Baker v. Carr (1962) erregte, läßt sich so erklären. 12. Streng rechtlich brauchte der Supreme Court seine Rechtsprechung i m Jahre 1962 nicht zu ändern, weil die Präzedenzien bei genauer Betrachtung jedenfalls nicht auf Nichtjustiziabilität von apportionment Sachen hinausliefen. Zudem war bisher eine ausdrückliche Entscheidung zur Anwendbarkeit der equal protection clause i n Wahlkreiseinteilungsfragen nicht getroffen worden. (Das während der „Abwiegelungsphase" stets m i t angeführte Urteil, MacDougall v. Green (1948), betraf gar nicht einen „echten" apportionment Fall. Als die hier entschiedene Frage 1969 erneut vor den Supreme Court kam, wurde die 1948er Entscheidung overruled 9 .) Der Supreme Court konnte sich deshalb 1962 noch frei entscheiden: für generelle Nichteinmischung der Justiz i n Wahlkreiseinteilungsfragen aus equity Gründen (trotz bestehender grundsätzlicher Justiziabilität) oder für eine — wie immer geartete — „Anwendung" der Verfassungsbestimmungen. Beides war allerdings zu begründen. 13. M i t dem Argument Frankfurters, es fehlten „judicially manageable standards" für die Beurteilung von Wahlkreiseinteilungsfragen, hätten sich die Justices ihrer Verantwortung nur m i t größtem Argumentationsaufwand entziehen können. Denn gerade bei strikter Interpretation der Bundesverfassung zeigt sich, daß (1) m i t der equal protection clause ein deutlicher Anknüpfungspunkt i m Verfassungstext vorhanden war und — so lautet meine These 10 — (2) über die i n dieser Klausel bis dato entwickelten richterlichen Beurteilungsmaßstäbe (invidious discrimination) hinaus ein weiterer materieller Standard für die Wahlkreiseinteilung bereitstand: der der absoluten numerischen Bevölkerungsgleichheit. 14. Die Mehrheit der Richter (6 : 2) entschied sich denn auch i n Baker v. Carr (1962) für ein Eingreifen i n die Wahlkreiseinteilung und machte sich sogleich daran, Kriterien zur Beurteilung der apportionment Problematik i n Verfassungsbestimmungen zu finden: Nach der Vorankündigung des Ziels der Interpretation (Gray v. Sanders, 1963), das aus8
Z u den Bedingungen siehe unten zu C. Siehe oben, T e i l I I C., Text zu A n m . 1 ff. 10 Siehe oben, T e i l I C., insbesondere i m Anschluß an den T e x t zu A n m . 20.
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T e i l I V : Erkenntnisse u n d Hypothesen
drücklich mehr aus allgemeinen politischen Grundgedanken als einer Exegese der Verfassung stammte und i n der Formel „one person — one vote " kulminierte 1 1 , entnahm das Gericht dem A r t I § 2 der Bundesverfassung die Notwendigkeit gleich großer Wahlkreise für die Wahl zum Repräsentantenhaus (Wesberry v. Sanders, 1964) und dasselbe Prinzip (one man — one vote) der equal protection clause des X I V . amendment für Wahlen zu den einzelstaatlichen Legislativen (Reynolds v. Sims, 1964). 15. Nachdem der Supreme Court so das Postulat des one man — one vote für alle Legislativen qua Verfassungsinterpretation verbindlich gemacht hatte, festigte er die neue prinzipielle Rechtsprechung i n spezifizierenden, dem Prinzip immer deutlicher einen streng formalen Inhalt gebenden Entscheidungen (Swann v. Adams, 1967; Kirkpatrick v. Preisler, 1969). Erreicht wurde dies m i t der Technik der Beweislastumkehr: Der Nachweis der W i l l k ü r , der Irrationalität einer Regelung unter der traditionellen equal protection clause, entfiel, weil schon der Nachweis der Ungleichheit der Wahlkreisgrößen eine (mögliche) Verletzung des one man — one vote Prinzips dokumentierte. Nunmehr mußte der beklagte Einzelstaat den Nachweis führen, daß die Ungleichheiten das Ergebnis einer solchen „rational state policy" waren, die „permissible purposes of legislative apportionment" darstellten. Die üblichen Gründe (Tradition, Repräsentation von Gliedkörperschaften, Vertretung von Minoritäten oder dünnbesiedelter Gebiete öder besonderer Interessen) erklärte das Gericht von vornherein für nicht ausreichend, so daß dem Staat praktisch nur der Spielraum blieb, den die Formel „ as far as is practicable" erlaubte 1 2 . Hier — wie ausdrücklich beim congressional reapportionment — mußten die Beklagten nachweisen, daß sie einen „honest and good faith effort" gemacht hätten, bevölkerungsgleiche Wahlkreise zu schaffen 13 . 16. Damit fand der Versuch, i m Mehrheitswahlsystem die Gleichheit des Zählwerts der Stimmen herzustellen, seine Grenze allein i n der praktischen Undurchführbarkeit der Herstellung numerisch exakt gleich großer Wahlkreise. Dies war das Anliegen der Mehrheit der Supreme Court Justices i n der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. I n haltliche Fragen der Repräsentation von Interessen oder Gruppen beließ das Gericht während dieser Zeit i n der oben angesprochenen (Nr. 2 und 9) politischen Weise 14 i m „gerichtlichen Wartestand". Das gilt insbesondere für die Frage der Wahlkreisgrenzziehung: ob diese nämlich 11
Siehe oben, T e i l I I Α., T e x t zu A n m . 7. Siehe oben, T e i l I I Α., Text zu A n m . 30 ff. 13 Siehe oben, T e i l I I Α., Text zu A n m . 54 ff. 14 W r i g h t v. Rockefeller, 1964, u n d Badgley v. Hare, 1966: for w a n t of a substantial federal question, Kruidenier v. McCulloch, 1966: adequate state ground. 12
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geschehen dürfe unter Beachtung des parteipolitischen Wählerverhaltens und etwa der Konzentration rassischer Minoritäten und ökonomischer Interessen oder völlig unbeeinflußt von solchen Erwägungen zu bleiben habe 15 . 17. Daß aber i m Grenzbereich des one man — one vote Prinzips die Techniken der Nichtentscheidung vom Supreme Court bei der „politischen" Handhabung seiner Spruchpraxis, sogar m i t Anklängen an die political question Rhetorik (!), weiterhin benutzt werden, zeigt die erst beginnende Rechtsprechung zur innerparteilichen Repräsentation , ζ. B. i m Konvent zur Nominierung des Präsidentschaftskandidaten (O'Brian ν . Brown , 1972)1β. 18. I n dem ebenfalls i m „politischen Dickicht" gelegenen Ausstrahlungsbereich des reapportionment, auf der i n der Wissenschaft zumeist wenig beachteten Kommunalebene, währte die Zurückhaltung des Supreme Court zwar auch bis 1968, hatte nach Baker v. Carr (1962) aber offensichtlich eine andere, die als klassisch zu bezeichnende Funktion: Der oberste Bundesgerichtshof überläßt den anderen Gerichten die allmähliche Herauskristallisierung der Probleme und Lösungsmöglichkeiten 1 7 , um nach angemessen erscheinender Zeit die einleuchtendste Lösung aufgrund des vorhandenen Fallmaterials als Auslegung der Verfassung verbindlich zu machen. 19. A u f der kommunalen Szene, die ursprünglich fast ausschließlich von den Gerichten der Einzelstaaten beherrscht wurde, läßt sich deutlich und für die USA unerwartet ein Parallelverhalten der einzelstaatlichen Richter zur Entscheidungspraxis des obersten Gerichts des Bundes feststellen 1 8 : Die Gerichte der Einzelstaaten überließen auch i m Kommunalbereich die Probleme der Wahlkreiseinteilung solange den politischen Organen, bis der Supreme Court m i t Baker v. Carr (1962) auf Bundesebene neue Akzente zu setzen schien. N u n fanden sie sich bereit, die bestehenden apportionment Regelungen der für die Kommunalorgane geltenden einzelstaatlichen Gesetze zu überprüfen und interpretierten bald die apportionment Vorschriften dahingehend um, daß die bis dahin als ein Merkmal unter vielen verstandene Bevölkerungsgleichheit das vorrangige K r i t e r i u m bei der Wahlkreiseinteilung darstelle. Nach Reynolds v. Sims (1964) gingen die einzelstaatlichen Gerichte sogar mehrheitlich dazu über, aus „legislativen" Befugnissen von parlameiitsähnlichen Kommunalorganen die Verpflichtung zur Wahlkreisgleichheit analog dem one man — one vote Prinzip beim Wahlverfahren zu den einzelstaatlichen Gesetzgebungsorganen zu folgern. 15 16 17 18
Siehe oben, T e i l I I I C., Text zu A n m . 14 ff. Siehe oben, T e i l I I C., Text zu A n m . 6 ff., insbesondere 16. Vgl. ζ. B. oben, T e i l I I B., T e x t zu Anm. 18 ff., 49 ff. Siehe oben, T e i l I I B., Text zu A n m . 1 ff., 18.
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T e i l I V : Erkenntnisse und Hypothesen
20. Ähnlich verhielten sich viele Bundesuntergerichte. Einige plädierten offen für ein Vorangehen des Supreme Court und verbanden dies m i t der Hoffnung, die politischen Organe des Staates möchten sich selber helfen, u m den Gerichten das Umherirren i m „political thicket" zu ersparen. Die meisten Bundesgerichte wandten aber nach 1964 die legislativen reapportionment Regeln auf kommunale Gremien m i t „legislative functions" an 1 9 . 21. Die Schwierigkeiten der Anwendung des so einfachen und einleuchtenden Prinzips „one man — one vote" auf der lokalen Ebene zeigten sich jedoch rasch: Auch die Administration der Kommunen i n den USA w i r d zu ganz erheblichen Teilen durch gewählte Gremienmitglieder ausgeübt. Die Versuche der Gerichte, m i t der direkten Analogie zum reapportionment der einzelstaatlichen Legislativen die Adressaten des one man — one vote Prinzips i m Kommunalbereich als Gremien m i t legislativen Aufgaben eindeutig zu bestimmen, scheiterten deshalb an der praktischen Unmöglichkeit klarer Abgrenzung von „legislativen" und „administrativen" Gremien. Sie scheiterten aber noch klarer an der ins Auge springenden „Ungerechtigkeit", wichtige, das Leben i n der Kommune stark beeinflussende Verwaltungsgremien (etwa school boards) dem Prinzip der gleichen Wahl nicht unterwerfen zu müssen, während „Organe" m i t nebensächlichen Funktionen, wenn auch eindeutig legislativer A r t , nach den strengen Regeln des one man — one vote zusammengesetzt sein sollten 2 0 . 22. Die Reaktion der Richter auf dieses Dilemma war unterschiedlich, i n jedem Fall jedoch deutlich „politisch" bestimmt. Diejenigen, die — aus welchen Gründen auch immer — gegen gerichtliches Tätigwerden eingestellt waren, suchten sich aus der Entstehungsgeschichte des one man — one vote Prinzips „Gründe" heraus, die sie für das Eingreifen des Supreme Courts i n das „politische Dickicht" der Wahlkreiseinteilungsfragen als bestimmend bezeichneten, u m dann entsprechend restriktiv auf Klagen zu reagieren: Neben ungleich großen Wahlkreisen müßte eine Weigerung der Legislative vorliegen, ihre Wahlkreise gemäß einzelstaatlichem Recht einzuteilen, und es müßten normale politische Möglichkeiten fehlen, gegen die Beherrschung des politischen Prozesses durch eine Minorität vorzugehen 21 . Die anderen Richter, die gegen ein Eingreifen weniger einzuwenden hatten, gingen weiterhin von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des one man — one vote Prinzips aus und erklärten m i t dezisionistischem Elan, es komme i m Kommunalbereich nur darauf an, ob die Funktionen des zu beurteilenden Gremiums wichtige seien oder nicht — wobei sie stets genügend 19 20 21
Siehe oben, T e i l I I B., Text zu A n m . 30 ff. Siehe oben, T e i l I I B., Text zu A n m . 43 ff. Siehe oben, T e i l I I B., T e x t zu A n m . 52.
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„important functions" fanden, um dem Gremium Wahlkreisgleichheit zu verordnen 2 2 . 23. Nachdem der Supreme Court auf dem Hintergrund der Problemlösungsversuche der Bundesuntergerichte und der einzelstaatlichen Gerichte i m Jahre 1967 nur einige Grenzen der möglichen Anwendbarkeit des one man — one vote Prinzips auf kommunaler Ebene markiert hatte („appointive officials" sind nicht betroffen und Wohnsitzqualifikationen für Wahlbewerber sind zulässig), erklärte er schließlich 1968 i n Avery v. Midland County, daß das one man — one vote Prinzip für lokale Verwaltungsgremien zu gelten habe, wenn diese „general governmental powers over an entire geographic area" hätten 2 3 . 24. Der Supreme Court zog damit die Lehre aus den Abgrenzungsversuchen zwischen legislativen, administrativen und judiziellen Funktionen kommunaler Verwaltungseinheiten: Klare, handhabbare K r i t e rien lassen sich aus der herkömmlichen Funktionenlehre nicht gewinnen. Doch die Reaktion der Justices war nicht Resignation, sondern ein weiterer Versuch „rechtlicher Klärung", dessen Folge die erhebliche Ausweitung der Stoßrichtung des one man — one vote sein sollte (siehe Nr. 25 - 31). 25. Auch die grundsätzliche Festlegung i n Avery bringt Abgrenzungsschwierigkeiten m i t sich: einmal gegenüber Gremien m i t besonderen Aufgaben, die alle Bürger betreffen, zum anderen gegenüber Verwaltungsgremien, deren Befugnisse nur einen Teil der Bürger betreffen, zum dritten gegenüber Verwaltungsgremien, deren Tätigkeit nur äußerst geringe Auswirkungen auf das Leben der Bürger hat, und schließlich gegenüber freiwilligen Zusammenschlüssen mehrerer K o m munen zu größeren Einheiten m i t allgemein zuständigen Verwaltungsgremien 2 4 . 26. Angesichts der Fülle der Probleme und der Menge der potentiell betroffenen Verwaltungseinheiten nimmt es nicht wunder, daß sich der Supreme Court auf den Ausgangspunkt seiner reapportionment Rechtsprechung — das Wahlrecht des einzelnen — besann, als er merkte, daß m i t der Formel der „general governmental powers" die Fragen nicht eindeutig zu beantworten waren. Die Gerichte wären überlastet, müßten sie allein die Leitungsorgane jeder Schule und Hochschule daraufh i n untersuchen, ob diese jeweils „wichtige, staatliche Verwaltungsaufgaben mit erheblichen Auswirkungen i m gesamten Distrikt" zu erfüllen haben. So nahm der Supreme Court den bereits von einigen Untergerichten gesponnenen Faden auf und erklärte das Merkmal der allgemeinen Wahl zum entscheidenden Ansatzpunkt für jedwede Anwen22 28 24
Siehe oben, T e i l I I B., T e x t zu A n m . 24, 44. Siehe oben, T e i l I I B., Text zu A n m . 76 ff., 89. Vgl. oben, T e i l I I B. 2. u n d B. 3. c).
