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German Pages 268 [269] Year 2020
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1420
Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Versammlungsfreiheit und Außenpolitik Von Nadine Katharina Preuß
Duncker & Humblot · Berlin
Nadine Katharina Preuß
Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Versammlungsfreiheit und Außenpolitik
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1420
Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Versammlungsfreiheit und Außenpolitik Von
Nadine Katharina Preuß
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen.
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© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15849-2 (Print) ISBN 978-3-428-55849-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im Sommersemester 2019 als Dissertation angenommen. Herzlich danken möchte ich an dieser Stelle meinem Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. Helmut Philipp Aust. Er hat die Dissertation durch kontinuierlichen gedanklichen Austausch über die Arbeit zügig vorangebracht und das Gutachten rasch erstellt. Für seine wertvollen und weiterführenden Hinweise und die ausgesprochen zuverlässige Unterstützung während des Anfertigens der Arbeit bin ich ihm sehr dankbar. Er motivierte mich somit stets, die Arbeit voranzubringen und zu überarbeiten. Dank gilt auch Frau Prof. Dr. Johanna Wolff für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die darin enthaltenen konstruktiven Verbesserungsvorschläge. Die Dissertation wurde durch das Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin gefördert. Für die finanzielle Unterstützung möchte ich mich an dieser Stelle bedanken. Dank gilt auch den freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin, die nicht nur beim Besorgen der Literatur mit Rat und Tat zur Seite standen, sondern darüber hinaus auch immer für eine angenehme Arbeitsatmosphäre gesorgt haben. Meinem Bruder sowie meinen Freundinnen und Freunden möchte ich für die vielen schönen Momente, ihren Zuspruch sowie für die erfrischenden Kaffeepausen und unterhaltsamen Mensa-Besuche danken, die damit meine Promotionszeit zu einer besonders schönen gemacht haben. Die bedingungslose Unterstützung meiner Eltern während meiner gesamten Ausbildung und des Erstellens dieser Arbeit sowie ihr stetes Vertrauen in mich ermöglichten mir erst meinen Weg bis hierher. Stets schenkten sie mir den notwendigen Rückhalt. Ihnen widme ich diese Arbeit voller Dankbarkeit. Berlin, im August 2019
Nadine Katharina Preuß
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung: Einführung in die Problematik und Reaktionen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wahlkampfauftritte ausländischer Regierungsmitglieder im Lichte aktueller Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. OVG Münster, Beschluss vom 29.07.2016 – 15 B 876/16 . . . . . . . . 2. BVerfG, Beschluss vom 08.03.2017 – 2 BvR 483/17 . . . . . . . . . . . . II. Forschungsfragen und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Problematik im Rahmen des Auftritts von Obama am Brandenburger Tor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Verbalnote des Auswärtigen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes als Reaktion in Österreich auf die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Wesentliche Änderungen des Versammlungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neuer Verbotstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verschärfte Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kompetenzrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Schutz der Versammlungsfreiheit in Österreich als Rechtmäßigkeitsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes des Versammlungsgesetzes I. Vorhaben des österreichischen Innenministers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbringung als Initiativantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschussbegutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung des Antrags durch die Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . aa) Zustimmende Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritische Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Formales Zustandekommen des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . (2) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 24 24 25 25 27 30 31 32 33 33 33 33 34 34 35 35 36 36 36 37 38 38 39 39 40 41 41
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Inhaltsverzeichnis (3) Vereinbarkeit mit der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Neue Zuständigkeit der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . (5) Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG . . . . . . . . (6) Ermessensvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Verlängerung der Anzeigefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschussberatungen im Nationalrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Plenarberatungen im Nationalrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weiterleitung an den Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung des Gesetzgebungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kritik durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 6 Abs. 2 Versammlungsgesetz Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 2 Abs. 1 a Versammlungsgesetz Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassende Bewertung durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 3 Die Entscheidung über die Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds aus völker- und verfassungsrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Einreise in einen anderen Staat als Vorgang im Rahmen des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anspruch auf Einreise als allgemeine Regel des Völkerrechts gem. Art. 25 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis von nationalem Recht und Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Modell des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einreiseanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis der Staaten im Lichte ihrer souveränen Gleichheit . . . . 1. Relevanz im vorliegenden Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herleitung und Ausprägungen des Grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruch auf Einreise aus den Rechten der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Geltung der EMRK in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geltungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzbereichseröffnung des Art. 10 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung hinsichtlich des Diplomaten- und Konsularrechts . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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1. Regelungen zum Diplomaten- und Konsularrecht . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Erklärung zur persona non grata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Anspruch auf Nutzung der Konsularräume zum Wahlkampf gem. Art. 5 WÜK? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 B. Abweichende Beurteilung für die Einreise von Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern aus Mitgliedsstaaten der EU? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Qualifikation der Freizügigkeit gem. Art. 21 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Urteil des EuGH vom 16.10.2012, Ungarn ./. Slowakische Republik . . 75 1. Rechtsauffassungen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Das Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs oder Teil der Beschränkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4. Kritik und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung . . . . . . . . . . . 79 I. Einreiseanspruch aus der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Art. 32 Abs. 1 GG als Kompetenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Die auswärtige Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Qualifikation als Kompetenzverteilungsnorm zwischen Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Begriff der auswärtigen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Reichweite des Begriffs der Pflege der Beziehungen . . . . . . . . . . 83 c) Pflege der Beziehungen durch unterstaatliche Akteure . . . . . . . . 86 d) Zwischenergebnis und Einordnung der Entscheidung über die Einreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Organkompetenz der Bundesregierung für die Entscheidung über die Einreise ausländischer Staatsoberhäupter und ihrer Regierungsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Unterscheidung zwischen materieller und formeller Kompetenz im Bereich der Auswärtigen Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Reichweite der Vertretungsbefugnis des Bundespräsidenten . . . . . . . 92 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 IV. Befugnisse der Länder im Rahmen der auswärtigen Beziehungen . . . . 94 1. Vertragsabschlusskompetenz gem. Art. 32 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . 94 2. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Stellungnahme und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
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Inhaltsverzeichnis D. Ergebnis zu § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
§ 4 Relevanz der Grundrechte hinsichtlich einer konkret geplanten Wahlkampfveranstaltung für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundrechtsberechtigung von Ausländern im Rahmen der DeutschenGrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung eines Grundrechtsschutzes für Ausländer aus einem EUMitgliedsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechtsschutz für Nicht-EU-Ausländer im Rahmen der Deutschen-Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Differenzierung nach Art der Deutschen-Grundrechte . . . . . . . . . . . . 2. Der Schutz der politischen Betätigung der Ausländer durch das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reichweite des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . b) Gründe für den Deutschen-Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die politische Betätigung der Ausländer im Lichte der EMRK und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte . . a) Grundsätzliche Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu dem Schutzniveau durch die Grundrechte des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 16 EMRK als Beschränkungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 16 EMRK in der Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . (1) Der Fall Piermont ./. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konsequenzen für den persönlichen Anwendungsbereich des Art. 16 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Fall Perinçek ./. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Kodifizierung eines völkerrechtlichen Grundsatzes – Gründe für die Anwendung des Art. 16 EMRK . . . . . . . . bb) Voraussetzungen und Anwendung der Norm . . . . . . . . . . . . . . (1) Auslegung des Begriffs der politischen Tätigkeit . . . . . . (2) Grenzen der Beschränkungsmöglichkeit nach Art. 16 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . (b) Verhältnis zu Art. 17 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung der Relevanz des Art. 16 EMRK durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschränkungsmöglichkeit der politischen Betätigung der Ausländer in Deutschland auf Grundlage des § 47 AufenthG . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsmäßigkeit der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit mit den Rechten der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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aa) Begriff der politischen Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatbestandsvoraussetzungen für die Untersagung der politischen Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwendung im Rahmen von Wahlkampfauftritten ausländischer Hoheitsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der persönliche Anwendungsbereich im Allgemeinen . . . . . bb) Die entgegenstehende Immunität ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder im Besonderen . . . . . . . . (1) Möglichkeit des Verzichts auf die Immunität . . . . . . . . . (2) Ausnahme bei privaten Besuchen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Telos der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis zu A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter . . . . . . . . . . . I. Grundrechtsberechtigung des deutschen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wesen der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konfusionsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dichotomie von Grundrechtsberechtigung und demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechtsberechtigung des ausländischen Staates und seiner Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechtsschutz für Unternehmen, die von der ausländischen öffentlichen Hand beherrscht werden nach dem Urteil des BVerfG zum Atomausstieg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand in der Literatur vor der Entscheidung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abweichende Beurteilung der Problematik durch den EGMR und den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Relevanz für die Gewährung des Grundrechtsschutzes . . . . . 2. Zwischenergebnis und Konsequenzen für die vorliegende Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundrechtsberechtigung ausländischer Hoheitsträger unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Äußerungsbefugnissen deutscher Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgebliche Kriterien für die Zulässigkeit von Äußerungen . . . . . . a) Das Neutralitätsgebot als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Kriterium der Grundrechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Doppelrolle des Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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149 150 150 151 152
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Inhaltsverzeichnis aa) Einteilung der verschiedenen Sphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgrenzungskriterien und Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . cc) Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit eines Auftritts als Privatperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reine Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Entscheidung Böhmermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewertung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konsequenzen für die Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsoberhäupter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einordnung von Wahlkampfauftritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Politische Auftritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Relevanz des Art. 21 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragbarkeit der Abgrenzungskriterien bei parteipolitischen Auftritten von inländischen Amtsträgern . . . . . . . . . . . . cc) Besonderer Schutz für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeiner Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besonderer Schutz im Rahmen von Besuchen . . . . . . . . . dd) Immunität als Ausschlussgrund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abstellen auf die Funktion der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . ff) Besonderheiten und Parallelen für die Rechte aus der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Zwischenstaatliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere Beurteilung aufgrund der Rechtsprechung des EuGH? . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis zu B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis zu § 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153 153 155 155 155 156 158
§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts . A. Grundrechtsfreier Bereich im Rahmen der auswärtigen Beziehungen nach dem Beschluss des OVG Münster? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung eines grundrechtsfreien Bereichs durch das OVG Münster . . II. Kritik durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kritik hinsichtlich der Schutzbereichsbegrenzung aufgrund der Zusammenschau verfassungsrechtlicher Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik an der Zuordnung zur Außenpolitik des Bundes . . . . . . . . . . . III. Sonstige Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zustimmende Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablehnende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Relevante Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
159 160 161 161 162 163 163 165 167 168 169 170 171 172 172 173
174 175 175 175 177 178 178 178 179 179 180
Inhaltsverzeichnis 1. Mögliche Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Schutzrichtung der Versammlungsfreiheit . . . . . . . . 3. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschiedene Versammlungsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wahlkampfveranstaltung als Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Notwendigkeit der physischen Präsenz der Teilnehmer . . . . . . . . d) Die Problematik des Auftritts eines Redners . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufstellen der Leinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis zu den Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG . . (1) Behandlung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konsequenzen für ein Auftrittsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Überzeugungskraft der Argumentation des OVG Münster . . ee) Notwendigkeit der physischen Anwesenheit . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtfertigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung eines mittelbaren Eingriffs aufgrund von Kompetenzvorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die grundrechtsbeschränkende Wirkung von Kompetenznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Osho-Entscheidung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Übertragbarkeit auf die vorliegende Problematik . . . . . . . . . . b) Rechtfertigungsmöglichkeiten hinsichtlich mittelbarer sowie unmittelbarer Eingriffe in die Versammlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . aa) Einschränkungsmöglichkeiten der Versammlungsfreiheit . . . (1) Wechselwirkungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Versammlungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Besondere Eingriffsschwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gegendemonstrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die versammlungsrechtliche Auflage als mögliche Grundlage eines Auftrittsverbots? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt der Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beurteilung des Auflagenbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigung aufgrund des Konzepts einer transnationalen wehrhaften Demokratie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die transnationale wehrhafte Demokratie . . . . . . . . . . . .
13 180 180 181 181 182 182 183 183 184 185 186 187 188 189 191 191 192 193 194 194 196 196 197 198 198 198 199 199 201 201 202 202 204 205 205
14
Inhaltsverzeichnis (2) Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes und der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Konkrete Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Rechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Übertragbarkeit auf die vorliegende Problematik . . . (3) Überzeugungskraft des Konzepts der transnationalen wehrhaften Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereichseröffnung für das Verbreiten fremder Meinungen . . . 2. Übertragbarkeit auf die vorliegende Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis zu § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erfasste Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aktualität der Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zu berücksichtigende Aspekte beim Verbot eines Wahlkampfauftritts . . . . . I. Völkerrechtliche und grundrechtliche Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkungsmöglichkeiten der politischen Betätigung des Ausländers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gedanke der wehrhaften Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kompetenzrechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit der Bundesregierung im Bereich der Außenpolitik . . 2. Landesrechtliche Zuständigkeit im Bereich des Gefahrenabwehrrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bestehende Rechtslage und ihre Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gefahrenabwehrrechtliche Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . II. § 47 AufenthG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Art. 32 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Art. 16 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verbalnote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff der Note . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf die vorliegende Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Genehmigungsfreiheit im Konsulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbares Gefahrenabwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206 206 208 210 212 213 214 214 217 220 222 222 225 225 225 226 226 227 227 227 228 228 229 229 229 229 230 230 231 232 233 233 234 234 234 235
Inhaltsverzeichnis
15
c) Konsequenzen bei Zuwiderhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Übertragbarkeit der österreichischen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung der wesentlichen Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235 237 237 237 239 241
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. F. AA Abl. Abs. abw. AEUV AfD AfP AG AJIL AKP Alt. AöR APSR Art. ATÖR AufenthG AuslG AuslR AVR BayVBl. Bd. BDGVR BeckOK BeckRS Beschl. v. BGB BGBl. BGBl. Österr. BGH BGHZ BMI
andere Ansicht am angegebenen Ort alte Fassung Auswärtiges Amt Amtsblatt Absatz abweichende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Alternative für Deutschland (Politische Partei) Archiv für Presserecht Aktiengesellschaft American Journal of International Law Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung Alternative Archiv des öffentlichen Rechts American Political Science Review Artikel Assistententagung Öffentliches Recht Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz) Ausländerrecht Archiv des Völkerrechts Bayerische Verwaltungsblätter Band Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Beck’scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung Beschluss vom Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
Abkürzungsverzeichnis BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerfG-K BVerwG B-VG bzw. CMLR CSM d.h. ders. dies. DÖV DR
DVBl. EG EGMR Einl. EJIL EKMR EMRK EMRK/GG Erk. v. EU EuGH EuGRZ EuR EUV EWR EWS f. FAZ ff. FFO FK Fn. FPÖ
17
Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Bundes-Verfassungsgesetz (der Republik Österreich) beziehungsweise Common Market Law Review Convention on Special Missions das heißt derselbe dieselbe(n) Die Öffentliche Verwaltung Decisions and Reports European Commission of Human Rights/ Décisions et Rapports Commission Européenne des Droits de l’Homme Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einleitung European Journal of International Law Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention EMRK/GG Konkordanzkommentar Erkenntnis vom Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht (Zeitschrift) Vertrag über die Europäische Union Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgend Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgend Frankfurt (Oder) Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/ GRC/AEUV Fußnote Freiheitliche Partei Österreichs
18 FreizügG/EU FS GA GAD gem. GG ggf. GK Öffentliches Recht GmbH GmbH & Co. KG GmbH & Co. oHG GMBl. GO-BReg GOG-NR GP GRÜNE GS GVG HGR HRLJ Hrsg. HS. HSOG HStR i. e. S. i. S. d. i. S. e. i. S. v. i.V. m. ICLQ IGH ILC ILR InfAuslR IntKomm EMRK IPbpR
Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz) Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gesetz über den auswärtigen Dienst gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Grundkurs Öffentliches Recht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie offene Handelsgesellschaft Gemeinsames Ministerialblatt Geschäftsordnung der Bundesregierung Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates (der Republik Österreich) Gesetzgebungsperiode Die Grünen – Die Grüne Alternative Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa Human rights law journal Herausgeber Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland im engeren Sinne im Sinne des im Sinne einer im Sinne von in Verbindung mit International & Comparative Law Quarterly Internationaler Gerichtshof International Law Commission International Law Reports Informationsbrief Ausländerrecht Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
Abkürzungsverzeichnis IPwskR
19
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte JA Juristische Arbeitsblätter Jh. Jahrhundert JöR n. F. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Neue Folge JR Juristische Rundschau JRP Journal für Rechtspolitik jurisPR-ITR Juris PraxisReport IT-Recht JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung KJ Kritische Justiz KK-StPO Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung Komm. Kommentar KPD Kommunistische Partei Deutschlands LG Landgericht lit. littera LKV Landes- und Kommunalverwaltung LR-StPO Löwe/Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz Ls. Leitsatz LTO Legal Tribune Online m.w. N. mit weiteren Nachweisen Max Planck UNYB Max Planck Yearbook of United Nations Law MDR Mitteldeutscher Rundfunk MMR MultiMedia und Recht MPEPIL Max Planck Encyclopedia of Public International Law n. F. neue Fassung NEOS Das Neue Österreich und Liberales Forum NJ Neue Justiz NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report NLMR Newsletter Menschenrechte Nomos-BR Nomos-Bundesrecht NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NRW Nordrhein-Westfalen NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungs-Report NWVBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter o. ä. oder ähnliches OBS Otto Benecke Stiftung OLG Oberlandesgericht
20 Österr. VersG OVG ÖVP ÖZP PAG
RdC RdSchr. RGDIP RhPfVerfGH RIW RL Rn. Rs. Rspr. S. s. a. SaarlVerfGH SK-StPO Slg. SN sog. SPÖ SRP StGB StGG StPO StRspr. SZ SZIER ThürVBl. ThürVerfGH TOP u. a. UN Urt. v. US USA VereinsG
Abkürzungsverzeichnis Österreichisches Versammlungsgesetz Oberverwaltungsgericht Österreichische Volkspartei Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz) Recueil des Cours de l’Académie de droit international de La Haye Rundschreiben Revue générale de droit international public Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Rechtssache Rechtsprechung Seite siehe auch Verfassungsgerichtshof des Saarlandes Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung mit GVG und EMRK Sammlung Stellungnahme sogenannt Sozialdemokratische Partei Österreichs Sozialistische Reichspartei Strafgesetzbuch Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (der Republik Österreich) Strafprozessordnung ständige Rechtsprechung Süddeutsche Zeitung Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht Thüringer Verwaltungsblätter Thüringer Verfassungsgerichtshof Tagesordnungspunkt und andere United Nations Urteil vom United States United States of America Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts
Abkürzungsverzeichnis VerfBlog VersG VfGH VfSlg. VG VGH vgl. Vol. VVDStRL WD-BT WRV WÜD WÜK z. B. ZaöRV ZAR Ziff. ZJS ZRP ZUM ZUR
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Verfassungsblog Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) (des Bundes) Verfassungsgerichtshof Österreich Ausgewählte Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes Österreich Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Volume Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Weimarer Reichsverfassung Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen zum Beispiel Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Ziffer Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Umweltrecht
§ 1 Einleitung: Einführung in die Problematik und Reaktionen in Deutschland A. Einleitung Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in Deutschland sind zunächst ein Thema, das politische Brisanz beinhaltet. Insbesondere die Werbung türkischer Politiker für ein Verfassungsreferendum in der Türkei Anfang des Jahres 2017 führte jedoch auch in rechtlicher Hinsicht zu polarisierenden Stellungnahmen: Die Aussage „Auch Erdogan hat Grundrechte“ 1 steht konträr zu der Einschätzung „Erdogan ohne Anspruch“ 2. Dabei scheint viel von der Unterscheidung „Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?“ 3 abzuhängen. Bereits an diesen Titeln zeigt sich, dass die Problematik ganz grundsätzliche rechtswissenschaftliche Fragen wie die Grundrechtsberechtigung dieser völkerrechtlich besonders gestellten Personen aufwirft. Dies ist aber nur eine Dimension der Problematik. Daneben spielen einzelfallbezogene Gefahrenabwehrmaßnahmen eine Rolle, die sich dann auch gegen den Veranstalter des Wahlkampfauftritts richten können und in der Literatur bereits die Frage „Ende des versammlungsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts?“ 4 aufwarfen. Insofern steht die Problematik von Wahlkampfauftritten ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder im Spannungsfeld zwischen Versammlungsfreiheit und Außenpolitik. Diese Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, das Thema hinsichtlich seiner völker- und verfassungsrechtlichen Aspekte zu beleuchten und die verschiedenen Probleme zu systematisieren. Das Zusammenspiel von völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Erwägungen macht die Thematik zu einer äußerst interessanten. Insofern soll die Arbeit dazu dienen, diese hoch politische Problematik zunächst einmal als rechtliches Phänomen zu erfassen. Diese rechtliche Untersuchung soll aber die politische Dimension nicht aus den Augen verlieren. Vielmehr steht die Frage im Raum, ob das aktuelle Anliegen durch unsere Rechtsord1
Gounalakis, FAZ vom 13.04.2017, S. 7. Müller, FAZ vom 07.03.2017, S. 8. 3 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123–156. 4 Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142. 2
24
§ 1 Einleitung
nung erfasst wird und inwiefern den politischen Anliegen durch diese Rechnung getragen wird.
I. Wahlkampfauftritte ausländischer Regierungsmitglieder im Lichte aktueller Rechtsprechung Rechtswissenschaftliche Brisanz bekam die Thematik insbesondere durch zwei Entscheidungen: zum einen den Beschluss des OVG Münster vom 29.07.20165, welcher vom BVerfG6 bestätigt wurde, und zum anderen durch den Kammerbeschluss des BVerfG vom 08.03.20177. 1. OVG Münster, Beschluss vom 29.07.2016 – 15 B 876/16 Die Entscheidung des OVG Münster betraf den Fall, dass dem Veranstalter einer geplanten Versammlung mittels einer versammlungsrechtlichen Auflage untersagt wurde, eine Videoleinwand zur Live-Zuschaltung von nicht anwesenden Mitgliedern der türkischen Regierung aufzustellen. Das VG Köln als erstinstanzlich zuständiges Gericht hat im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Auflage mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass die Leinwand nur zur Vergrößerung von anwesenden Rednern aufgestellt werden darf, da die vom Veranstalter verfolgten Ziele teils nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit erfasst seien, da „das Versammlungsrecht nicht darauf ausgerichtet ist, ausländischen Regierungsmitgliedern oder Staatsoberhäuptern durch Liveübertragungen eine Plattform für politische Stellungnahmen zu bieten“ 8. Diesen Beschluss bestätigte das OVG Münster9 und ergänzte seine Ausführungen dahingehend, dass es keinen grundrechtlich fundierten Anspruch für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder gebe, sich in der Bundesrepublik Deutschland politisch zu positionieren, sondern es sich dabei vielmehr um einen Gegenstand der Außenpolitik des Bundes handele.10 Das BVerfG bestätigte, ebenfalls im Eilverfahren, den Beschluss des OVG Münster, da es – neben der Vollmacht des Vertreters gem. § 22 Abs. 2 S. 2 BVerfGG – offensichtlich an einer Grundrechtsbeeinträchtigung des Antragstellers mangele.11
5
OVG Münster, NVwZ 2017, 648–650. BVerfG, Beschl. v. 30.07.2016 – 1 BvQ 29/16, BeckRS 2016, 49600. 7 BVerfG, NJW 2017, 1166. 8 VG Köln, Beschl. vom 29.07.2016 – 20 L 1790/16, BeckRS 2016, 49551. 9 OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 6. 10 OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 11 ff. 11 BVerfG, Beschluss vom 30.07.2016 – 1 BvQ 29/16, BeckRS 2016, 49600. 6
A. Einleitung
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2. BVerfG, Beschluss vom 08.03.2017 – 2 BvR 483/17 Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bezog sich auf eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung der Bundesregierung, einen Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten in Deutschland nicht zu verbieten.12 Das BVerfG nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an, da eine eigene Betroffenheit der Beschwerdeführerin nicht hinreichend dargelegt worden sei. Weiter führte es aus, dass sich ausländische Staatsoberhäupter oder andere Regierungsmitglieder nicht auf Grundrechte berufen könnten, wenn sie „in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität in Deutschland auftreten“ 13. Vielmehr handele es sich bei einer Untersagung eines Auftritts um eine außenpolitische und zwischenstaatliche Entscheidung.14 Zudem bestehe auch gem. Art. 38 Abs. 1 GG kein Anspruch auf eine Überprüfung der Richtigkeit von Regierungsentscheidungen.15
II. Forschungsfragen und Zielsetzungen In diesen Entscheidungen werden bereits einige zentrale Probleme, die sich im Hinblick auf die Untersagung von Wahlkampfauftritten ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in Deutschland ergeben, angesprochen. Diese werden auch teilweise von der Literatur aufgegriffen. Die erste zentrale Frage betrifft den Einreiseanspruch für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder. Untersucht wird dabei, ob sich ein solcher aus dem Völkerrecht ergeben kann. Die nächste zentrale Frage, die Gegenstand einer Untersuchung sein soll, ergibt sich, wenn sich das Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied bereits im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhält: Kommt diesen Personen eine Grundrechtsberechtigung in Deutschland zu? Dabei müssen verschiedene Rollen berücksichtigt werden. Sie sind zum einen Ausländer, die sich auf Grundrechte berufen. Zum anderen sind sie Organwalter eines ausländischen Staates. All diese Aspekte müssen bei der Frage der Grundrechtsberechtigung Berücksichtigung finden. Oft findet sich in der Literatur hinsichtlich dieser Frage der Hinweis, dass festgestellt werden müsse, ob sie bei Wahlkampfauftritten in der Funktion als Privatperson oder als Amtsträger agieren. Inwiefern dies entscheidend für die Frage der Grundrechtsberechtigung ist, soll Teil der Untersuchung sein. 12 13 14 15
BVerfG, NJW 2017, 1166. BVerfG, NJW 2017, 1166, Rn. 3. BVerfG, NJW 2017, 1166, Rn. 3. BVerfG, NJW 2017, 1166, Rn. 6.
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§ 1 Einleitung
Im Hinblick auf die soeben dargestellte Entscheidung des OVG Münster stellt sich die Frage, ob sich eine Grundrechtsrelevanz der Untersagung eines Wahlkampfauftritts daraus ergibt, dass sie in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit des Veranstalters eingreift. Nach der Entscheidung steht zunächst die Frage im Raum, ob Grundrechte in Fällen, die stark außenpolitisch geprägt sind, überhaupt Anwendung finden oder ob die außenpolitische Dimension so schwer wiegt, dass sie die grundrechtliche ausschließt. Sollte dem nicht so sein, stellt sich die Frage nach der Relevanz der Grundrechte für den Veranstalter des Wahlkampfauftritts. Ist die Bestimmung der Redner, auch wenn es sich dabei um ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder handelt, vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit oder (auch) der Meinungsfreiheit umfasst? An die Ergebnisse der Fragen nach der Grundrechtsberechtigung des ausländischen Staatsoberhaupts und Regierungsmitglieds beziehungsweise des Veranstalters knüpft sich die Frage an, welche Anforderungen an die Rechtsgrundlage, auf die die Entscheidung gestützt wird, gestellt werden sollen. Nicht unberücksichtigt bleiben darf bei der gesamten Problematik auch die Frage der Kompetenzen. Während außenpolitische Entscheidungen von der Bundesregierung getroffen werden, fallen gefahrenabwehrrechtliche Entscheidungen in den Zuständigkeitsbereich der Länder.16 Treffen nun beide Bereiche zusammen, so stellt sich die Frage, wer für die Untersagung eines Wahlkampfauftritts eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds zuständig sein soll. Sollte es sich um eine außenpolitische Maßnahme der Bundesregierung handeln, schlösse das dann ein Handeln von Versammlungsbehörden der Länder aus? Zudem soll die Thematik nicht nur mit Hilfe der Grundrechte des Grundgesetzes erfasst werden, sondern vielmehr auch immer ein Blick auf die Gewährleistungen der EMRK gerichtet werden, die die Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes beeinflussen können.17 Die den Entscheidungen zugrunde liegenden Fälle werfen damit verfassungsrechtliche, völkerrechtliche, gefahrenabwehrrechtliche sowie kompetenzrechtliche Fragen auf. Ziel der Arbeit ist es somit, diese neue Problematik hinsichtlich ihrer völkerund verfassungsrechtlichen Aspekte umfassend zu untersuchen. Die bisherigen Beiträge in der Literatur beleuchten meist nur einen Teil der Problematik oder beziehen sich nur auf eine der beiden eingangs erwähnten Entscheidungen. Dabei soll insbesondere geklärt werden, wem und in welchen Situationen der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes zuteil wird. 16 Siehe zur Kompetenz der Bundesregierung ausführlich unter: § 3 C. II., III. sowie zum Versammlungsrecht unter § 5 B. I. 5. b). 17 Siehe allgemein zur Geltung der EMRK in Deutschland unter: § 3 A. III. 1.
A. Einleitung
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Dabei wird die Überzeugungskraft der soeben dargestellten Entscheidungen ebenso überprüft wie die vorgeschlagenen Lösungsansätze in der Literatur. Dabei wird sich zeigen, ob und inwiefern die bereits bestehenden rechtlichen Mechanismen die Problematik bereits erfassen. Dafür werden die für die Problematik relevanten rechtlichen Aspekte herausgearbeitet. Aufgrund der besonderen politischen Brisanz dieser Thematik soll die Arbeit durch eine rechtspolitische Bewertung abgerundet werden.
III. Gang der Untersuchung Die Problematik der Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in Deutschland ist eine relativ neue Problematik, die, wie bereits dargestellt, eine Vielzahl rechtlicher Fragen mit sich bringt. Die rechtswissenschaftlichen Abhandlungen, die sich mit der Problematik beschäftigen, greifen meist nur einen Ausschnitt der rechtlichen Probleme auf und lassen zudem häufig zentrale Fragestellungen weitgehend offen. Die Untersuchung soll sich im Wesentlichen auf die Frage der Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern in Abgrenzung zu anderen ausländischen Politikern ohne herausgehobenes staatliches Amt beschränken. Das Staatsoberhaupt steht „an der Spitze des Staates“ 18. In der Regel ist das Staatsoberhaupt eine Einzelperson, in seltenen Fällen, wie in der Schweiz der Bundesrat, kann es sich auch um ein Kollegialorgan handeln.19 Wer in einem Staat das Amt des Staatsoberhaupts bekleidet, ergibt sich aus der jeweiligen Verfassung.20 Auch wenn es maßgeblich darauf ankommt, wer tatsächlich die höchste Position im Staat innehat21, soll es in bestimmten Fällen für die Behandlung als Staatsoberhaupt im völkerrechtlichen Verkehr auf die Anerkennung der anderen Staaten ankommen.22 Der Begriff der Regierung kann in einem weiten und einem engen Sinne verstanden werden, wobei ersterer nur den Regierungschef und die Fachminister einschließt, der letztere dagegen auch nachgeordnete hochrangige Staatsvertreter wie Staatssekretäre sowie Referatsleiter in Ministerien 18 Creifelds Rechtswörterbuch, S. 1180; Schmitt Glaeser, in: Tilch/Arloth, Deutsches Rechtslexikon, Bd. 3, S. 3951. 19 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 249 f.; Schmitt Glaeser, in: Tilch/Arloth, Deutsches Rechtslexikon, Bd. 3, S. 3951; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 41. 20 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 250; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 709; s. umfassend zum Begriff des Staatsoberhaupts: Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 88 ff. 21 Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 26, 61, 66; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 709 f.; Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 93; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 43. 22 Vgl. dazu die Entscheidung des US District Court, Southern District of Florida vom 08.06.1990, United States v. Noriega, 746 F.Supp. 1506 (1990), ILR 99, 145–183, Rn. 1519; s. dazu Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 45.
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§ 1 Einleitung
umfasst.23 In dieser Arbeit wird der Begriff des Regierungsmitglieds in dem erstgenannten engen Sinne verwandt. Der Einstieg in die Untersuchung soll durch die politisch motivierten Reaktionen in Deutschland und Österreich auf die Thematik erfolgen. In rechtlicher Hinsicht gilt es dann zu überprüfen, inwiefern sich die Angelegenheit mit grundsätzlichen völker-, verfassungs- und gefahrenabwehrrechtlichen Mechanismen und Tatbeständen erfassen lässt. Hinzu kommen die zwei maßgeblichen Entscheidungen, die soeben vorgestellt wurden und explizit zu der Problematik der Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder ergangen sind. Auch bei diesen steht erneut die Frage im Raum, inwiefern sie sich in die bisherige Rechtsprechung und in das Völker- und Verfassungsrecht einordnen lassen. Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder berühren eine Vielzahl unterschiedlicher rechtlicher Probleme. So vielfältig die aufgeworfenen Probleme sind, so unterschiedlich sind auch die Perspektiven, aus denen heraus die einzelnen Aspekte untersucht werden. Zunächst wird die Behandlung der Thematik in Deutschland durch die Rechtsprechung und die Politik dargestellt (§ 1). Bereichert werden soll die Arbeit durch eine Darstellung der Behandlung der Problematik in Österreich, wo es zu einer Änderung des Versammlungsgesetzes gekommen ist, um solche Auftritte untersagen zu können (unter § 2). Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf den Gesetzgebungsprozess zu dieser Änderung des Versammlungsgesetzes gelegt. An dieser Stelle zeigt sich exemplarisch, inwiefern politische Anliegen in diesem Zusammenhang rechtliche Vorgänge beeinflussen. Sodann widmet sich ein großer Teil der Untersuchung (§ 3) der vornehmlich völkerrechtlich geprägten Problematik der Entscheidung über die Einreise dieser Personen. Bei dieser Frage werden völkerrechtliche Normen insbesondere auf die Qualität einer Anspruchsbegründung für die Einreise untersucht. In verfassungsrechtlicher Hinsicht stehen die Untersuchung der Reichweite von Kompetenznormen des Grundgesetzes und die Einordnung der vorliegenden Problematik im Vordergrund. In diesem Teil soll sich der Frage nach den Kompetenzen für Entscheidungen hinsichtlich der Untersagung von Wahlkampfauftritten ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder angenähert werden. Der folgende Teil (§ 4) untersucht die Relevanz der Grundrechte für das ausländische Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied. Bei dieser Frage gilt es, unterschiedliche Aspekte zu untersuchen. Denn ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder weisen verschiedene Eigenschaften auf: Sie sind Ausländer, die sich nach dem Wortlaut nicht auf Grundrechte des Grundgesetzes be23
Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 711.
A. Einleitung
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rufen können, die den Deutschen vorbehalten sind, zudem sind sie Organwalter eines ausländischen Staates. Daraus ergibt sich folgende Untersuchungsreihenfolge: Zunächst ist der Grundrechtsschutz von Unionsbürgern und Nicht-EUAusländern im Rahmen der Deutschen-Grundrechte zu untersuchen, wobei der Schwerpunkt auf die Grundrechte gelegt wird, die eine politische Betätigung im Bundesgebiet schützen. Dabei sollen auch die Einschränkungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, wobei auch Art. 16 EMRK einer Untersuchung unterzogen wird. Anschließend wird die Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter untersucht. Dies führt zunächst zu grundsätzlichen Fragen nach der Funktion der Grundrechte. Da die ausländischen Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder Vertreter eines ausländischen Staates sind, der nicht an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist, ist zu überprüfen, ob dies ein Aspekt ist, der für die Grundrechtsberechtigung derselben spricht. Dabei gilt es herauszufinden, ob sich aus der Rechtsprechung des BVerfG – maßgeblich könnte das Urteil des BVerfG zum Atomausstieg sein – ein Ansatzpunkt für die Beantwortung der Frage ergibt. Aufgrund der ausführlichen Rechtsprechung der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte in Deutschland zu Äußerungsbefugnissen deutscher Amtsträger ist zu untersuchen, ob die dabei entwickelten Grundsätze auch auf Äußerungen von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern im Wahlkampf in der Bundesrepublik Deutschland übertragbar sind und damit auch Fragen mit völkerrechtlicher Dimension zu lösen vermögen oder zumindest dafür eine Hilfestellung sein können. Dabei wird insbesondere auch der völkerrechtliche Status dieser Personen relevant. In § 3 und § 4 der Arbeit wird sich auch mit dem soeben dargestellten Beschluss des BVerfG auseinandergesetzt, da dieser für die Beantwortung der relevanten Fragen erste Anhaltspunkte gibt. Die grundrechtliche Dimension der Problematik erschöpft sich allerdings nicht in der Frage, ob sich die ausländischen Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder hier auf Grundrechte berufen können. Vielmehr soll auch untersucht werden, ob und in welchen Fällen in die Grundrechte derjenigen, die die Wahlkampfveranstaltung organisieren und den Redner einladen, eingegriffen wird. Dieser Frage widmet sich § 5 der Arbeit. Dabei ist die Untersuchung der Entscheidung des OVG Münster zu der Live-Übertragung via Videoleinwand daraufhin zu untersuchen, ob sie überzeugend einen grundrechtsfreien Bereich für solche Entscheidungen, die dem Bereich des Auswärtigen zuzuordnen sind, konstruiert. Im Mittelpunkt der weiteren Untersuchung steht das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 GG. Relevant wird auch dabei erneut das Verhältnis der Grundrechte zur völkerrechtlichen Dimension der Problematik. Zudem spielt auch die Frage eine Rolle, welche Bedeutung der wehrhaften Demokratie, gegebenenfalls übertragen auf eine transnationale Ebene, im Rahmen der Rechtfertigung eines potentiellen Eingriffs in die Versammlungsfreiheit zukommt. Damit würde eine neue Dimension der wehrhaften Demokratie in der
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§ 1 Einleitung
Hinsicht eröffnet, dass diese sich grundrechtsbeschränkend auch dann auswirkt, wenn eine Bedrohung der Demokratie in anderen Staaten durch eine Versammlung oder eine Meinungskundgabe in der Bundesrepublik Deutschland droht. Insofern gilt es erneut zu überprüfen, inwiefern ganz grundsätzliche verfassungsrechtliche Prinzipien im Rahmen der zu untersuchenden Problematik als Lösungsansätze herangezogen werden können. Das gilt auch für die Frage, ob mittelbare Eingriffe durch Kompetenznormen gerechtfertigt werden können, womit auf eine frühere Entscheidung des BVerfG rekurriert wird und erneut eine Übertragbarkeit zu überprüfen ist. Auch die Schutzbereichseröffnung anderer Grundrechte als die der Versammlungsfreiheit soll untersucht und mit den Gewährleistungen der EMRK abgeglichen werden. Der letzte Teil der Untersuchung (§ 6) stellt dann noch einmal alle relevanten rechtlichen Aspekte zusammen, die bei der Untersagung von Wahlkampfauftritten ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder eine Rolle spielen. Anschließend erfolgt eine Beurteilung, inwiefern die bestehende Rechtslage diese Aspekte berücksichtigt und eine Ermächtigungsgrundlage für eine Untersagung eines Auftritts bietet. Hinsichtlich der Entscheidung des OVG Münster ist insbesondere herauszufinden, inwiefern das Gefahrenabwehrrecht eine geeignete Grundlage darstellt, Untersagungen von Wahlkampfauftritten ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder vorzunehmen. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, ob das Vorgehen in Österreich eine Option ist, die auch den rechtlichen Anforderungen in Deutschland hinreichend Rechnung trägt. Es folgt eine zusammenfassende Bewertung der gesamten Problematik.
B. Die Problematik im Rahmen des Auftritts von Obama am Brandenburger Tor Die Problematik der Genehmigung von Wahlkampfauftritten ist allerdings nicht erst durch die Auftritte des türkischen Staatspräsidenten Erdog˘an im Rahmen seiner Werbung für sein Verfassungsreferendum aufgekommen. Vielmehr gab es bereits im Jahr 2008 Diskussionen, ob der amerikanische Präsidentschaftskandidat Obama in Berlin am Brandenburger Tor auftreten dürfe.24 Auch wenn 24 Siehe z. B. Schmiese, Auch für „Piesepampel“ oder nur für Oberhäupter?, FAZ, 09.07.2008, S. 4 sowie Küpper/Löwenstein/Schmiese, Doppelter Wahlkampf im Herzen Berlin, FAZ, 10.07.2008, S. 3; Augsburger Allgemeine, Möglicher Obama-Auftritt spaltet Berlin, 10.07.2008, online abrufbar unter: https://www.augsburger-allge meine.de/politik/Moeglicher-Obama-Auftritt-spaltet-Berlin-id3892861.html (letzter Zugriff: 02.06.2018); Scharlack, Umstrittener Auftritt in Berlin: Obama perfekt inszenieren?, ntv, 10.07.2008, online abrufbar unter: https://www.n-tv.de/politik/Obama-per fekt-inszenieren-article347599.html (letzter Zugriff: 02.06.2018).
C. Die Verbalnote des Auswärtigen Amtes
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Obama zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht Präsident und auch kein Regierungsmitglied war, wurden bereits in diesem Zusammenhang dieselben problematischen Gesichtspunkte diskutiert, wie sie nun auch wieder aktuell wurden. Das betraf zunächst die Frage, ob Obama vielleicht als Privatperson auftreten würde, da er von den Demokraten noch nicht zum Präsidentschaftskandidaten gekürt worden sei. Eine solche Auffassung lehnte der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Wowereit, jedoch ab.25 Zudem entbrannte ein Streit darüber, ob eine Auftrittsgenehmigung an einem solch symbolträchtigen Ort wie dem des Pariser Platzes gegen die Neutralität der Bunderegierung im US-Wahlkampf verstoßen würde. Bereits im Zusammenhang dieses geplanten Besuchs wies Bundeskanzlerin Merkel darauf hin, dass es ungewöhnlich sei, im Ausland Wahlkampf zu veranstalten. In diese Richtung äußerte sich auch der damalige Kanzleramtsminister de Maizière, der sich gegen die Nutzung des Brandenburger Tors als Wahlkampfkulisse aussprach. Diese solle vielmehr den US-Präsidenten vorbehalten sein. Anderer Auffassung war diesbezüglich der Außenminister Steinmeier, der eine solche Rede als Zeichen einer „lebendigen deutsch-amerikanischen Freundschaft“ sah.26 Auch kompetenzrechtliche Probleme wurden bereits aufgeworfen, indem Merkel darauf verwies, dass der Berliner Senat für die Entscheidung über den Auftrittsort zuständig sei.27 Schließlich sprach Obama vor der Siegessäule in Berlin und nicht vor dem Brandenburger Tor und hat damit wohl auf die Wünsche der Bundeskanzlerin Merkel Rücksicht genommen28 und sich kompromissbereit gezeigt.29
C. Die Verbalnote des Auswärtigen Amtes Als Reaktion auf die wieder aktuell gewordene Problematik der politischen Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder und Staatsoberhäupter in Deutschland entschied sich die Bundesregierung im Jahr 2017 zu einer Regelung auf diplomatischer Ebene. Am 30.06.2017 hat das Auswärtige Amt eine Rundnote an die akkreditierten Botschaften in Deutschland zirkuliert, in der es heißt: 25 Augsburger Allgemeine, Möglicher Obama-Auftritt spaltet Berlin, 10.07.2008, online abrufbar unter: https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Moeglicher-ObamaAuftritt-spaltet-Berlin-id3892861.html (letzter Zugriff: 02.06.2018). 26 Augsburger Allgemeine, Möglicher Obama-Auftritt spaltet Berlin, 10.07.2008, a. a. O. 27 Augsburger Allgemeine, Möglicher Obama-Auftritt spaltet Berlin, 10.07.2008, a. a. O. 28 Siehe Berliner Morgenpost Online, Barack Obama soll an Siegessäule reden, 17.07.2008, online abrufbar unter: https://www.morgenpost.de/berlin/article1021842 60/Barack-Obama-soll-an-Siegessaeule-reden.html (letzter Zugriff: 26.01.2019). 29 FAZ.Net, Obama spricht vor Siegessäule, 18.7.2008, online abrufbar unter: http:// www.faz.net/aktuell / politik/merkel-empfaengt-ihn-im-kanzleramt-obama-spricht-vorsiegessaeule-1670579.html (letzter Zugriff: 26.01.2019).
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§ 1 Einleitung „Auftritte ausländischer Amtsträger bei Veranstaltungen in Deutschland, die sich an Wahlberechtigte des auswärtigen Staates richten, bedürfen der Genehmigung der Bundesregierung. Eine solche Genehmigung ist mindestens zehn Tage vor der Veranstaltung durch Verbalnote an das Auswärtige Amt zu beantragen. Ihre Erteilung erfolgt im Licht der außenpolitischen Beziehungen; sie ersetzt daher auch nicht ordnungsrechtlich notwendige Genehmigungen. Die Auftritte müssen sich im Rahmen der Prinzipien des Grundgesetzes und der deutschen Rechtsordnung, insbesondere des deutschen Versammlungsrechts, halten. Sie dürfen die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährden. Die Genehmigung wird grundsätzlich nicht erteilt, wenn der Auftritt in einem Zeitraum von weniger als drei Monaten vor dem Termin von Wahlen oder Abstimmungen liegt; diese Regelung gilt grundsätzlich nicht für Mitgliedstaaten der Europäischen Union.“ 30
Begründet wurde die Rundnote durch den Sprecher des Auswärtigen Amtes, Schäfer, der darauf hinwies, dass das Recht, in Deutschland als ausländisches Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied politische Stellungnahmen abzugeben, nicht grundrechtlich fundiert sei. Zudem wolle man vermeiden, dass innenpolitische Konflikte aus dem Ausland nach Deutschland hinein getragen werden.31 Mit diesem Argument hatte auch der zu diesem Zeitpunkt amtierende Außenminister Gabriel einen Tag vor der Zirkulation der Rundnote die Anfrage der Türkei bzgl. eines Auftritts des türkischen Präsidenten Erdog˘an in Deutschland abgelehnt.32
D. Resümee Die Problematik, inwiefern ein Staat Wahlkampfauftritte von ausländischen Politikern zulässt, ist bereits seit einigen Jahren in der Diskussion. In jüngster Zeit hat die Problematik Relevanz im Hinblick auf die Frage erlangt, inwiefern ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder zu Wahlkampfauftritten befugt sind. Dies beschäftigte sowohl das BVerfG als auch das OVG Münster in jeweils unterschiedlichen Konstellationen. Die Bundesregierung reagierte mit der Zirkulation einer Rundnote, die die Auftritte nun von ihrer Genehmigung abhängig macht. Damit entschied sie sich für den diplomatischen Weg, um der Problematik zu begegnen.
30 Vgl. Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes vom 30.06.2017, online abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/170630-rundnote-wahlkampfauf tritte/291076 (letzter Zugriff: 31.05.2018). 31 Siehe den Artikel der Bundesregierung vom 30.06.2017, online abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2017/06/2017-06-30-erdogan-g20. html (letzter Zugriff: 02.06.2018). 32 Pressemitteilung des AA vom 29.06.2017, online abrufbar unter: https://www.aus waertiges-amt.de/de/newsroom/170629-bm-tur/291050 (letzter Zugriff: 02.06.2018).
§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes als Reaktion in Österreich auf die Problematik Die Verhinderung von Wahlkampfauftritten löste nicht nur in Deutschland eine politische Diskussion aus, sondern auch in anderen Ländern Europas, wobei insbesondere Österreich durch die Änderung des Versammlungsgesetzes eine bedeutsame Maßnahme ergriff, um ein geeignetes Mittel zur Verhinderung von solchen Auftritten zur Verfügung zu haben.
A. Wesentliche Änderungen des Versammlungsgesetzes Mit dem Ablauf des 22.05.2017 traten weitreichende Änderungen des Österreichischen Versammlungsgesetzes in Kraft1, von denen die bedeutendsten nun im Hinblick auf die dadurch eingetretenen Veränderungen zur vorherigen Rechtslage aufgeführt werden.2
I. Neuer Verbotstatbestand Die wohl bedeutendste Neuerung stellt der neue Verbotstatbestand, der als Abs. 2 des bereits bestehenden § 6 Österr. VersG eingefügt wurde, dar: „Eine Versammlung, die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zuwiderläuft, kann untersagt werden.“ 3 Gemäß § 6 Österr. VersG a. F. war eine Untersagung nur möglich, wenn ihr Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet.
II. Verschärfte Anzeigepflicht Der § 2 Österr. VersG wurde dahingehend geändert, dass die Frist für die Anzeige von 24 auf 48 Stunden verlängert wurde.4 Gemäß dem neu eingefügten § 2 1
Siehe BGBl. für die Republik Österreich Teil I, ausgegeben am 22.05.2017, Nr. 63. Keine Berücksichtigung in der folgenden Untersuchung findet die Einfügung eines neuen § 7 a, der Bestimmungen hinsichtlich eines Schutzbereichs einer Versammlung festlegt. 3 Ziff. 3 BGBl. Österr. I, Nr. 63/2017. 4 Ziff. 1 BGBl. Österr. I, Nr. 63/2017. 2
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
Abs. 1 lit. a Österr. VersG muss auch eine Versammlung angezeigt werden, an der Vertreter ausländischer Staaten, internationaler Organisationen oder andere Völkerrechtssubjekte beabsichtigen, teilzunehmen. Eine solche Anzeige muss bereits eine Woche vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der nach § 16 Österr. VersG zuständigen Behörde gestellt worden sein.5
III. Kompetenzrechtliche Regelungen Hinsichtlich der Kompetenz für eine solche Untersagung legt § 16 Abs. 2 Österr. VersG fest: „In den Fällen des § 6 Abs. 2 obliegt die Untersagung der Versammlung der Bundesregierung, wenn die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten und von Vertretern internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte angezeigt wurde“.6 Die zuständige Behörde war nach § 16 Österr. VersG a. F. entweder die Landespolizeidirektion oder die Bezirksverwaltungsbehörde. In Fällen dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ist jedoch gemäß § 17 Österr. VersG auch jede andere Behörde zur Untersagung oder Auflösung berechtigt. Für die Zuständigkeit hinsichtlich des Vollzugs des Versammlungsgesetzes wurde § 20 Österr. VersG um die Zuständigkeit der Bunderegierung für die Fälle der §§ 6 Abs. 2 i.V. m. 16 Abs. 2 erweitert.7 Der Vollzug des Versammlungsgesetzes oblag nach § 20 Österr. VersG a. F. – mit Ausnahme des § 19 a Österr. VersG – dem Bundesminister für Inneres. Für die Vollziehung des § 19 a Österr. VersG war der Bundesminister für Justiz zuständig.
IV. Der Schutz der Versammlungsfreiheit in Österreich als Rechtmäßigkeitsmaßstab Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ist in Österreich sowohl durch Art. 12 StGG als auch durch Art. 11 EMRK geschützt. In Österreich wurde der Grundrechtskatalog der EMRK in das nationale Recht so integriert, dass diese Grundrechte unmittelbar anwendbares Verfassungsrecht darstellen.8 Das hat insofern unmittelbare Auswirkungen auf die Bestimmung des Schutzbereichs, als Art. 11 EMRK die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit als Jedermann-
5
Ziff. 2 BGBl. Österr. I, Nr. 63/2017. Ziff. 6 BGBl. Österr. I, Nr. 63/2017. 7 Ziff. 6 BGBl. Österr. I, Nr. 63/2017. 8 Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 1172 ff.; im BGBl. für die Republik Österreich 59/1964 wurde die EMRK ausdrücklich mit Verfassungsrang ausgestattet, vgl. den Hinweis bei Berka, Lehrbuch des Verfassungsrechts, Rn. 1174 sowie VfGH 2012, Nr. 19632, 77. Bd. 1. Halbjahr 2012, 212, 219. 6
B. Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes
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Grundrecht ausgestaltet hat und somit den persönlichen Anwendungsbereich gegenüber Art. 12 StGG erweitert.9 Auch für die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Versammlungsfreiheit kommt dem Umstand, dass die EMRK in Österreich Verfassungsrang genießt, Relevanz zu, da sich diese im Rahmen des materiellen Gesetzesvorbehalts aus Art. 11 Abs. 2 EMRK bewegen muss.10 Somit muss die Beschränkung der Versammlungsfreiheit den in Art. 11 Abs. 2 EMRK aufgezählten Zwecken dienen, gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein.11 Die Rechtsgüter, zu deren Schutz die Versammlungsfreiheit nach Art. 11 Abs. 2 EMRK eingeschränkt werden kann, sind restriktiv auszulegen.12 Gemäß dem Erfordernis der Notwendigkeit der Beschränkung in einer demokratischen Gesellschaft muss der Eingriff einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen und angemessen hinsichtlich des verfolgten Ziels sein, wobei eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist.13 Bei Einschränkungen der Versammlungsfreiheit durch die Behörde müssen die Gesetze somit verfassungskonform ausgelegt werden und insbesondere für die Verfolgung der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Zwecke unbedingt erforderlich sein.14 Insofern ist dies auch Maßstab für die rechtliche Beurteilung des neu eingefügten Untersagungstatbestands des § 6 Abs. 2 Österr. VersG.
B. Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes des Versammlungsgesetzes I. Vorhaben des österreichischen Innenministers Im März 2017 kündigte der Österreichische Innenminister Sobotka an, dass er das Österreichische Versammlungsgesetz ändern wolle. Konkret schlug er dabei vor, Folgendes in das Versammlungsgesetz einzufügen: „Mit Zustimmung der Bundesregierung kann in der Zukunft der Innenminister mit Einvernehmen des Außenministers und die gesamte Bundesregierung einem ausländischen Politiker die Teilnahme an einer Veranstaltung, die nicht der Wahl zu einem inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörper dient, untersagen, wenn dies dem Schutz der in der Europäischen Menschenrechtskonvention liegenden Menschen- und 9 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht, Bd. 3, Rn. 42.144; Berka, Lehrbuch des Verfassungsrechts, Rn. 1498. 10 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht, Bd. 3, Rn. 42.144; Berka, Lehrbuch des Verfassungsrechts, Rn. 1507. 11 Siehe Arndt/Engels, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 11 Rn. 11; Berka, Lehrbuch des Verfassungsrechts, Rn. 1507. 12 Arndt/Engels, in: Karpenstein, Mayer, EMRK, Art. 11 Rn. 14. 13 Arndt/Engels, in: Karpenstein, Mayer, EMRK, Art. 11 Rn. 15; s. auch Berka, Lehrbuch des Verfassungsrechts, Rn. 1507. 14 Berka, Lehrbuch des Verfassungsrechts, Rn. 1510.
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
Grundrechte dient“.15 Kurz zuvor hatte Sobotka Einschränkungen des Versammlungsrechts in der Hinsicht angekündigt, dass der Innenminister Entscheidungsgewalt hinsichtlich des Orts der Versammlung haben und einen solchen aufgrund von zu erwartenden Verkehrsbehinderungen und wirtschaftlichen Einbußen der anliegenden Geschäfte verlegen können soll. Des Weiteren sollten sogenannte „Spaßdemos“ verboten werden können.16
II. Gesetzgebungsverfahren Im Folgenden soll das Gesetzgebungsverfahren, an dessen Ende diese Änderungen stehen, betrachtet werden. Dabei wird auf die einzelnen Phasen des Gesetzgebungsverfahrens eingegangen und diese ggf. zunächst verfahrensrechtlich eingeordnet. Anschließend werden die wesentlichen Begründungen beziehungsweise Kritikpunkte der beteiligten Organe in den jeweiligen Phasen dargestellt. 1. Einbringung als Initiativantrag a) Verfahrensrechtliche Einordnung Der Antrag vom 29.03.2017, das Versammlungsgesetz zu ändern, ging auf die Abgeordneten Schabhüttel und Hammer zurück. Es handelte sich damit um einen Initiativantrag gem. § 26 GOG-NR.17 Somit bedurfte es – im Gegensatz zur Ausübung des Initiativrechts durch die Bundesregierung in Form einer Regierungsvorlage18 – keines Begutachtungsverfahrens.19 Insbesondere in eilbedürftigen Fällen wird der Weg eines Initiativantrags gewählt, um das Begutachtungsverfahren, das zeitlich sehr aufwendig ist, nicht durchführen zu müssen.20 Dieses Vorgehen wird daher auch als „verdeckte Regierungsvorlage“ bezeichnet.21 15 Siehe diepresse.com, 07.03.17, Türkische Wahlkampfauftritte: Sobotka will Versammlungsgesetz ändern, online abrufbar unter: https://diepresse.com/home/innen politik/5179526/Tuerkische-Wahlkampfauftritte_Sobotka-will-Versammlungsgesetz-aen dern (letzter Zugriff: 07.06.2018). 16 Zu diesen Vorhaben vgl. orf.at, 02.02.2017, Für Schäden soll gehaftet werden, online abrufbar unter: http://orf.at/stories/2377785/2377867/ (letzter Zugriff: 26.01. 2019). 17 So ausdrücklich der Antrag 2063/A vom 29.03.2017 (XXV.GP), online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_02063/imfname_624902. pdf (letzter Zugriff: 27.01.19). 18 Vgl. dazu Art. 41 Abs. 1 B-VG; s. zu den Initiativberechtigten auch: Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 607; s zu den verschiedenen Formen auch: Pürgy, Parlamentarische Rechtsetzung zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, in: Lienbacher/Pürgy, Parlamentarische Rechtsetzung in der Krise, 15, 16. 19 Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 609. 20 Pürgy, Parlamentarische Rechtsetzung zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, in: Lienbacher/Pürgy, Parlamentarische Rechtsetzung in der Krise, 15, 18; Sickinger, ÖZP 2000, 157, 163; s. a. Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2/2017,
B. Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes
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b) Begründung des Antrags Die Begründung des Antrags zu diesem Änderungsgesetz22 greift viele Aspekte auf, die im Rahmen der Diskussion um die Zulässigkeit von Wahlkampfauftritten eine Rolle spielen. So heißt es zur Begründung der Einfügung des § 2 Abs. 1 lit. a Österr. VersG: „Im Hinblick darauf, dass Österreich auf Grund völkerrechtlicher Verträge zu besonderem Schutz von Vertretern von Völkerrechtssubjekten verpflichtet ist, ist es für die Versammlungsbehörde auch von besonderem Interesse zu wissen, ob Teilnehmer der Versammlung beiwohnen werden, denen gegenüber die Republik eine besondere Schutzpflicht trifft, um entsprechende vorbereitende Maßnahmen treffen zu können.“ 23 Zur Begründung der neuen Ermächtigung zum Verbot einer Versammlung heißt es: „§ 6 Abs. 2 greift die in Art. 16 EMRK vorgesehene Möglichkeit, die politische Tätigkeit von Ausländern bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen, auf.“ Einschränkend wird dann erläutert: „Der Untersagungsgrund [. . .] setzt voraus, dass sich die Versammlung unmittelbar auf politische Vorgänge beziehen muss.“ Weiter lautet die Begründung: „Dabei soll überdies Berücksichtigung finden, dass nicht generell jede Versammlung mit drittstaatsbezogenem politischem Hintergrund untersagt werden kann, sondern nur jene Versammlungen betroffen sein sollen, bei denen Meinungen erörtert und kundgetan werden, die mit den außenpolitischen Interessen, anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den, etwa sich aus der EMRK für Österreich ergebenen Verpflichtungen oder den demokratischen Grundwerten der Republik unvereinbar sind.“ 24 Es folgt ein Hinweis darauf, dass Art. 17 EMRK für die Beurteilung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen herangezogen werden soll. Anschließend wird ohne nähere Erläuterung auf das oben genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen.25 Zur Begründung des § 16 Abs. 2 Österr. VersG führen die Gesetzesinitiatoren aus: „Es wird vorgeschlagen, im Falle einer Untersagung gemäß § 6 Abs. 2 die Zuständigkeit zur Untersagung der Bundesregierung vorzubehalten. Die Einbe-
165, Fn. 3; kritisch dazu, dass auch vorliegend der einfachere Weg des Initiativantrags gewählt wurde: Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2/2017, 165, Fn. 3. 21 Pürgy, Parlamentarische Rechtsetzung zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, in: Lienbacher/Pürgy, Parlamentarische Rechtsetzung in der Krise, 15, 18; Sickinger, ÖZP 2000, 157, 163. 22 Antrag 2063/A, vom 29.03.17 (XXV. GP), online abrufbar unter: https://www. parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_02063/imfname_624902.pdf (letzter Zugriff: 27.01.19). 23 Antrag 2063/A, vom 29.03.17 (XXV. GP), a. a. O., S. 3. 24 Siehe zu der gesamten Begründung zu § 6 Abs. 2 Österr. VersG: Antrag 2063/A, vom 29.03.17 (XXV. GP), a. a. O., S. 3 f. 25 Antrag 2063/A, vom 29.03.17 (XXV. GP), a. a. O., S. 4.
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
ziehung der Bundesregierung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Untersagung einer Versammlung, bei der sich ein Vertreter des öffentlichen politischen Lebens angekündigt hat, von gesamtstaatlicher und insbesondere außenpolitischer Bedeutung ist.“ 26 2. Ausschussbegutachtung Als nächster Schritt im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren erfolgte eine sog. Ausschussbegutachtung. a) Verfahrensrechtliche Einordnung Allerdings ergab sich bei diesem Gesetzgebungsverfahren die Besonderheit, dass der Innenausschuss des Nationalrats, an den der Gesetzesantrag weitergeleitet wurde,27 am 30.03.2017 beschlossen hat, dass eine Ausschussbegutachtung gem. § 40 Abs. 1 GOG-NR in diesem Fall stattfinden soll28, wobei eine Frist von zwei Wochen eingeräumt wurde.29 Die Stellungnahmen sollten auf der Internetseite des Parlaments veröffentlicht werden.30 Das Vorgehen wurde auch von der Opposition kritisiert, die das schnelle Vorgehen nicht für nötig hielt und vielmehr eine längere Begutachtungsphase im Rahmen eines Ministerialentwurfs befürwortete.31 Am 20.04.2017 veröffentlichte der Innenausschuss seinen Bericht, in dem er bekannt gab, dass er den Gesetzentwurf ohne inhaltliche Änderungen beschlossen hat.32
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Antrag 2063/A, vom 29.03.17 (XXV. GP), a. a. O., S. 5. Üblicherweise wird auf die erste Lesung verzichtet und der Gesetzentwurf wird direkt an den zuständigen Ausschuss vom Präsidenten des Nationalrats überwiesen, s. Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 612; so auch hier, s. das Stenographische Protokoll vom 29.03.2017, 172. Sitzung, 25.GP, S. 4, online abrufbar unter: https://www. parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/NRSITZ/NRSITZ_00172/fname_669066.pdf (letzter Zugriff: 08.06.2018). 28 Siehe Ausschussbegutachtung, 5/AUA, online abrufbar unter: https://www.parla ment.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00005/ (letzter Zugriff: 08.06.2018). 29 Vgl. Parl.-Korr.Nr. 360/2017 vom 30.03.2017, online abrufbar unter: https:// www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/PK0360/ (letzter Zugriff: 08.06.2018). 30 Vgl. Parl.-Korr.Nr. 360/2017 vom 30.03.2017, online abrufbar unter: https:// www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/PK0360/ (letzter Zugriff: 08.06.2018); die Stellungnahmen aller Organisationen sind jetzt online abrufbar unter: https://www. parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00005/#tab-Stellungnahmen (letzter Zugriff: 26.01.19). 31 Vgl. Parl.-Korr.Nr. 360/2017 vom 30.03.2017, online abrufbar unter: https:// www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/PK0360/ (letzter Zugriff: 08.06.2018). 32 Siehe Ausschussbericht 1610 der Beilagen zum Stenographischen Protokoll des NR, 25. GP, online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/ I_01610/fname_629471.pdf (letzter Aufruf: 26.01.19). 27
B. Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes
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Dem vorausgegangen waren insgesamt 41 Stellungnahmen verschiedenster Institutionen.33 Außer Betracht bleiben bei der nachfolgenden Darstellung die Begründungen der Kritik zur Erweiterung der Bannmeile in § 7 a Österr. VersG. b) Bewertung des Antrags durch die Stellungnahmen Von den insgesamt 41 abgegebenen Stellungnahmen stimmten 17 dem Änderungsgesetz zu, 16 lehnten es ab, eine lehnte es verbunden mit einem Änderungsvorschlag ab. Änderungsvorschläge lediglich in sprachlicher Hinsicht wurden von zwei Institutionen abgegeben. Von zwei Institutionen wurde der Vorschlag teilweise abgelehnt und teilweise begrüßt. Drei Institutionen äußerten sich inhaltlich gar nicht. aa) Zustimmende Stellungnahmen Zustimmung erfuhr der Änderungsvorschlag vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung34 sowie der Tiroler Landesregierung35, dem Rechnungshof36, dem Österreichischen Städtebund37, der Wirtschaftskammer Österreich38 und dem Österreichischen Gemeindebund39. Insbesondere die Landespolizeibehörden der Republik Österreich befürworteten die Änderung des Versammlungsgesetzes.40 Für die Verlängerung der Anmeldefrist, wie sie der neue § 2 Abs. 1 lit. a Österr. VersG vorsieht, wurde angeführt, dass in Fällen, in denen die genannten Personen beabsichtigen teilzunehmen, die Prüfung, ob ein Eingriff stattfinden darf, wie sie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert, besonders viel Zeit beanspruchen könne.41 Auch wurde auf die besondere Koordinierungsarbeit einer solchen Versammlung hingewiesen.42 33 Siehe die Auflistung der folgenden Stellungnahmen online abrufbar unter: https:// www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00005/#tab-Stellungnahmen (letzter Zugriff: 26.01.19). 34 SN Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, 512/SN sowie SN Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, 518/SN. 35 SN Amt der Tiroler Landesregierung, 478/SN. 36 SN des Rechnungshofs, 504/SN. 37 SN des Österreichischen Städtebundes, 505/SN (mit dem Hinweis, eine Grundrechtsabwägung mit der Eigentums- und Erwerbsfreiheit durchzuführen). 38 SN der Wirtschaftskammer Österreich, 506/SN. 39 SN Österreichischer Gemeindebund, 488/SN. 40 SN Landespolizeidirektion Burgenland, 489/SN; SN der Landespolizeidirektion Oberösterreich, 494/SN; Landespolizeidirektion Kärnten, 495/SN; SN Landespolizeidirektion Salzburg, 479/SN; SN Landespolizeidirektion Vorarlberg, 486/SN; SN Landespolizeidirektion Steiermark, 484/SN; SN Landespolizeidirektion Niederösterreich, 482/SN; SN Landespolizeidirektion Tirol, 473/SN; SN Landespolizeidirektion Wien, 472/SN. 41 SN Landespolizeidirektion Burgenland, 489/SN, S. 1.
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
Für die Einfügung des § 6 Abs. 2 Österr. VersG spreche vor allem der materielle Eingriffsvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 EMRK.43 Zudem wurde begrüßt, dass diese neue Vorschrift ermögliche, dass der Einsatzleiter vor Ort eine Versammlung bei unangemeldeter politischer Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen untersagen kann und kein strafrechtlich relevantes Verhalten mehr erfordert.44 Die Schwelle zum Einschreiten durch einen Verstoß gegen ein Strafgesetz oder die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohls sei nämlich nur selten überschritten, sodass ohne die neue Regelung eine Untersagung in der Regel nicht möglich sei.45 Teilweise wurde auch vertreten, dass der neue Untersagungstatbestand des § 6 Abs. 2 Österr. VersG gar keine Veränderung der bestehenden Rechtslage mit sich bringe, da die dort aufgeführten Belange bereits unter die Begriffe der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohls und damit unter die Einschränkungsmöglichkeit des Art. 11 Abs. 2 EMRK fallen würden.46 Die Zuständigkeit der Bundesregierung für solche Fälle wurde aufgrund der politischen Tragweite einer Untersagung und der möglicherweise eintretenden gesamtösterreichischen Relevanz als „nahezu unerlässlich“ angesehen.47 Die Landespolizeidirektionen Wien und Steiermark regten allerdings an, für die Fälle, in denen die Polizei und nicht die Bundesregierung zuständig ist, da die Teilnahme der Vertreter ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen nicht angekündigt wurde oder diese nicht teilnehmen, die Interessen festzulegen, die bei der Entscheidung der Untersagung zu berücksichtigen sind.48 bb) Kritische Stellungnahmen Die Stellungnahmen, die sich kritisch gegenüber dem Änderungsgesetz zum Versammlungsgesetz äußerten, lassen sich hinsichtlich bestimmter Kritikpunkte systematisieren.
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SN Landespolizeidirektion Kärnten, 495/SN. S. 1. SN der Landespolizeidirektion Burgenland, 489/SN, S. 2. 44 SN Landesdirektion Kärnten, 495/SN, S. 2. 45 SN Landespolizeidirektion Salzburg, 479/SN, S. 2. 46 SN Verein Solidaritätsgruppe – kostenlose Rechtsberatung für sozial Schwächere, 502/SN, S. 2 f. 47 SN Landespolizeidirektion Burgenland, 489/SN, S. 2; ebenfalls auf die politische Relevanz abstellend: z. B. SN Landespolizeidirektion Tirol, 473/SN, S. 2; SN Landespolizeidirektion Steiermark, 484/SN, S. 2; SN Landespolizeidirektion Vorarlberg, 486/ SN, S. 3. 48 SN Landespolizeidirektion Wien, 472/SN, S. 2; SN Landespolizeidirektion Steiermark, 484/SN, S. 2. 43
B. Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes
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(1) Formales Zustandekommen des Gesetzes Hinsichtlich des formalen Zustandekommens des Gesetzes wurde insbesondere die Einbringung als Initiativantrag49 und die kurze Begutachtungsfrist50 kritisch gesehen.51 Es wurde als „undemokratische Vorgehensweise“ bezeichnet.52 Gerade die Einschränkung des politisch so relevanten Grundrechts der Versammlungsfreiheit erfordere einen breiten gesellschaftlichen Diskurs.53 Der Gesetzentwurf wurde auch als „politische Anlassgesetzgebung“ bezeichnet.54 (2) Wortlaut Die zweite wesentliche Kritik wurde dahingehend geäußert, dass der Wortlaut viel zu unbestimmt sei und damit der „Willkür Tür und Tor öffnet“.55 Der weite Interpretationsspielraum und die Notwendigkeit von persönlichen Einschätzungen würden die Vorschrift unrechtmäßig machen.56 Insbesondere die Begriffe der „außenpolitischen Interessen, anerkannten internationalen Rechtgrundsätze[ ] und Gepflogenheiten“ seien zu ungenau.57 Hinsichtlich der „völkerrechtlichen Verpflichtungen“ herrschte Uneinigkeit, ob auch diese Formulierung zu ungenau sei58 oder hinreichend durch die Rechtsprechung konkretisiert sei59. Auch die Umstände, die dazu führen, dass die Versammlung „der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient“, würden unklar bleiben, sodass
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SN mehr demokratie!, 492/SN, S. 3; SN Greenpeace, 485/SN, S. 1. SN Aktive Arbeitslose, 509/SN, S. 1; SN Amnesty International, 481/SN, S. 2; SN Epicenter.works for digital rights*Epizentrum – Plattform für grundrechtsbasierte Zukunftspolitik, 474/SN, S. 8. 51 SN Volkshilfe Österreich, 499/SN. S. 1. 52 SN Greenpeace, 485/SN, S. 1. 53 SN mehr demokratie!, 492/SN, S. 3; s. a. SN Volkshilfe Österreich, 499/SN, S. 1. 54 SN Neue Linkswende, 491/SN, S. 1; „überhastete Anlassgesetzgebung“: SN Aktive Arbeitslose, 509/SN, S. 2; „unüberlegte Anlassgesetzgebung“, SN Greenpeace, 485/SN, S. 1 f.; wohl auch SN Epicenter.works for digital rights*Epizentrum – Plattform für grundrechtsbasierte Zukunftspolitik, 474/SN, S. 8. 55 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 7 („Behördenwillkür“); SN Aktive Arbeitslose, 509/SN, S. 4; SN Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen, 490/SN, S. 1 („Willkür von Regierungen“). 56 SN Volkshilfe Österreich, 499/SN, S. 3; SN Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen, 490/SN, S. 3. 57 SN Ökobüro Allianz der Umweltbewegung, 501/SN, S. 2; s. a. SN Aktive Arbeitslose, 509/SN, S. 4; SN Verein Projektwerkstatt für Umwelt und Soziales, 511/SN, S. 4; SN Greenpeace 485/SN, S. 2 f.; SN Epicenter.works for digital rights, 474/SN. S. 5 (allerdings hält diese die Formulierung der internationalen Rechtsgrundsätze für bestimmt genug). 58 SN Verein Projektwerkstatt für Umwelt und Soziales, 511/SN, S. 4. 59 SN Epicenter.works for digital rights, 474/SN, S. 5. 50
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
auch diese Formulierung zu unbestimmt sei.60 Somit wurde die geplante Gesetzesänderung als „demokratiepolitisch höchst bedenklich“ 61 oder gar als „demokratiepolitisch brandgefährlich“ bezeichnet.62 (3) Vereinbarkeit mit der EMRK Viele Stellungnahmen sahen ein wesentliches Rechtmäßigkeitsproblem des geplanten § 6 Abs. 2 Österr. VersG in der Vereinbarkeit mit Art. 11 Abs. 2 EMRK.63 Denn die Untersagungsgründe im geplanten § 6 Abs. 2 Österr. VersG würden über die in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Voraussetzungen hinausgehen.64 Der Schutz der „außenpolitischen Interessen“ gehe über die von Art. 11 Abs. 2 EMRK erfassten Tatbestände hinaus, was insbesondere daraus folge, dass der Begriff denkbar weit sei und eine Beeinträchtigung bereits dann vorliege, wenn die Handelsbeziehungen geschützt werden sollen oder wenn es darum geht, einen Staatsgast nicht zu verärgern.65 Es wird daher befürchtet, dass der neue Verbotstatbestand dazu führen könnte, dass ausländische Staatsoberhäupter durch Drohungen, die die außenpolitischen Beziehungen empfindlich stören könnten, Versammlungen hier zu Fall bringen könnten.66 Ein solch weitreichender Schutz der Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder, der die Versammlungsfreiheit beschränken könnte, sei jedoch durch den Verfassungsgerichtshof in einem seiner Urteile ausdrücklich abgelehnt worden.67 Damit wird auf die Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs Bezug genommen, die eine gänzliche Untersagung aller geplanten Versammlungen aufgrund einer Gefährdung des Staatsgastes bzw. eines reibungslosen Ablaufs des Staatsbesuchs als unverhältnismäßig ansah.68 Zulässig seien Beschränkungen der Versammlungsfreiheit nur insofern, als konkrete Sicherheitsrisiken für den Staatsgast bestehen.69 Zielen die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen 60 SN Amnesty International, 481/SN, S. 7; SN Epicenter.works for digital rights, 474/SN, S. 5. 61 SN Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen, 490/SN, S. 1. 62 SN Epicenter.works for digital rights, 474/SN, S. 6. 63 So die SN Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen, 490/SN, S. 3; SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaft, 503/SN, S. 5; SN Bundesarbeitskammer, 507/ SN, S. 3; SN Die Österreichischen Rechtsanwälte, 508/SN, S. 4. 64 SN Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen, 490/SN, S. 3; s. a. SN Bundesarbeitskammer, 507/SN, S. 2 f.; SN Die Österreichischen Rechtsanwälte, 508/ SN, S. 4. 65 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaft, 503/SN, S. 5. 66 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaft, 503/SN, S. 5. 67 Vgl. SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaft, 503/SN, S. 5 f. mit Verweis auf VfSlg. 15170/1998. 68 VfGH, VfSlg. 15170/1998, 586 ff. 69 VfGH, VfSlg. 15170/1998, 586, 594, 595.
B. Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes
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aber vielmehr darauf ab, den Gast vor der Konfrontation mit kritischen Meinungen und Demonstrationen zu schützen, so könnten diese nicht mehr auf § 6 Österr. VersG in der verfassungskonformen Auslegung durch Art. 11 Abs. 2 EMRK gestützt werden.70 Auch eine Untersagung einer Versammlung aufgrund der Befürchtung, dass die Versammlung die Zu- und Abfahrt des Staatsgastes behindern könnte71, sei dann nicht notwendig, wenn es durchaus möglich gewesen wäre, auf andere Weise die Zu- und Abfahrt frei zu halten.72 Auch in dieser Entscheidung stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass es bei der Untersagung lediglich um den Schutz des Staatsgastes vor der Gegenüberstellung mit kritischen Meinungen zu seiner Politik gehen würde, welche eine Verletzung der Versammlungsfreiheit aus Art. 12 StGG und Art. 11 EMRK darstelle.73 Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Formulierung im neuen § 6 Abs. 2 Österr. VersG „den demokratischen Grundwerten der Republik Österreich zuwiderläuft“ weit über das nach Art. 17 EMRK Zulässige hinausgehe.74 Dass der neue § 6 Abs. 2 Österr. VersG einen weiteren Anwendungsbereich haben soll, gehe auch aus der Gesetzesbegründung hervor.75 Tatsächlich wird dort Art. 17 EMRK nur in der Weise genannt, dass er bei der Bewertung, ob die Voraussetzungen des Untersagungstatbestands erfüllt sind, Berücksichtigung finden soll.76 Vielmehr sollen nach der Begründung des Änderungsgesetzes Versammlungen von der neuen Vorschrift betroffen sein, bei denen im Vorhinein bekannt ist, welche Botschaften verbreitet werden, weil die „Grundintention der Partei oder des auftretenden Vertreters solche sind, die etwa dem demokratischen Grundverständnis zuwiderlaufen oder mit den in der EMRK grundgelegten Menschenrechten (s. etwa Art. 14 EMRK) nicht vereinbar sind“.77 Dies wird insofern kritisch gesehen, als damit die Möglichkeit geschaffen würde, jegliche Versammlungen, auf denen Meinungen kundgegeben werden, die zwar unbequem sind, jedoch nicht die Schwelle des Strafbaren überschreiten, zu untersagen. Im Angesicht dieser Befürchtung wird die neue Regelung als unverhältnismäßig i. S. d. Art. 11 Abs. 2 EMRK angesehen.78
70 Vgl. VfGH, VfSlg. 15170/1998, 586, 595; so dann auch wortgleich die Entscheidung VfSlg. 15952/2000, 364, 370 (s. dazu sogleich). 71 Siehe die Darstellung in VfGH, VfSlg. 15952/2000, 364, 365. 72 VfGH, VfSlg. 15952/2000, 364, 369. 73 VfGH, VfSlg. 15952/2000, 364, 369 f. 74 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaft, 503/SN, S. 6. 75 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaft, 503/SN, S. 6. 76 Vgl. Antrag 2063/A vom 29.03.2017 (XXV.GP), online abrufbar unter: https:// www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_02063/imfname_624902.pdf (letzter Zugriff: 27.01.19), S. 4. 77 Siehe Antrag 2063/A vom 29.03.2017 (XXV.GP), a. a. O., S. 4; so ähnlich auch die Begründung in der SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 6. 78 Siehe SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 6.
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
Es wird somit vertreten, dass die vorhandenen Beschränkungsmöglichkeiten ausreichen und es keiner weitergehenden Beschränkung mehr bedarf.79 Ein weiterer Kritikpunkt hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Vorschriften der EMRK bezieht sich auf den – auch in der Begründung des Änderungsgesetzes angesprochenen – Art. 16 EMRK. In der Begründung des Antrags werde nämlich nur auf das Schrifttum zu dieser Vorschrift abgestellt, nicht jedoch auf das Urteil des EGMR, Perinçek ./. Schweiz.80 Aufgrund der darin zum Ausdruck kommenden restriktiven Auslegung und dem Erfordernis, dass die politische Aktivität unmittelbar den politischen innerstaatlichen Prozess beeinflussen muss, könne aus Art. 16 EMRK keine solch weitreichende Beschränkungsmöglichkeit hergeleitet werden.81 Lediglich in der Begründung des Entwurfs wird erwähnt, dass sich die Tätigkeit unmittelbar auf politische Vorgänge beziehen muss.82 Es wird aber als notwendig angesehen, dass das Erfordernis dieser direkten Beeinflussung auch im Gesetzestext Niederschlag findet.83 Im Übrigen sei Art. 16 EMRK ohnehin nicht als Rechtfertigung für die Untersagung einer Versammlung heranzuziehen, weil von der Untersagung insbesondere auch österreichische Staatsbürger betroffen seien, da gem. § 8 Österr. VersG nur diese Veranstalter und Leiter einer Versammlung sein dürfen und es zudem unwahrscheinlich sei, dass an einer laufenden Versammlung ausschließlich Drittstaatsangehörige teilnehmen, sodass von einer Auflösung in den meisten Fällen auch österreichische Staatsbürger betroffen seien.84 Daraus folge, dass der Rechtmäßigkeitsmaßstab Art. 11 Abs. 2 EMRK und nicht Art. 16 EMRK sei.85 (4) Neue Zuständigkeit der Bundesregierung So sehr von einigen Stellungnahmen begrüßt wurde, dass aufgrund der besonderen politischen Bedeutung der Untersagungsentscheidung die Bundesregierung zuständig ist, so wird dies von anderen kritisiert. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass eine Spaltung der Zuständigkeiten eintritt, wenn in einigen Fällen, nämlich in solchen, in denen die Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen angekündigt 79 SN Amnesty International, 481/SN, S. 7; SN Die Österreichischen Rechtsanwälte, 508/SN, S. 3. 80 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 4; s. zu diesem noch ausführlich unter § 4 A. II. 3. c) aa) (3). 81 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 4. 82 Siehe Antrag 2063/A vom 29.03.2017 (XXV.GP), a. a. O., S. 3. 83 SN Bundesarbeitskammer (BAK), 507/SN, S. 2; SN Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter, 500/SN, S. 3. 84 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 5; diese Problematik ebenfalls ansprechend: SN Die Österreichischen Rechtsanwälte, 508/SN, S. 4. 85 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 5.
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wurde, die Bundesregierung zuständig ist und in anderen, in denen diese nicht vorher bekannt gegeben wurde oder keine Teilnahme solcher Personen gegeben ist, die Versammlungsbehörden zuständig sind, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Österr. VersG ansonsten vorliegen.86 Diese könnten dann ohne jegliche Entscheidungsgrundlage die Versammlung untersagen.87 Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass die strukturellen Besonderheiten der Bundesregierung für die Entscheidung über die Untersagung einer Versammlung eher ungeeignet seien. Das betreffe vor allem die Konzeption als Kollegialorgan, das nach dem Einstimmigkeitsprinzip entscheidet und darüber hinaus auch die Tatsache, dass die Bundesregierung im Regelfall nur einmal in der Woche zusammentritt.88 Somit wird bezweifelt, dass eine Entscheidung der Bundesregierung überhaupt rechtzeitig eingeholt werden kann.89 Diese Änderung der Zuständigkeit wird daher auch als „unpraktikabel“ bezeichnet und es wird vorgeschlagen, dass die Regierung eine außenpolitische Lagebeurteilung und eine Handlungsanweisung an die Versammlungsbehörden leitet und diese dann auf dieser Grundlage entscheidet.90 Darüber hinaus wird als problematisch angesehen, dass neben die Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz nun auch die Zuständigkeit der Bundesregierung in § 20 Österr. VersG tritt.91 Größte Bedenken werden dahingehend geäußert, dass damit ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip drohe, wenn die Bundesregierung nach ihrem Ermessen die Versammlungen untersagen könnte, da damit der „(partei)politischen Willkür Tür und Tor geöffnet wird“.92 (5) Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG Hinsichtlich der Bezugnahme auf die Entscheidung des deutschen BVerfG in der Begründung des Änderungsgesetzes wird darauf hingewiesen, dass sie für die geplante Gesetzesänderung insofern nicht herangezogen werden könne, als sie sich nur auf Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in amtlicher Eigenschaft bezieht und nicht auf die übrigen Drittstaatsangehörigen.93 Die Untersagungsmöglichkeit, die der neue § 6 Abs. 2 Österr. VersG gewährt, gehe somit 86 SN Ökobüro Allianz der Umweltbewegung, 501/SN, S. 2; SN Verein Projektwerkstatt Umwelt und Soziales, 511/SN, S. 5 f. 87 SN Verein Projektwerkstatt Umwelt und Soziales, 511/SN, S. 6. 88 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 9. 89 SN Die Österreichischen Rechtsanwälte, 508/SN, S. 5. 90 SN Verein Projektwerkstatt für Umwelt und Soziales, 511/SN, S. 3 f. 91 SN Die Österreichischen Rechtsanwälte, 508/SN, S. 5. 92 SN Aktive Arbeitslose Österreich, 509/SN, S. 5. 93 Siehe SN Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter, 500/SN, S. 3; SN Die Österreichischen Rechtsanwälte, 508/SN, S. 3.
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
weit über diese Konstellation hinaus.94 Sollten nur diese von der Vorschrift erfasst werden, hätte dies auch im Gesetzestext Niederschlag finden müssen.95 (6) Ermessensvorschrift Zudem wird darauf hingewiesen, dass der neue § 6 Abs. 2 Österr. VersG Ermessen eröffnet, wohingegen der Abs. 1 eine gebundene Entscheidung vorsieht.96 Es seien aber keinerlei Maßgaben für die Ermessensausübung im Gesetz gegeben.97 (7) Verlängerung der Anzeigefrist Nicht zuletzt wird auch Kritik geübt bezüglich der Verschärfung der Anzeigepflicht, die als Eingriff in die Versammlungsfreiheit nicht gerechtfertigt werden könne.98 Zunächst sei es oft der Fall, dass die Teilnahme einer solchen Person erst kurzfristig angekündigt wird, da es eine spontane Entscheidung ist, wodurch schon die Eignung der Maßnahme zweifelhaft sei.99 Zudem sei die Regelung auch nicht notwendig, da das Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten (BGBl. Österreich 488/1977) sowohl eine besondere Schutzpflicht festlege als auch eine Informationspflicht über den Besuch eines Vertreters seines Staates beinhalte.100 Letztere folge aus Art. 4 lit. b des Übereinkommens.101 Zudem sei die Angemessenheit der Vorschrift nicht gegeben, da die Veranstalter als diejenigen, die sich im Falle einer nicht ordnungsgemäß angezeigten Versammlung mit einer erleichterten Auflösung und gegebenenfalls einer Verwaltungsstrafe konfrontiert sehen, oft keine Kontrolle darüber hätten, ob Vertreter ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen spontan an ihrer Versammlung teilnehmen.102 Insofern werfe das Tatbestandsmerkmal der Beabsichtigung der Teilnahme Auslegungsschwierigkeiten auf, es konterkariere gar den Grundsatz des freien Zugangs zu Versammlungen.103 94
SN Die Österreichischen Rechtsanwälte, 508/SN, S. 3. SN Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter, 500/SN, S. 3. 96 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 7; SN Amt der Kärntner Landesregierung, 475/SN, S. 1. 97 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 7; SN Amt der Kärntner Landesregierung, 475/SN, S. 1. 98 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 2. 99 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 3. 100 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 3. 101 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 3. 102 SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 3; ähnlich auch: SN Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen, 490/SN, S. 2. 103 SN Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen, 490/SN, S. 2. 95
B. Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes
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Auch eine Ungleichbehandlung von Versammlungen aufgrund der Differenzierung nach den inhaltlichen Themen drohe mit dieser Regelung einzutreten. Der auswärtige Bezug von Themen auf Versammlungen nehme jedoch in der vernetzten und sich globalisierenden Welt gerade zu.104 3. Ausschussberatungen im Nationalrat Am 20.04.2017 – und damit nach Einholen der Stellungnahmen – veröffentlichte der Ausschuss für innere Angelegenheiten seinen Bericht, in dem er beantragte, dass der Nationalrat dem Gesetzentwurf, der keinen inhaltlichen Änderungen im Ausschuss für innere Angelegenheiten unterworfen wurde105, zustimmen möge.106 4. Plenarberatungen im Nationalrat Am 26.04.2017 wurde im Rahmen der 175. Sitzung des Nationalrats der Bericht des Ausschusses über innere Angelegenheiten über den Antrag 2063/A als 13. Punkt auf der Tagesordnung im Nationalrat diskutiert.107 Anschließend an die Vorlage des Ausschussberichtes befasste sich erneut das Plenum mit dem Gesetzesentwurf. Die Debatte wurde mit dem Wortbeitrag von Dr. Rosenkranz (FPÖ) eröffnet,108 der feststellte, dass es eine Passage in dem Gesetz gebe, „in der das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird“, womit die weitgehende Untersagungsmöglichkeit gemeint war.109 Er spricht auch die Probleme der verschiedenen Kompetenzen für die verschiedenen Fallkonstellationen an und die Eile, in der das Gesetz verabschiedet werden soll.110
104
SN Netzwerk Kritische Rechtswissenschaften, 503/SN, S. 3 f. Vgl. die Parlamentskorrespondenz Nr. 455/2017 vom 20.04.2017, online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/PK0455/index.shtml (letzter Zugriff: 27.01.19). 106 Siehe Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 2063/ A, 1610 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats XXV.GP, online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_01610/fname _629471.pdf (letzter Zugriff: 27.01.19), S. 5. 107 Vgl. das Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/NRSITZ/NRSITZ _00175/fname_669068.pdf (letzter Zugriff: 27.01.19), S. 206. 108 Siehe zu der Parlamentarischen Debatte auch die Parlamentskorrespondenz Nr. 480/2017 vom 26.04.17, online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/ PR/JAHR_2017/PK0480/ (letzter Zugriff: 27.01.19). 109 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 207. 110 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 207. 105
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
Darauf folgte ein Abänderungsantrag mehrerer Abgeordneter, der allerdings nicht die nötige Mehrheit fand.111 Dieser sah folgende Regelung als § 6 Abs. 2 Österr. VersG vor: „Eine Versammlung, die den politischen Aktivitäten von Drittstaatsangehörigen in ihrem Heimatstaat dient und bei der die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten und von Vertretern internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte angezeigt wurde, und den anerkannten internationalen Rechtgrundsätzen, den völkerrechtlichen Verpflichtungen oder den demokratischen Grundwerten der Republik Österreich zuwiderläuft, kann von der Bundesregierung untersagt werden.“ 112 Damit sollte erreicht werden, dass die Untersagung tatsächlich solche Versammlungen betrifft, bei der ausländische Politiker teilzunehmen beabsichtigen.113 Zudem wurde auch die Untersagungsmöglichkeit bei einem Zuwiderlaufen gegen die außenpolitischen Interessen der Republik Österreich gestrichen. Darauf wies der Abgeordnete Kumpitsch (FPÖ) später ausdrücklich in seinem den Abänderungsantrag befürwortenden Redebeitrag hin und sah darin den „Ausweg aus der Sackgasse“.114 Auch wurde die Zuständigkeit allein der Bundesregierung zugesprochen. Der Abgeordnete Hammer (ÖVP) betonte, dass die Novellierung des Gesetzes dazu diene, die Sicherheit der Teilnehmer wie der Nichtteilnehmer zu gewährleisten. Weiter betonte er, dass Spontanversammlungen auch weiterhin möglich seien. Es solle verhindert werden, dass ausländischer Wahlkampf oder ausländische Konflikte auf österreichischem Boden ausgetragen werden. Es seien darüber hinaus weitere Änderungen des Versammlungsgesetzes geplant.115 Der Abgeordnete Schabhüttl (SPÖ) betonte eingangs seiner Rede die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit für die Sozialdemokraten und die Intention, mehr Rechtssicherheit zu schaffen, ohne das Versammlungsrecht einzuschränken.116 Die Abgeordnete Weis (ÖVP) machte auf die starke Zunahme von Versammlungen und die gestiegene Gewaltbereitschaft aufmerksam, die es erfordere, 111 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 208 f. 112 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 208 (Hervorhebungen hinzugefügt). 113 So der Abgeordnete Dr. Rosenkranz, Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 208. 114 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 223. 115 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 209 ff.; die letzten beiden Punkte stellt auch Schabhüttl in seiner Rede heraus, vgl. Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 214. 116 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 213.
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durch dieses Gesetz den Schutz der Versammlungsfreiheit zu erhöhen sowie die Arbeit der Polizei zu erleichtern.117 Entschieden gegen den Gesetzentwurf wandte sich die Opposition.118 Der Abgeordnete Steinhauser (GRÜNE) sprach von einem „Gummigesetz“, das einen gewichtigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstelle, da eine Vielzahl von Versammlungen nun verboten werden könne.119 Er wies auch auf die Unbestimmtheit des Begriffs der außenpolitischen Interessen hin und die Problematik, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt.120 Auch er wies auf die oben erläuterte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 1998 hin und stellte klar, dass mit dem neuen Gesetz Verbote mit den Erwägungen, die damals zur Untersagung geführt haben, zulässig wären.121 Mag. Kumpitsch, ebenfalls FPÖ-Abgeordneter, führte dem Plenum vor Augen, welch Gefahr der politischen Erpressbarkeit die Möglichkeit der Untersagung aufgrund entgegenstehender außenpolitischer Interessen mit sich bringe.122 Dr. Sherak (NEOS) wies auf die kurze Begutachtungsfrist hin und erinnerte an die teils sehr kritischen Stellungnahmen im Rahmen dieser Begutachtung.123 Auch bleibe vollkommen im Unklaren, welche außenpolitischen Interessen zum jeweiligen Zeitpunkt maßgeblich sein sollten.124 Des Weiteren wurde ein Entschließungsantrag eingereicht, der die Durchführung des türkischen Verfassungsreferendums in Österreich verhindern sollte, der allerdings abgelehnt wurde.125 Schließlich wurde der Gesetzentwurf mit Mehrheit in zweiter Lesung angenommen.126 Es wurde sogleich in die dritte Lesung übergegangen und auch dort erreichte der Gesetzentwurf die notwendige Mehrheit.127 117 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 219. 118 Siehe dazu auch schon den eingangs erwähnten Beitrag von S. 28, Fn. 138. 119 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 211. 120 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 212. 121 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 212. 122 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 223. 123 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 215. 124 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 215 f. 125 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 217 f., 229. 126 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. S. 228 f.
Sitzung, a. a. O., Dr. Rosenkranz, Sitzung, a. a. O., Sitzung, a. a. O., Sitzung, a. a. O., Sitzung, a. a. O., Sitzung, a. a. O., Sitzung, a. a. O., Sitzung, a. a. O., Sitzung, a. a. O.,
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
5. Weiterleitung an den Bundesrat Am 28.04.2017 wurde der Beschluss dem Bundesrat übermittelt. a) Verfahrensrechtliche Einordnung Gemäß Art. 42 Abs. 1 B-VG muss grundsätzlich jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrats unverzüglich dem Bundesrat zugeleitet werden.128 Der Bundesrat hat sich wiederum inhaltlich, in Form von Ausschussberatungen und einer Abstimmung im Plenum mit dem Gesetzesbeschluss zu befassen.129 Zu einem Einspruch des Bundesrates130 bei Einspruchsgesetzen kommt es in der Praxis nur selten, insbesondere wenn sich die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat und im Bundesrat entsprechen.131 b) Inhaltliche Auseinandersetzung Der Gesetzesbeschluss wurde am 28.04.2017 im Bundesrat dem Ausschuss für innere Angelegenheiten des Bundesrates übermittelt. Am 09.05.2017 befasste sich dieser Ausschuss in seiner 9. Sitzung mit dem Gesetzesbeschluss als TOP 1. In seinem Bericht132 stellt der Ausschuss den Antrag, keinen Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrats zu erheben. Am 11.05.2017 setzte der Bundesrat den Beschluss als TOP 4 auf die Tagesordnung seiner 867. Sitzung. Bei dieser Debatte gab es neben der Berichterstattung des Ausschusses133 vier Redebeiträge. Befürwortet wurde der Gesetzentwurf von den Bundesräten Weber (SPÖ) und Mag. Fürlinger (ÖVP), die beide auf die Notwendigkeit einer Novellierung des Versammlungsgesetzes hinsichtlich der Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich hinweisen.134 127 Stenographische Protokoll des Nationalrats, XXV. GP, 175. Sitzung, a. a. O., S. 229; s. auch den Beschluss im Nationalrat, 480/BNR, 1610 der Beilagen XXV. GP – Beschluss NR, online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ BNR/BNR_00480/fname_631243.pdf (letzter Zugriff: 27.01.19). 128 Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 617. 129 Berka, Lehrbuch des Verfassungsrechts, Rn. 618. 130 Siehe dazu: Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 618; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht, Rn. 440. 131 Berka, Lehrbuch des Verfassungsrechts, Rn. 619. 132 Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten, 9786 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates, online abrufbar unter: https://www.par lament.gv.at/PAKT/VHG/BR/I-BR/I-BR_09786/fnameorig_634539.html (letzter Zugriff: 27.01.19). 133 Vgl. Stenographisches Protokoll 867. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich, 11. Mai 2017, online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/ BR/BRSITZ/BRSITZ_00867/fname_669332.pdf (letzter Zugriff: 27.01.19), S. 75. 134 Vgl. für den Redebeitrag Webers: Stenographisches Protokoll 867. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich, 11. Mai 2017, a. a. O., S. 77–79 und für den Redebeitrag Fürlingers: ebd., S. 80 f.
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Ablehnend traten der Bundesrat Herbert (FPÖ) und die Bundesrätin Mag. Dr. Dziedzic (GRÜNE) der Novellierung entgegen.135 Herbert stellte bezüglich der neuen Regelung in § 6 Abs. 2 Österr. VersG, fest: „Der Willkür sind Tür und Tor geöffnet, oder auch: Der politische Missbrauch ist damit eröffnet“.136 Anschließend wurde der Antrag des Ausschusses, keinen Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss einzulegen, mit Stimmenmehrheit angenommen.137 Somit erging ein entsprechender Beschluss.138 Auch zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt wies der Bundesrat dieselben Mehrheitsverhältnisse wie der Nationalrat auf. In ersterem kamen die regierungsbildenden Parteien ÖVP und SPÖ auf 99 der insgesamt 183 Stimmen, im Bundesrat hatten sie zusammen 42 der insgesamt 61 Stimmen inne.139 6. Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens Gemäß Art. 47 Abs. 1 B-VG wird das verfassungsmäßige Zustandekommen des Bundesgesetzes durch den Bundespräsidenten beurkundet, wobei gemäß Abs. 2 die Vorlage durch den Bundeskanzler erfolgt und dieser gemäß Abs. 3 die Beurkundung auch gegenzeichnet.140 Gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG sind die Bundesgesetze vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen, was unverzüglich zu erfolgen hat.141 Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, treten die Gesetze gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft.142 Am 22.05.2017 wurde das Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz von 1953 geändert wird, im Bundesgesetzblatt verkündet und trat mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft.143 135 Vgl. zum Redebeitrag Herberts: Stenographisches Protokoll 867. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich, 11. Mai 2017, a. a. O., S. 75 f. und zum Redebeitrag Dziedzics: ebd., S. 79. 136 Vgl. Stenographisches Protokoll 867. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich 11. Mai 2017, a. a. O., S. 76. 137 Vgl. Stenographisches Protokoll 867. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich 11. Mai 2017, a. a. O., S. 81. 138 Beschluss des Bundesrates, 480/BNR, 1610 der Beilagen XXV. GP – Beschluss BR, online abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BNR/BNR _00480/fname_635402.pdf (letzter Zugriff: 27.01.19). 139 Siehe zur Zusammensetzung des Nationalrats online unter: https://www.parla ment.gv.at/WWER/NR/MandateNr1945/ (letzter Zugriff: 26.01.19); zur Zusammensetzung des Bundesrates online unter: https://www.parlament.gv.at/WWER/BR/Man date1945/ (letzter Zugriff: 26.01.19). 140 Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 626; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht, Rn. 442. 141 Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 627; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht, Rn. 443. 142 Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 632; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht, Rn. 446. 143 BGBl. für die Republik Österreich Teil I, ausgegeben am 22.05.2017, Nr. 63.
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
III. Zusammenfassung des Gesetzgebungsprozesses Das gesamte Gesetzgebungsverfahren nahm lediglich knapp zwei Monate in Anspruch, der Antrag der Abgeordneten datiert vom 29.03.2017 und am 22.05. 2017 wurde das Bundesgesetz bereits kundgemacht. Die Eilbedürftigkeit, die auch im Einbringen als Initiativantrag und in der kurzen Begutachtungsfrist zum Ausdruck kam, wurde auch immer wieder kritisiert. In allen Stationen des Gesetzgebungsverfahrens war dieses Gesetz starker Kritik ausgesetzt, insbesondere die Gefahr von willkürlichen Entscheidungen, die damit einhergeht, wurde immer wieder von verschiedener Seite betont. Dabei entscheidend war meist die allzu schwammige Formulierung der außenpolitischen Interessen, die zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen würde. Insbesondere wiesen viele kritische Stellungnahmen auch darauf hin, dass der Untersagungstatbestand über das nach Art. 11 Abs. 2 EMRK Erforderliche hinaus gehe. Daran anschließend wurde häufig konstatiert, dass dieses neue Gesetz aufgrund der ausreichenden bestehenden Regelungen überflüssig würde. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass der neue Untersagungstatbestand sowohl Konstellationen erfasst, die notwendigerweise untersagt werden müssen, daneben aber auch die Legitimation schafft, Versammlungen zu untersagen, die keine solche Gefahr darstellen, dass sie zwingend zu untersagen wären. Auch wenn dies von den Gesetzesinitiatoren so nicht gedacht war, stellen solche Ermächtigungen immer eine latente Gefahr dar, dass das hohe Gut der Versammlungsfreiheit über Maßen hinaus eingeschränkt werden könnte. Dazu gehört, worauf in der parlamentarischen Debatte im Nationalrat auch hingewiesen wurde, auch die Konstellation, die der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2000 noch als eine unzulässige Beschränkung einordnete. Häufig wird in den Stellungnahmen auch gefordert, dass die Rechtsprechung des EGMR in der Rechtssache Perinçek ./. Schweiz und damit das Erfordernis, dass der politische Prozess direkt betroffen sein muss, Eingang in den Gesetzestext findet. Auch die Spaltung der Zuständigkeiten, einmal der Bundesregierung und einmal der Versammlungsbehörde, stellt einen wesentlichen Kritikpunkt dar.
C. Kritik durch die Literatur In der Literatur wird darauf hingewiesen, welch weitreichende Untersagungsmöglichkeiten das neue Gesetz nun eröffnet, verglichen mit den ursprünglichen Ideen des Innenministers.144 Allerdings fanden die anderen Vorschläge hinsichtlich des Versammlungsgesetzes, zu denen es schon hieß, dass sie „durch und 144
Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, Fn. 7.
C. Kritik durch die Literatur
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durch verfassungswidrig“ seien und die Aufhebung der Demonstrationsfreiheit bedeuten würden145, keinen Niederschlag in der Novelle.146
I. § 6 Abs. 2 Versammlungsgesetz Österreich Insbesondere hinsichtlich des Wortlauts der Vorschrift des § 6 Abs. 2 Österr. VersG und der daraus folgenden Konsequenzen entzündet sich Kritik. Dies betrifft zunächst die Charakterisierung der Versammlung als eine, „die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient“. Denn dies sei sowohl erfüllt, wenn an der Versammlung Drittstaatsangehörige teilnehmen, als auch dann, wenn die Versammlung nur die politischen Angelegenheiten eines Drittstaatsangehörigen betrifft, ohne dass dieser sich in Österreich aufhält.147 Zudem wird auch von der Literatur gefordert, dass die restriktive Auslegung durch den EGMR bzgl. Art. 16 EMRK auch im Gesetzestext Niederschlag findet.148 Aufgrund dieser möglichen weiten Interpretation des § 6 Abs. 2 Österr. VersG wird dann auch – wie bereits in den Stellungnahmen – darauf hingewiesen, dass die Versammlungsuntersagung wohl immer auch österreichische Staatsbürger – sei es als Veranstalter oder als Teilnehmer – treffen würde und somit Rechtmäßigkeitsmaßstab nicht Art. 16 EMRK, sondern Art. 11 Abs. 2 EMRK sein müsse.149 Dessen Voraussetzungen seien aber gerade nicht erfüllt, was insbesondere an dem vagen Untersagungsgrund des Zuwiderlaufens der Versammlung hinsichtlich der außenpolitischen Interessen der Republik Österreich deutlich werde. Dieser Begriff umfasse nämlich gerade Belange, die unter der Schwelle derjenigen Güter zurückbleiben, die nach Art. 11 Abs. 2 EMRK eine Einschränkung rechtfertigen könnten.150 Hinsichtlich des Begriffs der auswärtigen Beziehungen kommt ein weiterer Punkt hinzu, der den Untersagungstatbestand verfassungsrechtlich bedenklich er145 Siehe dazu Kretschmann/Fuchs, Sobotkas Knallbonbons, Augustin, 13.3.2017, online abrufbar unter: https://www.augustin.or.at/zeitung/tun-und-lassen/sobotkas-knall bonbons.html (letzter Zugriff: 26.01.19). 146 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, Fn. 7. 147 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 167 f.; Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versammlungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019). 148 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 167. 149 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 167 f. 150 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 168; Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https:// derstandard.at/2000056612049/Versammlungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019).
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
scheinen lässt. Was unter den außenpolitischen Interessen im jeweils maßgeblichen Zeitpunkt zu verstehen ist, legt die Bundesregierung fest und gerade sie ist es auch, die die Kompetenz verliehen bekommen hat, dann auch über die Untersagung zu entscheiden. Ein solches Vorgehen wird als verfassungswidrig erachtet.151 Der Untersagungstatbestand würde somit zu einer inhaltlichen Kontrolle von Versammlungen führen. Das betreffe nicht nur die Frage, ob die Versammlung außenpolitischen Interessen, sondern auch, ob sie „den demokratischen Grundwerten der Republik Österreich zuwiderläuft“, was nun nicht mehr die Schwelle einer Strafbarkeit, wie in Art. 11 Abs. 2 EMRK gefordert, voraussetze.152 Auch hier wird erneut darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof noch im Jahr 2000 feststellte, dass die Intention, einen Staatsgast nicht zu verärgern, kein Belang sei, der zu einer Beschränkungsmöglichkeit nach Art. 11 Abs. 2 EMRK führen könnte.153 Zudem könnten sich Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgebot aus Art. 18 Abs. 1 B-VG für den Terminus „außenpolitische Interessen“ insbesondere aus dem Zusammenspiel mit der Einräumung von Ermessen bei der Untersagung ergeben.154 Dann wird allerdings davon ausgegangen, dass es doch Fälle geben kann, in denen die Untersagung an den Voraussetzungen des Art. 16 EMRK und nicht an denen des Art. 11 Abs. 2 EMRK gemessen werden könne, und damit Versammlungen untersagt werden könnten, die gemäß Art. 11 Abs. 2 EMRK noch zulässig wären.155 Insofern stellt sich im Anschluss daran die Frage, welche Aktivitäten den erforderlichen unmittelbaren Bezug auf politische Vorgänge erfüllen und somit auch dem Untersagungstatbestand des § 6 Abs. 2 Österr. VersG unterfallen.156 Es gäbe zwei mögliche Konstellationen: Zum einen sollen Fälle erfasst sein, in denen ausländische Politiker für die Politik in ihrem Herkunftsstaat werben, wozu eben auch die Wahlkampfauftritte gehören, und zum anderen solche, bei denen sich die ausländischen Politiker in innere Angelegenheiten des Gaststaates einmischen.157 Eng verbunden mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Österr. VersG ist die neue Zuständigkeitsregelung des § 16 Abs. 2 Österr. VersG, der die Zuständigkeit der Bundesregierung für Fälle festschreibt, in denen die Vorausset-
151 Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versamm lungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019). 152 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 168 f. 153 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 168, Fn. 31. 154 Muzak, MigraLex 2017, 30, 33. 155 Muzak, MigraLex 2017, 30, 33. 156 Muzak, MigraLex 2017, 30, 32 m.w. N. 157 Muzak, MigraLex 2017, 30, 32.
C. Kritik durch die Literatur
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zungen des § 6 Abs. 2 Österr. VersG ebenso vorliegen wie die Anzeige nach § 2 Abs. 1 a Österr. VersG. Damit werde aber die Entscheidung darüber, ob die Versammlung die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Österr. VersG erfüllt, bereits vorweggenommen, worin ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter gesehen wird.158
II. § 2 Abs. 1 a Versammlungsgesetz Österreich In der Literatur wird auch die Verkürzung der Anzeigepflicht in den Fällen des § 2 Abs. 1 a Österr. VersG diskutiert. Dagegen werden verschiedene Einwände vorgebracht. Zunächst bestehe schon eine zwischenstaatliche Informationspflicht aufgrund des Art. 4 lit. b des Übereinkommens über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen, einschließlich Diplomaten.159 Hinzu komme, dass unklar sei, wer überhaupt zu dem dort genannten Personenkreis zu zählen ist und warum nur Versammlungen mit Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen oder eines anderen Völkerrechtssubjekts zu einer solchen verlängerten Frist führen sollen, da doch vielmehr entscheidend sein müsse, wie viele Menschen zu einer Versammlung strömen, unabhängig von der Nationalität oder der Funktion der jeweiligen Person.160 Auch wird grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit der Frist von einer Woche im Lichte des Art. 11 Abs. 2 EMRK in Frage gestellt.161 Hinsichtlich der Auslegung der Norm wird für den Begriff der „Vertreter“ ein über die durch Art. 7 Abs. 2 WÜV erfassten Personen hinausgehendes Verständnis präferiert, das auch andere Organe mit einschließt, die den Staat im Völkerrecht vertreten.162 Auch in diesem Zusammenhang kommt die bereits erläuterte Frage nach der Möglichkeit eines privaten Auftretens eines solchen Vertreters auf.163 Jedoch ist auch hier die Tendenz erkennbar, eher auf ein amtliches als auf ein privates Auftreten abzustellen.164
158
Muzak, migraLex 2017, 30, 35. Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 166, Fn. 18. 160 Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versammlungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019); die Erforderlichkeit der neuen Vorschrift ebenfalls anzweifelnd: Muzak, migraLex 2017, 30, 31. 161 Muzak, migraLex 2017, 30, 34. 162 Muzak, migraLex 2017, 30, 31 mit Verweis auf: Reinisch/Seidl-Hohenverldern/ Hummer/Köck, in: Reinisch, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. I, Rn. 710 ff. sowie Binder/Zemanek, in: Reinisch, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. I, Rn. 250 ff. 163 Muzak, migraLex 2017, 30, 31. 164 Muzak, migraLex 2017, 30, 31. 159
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§ 2 Die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich
Der Begriff der „Teilnahme“ erfordere lediglich die Anwesenheit des Vertreters, er müsse keine leitende Funktion beziehungsweise die eines Redners innehaben.165 Das wohl gewichtigste Argument gegen die Erforderlichkeit dieser Vorschrift ist jenes, dass die Anzeigepflicht die Veranstalter trifft166, die oft nicht wissen können, ob ein solcher Vertreter teilnehmen wird, sich aber bei Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift der Gefahr einer Auflösung der Versammlung oder einer Verwaltungsstrafe gem. § 19 Österr. VersG ausgesetzt sehen.167 Eine solche Konsequenz wäre unverhältnismäßig168 und würde zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Versammlungen führen, die international brisante Themen zum Gegenstand haben.169 Vielmehr wird als milderes Mittel vorgeschlagen, dass nur der betreffenden Person bei Vorliegen bestimmter Umstände die Teilnahme untersagt wird.170
III. Zusammenfassende Bewertung durch die Literatur Zusammenfassend wird festgestellt: „Der Novelle haftet der Geruch des Totalitären an.“ 171 Es wird Unverständnis geäußert, „dass die Parlamentsmehrheit so leichtfertig mit einem hohen demokratischen Gut umgeht“.172 Andere weisen auf den erstaunlichen Umstand hin, dass der österreichische Gesetzgeber auf eine Bestimmung des Völkerrechts zurückgegriffen hat, die 165
Muzak, migraLex 2017, 30, 31. Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versamm lungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019) fragt sich darüber hinaus auch, wen eigentlich die Anzeigepflicht trifft, ob den Organisator oder den Teilnehmer oder beide. 167 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 166 f.; Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versammlungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019); allerdings würde der Verstoß gegen die Anzeigepflicht allein eine Untersagung nicht rechtfertigen, vgl. Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 167, Fn. 19 mit Verweis auf Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, Rn. 1515; Muzak, MigraLex 2017, 30, 31. 168 Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versamm lungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019). 169 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 167. 170 Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versamm lungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019). 171 Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versamm lungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 04.04.2019). 172 Demblin, Versammlungsrecht: Der Geruch des Totalitären, Der Standard.at, 26.04.2017, online abrufbar unter: https://derstandard.at/2000056612049/Versamm lungsrecht-Der-Geruch-des-Totalitaeren (letzter Zugriff am 24.01.2019). 166
D. Zusammenfassung
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nicht nur veraltet sei, sondern auch nicht in das übrige System der EMRK passe und bisher keine Anwendung fand.173 Dies sei ein Griff in die „juristische Mottenkiste“.174 Es zeige sich in den Bestimmungen ein nationalistisches Politikverständnis, da sie zum einen postulieren würden, dass nur die eigenen Staatsbürger als vollwertige politische Akteure gelten, und zum anderen Versammlungen mit grenzüberschreitendem Bezug als den zu begrenzenden Ausnahmefall ansehen.175 Das Gegenteil sei aber heute in der globalisierten Welt, in der die meisten Themen mehrere Staaten betreffen und nur gemeinsam Lösungen gefunden werden können, der Fall.176 Das zeige zudem auch die Tatsache, dass von solchen Untersagungen auch immer österreichische Staatsbürger betroffen sein werden.177 Darüber hinaus bringe die Novelle schwierige Auslegungsprobleme mit sich und erscheine im Hinblick auf das übrige Versammlungsgesetz systemfremd.178 Selbst wenn grundsätzlicher Handlungsbedarf hinsichtlich einer Beschränkung der politischen Aktivität von Ausländern hinsichtlich eines Agierens entgegen der österreichischen Verfassungswerte sowie der innerstaatlichen Einmischung gesehen wird, so sei eine Beschränkung des Versammlungsrechts womöglich keine ausreichende Lösung der Problematik.179
D. Zusammenfassung In Österreich entschloss sich der Gesetzgeber dazu, in einem äußerst schnellen Gesetzgebungsverfahren die Problematik über das Versammlungsrecht zu lösen, indem er einen neuen Verbotstatbestand schuf, der allerdings über die Fälle, in denen die völkerrechtlich besonders gestellten Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder auftreten, hinausgeht. Die tatbestandliche Weite der neuen Vorschrift wird von den stellungnehmenden Organisationen sowie der Literatur kritisch beurteilt. In Österreich kam es mithin als Reaktion auf die Thematik der Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder zu einer Verrechtlichung auf der Ebene des Versammlungsgesetzes. Somit haben die beiden Länder Deutschland und Österreich jeweils unterschiedliche Wege gewählt, mit der Problematik umzugehen. 173 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 169; s. zu der Vorschrift des Art. 16 EMRK noch unten unter § 4 A. II. 3. c). 174 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 168. 175 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 169. 176 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 169. 177 Rössl/Hense-Lintschnig, juridikum 2017, 165, 169 f. 178 Muzak, migraLex 2017, 30, 36. 179 Muzak, migraLex 2017, 30, 36.
§ 3 Die Entscheidung über die Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds aus völker- und verfassungsrechtlicher Perspektive Notwendige Voraussetzung für einen Wahlkampfauftritt ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder ist deren Einreise nach Deutschland. Diese soll zunächst als ein Vorgang im Rahmen des Völkerrechts untersucht werden (dazu A.). Anschließend werden die unionsrechtlichen Gewährleistungen darauf untersucht, ob sie einen Einreiseanspruch für Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union begründen können (unter B.). Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist vor allem relevant, wem die Verbands- und die Organkompetenz für solche Entscheidungen zukommt (s. dazu unter C.).
A. Die Einreise in einen anderen Staat als Vorgang im Rahmen des Völkerrechts In seinem Beschluss vom 08.03.20171 stellt das BVerfG fest, dass Staatsoberhäupter und Mitglieder ausländischer Regierungen weder von Verfassungs wegen noch nach einer allgemeinen Regel des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 GG einen Anspruch auf Einreise in das Bundesgebiet hätten.2 Dabei wurde die Problematik um die Einreise als Vorgang im Völkerrecht schon zu Beginn der Lehren des Völkerrechts unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit der Gastfreundschaft eines Staates und dessen Souveränität erörtert.3 Im 16. Jahrhundert entwickelte Vitoria die Vorstellung von einem ius communicationis als allgemeiner Regel des Völkerrechts, aus der sich ein Recht auf Freizügigkeit ergäbe. Dieser Gedanke wurde dann von Grotius weiterentwickelt.4 Mit dem westfälischen Frieden und der wachsenden Bedeutung der staatlichen Souveränität stellten dann Pufendorf und Wolff vielmehr die Befugnis der Staaten in den Vordergrund, die Einreise verweigern zu können.5 Vattel versuchte, die 1 2 3 4 5
BVerfG, NJW 2017, 1166. Ebd. Chetail, EJIL 27 (2016), 901. Siehe die Darstellung bei Chetail, EJIL 27 (2016), 901, 903 ff. Siehe Chetail, EJIL 27 (2016), 901, 910 ff.
A. Die Einreise als Vorgang im Rahmen des Völkerrechts
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grundsätzliche Freiheit der Bürger, das Land zu verlassen6 auf der einen, mit der Befugnis der Staaten, Ausländern den Zugang zu ihrem Land zu verwehren,7 auf der anderen Seite mit Hilfe des Kriteriums der Notwendigkeit zu vereinen.8 Im Rahmen der vorliegenden Problematik wird die Frage der Einreise für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder erneut relevant. Fraglich ist dabei, ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage ein Anspruch auf Einreise für diese Personen bestehen könnte.
I. Anspruch auf Einreise als allgemeine Regel des Völkerrechts gem. Art. 25 GG Das BVerfG erwähnt ausdrücklich, dass es keine allgemeine Regel des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 GG gibt, die einen Anspruch auf Einreise in einen anderen Staat begründen würde.9 1. Verhältnis von nationalem Recht und Völkerrecht Die Frage, in welchem Verhältnis das nationale Recht und das Völkerrecht stehen, wird mit zwei unterschiedlichen Modellen begründet, dem Monismus und dem Dualismus.10 Vertreter des Monismus gehen von einem einheitlichen Rechtssystem von Völkerrechtsordnung und nationalem Recht aus.11 Der Dualismus dagegen geht von zwei getrennten Rechtsordnungen aus.12 Dem gemäßigten Monismus zufolge ist ein völkerrechtswidriger Rechtsakt so lange wirksam, bis völkerrechtskonforme Zustände hergestellt werden.13 Die Strömung des gemäßigten Dualismus nimmt eine grundsätzliche Trennung der Rechtsordnungen an und geht bei Überschneidungen davon aus, dass diese durch Kollisionsnormen zu beheben sind. Bei fehlenden Kollisionsvorschriften bleibt ein völkerrechtswidriger Rechtsakt wirksam, der Staat ist aber verpflichtet, völkerrechtskonforme Zustände herzustellen.14 Nach einhelliger Auffassung ist der Streit eher theoreti6 Vattel, The Law of Nations, or, Principles of the Law of Nature, Applied to the Conduct and Affairs of Nations and Sovereigns, Book I, Ch. XIX, §§ 221 ff. 7 Vattel, The Law of Nations, or, Principles of the Law of Nature, Applied to the Conduct and Affairs of Nations and Sovereigns, Book II, Ch. VII, § 94. 8 Vattel, The Law of Nations, or, Principles of the Law of Nature, Applied to the Conduct and Affairs of Nations and Sovereigns, Book II, CH. IX, § 119, § 123; s. dazu auch: Chetail, EJIL 27 (2016), 901, 919 ff. 9 BVerfG, NJW 2017, 1166; sich dem anschließend: Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 78; Wolff, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 25 Rn. 3 a. E. 10 Siehe zu dem Streit ausführlich: Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 2–12; Geiger, Staatsrecht III, S. 14 ff.; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 39 ff. 11 Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts, S. 111 ff. 12 Entwickelt von Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, S. 111 ff. 13 Vertreter des gemäßigten Monismus: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 73; s. dazu: Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 44 f. 14 Vgl. Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 49 f.
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
scher Natur, da Monismus und Dualismus in ihrer gemäßigten Strömung jeweils davon ausgehen, dass die Staaten verpflichtet sind, völkerrechtskonforme Zustände herzustellen, solange aber völkerrechtswidrige nationale Rechtsakte fortbestehen können.15 Entscheidend ist, dass es eines Umsetzungsaktes des Völkerrechts ins nationale Recht bedarf, damit es hier innerstaatliche Geltung beanspruchen kann.16 Dafür haben sich drei verschiedene Methoden entwickelt: Nach der Transformationstheorie17 erlässt der nationale Gesetzgeber eine dem Völkerrecht entsprechende Norm. Gemäß der Adoptionstheorie18 finden völkerrechtliche Normen durch die Gerichte im Rahmen einer allgemeinen nationalen Norm im innerstaatlichen Bereich Anwendung. Nach der Vollzugslehre19 bedarf es eines besonderen Geltungsbefehls, wodurch das Völkerrecht in der nationalen Rechtsordnung Wirkung entfalten kann.20 2. Modell des Grundgesetzes Das Grundgesetz differenziert hinsichtlich der Geltung von Völkerrecht im nationalen Recht nach der Art des Völkerrechts.21 Mangels eines eigenen Völkerrechtsbegriffs des Grundgesetzes ist auf die Kodifikation der Völkerrechtsquellen in Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut zurückzugreifen.22 Gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut ist zunächst das Völkervertragsrecht eine Quelle des Völkerrechts.23 Hinzu kommt gemäß Art. 38 lit. b IGH-Statut 15 Geiger, Staatsrecht III, S. 15; Koenig/König, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 25, Rn. 37; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 51; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 14. 16 Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 13. 17 Entwickelt von Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, S. 112; darauf aufbauend eine modifizierte Transformationslehre entwickelnd, die lediglich einen Wechsel der Normadressaten vom Staat als solchem hin zu den Staatsbürgern bzw. den Staatsorganen vornimmt: Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, S. 150 ff., insb. S. 167–171. 18 In der englischen Rechtsprechung entwickelt, s. Nachweise bei Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, S. 151 sowie Walz, Völkerrecht und staatliches Recht, S. 275 ff., der die angelsächsische These des 18. Jh. „international law is part of the common law“ untersucht und einschränkt. 19 Ausdrücklich befürwortet in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 6, 1964, These Nr. 20, S. 162 f.; Bericht von Partsch, ebd., S. 19 ff. 20 Siehe zu einer ausführlichen Darstellung der Theorien: Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 13–18; Geiger, Staatsrecht III, S. 144; Koenig/König, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 25 Rn. 38–44; Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 1 Rn. 47–53; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 786–804. 21 Siehe die Zusammenfassung bei Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 23; s. auch Unterscheidung bei Hofmann, Jura 2013, 326, 328. 22 Koenig/König, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 25, Rn. 19; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 28. 23 Doehring, Völkerrecht, Rn. 272.
A. Die Einreise als Vorgang im Rahmen des Völkerrechts
61
das Völkergewohnheitsrecht, welches durch eine allgemeine Übung (consuetudo) als objektive Komponente und einer in Übereinstimmung mit der Übung bestehende Rechtsüberzeugung (opinio iuris) als subjektive Komponente entsteht.24 Weitere Rechtsquelle des Völkerrechts sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze (Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH Statut) und damit Grundsätze, welche in allen nationalen Rechtsordnungen entsprechend zu finden und auf das Völkerrecht übertragbar sind.25 Art. 25 S. 1 GG legt für die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ fest, dass diese Bestandteil des Bundesrechts sind. Darunter fallen als Quellen des Völkerrechts sowohl das Völkergewohnheitsrecht26 als auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze.27 Art. 25 S. 1 GG führt eine unmittelbare Geltung des allgemeinen Völkerrechts in der deutschen Rechtsordnung ohne weiteren Vollzugsakt herbei, wobei es sich um eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden allgemeinen Regeln des Völkerrechts handelt.28 Im Gegensatz zum übrigen Völkerrecht bedarf es für die Inkorporierung dieser keines selbstständigen Rechtsanwendungsbefehls, dieser liegt mit Art. 25 S. 1 GG vielmehr generell vor.29 Art. 25 GG legt in S. 2 HS. 1 fest, dass das Völkerrecht Vorrang vor einfachen nationalen Gesetzen hat.30 Rechtsprechung31 und herrschende Lehre32 nehmen einen Rang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts über dem innerstaatlichen einfachen Recht und unter dem Verfassungsrecht an.
24
Herdegen, Völkerrecht, § 16 Rn. 1. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 25 Rn. 10; Koenig/König, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 25, Rn. 26; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 34. 26 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 25 Rn. 8; Koenig/König, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 25, Rn. 20; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 32. 27 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 25 Rn. 10; Koenig/König, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 25, Rn. 26; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 34. 28 Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 25 f.; Koenig/König, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 25, Rn. 45. 29 BVerfGE 46, 342, 363: „genereller Rechtsanwendungsbefehl“; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 25, Rn. 3; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 38 („verfassungsrechtlicher Vollzugsbefehl“); anders dagegen: Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, S. 262, der von einem „generellen Transformator“ spricht. 30 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 93. 31 BVerfGE 6, 309, 363; 37, 271, 278 f.; 111, 307, 318; 141, 1, 17, Rn. 41. 32 Geiger, Staatsrecht III, S. 153; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 25, Rn. 78; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 25 Rn. 11; Hofmann, in Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, Art. 25 Rn. 23; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 25 Rn. 18; Koenig/König, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 25 Rn. 55 f.; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 25 Rn. 55 (der jedoch einen Verfassungsrang von ius cogens annimmt); Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 3 Rn. 30; Schmahl, in: Sodan, GG, Art. 25 Rn. 12; Wollenschläger in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 25 Rn. 30; a. A. (für eine Ranggleichheit mit dem GG): Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 37; Cremer, in: HStR, Bd. XI, § 235, Rn. 27; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 90. 25
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
3. Einreiseanspruch Bezüglich eines Einreiseanspruchs in einen anderen Staat ist im Anschluss an die Aussage des BVerfG33 Folgendes festzuhalten: Nach allgemeinem Völkerrecht kann jeder Staat darüber entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen er Ausländern die Einreise gewährt.34 Ein Anspruch des Einzelnen auf Einreise in einen fremden Staat besteht nach dem Völkerrecht nicht.35 Nach Völkergewohnheitsrecht besteht allerdings die Pflicht eines Staates, den eigenen Staatsangehörigen die Einreise zu gewähren.36 Das legt zudem Art. 12 Abs. 4 IPbpR fest, der die willkürliche Verweigerung der Einreise in das eigene Land untersagt.37 Hinzu kommt das Recht, dass es jeder Person freisteht, jedes Land, einschließlich des eigenen, zu verlassen, was in Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten38 sowie in Art. 12 Abs. 2 IPbpR geregelt ist.39 Ein Recht, in ein bestimmtes Land einzureisen, wird darin allerdings nicht festgeschrieben.40
II. Das Verhältnis der Staaten im Lichte ihrer souveränen Gleichheit 1. Relevanz im vorliegenden Fall In seinem Beschluss zum Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten in Deutschland stellt das BVerfG fest, dass die Versagung oder Genehmigung des Auftritts gegenüber einem ausländischen Staatsoberhaupt oder Regierungsmit33
Siehe dazu bereits oben, § 3 A. I. Doehring, Völkerrecht, Rn. 853; Hailbronner/Gogolin, Aliens, in: MPEPIL, Bd. I, Rn. 14; Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 284; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 1210. 35 Doehring, Völkerrecht, Rn. 853 f.; s. a. Klein, Movement, Freedom of, International Protection, in: MPEPIL, Bd. VII, Rn. 1. 36 Doehring, Völkerrecht, Rn. 853; Klein, Movement, Freedom of, International Protection, in: MPEPIL, Bd. VII, Rn. 2. 37 Da es sich bereits um Völkergewohnheitsrecht handelt, hat die Vorschrift nur deklaratorischen Charakter, vgl. Doehring, Völkerrecht, Rn. 853, Fn. 2. 38 Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind. 39 Zur Relevanz dieser Vorschriften für die internationale Praxis und die dazu ergangene Rechtsprechung s. Klein, Movement, Freedom of, International Protection, in: MPEPIL, Bd. VII, Rn. 20–24. 40 S. a. WD-BT, Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Deutschland und in den Niederlanden im Lichte des Völkerrechts, 23.03.17, Az. WD 2 – 3000 – 035/17, S. 8, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/501258/572022f 44597dacdf3652b4cbff9aeec/wd-2-035-17-pdf-data.pdf (letzter Zugriff: 23.01.2019). 34
A. Die Einreise als Vorgang im Rahmen des Völkerrechts
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glied dem Bereich der Außenpolitik zuzuordnen sei, in dem sich die deutsche und die türkische Regierung auf der Grundlage des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten gemäß Art. 2 Abs. 1 UN-Charta begegnen würden.41 2. Herleitung und Ausprägungen des Grundsatzes Die Souveränität der Staaten kommt in der inneren Souveränität als Hoheitsgewalt eines Staates über seine Bürger42 sowie in der äußeren Souveränität als dem Privileg, sich keiner anderen staatlichen Autorität unterwerfen zu müssen43, zum Ausdruck.44 Der Staat untersteht nur dem Völkerrecht und ist damit völkerrechtsunmittelbar.45 Rechte, die aus der Souveränität erwachsen, sind insbesondere die Gebiets- und Personalhoheit, die Vermutung der Rechtmäßigkeit von Hoheitsakten eines Staates, die verfassungsmäßige und organisatorische Unabhängigkeit, die auch das Recht auf Selbstbestimmung umfasst, sowie der Schutz der domaine réservé.46 Diesen Rechten stehen auch Pflichten, die sich aus der Souveränität der Staaten ergeben, gegenüber. Dazu gehören die Immunität der Staaten, das Interventionsverbot, das Befolgen des Völkerrechts und die friedliche Streitbeilegung.47 Eine besondere Ausprägung der Souveränität, der „Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder“, ist in Art. 2 Abs. 1 UN-Charta kodifiziert.48 Er gilt auch für das Verhalten der Mitglieder untereinander49 und ist daneben auch Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts.50 Aufgrund dieses Grundsatzes ist jeder Staat berechtigt, auf der Ebene der Gleichordnung mit anderen Staaten zu interagieren.51 Aus diesem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten wird das Interventionsverbot, das im Allgemeinen Eingriffe eines anderen Staa-
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BVerfG, NJW 2017, 1166, Rn. 3. Siehe dazu Fassbender, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus, The Charter of the UN, I, Art. 2 (1), Rn. 3. 43 Fassbender, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus, The Charter of the UN, I, Art. 2 (1), Rn. 3. 44 Vgl. Fassbender, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus, The Charter of the UN, I, Art. 2 (1), Rn. 4; Kokott, States, Sovereign Equality, in: MPEPIL, Band IX, Rn. 24. 45 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 7 Rn. 138; Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum/ Proelß, Völkerrecht, 1. Abschnitt, Rn. 46; Oeter, in: FS Steinberger, 259, 276. 46 Besson, Sovereignty, in: MPEPIL, Bd. IX, Rn. 118, sowie die Rn. 119–122 zu den einzelnen Rechten. 47 Besson, Sovereignty, in: MPEPIL, Bd. IX, Rn. 123 sowie die Rn. 124–127 zu den einzelnen Pflichten. 48 Besson, Sovereignty, in: MPEPIL, Bd. IX, Rn. 88. 49 Fassbender, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus, The Charter of the UN, I, Art. 2 (1), Rn. 48. 50 Seidl-Hohenveldern, in: ders., Völkerrecht, Stichwort: Gleichheit, S. 150. 51 Oeter, in: FS Steinberger, 259, 278. 42
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
tes in die inneren und äußeren Angelegenheiten eines Staates verbietet52, abgeleitet.53 Der domaine réservé beschreibt dabei denjenigen Bereich staatlichen Handelns, der zu den inneren Angelegenheiten eines Staates gehört.54 Die Materien, die der domaine réservé angehören, sind dabei nicht statisch festgelegt, sondern werden vielmehr dynamisch bestimmt.55 Tendenziell werden zunehmend Bereiche, die ursprünglich dem domaine réservé angehörten, wie z. B. die Entscheidung über den Zugang von Ausländern ins eigene Territorium, das Staatsangehörigkeitsrecht und die Behandlung der eigenen Staatsangehörigen, durch internationale Abkommen und Menschenrechte beeinflusst.56 Interventionen eines Staates in den domaine réservé eines anderen Staates sind durch das Interventionsverbot untersagt, sofern sie Elemente des Zwangs aufweisen57 oder zumindest die Androhung von Zwangsmitteln enthalten.58 3. Konsequenzen Insbesondere die Entscheidung darüber, wem Zutritt zum eigenen Staatsgebiet gewährt wird, gehört zu dem Bereich der Politik, der grundsätzlich als domaine réservé als rein innerstaatliche Angelegenheit gilt.59 Die Souveränität der Staaten umfasst auch eine territoriale Souveränität und damit auch – wie bereits in der frühen völkerrechtlichen Literatur erörtert – die Kompetenz, jemandem die Einreise zu verweigern. Da es sich hier um eine Maßnahme gegenüber einem Hoheitsträger eines anderen Staates handelt, kommt es auf den Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten an, wie das BVerfG zutreffend feststellt.
52 Kunig, Intervention, the Prohibition of, in: MPEPIL, Bd. VI, Rn. 1; Seidl-Hohenveldern, in: ders., Völkerrecht, Stichwort: Souveränität, S. 379; s. a. Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua Case (Nicaragua v United States of America), ICJ-Report 1986, Rn. 205. 53 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 55 Rn. 42; Kunig, Intervention, the Prohibition of, in: MPEPIL, Bd. VI, Rn. 9, wobei umstritten ist, ob es aus Art. 2 Nr. 1 UN-Charta abgeleitet wird oder aus anderen Vorschriften bzw. der Charta als Ganze, vgl. ebd., Rn. 10. 54 Ziegler, Domaine Réservé, in: MPEPIL, Bd. III, Rn. 1. 55 Beyerlin, in: Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Stichwort: Nichteinmischung, S. 297; Ziegler, Domaine Réservé, in: MPEPIL, Bd. III, Rn. 2. 56 Siehe zu einigen Beispielen dieser Entwicklung: Ziegler, Domaine Réservé, in: MPEPIL, Bd. III, Rn. 5. 57 Beyerlin, in: Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Stichwort: Nichteinmischung, S. 297; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 55 Rn. 48. 58 Kunig, Intervention, Prohibition of, in: MPEPIL, Bd. VI, Rn. 5. 59 Ziegler, Domaine Réservé, in: MPEPIL, Bd. III, Rn. 5.
A. Die Einreise als Vorgang im Rahmen des Völkerrechts
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III. Anspruch auf Einreise aus den Rechten der EMRK Auch aus den Rechten der EMRK ergibt sich kein Einreiseanspruch für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder zum Zwecke der politischen Meinungskundgabe. 1. Die Geltung der EMRK in Deutschland Als völkerrechtlicher Vertrag kommt der EMRK in Deutschland lediglich der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zu.60 a) Geltungsgrund Für die dritte Quelle des Völkerrechts61, die völkerrechtlichen Verträge, trifft hingegen Art. 59 Abs. 2 GG eine Regelung hinsichtlich der Einbeziehung in nationales Recht. Die Vorschrift verlangt ein Zustimmungsgesetz zu den völkerrechtlichen Verträgen. Damit hat sie eine doppelte Funktion: Zum einen dient sie als Ermächtigung für das zuständige Organ, den Vertrag abzuschließen, zum anderen verschafft sie dem Völkerrecht damit innerstaatliche Geltung.62 Wie das Zustimmungsgesetz konkret wirkt, richtet sich danach, nach welcher Theorie die Einbeziehung des Völkerrechts ins nationale Recht bestimmt wird: Vertreter der Transformationstheorie sehen das Zustimmungsgesetz als einen speziellen Transformationsakt an63, Vertreter der Vollzugslehre hingegen gehen von einem Rechtsanwendungsbefehl aus.64 Das Vertragsgesetz kann, fungiere es als Transformationsgesetz oder als Rechtsanwendungsbefehl, dem völkerrechtlichen Vertrag grundsätzlich65 keinen höheren Rang vermitteln als es selbst als einfaches Bundesgesetz einnimmt.66 60 BVerfGE 19, 342, 347; 74, 358, 370; 111, 307, 317; 128, 326, 366; Geiger, Staatsrecht III, S. 367; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 92; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 45; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 1171; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 65 a; Uerpmann, Die Europäische Menschrechtskonvention und die deutsche Rechtsprechung, S. 71 ff.; a. A.: Bleckmann, EuGRZ 1994, 149, 152–155; Kleeberger, Die Stellung der Rechte der EMRK in der Rechtsordnung in der BRD, S. 160–163 (insbesondere für die subjektiven Rechte der EMRK); s. zu den Besonderheiten für die Grundrechte der EMRK sogleich. 61 Siehe zu der Einbeziehung der anderen beiden Quellen bereits oben unter § 3 A. I. 2. 62 BVerfGE 1, 396, 410 f.; Geiger, Staatsrecht III, S. 157; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 59 ff.; auf das Herbeiführen einer demokratischen Legitimation abstellend: Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B., Rn. 43. 63 Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, S. 205–211. 64 Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B., Rn. 44 f. 65 Zu Ausnahmen s. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 92; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 44. 66 Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 48 (s. dort auch zu den Ausnahmen); Geiger, Staatsrecht III, S. 162; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 92.
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
Hinsichtlich der in der EMRK verbürgten Grundrechte kann es jedoch zu Kollisionen mit den Gewährleistungsgehalten der Grundrechte des Grundgesetzes kommen,67 sodass sich dazu eine ausführliche Rechtsprechung des BVerfG aufgrund des Prinzips der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes entwickelt hat.68 b) Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist nicht explizit im Grundgesetz geregelt, ergibt sich aber aus einer Gesamtschau einiger Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere des Satzes 1 der Präambel, des Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 sowie Art. 24 bis Art. 26.69 Er wird vom BVerfG70 immer wieder als Grundsatz herangezogen und hat auch in der Literatur71 Niederschlag gefunden. Mit der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes geht zunächst die Pflicht einher, nationales Recht völkerrechtskonform auszulegen.72 Eine weitere Ausprägung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zeigt sich in der Pflicht, die EMRK bei der Auslegung des Grundgesetzes zu berücksichtigen sowie die Rechtsprechung des EGMR bei der Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der Grundrechte und der rechtsstaatlichen Grundsätze heranzuziehen, wobei keine Minderung des nationalen Grundrechtsschutzes eintreten darf.73 Das BVerfG entnimmt die Pflicht zur Berücksichtigung der Entscheidungen aus den Konventionsbestimmungen i.V. m. dem Zustimmungsgesetz und rechtsstaatlichen Anforderungen.74 67 Siehe dazu: Geiger, Staatsrecht III, S. 367–369; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 1171. 68 Siehe Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 1172–1174. 69 Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 241. 70 Vgl. BVerfGE 6, 309, 362 f.; 18, 112, 121; 41, 88, 120; 111, 307, 317 f.; zur Entwicklung und Erweiterung der Herleitung des Begriffs der Völkerrechtsfreundlichkeit in der Rspr. des BVerfG, s. ausführlich: Schorkopf, Völkerrechtsfreundlichkeit und Völkerrechtsskepsis in der Rechtsprechung des BVerfG, in: Giegerich, Der „offene Verfassungsstaat“, S. 147 ff. 71 Siehe dazu grundlegend: Bleckmann, DÖV 1979, 309–318; Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 57; Payandeh, JöR n. F. 57 (2009), S. 465–502; Rojahn, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. I, Art. 24, Rn. 2; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 241; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 20 III, Rn. 254; kritisch hinsichtlich einer zu weitreichenden Bedeutung des Begriffs: Kunig, in: Graf Vitzthum/ Proelß, Völkerrecht, 2. Abschnitt, Rn. 18–20. 72 BVerfGE 111, 307, 317 f.; Bleckmann, DÖV 1979, 309, 312 ff.; Calliess, Staatsrecht III, 2. Teil, B, Rn. 58; Payandeh, JöR n. F. 57 (2009), 465, 485 ff.; Proelß, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, S. 553, 556; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 24 Rn. 3; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 20 III, Rn. 254. 73 BVerfGE 74, 358, 370; BVerfGE 111, 307, 317; BVerfGE 128, 326, 367 f. m.w. N. 74 BVerfGE 111, 307, 322 f.; zustimmend: Payandeh, JöR n. F. 57 (2009), 465, 491; daraus keine streitgegenstandsunabhängige Pflicht zur Berücksichtigung der Entschei-
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Die Pflicht zur Beachtung der Garantien der Menschenrechte der EMRK ergibt sich zudem insbesondere aus Art. 1 Abs. 2 GG, der den besonderen Schutz der Menschenrechte festschreibt.75 In Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG ergibt sich somit die Pflicht, bei der Anwendung der Grundrechte auch die Gewährleistungen der EMRK als Auslegungshilfe zu verwenden.76 Durch diese Auslegung kommt den menschenrechtlichen Gewährleistungen der EMRK mehr Bedeutung zu als einem formellen Bundesgesetz, als welches die EMRK bei strikter Anwendung des Art. 59 Abs. 2 GG gelten würde.77 2. Schutzbereichseröffnung des Art. 10 EMRK Während es für den Veranstalter des Wahlkampfauftritts maßgeblich auf die Gewährleistungen des Art. 11 EMRK ankommt78, ist in Erwägung zu ziehen, ob sich für den Redner selbst aus Art. 10 EMRK ein Anspruch auf Einreise in einen anderen Staat zum Zwecke des politischen Wahlkampfs ergibt.79 a) Persönlicher Schutzbereich Auf Art. 10 EMRK können sich sowohl natürliche als auch juristische Personen berufen, wobei es sich bei letzteren um nichtstaatliche Institutionen handeln muss.80 Dabei umfasst der Schutzbereich jegliche an den Kommunikationsformen beteiligte Personen, vom Autor bis zum Verleger.81 Art. 10 EMRK findet auch im Rahmen von Sonderstatusverhältnissen Anwendung.82
dungen des EGMR ableitend: Proelß, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 554, 566 f. 75 Vgl. BVerfGE 111, 307, 329; 128, 326, 369. 76 BVerfGE 111, 307, 328 f. 128, 326, 369; Proelß, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 553, 567; s. zur Herleitung des Grundsatzes der menschenrechtskonformen Auslegung ausführlich: Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 20 I, Rn. 137 m.w. N. 77 Ludwigs/Sikora, JuS 2017, 385, 386. 78 Siehe dazu oben die Diskussionen über den Gesetzentwurf in Österreich (§ 2 B. II. 2. b) bb) (3)). 79 Auf diesen Umstand hinweisend: WD-BT, Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Deutschland und in den Niederlanden im Lichte des Völkerrechts, 23.03.17, Az. WD 2 – 3000 – 035/17, S. 7 f., online abrufbar unter: https://www. bundestag.de/blob/501258/572022f44597dacdf3652b4cbff9aeec/wd-2-035-17-pdf-data. pdf (letzter Zugriff: 23.01.2019). 80 Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, Art. 10 EMRK Rn. 12; Grote/ Wenzel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 51; Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 10 Rn. 5 f. 81 Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 23 Rn. 3. 82 Grote/Wenzel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 53; Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 10 Rn. 7.
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
b) Sachlicher Schutzbereich Art. 10 Abs. 1 EMRK schützt im Rahmen der gewährleisteten Meinungsfreiheit sowohl Meinungsäußerungen als auch Tatsachenbehauptungen.83 In den hier relevanten Fällen der Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder geht es um einen von der Rechtsprechung des EGMR besonders geschützten Bereich. Eine Beschränkung im Rahmen des Art. 10 Abs. 2 EMRK ist bei Meinungsäußerungen bei Politikern nach der Ansicht des Gerichtshofs kaum zulässig.84 Der EGMR führt dazu aus: „The promotion of free political debate is a fundamental feature of a democratic society. The Court attaches the highest importance to freedom of expression in the context of political debate and considers that very strong reasons are required to justify restrictions on political speech. Allowing broad restrictions on political speech in individual cases would undoubtedly affect respect for freedom of expression in general in the State concerned“.85 Die Bezeichnung des Politikers erstreckt sich nicht nur auf Mandatsträger, sondern es kommt vor allem auf die Teilnahme am öffentlichen politischen Diskurs an.86 Um ihre Funktion als Mandatsträger insbesondere zu Wahlkampfzeiten erfüllen zu können, bedürften Mandatsträger eines besonderen Schutzes im Rahmen der Meinungsfreiheit.87 Auch die Repräsentationsfunktion für ihre Wählerschaft mache eine besonders sorgfältige Grundrechtsprüfung erforderlich.88 Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob aus Art. 10 EMRK auch ein Anspruch auf Einreise für ausländische Politiker zum Zwecke der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit besteht.89 Der EGMR stellt in mehreren Urteilen klar, dass
83 Daiber, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 10 Rn. 8, 13; Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 10, Rn. 9. 84 Daiber, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 10 Rn. 34, mit Verweis auf EGMR, Axel Springer AG ./. Germany, Urt. v. 10.7.2014, Nr. 48311/10 Rn. 54; Grabenwarter/Pawel, EMRK, § 23 Rn. 29 mit Verweis auf: EGMR, Wingrove ./. The United Kingdom, Urt. v. 25.11.1996, Nr. 17419/90, Rn. 58; EGMR, Dupuis and others ./. France, Urt. v. 7.6.2007, Nr. 1914/02, Rn. 40. 85 EGMR, Dupuis and others ./. France, Urt. v. 7.6.2007, Nr. 1914/02, Rn. 40. 86 Grabenwarter/Pawel, EMRK, § 23 Rn. 29 mit Verweis auf: EGMR, Bowman ./. The United Kingdom, Urt. v. 19.2.1998, Nr. 24839/94, Rn. 42; EGMR, Unabhängige Initiative Informationsvielfalt ./. Austria, Urt. v. 26.2.2002, Nr. 28525/95, Rn. 41. 87 Grabenwarter/Pawel, EMRK, § 23 Rn. 29 mit Verweis auf: EGMR, Féret ./. Belgique, Urt. v. 16.7.2009, Nr. 15615/07, Rn. 76. 88 Grabenwarter/Pawel, EMRK, § 23 Rn. 29 mit Verweis auf: EGMR, Jerusalem ./. Austria, Urt. v. 27.2.2001, Nr. 26958/95, Rn. 36. 89 Siehe dazu auch WD-BT, Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Deutschland und in den Niederlanden im Lichte des Völkerrechts, 23.03.17, Az. WD 2 – 3000 – 035/17, S. 8, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/501258/ 572022f44597dacdf3652b4cbff9aeec/wd-2-035-17-pdf-data.pdf (letzter Zugriff: 23.01. 2019).
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die Einreise für Ausländer dem Zuständigkeitsbereich der Vertragsstaaten unterfällt: „The Court reiterates that Contracting States have the right, as a matter of well-established international law and subject to their treaty obligations, including the Convention, to control the entry, residence and expulsion of aliens.“ 90 Diese Auffassung wird auch in einer Entscheidung des Supreme Courts des Vereinigten Königreichs bestätigt. Dieser sah zwar in der Verweigerung der Einreise für die iranische Politikerin Rajavi einen Eingriff in die Meinungsfreiheit aus Art. 10 EMRK und die Rechte der Parlamentarier, die sie empfangen wollten.91 Das resultiere daraus, dass die Einreise hier gerade verweigert wurde, um zu verhindern, dass sie ihre Meinung in Großbritannien äußern kann.92 Der Eingriff könne aber unter dem Gesichtspunkt der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Sicherheit und dem Schutz der Rechte anderer gerechtfertigt werden.93 Der Eingriff wiege zudem nicht so schwer, da es andere Möglichkeiten der Kommunikation mit Frau Rajavi gebe.94 3. Fazit Damit bleibt es auch unter Berücksichtigung der Gewährleistungen der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR bei dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass es in der Entscheidungsbefugnis des Staates liegt, die Einreise zu gewähren beziehungsweise zu verweigern.95
90 EGMR, F. G. ./. Sweden, Urt. v. 23.03.2016, Nr. 43611/11, Rn. 111; EGMR, Saadi ./. Italy, Urt. v. 28.02.2008, Nr. 37201/06, Rn. 124–133; EGMR, J. K. and others ./. Sweden, Urt. v. 23.08.16, Nr. 59166/12, Rn. 79. 91 The Supreme Court, Judgement R (on the application of Lord Carlile of Berriew QC and others) (Appellants) v. Secretary of State for the Home Department (Respondent), [2014] UKSC 60, Rn. 35, 61, 90, 94. 92 The Supreme Court, Judgement R (on the application of Lord Carlile of Berriew QC and others) (Appellants) v. Secretary of State for the Home Department (Respondent), [2014] UKSC 60, Rn. 35. 93 The Supreme Court, Judgement R (on the application of Lord Carlile of Berriew QC and others) (Appellants) v. Secretary of State for the Home Department (Respondent), [2014] UKSC 60, Rn. 36, 96–108. 94 The Supreme Court, Judgement R (on the application of Lord Carlile of Berriew QC and others) (Appellants) v. Secretary of State for the Home Department (Respondent), [2014] UKSC 60, Rn. 94. 95 Siehe dazu oben unter § 3 A. I.; eine Verpflichtung aus der EMRK, unter bestimmten Umständen Personen die Einreise zum Zwecke der Familienzusammenführung zu gewähren, nahm der EGMR zum Schutz der Familie gemäß Art. 8 EMRK an, s. dazu: Hailbronner/Gogolin, Aliens, in: MPEPIL, Bd. I, Rn. 14; s. zu dieser engen Ausnahme auch: Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 286, 295.
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IV. Bewertung hinsichtlich des Diplomatenund Konsularrechts Die Frage, ob sich aus dem Diplomaten- beziehungsweise Konsularrecht ein Anspruch auf Einreise ergibt, war Gegenstand von Diskussionen in den Niederlanden. Dort war dem türkischen Außenminister Cavusoglu im März 2017 die Landeerlaubnis versagt worden. Daraufhin wollte die türkische Familienministerin Kaya im türkischen Generalkonsulat in Rotterdam sprechen und reiste zu diesem Zwecke mit dem Auto von Deutschland aus in die Niederlande. Türkischen Berichten zufolge wurde sie jedoch, bevor sie das Generalkonsulat erreichte, von der niederländischen Polizei gestoppt.96 Von Spezialeinsatzkräften der Polizei wurde sie dann an die deutsche Grenze eskortiert.97 Der niederländische Rundfunk NOS bewertete diese Geschehnisse als einen „noch nie da gewesenen diplomatischen Zwischenfall“ 98. 1. Regelungen zum Diplomaten- und Konsularrecht Regelungen über die diplomatischen und konsularischen Beziehungen finden sich in den Wiener Übereinkommen über konsularische99 sowie über diplomatische100 Beziehungen. Diese Übereinkommen stellen internationale Abkommen i. S. d. Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut dar.101 Damit bilden sie Völkervertragsrecht, das über Art. 59 Abs. 2 GG Eingang in die deutsche Rechtsordnung findet.102 Diplomaten werden grundsätzlich frei vom Entsendestaat bestimmt (Art. 7 WÜD), bedürfen allerdings für die Entsendung des Missionschefs des Agréments des Empfangsstaats (Art. 4 WÜD).103 Die Tätigkeit als Diplomat endet meist durch die Abberufung durch den Entsendestaat, kann aber auch durch eine Erklärung des Empfangsstaats zur persona non grata gem. Art. 9 WÜD beendet werden.104 96 FAZ.net, 11.03.2017, Türkische Ministerin soll in den Niederlanden gestoppt worden sein, online abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/streit-umwahlkampf-auftritt-tuerkische-ministerin-soll-in-den-niederlanden-gestoppt-worden-sein14919833.html (letzter Zugriff: 25.01.19). 97 Brech, Ein nie da gewesener diplomatischer Zwischenfall, welt.de, 11.03.2017, online abrufbar unter: https://www.welt.de/politik/ausland/article162770604/Ein-nie-dagewesener-diplomatischer-Zwischenfall.html (letzter Zugriff: 25.01.19). 98 Brech, a. a. O. 99 Siehe dazu das Zustimmungsgesetz für das Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963, BGBl. 1969 II, 1585. 100 Siehe dazu das Zustimmungsgesetz für das Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen vom 06. August 1964, BGBl. 1964 II, 957. 101 Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 19, s. dort auch zu weiteren Kodifikationen der Immunität von Funktionsträgern internationaler Organisationen und der Befreiung von Angehörigen des Militärs. 102 Siehe Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 25, s. dazu bereits oben unter § 3 A. III. 1. a). 103 Heintze, in: Ipsen, Völkerrecht, § 25 Rn. 6. 104 Heintze, in: Ipsen, Völkerrecht, § 25 Rn. 12.
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2. Erklärung zur persona non grata Diese Erklärung zur persona non grata kann ohne Angabe von Gründen erfolgen.105 Daher bedarf es keines illegalen Verhaltens, um eine solche Maßnahme zu rechtfertigen.106 Gemäß Art. 9 Abs. 1 S. 3 WÜD beziehungsweise Art. 23 Abs. 3 WÜK kann eine Erklärung zur persona non grata beziehungsweise eine Erklärung als nicht genehm bereits vor Eintreffen im Empfangsstaat erfolgen.107 Fälle, in denen eine solche Erklärung erfolgt, sind allerdings selten und treten insbesondere ein, wenn eine Spionagetätigkeit oder die Beteiligung an Terrorismus vermutet wird oder sonstige kriminelle Handlungen erfolgten.108 Allerdings gilt Art. 9 Abs. 1 WÜD nur für diplomatische Vertreter.109 Eine Erklärung zur persona non grata ist daher für ausländische Regierungsmitglieder nicht einschlägig, da sie nicht unter die Wiener Übereinkommen über diplomatische beziehungsweise konsularische Beziehungen fallen.110 Trotzdem wird auch im vorliegenden Fall unzutreffenderweise davon gesprochen, dass der türkische Außenminister und die türkische Familienministerin in diesem Fall zu personae non gratae erklärt wurden.111 3. Anspruch auf Nutzung der Konsularräume zum Wahlkampf gem. Art. 5 WÜK? Eine andere Frage ist hingegen, ob durch die Verweigerung der Einreise die konsularische Tätigkeit an sich in den Konsularräumen unzulässig behindert wird.112 Die konsularischen Aufgaben werden in Art. 5 WÜK aufgelistet, wobei in Art. 5 lit. a bis l bestimmte Aufgaben enumerativ aufgelistet sind und Art. 5 lit. m
105 Siehe Art. 9 Abs. 1 WÜD, Art. 23 Abs. 4 WÜK, s. a. Götze, in: Hecker/MüllerChorus, Handbuch der konsularischen Praxis, § 2 C Rn. 14. 106 Richtsteig, Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, Art. 9, S. 29 f.; Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜD Komm., Art. 9, S. 98 sowie Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK Komm., Art. 23, S. 167. 107 Siehe dazu auch Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜD Komm., Art. 9, S. 94 bzw. Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK Komm., Art. 23, S. 166. 108 Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜD Komm., Art. 9, S. 95 f. mit weiteren Beispielen. 109 Pancracio, Droit et institutions diplomatiques, Rn. 300. 110 WD-BT, Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Deutschland und in den Niederlanden im Lichte des Völkerrechts, 23.03.17, Az. WD 2 – 3000 – 035/17, S. 10, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/501258/572022f44597da cdf3652b4cbff9aeec/wd-2-035-17-pdf-data.pdf (letzter Zugriff: 23.01.2019). 111 Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 2; so wohl auch die Ankündigung von Geerd Wilders, das gesamte türkische Kabinett zur persona non grata zu erklären, vgl.: Brech, Ein nie da gewesener diplomatischer Zwischenfall, welt.de, 11.03.2017, online abrufbar unter: https://www.welt.de/politik/ausland/article162770604/Ein-nie-da-gewesener-di plomatischer-Zwischenfall.html (letzter Zugriff: 26.01.19). 112 Siehe zu dieser Frage: Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 6.