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T e i l I V : Erkenntnisse u n d Hypothesen
dung des one man — one vote Prinzips: Nicht auf den Zweck einer Wahl des zu wählenden Gremiums kommt es an, sondern die Tatsache der Durchführung einer allgemeinen Wahl überhaupt zwingt dazu, jeden Wähler gleich zu behandeln, also sicherzustellen, daß „equal numbers of voters can vote for proportionately equal numbers of officials" (Hadley ν . Junior College District , 1970)25. 27. M i t der Anwendung des one man — one vote auf alle allgemeinen Wahlen ist das Gericht nun aber i n Konflikt m i t seinem ausdrücklichen Wunsch geraten, Flexibilität und Innovation bei der Verwaltungsorganisation auf lokaler Ebene nicht zu beschneiden. Der Zusammenschluß ungleich großer und disproportional finanzkräftiger Kommunen zu einer Großgemeinde w i r d sich i n Zukunft schwieriger gestalten. Auch die Vorformen solcher Neubildungen, die Councils of Governments, i n denen i n der Regel jede Gemeinde, unabhängig von ihrer Größe, m i t einer Stimme vertreten ist, geraten i n den Bereich des one man — one vote je bindender die gemeinsamen Beschlüsse für die Beteiligten sind und je stärker die gemeinsamen Entscheidungen sich i m Leben der Bürger auswirken 2 6 . Als Ausweg bietet sich die „federal analogy" an: Wenn Gemeinden sich freiwillig zusammenschließen, sollten sie auch die durch allgemeine Wahlen erfolgende Besetzung ihrer Leitungsorgane frei aushandeln dürfen. Jedenfalls ließe sich dies i m Interesse der auch von der Bundesregierung geförderten Verwaltungsreform für eine längere Übergangszeit vertreten. Sonst bleiben den kooperierenden Gemeinden nur die auch bisher bestehenden Möglichkeiten, durch Zwangsmaßnahmen politischer wie rechtlicher A r t Einstimmigkeit oder Duldung von Majorisierung i n Einzelfragen zu erreichen. Entscheidend für die rechtliche Zulässigkeit solcher Maßnahmen ist die inhaltliche Ausfüllung des Prinzips der Freiwilligkeit 2 7 . 28. M i t der Entscheidung i n Hadley v. Junior College District (1970) war der Höhepunkt des Gleichheitsaktivismus des Warren Court i m Bereich der Wahlen erreicht. Eine Mehrheit der obersten Bundesrichter hatte innerhalb von sechs Jahren mittels der Bundesverfassung die Maxime des one man — one vote und damit das Erfordernis der gleichen Größe der Wahlkreise zu einem allgemeinen Prinzip des Wahlrechts i n allen Einzelstaaten erhoben. Ausgenommen von diesem Prinzip sollten i m Kommunalbereich nur die Fälle sein, i n denen Amtsträger gewählt wurden, deren Aufgaben von der normalen Staatstätigkeit soweit entfernt sind und so unverhältnismäßig stark ganz bestimmte Gruppen betreffen, daß allgemeine Wahlen nicht erforderlich sind 2 8 . 25 26 27 28
Siehe oben, T e i l I I B., Text zu A n m . 106 ff. Vgl. oben, T e i l I I B., T e x t zu Anm. 114 - 124. Vgl. insgesamt dazu oben, T e i l I I B., Text zu A n m . 124 - 127. Siehe oben, T e i l I I B., Text zu A n m . 110.
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Unter diesen Voraussetzungen können Einschränkungen des Wahlrechts nur noch bei der Wahlberechtigung wirksam werden (allgemeine Wohnsitzanforderungen und Registrierungsvorschriften einerseits, besondere Betroffenheit bestimmter Wähler von der Arbeit der Verwaltungseinheit andererseits 29 ), während i m übrigen die nähere Bestimmung des Begriffs der Wahl die Grenze des one man — one vote Prinzips markiert. 29. Auswahlverfahren, die „basically appointive" sind, unterliegen nach Auffassung des Supreme Court (Sailors ν. Board of Education, 1968) i m Ergebnis nicht den für Wahlen entwickelten apportionment Regeln. Bei den Vorbereitungen zur allgemeinen Wahl durch die Parteien (interne Kandidatenauswahl, Zulassung zur Wahl) haben die Gerichte dann zwar parallel zu den Diskriminierungsverboten i n den white primary Fällen die Anwendung des Gleichheitssatzes nicht abgelehnt, trotz weitgehender reapportionment Rhetorik die Rechtsfragen aber nur am traditionellen Willkürverbot beurteilt. Dasselbe gilt für den Fall der i n der Legislative erfolgten Stichwahl eines Governor, der i n der allgemeinen Wahl landesweit nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit erhielt. Die strengen Anforderungen der absoluten Gleichheit des one man — one vote blieben also für die Wahlen aus vergleichbaren Wahlkreisen reserviert 30 . N u r bei Richterwahlen 3 1 haben die Gerichte bisher nicht die Konsequenzen gezogen. Hier herrscht die Tendenz vor, wegen der judiziellen Funktion des Amts die Wahl des Richters durch die Bevölkerung auch aus unterschiedlich großen Wahldistrikten (Gerichtsbezirken) nur am Willkürverbot zu messen — obwohl nach Hadley die Funktion eines Amtsträgers für die Anwendung des one man — one vote unerheblich sein soll. 30. Das richterliche Drängen nach absoluter Gleichheit der Wähler i m Verhältnis zueinander, das zum Erfordernis gleich großer Wahlkreise führte, veränderte auch die traditionellen Standards der Anwendung der equal protection clause i m Grenzbereich des one man — one vote Prinzips: Bei der Festlegung der allgemeinen Wahlberechtigung verlangte die Mehrheit der Supreme Court Justices nun mehr als nur w i l l kürfreie Regelungen. Einschränkungen der Wahlberechtigung sollte ein Einzelstaat nur noch mit zwingenden staatlichen Erfordernissen (compelling state interests) 32 rechtfertigen können. „Reasonableness" erhielt dadurch für diesen Bereich einen besonderen Inhalt und führte dazu, daß nicht etwa nur eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung zu fällen war, sondern m i t der Bestimmung des jeweiligen „zwingenden" 29 30 31 32
Siehe oben, T e i l I I C. 2. u n d 3. Vgl. oben, T e ü I I C. 1. a) - c). Siehe oben, T e i l I I C. 1. d). Vgl. oben, T e i l I I C. 2.
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Erfordernisses auch unter der equal protection clause richterliche Wertungen den legislativen i n jedem Einzelfall übergeordnet wurden. Dam i t war i m Bereich des Wahlrechts die traditionelle richterliche Selbstbeschränkung unter dem Gleichheitssatz aufgegeben. Doch die Mehrheit unter Chief Justice Warren rechtfertigte dies m i t dem Hinweis, daß der Staat bei Wahlen i n solche „fundamental rights" der Bürger eingreife, die den Lebensnerv des Verfassungssystems bilden, und die Eingriffe deshalb der besonders sorgfältigen richterlichen Überprüfung bedürften, u m sicherzustellen, daß die Einschränkung solch fundamentaler Grundrechte durch den Staat auf das absolute M i n i m u m beschränkt bleibt. 31. Ähnlich begründete der Warren Court seine grundsätzliche Ablehnung von gesetzlichen Einschränkungen der Teilnahmeberechtigung an Wahlen zu Gremien m i t besonderen Aufgaben und an verschiedenen Abstimmungen i m kommunalen Bereich. Für Einschränkungen des Stimmrechts etwa bei school board Wahlen und bei Abstimmungen über Kreditaufnahmen der Gemeinde verlangte die Mehrheit i m Sinne des neuen Verständnisses der equal protection clause ebenfalls „zwingende" Rechtfertigungen durch den Staat 8 3 . 32. Bedenkt man die allgemeinpolitischen Strömungen der 1960er Jahre unter den Präsidenten Kennedy und Johnson und die konkreten Schritte der Administrationen zur politischen Aktivierung gerade der bisher i m politischen Prozeß Benachteiligten (ζ. B. durch den Voting Rights Act von 1965), so erscheint die Überprüfung der gesetzgeberischen Akte i m Bereich der Wahlen i n dieser Zeit als folgerichtig unter der Hypothese, daß die Richter sich i n ihrer Rechtsprechung stets dem allgemeinen politischen Trend mit nur leichter Verzögerung anpassen, wobei dieser Trend sich i n den Präsidentschaftswahlverfahren — als einzige, die Gesamtbürgerschaft mobilisierende Wahlen — manifestiert 34 . 33. Die starke Betonung des individuellen Rechts auf gleiche Wahl mit seinen erheblichen Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers i n Fragen des Wahlrechts mußte die Gerichte notwendig i n Konflikt mit den Legislativen führen. Das eigentlich Revolutionäre der nordamerikanischen reapportionment Rechtsprechung ist deshalb das Durchsetzen der richterlichen Entscheidungen gegenüber den verfassungstheoretisch als gleichgeordnet verstandenen Gewalten, zumeist der Legislative. Denn reapportionment erfordert untypischerweise po33
Vgl. oben, T e i l I I C. 3. Die seit langem bekannte Erkenntnis, daß sich der Supreme Court stets über kurz oder lang der politischen Mehrheitsmeinung anpaßt (vgl. etwa dazu McCloskey, The American Supreme Court, 1960), w i r d hier wegen der qualifizierenden Zusätze als Hypothese bezeichnet. 34
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sitives Handeln des Gesetzgebers nach den Anweisungen der Richter, und zwar nicht irgendwann einmal, sondern sofort. 34. Richterliche Zurückhaltung ist grundsätzlich auch i m Verfahren der Schaffung einer verfasssungsgemäßen Wahlkreiseinteilung angezeigt, weil a) so einer Institution die Vorhand gegeben wird, deren Aufgabe gerade das „Gesetzemachen" ist, weil b) das herkömmliche Instrumentarium der Gerichte weniger dafür geeignet erscheint und weil c) das Ergebnis der reapportionment Bemühungen der Legislative wiederum der richterlichen Kontrolle unterliegt. Doch richterliche Zurückhaltung ist rechtlich-dogmatisch nicht erforderlich, wenn — wie bisher stets — die verfassungswidrige Zusammensetzung des die neue Wahlkreiseinteilung beschließenden Gremiums feststeht. Rechtlich legitimiert zur Festlegung des Verfahrens zur Bildung einer verfassungsgemäßen neuen Volksvertretung (Wahl) sind dann allein die Gerichte, denen aus der Illegitimität der legislativen Kammern insoweit eine Notkompetenz zuwächst 85 . Das Problem der Richter bleibt aber stets die A r t und Weise der Durchführung des reapportionment Auftrags. 35. Da der Supreme Court sich bis heute ausdrücklich zurückhält, tragen die Bürde der Durchsetzung der vom höchsten Bundesgericht gesetzten Rechtsgrundsätze von Beginn an vor allem die Richter der federal district courts, da sich diese mit den einzelstaatlichen Legislativen auseinandersetzen müssen. Ganz i m Stile des stets beschworenen „proper judicial restraint" haben die Richter nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines apportionment Gesetzes zunächst regelmäßig der Legislative Gelegenheit gegeben, durch einen neuen apportionment Plan verfassungstreue Zustände wiederherzustellen. Da die Abgeordneten sich aber kaum jemals auf ein reapportionment innerhalb angemessener Frist einigen konnten, mußten die Richter zu Druckmaßnahmen greifen, die zum Teil ganz erheblich i n die internen Arbeitsabläufe der gesetzgeberischen Kammern eingriffen. Dabei war das Ziel sämtlicher Maßnahmen gleich: den Prozeß der Erstellung eines apportionment Plans durch die Legislative selbst i n Gang zu setzen oder voranzutreiben. Menge und Intensität des Einsatzes der verschiedenen richterlichen Zwangsmittel 8 6 variierten jedoch sehr stark entsprechend der Perzeption der jeweiligen Richter von ihrer neuen Rolle und ihrem Einfühlungsvermögen i n die politischen Machtverhältnisse i n dem betroffenen Gemeinwesen. Bei der Umsetzung ihrer apportionment Entscheidungen agieren die Richter eben als echte Partner der traditionellen politischen Organe, der Legislative, des Governors, aber auch der Parteien, ja einzelner Parteiführer 3 7 . 35 E i n Begründungsansatz ergibt sich aus dem Zusammenhang der Ausführungen i n T e i l I V D. 36 Siehe i m einzelnen etwa die Auflistung oben, T e i l I I I A . 37 Siehe die Beispiele oben, T e i l I I I Α., T e x t zu A n m . 26 ff.
16 K ö p p
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36. Normativ läßt sich zwar festlegen, daß die Richter zunächst weniger einschneidende Maßnahmen androhen oder anordnen müssen, u m erst bei Nichtbefolgung zu schärferen M i t t e l n zu greifen. Doch das würde vom Richter nicht nur die Einschätzung verlangen, ob die Politiker seiner Anordnung folgen werden — dies bleibt stets sein Problem —, sondern es verlangte vom Richter darüber hinaus, daß er das Nichtbefolgen seiner Anordnungen von vornherein hinnehmen müßte m i t der möglichen Folge, daß die Betroffenen sich an das Ignorieren seiner Anordnungen gewöhnen und sein Durchsetzungsvermögen dadurch noch weiter vermindert wird. Was bleibt ist der Ruf nach verhältnismäßigem Vorgehen 38 . Doch diese Forderung setzt gerade die genaue Analyse der politischen Widerstände voraus — eine Aufgabe, auf die die Richter von Ausbildung und Berufserfahrung her nicht vorbereitet sind. Die Diskussion unter den Juristen über die vom politischen Kontext abgehobene Vernünftigkeit und rechtliche Haltbarkeit einzelner Zwangsmaßnahmen ist daher völlig realitätsfern 3 9 . 37. Politikwissenschaftliche Untersuchungen einzelstaatlicher reapportionment Verfahren, die auf die Rolle der Richter eingehen, sind äußerst selten. Immerhin kann man unter Berücksichtigung des umfangreichen gerichtlichen Materials der Einzelstaaten schließen, daß Richter mit gerichtspolitischem Gespür (bei realistischer, gesellschaftspolitischer Beratung) und starkem Engagement ihre Ziele durchaus erfolgreich durchsetzen könnten. Der notwendig längerfristige Lernprozeß scheint aber noch keineswegs abgeschlossen zu sein. Bisherige Studien zeigen, daß zwar das Eingreifen der Gerichte i n den meisten Fällen die conditio sine qua non für eine alle Interessengruppen umfassende reapportionment Diskussion m i t dem Ziel des one man — one vote war. Sie weisen aber stets auch die Wirkungslosigkeit politisch nicht kalkulierter richterlicher Maßnahmen aus 40 . I m Spannungsverhältnis von richterlicher Zurückhaltung (gegenüber den „politischen" Gewalten) und richterlichem Auftrag (zur Durchsetzung des als Grundrecht „erkannten" one man — one vote) verhalten sich Richter deshalb zwangsläufig politisch. 38. I m Kommunalbereich sind die richterlichen Anordnungen an die Selbstverwaltungsgremien i n aller Regel detaillierter als gegenüber der einzelstaatlichen Legislative. Sie gehen oft sogar bis i n zeitliche und förmliche Einzelheiten der Durchführung einzelner Sitzungen 41 . Die A u f gabe der hier vor allem tätig werdenden einzelstaatlichen Gerichte 38
Siehe die Anklänge daran i n Ely v. K l a h r (1971), oben, T e i l I I I Α., Text zu A n m . 32. 39 Vgl. oben, T e i l I I I Α., Text zu A n m . 25 - 28. 40 Vgl. beispielsweise oben, T e i l I I I Α., Text zu A n m . 28 - 32. 41 Vgl. oben, T e i l I I I Α., T e x t zu A n m . 33.
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w i r d sicherlich erleichtert durch die Möglichkeit der Berufung auf die Rechtsprechung der Bundesgerichte. Entscheidend scheint m i r aber die Autorität der Richter zu sein, die nicht nur als Sachverständige des Rechts gelten, sondern auch das Ansehen ihres Amtes, i n das sie zum Teil von der Gesamtbevölkerung des Staates gewählt wurden, i n die Waagschale werfen können. 39. Auch die „normalen" politischen Akteure mußten erst lernen, das politische Gewicht der Richter richtig einzuschätzen. Das scheint m i r jedenfalls der Grund dafür zu sein, daß i n den ersten Jahren des richterlich angeordneten reapportionment die Gerichte weit häufiger als später eigene apportionment Pläne i n K r a f t setzten, die sie aus den Vorschlägen der am Prozeß Beteiligten ausgewählt oder bei Experten i n Auftrag gegeben oder selbst durch Kombination von Planelementen oder eigenhändiges Abändern zurechtgeschneidert hatten 4 2 . Dieses Verfahren war i n seinen parteipolitischen Auswirkungen zwar weniger katastrophal als die Anordnung von Wahlen at-large, aber es bedeutete doch immer Gesetzgebung durch Gerichte und umfaßte i m K o m munalbereich nicht selten auch noch die begleitende Kontrolle der administrativen Durchführung der einzelnen Wahlen. 40. Für die Feststellung der Ungleichheit bestehender wie zur Schaffung verfassungsmäßiger neuer Wahlkreise spielt es eine große Rolle, welche Zahlen verglichen werden müssen. Wegen der kleinen Stimmbezirke ist die Lösung dieses Problems i n den Kommunen oft von wahlentscheidender Bedeutung. Dennoch steht eine eindeutige höchstrichterliche Entscheidung noch aus. K l a r ist nur, daß nicht auf das Ausmaß der politischen A k t i v i t ä t (registered/actual voters) abgestellt werden darf, sondern die (gesamte oder wahlberechtigte) Bevölkerung Berechnungsgrundlage zu sein hat 4 3 . Für eine Nichtberücksichtigung bestimmter Gruppen (Militärpersonen, Insassen von Heilanstalten, Krankenhäusern, Strafanstalten, usw.) verlangte die Mehrheit des Warren Court entsprechend ihrer Auffassung von der fundamentalen Bedeutung des Wahlrechts ein zwingendes staatliches Interesse (vgl. Nr. 30). Gleichfalls ungelöst ist das Problem der Bevölkerungsverschiebung zwischen dem nur alle zehn Jahre stattfindenden Zensus und den zwischenzeitlichen Wahlen. Der Supreme Court verlangt für eine Berücksichtigung von Verschiebungen genaues und vollständiges Zahlenmaterial, das ohne erheblichen finanziellen Aufwand allerdings kaum zu beschaffen ist. I m Kommunalbereich ist i n einem Einzelfall angeordnet worden, anläßlich der periodischen Werbung für die Eintragung ins Wählerverzeichnis zugleich die Gesamtzahl der Bevölkerung 42 43
16·
Vgl. oben, T e i l I I I Α., T e x t zu A n m . 13 - 18. Siehe oben, T e ü I I I Β . 1.