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
als „Generalklausel“ fungiert.113 Unter letztere fallen auch die Unterstützung bei Wahlen114 sowie die Durchführung von Briefwahlen.115 Die Durchführung von Wahlen in den Konsularräumen bedarf hingegen nach allgemeinem Völkerrecht der Zustimmung des Empfangsstaats, da dabei Hoheitsgewalt ausgeübt wird.116 Die Bundesrepublik Deutschland hat sich inzwischen dazu entschieden, Wahlen zuzulassen, allerdings nur nach einer ausdrücklichen Zustimmung der Bundesregierung.117 Ausschlaggebend für eine solch vorsichtige Handhabe ist die Sorge, dass der Empfangsstaat in fremde innenpolitische Auseinandersetzungen hineingezogen wird.118 Hinsichtlich der Frage, ob Wahlkampfveranstaltungen in einem Konsulat zugelassen werden müssen, wird von einer Ansicht für den speziellen Fall, dass der Entsendestaat selbst Wahlkampfveranstaltungen im Ausland untersagt119, darauf abgestellt, dass sich an einer solchen speziellen Untersagung auch das Auswärtige Amt orientieren müsse und die Veranstaltung von Wahlkampfauftritten somit nicht zu den zulässigen konsularischen Aufgaben gehören könne.120 Allerdings wird ein Eingreifen gegen ein Zuwiderhandeln einer Untersagung von Wahlkampf im Konsulat nur schwer möglich sein, da die Konsulatsräume unverletzlich sind.121 113
Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK, Kommentar, Art. 5, S. 86. Zur Praxis des Auswärtigen Amts: Richtsteig, Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, Art. 5, S. 151. 115 Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK, Kommentar, Art. 5, S. 110. 116 Birkenkötter/v. Notz, Freiheit der (Auslands-)Wahl: Musste Deutschland der Türkei die Durchführung des Verfassungsreferendums gestatten?, VerfBlog, 30.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/freiheit-der-auslands-wahl-musstedeutschland-der-tuerkei-die-durchfuehrung-des-verfassungsreferendums-gestatten/ (letzter Zugriff: 24.01.2019); Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK, Kommentar, Art. 5, S. 110; s. a. Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 3. 117 Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK, Kommentar, Art. 5, S. 110. 118 Birkenkötter/v. Notz, Freiheit der (Auslands-)Wahl: Musste Deutschland der Türkei die Durchführung des Verfassungsreferendums gestatten?, VerfBlog, 30.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/freiheit-der-auslands-wahl-musstedeutschland-der-tuerkei-die-durchfuehrung-des-verfassungsreferendums-gestatten/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 119 So das Verbot im türkischen Wahlgesetz in Art. 94/A, vgl. dazu Jacob, NVwZExtra 16/2017, 1, 6 sowie WD-BT, Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Deutschland und in den Niederlanden im Lichte des Völkerrechts, 23.03.17, Az. WD 2 – 3000 – 035/17, S. 5, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/501258/ 572022f44597dacdf3652b4cbff9aeec/wd-2-035-17-pdf-data.pdf (letzter Zugriff: 23.01. 2019). 120 Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 6. 121 Birkenkötter/von Notz, Freiheit der (Auslands-)Wahl: Musste Deutschland der Türkei die Durchführung des Verfassungsreferendums gestatten?, VerfBlog, 30.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/freiheit-der-auslands-wahl-musstedeutschland-der-tuerkei-die-durchfuehrung-des-verfassungsreferendums-gestatten/ (letzter Zugriff: 24.01.2019); Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 6. 114
B. Abweichende Beurteilung für die Einreise aus Mitgliedsstaaten der EU?
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Gegen eine solche Argumentation spricht allerdings, dass die konsularischen Aufgaben nicht vom Entsendestaat festgelegt werden dürfen.122 Vielmehr sollten sich die Aufgaben der Konsule an der Rechtsordnung des Empfangsstaats orientieren und nicht im Widerspruch zu dieser stehen.123 Da Wahlkampfveranstaltungen aber, wenn überhaupt, unter Art. 5 lit. m WÜK fallen würden, unterliegen sie der Möglichkeit der Untersagung durch den Empfangsstaat.124 Ein Anspruch auf die Durchführung des Wahlkampfs in den Konsularräumen und darauf aufbauend ein Anspruch auf Einreise des ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds ergibt sich somit aus dem Konsularrecht nicht.125 4. Fazit Damit zeigt sich unter dem Gesichtspunkt des Konsular- und Diplomatenrechts folgendes Ergebnis: Eine Erklärung zur persona non grata richtet sich grundsätzlich nur an Diplomaten und Konsuln und nicht an ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder. Auch aus der Befugnis zur konsularischen Aufgabenwahrnehmung gemäß Art. 5 WÜK durch die Konsulate ergibt sich kein Recht auf Wahlkampf in diesen Räumlichkeiten, zumindest können diese vom Empfangsstaat untersagt werden.126
B. Abweichende Beurteilung für die Einreise von Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern aus Mitgliedsstaaten der EU? Auch für Staatsoberhäupter oder Regierungsmitglieder, die aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union einreisen und sich somit als Unionsbürger auf das Freizügigkeitsrecht des Art. 21 AEUV berufen können, ergibt sich keine andere Beurteilung hinsichtlich eines Einreiseanspruchs in einen anderen Staat. 122 So auch Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 6, der es allerdings aufgrund dieser expliziten Untersagung trotzdem für zulässig hält, dass sich das Auswärtige Amt daran orientiert. 123 Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK, Kommentar, Art. 5, S. 86. 124 So bereits der Wortlaut des Art. 5 lit. m WÜK; s. a. Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK, Kommentar, Art. 5, S. 85. 125 Zu den Auswirkungen der Verbalnote auf die vorliegende Problematik s. unten unter § 6 C. V. 126 So auch das Ergebnis des WD-BT, Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Deutschland und in den Niederlanden im Lichte des Völkerrechts, 23.03.17, Az. WD 2 – 3000 – 035/17, S. 10, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/ blob/501258/572022f44597dacdf3652b4cbff9aeec/wd-2-035-17-pdf-data.pdf (letzter Zugriff: 23.01.2019).
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
I. Qualifikation der Freizügigkeit gem. Art. 21 AEUV Art. 21 AEUV stellt ein zentrales Element der Unionsbürgerschaft dar.127 Die Unionsbürgerschaft, die in Art. 20 AEUV festgeschrieben ist, wird gem. Abs. 1 S. 2 all denjenigen gewährt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats besitzen. Gem. S. 3 tritt sie neben die nationale Staatsbürgerschaft. Die im Art. 20 Abs. 2 lit. a–d AEUV beziehungsweise in den Art. 21–24 AEUV aufgezählten Rechte bilden den „Kernbestand der Unionsbürgerschaft“.128 Während der EuGH nicht eindeutig entschieden hat, ob Art. 21 AEUV eine Grundfreiheit darstellt oder ein Grundrecht129, qualifiziert die überwiegende Literatur die Freizügigkeit aus Art. 21 AEUV als eine Grundfreiheit.130 Dafür spricht das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Elements in Fällen der Freizügigkeit,131 das auch Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ist.132 Zudem seien Grundrechte nicht in den Verträgen der Union geregelt.133 Die Freizügigkeit der Unionsbürger stellt dabei keine Grundfreiheit dar, die auf den Binnenmarkt begrenzt ist, sondern gilt vielmehr für alle Unionsbürger unabhängig von ihrem Grund für die Einreise in einen anderen Mitgliedsstaat der EU.134 Wollenschläger bezeichnete das Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV daher als „Grundfreiheit ohne Markt“.135 127 Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, FK, Bd. II, Art. 21 AEUV, Rn. 1; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 16 Rn. 15. 128 Magiera, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 20 AEUV, Rn. 34. 129 Vgl. Calliess, EuR Beiheft 1/2007, 7, 23 f.; Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 21 AEUV Rn. 8; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 21 AEUV, Rn. 15 a; Obwexer, EuR, Beiheft 1/2015, 51, 72, s. dort auch die Nachweise der Rechtsprechung des EuGH: Urteile, die von einer Grundfreiheit ausgehen: EuGH, Rs. C-224/98, Slg. 2002, I-6191, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 8.5.2013, verb. Rs. C-197/11 u. C-203/11, Rn. 37 f.; EuGH, RIW 2013, 546, 550; Urteile, die von einem Grundrecht ausgehen: EuGH, Rs. C-2002/02, Slg. 2004, I-9925, Rn. 33; Urt. v. 19.9.2013, Rs. C-140/12, Rn. 71; für eine Grundfreiheit des Binnenmarktes: EuGH, Rs. C-434/09, Slg. 2011, I3375, Rn. 27, womit der EuGH häufiger von einer Grundfreiheit ausgeht, vgl. Calliess, EuR, Beiheft 1/2007, 7, 23 f. 130 Calliess, EuR Beiheft 1/2007, 7, 26 („politische Grundfreiheit“); Herdegen, Europarecht, § 14 Rn. 1; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 21 AEUV, Rn. 15 a; Obwexer, EuR, Beiheft 1/2015, 51, 73; ebenfalls von einer Grundfreiheit ausgehend: Seyr/Rümke, EuR 2005, 667, 673 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 809, 1012; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 358 ff.; a. A. und somit von einem Grundrecht ausgehend: Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 21 AEUV Rn. 8; Magiera in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 21 AEUV Rn. 10; für die Qualifikation als Recht sui generis (bzgl. der Vorgängervorschrift des Art. 18 Abs. 1 EG): Kubicki, EuR 2006, 489, 492. 131 So, zu der Vorgängervorschrift des Art. 18 I EG: Kubicki, EuR 2006, 489, 492; Calliess, EuR Beiheft 1/2007, 7, 26; Seyr/Rümke, EuR 2005, 667 ff. 132 Obwexer, EuR, Beiheft 1/2015, 51, 73. 133 Zum EG-Vertrag: Calliess, EuR, Beiheft 1/2007, 7, 25. 134 Vgl. Herdegen, Europarecht, § 14 Rn. 2; Streinz, Europarecht, Rn. 809. 135 Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 360; so auch Streinz, Europarecht, Rn. 809, 1012.
B. Abweichende Beurteilung für die Einreise aus Mitgliedsstaaten der EU?
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II. Urteil des EuGH vom 16.10.2012, Ungarn ./. Slowakische Republik Die besondere Stellung des Staatsoberhaupts im Völkerrecht kam auch in einer Entscheidung des EuGH im Jahr 2012 bezüglich eines Einreiseanspruchs zum Tragen. Dabei entschied der EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 259 AEUV über die Frage der Rechtmäßigkeit einer Einreiseverweigerung für den ungarischen Präsidenten in die Slowakische Republik.136 Der ungarische Präsident Sólyom plante am 21. August 2009 eine Reise in die Slowakei, um an der Einweihung einer Statue des Heiligen Stephan teilzunehmen. Da dieser Tag in der österreichisch-slowakischen Geschichte allerdings ein heikles Datum ist, wurde ihm nach einigem diplomatischen Austausch zwischen den beiden Ländern mittels Verbalnote die Einreise verweigert. Gestützt wurde diese Entscheidung auf die Richtlinie 2004/38137 sowie innerstaatliche Regelungen über das Ausländeraufenthaltsrecht und die nationale Polizei. Als Sólyom die Verbalnote an der Grenze empfing, sah er von einer Einreise in die Slowakei ab.138 Im Oktober 2009 wandte sich der ungarische Außenminister an den Präsidenten der Europäischen Kommission, um prüfen zu lassen, ob Ungarn gegen die Slowakei ein Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUVanstrengen könne. Die Kommission führte daraufhin aus, dass sich die Mitgliedsstaaten aufgrund des Völkerrechts die Kontrolle über die Einreise auch für Staatsoberhäupter, die Unionsbürger sind, vorbehielten.139 Zudem spreche die Organisation der Besuche durch die Politik gegen die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Unionsrechts.140 Da Unklarheit zwischen den Parteien über den privaten Charakter des Besuchs bestehe, könne Art. 21 AEUV sowie die RL 2004/38 vorliegend keine Anwendung finden, eine Vertragsverletzung durch die Slowakei liege damit nicht vor.141 Daraufhin befasste sich die Kommission gem. Art. 259 AEUV auf Verlangen Ungarns mit dem Vorfall und kam in ihrer Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass eine Anwendbarkeit des Art. 21 AEUV und der RL 2004/38 auf Besuche von Staatsoberhäuptern ausscheide und damit keine Vertragsverletzung ersichtlich sei.142 Am 8. Juli 2010 erhob Ungarn Klage gegen die Slowakische Republik.143 136
EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022. Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, Abl. EU 2004, L 158/ 77 ff. 138 Vgl. Darstellung in: EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 5–9. 139 Siehe das Zitat in der Entscheidung des EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/ 10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 15. 140 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 16. 141 Vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 16 f. 142 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 19. 137
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
1. Rechtsauffassungen der Parteien Ungarn erhob die Klage unter anderem mit der Rüge, dass die Slowakei mit ihrem Vorgehen gegen Art. 21 AEUV und gegen die RL 2004/38 verstoßen habe, da sich auch der ungarische Präsident auf das Freizügigkeitsrecht berufen könne.144 Die Slowakei hielt das Unionsrecht dagegen für nicht anwendbar, da der Besuch eines Staatsoberhaupts in einem anderen Staat unter die Pflege der bilateralen diplomatischen Beziehungen und damit nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle. Zudem handele es sich bei dem Aufenthalt nicht um einen privaten Besuch eines Unionsbürgers, sondern vielmehr um den Besuch des Staatsoberhaupts als Träger der Souveränität seines Staates, der der Zustimmung dieses Staates bedarf.145 Überdies käme es zu einer doppelten Privilegierung des Staatsoberhaupts, wenn es sich sowohl auf die Rechte aus dem Unionsrecht als auch auf die Immunität aus dem Völkerrecht berufen könne. Somit könne ein Mitgliedsstaat weder die Einreise verweigern noch – aufgrund der bestehenden Immunität – die Person ausweisen.146 Zudem sei die Verbalnote eine Maßnahme im diplomatischen Verkehr zwischen den beiden Staaten, sodass die Richtlinie gar keine materielle Anwendung gefunden hätte.147 Eine andere Auffassung vertrat der Generalanwalt Bot beim EuGH, der den Besuch des ungarischen Präsidenten als einen solchen in seiner Funktion als Staatspräsident und nicht als Privatperson und Unionsbürger qualifizierte.148 Zudem könnten Besuche eines Staatsoberhaupts als höchster Repräsentant seines Staates nicht als Ausübung der Freizügigkeit begriffen werden, sondern müssten vom Einvernehmen des jeweiligen Staates abhängen.149 Die Kompetenz für die diplomatischen Beziehungen dürfe im Hinblick auf den Integrationsprozess allerdings nicht in der Weise ausgeübt werden, dass es zu einem dauerhaften Bruch der diplomatischen Beziehungen zwischen zwei Mitgliedsstaaten kommen könnte.150
143
Auf die Seltenheit eines solchen Verfahrens hinweisen: Ruffert, JuS 2013, 87. EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 27–32. 145 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 33–36. 146 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 37. 147 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 38 f. 148 Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 06.03.2012 – C-364/10, BeckRS 2012, 80514, Rn. 48 f. 149 Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 06.03.2012 – C-364/10, BeckRS 2012, 80514, Rn. 57. 150 Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 06.03.2012 – C-364/10, BeckRS 2012, 80514, Rn. 58. 144
B. Abweichende Beurteilung für die Einreise aus Mitgliedsstaaten der EU?
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2. Das Urteil des EuGH Der EuGH stellt zunächst fest, dass auch Sólyom als ungarischem Staatsangehörigen der Status des Unionsbürgers aus Art. 20 AEUV zukomme.151 Das Unionsrecht sei aber „im Lichte der relevanten Regeln des Völkerrechts auszulegen, das Bestandteil der Rechtsordnung der Union und für deren Organe bindend ist“.152 Hinsichtlich der Frage, ob aufgrund der Tatsache, dass Sólyom das Amt des Staatsoberhaupts bekleidet, eine völkerrechtliche Beschränkung des Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV erfolgen müsse153, stellt der EuGH insbesondere darauf ab, dass Staatsoberhäuptern unabhängig von der Art ihres Aufenthalts immer ein besonderer Schutz aufgrund ihrer besonderen völkerrechtlichen Stellung im Hoheitsgebiet eines anderen Staates zu gewährleisten ist.154 Dies grenze sie derart von anderen Unionsbürgern ab, dass die Einreise in einen anderen Mitgliedsstaat anderen Voraussetzungen unterliege.155 Folglich könne das Innehaben des Amtes des Staatsoberhaupts eine völkerrechtliche Beschränkung des Art. 21 AEUV rechtfertigen.156 Somit liegt nach Ansicht des EuGH weder eine Verletzung des Art. 21 AEUV noch ein Verstoß gegen die RL 2004/38 vor.157 3. Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs oder Teil der Beschränkung? Das Urteil warf die Frage auf, ob Staatsoberhäupter und andere Regierungsmitglieder bereits aus dem personellen Schutzbereich herausfallen oder ob das Recht vielmehr völkerrechtlichen Beschränkungen unterliegt. Einige Stimmen in der Literatur gehen davon aus, dass diese Personen gar nicht dem Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV unterliegen.158 Andere sehen den persönlichen Schutzbereich auch für diese Personen grundsätzlich als eröffnet an und interpretieren die Entscheidung des EuGH vielmehr als eine Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit.159 Nach dem Aufbau der Urteilsgründe des EuGH, der zunächst eindeutig feststellt, dass sich auch der Staatspräsident als Unionsbürger gerade auf diesen Status berufen kann, und erst anschließend feststellt, dass die Freizü151
EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 40–42. EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 44. 153 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 45. 154 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 46–49. 155 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 50. 156 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 51. 157 EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 52. 158 Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge, Art. 21 AEUV Rn. 4; wohl auch: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 16 Rn. 16. 159 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 131; Obwexer, EuR Beiheft 1/2015, 51, 76; Rossi, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 21 AEUV, Rn. 7, Rn. 19; wohl auch: Ruffert, JuS 2013, 87. 152
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
gigkeit aufgrund der besonderen völkerrechtlichen Stellung hier nicht in vollem Umfang gelten kann, erscheint letztgenannte Ansicht überzeugender.160 4. Kritik und offene Fragen An der Entscheidung wird kritisiert, dass es sehr unsicher sei, ob es eine völkergewohnheitsrechtliche Regelung gibt, die einen Staat zur Verweigerung der Einreise eines fremden Staatsoberhaupts im Anwendungsbereich des Art. 21 AEUV berechtigen würde.161 Damit wird das Problem aufgeworfen, wann eine Einreise verweigert werden kann. Zudem erfolge eine „Abschichtung vom europarechtlichen Unionsbürgerstatus“.162 Offen bleibt auch die Frage, ob eine solche Beschränkung nur für amtliche Reisen gelten soll oder auch für private.163 Vereinzelt wird in den Kommentierungen lediglich auf offizielle Reisen in Ausübung ihres Amtes Bezug genommen.164 Die Entscheidung des EuGH sei eine Stellungnahme dahingehend, dass die Rolle, in der sich der Unionsbürger bewegt, darüber entscheide, ob ihm die unionsbürgerlichen Rechte gewährt werden können, was danach nur bei Reisen in privater Funktion möglich sein soll.165
III. Fazit Somit ist im Ergebnis festzuhalten, dass das Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV nach überwiegender Auffassung eine binnenmarktunabhängige Grundfreiheit ist. Zudem kann dem Urteil des EuGH entnommen werden, dass Art. 21 AEUV zumindest für Staatsoberhäupter aufgrund von völkerrechtlichen Regelungen beschränkt werden kann. Dabei wurde die Abgrenzung zwischen privatem und amtlichem Besuch hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV relevant. Es zeigt sich jedoch auch bei dem vorliegenden Fall, dass es wohl schwer sein wird, überhaupt einen privaten Besuch von einem Staatsoberhaupt annehmen zu können. Denn auch der EuGH stellt in diesem Fall darauf ab, dass das Staatsoberhaupt bei jeglichen Besuchen einen besonderen Schutz genießt.166 Jeglicher Aufenthalt unterliege somit dem Völkerrecht und dem Recht der diplo160 161 162 163 164 165 166
So auch Obwexer, EuR Beiheft 1/2015, 51, 76. Ruffert, JuS 2013, 87, 88. Ruffert, JuS 2013, 87, 88. Obwexer, EuR Beiheft 1/2015, 51, 77. Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge, Art. 21 AEUV Rn. 4. Rossi, in: CMLR 2013, 1451, 1464. EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 48.
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung
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matischen Beziehungen.167 Aus Art. 21 AEUV kann sich somit kein Anspruch auf Einreise eines Staatsoberhaupts eines EU-Mitgliedsstaats in einen anderen Mitgliedsstaat ergeben.
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung Im Beschluss des BVerfG zum Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten in Deutschland stellt dieses hinsichtlich des fehlenden Anspruchs auf Einreise und Ausübung amtlicher Funktionen fest: „Hierzu bedarf es der – ausdrücklichen oder konkludenten – Zustimmung der Bundesregierung, in deren Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten eine solche Entscheidung gem. Art. 32 Abs. 1 GG fällt.“ 168
I. Einreiseanspruch aus der Verfassung Ein Anspruch aus der Verfassung für ausländische Staatsoberhäupter oder Regierungsmitglieder, nach Deutschland einzureisen, ergibt sich laut Bundesverfassungsgericht nicht.169 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es lediglich auf die Ausübung amtlicher Funktionen und eine Einreise gerade in dieser Funktion abstellt. Offen bleibt allerdings die Frage, ob auch eine Einreise als Privatperson lediglich zum Zwecke des Wahlkampfs möglich wäre und inwiefern ein Berufen auf Grundrechte möglich ist.170 Diese Frage wird Gegenstand des § 4 dieser Arbeit sein.
II. Art. 32 Abs. 1 GG als Kompetenznorm 1. Die auswärtige Gewalt Ein Begriff, der eng mit der Vorschrift des Art. 32 Abs. 1 GG verbunden ist, ist derjenige der auswärtigen Gewalt.171 Der Begriff wird im Grundgesetz nicht gebraucht.172 Dennoch findet er in Rechtsprechung und Literatur Verwendung.173 167
EuGH, Urteil v. 16.10.2012 – C – 364/10, BeckRS 2012, 82022, Rn. 49. BVerfG, NJW 2017, 1166. 169 BVerfG, NJW 2017, 1166. 170 Goldmann: Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, VerfBlog, 14.03.2017, online abrufbar unter: https://verfas sungsblog.de/le-gouvernement-de-soi-et-des-autres-zu-auftrittsverboten-fuer-tuerkischeregierungsmitglieder/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 171 Siehe dazu ausführlich: Biehler, Auswärtige Gewalt, insb. S. 3–106. 172 Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 1; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 8. 173 Sich ausdrücklich für die Notwendigkeit des Begriffs aussprechend: Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 5: „lässt sich der Terminus als wissenschaftlicher Begriff durchaus sinnvoll verwenden“; Wollenschläger, in: Dreier, GG, 168
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
Der Begriff der auswärtigen Gewalt steht in engem Zusammenhang mit der Vorschrift des Art. 32 GG.174 Erstmals erwähnt wurde der Begriff von Albert Haenel Ende des 19. Jahrhunderts.175 Bei der auswärtigen Gewalt handelt es sich allerdings nicht um eine vierte Gewalt, die neben die drei Gewalten Judikative, Exekutive und Legislative tritt.176 Vielmehr werden unter den Begriff der auswärtigen Gewalt „die Befugnisse, Instrumente, Konzepte und Normen staatlichen Handelns mit grenzüberschreitendem Bezug“ gefasst.177 Andere bezeichnen sie als „die Summe aller staatlichen Kompetenzen (. . .), die sich auf die Gestaltung der internationalen Beziehungen auf der völkerrechtlichen Ebene beziehen, und zwar einschließlich der staatlichen Vorschriften über die Willensbildung, die dem Handeln in auswärtigen Angelegenheiten vorangeht“.178 Zusammenfassend kann die auswärtige Gewalt als „die Gesamtheit aller die auswärtigen Beziehungen betreffenden Zuständigkeiten und Funktionen staatlicher Organe“ beschrieben werden.179 Die vorstehenden Definitionen kombinieren somit eine kompetenzrechtliche und eine funktionale Dimension.180 Im Hinblick auf das Verhältnis zur Außenpolitik wird der Begriff als „völkerrechtlich wirksam gewordene Außenpolitik“ bezeichnet.181 Der Begriff fungiert in diesem Sinne als Verknüpfung zwischen dem innerstaatlichen Bereich und dem völkerrechtlichen Handeln.182 Die Pflege der auswärtigen Beziehungen i. S. d. Art. 32 Abs. 1 GG stellt somit einen Teilbereich der auswärtigen Gewalt dar.183 Neben Art. 32 Abs. 1 GG treten weitere Bestimmungen des Grundgesetzes hinzu, die ebenfalls die auswärtige Gewalt beBd. II, Art. 32 Rn. 15: „heute noch von Wert“; a. A.: Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 18; Fassbender, in: Bonner Komm., GG, Art. 32 Rn. 15. 174 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 8. 175 Haenel, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1, 1892, 531 ff.; so auch die Chronologie bei Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 15; Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, S. 237, der jedoch zutreffend darauf hinweist, dass der Begriff dort nur verwendet, aber nicht näher erläutert wird. 176 Aust, Das Recht der globalen Stadt, S. 67; Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 1; Fastenrath/Groh, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 32 Rn. 5; Geiger, Staatsrecht III, S. 109; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 5; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 9; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 3; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 15. 177 Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, S. 237, s. dort auch zur Geschichte der Verwendung des Begriffs. 178 Geiger, Staatsrecht III, S. 108; ebenso: Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 3. 179 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 9; ähnlich auch: Fastenrath/Groh, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 32 Rn. 5. 180 Dies aufschlüsselnd: Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 1203; anders: Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 2, der den Begriff als reinen Kompetenzbegriff versteht. 181 Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 2; Reichel, Die Auswärtige Gewalt, S. 24. 182 Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 2. 183 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 8.
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung
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treffen, wie z. B. Art. 23 und 24 Abs. 1 sowie Art. 45 und Art. 45 a GG, die die parlamentarische Kontrolle betreffen.184 2. Qualifikation als Kompetenzverteilungsnorm zwischen Bund und Ländern Innerhalb der föderal strukturierten Bundesrepublik Deutschland bedarf es einer verfassungsrechtlichen Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.185 Neben die nach den drei Gewalten und damit funktionell bestimmte Kompetenzverteilung in den Art. 70 ff. GG für die Gesetzgebung, den Art. 83 ff. GG für die Verwaltung und den Art. 92 ff. GG für die Rechtsprechung tritt Artikel 32 GG für die Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Beziehungen.186 Art. 32 GG stellt somit eine Kompetenzverteilungsnorm zwischen Bund und Ländern dar.187 Dabei weist Artikel 32 Abs. 1 GG dem Bund umfassend die Pflege der Beziehung zu auswärtigen Staaten zu, was zu einem „Schwergewicht“ der Kompetenzen bei diesem führe.188 Die Norm sei somit eine „verfassungsorganisatorische Grundentscheidung“ 189. Mit dieser gehe eine Grundentscheidung zugunsten eines einheitlichen Auftretens der Bundesrepublik Deutschland nach außen und zulasten der Länderbefugnisse einher.190 Schon zu Beginn der Bundesrepublik wurde diese Kompetenzverteilung unterschiedlich beurteilt, zum einen wurde von einer Preisgabe des Föderalismus gesprochen191, zum anderen, insbesondere rechtsvergleichend darauf hingewiesen, wie föderal geprägt die Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland seien, dieser Föderalismus aber gerade im Rahmen der Auswärtigen Gewalt nicht gelten solle.192 Denn auf diesem Gebiet werde der Staat von außen als Einheit gegenüber anderen Staaten angesehen.193 Diese unterschiedlichen Sichtweisen kommen auch heute noch zum Ausdruck, wenn es um das Verhältnis des Art. 32 GG zu der Bestimmung des Art. 30 GG 184 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 7; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 4. 185 Vgl. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 4; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 1, 7; Sauer, Staatsrecht III, § 4 Rn. 10 f. 186 Fastenrath/Groh, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 32 Rn. 14. 187 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 32 Rn. 1; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 16. 188 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 16. 189 Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 1. 190 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 2. 191 Diskussionsbeitrag von Nawiasky in der Aussprache, in: VVDStRL 12 (1954), 237. 192 Menzel, VVDStRL 12 (1954), 179, 208 f., 218; vgl. zu der historischen Beurteilung auch: Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 6. 193 Menzel, VVDStRL 12 (1954), 179, 209.
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
geht. Die meisten Stimmen in der Literatur qualifizieren Art. 32 GG als abschließende und eigenständige Regelung neben Art. 30 GG.194 Angeführt wird für diese Ansicht insbesondere, dass im Rahmen des Völkerrechts auch Bundesstaaten stets als Einheit nach außen aufträten.195 Andere gehen davon aus, dass Art. 32 GG eine andere Regelung i. S. d. Art. 30 GG darstelle.196 Diese Ansicht wird von Fassbender ausführlich dahingehend begründet, dass Art. 30 GG aufgrund des Wortlauts, der Systematik, des Telos und der Entstehungsgeschichte die gesamten staatlichen Aufgaben und Befugnisse, sowohl nach innen als auch nach außen umfasse und damit auch die auswärtigen Kompetenzen des Bundes und der Länder.197 In teleologischer Hinsicht sprächen für die grundsätzliche Länderbefugnis auch auf dem Gebiet der auswärtigen Beziehungen ihre vom Grundgesetz zugesprochene Staatlichkeit und die Konzeption des Grundgesetzes als „offener Bundesstaat“.198 3. Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Regelungsgegenstand des Art. 32 Abs. 1 GG ist die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten. a) Begriff der auswärtigen Staaten Entgegen dem Wortlaut umfasst Art. 32 Abs. 1 GG nicht nur die Beziehungen zu auswärtigen Staaten199, sondern nach einhelliger Auffassung zu allen Völkerrechtssubjekten.200 Dabei differieren die Ansichten, wie es zu einer solch erwei194 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 4; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 32 Rn. 2; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 13; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 8; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 9. 195 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 4; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 9. 196 Fassbender, Der offene Bundesstaat, S. 412; ders., DÖV 2011, 714, 719; ders., in: Bonner Komm., GG, Art. 32 Rn. 1; Aust, Das Recht der globalen Stadt, S. 70; Fastenrath/Groh, in: Berliner Kommentar, Art. 32 Rn. 20; Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, S. 101; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 16. 197 Fassbender, DÖV 2011, 714, 716–719; ders., Der offene Bundesstaat, S. 315– 321. 198 Fassbender, DÖV 2011, 714, 717 f.; ausführlich zum Begriff des „offenen Bundesstaats“: ders., Der offene Bundesstaat, S. 8–19. 199 So die früher verankerte Auffassung von völkerrechtlichen Beziehungen, die sich ausschließlich zwischen Staaten vollzog, s. dazu: Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 GG, Rn. 31. 200 Geiger, Staatsrecht III, S. 111; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 24; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 GG, Rn. 31; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 11; Schorkopf, Staatsrecht der internationalen
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ternden Auslegung kommen kann. Zum einen wird darauf abgestellt, dass der Begriff der auswärtigen Staaten dynamisch auf die jeweils im Völkerrecht anerkannten Rechtssubjekte verweise.201 Das BVerfG sprach zum anderen von einer ausdehnenden Auslegung und einer sinngemäßen Fortbildung.202 Auch in der Literatur wird eine erweiternde203 beziehungsweise ausdehnende204 Auslegung befürwortet. Aufgrund historischer Gründe hinsichtlich staatskirchenrechtlicher Kompetenzen205 werden Konkordate zum Heiligen Stuhl nicht miteinbezogen, auch wenn letzterer ein Völkerrechtssubjekt ist.206 b) Reichweite des Begriffs der Pflege der Beziehungen Allgemein wird unter auswärtigen beziehungsweise grenzüberschreitenden Beziehungen ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen zwei oder mehreren Korporationen oder Personen zweier verschiedener Staaten verstanden, das zu einem Handlungszusammenhang führt.207 Die Beziehungen zu auswärtigen Staaten umfassen nur den grenzüberschreitenden Verkehr.208 Entscheidend ist somit, dass auf der einen Seite ein dem Bund zuzuordnendes Rechtssubjekt handelt, auf der anderen Seite jedoch zwingend ein ausländisches Völkerrechtssubjekt als Partner der Beziehung stehen muss.209 So fallen grundsätzlich auch Entscheidungen des Bundes gegenüber einem ausländischen Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied unter den Begriff der Beziehungen, da die Entscheidung gegenüber einem ausländischen Völkerrechtssubjekt ergeht, auch wenn es um eine politische Betätigung im Inland geht.210 Die Beziehungen zu auswärtigen Staaten umfassen nach überwiegender Auffassung nicht nur den Abschluss von Verträgen und den Erlass einseitig völBeziehungen, § 4 Rn. 15, S. 244; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 1205; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 14; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 20. 201 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 32; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 11; jeweils nur von einem Verweis, ohne dynamisch, ausgehend: Fassbender, in: Bonner Komm., GG, Art. 32 Rn. 69; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 24; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 14. 202 BVerfGE 2, 347, 374. 203 Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 7. 204 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke, GG, Art. 32 Rn. 16. 205 Siehe dazu: Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 12. 206 Geiger, Staatsrecht III, S. 112; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke, GG, Art. 32 Rn. 18; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 35; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 12; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 16. 207 So Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 83 i.V. m. S. 18; s. a. Fastenrath/Groh, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 32 Rn. 44. 208 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 10. 209 Vgl. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 15 f. i.V. m. Rn. 24. 210 Edwards, ZRP 2017, 91; Schwander, ZJS 2017, 242, 244.
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kerrechtlich wirksamer Rechtsakte, sondern vielmehr auch formfreies Handeln.211 Insbesondere Fastenrath wandte sich gegen eine solch weite Auslegung des Begriffs.212 Seiner Ansicht nach sprechen in erster Linie systematische Argumente gegen das Umfassen jeglichen völkerrechtlichen Handelns. Zunächst gäbe es dann keine Länderkompetenzen mehr, wenn jegliche Handlungsweisen, die sich als Völkerrecht darstellen, dem Art. 32 Abs. 1 GG unterfallen würden.213 Zudem widerspreche es dem eben bereits erwähnten System, nach dem das Grundgesetz die Kompetenzen auf Bund oder Länder verteilt und das nie gesamte Politikbereiche in die Kompetenz der Länder oder des Bundes legt.214 Auch ein Blick auf die Absätze 2 und 3 des Art. 32 GG, die nur völkerrechtliche Verträge erfassen, spräche für die Annahme, dass der gesamte Art. 32 GG nur für förmliches Handeln gilt. Die Untersuchung der Art. 24, 59, 115 a Abs. 5, 115 l Abs. 3 GG und damit der Normen, die völkerrechtliches Handeln im Grundgesetz vorsehen, ergebe ebenfalls, dass nur förmliches Handeln erfasst ist.215 In teleologischer Hinsicht diene Art. 32 GG dazu, eine verschiedene völkerrechtliche Politik durch den Bund auf der einen und die Länder auf der anderen Seite zu verhindern. Jedoch wäre eine einheitliche Außenpolitik mit der föderalistischen und pluralistischen Ausrichtung des Grundgesetzes unvereinbar.216 Lediglich die grammatische Auslegung der Vorschrift spreche für eine Erweiterung auch auf nichtförmliches Handeln.217 Auch Fassbender wendet sich gegen eine weite Auslegung des Begriffs und begrenzt den Anwendungsbereich aufgrund einer historischen Auslegung im Hinblick auf die Vorschrift der Weimarer Reichsverfassung auf den Kernbereich der diplomatischen und konsularischen Beziehungen.218 Gegen diese Ansicht wendet sich ein Großteil der Literatur.219 Würde das informelle Handeln nicht erfasst, so würde die Zuständigkeit der Bundesregierung 211 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 11 f.; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 11; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 1206. 212 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 83–102; ebenso: Fastenrath/Groh, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 32 Rn. 46; ebenfalls für eine Beschränkung der Bundeskompetenz auf formelles Handeln: Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 245. 213 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 85; Fastenrath/Groh, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 32 Rn. 48. 214 Fastenrath/Groh, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 32 Rn. 46; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 85. 215 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 86 f. 216 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 95 f. 217 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 83 f. sowie S. 100. 218 Fassbender, DÖV 2011, 714, 716; ders., Der offene Bundesstaat, S. 309–314. 219 Geiger, Staatsrecht III, S. 111; Grewe, in: 2HStR III, § 77 Rn. 83; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 12; Kempen, in: v. Mangoldt/
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung
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zu stark reduziert.220 Dabei habe Art. 32 Abs. 1 GG gerade den Zweck, ein kohärentes Auftreten im zwischenstaatlichen Verkehr zu gewährleisten.221 Es wird zudem auf die besondere Relevanz des informellen Handelns im Bereich des Auswärtigen hingewiesen, die ebenfalls für eine Bundeskompetenz spreche.222 Der weite Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 GG erfasse eindeutig auch informelles Handeln.223 Diese Ansicht argumentiert mit der historischen Entwicklung der Vorschrift, da weder Rechtsprechung und Literatur in der Zeit der Weimarer Reichsverfassung noch der Parlamentarische Rat eine solche Einschränkung befürwortet hätten.224 In systematischer Hinsicht wird argumentiert, dass die Anliegen der Länder und Kommunen hinreichend über Art. 32 Abs. 3 GG berücksichtigt werden könnten.225 Angeführt wird auch ein argumentum e contrario aus dem Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 S. 1 GG, der insoweit eindeutig auf die völkerrechtliche Vertretung i. S. v. Völkerrechtsakten abstellt.226 Teilweise wird die Zuständigkeit des Bundes hinsichtlich informeller Handlungen etwas eingeschränkt: Eine Ansicht bezieht informale Handlungen wie Besuche, Reden oder Grußbotschaften nur dann in den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG ein, wenn damit eine offizielle Repräsentation der Bundesrepublik Deutschland einhergeht.227 Bei Aktivitäten, die nicht darunter fallen, wird eine Kompetenz des Bundes kraft Natur der Sache befürwortet.228 Andere stellen darauf ab, dass bei den Aktivitäten – in Abgrenzung zu Städtepartnerschaften o. ä. – die gesamtstaatliche Repräsentation zum Ausdruck kommen müsse.229
Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 35; Nass, Europa-Archiv 1986, 619, 625; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 41; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 12; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 22; Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 5; s. a. Fassbender, in: Bonner Komm., GG, Art. 32 Rn. 82, der insbesondere die konsularischen und diplomatischen Beziehungen als von Art. 32 Abs. 1 GG erfasst ansieht, vgl. ders., DÖV 2011, 714, 716; ders., Der offene Bundesstaat, S. 309–314, die aber gerade auch nicht-rechtsförmliches Handeln umfassen, vgl. ders., in: Bonner Komm., GG, Art. 32 Rn. 82. Die Länder können auch im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Handlungen im Bereich des Auswärtigen vornehmen, ders., in: Bonner Komm., GG, Art. 32 Rn. 86, s. dazu auch bereits oben, unter § 3 C. II. 2. 220 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 41. 221 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 22. 222 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 22. 223 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 22. 224 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 41. 225 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 41. 226 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 22, a. A. Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 86 f., der darin ein systematisches Argument gegen die Einbeziehung informellen Handelns i.R. d. Art. 32 Abs. 1 GG sieht. 227 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 32 Rn. 12. 228 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 32 Rn. 12, ebenfalls für Grenzfälle auf eine Kompetenz kraft Natur der Sache abstellend: Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 1206. 229 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 22.
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
Folgt man der überwiegenden Ansicht der weiten Auslegung des Begriffs der auswärtigen Beziehungen, so fallen unter die Kompetenzvorschrift des Art. 32 Abs. 1 GG insbesondere Staatsbesuche230, politische Kontakte231 sowie diplomatische und konsularische Beziehungen232. c) Pflege der Beziehungen durch unterstaatliche Akteure Nicht vom Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG sind solche Fälle erfasst, in denen auf Seite der Bundesrepublik Deutschland nicht die Länder oder der Bund tätig werden, sondern vielmehr nachgeordnete Körperschaften, die keine auswärtige Gewalt ausüben.233 Insofern umfasst Art. 32 Abs. 1 GG nur die auswärtige Gewalt im engeren Sinne, Auslandskontakte zwischen Gemeinden können somit als auswärtige Gewalt im weiteren Sinne bezeichnet werden.234 Für solche Rechtssubjekte, die nicht der staatlichen Sphäre zuzuordnen sind, sei der persönliche Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG erst recht nicht eröffnet.235 Auch das BVerfG ging in seinem Kehler Hafen-Urteil davon aus, dass die Bestimmungen über die Verträge mit auswärtigen Staaten nur solche Fälle erfassen, in denen auf Seite der Bundesrepublik der Bund oder die Länder Vertragspartner werden und auf der anderen Seite der auswärtige Staat oder ihm gleichzustellende Völkerrechtssubjekte handeln.236
230 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 23 mit Hinweis auf OVG Greifswald Beschl. v. 31.05.2007, 3 M 53/07, online abrufbar unter: http://www.lan desrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml;jsessionid=0.jp35?showdoccase=1& doc.id=MWRE105470700&st=ent (letzter Zugriff: 23.02.2018), Rn. 39; Geiger, Staatsrecht III, S. 111; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke, GG, Art. 32 Rn. 12; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 41; Schmahl, in: Sodan, GG, Art. 32 Rn. 4. 231 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 41. 232 Fassbender, in: Bonner Komm., GG, Art. 32 Rn. 70–74; Geiger, Staatsrecht III, S. 111; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke, GG, Art. 32 Rn. 11; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 23. 233 Aust, Das Recht der globalen Stadt, S. 74; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 32 Rn. 4; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 21; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 67; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 24; s. a. Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 31, der jedoch für eine Kontrolle durch Land und evtl. eine Abstimmung mit dem Bund plädiert. 234 Aust, Das Recht der globalen Stadt, S. 74; ders., „Global Cities“ und das Grundgesetz, in: L’État, c’ est quoi, ATÖR 2015, 215, 235. 235 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 23. 236 BVerfGE 2, 347, 374; s. a. Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 19; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 32 Rn. 19, der ebenfalls feststellt, dass Art. 32 GG nicht einschlägig ist, wenn sich Maßnahmen nicht an Völkerrechtssubjekte richten; a. A. und damit gegen das Erfordernis einer Völkerrechtssubjektivität der Gegenseite: Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 19; zu einer aktuelleren Kontextualisierung des Urteils, s. Aust, Das Recht der globalen Stadt, S. 71–75.
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung
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d) Zwischenergebnis und Einordnung der Entscheidung über die Einreise Art. 32 Abs. 1 GG verteilt die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Bereich der Pflege der auswärtigen Beziehungen. Die Regelung erfasst nicht nur Beziehungen zu auswärtigen Staaten, sondern auch zu anderen Völkerrechtssubjekten. Die Pflege der Beziehungen kann sowohl durch rechtsförmliches als auch durch informelles Handeln erfolgen. Nicht in den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG fallen allerdings auswärtige Beziehungen zwischen unterstaatlichen Akteuren oder nichtstaatlichen Akteuren. Die Entscheidung über die Einreise stellt nach dem oben Festgestellten eine Entscheidung dar, die jeder Staat aufgrund seiner Souveränität selbst treffen kann. Wird über die Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds in amtlicher Eigenschaft entschieden, so stellt dies nach Ansicht des BVerfG eine Entscheidung zwischen zwei souveränen Staaten dar.237 Bereits unter dem völkerrechtlichen Gesichtspunkt ist es somit anerkannt, dass die Einreise in einen anderen Staat dessen Zustimmung bedarf.238 Da es sich bei Entscheidungen, die gegenüber ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern ergehen, um die Beziehung zu ausländischen Hoheitsträgern handelt, ist der Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG eröffnet.239 Auch das BVerfG stellt fest, dass die Entscheidung über die Zustimmung zur Einreise von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern für amtliche Tätigkeiten in den Bereich der Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten gem. Art. 32 Abs. 1 GG fällt.240 Dies hat in der Literatur Zuspruch gefunden.241 Dabei wird auf die Auswirkungen hingewiesen, die die Entscheidung der Bundesregierung über den Auftritt eines ausländischen Regierungsmitglieds sowohl für den Staat, aus dem der Redner kommt, als auch für andere Staaten hat, die sich entweder bestätigt oder brüskiert fühlen können. Durch die
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BVerfG, NJW 2017, 1166, Rn. 3. Siehe dazu bereits oben unter § 3 A. 239 Auf die Übereinstimmung der Kompetenzvorschrift des Art. 32 Abs. 1 GG mit dem Völkerrecht hinweisend: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 139. 240 BVerfG, NJW 2017, 1166, Rn. 3. 241 Edwards, ZRP 2017, 91, 91; Goldmann: Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, VerfBlog, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/le-gouvernement-de-soi-et-des-autres-zu-auftrittsverbo ten-fuer-tuerkische-regierungsmitglieder/ (letzter Zugriff: 24.01.2019); Jacob, NVwZExtra 16/2017, 1, 5; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 29; Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 139; Lämmermann, ZAR 2017, 352, 360; Sauer, Staatsrecht III, § 4 Rn. 40; Schwander, ZJS 2017, 242, 244; Wolff, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 32 Rn. 1. 238
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
Genehmigung schaffe der deutsche Staat gerade erst die Rahmenbedingungen dafür, dass die Rede gehalten werden kann.242 Insbesondere umfasst der Begriff der Pflege der auswärtigen Beziehungen auch nicht-rechtsförmiges Handeln, sodass der Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG auch für die Entscheidung über Einreise und Auftritt eröffnet ist. Die Entscheidung ergeht zudem gegenüber einem Vertreter eines ausländischen Staates. Art. 32 Abs. 1 GG weist somit die Kompetenz für die Entscheidung über die Einreise dem Bund zu.
III. Organkompetenz der Bundesregierung für die Entscheidung über die Einreise ausländischer Staatsoberhäupter und ihrer Regierungsmitglieder 1. Problemstellung Die Frage nach der Verteilung der Kompetenzen zwischen Parlament und Regierung wird allerdings nicht von Art. 32 GG entschieden, sondern von Art. 59 GG.243 Denn Art. 59 GG regelt die Organkompetenz für die auswärtige Gewalt.244 Gemäß Art. 59 Abs. 1 GG ist der Bundespräsident zur völkerrechtlichen Vertretung des Bundes befugt. Allerdings nimmt die meisten Aufgaben der völkerrechtlichen Vertretung nicht der Bundespräsident, sondern die Bundesregierung wahr.245 Insbesondere der Regierungschef und der Außenminister nehmen Aufgaben der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland nach außen wahr.246 Die Vertretungsmacht dieser Personen wird auch im Völkerrecht vermutet, was in Art. 7 Abs. 2 lit. a der Wiener Vertragsrechtskonvention festgelegt ist.247 Insbesondere stellt auch das Gesetz über den Auswärtigen Dienst (GAD)248 in § 1 Abs. 1 S. 1 GAD fest, dass der Auswärtige Dienst die auswärtigen Angelegenheiten des Bundes wahrnimmt, wozu gem. S. 2 auch die Pflege der Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu auswärtigen Staaten gehört. In § 1 Abs. 2 GAD werden dann die Aufgaben des Auswärtigen Dienstes noch einmal aufgezählt, 242
Edwards, ZRP 2017, 91. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 1. 244 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 11; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 7; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 2. 245 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 13; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 40; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 9. 246 Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 23; Stern, Staatsrecht der BRD, II, S. 222. 247 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 205; Stern, Staatsrecht der BRD, II, S. 222. 248 Gesetz über den Auswärtigen Dienst vom 30. August 1990 (BGBl. I S. 1842), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 410) geändert worden ist. 243
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung
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unter anderem die Interessenvertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland und die Pflege und Förderung der auswärtigen Beziehungen. Der Auswärtige Dienst umfasst dabei gem. § 2 GAD das Auswärtige Amt und die Auslandsvertretungen. Damit greift das Gesetz in § 1 Abs. 2 GAD die in Art. 32 Abs. 1 GG getroffene Regelung auf, dass die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes ist, wobei der Auswärtige Dienst als zuständiges Organ gem. Art. 87 Abs. 1 GG in bundeseigener Verwaltung steht.249 Allerdings ist umstritten, ob der einfachgesetzlich verwendete Begriff des Auswärtigen Dienstes deckungsgleich mit dem im Grundgesetz ist.250 Auch wenn die Formulierung in § 1 GAD den Anschein erweckt, dass die Vorschrift die Zuständigkeit allein dem Auswärtigen Dienst zuspricht, richtet sich die Kompetenzverteilung trotzdem nach den einschlägigen Grundgesetzbestimmungen, mithin Art. 32 GG und Art. 59 GG.251 Wenn das BVerfG feststellt, dass die Entscheidung über die Einreise eines Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds in den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung gem. Art. 32 Abs. 1 GG fällt252, bedarf dies einer näheren Begründung. Das BVerfG legt dabei die Annahme zugrunde, dass insbesondere der zwischenstaatliche Verkehr sowie die Außenvertretung des Gesamtstaats der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung, obliegen.253 Die Regierung sei das Organ, das über die nötigen personellen, sachlichen und organisatorischen Ressourcen verfüge, auf neue außenpolitische Entwicklungen schnell und adäquat reagieren zu können.254 Dies steht aber offensichtlich zunächst im Widerspruch zu der Organkompetenz des Bundespräsidenten gem. Art. 59 Abs. 1 GG. 2. Unterscheidung zwischen materieller und formeller Kompetenz im Bereich der Auswärtigen Gewalt Hinzuweisen ist dabei auf den Umstand, dass dem Bundespräsidenten innerstaatlich keine Kompetenz für das materielle völkerrechtliche Handeln zukommt und sich damit die Kompetenz aus Art. 59 GG vielmehr nur in einer formellen Wirkung erschöpft.255 249 Siehe die amtliche Begründung zu § 1 Abs. 2 GAD in: Grau/Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, § 1, S. 83. 250 Vgl. die Ansichten bei Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87, Rn. 66–69. 251 Grau/Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, § 1 Rn. 3, 5. 252 BVerfG, NJW 2017, 1166, Rn. 3. 253 BVerfGE 131, 152, 195; BVerfGE 68, 1, 86. 254 BVerfGE 131, 152, 195; BVerfGE 68, 1, 87; s. a. Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 4 Rn. 10. 255 Bleckmann, GG und Völkerrecht, S. 213 f.; Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 16; Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck,
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
Art. 59 Abs. 1 GG steht in einer Tradition des Absolutismus, der dem Staatsoberhaupt das ius repraesentationis omnimodae zuwies.256 Der Bedeutungszuwachs von Bundestag und Bundesregierung im Bereich der auswärtigen Beziehungen führt allerdings zu einem Bedeutungsverlust dieser Tradition.257 Legt man die Unterscheidung zwischen formeller und materieller auswärtiger Gewalt zugrunde258, d.h. zwischen der Befugnis, die Entscheidung nach außen zu kommunizieren, und der Zuständigkeit für den innerstaatlichen Willensbildungsprozess259, so kommt die Einschätzungsprärogative im Bereich der auswärtigen Gewalt vielmehr der Bundesregierung zu.260 Die materielle Zuständigkeit für Entscheidungen im Bereich des Auswärtigen folgt zunächst aus der Funktion der Regierung zur Staatsleitung, die auch die auswärtige Verwaltung umfasst.261 Diese Praxis der Zuständigkeit der Bundesregierung kommt auch in der GOBReg zum Ausdruck262, die insbesondere dem Auswärtigen Amt im Rahmen der außenpolitischen Kontakte der Bundesrepublik Deutschland eine besondere Stellung einräumt.263 Gemäß § 11 Abs. 1 GO-BReg sollen Regierungsmitglieder oder -vertreter nur nach vorherigem Benehmen – und somit nach der Information des Auswärtigen Amtes264 – empfangen werden. Bei Verhandlungen mit dem oder im Ausland, die im Gegensatz zu Gesprächen politische oder rechtliche Bindungen entfalten können, muss gem. § 11 Abs. 2 GO-BReg die Zustimmung des Auswärtigen Amtes eingeholt werden oder auf Verlangen sogar ein Vertreter des Auswärtigen Amtes anwesend sein.265 Hinzuweisen ist auch auf § 1 Abs. 1 S. 1 GO-BReg, der festlegt, dass sowohl die Richtlinien der inneren als auch der äuGG, Bd. II, Art. 59 Rn. 10; Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 22; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 9, 11; Seidel, Der Bundespräsident als Träger der auswärtigen Gewalt, S. 151; Stern, Staatsrecht der BRD, II, S. 224; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 18; kritisch allerdings: Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 59 Rn. 13, der dem Bundespräsidenten zugestehen will, „eigene Akzente zu setzen“ (Rn. 14). 256 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 1; s. zum historischen Hintergrund auch: Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 1. 257 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 2. 258 So ausdrücklich: Bleckmann, GG und Völkerrecht, S. 213; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 34 ff. 259 Bleckmann, GG und Völkerrecht, S. 213. 260 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 53; ähnlich auch Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 4 Rn. 10, der auf die machtpolitische Konzeption des GG abstellt und daher der Regierung als Verfassungsorgan die Handlungsbefugnis zuweist. 261 Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 4 Rn. 10; § 5 Rn. 25. 262 Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 17. 263 Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 5 Rn. 29. 264 Busse, in: Nomos-BR/Busse, GO-BReg, § 11 Rn. 1; a. A.: Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 5 Rn. 29, der auch ein Einverständnis fordert. 265 Busse, in: Nomos-BR/Busse, GO-BReg, § 11 Rn. 2.
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung
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ßeren Politik durch den Kanzler bestimmt werden.266 Auch wenn die Regelungen der GO-BReg lediglich eine Verbindlichkeit innerhalb der Regierung entfalten, sind die dort getroffenen Definitionen durchaus auch für andere Verfassungsorgane von Bedeutung267 beziehungsweise können zumindest ein Indiz dafür sein, dass Art. 65 GG auch den Bereich der Außenpolitik umfasst.268 Da es an einer ausdrücklichen Zuweisung der Kompetenz der Regierung für den Bereich der auswärtigen Gewalt durch das Grundgesetz fehlt269, variieren die Begründungen für die fehlende materielle Handlungsbefugnis des Bundespräsidenten. Gegen ein Abstellen auf die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers aus Art. 65 S. 1 GG270 spricht die lediglich innerhalb der Regierung bindende Wirkung dieser.271 Auch das systematische Argument, das auf die Existenz der Gegenzeichnungspflicht aus Art. 58 GG abstellt272, ist insofern nicht überzeugend, als auch der Reichspräsident trotz seiner außenpolitischen Tätigkeiten diesem Erfordernis unterlag.273 Hinzu kommt, dass auch die Reichweite des Gegenzeichnungserfordernisses umstritten ist.274 Vielmehr spricht die Stellung des Bundespräsidenten im Grundgesetz für seine fehlende materielle Kompetenz im Bereich der auswärtigen Gewalt.275 Der Bundespräsident ist weder unmittelbar demokratisch legitimiert noch dem Parlament gegenüber verantwortlich.276 Vielmehr erschöpft sich seine Funktion, die ihm im Grundgesetz zugewiesen wird, in 266 Vgl. Grewe, in: 2HStR III, § 77 Rn. 55; Seidel, Der Bundespräsident als Träger der Auswärtigen Gewalt, S. 118. 267 Grewe, in: 2HStR III, § 77 Rn. 55. 268 Seidel, Der Bundespräsident als Träger der auswärtigen Gewalt, S. 123. 269 Grewe, in: 2HStR III, § 77 Rn. 55; Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 21, der nur auf Art. 23 GG verweist. 270 So Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 52; Stern, Staatsrecht der BRD, II, S. 224; Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 22, der als ausschlaggebend die parlamentarische Verantwortlichkeit des Kanzlers sieht, die in Art. 65 GG zum Ausdruck komme. 271 Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 10; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 19. 272 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 10. 273 Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21; Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 5 Rn. 44 mit Hinweis auf Art. 50 WRV. 274 Für die Geltung des Gegenzeichnungserfordernis nur für rechtsverbindliche Akte: Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 18; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 55; für die Geltung auch für nichtrechtsförmliche Handlungen: Bleckmann, GG und Völkerrecht, S. 213; Seidel, Der Bundespräsident als Träger der auswärtigen Gewalt, S. 129. 275 Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 59 Rn. 15; Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 17; Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 9; Sauer, Staatsrecht III, § 4 Rn. 25; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 19. 276 Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21; ebenfalls auf die fehlende parlamentarische Verantwortlichkeit hinweisend: Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, Art. 59 Rn. 15; Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 17; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 201; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 9; Sauer,
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
einer Repräsentations- und Integrationsfunktion sowie einem Prüfungsrecht.277 Hinzu kommt das historische Argument, dass dem Bundespräsidenten – im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung – kein bedeutendes politisches Gewicht mehr zukommen sollte.278 3. Reichweite der Vertretungsbefugnis des Bundespräsidenten Fraglich ist damit allerdings, ob die Regelung des Art. 59 Abs. 1 GG dazu führt, dass nur der Bundespräsident dazu befugt ist, die Entscheidungen gegenüber dem Ausland zu kommunizieren. Auch dies wird meist durch die Regierung vorgenommen. Die Zuständigkeit der Bundesregierung oder anderer Bundesorgane wäre dann für Handlungen wie die Durchführung von Staatsbesuchen sowie das Verkünden von Grußbotschaften gegeben279, wenn informelles Handeln bereits aus dem Anwendungsbereich des Art. 59 GG ausgenommen wird.280 Wird der Anwendungsbereich des Art. 59 Abs. 1 GG allerdings weit ausgelegt und umfasst er damit auch informelles Handeln281, so differenzieren die Begründungsansätze für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Zuständigkeit anderer Bundesorgane.282 So wird vertreten, die Kompetenz der Bundesregierung, die Entscheidungen auch nach außen zu kommunizieren, folge aus ihrer „Routinetätigkeit“.283 Andere differenzieren zwischen völkerrechtlichem Handeln, das den Gesamtstaat betrifft, und solchem, das nur eine Teilgewalt des Staates betrifft und daher auch nur von Organen dieser Gewalt vorgenommen werden könne.284 Auch wird eine Staatsrecht III, § 4 Rn. 25; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 19; gegen diese Argumentation: Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 51. 277 Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21. 278 Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 5 Rn. 45. 279 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 8. 280 So Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 8, wohl auch Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 59 Rn. 16; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 202 f.; Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 22; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 59 Rn. 2; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 10. 281 So die Auslegung bei Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 37; Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 19; Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 59 Rn. 7–10; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 13; für eine Einbeziehung jeglicher Handlungen auch: Seidel, Der Bundespräsident als Träger der auswärtigen Gewalt, S. 80. 282 Vgl. die Darstellung bei Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 41. 283 Stern, Staatsrecht der BRD, II, S. 225 f.; dagegen: Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 20; Argumente gegen diese Ansicht führen an: Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 8; Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 59 Rn. 23; Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 20. 284 Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 19; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 210 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 59 Rn. 3; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 12;
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Auslegung des Art. 59 Abs. 1 S. 1 durch Art. 59 Abs. 1 S. 2 und S. 3 GG vorgeschlagen.285 Angeführt wird auch eine teleologische Einschränkung des Art. 59 Abs. 1 S. 1 GG, um der vom Grundgesetz vorgesehenen internationalen Zusammenarbeit eine effektive Verwaltung zu ermöglichen.286 Zudem wird eine Sperrwirkung des Art. 59 Abs. 1 S. 1 GG für die Kompetenzen nur im Rahmen des Kernbereichs der Repräsentationsfunktion befürwortet.287 Meist wird allerdings von einer stillschweigenden oder ausdrücklichen Ermächtigung des Bundespräsidenten288 beziehungsweise einer Delegation der Kompetenz auf die anderen Bundesorgane289 ausgegangen. Die Begründung erfolgt meist im Hinblick auf die praktische Erforderlichkeit.290 Da eine generelle Delegation mit der Verfassung nicht im Einklang stünde, da eine solche dort vorgesehen werden müsse und die Vorschrift des Art. 59 Abs. 1 S. 1 GG sonst bedeutungslos werden würde,291 wird eine Einzelvollmacht befürwortet, bei der der Bundespräsident die Kontrolle über die delegierten Befugnisse behielte.292
dagegen allerdings: Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 20 mit der Argumentation, dass die einheitliche Repräsentation des Staates für alle Akte gelten müsse; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 8. 285 So Reichel, Die auswärtige Gewalt, S. 60; dagegen allerdings: Bleckmann, GG und Völkerrecht, S. 211; Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 59 Rn. 21 i.V. m. Rn. 10 m.w. N.; Geiger, Staatsrecht III, S. 170; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 36; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 10. 286 Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 8. 287 Heun, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 23; ein ähnlicher Ansatz findet sich bei Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 44. 288 BVerfGE 68, 1, 82 f. („stillschweigend erteilte[. . .] Vollmacht“); Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 202; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 59 Rn. 8, der jedoch nur von der Zulässigkeit einer Einzelbevollmächtigung und nicht von einer generellen Ermächtigung ausgeht; ebenso: Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 59 Rn. 25; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 18; für eine generelle Ermächtigung für gewisse Arten von Geschäften, die allerdings hinreichend bestimmt sein muss: Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 14; für eine formale Ermächtigung durch den Bundespräsidenten: Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 5 Rn. 51; für eine Delegation in engen Grenzen: Seidel, Der Bundespräsident als Träger der auswärtigen Gewalt, S. 80. 289 Geiger, Staatsrecht III, S. 118; Sauer, Staatsrecht III, § 4 Rn. 25; Pernice, in: 2 Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21, der allerdings nur eine Delegation für den Einzelfall für verfassungsgemäß hält, ebenso: Pieper, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 59 Rn. 11. 290 Siehe Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 59 Rn. 25; Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21; dies ebenfalls feststellend: Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 19. 291 Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 59 Rn. 23; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 17. 292 Vgl. Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 59 Rn. 25; Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 59 Rn. 21.
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Damit gelangen alle Ansichten – über unterschiedliche Wege – zu einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Organzuständigkeit der Bundesregierung für solches Handeln, das in der Praxis regelmäßig von dieser durchgeführt wird. 4. Zwischenergebnis Wenn Art. 59 Abs. 1 S. 1 GG festlegt, dass der Bundespräsident den Bund völkerrechtlich vertritt, dann umfasst das von vornherein nur die formelle Kompetenz für völkerrechtliches Handeln. Die materielle Entscheidungsbefugnis auf dem Gebiet der Außenpolitik kommt vielmehr der Bundesregierung, insbesondere dem Auswärtigen Amt zu. Somit obliegt auch die Entscheidung über die Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds, wie das BVerfG zutreffend feststellte293, der Bundesregierung als zuständigem Organ. Auch hinsichtlich der Vertretungsbefugnis und damit der Kommunikation der Entscheidung gegenüber einem auswärtigen Staat wird – mit unterschiedlicher Begründung – eine verfassungsrechtliche Zulässigkeit angenommen, sodass die Bundesregierung beziehungsweise das Auswärtige Amt auch dazu befugt wäre, die Entscheidung über Einreise und Auftritt dem ausländischen Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied beziehungsweise dem Staat als solchem gegenüber mitzuteilen.
IV. Befugnisse der Länder im Rahmen der auswärtigen Beziehungen Allerdings wird die Frage nach der Kompetenz für Sachverhalte, an denen ausländische Staatsoberhäupter oder Regierungsmitglieder beteiligt sind, in verschiedenen Konstellationen relevant, sodass im Folgenden die Reichweite der Kompetenz der Länder im Bereich der auswärtigen Gewalt untersucht werden soll. 1. Vertragsabschlusskompetenz gem. Art. 32 Abs. 3 GG Im Rahmen des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge wird den Ländern durch die Absätze 2 und 3 des Art. 32 GG ein gewisses Mitspracherecht (Abs. 2) beziehungsweise ein Vertragsabschlussrecht (Abs. 3) zugestanden.294 Art. 32 Abs. 3 GG begründet zum einen die verfassungsrechtliche Kompetenz für die Länder zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge und zum anderen verleiht es ihnen die Völkerrechtssubjektivität.295 293
BVerfG, NJW 2017, 1166, Rn. 3. Siehe für Art. 32 Abs. 3 GG von einer Eröffnung eines Teilbereichs der auswärtigen Gewalt sprechend: Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 58. 295 Insofern eine doppelte Funktion feststellend: Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 10; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 94; 294
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2. Problemstellung Problematisch ist allerdings – in der Zusammenschau mit Art. 32 Abs. 1 GG – inwiefern den Ländern eine Kompetenz für Handeln im Bereich der auswärtigen Beziehungen abgesehen von dem Abschluss völkerrechtlicher Verträge zustehen kann.296 Denn der Abschluss völkerrechtlicher Verträge stellt heutzutage einen unwesentlichen Bereich der auswärtigen Beziehungen der Länder dar.297 Vielmehr sind es Städtepartnerschaften, Abkommen unterhalb der Schwelle von Verträgen sowie Reisen ins Ausland von Landesvertretern, die für die Tätigkeit der Länder mit anderen Staaten wesentlich sind.298 Diese Fragestellung ergibt sich als Konsequenz aus der weiten Auslegung des Begriffs der Pflege der Beziehungen, der eine umfassende Bundeskompetenz zur Folge hat.299 Einigkeit besteht weitgehend darüber, dass in der Praxis die Länder aktiv an den Beziehungen zu auswärtigen Staaten mitwirken300 und es deshalb einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieser Praxis bedarf.301 3. Meinungsstand Allerdings unterscheiden sich die Stimmen in der Literatur dahingehend, wie weit die Befugnisse reichen und woraus sich die Kompetenz für ein Agieren unterhalb der Schwelle des Vertragsschlusses ableitet. Nur vereinzelt wird das VorStreinz, in: Sachs, GG, Art, 32 Rn. 6; zu Letzterem: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 32 Rn. 1; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 7, wobei allerdings umstritten ist, ob die Völkerrechtsfähigkeit nur innerstaatlich anerkannt wird und sich im völkerrechtlichen Verkehr erst durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge realisiert, so Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 45; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 9; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 6; in diese Richtung auch tendierend: Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 7; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III, Rn. 290; a. A.: Mosler, in: FS Thoma, 129, 163; für eine lediglich deklaratorische Bedeutung der Vorschrift: Fassbender, DÖV 2011, 714, 720. 296 Von einem „Spannungsfeld“ der Staatspraxis zu Art. 32 Abs. 1 GG sprechend: Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 28. 297 Siehe zu dieser Entwicklung: Fassbender, JZ 2016, 280, 281–285. 298 Fassbender, JZ 2016, 280, 285. 299 Siehe dazu oben unter: § 3 C. II. 3. b); diesen Zusammenhang klar herausstellend: Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 34 f.; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 51. 300 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 56; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 33; Nettesheim, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 32 Rn. 107; Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 4 Rn. 37 mit einigen Beispielen aus der Praxis; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 27. 301 Vgl. Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 56; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 51.
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
gehen der Länder, politische Absprachen, die nicht vertragsbezogen sind, zu treffen, noch für verfassungswidrig erachtet und nur als von der Bundesregierung stillschweigend geduldet angesehen.302 Lediglich für unmittelbar vertragsbezogenes Handeln soll den Ländern eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang zukommen.303 Eine Ansicht lässt außervertragliches Handeln aufgrund einer ausdrücklichen oder konkludenten Delegation von Kompetenzen durch den Bund zu304, eine andere Ansicht dagegen fordert für das Handeln der Länder im Bereich des Auswärtigen eine Einwilligung des Bundes305. Fassbender stellt aufgrund seiner Meinung zum Verhältnis der Artikel 30 und 32 GG zueinander darauf ab, dass die Länder aufgrund ihrer Kompetenzzuweisung gemäß Art. 30 GG tätig werden könnten, soweit es sich nicht um die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten i. S. d. Art. 32 Abs. 1 GG handelt.306 Einige befürworten auch eine Kompetenz kraft Natur der Sache307, teils eingeschränkt durch das Erfordernis, dass es sich nicht um eine auf eine besondere Zuständigkeit bezogene Repräsentation des Landes handelt.308 Begründet wird dies mit der Eigenstaatlichkeit der Länder, die es zwingend erfordere, dass auch die Länder im Rahmen ihrer Bedürfnisse, insbesondere mit den angrenzenden Staaten, politische Aktivitäten entfalten können müssen.309 Dies sei ein Teil des Kernbereichs eigener Aufgaben, der zum „Hausgut“ 310 der Eigenstaatlichkeit der Länder gehöre.311 Denn gerade die Länder würden eine „Besuchsdiplomatie“ mit auswärtigen Staaten betreiben.312 Oft wird auch Art. 24 Abs. 1 a GG und das auf Grundlage So noch Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 38. Pernice, in: 2Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 37. 304 Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 60; Grewe, in: 2HStR III, § 77 Rn. 83. 305 Reichel, Die auswärtige Gewalt, S. 178. 306 Fassbender, DÖV 2011, 714, 719; ders., in: Bonner Komm., GG, Art. 32 Rn. 86. 307 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 35, 89; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 52; Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 23. 308 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 28. 309 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 35, 89; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 52; Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 23. 310 Siehe dazu: BVerfGE 34, 9, 20, in der es um die Reichweite der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Landesbeamtenbesoldung ging und grundsätzlich festgestellt wurde, dass den Ländern im Rahmen ihrer Eigenstaatlichkeit ein Kern eigener Aufgaben als „Hausgut“ unentziehbar verbleiben muss, wobei die Einzelheiten offen blieben. 311 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 52. 312 Siehe dazu Fastenrath, in: Dittmann/Kilian, Kompetenzprobleme der auswärtigen Gewalt, S. 1, 2–6, mit einer Auflistung von Beispielen: S. 43–60; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 89; Nettesheim, in: Maunz/Dürig, 302 303
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung
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des Art. 23 Abs. 7 GG erlassene Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union zur Begründung für die Notwendigkeit von grenzüberschreitenden Tätigkeiten für die Länder herangezogen.313 Das außervertragliche auswärtige Handeln der Länder findet seine Grenze allerdings im Verbot des Betreibens einer Nebenaußenpolitik.314 Sie dürfen keinen eigenen auswärtigen Dienst betreiben, keine konsularischen oder diplomatischen Beziehungen unterhalten und nicht entgegen der Außenpolitik des Bundes agieren.315 Letzteres ergibt sich schon aus dem Prinzip der Bundestreue.316 Zudem ergibt sich diese Grenze zum einen aus dem in Art. 32 GG zum Ausdruck kommenden Vorrang der Bundeszuständigkeit im Bereich des Auswärtigen und zum anderen auch aus den ausschließlichen Bundeszuständigkeiten in Art. 87 Abs. 1 GG und Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG.317 Um der Gefahr eines der Bundesaußenpolitik widersprechenden Vorgehens der Länder vorzubeugen, wird eine eingeschränkte analoge Anwendung des Art. 32 Abs. 3 GG und damit das Erfordernis einer Zustimmung der Bundesregierung auch für den Bereich der ungeschriebenen Kompetenz der Länder befürwortet.318 Das Prinzip der Bundestreue verpflichte die Länder aber zumindest zu einer Unterrichtung des Bundes hinsichtlich ihrer außenpolitisch relevanten Handlungen.319 Rojahn dagegen lehnt einen Rückgriff auf eine ungeschriebene Kompetenz der Länder für die Pflege der auswärtigen Beziehungen ab und befürwortet stattdessen das Anknüpfen an die ausdrücklich den Ländern zugewiesene Vertragsabschlusskompetenz nach Art. 32 Abs. 3 GG.320 Denn die eindeutige KompetenzGG, Art. 32 Rn. 107; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 51; Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 22. 313 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 89; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 52 f. 314 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 89; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 29. 315 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 89; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 53; Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 23. 316 Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 58; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 29. 317 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 89; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 29. 318 Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 53; die Befugnis des Bundes auf ein Einwirkungsrecht beschränkend: Zuleeg, in: Alternativkommentar GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 24; für bedeutsames Außenhandeln eine analoge Anwendung befürwortend: Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 29. 319 Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 246; Nass, Europa-Archiv 1986, 619, 628; s. a. Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 29, der Unterrichtungspflichten neben einer analogen Anwendung des Art. 32 Abs. 3 GG fordert. 320 Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 58.
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
zuweisung durch das Grundgesetz und das Ziel einer einheitlichen Außenpolitik stünden der Annahme einer ungeschriebenen Kompetenz entgegen.321 Seiner Ansicht nach ist eine weite Auslegung des Begriffs der Vertragsgewalt geboten, der nicht nur den Vertragsabschluss als solchen, sondern auch die Anbahnung und die dazu gehörigen Gespräche, die Durchführung und Änderungen sowie Kündigungen von Verträgen erfasst.322 Darüber hinaus sollen auch politische Absprachen als ein Weniger im Vergleich zu vertraglichen Erklärungen von der Vertragsgewalt gem. Art. 32 Abs. 3 GG mit umfasst sein.323 Begründet wird dies damit, dass Art. 32 Abs. 3 GG keinen Erfolg hinsichtlich eines tatsächlich erfolgten Vertragsabschlusses voraussetze und zudem politische Absprachen den rechtlichen bezüglich ihrer Bindungswirkung häufig sehr nahe kommen könnten.324 Wie nah diese politischen Bindungen den völkervertraglichen kommen, soll dann darüber entscheiden, ob die Vereinbarung die Zustimmung der Bundesregierung gem. Art. 32 Abs. 3 GG erfordert.325 Eine dritte Möglichkeit der ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz schlägt Hillgruber vor, der ein Handeln der Länder außerhalb des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge als eine Annexkompetenz zu den Ländern zugewiesenen Gesetzgebungs- oder Verwaltungskompetenzen ansieht. Somit sei ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln und den zugewiesenen Kompetenzen erforderlich.326 Nettesheim wiederum rechtfertigt das auswärtige Handeln, das in keinerlei Zusammenhang mit einem Vertragsschluss steht, über eine rechtsfortbildende Erweiterung des Art. 32 Abs. 3 GG. Ähnlich wie bei Rojahn wird auch hier über ein argumentum a maiore ad minus argumentiert, dass sich die Kompetenz des Landes, wenn es schon für den Vertragsschluss zuständig ist, erst recht auf politische Absprachen, die nicht eine solch weitreichende Verbindlichkeit aufweisen, erstrecken müsse.327 Resultat dieser Auffassung ist unmittelbar, dass es auch für Absprachen unterhalb der Schwelle eines Vertragsschlusses der Zustimmung der Bundesregierung bedarf, was teleologisch damit gerechtfertigt werden könne, dass ein Eingreifen der Bundesregierung bei einer Gefährdung des gesamtstaatlichen Interesses unmittelbar möglich sein müsse.328 Aufgrund der langjährigen Praxis der Länder würde eine solche Zustimmung des Bundes wohl im Regelfall stillschweigend vorliegen.329 321 322 323 324 325 326 327 328 329
Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 58. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 59. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 60. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 60. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 60. Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 32 Rn. 58. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 110. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 113. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 113.
C. Verfassungsrechtliche Dimension einer Einreiseentscheidung
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Auch Schorkopf spricht sich dafür aus, dass jegliches Handeln der Länder im Bereich der auswärtigen Gewalt nur mit Zustimmung der Bundesregierung erfolgen kann. Soweit eine solche Praxis bereits besteht, müsse die Zustimmung wohl stillschweigend erfolgt sein.330 Dabei verweist er insbesondere auf die Entscheidung der Gemeinsamen Verfassungskommission331, die einen Änderungsvorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen ablehnte, die Kompetenz der Länder für eine Zusammenarbeit mit auswärtigen Staaten, Regionen und sonstigen Einrichtungen explizit in den Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 GG aufzunehmen.332 Begründet wurde die Ablehnung mit der mit einer solchen Befugnis einhergehenden Schmälerung der Wahrnehmung der auswärtigen Gewalt durch den Bund, was im Widerspruch zum gesamtstaatlichen Interesse stehe.333 Zu unterscheiden von einem eigenständigen Handeln der Länder ist das Einschalten von Länderrepräsentanten im Auftrag des Bundes.334 So können letztere auch ausländische Staatsgäste empfangen und die vom Bund organisierten Besuche durchführen.335 4. Stellungnahme und Zwischenergebnis Gegen die Annahme, der Bund dulde lediglich das Vorgehen der Länder oder er delegiere die Befugnisse teilweise auf die Länder oder willige in die Kontakte ein, sprechen verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Befugnis des Bundes, sich über die durch das Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzen hinwegzusetzen.336 Wenig überzeugend ist auch die Rechtfertigung des außervertraglichen Handelns über eine weite Auslegung der Vertragsabschlusskompetenz der Länder gem. Art. 32 Abs. 3 GG, wie Rojahn dies befürwortet, da dies zu einer uferlosen Ausweitung der Länderkompetenzen führen würde, die dem in Art. 32 Abs. 1 GG festgelegten Grundsatz der Verbandskompetenz des Bundes wohl kaum gerecht werden würde.337
330
Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, § 4 Rn. 40. Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat (mit jeweils 32 Mitgliedern beider Organe) konstituierte sich am 12.01.1992, um sich nach der Wiedervereinigung mit erforderlichen Grundgesetzänderungen auseinander zu setzen, vgl. die Darstellung des Deutschen Bundestages, online abrufbar unter: http://www. bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/37370491_kw02_verfassungskommission/20 7416 (letzter Zugriff: 26.01.19). 332 Vgl. BT-Drucks. 12/6000, 27, 142. 333 BT-Drucks. 12/6000, 27. 334 Reichel, Die auswärtige Gewalt, S. 178; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 63; Zuleeg, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 24. 335 Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 32 Rn. 63. 336 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 108. 337 i. E. ebenfalls ablehnend: Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 109. 331
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
Würde man eine ausdrückliche oder stillschweigende Duldung der Bundesregierung fordern, so hätte die Bundesregierung neben einer Kontrolle der Länder auch jederzeit die Möglichkeit, die Kompetenz wieder zurückzuholen.338 Für das Erfordernis einer Zustimmung des Bundes zum Handeln auch im nicht-vertraglichen Bereich spricht zum einen der Sinn und Zweck der Vorschrift, eine einheitliche, gesamtstaatliche Repräsentation zu gewährleisten, und zum anderen die Tatsache, dass auch nicht bindende Aktivitäten den Gesamtstaat ähnlich intensiv beeinflussen können wie vertragliche.339 Zudem wird die Kompetenz des Bundes für die auswärtige Gewalt als zwingende Folge aus der staatlichen Souveränität, die beim Gesamtstaat liegt,340 und dem Erfordernis, ein einheitliches und starkes Auftreten im internationalen Verkehr zu gewährleisten, angesehen.341 Auch das BVerfG stellte bereits Anfang der fünfziger Jahre fest, dass die Bundesrepublik als Bundesstaat „im völkerrechtlichen Verkehr nach außen grundsätzlich als Einheit auftritt“.342 Insofern ist mit dem überwiegenden Schrifttum eine Zustimmung der Bundesregierung zum Handeln der Länder in auswärtigen Angelegenheiten zu befürworten.
V. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entscheidung über die Einreise ausländischer Staatsoberhäupter oder Regierungsmitglieder in den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG fällt, da sie ein Bestandteil der Pflege auswärtiger Beziehungen ist. Der Begriff ist weit auszulegen und umfasst auch nicht-förmliches Handeln. Damit liegt die Verbandskompetenz für eine solche Entscheidung beim Bund. Als Organ zuständig für eine solche Entscheidung in materieller Hinsicht ist die Bundesregierung. Dabei bestimmt das Auswärtige Amt die Leitlinien der Außenpolitik. Nach Art. 59 Abs. 1 GG wäre für die Kommunikation einer solchen Entscheidung grundsätzlich der Bundespräsident zuständig. Der Praxis entsprechend wird diese Aufgabe aber vom Bundespräsidenten an den Bundeskanzler beziehungsweise das Auswärtige Amt delegiert. Hinsichtlich der Frage, inwiefern den Ländern eine Kompetenz zukommt, über Fragen, die in den Zuständigkeitsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG fallen, zu entscheiden, wie dies häufig der Fall sein wird, ist zu konstatieren, dass dieses Handeln unter einem Zustimmungsvorbehalt des Bundes stehen sollte, um einer einheitlichen Außenpolitik am besten gerecht werden zu können. Daraus ergibt sich 338
Calliess, in: HStR IV, § 83 Rn. 60. Vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 113. 340 Wollenschläger, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 32 Rn. 17. 341 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 22; s. zu dieser Argumentation bereits Haenel, Deutsches Staatsrecht, Bd. I, S. 531. 342 BVerfGE 2, 347, 378; vgl. auch Grewe, in: 2HStR III, § 77 Rn. 83. 339
D. Ergebnis zu § 3
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allerdings für die Länder, dass sie im Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG stets von der Genehmigung der Bundesregierung abhängig sind und ihnen insofern nur ein begrenzter Handlungsspielraum zukommt. Die Diskussion über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Außenpolitik ist auch für die vorliegend zu untersuchende Problematik relevant, wie sich bereits in der Einleitung zeigte. Denn insbesondere für den Fall einer Versammlungsuntersagung, für die die Versammlungsbehörden als Landesbehörden zuständig sind, stellt sich die Frage, inwiefern dies mit den soeben zu Art. 32 GG festgestellten Wertungen eines einheitlichen Auftretens der Bundesrepublik Deutschland nach außen vereinbar ist. Der Beschluss des BVerfG bezog seine Ausführungen im obiter dictum nur auf eine Einreise ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in ihrer amtlichen Eigenschaft und stellte insofern fest, dass die Entscheidung somit in die Zuständigkeit der Bundesregierung gem. Art. 32 Abs. 1 GG fällt. Zur Begründung stellt das BVerfG weiter fest, dass sich diese Personen „in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität“ nicht auf Grundrechte berufen können.343 Offen bleibt jedoch, was zu gelten hat, wenn diese Personen als Privatpersonen einreisen.344 Dafür gilt es aber zunächst zu untersuchen, ob eine private Einreise zu Zwecken des Wahlkampfs überhaupt möglich ist345 und weitergehend, ob sie sich dann auch auf Grundrechte des Grundgesetzes berufen können.346
D. Ergebnis zu § 3 Es existiert keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die einen Anspruch auf Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds in amtlicher Funktion begründet. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus der Meinungsfreiheit des Art. 10 EMRK. Im Lichte des Völkerrechts begegnen sich die Staaten auf dem Boden des Prinzips der staatlichen Souveränität und ihrer daraus folgenden souveränen Gleichheit, wobei der Teilausprägung der territorialen Souveränität und der Gebietshoheit besondere Bedeutung zukommt. 343
BVerfG, NJW 2017, 1166 Rn. 3. Vgl. Penz, BayVBl 2017, 630, 631. 345 So auch Goldmann: Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, VerfBlog, online abrufbar unter: https://verfas sungsblog.de/le-gouvernement-de-soi-et-des-autres-zu-auftrittsverboten-fuer-tuerkischeregierungsmitglieder/ (letzter Zugriff: 24.01.2019); dagegen: Tomuschat, Türkischer Wahlkampf auf deutschem Boden?, FAZ, 07.03.17, S. 8. 346 Vgl. auch Überlegung bei: Penz, BayVBl 2017, 630, 631; Schwander, ZJS 2017, 242, 244; dazu ausführlich: Gounalakis, Auch Erdogan hat Grundrechte, FAZ, 13.04.17, S. 7. 344
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§ 3 Die Entscheidung über die Einreise aus völkerrechtlicher Perspektive
Das Diplomaten- und Konsularrecht erfordert keine andere Bewertung und gibt insbesondere keinen Anspruch auf eine positive Entscheidung hinsichtlich eines Wahlkampfauftritts in den Konsularräumen. Die besondere völkerrechtliche Stellung des Staatsoberhaupts führt nach Ansicht des EuGH dazu, eine Andersbehandlung gegenüber anderen Unionsbürgern und damit eine Einschränkung der unionsrechtlichen Freizügigkeit aus Art. 21 AEUV zu rechtfertigen. Die Entscheidung über die Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds stellt einen Vorgang im Bereich der „Pflege der auswärtigen Beziehungen“ dar und unterfällt somit der Verbandskompetenz des Bundes gemäß Art. 32 Abs. 1 GG. Die Organkompetenz kommt trotz der Regelung des Art. 59 Abs. 1 GG der Bundesregierung und dabei insbesondere dem Auswärtigen Amt zu, da dieser auch die materielle auswärtige Gewalt zusteht. Werden die Länder – notwendigerweise – im Rahmen der außenpolitischen Beziehungen tätig, so sollte dies nur mit Zustimmung des Bundes erfolgen.
§ 4 Relevanz der Grundrechte hinsichtlich einer konkret geplanten Wahlkampfveranstaltung für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder Hält sich ein ausländisches Regierungsmitglied oder Staatsoberhaupt bereits rechtmäßig im Land auf, so kommt es darauf an, ob der Auftritt als solcher verboten werden kann.1 Entscheidend für die Beurteilung dieser Problematik ist die Beantwortung der Frage, ob sich ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland auf die Grundrechte des Grundgesetzes berufen können. Ferner ist zu prüfen, ob europäische Regelungen oder völkerrechtliche Abkommen einen entsprechenden oder weitergehenden Schutz gewähren, auf den sie sich berufen können, und aus dem sie ein Recht auf die Durchführung von Wahlkampfauftritten ableiten könnten. Die Frage nach einer Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder erfordert auf der Ebene des Grundrechtsschutzes durch das Grundgesetz zunächst eine Untersuchung, inwiefern und welche Grundrechte Ausländern Schutz gewähren. Dabei wird der Schwerpunkt auf der Untersuchung derjenigen Grundrechte liegen, die eine politische Betätigung ermöglichen. Sodann wird beleuchtet, ob die Rechte der EMRK oder des Internationalen Pakts über die bürgerlichen und politischen Rechte weitergehenden Schutz gewährleisten (dazu A.). Es folgt eine Untersuchung, in welchen Fällen dem Staat und seinen Organwaltern eine Grundrechtsberechtigung zukommt. Für die Frage der Grundrechtsberechtigung ausländischer Regierungsmitglieder und Staatsoberhäupter wird eine Übertragbarkeit der für die Organwalter des deutschen Staates maßgeblichen Kriterien überprüft (siehe unter B.). Die Stimmen in der Literatur, die sich mit der Problematik der Untersagung von Wahlkampfauftritten ausländischer Hoheitsträger befassen, beurteilen die Frage nach einer Grundrechtsberechtigung dieser Personen unterschiedlich. Teilweise wird sie offen gelassen mit dem Hinweis darauf, dass die Frage nicht geklärt sei, ob ein Auftreten als Privatperson und folglich ein Berufen auf Grundrechte möglich sei.2 Andere lehnen eine Grundrechtsberechtigung ausländischer 1
Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 6. So Penz, BayVBl 2017, 630, 631; Schwander, ZJS 2017, 242, 244; Steuer, Bitte nicht reden! Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder in Deutschland, VerfBlog, 2
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
Hoheitsträger im Rahmen von Wahlkampfauftritten ausdrücklich ab.3 Die Gegenansicht stellt darauf ab, dass sie bei Wahlkampfauftritten als Parteipolitiker und damit als Privatperson auftreten und sich in dieser Funktion wie alle anderen Menschen auf den Grundrechtsschutz berufen können.4
A. Grundrechtsberechtigung von Ausländern im Rahmen der Deutschen-Grundrechte Hinsichtlich des Grundrechtsschutzes, der Ausländern gewährt wird, muss unterschieden werden zwischen den Jedermann-Grundrechten, die allen Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit Schutz vor der deutschen Staatsgewalt gewähren, und solchen, die ausdrücklich den Schutzbereich nur für Deutsche i. S. d. Art. 116 GG eröffnen.5 Eine weitere Differenzierung hinsichtlich der Grundrechtsberechtigung im Rahmen der Deutschen-Grundrechte wird zwischen Ausländern, die aus einem EU-Mitgliedsstaat kommen und denjenigen, die aus anderen Staaten kommen, vorgenommen.
I. Herleitung eines Grundrechtsschutzes für Ausländer aus einem EU-Mitgliedsstaat Unionsrechtliche vertragliche Verpflichtungen, insbesondere die unionsrechtlichen Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV erfordern, dass auch Unionsbürgern der Schutz der Deutschen-Grundrechte gewährt 04.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/bitte-nicht-reden-auftritteauslaendischer-regierungsmitglieder-in-deutschland/ (letzter Zugriff: 24.01.19), der allerdings keine zu hohen Anforderungen an einen amtlichen Auftritt stellen will; Goldmann, Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, VerfBlog, 14.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog. de/le-gouvernement-de-soi-et-des-autres-zu-auftrittsverboten-fuer-tuerkische-regierungs mitglieder/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 3 Bajrami, The stage is (not) yours! – Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland, 06.07.2017, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/78-2017/ (letzter Zugriff: 23.01.2019); Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 143, die dies für amtliches Handeln feststellen, von einem solchen aber offensichtlich bei Wahlkampfauftritten ausgehen; Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 128–133; Müller, Erdogan ohne Anspruch, FAZ, 07.03.2017, S. 8; Petersen, Erdogan und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03.2017, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahlkampf-auftritt-deutschlandversammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019); wohl auch Tomuschat, Türkischer Wahlkampf auf deutschem Boden?, FAZ, 07.03.2017, S. 8, der den völkerrechtlichen Status besonders herausstellt. 4 Gounalakis, Auch Erdogan hat Grundrechte – Repräsentanten ausländischer Staaten können sich in Deutschland auf die Meinungsfreiheit berufen, FAZ, 13.04.17, S. 7; Pieroth, Meinungsfreiheit ist Menschenrecht, NJW-aktuell 13/2017, Editorial, S. 3. 5 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 72 f.
A. Grundrechtsberechtigung von Ausländern
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werden muss.6 Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Grundrechtsschutzes ist allerdings umstritten. Denn der eindeutige Wortlaut des Grundgesetzes spricht gegen eine Schutzbereichserweiterung auf EU-Ausländer, wenn er von „Deutschen“ oder bei Art. 19 Abs. 3 GG von „inländischen juristischen Personen“ spricht.7 Während zum einen für eine entsprechende Anwendung der Deutschen-Grundrechte plädiert wird,8 gewährt die überwiegende Ansicht den Unionsbürgern einen Grundrechtsschutz über Art. 2 Abs. 1 GG, der allerdings den gleichen engen Schranken unterliegen muss, die auch für die jeweiligen Deutschen-Grundrechte gelten würden.9
II. Grundrechtsschutz für Nicht-EU-Ausländer im Rahmen der Deutschen-Grundrechte Die Ansichten zu der Frage, inwiefern sich ein Ausländer, der aus einem Staat einreist, der kein Mitgliedsstaat der EU ist, auf die sog. Deutschen-Grundrechte berufen kann, die Deutschen i. S. d. Art. 116 GG vorbehalten sind10, differieren.11 Früher wurde überwiegend davon ausgegangen, dass den Ausländern in diesem Bereich gar kein Grundrechtsschutz zukomme.12 Nun gehen manche davon aus, dass ein Grundrechtsschutz insofern zugestanden werden muss, als die Deutschengrundrechte einen Menschenwürdekern beinhalten.13 Auch eine Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG wird erwogen14, wobei dagegen allerdings der insoweit eindeutig entgegenstehende Verfassungswortlaut spricht.15 Nach überwiegender Ansicht wird Ausländern heute ein umfassender Grundrechtsschutz über
6 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 115; s. zur Herleitung dieses Erfordernisses auch ausführlich: BVerfGE 129, 78, 97; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 177; Ludwigs, JZ 2013, 434, 435 ff. 7 Wer Deutscher ist, bestimmt sich nach Art. 116 GG und ist keiner anderen Auslegung zugänglich, vgl. Epping, Grundrechte, Rn. 585; für Art. 19 III GG ausdrücklich: BVerfGE 129, 78, 96; Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 116. 8 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 448. 9 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 116; Epping, Grundrechte, Rn. 585. 10 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 73. 11 Siehe zu den einzelnen Positionen ausführlich: Quaritsch, in: 2HStR V, § 120 Rn. 113 ff. 12 Siehe dazu die Nachweise bei Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer, S. 45 f. 13 Siehe dazu auch ausführlich die Darstellung bei Siehr, Die Deutschenrechte des GG, S. 333 ff.; auf den Menschenwürdekern hinsichtlich der Grundrechte der politischen Betätigung abstellend: Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer, S. 71. 14 Siehe dazu die Darstellung bei Ruppel, Der Grundrechtsschutz der Ausländer, S. 39 ff.; Siehr, Die Deutschenrechte des GG, S. 460 ff. 15 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 29.
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
Art. 2 Abs. 1 GG zugesprochen.16 Die Ansicht wird auch vom BVerfG geteilt.17 Dieser Schutz sei allerdings gegenüber dem Schutz durch die Deutschengrundrechte abgeschwächt.18 Dies folge vor allem aus der – gegenüber anderen Grundrechtsschranken – leichteren Einschränkungsmöglichkeit des Art. 2 Abs. 1 GG.19 Dadurch würde die vom Grundgesetz vorgenommene Differenzierung zwischen Deutschen- und Jedermann-Grundrechten aufrechterhalten.20 Gegen die Gewährung eines grundrechtlichen Schutzes im Rahmen der Deutschen-Grundrechte aufgrund eines Menschenwürdekerns sprechen die sich daraus ergebenden Unsicherheiten hinsichtlich der genauen Definition eines solchen Kerns.21 Im Rahmen des grundrechtlichen Schutzes nach Art. 2 Abs. 1 GG und der Einschränkungen durch die verfassungsmäßige Ordnung ist nach dem Rechtsstaatsprinzip eine gesetzliche Grundlage für hoheitliche Eingriffe erforderlich sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.22 Der Vorbehalt des Gesetzes gilt also auch in diesen Fällen.23 1. Differenzierung nach Art der Deutschen-Grundrechte Während die Deutschen-Grundrechte der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG und die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG Rechte darstellen, die für die politische Willensbildung konstituierend sind, werden die Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG und die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG für das Arbeits- und Wirtschaftsleben relevant. Für Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 GG ist die deutsche Staatsbürgerschaft zwingende Voraussetzung.24 Darüber hinaus lassen sich die Rechte, die eine Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess gewähren, in zwei Kategorien unterteilen.25 Die eine um16 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 2 Rn. 45 f.; Gundel, in: HStR IX, § 198 Rn. 5; Heintzen, in: HGR II, § 50 Rn. 49; Hufen, Staatsrecht II, § 6 Rn. 34; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 174 f.; Ludwigs, JZ 2013, 434, 435; Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 445; a. A. allerdings Siehr, Die Deutschenrechte des GG, S. 477 f., die zwar grundsätzlich auch für eine Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG plädiert, die Verhältnismäßigkeitsprüfung aber vielmehr im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG verortet. 17 BVerfGE 35, 382, 399; 49, 168, 180; 78, 179, 196 f.; 104, 337, 346. 18 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 74; Heintzen, in: HGR II, § 50 Rn. 49; Ludwigs, JZ 2013, 434, 435. 19 Vgl. Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 445. 20 Ludwigs, JZ 2013, 434, 435. 21 Heintzen, in: HGR II, § 50 Rn. 48; Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 74. 22 BVerfGE 35, 382, 400; 49, 168, 180 f. 23 So ausdrücklich: BVerfGE 78, 179, 197. 24 Heintzen, in: HGR II, § 50 Rn. 38, 40. 25 So Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 80.
A. Grundrechtsberechtigung von Ausländern
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fasst solche staatsbürgerlichen Rechte, bei denen aktiv am staatlichen Entscheidungsfindungsprozess mitgewirkt wird, so insbesondere bei Wahlen und Abstimmungen, und die damit eine echte Teilhabe zur Folge haben. Die andere besteht aus solchen Rechten, die eine Teilnahme am gesellschaftlichen Willensbildungsprozess ermöglichen, so insbesondere die Kommunikationsgrundrechte, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.26 Auf letztere können sich auch Nichtdeutsche berufen.27 Neben dem grundrechtlichen Schutz über Art. 2 Abs. 1 GG werden die vom Schutzbereich der Deutschen-Grundrechte umfassten Rechte oft auf einfachgesetzlicher Ebene allen Menschen ohne Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit gewährt.28 Hinzuweisen ist hier insbesondere auf § 1 VersG29 und § 1 VereinsG, woraus sich ebenfalls eine nicht unerhebliche Möglichkeit zur Teilnahme am politischen Willensbildungsprozess ergibt.30 Allerdings unterliegt der einfachgesetzliche Schutz einfacheren Einschränkungsmöglichkeiten, da weder die formellen noch die materiellen Voraussetzungen der Grundrechtsschranken Anwendung finden.31 Insbesondere daran zeigt sich die immer noch erhebliche Bedeutung des Status des Staatsangehörigen für den Grundrechtsschutz.32 2. Der Schutz der politischen Betätigung der Ausländer durch das Grundgesetz Da es sich bei Wahlkampfauftritten beziehungsweise politischen Stellungnahmen um eine politische Betätigung handelt, ist zu untersuchen, aufgrund welcher Grundlagen eine solche insbesondere Nicht-EU-Ausländern gewährt wird und welchen Einschränkungen sie unterliegt.
26
Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 80. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 80. 28 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 74. 29 Mit der Föderalismusreform I (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl. I, 2034) wurde das Versammlungsrecht aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG a. F. gestrichen und fällt nun in die Kompetenz der Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG. Das VersG des Bundes gilt gemäß der Regelung des Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG als Bundesrecht fort, gemäß Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG kann es allerdings durch Landesrecht ersetzt werden (s. dazu Scheidler, ZRP 2008, 151, 151 f.). Siehe zu den bereits erlassenen Versammlungsgesetzen der Länder: Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, VersR, Einl., Rn. 9–15a. 30 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 74 Fn. 324. 31 Gusy, in: OBS, Politische Betätigung von Ausländern in der BRD, S. 21; s. a. Tomuschat, Zur politischen Betätigung des Ausländers, S. 50 f. 32 Vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 74 Fn. 324; Gundel, in: HStR IX, § 198 Rn. 4. 27
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
a) Reichweite des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 GG Das BVerfG stellte bereits 1956 im Hinblick auf die freie Bildung politischer Parteien fest, dass aus dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung „ein grundsätzliches Recht der freien politischen Betätigung“ folge.33 Die öffentliche Meinung, wie sie auch Art. 5 GG verbürgt, stelle eine „Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes“ dar.34 Der Meinungs- und Willensbildungsprozess erfahre seine finale Ausprägung in den Wahlen zum Parlament. Daneben diene die öffentliche Meinung auch immer dazu, Entscheidungen der Staatsorgane zu beeinflussen.35 Aus dieser Rechtsprechung wurde zum Teil gefolgert, dass Ausländer sich nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen können, wenn ihre Betätigung eine politische Meinungskundgabe darstellt, die allein den Staatsbürgern vorbehalten sein solle.36 Denn trotz des entgegenstehenden Wortlauts des Art. 5 GG sei eine Analogie zu den Art. 8 und Art. 9 Abs. 1 GG für den Teilbereich der politischen Willensbildung angebracht.37 Dagegen wandte sich entschieden der Großteil der Literatur38, da diese Ansicht offensichtlich den Verfassungswortlaut missachte.39 Zudem könne die fehlende Befugnis der Ausländer, Staatsgewalt auszuüben, nicht dazu führen, dass diese auch von der gesellschaftlichen Willensbildung ausgeschlossen werden.40 Auch wird auf die Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit aufgrund des fehlenden Wahlrechts des Ausländers hingewiesen.41 Insbesondere spricht gegen
33
BVerfGE 5, 85, 134 f. BVerfGE 8, 104, 113. 35 BVerfGE 20, 56, 98 f. 36 Tomuschat, Zur politischen Betätigung des Ausländers, S. 56–63; ähnlich auch Heuer, Politische Betätigung von Ausländern und ihre Grenzen, S. 36 f.; ebenso: Ridder, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. II, 243, 269. 37 Tomuschat, Zur politischen Betätigung des Ausländers, S. 60. 38 Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer, S. 95 f.; Gusy, in: OBS, Politische Betätigung von Ausländern in der BRD, S. 20 f.; Kaltenborn, DÖV 2001, 55, 56 m.w. N. in Fn. 8; Pawlowsky, Die politische Betätigung der kurdischen Ausländer in der BRD, S. 64 f.; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 5; vgl. auch die Kommentierungen zu Art. 5 GG: Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 24; Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 147; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 23; Isensee, in: VVDStRL 32, 1974, S. 99 f.; Robbers, in: HVerfR, § 11 Rn. 74; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 5 GG, Rn. 114. 39 Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 23; Gusy, in: OBS, Politische Betätigung von Ausländern in der BRD, S. 20 f.; Kaltenborn, DÖV 2001, 55, 56 m.w. N.; Robbers, in: HVerfR, § 11 Rn. 74. 40 Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer, S. 94–98, m.w. N. in Fn. 12. 41 Robbers, in: HVerfR, § 11 Rn. 75; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 5. 34
A. Grundrechtsberechtigung von Ausländern
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eine solche Schutzbereichsbegrenzung für Ausländer, dass der Verfassungsgeber wohl kaum unüberlegt die Meinungsfreiheit als Jedermann-Grundrecht ausgestaltet hat.42 Auch der integrativ wirkenden Funktion des Art. 5 Abs. 1 GG, seine Meinung frei in der Gesellschaft kundtun und so seine Belange äußern zu können, widerspräche es, wenn Ausländer dieses Recht nicht genössen.43 Insbesondere in Bezug auf staatliche Maßnahmen, die die Ausländer selbst betreffen, wird die Notwendigkeit deutlich, ihnen auch ein politisches Mitspracherecht einzuräumen, um das vom Grundgesetz postulierte Menschenbild aufrechtzuerhalten.44 In systematischer Hinsicht wird zudem angeführt, dass für die Eröffnung des Schutzbereichs im Rahmen von Jedermann-Grundrechten ein Abstellen allein auf das Kriterium der Staatsangehörigkeit unzulässig sei.45 Somit steht nach überzeugender Auffassung auch Nicht-EU-Ausländern die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG zu, die sie auch im Rahmen ihrer politischen Betätigung in Deutschland schützt. b) Gründe für den Deutschen-Vorbehalt Im Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rats, der mit der Ausarbeitung des Grundrechtskatalogs befasst war,46 wurde die Beschränkung des personellen Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit auf Deutsche von Zinn damit begründet, dass eine leichtere Einschränkung derselben ermöglicht werden sollte.47 In der Literatur wird die Funktion der Deutschen-Vorbehalte in Art. 9 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG mit den Bedrohungen durch ausländische extremistische Vereinigungen begründet, wobei insbesondere die Beschränkungsmöglichkeit des § 14 VereinsG hervorgehoben wird, die erst durch den fehlenden Anwendungsbereich dieser Grundrechte auf Ausländer ermöglicht werde.48 Durch § 14 VereinsG findet eine Erweiterung der Verbotstatbestände für ausländische gegenüber inländischen Vereinen statt.49 Das Versammlungsgesetz hingegen enthält keine verschärften Einschränkungsmöglichkeiten speziell gegenüber Ausländern.50 Allerdings komme dem Deutschen-Vorbehalt der Versammlungsfreiheit dadurch Bedeutung zu, dass § 47 42
Gusy, in: OBS, Politische Betätigung von Ausländern in der BRD, S. 20. Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer, S. 96 f. 44 Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer, S. 98. 45 Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer, S. 97 f. 46 Siehe Matz, Darstellung in der Einleitung in JöR n. F. 1 (1951), S. 8 f. 47 Siehe die Zusammenfassung von Matz, in: JöR n. F. 1 (1951), 114. 48 Quaritsch, in: 2HStR V, § 120 Rn. 107 mit Hinweis auf die Ausführungen von Zinn, dargestellt in: Matz, JöR n. F. 1 (1951), S. 114, 117. 49 Gusy, in: OBS, Politische Betätigung von Ausländern in der BRD, S. 22. 50 Gusy, in: OBS, Politische Betätigung von Ausländern in der BRD, S. 22. 43
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
AufenthG als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in die Versammlungsfreiheit herangezogen werden könne.51 3. Die politische Betätigung der Ausländer im Lichte der EMRK und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte a) Grundsätzliche Gewährleistung In Art. 10 Abs. 1 EMRK wird allen Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung und in Art. 11 Abs. 1 EMRK die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gewährt. Die EMRK differenziert hinsichtlich des persönlichen Schutzbereiches, insbesondere im Versammlungs- und Vereinigungsrecht nicht wie Art. 8 Abs. 1 GG hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, sodass sich auch Nicht-EU-Ausländer grundsätzlich in Deutschland auf diese Konventionsrechte berufen könnten. Insbesondere stehen diese Rechte nach der Rechtsprechung des EGMR auch Mandatsträgern bei ihrer politischen Betätigung zu.52 Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12. 196653 gewährt in Art. 19 die Meinungsfreiheit, in Art. 21 die Versammlungsfreiheit und in Art. 22 die Vereinigungsfreiheit. In Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 IPbpR gelten diese Rechte ausdrücklich für jeden, der sich im Gebiet eines Vertragsstaates oder unter dessen Herrschaftsgewalt befindet. b) Verhältnis zu dem Schutzniveau durch die Grundrechte des Grundgesetzes Nach dem oben Festgestellten ist die Versammlungsfreiheit des Nicht-EU-Ausländers lediglich über Art. 2 Abs. 1 GG sowie einfachgesetzlich gewährleistet. Damit verbunden ist eine leichtere Einschränkbarkeit der Versammlungsfreiheit.54 Allerdings finden bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes auch die Rechte der EMRK Berücksichtigung.55 Für die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit des Art. 11 EMRK stellt Art. 11 Abs. 2 EMRK besondere Erforderlichkeitsvoraussetzungen auf, indem er einen Eingriff nur zum Schutz einer der in Art. 11 Abs. 2 S. 1 EMRK abschließend aufgezählten Rechtsgüter zulässt.56 Dies könnte zu der Annahme führen, 51
Siehe zu § 47 AufenthG unten unter § 4 A. II. 4. Siehe zu Art. 10 EMRK bereits oben unter § 3 A. III. 2. 53 Siehe das Zustimmungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 15.11.1973, BGBl. 1973 II, 1533. 54 Siehe dazu oben unter § 4 A. II. 1. 55 Siehe dazu oben unter § 3 A. III. 1. 56 Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 23 Rn. 75. 52
A. Grundrechtsberechtigung von Ausländern
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dass der Schutz für Ausländer im Rahmen der Versammlungsfreiheit gegenüber dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG durch die Gewährleistungen der EMRK angehoben würde.57 c) Art. 16 EMRK als Beschränkungsmöglichkeit Allerdings muss hinsichtlich dieser Rechte beachtet werden, dass diese der Einschränkungsmöglichkeit58 des Art. 16 EMRK unterliegen, wonach die Artikel 10, 11 und 14 EMRK nicht so auszulegen sind, als untersagten sie den Hohen Vertragsparteien, die politische Tätigkeit ausländischer Personen zu beschränken. Besondere Relevanz kommt Art. 16 EMRK deswegen zu, da er den Vertragsstaaten erlaubt, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit vorzunehmen, die nicht die Erfordernisse der Absätze 2 der Art. 10 und 11 EMRK erfüllen.59 Auch aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) ergibt sich nichts anderes. Denn der Beitritt Deutschlands fand mit der Maßgabe statt, dass die durch den IPbpR jedermann gewährleistete Meinungs-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 19, 21, 22 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 IPbpR) nur im Rahmen des Art. 16 EMRK angewendet wird.60 Damit entstehe keine Kollision zwischen den Verpflichtungen aus dem IPbpR und Art. 16 EMRK.61 Darüber hinaus wies die Bundesregierung auf die zunehmende Gefahr durch den Terrorismus und die Bildung von politischen Ausländerorganisationen in Deutschland hin. Aufgrund dieser Entwicklungen sei es notwendig, die Beschränkungsmöglichkeiten des Art. 16 EMRK auch für die entsprechenden Rechte im IPbpR anzuwenden.62 Somit besteht für Deutschland – trotz Beitritt
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So Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 661 i.V. m. Rn. 446. So wohl die vorherrschende Interpretation der Vorschrift, vgl. die Nachweise bei Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 14; Ripke, Europäische Versammlungsfreiheit, 238; Wieser, EuGRZ 1990, 56, 58; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 106. 59 Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 15; Wieser, EuGRZ 1990, 56, 57 (nur bzgl. der Versammlungsfreiheit). 60 Siehe Art. 1 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes, BGBl. 1998 II, 1533; s. die Darstellung bei Wölker, Zu Freiheit und Grenzen politischer Betätigung von Ausländern, S. 145, 152; ähnliche Regelungen finden sich in Österreich und Frankreich, vgl. ebd.; s. auch die Zusammenfassung bei Decaux, in: Pettiti/Decaux/Imbert, La Convention Européenne des droits de l’homme, S. 506. 61 So auch die Begründung der deutschen Bundesregierung, BT-Drucks. 7/660, S. 36 (zu Art. 19 IPpbR), 37 (zu Art. 21 IPpbR), 38 (zu Art. 22 IPpbR); vgl. Wölker, Zu Freiheit und Grenzen politischer Betätigung von Ausländern, S. 152. 62 BT-Drucks. 7/660, S. 36; vgl. auch Wölker, Zu Freiheit und Grenzen politischer Betätigung von Ausländern, S. 152. 58
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
zum IPbpR – keine Pflicht, die Rechte des Pakts uneingeschränkt auch Ausländern zuzugestehen.63 aa) Art. 16 EMRK in der Rechtsprechung des EGMR (1) Der Fall Piermont ./. Frankreich Art. 16 EMRK wurde bisher nur in zwei Fällen in der Rechtsprechung des EGMR relevant.64 In der Sache Piermont ./. Frankreich, in der sich die Beschwerdeführerin, eine Deutsche, durch eine Ausweisung aus Französisch Polynesien nach der Teilnahme an einer Demonstration in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt sah, stellte der EGMR fest, dass Art. 16 EMRK auf die Beschwerdeführerin keine Anwendung finden könne, da es sich bei dieser um eine Staatsangehörige eines anderen EU-Mitgliedsstaats und ein Mitglied des Europäischen Parlaments handelte.65 Die Europäische Kommission für Menschenrechte stellte in ihrem Bericht vom 20.01.199466 – und damit ungefähr ein Jahr vor der Entscheidung des EGMR – fest, dass die Verfasser der Konvention mit Art. 16 EMRK das zu jener Zeit im Völkerrecht vorherrschende Konzept kodifiziert hätten, die politische Betätigung von Ausländern weitreichenden Beschränkungen zu unterwerfen.67 Sie weist anschließend darauf hin, dass die Konvention ein lebendiges Dokument sei, das im Lichte veränderter Lebensbedingungen und gesellschaftlicher Veränderungen gesehen werden müsse.68 Anschließend untersucht die Kommission den Begriff des „Ausländers“ in Art. 16 EMRK und stellt im Hinblick auf den Status der Beschwerdeführerin als Mitglied des Europäischen Parlaments fest, dass sie nicht mehr als Ausländerin im Sinne der Vorschrift gelten könne.69 Zustimmend zum Urteil des EGMR äußerte sich auch Loucaides, der ebenfalls auf die veränderten Bedingungen der heutigen Welt abstellte und für einen re63 So aber wohl Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 16, der pauschal feststellt, dass für alle Staaten, die an den Pakt gebunden sind, das Verbot der Ungleichbehandlung von Ausländern und eigenen Staatsangehörigen besteht. 64 EGMR, Piermont ./. Frankreich, InfAuslR 1996, 45; Perinçek ./. Schweiz, EGMR, NJW 2016, 3353; s. a. Vasˇek, DÖV 2016, 429. 65 EGMR, Piermont ./. Frankreich, InfAuslR 1996, 45; s. dazu auch Meyer-Ladewig/ Diehm, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 16 Rn. 2. 66 EKMR, Publications de la Cour Européenne des Droits de l’Homme, Serie A, Vol. 314–319, Nr. 314, Annex, S. 35–47. 67 EKMR, a. a. O., Nr. 58. 68 EKMR, a. a. O., Nr. 59; so auch: Concurring Opinion of Mr. Loucaides, joined by Mr. Pellonpäa, Publications de la Cour Européenne des Droits de l’Homme, Serie A, Vol. 314–319, Nr. 314, Annex, S. 50, 51; Partly dissenting opinion of Mr. Danelius, joined by Mr. Busuttil, Mr. Gaukur Jörundsson, Mrs. Liddy and Mr. Marxer, Serie A, Vol. 314–319, Nr. 314, Annex, S. 53 f. 69 EKMR, a. a. O., Nr. 60–69.
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striktiveren Umgang mit Art. 16 EMRK durch die jeweiligen Regierungen plädierte, um der Bedeutung der Meinungsfreiheit in der heutigen vernetzten Welt gerecht werden zu können.70 Die Ausweisung im maßgeblichen Fall ging nach seiner Ansicht über das zulässige Maß einer Beschränkung nach Art. 16 EMRK hinaus.71 Danelius weist in seiner teils abweichenden Stellungnahme darauf hin, dass durch die Zunahme internationaler Kontakte in gewisser Weise eine Internationalisierung der nationalen Politik stattgefunden habe.72 (2) Konsequenzen für den persönlichen Anwendungsbereich des Art. 16 EMRK Auch wenn im Zweifel zum damaligen Zeitpunkt, in der noch keine Unionsbürgerschaft in den Verträgen festgeschrieben war, der Status als Abgeordnete des Europäischen Parlaments die übergeordnete Rolle für die Unanwendbarkeit des Art. 16 EMRK spielte73, so besteht nach der Einführung der Unionsbürgerschaft in Art. 20 AEUV weitgehend Einigkeit darüber, dass Art. 16 EMRK auf Ausländer, die aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat kommen, nicht anwendbar ist.74 (3) Der Fall Perinçek ./. Schweiz Im zweiten für Art. 16 EMRK relevanten Fall des EGMR, in der Sache Perinçek ./. Schweiz vom 15.10.2015 wandte sich der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gegen eine strafrechtliche Verurteilung durch die Schweiz75 aufgrund seines dreimaligen Auftretens bei öffentlichen Veranstaltungen in der Schweiz, bei denen er auf unterschiedliche Weise den Völkermord an den Armeniern leugnete.76 70 Concurring Opinion of Mr. Loucaides, joined by Mr. Pellonpäa, Publications de la Cour Européenne des Droits de l’Homme, Serie A, Vol. 314–319, Nr. 314, Annex, S. 50 f. 71 Concurring Opinion of Mr. Loucaides, joined by Mr. Pellonpäa, Publications de la Cour Européenne des Droits de l’Homme, Serie A, Vol. 314–319, Nr. 314, Annex, S. 50, 51. 72 Partly dissenting opinion of Mr. Danelius, joined by Mr. Busuttil, Mr. Gaukur Jörundsson, Mrs. Liddy and Mr. Marxer, Publications de la Cour Européenne des Droits de l’Homme, Serie A, Vol. 314–319, Nr. 314, Annex, S. 53. 73 So Stock, Anm. zu EGMR, Urt. v. 27.04.1995, InfAuslR 1996, 51. 74 Meyer-Ladewig/Diehm, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 16 Rn. 2; Stock, Anm. zu EGMR, Urt. v. 27.04.1995, InfAuslR 1996, 51; Marauhn/ Merhof, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 7 Rn. 63; Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 10. 75 Auf Grundlage des Tatbestands der Rassendiskriminierung gem. Art. 261 Abs. 4 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs, online abrufbar unter: https://www.admin.ch/ opc/de/classified-compilation/19370083/index.html#a261bis (letzter Zugriff: 26.01.19). 76 Vgl. die Zusammenfassung bei Vas ˇ ek, DÖV 2016, 429, 429 f.
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Hinsichtlich der Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 10 EMRK durch Art. 16 EMRK stellt der EGMR zunächst fest, dass der Ausschlussgrund, wie er im Fall Piermont ./. Frankreich zum Tragen kam, nämlich die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament und die Staatsangehörigkeit zu einem EU-Mitgliedsstaat, hier nicht eingreife, da der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger ist.77 Dann allerdings greift der EGMR die Stellungnahme der Kommission im Fall Piermont ./. Frankreich auf, indem er daraus schließt, dass auch die Kommission der Ansicht sei, dass Art. 16 EMRK ein „überholtes Verständnis des Völkerrechts zeigt“.78 Weiter stellt er fest, dass Art. 10 EMRK vom EGMR unabhängig von Staatsgrenzen und der Staatsangehörigkeit garantiert werde79 und Regelungen, die Eingriffe rechtfertigen können, eng ausgelegt werden müssten.80 Art. 16 EMRK müsse daher so ausgelegt werden, „dass er nur zulässt, Tätigkeiten einzuschränken, die sich direkt auf politische Vorgänge beziehen“.81 Für den konkret zu entscheidenden Fall hat der EGMR diese Voraussetzung verneint.82 (4) Kodifizierung eines völkerrechtlichen Grundsatzes – Gründe für die Anwendung des Art. 16 EMRK Im entscheidenden Fall stellte Loucaides noch einmal die grundsätzliche Bedeutung der Vorschrift heraus: ihr Ziel sei es, die nationalen Interessen, wie die innere Sicherheit und territoriale Integrität zu schützen, sofern sie durch politische Aktivitäten von Ausländern gefährdet würde.83 Die Beschränkungsmöglichkeiten hinsichtlich politischer Rechte von Ausländern stehen dabei in einer langen völkerrechtlichen Tradition.84 Die Gründe, die die Länder dazu veranlassten, Regelungen zur Beschränkung der politischen Betätigung von Ausländern zu erlassen, sind zum einen innenpolitische und zum anderen außenpolitische Überlegungen.85 In innenpolitischer Hinsicht wird v. a. angeführt, dass eine Einmi-
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EGMR, Perinçek ./. Schweiz, NJW 2016, 3353, 3354. EGMR, Perinçek ./. Schweiz, NJW 2016, 3353, 3354. 79 Mit Verweis auf die Entscheidung EGMR, Cox ./. Turkey, Urt. v. 20.05.2010, Nr. 2933/03, Rn. 27–31. 80 EGMR, Perinçek ./. Schweiz, NJW 2016, 3353, 3354. 81 EGMR, Perinçek ./. Schweiz, NJW 2016, 3353, 3354. 82 EGMR, Perinçek ./. Schweiz, NJW 2016, 3353, 3354. 83 Concurring Opinion of Mr. Loucaides, joined by Mr. Pellonpäa, Publications de la Cour Européenne des Droits de l’Homme, Serie A, Vol. 314–319, Nr. 314, Annex, S. 50, 51. 84 Frowein, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 16 Rn. 1; Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 4; siehe auch die umfassende Untersuchung von Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern; Marauhn/Merhof, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 7 Rn. 61. 85 Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 114, S. 203–209. 78
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schung in innerstaatliche Angelegenheiten und Unruhen vermieden werden sollen.86 Als außenpolitische Gründe für eine Beschränkung wurde v. a. der Schutz der Außenbeziehungen herangezogen.87 So stellte der Innenausschuss in seinem Bericht hinsichtlich des Entwurfes zum Ausländergesetz im Januar 1965 fest, dass durch das Zulassen einer politischen Betätigung von Ausländern, die sich gegen ihr Herkunftsland oder dessen Regierung richtet, das Verhältnis zu dem jeweiligen Land „empfindlich belastet“ werden könne.88 Darüber hinausgehend wurde sogar davon ausgegangen, dass in extremen Fällen eine völkerrechtlich unzulässige Intervention in den Herkunftsstaat vorliegen könnte.89 Die Bewertung der Relevanz der Vorschrift fällt für die heutige Zeit allerdings gänzlich anders aus.90 Hinzuweisen ist darauf, dass der Schutz der Außenbeziehungen eine Erwägung darstellt, die lediglich eine Beschränkungsmöglichkeit im Sinne des Art. 16 EMRK darstellen kann, nicht aber im Rahmen des Art. 10 Abs. 2 beziehungsweise Art. 11 Abs. 2 EMRK.91 bb) Voraussetzungen und Anwendung der Norm (1) Auslegung des Begriffs der politischen Tätigkeit Auch wenn der Wortlaut des Begriff der „politischen Tätigkeit“ zunächst weit erscheint92, so müsse der Begriff nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur dennoch eng ausgelegt werden und könne nur dann einschlägig sein, wenn die politische Tätigkeit zum „Kernbereich des politischen Prozesses“ gehört, wie die Gründung von Parteien oder politischen Vereinen, die Meinungskundgabe im Rahmen von Parteiprogrammen und Wahlkämpfen sowie die Teilnahme an Wahlen.93 Für eine solch enge Auslegung spreche zudem die bereits erwähnte Ein86 So die Darstellung bei Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 204 unter Verweis auf BT-Drucks. IV/3013, S. 4, der diese Argumentation allerdings kritisch sieht und die Einschränkungsmöglichkeiten, die auch für Inländer gelten, als ausreichend erachtet. 87 Vgl. Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 208 und die von ihm geäußerte Kritik. 88 BT-Drucks. IV/3013, S. 3. 89 BT-Drucks. IV/3013, S. 3. 90 Siehe dazu unten unter: § 4 A. II. 3. c) cc). 91 Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 208. 92 So Vas ˇ ek, JRP 2010, 94, 97; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 108. 93 Harris, O’Boyle&Warbick, Law of the ECHR, S. 648; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 18 Rn. 26; Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 16 Rn. 3; s. a. Kogler, in:
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zigartigkeit der Vorschrift sowie der Telos der EMRK, einen möglichst umfassenden Menschenrechtsschutz zu gewährleisten.94 Diese Ansicht wird durch das oben zitierte Urteil des EGMR in der Sache Perinçek ./. Schweiz, in der der EGMR ebenfalls einen direkten Bezug zu politischen Vorgängen fordert, bestätigt.95 Somit erfolge durch den EGMR im Fall Piermont eine Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs und im Fall Perinçek eine enge Auslegung der materiellen Voraussetzungen.96 Vom Wortlaut des Art. 16 EMRK erfasst sei allerdings sowohl eine politische Betätigung, die mit dem Herkunftsstaat in Beziehung steht, als auch eine solche, die mit dem Aufenthaltsstaat in Verbindung steht.97 Angemerkt wird aber teilweise, dass es unzulässig sei, die innenpolitische Betätigung ganz zu verbieten.98 (2) Grenzen der Beschränkungsmöglichkeit nach Art. 16 EMRK (a) Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Ob neben der engen Auslegung der Voraussetzungen der Norm darüber hinaus auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Anwendung kommt, ist umstritten. Nach einer Ansicht wird die enge Auslegung als ausreichend erachtet und auf den Willen der Vertragsparteien hingewiesen.99 Nach anderer Ansicht soll der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei Beschränkungen nach Art. 16 EMRK angewendet werden.100 Wieder andere sehen die Vorschrift nur als Modifikation der Notwendigkeitsprüfung, um eine Aushöhlung der Rechte zu vermeiden.101 Nur solche Maßnahmen, die hinsichtlich des besonderen Interesses Kneihs/Lienbacher, Bundeverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 28; Ripke, Europäische Versammlungsfreiheit, 238 f.; s. für eine enge Auslegung des Begriffs bereits Partsch, in: Bettermann/Neumann/Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. I, 235, 313; a. A. und damit gegen die Beschränkung des Begriffs der „politischen Tätigkeit“: Vasˇek, JRP 2010, 94, 97. 94 Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 8. 95 S. o. sowie den Hinweis bei Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 18 Rn. 26 Fn. 82; Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 29. 96 Arai/Wouters, in: van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, Theory and Practice, Chapter 34, S. 1081. 97 Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 30; sich dem anschließend: Muzak, migraLex 2017, 30, 32. 98 So Wieser, EuGRZ 1990, 56, 59. 99 Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 16; gegen die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch: Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK. Rn. 19. 100 Ripke, Europäische Versammlungsfreiheit, S. 247; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 113. 101 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 16 Rn. 6; s. a. Grote/Wenzel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 73 i.V. m. Rn. 52; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 110–113.
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der Staaten, politische Betätigungen von Ausländern zu kontrollieren, notwendig sind, sollen über Art. 16 EMRK gerechtfertigt werden können.102 Dabei sollen auch im Rahmen der Anwendung des Art. 16 EMRK bei Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit die Wertungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK berücksichtigt werden.103 Angeführt werden dafür die Bemühungen, Art. 16 EMRK abzuschaffen, die eben für eine restriktive Handhabung der Vorschrift sprächen.104 (b) Verhältnis zu Art. 17 EMRK Hinsichtlich des Verhältnisses von Art. 17 EMRK, der den Missbrauch der Rechte der EMRK verbietet, zu Art. 16 EMRK geht Kogler, der mit der überwiegenden Meinung auch ein enges Begriffsverständnis der „politischen Betätigung“ vertritt und darüber hinausgehende Einschränkungen ablehnt, davon aus, dass ein Missbrauch des Rechts aus Art. 16 EMRK dann vorläge, wenn auch solche Tätigkeiten verboten werden würden, die nicht als politisch i. S. d. Vorschrift eingestuft werden können.105 Auch Art. 18 EMRK und die daraus folgende Überprüfbarkeit der Maßnahme wird nicht von Art. 16 EMRK ausgehebelt.106 Als maßgeblicher Zweck wird dann wiederum der Schutz vor Bedrohungen der sensiblen Bereiche des Staatswesens sowie das Verhindern von außenpolitischen Konflikten anzusehen sein.107 Geradezu paradox wäre es, wenn es Ausländern nicht mehr möglich wäre, sich im jeweiligen Aufenthaltsstaat für die Ziele der Konvention einzusetzen.108 Somit wäre dies kein Zweck mehr, zu dem Art. 16 EMRK dienen soll, womit ein Verstoß gegen Art. 18 EMRK vorliegen würde.109
102 Grote/Wenzel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 73 i.V. m. Rn. 52. 103 Grote/Wenzel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 73 i.V. m. Rn. 52; Piermont ./. Frankreich, Joint Partly Dissenting Opinion of Judges Ryssdal, Matscher, Sir John Freeland and Jungwiert, Publications de la Cour Européenne des Droits de l’Homme, Serie A, Vol. 314–319, Nr. 314, Annex, S. 31, 32 (Nr. 5). 104 Grote/Wenzel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 73 i.V. m. Rn. 52. 105 Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 31. 106 Frowein/Peukert, EMRK, Art. 16, Rn. 4, S. 429; Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 32; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 109. 107 Kogler, in: Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art. 16 MRK, Rn. 32. 108 So der entwickelte Fall von Partsch, in: Bettermann/Neumann/Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. I, 235, 313. 109 Frowein/Peukert, EMRK, Art. 16 Rn. 4, S. 429.
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cc) Bewertung der Relevanz des Art. 16 EMRK durch die Literatur Die praktische Relevanz dieser Vorschrift wird – aufgrund der wenigen Anwendungsfälle – bisher als gering eingestuft.110 Darüber hinaus fehlen auch vergleichbare Vorschriften in anderen menschenrechtlichen Übereinkommen, sodass die Vorschrift des Art. 16 EMRK in der Literatur oft als „anachronistisch“ bezeichnet wird.111 Die Norm liege „auf dem Sterbebett“ 112 und sei für Menschenrechtspakte „ungewöhnlich“ 113. Durch das Urteil Perinçek ./. Schweiz werde die Relevanz des Art. 16 EMRK auch vom EGMR „systematisch marginalisiert“.114 Insbesondere im bereits oben erwähnten Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bestehe keine solche Beschränkung.115 Bereits 1977 forderte die parlamentarische Versammlung des Europarates die Abschaffung des Art. 16 EMRK.116 Begründet wurde dies v. a. mit der Qualität der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit als fundamentale Menschenrechte und dem Bedürfnis, denjenigen Ausländern in ihrem Aufenthaltsland eine Stimme zu geben, die dort unter schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen leben.117 Auch wenn die Forderung in einer weiteren Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates118 im Jahr 2001 wieder aufgegriffen wurde, sind die Vertragsstaaten der Aufforderung nicht nachgekommen.119 Daher kann Art. 16 EMRK – trotz der oben erwähnten Einordnung – noch nicht als vollkommen bedeutungslos erachtet werden.120 110 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 16 Rn. 1; Meyer-Ladewig/Diehm, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 16 Rn. 2; Steiger, in: Pabel/ Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 2. 111 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 16 Rn. 1; Meyer-Ladewig/Diehm, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 16 Rn. 1; Payandeh, JuS 2016, 690, 692. 112 Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 3. 113 Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 18 Rn. 26; Marauhn/Merhof, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 7 Rn. 61. 114 Vas ˇ ek, DÖV 2016, 429, 430. 115 Meyer-Ladewig/Diehm, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 16 Rn. 1. 116 Recommendation 799 (1977), online abrufbar unter: http://assembly.coe.int/nw/ xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=14833&lang=en (letzter Zugriff: 26.01. 2019), vgl. dazu ausführlich: Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 2. 117 Recommendation 799 (1977), a. a. O., Nr. 4 und 5, vgl. auch: Steiger, in: Pabel/ Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 2. 118 Recommendation 1500 (2001), Nr. 9, online abrufbar unter: http://assembly. coe.int/nw/xml/XRef/Xref-DocDetails-EN.asp?FileID=16876&lang=EN (letzter Zugriff: 26.01.19). 119 Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 3. 120 So aber wohl van Dijk/van Hoof, 3Theory and Practice, S. 750, die von einem „dead letter“ sprechen, s. die Kritik bei Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 3.
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Neben der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gibt es auch Stimmen in der Literatur, die sich für eine Streichung des Art. 16 EMRK aussprechen.121 Andere entwickeln einen restriktiveren Änderungsvorschlag der Norm, da sie fürchten, dass die Konventionsstaaten einer solchen Streichung wohl nicht zustimmen würden.122 Allerdings ist dem Urteil des EGMR, der zwar auch zu Beginn seiner Ausführungen zu Art. 16 EMRK wohl davon ausgeht, dass das darin zum Ausdruck kommende Prinzip überholt ist, doch zu entnehmen, dass Art. 16 EMRK in der Rechtsprechung nicht vollkommen unberücksichtigt bleibt.123 Eine Befugnis, die politischen Rechte von Ausländern einzuschränken, hat der EGMR allerdings bisher noch nicht aus Art. 16 EMRK abgeleitet.124 dd) Zwischenfazit Trotz der oben festgestellten geringen aktuellen Relevanz des Art. 16 EMRK stützt Österreich seine Begründung zu dem bereits eingangs erwähnten neuen Untersagungstatbestand auf die Einschränkungsmöglichkeit des Art. 16 EMRK.125 4. Einschränkungsmöglichkeit der politischen Betätigung der Ausländer in Deutschland auf Grundlage des § 47 AufenthG Die Vorschrift des § 47 AufenthG ermöglicht es, die politische Betätigung des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland einzuschränken beziehungsweise zu untersagen. Das AufenthG vom 30.07.2004126, das am 01.01.2005 in Kraft trat, löste das AuslG vom 09.07.1990127 ab.128 Dem vorausgegangen war das AuslG vom 28.04.1965129. 121 So Decaux, in: Pettiti/Decaux/Imbert, La Convention Européenne des droits de l’homme, S. 507; Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 16 Rn. 16; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen politischer Betätigung von Ausländern, S. 211. 122 Wölker, Zu Freiheit und Grenzen politischer Betätigung von Ausländern, S. 211– 214. 123 Vas ˇ ek, DÖV 2016, 429, 431 f. 124 Arai/Wouters, in: van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, Theory and Practice, Chapter 34, S. 1079. 125 Siehe Antrag 2063/A vom 29.03.2017 (XXV.GP), a. a. O. S. 3; s. zu der Kritik an der Heranziehung des Art. 16 EMRK für die Änderung des Österreichischen Versammlungsgesetztes bereits oben unter § 2 B. II. 2. b) bb) (3) sowie § 2 C. III. 126 Einführung mit dem Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30.07.2004, Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet, BGBl. I, S. 1950. 127 Einführung mit dem Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 09.07. 1990, Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet, BGBl. I, S. 1354. 128 Vgl. Huber, in: ders., AufenthG, Vorb. Rn. 1.
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§ 47 AufenthG130 findet keine Anwendung auf Unionsbürger, EWR-Staatsangehörige und Schweizer Staatsangehörige, da die Norm in §§ 11 Abs. 1, 12 FreizügG/EU131 nicht aufgeführt wird.132 Nach überwiegender Auffassung soll § 47 AufenthG als Ermächtigungsgrundlage für die Beschränkung der einfachgesetzlich gewährleisteten Versammlungsfreiheit für Ausländer herangezogen werden können.133 Teilweise wird von einem Spezialitätsverhältnis des § 47 AufenthG zu den Vorschriften des VersG ausgegangen.134 Begründet wird dies damit, dass das Versammlungsrecht die Teilnahme an und die Durchführung von Versammlungen für alle Menschen regele, wohingegen das AuslG nur eine bestimmte Konstellation erfasse, nämlich die Teilnahme von Ausländern an einer politischen Versammlung.135 Auch der Wille des Gesetzgebers spreche für die Einordnung des § 6 AuslG als Sondervorschrift gegenüber dem Versammlungsgesetz.136 Zudem sei § 47 AufenthG auch als allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG anzusehen und könne somit die Meinungsfreiheit beschränken, sodass auch 129
Ausländergesetz vom 28. April 1965, BGBl. I, S. 353. Der § 47 AufenthG hat denselben Wortlaut wie die Vorgängervorschrift des § 37 des AuslG von 1990 (Möller, in: Hofmann, Ausländerrecht, § 47 AufenthG, Rn. 3), sodass die Kommentierungen dazu auch hier herangezogen werden können (Hörich/ Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, vor Rn. 1). Auch die entsprechende Vorschrift im AuslG von 1965, § 6 AuslG, trifft im Wesentlichen ebenfalls dieselben Aussagen wie die beiden nachfolgenden Vorschriften, stellte aber in Abs. 1 noch ausdrücklich klar, dass alle Grundrechte auch für Ausländer gelten, soweit sie nicht Deutschen vorbehalten sind (Möller, in: Hofmann, Ausländerrecht, § 47 AufenthG, Rn. 3, zu letzterer Veränderung auch: Renner, Ausländerrecht, § 31 Rn. 610. 131 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern vom 30.07.2004, zuletzt geändert durch Art. 6 G v. 20.07.2017/2780. 132 Hörich/Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 2. 133 BVerwGE 49, 36, 40; OVG Münster, NJW 1980, 2039 (zu § 6 Abs. 2 AuslG); Hörich/Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 3.1; dies für die Vorgängervorschrift des § 6 AuslG feststellend: Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer in der BRD, S. 199 f.; Heuer, Politische Betätigung von Ausländern in der BRD, S. 47, allerdings nur für einzelne Verfügungen an Ausländer, die an einer Versammlung teilnehmen möchten; Thomsen, Die politische Betätigung von Ausländern, S. 40; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 13; zweifelnd: Gusy, in: OBS, Politische Betätigung von Ausländern in der BRD, S. 22, 24; dagegen: Bender, Zur Kritik des Ausländerrechts, S. 99. 134 Kloesel, Anm. zu OVG Münster, DÖV 1970, 346 f.; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 13 (jeweils zu § 6 AuslG); Hörich/Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 3.1; soweit die Ausführungen vor der Föderalismusreform getätigt wurden, müssen sie nun auch über den bereits erlassenen Landesversammlungsgesetzen gelten, Hörich/Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 3.1; s. dazu auch § 4, Fn. 29. 135 BVerwGE 49, 36, 40; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 13. 136 Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 13 mit Verweis auf BT-Drucks. IV/3013, S. 4 (zu § 5a). 130
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die nur einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit einer Beschränkung des damaligen § 6 AuslG unterliegen können müsse.137 Aber auch diejenigen Stimmen, die eine Qualifikation des § 47 AufenthG als lex specialis gegenüber dem Versammlungsrecht ablehnen138, gehen dennoch davon aus, dass Einzelnen die Teilnahme an einer politischen Versammlung untersagt werden kann, auch wenn ein Verbot der Versammlung nach dem Versammlungsgesetz nicht erfolgt.139 Das OVG Münster nahm eine Grenze der Einschränkungsmöglichkeiten nach dem damaligen § 6 Abs. 2 AuslG dann an, wenn durch eine Vielzahl von Einzelverfügungen die Versammlung nicht mehr durchführbar ist und die Maßnahmen praktisch einem Versammlungsverbot gleichkommen.140 Die Ansicht wird von der Literatur unterschiedlich beurteilt. Die überwiegende Literatur lehnt eine solche Grenze ab.141 Allerdings sprechen die Unzuständigkeit der Ausländerbehörde für Versammlungsverbote und die Entscheidung des Gesetzgebers, keinen Verbotstatbestand für Ausländer zu schaffen, für die Ansicht des OVG Münster.142 § 47 AufenthG verfolgt den Zweck der präventiven Gefahrenabwehr zum einen hinsichtlich einer Beeinträchtigung der innerstaatlichen Ordnung und zum anderen hinsichtlich einer Belastung der Beziehungen zu auswärtigen Staaten.143 a) Verfassungsmäßigkeit der Norm Seit der Einführung des § 6 AuslG im Jahr 1965 ist umstritten, inwiefern eine solche Beschränkung der politischen Betätigung von Ausländern verfassungsrechtlich zulässig ist.144 Insbesondere im Hinblick auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit ist umstritten, ob § 47 AufenthG beziehungsweise die Vorgängervorschriften ein allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG darstellen. Allge137
Thomsen, Die politische Betätigung von Ausländern, S. 39. § 6 Abs. 2 AuslG: Heuer, Politische Betätigung von Ausländer, S. 47; Marxen, Ausländerrecht, § 6, Rn. 27; Thomsen, Die politische Betätigung von Ausländern, S. 39. 139 Für § 6 Abs. 2 AuslG: Heuer, Politische Betätigung von Ausländer, S. 47; Marxen, 1Ausländerrecht, § 6 Rn. 28; Thomsen, Die politische Betätigung von Ausländern, S. 40. 140 OVG Münster, DÖV 1970, 344, 346. 141 Kloesel, Anm. zu OVG Münster, DÖV 1970, 346 f.; Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 13; kritisch – aufgrund der mangelnden Vorhersehbarkeit für Behörden und Justiz – auch: Bender, Zur Kritik des Ausländerrechts, S. 97. 142 Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer in der BRD, S. 200, Fn. 86. 143 Hörich/Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, Vor Rn. 1; Möller, in: Hofmann, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 1. 144 Vgl. auch Nachweise bei Möller, in: Hofmann, Ausländerrecht, § 47 AufenthG Rn. 5–13. 138 Für 1
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meine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG liegen nach der Rechtsprechung des BVerfG immer dann vor, wenn sie „nicht eine Meinung als solche verbieten“, „sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten“, sondern „vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen und dem Schutze eines Gemeinschaftswerts dienen, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit Vorrang hat“.145 Dieses Rechtsgut muss allgemein sein und damit unabhängig davon geschützt, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann.146 Überwiegend werden diese Voraussetzungen von § 47 AufenthG als erfüllt angesehen und die Norm somit als allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG qualifiziert.147 Es richte sich nämlich nicht gegen eine bestimmte politische, religiöse oder weltanschauliche Meinung, sondern ermögliche in bestimmten Situationen gefahrenabwehrrechtliches Handeln.148 Die Rechtsprechung stellt darauf ab, dass auch Deutsche Einschränkungen im Bereich der Meinungsfreiheit hinnehmen müssten, wenn sie gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstoßen.149 Auch die Tatsache, dass die Norm nur Ausländer betrifft, führe zu keiner Negierung der Qualität als allgemeines Gesetz.150 Denn die Allgemeinheit des Gesetzes meint gerade keine personelle Allgemeinheit.151 Allerdings erscheint die praktische Anwendung der Norm auf die reine Meinungsäußerung eher unwahrscheinlich, da diese wohl kaum die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm erfüllen wird.152
145 Zu den vorstehenden wörtlichen Zitaten s. BVerfGE 7, 198, 209 f.; vgl. auch BVerfGE 26, 186, 205. 146 BVerfGE 111, 147, 155; 113, 63, 78 f.; 124, 300, 322; zum Streitstand in der Literatur und der Entwicklungsgeschichte s. Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 121–127. 147 Zu § 37 AuslG: Kaltenborn, DÖV 2001, 55, 56; Robbers, in: HVerfR, § 11 Rn. 78; zu § 47 AufenthG: Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, § 47 Rn. 1; Huber/ Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, Rn. 963; Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 5; so auch OVG Münster, NJW 1980, 2039; a. A. Möller, in: Hofmann, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 5 ff. (Verstoß sowohl gegen Art. 5 als auch gegen Art. 18 GG); Tomuschat, Zur politischen Betätigung des Ausländers in der BRD, S. 53–55. 148 Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, Rn. 963. 149 OVG Münster, NJW 1980, 2039. 150 Robbers, in: HVerfR, § 11 Rn. 78, a. A. aber so für § 6 AuslG: Tomuschat, Zur politischen Betätigung des Ausländers in der BRD, S. 53–55, der die Norm aber für den Teilbereich der staatsbürgerlichen Meinungsfreiheit, der nicht von Art. 5 GG für den Ausländer umfasst sei (s. o.), für anwendbar hält, s. ebd., S. 62, Fn. 151; für § 47 AufenthG: Möller, in: Hofmann, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 10. 151 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 276; s. a. Heuer, Poltische Betätigung von Ausländern und ihre Grenzen, S. 30 f. 152 Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 147; so auch das Ergebnis bei Pawlowsky, Die politische Betätigung der kurdischen Ausländer in Deutschland, S. 74.
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b) Vereinbarkeit mit den Rechten der EMRK Aufgrund des Art. 16 EMRK wird eine Beschränkung der politischen Betätigung des Ausländers im Gastland, wie sie auf Grundlage des § 47 AufenthG erfolgen kann, als vereinbar mit der EMRK angesehen.153 Die Rechtsprechung des EGMR hat zudem auch Auswirkungen auf die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 AufenthG. Denn dieser fußt ja gerade darauf, dass Art. 16 EMRK Beschränkungen der politischen Tätigkeit von Ausländern zulässt.154 c) Tatbestandsvoraussetzungen aa) Begriff der politischen Betätigung Die politische Betätigung umfasst jedes Tun oder Handeln, das auf die Erringung, Änderung oder Bewahrung von Macht und von Einfluss auf die Gestaltung staatlicher oder gesellschaftlicher Einrichtungen und Daseinsformen gerichtet ist.155 Die Tätigkeiten, die unter den Begriff der politischen Betätigung fallen, können individuell oder kollektiv ausgeübt werden und in einer Vielzahl von Tätigkeiten wie Demonstrationen, Meinungsäußerungen oder finanzieller Unterstützung einer politischen Vereinigung bestehen, sofern sie darauf abzielen, werbend auf andere Einfluss zu nehmen.156 Die politische Betätigung als solche ist nicht verfassungsrechtlich gewährleistet, sondern ergibt sich vielmehr aus Handlungen, die den einzelnen Freiheitsrechten unterfallen.157 Ausländern wird die Möglichkeit zur politischen Betätigung verfassungsrechtlich durch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, einfachgesetzlich durch das VersG des Bundes beziehungsweise des jeweiligen Landes158 und das VereinsG gewährleistet.159 Darüber hinaus bestehen völkerrechtliche Abkommen, aufgrund derer sich auch Ausländer politisch betätigen können, so in den Art. 19, 21, 22 IPbpR und den Art. 10, 11 und 14 EMRK.160 153 Aus der Rechtsprechung: Für § 6 AuslG: BVerwGE 49, 36, 40; OVG Münster, DÖV 1970, 344, 346; dies auch hinsichtlich § 37 AuslG vertretend: VGH Mannheim, NVwZ-Beil. 1999, 65, 66; aus der Literatur: Dürig-Friedl, in: ders./Enders, Versammlungsrecht, Einleitung, Rn. 20; Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 5; für § 6 AuslG: Wölker, Zu Freiheit und Grenzen der politischen Betätigung von Ausländern, S. 28. 154 Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 5, Fn. 6. 155 Renner, Ausländerrecht, § 31 Rn. 611; Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 7. 156 Hörich/Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 3. 157 Renner, Ausländerrecht, § 31 Rn. 612. 158 Siehe zu den Versammlungsgesetzen von Bund und Ländern bereits § 4, Fn. 29. 159 Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. II. 1. 160 Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 2, 5.
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
bb) Tatbestandsvoraussetzungen für die Untersagung der politischen Betätigung In § 47 Abs. 1 AufenthG werden Tatbestände aufgeführt, die zu einer Beschränkungsmöglichkeit der politischen Betätigung führen, die Entscheidung darüber liegt allerdings im Ermessen der Behörde. Somit findet eine Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen und den Interessen des Ausländers statt und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommt große Relevanz zu.161 § 47 Abs. 2 AufenthG enthält dagegen Tatbestände, die ein zwingendes Verbot der Betätigung nach sich ziehen.162 Hinsichtlich des Untersagungstatbestands des § 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG wird die einschränkende Auslegung des Begriffes „politische Tätigkeit“ im Urteil des EGMR in der Sache Perinçek ./. Schweiz relevant. Fordert der Gerichtshof dafür einen unmittelbaren Bezug zu politischen Vorgängen, erscheint der Beschränkungstatbestand des § 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG problematisch, da dieser lediglich ein Zuwiderlaufen gegen die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland fordert.163 Allerdings wird diese Vorschrift sehr einschränkend ausgelegt, nämlich zunächst in der Weise, dass die Beziehungen zum jeweiligen Staat durch die Handlung der Gefahr ausgesetzt sein müssen, empfindlich und nachhaltig beeinträchtigt zu werden.164 Zudem muss im Rahmen der Einschränkung auch das politische Interesse des Ausländers und die grundsätzliche Freiheit des politischen Diskurses berücksichtigt werden.165 Kritik an Menschenrechtsverletzungen darf nicht im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen untersagt werden.166 Insbesondere müssen die Äußerungen auch nicht im Einklang mit der „herrschenden Staatsraison“ stehen.167 Auch wenn die Vorschrift somit sehr einschränkend ausgelegt wird, so müsste doch in konventionsfreundlicher Auslegung auch im Falle der Erfüllung des Tatbestandes gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zusätzlich gefordert werden, dass die politische Betätigung „direkt auf den innerdeutschen politischen Prozess einwirkt“.168 161
Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 10. Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 17. 163 Vas ˇ ek, DÖV 2016, 429, 430 f. 164 Hörich/Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 11 mit Verweis auf BVerwGE 49, 36, 41: „. . .keinen empfindlichen Schaden nehmen“; für eine Beeinträchtigung im „erheblichen Maße“: Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 14. 165 Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 14. 166 Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 14. 167 Möller, in: Hofmann, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 21. 168 Vas ˇ ek, DÖV 2016, 429, 431; zustimmend: Hörich/Hruschka, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 11; Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 5, Fn. 6. 162
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d) Anwendung im Rahmen von Wahlkampfauftritten ausländischer Hoheitsträger Bisher wurde die Norm auf Wahlkampfauftritte hochrangiger ausländischer Politiker noch nicht angewendet.169 Grundsätzlich liegt es nahe, dass der Tatbestand des § 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG durch ein Zuwiderlaufen der außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland durch die politische Betätigung des Staatsoberhaupts beziehungsweise des Regierungsmitglieds erfüllt sein könnte.170 Dies wäre auch dann noch der Fall, wenn man die einschränkende Auslegung des EGMR zugrunde legt. Wahlkampfauftritte könnten zum Beispiel dann als politische Betätigung i. S. d. Art. 16 EMRK qualifiziert werden, wenn Äußerungen in Bezug auf bevorstehende Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland getätigt werden, die das Wahlverhalten beeinflussen sollen.171 Als Begründung für die bisher fehlende Anwendung der Norm wird auf die Ausführungen des BVerfG in einem Beschluss verwiesen, wonach es der Bundesregierung obliege, ob und wie sich diese Personen im Bundesgebiet in amtlicher Eigenschaft politisch betätigen dürfen, da eine Grundrechtsberechtigung dieser Personen ausgeschlossen sei.172 Die Grundrechtsberechtigung dieser Personen soll aber gerade noch untersucht werden. Allerdings ergibt sich die Unanwendbarkeit hier bereits aus anderen Gründen. aa) Der persönliche Anwendungsbereich im Allgemeinen Der persönliche Anwendungsbereich des § 47 AufenthG bestimmt sich nach § 1 Abs. 2 AufenthG. Für Unionsbürger173 ergibt sich die Ausnahme vom Anwendungsbereich des AufenthG bereits aus § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG.174
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Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 6. Vgl. Steuer, Bitte nicht reden! Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder in Deutschland, VerfBlog, 04.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/ bitte-nicht-reden-auftritte-auslaendischer-regierungsmitglieder-in-deutschland/ (letzter Zugriff: 24.01.19). 171 Würde z. B. Erdog ˘ an Äußerungen, wie er sie im Vorfeld der Bundestagswahl tätigte, durch die er zum Boykott bestimmter Parteien aufrief, s. dazu: ZEIT ONLINE, Deutschtürken sollen SPD, CDU und Grüne boykottieren, 18.08.17, online abrufbar unter: https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-08/recep-tayyip-erdogan-wahlboykottcdu-spd (letzter Zugriff: 25.01.19), im Rahmen einer Wahlkampfrede in Deutschland kundtun, so wäre der Einfluss auf den innerstaatlichen Willensbildungsprozess gegeben. 172 Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, § 47 AufenthG, Rn. 6. 173 Siehe dazu Art. 20 I 2 AEUV. 174 So auch für die EWR-Staaten, vgl. Huber/Eichenhofer/Endres de Oliviera, Aufenthaltsrecht, Rn. 6. 170
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Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG i.V. m. §§ 18–20 GVG sind diejenigen Personen von der Anwendung des Gesetzes ausgenommen, die einer völkerrechtlichen Immunität unterliegen. Das betrifft gemäß § 18 GVG i.V. m. dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen zunächst die Mitglieder der diplomatischen Mission175, wobei Diplomaten eine Immunität ratione personae genießen.176 Gemäß § 19 GVG i.V. m. dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen sind auch die Mitglieder der konsularischen Mission von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit.177 Grundsätzlich genießen Konsuln dieselben Vorrechte wie Diplomaten, allerdings ist ihre Immunität nur eine funktionale.178 bb) Die entgegenstehende Immunität ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder im Besonderen § 20 Abs. 2 GVG nimmt schließlich Bezug auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die Personen von der deutschen Gerichtsbarkeit befreien. Die Immunität von Staatsoberhäuptern ist – im Gegensatz zu derjenigen der Diplomaten und Konsuln nicht völkervertraglich festgeschrieben.179 Allerdings gilt die Immunität von Staatsoberhäuptern als eine Regel des Völkergewohnheitsrechts.180 Dabei kommt amtierenden Staatsoberhäupter eine Immunität ratione personae für die Dauer ihrer Amtszeit zu.181 Die personelle Immunität 175 Siehe zum Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen bereits oben unter § 3 A. IV. 1. 176 Heintze, in: Ipsen, Völkerrecht, § 25 Rn. 29; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 391; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 756; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 36. 177 Siehe zum Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen ebenfalls unter § 3 A. IV. 1. 178 Vgl. Art. 43 WÜK; Doehring, Völkerrecht, Rn. 682; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 441. 179 Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 462; Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 32, 33; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 714; Tangermann, Völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 161; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 44. 180 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 7 Rn. 286; Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 47; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 714 m.w. N.; s. zur Herleitung der Immunität von Staatsoberhäuptern auch ausführlich: Gornig, in: FS Rauschning, S. 457–485; Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 707 ff.; Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern; Zehnder, Der Fall Pinochet. 181 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 7 Rn. 286; Frister, in: SK-StPO, Bd. IX,Vor §§ 18–21 GVG, Rn. 23; Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 480; Herdegen, Völkerrecht, § 37 Rn. 15; Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 263; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 714–723; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 723; Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 207; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 45.
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endet jedoch mit dem Ende der Amtszeit des Staatsoberhaupts. Danach genießt es nur noch eine funktionelle Immunität182, kann also für privatrechtliches Handeln gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden.183 Nach überwiegender Auffassung kommt Regierungschefs und Außenministern dieselbe Immunität ratione personae wie dem Staatsoberhaupt zu.184 Gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. a Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge sind neben dem Staatsoberhaupt auch der Regierungschef sowie der Außenminister zur völkerrechtlichen Vertretung des Staates befugt, sodass sie die Troika der zentralen Organe des zwischenstaatlichen Verkehrs bilden.185 Auch wenn es bereits Entscheidungen der Rechtsprechung gibt186, in denen auch anderen Ministern eine Immunität ratione personae zugesprochen wird und sich auch Stimmen in der Literatur dafür aussprechen187, ist die Rechtslage bzgl. einer solchen Immunität noch hinreichend unsicher.188 Somit genießen andere
182 Ausnahmen davon sollen für amtierende und ehemalige Staatsoberhäupter bei der strafrechtlichen Verfolgung durch den IStGH wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gelten, s. dazu: Herdegen, Völkerrecht, § 37 Rn. 15; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 766, 767; ders., JR 2015, 298, 303; Stein/ v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 724; s. a. Art. 27 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, BGBl. 2000 II, S. 1393 sowie den Fall Pinochet, House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and Others, ex parte Pinochet, ILM 38, 1999, 581 ff. und die dazu ergangene wissenschaftliche Literatur: Gornig, in: FS Rauschning, S. 457–485; Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern; Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern; Zehnder, Der Fall Pinochet. 183 Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 484; Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 263; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 725; Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 208; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 50 f. 184 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 7 Rn. 287; Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 48a; Kolb, SZIER 24 (2014), 179 f.; Kreicker, JR 2015, 298, 302; ders., Völkerrechtliche Exemtionen, S. 723–729; Kreß, GA 2003, 25, 31; Wood, Max Planck UNYB 16 (2012), 35, 44 f.; anders noch: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 258; Lüke, Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 104–108; für den Außenminister hat der IGH dies ausdrücklich entschieden, vgl. IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), ICJ-Reports 2002, 3 ff., Rn. 54 f.; s. a. ILC Report 2017, Chapter VII, online abrufbar unter: http:// legal.un.org/ilc/reports/2017/ (letzter Zugriff: 25.01.2019). 185 Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 43 f. 186 Re Bo Xilai, England, Bow Street Magistrates’ Court, 08.11.2005, ILR 128 (2006), 713, 714; s. dazu auch Kolb, SZIER 24 (2014), 179, 185; Kreicker, JR 2015, 298, 303; Re Mofaz, England, Bow Street Magistrates’ Court, 12.02.2004, ILR 128 (2006), 709, 712; s. dazu auch Kolb, SZIER 24 (2014), 179, 183 f. 187 Kolb, SZIER 24 (2014), 179, 182, 184 f.; für eine Immunitätsgewährung für alle Fachminister der Regierung: Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 727–729; Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 48a. 188 So auch die Zusammenfassung bei Kolb, SZIER 24 (2014), 179, 186 f.; i. E. auch Kreicker, JR 2015, 298, 303; s. a. Murphy, AJIL 108 (2014), 41, 45 f.; gegen eine Erweiterung auf andere Minister auch: Kreß, GA 2003, 25, 32 f.
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
Minister nach Völkergewohnheitsrecht nur eine allen Funktionsträgern eines Staates zustehende Immunität ratione materiae189. Reisen Außenminister, Regierungschefs oder auch andere Regierungsmitglieder in amtlicher Funktion ein, so könnten sie, unabhängig von der Frage einer Immunität, aufgrund ihrer hohen Stellung im Staat als Mitglieder einer Spezialmission angesehen werden, die dann als ad hoc-Diplomaten190 besondere Vorrechte genießen.191 Der Umfang und die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Exemtionen sind allerdings umstritten.192 Insofern wird auf den Tabatabei-Fall des BGH hingewiesen, der die strafrechtliche Immunität eines Iraners aufgrund einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel annahm, die es ermöglicht, Sonderbotschaftern Immunität zu verleihen, auch wenn diese Vereinbarung erst nachträglich getroffen wurde.193 Würde man eine Immunität dieser Personen annehmen, so wäre diese allerdings nur bei einem Besuch in amtlicher Eigenschaft gegeben.194 Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 GVG hat hinsichtlich der allgemeinen Regeln des Völkerrechts damit lediglich deklaratorische Wirkung, da diese, mithin das 189 Kolb, SZIER 24 (2014), 179, 180; Kreicker, JR 2015, 298; ders., Völkerrechtliche Exemtionen, S. 109 ff.; Lüke, Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 145 ff., 188 f.; BVerfGE 96, 68, 85 („die Staatenimmunität und die unmittelbar aus ihr fließende Immunität von staatlichen Organen“); zweifelnd für das Strafverfahren dagegen: Frister, in: SK-StPO, Bd. IX, Vor §§ 18–21 GVG, Rn. 18–22. 190 Siehe allgemein zum Immunitätsschutz für Spezialmissionen: Heintze, in: Ipsen, Völkerrecht, § 27 Rn. 1; Herdegen, Völkerrecht, § 38 Rn. 6; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 761. 191 Doehring, Völkerrecht, Rn. 673; Epping in: Ipsen, Völkerrecht, § 7 Rn. 287; Lüke, Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 108; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 58; Watts, RdC 1994 III, 9, 103. 192 Eine Kodifikation erfolgte durch die UN-Konvention über Spezialmissionen aus dem Jahre 1969, vgl. AVR 16 (1973–1975), S. 60–76, dieser ist die BRD allerdings nicht beigetreten, vgl. Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 70; für eine Qualifikation ihrer Regelungen als Völkergewohnheitsrecht: Doehring, Völkerrecht, Rn. 513 f.; generell auf das Völkergewohnheitsrecht verweisend: Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 3. Abschnitt, Rn. 72; a. A.: Wolf, EuGRZ 1983, 401, 403, der feststellt, dass es keine allgemeine Regel des Völkerrechts gebe, die eine Immunität begründe; Ambos, JZ 1999, 16, 19, der auf die spezielle Vereinbarung zwischen Empfangs- und Entsendestaat abstellt; lediglich die Immunität der Sonderbotschafter als Völkergewohnheitsrecht ansehend: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 298; differenzierend nach der Aufgabe der Mission: Lüke, Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 117 f. 193 BGHSt 32, 275, 287–290; s. dazu auch: Heintze, in: Ipsen, Völkerrecht, § 27 Rn. 4; Herdegen, Völkerrecht, § 38 Rn. 7; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 761; Kreicker dagegen deutet das Urteil dahingehend, dass der BGH davon ausgeht, dass die Immunität Tabatabais auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Staaten beruhe, und das Völkergewohnheitsrecht lediglich eine solche Vereinbarung erlaube, ders., Völkerrechtliche Exemtionen, S. 846 f.; zumindest wird eine persönliche Unverletzlichkeit für erforderlich gehalten, vgl. Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 836 f.; ders., JR 2015, 298, 304. 194 Frister, in: SK-StPO, Bd. IX, § 20 GVG, Rn. 9.
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Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze i. S. d. Art. 38 Abs. 1 lit. b und lit. c IGH-Statut195, bereits über Art. 25 GG Eingang in die deutsche Rechtsordnung finden.196 (1) Möglichkeit des Verzichts auf die Immunität Nach einer Ansicht soll der Anwendungsbereich des § 47 AufenthG eröffnet sein, da die Minister durch den Hinweis auf die Einreise zum Zwecke eines Privatbesuchs für den Wahlkampf gleichzeitig auf ihre Immunität verzichten würden.197 Dagegen spricht allerdings, dass es gerade der Staat ist, der den Verzicht der Immunität erklären muss.198 Denn die Notwendigkeit der Immunität von Staatsoberhäuptern ergibt sich vor allem aus der Souveränität und der Würde der Staaten, die nur dann zur Geltung kommen kann, wenn auch der höchste Repräsentant Immunität genießt.199 Hinzuweisen ist darauf, dass ein Immunitätsverzicht nur nach der Amtszeit in Betracht kommt200, in der das Staatsoberhaupt nur noch eine funktionelle Immunität genießt.201 (2) Ausnahme bei privaten Besuchen? Auch ein Abstellen auf eine private Einreise ist nicht überzeugend und kann daher nicht zu einer Anwendbarkeit des § 47 AufenthG führen. Für ausländische Staatsoberhäupter ergibt sich dies aus ihrer Immunität ratione personae, die sie auch im Falle privater Reisen nicht ablegen. Zwar wird vertreten, dass kein Immunitätsschutz vorläge, wenn die Person incognito einreist.202 Allerdings würde spätestens in dem Zeitpunkt, in dem es zu einem Zusammentreffen mit den Behörden kommt, die Stellung als Staatsoberhaupt offengelegt und somit seine Immunität zum Tragen kommen.203 Dafür sprechen auch zwei historische Beispiele
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Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 43. Kissel/Mayer, GVG, § 20 Rn. 2; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 43; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 20 GVG Rn. 4; Valerius, in: Graf, BeckOK GVG, § 20 GVG, Rn. 4.1; s. zu Art. 25 GG bereits oben unter § 3 A. I. 2. 197 Schwander, ZJS 2017, 242, 244 f. 198 Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 209 f.; dies kurz feststellend: Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 484; Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen, S. 745; implizit auch: Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 7 Rn. 286. 199 Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 459; Hokema, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 24 f. 200 Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 606; implizit: Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 209. 201 S. o. unter § 4 A. II. 4. d) bb). 202 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 253. 203 Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 49 f., der auf zwei historische Beispiele aus dem 19. Jh. verweist. 196
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aus dem 19. Jh.204: 1873 kam es zur Verurteilung des Königs von Holland zu einer Geldstrafe in der Schweiz, die allerdings sofort aufgehoben wurde, als der König seine Identität offenbarte. 1885 wurde der Sultan von Johore, der unter dem Namen Albert Baker in England weilte, wegen Bruchs eines Heiratsversprechens gerichtlich verfolgt, seine Immunität wurde jedoch vom Gericht ab Kenntnis seiner wahren Identität anerkannt. Überzeugend wird somit davon ausgegangen, dass eine Aufgabe der Immunität nicht möglich ist.205 Dafür spricht zunächst, dass ein Staatsoberhaupt die Repräsentationsfunktion für seinen Staat nie gänzlich ablegen kann.206 Auch könnte das Staatsoberhaupt im Rahmen eines als privat geplanten Besuchs plötzlich und unerwartet doch einer offiziellen Verpflichtung nachgehen müssen.207 Reist das Staatsoberhaupt zu privaten Zwecken ein, dann kann ihm allerdings die Einreise in das Land verweigert werden, wie dies im Jahre 1987 für den österreichischen Bundespräsidenten Waldheim praktiziert wurde, der in die USA einreisen wollte, und im Jahr 1993, als dem Präsidenten von Zaire, Mobutu, die Einreise nach Frankreich verweigert wurde.208 Wenn das Gesetz somit auf ausländische Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister aufgrund ihrer umfassenden Immunität nie Anwendung finden kann, so könnte es auf den Kreis der übrigen Minister, in Fällen, in denen sie nicht amtlich handeln, durchaus Anwendung finden.209 Für Regierungsmitglieder überzeugt ein Abstellen auf eine rein private Einreise insofern nicht, als der Auftritt auf einer Wahlkampfveranstaltung zumindest im Rahmen eines Dienstbesuchs stattfindet, sodass die Einreise noch als amtliche erfolgt. Ob dann die Wahlkampfveranstaltung als solche dem privaten Bereich zuzuordnen ist, in dem das Regierungsmitglied keine Immunität mehr genießt, ist fraglich. Vielmehr scheint es überzeugend, auch in solchen Auftritten noch 204 Siehe dazu: Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 480, Fn. 154; Watts, RdC 1994 III, 9, 75; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 50, Fn. 263 (mit Fundstellen zu den entsprechenden Vorgängen). 205 Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 480; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 49 f. 206 Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 480; Wood, Max Planck UNYB 16 (2012), 35, 47, Fn. 33. 207 Watts, RdC 1994 III, 9, 73; ähnlich: Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 49; s. insofern auch den Gesetzentwurf der ILC aus dem Jahr 1972, der einen besonderen Schutz für Staatsoberhaupt und Regierungschef für jegliche Art von Besuchen annahm, vgl. Yearbook of the International Law Commission 1972, vol. II, S. 309, 312 f.; vgl. dazu Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 480; Watts, RdC 1994 III, 9, 73. 208 Gornig, in: FS Rauschning, S. 457, 480; Watts, RdC 1994 III, 9, 73; Nachweis für erstgenannten Fall: RGDIP, tome 91 II (1987), S. 1315 f. 209 Schwander, ZJS 2017, 242, 244 f., Fn. 33; für eine generelle Unanwendbarkeit der Norm aufgrund der entgegenstehenden Immunität: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 144 f., der allerdings die verschiedenen Formen der Immunität auf S. 130, Fn. 20 erläutert.
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ein Handeln zu sehen, das mit seiner Funktion als Regierungsmitglied in Zusammenhang steht. Zudem könnte sich die Immunität solcher Minister – unabhängig von der Reichweite der völkerrechtlichen Immunität – aus § 20 Abs. 1 GVG ergeben. Nach dieser Vorschrift werden diejenigen Repräsentanten anderer Staaten und ihre Begleitung von der Gerichtsbarkeit ausgenommen, die auf amtliche Einladung in die Bundesrepublik Deutschland reisen. Repräsentanten fremder Staaten sind jedenfalls das Staatsoberhaupt, Regierungsmitglieder und Repräsentanten anderer Verfassungsorgane.210 Eine amtliche Einladung erfolgt, wenn sie eindeutig und offiziell ist und von einer für eine Einladung befugten Stelle der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen ist, worunter neben dem Bundespräsidenten und der Bundesregierung auch die anderen Verfassungsorgane des Bundes fallen.211 Somit kann § 47 AufenthG nur dann auf diejenigen Minister, die nicht zur Troika gehören, angewendet werden, wenn die Einreise nur zu privaten Zwecken erfolgt, also beispielsweise für einen Urlaub oder einen rein privaten Aufenthalt. Diese Fälle dürften allerdings eher selten sein. cc) Telos der Vorschrift Gegen die Anwendbarkeit des § 47 AufenthG auf die vorliegende Problematik spricht zudem der Telos des Gesetzes, der wohl nicht darauf ausgerichtet ist, gegen ausländische Regierungen vorzugehen, was zudem im Ermessen der Ausländerbehörde auf Landesebene stünde.212 Dass solche Fälle grundsätzlich nicht erfasst sein sollten, geht auch aus der Begründung zu § 37 AuslG hervor, in der vielmehr von der – insofern umgekehrten – Konstellation ausgegangen wird, dass die politische Betätigung der Ausländer sich gegen fremde Regierungen richtet, was dann die auswärtigen Beziehungen beeinträchtigen könnte.213 Lediglich unter dem Aspekt der Vermeidung innenpolitischer Konflikte könnten auch solche Fälle mitgedacht worden sein, allerdings sollte dabei wohl eher die Gründung extremistischer Vereinigungen verhindert werden.214
210 Frister, in: SK-StPO, Bd. IX, § 20 GVG, Rn. 2; Valerius, in: Graf, BeckOK GVG, § 20 GVG, Rn. 2. 211 Böttcher, in: LR-StPO, Bd. 10, § 20 GVG, Rn. 2; Frister, in: SK-StPO, Bd. IX, § 20 GVG, Rn. 3; Valerius, in: Graf, BeckOK GVG, § 20 GVG, Rn. 3. 212 Vgl. die Argumentation bei Steuer, Bitte nicht reden! Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder in Deutschland, VerfBlog, 04.03.2017, online abrufbar unter: https:// verfassungsblog.de/bitte-nicht-reden-auftritte-auslaendischer-regierungsmitglieder-indeutschland/ (letzter Zugriff: 24.01.19). 213 BT-Drucks. 11/6321, S. 49. 214 BT-Drucks. 11/6321, S. 49.
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
III. Ergebnis zu A. Der Grundrechtsschutz im Anwendungsbereich der Deutschengrundrechte für EU-Ausländer und juristische Personen aus dem EU-Ausland wird über Art. 2 Abs. 1 GG mit den jeweiligen speziellen Schrankenvorbehalten der Deutschengrundrechte gewährt. Ausländer, die keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaats besitzen, genießen im Rahmen der Deutschen-Grundrechte lediglich einen – im Hinblick auf die Einschränkungsmöglichkeiten – abgeschwächten Schutz über Art. 2 Abs. 1 GG. Die politische Betätigung des Nicht-EU-Ausländers wird in der Bundesrepublik Deutschland grundrechtlich über Art. 5 Abs. 1 GG sowie einfachgesetzlich über § 1 VersG beziehungsweise die Landesversammlungsgesetze, soweit erlassen, und § 1 VereinsG gewährt. Hinsichtlich der völkerrechtlich gewährleisteten Meinungs- und Versammlungsfreiheit stellt Art. 16 EMRK eine Einschränkungsmöglichkeit dar. Eine Einschränkung der Vorschrift erfolgt zunächst durch Rechtsprechung und Literatur in personeller Hinsicht, da sie nicht für Unionsbürger gilt. In materieller Hinsicht wird hinsichtlich der beschränkbaren politischen Tätigkeit gefordert, dass sie sich direkt auf einen politischen Vorgang beziehen muss. Die Norm, die nun insbesondere bei einer Novelle des Österreichischen Versammlungsgesetzes wieder aktuell wurde, war bis dahin sowohl von der Rechtsprechung als auch von der Literatur als nicht mehr zeitgemäß und unpassend im Rahmen völkerrechtlicher Vereinbarungen eingestuft worden. Art. 16 EMRK steht jedoch in der völkerrechtlichen Tradition, die politische Betätigung von Ausländern zu beschränken, und soll die jeweiligen Staaten zum einen vor innenpolitischen Konflikten bewahren, zum anderen außenpolitische Spannungen vermeiden. Dieser Grundsatz kommt auch in der Beschränkungsmöglichkeit des § 47 AufenthG, der mit der EMRK aufgrund des Art. 16 EMRK vereinbar ist, zum Ausdruck. § 47 AufenthG stellt ein allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG dar und kann somit die Meinungsfreiheit beschränken. Zudem kann auf dessen Grundlage auch die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden. Maßnahmen gegen ausländische Staatsoberhäupter, Außenminister und Regierungschefs können jedoch nicht auf § 47 AufenthG gestützt werden, da diese Personen vom Anwendungsbereich des Gesetzes aufgrund ihrer umfassenden Immunität ausgenommen sind. Gegen solche Minister, die nur eine funktionelle Immunität genießen, kann – bei Vorliegen einer der Untersagungsgründe – § 47 AufenthG nur in den seltenen Fällen einer Einreise zu nur privaten Zwecken angewandt werden. Allerdings ist § 47 AufenthG in seiner Zielrichtung wohl nicht
B. Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter
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darauf ausgerichtet, Maßnahmen gegen ausländische Regierungsmitglieder zuzulassen.
B. Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter Da ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder Organwalter des Staates sind215, erfolgt nun eine Untersuchung, inwiefern staatliche Organwalter überhaupt grundrechtsfähig sind.
I. Grundrechtsberechtigung des deutschen Staates Um eine Aussage über die mögliche Grundrechtsberechtigung ausländischer Regierungsmitglieder und Staatsoberhäupter machen zu können, bedarf es zunächst einer Analyse, ob und gegebenenfalls in welchen Situationen nationale Hoheitsträger mit welcher Argumentation grundrechtsberechtigt sind, um dann überprüfen zu können, ob diese Herangehensweise auch auf ausländische Hoheitsträger übertragbar ist. Im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG stellte sich hinsichtlich der Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Recht die eher grundsätzliche Frage nach einer Grundrechtsberechtigung des Staates.216 Dieser soll im Folgenden nachgegangen werden und dabei sollen insbesondere die Gründe untersucht werden, die gegen dessen Grundrechtsberechtigung sprechen. Denn der Staat ist zunächst Grundrechtsverpflichteter als Adressat der Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG.217 Die Norm umfasst die gesamte öffentliche Gewalt in Ausübung ihrer öffentlichen Aufgaben.218 1. Wesen der Grundrechte Die Problematik einer Grundrechtsberechtigung des Staates führt zunächst zu der Frage nach dem grundsätzlichen Wesen und der Funktion der Grundrechte.219 Auch das BVerfG beginnt die Untersuchung, ob auch juristische Personen des öffentlichen Rechts grundrechtsfähig sind, mit der Feststellung, dass die Grundrechte darauf ausgerichtet sind, dem Bürger eine Freiheitssphäre zu gewähren, 215 Siehe zu der Einordnung von Ministern und Regierungspräsidenten als Organwalter i. e. S.: Stelkens, Jura 2016, 1013, 1020 f. 216 Siehe dazu: Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 61. 217 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb., Rn. 118. 218 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 221 f. 219 Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 64.
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die vor staatlichen Eingriffen geschützt ist.220 Daraus ergibt sich dann auch die Möglichkeit einer aktiven Mitwirkung am Gemeinwesen.221 Im Mittelpunkt der gesamten Entwicklung der Grundrechte stehe der einzelne Mensch als natürliche und private Person.222 Darauf aufbauend stellt das BVerfG fest, dass im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG eine Grundrechtsberechtigung dann anzunehmen ist, wenn ein „Durchgriff“ auf die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen dies erforderlich macht, da es sich um eine individuelle Freiheitsentfaltung handelt.223 Es komme somit darauf an, ob die juristische Person ein „personales Substrat“ aufweist.224 Somit erfolgt die Erstreckung des grundrechtlichen Schutzes auf juristische Personen in dem Bestreben, wiederum den Menschen ihre freie Betätigung in Form einer juristischen Person zu ermöglichen.225 In der Literatur wird teilweise das Kriterium der grundrechtstypischen Gefährdungslage gegenüber dem Durchgriffsargument des BVerfG bevorzugt.226 Für das Durchgriffsargument spricht allerdings die grundsätzliche Ausrichtung der Grundrechte am Schutz des Individuums und seiner Freiheiten.227 Grundsätzlich wird aufgrund dieser Argumentation eine Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts ausgeschlossen.228 Insbesondere fehle der unmittelbare Bezug zum Menschen.229 Ein Durchgriff im oben genannten Sinne funktioniere in diesen Fällen gerade nicht.230
220
BVerfGE 21, 362, 369; s. a. BVerfGE 61, 82, 101. BVerfGE 21, 362, 369; s. a. BVerfGE 61, 82, 101. 222 BVerfGE 61, 82, 100. 223 BVerfGE 21, 362, 369; von einem „Durchblick auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen“ spricht BVerfGE 61, 82, 101; so auch: Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 65; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 206–224, der allerdings auch Elemente der grundrechtstypischen Gefährdungslage aufgreift, Rn. 214 f.; Knaier/Wolff, EWS 2017, 207, 209; Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 43 f.; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 26–36. 224 Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 35. 225 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 127. 226 So ausdrücklich: Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 19 Abs. 3, Rn. 34; Ludwigs/ Friedmann, NVwZ 2018, 22, 23 f. 227 Siehe ausführlich: Baldegger, Menschenrechtsschutz für juristische Personen, S. 88–92; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 26–36. 228 BVerfGE 21, 362, 368 ff.; 45, 63, 78; 61, 82, 100; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 68, s. dort auch die ausführliche Auseinandersetzung mit der Kritik an dieser Auffassung, S. 68–77; Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 19 III Rn. 58; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 24; Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 47; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 89–92. 229 BVerfGE 21, 362, 370 f.; 61, 82, 101. 230 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 90. 221
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Zudem befänden sich die juristischen Personen des öffentlichen Rechts gegenüber dem Staat nicht in der gleichen „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ wie der einzelne Grundrechtsträger.231 Konflikte zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bezüglich ihrer Funktionen könnten nicht über den Schutz durch die Grundrechte gelöst werden, da diese gerade das Verhältnis zwischen Staat und Bürger beträfen.232 Somit sind diese Begründungsansätze geprägt von dem vorrangig bezweckten Schutzes des Individuums durch die Grundrechte.233 Hinsichtlich der Ausnahmetrias kommt der Aspekt der privaten Menschenrechtswahrnehmung besonders deutlich zum Ausdruck.234 Das Wesen der Grundrechte widerspricht einer Grundrechtsberechtigung des Staates.235 Hinzu kommt der in Art. 1 Abs. 3 GG festgelegte Grundsatz, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts vielmehr Adressat und nicht Träger von Grundrechten sind.236 2. Konfusionsargument Insofern führt auch das BVerfG neben der fehlenden personalen Komponente das Konfusionsargument an, nach dem eine gleichzeitige Grundrechtsverpflichtung und -berechtigung ausgeschlossen sei.237 Forsthoff vertrat die Ansicht, dass aufgrund des Wesens der Grundrechte eine Anwendung im staatlichen Bereich vollkommen ausgeschlossen sei.238 Bettermann dagegen stellt darauf ab, dass sich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts in einer den anderen juristischen Personen vergleichbaren Position, nämlich in einem untergeordneten Verhältnis unter einen anderen Hoheitsträger, befinden könnten, was eine Grundrechtsberechtigung erfordere.239 231 BVerfGE 45, 63, 79; 61, 82, 102; 143, 246, 314; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 91; darauf hinweisend, dass auch das BVerfG insofern in bestimmten Fällen den Begriff der grundrechtstypischen Gefährdungslage verwendet: Huber, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 215. 232 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 91. 233 Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 65, 67; s. auch Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 15. 234 Baldegger, Menschenrechtsschutz für juristischer Personen, S. 115 f.; Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 127; zum Ausnahmetrias s. noch einmal sogleich unter § 4 B. I. 2., Fn. 245. 235 Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 15. 236 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 19 Abs. 3, Rn. 57; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 90. 237 So das BVerfG, BVerfGE 15, 256, 262; 21, 362, 369 f.; 143, 246, 313 f., Rn. 188; s. dazu grundlegend: Bettermann, NJW 1969, 1321, 1323. 238 Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, S. 107 f. 239 Bettermann, NJW 1969, 1321, 1323 f.
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Nach überwiegender Ansicht soll das Konfusionsargument nur im Hinblick auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis gelten, allerdings nicht uneingeschränkt hinsichtlich jeglichen Rechtssubjekts in jeder Situation.240 Das umschreibt das sogenannte enge Konfusionsargument.241 Das weite Konfusionsargument, nach dem eine in einer Situation grundrechtsberechtigte Person in keiner anderen Situation grundrechtsgebunden sein kann242, wird heute so nicht mehr vertreten.243 Auch Vertreter, die ausdrücklich am Konfusionsargument festhalten, erkennen trotzdem Ausnahmen an.244 Auch wenn das BVerfG keinen Widerspruch zu seinem Konfusionsargument in der Tatsache sieht, dass Universitäten, Rundfunkanstalten und Religionsgemeinschaften in bestimmten Situationen auch grundrechtsberechtigt sein können, da sie unmittelbar einem grundrechtlich geschützten Bereich zuzuordnen sind245, wird dieses Argument von der Literatur gegen die Stichhaltigkeit der Konfusionsthese angeführt.246 Daraus ergebe sich unmittelbar, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts in manchen Situationen grundrechtsberechtigt und in anderen Adressat von Grundrechten sein kann.247 Somit wird teilweise angenommen, die Konfusionsthese habe sich als „haltlos“ 248 oder „untauglich“ 249 erwiesen.250 Ausnahmen hinsichtlich der grundsätzlich fehlenden Grundrechtsberechtigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts stellen nach Ansicht des BVerfG auch die Verfahrensgrundrechte der Art. 101 Abs. 1 S. 2 und Art. 103 Abs. 1 GG dar, die als Teil der objektiven Verfahrensrechte auch für diese gelten sollen.251
240 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 71 f.; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 245; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 30. 241 Siehe die Unterscheidung bei Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 24. 242 Vgl. die Definition bei Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 24. 243 Vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 19 III Rn. 59, Fn. 239; Huber in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 245, Fn. 115; Schnapp, in: HGR II, § 52 Rn. 27. 244 Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 245, 253–266; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 90, 93–109. 245 BVerfGE 15, 256, 262; 21, 362, 374; sog. „Ausnahmetrias“, vgl. Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22. 246 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 19 III Rn. 59 f.; Schwander, ZJS 2017, 242, 244, Fn. 23. 247 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 19 III Rn. 59. 248 Schoch, Jura 2001, 201, 204; s. a. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 19 III Rn. 59. 249 Schnapp, in: HGR II, § 52 Rn. 27. 250 Die Konfusionstheorie auch ablehnend: Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 47; eine sachwidrige Verknüpfung im Konfusionsargument sehend: Goldhammer, JuS 2014, 891, 894 f. 251 BVerfGE 21, 362, 373; 61, 82, 104; 75, 192, 200; kritisch zu dieser Begründung: Isensee, in: HStR IX, § 199 Rn. 56; Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 13.
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Diejenigen, die das Konfusionsargument kritisieren, begründen die grundsätzlich fehlende Grundrechtsberechtigung auf andere Weise: Die fehlende Grundrechtsberechtigung des Staates leite sich dann vielmehr aus der Tatsache ab, dass der Staat nie in Ausübung von Freiheit handele, vielmehr werde er aufgrund von Kompetenzen tätig.252 Zudem wird allgemein auf Wortlaut, Systematik, Telos und Historie der Grundrechte hingewiesen, die eine Grundrechtsberechtigung des Staates bereits ausschlössen, sodass es auf das Konfusionsargument gar nicht mehr ankomme.253 3. Dichotomie von Grundrechtsberechtigung und demokratischer Legitimation Eng verbunden mit dem Konfusionsargument ist das umfassendere Verständnis von einer Dichotomie von Grundrechtsberechtigung und demokratischer Legitimation.254 Grundpfeiler einer rechtsstaatlichen Verfassung ist die Trennung zwischen der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt auf der einen und den grundrechtsberechtigten Bürgern auf der anderen Seite.255 Die zentrale Vorschrift der Verfassung für diese Dichotomie ist Art. 1 Abs. 3 GG.256 Aus der Bindung der deutschen Staatsgewalt durch die Vorschrift folge zwingend die Grundrechtsberechtigung der Privaten.257 Ein zwingendes Auseinanderfallen von Grundrechtsberechtigung und Grundrechtbindung wird auch durch den Gehalt des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG deutlich.258 Die durch die Grundrechte gewährten Freiheitsräume des Bürgers stünden im Verhältnis einer Polarität zu den staatlichen Kompetenzen.259 Somit könne der Staat im Grundsatz sein Handeln nur auf Kompetenzen stützen und nicht auf Grundrechte, die diese Kompetenzen gerade binden sollen.260 Der Staat erlange 252 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 24 mit Verweis auf BVerfGE 68, 193, 206; Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 47; ähnlich: Schwander, ZJS 2017, 242, 244 mit Verweis auf BVerfGE 128, 226, 244 f.; so auch ausdrücklich das BVerfG in BVerfGE 61, 82, 101; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 245, der aber daneben auch noch auf das Konfusionsargument eingeht. 253 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 128. 254 So wohl auch das Verständnis bei Goldhammer, JuS 2014, 891, 894, wenn er davon ausgeht, dass die Frage des Dualismus „sich regelmäßig im Konfusionsargument im weiteren Sinne zu[spitzt]“. 255 Isensee, in: HStR IX, § 199 Rn. 40. 256 Goldhammer, JuS 2014, 891, 892; Isensee, in: HStR IX, § 199 Rn. 41. 257 Isensee, in: HStR IX, § 199 Rn. 41. 258 Goldhammer, JuS 2014, 891, 894. 259 Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 67; Burmeister, Vom staatsbegrenzenden Grundrechtsverständnis zum Grundrechtsschutz für Staatsfunktionen, S. 79. 260 Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 67 f.
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seine Handlungsspielräume auf Grund der demokratischen Legitimation, der Bürger hingegen handele in einem Raum grundrechtlicher Freiheiten, von dem der Staat grundsätzlich ausgeschlossen sei und den er zu respektieren habe. Es komme somit zu einer Polarität von demokratischer und grundrechtlicher Legitimation.261 Jeder Vorgang müsse einem der beiden Bereiche zugeordnet werden können, „tertium non datur“.262 Heute erfährt diese strikte Trennung von privater und staatlicher Sphäre einige Aufweichungen.263 Bereits die Anerkennung des Grundrechtsschutzes für juristische Personen stelle den ersten Schritt in Richtung einer Ebene zwischen dem Staat und dem Individuum dar, da sie eine Abkehr von dem Ansatz darstelle, dass nur das Individuum als solches grundrechtsberechtigt sein kann.264 Auch bei der Problematik der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen werde die Vermischung der beiden Sphären von privatem und öffentlichem Recht deutlich.265 Das BVerfG entschied dazu im Fraport-Urteil266, dass die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform nicht dazu führe, dass sich der Staat seiner Grundrechtsbindung entziehen könne.267 Aus der Grundrechtsbindung der Fraport AG schließt das BVerfG dann deren fehlende Grundrechtsberechtigung.268 Die Aufweichung zwischen staatlicher und privater Sphäre werde auch durch die Anerkennung einer mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten durch das BVerfG deutlich, das damit auf die zunehmende soziale Macht auch Privater reagiere.269 In der Entscheidung zum „Bierdosen-Flashmob“ 270 nahm das BVerfG 261 Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 16; ders., in: HStR IX, § 199 Rn. 43; s. a. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 60–63. 262 Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 16; ders., in: HStR IX, § 199 Rn. 43. 263 Goldhammer, JuS 2014, 891, 894; Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22, 23; Isensee, in: HStR IX, § 199 Rn. 1, der eine Abwendung vom strengen Dualismus beobachtet; s. a. Baldegger, Menschenrechtsschutz für juristische Personen, S. 115; Schaefer, Der Staat 51 (2012), 251, 267 ff. 264 Isensee, in: HStR IX, § 199 Rn. 1; dagegen Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 24, der darauf hinweist, dass der Dualismus von Staat und Gesellschaft nicht aufgelöst wird. 265 Goldhammer, JuS 2014, 891, 894. 266 BVerfGE 128, 226–278. 267 BVerfGE 128, 226, 244–250; das entspricht auch der herrschenden Meinung im Schrifttum: vgl. Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, S. 102 f.; Papier, DVBl. 2016, 1417, 1419; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3, Rn. 57 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 268 BVerfGE 128, 226, 247, 248 f. 269 Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22, 23; Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 7–9; grundlegend zur mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten das BVerfG in seinem „Lüth-Urteil“, BVerfGE 7, 198, 204–207. 270 BVerfG, NJW 2015, 2485 f. (im Rahmen der Folgenabwägung einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG).
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schließlich eine gleichzeitige Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverpflichtung für eine GmbH & Co. KG als Eigentümerin eines Platzes an. Die GmbH & Co. KG könne sich zwar auf ihre Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG berufen, müsse aber zugleich auch die Versammlungsfreiheit des Veranstalters des Flashmobs achten.271 Eine weitere Sonderkonstellation, in der das allgemeine Gleichbehandlungsgebot auch einen privaten Veranstalter trifft, betrifft nach Ansicht des BVerfG Stadionverbote.272 Dabei stehen sich das allgemeine Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG und die durch das privatrechtliche Hausverbot zum Ausdruck kommende Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG gegenüber.273 Diese Ausstrahlungswirkung auf das Privatrechtsverhältnis resultiere aus der ausschließlichen Befugnis der Stadionbetreiber, über den Zugang zu diesem gesellschaftlich relevanten Ereignis zu entscheiden.274 Somit obliege zuvörderst den Zivilgerichten, zu gewährleisten, dass Stadionverbote nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund erlassen werden.275 Damit sei das Konfusionsargument, wonach eine Grundrechtsberechtigung unvereinbar sei mit einer Grundrechtsbindung, widerlegt.276 Allerdings könnten Private natürlich immer noch ihre eigenen, kollidierenden Grundrechte in die Abwägung einstellen.277 4. Zwischenergebnis Die grundsätzliche fehlende Grundrechtsberechtigung des Staates ergibt sich zunächst aus der primären Funktion der Grundrechte, dem Einzelnen einen Raum der Freiheit, der frei von staatlichen Eingriffen ist, zu gewähren. Auf dieser Funktion der Grundrechte fußt auch die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf juristische Personen. Da bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts der vorzunehmende Durchgriff gerade auf den Staat erfolgt, ist die Gewährung eines grundrechtlichen Schutzes für juristische Personen des öffentlichen Rechts – bis auf wenige Ausnahmen – grundsätzlich nicht geboten. Denn eine Grundrechtsberechtigung des Staates ist zunächst nicht möglich, da dieser gemäß Art. 1 Abs. 3 GG Adressat und nicht Träger der Grundrechte ist. Darauf aufbauend besagt das Konfusionsargument, dass eine gleichzeitige Grundrechtsberechtigung und -bin271 BVerfG, NJW 2015, 2485 f.; kritisch zu dieser Entscheidung, die die Grenzen zwischen grundrechtberechtigtem Privaten und grundrechtsgebundenen Staat durch eine staatsgleiche Bindung an die Grundrechte aufzuheben drohe: Smets, NVwZ 2016, 35, 38; dies auch als eher unmittelbare Grundrechtsbindung einstufend: Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 8 f. 272 BVerfG, NVwZ 2018, 813–817, insb. S. 816, Rn. 41; zur Einordnung dieser Entscheidung in die sich wandelnde Rechtsprechung des BVerfG: Heldt, NVwZ 2018, 818. 273 BVerfG, NVwZ 2018, 813, 815, Rn. 39. 274 BVerfG, NVwZ 2018, 813, 816, Rn. 41. 275 BVerfG, NVwZ 2018, 813, 816, Rn. 44 f. 276 Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 8 f. (in Bezug auf die Entscheidung zu, „Bierdosen-Flashmob“). 277 Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 9.
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dung ausgeschlossen sei. Zudem stehen die Ausübung von Freiheit des Einzelnen beziehungsweise seine Grundrechtsberechtigung auf der einen in einem Verhältnis der Gegensätzlichkeit zur Ausübung von staatlichen Kompetenzen und der demokratischen Legitimation des Staates auf der anderen Seite. Die Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, dass diese strikte Trennung zwischen staatlicher und privater Sphäre nicht mehr in Gänze aufrecht erhalten wird. Aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG und der zahlreichen Ausnahmen hinsichtlich des Konfusionsarguments erscheint es sinnvoll, für die fehlende Grundrechtsberechtigung des Staates entweder auf das Wesen der Grundrechte als solchem oder auf die Tatsache, dass der Staat Kompetenzen und nicht Freiheiten ausübt, abzustellen.
II. Grundrechtsberechtigung des ausländischen Staates und seiner Organe Ausländischen Staaten kommt grundsätzlich kein Grundrechtsschutz durch das Grundgesetz zu.278 Dazu zählen auch die staatlichen Organe, die in amtlicher Funktion tätig werden.279 Das BVerfG stellt dies in der hier relevanten Entscheidung insofern noch einmal für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder, die in Deutschland in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität auftreten, ausdrücklich fest.280 1. Grundrechtsschutz für Unternehmen, die von der ausländischen öffentlichen Hand beherrscht werden nach dem Urteil des BVerfG zum Atomausstieg? Im Rahmen des Urteils des BVerfG zur Vereinbarkeit der Dreizehnten Novelle des Atomgesetzes mit dem Grundgesetz vom 06.12.2016281 setzte sich das BVerfG im Rahmen der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mit der Beschwerdefähigkeit der Unternehmen Vattenfall und Krümmel auseinander.282 Da es sich dabei um Unternehmen handelte, die sich zu 100 % (so Vattenfall) bzw. zu 50 % (so Krümmel) ihrer Anteile in der Hand eines ausländischen Staates befanden, ist zu untersuchen, ob die Entscheidung Rückschlüsse auf die Grundrechtsberechtigung des ausländischen Staates zulässt. 278 Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 246; Isensee, in: HStR XI, § 199 Rn. 77; Schwander, ZJS 2017, 242, 243, Fn. 18. 279 Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 246. 280 Vgl. BVerfG, NJW 2017, 1166; so auch Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Rn. 246. 281 BVerfGE 143, 246–396. 282 BVerfGE 143, 246, 312–321, Rn. 184–206.
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a) Meinungsstand in der Literatur vor der Entscheidung des BVerfG Hinsichtlich der Grundrechtsberechtigung von juristischen Personen eines ausländischen Staates im Allgemeinen stellte Isensee darauf ab, dass ihre fehlende Grundrechtsberechtigung keiner staatsrechtlichen Begründung bedürfe, da sie vielmehr Konsequenz aus dem Völkerrecht sei, welches das Verhältnis der Staaten untereinander regele. Dazu würden zum einen der Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten und zum anderen die Staatenimmunität, die hoheitliches Handeln von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates freistellt, zählen.283 Die Überlegung, ob solchen Unternehmen, die ihren Sitz in Deutschland haben, für acta iure gestionis eine Grundrechtsberechtigung zukommen sollte, lehnt Isensee ab. Eine Zurechnung zum ausländischen Staat stehe jeglicher Grundrechtsberechtigung entgegen. Ausreichender Schutz sei diesen Unternehmen durch ihren Staat gewährt, der diplomatische Schutzmechanismen einsetzen könne. Zudem sei die – ohnehin wenig sichere – Abgrenzung von acta iure imperii und acta iure gestionis ungeeignet, daran den Grundrechtsschutz festzumachen.284 Im unmittelbaren Vorfeld der Entscheidung gingen – im Hinblick auf die Judikatur des BVerfG hinsichtlich einer Grundrechtsbindung bei von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen und ihrer daraus folgenden fehlenden Grundrechtsfähigkeit – manche Autoren davon aus, dass eine Grundrechtsberechtigung auch dann ausgeschlossen sei, wenn der schwedische Staat das Unternehmen zu 100 % hält.285 Andere Autoren stellten darauf ab, dass zwar das Konfusionsargument nicht gelte286, der ausländische Staat aber von vornherein nicht grundrechtsberechtigt sei.287 Insofern wäre zu erwarten, dass beim Abstellen auf das personale Substrat, wie es das BVerfG vornimmt, keine Grundrechtsfähigkeit angenommen wird.288 Davon wich aber nun das BVerfG für die Vattenfall GmbH ab.289 283
Isensee, in: HStR IX, § 199, Rn. 77. Isensee, in: HStR IX, § 199, Rn. 78; die völkerrechtliche Immunität der Staaten gilt nach einhelliger Auffassung heute nur noch für hoheitliches Handeln des Staates, sog. acta iure imperii, und nicht mehr für die privatrechtliche Betätigung des Staates, den acta iure gestionis, s. dazu: BVerfGE 16, 27, 61; BVerfG, NJW 2014, 1723, 1723 f., Rn. 20; BGHZ 155, 279, 282; Doehring, Völkerrecht, Rn. 661; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 7 Rn. 265; Frister, in: SK-StPO, Bd. IX, Vor §§ 18–21 GVG, Rn. 16; Herdegen, Völkerrecht, § 37 Rn. 6; Kreicker, JR 2015, 298, 298; ders., Völkerrechtliche Exemtionen, S. 58 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, Rn. 717 f.; Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 130 ff.; Zehnder, Der Fall Pinochet, S. 27 ff. 285 So Bruch/Greve, DVBl. 2011, 794, 796. 286 Daher für eine Grundrechtsberechtigung plädierend: Kloepfer, DVBl. 2011, 1437, 1439 Fn. 24. 287 Kahl/Bews, Jura 2014, 1004, 1009. 288 Ludwigs, NVwZ 2016, 1, 2. 289 Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 23. 284
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b) Lösung des BVerfG Das BVerfG sah den Schutzbereich des Art. 14 GG auch für die vollständig vom schwedischen Staat gehaltene Vattenfall GmbH als eröffnet an.290 Zu Beginn seiner Ausführungen stellt das BVerfG fest, dass sich inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts – mit Ausnahme derjenigen, die unmittelbar einem durch Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen sind oder diesem aufgrund ihres Wesens angehören, wie Universitäten, Rundfunkanstalten und Kirchen beziehungsweise Weltanschauungsgemeinschaften 291 – nicht auf Grundrechte berufen können.292 Begründet wird dies damit, dass die gem. Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebundene Staatsgewalt nicht gleichzeitig auch in deren Schutzbereich einbezogen werden könne. Nur wenn ein Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen von Nöten sei, weil gerade diese sich durch die juristische Person frei entfalten, käme eine Grundrechtsberechtigung in Betracht. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts mangele es zudem an der grundrechtstypischen Gefährdungslage.293 Diese Befunde würden auch für juristische Personen des Privatrechts, die vom Staat beherrscht werden, gelten.294 Allerdings stellt das BVerfG anschließend fest, dass keine uneingeschränkte Anwendbarkeit dieser Feststellungen auf juristische Personen, die von einem ausländischen Staat gehalten werden, gegeben sei.295 Das Konfusionsargument, das eine gleichzeitige Grundrechtsberechtigung und -verpflichtung ausschließt, gelte für den vorliegenden Fall nicht, da der ausländische Staat von Anfang an nicht an die deutschen Grundrechte gebunden ist. Verfehlt wäre es aber trotzdem, von der fehlenden Grundrechtsbindung sogleich auf eine Grundrechtsberechtigung zu schließen.296 Ebenfalls im vorliegenden Fall nicht angeführt werden könne das Argument, dass der Schutz der Bürger eingeschränkt würde, würde man dem Unternehmen einen Grundrechtsschutz zusprechen, da keine Grundrechtsbindung bestehe, aus der der Staat entlassen werden würde. Auch ein multipolares Rechtsverhältnis sei nicht gegeben, das bei Gewährung von Grundrechtsschutz einer Person unmittelbar zu einer Schwächung des Schutzes eines anderen Grundrechtsträgers führen würde.297 Nimmt eine von einem ausländischen Staat gehaltene juristische Person am Wirtschaftsverkehr teil, so verfüge sie über keinerlei 290
BVerfGE 143, 246, 313–320, Rn. 185–202. BVerfGE 143, 246, 314, Rn. 189. 292 BVerfGE 143, 246, 313, Rn. 187. 293 BVerfGE 143, 246, 313 f., Rn. 188. 294 BVerfGE 143, 246, 314, Rn. 190; s. dazu das Fraport-Urteil des BVerfG, BVerfGE 128, 226, 244, 245–247. 295 BVerfGE 143, 246, 314 f., Rn. 191. 296 BVerfGE 143, 246, 315, Rn. 192. 297 BVerfGE 143, 246, 315, Rn. 193. 291
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innerstaatliche Machtbefugnisse.298 Allerdings seien diese Unternehmen gegenüber staatlichen Maßnahmen, die durch Gesetz erfolgen, rechtsschutzlos. Das würde zu einer Schlechterstellung dieser Unternehmen führen, da rein private Unternehmen die Verfassungsbeschwerde erheben und für staatlich beherrschte Unternehmen die jeweiligen Hoheitsträger auf Schutzmechanismen zur Wahrung ihrer innerstaatlichen Kompetenzen zurückgreifen könnten.299 Allerdings fehle es vorliegend am nötigen personalen Substrat hinter der juristischen Person sowie an der grundrechtstypischen Gefährdungslage, da das Eigentum des Staates – auch wenn es als Privateigentum organisiert ist – nicht vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst sei.300 Denn Art. 14 GG „schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater“.301 Dann allerdings greift das BVerfG auf die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV zurück.302 Die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auf staatlich dominierte Unternehmen sei durch Art. 54 Abs. 2 AEUV gegeben.303 Die fehlende Rechtsschutzmöglichkeit gegen das Gesetz könne im Rahmen der Niederlassungsfreiheit nicht gerechtfertigt werden.304 Auch die EMRK, auf dessen gewährleistetes Eigentumsrecht sich Vattenfall hier berufen könne, spreche für das Erfordernis einer Rechtsschutzmöglichkeit für Vattenfall, da auch Art. 13 EMRK eine solche verlange. Auch die Rechtsprechung des EGMR würde in diese Richtung deuten, wobei eine nähere Untersuchung allerdings unterbleibt.305 Wesentlich kürzer fällt dann die Begründung für eine Grundrechtsberechtigung der Krümmel GmbH & Co. oHG aus.306 c) Bewertung in der Literatur Die Zuerkennung von Grundrechtsfähigkeit für die Vattenfall GmbH als ein Unternehmen, das in staatlicher Hand liegt, stieß in der Literatur auf Verwunderung307, sie wird als „die größte Überraschung im Urteil des BVerfG zum Atomausstiegsgesetz“ bezeichnet.308 298
BVerfGE 143, 246, 315 f., Rn. 194. BVerfGE 143, 246, 315 f., Rn. 194. 300 BVerfGE 143, 246, 316 f., Rn. 195. 301 BVerfGE 143, 246, 317, Rn. 195; BVerfGE 61, 82, 108 f. 302 BVerfGE 143, 246, 317, Rn. 196. 303 BVerfGE 143, 246, 317, Rn. 197. 304 BVerfGE 143, 246, 318 f., Rn. 200 f. 305 BVerfGE 143, 246, 319 f., Rn. 202. 306 Siehe dazu: BVerfGE 143, 246, 320 f., Rn. 203–206; krit. dazu: Ferreau, Die Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsunternehmen, 07.12.16, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/98-2016/ (letzter Zugriff: 29.03.2018). 307 Siehe nur Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 18; Ludwigs, NVwZ-Beilage 2017, 3, 4. 308 Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22. 299
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Hervorzuheben ist zunächst die Feststellung, dass sich das Urteil des BVerfG durch den – ansonsten vom BVerfG in den Vordergrund gerückten – personalen Durchblick nicht erklären lasse.309 So stellt auch das BVerfG fest, dass es an den hinter der Organisationseinheit stehenden grundrechtlich schutzbedürftigen Menschen fehle und eine grundrechtstypische Gefährdungslage nicht gegeben sei.310 Das Argument, dass der Staat nicht freiheitlich, sondern aufgrund von Kompetenzen tätig wird, verfange beim schwedischen Staat genauso wie beim deutschen.311 Somit greife das BVerfG eher funktional auf das Problem zu, wenn es darauf abstellt, dass das vom ausländischen Staat gehaltene Unternehmen wie ein Privater am Wirtschaftsleben teilnimmt und dabei über keinerlei innerstaatliche Machtbefugnisse verfügt.312 Überzeugender ist aber die Ansicht, dass sich in dem Urteil gerade kein neues Verfassungsverständnis des BVerfG niederschlägt, sondern vielmehr die Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ausschlaggebend für diese Entscheidung war.313 Dafür spricht insbesondere der Aufbau des Urteils, das zuerst durchaus funktional argumentiert, anschließend aber den personalen Aspekt wieder in den Vordergrund rückt, diesen verneint und erst unter Rekurs auf die Niederlassungsfreiheit eine andere Bewertung anstellt. Zudem kann sich aus diesem kein grundlegend neues Verständnis ergeben, da es sich laut Gericht um eine Entscheidung mit Ausnahmecharakter handelt314 und das Gericht die besonderen Umstände315 des Falls betont.316 Das Urteil wurde in vielerlei Hinsicht kritisiert. Zunächst weist die Literatur darauf hin, dass die Lehre vom personalen Substrat als Teil der nationalen Identität i. S. d. Art. 4 Abs. 2 EUV eine Rechtfertigung des Eingriffs darstellen könnte.317 Darüber hinaus überzeuge die Argumentation nicht, dass ein Rechtsschutz notwendig sei, um einen Nachteil von Vattenfall gegenüber anderen Unternehmen zu vermeiden, da die Schutzmöglichkeiten von deutschen öffentlichen Unternehmen, die laut BVerfG zur Kompetenzwahrung bestehen, unklar bleiben 309 Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 18; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 112 b; ähnlich auch: Knaier/Wolff, EWS 2017, 207, 209; daher wird teils gefordert, das Kriterium der grundrechtstypischen Gefährdungslage anstelle des personalen Substrats anzuwenden, s. Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 23 f.; Ludwigs, NVwZ-Beilage 2017, 3, 6; s. zum Durchgriffsargument des BVerfG oben unter § 4 B. I. 1. 310 BVerfGE 143, 246, 316 f. Rn. 195. 311 Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 18. 312 Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 18. 313 Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22, 22; Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 23, 26; s. a. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 112 b. 314 BVerfGE 143, 246, Ls. 2, 313 Rn. 185, 317 Rn. 196, 318, Rn. 200. 315 BVerfGE 143, 246, 318, Rn. 200. 316 Darauf hinweisend: Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22, 23; Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 23. 317 Knaier/Wolff, EWS 2017, 207, 212; Ludwigs, NVwZ-Beilage 2017, 3, 6.
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würden.318 Insbesondere würden die Kompetenzen keine subjektiven Rechte darstellen und die angebliche Verletzung der Kompetenzordnung berechtige nicht zum Erheben einer Verfassungsbeschwerde.319 d) Abweichende Beurteilung der Problematik durch den EGMR und den EuGH aa) Rechtsprechung des EGMR Schließlich stellt das BVerfG fest, dass die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR dafür sprächen, Vattenfall eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit gegen das Gesetz zu gewähren und erwähnt dabei die Entscheidung des EGMR, Islamic Republic of Iran Shipping Lines vs. Turkey.320 In diesem Fall stellte sich die Problematik der Beschwerdefähigkeit des iranischen Unternehmens, das in staatlicher Hand stand. Im Rahmen der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK können neben natürlichen Personen auch nichtstaatliche Organisationen und Personengruppen eine Beschwerde an den EGMR richten. Die Beschwerdefähigkeit ist dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer behaupten kann, Opfer einer Menschenrechtsverletzung geworden zu sein.321 Der beschwerdefähigen nichtstaatlichen Organisation stellt der EGMR die staatliche Organisation gegenüber.322 Die Abgrenzung erfolgt dann danach, ob die Organisation an der Hoheitsgewalt partizipiert oder öffentliche Aufgaben unter staatlicher Kontrolle wahrnimmt.323 Weiter ist maßgeblich, welchen Rechtsstatus die Person besitzt, welche Rechte sich daraus ableiten und welches Maß an politischer Unabhängigkeit ihr zukommt.324 Im Falle des iranischen Reedereiunternehmens sprach der EGMR diesem die Qualifikation als nichtstaatliches Unternehmen zu, obwohl es vollständig in staatlicher Hand lag, da es weder Hoheitsgewalt ausübte noch eine öffentliche Aufgabe wahrnahm.325 Hinzu komme, dass das Unternehmen dem Handelsrecht 318
Roller, ZUR 2017, 277, 285 f. Isensee, in: HStR IX, § 199 Rn. 53. 320 EGMR, Islamic Republic of Iran Shipping Lines ./. Turkey, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 40998/98, Rn. 79–82; vgl. BVerfGE 143, 246, 319 Rn. 202. 321 Meyer-Ladewig/Kulick, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, Art. 34 Rn. 18; Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22, 25 f. 322 Vgl. Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 34, Rn. 41; EGMR, Islamic Republic of Iran Shipping Lines ./. Turkey, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 40998/98, Rn. 79. 323 EGMR, Islamic Republic of Iran Shipping Lines ./. Turkey, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 40998/98, Rn.79; EGMR, Radio France and others ./. France, Entscheidung v. 23.09.2003, Nr. 53984/00 (Extracts), Rn. 26. 324 EGMR, Islamic Republic of Iran Shipping Lines ./. Turkey, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 40998/98, Rn. 79; EGMR, Radio France and others ./. France, Entscheidung v. 23.09.2003, Nr. 53984/00 (Extracts), Rn. 26 s. zur Übersetzung auch Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 34 Rn. 41 m.w. N. 325 EGMR, Islamic Republic of Iran Shipping Lines ./. Turkey, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 40998/98, Rn. 80. 319
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unterworfen sei und der ordentlichen und nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterfalle.326 Damit werde der Sinn und Zweck des Art. 34 EMRK, ein Auftreten des Staates sowohl als Kläger als auch als Beklagter zu verhindern, nicht konterkariert.327 Auch in der Entscheidung, in der die Frage zu klären war, ob die öffentlichrechtliche Rundfunkanstalt Radio France beschwerdefähig i. S. d. Art. 34 EMRK ist, bejahte der EGMR die Qualifizierung als nichtstaatliche Organisation, da Radio France redaktionell unabhängig und institutionell autonom sei und sich in einer vergleichbaren Lage wie private Radiosender befinde.328 Somit werde der Grundsatz, dass Unternehmen, die im Eigentum des Staates stehen, nicht beschwerdefähig sind, durch die Rechtsprechung des EGMR eingeschränkt.329 Nach der Rechtsprechung des EGMR ist – im Gegensatz zur Auffassung des BVerfG – eine Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht von vornherein ausgeschlossen.330 Vielmehr stellt der EGMR auf eine Staatsferne und die politische Unabhängigkeit sowie das Gefährdungspotenzial für die Organisation ab.331 bb) Rechtsprechung des EuGH Auch wenn es an einschlägiger Rechtsprechung bisher fehlt, wird auch dem EuGH anhand seiner bisherigen Ausführungen eine eher weite Auslegung hinsichtlich der Zuerkennung von einer Grundrechtsberechtigung staatlich beherrschter Unternehmen entnommen.332 Auch hinsichtlich der Bindung an die Grundfreiheiten und der Grundfreiheitsberechtigung stellt der EuGH weniger auf eine Abgrenzung von öffentlichem und privatem Bereich ab, als auf die Frage, durch welche Organisationen die Grundfreiheiten gefährdet werden könnten.333 Es wird im Hinblick auf diese Judikatur gefordert, dass auch das BVerfG auf die grundrechtstypische Gefährdungslage – und damit auf die Frage, ob sich die
326 EGMR, Islamic Republic of Iran Shipping Lines ./. Turkey, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 40998/98, Rn. 81; s. a. EGMR, NZG 2013, 75, Rn. 60; vgl. a. Kadelbach, in: Dörr/ Grothe/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 30 Rn. 21. 327 EGMR, Islamic Republic of Iran Shipping Lines ./. Turkey, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 40998/98, Rn. 81. 328 EGMR, Radio France and others ./. France, Entscheidung v. 23.09.2003, Nr. 53984/00 (Extracts), Rn. 26; s. a. Kadelbach, in: Dörr/Grothe/Marauhn, EMRK/ GG, Kap. 30 Rn. 21; Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 26. 329 Kadelbach, in: Dörr/Grothe/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 30 Rn. 21. 330 Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 26. 331 Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 26 f. 332 Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 27. 333 Kingreen, JöR 65 (2017), 1, 10 f.
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Situation für die juristische genauso freiheitsgefährdend darstellt wie für eine natürliche Person – abstellen solle.334 cc) Relevanz für die Gewährung des Grundrechtsschutzes Da das BVerfG die Übertragung auf eine Grundrechtsberechtigung aber offen lässt335, ist weiterhin fraglich, inwiefern die Erwägungen des EGMR auf die Grundrechte des Grundgesetzes übertragbar sind.336 Das BVerfG lasse sich offensichtlich eine „Hintertüre“ offen, den Erwägungen des EGMR mehr Geltung im Rahmen der Grundrechte zu verschaffen.337 Offen bliebe hinsichtlich einer Übertragbarkeit der Feststellungen in diesem Urteil zudem, wie sich die Tatsache auf eine Konstellation wie der vorliegenden auswirken würde, dass es sich hier um zwei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union handelt.338 Die Judikatur des EGMR ist damit bisher noch nicht so konkretisiert, dass sich daraus bereits ergäbe, dass ein Unternehmen, das vom ausländischen Staat beherrscht wird, in Deutschland grundrechtsberechtigt sein müsste. Entsprechendes gilt für die unionsrechtlichen Gewährleistungen.339 2. Zwischenergebnis und Konsequenzen für die vorliegende Problematik Die Gründe, die schließlich dazu führten, dass sich Vattenfall hier auf Art. 14 GG berufen konnte, waren europarechtlicher Natur. Ausschlaggebend war dabei die Niederlassungsfreiheit aus dem Unionsrecht.340 Die Entscheidung kann insofern als eine „elegante, europarechtsfreundliche Ausnahme von der bisherigen Rechtsprechung“ eingeordnet werden.341 Für Fälle, in denen die Grundrechtsberechtigung von Staatsoberhäuptern oder Regierungsmitgliedern aus Nicht-EU-Staaten fraglich ist, ist die Entscheidung insofern nicht hilfreich, als in diesen Fällen die unionsrechtlichen Grundfreiheiten
334 Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 27; so auch Ludwigs, NVwZ-Beilage 2017, 3, 6, der dem Ergebnis der Grundrechtsfähigkeit von Vattenfall i. E. ausdrücklich zustimmt. 335 BVerfGE 143, 246, 319, Rn. 202. 336 Ferreau, Die Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsunternehmen, 07.12. 16, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/98-2016/ (letzter Zugriff: 29.03.2018). 337 Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22, 28. 338 Knaier/Wolff, EWS 2017, 207, 212. 339 Knaier/Wolff, EWS 2017, 207, 213, s. zu den Gewährleistungen des Unionsrechts: S. 210 ff. 340 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 128; Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 112 b. 341 Goldhammer/Sieber, JuS 2018, 22, 27.
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nicht zur Anwendung kommen.342 Denn das Urteil lässt nicht erkennen, was für Fälle gelten soll, in denen der Staat eines Nicht-EU-Mitgliedsstaats beteiligt ist.343 Hinzu kommt, dass fraglich ist, inwiefern das Urteil überhaupt verallgemeinerungsfähig ist.344 Aber auch abgesehen von dieser Schwierigkeit hält das Urteil keine Lösung für die vorliegende Problematik bereit und weist auch nicht eindeutig in die Richtung einer Grundrechtsberechtigung der ausländischen Regierungsmitglieder und Staatsoberhäupter.345 Das Konfusionsargument stellt – nach überzeugender Auffassung – schon bzgl. des deutschen Staates nicht das maßgebliche Argument dar, aufgrund dessen ihm die Grundrechtsberechtigung abgesprochen wird. Allerdings nimmt das BVerfG nun in diesem Urteil noch einmal ausdrücklich darauf Bezug. Aufgrund der Nichtanwendbarkeit des Konfusionsarguments auf den ausländischen Staat sowie der grundsätzlich fehlenden Grundrechtsverpflichtung scheint das BVerfG zunächst dazu zu tendieren, eine Grundrechtsberechtigung des ausländischen Staats zuzulassen. Hervorzuheben ist aber die anschließende Feststellung, dass eine fehlende Grundrechtsbindung nicht automatisch eine Grundrechtsberechtigung zur Folge habe. Die fehlende Grundrechtsverpflichtung reicht somit letztendlich nicht als Grundlage für das gefundene Ergebnis aus. Vielmehr lässt sich dem Urteil erneut deutlich entnehmen, dass der Schutz der Grundrechte auf den Menschen als solchen ausgerichtet ist, wenn das BVerfG im Anschluss prüft, ob hinter der Vattenfall GmbH Menschen stehen, die auf den Schutz der Grundrechte angewiesen wären346. Somit komme es auch für eine Grundrechtsberechtigung für von einem ausländischen Staat beherrschte Unternehmen darauf an, ob ein personales Substrat und eine grundrechtstypische Gefährdungslage gegeben sind. Da ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder Organwalter des ausländischen Staates sind, kann dem Urteil in dieser Hinsicht für die vorliegende
342
Vgl. Schwander, ZJS 2017, 242, 244. Ferreau, Die Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsunternehmen, 07.12. 16, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/98-2016/ (letzter Zugriff: 29.03. 2018); Kingreen, JöR n. F. 65 (2017), 1, 18 Fn. 115; Roller, ZUR 2017, 277, 286. 344 Kritisch: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 127; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19, Rn. 309 zieht aus dem Urteil allerdings die Konsequenz, dass Staatsunternehmen und -beteiligungen aus EU-Mitgliedsstaaten fortan grundsätzlich gegenüber den inländischen bevorrechtigt sind. 345 So aber Gounalakis, Auch Erdogan hat Grundrechte, FAZ, 13.04.17, S. 7; ebenso wie hier: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 127 f.; Schwander, ZJS 2017, 242, 244. 346 BVerfGE 143, 246, 316 f., Rn. 195. 343
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Problematik doch zumindest entnommen werden, dass sich auch für diese Personen aus ihrer fehlenden Grundrechtsbindung keine Grundrechtsberechtigung ergeben kann347, sondern letztere vielmehr gesondert festgestellt werden muss. Insofern stellt das Urteil noch einmal klar, dass es gerade auf die Frage ankommt, ob eine grundrechtstypische Gefährdungslage gegeben ist. Auch wenn dieses Kriterium hier für juristische Personen angeführt wird, so lässt sich dem doch entnehmen, dass Grundrechte nur dann zur Anwendung kommen, wenn Menschen gerade auf ihren Schutz für ihre freiheitliche Betätigung angewiesen sind und der Schutz der Grundrechte gerade darauf ausgerichtet ist. Insofern gilt es anhand der Funktion und der Schutzrichtung der Grundrechte zu bestimmen, ob sich Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder eines ausländischen Staates, wenn sie hier auf Wahlkampfauftritten auftreten, in einer Situation befinden, in der ihnen grundrechtlicher Schutz zu Teil werden muss.
III. Grundrechtsberechtigung ausländischer Hoheitsträger unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Äußerungsbefugnissen deutscher Amtsträger Das Bundesverfassungsgericht stellte in seiner Entscheidung zu Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland fest, dass sich ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder nicht auf Grundrechte berufen können, wenn sie hier „in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität“ auftreten.348 Auch zu den Äußerungsbefugnissen des Bundespräsidenten und der Mitglieder der Bundesregierung traf das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen, unter welchen Voraussetzungen sich diese Amtsträger politisch äußern können.349 Die Frage nach der Grundrechtsberechtigung ausländischer Hoheitsträger wird im Folgenden unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung untersucht.
347 So i. E. auch Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 128. 348 BVerfG, NJW 2017, 1166. 349 „Spinner“-Entscheidung, BVerfGE 136, 323–338; „Schwesig“-Entscheidung, BVerfGE 138, 102–125; „Wanka“-Entscheidung, BVerfG, NVwZ 2018, 485; auch die Landesverfassungsgerichte beschäftigten sich mit dieser Problematik, vgl. RhPfVerfGH, NVwZ-RR 2014, 665–668 – „Dreyer“-Entscheidung; SaarlVerfGH, Urt. v. 6.7.2014 – Lv 5/14 – „Commerçon“- Entscheidung; ThürVerfGH, Urt. v. 3.12.14, VerfGH 2/14 – „Taubert“-Entscheidung; Urt. v. 8.6.16, VerfGH 25/15 – „Ramelow“-Entscheidung; Urt. v. 6.7.16, VerfGH 38/15, „Launiger“-Entscheidung; s. zu einer ausführlichen Darstellung der ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (ohne die „Wanka“-Entscheidung): Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 20–31 sowie die Darstellung bei Kliegel, in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 4, 2017, 413, 415–423.
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1. Maßgebliche Kriterien für die Zulässigkeit von Äußerungen Zunächst sollen die Grenzen der Äußerungsbefugnis im Rahmen der politischen Betätigung deutscher Amtsträger hinsichtlich einer Übertragbarkeit auf die Problematik mit ausländischen Hoheitsträgern untersucht werden. Daran anschließend wird die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts zur Abgrenzung von zulässigen und unzulässigen Äußerungen dargestellt. a) Das Neutralitätsgebot als Grenze Mitglieder der Bundesregierung dürfen bei ihren politischen Äußerungen insbesondere das staatliche Neutralitätsgebot nicht verletzen.350 In Betracht für eine Verankerung des Neutralitätsgebots kommen die Gleichheitsrechte des Grundgesetzes sowie die Freiheitsrechte, verstanden als die Möglichkeit, gleichberechtigt diese Freiheiten auszuüben.351 In den Fällen, in denen die Äußerungen Kritik an politischen Parteien üben, wird die Neutralitätspflicht aus dem Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG, teilweise in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG352, abgeleitet.353 Auch das Bundesverfassungsgericht folgert daraus, dass sich Staatsorgane im politischen Wettbewerb der Parteien neutral zu verhalten haben.354 Das Neutralitätsgebot wirkt somit nach überzeugender Auffassung als Grenze der zulässigen Äußerungen.355 Gegenüber anderen Vereinigungen als Parteien gilt das Neutralitätsgebot nach überwiegender Ansicht356 nicht.357 Grenzen ergäben sich dann laut Bundesverwaltungsgericht zum einen
350
BVerfGE 138, 102, 117 f., Rn. 53; BVerfG, NVwZ 2018, 485, 490, Rn. 70–74. Gusy, NVwZ 2015, 700, 701. 352 So Gröpl/Zembruski, Jura 2016, 268, 277. 353 Ferreau, NVwZ 2017, 1259, 1260; Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1014 f.; s. dazu auch ausführlich: Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 42–62. 354 BVerfG, NVwZ 2018, 485, 486 Rn. 44. 355 BVerwG, NVwZ 2018, 433, 435 Rn. 24; Gusy, NVwZ 2015, 700, 704 (zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung); Kuch, AöR 142 (2017), 491, 494; Michl, NVwZ 2018, 491, 492 als Anmerkung zur „Wanka“-Entscheidung. 356 Dagegen: Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1019, der das Neutralitätsgebot auch auf sonstige gesellschaftliche Bewegungen erstrecken will, die nicht den Status einer politischen Partei haben, ebenso für eine Ableitung aus den Grundrechten der Bewegung: Wahnschaffe, NVwZ 2016, 1767, 1771. 357 BVerwG, NVwZ 2018, 433, 435 Rn. 25; OVG Münster, NVwZ 2017, 1316, 1319, Rn. 56, ausdrücklich die Meinung Barczaks, NVwZ 2015, 1014, 1019 (Fn. 1208) ablehnend in Rn. 57; Ferreau, NVwZ 2017, 1259, 1261, der allerdings darauf hinweist, dass in dem Fall, in dem kommunale Wahlbeamte zugleich Versammlungsbehörde sind, einer strikten Neutralität unterliegen, s. dazu die Entscheidung VGH Kassel, NVwZ-RR 2015, 508, 509; Hebeler, JA 2017, 558, 560, der allerdings darauf hinweist, dass sich diese Frage gerade in der Diskussion befindet und ggf. auch gut vertretbar anders entschieden werden könnte; Putzer, DÖV 2015, 417, 425 (gegen das Recht auf Chancengleichheit); Stuttmann, NVwZ 2018, 436, 437. 351
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aus dem Sachlichkeitsgebot, das für jegliches staatliche Handeln gilt, sowie dem Rechtsstaatsprinzip, in seiner Ausprägung als Willkürverbot, und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.358 Zusammengefasst werden diese Maßstäbe zum Teil zu einem sogenannten Zurückhaltungsgebot.359 Auch wenn das Neutralitätsgebot Kritik erfährt, da eine klare Trennung zwischen staatlicher und privater Sphäre bei Äußerungen von Amtsträgern dem Wesen der Parteiendemokratie widerspreche,360 so hält das Bundesverfassungsgericht am Konzept des Neutralitätsgebots fest, um den chancengleichen Wettbewerb der Parteien zu gewährleisten361. In den Fällen, in denen sich ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder hier parteipolitisch äußern, wird das Recht auf chancengleichen Wettbewerb, gegebenenfalls i.V. m. der Freiheit der Wahl, nicht betroffen sein. Auch wenn nicht auf ein allgemeines Neutralitätsgebot abgestellt wird, sondern die Grenzen der Äußerungsbefugnis vielmehr aus dem Parteienrecht und Wahlrecht, konkret aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG362 sowie aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG363 folgen sollen, so gelten diese allesamt nicht für ausländische Hoheitsträger. Weder handelt es sich um Beamte, die dem deutschen Beamtenrecht unterfallen, noch greifen die parteien- oder wahlrechtlichen Beschränkungen, da sich die Äußerungen wohl nicht auf inländische Parteien beziehen werden, noch greifen die Neutralitätspflichten, die sich aus Grundrechten ergeben könnten, da ausländische Hoheitsträger an diese gerade nicht gebunden sind. Die Neutralitätspflicht stellt damit kein geeignetes Argument dar, um auch für ausländische Regierungsmitglieder eine Beschränkung ihrer Aussagebefugnis zu erreichen. b) Das Kriterium der Grundrechtsbindung Während bei der Äußerungsbefugnis von deutschen Amtsträgern die Vorstellung von einer strikten Trennung von staatlichem und privatem Bereich zum Tragen kommt364 und das grundrechtsgebundene Handeln in der Funktion der Personen als Organwalter von derjenigen politischen Betätigung als Grundrechtsträger 358 BVerwG, NVwZ 2018, 433, 435 f., Rn. 26–31; zum Sachlichkeitsgebot auch OVG Münster, NVwZ 2017, 1316, 1319, Rn. 59–65. 359 Ferreau, NVwZ 2017, 1259, 1261–1263. 360 Siehe dazu Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 529–534. 361 BVerfG, NVwZ 2018, 485, 489, Rn. 63. 362 Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 539–543. 363 Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 544–547. 364 Siehe die Unterscheidung und die tabellarische Gegenüberstellung bei: Gröpl/ Zembruski, Jura 2016, 268, 271; s. zum Abgrenzungserfordernis auch: Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1015 f.; Kuch, AöR 142 (2017), 492, 495 f.
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abgegrenzt werden soll365, fehlt diese Dichotomie von grundrechtsgebundenem Staat und grundrechtsberechtigtem Bürger bei ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern, da diese nie grundrechtsgebunden sind. Daraus kann allerdings, wie bereits oben erläutert, nicht unmittelbar eine Grundrechtsberechtigung folgen.366 c) Doppelrolle des Amtsträgers Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich der Äußerungsbefugnis von Mitgliedern der Bundesregierung eine Aufteilung nach Sprecherrollen vorgenommen.367 Äußert sich die Person in amtlicher Eigenschaft, so ist sie strikt an das Neutralitätsgebot gebunden. In ihrer Rolle als Privatperson und Parteipolitiker kann sie sich hingegen auf die Meinungsfreiheit beziehungsweise auf die freie parteipolitische Betätigung aus Art. 21 Abs. 1 GG berufen, ohne aufgrund des Neutralitätsgebots eingeschränkt zu sein.368 Diese Aufteilung stößt auf Kritik in der Literatur. Sie gehe an der Realität vorbei, da der Amtsträger immer auch als Parteipolitiker agieren werde und zum anderen auch jede parteipolitische Äußerung durch sein Amt verstärkt werde.369 Zudem mangele es an geeigneten Abgrenzungskriterien.370 Darüber hinaus drohe die „Entpolitisierung“ der Regierung und die Trennung verkenne die Bedeutung der Parteien für die Regierungsämter.371 Die meisten halten jedoch an einer Aufteilung nach Sprecherrollen fest372, um eine klare Differenzierung hinsichtlich der Grundrechtsberechtigung und der Neutralitätspflicht aufrecht erhalten zu können. Zudem wird angeführt, dass es sich um keine künstliche Aufspaltung einer natürlichen Person handele, sondern nur verschiedene Sprecherrollen betreffe.373 365 Butzer, Frei von der Leber weg?, in: Kluth, „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, 37, 39; Kuch, AöR 142 (2017), 492, 495; s. a. Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 536, der diese Trennung für politische Äußerungen aber kritisch sieht; s. dazu auch BVerwG, NVwZ 2018, 433, 435, Rn. 28. 366 Ebenso: Penz, BayVBl. 2017, 630. 367 Siehe dazu insbesondere BVerfGE 138, 102, 117–120; s. a. Kliegel, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 4, 2017, 413, 429. 368 Vgl. Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 523. 369 Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 534 ff.; Putzer, DÖV 2015, 417, 422 f. 370 Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 535; Putzer, DÖV 2015, 417, 423. 371 Tanneberger/Nemeczek, NVwZ 2015, 215, 216; dagegen wendet sich allerdings das BVerfG in seiner „Wanka“-Entscheidung, BVerfG, NVwZ 2018, 485, 489 Rn. 65, zustimmend Michl, NVwZ 2018, 491, 492; Muckel, JA 2018, 394, 397. 372 Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1016; Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 140; Friehe, NJW 2018, 934; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 367; Kliegel, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 4, 2017, 413, 432; Mandelartz, DÖV 2015, 326, 327; Möstl, Demokratische Willensbildung und Hoheitsträger, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 49, 60 f.; so auch bereits Studenroth, AöR 125 (2000), 257, 272 f. 373 Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1016; Möstl, Demokratische Willensbildung und Hoheitsträger, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 49, 61; so auch RhPfVerfGH, NVwZ-RR 2014, 665, 667.
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aa) Einteilung der verschiedenen Sphären Das BVerfG nimmt bei Ministern eine Einteilung in drei Sphären vor, nämlich „Bundesminister“, „Parteipolitiker“ und „Privatperson“ 374, verweist dann aber auf die „Doppelrolle“ von Bundesminister und Parteipolitiker, in der sie wahrgenommen werden, womit es klar stellt, dass eine rigide Trennung der verschiedenen Sphären unmöglich ist.375 Die Sphäre als Privatperson betreffe den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, in dem sich der Träger eines hohen staatlichen Amtes wie jeder Bürger auf die Grundrechte berufen können muss.376 Ein gänzlicher Ausschluss von der Grundrechtsberechtigung wird als unzulässig angesehen, da die Amtsübernahme im Hinblick auf die Privatsphäre und Menschenwürde der Person keinen solchen nach sich ziehen könne.377 Ein Handeln in einer solchen Privatsphäre betreffe allerdings nur Äußerungen im Familien- und Freundeskreis, da ansonsten wohl immer eine Beachtung durch die Medien stattfindet.378 Auch in der Sphäre des Parteipolitikers müssten die Grundrechte Beachtung finden, wobei insbesondere Art. 5 Abs. 1 GG Relevanz hat.379 Er würde dann nicht mehr als Amtsträger, sondern als Repräsentant einer gesellschaftlichen Strömung agieren.380 bb) Abgrenzungskriterien und Anwendungsfälle Eine Zuordnung der einzelnen Äußerungen soll anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erfolgen.381 374 BVerfGE 138, 102, 118, Rn. 54; diese Einteilung wird auch von der Literatur so aufgegriffen, vgl. Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1015, der auf eine Unterscheidung von „persönlicher Überzeugung“, „parteipolitischer Gesinnung“ und „ministeriellem Statement“ ausgeht; Butzer, „Frei von der Leber weg?“, in: Kluth, „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“, S. 37, 39 f.; Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 140 ff.; Gröpl/Zembruski, Jura 2016, 268, 272, Fn. 40. 375 BVerfGE 138, 102, 118, Rn. 54, damit gibt das BVerfG seine bis dahin vertretene Ansicht, dass eine solche Trennung zwischen Bürger und Amtsträger möglich ist, BVerfGE 44, 125, 141, auf, vgl. dazu Mandelartz, DÖV 2015, 326, 327 Fn. 20. 376 Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 141 f.; Gröpl/Zembruski, Jura 2016, 268, 272. 377 Gröpl/Zembruski, Jura 2016, 268, 271; Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 141; für die zulässige Teilnahme am politischen Wettbewerb: BVerfGE 138, 102, 117; explizit das Berufen auf die Meinungsfreiheit aus Art. 10 I RhPfVerf. im Wahlkampf bei privaten Äußerungen für zulässig erachtend: RhPfVerfGH, NVwZ-RR 2014, 665, 667. 378 Butzer, „Frei von der Leber weg?“, in: Kluth, „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“, S. 37, 41; Eder, „Rote Karte“ gegen Spinner, S. 142. 379 Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 143; Gröpl/Zembruski, Jura 2016, 268, 271 f. 380 Gröpl/Zembruski, Jura 2016, 268, 272. 381 BVerfGE 138, 102, 118, Rn. 56.
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Ein Rückgriff auf die Amtsautorität soll dann vorliegen, wenn die Person ausdrücklich auf ihr Amt Bezug nimmt, sich offizieller Publikationen, Pressemitteilungen oder Internetseiten bedient, die äußeren Umstände wie amtliche Symbole oder Amtsräume für einen amtlichen Bezug sprechen oder speziell dem Amt zur Verfügung stehende Sach- oder Finanzmittel eingesetzt werden. Auch die staatliche Eigenschaft des Veranstalters einer Veranstaltung oder die Einladung aufgrund seines Regierungsamtes würden auf den amtlichen Charakter der Äußerung schließen lassen.382 Maßgeblich ist somit nicht, wie die Person in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, sondern ob sie sich amtlicher Ressourcen bedient, also bewusst ihr Amt zur Unterstützung seiner Aussagen einsetzt.383 Äußerungen auf Parteiveranstaltungen werden nach überzeugender Auffassung als Parteipolitiker getätigt.384 Bei solchen Veranstaltungen trete das Amt derart in den Hintergrund, dass die Person primär als Parteipolitiker wahrgenommen werde.385 Bei Veranstaltungen wie Talkrunden, Interviews und Diskussionsrunden stellt das Bundesverfassungsgericht für jede einzelne Aussage darauf ab, ob die Aussage mit der spezifischen Amtsautorität unterlegt wurde.386 Dieses Vorgehen wird teilweise als „gekünstelt“ kritisiert.387 Zudem könne es zu Rechtsunsicherheiten für den Amtsträger kommen.388 Dem wird allerdings entgegengehalten, dass die Kriterien, die das BVerfG für eine Abgrenzung nach den Umständen des Einzelfalls entwickelt hat, hinreichend Rechtssicherheit böten389 und das Kriterium des Rückgriffs auf amtliche Ressourcen als taugliches Kriterium dienen könne.390 Selbst wenn eine Differenzierung nach Sprecherrollen kritisch gesehen
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BVerfGE 138, 102, 118 f., Rn. 57. Für die Wanka-Entscheidung: Michl, NVwZ 2018, 491, 492; auf den Empfängerhorizont wollen dagegen abstellen: Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 145; Mandelartz, DÖV 2015, 326, 328; Studenroth, AöR 125 (2000), 257, 273; kritisch hinsichtlich des Kriteriums der Inanspruchnahme von Amtsautorität: Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 541 f.; Krüper, JZ 2015, 414, 416. 384 BVerfGE 138, 102, 119, Rn. 58; Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1016; Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 144; Kliegel, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 4, 2017, 413, 433; Mandelartz, DÖV 2015, 326, 328. 385 BVerfGE 138, 102, 119, Rn. 58; zustimmend: Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 144. 386 BVerfGE 138, 102, 119 f., Rn. 59. 387 Mandelartz, DÖV 2015, 326, 329; kritisch auch Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 536 und Gröpl/Zembruski, Jura 2016, 268, 273. 388 Putzer, DÖV 2015, 417, 423; mit Hinweis auf: Tanneberger/Nemeczek, NVwZ 2015, 215, 216; dagegen: Muckel, JA 2018, 394, 397, der nach der „Wanka“-Entscheidung die Kriterien für die Zulässigkeit einer Äußerung als hinreichend klar erachtet. 389 BVerwG, NVwZ 2018, 485, 489; zust. Muckel, JA 2018, 394, 397. 390 Ebenso: Friehe, NJW 2018, 834; Kliegel, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 4, 2017, 413, 432 f.; Muckel, JA 2018, 394, 397. 383
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wird, wird der Einsatz finanzieller Ressourcen des Staates als taugliches Abgrenzungskriterium angesehen.391 cc) Konsequenz Da auch ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder eine doppelte Funktion, zum einen als Hoheitsträger als Organwalter des Staates und zum anderen als Privatperson haben, stellt sich auch bei ihnen die Frage, wann sie in letzterer Funktion agieren und sich somit auf Grundrechte berufen können. Auch hier ist somit eine Abgrenzung erforderlich.392 Fraglich ist insofern, ob die Abgrenzungskriterien, die die Rechtsprechung für Äußerungen inländischer Hoheitsträger entwickelt hat, übertragbar sind. Dies soll im Folgenden speziell für Äußerungen im Rahmen von Wahlkampfauftritten untersucht werden. 2. Möglichkeit eines Auftritts als Privatperson Da der ausländische Staat und seine Organwalter in ihrer amtlichen Funktion nie Träger der Grundrechte sein können, kommt es hier maßgeblich darauf an, ob Wahlkampfauftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern ihrem privaten Bereich zuzuordnen sind, in dem sie den Schutz der Grundrechte genießen, da sie nicht mehr in amtlicher Eigenschaft – und damit nicht als Teil des Staates – auftreten. Das BVerfG ging in seinem Beschluss davon aus, dass ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder bei dem öffentlichen Auftritt in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität agieren und somit eine Grundrechtsberechtigung ausscheide. Nähere Ausführungen dazu unterbleiben jedoch393, sodass im Folgenden eine begründete Zuordnung erfolgen soll. Dabei werden die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts zur Abgrenzung der verschiedenen Sphären hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder untersucht. a) Reine Privatsphäre In der höchstpersönlichen Sphäre von Amtsträgern stehen diesen Grundrechte zu.394 Nichts anderes kann für den ausschließlich privaten Bereich von auslän-
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Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 542; Putzer, DÖV 2015, 417, 423. So auch die Herangehensweise bei Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 128 f. 393 BVerfG, NJW 2017, 1166; auf diesen Umstand hinweisend: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 130. 394 Siehe dazu oben, § 4 B. III. 1. c) aa). 392
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dischen Staatsoberhäuptern oder Regierungsmitgliedern, in dem diese in ihrer Eigenschaft als Menschen betroffen sind, gelten.395 In diesen Bereich ist auch die – nachfolgend erläuterte – Entscheidung bezüglich der Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für den türkischen Staatspräsidenten Erdog˘an einzuordnen.396 Dies wird zum Teil anders gesehen: Für die Begründung einer Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder wird gerade die Entscheidung bezüglich des Böhmermann-Gedichts herangezogen, in der ein Berufen Erdog˘ans auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht in Frage gestellt wird.397 Aufgrund dieser abweichenden Einordnungen ist an dieser Stelle eine nähere Untersuchung der Entscheidung geboten. aa) Die Entscheidung Böhmermann In dieser Entscheidung bejahte das Landgericht Hamburg auf Antrag des türkischen Präsidenten Erdog˘an im Rahmen einer einstweiligen Verfügung einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 823, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 und 2 GG beziehungsweise Art. 8 EMRK gegen den Moderator Böhmermann.398 Letzterer hatte in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein Gedicht, das er als „Schmähkritik“ bezeichnete, über den Antragsteller vorgetragen. Der Unterlassungsanspruch bezog sich auf einzelne Passagen des Gedichts, die das Gericht als schmähend und ehrverletzend ansah und die damit das vom Antragsteller hinzunehmende Maß überschritten hätten.399 Die Entscheidung im Rahmen der einstweiligen Verfügung wurde am 10.02.2017 durch ein Urteil des Landgerichts Hamburg bestätigt.400 Am 15.05.2018 wurde die Entscheidung auch vom Hanseatischen Oberlandesgericht bestätigt.401 Das Gedicht wurde durch das LG Hamburg als Kunst i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG eingeordnet402, woraufhin eine Abwägung zwischen der Kunst- sowie der Mei395 Vgl. Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 133; für eine Anwendung der Grundrechte beim Handeln als Privatperson: Milker, JA 2017, 647, 654. 396 So auch Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 133. 397 Gounalakis, FAZ v. 13.04.2017, S. 7. 398 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris. 399 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris, Rn. 12. 400 LG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2017 – 324 O 402/16 –, juris. 401 Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 15. Mai 218, Az: 7 U 34/17; s. Pressemitteilung, online abrufbar unter: http://justiz.hamburg.de/pressemitteilungen/11038 250/pressemitteilung-2018-05-15-olg-01/ (letzter Zugriff: 28.05.2018). 402 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris, Rn. 4; LG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2017 – 324 O 402/16 –, juris, Rn. 33 ff.; eine Abwä-
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nungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 10 EMRK und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers vorgenommen wurde.403 In seinem Urteil weist das LG Hamburg explizit darauf hin, dass sich auch der Kläger als Ausländer auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen könne.404 Bei der Abwägung seien auch die konkrete Präsentation und der Zusammenhang der Äußerung zu berücksichtigen.405 Diese bezog sich auf die Einberufung des deutschen Botschafters in das türkische Außenministerium aufgrund einer Fernsehsendung „extra 3“, in der der Umgang mit Kritikern und der Pressefreiheit in der Türkei thematisiert wurde.406 Zunächst stellt das Gericht fest, dass eine Trennung zwischen dem Aussagegehalt und der satirischen Einkleidung vorgenommen werden und sich der Antragsteller als Staatsoberhaupt auch stärkere Kritik gefallen lassen müsse.407 Das LG Hamburg führt dazu im Urteil weiter aus, dass der Kläger durch diese Feststellung allerdings nicht schutzlos sei: „Es ist gerade Kennzeichen des aus Artikel 1 und 2 GG abgeleiteten Persönlichkeitsrechtes, dass dieses jedem zusteht. Es gilt der Rechtsgrundsatz, dass das Recht unteilbar ist. Die Qualität des Rechts erweist sich darin, dass sich jeder auf dieses berufen kann.“ 408 Während der Aussagegehalt, der Kritik am Umgang mit der Meinungsfreiheit in der Türkei übt, an sich keinen Unterlassungsanspruch rechtfertigen könne,409 führe die Einkleidung in die Form der Satire, die mit rassistischen Vorurteilen und sexuellen Bezügen arbeite, allerdings zu einer Ehrverletzung des Antragstellers.410 Für die anderen Aussagen des Gedichts, bezogen auf die politischen Vorgänge in der Türkei, müsse er als politisch verantwortliches Staatsoberhaupt die Verantwortung tragen.411 Das OLG stellt zudem fest, dass die maßgeblichen Aussagen, die ohne Veranlassung herabsetzende Bilder aus dem Intim- und Sexualbereich einsetzen, keinerlei sachlichen Bezug mehr
gung nur anhand der Meinungsfreiheit vornehmend: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 15. Mai 218, Az: 7 U 34/17; s. Pressemitteilung, online abrufbar unter: http://justiz.hamburg.de/pressemitteilungen/11038250/pressemitteilung-2018-05-15-olg01/ (letzter Zugriff: 28.05.2018). 403 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris, Rn. 5. 404 LG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2017 – 324 O 402/16 –, juris, Rn. 30, mit Verweis auf BVerfGE 116, 243 und BVerfG, NVwZ 2007, 1300, wobei sich letzterer Beschluss nur auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG bezieht. 405 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris, Rn. 6. 406 Siehe den Tatbestand in: LG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2017 – 324 O 402/16 –, juris, Rn. 2. 407 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris, Rn. 8 f.; LG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2017 – 324 O 402/16 –, juris, Rn. 41 f. 408 LG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2017 – 324 O 402/16 –, juris, Rn. 42. 409 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris, Rn. 10. 410 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris, Rn. 12; LG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2017 – 324 O 402/16 –, juris, Rn. 43. 411 LG Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16 –, juris, Rn. 13–15.