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festzustellen 44 . Dieses oder ähnliche Verfahren erscheinen praktikabel und stellen zugleich nachprüfbare Zahlen sicher, wie sie durch Trendberechnungen per Computer nicht erreicht werden können. 41. Probleme der Repräsentation von Interessen oder Gruppen mögen bei der reapportionment Rechtsprechung des Warren Court unter dem Slogan des one man — one vote mitgedacht worden sein. Sie sind aber nie zur Grundlage einer Entscheidung gemacht worden. Für die Mehrheit des Warren Court stand der einzelne Wähler i n seinem Verhältnis zum anderen Einzelwähler allein i m Mittelpunkt. Deshalb ging es immer nur u m formal gleiche Wirksamkeit der Stimmen i m Wahlverfahren. Der Gedanke des Minderheitenschutzes als Gruppenschutz hat den Warren Court nicht zu besonderer A k t i v i t ä t anreizen können. Allerdings hat er i h n auch nie etwa als illegitimes Anliegen des Gesetzgebers abgelehnt: Weil die Abgeordneten eines Kommunalparlaments at-large und daher m i t formal gleichem Stimmrecht gewählt wurden, legitimierte der Supreme Court Wohnsitzverpflichtungen für einen Teil dieser Abgeordneten, obwohl die maßgebenden Wohnbezirke ungleich groß waren. Entsprechend verhielten sich die Bundesuntergerichte trotz inhaltlich begründeten Nachweises der damit ermöglichten „Verfälschung des Wählerwillens" der Bevölkerung aus den verschiedenen Wohnsitzbezirken 45 . Auch andere, gesetzlich geregelte A r t e n des Minoritätenschutzes erklärten die Gerichte nicht für verfassungswidrig, beispielsweise die Festsetzung von Höchstzahlen an Mandaten für die stärkste Partei oder die Beschränkung von Kandidaten für jede Partei auf weniger als die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze 46 . 42. Z u den inhaltlichen Problemen der Schaffung verfassungsgemäßer Wahlkreiseinteilungen gehörte von Anfang an die Frage, ob Mehrmannwahlkreise (multi-member districts) und überlappende Wahlkreise (floterial districts) gebildet werden dürfen, obwohl durch solche Großwahlkreise eine Repräsentation von Minderheiten i n aller Regel verhindert wird. Wenn auch der Supreme Court 1971 ein Untergericht anwies, bei eigenem apportionment nur Einerwahlkreise zu bilden, so hält er doch, auch angesichts erheblicher, mathematisch untermauerter Einwände aus der Wissenschaft, an seinem Standpunkt fest, daß Großwahlkreise grundsätzlich zulässig sind, solange Abgeordnetenzahl und Gesamteinwohnerzahl proportional dem Abgeordneten und der Einwohnerzahl des idealen Einerwahlkreises bleibt (Whitcomb v. Chavis, 1971; Fortson ν . Dorsey, 1965). 44 45
52 f. 46
Siehe oben, T e i l I I I B., T e x t zu A n m . 16. Siehe oben, T e i l I I B., Text zu A n m . 69 ff., u n d T e i l I I I B., Text zu Anm. Siehe oben, T e i l I I I B., T e x t zu A n m . 54 - 57.
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Mathematische Berechnungen des ungleichen Stimmgewichts i n Großwahlkreisen bei bestimmtem Wählerverhalten konnten den Supreme Court bisher auch nicht dazu bewegen, das Verbot des single shot voting — jeder Wähler muß so viele Stimmen abgeben wie Abgeordnete zu wählen sind — für verfassungswidrig zu erklären. Ganz i m Sinne des traditionellen Willkürverbots sind für den Supreme Court Großwahlkreise nur dann verfassungswidrig, wenn sie m i t dem Ziel rassischer oder politischer Diskriminierung gebildet worden sind 4 7 . 43. Das schwierigste Problem für die Gerichte i m reapportionment Prozeß ist die Überprüfung, mehr noch die richterliche Anordnung einer bestimmten Wahlkreisgrenzziehung. Fragen der sog. Wahlkreisgeometrie (gerrymandering) behandeln die Gerichte, wohl wegen der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Bürgerkriegsamendments, unterschiedlich nach den rassischen und den politischen Aspekten. Der V o r w u r f rassisch motivierter Wahlkreisgrenzziehung durch die politischen Instanzen w i r d zwar anhand des Willkürverbots i m Sinne des invidious discrimination auf seine Stichhaltigkeit h i n untersucht. Die Klagen scheiterten bisher aber fast immer an der schwierigen Beweislage 48 . Der V o r w u r f der parteipolitisch inspirierten Grenzmanipulation durch den Gesetzgeber ist dagegen lange Zeit durch gerichtspolitisches Entscheidungsverhalten des Supreme Court richterlicher Beurteilung überhaupt ferngehalten worden, so daß der Eindruck entstehen konnte, solche Fragen seien gar nicht justiziabel 4 9 . Erst 1971 ließ sich einem Urteil entnehmen, daß der Supreme Court nun gewillt ist, sich der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des parteipolitischen gerrymander anzunehmen (Ely υ. Klahr). Mangels konkreter Leitlinien des Supreme Court haben die federal district courts ihre eigene Wahlkreisgrenzziehung fast autonom handhaben können. Dabei haben sie die Grenzziehung nach dem Prinzip besonderer Repräsentation für Minoritäten bewußt vermieden und sich allein auf jene Konstruktion von Wahlkreisen mit den geringst möglichen Abweichungen von der idealen Wahlkreisgröße konzentriert, bei der sie die bestehenden Grenzen einzelstaatlicher Untergliederungen beibehalten konnten, auch wenn sie dazu ganz kleine lokale Stimmbezirke benutzen mußten. 44. Die richterliche Überprüfung des gerrymander ist i n erster Linie ein Problem der Tatsachenfeststellung durch Gerichte, das sich als schwierig und dementsprechend langwierig herausgestellt hat. Deshalb 47
Siehe insgesamt dazu oben, T e i l I I I B. 2.; zur Ausnahme siehe T e i l I I I B. 3., T e x t zu A n m . 50. 48 Vgl. oben, T e i l I I I C., T e x t zu A n m . 5 ff., besonders die Beispiele i n Anm. 9. oben, Te I I I ., Text zu A n m . ff.
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sei die Hypothese gewagt: Wegen der zu erwartenden erheblichen A r beitsbelastung, wie sie schon die reapportionment Rechtsprechung den Gerichten nach 1962 gebracht hat, scheute sich der Supreme Court, einzelnen Untergerichten nachzugeben und den Nachweis rassischer, geschweige denn politischer Diskriminierung bei der Wahlkreisgrenzziehung (etwa durch prima facie Beweise) und bei der Einführung von Großwahlkreisen zu erleichtern. Die möglichen sachlichen Schwierigkeiten (Erlangung und Interpretation von Statistiken über die Stimmenverteilung und das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten, die Problematik von Schlußfolgerungen daraus auf bestimmte Absichten hin) lassen sich ausräumen. Wie die Erfahrung i m Kernbereich des reapportionment lehrt, führt richterliches Verlangen nach exakten Zahlen und Berechnungsmethoden gerade zur Verbesserung des dazu erforderlichen Instrumentariums durch die beauftragten Wissenschaften. Solange der Supreme Court aber bei seiner bisherigen Haltung bleibt, werden weiterhin nur jene Richter sich nicht scheuen, rassische Diskriminierungen festzustellen, die die direkte Anschauung der Benachteiligungen zu persönlichem Einsatz und zur verstärkten Verwendung „gerichtsbekannter Tatsachen" bewegt 5 0 . 45. Zwischen 1970 und 1972 erfolgten erhebliche Änderungen i n der Besetzung des Supreme Court, deren Folgen sich sehr bald zeigen sollten und die auch die Hypothese i n Nr. 32 zu stützen geeignet sind. Von der bisherigen Mehrheit i n vielen apportionment Fragen verließen Chief Justice Earl Warren und die Justices Fortas und Black das Gericht, andererseits auch der konsequente K r i t i k e r jeglichen Eingreifens i n Wahlangelegenheiten jenseits von Rassendiskriminierung, Justice Harlan. So konnte der die „schweigende Mehrheit" der Bevölkerung beschwörende republikanische Präsident Nixon vier, nach seiner Vorstellung als „strict constructionists" zu bezeichnende Männer ernennen: Warren Burger als neuen Chief Justice, als neue Associate Justices Blackmun, Powell und Rehnquist. 46. Schon i n der Übergangszeit der Jahre 1971/72 zeigten sich erste, teilweise schon entscheidende Modifikationen der reapportionment Rechtsprechung des bisherigen Warren Court: a) N u r die Justices Brennan und Douglas schlossen sich nicht der A u f fassung der neuen Mehrheit an, daß auf der kommunalen Ebene A b weichungen von der strikten Wahlkreisgleichheit generell zulässig sind, wenn sie auf besonderen lokalen Umständen und Notwendigkeiten beruhen (Abate ν . Mündt , 1971)51. Die Uminterpretation der bisherigen Rechtsprechung liegt dabei i n der Mehrheitsargumentation, i n dem mit 50 Vgl. etwa die Beispiele i m Text (Teil I I I C.) zu den A n m . 12, 13 u n d i n T e i l I I I D. zu den A n m . 39, 40. 51 Siehe oben, T e i l I I I D., Text zu A n m . 4 ff.
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sehr großen Ungleichheiten behafteten apportionment System (deren Wahlkreise auch nicht einmal gleicher zu machen versucht worden war!) sei kein Vorurteil gegen bestimmte politische Interessen oder geographische Gebiete zu erkennen. Damit ist allgemein für den Kommunalbereich die ursprüngliche Basis des one man — one vote, die formale Gleichheit der Stimmbürger, bereits verlassen, b) Der Supreme Court zog die 1966 i n Ansätzen erkennbare Erleichterung des Nachweises von staatlicher Rassendiskriminierung durch mangelnde Repräsentationsmöglichkeiten infolge der Wahlkreiskonstruktion (invidious effect) wieder zurück, indem er vom Kläger den genauen Nachweis diskriminierender Absicht der staatlichen Organe verlangte (Whitcomb v. Chavis , 1971)52. Aus dem Problemkreis der Repräsentation von Minderheiten oder besonderen Interessen hält sich der Supreme Court also weiterhin insoweit heraus, als es u m die verschiedenen Wahlkreisarten geht. Zugleich schränkt er aber das potentiell sehr weitreichende, verfassungstheoretische Argument der „fundamentalen Bedeutung der Wahl i n der Demokratie" auf die bisherigen Anwendungen i m Bereich der Wahlberechtigung (vgl. Nr. 30) ein und läßt es nicht einmal i n Verbindung m i t dem Rassendiskriminierungsvorwurf zu Beweisführungserleichterungen kommen. 47. Die grundsätzliche Neuorientierung des Supreme Court i n reapportionment Fragen, die sich — gemessen an den Ergebnissen — nur als leichte Abänderung, als Einschränkung oder auch nur Verweigerung der Ausweitung der bisherigen Rechtsprechung darstellt, erfolgte 1973, bezeichnenderweise gegen die Stimmen der Justices aus der Mehrheit i n der Warren Court Ära, Brennan und Douglas, sowie des neuen, farbigen Justice Marshall. Als rechtstechnisches Instrument dient der neuen Mehrheit die Interpretation der Präjudizien i n Verbindung m i t der selektiven Beschränkung dieser auf den Einzelfall. Als Rechtfertigung glaubt sie das praktische Argument heranziehen zu dürfen, die Anwendung des one man — one vote Prinzips als absolutes Gleichheitsgebot „könnte" das normale Funktionieren von einzelstaatlichem und lokalem government beeinträchtigen. Hier erfährt die These erneut ihre Bekräftigung, daß die Norminterpretation, wenigstens i m Verfassungsrecht, letztlich von allgemein-politischen Vorstellungen und Wünschen der Interpreten bestimmt wird. Ausdruck dessen ist die Wahl des Interpretationsmittels, die sich oft auch hinter der Fassade wissenschaftlicher Interpretationsmethoden verbirgt. 48. I m Kernbereich des reapportionment „entdeckte" die neue Mehrheit zwei unterschiedliche Entscheidungsstafetten des Supreme Court: die des congressional districting, die absolute Wahlkreisgleichheit ver52
Siehe oben, T e i l I I I B., Text zu A n m . 32 ff.
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lange, und des state legislative districting, die mehr Flexibilität erlaube. I n Reynolds v. Sims (1964) sei letzteres anerkannt worden, als Chief Justice Warren von „legitimate considerations", die der V e r w i r k lichung einer „rational state policy" dienten, gesprochen habe. Dennoch gelte auch für das einzelstaatliche reapportionment, daß einer „rational state policy" verfassungsrechtlich nicht „erlaubt" werden könne, das Ziel der „substantial equality" abzuschwächen. Diese, für eine Mehrheit, die als „strict constructionist" nur stringente, aus dem Verfassungstext entwickelte Maßstäbe der Verfassungsinterpretation verwenden sollte, an sich schon ganz erstaunliche Aussage beinhaltet eine klare Kursänderung des Supreme Court, die am Entscheidungsinhalt sichtbar w i r d : Jetzt soll die Repräsentation von Gliedkörperschaften als Rechtfertigung für ungleich große Wahlkreise zulässig sein, w e i l i n der Legislative auch über lokale Angelegenheiten zu beschließen sei (vgl. demgegenüber Nr. 15). Damit ist die Grundlage der Warren Court Rechtsprechung, daß i n Wahl verfahren jeder Einwohner jedem anderen, unabhängig von seinem Wohnort, formal gleichgestellt ist, aufgegeben. Zugleich fällt die den Kläger begünstigende Beweislastumkehr. Statt dessen wendet der Burger Court beim state legislative apportionment jene neue A r t rationality test unter dem Gleichheitssatz an, der über die Verwerfung anhand des traditionellen Willkürverbots hinaus es den Gerichten überantwortet, das zulässige Maß der Verletzung des absoluten Gleichheitsverbots unter derselben alten Formel von „rationality" positiv zu bestimmen. 49. Der Standpunkt des Burger Court macht es erforderlich, „erträgliche Grenzen" der Ungleichheit richterlich festzulegen, die der anerkannten „substantial equality" i n einzelstaatlichen Wahlen inhaltliche Qualität zu verleihen geeignet sind. Mangels anderer Maßstäbe muß das durch die Hinnahme bestimmter Prozentzahlen geschehen. Nur wenn diese prima facie „diskriminierend" sind — das soll bei Unterschieden von 9,9 °/o noch nicht der Fall sein —, verlangt das Gericht eine Rechtfertigung des Einzelstaats. Werden Rechtfertigungsgründe für Abweichungen von der Wahlkreisgleichheit richterlich anerkannt, erfordert das Ziel der substantiellen Gleichheit dennoch eine Festlegung des Substantiellen: die noch „erträgliche Grenze" von Ungleichheiten unter dem Gleichheitssatz. Diese Grenze soll bei 16,4% noch nicht überschritten worden sein (Mahan v. Howell, 1973). 50. Die Entwicklung der reapportionment Rechtsprechung unter Chief Justice Burger, die i m Vergleich zu den anderen Gebieten der Rechtsprechung zur equal protection clause 53 nicht nur eine Modifizierung, sondern eine grundsätzliche Änderung der Rechtsprechung bedeutet, beruht auf dem Wechsel der Betrachtungsweise: von der Verletzung 63
Siehe dazu Gunther, 86 H a r v L Rev 1 (1972), 11 - 18.