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für eine Kritik aufweisen, sondern vielmehr gewichtige Verletzungen des Persönlichkeitsrechts darstellen würden.412 bb) Bewertung in der Literatur Auffallend ist, dass in der Literatur, die sich mit der Böhmermann-Entscheidung befasst, die Frage, ob Erdog˘an das allgemeine Persönlichkeitsrecht zustehen kann, nie aufgeworfen wird, sondern dieses vielmehr ohne jeglichen Kommentar in die Abwägung zur Kunst- oder Meinungsfreiheit eingestellt wird.413 Lediglich ein Beitrag stellt die Überlegung an, dem türkischen Ministerpräsidenten aufgrund der Vielzahl der von ihm zu verantwortenden Menschenrechtsverletzungen den Schutz der Menschenwürde und der persönlichen Ehre abzusprechen, verwirft diesen Gedanken aber wieder mit der Begründung, dass eine solche Verweigerung des Schutzes nur in Betracht kommen könne, wenn die Verletzungen ein solches Ausmaß annähmen, dass es „schlechthin befremdlich wäre“ ihm Schutz zuzusprechen.414 Allerdings zeigt auch dieser Beitrag, dass der Autor an dem grundsätzlichen Zugestehen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für den türkischen Ministerpräsidenten keine Zweifel hat, da seine Überlegungen vielmehr dahin gehen, ob ihm dieses Recht in einer Extremsituation abgesprochen werden könne. Diskutiert wird vielmehr, ob der Tatbestand der Beleidigung erfüllt ist415, ob es sich bei dem „Schmähgedicht“ um Satire handelt416, und es wird Kritik an der vom LG Hamburg vorgenommenen Unterscheidung zwischen Aussagegehalt und Einkleidung geübt417. Unterschiedlich beurteilt wird auch, ob die Kunstfreiheit im Ergebnis überwiegt418 oder ob es gegen das Persönlichkeitsrecht verstößt.419
412 Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 15. Mai 218, Az: 7 U 34/17; s. Pressemitteilung, online abrufbar unter: http://justiz.hamburg.de/pressemitteilungen/11038 250/pressemitteilung-2018-05-15-olg-01/ (letzter Zugriff: 28.05.2018). 413 So Brauneck, ZUM 2016, 710, 714; Christoph, JuS 2016, 599, 601; Fahl, NStZ 2016, 313, 315; Ladeur, ZUM 2016, 775, 776 (s. dazu noch unten); Rusch/Becker, AfP 2016, 201, 203; Schneider/Fleischmann, jurisPR-ITR 20/2016 Anm. 2. 414 Ladeur, ZUM 2016, 775, 776. 415 Siehe dazu insbesondere: Christoph, JuS 2016, 599 ff.; Fahl, NStZ 2016, 313, 318. 416 Dazu: Brauneck, ZUM 2016, 710, 712 f.; Klass, AfP 2016, 477, 487. 417 Brauneck, ZUM 2016, 710, 713 f.; Ladeur, ZUM 2016, 775. 418 Für ein Überwiegen der Kunstfreiheit und ein Eingreifen des § 193 StGB: Christoph, JuS 2016, 599, 603; für ein Überwiegen der Kunstfreiheit: Brauneck, ZUM 2016, 710, 715; Klass, AfP 2016, 477, 490; Rusch/Becker, AfP 2016, 201, 204; auch dahin tendierend: Schneider/Fleischmann, jurisPR-ITR 20/2016 Anm. 2. 419 Für die Rechtswidrigkeit: Ladeur, ZUM 2016, 775, 776; für die Einordnung als Beleidigung i. S. d. Strafrechts: Fahl, NStZ 2016, 313, 318.
B. Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter
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cc) Konsequenzen für die Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsoberhäupter Nach einer Ansicht wird Erdog˘an auch durch das Gedicht in seiner Funktion als Staatsoberhaupt und nicht als Privatperson angegriffen, wobei er auch in dieser Funktion Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei.420 Jedoch erscheint es fraglich, ob man bei solchen Äußerungen wirklich davon sprechen kann, dass sie ihn nur in seiner Person als Staatsoberhaupt treffen. Sie stellen keine überspitzte Kritik an seiner Politik beziehungsweise seinem Regierungsstil dar, sondern betreffen ihn persönlich, wenn es in dem Gedicht heißt: „[. . .] Am liebsten mag er Ziegen ficken, . . . und dabei Kinderpornos schauen. Und selbst abends heisst’s statt schlafen, Fellatio mit hundert Schafen. Ja, E. ist voll und ganz, ein Präsident mit kleinem Schwanz. [. . .] Von Ankara bis Istanbul, weiß jeder, dieser Mann ist schwul, pervers, verlaust und zoophil [. . .]“.421 Die Kritik, die ihn als Politiker und Staatsoberhaupt betraf, wurde vielmehr eben mit dieser Begründung, dass er die Politik zu verantworten habe, und zudem eine höhere Toleranz hinsichtlich ihm geltender Kritik aufbringen müsse, als zulässig erachtet – sie waren vom Unterlassungsanspruch nicht umfasst. Dagegen wird eingewandt, dass es sich auch um eine satirische Auseinandersetzung mit der von der Regierung Erdog˘an verfolgten Sexualmoral in der türkischen Gesellschaft handeln könnte und somit nur auf den ersten Blick als nicht mehr kritische Auseinandersetzung mit der Politik Erdog˘ans wirkt.422 Zwar wurde das Gedicht nur aufgrund seiner Stellung als türkischer Ministerpräsident und als Kritik auf seine Politik verfasst, allerdings schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht gerade davor, dass – trotz dem teilweisen Verzicht auf die Privatsphäre bei der Teilnahme am öffentlichen Diskurs – keine ehrverletzenden Äußerungen hinzunehmen sind.423 Auch die Herleitung und der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sprechen dafür, dass er bei einer Verletzung desselben in seiner persönlichen Sphäre betroffen ist: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt jede Person in ihrer Privatsphäre und ihrem sozialen Geltungsanspruch424, wobei der Schutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG durch die Menschenwürdegarantie gemäß Art. 1 Abs. 1 GG verstärkt wird.425 420
Gounalakis, FAZ v. 13.04.2017, S. 7. LG Hamburg, Beschl. v. 17.05.2016 – 324 O 255/16 –, juris; ebenfalls für eine Einordnung in die persönliche Sphäre des Amtsträgers und damit für eine Betroffenheit als Mensch: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 133. 422 Schneider/Fleischmann, jurisPR-ITR 20/2016 Anm. 2, Nr. 7. 423 Klass, AfP 2016, 477, 482. 424 Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 60. 425 Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 62; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. I, Art. 2 Rn. 89. 421
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Diese Bezugnahme auf die Menschenwürde, die zum Teil gegen eine generelle Eröffnung des persönlichen Schutzbereichs auch für juristische Personen angeführt wird426, weist auch hier darauf hin, dass es gerade die Sphäre des Privaten des Menschen ist, die hier betroffen ist. Die Äußerungen zu seinem sexuellen Verhalten betreffen einen Bereich, der den engen, intimen Bereich der Privatsphäre betrifft.427 Auch wenn unterschiedlich beurteilt wird, ob dies auch gleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt428 oder nicht, da der reale Bezug fehle,429 ist dies für die Einordnung zunächst irrelevant. Somit handelt es sich vorliegend um die Gewährung von grundrechtlichem Schutz in seiner Privatsphäre.430 Denn die Äußerung von Böhmermann trifft Erdog˘an in seiner persönlichen Würde. Weder ist nur sein Ansehen als Präsident noch lediglich seine parteipolitischen Sphäre betroffen.431 So kann auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bzgl. der Äußerungen von Regierungsmitgliedern festgestellt werden. Denn dass auch ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in ihrem intimsten Bereich Träger von Grundrechten sein können, wird auch durch die bundesverfassungsrechtliche Rechtsprechung, die nur für amtliche Auftritte gilt, nicht in Abrede gestellt. Somit steht die Entscheidung auch nicht in Widerspruch zum grundsätzlichen Ausschluss von der Grundrechtsberechtigung im parteipolitischen Bereich.432 dd) Einordnung von Wahlkampfauftritten Im Rahmen von Wahlkampfauftritten agieren Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder immer in der Öffentlichkeit und als Person des öffentlichen politischen Lebens, sodass diese Auftritte nicht seiner höchstpersönlichen Lebenssphäre zuzuordnen sind und eine Grundrechtsberechtigung aufgrund der Betroffenheit in diesem Bereich ausscheidet.
426 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1, Rn. 224; Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1 Rn. 86; Kube, in: HStR VII, §148 Rn. 75. 427 Brauneck, ZUM 2016, 710, 714; Fahl, NStZ 2016, 313, 317. 428 So Fahl, NStZ 2016, 313, 317. 429 So Brauneck, ZUM 2016, 710, 714 f.; Klass, AfP 2016, 477, 490. 430 So auch Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 133. 431 So auch Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 133. 432 So auch Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 133.
B. Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter
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b) Politische Auftritte Somit kommt es darauf an, ob ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder im Rahmen von Wahlkampfauftritten, die – in Anlehnung an die Rechtsprechung – dann der parteipolitischen Sphäre zuzuordnen wären, in ihrer Eigenschaft als Privatperson oder vielmehr als Amtsträger auftreten. aa) Fehlende Relevanz des Art. 21 Abs. 1 GG Den Neutralitätspflichten für die deutschen Amtsträger wird immer ihr Recht zur politischen Betätigung gegenübergestellt, das sich vor allem aus ihrer Zugehörigkeit zu einer Partei ergäbe und welches nicht vollständig aufgehoben werden dürfe, wenn sie ein hohes Amt bekleiden. Ansonsten würden die regierungstragenden Parteien benachteiligt.433 Somit wird die Befugnis, sich auf die Meinungsfreiheit zu berufen, darauf gestützt, dass die Regierungsmitglieder gleichzeitig auch Parteimitglieder sind und ihre Amtsübernahme sich nicht nachteilig auf ihre Parteipolitik auswirken soll.434 Die Parteien dienen der Rückkoppelung an das Volk und der politischen Willensbildung.435 Zur Wanka-Entscheidung des BVerfG wird angemerkt, dass der Senat sich bewusst sei, „im Herzen der Parteiendemokratie des Grundgesetzes zu operieren, wenn er Bundesminister an die Kandare der Neutralitätspflicht nimmt“.436 Es geht bei der Argumentation des BVerfG also um den Versuch eines Ausgleichs zwischen der Neutralitätspflicht politischer Amtsträger auf der einen und der parteienstaatlichen Prägung des parlamentarischen Regierungssystems auf der anderen Seite.437 Somit wird die Rolle der Parteien sowohl bei der Herleitung eines Neutralitätsgebots durch die erforderliche Chancengleichheit der Parteien als auch für die Befugnis, trotz Amtsträgereigenschaft am politischen Wettbewerb überhaupt teilnehmen zu dürfen, jeweils besonders herausgestellt. Oben wurde bereits festgestellt, dass die begrenzende Wirkung durch das Neutralitätsgebot zum Schutz der Chancengleichheit der Parteien für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder nicht gilt. Genauso wenig kommt ihnen allerdings der Schutz der regierungstragenden Parteien für ihre parteipolitische Betätigung zu. Sie haben in ihrem Herkunftsland die Möglichkeit, dort 433 Siehe zu diesen Erwägungen: BVerfGE 138, 102, 117, Rn. 50–52; Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 143. 434 BVerfGE 138, 102, 117 Rn. 52, 120, Rn. 61; BVerfG, NVwZ 2018, 485, 489 Rn. 62 („Wanka“); Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1015; kritisch zu einem primären Abstellen auf die Chancengleichheit der Parteien: Krüper, JZ 2015, 414, 417, der es befürwortet, zunächst die Grundrechtsbeeinträchtigung des Ministers in den Vordergrund zu stellen. 435 BVerfG, NVwZ 2018, 485, 486 Rn. 41 („Wanka“); Eder, „Rote Karte“ gegen „Spinner“, S. 143; Gröpl/Zembruski, Jura 2016, 268, 272. 436 Michl, NVwZ 2018, 491. 437 Krüper, JZ 2015, 414, 417.
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ihre parteipolitischen Befugnisse auszuüben, können sich auf dieses Recht in Deutschland aber nicht berufen. Die Notwendigkeit der Äußerungsbefugnis des Bundespräsidenten ergebe sich aus der ihm zukommenden integrativen und repräsentativen Funktion, die ihm einen weiten Gestaltungsspielraum eröffne.438 Eine Differenzierung nach Sprecherrollen sei dabei nicht möglich, da der Bundespräsident wohl immer in dieser Funktion wahrgenommen wird.439 Als Repräsentant des Staates müsse er die Möglichkeit zur Stellungnahme zu aktuellen Themen erhalten.440 Dabei unterliegen seine Äußerungen lediglich einer Evidenzkontrolle.441 Diese Funktionen erfüllen ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder aber gerade nicht, wenn sie in Deutschland auftreten. bb) Übertragbarkeit der Abgrenzungskriterien bei parteipolitischen Auftritten von inländischen Amtsträgern Für inländische Regierungsmitglieder soll es maßgeblich darauf ankommen, ob sie amtliche Autorität in Anspruch nehmen, insbesondere ob sie finanzielle Ressourcen ihres Amtes verwenden.442 Eine Äußerung unter Inanspruchnahme von Ressourcen, die nur der Bundesregierung zustehen, scheidet bei ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern aus, da sie nicht in den innerstaatlichen Regierungsapparat eingebunden sind. Die Erwägung, dass inländische Hoheitsträger ihre Sonderstellung nicht ausnutzen dürfen, um ihren Aussagen damit eine besondere Wirkkraft zu verleihen, lässt sich zwar nicht in der Hinsicht auf die ausländischen Regierungsmitglieder übertragen, dass dies eine Benachteiligung anderer Parteien zur Folge und somit einen innerstaatlich wettbewerbsverzerrenden Einfluss hätte, wohl aber hinsichtlich ihres besonderen Ansehens.443 Es wird somit darauf hingewiesen, dass schon der äußere Rahmen, nämlich das Auftreten auf einer öffentlichen Veranstaltung sowie die inhaltlichen Aussagen, die aktuelle politische Themen betreffen, für ein Handeln in ihrer Amtsfunktion sprechen.444 Somit wird davon ausgegangen, dass diese Personen ihren besonderen Status auch nicht ablegen wollen.445 438
BVerfGE 136, 323, 332 f., Rn. 25 f. Kliegel, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 4, 2017, 413, 427. 440 Putzer, DÖV 2015, 417, 420; ebenfalls auf die Repräsentations- und Integrationsfunktion abstellend: BVerfGE 136, 323, 335, Rn. 31. 441 BVerfGE 136, 323, 336, Rn. 33; uneingeschränkt der Entscheidung zustimmend: Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 547; kritisch dazu: Putzer, DÖV 2015, 417, 421, 424. 442 Siehe dazu oben unter § 4 B. III. 1. c) bb). 443 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 131 spricht insofern vom „Nimbus ihres Amtes“, den sie anbringen. 444 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 130; wohl auch Milker, JA 2017, 647, 654, wenn er öffentliche Auftritte und Reden dem Handeln in amtlicher Funktion zuordnet. 439
B. Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter
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Die Inanspruchnahme von Amtsautorität muss also für diese Personen darüber hinaus zunächst im Rahmen ihrer völkerrechtlichen Stellung gesehen werden. Für die Frage einer Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder kommen darüber hinaus noch andere Erwägungen hinzu, die im Folgenden erörtert werden sollen. cc) Besonderer Schutz für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder Eine Sonderstellung gegenüber ausländischen Politikern ohne herausgehobenes staatliches Amt kommt ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern aufgrund des besonderen Schutzes, der ihnen in einem fremden Staat gewährt wird, zu. Die besondere Stellung des Staatsoberhaupts oder anderer Regierungsmitglieder mit Ministerrang kommt insbesondere durch die besonderen Ehren und den besonderen Schutz zum Ausdruck, der ihnen zukommt, sobald sie sich zu einem Besuch in einem anderen Staat aufhalten. (1) Allgemeiner Schutz Grundsätzlich ergeben sich aus der Stellung als Staatsoberhaupt einige Vorrechte hinsichtlich seiner Behandlung durch andere Staaten, die ihm zu besonderer Ehre und besonderem Schutz verpflichtet sind, insbesondere, wenn sich das Staatsoberhaupt auf ihrem Gebiet aufhält.446 Dabei gebührt die besondere Ehre vor allem dem besonderen Amt des Staatsoberhauptes und weniger der Person als solcher.447 Völkerrechtlich ist die Verpflichtung zum besonderen Schutz in der Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including Diplomatic Agents vom 14.12.1973 geregelt, die auch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet wurde.448 Maßgeblich für dieses Übereinkommen war nach der Präambel die Erwägung, „daß Straftaten gegen 445 Tomuschat, Türkischer Wahlkampf auf deutschem Boden?, FAZ 7.3.17, S. 8; a. A. und damit ausdrücklich gegen ein hoheitliches Handeln bei Wahlkampfauftritten: Pieroth, Meinungsfreiheit ist Menschenrechte, NJW-aktuell 13/2017, Editorial, S. 3. 446 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 251; Watts, RdC 1994 III, 9, 35 ff.; Aufzählung der einzelnen Verpflichtungen bei Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 113 ff. 447 Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 115; Watts, RdC 1994 III, 9, 42, 49; Watts/Foakes, Heads of State, in: MPEPIL, Bd. IV, Rn. 13. 448 Vgl. das Zustimmungsgesetz: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 14. Dezember 1973 über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten (Diplomatenschutzkonvention) vom 26. Oktober 1976, BGBl. 1976, II, 1745.
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Diplomaten und andere völkerrechtlich geschützte Personen, die deren Sicherheit gefährden, die Aufrechterhaltung normaler, für die Zusammenarbeit zwischen den Staaten notwendiger internationaler Beziehungen ernstlich bedrohen“. Zu den nach diesem Übereinkommen völkerrechtlich geschützten Personen gehören gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a das Staatsoberhaupt sowie der Regierungschef und der Außenminister, wenn sie sich auf dem Territorium eines fremden Staates aufhalten, sowie nach Art. 1 lit. b jeder Vertreter oder jede Amtsperson eines Staates oder jeder Beamter oder sonstiger Beauftragter einer zwischenstaatlichen Organisation, die zu der Zeit und an dem Ort der Begehung der Tat völkerrechtlich einen Anspruch auf besonderen Schutz gegen jeden Angriff auf ihre Person, Freiheit oder Würde haben. Damit wurde der Begriff der internationally protected person neu entwickelt, eine Entsprechung in anderen völkerrechtlichen Regelungen existierte bis dahin nicht.449 Der über Art. 1 lit. b der Konvention gewährte Schutz für die dort genannten Personen ist insofern gegenüber demjenigen in Art. 1 lit. a eingeschränkt, als der Schutz zu der Zeit und an dem Ort des Angriffs bestehen muss.450 Die in Art. 1 lit. a genannten Personen genießen den besonderen Schutz hingegen bei allen Arten von Besuchen: bei offiziellen, inoffiziellen und bei privaten.451 Während nach Art. 2 Abs. 1 der Konvention die Staaten zu einer strafrechtlichen Verfolgung von Angriffen auf die international geschützte Person und ihre Freiheit beziehungsweise auf ihre Diensträume, die Privatwohnung oder die Beförderungsmittel verpflichtet sind, stellt Art. 2 Abs. 3 klar, dass die völkerrechtliche Verpflichtung, jegliche Angriffe auf die Person, ihre Würde und Freiheit, zu verhindern, von der Pflicht aus Art. 2 Abs. 1 und 2 unberührt bleibt.452 Eine solche Klarstellung war gefordert worden, da Art. 2 nur schwerwiegende Angriffe auf eine völkerrechtlich geschützte Person erfasst.453 Somit ist klargestellt, dass die Konvention nicht von der generellen völkerrechtlichen Pflicht befreit, auch andere Angriffe gegen diese Person, ihre Freiheit und Würde zu verhindern.454 Art. 4 sieht eine Zusammenarbeit der Vertragsstaaten bei der Verhütung dieser Straftaten durch die Vornahme von Maßnahmen zu Verhinderung der Vorbereitung solcher Angriffe (lit. a) sowie durch den Informationsaustausch und ein Ab449
Wood, ICLQ, 23 (1974), 791, 799. Wood, ICLQ, 23 (1974), 791, 800. 451 So der ILC-Report 1972, 88, 92, Art. 1 Rn. 2; s. a. Kearney, AJIL 67 (1973), 84, 88. 452 So auch die Darstellung bei Watts/Foakes, Heads of State, in: MPEPIL, Bd. IV, Rn. 14. 453 Wood, ICLQ, 23 (1974), 791, 805 f. 454 Bloomfield/FitzGerald, Crimes Against Internationally Protected Persons: Prevention and Punishment, S. 84. 450
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stimmen der Verwaltungs- und sonstiger Maßnahmen (lit. b) vor. Dieser Artikel, der in dem Entwurf der ILC als Art. 3 aufgeführt war, wurde nur geringfügig verändert. In der Begründung der ILC wird hervorgehoben, dass die genaue Art und Weise, wie diesen Verpflichtungen bestmöglich nachgekommen werden kann, den Staaten überlassen bleibt und je nach Ort differenziert, wobei insbesondere in großen Städten mit hoher Kriminalität andere Vorkehrungen zu treffen sind als an weniger gefährdeten Orten.455 Dieser Schutz soll auch dann bestehen, wenn das Staatsoberhaupt in seiner parteipolitischen oder religiösen Funktion angegriffen wird, da eine Aufteilung der verschiedenen Rollen schwierig sei.456 (2) Besonderer Schutz im Rahmen von Besuchen Dieser völkerrechtlich vorgeschriebene Schutz wird insbesondere bei besonderen Besuchen in einem anderen Staat von bestimmten zeremoniellen Bräuchen flankiert. Der Begriff des Staatsbesuchs umfasst nur den Besuch des Staatspräsidenten auf Einladung des Bundespräsidenten.457 Andere Repräsentanten fremder Staaten können sich dagegen nur im Rahmen von offiziellen Besuchen, Arbeitsbesuchen oder privaten Besuchen in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten.458 Das Zeremoniell, das mit einem solchen Besuch einhergeht, wird nach dem Rang des Gastes und nach der Art des Besuchs abgestuft.459 Ein Beispiel dafür bildet die Stärke der Eskorte der Polizei: für Staatsoberhäupter bei Staatsbesuchen beträgt die Stärke 15 Krafträder, bei offiziellen und Arbeitsbesuchen von Staatsoberhäuptern 7, genauso bei offiziellen Besuchen von Parlamentspräsident und Regierungschef. Sind die Personen nur im Rahmen eines Arbeitsbesuchs in der Bundesrepublik Deutschland, werden sie nur von 5 Krafträdern eskortiert, genauso wenn der Außenminister im Rahmen eines offiziellen Besuchs einreist. Ist letzterer oder ein anderer Minister im Rahmen eines Arbeitsbesuchs in der Bundesrepublik Deutschland, so reduziert sich die Eskorte auf 3 Räder.460 Auch hin455
ILC-Report 1972, 88, 96, Art. 3 Rn. 3. Tangermann, Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 115 mit Beispielen aus der Praxis. 457 Bolewski, DVBl. 2007, 789, 794; dies geht auch aus dem Rundschreiben des Auswärtigen Amtes hervor: RdSchr. v. 15.09.15, Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, GMBl. 2015, 1205, 1237; Hartmann, Staatszeremoniell, S. 215; den Begriff wesentlich weiter fassend, um alle daraus folgenden Schutzpflichten zu untersuchen: Prauß, Staatsbesuche in der BRD, S. 41. 458 Bolewski, DVBl. 2007, 789, 794 (der auch noch die Kategorie des Terminbesuchs aufnimmt); Hartmann, Staatszeremoniell, S. 215. 459 Hartmann, Staatszeremoniell, S. 215. 460 RdSchr. v. 15.09.15, Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, GMBl. 2015, 1205, 1237. 456
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sichtlich der Beflaggung durch das Auswärtige Amt wird nach der Art des Besuchs differenziert: Bei einem protokollarischen Staatsbesuch wird die gesamte Protokollstrecke beflaggt, wohingegen bei offiziellen, Arbeits-, Termin- und sonstigen Besuchen nur die Gebäude beflaggt werden, die vom Gast besucht werden.461 Bei allen Besuchsarten ist es jedoch besonders wichtig, dass die Sicherheit des Gastes unbedingt gewährleistet wird.462 So sollten auch private Besuche insbesondere hoher Repräsentanten eines anderen Staates immer früh genug angekündigt werden.463 Alle Regierungsmitglieder, unabhängig davon, in welchem Maße sie Immunität genießen, sollen während ihres Besuchs im Ausland immer besonders achtungsvoll behandelt werden und einen besonderen Schutz genießen.464 So heißt es in einem Rundschreiben des Auswärtigen Amtes465, dass die den ausländischen bevorrechtigten Personen entgegenzubringende Höflichkeit auch dazu nötig sei, ein positives und weltoffenes Bild der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Verkehr entstehen zu lassen.466 Gegenseitige Besuche von Staatsrepräsentanten seien von wesentlicher Bedeutung für die Beziehung zwischen Staaten.467 Auch die persönliche Unverletzlichkeit führt zu einer besonderen Behandlung von Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Regierungsmitgliedern, was sich z. B. an der Freistellung von der – grundsätzlich erforderlichen – Luftsicherheitskontrolle ergibt. Eine solche Befreiung ist ab dem Zeitpunkt vorzunehmen, ab dem die Identität der bevorrechtigten Person feststeht.468 Auch im Hinblick auf die Anwendung innerstaatlicher Normen spielen Staatsbesuche eine besondere Rolle. So gehört der Schutz von Staatsbesuchen zu den von der öffentlichen Sicherheit im Rahmen der polizeilichen Generalklausel geschützten Gemeinschaftsgütern als Teilaspekt des Bestands des Staates und seiner Einrichtungen.469 Besondere Bedeutung erlangen Besuche von Staatsoberhäup461 Protokoll Inland der Bundesregierung, Beflaggung, online abrufbar unter: https:// www.protokoll-inland.de/PI/DE/Beflaggung/BesBeflaggungssituationen/Staatsbesuch/ staatsbesuch_node.html (letzter Zugriff: 26.01.19). 462 Bolewski, DVBl. 2007, 789, 794. 463 Hartmann, Staatszeremoniell, S. 215. 464 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 257 f. 465 RdSchr. v. 15.09.15, Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, GMBl. 2015, 1205. 466 RdSchr. v. 15.09.15, Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, GMBl. 2015, 1205, 1209. 467 Bolewski, DVBl. 2007, 789, 794. 468 RdSchr. v. 15.09.15, Zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland, GMBl. 2015, 1205, 1210. 469 Holzner, in: Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsgesetz Bayern, Art. 11 PAG, Rn. 78; Mühl, in: Möstl/Mühl, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Hessen, § 1 HSOG, Rn. 32.
B. Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter
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tern und Regierungsmitgliedern auch im Hinblick auf das Versammlungsrecht. Das Rechtsgut, das dem Freiheitsgrundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG gegenübergestellt werden kann, ist die freie Ausübung der Staatsrepräsentation, die sich aus Art. 1 Abs. 2 GG, Art. 9 Abs. 2 GG, Art. 22 Abs. 1 GG, Art. 24 bis 26 GG, Art. 32 GG und Art. 59 Abs. 2 GG sowie Art. 22 und 29 WÜD ergibt.470 Kann ein Staatsbesuch nicht störungsfrei durchgeführt werden, so kann darin eine Gefährdung der Pflege der auswärtigen Beziehungen i. S. d. Art. 32 GG liegen, welche unter bestimmten Voraussetzungen ein Einschreiten aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nach sich ziehen könnte.471 Damit kommt die Wirkung als Amtsträger bei politischen Veranstaltungen immer wesentlich stärker zum Ausdruck als bei nationalen Politikern. Ihrem Auftreten wird in der Regel eine zwischenstaatliche Entscheidung vorausgehen, nämlich diejenige über die Einreise.472 Dadurch wird bekannt, dass sich die Person in Deutschland aufhält, was automatisch weitreichende Schutzvorkehrungen nach sich zieht, welche nach dem soeben Dargestellten aufgrund von völkerrechtlichen Verpflichtungen geboten sind. Insofern stellen diese besonderen völkerrechtlichen Schutzpflichten einen ersten Anhaltspunkt dafür dar, dass ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder auch bei Wahlkampfauftritten Amtsautorität in Anspruch nehmen. dd) Immunität als Ausschlussgrund? Fraglich ist, in welchem Verhältnis die völkerrechtliche Immunität zu der Grundrechtsberechtigung steht. Zum einen wird mit Hinweis auf die parlamentarische Immunität angenommen, dass sich Grundrechtsberechtigung und Immunitätsschutz nicht zwangsläufig ausschließen müssen.473 Andere gehen davon aus, dass diejenigen Amtsträger, die keine Immunität ratione personae genießen, auf ihre Immunität verzichten würden, wenn sie angeben, als Privatperson einzureisen, was dann auch zu einer Anwendbarkeit des § 47 AufenthG führen würde.474 Problematisch erscheint allerdings in dieser Hinsicht, dass es nach dem oben Erläuterten475 in der Entscheidungskompetenz des jeweiligen Staates liegt, ihre Vertreter von der Immunität freizustellen.476 Zu470
Bolewski, DVBl. 2007, 789, 791, mit zahlreichen Beispielen aus der Rspr. Siehe dazu ausführlich: Bolewski, DVBl. 2007, 789, 796. 472 Siehe dazu die Untersuchung unter § 3. 473 Goldmann, Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, VerfBlog, 14.03.2017, online abrufbar unter: https://verfas sungsblog.de/le-gouvernement-de-soi-et-des-autres-zu-auftrittsverboten-fuer-tuerkischeregierungsmitglieder/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 474 Schwander, ZJS 2017, 242, 244 f. 475 Siehe oben unter § 4 A. II. 4. d) bb) (1). 476 Vgl. Frister, in: SK-StPO, Bd. IX, § 20 GVG, Rn. 7, Vor §§ 18–21 GVG, Rn. 53. 471
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dem kann es wohl für die Frage der Grundrechtsberechtigung nicht ausschlaggebend sein, ob sie zum Zeitpunkt des Auftritts der Immunität unterliegen.477 Heintzen stellt hinsichtlich des Verhältnisses von Immunität und Grundrechtsberechtigung fest, dass grundsätzlich die Immunität einer Gewährung des grundrechtlichen Schutzes nicht entgegen stehe. Dieser Schutz trete aber regelmäßig hinter dem weiter reichenden Schutz der völkerrechtlichen Immunität zurück. Ein Berufen auf Grundrechte sei dagegen ausgeschlossen, wenn Maßnahmen eines Staates aufgrund seiner völkerrechtlichen Befugnisse und somit auf der Ebene der Gleichordnung ergehen.478 Zur Begründung verweist er auf die Erwägungen, die zur Gewährung von Immunität führten, namentlich die Repräsentationsfunktion für den Staat und die ungehinderte Aufgabenwahrnehmung. Diese Funktion der Immunität veranlasse nicht dazu, einen Schutz durch die Grundrechte abzulehnen.479 Auch wenn die Immunität durchaus ein Indiz dafür ist, dass die Person als Teil der ausländischen staatlichen Gewalt agiert, so sprechen doch Argumente dagegen, aus dem völkerrechtlichen Immunitätsschutz Rückschlüsse auf die Einordnung der Auftritte zur staatlichen oder privaten Sphäre und damit auf die Gewährung von grundrechtlichem Schutz zu ziehen. Das betrifft zunächst die insoweit eben herausgestellte unterschiedliche Schutzrichtung von Immunitäten und Grundrechten. Überdies wirken Immunitäten nur prozedural, und entfalten keine materiellen Wirkungen.480 Außerdem würde dann auch wieder die Abgrenzung nach acta iure gestionis und acta iure imperii relevant.481 Eine Grundrechtsberechtigung aber von solchen völkerrechtlichen Wertungen der Gewährung des Immunitätsschutzes abhängig zu machen, erscheint wenig überzeugend.482 ee) Abstellen auf die Funktion der Grundrechte Die Grundrechte gelten im Verhältnis des Bürgers zum Staat. Sie sind primär Abwehrrechte des Menschen als natürliche und private Person gegen staatliche Eingriffe.483 Auch Isensee weist darauf hin, dass sich zwar grundsätzlich Ausländer, sobald sie in die Bundesrepublik einreisen, der deutschen Staatsgewalt unter477
So auch Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, S. 123, 131. 478 Heintzen, in: HGR II, § 50 Rn. 11. 479 Heintzen, in: HGR II, § 50 Rn. 11, Fn. 40 mit Verweis auf Fischer, in: Ipsen, 5 Völkerrecht, § 35 Rn. 34, der die Funktion der Immunität darstellt. 480 Vgl. dazu Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy: Greece intervening), Judgement, I.C.J. Reports 2012, S. 99, 140, Rn. 92 f. 481 Siehe dazu bereits oben unter § 4 B. II. 1. a), Fn. 284. 482 So auch Isensee, in: HStR IX, § 199 Rn. 78 für den Grundrechtsschutz im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG für juristische Personen, die vom ausländischen Staat gehalten werden. 483 Siehe dazu auch unter § 4 B. I. 1.
B. Grundrechtsberechtigung des Staates und seiner Organwalter
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werfen, was zu ihrer Grundrechtsberechtigung führe, diese Wertungen aber gerade nicht auf ausländische Amtsträger übertragbar seien.484 Bei ihnen fehle es an der notwendigen Subordination von Staat und Bürger. Der Schutz der Grundrechte sei gerade auf die individuelle Freiheitsausübung gerichtet und solle keine Möglichkeit dafür schaffen, dass sich ausländische Staaten in innerdeutsche Angelegenheiten einmischen und damit das Interventionsverbot umgehen. Ihr Status bestimme sich vielmehr allein nach Völkerrecht.485 Insofern wird auch in den Stellungnahmen zu der Problematik auf diese Funktion der Grundrechte hingewiesen, die gerade bei ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern nicht zum Tragen komme.486 Das BVerfG stellt in seinem Beschluss fest, dass es sich bei einer Genehmigung oder einem Verbot eines Auftritts gerade nicht um eine Entscheidung eines deutschen Hoheitsträgers gegenüber einem ausländischen Bürger handeln würde, sondern vielmehr um eine Entscheidung im Rahmen der Außenpolitik, bei der sich die beiden Regierungen als souveräne Staaten gegenüberstehen.487 Insofern stellt es auch darauf ab, dass das für die Anwendbarkeit der Grundrechte erforderliche Verhältnis zwischen Staat und Bürger bei Maßnahmen gegenüber ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern gerade nicht gegeben ist. Bei Wahlkampfauftritten befinden sich ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in keiner grundrechtstypischen Gefährdungslage488. Sie werden nicht wie Bürger ohne staatliches Amt in Ausübung ihrer Freiheiten tätig, sondern kommen als Gäste eines anderen Staates, die vom deutschen Staat besonders behandelt und geschützt werden. Die primär abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte im Verhältnis des ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds zum deutschen Staat zum Tragen kommen zu lassen, ist im Hinblick auf diese besonders geschützten Personen, die vielmehr auf der Ebene der Gleichordnung der souveränen Staaten mit dem deutschen Staat agieren489, nicht überzeugend. Eine Erweiterung des Grundrechtsschutzes auf ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder ist somit gerade nicht geboten. ff) Besonderheiten und Parallelen für die Rechte aus der EMRK Wie bereits oben herausgestellt, hindert insbesondere im Rahmen des Art. 10 EMRK die Mandatsträgereigenschaft bzw. die Eigenschaft als staatlicher Funk484
Isensee, in: VVDStRL 32, 1974, S. 49, 69 f., Fn. 51. Isensee, in: VVDStRL 32, 1974, S. 49, 69 f., Fn. 51. 486 Müller, Erdogan ohne Anspruch, FAZ, 07.03.17, S. 8. 487 BVerfG, NJW 2017, 1166. 488 Siehe zu dieser schon oben unter § 4 B. I. 1. 489 Siehe zur Entscheidung über die Einreise als eine solche zwischen souveränen Staaten bereits oben unter § 3 A. II. 3. 485
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
tionsträger die Grundrechtsberechtigung nicht.490 Äußern sich somit z. B. Bundestagsabgeordnete, werden ihre Äußerungen nicht entweder der Ausübung öffentlich-rechtlicher Kompetenzen oder dem privaten, grundrechtsgeschützten Bereich zugeordnet. Die gesamten politischen Äußerungen sind auf der Ebene der EMRK von Art. 10 EMRK umfasst.491 Nichtsdestotrotz wird für Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder auch für die Rechte aus der EMRK eine den Grundrechten parallele Wertung vorgenommen.492 Dafür wird auf die Funktion der Grundrechte der EMRK abgestellt, die den Bürgern Schutz vor dem Staat gewähren sollen, wobei insbesondere die Meinungs- und Versammlungsfreiheit eine Einflussnahme des Bürgers auf die staatliche Willensbildung ermöglichen sollen. Die Rechte der EMRK sollten nicht gerade umgekehrt denen die Möglichkeit geben, sich politisch zu betätigen, vor denen die Grundrechte gerade schützen sollen.493 Auch bei Auftritten im Ausland vor den eigenen Staatsbürgern bestehe ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürgern, denn da komme es den Amtsträgern gerade darauf an, die eigenen Staatsbürger zu mobilisieren.494 Entscheidend ist in diesem Zusammenhang erneut die Tatsache, dass die politischen Äußerungen auf dem Gebiet eines anderen Konventionsstaats getätigt werden und damit eine politische Betätigung von Ausländern darstellt. Damit wird ein weiteres Mal die Vorschrift des Art. 16 EMRK relevant, die zum Ausdruck bringt, dass eine politische Betätigung von Ausländern leichter eingeschränkt werden kann.495 Zudem sind Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder eines ausländischen Staates besondere Gäste mit herausragendem staatlichem Amt, sodass sich das Verhältnis zwischen Empfangsstaat und dem Redner vielmehr auf der Ebene der Gleichordnung mit der Bundesrepublik abspielt. Innerhalb dieses Verhältnisses überzeugt es nicht, dass der Redner dem Empfangsstaat die Rechte der EMRK entgegenhalten kann. gg) Zwischenstaatliche Dimension Neben diese Feststellung, dass die Grundrechte ungeeignet sind, das vorliegende Verhältnis zwischen ausländischem Hoheitsträger und Gaststaat auszugestalten, tritt die Tatsache, dass es sich vielmehr um ein Verhältnis zwischenstaat490 Röben, in: Dörr/Grothe/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 5 Rn. 31 f., zur Unterscheidung im GG: Rn. 56; s. auch bereits oben unter § 3 A. III. 2. 491 Grote/Wenzel, in: Dörr/Grothe/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 55. 492 Vgl. zu den Rechten der EMRK: Kneihs, NLMR 2017, S. 101 f. 493 Kneihs, NLMR 2017, 101. 494 Kneihs, NLMR 2017, 101. 495 Grote/Wenzel, in: Dörr/Grothe/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 52; so auch die hilfsweise Argumentation bei Kneihs, NLMR 2017, 101, 102.
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licher Natur handelt und die auswärtigen Beziehungen betrifft.496 Somit falle auch die Genehmigung der politischen Betätigung des Amtsträgers in den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG und damit in den Bereich der Zuständigkeit des Bundes für die Außenpolitik497, da die politischen Äußerungen als Ausübung von Hoheitsgewalt eingestuft werden.498 3. Andere Beurteilung aufgrund der Rechtsprechung des EuGH? Etwas anderes könnte sich allerding aus dem oben besprochenen Urteil Ungarn ./. Slowakei für Staatsoberhäupter aus dem EU-Ausland ergeben.499 Nach überzeugender Ansicht war der persönliche Anwendungsbereich des Art. 21 AEUV aufgrund der auch für das Staatsoberhaupt geltenden Unionsbürgerschaft zunächst eröffnet, die besondere völkerrechtliche Stellung als Staatsoberhaupt kam erst auf Rechtfertigungsebene zum Tragen.500 Dagegen spricht allerdings zunächst, dass es sich bei Art. 21 AEUV nach überzeugender Ansicht nicht um ein Grundrecht, sondern um eine Grundfreiheit handelt, was die Übertragbarkeit auf die Frage nach einer Grundrechtsberechtigung erschwert.501 Somit muss für die Grundrechte des Grundgesetzes die Frage der Eröffnung des persönlichen Schutzbereiches vielmehr spezifisch beurteilt werden.502 496 Bajrami, The stage is (not) yours! – Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland, 06.07.2017, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/78-2017/ (letzter Zugriff: 23.01.2019); Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 132; Müller, Erdogan ohne Anspruch, FAZ, 07.03. 17, S. 8. 497 Bajrami, The stage is (not) yours! – Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland, 06.07.2017, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/78-2017/ (letzter Zugriff: 23.01.2019); s. a. für öffentliche Auftritte und Reden als amtliches Handeln: Milker, JA 2017, 647, 654; s. a. Müller, Erdogan ohne Anspruch, FAZ, 07.03.17, S. 8; sowie die Zitate in: Ulrich, Die Bundesregierung könnte Erdog˘an einen Besuch in Deutschland verbieten, SZ, 08.03.2017, online abrufbar unter: https://www.sueddeut sche.de/ politik/auftrittsverbote-die-bundesregierung-koennte-erdoan-einen-besuch-indeutschland-verbieten-1.3408981 (letzter Zugriff: 25.7.2018). 498 Bajrami, The stage is (not) yours! – Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland, 06.07.2017, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/78-2017/ (letzter Zugriff: 23.01.2019). 499 Siehe auch die Überlegung bei Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 131. 500 Siehe dazu: § 3 B. 501 Vgl. Goldmann, Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, VerfBlog, 14.03.2017, online abrufbar unter: https:// verfassungsblog.de/le-gouvernement-de-soi-et-des-autres-zu-auftrittsverboten-fuer-tuer kische-regierungsmitglieder/ (letzter Zugriff: 24.01.2019); kritisch zu einer Übertragung dieser Feststellung auf die Grundrechte des Grundgesetzes: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 131. 502 So auch Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 131.
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§ 4 Relevanz der Grundrechte
Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich somit kein Erfordernis, ausländischen Staatsoberhäuptern grundrechtlichen Schutz zu gewähren. 4. Zwischenergebnis Die Grundsätze, die für inländische Amtsträger und ihr Recht auf politische Betätigung entwickelt wurden, lassen sich kaum auf die Problematik von politischen Auftritten von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern übertragen. Weder die Erwägungen, die inländischen Hoheitsträgern für politische Äußerungen Grenzen setzen, noch diejenigen Grundsätze, die ihnen ein gewisses Maß an Teilnahme an politischen Auseinandersetzungen ermöglichen, gelten für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder. Allerdings kommen bei diesen andere Aspekte im Hinblick auf die völkerrechtliche Dimension der Problematik hinzu, die nur bei ihnen berücksichtigt werden müssen und nicht bei innerstaatlichen Sachverhalten.
IV. Ergebnis zu B. Grundrechte sind ihrem Wesen nach primär darauf ausgerichtet, dem Bürger einen Raum der individuellen Freiheitsentfaltung zu gewähren, sodass grundsätzlich der Staat als Grundrechtsverpflichteter keinen Schutz durch die Grundrechte genießt. Zudem handelt der Staat nicht in Ausübung von Freiheiten, sondern von Kompetenzen. Gewährt man juristischen Personen grundrechtlichen Schutz, so ist entscheidend, dass auch dadurch die Freiheitsausübung des dahinter stehenden Menschen geschützt wird. Auch wenn ausländische Staaten nicht an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden sind, so folgt daraus keineswegs, dass sie grundrechtsberechtigt sind. Auch die Zuerkennung von Grundrechtsschutz für ein vollständig vom schwedischen Staat gehaltenes Unternehmen durch das BVerfG im Urteil zum Atomausstieg kann aufgrund seiner unionsrechtlichen Prägung und seiner Singularität keine prinzipiell neue Bewertung erkennen lassen. Vielmehr kommt es wiederum auf den Schutz des Menschen und seiner freiheitlichen Betätigung an, um grundrechtlichen Schutz zu gewähren. Die Abgrenzung bezüglich amtlicher und privater Äußerungen nationaler Hoheitsträger und die damit verbundene Frage nach einer Grundrechtsberechtigung lassen sich nur schwer auf die Problematik bzgl. ausländischer Hoheitsträger übertragen. Ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder nehmen bei ihren politischen Stellungnahmen im Bundesgebiet immer ihre Amtsautorität in Anspruch und stehen zum deutschen Staat nicht in einer Beziehung, die durch die
C. Ergebnis zu § 4
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Grundrechte bestimmt wird, sondern vielmehr völkerrechtlicher Art ist. Sie befinden sich somit nicht in einer bei juristischen Personen entscheidenden „grundrechtstypischen Gefährdungslage“. Sie werden nicht in Ausübung ihrer grundrechtlichen Freiheiten tätig, sondern werden vom Empfangsstaat als Vertreter eines anderen Staates besonders behandelt und geschützt.
C. Ergebnis zu § 4 Ausländische Staatsangehörige aus einem Nicht-EU Staat können sich grundsätzlich im Rahmen der Jedermann-Grundrechte und der einfachgesetzlichen Gewährleistungen in der Bundesrepublik Deutschland politisch betätigen. Weitergehenden – und damit den deutschen Staatsangehörigen vergleichbaren Schutz – genießen Unionsbürger. Die politische Betätigung des Nicht-EU-Ausländers kann aufgrund der Wertung des Art. 16 EMRK und der damit vereinbaren einfachgesetzlichen Regelung des § 47 AufenthG beschränkt werden. Anders beurteilt sich die Lage für ausländische Hoheitsträger, da diese zunächst in ihrer amtlichen Funktion Teil des ausländischen Staates sind. Diese können sich bei politischen Stellungnahmen und Auftritten nicht auf den Grundrechtsschutz des Grundgesetzes berufen. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wesen der Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Zudem wird die völkerrechtliche Dimension durch den Auftritt eines Vertreters eines anderen Staates in Deutschland eröffnet. Hinzu kommt die Zuordnung der Wahlkampfauftritte zu ihrem amtlichen Handeln, da sie insbesondere ihre völkerrechtlich besonders zu schützende Position in diesen Situationen nicht ablegen. Öffentliche Wahlkampfauftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern können somit nicht als ein Agieren als Privatperson und damit als ein privater Besuch eingestuft werden, vielmehr bleiben sie auch in diesen Fällen Teil ihres Staates und sind somit von einer Grundrechtsberechtigung ausgeschlossen.
§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts Auch wenn die Grundrechte hinsichtlich der Rechtsstellung der ausländischen Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder keine Rolle spielen, so stellt sich aber die Frage, inwiefern eine Untersagung eines Auftritts Grundrechte des Veranstalters des Wahlkampfauftritts betrifft. Ist der Veranstalter Deutscher, so kommt insbesondere das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG in Betracht. Darüber hinaus könnte auch der Schutzbereich der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG eröffnet sein. Insofern ist zu untersuchen, ob die Feststellung, dass das Verhältnis des deutschen Staates zu den ausländischen Hoheitsträgern bei Wahlkampfauftritten nicht durch Grundrechte, sondern vielmehr durch völkerrechtliche Erwägungen geprägt ist, Auswirkungen auf den Grundrechtsschutz des Veranstalters hat.1 Relevanz bekam die Fragestellung insbesondere durch die Entscheidung des OVG Münster, in der die Auflage, eine Live-Schaltung des türkischen Staatspräsidenten auf die aufgestellte Videoleinwand zu unterlassen, für rechtmäßig erklärt wurde.2 Zunächst stellt sich nach der Entscheidung die Frage, inwiefern es überzeugend ist, einen gänzlich grundrechtsfreien Bereich für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten anzunehmen3 (dazu A.). Lehnt man eine solche Auffassung ab, so ist zu untersuchen, der Schutzbereich welcher Grundrechte für den Veranstalter eröffnet sein könnte, inwiefern die einzelnen Maßnahmen einen Eingriff begründen und wie solche gerechtfertigt werden können (B.).
A. Grundrechtsfreier Bereich im Rahmen der auswärtigen Beziehungen nach dem Beschluss des OVG Münster? Das OVG Münster setzt mit seiner Argumentation nicht – wie der dem Urteil zugrundeliegende Auflagenbescheid der Behörde – auf der Ebene der Rechtfertigung einer Beschränkung der Versammlungsfreiheit an, sondern stellt in seiner 1 So auch die Gegenüberstellung bei Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 135. 2 Siehe dazu § 1 A. I. 1. 3 So das OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 12.
A. Grundrechtsfreier Bereich
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Begründung vielmehr maßgeblich darauf ab, dass die Abgabe politischer Stellungnahmen durch ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder nicht auf die Grundrechte gestützt werden könne.4
I. Herleitung eines grundrechtsfreien Bereichs durch das OVG Münster Das OVG Münster führt dahingehend aus, dass der „Grundentscheidung der Art. 20 I, II, 23, 24, 32 I, 59, 73 Nr. 1 GG zu entnehmen [ist], dass sich die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten – d. h. auch zu deren Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern – allein nach Maßgabe dieser Bestimmungen auf der zwischenstaatlichen Ebene vollziehen“.5 Das OVG Münster fährt nach der Herleitung eines grundrechtsfreien Bereichs damit fort, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu den ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern „Gegenstand der Gestaltung der Außenpolitik des Bundes“ seien6 und somit die Entscheidung über das ob und wie eines Auftritts dieser Personen im öffentlichen Raum für ihre politischen Stellungnahmen dem Bund obliege.7
II. Kritik durch die Literatur Diese Argumentation des OVG Münster hat in der Literatur wenig Zuspruch gefunden. 1. Kritik hinsichtlich der Schutzbereichsbegrenzung aufgrund der Zusammenschau verfassungsrechtlicher Normen Kritisiert wurde zunächst die Herleitung eines grundrechtsfreien Bereichs im Rahmen der Außenpolitik. Eine solche Aussage könne zunächst den Kompetenzvorschriften der Art. 32 Abs. 1 GG, Art. 59 GG sowie Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht entnommen werden. Sie stellen alle drei kompetenzrechtliche Regelungen des Grundgesetzes dar. Art. 32 Abs. 1 GG betrifft die Verbandskompetenz des Bundes, Art. 59 GG die Organkompetenz und Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz.8 Dies wirft die Frage nach der materiell-rechtlichen Dimension der Kompetenzregelungen des Grundgesetzes auf.9 Da das OVG aber nicht eine einzelne Norm 4
OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 12. OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 12. 6 OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 12. 7 OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 13. 8 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606, 607. 9 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605, Fn. 34, der dort auch den Meinungsstand skizziert; zu dieser Problematik s. noch weiter unten unter § 5 B. I. 5. a). 5
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
allein in ihrer Funktion als Kompetenzregelung grundrechtsbeschränkend anwenden wollte, sondern vielmehr im Zusammenspiel mit den anderen (Kompetenz-) Normen einen Bereich konstruierte, indem gar keine Grundrechte mehr eine Rolle spielen sollten, sei es noch darüber hinaus gegangen.10 Hinzu komme, dass Art. 32 Abs. 1 GG aber gerade den Kontakt zwischen Privatpersonen, hier den Veranstaltern der Versammlung, mit dem jeweiligen Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied als hoheitliche, ausländische Institution nicht erfasse, sondern dieser vielmehr zulässig sei.11 Auch der vom OVG Münster herangezogene Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG diene vielmehr dazu, die Verfassungsziele aus Art. 1 GG und die übrigen Grundrechte zu verwirklichen12, sodass mit dem Schutz der Staatlichkeit ebenso wenig ein grundrechtsfreier Bereich begründet werden könne.13 Insbesondere das Rechtsstaatsprinzip zeichne sich durch eine Bindung der staatlichen Gewalt an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 i. V m. Art. 79 Abs. 3 GG aus.14 Ergänzend – und damit unabhängig von der Entscheidung des OVG Münster – kann die durch Art. 79 Abs. 3 GG erfolgte enge Verbindung des Art. 1 und des Art. 20 GG angeführt werden, die klarstellt, dass gerade beide Grundsätze den Verfassungskern bilden.15 Zudem wurde eben nicht der Art. 20 GG an den Anfang der Verfassung gestellt, sondern Art. 1 GG, was verdeutliche, dass das gesamte Verfassungskonzept auf dem Prinzip der Menschenwürde und der nachfolgenden Grundrechte aufbaue.16 Auch Art. 23 GG liefere als Grundlage für die Begründung eines grundrechtsfreien Bereichs kein wesentliches Argument, denn er betreffe gerade die europäische Integration.17 Dafür bilde er gerade eine Spezialvorschrift gegenüber Art. 24 GG und Art. 32 GG.18 Zudem kann angeführt werden, dass Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG gerade fordert, dass auch auf Ebene der EU ein vergleichbarer Grundrechtsschutz besteht.19 So10
Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 607. Vgl. Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606 f.; s. dazu oben unter § 3 C. II. 3. c). 12 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 20 Rn. 2; s. a. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 1. 13 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606; grundlegend zu einer Verankerung einer Staatlichkeit durch Art. 20 Abs. 1 GG: Möllers, Staat als Argument, S. 382 ff. 14 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606. 15 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 3; Sommermann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 20 Rn. 3. 16 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 20 Rn. 2. 17 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606. 18 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606 mit Verweis auf Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 4 (lex specialis zu Art. 24 GG) und Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 24 (lex specialis zu Art. 32 GG). 19 Siehe dazu: Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 23 Rn. 42 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 80 ff. 11
A. Grundrechtsfreier Bereich
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mit überzeugt die Bezugnahme auf diese Vorschrift in zweierlei Hinsicht nicht: zum einen kann sie nicht für einen grundrechtsfreien Bereich der gesamten Außenpolitik herangezogen werden, da die Vorschrift sich überhaupt nur auf die europäische Ebene bezieht20, und zum anderen stellt sie gerade durch das Fordern eines vergleichbaren Grundrechtsschutzes auf dieser Ebene in Form der Struktursicherungsklausel21 die besondere Bedeutung des Grundrechtsschutzes auch auf der Ebene der Europäischen Union in den Vordergrund. Insofern würde gerade das Gegenteil der Verfassungsvorschrift bewirkt, wenn man dort einen grundrechtsfreien Bereich annähme. Auch Art. 24 GG betreffe nur einen kleinen Teilbereich der Außenpolitik des Bundes und eigne sich deshalb nicht, den gesamten Bereich des Auswärtigen aufgrund dieser Vorschrift von der Anwendbarkeit der Grundrechte auszunehmen.22 Das Vorgehen des OVG Münster berge somit die Gefahr, dass auch in ähnlichen Fällen die gebotene Grundrechtsprüfung unterbleibt.23 Nach einer anderen Auffassung soll zwischen grundrechtlichen und staatsorganisatorischen Auftritten unterschieden werden und es sollen nur solche Auftritte, die nicht nur der Eigenwerbung dienen, sondern vielmehr einen Beitrag zu einem darüber hinausgehenden Versammlungszweck leisten, in den Schutzbereich einbezogen werden.24 Diese Unterscheidung ergibt sich allerdings schon daraus, dass aufgrund der fehlenden Schutzbereichseröffnung jeglicher Grundrechte für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder die Versammlungsfreiheit immer nur dann eröffnet ist, wenn gerade auch die Gestaltungsfreiheit des Veranstalters betroffen ist, der ihn als Redner eingeladen hat.25 2. Kritik an der Zuordnung zur Außenpolitik des Bundes Als wenig überzeugend wird auch die Einordnung der Einladung des ausländischen Staatsoberhaupts als Redner als eine „auswärtige Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten“ angesehen.26 Insbesondere müsste 20
So die Argumentation bei Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606. So der Begriff bei: Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 6. 22 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 606. 23 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 607. 24 Bajrami, The stage is (not) yours! – Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland, 06.07.2017, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/78-2017/ (letzter Zugriff: 23.01.2019). 25 Siehe dazu die Untersuchung unten unter § 5 B. I. 3. 26 Schaks, Erdogan in Köln – Zumutungen des Versammlungsrechts II, VerfBlog, 08.08.2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumu tungen-des-versammlungsrechts-ii/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 21
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
dann jeglicher Sachverhalt, der ein ausländisches Staatsoberhaupt involviert, als Außenpolitik des Bundes gewertet werden.27 Die Ansicht könne auch deshalb nicht überzeugen, weil doch in diesen Fällen trotzdem das Polizeipräsidium als Landesbehörde zuständig wäre, obwohl es sich doch gerade um Außenpolitik des Bundes handelt.28 Somit sei lediglich die Behörde darum bemüht gewesen, ein im Rahmen des Versammlungsrechts widerspruchsfreies Ergebnis herzuleiten, wohingegen die Entscheidungen der Gerichte nicht überzeugen könnten.29
III. Sonstige Ansichten in der Literatur 1. Zustimmende Stellungnahmen Der Entscheidung des OVG Münster wird allerdings zugutegehalten, dass die Versammlungsfreiheit ja gerade auf Deutsche beschränkt sei und deshalb nicht für die Ermöglichung von politischen Stellungnahmen ausländischer Politiker, die die Politik in ihrem Herkunftsland betreffen, beansprucht werden können soll.30 Auch sei nicht immer eine Entscheidung der Bundesregierung bei solchen Fragestellungen abzuwarten, vielmehr spreche die Entscheidung dafür, dass bei Untätigkeit der Bundesregierung die Landesbehörden frei entscheiden könnten.31 2. Ablehnende Stimmen Nach anderer Auffassung könne die Erkenntnis, dass sich das ausländische Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied nicht auf Grundrechte berufen kann, nicht dazu führen, dass der sachliche Schutzbereich des grundrechtsberechtigten Veranstalters begrenzt wird.32 Den Bereich des Völkerrechts und denjenigen der grundgesetzlichen Grundrechte derart abzugrenzen sei „systematisch fragwürdig und auch sehr holzschnittartig“.33 Wird der Hauptredner entzogen, so wird zumindest ein mittelbarer Eingriff in die Versammlungsfreiheit angenommen.34 Denn die Zuschaltung per Video sei gerade von der Gestaltungsfreiheit des Veranstalters umfasst.35 27
Schaks, a. a. O. Schaks, a. a. O. 29 Schaks, a. a. O. 30 Muckel, JA 2017, 396, 398. 31 Muckel, JA 2017, 396, 398. 32 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 135; kritisch zu der Tatsache, dass das OVG Münster über die Frage der Grundrechtsberechtigung hinweggeht, auch Schwander, ZJS 2017, 242, 244. 33 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 135. 34 Schwander, ZJS 2017, 242, 244. 35 Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 143. 28
B. Relevante Grundrechte
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Vorgeschlagen wird eine Berücksichtigung der völkerrechtlichen Aspekte auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung.36
IV. Stellungnahme und Zwischenergebnis Die Normenkette, die das OVG Münster zur Begründung eines grundrechtsfreien Bereichs anführt, stellt weder in der Ausrichtung der einzelnen Normen für sich noch in der Zusammenschau aller Normen ein überzeugendes Instrumentarium dar, einen grundrechtsfreien Bereich zu statuieren. Ihr Aussagegehalt hat vielmehr immer eine andere Zielrichtung. Auch die Zuordnung der Auftritte zum Bereich der Außenpolitik und damit die Unterstellung unter die Kompetenz des Bundes ist nicht überzeugend, da sich das OVG Münster widerspricht, wenn es feststellt, dass die Entscheidung über den Rednerauftritt dem Bund obliegt, dann aber nicht in Frage stellt, dass diese hier gerade aufgrund einer versammlungsrechtlichen Auflage durch eine Landesbehörde getroffen wurde. Gesamte Politikbereiche in all ihren Ausprägungsformen von einer grundrechtlichen Relevanz von vornherein auszunehmen, überzeugt nicht. Vielmehr sollte im Rahmen der herkömmlichen Grundrechtsprüfung für jedes Grundrecht und jede Sachverhaltskonstellation speziell überprüft werden, welche Relevanz dem Grundrecht zukommt und in welchem Verhältnis dazu die zwischenstaatlichen und außenpolitischen Erwägungen stehen, die gegebenenfalls auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung Berücksichtigung finden können.
B. Relevante Grundrechte Werden Aufritte von Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern auf Wahlkampfveranstaltungen untersagt, so könnte zunächst die Versammlungsfreiheit des Veranstalters betroffen sein (dazu unter I.). Darüber hinaus könnte auch ein Eingriff in die Meinungs- (s. unter II.) und Informationsfreiheit (s. unter III.) sowie in die allgemeine Handlungsfreiheit vorliegen (s. dazu IV.). Bei der Untersuchung wird jeweils auch immer der Blick auf die entsprechenden Gewährleistungen der EMRK und die Rechtsprechung des EGMR geworfen, um zu untersuchen, ob sich daraus weitergehende Rechte ergeben, die bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes berücksichtigt werden müssen. 36 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 135 f.; ähnlich auch: Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 143; für eine Berücksichtigung des Art. 32 Abs. 1 GG auf der Ebene der Rechtfertigung: Goldmann, Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, VerfBlog, 14.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/le-gou vernement-de-soi-et-des-autres-zu-auftrittsverboten-fuer-tuerkische-regierungsmitglieder/ (letzter Zugriff: 24.01.2019).
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
I. Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 Abs. 1 GG 1. Mögliche Fälle Die Versammlungsfreiheit des Veranstalters könnte in verschiedenen Situationen betroffen sein. Voraussetzung für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs der Versammlungsfreiheit ist dafür – nach dem unter § 4 A. I., II. 1. und 2. bereits Festgestellten – jedoch stets, dass er Deutscher i. S. d. Art. 116 GG ist. Zum einen kann der Fall eintreten, dass die Live-Übertragung beziehungsweise das Abspielen eines Redebeitrags im Rahmen der Versammlung untersagt wird, es also an der physischen Präsenz des ausländischen Hoheitsträgers fehlt. Zudem ist zu untersuchen, ob Fälle anders zu beurteilen sind, in denen diese Person physisch anwesend ist. Schließlich ist fraglich, ob die Verweigerung der Einreise gegenüber einem ausländischen Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied, das auf einer solchen Versammlung sprechen sollte, im Vorfeld der Versammlung bereits einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters begründet. 2. Bedeutung und Schutzrichtung der Versammlungsfreiheit In seiner für die Auslegung des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit und hinsichtlich der Einschränkungsmöglichkeiten grundlegenden Brokdorf-Entscheidung37 stellte das BVerfG zunächst einmal die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit heraus38: Im Anschluss an die Qualifikation der Meinungsfreiheit als eines der vornehmsten Menschenrechte und der Einordnung der Versammlungsfreiheit als „Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe“ wird letzterer ebenso großes Gewicht wie der Meinungsfreiheit für die freiheitliche demokratische Grundordnung zugesprochen.39 Insbesondere für den einzelnen Bürger stelle die Versammlungsfreiheit ein ganz entscheidendes Instrument dar, seine Anliegen mit einiger Wirkkraft zu kommunizieren und so Einfluss auf den politischen Willensbildungsprozess zu nehmen.40 Auch wird die Relevanz für den Minderheitenschutz durch die Versammlungsfreiheit hervorgehoben.41 Unter Rückgriff auf die Literatur wird die Versammlungsfreiheit als „wesentliches Element demokratischer Offenheit“ bezeichnet.42 Versammlungen würden „ein 37 BVerfGE 69, 315 ff.; auf die besondere Bedeutung dieser Entscheidung für die Versammlungsfreiheit hinweisend: Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 156 f. 38 BVerfGE 69, 315, 342 ff. 39 BVerfGE 69, 315, 345. 40 BVerfGE 69, 315, 346. 41 BVerfGE 69, 315, 343; s. a. BVerfG, NJW 2001, 2069, 2071. 42 BVerfGE 69, 315, 346.
B. Relevante Grundrechte
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Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie“ enthalten.43 Eine besondere Relevanz komme diesem Grundsatz in parlamentarischen Regierungssystemen zu, insbesondere hinsichtlich eines Hinweises auf Fehlentwicklungen und Missstände zwischen den Wahlen.44 Insofern stellt das BVerfG die besondere Funktion für die Demokratie in Form politischer Meinungskundgabe in den Vordergrund und weist somit darauf hin, dass dieses Grundrecht über den Schutz einer ungehinderten freien Persönlichkeitsentfaltung hinausgeht.45 3. Sachlicher Schutzbereich Eine Versammlung liegt zunächst bei einem Zusammenkommen mehrerer Menschen zu einer gemeinsamen Zweckverfolgung vor.46 a) Verschiedene Versammlungsbegriffe Hinsichtlich des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit werden zwei Einschränkungen erwogen.47 Vertreter des engeren Versammlungsbegriffs48 sind der Auffassung, dass der gemeinsame Zweck in einer gemeinsamen Meinungsbildung und -äußerung liegen müsse. Befürworter des engsten Versammlungsbegriffes49 unterscheiden sich von den Vertretern des engeren Versammlungsbegriffs lediglich dadurch, dass sie zusätzlich fordern, dass die Meinungsbekundung öffentliche Angelegenheiten betreffen muss.50 Einige Stimmen in der Literatur lehnen eine Einschränkung des Schutzbereichs allerdings in Gänze ab und vertreten somit einen weiten Versammlungsbegriff.51 BVerfGE 69, 315, 347 mit Hinweis auf Hesse, 14Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, S. 157. 44 BVerfGE 69, 315, 347. 45 BVerfGE 69, 315, 343, 345; s. auch die zusammenfassende Bewertung bei: Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 157. 46 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 807; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 15, der später die Beschreibung der gemeinsamen Zwecke um „regelmäßig auf Kommunikation gerichteter Zwecke“ erweitert, Rn. 17. 47 Siehe die Darstellung bei Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 808. 48 So Geis, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 8 Rn. 19; Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 12 f.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 14, 17. 49 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn. 3. 50 Siehe den Hinweis bei Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 90; s. auch Darstellung bei Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106 Rn. 40. 51 So Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 48; Gusy, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 17; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 16 ff.; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 810 f.; Kloepfer, in: HStR VII, § 164 Rn. 25 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 24 ff. 43
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
Das BVerfG lehnt sich eher an den engsten Versammlungsbegriff an52, wenn es die Versammlungsfreiheit als „Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegte [. . .] Entfaltung“ qualifiziert und fortfährt, dass sich der besondere Schutz aus der „Bedeutung für den Prozess öffentlicher Meinungsbildung in der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes“ ergäbe53 und anschließend Versammlungen als „örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung“ definiert.54 b) Wahlkampfveranstaltung als Versammlung Wahlkampfveranstaltungen von politischen Parteien werden zum Versammlungsbegriff gezählt, da die teilnehmenden Personen mit ihrer Anwesenheit entweder Zustimmung oder Ablehnung bekunden wollen.55 Da es sich in den hier zu untersuchenden Fällen gerade um einen Meinungsaustauch beziehungsweise eine Meinungskundgabe über politische Angelegenheiten handelt, ist auch der engste Versammlungsbegriff erfüllt.56 Abzugrenzen davon sind Staatsbesuche, die vielmehr als Veranstaltung des Staates als Teil der öffentlichen Sicherheit andere Versammlungen bei deren Gefährdung beschränken können.57 c) Notwendigkeit der physischen Präsenz der Teilnehmer Der Schutz der Versammlungsfreiheit setzt nach überzeugender Ansicht die physische Anwesenheit der Teilnehmer voraus.58 Das folgt aus der doppelten Gefährdungslage, die aus ihrer physischen Anwesenheit folgt. Zum einen sind sie in dieser Situation selbst leicht angreifbar und zum anderen birgt die physische Anwesenheit die Gefahr, dass sich weitere Personen anschließen und es so zu nur noch schwerer kontrollierbaren Situationen kommen könnte. Beides könnte zu staatlichem Eingreifen führen, wovor Art. 8 GG gerade schützen soll.59 52 So Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106 Rn. 41; eine „zunehmend engere [. . .] Fassung des Versammlungsbegriffs“ feststellend: Kloepfer, in: HStR VII, § 146 Rn. 27. 53 BVerfGE 104, 92, 104. 54 BVerfGE 104, 92, 104; 128, 226, 250. 55 Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 85. 56 Vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 809. 57 Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 84; s. zu Staatsbesuchen auch schon oben unter § 4 B. III. 2. b) cc) (2). 58 Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 45; Dietel, Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 75; Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 813; a. A.: Pötters/Werkmeister, Jura 2013, 5, 9. 59 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 813.