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des subjektiven Rechts des einzelnen auf „gleiche Wahl" (Grundrecht) zur objektiven Ordnung des politischen Prozesses i m Gemeinwesen m i t dem Ziel der „gleichen Repräsentation". Die ursprüngliche reapportionment Rechtsprechung beruhte auf dem „inalienable right to f u l l and effective participation" bei der Wahl, dem anerkanntermaßen das Ziel einer „fair and effective representation" vorschwebte 54 . Die neue reapportionment Rechtsprechung hat die Grundrechtsorientierung m i t den ihr innewohnenden Beschränkungen aufgegeben und das aus dem Gleichheitsgebot allein nicht mehr begründbare Ziel der „fair and effective representation" zur Rechtfertigung eines neuen politischen Dialogs der Richter m i t den anderen politischen Entscheidungsträgern gemacht. Damit aber w i r d die Frage der „richtigen" Wahlkreisgrenzziehung oder, negativ gewendet, des politischen gerrymander zum ersten Mal für den Richter zu einer „Rechtsfrage" (zuerst Gaffney v. Cummings, 1973). B. Zu den Folgen der reapportionment Rechtsprechung Klaus Hopt hat den „Auswirkungen der Entscheidungen des Supreme Court i n Baker v. Carr auf das politische System der USA" eine Schrift 1 gewidmet, i n der er insbesondere die i m Jahre 1965 bekannten politischen Folgen der beginnenden reapportionment Rechtsprechung für das parteipolitische Kräfteverhältnis und den politischen Prozeß in den USA zusammengetragen hat. Diese Folgen 2 waren i n jener Zeit des Umbruchs kaum erkennbar. Hopts Aussagen sind deshalb zumeist hypothetisch, ja zum Teil geradezu spekulativ 3 . Ob seither durch eingehende Fallstudien genauere Daten gewonnen worden sind, kann nur m i t einer weiteren Untersuchung geklärt werden. Noch 1968 jedenfalls erklärte A r t h u r S. Miller von der Georg Washington University, „ i m pact analysis" sei noch immer terra incognita 4 . Auch das vorliegende gerichtliche Fallmaterial läßt starke Zweifel daran aufkommen, daß bereits ein politikwissenschaftliches Instrumentarium entwickelt worden ist, m i t dem die — dann auch gerichtlich verwertbaren — Fakten zu erfassen sind. So haben etwa die Gerichte bisher i n keinem Fall aufgrund der eingebrachten Tatsachen eine Diskriminierung identifi64
Vgl. oben, T e i l I I I B., T e x t zu A n m . 46. Klaus Hopt, Diss. phil. (Tübingen) gleichen Titels, veröffentlicht als: Die D r i t t e Gewalt als politischer Faktor, Eine Fallstudie zur Reform der W a h l kreiseinteilung i n den USA, 1969. 2 Soweit Hopt rechtliche A u s w i r k u n g e n voraussah, ist die oben dargestellte Entwicklung darüber hinweggeschritten. 8 Vgl. Hopt, Auswirkungen, z.B. S. 116, 117 A n m . 1, 142, 149, 154- 159, 164 u n d passim. 4 M i l l e r , A r t h u r S., 1968 Supr Ct Rev 199, at 203, f ü r das reapportionment: at 218. 1
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zierbarer Gruppen feststellen können, obwohl sie gerade i n den Prozessen zu den multi-member districts und zu den verschiedenen Arten des gerrymandering die Kläger mehrfach zur Dokumentation vorgetragener politischer Benachteiligungen infolge von Wahlkreisänderungen aufgefordert haben. A l l e i n i n der Frage des parteipolitischen Wählerverhaltens sind mit den vorhandenen Wahlergebnissen verläßliche Daten vorhanden. Es hat sich ζ. B. als politische Folge einer die streng formale Wahlkreisgleichheit erzwingenden Rechtsprechung i m Staat New York erwiesen, daß die Republikaner, nachdem sie Ende der 1960er Jahre einen apportionment Plan m i t höchstens 0,12 °/o Abweichung vom Idealwahlkreis unter Verbindung von städtischen Wahlbezirken m i t ländlichen konstruiert hatten, i n der Wahl von 1970 i n beiden legislativen Häusern — vorher kontrollierten sie nur eines — die Mehrheit erhielten 5 . Diese Erfahrungstatsache stützt die sich bereits theoretisch aufdrängende These: Das Erfordernis bevölkerungsmäßig absoluter Wahlkreisgleichheit schränkt die Möglichkeit des gerrymandering i n keiner Weise ein. Andererseits läßt eine vergleichende Untersuchung des (vorwiegend republikanischen) gerrymandering der Kongreßwahlkreise i n den Nordstaaten der USA zwischen 1952 und 1970 vermuten, daß der plötzliche Mißerfolg des versuchten republikanischen gerrymander i n den Jahren 1964-1966 nicht etwa auf das reapportionment infolge der Rechtsprechung, sondern auf spezifisch politisches Wählerverhalten i n dieser Zeit zurückzuführen ist 6 . Dort w i r d sogar die These aufgestellt, daß das scheinbare republikanische gerrymandering zumeist nur eine natürliche Folge der ungleichmäßigen Verteilung der Sympathisanten der beiden großen Parteien sei 7 . Feststellen läßt sich zu den politischen Folgen aufgrund des hier untersuchten Materials allerdings m i t Sicherheit nur zweierlei: 1. Die Belastung der Gerichte durch die apportionment Verfahren war i n der Dekade nach Baker v. Carr (1962) sehr groß. Die Hauptlast des reapportionment der einzelstaatlichen Legislativen trugen die federal district courts, die meisten Verfahren gegen kommunale Wahlkreiseinteilungen infolge der Supreme Court Rechtsprechung belasteten die einzelstaatlichen Gerichte. 2. I n zwei Phasen, die die Attribute post-Reynolds und post-Kirkpatrick zu tragen hätten, hat sich die Bevölkerungszahl, die theoretisch über ihre direkten Abgeordneten i n der Lage war, die einzelstaatliche Gesetzgebung zu blockieren, von Prozentzahlen (der Gesamtbevölke5 β 7
Vgl. Baker, Gordon E., 23 Emory L J 701 (1974), 712/3. Vgl. Erikson, 66 A m Pol Sei Rev 1234 (1972) at 1238. Id. at 1243.
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rung) wie 10 - 15 % zu solchen wie 45 - 50 °/o als Folge der gerichtlichen Forderung nach absoluter Gleichheit der Größe der Wahlkreise geändert. Angesichts des H i n und Hers zwischen Legislativen und Gerichten darf darüber hinaus als Hypothese festgehalten werden: Die Wahlkreisneueinteilung beim einzelstaatlichen apportionment wie i m Kommunalbereich und die Festschreibung von Systemen annähernd bevölkerungsgleicher Wahlkreise sind eine Folge des Eingreifens der Gerichte, welches wiederum eine direkte Folge der Rechtsprechung des Supreme Court seit 1962 ist. Aus der verzögerten Behandlung der Fälle aus dem Kommunalbereich und der Interessen- und Gruppenrepräsentation drängt sich die weitere Hypothese auf: Der Supreme Court hat die weitreichenden rechtlichen Folgen der Verkündung des one man — one vote Prinzips trotz der Warnungen der Justices Frankfurter und Harlan nicht vorausschauend durchdacht und dementsprechend die Anwendbarkeit des Prinzips eingeschränkt formuliert, sondern hat anfangs eine umfassende Forderung aufgestellt und auf seine Möglichkeiten einer späteren Beschränkung durch die eigene Spruchpraxis vertraut. I n rechtlich-dogmatischer Hinsicht hat die apportionment Rechtsprechung eindeutig Neues gebracht: das Postulat streng formaler Gleichbehandlung. Der Supreme Court konstruierte innerhalb des Systems der nordamerikanischen Verfassung eine Abstufung zwischen formal absoluter Gleichheit, die ihre Grenze nur i n ihrer praktischen Durchführbarkeit findet, einer substantiellen Gleichheit, die durch zwingende einzelstaatliche Interessen (compelling state interests) einschränkbar ist, und dem üblichen Gleichheitsgrundsatz, der von Seiten des Gerichts nur auf Verstöße gegen das Verbot der W i l l k ü r (rationality, invidious discrimination) überprüft wird. I n welche Kategorie die Justices die jeweiligen Fragen i m Umkreis des apportionment einordnen, unterlag bisher manchem Wechsel. Als Hypothese erscheint hier überprüfenswürdig: (a) Welchen der nach der neuen Dogmatik der equal protection clause möglichen Tests ein Justice anzuwenden bereit ist, bestimmt sich nach seinem Vorverständnis vom Wesen der apportionment Klagen: Verletzung des individuellen Rechts auf gleiche Wahl oder angemessene und wirksame Repräsentation des Bürgers i n den legislativen Organen. (b) Wieweit die Richter gezwungen sein werden, weiter i n das „political thicket" der Wahlkreiseinteilungen einzudringen, w i r d von der Entscheidung dieser Alternative abhängen. Solange eine ganz deutliche Entscheidung fehlt, hängt auch die nachgewiesenermaßen gerichtlich durchsetzbare absolute Wahlkreisgleich-
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heit noch wie ein Damoklesschwert über den auf ihre Pfründe bedachten Politikern. Folgen werden sich schließlich i m Kommunalbereich dadurch ergeben, daß bei jeder Wahl zu lokalen Gremien die Wahlkreise gleich groß sein müssen. Neue Konstruktions- und Kooperationsmöglichkeiten zwischen Entscheidungsträgern auf der lokalen Ebene können daher — wie oben dargelegt 8 — nur jenseits von Wahlverfahren gefunden werden. I n diesen Fragen läßt der Supreme Court den Innovationsbemühungen der Kommunen aber auch Raum: bei Wohnsitz Verpflichtungen i n Verbindung m i t Wahlen at-large, bei abgeordneten Repräsentanten gewählter Gremien („basically appointive"), bei Einschränkungen der Wahlberechtigung auf Personen, deren Interessen von der Verwaltungseinheit direkt betroffen werden. C. Zu den Bedingungen der reapportionment Rechtsprechung Die Anschauungen und Argumente der Richter i m amerikanischen Rechtssystem werden i n ihren Urteilen und Voten offenbar. Deshalb ist deutlicher als i n der deutschen Urteilspraxis erkennbar, daß entscheidende (innere) Bedingung jeder Änderung einer Rechtsprechung die Besetzung des Gerichts ist. Dies hat die Entwicklung der reapportionment Rechtsprechung von der Periode des self-restraint unter der Dominanz Justice Frankfurters über die Periode des strengen one man — one vote des Warren Court bis zur derzeitigen Phase der Modifizierung und Präokkupation m i t Repräsentationsproblemen des Supreme Court unter Chief Justice Burger gezeigt. Welchen Einfluß die rorgerichtlichen Erfahrungen der Richter i n Ausbildung, Beruf und öffentlichem Leben auf ihre Voten i n apportionment Sachen gehabt haben, ist hier nicht untersucht worden. Hypothetisch darf aber angenommen werden, daß dies erhebliche Bedeutung für ihre Bereitschaft hatte, das Übel des malapportionment gerichtlich zu bekämpfen. Ebenfalls unerörtert bleiben mußte der Einfluß der Richter i n den Kollegialgerichten untereinander. Daß bei der Festlegung einer Hypothese für diesen Teilaspekt Erkenntnisse der Gruppendynamik eine große Rolle zu spielen hätten, zeigen die aufschlußreichen Ausführungen Walter E. Murphys 1 über die Beeinflussungsmöglichkeiten, die die Supreme Court Justices aufeinander haben 2 . 8
Siehe oben, T e i l I V A . Nr. 27 u n d i m einzelnen T e i l I I I B. 3. M u r p h y , Walter E., „Marshaling the Court" i n : Scheier (ed.): PolicyM a k i n g i n American Government 141 - 158. 2 Vgl. zu diesem Untersuchungsgegenstand vor allem Weiss: Die Theorie der richterlichen Entscheidungstätigkeit i n den Vereinigten Staaten von Amerika, 1971, der i n hervorragender Weise sämtliche Positionen kritisch darstellt u n d — i m Gegensatz zu Dolzer — nicht bei Glendon Schuberts behavioristischen Arbeiten stehen bleibt. 1
C. Z u den Bedingungen
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Neben solchen inneren Bedingungen bedarf eine neue Rechtsprechung, die einen großen Teil der Bevölkerung betrifft und damit die öffentliche Auseinandersetzung zusätzlich mobilisiert, zu ihrer reibungslosen Durchsetzung einer Reihe von äußeren Bedingungen. Von diesen war bisher nur insoweit die Rede, als sie i n gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen sind. Einen Ansatzpunkt für eine politikwissenschaftliche Einordnung der reapportionment Rechtsprechung scheint m i r Wallace Mendelson aufzuzeigen, wenn er den richterlichen Aktivismus auf die Degeneration des Parteiensystems i n den USA, auf die Unfähigkeit der politischen Führungsschicht zurückführt, dem Prozeß des sozialen Wandels eine „klare Richtung zu geben" 3 . Allerdings gilt es auch gerade hierfür die Gründe aufzuspüren, die ohne eine Analyse der Auswirkungen der kapitalistischen Produktions- und Reproduktionsmechanismen auf die Mitglieder der amerikanischen Industriegesellschaft nicht w i r d auskommen können. Beschränkt auf die reapportionment Rechtsprechung ließe sich auf der Oberfläche das Folgende festhalten. A. Bedingungen, die es dem Supreme Court 1962 ermöglichten, seine Selbstbeschränkung i n apportionment Fragen ohne Schaden für das Ansehen des Gerichts aufzugeben, scheinen m i r gewesen zu sein: 1. Die Nachkriegszeit ging zu Ende, und die konservative Grundstimmung der amerikanischen Öffentlichkeit war i m Abklingen begriffen. Präsident Kennedy — nicht etwa die Demokratische Partei — zeigte der Nation neue Horizonte. Der Ruf nach Beteiligung i m politischen Prozeß, nach mehr Gleichheit nicht nur für die farbige Bevölkerung wurde lauter 4 . 2. Die kaum überwindbaren Schwierigkeiten für die Wähler, einerseits gegen die politische Eloquenz und andererseits gegen die rechtlichen Abänderungsmöglichkeiten der Politiker eine andere Wahlkreiseinteilung selbst per Volksbegehren, Volksentscheid, amendment oder A b w a h l durchzusetzen, waren mehrfach offenbar geworden 5 . 3. Die Kennedy-Administration unterstützte das Verlangen nach Wahlkreisreform 6 . 4. Wegen der offen darliegenden und leicht erkennbaren Ungleichheiten war ein Konsens i n der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit einer 8
Mendelson, „ T h e Politics of Judicial A c t i v i s m " , 24 Emory L J 43 (1975). Siehe dazu etwa Nevins / Commager, A Short History of the United States (1968), at 611, 619, 621 et al. 5 Vgl. M c K a y , Reapportionment 186 -194, 116, 158; Dixon, Democratic Representation 89/90. 6 Das zeigte sich auch praktisch i n der Beteiligung der Bundesregierung an vielen reapportionment Verfahren vor dem Supreme Court als amicus curae (vgl. oben passim). Ferner Präsident Kennedy i n der Pressekonferenz v o m 29. 3.1962, N e w Y o r k Times, March 30, 1962, p. 12. 4
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T e i l I V : Erkenntnisse u n d Hypothesen
Änderung leichter herzustellen als bei anderen Rechtsprechungsänderungen 7 . 5. Der größte Teil der allgemeinen Presse versagte den Gegnern eines Eingreifens der Gerichte, also den Politikern, ihren Beistand 8 . 6. Anders als ζ. B. bei der Rassentrennungsfrage war ein direktes persönliches Verhältnis zu den Fragen der Wahlkreisgleichheit für den einzelnen anfangs nicht spürbar 9 . B. Bedingungen, die die Formulierung der inhaltlichen Kriterien des one man — one vote Prinzips und ihre Anwendung auch auf die Einzelstaaten erlaubten, scheinen gewesen zu sein: 1. der Rückgang des föderalen Bewußtseins als Folge der Entwicklung der Industriegesellschaft m i t Urbanisierung und stark angestiegener Mobilität der Bevölkerung 1 0 , 2. anders als bei den Problemen wirtschaftsregulierender Gesetze die Möglichkeit, eine einfache, klar abgrenzbare Formel (one man — one vote) verwenden zu können, die ihre Wurzeln gerade auch i m Naturrecht und damit der Grundlage der nordamerikanischen Republik hat 1 1 . C. Durchsetzen konnten die Gerichte die inhaltlichen Regeln wahrscheinlich aus ähnlichen Gründen wie die, die das Eingreifen überhaupt möglich erscheinen ließen: 1. Die öffentliche Meinung war für eine Reform, die selbst von den meisten Politikern und Juristen, die gegen richterliches Tätigwerden eintraten, als notwendig anerkannt wurde 1 2 . 2. Die Öffentlichkeit erwartete von den Politikern, daß sie sich wie jeder Bürger dem Spruch eines Gerichts beugten. 3. Die Reduzierung der Anforderungen auf eine formale Formel, deren Verletzung jedem ohne Schwierigkeiten einsichtig gemacht werden kann, schien einerseits die Gerichte aus einem — auch parteipolitischen 7 Anders als bei den Fragen des Strafprozesses (Ausweitung der Rechte der einer strafbaren Handlung Verdächtigen) u n d der Obszönität (Kunst oder Pornographie?) akzeptierte die Öffentlichkeit die reapportionment E n t scheidungen m i t großer Mehrheit, New Y o r k Times, August 10, 1969, p. 80 (Gallup Umfrage). 8 Vgl. die Zusammenfassung bei Hopt, Auswirkungen, S. 63 ff. 9 Das änderte sich — allerdings auch nicht i n allen Gemeinden — erst m i t der Ausdehnung des one m a n — one vote Prinzips auf den Kommunalbereich (z.B. school boards). Jedenfalls erklärt sich so w o h l der Unterschied der Reaktionen der Bevölkerung auf B r o w n v. Board of Education — geteilt — u n d Baker v. Carr — positiv — (vgl. Hopt, Auswirkungen, S. 65) ebenso w i e später zu den Entscheidungen über die weitgehenden Rechte krimineller Personen u n d zur Frage der Obszönität (siehe oben, A n m . 7). 10 Ä h n l i c h Knapp, JöR N. F. 23, 421, 479. 11 Z u letzterem McKay, Reapportionment 20 et s., Dixon, Democratic Representation 35 et s.; zu ersterem ebenso Mendelson, ibid. (Anm. 3), at 61. 12 Vgl. Hopt, Auswirkungen, S. 63 ff.
D. Z u r Bewertung
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— Streit über die wirksamste und gerechteste Repräsentation von I n teressen und Gruppen herauszuhalten und trug andererseits durch gegen Institutionen, die sich zwar auf den Grundsatz der Gewaltenteilung berufen, nicht aber gegen den V o r w u r f der Grundrechtsverletzung erfolgreich wehren konnten 1 3 . Nachdem die reapportionment Rechtsprechung nun einen festen Platz i m System der möglichen Rechtsverletzungen eingenommen hat, scheinen Modifizierungen der Rechtsprechung nur mehr von gerichtsinternen — sprich: persönlichen — Bedingungen des Gerichts abhängig zu sein. D. Zur Bewertung der reapportionment Rechtsprechung Die dramatische Wende i n der apportionment Rechtsprechung und die rasche Durchsetzung der Grundsätze des reapportionment fordert eine juristische Bewertung dieser Vorgänge ebenso heraus wie das Entscheidungsverhalten des „Burger Court". Schwierigkeiten bereiten die Maßstäbe einer solchen Bewertung. Die innere Stimmigkeit bzw. Unstimmigkeit der Urteilspraxis habe ich mich i n den Teilen I bis I I I durchgängig aufzuzeigen bemüht. Daneben scheint es so, als gebe es zwei weitere, als „juristisch" anerkannte Ansatzpunkte: eine Bewertung an den Vorstellungen des Supreme Court und der juristischen Fachwelt über die Aufgabe der Gerichtsbarkeit i n der amerikanischen Gesellschaft und ihrem Ordnungssystem sowie eine Beurteilung danach, ob die Justices des Supreme Court den überlieferten Maximen von Rechtssatzinterpretation gefolgt sind oder nicht. Beides ist miteinander verflochten, ersteres mehr an der politischen, letzteres vor allem an der j u ristischen Wissenschaft orientiert. Eine Theorie der Rechtsgewinnung kann ich i n diesem Rahmen nicht entwickeln. Dennoch beginne ich — notwendigerweise völlig ungeschützt — an dieser Stelle: Verfassungsinterpretation ist zum größten Teil die notwendige Ausfüllung von Leerformeln. Eine solche Formel ist gerade auch „equal protection of the Laws". Ihre Ausfüllung geschieht durch das Handeln von Menschen, bei der Rechtsprechung: von Richtern. Richter sind, wie alle Menschen, immer auch ein Produkt ihrer Umwelt, i n Fragen von „Recht und Moral" insbesondere ihrer Erziehung und Ausbildung, ergänzt und vielleicht modifiziert durch eigene Erfahrung, die über ein Reproduzieren hinausgeht. Deshalb läßt sich eine von aktuellen äußeren Pressionen freie Entscheidung eines Richters von seinem „Vorverständnis" her „verstehen". Aber: Selbst das Erhellen der „Vorverständnisse" aller Justices des Supreme Court kann i m Nachhinein nur zu einer Erklärung des Inhalts der Entschei13
Hierzu näher sogleich unten T e i l I V D.
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T e i l I V : Erkenntnisse u n d Hypothesen
dung führen, also etwa die Frage beantworten, w a r u m die einzelnen Justices i n den reapportionment Fällen sich bei nachzuweisenden A l ternativen für die eine oder andere entschieden haben. Es ergibt sich daraus jedoch kein Ansatzpunkt für eine Bewertung. Ein solcher Ansatzpunkt ist nur außerhalb der konkreten Entscheidungen und der sie tragenden Personen zu finden: Man muß die Verfassung als Ganzes und ihren Entstehungs- und Wirkungszusammenhang heranziehen, u m dann durch Überlegungen über ihren Zweck die Aufgabe der durch sie kreierten „Organe", damit auch des rechtsprechenden Organs, bestimmen. Erst dann kann man weiter fragen, ob die Entscheidungen, die die Personen, die ein Verfassungsorgan handlungsfähig machen, gefällt haben, der Aufgabe dieses „Verfassungsorgans" gerecht geworden sind. Eine Bewertung der reapportionment Rechtsprechung kann also nur aufgrund einer Theorie der Verfassung geschehen, die selbst i n einer Theorie des Staates wurzelt. Beide können hier wiederum nicht entwickelt werden, so daß nur die Möglichkeit bleibt, die Folgerichtigkeit der Rechtsprechung danach zu beurteilen, ob sie einer — aus der Anschauung der i n den Sachverhalten der Entscheidungen zutage tretenden Praxis gewonnenen — These über die Funktion der Gerichte entspricht, nach der sich dann möglicherweise auch das Vorgehen der Richter i m einzelnen als gerechtfertigt erweist. Einige Autoren sehen i m amerikanischen System den Supreme Court abgehoben von der übrigen Gerichtsbarkeit, sehen seine Rolle politischer: Nicht nur Befriedung streitender Individuen und Gruppen sowie der Schutz von Minderheiten sei seine Aufgabe, sondern auch die richterliche Legitimierung von politischen Mehrheitsentscheidungen und die Wahrung der i n der Verfassung niedergelegten Grundwerte 1 . Vor allem letzteres sei dem höchsten Gericht zur Pflicht gemacht, da es außerhalb der Hitze der Tagespolitik die Entscheidungen der Politiker i n Muße überdenken („sober second thought of the community") und bei Zweifeln als „educational body" über den Kopf der Repräsentanten des Volkes hinweg direkt zu den Bürgern sprechen könne 2 . Ob diese Gedanken nur als Charakterisierung des Supreme Court zutreffen oder ob sie nicht wenigstens teilweise auch für alle übrigen Gerichte gelten, soll hier nicht erörtert werden. Die Tatsache, daß politische Mehrheitsentscheidungen vom obersten Gerichtshof i n der Regel legitimiert, also sozusagen m i t den höheren Weihen des Rechts ausgestattet werden, hat sicherlich einerseits integrative Wirkungen für das Staatsgefüge, bedeutet andererseits aber wohl auch eine indirekte A b stützung der richterlichen Tätigkeit i n den Rechtsvorstellungen der 1
Siehe oben, T e i l I B. 1. b): Alexander M. Bickel, Herbert Wechsler. Siehe oben, T e i l I B., Text zu A n m . 30 (Eugene Rostow) u n d 68 (Alexander M . Bickel). 2
D. Z u r Bewertung
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Bevölkerung. Hier könnte eine rechtsvergleichende Analyse von Supreme Court und Bundesverfassungsgericht i m Kontext der parteipolitischen Auseinandersetzungen weitere Einsichten vermitteln. Eine Beurteilung der reapportionment Rechtsprechung kann an diese Gedanken aber nicht anknüpfen, denn erstens fehlten — wenigstens zu A n fang — gerade Entscheidungen von politischen Organen — der hypothetische Grund dafür lautet: Reapportionment Gesetze waren deshalb solange nicht zustande gekommen, w e i l sich die Politiker nicht über die Neuverteilung der Wahlchancen einigen konnten 3 , nicht aber, weil sie i m Sinne einer politischen Theorie die Repräsentation von Gruppeninteressen anstrebten — und zweitens war der i n Frage kommende Grundwert der Verfassung, Gleichgewichtigkeit der Stimme bei der Wahl, nicht vor staatlichen Eingriffen zu bewahren, sondern als Grundwert erst einmal theoretisch anzuerkennen und dann praktisch durchzusetzen. Für eine Rechtfertigung der reapportionment Rechtsprechung bedarf es daher einer weitergehenden Aussage über die Funktion des Supreme Court. Die hier verfassungstheoretisch ungeschützt vorzutragende These dazu lautet: Der Supreme Court trägt Mitverantwortung dafür, daß die von der Verfassung vorgesehenen Willensbildungsprozesse ungehindert ablaufen. Deshalb ist es neben der Wiederherstellung des Rechtsfriedens und der Sicherstellung von Minoritätenschutz die Funktion des Supreme Court — und unter seiner Aufsicht die aller Untergerichte —, m i t allen verfahrensrechtlichen M i t t e l n und unter Einsatz gewachsener richterlicher Autorität die Prozesse der politischen W i l lensbildung für alle Bürger, arme und reiche, weiße und farbige, gegen Einschränkungen von Seiten derjenigen, die Macht i n der Gesellschaft und über die Gesellschaft ausüben, offenzuhalten 4 . Diese Auffassung von der Funktion des Supreme Court findet eine Stütze i n der Rechtsprechung selbst: I m Anschluß an Justice Stones berühmte Fußnote 4 i n US v. Carolene Products Co. (1938) hat das Gericht das Offenhalten der politischen, möglicherweise zur Aufhebung unkluger Gesetze führenden Prozesse als Ausgleich gegenüber dem weitgehenden Verzicht auf inhaltliche Prüfung gesetzgeberischer A k tivität bewußt zu einer seiner vordringlichen Aufgaben gemacht. Dies bezeugt die neuere Rechtsprechung zum I. amendment ebenso wie die Entscheidungen zum „right to vote and have the vote counted" 5 . 3 Sehr anschaulich zeigt dies A l l e n Shank, New Jersey Reapportionment Politics (1969). 4 Auch f ü r diesen Zweck werden die Richter — jedenfalls die auf Lebenszeit ernannten des Bundes — v o n dem Einfluß der Mächtigen i n stärkerer Weise freigestellt als alle anderen staatlichen Funktionsträger. 5 Vgl. hierzu T e i l I B., Text zu A n m . 103 ff., sowie T e i l I I C., Text zu den A n m . 6 u n d 40.
17 K o p p
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Allerdings ging es bei dieser Urteilspraxis immer nur u m die A b wehr staatlicher Eingriffe i n unmittelbar einleuchtende Rechtspositionen des einzelnen. Die reapportionment Rechtsprechung der 1960er Jahre mußte darüber hinaus führen, so daß die Weiterführung der These lautet: Wollte der Supreme Court der hier angenommenen Funktion gerecht werden, so mußte er den politisch wagemutigen Schritt vom gerichtlichen Offenhalten (Abwehr) zum richterlichen Öffnen (Angriff) der durch langsame Veränderungen i m gesellschaftlichen Bereich zugewachsenen politischen Wege tun. Dieses „Zuwachsen politischer Wege" bedarf kurzer Erläuterung: Die Tatsachenfeststellung, daß eine Wahlkreisneueinteilung von den politischen Organen über lange Zeit h i n nicht durchgeführt worden war, obwohl Verfassung oder Gesetz es vorschrieb, spielte eine Rolle bei der Begründung der Gerichte für ihr Eingreifen i n das einzelstaatliche apportionment 6 . Doch der Supreme Court konnte diese Nichtachtung bestehenden Rechts nicht direkt korrigieren. Das war Aufgabe der einzelstaatlichen Gerichte, die aber gerade daran verzweifelten 7 . Das Problem, das zum Eingreifen nötigte, lag nicht primär i m rechtstechnischen, sondern i m gesellschaftspolitischen Bereich, i n jener anderen, von den Klägern immer wieder vorgetragenen Tatsache: der Not der Städte, denen die von den ländlichen Abgeordneten beherrschte einzelstaatliche Legislative die notwendige Unterstützung bei der Lösung ihrer Probleme versagte 8 . Hier Abhilfe vom politischen Prozeß zu erwarten, war bei der bestehenden Wahlkreiseinteilung — das muß als die unausgesprochene richterliche Prämisse angesehen werden — für die Kläger aussichtslos. Der Supreme Court hat seine Aufgabe, jedenfalls i n den frühen apportionment Entscheidungen, meines Erachtens richtig erkannt, indem er das Öffnen des politischen Prozesses, der allen Bürgern i n gleicher Weise offenstehen soll, zum Ziel seiner Rechtsprechung machte. Dieses vorausgesetzt stellt sich die Frage, ob die Richter rechtlich folgerichtig und gerichtspolitisch klug, das soll heißen: unter größtmöglicher Vermeidung von Einbußen ihres gewachsenen Ansehens und damit ihrer künftigen Durchsetzungskraft, gehandelt haben. Ich möchte das i m Grundsatz bejahen: Wollten die Richter dem politischen Kräftespiel wieder Raum schaffen, die politischen Wege öffnen, also gerade allen Interessengruppen die Chance zurückgeben, i n der Volksvertre6 Baker v. Carr, at 191, 192; vor allem aber i n den Reapportionment Cases: Reynolds v. Sims, at 569/70; W M C A ν. Lomenzo, at 652/3; Davis ν. Mann, at 691. 7 Siehe dazu oben, T e i l I Α., Text zu A n m . 14 ff. 8 Siehe kurz dazu oben, Einleitung, Text zu A n m . 37, 38.