B. Relevante Grundrechte
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Für den Fall, dass ein ausländisches Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied nur per Videoleinwand zugeschaltet werden soll, ist somit – abgesehen von der ohnehin schon fehlenden Grundrechtsberechtigung in den maßgeblichen Fällen – die Eröffnung des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit für das ausländische Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied abzulehnen.60 Unabhängig davon ist aber die Frage zu beurteilen, ob die Zuschaltung per Videoleinwand vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit der Veranstalter umfasst ist.61 d) Die Problematik des Auftritts eines Redners Hinsichtlich der Frage des sachlichen Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit werden für die vorliegende Konstellation zwei Fragen relevant, zunächst, inwiefern bereits die Bestimmung des Redners durch den Veranstalter und der folgende Auftritt im Rahmen der Versammlung geschützt ist, und zum anderen, ob auch die Aufstellung einer Leinwand in den Schutzbereich fällt. aa) Einladung Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt nicht nur das Stattfinden der Versammlung, sondern entfaltet seine Schutzwirkung auch schon für vorbereitende Maßnahmen.62 Es umfasst somit eine „organisatorische Veranstalterfreiheit“.63 Dazu wird die Einladung zur Versammlung, die Auswahl des Veranstaltungsortes und eben auch die Gewinnung64 beziehungsweise Bestimmung65 von Rednern gezählt.66 In diesem Zusammenhang ist entscheidend, in welchem Verhältnis die außenpolitische Entscheidung über die Einreise ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder zu der Reichweite der Versammlungsfreiheit der Veranstalter stehen. 60
Siehe auch Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 813. Vgl. auch Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 813. 62 Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8, Rn. 75; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 30; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 25 m.w. N.; Kloepfer, in: HStR VII, § 164 Rn. 45. 63 Kloepfer, in: HStR VII, § 164 Rn. 45. 64 So Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 25. 65 So Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 30; Jacob, NVwZExtra 16/2017, 1, 6; Petersen, Erdog˘an und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03. 2017, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahl kampf-auftritt-deutschland-versammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019). 66 Siehe zu den vorbereitenden Maßnahmen auch: Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8, Rn. 75; Geis, in: Berliner Kommentar, Art. 8 Rn. 34 f.; Kloepfer, in: HStR VII, § 164 Rn. 45; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 18; sowie Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 30 mit weiteren Beispielen. 61
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
Die Entscheidung über die Einreise ist eine politische Entscheidung, für die die Bundesregierung gemäß Art. 32 Abs. 1 GG zuständig ist. Diese außenpolitische Entscheidung ist vom Völkerrecht gerade gebilligt und wird auf der zwischenstaatlichen Ebene getroffen.67 Im Hinblick darauf kann es nicht überzeugen, dass solche außenpolitischen Entscheidungen durch das Berufen auf die Versammlungsfreiheit durch den Veranstalter vereitelt werden.68 Hinzu kommt ein Argument, das sich aus der Dogmatik der Grundrechte ergibt. Aus den primär als Abwehrrechte ausgestalteten Grundrechten69 können Leistungsansprüche des Bürgers nur in Ausnahmefällen abgeleitet werden.70 Auch Art. 8 Abs. 1 GG gewährt den Grundrechtsträgern grundsätzlich keine staatlichen Leistungen.71 Richtet man den Blick auf die Gewährleistungen der EMRK, so werden diese Befunde verstärkt. Auch Art. 10 EMRK gewährt keinen Anspruch auf Einreise in einen anderen Staat zum Zwecke der Meinungskundgabe.72 Insofern streiten sowohl die Grundrechtsdogmatik als auch die Auslegung der Rechte der EMRK dafür, die Versammlungsfreiheit nicht so weit reichen zu lassen, dass eine Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds zum Zwecke eines Auftritts auf einer Versammlung verlangt werden kann. bb) Aufstellen der Leinwand Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung.73 Bei der Durchführung der Versammlung sind die Tätigkeiten geschützt, die durch die Versammlung veranlasst werden, wie das Halten von Reden, das Verteilen von Flugblättern, das Singen von Liedern und ähnliches.74 Ferner umfasst die inhaltliche Ausgestaltung auch die Modalitäten der Meinungskundgabe, wie das Nutzen von Lautsprechern.75 Er67
Siehe dazu ausführlich oben unter § 3. So auch die Bedenken von Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 137. 69 Siehe dazu bereits oben unter: § 4 B. I. 1. 70 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 57. 71 Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 114; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 50. 72 Siehe dazu bereits unter § 3 A. III. 2. b). 73 BVerfGE 69, 315, 343; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8, Rn. 67; s. dazu ausführlich: Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106, Rn. 92–94. 74 Schulze-Fieleitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 34. 75 Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106, Rn. 93; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn. 5; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 175; Kunig, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 19 Fn. 120 mit Verweis auf Brohm, JZ 1989, 324, 326. 68
B. Relevante Grundrechte
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forderlich ist aber, dass die eingesetzten Hilfsmittel in einem funktionalen Zusammenhang mit der Versammlung stehen und somit der Verwirklichung des Versammlungszwecks dienen.76 Das wäre bei Lautsprechern dann der Fall, wenn diese gerade dazu dienten, eine Vielzahl von Teilnehmern akustisch zu erreichen.77 Insofern könne auch die Leinwand in diese Kategorie der besseren Erreichbarkeit aller Teilnehmer eingeordnet werden.78 So entschied auch das VG Köln, als es die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Behörde in dem Umfang wiederherstellte, dass die Videoleinwand zur vergrößerten Darstellung der persönlich anwesenden Redner genutzt wird.79 Ein Einsatz zum Zwecke der Übertragung von politischen Stellungnahmen von ausländischen Regierungsmitgliedern und Staatsoberhäuptern soll dagegen weiterhin nicht zulässig sein, da dies nicht dem Schutzzweck der Versammlungsfreiheit entspreche.80 Allerdings findet hier durch die Auflage nicht nur eine Beschränkung des Einsatzes bestimmter Mittel statt, sondern sie hat vielmehr auch Auswirkungen auf die Inhalte, die auf der Versammlung kundgetan werden dürfen, da gerade der Auftritt des Redners via Live-Zuschaltung verhindert wird.81 cc) Verhältnis zu den Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG Richtet sich eine versammlungsrechtliche Maßnahme sowohl gegen die Art und Weise der Durchführung als auch gegen den Inhalt, so ist entscheidend, in welchem Verhältnis die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit zueinander stehen. Denn findet eine Versammlung mit meinungsbildendem oder meinungsäußerndem Inhalt statt, so ist sowohl das Recht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG als auch das Recht der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG betroffen.82 76 Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106, Rn. 66; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 174; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 34; Turnit, NVwZ 2016, 873, 874. 77 Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 31, Fn. 100; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 175 f.; v. Alemann/Scheffczyk, JA 2013, 407, 411, die allerdings dem Kriterium der tatsächlichen Erforderlichkeit für die Erreichbarkeit kritisch gegenüberstehen und dafür plädieren, den Einsatz nur bei einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verbieten; zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines Lautsprecherwagens: OVG FFO, NVwZ-RR 2004, 844, 847. 78 Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 144 (auch zum Zwecke der Live-Übertragung, nicht nur der Vergrößerung). 79 VG Köln, Beschl. v. 29.07.2016 – 20 L 1790/16 –, juris. 80 VG Köln, Beschl. v. 29.07.2016 – 20 L 1790/16 –, juris, Rn. 7. 81 Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 143. 82 Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 181; Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106 Rn. 86; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 123.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
(1) Behandlung in der Rechtsprechung Die Rechtsprechung83 nahm zunächst an, dass beide Grundrechte in ihrem Gewährleistungsgehalt nebeneinander anwendbar seien.84 Handelt es sich bei der angegriffenen Auflage um eine solche des Versammlungsrechts, richtet sich die Auflage aber lediglich gegen die zu erwartenden Äußerungen auf der Versammlung, so sei sie am Maßstab des Art. 5 Abs. 1 GG zu messen.85 Soweit der Inhalt und die Form der Meinungsäußerung betroffen sind, sei der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG berührt, wird die Art und Weise der Durchführung der Versammlung eingeschränkt oder die Versammlung verboten oder aufgelöst, so sei Art. 8 Abs. 1 GG einschlägig.86 Damit wird differenziert zwischen Versammlungsverboten und Versammlungsauflösungen, die immer auch die Versammlungsfreiheit betreffen auf der einen und gegen den Inhalt von Meinungen gerichteten Auflagen auf der anderen Seite, die nur dann auch die Versammlungsfreiheit einschränken, wenn sie sich gerade gegen die Art und Weise der Durchführung richten.87 Unterliegen die Meinungsäußerungen auf einer Versammlung keiner Einschränkung nach Art. 5 Abs. 2 GG, so dürften aufgrund dieser auch keine Beschränkungen der Versammlungsfreiheit erfolgen.88 Andersherum darf allerdings eine unzulässige Meinungsäußerung auch nicht auf einer Versammlung erlaubt werden.89 In zwei Beschlüssen nahm das BVerfG Stellung zur Problematik der Untersagung eines Rednerauftritts auf einer Versammlung.90 Dabei stellte das BVerfG fest, dass das Redeverbot zunächst einen besonders starken Eingriff in das Recht der Meinungsfreiheit des Redners begründet, darüber hinaus aber auch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit betroffen ist, da die kommunikative Entfaltung im Kollektiv beeinträchtigt wird.91 Fehlt es jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass tatsächlich strafbewehrte Äußerungen getätigt werden, 83 Siehe zu einer umfassenden Darstellung der ergangenen Rechtsprechung: Kniesel, in: Dieter/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 124–131; s. a. Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 188–193. 84 So schon in seinem Beschluss vom 26.06.1990, BVerfGE 82, 236, 258. 85 BVerfGE 90, 241, 246; s. auch Darstellung bei Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106 Rn. 86; ebenso einige weitere Beschlüsse des BVerfG: BVerfG, Beschl. v. 24.03.2001, NJW 2001, 2069, 2070 f.; Beschl. v. 07.04.01, NJW 2001, 2072, 2074; Beschl. v. 05.09. 2003, BVerfG-K 2, 1, 5. 86 BVerfGE 111, 147, 154 f. mit Verweis auf BVerfGE 90, 241, 246. 87 Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 191. 88 BVerfGE 111, 147, 155. 89 BVerfGE 90, 241, 250. 90 Siehe dazu auch Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 127; BVerfG, NVwZ 2002, 713 f.; BVerfG, NVwZ-RR 2002, 500 f. 91 BVerfG, NVwZ 2002, 713; s. a. BVerfG, NVwZ-RR 2002, 500, 500 f.
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könnten solche weitreichenden Eingriffe nicht gerechtfertigt werden.92 Insbesondere sei dann zunächst zu prüfen, ob der Gefahr auch durch mildere Mittel wie einer versammlungsrechtlichen Auflage begegnet werden könnte.93 Das Rednerverbot ist somit ein Beispiel dafür, dass sowohl die Versammlungsals auch die Meinungsfreiheit betroffen sind, da in diesen Fällen gerade die versammlungstypische Äußerungsform im Hinblick auf den Inhalt der erwarteten Äußerung verboten wird.94 Eine Betroffenheit beider Grundrechte nahm das BVerfG auch für das Verbot eines bestimmten Versammlungsmottos an.95 Beide Grundrechte seien auch bei Auflagen betroffen, die das Verbreiten bestimmter Parolen in mündlicher wie schriftlicher Form sowie Aussagen zu bestimmten Vereinigungen in Reden, Sprechchören und auf Transparenten untersagten. Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG sei eröffnet, weil es sich hier gerade um eine Beschränkung der Art und Weise der Durchführung der Versammlung handele.96 (2) Ansichten in der Literatur Die überwiegende Auffassung in der Literatur geht davon aus, dass die beiden Grundrechte in Fällen der Meinungsbildung und -kundgebung nebeneinander zur Anwendung kämen.97 Betreffen die Maßnahmen nur den Inhalt der Versammlung und damit die dort geäußerten Ansichten, so sei Art. 5 GG einschlägig. Richtet sich die Beschränkung hingegen gegen die Art und Weise der Kundgebung im Rahmen der Versammlung, so sei Art. 8 GG betroffen.98 Insofern kämen auch entweder die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG oder diejenigen des Art. 8 Abs. 2 GG zur Anwendung.99
92
BVerfG, NVwZ 2002, 713. BVerfG, NVwZ-RR 2002, 500 f. 94 Siehe zu dieser Einordnung: Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 191. 95 BVerfG-K 13, 1, 4 f. 96 BVerfG-K 13, 82, 87. 97 Vgl. Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 87; HoffmannRiem, in: HGR IV, § 106 Rn. 86; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 84; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn. 2; Kloepfer, in: HStR VII, § 146 Rn. 120; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 132; Müller, Wirkungsbereich und Schranken der Versammlungsfreiheit, insbesondere im Verhältnis zur Meinungsfreiheit, S. 74–77; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 128; a. A. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 182, der nur Art. 5 GG zur Anwendung kommen lassen will, weil dieser die Meinungskundgabe über die Versammlung hinaus schütze. 98 Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 87; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 84; Hofmann, BayVBl 1987, 97, 105; Kloepfer, in: HStR VII, § 146 Rn. 120; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 128. 99 Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 84; Kloepfer, in: HStR VII, § 146 Rn. 120. 93
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
Es könne jedoch auch Maßnahmen geben, die sowohl den Inhalt als auch die Form der Versammlung tangieren. Insofern müssen sich die Maßnahmen sowohl an Art. 5 GG als auch an Art. 8 GG messen lassen.100 Teilweise tendieren die Autoren sogar dazu, die gleichzeitige Betroffenheit beider Grundrechte als Regelfall anzusehen.101 Begründet wird dies mit der Vereinigung der inhaltlichen Stellungnahme und dem Rahmen einer Versammlung, die eine Anwesenheit mehrerer Personen impliziert, die die besondere Eindringlichkeit zur Folge hat.102 Die Gestaltungselemente würden bei Versammlungen gerade ineinander übergehen. Ort, Zeitpunkt und Art als Schutzgut der Versammlungsfreiheit ließen sich oft nicht von dem Inhalt der Versammlung als von der Meinungsfreiheit geschütztem Gut trennen.103 Ein Redeverbot greife insofern sowohl in die Meinungsfreiheit des Redners als auch in die Versammlungsfreiheit sowohl des Redners als auch der anderen Teilnehmer ein.104 Eine Einschränkung aufgrund der öffentlichen Ordnung sei in diesen Fällen dann nicht möglich.105 Somit greift die Literatur beide Vorgehensweisen der Rechtsprechung auf, zum einen eine Abgrenzung danach, ob nur die Versammlungsfreiheit oder nur die Meinungsfreiheit betroffen ist, wobei dann die jeweiligen Schranken Anwendung finden, und zum anderen die Fälle, in denen beide Grundrechte einschlägig sind, weil das Verbot der Meinungsäußerung auch die Durchführung der Versammlung betrifft.106 (3) Konsequenzen für ein Auftrittsverbot Sowohl nach Ansicht der Rechtsprechung als auch nach Ansicht der Literatur greift ein Redeverbot sowohl in die Meinungsfreiheit des Redners, der auftreten möchte, als auch in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters ein, der den Redebeitrag in den Ablauf der Versammlung integrieren möchte.
100 Geis, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 8 Rn. 137; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 87; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn. 20; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 128; a. A., nämlich für eine durchgehend getrennte Beurteilung: Müller, Wirkungsbereich und Schranken der Versammlungsfreiheit, insbesondere im Verhältnis zur Meinungsfreiheit, S. 86 f. 101 Geis, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 8 Rn. 137; Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422, 424. 102 Geis, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 8 Rn. 137. 103 Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422, 424. 104 Geis, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 8 Rn. 137; s. a. Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257, 259. 105 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn. 20 mit Verweis auf BVerfGE 111, 147, 155 f.; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 128. 106 So die explizite Unterscheidung bei Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 128 (mit den entsprechenden Nachweisen aus der Rechtsprechung); Gusy, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 87.
B. Relevante Grundrechte
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Insofern ist für die vorliegende Problematik, dass der Auftritt eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds verboten werden soll, erneut relevant, dass sich diese Personen selbst gerade nicht auf den Grundrechtsschutz des Grundgesetzes berufen können und somit allein maßgeblich ist, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit des Veranstalters betroffen wird. Eine solche Betroffenheit der Versammlungsfreiheit des Veranstalters kann unter dem Gesichtspunkt, dass Redebeiträge von ausländischen Staatsoberhäuptern oder Regierungsmitgliedern wohl immer einen wichtigen Beitrag zur Diskussion auf der Versammlung leisten und damit die kollektive Meinungsbildung und -äußerung maßgeblich beeinflussen, angenommen werden. Richtet sich nun ein Auftrittsverbot an den Redner oder an den Veranstalter selbst, so ist damit der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit in Form der Bestimmung der Redner berührt. dd) Überzeugungskraft der Argumentation des OVG Münster Das OVG Münster stellt in seinem Beschluss vom 29.07.2016 zunächst auf den Schutzzweck der Versammlungsfreiheit ab, der nicht darauf ausgerichtet sei, „ausländischen Staatsoberhäuptern oder Regierungsmitgliedern ein Forum zu eröffnen, sich auf öffentlichen Versammlungen im Bundesgebiet in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger amtlich zu politischen Fragestellungen zu äußern“ 107. Diese Auffassung findet teilweise Zuspruch mit dem Hinweis, dass die Versammlungsfreiheit hinter die außenpolitische Dimension der Auftrittsentscheidung zurücktritt.108 Die Versammlungsfreiheit sei gerade auf Deutsche beschränkt und somit nicht darauf ausgerichtet, ausländischen Politikern die Möglichkeit zu geben, sich hier zu äußern.109 Ihre Reden seien vielmehr dem außenpolitischen Bereich zuzuordnen.110 Diese Ansicht führt dann allerdings dazu, dass der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit für den Veranstalter nicht eröffnet ist. Andere suchen nach einer passenden Ermächtigungsgrundlage im Versammlungsrecht.111 Damit stellen sie sich auf den Standpunkt, dass die Versammlungsfreiheit des Veranstalters nicht durch die außenpolitische Dimension eines Rednerauftritts beschränkt werde.112 Dafür spricht insbesondere, dass ansonsten die Grenze zwischen dem durch die Versammlungsfreiheit geschützten Selbstbe107
OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 11. Muckel, JA 2017, 396, 398 sowie Müller, FAZ 07.03.2017, S. 8. 109 Muckel, JA 2017, 396, 398. 110 Müller, FAZ, 07.03.2017, S. 8. 111 Jacob, NVwZ-Extra, 16/2017, 1, 5 f.; Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 143 f.; Schaks, Erdogan in Köln: Zumutungen des Versammlungsrechts, VerfBlog, 03.08.2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumutungen-desversammlungsrechts/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 112 Auch Schwander, ZJS 2017, 242, 244, fragt nach einer von der außenpolitischen Entscheidung unabhängigen Grundrechtsberechtigung des Veranstalters. 108
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
stimmungsrecht des Veranstalters über die Gestaltung der Versammlung und dem davon nicht mehr umfassten Bereich der Außenpolitik schwer zu bestimmen wäre.113 Das OVG Münster stellt allerdings zur Begründung dieser Schutzbereichsbegrenzung auf die fehlende Grundrechtsberechtigung des Staatspräsidenten ab.114 Somit handele es sich auch bei der versammlungsrechtlichen Auflage gerade nicht um ein Rednerverbot für den Staatspräsidenten, weil dieser sich nicht auf die Grundrechte berufen könne.115 Das ist nach dem oben Erläuterten zutreffend, allerdings hat das OVG damit den „Grundrechtsberechtigten ausgetauscht“ 116. Denn im vorliegenden Fall war der Veranstalter Beschwerdeführer im Verfahren vor dem OVG, da dieser sich gerade gegen den Bescheid und den Beschluss des VG Köln wandte.117 Wie soeben festgestellt, greift ein Redeverbot eben auch in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit desjenigen ein, der die Versammlung veranstaltet. Die oben erläuterte Rechtsprechung des BVerfG zur Grundrechtsrelevanz von Redeverboten auf Versammlungen nahm auch das OVG Münster in seine Entscheidung auf118, stellt aber dann im weiteren Verlauf der Entscheidung vielmehr auf die fehlende Grundrechtsberechtigung des Redners ab.119 Diese Argumentation des OVG kann daher den Ausschluss der Redebeiträge ausländischer Hoheitsträger aus dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit nicht hinreichend stützen. Hinzu kommt, dass nach dem soeben zum sachlichen Schutzbereich der Versammlungsfreiheit Erläuterten nicht ersichtlich ist, dass solche Fälle bereits aus dem Schutzbereich herausfallen sollen.120 Die Gestaltungsfreiheit des Veranstalters sollte vielmehr auch die Redebeiträge von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern umfassen und die
113
Ähnlich auch: Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 5 f. OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 11 f. 115 OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 11. 116 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605. 117 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605; auf diesen Umstand ebenfalls hinweisend: Schneider, in: Beck-OK GG, Art. 8 Rn. 11.4. 118 OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649 Rn. 9. 119 Ebenfalls kritisch zu diesem Vorgehen und darauf hinweisend, dass es hier gerade um die Versammlungsfreiheit des Veranstalters geht, die betroffen ist: Jacob, NVwZExtra 16/2017, 1, 6. 120 Ebenso: Steuer, Bitte nicht reden! Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder in Deutschland, VerfBlog, 04.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/ bitte-nicht-reden-auftritte-auslaendischer-regierungsmitglieder-in-deutschland/ (letzter Zugriff: 24.01.19); gegen eine Herleitung der fehlenden Grundrechtsberechtigung des Veranstalters aus der fehlenden Grundrechtsberechtigung des Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds: Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 143. 114
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fehlende Grundrechtsberechtigung des Redners sollte nicht automatisch zu einem Ausschluss aus dem Schutzbereich des Veranstalters führen.121 ee) Notwendigkeit der physischen Anwesenheit Fraglich könnte indes sein, ob die Versammlungsfreiheit deshalb nicht betroffen ist, weil der Redner nicht physisch anwesend ist. Das Vorgehen des OVG Münster wird derart ausgelegt, dass immer dann, wenn eine Grundrechtsberechtigung des Redners fehlt, weil dieser kein Deutscher i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG ist, auch eine Zuschaltung nicht möglich sei.122 Oben wurde bereits dargestellt, dass es gerade die physische Anwesenheit der Versammlungsteilnehmer ist, die ihren besonderen Schutz rechtfertigt123, allerdings sind die hier in Rede stehenden Beschwerdeführer als Veranstalter gerade körperlich anwesend.124 Es erscheint nicht überzeugend, die physische Anwesenheit zum Kriterium dafür zu machen, dass ein Redebeitrag auf einer Versammlung gezeigt werden darf. Das würde zu teils unzumutbarem organisatorischen Aufwand führen.125 Zudem wäre ein Abspielen von Redebeiträgen aus der Vergangenheit nicht mehr möglich.126 Andere stellen darauf ab, dass die Entscheidung, ob ein Redner körperlich anwesend ist oder über eine Leinwand zugeschaltet wird, gerade vom Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters erfasst sei.127 Insofern ist für die Frage der physischen Anwesenheit nicht auf den Redner, der im Zweifel nur zugeschaltet wird, abzustellen, sondern vielmehr auf die physisch anwesenden Veranstalter der Versammlung,128 deren Grundrechtsberechtigung hier auch gerade im Mittelpunkt der Untersuchung steht. e) Zwischenergebnis Soweit der Veranstalter Deutscher i. S. d. Art. 116 GG ist und damit der persönliche Schutzbereich der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet ist, umfasst der sachliche Schutzbereich auch die Wahl der Redner und somit auch 121
Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 143. Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605. 123 So auch die Definition der Versammlung in OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 10, dem zustimmend: Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605. 124 Siehe auch die Argumentation bei Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605. 125 Vgl. Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605. 126 Schneider, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 8 Rn. 11.4. 127 Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 143; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 813. 128 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 813. 122
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die Einladung derselben. Der sachliche Schutzbereich reicht allerdings nicht so weit, dass der Veranstalter der Versammlung daraus einen Anspruch auf eine positive Einreiseentscheidung der Bundesregierung ableiten könnte. Diese Entscheidung vollzieht sich nach dem Völkerrecht vielmehr auf der zwischenstaatlichen Ebene. Das Aufstellen der Videoleinwand fällt unter dem Gesichtspunkt der besseren Erreichbarkeit der Versammlungsteilnehmer in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Dient sie allerdings dazu, einen nicht anwesenden Redner live zuzuschalten, so handelt es sich vielmehr um eine Kombination verschiedener Gestaltungsfreiheiten, zum einen die Auswahl der Redner und zum anderen die Auswahl der technischen Hilfsmittel. Dass der Redner selbst nicht Träger von Grundrechten ist, kann nicht zu einer Versagung der Schutzbereichseröffnung für den Veranstalter führen. Denn ein Rednerverbot fällt auch in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit des Veranstalters. 4. Eingriff Auch hinsichtlich des Eingriffs sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Zunächst könnte ein an das ausländische Staatsoberhaupt adressiertes Auftrittsverbot einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellen. Zudem könnte sich ein Verbot, einen bestimmten Redner auftreten zu lassen, auch unmittelbar an den Veranstalter richten, sowohl in der Form, dass er physisch nicht anwesend sein darf, als auch in Form des Verbots einer Zuschaltung über die Medien. Der klassische Eingriffsbegriff ist durch vier Elemente geprägt: Finalität, Unmittelbarkeit, Rechtsförmigkeit und die zwangsweise Durchsetzbarkeit.129 Durch den modernen Eingriffsbegriff 130 werden diese vier Elemente erweitert.131 Nach diesem liegt ein Eingriff durch staatliches Handeln immer dann vor, wenn dem Grundrechtsträger dadurch ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich gemacht wird beziehungsweise ein Rechtsgut beeinträchtigt.132 Somit fallen insbesondere auch mittelbare und faktische Eingriffe unter den Eingriffsbegriff.133 Das BVerfG verwendet insofern den Begriff eines „funktionalen Äquivalents eines Eingriffs“ 134. 129
BVerfGE 105, 279, 300; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 292. Für die Terminologie „erweiterter Eingriffsbegriff“: Peine, in: HGR III, § 57 Rn. 31. 131 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb., Rn. 125; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 294. 132 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 294; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313, 313. 133 BVerfGE 116, 202, 222; 118, 1, 20; Peine, in: HGR III, § 57 Rn. 31; s. dazu auch: Hufen, Staatsrecht II, § 8 Rn. 9 f. 134 BVerfGE 105, 252, 273; 105, 279, 303; 116, 202, 222; 118, 1, 20. 130
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Von mittelbaren Grundrechtseingriffen wird dann gesprochen, wenn das staatliche Handeln nur eine von mehreren Ursachen für die Beeinträchtigung des Grundrechts bildet.135 Die Beeinträchtigung des Grundrechts erfolgt dann nicht direkt durch den Staat, sondern vielmehr durch das Verhalten eines Dritten.136 Entscheidend ist, dass dem Staat dieses Verhalten zurechenbar ist, was unzweifelhaft bei einer vom Staat intendierten Wirkung, aber auch bei einer Vorhersehbarkeit und Billigung des Staates der Fall sei.137 Faktischen Eingriffen fehlt es hingegen an der Rechtsförmigkeit.138 Eine Gleichstellung mit Eingriffen im klassischen Sinne ist dann anzunehmen, wenn die Maßnahme nach Zielrichtung und Wirkung einen Ersatz für einen Eingriff darstellt.139 Würde ein solch funktionales Äquivalent gewählt, so könne dies nicht von den rechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen, insbesondere das Vorliegen einer besonderen gesetzlichen Grundlage,140 entbinden.141 Wird das Verbot, einen Redner auftreten zu lassen, direkt an den Veranstalter der Versammlung gerichtet, sei es in Form des Verbots einer Live-Zuschaltung oder in Form der physischen Präsenz, so liegt ein unmittelbarer Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters vor.142 Da ein an das ausländische Staatsoberhaupt adressiertes Redeverbot hinsichtlich seiner Wirkung einer den Veranstalter der Versammlung direkt treffendes Verbot, den Redner sprechen zu lassen, gleichkommt, kann es unzweifelhaft als Maßnahme mit Eingriffsqualität gewertet werden.143 5. Rechtfertigungsmöglichkeiten Insofern kommt es auf die Frage an, ob diese mittelbaren sowie unmittelbaren Eingriffe in die Versammlungsfreiheit gerechtfertigt werden können. 135 Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rn. 125; Sodan/Ziekow, GK Öffentliches Recht, § 24 Rn. 7. 136 Hoffmann-Riem, in: HGR, Bd. IV, § 106, Rn. 30. 137 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313, 313. 138 Hoffmann-Riem, in: HGR, Bd. IV, § 106, Rn. 30; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313, 313. 139 BVerfGE 105, 252, 273; 105, 279, 303; BVerwG, NVwZ 2018, 433, 434 f., Rn. 21; Hoffmann-Riem, in: HGR, Bd. IV, § 106, Rn. 29. 140 BVerfGE 105, 279, 303; BVerwG, NVwZ 2018, 433, 434 f., Rn. 21. 141 BVerfGE 105, 252, 273. 142 So auch die Feststellung bei Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 136, der darüber hinaus offen lässt, ob auch die Meinungsfreiheit betroffen ist. 143 So auch Petersen, Erdog ˘ an und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03.2017, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahlkampf-auf tritt-deutschland-versammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019).
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
a) Rechtfertigung eines mittelbaren Eingriffs aufgrund von Kompetenzvorschriften? Zunächst könnte hinsichtlich der mittelbaren Eingriffe auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG zur Osho-Bewegung144 eine Rechtfertigungsmöglichkeit aufgrund von Kompetenznormen diskutiert werden. So wird vorgeschlagen, den Gedanken der Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Grundlage bei mittelbaren Grundrechtseingriffen durch ein Informationshandeln der Bundesregierung auch auf Entscheidungen der Bundesregierung gemäß Art. 32 Abs. 1 GG zu übertragen. Für den mittelbaren Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters durch das an das ausländische Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied gerichtete Teilnahmeverbot würde dann Art. 32 Abs. 1 GG ausreichen.145 aa) Die grundrechtsbeschränkende Wirkung von Kompetenznormen Bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Argumentation des OVG Münster bezüglich der Statuierung eines grundrechtsfreien Bereichs wurden Kompetenznormen herangezogen, womit die Frage nach ihrer materiell-rechtlichen Wirkung aufkam146, die an dieser Stelle hinsichtlich einer Bedeutung im Rahmen einer Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs beleuchtet werden soll. Nach einer stark vertretenen Auffassung reichen bloße Kompetenzvorschriften aus dem Grundgesetz nicht für eine Einschränkung der Grundrechte aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts aus.147 Für diese Ansicht spricht die vorrangige
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BVerfGE 105, 279–312. Petersen, Erdog˘an und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03.2017 online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahlkampf-auftritt-deutsch land-versammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019). 146 S. o. unter § 5 A. II. 1. 147 Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, Rn. 109; Epping, Grundrechte, Rn. 87; Hufen, Staatsrecht II, § 9 Rn. 33; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. Vor Art. 1 Rn. 49 (einschränkend nur für Vorschriften, die nicht zu einem Handeln verpflichten); Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 607; Selk, JuS 1990, 895, 897 ff.; BVerfGE 69, 1, Abw. Meinung Mahrenholz/Böckenförde, 57, 59 ff.; grds. zustimmend, Ausnahmen bei zusätzlichen Voraussetzungen aber anerkennend: v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 119 f.; Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 30; dafür allerdings: BVerfGE 28, 243, 261; 32, 40, 46; 69, 1, 21 f.; Heun, JZ 2002, 517, 523 (für den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG); v. Pollern, JuS 1977, 644, 648; den Meinungsstand dahingehend zusammenfassend, dass die Mehrheit grundsätzlich von einer materiell-rechtlichen Wirkung ausgeht, diese aber sehr zurückhaltend hinsichtlich von Grundrechtsbeeinträchtigungen anwendet und nur aufgrund einer Einzelfallbetrachtung: Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 131 f.; zu einem ausführlichen Nachweis der sich im Laufe der Jahrzehnte ändernden vorherrschenden Meinungen: Selk, JuS 1990, 895, 896 f., insb. S. 896, Fn. 18, S. 897, Fn. 30. 145
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organisatorische Ausrichtung der Kompetenznormen, die somit nicht grundsätzlich einen grundrechtsbeschränkenden Verfassungswert beinhalten.148 So stellen auch die Richter Mahrenholz und Böckenförde in einem abweichenden Sondervotum zur Entscheidung des BVerfG vom 24.04.1985149 fest: „Bundesstaatliche Kompetenzvorschriften haben den Sinn, die Handlungsbereiche von Bund und Ländern gegeneinander abzugrenzen“.150 Allerdings „erheben [sie] Gegenstände möglichen staatlichen Handelns aber nicht zu materiell-rechtlichen Handlungsaufträgen, -geboten oder sonstigen ,Wert‘-Entscheidungen“.151 Weiter führen sie aus, dass die Kompetenz-, Organisations- und Ermächtigungsnormen des Grundgesetzes unzulässig umgedeutet würden, wenn ihnen die Bedeutung einer verfassungsimmanenten Grundrechtsschranke durch darin zum Ausdruck kommende Verfassungswerte zugesprochen würde.152 Es drohe zudem eine zu leichte Einschränkung der Grundrechte153 sowie die Konsequenz, dass die Grundrechte zu „Abwägungsgesichtspunkten“ degradiert würden.154 Hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenznormen des Grundgesetzes wird in diese Richtung angeführt, dass diese nicht selbst den Verfassungswert festlegen, sondern vielmehr der Gesetzgeber dazu befugt ist, die kollidierenden Güter in einen schonenden Ausgleich zu bringen.155 Zudem würden Kompetenzen keine Pflicht zur Ausübung dieser Kompetenz in einem bestimmten Sinne begründen.156 Darüber hinaus treffe die Zuordnung einer Kompetenz an den Bund oder die Länder keine Aussage hinsichtlich der Grundrechtsbindung.157 Gegen die Qualität einer verfassungsimmanenten Schranke der Kompetenzvorschriften wird zudem das Argument angeführt, dass lediglich Bundeskompetenzen im Grundgesetz geregelt sind und somit Grundrechtseinschränkungen nur in diesen Bereichen durch den Bund möglich seien, nicht aber durch die Länder im Rahmen ihrer Kompetenzen.158
148 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 142 f.; ähnl. auch: Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 30; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 132. 149 BVerfGE 69, 1 ff. 150 BVerfGE 69, 1, abw. Meinung Mahrenholz/Böckenförde, 57, 60. 151 BVerfGE 69, 1, abw. Meinung Mahrenholz/Böckenförde, 57, 60. 152 BVerfGE 69, 1, abw. Meinung Mahrenholz/Böckenförde, 57, 60. 153 BVerfGE 69, 1, abw. Meinung Mahrenholz/Böckenförde, 57, 62. 154 BVerfGE 69, 1, abw. Meinung Mahrenholz/Böckenförde, 57, 63; die Gefahr der Entwertung der Grundrechte ebenfalls erkennend und dem Sondervotum somit zustimmend: Selk, JuS 1990, 895, 898. 155 Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, Rn. 109 f. 156 Epping, Grundrechte, Rn. 87. 157 Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 30; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 132. 158 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. Vor Art. 1, Rn. 49; s. a. Epping, Grundrechte, Rn. 87; Selk, JuS 1990, 895, 898.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
Ausnahmsweise wird Regelungen ein Verfassungswert, der zur Grundrechtsbeschränkung ausreichen soll, entnommen, wenn die Regelungen einen solchen zusätzlichen, auf einen bestimmten Auftrag oder die Legitimation von Grundrechtseingriffen gerichteten, Aussagegehalt beinhalten.159 Auch Art. 32 Abs. 1 GG treffe als Kompetenznorm keine Entscheidung darüber, welches Gewicht dem dort geregelten Bereich zukommen soll. Vielmehr lege Art. 32 Abs. 1 GG die Zuständigkeit für diesen Bereich fest.160 Diesen zuständigen Organen komme dann die Aufgabe zu, Grundrechtseingriffe, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Kompetenz aus Art. 32 GG ergeben, zu rechtfertigen.161 bb) Die Osho-Entscheidung des BVerfG Die Osho-Entscheidung des BVerfG hielt den dreigliedrigen Aufbau von Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung aufrecht. Die Äußerungen der Regierung würden einen mittelbar-faktischen Grundrechtseingriff in Art. 4 GG darstellen.162 Für eine Rechtfertigung dieses Eingriffs bedürfe es allerdings keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigung.163 Die Befugnis der Bundesregierung zur Information des Parlaments und der Öffentlichkeit über die Osho-Bewegung ergäbe sich aus der Aufgabe der Staatsleitung.164 Der Vorbehalt des Gesetzes erschöpfe sich somit in der Aufgabenzuweisung. Dieses Vorgehen sei für staatliches Informationshandeln notwendig, da sich diese Aufgaben einer Normierung durch den Gesetzgeber entzögen, da die konkreten Anlässe und Umstände, die zu einer mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung des Bürgers führen würden, unvorhersehbar seien.165 Grenzen ergäben sich dann aus der Einhaltung der Zuständigkeitsordnung und des staatlichen Neutralitätsgebots sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.166 cc) Kritik der Literatur Insbesondere die vom BVerfG angenommene Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Grundlage wird zum einen im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes167 und zum anderen im Hinblick auf den grundsätz159 v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 119 f.; Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 30; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 132. 160 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 27. 161 Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 27. 162 BVerfGE 105, 279, 300 f. 163 BVerfGE 105, 279, 301. 164 BVerfGE 105, 279, 301. 165 BVerfGE 105, 279, 304 f. 166 BVerfGE 105, 279, 305 f., 308 f. 167 Die Erstaunlichkeit des Vorgehens des BVerfG herausstellend: Ruge, ThürVBl 2003, 49, 51 f.
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lich unzulässigen Schluss von einer Aufgabe auf eine Befugnis168 äußerst kritisch gesehen.169 Dem Argument, das für die Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Grundlage in Fällen mittelbar-faktischer Eingriffe für das Informationshandeln der Regierung hervorgebracht wird, nämlich dass diese unvorhersehbar seien und somit nicht normiert werden könnten,170 wird entgegengehalten, dass die Vielzahl der Normierungen für staatliches Informationshandeln zeige, dass dieses Argument nicht überzeugen kann.171 dd) Übertragbarkeit auf die vorliegende Problematik Zunächst ist die materiell-rechtliche Wirkung von Kompetenznormen äußerst zweifelhaft, da sie in ihrer primären Zielrichtung nicht darauf ausgerichtet sind, solche Wirkungen zu entfalten, sondern vielmehr nur die Zuständigkeiten verteilen, ohne genaue Angaben dazu zu machen, wie diese auszufüllen sind. Auch überzeugt es nicht, neben den Fällen des Informationshandelns der Regierung, das in der Rechtsprechung des BVerfG behandelt wurde, und bei dem die Zuweisung einer staatlichen Aufgabe einen Eingriff ausschließen beziehungsweise eine Rechtfertigung darstellen sollte, eine weitere Kategorie zu eröffnen, Grundrechtseingriffe, die aufgrund eines Handelns gem. Art. 32 Abs. 1 GG im Rahmen der Pflege der auswärtigen Beziehungen getätigt werden, auf dieselbe Art und Weise zu rechtfertigen. Insbesondere der in der Literatur geäußerte Vorwurf der Umgehung des Gesetzesvorbehalts wiegt schwer. Dennoch wird an dem Ansatz, in der vorliegenden Konstellation mittelbare Eingriffe in die Versammlungsfreiheit durch Art. 32 GG zu rechtfertigen, festgehalten, weil sich der Adressat des Verbots nicht auf Grundrechte berufen könne und es für die anderen Betroffenen nur einen mittelbaren Eingriff darstellen würde.172
168 So v. Coelln, JA 2003, 116, 118; dazu auch: Hellmann, NVwZ 2005, 163, 166 bzgl. der Glykol-Entscheidung, wobei sie darauf hinweist, dass es in dieser Entscheidung noch um die Eingriffsprüfung ging und innerhalb dieser die Prüfung einer Ermächtigungsgrundlage ohnehin überflüssig sei. 169 Zu beidem: Huber, JZ 2003, 290, 294 ff.; zweifelnd auch: Murswiek, NVwZ 2003, 1, 6 f. 170 BVerfGE 105, 279, 304; ebenso: Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313, 314; ausführlich gegen dieses zentrale Argument des BVerfG Stellung beziehend: Huber, JZ 2003, 290, 294 f. 171 Das bereits früh feststellend: Huber, JZ 2003, 290, 295; s. a. Voßkuhle/Kaiser, JuS 2018, 343, 344, die das Problem durch eine Vielzahl in der Zwischenzeit ergangener Normierung als abgemildert ansehen. 172 Petersen, Erdog ˘ an und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03.2017 online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahlkampf-auftritt-deutsch land-versammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019).
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Allerdings ist es wenig überzeugend, Fälle, in denen sich das Auftrittsverbot direkt gegen den ausländischen Hoheitsträger wendet, anders zu behandeln, als solche, die dem Veranstalter direkt die Pflicht auferlegen, die Person nicht als Redner auftreten zu lassen. Insbesondere unterscheiden sich die Auswirkungen auf die Versammlungsfreiheit nicht. Daran zeigt sich eine weitere Schwierigkeit der Übertragung der Osho-Rechtsprechung auf die vorliegende Problematik: Während in Fällen des Informationshandelns der Regierung die Auswirkung auf die jeweiligen Grundrechte noch von einem freiwilligen Verhalten eines Dritten abhängen, stellt das Auftrittsverbot einen stärkeren und direkteren Eingriff dar, da den Personen kein rechtmäßiger Handlungsspielraum mehr verbleibt. Insofern lässt sich festhalten, dass die Kompetenzzuweisung an die Bundesregierung nicht die einzige Grundlage für ein Auftrittsverbot, das in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters eingreift, darstellen kann. b) Rechtfertigungsmöglichkeiten hinsichtlich mittelbarer sowie unmittelbarer Eingriffe in die Versammlungsfreiheit Für Versammlungen unter freiem Himmel gilt gemäß Art. 8 Abs. 2 GG ein Gesetzesvorbehalt. Während die Gerichte ihre Argumentation auf der Stufe des Schutzbereichs verorten und somit keine weitere Grundrechtsprüfung mehr vornehmen müssen, entschied sich die Behörde im vom OVG Münster entschiedenen Präzedenzfall für eine gegen den Veranstalter gerichtete Auflage und rechtfertigte damit den Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Inwiefern ein solches Vorgehen tragfähig ist, soll im Folgenden unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen in die Versammlungsfreiheit untersucht werden. aa) Einschränkungsmöglichkeiten der Versammlungsfreiheit (1) Wechselwirkungslehre Die im Brokdorf-Beschluss173 herausgestellte besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit für die Demokratie setzt sich in den Anforderungen an deren Einschränkungsmöglichkeiten fort, wenn das BVerfG in eben dieser Entscheidung betont, dass die Vorschriften des Versammlungsgesetzes nur dann den Anforderungen der Verfassung genügen, wenn sie „unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Bedeutung der Versammlungsfreiheit ausgelegt und angewendet werden“.174 Das bedeute zunächst für die Gesetzgebung, dass diese nur solche einschränkenden Regelungen erlassen darf, die den Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter bezwecken und zudem verhältnismäßig sind. Bei der Auslegung 173 174
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und Anwendung dieser Gesetze sei dann – wie bei der Einschränkung der Meinungsfreiheit – jeweils die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit zu beachten.175 Insofern gilt auch für die Versammlungsfreiheit die Wechselwirkungstheorie.176 (2) Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Versammlungsgesetzes Die öffentliche Sicherheit umfasst die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, den Schutz von Individualrechtsgütern sowie den Bestand des Staates und seiner Einrichtungen.177 Die öffentliche Ordnung umfasst all jene ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen für ein gedeihliches Zusammenleben in einem bestimmten Gebiet unabdingbar ist.178 Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung reicht für ein Versammlungsverbot nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht aus.179 Erforderlich ist vielmehr, dass Verbote und Auflösungen von Versammlungen zum Schutz elementarer Rechtsgüter erforderlich sind.180 Ein Versammlungsverbot könne als ultima ratio zudem nur dann ergehen, wenn zuvor versucht wurde, die Gefahren im Rahmen von Auflagen abzuwehren.181 Allerdings können sonstige beschränkende Maßnahmen der Versammlungsfreiheit wie Auflagen auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung gestützt werden.182 (3) Besondere Eingriffsschwellen In seinem Brokdorf-Beschluss183 hat das BVerfG zudem besondere Eingriffsschwellen für die Beschränkung der Ausübung der Versammlungsfreiheit festge175 BVerfGE 69, 315, 349, mit Verweis auf BVerfGE 7, 198, 208; 60, 234, 240 für die entsprechenden Anforderungen an die Beschränkungen der Meinungsfreiheit. 176 Hufen, Staatsrecht II, § 30 Rn. 4. 177 BVerfGE 69, 315, 352; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 154; s. dazu ausführlich: Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, §7 Rn. 2–41; Siegel/ Waldhoff, Öffentliches Recht in Berlin, § 2 Rn. 50–58, da die Schutzgüter im Versammlungsrecht denselben Inhalt haben wie im Polizei- und Ordnungsrecht, s. Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 19 Rn. 4. 178 Vgl. BVerfGE 69, 315, 352; BVerfG, NJW 2001, 2069, 2071; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 155; Siegel/Waldhoff, Öffentliches Recht in Berlin, § 2 Rn. 59–63, s. zur Kritik an diesem Begriff: Kingreen/Poscher, Polizei und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 44–48, sowie speziell zum Versammlungsrecht: ebd., § 20 Rn. 28, 43. 179 Siehe BVerfG-K 2, 1, 8; BVerfGE 69, 315, 352 f.; NJW 2001, 1409, 1410; NJW 2001, 2069, 2071; NJW 2001, 2072, 2074; NJW 2001, 2076, 2077. 180 BVerfGE 69, 315, 353; s. a. BVerfG, NJW 2001, 2076, 2077. 181 BVerfGE 69, 315, 353, 362. 182 BVerfG, NJW 2001, 1409, 1410; NJW 2001, 2069, 2071; NJW 2001, 2072, 2074; NJW 2001, 2076, 2077. 183 BVerfGE 69, 315 ff.
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legt.184 Auch wenn § 15 VersG bereits gegenüber den polizeilichen Schutzgütern insofern erhöhte Anforderungen stellt, dass „nach den [. . .] erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist“, so bedurfte es doch darüber hinaus einer verfassungskonformen einschränkenden Auslegung durch das BVerfG.185 Diese gilt dann auch für entsprechende landesrechtliche Vorschriften zur Beschränkung der Versammlungsfreiheit.186 Dabei stellt das BVerfG drei Anforderungen an die Eingriffsschwelle:187 Verbote und Auflösungen von Versammlungen sind danach zunächst im Hinblick auf das zu schützende Rechtsgut nur zulässig, wenn dieses ein „wichtiges Gemeinschaftsgut“ 188 beziehungsweise ein „elementares Rechtsgut“ 189 ist. Zudem muss das Rechtsgut „unmittelbar“ gefährdet sein, was einen erhöhten Wahrscheinlichkeitsgrad gegenüber der polizeilichen Eingriffsbefugnis impliziert.190 Somit muss die Gefährdung mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ drohen.191 Erforderlich ist dafür zuletzt eine Gefahrenprognose, die nicht nur auf einem Verdacht oder Vermutungen beruht, sondern auf „Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten“.192 Diese Grundlagen müssen „ausgewiesen werden“.193 Aufgrund der Möglichkeit der späteren Auflösung der Versammlung und der besonderen Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürften die Anforderungen an die Gefahrenprognose entsprechend hoch sein.194 Die Anforderungen an den Erlass von versammlungsrechtlichen Auflagen sind in der Hinsicht geringer, als sie auch zum notwendigen Schutz „anderer gleichwertiger Rechtsgüter“ ergehen können.195 Ansonsten ist auch für Auflagen erforderlich, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Gefährdung der Rechtsgüter gegeben ist und diese Prognose auch auf einer hinreichend konkreten Grundlage beruht.196 Beschränkt eine Auflage – wie im Falle eines Redeverbots – zudem 184
Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 164. Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106, Rn. 118. 186 Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 164. 187 So, auch zur folgenden Darstellung: Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 164 ff.; sich dem anschließend: Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106 Rn. 118. 188 BVerfGE 69, 315, 354. 189 BVerfGE 69, 315, 353; s. a. BVerfG, NJW 2001, 2069, 2071. 190 BVerfGE 69, 315, 353; Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 165. 191 BVerfGE 69, 315, 360, 362. 192 BVerfGE 69, 315, 353 f. 193 BVerfGE 69, 315, 353. 194 BVerfGE 69, 315, 354. 195 BVerfGE 69, 315, 353; Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 169. 196 Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 169. 185
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die Meinungsfreiheit und stellt sie einen besonders schweren Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar, so muss die Gefahrenprognose ergeben, dass Kundgaben von strafbewährten Äußerungen „mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind“.197 (4) Gegendemonstrationen Die Rechtsprechung des BVerfG zu Gegendemonstrationen lässt sich dahingehend zusammenfassen,198 dass sich Maßnahmen der Behörde, soweit die angemeldete Versammlung friedlich verläuft, immer gegen die Gegendemonstranten richten müssen, die die Störung hervorrufen.199 Es muss primäres Ziel der Polizei- und Ordnungsbehörden sein, derjenigen Versammlung, die zuerst angemeldet wurde, ihre Verwirklichung und Durchsetzung zu ermöglichen.200 Lediglich bei Vorliegen der Voraussetzungen des polizeilichen Notstands könne auch gegen die nicht störende Versammlung vorgegangen werden.201 Unterschieden werden dabei der echte und der unechte polizeiliche Notstand. Ein echter polizeilicher Notstand liegt vor, wenn die verfügbaren polizeilichen Einsatzkräfte nicht dazu in der Lage sind, der Versammlung den nötigen Schutz zu gewähren. Als unecht wird der polizeiliche Notstand dann bezeichnet, wenn die Maßnahmen gegen die Störer unverhältnismäßig wären, da die Schäden und Gefährdungen, die sie hervorrufen würden, in einem krassen Missverhältnis zu dem Ziel der Durchführung der Versammlung stehen würden.202 bb) Die versammlungsrechtliche Auflage als mögliche Grundlage eines Auftrittsverbots? Der Entscheidung des OVG Münster lag ein Auflagenbescheid des Polizeipräsidiums Köln zugrunde. Inwiefern dieser den strengen Anforderungen an die 197 BVerfG, NVwZ 2002, 713; BVerfG, NVwZ-RR 2002, 500, 501; Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106, Rn. 118; Hong, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2009, 155, 170. 198 Siehe die Darstellung bei: Hammer/Wiedemann, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 3, 2014, 219, 228 f., sowie zum Ganzen auch: Schulze-Fielitz, in: Dreier, Bd. I, GG, Art. 8 Rn. 103. 199 BVerfGE 69, 315, 360 f.; BVerfG, Beschl. v. 12.05.2010 – 1 BvR 2636/04 –, juris, Rn. 18; BVerfG, NVwZ 2013, 570, 571, Rn. 17; s. a. Kniesel, in: Dietel/Gintzel/ Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 443; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 28. 200 BVerfG, NVwZ 2000, 1406, 1407; BVerfG, Beschl. v. 12.05.2010 – 1 BvR 2636/ 04 –, juris, Rn. 18; vgl. auch Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 28. 201 BVerfGE 69, 315, 360 f.; BVerfG, NVwZ, 2000, 1406, 1407; BVerfG, Beschl. v. 12.05.2010 – 1 BvR 2636/04 –, juris, Rn. 18; BVerfG, NVwZ 2013, 570, 571, Rn. 17; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I Rn. 444. 202 VG Potsdam, Urt. v. 27.05.2014 – 3 K 2198/12, BeckRS 2105, 41878; s. zum Ganzen auch: Peters/Janz, LKV 2016, 193, 195 f.; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, Teil I, Rn. 444–448, der allerdings beide Arten des Notstands nur in ganz extremen Ausnahmefällen zur Anwendung kommen lassen will.
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Rechtfertigung von Eingriffen in die Versammlungsfreiheit standhalten kann, soll im Folgenden beispielhaft untersucht werden. (1) Inhalt der Auflage Die Behörde hatte die Aufstellung einer Videoleinwand auf der Bühne mittels einer versammlungsrechtlichen Auflage gemäß § 15 VersG untersagt.203 Zur Begründung führte sie aus, dass von der Polizei befürchtet werde, „dass aufgrund der Zusammensetzung der Versammlung insbesondere bei der Übertragung einer Liveschaltung des türkischen Staatspräsidenten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen emotionalisieren lassen und es aus der Versammlung heraus zu einer von Aggressionen geprägten Stimmung kommt“. Eine solche „Negativstimmung“ trage die Gefahr der Begehung von Straftaten in sich. Eine solche Gefahr sei bei persönlichen Auftritten anderer Redner nicht gegeben. Zudem führt die Behörde an, dass auch die Gefahr einer Auseinandersetzung mittels Straftaten mit einer sich spontan bildenden Gegendemonstration zu befürchten sei. Denn die Liveschaltung aus der Türkei könnte eine Provokationswirkung entfalten. In der Untersagung von Liveschaltungen sieht die Behörde kein milderes, gleich geeignetes Mittel.204 (2) Beurteilung des Auflagenbescheids Anzumerken ist zunächst, dass der Auflagenbescheid und die Rechtsgrundlage des § 15 VersG in den Entscheidungen der Gerichte erstaunlicherweise keine Rolle mehr spielen, da zunächst das VG Köln – statt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 VersG zu prüfen – vielmehr die Frage stellt, ob ein Anspruch auf die Zuschaltung der Beiträge besteht.205 Auch das OVG Münster nimmt vielmehr die Prüfung vor, ob ein grundrechtlicher Anspruch darauf besteht, ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder in dieser Funktion hier sprechen zu lassen206 und nimmt somit vielmehr eine Schutzbereichsbegrenzung vor.207 203 Vgl. Nr. 4 der Auflagen des Bescheids vom 27.07.2016, S. 4, online abrufbar unter: www.felser.de/wp-content/uploads/2016/08/Auflagenbescheid_PP_Ko%CC%88ln_ geschw_2016-08-06_.pdf. (letzter Zugriff: 26.01.19). 204 Siehe zu dieser gesamten Ausführung die Begründung unter Nr. 4 der Auflagen des Bescheids vom 27.07.2016, S. 4 f., online abrufbar unter: www.felser.de/wp-con tent/uploads/2016/08/Auflagenbescheid_PP_Ko%CC%88ln_geschw_2016-08-06_.pdf (letzter Zugriff: 26.01.19). 205 Schaks, Erdogan in Köln: Zumutungen des Versammlungsrechts, VerfBlog, 03.08. 2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumutungendes-versammlungsrechts/ (letzter Zugriff: 24.01.2019); s. VG Köln, Beschl. v. 29.07. 2016 – 20 L 1790/16 –, juris, Rn. 6–10. 206 OVG Münster, NVwZ 2017, 648, 649, Rn. 6; dies stellt auch Schaks, Erdogan in Köln: Zumutungen des Versammlungsrechts, VerfBlog, 03.08.2016, online abrufbar un-
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Somit setzen sich die Gerichtsentscheidungen nicht mit den Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage auseinander, was ihre Überzeugungskraft schmälert.208 Denn für einen belastenden Verwaltungsakt bedürfe es immer einer gesetzlichen Grundlage. Sollte kein Grundrecht in seinem Schutzbereich betroffen beziehungsweise aufgrund der Spezialität eines anderen nicht einschlägig sein, so resultiere das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage aus dem Vorrang des Gesetzes.209 Zudem sei im Hinblick auf die besonders strengen Anforderungen hinsichtlich der Gefahrenprognose bei versammlungsbeschränkenden Maßnahmen zweifelhaft, ob hier eine unmittelbare Gefährdung i. S. e. höchstwahrscheinlichen Gefahr angenommen werden könne.210 Mit der Gefahr der Begehung von Straftaten durch mögliche Gegendemonstranten könne eine solche nicht begründet werden. Beschränkende Maßnahmen müssten sich vielmehr gegen die Gegendemonstranten richten.211 Diese Frage nach der Störereigenschaft sei zudem irrelevant, wenn es bereits an einer Gefahr fehlt.212 Auch die immer gegebene abstrakte Möglichkeit, dass die Versammlung Aggressionen auslöse, könne eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht begründen.213 Vor allem im Hinblick auf die Erfahrungen mit vergangenen Veranstaltungen, die vielmehr friedlich verlaufen sind, kann dieses Argument nicht durchschlagen.214 Insbesondere hätte ihnen auch durch mildere Mittel begegnet werden können.215
ter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumutungen-des-versammlungsrechts/ (letzter Zugriff: 24.01.2019) fest. 207 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 605 („Schutzbereichsausschlusskonstruktion“), s. dazu bereits oben unter § 5 A.; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 30 Fn. 90, fasst die Entscheidung hingegen so auf, dass ein Schutzbereichsausschluss dann vom Gericht angenommen wird, wenn Gefahren für Dritte drohen. 208 Schaks, Erdogan in Köln – Zumutungen des Versammlungsrechts II, VerfBlog, 08.08.2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumu tungen-des-versammlungsrechts-ii/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 209 Schaks, Erdogan in Köln: Zumutungen des Versammlungsrechts, VerfBlog, 03.08. 2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumutungendes-versammlungsrechts/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 210 Schaks, Erdogan in Köln – Zumutungen des Versammlungsrechts II, VerfBlog, 08.08.2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumu tungen-des-versammlungsrechts-ii/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 211 Schaks, a. a. O., unter Ablehnung der Figur des Zweckveranlassers im Versammlungsrecht. 212 Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 144. 213 Petersen, Erdog ˘ an und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03.2017, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahlkampf-auftritt-deutsch land-versammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019). 214 Petersen, a. a. O. 215 Petersen, a. a. O.
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Die Ausführungen der Gerichte könnten auch so gedeutet werden, dass versammlungsrechtliche Auflagen dazu dienen würden, außenpolitische Bestrebungen durchzusetzen.216 So könne dann auch ein Redeverbot, das in den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung nach Art. 32 Abs. 1 GG falle, mittels einer versammlungsrechtlichen Auflage durchgesetzt werden.217 (3) Stellungnahme und Zwischenergebnis Letztgenannte Möglichkeit kann aber nicht überzeugen, da die Außenpolitik sowohl nach dem bereits Untersuchten als auch nach Ansicht der Gerichte in die Entscheidungskompetenz des Bundes fällt und somit eine versammlungsrechtliche Auflage, durch Landesbehörden erlassen, nicht das passende Mittel darstellen kann.218 Eine Rechtfertigung des Eingriffs in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters gelingt insofern nicht, als es in den bisherigen Fällen an hinreichend konkreten Anhaltspunkten für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung fehlte. Insbesondere hinsichtlich der besonders hohen Anforderungen an die Gefährdung und den Rang der gefährdeten Rechtsgüter wird es nur sehr seltene Fälle geben, in denen eine Rechtfertigung eines Eingriffs nach § 15 VersG gelingen kann. Aus versammlungsrechtlichen Gründen lässt sich ein Auftrittsverbot eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds somit zunächst nicht herleiten.219 Auch im Fall der Stadt Gaggenau, die den Auftritt des türkischen Justizministers untersagte, konnte ihre Argumentation mit gefahrenabwehrrechtlichen Gründen nicht überzeugen. Sie führte an, es bestehe die Gefahr der Überfüllung der Halle aufgrund der erwarteten hohen Besucherzahlen. Einer solchen Problematik kann wirksam mit Einlasskontrollen entgegengewirkt werden.220 Auch der ins Feld geführten Parkplatznot kann anders – z. B. durch eine angemessene Verkehrsführung – abgeholfen werden als durch das Verbot des Auftritts.221 Somit 216
Schneider, in: Epping/Hillgruber, BeckOK, GG, Art. 8 Rn. 53. Steuer, Bitte nicht reden! Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder in Deutschland, VerfBlog, 04.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/ bitte-nicht-reden-auftritte-auslaendischer-regierungsmitglieder-in-deutschland/ (letzter Zugriff: 24.01.19). 218 Siehe dazu bereits oben unter § 5 A. II. 2. 219 Janz/Peters, NWVBl. 2017, 142, 144; s. a. Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 136. 220 Petersen, Erdogan und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03.2017, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahlkampf-auftritt-deutsch land-versammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019); Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 136. 221 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 136; kritisch auch: Steuer, Bitte nicht reden!, Auftritte ausländischer Regie217
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können in den meisten Fällen auch andere gefahrenabwehrrechtliche Tatbestände keine Rechtsgrundlage für ein Verbot eines Wahlkampfauftritts ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder darstellen.222 Welche Bedeutung der Rundnote, die vom Auswärtigen Amt erlassen wurde, nun für solche Fälle zukommt, wird an späterer Stelle zu erörtern sein.223 cc) Rechtfertigung aufgrund des Konzepts einer transnationalen wehrhaften Demokratie? (1) Die transnationale wehrhafte Demokratie Im Hinblick auf das Werben für das Verfassungsreferendum in der Türkei durch den türkischen Staatspräsidenten Erdog˘an im Jahr 2017 in einigen europäischen Staaten wurden Gedanken zu einer transnationalen wehrhaften Demokratie entwickelt.224 Die Vorgänge in Deutschland, Österreich und den Niederlanden hätten der Verteidigung der türkischen Demokratie gedient.225 Bei dem Konzept der transnationalen wehrhaften Demokratie wird die wehrhafte Demokratie, auf deren Ausgestaltung im Grundgesetz sowie in der EMRK sogleich noch näher eingegangen werden wird, um eine transnationale Dimension erweitert.226 Der Begriff „transnational“ bestimmt dabei den Anwendungsbereich der Wehrhaftigkeit und liefert keine nähere Qualifikation der Demokratie.227 Die EMRK könne, da sie die Demokratie in den Mitgliedsstaaten voraussetzt, allerdings das verbindende Element zwischen dem wehrhaften Staat und der bedrohten Demokratie sein.228 Die transnationale wehrhafte Demokratie werde durch drei Elemente charakterisiert: Zunächst schütze sie nicht die eigene, sondern eine fremde Demokratie, dann sei die Durchführung der Maßnahme, meist gegen Ausländer gerichtet, transnationaler Natur und zuletzt erfordere sie eine gemeinsame Verpflichtung zu einer freiheitlichen Demokratie.229 Die Garantie der Demokratie erfolge nach dem Europarat in einer Weise „of mutual obligation and rungsmitglieder in Deutschland, VerfBlog, 04.03.2017, online abrufbar unter: https:// verfassungsblog.de/bitte-nicht-reden-auftritte-auslaendischer-regierungsmitglieder-indeutschland/ (letzter Zugriff: 24.01.19). 222 Dies für das gesamte Verwaltungsrecht feststellend: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 136. 223 Siehe unten unter § 6 C. V. 224 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143–172; ders., Die transnationale wehrhafte Demokratie, VerfBlog, 10.03.2017, online abrufbar unter: https://verfas sungsblog.de/die-transnationale-wehrhafte-demokratie/ (letzter Zugriff: 24.01.19). 225 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 143 f. 226 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 162 f. 227 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 163. 228 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 163. 229 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 165.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
mutual enforcement“.230 Ausdruck dieses Prinzips seien zum einen – auf der Ebene der Staaten untereinander – die Staatenbeschwerde nach Art. 33 EMRK und zum anderen – im Hinblick auf die Verhinderung des Missbrauchs der Rechte und Freiheiten aus der Konvention durch Individuen – der Art. 17 EMRK.231 Da das Schicksal der freiheitlichen Demokratie in den Staaten der EMRK keine rein innerstaatliche Angelegenheit mehr sei, sei es den Konventionsstaaten erlaubt, gegen die Gegner einer ausländischen Demokratie in derselben Weise vorzugehen wie gegen die Gegner der eigenen Demokratie. Eine Pflicht der Staaten, ihre Wehrhaftigkeit gegen ein antidemokratisches Verhalten einzusetzen, könne daraus allerdings nicht abgeleitet werden.232 Gerade bei der Inanspruchnahme des Rechts der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu Zwecken, die denen der Konvention zuwiderlaufen, erscheine es widersprüchlich, diesem Verhalten Schutz zu gewähren. Da auch die EMRK und die daraus folgende Pflicht, die Demokratie zu schützen, keine Grenzen kenne, könne auch Art. 17 EMRK als Ausdruck der Selbstverteidigung der EMRK von den Staaten sowohl gegenüber den eigenen Staatsangehörigen als auch gegenüber Ausländern angewandt werden. Denn es mache gerade keinen Unterschied, in welchem Konventionsstaat die Rechte und Freiheiten der Konvention angegriffen werden.233 (2) Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes und der EMRK Fraglich ist somit zunächst, wie die wehrhafte Demokratie auf der Ebene des Grundgesetzes ausgestaltet ist und ob sie bereits Eingriffe in die Versammlungsfreiheit rechtfertigen könnte. (a) Konzeption Das Konzept der wehrhaften Demokratie findet erstmalig in den Abhandlungen von Loewenstein Erwähnung, der im Jahr 1937 als Reaktion auf die totalitären Regimes in Europa feststellte: „Democracy must become militant.“ 234 Das BVerfG führte den Begriff der „streitbaren Demokratie“ erstmals in seinem KPDUrteil ein.235 Eine Verfassung als wehrhafte Demokratie auszugestalten bedeutet 230
Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 165. Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 165, 167. 232 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 166. 233 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 169. 234 Loewenstein, APSR 31 (1937), 417, 423; s. dazu auch die Ausführungen bei Loewenstein, APSR 31 (1937), 417–432; 638–658; sowie die Darstellung m.w. N. bei Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 18 Rn. 4 und bei Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, S. 36 ff. 235 BVerfGE 5, 85, 139; Becker, in: HStR VII, 1992, § 167 Rn. 22; Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 39; s. zu einer umfassenden Darstellung der Rechtsprechung des BVerfG zur streitbaren Demokratie: Becker, in: HStR VII, 1992, § 167 Rn. 21–32; be231
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zunächst, dass bereits auf der Ebene der Verfassung ein Schutz gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen angelegt ist.236 Das Schutzgut der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung.237 Zunächst bedeutet dies nach dem Bundesverfassungsgericht, dass die wertgebundene Ordnung des Grundgesetzes das Gegenteil eines totalen, die Menschenwürde, Gleichheit und Freiheit negierenden Staates ist.238 Der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung beinhalte nur die ganz elementaren und für den freiheitlichen Verfassungsstaat unverzichtbaren Prinzipien239 und finde ihren Ausgangspunkt in der Würde des Menschen.240 Dazu zählt vor allem das Demokratieprinzip241 und der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit242. Im Gegensatz zu den Grundlagen der wehrhaften Demokratie im Grundgesetz erschöpft sich die EMRK in einem Grundrechtskatalog ohne staatsorganisationsrechtliche Bestimmungen.243 Somit zieht der EGMR die Präambel der EMRK heran, um die Schranken näher zu bestimmen.244 Diese Präambel, die auf die Grundfreiheiten der EMRK als Grundlage von Frieden und Gerechtigkeit abstellt, kann jedoch nur einen Mindeststandard an Werten für die Demokratie beinhalten, da die einzelnen Werte in den Konventionsstaaten differieren.245 Auch in der Präambel der Satzung des Europarates findet sich die Bekenntnis zu den Grundwerten der persönlichen und politischen Freiheit und der Herrschaft des Rechts als Fundament der die Staaten verbindenden Demokratie.246 Der Grundsatz der wehrhaften Demokratie der EMRK kommt aber in Art. 17 EMRK reits im SRP-Urteil, BVerfGE 2, 1, 12 stellte das BVerfG fest, dass die Grundordnung des Grundgesetzes eine „wertgebundene Ordnung“ sei. 236 Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 18 Rn. 10. 237 BVerfGE 5, 85, 140 f.; Becker, in: HStR VII, 1992, § 167 Rn. 17; Sattler, Streitbare Demokratie, S. 56. 238 BVerfGE 144, 20, 203, Rn. 530 mit Bezugnahme auf das SRP-Urteil, in dem das BVerfG erstmalig eine Definition der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vornahm, s. BVerfGE 2, 1, 12 f.; s. zu einer ausführlichen Darstellung der zuvor ergangenen Rechtsprechung zu diesem Begriff: Becker, HStR VII, 1992, § 167 Rn. 20–32. 239 BVerfGE 144, 20, 205, Rn. 534; damit tritt das BVerfG der Kritik der Literatur an der Aufzählung einzelner Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegen, BVerfGE 144, 20, 204 f., Rn. 534 mit zahlreichen Literaturnachweisen, s. z. B. Gusy, AöR 105 (1980), 279, 285–289; Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 37–39; Ruland, Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, S. 16 f.; Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, S. 61 ff. 240 BVerfGE 144, 20, 206–208, Rn. 538–541. 241 BVerfGE 144, 20, 208–210, Rn. 542–546. 242 BVerfGE 144, 20, 210, Rn. 547. 243 Kugelmann, EuGRZ 2003, 533, 533 f. 244 Kugelmann, EuGRZ 2003, 533, 533 f. 245 Kugelmann, EuGRZ 2003, 533, 542. 246 Präambel der Satzung des Europarates vom 5.5.1949.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
zum Ausdruck.247 Ebenso wie Art. 18 GG ist er darauf ausgerichtet zu verhindern, dass die Freiheitsrechte dazu genutzt werden, gegen die freiheitliche Demokratie vorzugehen.248 Neben Art. 17 EMRK kommt auch in den Bestimmungen der Art. 54 EU-Grundrechte-Charta und Art. 5 Abs. 1 IPbpR und IPwskR der Grundsatz der wehrhaften Demokratie zum Ausdruck.249 Für den EGMR ist die Demokratie „a fundamental feature of the European public order“.250 In ihrer KPD-Entscheidung stellte die Europäische Menschenrechtskommission hinsichtlich des mit Art. 17 EMRK verfolgten Ziels fest, dass der Schutz der freien Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen gewährleistet werden soll251 und verweist anschließend auf die Ausführungen in den Travaux Préparatoires, in denen es hieß: „Il s’agit d’empêcher que les courants totalitaires puissent exploiter en leur faveur les principes posés par la Convention, c’est-à-dire invoquer les droits de liberté pour supprimer les Droits de l’Homme“.252 (b) Konkrete Ausgestaltung Das Konzept der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes zeigt sich in mehreren Bestimmungen des Grundgesetzes.253 Der Schutz vor einer Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aus der Gesellschaft kommt in den Art. 9 Abs. 2, 18 und 21 Abs. 2 GG zum Ausdruck.254 Sie werden als „normative[r] Kern“ der streitbaren Demokratie bezeichnet.255 Für diese Maßnahmen ist 247 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 17 Rn. 1; Steiger, in: Pabel/ Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 17 Rn. 1; s. a. Harris/O’Boyle/Warbick, ECHR, S. 649. 248 Isensee, in: FG Graßhof, 289, 318; Partsch, in: Bettermann/Neumann/Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. I, 235, 316. 249 Marauhn/Merhof, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 7 Rn. 8; Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 17 Rn. 1. 250 EGMR, United Communist Party of Turkey and Others ./. Turkey, Urt. v. 30.01. 1998, HRLJ 19 (1998), 306, 313, Rn. 45. 251 Europäische Menschenrechtskommission, Yearbook 1, 1955–1957, 222, 224. 252 Zit. nach Europäische Menschenrechtskommission, Yearbook 1, 1955–1957, 222, 224. 253 Siehe zu einer Zusammenfassung der relevanten Vorschriften: Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 18 Rn. 8; sowie BVerfGE 111, 147, 158 und zu den zuvor ergangenen Entscheidungen und den immer wieder anderen Nennungen von Normen durch das BVerfG: Bulla, AöR 98 (1973), 340, 348; Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 153. 254 Siehe Becker, in: HStR VII, 1992, § 167 Rn. 50; in BVerfGE 13, 46, 50 stellt das BVerfG auf Art. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG als Kreis der Normen ab, die die wehrhafte Demokratie charakterisieren. Dieser wurde in BVerfGE 28, 36, 48 um die Art. 20 Abs. 4, Art. 98 Abs. 2 und Art. 5 GG ergänzt, in BVerfGE 39, 334, 349 wurden auch die Art. 2 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 sowie Art. 91 GG hinzugenommen. 255 Bauer, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 9 Rn. 55.
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ein Verhalten, das sich „kämpferisch-aggressiv“ gegen die Ordnung wendet256 bzw. eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung257 erforderlich, sodass auch tatsächlich eine Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung gegeben ist.258 Art. 18 GG gilt auch für Ausländer, soweit sie Träger des Grundrechts sein können. Allerdings muss sich auch ihr Kampf auf die Bekämpfung der freiheitlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland beziehen und ist somit dann nicht erfüllt, wenn Zielrichtung ihres Handelns die Zerstörung der Verfassungsordnung in ihrem Heimatstaat ist.259 Dieselbe Zielrichtung wie aus Art. 18 und Art. 21 GG ergibt sich aus Art. 17 EMRK.260 Die Vorschrift bildet eine Schrankenregelung hinsichtlich der Rechte aus der Konvention, die sowohl an den Staat als auch an die Einzelnen adressiert ist.261 Demjenigen Grundrechtsträger, der seine Rechte gerade zur Zerstörung der Freiheit einsetzt, sollen diese verwehrt bleiben.262 Auch für Art. 17 EMRK wird eine restriktive Auslegung befürwortet.263 Erfasst von Art. 17 EMRK werden die Art. 9 bis 11 EMRK sowie Art. 3 1. ZP (hinsichtlich des passiven Wahlrechts) und somit solche „Verhaltensrechte“ 264, 256 Für Vereinigungen: BVerwGE 61, 218, 220; Bauer, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 9 Rn. 57; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 48; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 9 Rn. 52. 257 BVerfGE 5, 85, 141; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 21 Rn. 79; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 52; Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, Art. 21 Rn. 232; für die Verwirkung gem. Art. 18 GG wird ebenfalls ein besonders aggressives Verhalten vorausgesetzt, s. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 18 Rn. 6; Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 18 Rn. 54; Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 18 Rn. 11; Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 18 Rn. 46; ausführlich dazu auch: Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, S. 66 f.; s. a. Schmitt Glaeser, Mißbrauch und Verwirkung von Grundrechten, S. 71, der somit eine Identität der Verhaltensweisen zu Art. 9 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 2 GG annimmt. 258 Siehe zu den strengen Anforderungen des BVerfG zu einem Parteiverbot: BVerfGE 144, 20, 220, Rn. 573, 224–227, Rn. 585–589; s. dazu auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 52 f.; zu dieser Voraussetzung bei Art. 18 GG: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 18 Rn. 6; Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 18 Rn. 11. 259 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 18 Rn. 26; Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 18 Rn. 26; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 18 Rn. 6; Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 18 Rn. 6. 260 Frowein, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 17 Rn. 1; so für Art. 21 GG: Europäische Menschenrechtskommission, in: dies., Yearbook, Bd. 1, 224. 261 Frowein, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 17 Rn. 1; Mensching, in: Karpenstein/ Mayer, EMRK, Art. 17 Rn. 2; Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 17 Rn. 3. 262 Frowein, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 17 Rn. 1. 263 Harris/O’Boyle/Warbrick, ECHR, S. 651: „an instrument of last resort“; Mensching, in: Karpenstein/Mayer, Art. 17 Rn. 7; Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 17 Rn. 2; so auch der EGMR: EGMR, Paksas ./. Lithuania, Urt. v. 06.01. 2011, Nr. 34932/04, Rn. 87. 264 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 17 Rn. 12.
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die gerade gegen die Freiheiten und Rechte aus der Konvention eingesetzt werden können.265 Die meisten Fälle, die für den EGMR, sowie zuvor für die Europäische Kommission für Menschenrechte266, zu Art. 17 EMRK relevant wurden, betrafen Meinungsäußerungen.267 Der EGMR fordert für ein Parteiverbot im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 17 EMRK ebenfalls die Gefahr, dass ein Angriff auf die Demokratie unmittelbar bevorsteht268, sodass die Anforderungen an ein Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG vergleichbar sind.269 Die Ausgestaltung des Grundgesetzes als wehrhafte Demokratie270 zeigt sich zudem in der in diesen Normen zum Ausdruck kommenden Wertgebundenheit des Grundgesetzes.271 Dazu zählen insbesondere die Grundrechte als Gewährleistung der freiheitlichen Konzeption des Grundgesetzes.272 (c) Rechtliche Bedeutung Das BVerfG qualifiziert die wehrhafte Demokratie in seiner Rechtsprechung als eine „Grundentscheidung der Verfassung“ 273 und entschied sich somit dazu, dem Konzept der streitbaren Demokratie eine eigenständige Bedeutung zuzusprechen.274 Allerdings habe die Rechtsordnung Mechanismen zum Schutz vor Gefährdungen der freiheitlich demokratischen Grundordnung entwickelt, die im Einklang mit dem Bekenntnis zum Rechtsstaat stünden275, sodass daneben keine
265 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 17 Rn. 12; Steiger, in: Pabel/ Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 17 Rn. 5. 266 Vgl. dazu auch Hong, ZaöRV 70 (2010), 73, 77. 267 Steiger, in: Pabel/Schmahl, IntKomm EMRK, Art. 17 Rn. 7, s. dort auch zu einer ausführlichen Darstellung der ergangen Entscheidungen. 268 EGMR, NVwZ 2003, 1489, 1493, Rn. 104. 269 Kugelmann, EuGRZ 2003, 533, 540, der darauf hinweist, dass auch die vom EGMR zusätzlich geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung kein anderes Ergebnis zur Folge hat; a. A. hingegen: Eiffler, KJ 2013, 218, 223 f., der davon ausgeht, dass die Anforderungen des EGMR hinter denen des BVerfG zurückbleiben. 270 Das BVerfG spricht überwiegend von der streitbaren Demokratie: BVerfGE 5, 85, 139; 80, 244, 253; 144, 20, 196, Rn. 516; in BVerfGE 39, 334, 349 allerdings auch von einer „wehrhaften Demokratie“, s. zu den Schwierigkeiten der Begrifflichkeiten auch Thiel, „Wehrhafte Demokratie“ als verfassungsrechtliche Grundentscheidung, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 1, 5 f. 271 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 18 Rn. 7; ähnlich, nämlich auch maßgeblich auf die Wertgebundenheit des GG abstellend: Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 21; s. a. Volp, NJW 2016, 459, 463. 272 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 18 Rn. 7. 273 BVerfGE 39, 334, 349. 274 Dreier, in: GS Klein, S. 86, 95; Sattler, Streitbare Demokratie, S. 16 ff.; Thiel, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 1, 8. 275 BVerfGE 111, 147, 158.
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verfassungsimmanente Schranke zur Anwendung komme276, die nationalsozialistisches Gedankengut von vornherein aus dem Schutzbereich ausnehmen würde.277 Eine Auflagenerteilung aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Ordnung kann nach Ansicht des BVerfG dann gerechtfertigt sein, wenn die Versammlung an einem historischen Gedenktag stattfindet und eine Provokationswirkung hat, die „als Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens der Bürgerinnen und Bürger“ erscheint.278 Dem Konzept der wehrhaften Demokratie kommt nach überzeugender Auffassung279 Bedeutung bei der Auslegung der Normen des Grundgesetzes unter dem Topos der Einheitlichkeit der Verfassung und im Rahmen der praktischen Konkordanz zu.280 Es fungiert somit als Auslegungskriterium und Abwägungsgesichtspunkt.281 Eine allgemeine Ermächtigung für die Abwehr für Gefahren für die freiheitliche Demokratie kann aus der Entscheidung für die wehrhafte Demokratie jedoch nicht abgeleitet werden.282 Als Zielbestimmung hat die Entscheidung für die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes beim Erlass von Gesetzen, bei der Auslegung von Gesetzesnormen sowie bei Entscheidungen in der Verwaltung Relevanz.283 276 BVerfGE 111, 147, 158; s. a. BVerfG-K 2, 1, 5; zustimmend: Arndt, BayVBl 2002, 653, 660 f.; Hoffmann-Riem, in: HGR IV, § 106, Rn. 124; Kloepfer, in: HStR VII, § 164 Rn. 113; Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422, 427 f.; Papier/Durner, AöR 128 (2003), 340, 367 f. 277 So allerdings das OVG Münster in zahlreichen Entscheidungen im Jahr 2001, vgl. OVG Münster, NJW 2001, 2111, aufgehoben durch das BVerfG, NJW 2011, 2069– 2072; OVG Münster, NJW 2001, 2113; aufgehoben durch das BVerfG, BVerfG, NJW 2001, 2075 f.; ebenso wie die Entscheidung OVG Münster, NJW 2001, 2113: OVG Münster, NJW 2001, 2114; dagegen: BVerfG, NJW 2001, 2076, 2077 f.; das OVG Münster hielt aber weiterhin an seiner Auffassung fest, vgl. OVG Münster, NJW 2001, 2986 f. 278 BVerfG, NJW 2001, 1409, 1410; eine solche Wirkung muss allerdings für jeden Tag gesondert festgestellt werden, vgl. BVerfG, NVwZ 2012, 749 f., s. auch die Darstellung bei: Hammer/Wiedemann, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd. 3, 2014, 219, 227 f. 279 Siehe zu einer Darstellung der Diskussionsbeiträge, welche rechtliche Bedeutung der wehrhaften Demokratie zukommt: Sattler, Streitbare Demokratie, S. 19 ff.; sowie bei Thiel, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 1, 9, Fn. 36; diese Frage werfen auch auf: Dreier, in: GS Klein, S. 86, 95; Klein, in: VVDStRL 37, 1979, 53, 67. 280 Klein, VVDStRL 37, 1979, 53, 67 f. 281 Thiel, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 1, 21; ebenfalls für die Funktion als Auslegungskriterium: Papier/Durner, AöR 128 (2003), 340, S. 364 f. 282 Sattler, Streitbare Demokratie, S. 57–59; Thiel, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 1, 15. 283 Sattler, Streitbare Demokratie, S. 59; gegen eine über die einzelnen Normen hinausgehende rechtliche Bedeutung: Dreier, in: GS Klein, S. 86, 95–101, 107–112; Bulla, AöR 98 (1973), 340, 360; von einer sich entwickelnden „Rundum-Waffe des Staatsschutzes“ spricht Denninger, VVDStRL 37, 1979, 7, 19.