D. Z u r Bewertung
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tung wirksam gehört zu werden, dann mußten sie i n das Verfahren zur Auswahl der Interessenvertreter i n irgendeiner Weise eingreifen. Der einzige Teil des Wahlverfahrens, den Bundesgerichte bisher nicht rechtlich überprüft hatten, war die Wahlkreiseinteilung. So stellte sich für die Gerichte als erstes die Frage, aufgrund welcher Verfassungsbestimmung das als notwendig erkannte Eingreifen i n die Wahlkreiseinteilung verfassungsrechtlich möglich war. Möglich war es nur, wenn überhaupt ein rechtlicher Beurteilungsmaßstab dafür zur Verfügung stand. Zur Wahrung der auf Vernunft und Unabhängigkeit gegründeten Autorität der Gerichte und wegen der Notwendigkeit, ihre Entscheidungen für die Öffentlichkeit nachprüfbar und erklärbar zu machen, mußte das Eingreifen aus dem bestehenden Rechtssystem heraus begründet werden. Dafür boten sich zwei Verfassungsklauseln an: die guaranty clause, nach der der Bund den Einzelstaaten eine republican form of government garantiert, und die equal protection clause. Bei einem Eingreifen aufgrund der guaranty clause hätte der Supreme Court seine bestehende Rechtsprechung, daß die Einzelstaaten ihre eigenen Angelegenheiten unabhängig vom Bund und seiner Gerichtsbarkeit regeln könnte, umstoßen und i n diese Klausel hineinlesen müssen, daß zur republican form of government eine angemessene Repräsentation der Bevölkerungsgruppen gehöre 9 . Rechtliche Beurteilungsmaßstäbe für diese Repräsentation hätte das Gericht aber erst schaffen müssen. Dies hätte dem Gericht zu Recht den V o r w u r f eingebracht, es lege nicht mehr die Verfassung aus, sondern schaffe neues Verfassungsrecht unter Umgehung der vorgeschriebenen Verfahren zur Verfassungsänderung. I n diesem Zusammenhang hätte dann auch Justice Frankfurters Warnung Gewicht, daß es einen rechtlichen Maßstab für die Beurteilung von apportionment Fragen nicht gebe. Wollte das Gericht aber seine traditionelle Rechtsprechung beibehalten, dann konnte nur ein Verstoß gegen die i n der Bundesverfassung niedergelegten Grundrechte des einzelnen, hier also die equal protection clause des X I V . amendment, ein Eingreifen legitimieren. Traditioneller Maßstab dieser Vorschrift ist das Willkürverbot. Nun scheint es zunächst so, als hätte das Gericht bei diesem Maßstab, posit i v gewendet: bei der Frage nach der Rationalität der gesetzlichen Regelung, dem invidious discrimination Test, stehen bleiben können. Man könnte meinen, die einzelstaatlichen Legislativen hätten dann auch andere Faktoren als die Bevölkerungszahl bei der Wahlkreiseinteilung berücksichtigen dürfen, solange sie dies rational begründet und gleichmäßig i m gesamten Staat angewandt hätten. Aber das ist nicht richtig: Verstößt malapportionment überhaupt gegen die equal pro9
17*
Das schlägt etwa Dixon, Democratic Representation 135/6, vor.
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T e i l I V : Erkenntnisse u n d Hypothesen
tection clause, dann ist das ein Verstoß gegen ein Grundrecht. Grundrechtsträger aber ist die einzelne Person. Es können nicht die i n dieser Person zu je verschiedenen Teilen mitverkörperten Interessen sein. M i t Anwendung der equal protection clause auf Wahlkreiseinteilungsfragen liegen m i t dem Grundrechtsträger zugleich die Bezugspunkte der Gleichheitsprüfung fest: der Wähler i m Vergleich zu anderen Wählern i m Verhältnis zur Legislative. Wähler und Wähler aber sind als Bürger, die den Staat erst hervorbringen, absolut gleich. Jede Ungleichbehandlung muß daher grundsätzlich w i l l k ü r l i c h sein. Das war — wie oben näher ausgeführt 10 — auch Justice Frankfurter bewußt, als er gegen ein Eingreifen der Gerichte i n apportionment Sachen argumentierte. Deshalb können meine weiteren Thesen nur lauten: 1. Vor Baker v. Carr hätte der Supreme Court möglicherweise per Willensakt einzelstaatliche Wahlkreiseinteilungsfragen — nicht auch solche für Kongreß wählen! — für alleinige Angelegenheiten der Gliedstaaten erklären können. Das hätte aber bedeutet, daß auf diesem Gebiet von einer bundesrichterlichen Kontrolle der einzelstaatlichen Gesetzgebung, auch auf Grundrechtsverstöße hin, abgesehen worden wäre. Daß das Gericht ein solches Verhalten allgemein, insbesondere aber angesichts seiner übrigen Rechtsprechung zu den Grundrechtsverletzungen beim Wahlverfahren selbst, hätte plausibel begründen können, erscheint m i r außerordentlich zweifelhaft. 2. Das Problem zwischen „competing bases of representation" (Frankfurter) wählen zu können oder zu müssen, bestand für den Supreme Court bei der Frage des Eingreifens i n einzelstaatliche Wahlkreiseinteilungen nicht. Unter der equal protection clause war für Wahlkreiseinteilungen der Maßstab der Bevölkerungsgleichheit rechtlich der allein mögliche. 3. Beim congressional reapportionment ist wegen des Great Compromise i m Verfassungskonvent, der für den Senat die Repräsentation der Einzelstaaten, für das Repräsentantenhaus die Vertretung der Bevölkerung nach ihrer Anzahl (unter teilweiser Anrechnung von unfreien Personen, also Sklaven) 1 1 festlegte, ohnehin nur der Maßstab der Bevölkerungsgleichheit möglich. Wenn somit Bevölkerungsgleichheit der einzig mögliche Maßstab des Supreme Court für die Beurteilung von Wahlkreiseinteilungen war, dann kann man seine materielle Rechtsprechung i m Bereich des state legislative reapportionment, das Erfordernis strikter Wahlkreisgleichheit, nur als folgerichtig bezeichnen, an der i m Grundsatz juristisch 10 11
Siehe oben, T e i l I C. Vgl. A r t . I, See. 2, § 3 US Constitution.
D. Z u r Bewertung
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nichts auszusetzen ist. Der V o r w u r f des „unrestraint egalitarianism" (Harlan) t r i f f t insoweit nicht den Warren Court, sondern allenfalls die Verfassung selbst. Dasselbe gilt konsequenterweise sowohl für die Umkehr der Beweislast (Rechtfertigung von Abweichungen von der Gleichheit durch den Staat, sobald der Kläger ungleich große Wahlkreise nachgewiesen hat) als auch für das Erfordernis, die Legislative müsse einen „honest and good faith effort" gemacht haben, gleich große Wahlkreise zu schaffen. Etwas anderes ist es, wenn die Mehrheit des Supreme Court unter Hinweis auf die reapportionment Entscheidungen die Gedanken Justice Stones über das Offenhalten der politischen Prozesse auf die Entscheidungen zur Wahlberechtigung (Ausschluß von Militärpersonen, Wahlsteuer, Erfordernis von Englischkenntnissen) 12 anwendet. Damit w i r d zwar richtig das Fazit aus dem Entscheidungsverhalten des Gerichts gezogen: Bei Fragen, die grundlegende Rechte und Freiheiten des Bürgers betreffen (hier: Wahlfragen), überprüft das Gericht die gesetzliche Regelung besonders genau auf Gleichheitsverstöße und fordert bei einer Ungleichbehandlung eine Rechtfertigung durch ein zwingendes staatliches Interesse (compelling state interest test). Aber das ist nicht die Anwendung des Willkürverbots, das gerade keinen Raum läßt für Differenzierungen zwischen den einzelnen Wählern und deshalb gleiche Wahlkreise erfordert. Bei den Fragen der Wahlberechtigung sind i m merhin Differenzierungsmöglichkeiten denkbar, die nicht von vornherein als irrational erscheinen (ζ. B. Wohnsitzanforderungen und Wartezeiten). Der compelling state interest test hat damit seine Wurzel i n einer bestimmten Theorie (fundamental rights), während das one man — one vote Prinzip selbst nichts anderes ist als die konsequente Anwendung des traditionellen Willkürverbots bei der Anwendung der equal protection clause. Beim state apportionment bestand der Willensakt der Richter deshalb nur darin, die Fälle ausschließlich unter dem Aspekt der Auslegung eines Grundrechts zu behandeln. Das stellt eine politische Entscheidung dar. Aber es ist eine Entscheidung für traditionell anerkanntes juristisches Arbeiten und gegen weiteres, gerichtspolitisch motiviertes Theoretisieren, denn es w i r d das Gleichheitsgebot selbst untersucht und nicht mittels einer — wenn auch vielleicht aus einer „Gesamtschau" der Verfassung gewonnenen — Grundrechtstheorie aus dem Verfassungssystem herausinterpretiert, was vorher aus gerichtspolitischen Gründen dort hineingedacht worden ist. War für die Gerichte folgerichtigerweise das Problem vom Offenhalten der Verfahren zur Auswahl der Volksvertreter gegen Eingriffe des Staates und mächtiger gesellschaftlicher Gruppen zu einem vom 12
Siehe oben, T e i l I I C. 2. u n d 3.
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öffnen dieses Verfahrens für alle Individuen i n gleicher Weise geworden mit dem Ziel, politische Veränderungsprozesse wieder zu ermöglichen, so stellte sich die zweite Frage zwangsläufig: Wie läßt sich das als allein verfassungsgemäß erkannte Prinzip des one man — one vote i n die Praxis umsetzen? Die Antworten, die die einzelnen Gerichte i n den USA gefunden haben 13 , provozieren viel mehr als die Konstruktion von Rechtsregeln innerhalb des Verfassungstextes die Frage nach der Funktion der Gerichtsbarkeit i m politischen Prozeß. Hier w i r d es zum Problem: die theoretisch so konsequente Fortentwicklung der postulierten Funktion der Gerichte vom Offenhalten politischer Prozesse zu deren öffnen. Eingreifen der Gerichte bedeutet jetzt prozessual positive Aktivität, Erzwingung von bestimmten gesetzgeberischen Akten. Damit setzt die an sich stets nur als kontrollierende und kassierende Gewalt verstandene Judikative der ureigensten Aufgabe der Legislative nicht nur Grenzen, sondern gibt dem Gesetzgeber konkrete Aufträge, deren Erfüllung sie durch eigene „richterliche" Maßnahmen herbeiführt, ja, i m Zweifel anstelle des Gesetzgebers selbst erfüllt. Meine These lautet: Auch diese Aktivitäten rechtfertigen sich aus der Funktion der Gerichte, die politischen Prozesse offenzuhalten. Der Umfang und die Intensität der i n Ausübung dieser Funktion getroffenen Maßnahmen lassen sich nur hinsichtlich der äußeren Grenzen festlegen. Es sind dies die von den Justices selbst einzuschätzenden „Grenzen der richterlichen Verantwortung", die nach der i m Scharpfsehen Sinne verstandenen political question D o k t r i n ein Nichttätigwerden der Gerichte ohnehin erzwingen. Ob die Gerichte das „öffnen" des politischen Prozesses innerhalb ihres Verantwortungsbereichs funktionsangemessen durchgeführt haben, kann man mit Hilfe der political question Doktrin nicht beantworten: Informationsprobleme bestehen für die Richter bei Fragen des Wahlprozesses nicht. Auch die Konsequenzen und Rückwirkungen richterlicher Entscheidungen auf das Wahlverfahren sind von den Gerichten m i t eigenen M i t t e l n beherrschbar, w e i l sie technischer A r t sind. Für eine Anwendung der political question D o k t r i n spräche allenfalls der Gedanke, daß die Schaffung von abstrakt und generell geltenden Regeln über das Wahlverfahren „Gesetzgebung" ist und so i m „spezifischen Verantwortungsbereich" der Legislative liegt. Doch dem steht entgegen: Eine Legislative kann nur dann als eine solche m i t vollem Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Rechte anerkannt werden, wenn sie selbst auf verfassungsgemäße Weise gebildet worden ist. Daran fehlt es aber gerade, weil die Legislative, wie die Gerichte (zumeist still13
Siehe oben, T e i l I I I A.
D. Z u r Bewertung
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schweigend) voraussetzen, wegen der aufgrund eines verfassungswidrigen apportionment Gesetzes erfolgten Wahl der Abgeordneten rechtlich nicht existent ist. I n dieser Ausnahmesituation wächst den Gerichten die Notkompetenz zur Schaffung eines verfassungsgemäßen Wahlgesetzes zu. Daß die Gerichte sich dazu des Sachverstands der Abgeordneten bedienen, ist einleuchtend. Daß sie die Wünsche der Abgeordneten i m Rahmen ihres eigenen (quasi-legislativen) Ermessens berücksichtigen, ist gerichtspolitisch klug und rechtlich unangreifbar. Für das Verfahren bei der Schaffung eines Wahlgesetzes durch die Gerichte, das sich als court management des reapportionment Prozesses darstellt, steht nur eine Maxime zur Verfügung: angemessene Selbstbeschränkung, wie sie der Supreme Court den Gerichten angeraten hat. Jenseits dieser gerichtspolitischen Grundregel liegt es i n Temperament, Überzeugung und Geschick der einzelnen Richter, wie sie ihre Aufgabe der Durchsetzung des one man — one vote erfüllen. Die praktischen Grenzen der Gestaltungsmöglichkeit der Richter ergeben sich einerseits aus dem Verhalten ihrer „Gegenspieler" i n Parteien und staatlichen Organen, andererseits aus der Notwendigkeit, ihr Ansehen als unparteiliche Schiedsleute nicht zu verspielen. Reichte es aber zur Erfüllung der angenommenen Funktion der Gerichte nicht aus, daß und wenn sie den „deadlock" überwanden, jene festgefahrene Situation, daß wegen des malapportionment eine ländliche Minderheit i n den Legislativen die Geschicke des Staates bestimmte? — Selbst wer diese durchaus funktionsgerechte Vorfrage bejahen w i l l , muß zuvor die beiden anderen zufriedenstellend beantwortet haben: Wie sollte das geschehen, und wann war der Erfolg eingetreten? Ein „stranglehold" kann doch erst als gebrochen gelten (Erfolg), wenn jede absolute Mehrheit der Abgeordneten i n der Legislative wenigstens 5 0 % der Bevölkerung repräsentiert. Ein anderes Ziel als diese Relation ist nicht denkbar, denn bliebe man i n der Prozentzahl darunter, könnten die Abgeordneten einer bestimmten Kombination von Wahlkreisen auch als Minderheit die Mehrheit überstimmen. Dem Ziel entspricht notwendig das Mittel: Jeder Abgeordnete muß einen exakt gleichen Teil der Gesamtbevölkerung repräsentieren, m i t anderen Worten: die Wahlkreise müssen bevölkerungsmäßig gleich groß sein. Damit aber sind w i r wieder beim one man — one vote Prinzip. Die Einschränkung der Aufgabe der Gerichte (Öffnung des politischen Prozesses) auf die Herstellung der Möglichkeit, daß die städtische Bevölkerungsmehrheit auch i n der Legislative die Mehrheit erhält, ist also nur eine scheinbare. Sie zwingt inhaltlich zu den gleichen Zielen und Abhilfemaßnahmen wie die These von der richterlichen Aufgabe zum öffnen des politischen Prozesses insgesamt.
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Anders, und zwar sowohl dem Ziel wie den M i t t e l n nach, liegt es, wenn die richterliche Prämisse einer Verletzung des Grundrechts und die dementsprechende rechtliche Konstruktion ersetzt w i r d durch eine völlig neue, nicht aus der equal protection clause, sondern aus einer Theorie des demokratischen Staates entwickelte Konstruktion: eines „Rechts" auf „fair and effective representation", das nicht formale Gleichheit, sondern inhaltliche Angemessenheit verlangt. Abgesehen von der — meiner Auffassung nach m i t einem klaren Nein zu beantwortenden — Frage, ob letztere Konstruktion überhaupt m i t der equal protection clause vereinbar ist, hat sie — dies ist die weitere These — einen entscheidenden anderen Nachteil: Gerade sie erfordert die richterliche Bestimmung von „fairness", von „effectiveness" und von „representation". Sicherlich können Gerichte die erforderlichen inhaltlichen Festlegungen treffen, wie sie es zur due process clause auch ständig tun. Doch damit müssen sie entweder i n materiellen Fragen ihre Urteile an die Stelle der Überlegungen des Gesetzgebers setzen oder die Behauptungen der Legislative über fairness generell akzeptieren und dazu w i l l kürlich gesetzte Grenzen bestimmen, jenseits derer etwa „effectiveness" nicht mehr gegeben sei. Letzteres geschieht seit 1973 i m Burger Court: Ohne Rechtfertigung durch den Staat nimmt die neue Mehrheit des Supreme Court Abweichungen von der Gleichheit i n Höhe von 10 °/o h i n unter den Stichworten de minimis und substantial equality. Diese Nachteile finden sich bei der nach der equal protection clause erforderlichen formalen Gleichheit der Wähler und damit der Wahlkreise nicht. Grundsätzlich absolute Gleichheit ist einsichtig. Sie läßt sich zahlenmäßig erfassen und erfordert keine weitere Abwägung durch die Richter. Abweichungen von der absoluten Wahlkreisgleichheit sind aus Gründen der Praktikabilität denkbar. Aber solche Gründe der Praktikabilität können — ebenso formal — nur solche sein, die sich aus den Schwierigkeiten bei der Wahlkreisgrenzziehung notwendig ergeben. Hier hat der Supreme Court bereits den Weg gewiesen: 1. grundsätzliche Verwendung bestehender Verwaltungseinheiten, und zwar der kleinsten, ζ. B. precincts, und 2. grundsätzliche Ablehnung von Einteilungen, bei denen die Wahlkreise nicht territorial zusammenhängen. Eine Reduzierung der Überprüfung des reapportionment auf formale Korrektheit würde den Gerichten erlauben, den Legislativen i n weit größerem Maße inhaltliche Entscheidungen über die Repräsentation von Interessengruppen zu überlassen, als wenn sie versuchen würden, diese nach eigenen Regeln eines substantive equal protection zu fair and effective representation anzuhalten.
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Das Erfordernis formaler Wahlkreisgleichheit läßt zwar ebenso wie das Postulat von fair and effective representation ein Zurechtschneidern der Wahlkreisgrenzen mit Rücksicht auf Interessengruppen zu. Aber allein durch gleiche Wahlkreisgrößen w i r d sichergestellt, daß eine — nach welchen Gesichtspunkten auch immer — zurechtgeschneiderte Mehrheit auch tatsächlich eine Mehrheit der Bevölkerung vertritt. Gerrymandering bleibt solange gerichtlich unangreifbar, wie nicht die Richter selbst wählen wollen, z.B. zwischen der Forderung nach konzentrierter Gruppenrepräsentation und dem Verlangen nach Aufteilung der Gruppe auf mehrere Wahlkreise zum Zwecke der Beeinflussung von mehreren Abgeordneten statt eines einzigen. Dies wäre dann eindeutig Urteilen i m „political thicket", wäre ein Entscheiden über die richtige „basis of representation" (Frankfurter). Die Richter ersparten sich dies, blieben sie bei formaler Gleichheit und unstreitigen Bevölkerungszahlen, i m Zweifel des Zensus. I h r „political judgment" wäre beschränkt auf die Anerkennung von Abweichungen aus Praktikabilitätsgründen und auf die Frage: Hat die Legislative einen „honest and good faith effort" i n Richtung auf gleich große Wahlkreise gemacht? Letzteres hat sich i n Kirkpatrick v. Preisler (1969) als die simple Suche nach dem apportionment Plan erwiesen, der die wenigsten Abweichungen von der Gleichheit ausweist 14 . Justice Frankfurters Einsicht, daß das Eingreifen der Gerichte i n die Wahlkreiseinteilung i n Wirklichkeit eine Entscheidung der Richter zwischen „competing theories of political philosophy" bedeutet, bleibt davon unberührt. Die miteinander konkurrierenden Theorien nämlich sind der Auswahl einer bestimmten Repräsentationsgrundlage vorgelagert. Sie sind zudem von ihr abhebbar. Die Entscheidung über die politische Philosophie fällt m i t der Entscheidung über das Ziel richterlichen Eingreifens i n das Wahl verfahren: Wollen die Gerichte erreichen „ f u l l and effective practicipation" (Durchsetzen des Grundrechts auf Gleichheit i m Wahlverfahren) oder wollen sie „fair and effective representation" (Durchsetzen einer noch näher zu bestimmenden angemessenem [Interessen]-Vertretung i n der Legislative)? M i r scheint der Eingriff als Grundrechtsverwirklichung sowohl rechtlich-konstruktiv „sauberer" als auch gerichtspolitisch klüger zu sein. Solange die apportionment Rechtsprechung i n der Verletzung eines Grundrechts auf gleichgewichtige Stimme begründet ist, muß jede Unterscheidung zwischen Personen eine irrationale sein, kann Justice Harlans politisch durchaus einleuchtende Feststellung „The need for more flexibility becomes greater as we proceed down the spectrum from the state legislature to the single-purpose local e n t i t y " 1 5 nicht i n Recht14 15
Siehe oben, T e i l I I Α., T e x t zu A n m . 59. Harlan, dissenting i n Hadley v. Junior College District, 397 U.S. 59 at 67.
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T e i l I V : Erkenntnisse und Hypothesen
sprechung zum apportionment lokaler Verwaltungseinheiten umgesetzt werden. Gerade auf der kommunalen Ebene wiegt jede Ungleichheit besonders schwer, weil nicht durch die große Zahl ein gewisser Ausgleich der Stimmen pro et con zwischen den ungleich großen Wahlkreisen anzunehmen ist. Sollen nicht lokale Minderheiten den politischen Prozeß korrumpieren können, muß der Grundsatz aus Hadley v. Junior College District (1970) weiter gelten: (W)hen members of an elected body are chosen f r o m separate districts, each district must be established on a basis which w i l l insure, as far as is practicable, that equal numbers of voters can vote for proportionately equal numbers of officials 1 6 .
Daß damit den Innovationsbemühungen eine Beschränkung auferlegt wird, ist unverkennbar. Diese Beschränkung wiegt angesichts der mannigfachen K o n s t r u k t i o n - und Kooperationsmöglichkeiten der gewählten Entscheidungsträger auf der lokalen Ebene aber nicht sehr schwer. Der Nachteil einer (vorgeblichen) Flexibilität ist demgegenüber viel größer, denn gerade die Entscheidung über Anerkennung oder Nichtanerkennung von Rechtfertigungsgründen und „erträglichen Grenzen" zieht die Gerichte i n das „politische Dickicht" hinein. Ohne Zweifel hat auch die von vornherein feststehende Entscheidung des Richters für das apportionment Gesetz m i t den geringsten zahlenmäßigen Ungleichheiten parteipolitische Auswirkungen, die von den Prozeßparteien sogar gewollt sein mögen. Aber eine solche Entscheidung, deren politische Folgen besonders i m Kommunalbereich auch dem Richter unmittelbar erkennbar sind, erfolgt durch die Anwendung eines von juristischen Laien nachvollziehbaren, „objektiven", nicht erst Abwägung verlangenden Maßstabs, m i t Hilfe dessen jede Partei das ihr genehme politische Ziel verfolgen kann. Die Wirksamkeit der einzelnen Stimme i m Wahlprozeß w i r d dadurch jedenfalls nicht von den Richtern verändert. Es wäre paradox, wenn die neue Mehrheit des Supreme Court unter Chief Justice Burger aus dem Wunsch, Politisches den Politikern zu überlassen, m i t der notwendigen Beurteilung von Rechtfertigungsgründen für Abweichungen von der Wahlkreisgleichheit mehr „politische" Entscheidungen fällen würde, als bei der Einhaltung eines klaren Standards des praktisch verstandenen one man — one vote erforderlich wäre. Die Klage Robert G. Dixons „ A mathematically equal vote which is politically worthless because of gerrymandering or w i n ner-take-all districting is as deceiving as »emperor's clothes'" 1 7 kann nur als eine Aufforderung zum Abbau von übersteigerten Erwartungen hinsichtlich der politischen Auswirkungen der reapportionment Recht16 17
Hadley v. Junior College District, 397 U. S. 50 (1970) at 56. Dixon, Democratic Representation 22.
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sprechung des Supreme Court verstanden werden. Einen Ansatzpunkt für irgendwelche Aktivitäten der Gerichte über die Sicherung und Herstellung der politischen Änderungsmöglichkeiten hinaus bietet sie nicht. Solche Aktivitäten lägen jenseits der Funktion von Gerichten i n einer Gesellschaft mündiger Bürger.
Nachtrag I n den United States Court Reports, Lawyer's Edition, Second Series, bis einschließlich volume 49 (1977; entspricht U.S. einschließlich vol. 428 bzw. S.Ct. einschließlich vol. 96) finden sich die folgenden Entscheidungen, die für die hier behandelte Rechtsprechung von Bedeutung sind: 1. Für den Kernbereich des state legislative apportionment demonstriert die zusammenfassende Darstellung der reapportionment Versuche des Staates North Dakota i n Chapman ν. Meier (1975, 420 U.S. 1) noch einmal, wie sehr die Richter der unteren Bundesgerichte die Legislativen durch ins einzelne gehende Anordnungen und eigene Auswahlentscheidungen zu gängeln gezwungen sind. Die — einstimmig ergangene — Entscheidung selbst ist bedeutsam für die Frage, i n welchem Fall für eine Wahlkreiseinteilung die Festlegung von multi-member districts zulässig ist. Der Supreme Court bestätigt seine Rechtsprechung, daß die unteren Bundesgerichte, wenn sie selbst die Wahlkreisgrenzen festlegen, danach zu streben haben, Einerwahlkreise zu bilden. Er stellt aber weiter fest, daß i n einem Einzelstaat die traditionelle Verwendung von multi-member districts eine established state policy und daher i m Einzelfall als Ausnahme verfassungsrechtlich zulässig sein kann. Beachtenswert ist die deutliche Unterscheidung zwischen der Wahlkreiseinteilung, die ein Gericht, und der, die die Legislative selbst durchgeführt hat. Bei dieser Unterscheidung könnte i n Zukunft die neue Mehrheit des Supreme Court ansetzen und den Legislativen weitgehende Abweichungen vom Ziel absolut gleicher Wahlkreisgrößen m i t Hilfe neuer rational state policies erlauben. Immerhin findet sich i m Urteil bereits der Satz: A court ordered plan . . . must be held to higher standards than a State's own plan (420 U.S. 1, at 26). Der Kontinentaljurist fragt sich unwillkürlich, wie sich ein solcher Satz damit vereinbaren läßt, daß doch i n beiden Fällen dieselbe Verfassungsnorm angewendet wird. 2. Die per curiam Entscheidung East Caroli Parish School Board v. Marshall (1976, 424 U.S. 636) bestätigt, daß auch i m Kommunalbereich die Gerichte bei von ihnen durchgeführtem reapportionment Einerwahlkreise bilden sollen. 3. I n Dallas County υ. Reese (1975, 421 U.S. 477), einer von allen acht beteiligten Justices mitgetragenen per curiam Entscheidung, blieb der
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Supreme Court bei seiner Auffassung, daß Wohnsitzanforderungen an Stadtverordnete, die jedoch unabhängig davon durch die gesamte Stadtbürgerschaft gewählt werden und deshalb alle Bürger repräsentieren, erst dann als verfassungswidrig anzusehen seien, wenn solche Vorschriften nachweisbar dazu führten, daß die Stimmen eines identifizierbaren rassischen oder politischen Teils der Wählerschaft unzulässigerweise entwertet werden (canceled out, diluted). 4. Letztere Überlegung stand unausgesprochen auch hinter der i m Supreme Court stark umstrittenen Entscheidung Beer v. United States (1976, 425 U.S. 130), i n der es u m die Wahl von fünf Stadträten, die i n Wahlkreisen, und zwei weiteren Stadträten, die von der gesamten Stadtbürgerschaft zu wählen waren, ging. Die Farbigen der Stadt New Orleans, die 45 °/o der Bevölkerung ausmachten, von denen aber aufgrund der bisherigen Wahlkreisgrenzziehung niemand i m Stadtrat vertreten war, erhielten aufgrund einer neuen Grenzziehung die realistische Chance, nun zwei Neger (aus den beiden neu geschnittenen Wahlkreisen, i n denen jetzt eine Mehrheit von Farbigen zu finden war) i n den Rat zu wählen. I n der Entscheidung gab eine fünfköpfige Mehrheit des Burger Court ein weiteres Beispiel für ausgesprochen gerichtspolitisches Verhalten: Sie fand i n der neuen Wahlkreisgrenzziehung keine Verletzung von § 5 Voting Rights Act, da sie die Vorschrift allein von einem Teil der Entstehungsgeschichte her interpretierte, ohne — genau gelesen — die verfassungsrechtlichen Fragen zu entscheiden oder die Vorschrift etwa verfassungskonform auszulegen. Die Justices White, Marshall und Brennan hätten demgegenüber dem district court Recht gegeben, der der Klage gegen die Wahlkreisgrenzziehung von New Orleans stattgegeben hatte. 5. I n Hill ν . Stone (1975, 421 U.S. 289) bestätigte der Supreme Court seine den reapportionment Entscheidungen verwandte, aber auf einer bestimmten Grundrechtstheorie beruhenden Rechtsprechung zum Stimmrecht bei Abstimmungen über Fragen der öffentlichen Verschuldung: Eine Einschränkung des Stimmrechts auf steuerpflichtige Personen ist unzulässig, es sei denn, es lasse sich dafür ein zwingendes einzelstaatliches Interesse (compelling state interest) geltend machen (zuletzt City of Phoenix v. Kolodziejski, 1970). 6. I n Teil I I C 1 zu b) ist kurz auf die Entscheidungen des Supreme Court zu den Verfahren der Nominierung von Wahlbewerbern durch die Parteikonvente eingegangen und die Frage gestellt worden, ob nicht das Entscheidungsverhalten des Supreme Court i n diesen Fällen zu einer neuen political question Kategorie führen wird. Die letzte einschlägige Entscheidung, Cousins v. Wigoda (1975, 419 U.S. 477), läßt die Frage weiterhin unbeantwortet, indem sie nur feststellt, daß aus Grün-
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den der freedom of association die internen Regeln der Gesamtpartei den Vorschriften eines einzelnen Staates über die Auswahl von Parteivertretern i m Nominierungskonvent vorgehen. Außer Justice Powell, der ausdrücklich dem Illinois Appellate Court Recht geben wollte, daß die Demokratische Partei nicht selbst die Auswahl der Vertreter bestimmen und der Bevölkerung Illinois' „aufzwingen" könne, stimmten die übrigen acht Justices i m gegenteiligen Ergebnis überein, wenn auch der Chief Justice und die Justices Rehnquist und Stewart sich gegen eine Reihe weit interpretierbarer Formulierungen i n Justice Brennans Mehrheitsvotum und die Anwendung der Frage verwahrten, ob etwa ein compelling state interest gegeben sei, der die Vereinigungsfreiheit einschränken könnte. Gerade i n der zuletzt wiedergegebenen Entscheidung klingen politikwissenschaftliche Aspekte an, die auch i n diesem Nachtrag wieder unberücksichtigt geblieben sind, obwohl sie sich auch bei der übrigen reapportionment Rechtsprechung immer wieder aufdrängen. Diesem Mangel, der m i r aufgrund von Gesprächen m i t Herrn Prof. Dr. RolfRichard Grauhan i n Bremen während der gesamten Bearbeitung stets schmerzlich bewußt war, w i l l ich wenigstens ansatzweise abhelfen, indem ich die Fragen, vor deren Beantwortung die amerikanischen Gerichte ausgewichen sind, die Grauhan als Politikwissenschaftler aber stellen muß, hier wiedergebe: Stellt der Rekurs des Supreme Court auf die formale Gleichheit der Wählerstimmen nicht eine Gefährdung des amerikanischen politischen Systems dar, das auf der Repräsentation von Interessengruppen basiert? Erfüllt also umgekehrt nicht gerade der Verzicht auf einen „unrestraint egalitarianism", wie ihn Justice Harlan stets forderte und wie i h n der Burger Court heute wieder vorsichtig anzustreben scheint, eine (welche?) wichtige Funktion i n diesem politischen System? Wäre auf lokaler Ebene nicht eine Funktionsanalyse der jeweils betroffenen Verwaltungseinheiten (boards) notwendig, bevor auch für die Wahl ihrer Organe nach absoluter Gleichheit der Größe der Wahlkreise gerufen wird, denn: Eine dezidiert ungleiche Repräsentation von Interessen i n einem board könnte wichtige Funktionen haben für die Legitimation einer sozial selektiven Erbringung von Verwaltungsleistungen? Führt das one man — one vote Erfordernis nicht dazu, das direkte Wahlverfahren zur Besetzung spezialisierter boards abzuschaffen, indem statt dessen ein Ernennungsverfahren eingeführt wird, das an einen generalisierten Konsensbeschaffungsprozeß einer allgemeineren kommunalen Verwaltungseinheit angebunden ist? — Gerade für letztere Fragen bietet sich eine vergleichende Untersuchung der Formen bundesdeutscher Verwaltungslegitimation und Verwaltungsverfahren an, die die von Grauhan angestellten Überlegungen nicht außer acht
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lassen könnte, daß bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, die Auswahlprozesse erfordern, die parlamentarischen Regeln des Widerspruchsrechts und des Minderheitenschutzes auch i n der Verwaltung angewandt werden sollten. Hinweisen möchte ich abschließend auf die m i r nachträglich bekannt gewordene Arbeit von Pierre Vialle (La Cour Suprême et la representation politique aux Etats-Unis, Paris 1972), der i m Anschluß an die Darstellung der wichtigsten reapportionment Entscheidungen einige i m amerikanischen Schrifttum aufgeworfene politikwissenschaftliche Fragen m i t i n die Erörterung der Rechtsprechung einbezieht und i m A n hang eine sehr gute, kommentierte Auswahl aus der umfangreichen politikwissenschaftlichen Literatur zum reapportionment i n den USA trifft.
Literaturverzeichnis I n Nr. 1 - 3 ist n u r die L i t e r a t u r aufgeführt, die ich selbst f ü r die U n t e r suchung ausgewertet habe, während Nr. 4 einige Aufsätze enthält, die m i r i n eine Diskussion über die i n T e i l I V dieser A r b e i t dargelegten Hypothesen einzuführen geeignet erscheinen. Eine i n den Anmerkungen verwendete A b kürzung einer Schrift ist i n K l a m m e r n der Angabe des Werkes hinzugefügt.
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280
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Verzeichnis der Entscheidungen Die Zahlen bezeichnen die Seiten, auf denen die Entscheidung genannt ist. Neben Seitenzahlen sind Fußnoten (n.) regelmäßig dann aufgeführt, w e n n sie über den Quellennachweis hinaus Informationen enthalten. Die Besprechung einer Entscheidung, zu der mei rfach Ausführungen gemacht werden, ist durch Kursivschrift hervorgehoben. Abate ν. M ü n d t : 218 f., 223, 246 A l l w r i g h t : siehe S m i t h v. A l l w r i g h t Anderson v. Jordan: 53 n. 78, 58 ff. Asbury Park Press, Inc. v. Woolley: 63 n. 104 Ashwander v. T.V.A.: 80 n. 48 Associated Enterprises v. Toltec Watershed Improvement District: 220 ff. Attorney General v. Suffolk County Apportionment Commissioners: 35 n. 13 A v e r y v. M i d l a n d County: 22, 143 f f., 147 ff., 152 f., 156 f., 173, 178, 180, 206, 218, 220 f., 237 Badgley v. Hare: 215, 234 η. 14 Baker v. Carr: 21, 58 η. 92, 65 ff., 72, 76, 82, 97, 99 ff., 104 n. 16, 113, 116, 124, 125, 137, 165, 198 n. 18, 217, 233, 235, 250, 254 n. 9, 258 n. 6, 260 Bates v. City of L i t t l e Rock: 177 η. 44
Bode v. National Democratic Party: 168 n. 15 Boineau v. Thornton: 205 f. Brewer v. Gray: 62 η. 100 Brophy v. Suffolk County A p p o r tionment Commissioners: 35 n. 13 Brouwer v. Bronkema: 128 ff., 144
131,
B r o w n v. Board of Education: 20 n. 8, 69, 75 n. 29, 112, 175, 217, 254 n. 9 B r o w n v. Saunders: 39 n. 32 B r y a n t v. Whitcomb: 159 n. 118 Buchanan v. Rhodes: 172 Buckley v. Hoff: 193 η. 1 Bundesverfassungsgericht, v o m 22. 5.1963: 27 η. 23
Beschluß
Burns v. Richardson: 195 f., 199, 203, 211 Butcher v. Rice: 62 n. 100 B u t t e r w o r t h v. Dempsey: 183 n. 9, 184 n. 15, 187 n. 27, 194 n. 3
Barnes ν. Barnett: 62 η. 100 Beadle ν. Scholle: 112 η. 16
Cardona v. Power: 176 f.
Beer v. United States: 269
Carolene Products Co.: siehe US v. Carolene Products Co.
Bergerman v. Lindsay: 148 f. Bianchi: siehe Board of Supervisors v. Bianchi
Carroll v. Becker: 37 n. 24
Blaikie v. Powers: 210
Carter v. Carter Coal Co.: 75 n. 28
Blaikie v. Wagner: 134 n. 36 Board of Supervisors 137 ff., 185 η. 21
Carrington v. Rash: 174 f., 176, 178, 196
v.
Bianchi:
Chisacuye v. Lota: 184 n. 11 Cipriano v. City of Houma: 179 f.
282
Entscheidungsverzeichnis
City of Phoenix v. Kolodziejski: 180, 221 f., 269
East Caroli Parish School Board v. Marshall: 268
Chapman v. Meier: 268
Ellis v. Mayor and City Council of Baltimore: 134, 135, 183 n. 6, 196
Classic: siehe US v. Classic
Ely v. K l a h r : 191, 215 f., 242 η. 38, 245
Cohens v. V i r g i n i a : 73, 78, 81 Colegrove v. Barrett: 51 /., 53, 69
Evans v. Cornman: 174 n. 38
Colegrove v. Green: 21, 36, 40, 41 f f., 47 η. 61, 49 f., 53, 55 ff., 65, 66, 70, 77, 90, 91 ff., 95 η. 100, 97 f., 107, 113, 125, 169, 181, 217, 230 f.
Ferrell v. H a l l : 214
Coleman ν. M i l l e r : 47 η. 60, 89
Flast v. Cohen: 81 n. 52
Connor v. Johnson: 199 ff., 213 η. 9
Fortson v. Dorsey: 142, 198 f., 200, 203 f., 208 η. 49, 209, 211, 219, 244
Connor v. W i l l i a m s : 200 n. 28
Fergus v. Marks: 62 n. 100
Fortson v. Morris: 170 f.
Cousins v. Wigoda: 269 f. Cook v. Fortson: 50/., 57 n. 91, 61, 109 Cooper v. Aaron: 88
Gaffney 249
v. Cummings: 216, 226ff.
Georgia v. National Party: 168 n. 15
Costello v. Rice: 62 n. 100
y
Democratic
Cox v. Peters: 57 f., 58 η. 92, 61, 109
Germano v. K e r n e r : 112 n. 16, 184 n. 12, 185 n. 23
Dallas County v. Reese: 268 f.
Giles v. Harris: 45 n. 52
Daly v. County of Madison: 35 n. 12
Glass v. Hancock: 127 n. 13
Daniels v. Carpentier: 210
Goldblatt v. City of Dallas: 209
Davis v. Cameron: 183 n. 7
Gomillion v. Lightfoot:
Davis v. M a n n : 112 n. 15, 116 n. 33 f. u n d 39, 183 η. 10, 198 η. 17, 258
Gordon v. Lance: 219
η. 6
101, 128, 212, 228
64, 70, 71,
Gordon v. Meeks: 206
Delaware v. New Y o r k et al.: 167 f. Delozier v. Tyrone Board: 136, 151
Area
School
Donovan v. Suffolk County A p p o r tionment Commissioners: 35 n. 13 Dortsch v. L u g a r : 158 n. 116 Douglas v. California: 103 n. 13, 176 n. 41
Gray v. Sanders: 105, 109 f., 115, 136, 137, 165, 167, 170 f., 219, 220, 233 f. G r i f f i n v. Board 126 f., 150
of
Supervisors:
G r i f f i n v. Illinois: 103 n. 13, 176 n. 41
Dred Scott v. Sandford: 75 η. 26
Hadley v. Junior College District: 23, 151 161, 171, 173, 178, 180, 217, 219, 220 f., 224, 238 f., 266
Drew v. Scranton: 184 n. 14, 185 n. 23
H a l l v. Beals: 177 f.
Drueding v. D e v l i n : 177 n. 43
H a m i l t o n v. McKeithen: 147
Dusch v. Davis: 141 ff.
Hanlon v. Towey: 131 n. 24
Dyer v. Kazuhisa: 63
}
147, 166, 208
Harney v. Russo: 147
sverzeichnis
283
Harper v. V i r g i n i a Board of Elections: 175 f., 178, 180
K i r k p a t r i c k v. Preisler: 122 f., 196 f., 222 ff., 225, 227, 234, 265
Harris v. Shanahan: 217 n. 29
Knudson ν. Klevering: 129 η. 20
H a r t m a n n v. City and County Denver: 196 n. 11
of
Koenig v. F l y n n : 37 n. 24
Hartsfield v. Sloan: 61 f., 110
Kolodziejski: siehe City of Phoenix v. Kolodziejski
Hearne v. Smylie: 112 n. 16
Korematsu v. US: 78 n. 42, 86 f.
H i l l v. Davis: 112 n. 16
Kovacs v. Cooper: 96 η. 104
H i U v. Stone: 269
K r a m e r v. Union Free School District: 178 f., 180, 221, 222
Hirabayashi v. US: 78 n. 42
v. McCulloch:
199, 234
Hunter v. City of Pittsburgh: 137, 140
Lassiter v. Northampton Board: 174 n. 37
Election
Iannucci v. Board of 185 n. 21
Lodico v. Board of Supervisors: 133, 219 n. 8
Honey wood v. Rockefeller: 213 n. 9 Hughes v. W M C A : 184 n. 11
Supervisors:
Ince v. Rockefeller: 213 f. In
re Apportionment of Sanilac County: 184 n. 14 u n d 16, 193 η. 34
I n re Apportionment of Senators and Representatives (Oregon) : 63 n. 101
Kruidenier n. 14
Lucas v. Colorado General Assembly: 112 n. 15, 116 f. , 119, 131, 144 L u t h e r v. Borden: 89, 90 Lynch v. Torquato: 136, 167 η. 8
I n re Apportionment of the Michigan Legislature: 215 n. 17
MacDougall v. Green: 42 n. 41, 52 f f., 72, 77 f., 92, 94, 102 f., 106, 113, 164 f., 166, 231, 233
I n re Orans: 184 n. 17
Magraw v. Donovan: 63
I n re Review of Chapter 482, Oregon L a w 1961:63 n. 101
Mahan v. Hume: 39 η. 33
I r i s h v. Democratic Farmer-LaborP a r t y : 167 n. 7, 168 n. 15
Mandicino v. K e l l y : 128 n. 18, 208 f.
Jackman v. Bodine: 194 n. 3
M a r b u r y v. Madison: 21, 73, 78, 81
Johnson v. Genesee County: 132 f., 140
Marshall v. Hare: 112 n. 16
Mahan v. H o w e l l : 222 ff., 227, 248 M a n n : siehe Davis v. M a n n
Johnson v. Stevenson: 56
Martinolich v. Dean: 134 f.
Jones v. Falcey: 215
M a r y l a n d Commission for Fair Representation v. Tawes: 112 n. 15, 116 n. 33
Kentucky v. Denison: 47 n. 60
Massachusetts v. Mellon: 47 n. 60
K i d d v. McCanlass: 53 n. 78, 58 ff., 69
Mathews v. Handley: 62
K i l g a r l i n v. H i l l : 119, 120 f., 199, 224 K i l g a r l i n v. M a r t i n : 215 n. 20
M a u k v. Hoffmann: 131 n. 24 Maxey v. Washington State Democratic Committee: 168 n. 15
284
Entscheidungsverzeichnis
McCulloch v. M a r y l a n d : 75 n. 25
Reed v. M a n n : 198
Meyers v. Thigpen: 112 n. 16
Remmey v. S m i t h : 57
Minnesota State Senate v. Beens: 216
Reynolds v. Sims: 20, 31, 109 n. 1, 112 ff., 117 ff., 128, 129, 142, 146, 156 f., 164, 165, 173, 175, 180, 182, 194, 199, 205, 206 f., 211, 216, 222 ff., 229 η. 45, 234, 235, 248, 258 η. 6
Mississippi v. Johnson: 47 n. 60 Montano v. Lee: 184 η. 20, 209 f. Moody v. Flowers: 137 ff. Moore v. Ogilvie: 165 f., 168 n. 16 Moran v. Bowley: 34 n. 12 Moss v. B u r k h a r d t : 184 n. 18, 186 n. 24 N.A.A.C.P. v. Alabama: 81 n. 54 N i x o n v. Condon: 43 η. 43, 56, 166 η. 6 N i x o n v. Herndon: 43 η. 43, 56, 58 η. 92, 166 η. 6
Reynolds v. State Election Board: 186 n. 24 Robertson v. Gallion: 208 n. 49 Rogers v. State Committee of the Republican P a r t y : 167 n. 9 Roman v. Sincock: 112 n. 15, 114 n. 23, 115 f 223 R o m i t i v. Kerner: 171 f.
Nolan v. Rhodes: 112 η. 16
Sailors v. Board of Education: 139 f., 147, 158 f., 161, 168 η. 15, 239
O'Brian v. B r o w n : 168 f., 235
Salyer L a n d Co. v. Tulare L a k e Basin Storage District: 220 f.
Ohio ex rei. Eaton v. Price: 51 n. 74
Schaefer v. Thomson: 194 n. 2
Otis v. Boyd: 196 n. 11
Schechter Poultry Co. v. US: 75 n. 28
Pacific States Telephone and Telegraph Co. v. Oregon: 47 n. 60, 89 f.
Schwartz v. Board of Aldermen of the City of Paterson: 148
Scholle v. Hare: 62 n. 100
Palmer v. City of Euclid: 81 n. 50 Parsons v. Buckley: 183 n. 10
Scott v. Germano: 185 η. 23 Scranton: siehe D r e w v. Scranton Seaman v. Fedourich: 131, 194 f.
People ex rei. Engle v. Kerner: 185 n. 23
Shalvoy v. Curran: 197
Petuskey v. Clyde: 34 n. 10
Shapiro v. Thompson: 177
Phoenix: siehe City of Phoenix
Shilbury v. Board of 185 n. 21
Pinney v. B u t t e r w o r t h : 112 n. 16, 186 n. 26 Plessy v. Ferguson: 69 η. 1 Preisler v. Secretary of State: 121 n. 55 f .
Supervisors:
Silver v. Jordan: 184 n. 13 Simon v. Lafayette J u r y : 132 n. 30
Parish
Police
Sims v. Baggett: 214 n. 12
Pullock v. Farmers' Loan and Trust Co.: 75 n. 27
Sims v. F r i n k : 184 n. 19
Radford v. Gary: 53 n. 78, 58 ff.
Smiley v. H o l m : 37 ff., 45, 70, 72
Railroad Retirement Board v. A l t o n R. R.: 75 n. 28
S m i t h v. A l l w r i g h t : 56, 58 n. 92, 164, 166 n. 6
Sincock v. Gately: 215
Entscheidungsverzeichnis S m i t h v. Paris: 166 n. 6, 214 S m i t h v. State Executive Committee: 167 η. 7 South v. Peters: 55 ff., 110, 113
70, 72, 109,
T r i a l Lawyers, N . Y . State Associat i o n of . . . , v. Rockefeller: 172 f. T u r m a n v. Duckworth: 50, 51 US v. Anchor Coal Co.: 50 n. 70
State ex rei. Broughton v. Z i m m e r man: 62 η. 100
US v. Carolene Products Co.: 95, 257
State ex rei. Scott v. Masterson: 126
US v. Classic: 56, 58 n. 92, 164, 166 n. 6
State ex rei. Sonneborn v. Sylvester: 130
US v. B u t l e r : 75 n. 28
State v. Cunningham: 33 η. 6
US v. Democratic Executive mittee: 166 n. 6
State v. Myers: 62 η. 100
US v. Vuitch: 81 n. 50
Stokes v. Fortson: 172 Stout v. Bottorff : 184 n. 15, 198 n. 17
Com-
Vigneault v. Secretary of the Commonwealth: 118 n. 46
Strickland v. Burns: 135 f f., 151, 152 Sudekum v. Hayes: 192 n. 33, 193 n. 35 Sullivan v. Alabama State Bar: 173 Swann v. Adams: 112 n. 16, 119 ff., 224, 234
Wells v. Rockefeller: 183 n. 8, 218, 222 Wesberry v. Sanders: 111, 113, 121, 137, 164, 222, 234 Whitcomb v. Chavis: 192 n. 32, 199 ff., 207 f., 211 f., 216, 219, 227 f., 244, 247 White v. Regester: 227 ff.
Taylor v. Beckham: 89
White v. Weiser: 225 f., 227
Tedesco v. Board of Supervisors: 57 n. 89, 124 f., 132
Williams v. Moss: 112 η. 16
Terry v. Adams: 58 n. 92
Williams v. V i r g i n i a State Board of Election: 167 n. 12
Texas v. White: 89 Thompson v. Board of Directors of Turlock I r r i g a t i o n District: 150 f. Thompson v. Zimmerman: 62 n. 100
Williams v. Rhodes: 166 η. 4
Williams v. Wood: 33 n. 6 W M C A v. Lomenzo: 32 n. 38, 112 n. 15, 214 f., 258 η. 6
Toombs v. Fortson: 170
Wood v. Broom: 39 f f., 44, 47, 55 f f., 92, 96, 231
Treiber v. Lanigan: 184 n. 11
W r i g h t v. Rockefeller: 212 f., 234 η. 14