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(d) Übertragbarkeit auf die vorliegende Problematik Die Untersuchung der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes zeigt, dass ihr Schutzgut die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ist und Verfassungen anderer Länder durch die Normen nicht geschützt werden. Zudem muss eine Gefährdung der Demokratie tatsächlich drohen, die durch eine besonders aggressiv-kämpferische Weise erfolgen muss. Würde man nur von der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes ausgehen, so könnten die speziellen Schutzmechanismen des Grundgesetzes nicht angewandt werden, da eine solch konkrete Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie sie für die Maßnahmen gefordert wird, fernliegend ist. Auch eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, die den Erlass einer Versammlungsauflage rechtfertigen könnte, da der Auftritt gegen das sittliche Empfinden der Bürger verstößt, wird wohl bei Auftritten ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder nur in Ausnahmefällen gegeben sein. An einschlägiger Rechtsprechung des EGMR zu Versammlungsbeschränkungen aufgrund des Art. 17 EMRK fehlt es bislang. Jedoch könnte eine Übertragbarkeit der Erwägungen zu Parteiverboten erwogen werden.284 Die gefährdeten Schutzgüter seien zwar unterschiedliche, bei Parteien könne die Verfassungsordnung, bei Versammlungen die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährdet werden, aus der Nennung beider Freiheiten in Art. 11 EMRK und den daraus folgenden gleichen Schranken sei aber eine Verwandtschaft der beiden Rechte erkennbar.285 Auch verbinde sie die Eigenschaft, politisch Einfluss zu nehmen. Zudem seien es oft die Parteien, die auch die Versammlungen veranstalten, und es sei somit widersinnig, die antidemokratischen Parteien vom Schutz des Art. 11 EMRK auszunehmen, nicht aber die Versammlungen, auf denen die Mitglieder dieser Partei ihre Gesinnung kundtun.286 Auch wenn es schwer sein könnte, festzustellen, ob solche antidemokratischen Ziele auch wirklich verfolgt werden, soll dem Art. 17 EMRK entnommen werden können, dass jemand, der die Rechte der EMRK im eigenen Land nicht schützt, sich in einem anderen Staat auch nicht darauf berufen können soll.287 Das gemeinsame, durch die EMRK festgelegte Wertefundament ermächtige somit auch zu einem Einschreiten eines Konventionsstaats, wenn die Werte aus der Konvention in einem anderen Konventionsstaat nicht geachtet werden.288 284 So der Vorschlag von Wagrandl, Die transnationale wehrhafte Demokratie, VerfBlog, 10.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/die-transnationalewehrhafte-demokratie/ (letzter Zugriff: 24.01.19). 285 Wagrandl, Die transnationale wehrhafte Demokratie, VerfBlog, 10.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/die-transnationale-wehrhafte-demokratie/ (letzter Zugriff: 24.01.19). 286 Wagrandl, a. a. O. 287 Wagrandl, a. a. O.
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Allerdings wird dann auch wieder die Tatsache relevant, dass die Vorschrift eine gesetzliche Grundlage nicht entbehrlich mache und zudem nur im notwendigen Rahmen eingesetzt werden dürfe.289 Das entspricht auch dem hier vertretenen Begriff der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes, nach dem eine Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs allein aufgrund des Prinzips der wehrhaften Demokratie ebenfalls nicht möglich ist. (3) Überzeugungskraft des Konzepts der transnationalen wehrhaften Demokratie Das Konzept der wehrhaften Demokratie wird insbesondere im Hinblick auf seine freiheitsbeschränkende Wirkung kritisiert.290 Daher ist der Einsatz der Schutzinstrumente sowohl auf nationaler wie auch auf der Ebene der EMRK stets restriktiv zu handhaben. Insofern wird auf der Ebene des Grundgesetzes eine tatsächliche Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gefordert.291 Demgegenüber ist bei dem Konzept der transnationalen wehrhaften Demokratie das Schutzgut weitgehend unklar. Die EMRK soll eine Verbindung zwischen dem handelnden Staat und der bedrohten Demokratie herstellen. Wie eng die Verbindung zwischen handelndem Staat und bedrohter Demokratie sein muss, bleibt offen.292 Hinzu kommt, dass dann bei einer Maßnahme in jedem Fall Nachforschungen über die Beschaffenheit der Demokratie in dem Herkunftsland des auftretenden Redners angestellt werden müssten, um beurteilen zu können, ob diese Demokratie durch die Äußerungen bedroht wird. Dies würde zu großen Rechtsunsicherheiten führen. Damit wäre die transnationale Demokratie darauf ausgerichtet, vor Gefahren zu schützen, die nicht in dem Staat eintreten, der den Grundrechtseingriff vornimmt, sondern in dem Herkunftsstaat. Dies erschwert zusätzlich die Beurteilung der handelnden Staatsorgane, ob ein Handeln bereits erforderlich ist. Diese
288 In seinem späteren Beitrag stellt Wagrandl – in Abgrenzung zu dem Beitrag auf dem Verfassungsblog – eindeutig klar, dass die EMRK selbst keine Demokratie ist, sondern vielmehr die Wehrhaftigkeit transnational wird: Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 163, Fn. 65. 289 Wagrandl, Die transnationale wehrhafte Demokratie, VerfBlog, 10.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/die-transnationale-wehrhafte-demokratie/ (letzter Zugriff: 24.01.19). 290 Bulla, AöR 98 (1973), 340, 360; Denninger, VVDStRL 37, 1979, 7, 17 f.; Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 205; s. zu einer ausführlichen Darstellung der Kritik an der Rspr. des BVerfG: Sattler, Streitbare Demokratie, S. 23 ff. 291 Siehe dazu bereits oben, § 5 B. I. 5. b) cc) (2) (b), Fn. 256–258. 292 So auch: Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 171.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
Schwäche des Konzepts wird durch das weitgehende Fehlen einer gerichtlichen Kontrolle über den angemessenen Einsatz der Mittel der wehrhaften Demokratie293 noch verschärft. Hinzu kommt, dass die erforderlichen restriktiven Kriterien wie die tatsächliche Gefährdung staatlicher Institutionen und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch einen Redeauftritt in einem anderen Konventionsstaat nie gegeben sein wird.294 So wird vorgeschlagen, dieses Kriterium in den transnationalen Fällen nicht anzuwenden.295 Damit fehlt es dann aber an konkreten handhabbaren Kriterien für die Rechtfertigung einer Grundrechtsbeschränkung aufgrund des Konzepts der wehrhaften Demokratie, da weder das Schutzgut einheitlich und konkret bestimmt werden kann, noch die erforderliche konkrete Gefährdung der Demokratie eintreten wird. Eine solche könnte ohnehin aufgrund der Distanz zwischen Ort der Handlung und dem Ort, wo die Gefährdung eintritt, nur schwer zu beurteilen sein. Hinzu kommt die fehlende gerichtliche Überprüfbarkeit der Maßnahmen. Damit überzeugt auch die oben vorgenommene Übertragung der Rechtsprechung des EGMR bezüglich der Parteien auf Versammlungen nicht, da in den vom EGMR entschiedenen Fällen das Schutzgut sowie dessen konkrete Gefährdung gerade festgestellt werden konnte. An der zuverlässigen Feststellung dieser für den Einsatz von Instrumenten einer wehrhaften Demokratie notwendigen Kriterien mangelt es aber gerade bei Wahlkampfauftritten ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder. Auch wenn eine Grundrechtsbeschränkung aufgrund des Konzepts der wehrhaften Demokratie nicht überzeugt, so könnte sich dennoch ein Anwendungsbereich des Gedankens im Rahmen der Ermessensausübung der Bunderegierung bei der Entscheidung über die Einreise ergeben.296
II. Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG 1. Schutzbereichseröffnung für das Verbreiten fremder Meinungen Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit für den Veranstalter könnte dann eröffnet sein, wenn auch das Verbreiten einer fremden Meinung zum Schutzbereich der Meinungsfreiheit gezählt wird.297
293
Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 172. Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 171. 295 Wagrandl, Global Constitutionalism 2018, 143, 171. 296 Siehe zu einer abschließenden Bewertung unten unter § 6 B. III. 297 So auch der Gedanke von Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 607; s. a. Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 134. 294
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Grundsätzlich wird die Meinung als solche aufgrund ihrer subjektiven Prägung geschützt.298 Der Schutz der Meinungsfreiheit dient zum einen der Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen und zum anderen dem demokratischen Prozess.299 Auf Grundlage dieser Erkenntnis wurde in bestimmten Fällen auch die Verbreitung einer fremden Meinung in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen. Das wird damit begründet, dass auch die Weitergabe fremder Meinungen dem Kommunikationsprozess diene und somit dem Schutzzweck der Meinungsfreiheit entspreche, auch wenn der Wortlaut zunächst dagegen spreche.300 Art. 10 EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des EGMR werden von den deutschen Gerichten besonders berücksichtigt.301 Nach dem BVerfG besteht eine Ermittlungs- und Berücksichtigungspflicht der Fachgerichte302 insbesondere für die Bildberichterstattung 303, bei der eine Abwägung von Art. 5 GG, insbesondere der Pressefreiheit, und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stattfindet.304 Dabei wird insbesondere die Ansicht des EGMR, dass Art. 10 EMRK ein besonderes Gewicht für Beiträge von öffentlichem Interesse zukomme, berücksichtigt.305 Die Verbreitung fremder Meinungen fällt grundsätzlich auch in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 10 EMRK.306 Das BVerfG bezog das Verbreiten fremder Meinungen für den Fall der Veröffentlichung eines Pressespiegels in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit ein, auch wenn der fremden Meinung keine zusätzliche eigene Wertung hinzugefügt wird und sich der Äußernde diese Meinung auch nicht zu eigen macht, sondern sie lediglich verbreitet.307 Allerdings gelte der Schutz der Meinungsfreiheit nicht 298 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 73; Schemmer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 5 Rn. 4. 299 BVerfGE 7, 198, 208; BVerfGE 82, 272, 281; BVerfG, NJW 2005, 1341, 1342; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 6. 300 Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 132. 301 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 10 Rn. 3, s. allgemein zur Berücksichtigung der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR oben unter § 3 A. III. 1. 302 BVerfG-K 10, 265, 269; Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 10 Rn. 4. 303 BVerfGE 120, 180, 199 ff.; Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 10 Rn. 4. 304 BVerfGE 120, 180, 200 ff.; s. a. Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 18. 305 BVerfGE 120, 180, 203 mit Verweis auf: EGMR, Karhuvaara und Iltalehti ./. Finnland, Urt. v. 16.11.2004, Nr. 53678/00, Rn. 40; EGMR, Tønsberg Blad u. a. ./. Norwegen, Urt. v. 01.03. 2007, Nr. 510/04, Rn. 82; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 18. 306 So ausdrücklich auch Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 132; EGMR, Jersild ./. Dänemark, Urt. v. 23.9.1994, Nr. 15890/89, Rn. 31; s. dazu auch Hoffmeister, EuGRZ 2000, 358, 364 f. 307 BVerfG, NJW-RR 2010, 470 f., Rn. 58.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
mehr, wenn es sich lediglich um die technische Verbreitung einer Äußerung eines Dritten handelt. Bei einem Pressespiegel finde jedoch eine Auswahl sowie Anordnung der jeweiligen fremden Presseberichte statt, was über eine bloß technische Verbreitung fremder Äußerungen hinausgehe.308 Auch das Weiterleiten eines fremden Textes stelle das Verbreiten einer Meinung dar und sei somit vom Schutzbereich umfasst.309 Der Text müsse weder selbst vom Grundrechtsträger verfasst, noch herausgegeben oder anderweitig mitverantwortet worden sein. Vielmehr sei entscheidend, dass der Kommunikationsprozess durch die Untersagung der Übersendung des Textes verhindert werde.310 Allerdings schränkte das BVerfG auch in diesem Fall den Schutzbereich insofern ein, als es für dessen Eröffnung darauf ankomme, dass der Übermittler mit einer eigenen, auf Information und Meinungsbildung gerichteten Intention gehandelt hat und nicht interessenlos als Vermittler tätig geworden ist.311 Eine weitere Konstellation betraf den Fall, dass fraglich war, wann die Verwendung einer fremden Meinung dem Äußernden als eigene Meinung im Hinblick auf eine unzulässige Schmähkritik zuzurechnen ist.312 Eine Zurechnung als eigene Meinung finde immer dann statt, wenn sich der Äußernde nicht selbst und ernsthaft von der Äußerung distanziert.313 Er macht sich die Meinung insbesondere dann zu eigen,314 wenn er die fremde in die eigene Aussage derart integriert, dass die eigene Aussage damit verstärkt werden soll.315 Ähnlich wird argumentiert bei der Verwendung von Zitaten und dem Verlinken von Inhalten im Internet. Werden Zitate weitergegeben, so sei für eine Qualifikation als Meinungsäußerung erforderlich, dass der Äußernde dieses mit seiner eigenen Auffassung verbindet.316 Im Internet soll ein bloßes Verlinken oder Teilen für ein Zu-Eigen-Machen der Aussage nicht ausreichen.317 308
BVerfG, NJW-RR 2010, 470, 471, Rn. 59. BVerfG, NJW 2005, 1341, 1342; s. a. Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 88. 310 BVerfG, NJW 2005, 1341, 1342. 311 BVerfG, NJW 2005, 1341, 1342; s. a. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 14. 312 BVerfG, NJW 2004, 590, 591. 313 BVerfG, NJW 2004, 590, 591; s. a. Schemmer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 5 Rn. 9. 314 Auf dieses Kriterium ebenfalls abstellend: OVG Rostock, NJ 2016, 431, 434, das ein Zu-Eigen-Machen ausschließt, wenn die fremde Meinung lediglich referiert wird, z. B. in indirekter Rede (BeckRS 2016, 16377); s. a. Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 98 m.w. N. 315 BVerfG, NJW 2004, 590, 591; BGHZ 66, 182; ähnl. auch Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 74. 316 BVerfG, NJW 2008, 358, 360; Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 129; vgl. Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 88; BVerfGK 10, 485, 492. 309
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Nach Ansicht des EGMR bedarf es für den Schutz einer Äußerung durch die Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK keiner generellen, ausdrücklichen Distanzierung vom ehrverletzenden Inhalt einer Äußerung eines Dritten.318 Vielmehr genüge es, wenn der Autor eines Artikels eindeutig zu erkennen gibt, dass er jetzt ein Zitat beginnt, und er den Autor benennt.319 Ausreichend seien auch das Setzen von Anführungszeichen sowie das Nutzen kursiver Schrift, um deutlich zu machen, dass es sich um ein Zitat einer anderen Person handelt.320 Dieses Erfordernis berücksichtigt auch das BVerfG in seiner Rechtsprechung.321 Bei der Ausstrahlung von Interviews reiche es für eine Distanzierung von einem strafbaren Inhalt einer Äußerung aus, wenn der Moderator das Interview mit dem Hinweis auf eine allgemeine politische Stimmung im Land einleitet und die geäußerten Stellungnahmen kritisch kommentiert werden.322 Der EGMR stellt dabei die besondere Funktion der Presse in den Vordergrund, der es möglich sein muss, auch fremde Meinungen in Form von Interviews verbreiten zu können.323 Allerdings betrafen die Fälle immer die Pressefreiheit in Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einer Person, sodass es vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Nachforschungspflichten der Presse relevant wurde.324 2. Übertragbarkeit auf die vorliegende Problematik Die maßgeblichen Erwägungen zur Schutzbereichseröffnung der Meinungsfreiheit sind auf die Frage, ob auch der Auftritt eines Redners in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Veranstalters fällt, nicht übertragbar. 317 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 98; OLG Frankfurt, MMR 2016, 489, 490. 318 Vgl. BVerfG-K 10, 485, 492 mit Verweis auf EGMR, Thoma ./. Luxemburg, Urt. v. 29.03.2001, Nr. 38432/97, Rn. 64; EGMR, Radio France ./. Frankreich, Urt. v. 30.03.2004, Nr. 53984/00, Rn. 37 ff.; EGMR, Verlagsgruppe News GmbH ./. Österreich, Urt. v. 14.12.2006, Nr. 76918/01, Rn. 33. 319 EGMR, Thoma ./. Luxemburg, Urt. v. 29.03.2001, Nr. 38432/97, Rn. 64. 320 EGMR, Verlagsgruppe News GmbH ./. Österreich, Urt. v. 14.12.2006, Nr. 76918/ 01, Rn. 35. 321 BVerfG-K 10, 485, 492. 322 EGMR, Jersild ./. Dänemark, Urt. v. 23.09.1994, Nr. 15890/89, Rn. 34; s. a. Hoffmeister, EuGRZ 2000, 358, 364. 323 EGMR, Jersild ./. Dänemark, Urt. v. 23.09.1994, Nr. 15890/89, Rn. 35; s. allerdings zu der Grenze, die bei einem Aufruf zu Hass und Gewalt gegeben ist: EGMR, Sürek (Nr. 1) ./. Türkei, Urt. v. 8.7.1999, Nr. 26682/95, Rn. 62–64; hingegen eine reale Gefahr durch die Meinungsäußerung fordernd: EGMR, Sürek (Nr. 1) ./. Türkei, Urt. v. 8.7.1999, Nr. 26682/95, Sondervotum der Richterin Palm; Sondervotum des Richters Bonello; Sondervotum der Richter Tulkens, Casadevall und Greve, die die direkte Anstiftung zur Verbrechensbegehung als einzige Grenze der Meinungsfreiheit ansehen; Hoffmeister, EuGRZ 2000, 358, 364 f. (wiederum mit einer Gegenausnahme für Aufrufe zu Gewalt bekannter Persönlichkeiten). 324 BVerfG-K 10, 485, 487 ff., insb. 491 f.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
Zunächst liegt kein Zu-Eigen-Machen der Meinung des Redners durch den Veranstalter der Versammlung vor. Der Redner soll sich erst noch äußern und die Meinung wird auch durch ihn transportiert und nicht in die Meinungsäußerung des Veranstalters integriert. Auch geht es nicht um die Frage, ob die Äußerungen dem Veranstalter zuzurechnen sind. Somit lassen sich die maßgeblichen Erwägungen nicht auf die vorliegende Problematik übertragen. Zudem geht es hier nicht darum, einen bereits verfassten Text zum Zwecke der Information an andere Personen weiterzugeben, da die Meinung erst noch geäußert werden soll und es nicht lediglich um den Transport geht. Auch liegt kein mit einer Presseschau vergleichbarer Fall vor, indem der Redner ausgewählt wurde, dort zu sprechen. Denn auch in der oben erwähnten Entscheidung zur Presseschau wurde gefordert, dass es nicht nur um das Verbreiten der Meinung in technischer Hinsicht gehen darf, sondern erkennbar sein muss, welche Beiträge in welcher Form ausgewählt wurden. Bei Wahlkampfreden kennen die einladenden Veranstalter zwar die politische Ausrichtung des Kandidaten und die maßgeblichen Themen des Wahlkampfes. Dass der Inhalt aber in der Weise bereits hinreichend konkret vorhersehbar ist, dass man von einer gezielten Auswahl bestimmter Äußerungen wie bei einer Presseschau sprechen kann, ist wohl nicht zu erwarten. Bei Wahlkampfveranstaltungen ist vielmehr die Konstellation einschlägig, dass dieser nur den Rahmen der Versammlung für die Rede bietet. Auch findet keine Zuordnung der Redebeiträge zur Meinung des Veranstalters statt. Zwar hat eine Wahlkampfveranstaltung auch den kollektiven Charakter einer gemeinsamen Meinungsäußerung, allerdings wird dieser Aspekt bereits in dem Schutz durch die Versammlungsfreiheit deutlich. Gegen eine Zuordnung zur Meinungsfreiheit spricht zudem die besondere Amtsautorität der Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder, die den Stellungnahmen solcher Personen besondere Wirksamkeit verleihen und auch von den Zuhörern als Äußerungen ebendieser Personen in ihrer besonderen Funktion wahrgenommen werden. Eine Verbindung zwischen den Äußerungen dieser Personen und der Meinungsäußerung des Veranstalters herzustellen, erscheint damit nicht überzeugend.325 Insbesondere würde die Meinungsfreiheit Gefahr laufen, ihren personellen Bezug zu 325 Anders sieht das wohl Zilkens, der zumindest für eine politische Partei, die eine Person aus dem Ausland zum Zwecke eines Auftritts als Redner einreisen lassen möchte, den Schutzbereich der Meinungsfreiheit unter dem Aspekt des Verbreitens einer Meinung als eröffnet ansieht: Zilkens, Einreisefreiheit aus den Grundrechten, S. 244–248; hinzuweisen ist jedoch darauf, dass sich seine Ausführungen nicht auf die Einreise von Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern beziehen, sondern vielmehr auf Ausländer ohne eine solche Funktion und so die Besonderheit, dass sich die Personen nicht auf die Grundrechte berufen können, sowie die völkerrechtliche Dimension der Problematik nicht aufgreift.
B. Relevante Grundrechte
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verlieren, wenn auch das bloße Adaptieren einer Meinung in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen würde.326 Es kommen zwei weitere Aspekte hinzu: Zum einen ist noch einmal auf das Verhältnis zwischen Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit abzustellen.327 Dort wurde festgestellt, dass ein Redeverbot in die Meinungsfreiheit des Redners und in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters eingreift. Auf die Meinungsfreiheit des Veranstalters wurde dabei nicht abgestellt. Es geht bei diesem vielmehr um die Gestaltung der Versammlung, die allerdings organisatorischer und nicht inhaltlicher Natur ist. Es kommt hier gerade auf die Form der Äußerungen im Rahmen einer Versammlung an und nicht auf den Inhalt der Äußerung desjenigen, der sich ohnehin nicht auf die Grundrechte berufen kann. Zum anderen ist fraglich, inwiefern von vornherein eher die Informationsfreiheit als die Meinungsfreiheit einschlägig ist. Da es hier gerade darum geht, dass bereits die Meinungsäußerung, die dann eventuell durch den Veranstalter verbreitet oder diesem zugerechnet werden soll, durch das Redeverbot verhindert wird, ist es wohl sinnvoller, auf die Informationsfreiheit des Veranstalters abzustellen. Denn die Meinungsfreiheit bestimmt sich vom sich Äußernden, der Empfang der Meinung ist hingegen von der Informationsfreiheit gedeckt.328 Auch in den vom EGMR zu entscheidenden Fällen ging es stets darum, dass die Presse ehrverletzende Äußerungen verbreitet und somit in eigene Aussagen integriert. Es wurde auf die Frage eingegangen, ob ein Zu-Eigen-Machen der Meinung vorliegt oder eine hinreichende Distanzierung, sodass die Ehrverletzung der Presse nicht zugerechnet werden kann. Insofern kann der Rechtsprechung des EGMR mit den gleichen Erwägungen wie bei der Rechtsprechung des BVerfG nicht die Wertung entnommen werden, dass es von der Meinungsfreiheit des Art. 10 EMRK umfasst sei, ein ausländisches Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied auf einer Versammlung als Redner auftreten zu lassen. Denn in einer solchen Situation fehlt es an einer Verknüpfung zwischen der Meinung des Veranstalters und derjenigen des Redners.329 Aus diesen Gründen ist der Schutzbereich der Meinungsfreiheit für den Veranstalter der Versammlung nicht eröffnet.
326 Jungbluth, NVwZ 2017, 604, 607 f.; die Frage, ob die Meinungsäußerungsfreiheit des Veranstalters betroffen ist und insoweit auf die Ausführungen von Jungbluth verweisend: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit?, in: Uhle, Staatliche Information und Einflussnahme, 123, 134, Fn. 32. 327 Siehe dazu unter § 5 B. I. 3. d) cc). 328 Jestaedt, in: HGR IV, § 102, Rn. 8 und Fn. 40. 329 Anders sieht dies wohl Kneihs, NLMR 2017, 101 f. der den Empfang von Nachrichten als von Art. 10 EMRK geschützt ansieht, im Ergebnis schließt er aber dennoch eine Verletzung der Rechte aus der EMRK aus.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
III. Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG Gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG hat jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Als Quelle i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG wird auch das Ereignis als solches erfasst, das den Gegenstand der Information bildet.330 Somit wird auch die Informationsaufnahme an der Quelle geschützt.331 Damit stellt auch die öffentliche Rede selbst eine von der Informationsfreiheit erfasste Quelle dar und nicht erst die mediale Berichterstattung über dieses Ereignis.332 Allgemein zugänglich ist die Quelle, wenn sie technisch dazu geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen.333 Das Grundrecht der Informationsfreiheit kommt erst dann zum Tragen, wenn die Quelle schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmt ist.334 Auch auf Ebene der EMRK erfasst der Schutzbereich der Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK lediglich ein Recht auf den Zugang zu allgemeinzugänglichen Quellen.335 Das Bestimmungsrecht über das Zugänglichmachen einer Informationsquelle bestimmt sich bei Privatpersonen vornehmlich nach dem bürgerlichen Recht, der Staat kann gemäß dem öffentlichen Recht im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse die Art und Weise des Zugangs zur Informationsquelle bestimmen.336 Allerdings kann der Staat privaten Informationsquellen nicht ihre Zugänglichkeit nehmen, da dies die Informationsfreiheit aushöhlen und die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG obsolet machen würde.337
330 BVerfGE 103, 44, 60; Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 162; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 107; Sodan, in: ders., GG, Art. 5 Rn. 12; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 22; Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, § 162, Rn. 36. 331 BVerfGE 103, 44, 60; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 22; Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 82; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 25. 332 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 107. 333 BVerfGE 27, 71, 83; 33, 52, 65; 90, 27, 32; 103, 44, 60; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 55; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 5 I, II, Rn. 78; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 109. 334 BVerfGE 103, 44, 60; Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 89. 335 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 10 Rn. 21; Grote/Wenzel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 50; Grabenwarter/Pabel, EMRK, S. 385. 336 BVerfGE 103, 44, 60 f. 337 BVerfGE 27, 71, 84 f.; s. dazu auch: Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 23; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 108.
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Allerdings ist die Informationsfreiheit als Abwehrrecht ausgestaltet und gibt dem Einzelnen keinen Anspruch darauf, dass der Staat allgemein zugängliche Informationsquellen einrichtet.338 Eine positive Verpflichtung des Staates, Informationen bereitzustellen, ergibt sich grundsätzlich auch nicht aus Art. 10 EMRK, allerdings hat der EGMR für bestimmte Bereiche Ausnahmen davon zugelassen.339 Als Informationsträger kommt grundsätzlich auch das gesprochene Wort in Betracht340 und zwar sowohl unmittelbar als auch durch eine elektronische Übertragung.341 Öffentliche Veranstaltungen und öffentlich gehaltene Reden werden auch als allgemein zugänglich qualifiziert,342 jedoch im Hinblick auf ihre Eigenschaft als unmittelbares Ereignis als Informationsquelle.343 Findet somit dieses Ereignis der Versammlung mit dem Redeauftritt gar nicht statt, so kann dies auch keine allgemein zugängliche Informationsquelle darstellen. Ein Anspruch, dass der Staat die Einreise ermöglicht, damit die Informationsquelle eröffnet wird, ist gerade nicht vom Schutzbereich der Informationsfreiheit umfasst.344 Auch aus der Informationsfreiheit der EMRK kann sich nichts anderes ergeben, da ihr Schutzbereich nicht über denjenigen der grundrechtlichen Gewährleistung hinausreicht.
338 BVerfGE 103, 44, 59 f.; BVerwG, DÖV 1979, 102; Dörr, in: HGR IV, § 103, Rn. 75; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 59 a; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 28; Sodan, in: ders., GG, Art. 5 Rn. 14; Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar, GG, Bd. I, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 92. 339 Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 10 Rn. 21; Grote/Wenzel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rn. 50, jeweils mit den einschlägigen Nachweisen der Rspr. des EGMR. 340 Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 54; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 106; Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 161. 341 Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 161. 342 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 5 Rn. 109; Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 164; für Ereignisse und Vorgänge im Allgemeinen: Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, § 162, Rn. 38. 343 Degenhart, in: Bonner Komm., GG, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 164 i.V. m. Rn. 162. 344 So i. E. auch Zilkens, Einreisefreiheit aus Grundrechten, S. 255 ff., der einen Eingriff in die Informationsfreiheit des inländischen Grundrechtsträgers bei Verweigerung der Einreise einer ausländischen Person ablehnt, da die Informationsbeschaffung auch auf einem anderen Wege erfolgen könne, allerdings sollten die grundrechtlichen Belange bei der Einreiseentscheidung der Behörde berücksichtigt werden; ebenso wenig von der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG, vgl. dazu oben unter § 5 B. I. 3. d) aa) und von den Gewährleistungen des Art. 10 EMRK, vgl. dazu oben unter § 3 A. III. 2. b).
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
IV. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Ist der Veranstalter kein deutscher Staatsbürger, könnte für EU-Bürger Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. den Schranken des Art. 8 GG einschlägig sein, was dann zu keinen anderen Ergebnissen als bei Veranstaltern, die Deutsche i. S. d. Grundgesetzes sind, führen kann. Auch wenn es sich um einen Ausländer aus dem Nicht-EU-Ausland handelt, könnte die allgemeine Handlungsfreiheit eröffnet sein. Für diesen würden dieselben Schranken wie für den deutschen Veranstalter gelten, da Art. 2 Abs. 1 GG einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt unterliegt und keine erhöhten Anforderungen wie bei der Versammlungsfreiheit gelten. Diese wäre dann aber im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung leichter einschränkbar und zudem würde § 47 AufenthG greifen.345
C. Ergebnis zu § 5 Einen von vornherein grundrechtsfreien Bereich für alle Sachverhalte anzunehmen, die zu den auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zählen können, so wie es das OVG Münster in seiner Entscheidung vertritt, überzeugt nicht, da die Zusammenschau von Kompetenz- sowie staatsorganisationsrechtlicher Normen vom OVG Münster einen solchen nicht zu konstruieren vermag. Auch eine Zuordnung zum Bereich des Auswärtigen überzeugt nicht, da die Auflage im zu entscheidenden Fall gerade von der Versammlungsbehörde als Landesbehörde erlassen wurde und somit die Bundeskompetenz gerade nicht gewahrt wurde. Vielmehr ist der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet, soweit in personeller Hinsicht der Veranstalter Deutscher i. S. d. Art. 116 GG ist. Denn auch Wahlkampfveranstaltungen stellen Versammlungen i. S. d. Art. 8 Abs. 1 GG dar. Zudem ist auch die Bestimmung und Einladung der Redner vom sachlichen Schutzbereich der Versammlungsfreiheit umfasst. Auch das Aufstellen der Videoleinwand gehört dazu, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang zur Versammlung steht. Nicht vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit umfasst ist allerdings ein Anspruch auf eine positive Einreiseentscheidung der Bundesregierung, um einen Auftritt des Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds zu ermöglichen. Ein an den eingeladenen Redner gerichtetes Auftrittsverbot würde einen mittelbaren Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters darstellen, richtet
345 Siehe zu dieser Vorschrift bereits oben unter § 4 A. II. 4. sowie weiter unten unter § 6 C. II.
C. Ergebnis zu § 5
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sich die Untersagung direkt an den Veranstalter, liegt ein unmittelbarer Eingriff vor. Eine Rechtfertigung mittelbarer Eingriffe aufgrund von Kompetenznormen ist nicht überzeugend. Vielmehr gelten im Rahmen der Einschränkungsmöglichkeiten des § 15 VersG hohe Anforderungen hinsichtlich des zu schützenden Rechtsguts, des Wahrscheinlichkeitsgrads der Gefahr und der Gefahrenprognose. Diesen hohen Anforderungen hält beispielsweise die Auflage, die die Live-Zuschaltung des türkischen Präsidenten Erdog˘an untersagte, nicht stand, da es an einer hinreichend konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit mangelte. Der Gedanke eines Konzepts einer transnationalen wehrhaften Demokratie kann einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit nicht rechtfertigen. Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes stellt ein Grundprinzip der Verfassung dar, das als Auslegungs- und Abwägungskriterium Berücksichtigung finden kann, jedoch nicht generell zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen herangezogen werden kann. Für ein Eingreifen der explizit normierten Schutzmechanismen bedarf es einer tatsächlichen Bedrohung der freiheitlichen Demokratie sowie eines aggressiv-kämpferischen Vorgehens der Personen oder Vereinigungen. Das Schutzgut der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes ist nur die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes, sodass ihre Instrumente nicht für den Schutz freiheitlich demokratischer Verfassungen anderer Staaten herangezogen werden können. Auf der Ebene der EMRK drückt Art. 17 EMRK die Wehrhaftigkeit dieser Konvention aus. Insbesondere Meinungsäußerungen und Parteien wurden in der Rechtsprechung des EGMR aufgrund des Gedankens des Art. 17 EMRK verboten. Für Versammlungen fehlt es allerdings an einschlägiger Rechtsprechung des EGMR. Eine Erweiterung des Konzepts der wehrhaften Demokratie auf eine transnationale Ebene überzeugt nicht, da das Schutzgut einer solchen wehrhaften Demokratie nicht hinreichend konkretisiert ist und zudem der Ort, an dem die gefährdende Handlung vorgenommen wird, und der Ort, an dem die Gefährdung eintritt, stets auseinanderliegen, was eine Einschätzung der Lage und damit eine angemessene Reaktion erschwert. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG ist unter dem Aspekt des Verbreitens fremder Meinungen für den Veranstalter nicht eröffnet. Auch die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG gibt dem Veranstalter keinen Anspruch, den Redner als Informationsquelle auftreten zu lassen. Keine andere Bewertung ergibt sich aus Art. 10 EMRK und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR.
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§ 5 Bedeutung der Grundrechte für die Veranstalter des Wahlkampfauftritts
Ist der Veranstalter des Wahlkampfauftritts kein Deutscher i. S. d. Art. 8 Abs. 1 GG, so kann er Schutz über Art. 2 Abs. 1 GG erfahren. Als Unionsbürger wird der Schutz über Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. den Schranken des Art. 8 Abs. 1 GG gewährt. Durch ein Auftrittsverbot wird in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit eingegriffen, sodass es einer Rechtfertigung einer solchen Maßnahme bedarf. Das Versammlungsgesetz ist dafür nur in Ausnahmefällen geeignet.
§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern In diesem Abschnitt sollen nun die gefundenen Ergebnisse noch einmal hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Untersagung des Verbots von Wahlkampfauftritten geordnet und bewertet werden. Dabei soll zunächst klar gestellt werden, auf welche Fälle die Befunde Anwendung finden können (A.). Anschließend werden die verschiedenen rechtlichen Aspekte noch einmal zusammengefasst (B.). Sodann wird die bestehende Rechtslage mit ihren Anwendungsfällen zusammengestellt (C.). Es folgt eine Gesamtbewertung, wobei auch beurteilt wird, ob die Reaktion des Österreichischen Gesetzgebers überzeugend ist (D.). Abschließend werden die wesentlichen Thesen zusammengetragen (E.).
A. Ausgangslage Bereits der Ansatz, eine transnationale wehrhafte Demokratie zu begründen, zeigt, dass die politischen Auftritte von hochrangigen ausländischen Politikern eine Konstellation darstellt, für die es neuer Lösungsansätze bedarf. Denn sie sind zum einen thematisch nicht mehr national bezogen und zum anderen handelt es sich um Beziehungen zu Personen, die sich nicht durch ein Staat-BürgerVerhältnis auszeichnen, sondern vielmehr durch zwischenstaatliche Aspekte geprägt sind.
I. Erfasste Fälle Unberührt von der Frage, inwiefern ein Auftrittsverbot ausgesprochen werden kann, bleiben Fälle, in denen solche ausländischen Politiker auftreten, die keine Amtsträger in einem anderen Staat sind und die sich hier auch auf Grundrechte berufen können.1 Dies erwähnte auch das VG Köln in einem Beschluss vom 14.06.2018, in dem es ein Redeverbot, das mittels versammlungsrechtlicher Auflage erging, aufhob, und dabei feststellte, dass die Grundsätze des oben ausführlich erörterten Beschlusses des OVG Münster vom 29.07.2016 hier gerade nicht anwendbar seien, da die Redner, die auf der Versammlung sprechen sollten, weder den Abgeordnetenstatus in der Türkei genössen noch dort ein sonstiges Amt bekleiden würden.2 1 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 133. 2 VG Köln, Beschl. v. 14.06.2018 – 20 L 1365/18 –, juris, Rn. 8.
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§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts
Das stößt allerdings auf Kritik der ausländischen Regierungsparteien, die sich nun gegenüber der Opposition benachteiligt sehen, da ihre Auftritte von der Genehmigung der Regierung abhängig sind, diejenigen der Oppositionspolitiker hingegen nicht.3 Dem kann allerdings entgegen gehalten werden, dass auch auf nationaler Ebene mit der Übernahme eines hohen staatlichen Amts eine Beschränkung der politischen Tätigkeit einhergeht, wenn sie in amtlicher Eigenschaft auftreten, da sie an die Neutralitätspflicht gebunden sind. Wie bereits oben festgestellt, können bei Personen, die völkerrechtlich eine besondere Stellung innehaben, Wahlkampfauftritte in einem anderen Staat nicht ihrer Tätigkeit als Privatperson zugeordnet werden, sodass ein Grundrechtsschutz ausscheidet. Die besondere völkerrechtliche Stellung rechtfertigt insofern eine Andersbehandlung im Hinblick auf die Grundrechtsberechtigung.
II. Aktualität der Problematik Die Problematik stellt sich – wie bereits an verschiedener Stelle in dieser Arbeit erläutert – in einigen europäischen Ländern. Bereits angesprochen wurden die diplomatischen Maßnahmen gegen die türkische Familienministerin in den Niederlanden. Auch die Änderung des Versammlungsgesetzes in Österreich als Reaktion auf die Auftritte hochrangiger Politiker aus der Türkei wurde bereits erläutert. Auch in Belgien gab es Diskussion um Veranstaltungen türkischer Gruppierungen. Dabei wies der Innenminister darauf hin, dass es den Bürgermeistern obliege, darüber zu entscheiden, ob Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung ergriffen werden müssen.4
B. Zu berücksichtigende Aspekte beim Verbot eines Wahlkampfauftritts Hinsichtlich der grundrechtlichen Dimension eines Verbots von Wahlkampfauftritten wird das Erfordernis einer Verbindung der grundrechtlichen und damit
3
Vgl. Bielicki, „Gleiches Verbot für alle“, SZ v. 24.05.18, S. 5. Siehe zur Situation in Europa im Allgemeinen und in Belgien im Besonderen: RTBF, Crise diplomatique entre la Turquie et l’Europe: tout comprendre en quelques questions, 15.03.2017, online abrufbar unter: https://www.rtbf.be/info/monde/detail_ crise-diplomatique-entre-la-turquie-et-l-europe-tout-comprendre-en-quelques-questions? id=9555150 (letzter Zugriff: 26.01.19); zur Stellungnahme des Innenministers: RTBF avec Belga, Meetings pro-Erdogan: Jambon suit la situation de près et invite à ne pas céder à la panique 12.03.2017, online abrufbar unter: https://www.rtbf.be/info/bel gique/detail_meetings-pro-erdogan-jambon-suit-la-situation-de-pres-et-invite-a-ne-pasceder-a-la-panique?id=9552381 (letzter Zugriff: 26.01.19). 4
B. Zu berücksichtigende Aspekte beim Verbot eines Wahlkampfauftritts
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nationalen Reichweite der Problematik mit derjenigen der völkerrechtlichen offensichtlich. Dabei haben sich im Laufe der Untersuchung einige Aspekte als besonders relevant herausgestellt.
I. Völkerrechtliche und grundrechtliche Prägung 1. Völkerrechtliche Dimension Die völkerrechtliche Dimension der Thematik zeigt sich zunächst an der besonderen völkerrechtlichen Stellung, die Staatsoberhaupt, Außenminister und Regierungschef insbesondere durch ihre völkerrechtliche Immunität genießen. Entscheidungen ihnen gegenüber ergehen im zwischenstaatlichen Bereich, da sich dabei zwei souveräne Staaten gegenüber stehen. Ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern wird immer ein besonderer Schutz gewährt, wenn sie sich im Rahmen von Besuchen in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Insbesondere die für einen Wahlkampfauftritt notwendige Entscheidung über die Einreise dieser Personen ist eine solche, die in den zwischenstaatlichen Bereich fällt. Daran wird auch deutlich, dass sich diese Personen von anderen ausländischen Staatsbürgern ohne herausragendes staatliches Amt unterscheiden. 2. Grundrechtliche Dimension Ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder können sich bei Wahlkampfauftritten in Deutschland nicht auf Grundrechte berufen, wie unter § 4 erläutert. Dies hat allerdings nach überzeugender Auffassung keine Auswirkung auf die Frage der Grundrechtsberechtigung für den Veranstalter des Wahlkampfauftritts. Unter § 5 A. wurde erläutert, dass es nicht überzeugend ist, einen gänzlich grundrechtsfreien Bereich aufgrund der außenpolitischen Dimension anzunehmen. Vielmehr greift ein Auftrittsverbot in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters ein, wenn die Rede Teil des Programms der Veranstaltung ist (§ 5 B. I.). Letzteres ist jedoch auch Voraussetzung dafür, dass der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit des Veranstalters eröffnet ist und keine Umgehung der fehlenden Grundrechtsberechtigung des ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds vorliegt.5
5 So auch der Gedanke bei Bajrami, The stage is (not) yours! – Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland, 06.07.2017, online abrufbar unter: https:// www.juwiss.de/78-2017/ (letzter Zugriff: 23.01.2019).
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§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts
Die völkerrechtliche Prägung der Problematik ist damit nicht so stark, dass sie dem Zweck der Versammlungsfreiheit zuwiderläuft und diese Fälle bereits aus dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ausgeschlossen wären.6
II. Beschränkungsmöglichkeiten der politischen Betätigung des Ausländers Nicht vollkommen außer Acht gelassen werden darf auch die Tatsache, dass die Beschränkung der politischen Tätigkeit von Ausländern ein völkerrechtliches Prinzip ist, das – auch wenn die aktuelle Relevanz eher als gering eingestuft wird – weiterhin in Art. 16 EMRK zum Ausdruck kommt. § 47 AufenthG verkörpert diesen Gedanken in einfachgesetzlicher Form. Auch die Ausgestaltung der Versammlungsfreiheit als Deutschen-Grundrecht beruht auf diesem Gedanken.7 Allerdings greift dieser Gedanke im Zweifel nur für den auftretenden Redner und nicht für den Veranstalter der Versammlung, der sich, soweit er Deutscher ist, auf die Versammlungsfreiheit berufen kann.8
III. Gedanke der wehrhaften Demokratie Die Untersuchungen zur wehrhaften Demokratie9 haben ergeben, dass das Grundgesetz einen möglichst freien Meinungskampf gewährleistet, und Beschränkungen aufgrund der Wehrhaftigkeit des Grundgesetzes erst in Betracht kommen, wenn die freiheitlich demokratische Grundordnung tatsächlich bedroht wird. Die Gedanken zu einer transnationalen wehrhaften Demokratie überzeugen nicht derart, dass letztere als ein rechtliches Konstrukt qualifiziert werden könnte. Damit bleibt es bei einem Argument, das lediglich im politischen Entscheidungsspielraum Berücksichtigung finden kann, allerdings keine rechtsdogmatische Lösung bereithält. Insofern ist der Gedanke, inwiefern der Redner sich gegen grundlegende demokratische Werte richtet, allenfalls bei der Ermessensentscheidung der Bundesregierung im Rahmen der Einreise zu verorten. Allerdings bleibt dies eine eher konstruierte Überlegung, da sich nach hier vertretener Auffassung die ausländischen Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder nicht auf Grundrechte berufen können und somit auch die Einschränkungsmöglichkeiten aufgrund der Streitbarkeit der Demokratie nicht zur Anwendung kommen.
6 Anders wohl die Ansicht des OVG Münster und von Teilen der Literatur, s. dazu oben unter § 5 B. I. 3. d) dd). 7 Siehe zu all diesen Feststellungen unter § 4 A. 8 Siehe dazu sogleich unter § 6 C. II. 9 Siehe dazu oben unter: § 5 B. I. 5. b) cc).
B. Zu berücksichtigende Aspekte beim Verbot eines Wahlkampfauftritts
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IV. Kompetenzrechtliche Probleme 1. Zuständigkeit der Bundesregierung im Bereich der Außenpolitik Wie bereits oben festgestellt, kommt dem Bund die Verbandskompetenz im Bereich der Politik des Auswärtigen zu. Die Bundesregierung verfügt sowohl über die Kompetenz für die materielle Entscheidung über die Einreise als auch für die Vertretung und damit die Kommunikation nach außen gegenüber dem ausländischen Staat.10 Soweit es also um die Entscheidungen auf zwischenstaatlicher Ebene geht, obliegt die Entscheidungsgewalt der Bundesregierung. Die Länder können nur mit Zustimmung des Bundes tätig werden. Somit sehen einige Stimmen in der Literatur auch eindeutig die Kompetenz für die Entscheidungen über die Aufritte bei der Bundesregierung.11 Maßgeblicher Grund für eine umfassende Kompetenz des Bundes im Bereich der auswärtigen Beziehungen ist, dass eine einheitliche Außenpolitik gewährleistet werden soll. 2. Landesrechtliche Zuständigkeit im Bereich des Gefahrenabwehrrechts Wird aber dieser Bereich verlassen und kommt es auf die Frage nach gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen an, so fallen diese Beurteilungen in den Zuständigkeitsbereich der Gefahrenabwehrbehörden auf Länderebene. Stimmt die Bundesregierung der Einreise des ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds zu, so können die Länderbehörden aufgrund von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Maßnahmen gegen die Versammlung ergreifen.
V. Zwischenergebnis Es lassen sich damit eine grundrechtliche Dimension sowie eine völkerrechtliche Prägung der Problematik der Untersagung eines Wahlkampfauftritts ausmachen. Die Beschränkungsmöglichkeiten der politischen Betätigung der Ausländer sowie der Gedanke der wehrhaften Demokratie sind hingegen keine Aspekte, die die Problematik maßgeblich prägen. Allerdings sind die verschiedenen Verbandskompetenzen, zum einen die Kompetenz des Bundes für den zwischenstaatlichen Bereich und zum anderen die Kompetenz der Länder für den Bereich der Gefahrenabwehr, eine Herausforderung für einen rechtsdogmatisch überzeugenden Umgang mit der Problematik, 10
Siehe oben unter: § 3 C. Tomuschat, Türkischer Wahlkampf auf deutschem Boden?, FAZ, 07.03.2017, S. 8; Petersen, Erdog˘an und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03.2017, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahlkampf-auftritt-deutschlandversammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019). 11
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§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts
genauso wie die Eröffnung der grundrechtlichen Dimension für den Veranstalter und die damit einhergehenden Anforderungen an die Rechtsgrundlage.
C. Bestehende Rechtslage und ihre Anwendungsfälle Aufgrund der Grundrechtsrelevanz der Maßnahme bedarf es einer gesetzlichen Grundlage für solche Maßnahmen.12 Inwiefern die bereits bestehenden gesetzlichen Grundlagen die verschiedenen Dimensionen sowie die kompetenzrechtlichen Probleme erfassen, soll im Folgenden kurz dargestellt werden.
I. Gefahrenabwehrrechtliche Ermächtigungsgrundlagen Im Präzedenzfall des OVG Münster wurde die Live-Zuschaltung des türkischen Ministerpräsidenten mittels einer versammlungsrechtlichen Auflage gemäß § 15 VersG untersagt. Allerdings war eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit – soweit sich das nach der Begründung im Auflagenbescheid beurteilen lässt – nicht gegeben.13 Die Voraussetzungen eines gefahrenabwehrrechtlichen Einschreitens aufgrund einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sind sehr hoch und wohl nur in den seltensten Fällen erfüllt. Das Versammlungsrecht eignet sich daher nicht, die Problematik zu erfassen, da es gerade außenpolitische Entscheidungen nicht berücksichtigt, sondern vielmehr auf die Abwehr versammlungsspezifischer Gefahren gerichtet ist. Dasselbe gilt für sonstige gefahrenabwehrrechtliche Tatbestände wie solche aus dem Straßenverkehrsrecht. Auch sie erfassen die eigentliche Problematik nicht, da sie außenpolitische Aspekte nicht berücksichtigen.14 Somit erfassen gefahrenabwehrrechtliche Tatbestände lediglich die grundrechtliche Dimension, nicht aber die völkerrechtliche. Auch die Kompetenz des Bundes für die Pflege der auswärtigen Beziehungen wird dabei nicht berücksichtigt. Insbesondere kann auch die Gefahr von Gegendemonstrationen keinen Eingriff in die Versammlungsfreiheit rechtfertigen.15 Somit kann das Versammlungsrecht in der Regel nur dann Anwendung finden, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass Straftaten begangen werden oder sonstiges Gesetzesrecht verletzt wird. 12 Schaks, Zumutungen des Versammlungsrechts, VerfBlog, 03.08.2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumutungen-des-versamm lungsrechts/(letzter Zugriff: 24.01.2019). 13 Siehe dazu ausführlich Schaks, a. a. O. 14 Vgl. zur Ungeeignetheit der verwaltungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen: Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 136. 15 Siehe dazu oben unter § 5 B. I. 5. b) aa) (4).
C. Bestehende Rechtslage und ihre Anwendungsfälle
231
II. § 47 AufenthG Auf § 47 AufenthG wurde im März 2017 von der Stadt Hannover ein Verbot der politischen Betätigung für den stellvertretenden AKP-Vorsitzenden Eker gestützt, dem im gesamten Land Niedersachsen seine politische Betätigung untersagt wurde, weil befürchtet wurde, dass seine Äußerungen die politische Willensbildung in der Bundesrepublik beeinträchtigen würden.16 Im Rahmen des § 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AufenthG wurde erwogen, einer Verbalnote des Auswärtigen Amts im Rahmen des Tatbestandsmerkmals des Zuwiderlaufens gegen die außenpolitischen Interessen Geltung zu verschaffen.17 Die Verbalnote vom 14.03.2017 ließ die Durchführung des Verfassungsreferendums in Deutschland grundsätzlich zu, allerdings unter anderem mit der Auflage, dass Wahlkampfveranstaltungen vorher angekündigt werden müssen.18 Ein Verstoß gegen diese Auflage als ein Zuwiderlaufen gegen die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland anzusehen, wurde allerdings abgelehnt19: Zum einen richte sich die Verbalnote an die türkische Regierung als völkerrechtlicher Partner und somit nicht gegen solche Politiker, die kein Regierungsamt bekleiden.20 Zum anderen stelle das mit der Auflage verfolgte Ziel ein innenpolitisches und kein außenpolitisches dar, da es darum ging, die Wahlkampfveranstaltungen besser organisieren zu können.21 Zuletzt wird darauf abgestellt, dass es lediglich die Auflage zu einer Verbalnote war und nicht die Verbalnote selbst, die die Auftritte unter eine Anzeigepflicht stellte, und somit eine Zuwiderhandlung nur das Recht, die Abstimmung in den Konsulaten durchzuführen, beeinträchtigen würde.22 Eine andere Ausrichtung hat die Verbalnote vom 30.06.2017, die die Genehmigungspflicht von Auftritten ausländischer Amtsträger festlegt, sodass erwogen werden könnte, ob ein von der Bundesregierung nicht genehmigter Wahlkampfauftritt den außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik zuwiderläuft.23 Auch wenn § 47 AufenthG zunächst bezüglich der vorliegenden Problematik als passend erscheint, da sie eine spezielle Norm für die politische Betätigung 16 Siehe Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 7, der allerdings die Verfügung im Hinblick auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG kritisch sieht. 17 Vgl. Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 7 f. 18 Schult, Bundesregierung genehmigt türkische Wahllokale, spiegel.de, 15.03.17, online abrufbar unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/recep-tayyip-erdogandeutschland-genehmigt-tuerkische-wahllokale-fuer-referendum-a-1138783.html (letzter Zugriff: 26.01.19). 19 Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 7 f. 20 Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 8. 21 Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 8. 22 Jacob, NVwZ-Extra 16/2017, 1, 8. 23 Siehe den Wortlaut der Rundnote oben unter § 1 C.
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§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts
von Ausländern darstellt, außenpolitische Interessen berücksichtigt und eine eindeutige Kompetenzzuweisung an die Ausländerbehörden vornimmt (§ 71 Abs. 1 S. 1 AufenthG), so ist eine Subsumtion unter den § 47 AufenthG aus den bereits oben dargestellten Gründen nicht zielführend. Das resultiert zunächst daraus, dass der persönliche Anwendungsbereich der Norm nur für Ausländer aus dem Nicht-EU-Ausland, die keiner völkerrechtlichen Immunität unterliegen, eröffnet ist.24 Maßnahmen gegen ausländische Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister können daher nicht auf § 47 AufenthG gestützt werden. Richtet sich das Vorgehen gegen andere Minister, dann ist der persönliche Anwendungsbereich nur eröffnet, wenn sie zu rein privaten Zwecken und auch nicht auf Einladung der Regierung einreisen.25 Dann allerdings könnte, wenn eine Verfügung auf Grundlage des § 47 AufenthG gegenüber dem Redner ergeht, auch die Versammlung gemäß § 15 Abs. 1 VersG beziehungsweise entsprechenden Landesrechts aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit untersagt werden.26 Hinsichtlich des Veranstalters des Wahlkampfauftritts kann § 47 AufenthG nur dann Anwendung finden, wenn es sich um keinen Unionsbürger handelt.27 Neben dem nur sehr engen persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift ist daneben auch fraglich, inwiefern der sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist, da die Voraussetzungen der Norm nicht allzu gering sind.28 Insofern würde § 47 AufenthG nur sehr wenige Sachverhalte erfassen29 und stellt damit keine Norm dar, die den außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Verbots von Wahlkampfauftritten hinreichend Geltung verschaffen könnte.
III. Art. 32 GG Der Vorschlag, das Verbot eines Wahlkampfauftritts auf die Kompetenzvorschrift des Art. 32 Abs. 1 GG zu stützen, wurde bereits oben abgelehnt.30 Maß24
Siehe dazu oben unter § 4 A. II. 4. d). Siehe dazu oben unter § 4 A. II. 4. d). 26 Schaks, Erdogan in Köln: Zumutungen des Versammlungsrechts, VerfBlog, 03.08. 2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdogan-in-koeln-zumutungendes-versammlungsrechts/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 27 Siehe dazu unter § 5 B. IV. 28 Siehe dazu oben unter § 4 A. II. 4. c) bb); vgl. auch Meyer, AVR 56 (2018), 258, 266 f., der zudem der Untersagung der politischen Betätigung von Ausländern aufgrund des § 47 AufenthG eher kritisch gegenübersteht. 29 Auf die ohnehin schon sehr restriktive Anwendung der Vorschrift weist Meyer, AVR 56 (2018), 258, 265, Fn. 44, hin. 30 Siehe dazu unter § 5 B. I. 5. a). 25
C. Bestehende Rechtslage und ihre Anwendungsfälle
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gebliche Bedeutung kommt Art. 32 Abs. 1 GG für die Entscheidung über die Einreise zu, da es der Bundesregierung im Rahmen der ihr dadurch eingeräumten Kompetenz frei steht, die Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds zu untersagen, ohne dass dies einen grundrechtlichen Eingriff darstellen würde. Demgegenüber kann Art. 32 Abs. 1 GG nicht die gesetzliche Grundlage für die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters des Wahlkampfauftritts z. B. durch ein Auftrittsverbot sein. Vorgeschlagen wird allerdings, dem Art. 32 Abs. 1 GG trotzdem auf der Ebene der Rechtfertigung Geltung zu verschaffen, wobei Näheres nicht erörtert wird.31 Jedenfalls wird die völkerrechtliche Komponente dieser Vorschrift durch Art. 32 Abs. 1 GG erfasst.32
IV. Art. 16 EMRK Art. 16 EMRK33 kann für sich genommen keine Grundlage für einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit begründen. Vielmehr beinhaltet Art. 16 EMRK den allgemeinen Rechtsgedanken, dass die politische Betätigung von Ausländern, die keine Unionsbürger sind, von den Konventionsstaaten beschränkt werden kann. Aus dieser Vorschrift ergibt sich – bei restriktiver Auslegung der Norm – die Konventionskonformität des § 47 AufenthG. Grundsätzlich stehe die Norm einem Auftrittsverbot somit nicht entgegen.34 Mehr als ein allgemeiner Rechtsgedanke und die Konventionskonformität einfachgesetzlicher Einschränkungsmöglichkeiten der Versammlungsfreiheit kann der Norm allerdings nicht entnommen werden.
V. Verbalnote In Deutschland wird das Verbot eines Wahlkampfauftritts von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern auf eine Rundnote des Auswärtigen Amtes gestützt.35
31 Goldmann, Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, VerfBlog, 14.03.2017, online abrufbar unter: https://verfas sungsblog.de/le-gouvernement-de-soi-et-des-autres-zu-auftrittsverboten-fuer-tuerkischeregierungsmitglieder/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 32 Vgl. Schwander, ZJS 2017, 242, 244; Bajrami, The stage is (not) yours! – Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland, 06.07.2017, online abrufbar unter: https://www.juwiss.de/78-2017/ (letzter Zugriff: 23.01.2019); Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 138 f. 33 Siehe zu diesem bereits ausführlich oben unter § 4 A. II. 3. c). 34 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 142. 35 Siehe zu dieser und ihrem Inhalt bereits oben unter § 1 C.
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§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts
1. Der Begriff der Note Eine Note im diplomatischen Verkehr stellt die übliche Form der schriftlichen Mitteilung dar.36 Unterschieden werden können Noten, Verbalnoten und Rundnoten. Noten sind Schreiben des Außenministers oder des Staatssekretärs an den Botschafter einer Mission und zeichnen sich durch den Beginn mit den Angaben zum Absender und einer persönlichen Anrede aus sowie durch eine Schlussformel und eine Unterschrift.37 Eine Verbalnote hingegen ist unpersönlicher, da sie nicht unterschrieben wird. Sie beginnt und endet mit festgelegten Höflichkeits- und Schlussformeln.38 Eine Rundnote, wie sie auch im vorliegenden Fall erlassen wurde, ist ebenfalls eine unpersönliche Form der Kommunikation im diplomatischen Verkehr und wird an alle diplomatischen oder andere fremde Vertretungen geschickt. Hinsichtlich ihrer Formalien kommt sie der Verbalnote gleich.39 Solchen schriftlichen Fixierungen kommt immer eine besondere Bindung zu und sie gelten als offizielle Erklärungen.40 Auch eine Zurückweisung der Note ist möglich, was allerdings diplomatisch äußerst heikel ist.41 2. Auswirkungen auf die vorliegende Problematik a) Genehmigungsfreiheit im Konsulat Auch für Aufritte ausländischer Hoheitsträger in dem Konsulat des jeweiligen Herkunftsstaats ergibt sich keine Befreiung von der Genehmigungspflicht.42 Gemäß Art. 22 Abs. 1 S. 1 WÜD sind die Räumlichkeiten der Mission unverletzlich. Art. 22 Abs. 3 WÜD legt darüber hinaus fest, dass die Räumlichkeiten Immunität vor jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung genießen. Auch die konsularischen Räumlichkeiten sind gemäß Art. 31 Abs. 1 WÜK unverletzlich, unterliegen aber Einschränkungen gem. Art. 31 Abs. 2 WÜK.43 36 Creifelds Rechtswörterbuch, Stichwort: Note; Wildner, Die Technik der Diplomatie, S. 141. 37 Beuth, in: Brandt/Buck, Auswärtiges Amt, S. 119, 127. 38 Beuth, in: Brandt/Buck, Auswärtiges Amt, S. 119, 127; Wildner, Die Technik der Diplomatie, S. 142. 39 Beuth, in: Brandt/Buck, Auswärtiges Amt, S. 119, 127. 40 Wildner, Die Technik der Diplomatie, S. 144. 41 Wildner, Die Technik der Diplomatie, S. 145. 42 So für die Rechtslage ohne die Rundnote: Barjami, „The stage is (not) yours! – Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern in Deutschland“, juwiss.de/78-2017/ (letzter Zugriff: 29.03.2019). 43 Siehe dazu: Doehring, Völkerrecht, Rn. 682.
C. Bestehende Rechtslage und ihre Anwendungsfälle
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Trotzdem ist das Gebiet, auf dem die Räumlichkeiten stehen, nicht exterritorial, sondern gehört zum Geltungsbereich des Rechts des Empfangsstaats.44 b) Anwendbares Gefahrenabwehrrecht Losgelöst von der Genehmigung durch die Bundesregierung sind nach der Rundnote die Genehmigungen nach dem Gefahrenabwehrrecht durch die Ordnungsbehörden, die dann allerdings keine außenpolitischen Wertungen vornehmen dürften.45 c) Konsequenzen bei Zuwiderhandlung Vor der Zirkulation der Rundnote wurde versucht, eine Verbindung zwischen einer Untersagung durch die Bundesregierung und den versammlungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen derart herzustellen, dass es einen Verstoß gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung und damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung darstellen könnte, wenn die Bundesregierung für die Bewilligung des Auftritts ausländischer Politiker zuständig ist und entgegen ihrem Willen gehandelt wird.46 Dann müsste allerding deutlich werden, dass die Bundesregierung eindeutig den Auftritt untersagen wollte.47 Nach aktueller Rechtslage könnte sich eine eindeutige Positionierung der Bundesregierung daraus ergeben, dass sie den Auftritt, der, wie von der Rundnote gefordert, zuvor angekündigt wurde, nicht genehmigt. Nach anderer Ansicht wird die Rundnote als innenrechtliche Rechtsnorm qualifiziert, aus der, ebenfalls im Rahmen der Gefährdung der Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, dann ein materielles Veranstaltungsverbot folgen soll.48 Zudem sollen die verwaltungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen im Hinblick auf die zwischenstaatliche Bedeutung der Problematik ausgelegt beziehungsweise angepasst werden.49
44 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/1, S. 288; Doehring, Völkerrecht, Rn. 676; Heintze, in: Ipsen, Völkerrecht, § 25 Rn. 34 f. 45 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 144. 46 Peters/Janz, NWVBl. 2017, 142, 144; ähnlich auch Steuer, Bitte nicht reden! Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder in Deutschland, VerfBlog, 04.03.2017, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/bitte-nicht-reden-auftritte-auslaendischerregierungsmitglieder-in-deutschland/ (letzter Zugriff: 24.01.19), der auch eine Berücksichtigung im Rahmen der öffentlichen Sicherheit befürwortet. 47 Peters/Janz, NWVBl. 2017, 142, 144. 48 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 145. 49 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 138, Fn. 43.
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§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts
Somit bedarf es einer Klärung, was unter den Begriff der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung fällt, damit die Überzeugungskraft dieses Vorgehens beurteilt werden kann. Unter den Begriff der Rechtsordnung fallen Vorschriften jeglichen Rangs der Rechtsordnung, von der Verfassung bis zu Rechtsverordnungen und Satzungen, umfasst werden davon verwaltungsrechtliche Vorschriften ebenso wie das Strafund Ordnungswidrigkeitenrecht, das Zivilrecht sowie unionsrechtliche Vorschriften.50 Allerdings müssen die durch die Vorschriften geschützten Rechtsgüter gefährdet sein.51 Insbesondere bei Normen des öffentlichen Rechts kommt es nur dann zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Form der Verletzung der objektiven Rechtsordnung, wenn es sich um Verhaltensnormen handelt, die insbesondere Ge- oder Verbote enthalten, die durch ein Tun oder Unterlassen des Bürgers verletzt werden können.52 Somit können verfassungsrechtliche Vorschriften, die sich an die Staatsorgane richten, nicht von den Bürgern verletzt werden53, sodass darauf keine Maßnahmen aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gestützt werden können. Insofern ist es nicht überzeugend, wenn ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit aufgrund eines Verstoßes gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes angenommen wird, da gegen diese der Veranstalter des Wahlkampfauftritts gerade nicht verstoßen kann, sodass Maßnahmen gegen ihn nicht darauf gestützt werden können. Hinzu kommt, dass es wenig überzeugend ist, die Verbalnote als diplomatische Kommunikationsform als Teil der geschriebenen Rechtsordnung zu qualifizieren, da sie innerstaatlich keine Regelungswirkung gegenüber dem Bürger entfaltet und ihm insbesondere auch keine Pflichten auferlegt, sondern vielmehr nur den diplomatischen Missionen. Somit kann die Verbalnote im Rahmen der öffentlichen Sicherheit nicht zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Versammlungsfreiheit herangezogen werden.
50 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 8; s. dazu auch: Schoch, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kapitel Rn. 244–252. 51 Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81. 52 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 9, 11–13; Schoch, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kapitel, Rn. 248; s. dazu auch: Denninger, in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, D. Rn. 17; allgemein darauf hinweisend, dass jegliche Normen, die zur Rechtsordnung i. S. d. öffentlichen Sicherheit gehören, solche sein müssen, die sich an den Bürger richten: Korte/Dittrich, JA 2017, 332, 333. 53 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 15.
D. Bewertung
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VI. Zwischenergebnis Damit ist hinsichtlich der bestehenden Rechtslage festzuhalten, dass eine Untersagung einer Versammlung, auf der ein ausländisches Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied sprechen soll, zwar in bestimmten Fällen auf gefahrenabwehrrechtliche Tatbestände oder § 47 AufenthG gestützt werden kann, diese Rechtsgrundlagen allerdings nicht jegliche Dimension der Problematik erfassen, sondern immer nur einen Teilaspekt. Zudem ist ihr Anwendungsbereich auf Ausnahmefälle begrenzt. Der lediglich auf diplomatischer Ebene wirksamen Verbalnote des Auswärtigen Amtes kommt nur eine zwischenstaatliche politische Wirkung zu.
D. Bewertung I. Übertragbarkeit der österreichischen Lösung Österreich wählte den Weg der Änderung des Versammlungsgesetzes, um auf die neue Problematik zu reagieren. Der Schutzumfang der Versammlungsfreiheit in Österreich ist mit demjenigen in Deutschland vergleichbar.54 Insbesondere können nach den jeweiligen Versammlungsgesetzen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bei Gesetzesverstößen oder der Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfolgen.55 Hinsichtlich einer Übertragbarkeit der österreichischen Lösung ist zunächst anzumerken, dass die Kompetenz für die Gesetzgebung hinsichtlich des Versammlungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen in die Kompetenz der Länder übergegangen ist.56 Somit ist ein Vorgehen wie in Österreich nicht insgesamt auf die deutsche Rechtslage übertragbar. Dennoch soll im Folgenden untersucht werden, ob einige Aspekte Lösungsansätze für ein rechtsdogmatisch überzeugendes Vorgehen in Deutschland bereit halten. Die Gesetzesänderung in Österreich sah sich massiver Kritik ausgesetzt.57 Dabei wurde zunächst kritisiert, dass auch Österreicher von der Untersagung erfasst werden könnten und damit Art. 16 EMRK gerade nicht als Begründung herangezogen werden könne.58 54 Siehe zum Schutz der Versammlungsfreiheit in Österreich oben unter § 2 A. IV. sowie für den Schutz der Versammlungsfreiheit in Deutschland oben unter § 5 B. I. 3. 55 Siehe zur Rechtslage in Österreich oben unter § 2 A. I. und für die Rechtslage in Deutschland oben unter § 5 B. I. 5. b) aa). 56 Siehe dazu § 4, Fn. 29. 57 Siehe dazu die ausführliche Darstellung der Stellungahmen oben unter § 2 B. II. 2. b) bb) sowie die Kritik durch die Literatur oben unter: § 2 C. 58 Siehe dazu oben unter § 2 B. II. 2. b) bb) (3) sowie unter § 2 C. I.
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§ 6 Möglichkeiten eines Verbots eines Wahlkampfauftritts
Im Rahmen der deutschen Rechtslage zeigt sich diese Problematik daran, dass § 47 AufenthG auf deutsche Veranstalter nicht angewandt werden kann. Wenn der Veranstalter Staatsbürger des jeweiligen Staates ist, auf dessen Territorium die Versammlung stattfinden soll, dann greifen die für die politische Betätigung von Ausländern vorgesehenen Beschränkungsmöglichkeiten gerade nicht. Sie können allenfalls mittelbar im Rahmen der Rechtfertigung Berücksichtigung finden, wenn die auftretenden Redner solche sind, die den Einschränkungsmöglichkeiten unterliegen. Dieses Problem löst der österreichische Änderungsvorschlag mithin nicht, da der Untersagungstatbestand sowohl auf Österreicher als auch auf Ausländer Anwendung findet. Die Kritik an der Weite und Unbestimmtheit der Tatbestandsmerkmale59 sowie die Gefahr einer zu weiten inhaltlichen Kontrolle60 zeigt die Schwierigkeit, die Problematik durch eine gesetzliche Regelung zu erfassen, ohne zu weitreichende Untersagungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage zur Untersagung von Versammlungen in einem so weit reichenden Maße überzeugt somit nicht. Auch hinsichtlich der Kompetenz der Bundesregierung für die Untersagung bestimmter Versammlungen wurde Kritik geübt.61 Zunächst wurde die Spaltung der Zuständigkeiten in den verschiedenen Bereichen in der Hinsicht kritisiert, dass die Bundesregierung nur dann zuständig ist, wenn die Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten, Vertretern internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte angezeigt wurde. Allerdings ist nach dem hier Untersuchten die Problematik eine solche mit einer starken völkerrechtlichen Prägung, weil gerade die Beziehung zum ausländischen Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied eine zwischenstaatliche ist. Für diese Beziehung ergibt sich dann auch die Zuständigkeit der Bundesregierung gemäß Art. 32 Abs. 1 GG. Die Zuständigkeit der Bundesregierung nur für solche Fälle anzunehmen, in denen hochrangige ausländische Politiker teilnehmen, würde der Kompetenzzuweisung an die Bundesregierung durch das Grundgesetz für außenpolitische Entscheidungen entsprechen. Hinzu kam die Kritik, dass es unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung problematisch sein könnte, wenn die Bundesregierung inhaltlich darüber entscheiden könnte, ob eine Versammlung den außenpolitischen Interessen zuwiderläuft. Dieser Gefahr einer inhaltlichen Kontrolle kann allerdings damit begegnet werden, dass der Tatbestand nicht jegliche Fälle erfasst, die den außenpolitischen
59 60 61
Siehe dazu oben unter § 2 B. II. 2. b) bb) (2) sowie unter § 2 C. I. Siehe dazu oben unter § 2 C. I. Siehe dazu oben unter § 2 B. II. 2. b) bb) (4).
D. Bewertung
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Interessen der Republik Österreich zuwiderlaufen, sondern nur diejenigen, an denen hochrangige völkerrechtliche Vertreter teilzunehmen beabsichtigen.62 Überzeugender ist insofern schon der Änderungsantrag zum neuen Untersagungstatbestand. Dieser sieht keine Spaltung der Zuständigkeiten mehr vor. Zudem wird der weite Begriff der außenpolitischen Interessen gestrichen. Damit wird den Bedenken der zu großen Weite des Tatbestandes begegnet. Resümierend kann festgehalten werden, dass der österreichische Gesetzgeber versuchte, die sich ebenso wie in Deutschland auch in Österreich stellenden Probleme durch den neuen Untersagungstatbestand und die damit im Zusammenhang stehenden Regelungen zu lösen. Allerdings ist der Untersagungstatbestand mit seinen Tatbestandsvoraussetzungen zu weit gefasst und beinhaltet die Gefahr, dass eine inhaltliche Kontrolle der Versammlung stattfindet. Die Belange der deutschen Rechtslage berücksichtigen würde allerdings eine Regelung, nach der nur diejenigen Fälle, in denen hochrangige Vertreter ausländischer Staaten auf einer Versammlung auftreten möchten, in den Kompetenzbereich der Bundesregierung fallen. Allerdings könnte eine solche Regelung nicht mehr durch den Bund im Versammlungsgesetz getroffen werden, da es in den Kompetenzbereich der Länder übergegangen ist.
II. Zusammenfassende Bewertung Die Besonderheit der vorliegenden Problematik liegt in ihrer zwischenstaatlichen Dimension. Für nicht allzu hohe Anforderungen an die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs im Hinblick auf die zwischenstaatliche Dimension63 spricht zunächst, dass sich die Veranstalter der Versammlung in diesen Fällen bewusst in den Bereich der Zwischenstaatlichkeit begeben. Sie laden gerade jemanden ein, der im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland auf der Ebene der Gleichordnung steht und nicht in einem Über-/Unterordnungsverhältnis. Allerdings ist der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit des Veranstalters betroffen, sodass die grundrechtliche Dimension eröffnet wird. 62 Siehe dazu den Abänderungsantrag einiger Abgeordneten im Nationalrat, oben unter § 2 B. II. 4. 63 So der Vorschlag von Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 137; Schwander, ZJS 2017, 242, 244; s. a. Petersen, Erdog˘an und die Versammlungsfreiheit, LTO, 03.03.2017, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erdogan-wahlkampf-auftritt-deutschland-ver sammlungsfreiheit/ (letzter Zugriff: 23.01.2019), der für mittelbare Eingriffe sogar Art. 32 Abs. 1 GG als Ermächtigungsgrundlage ausreichen lassen will, s. dazu bereits oben unter § 5 B. I. 5. a).
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Die bisherigen Vorschläge, die eine Verbindung einer Entscheidung der Bundesregierung über das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in die Versammlungsfreiheit herstellen möchten, überzeugen, wie soeben dargestellt, ebenso wenig wie das alleinige Heranziehen der Kompetenznorm des Art. 32 Abs. 1 GG. Aufgrund der Grundrechtsrelevanz für den Veranstalter bedarf es einer gesetzlichen Grundlage für die Untersagung eines Rednerauftritts, der Teil des Programms einer Versammlung ist. Es bedarf einer gesetzlichen Grundlage für das Handeln der Regierung.64 Die Gefahr, dass die Grundrechte die außenpolitischen Entscheidungen aushöhlen65, wird dadurch abgemildert, dass der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit keinen Anspruch auf Einreise des Redners umfasst. Rechtsdogmatisch überzeugend ist somit bisher nur ein Vorgehen auf Grundlage des Versammlungsgesetzes beziehungsweise entsprechender landesrechtlicher Versammlungsgesetze sowie gemäß § 47 AufenthG. Insofern hält unsere Rechtsordnung keine Lösung bereit, die die widerstreitenden Interessen in einen adäquaten Ausgleich bringt. Rechtsdogmatisch ergibt die Untersuchung somit, dass der Vorgang der Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder unverbunden zwischen den beiden Polen Außenpolitik und Versammlungsfreiheit mit all ihren rechtlichen Besonderheiten steht, die jedoch keine gemeinsame rechtsdogmatisch saubere Lösung zu konstruieren vermögen. In Österreich hat eine Verrechtlichung der Problematik auf der Ebene des Versammlungsrechts stattgefunden. Auch dabei wird die Kompetenz der Untersagung einer Versammlung, auf der Vertreter ausländischer Staaten teilnehmen, der Bundesregierung auferlegt. Dadurch wird die politische Dimension deutlich. Allerdings wird die Entscheidung durch das Versammlungsgesetz an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Somit sollte gerade diese Verbindung der beiden Bereiche geschaffen werden, die jedoch wenig überzeugte.66 In Deutschland hingegen hat man keine Neuregelung eingeführt, sondern belässt es vielmehr bei den bestehenden Regelungen. Die politische Entscheidung der Bundesregierung gemäß Art. 32 Abs. 1 GG über die Einreise wurde ebenfalls auf politischer Ebene durch die Verbalnote konkretisiert. Damit wird auf der ersten Stufe, der Entscheidung über die Einreise, der Politik ein Freiraum gelassen, bei dem die außenpolitischen Erwägungen vollständig zum Tragen kommen kön64 Dazu ausführlich: Schaks, Erdogan in Köln: Zumutungen des Versammlungsrechts, VerfBlog, 03.08.2016, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/erdo gan-in-koeln-zumutungen-des-versammlungsrechts/ (letzter Zugriff: 24.01.2019). 65 Kube, Hoheitsgewalt oder Meinungsfreiheit, in: Uhle, Information und Einflussnahme, 123, 137. 66 Zur Kritik s. oben unter § 2 B. 2. b) bb) sowie § 2 C.
E. Zusammenfassung der wesentlichen Thesen
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nen. Bei einer Einreiseverweigerung muss die Bundesregierung dabei auch die politischen Konsequenzen tragen. Erst wenn auf dieser Ebene die Entscheidung zugunsten einer Einreise ausfällt, liegt aufgrund der Grundrechtsrelevanz der Untersagung eines Wahlkampfauftritts und dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage die größere Bedeutung dieser Problematik nach der deutschen Rechtsordnung im Ergebnis bei den Grundrechten, und zwar bei der Versammlungsfreiheit. Dafür sprechen gute Gründe: Die Fälle, in denen ein Wahlkampfauftritt untersagt werden soll, sind zumeist solche, die den außenpolitischen Motiven der Regierung zuwiderlaufen. Damit besteht die Gefahr, dass die Grundrechte, gäbe es eine Möglichkeit, diese durch außenpolitische Erwägungen einzuschränken, zur Disposition der gerade Regierenden gestellt werden würden. Diese Befürchtung wurde auch hinsichtlich der Gesetzesänderung in Österreich geäußert. Die Grundrechte des Grundgesetzes gewähren jedoch gerade einen Raum der Freiheit, der frei von staatlichen Eingriffen ist und der erst dann beschränkt werden kann, wenn ganz konkrete Gefahren für andere Rechtsgüter oder die Demokratie in Deutschland drohen. Diese Erwägungen zeigten sich besonders deutlich an der Ausgestaltung der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes. Die Inanspruchnahme der Freiheiten aus den Grundrechten auch für Wahlkampfreden ausländischer Hoheitsträger eröffnet einen politischen Diskurs, dem sodann auch mit Gegendemonstrationen und einer umfassenden öffentlichen Debatte begegnet werden kann. Die beiden Bereiche der Außenpolitik und der Versammlungsfreiheit werden somit bei dem Umgang mit der Problematik in Deutschland nicht miteinander verbunden. Die Versammlungsfreiheit erlaubt keine Beeinflussung der außenpolitischen Entscheidung der Bundesregierung über die Einreise, da ihr Schutzbereich soweit nicht reicht. Die Politik erhält damit ihren Freiraum. Umgekehrt spielen auf der Ebene der Grundrechtsausübung, konkret der Versammlungsfreiheit, außenpolitische Erwägungen keine Rolle. Insofern erklärt sich die oben erwähnte Unverbundenheit der beiden Pole Außenpolitik und Versammlungsfreiheit.
E. Zusammenfassung der wesentlichen Thesen Somit ergibt sich nach der Untersuchung folgende Bewertung der Problematik: 1. Die Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts in einen anderen Staat ist ein völkerrechtlicher Vorgang. 2. Es besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder ein Einreiseanspruch besteht. 3. Auch wenn die Einreise zu Zwecken der politischen Meinungskundgabe erfolgen soll, kann ein Einreiseanspruch nicht aus Art. 10 EMRK hergeleitet werden.
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4. Vielmehr stehen sich bei solchen Entscheidungen zwei souveräne Staaten i. S. d. Art. 2 Abs. 1 UN-Charta gegenüber, die im Rahmen ihrer territorialen Souveränität die Entscheidungsgewalt über den Zutritt zu ihrem Staatsgebiet haben. 5. Auch für Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder aus anderen EU-Mitgliedsstaaten ergibt sich aus dem Freizügigkeitsrecht des Art. 21 AEUV kein Anspruch auf Einreise. Denn der EuGH rechtfertigt eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts mit dem besonderen völkerrechtlichen Status dieser Personen. 6. In verfassungsrechtlicher Hinsicht kommt dem Art. 32 Abs. 1 GG für die Entscheidung über die Einreise besondere Bedeutung zu. Nach dieser Bestimmung obliegt die Pflege der Beziehung zu auswärtigen Staaten dem Bund, dem damit die Verbandskompetenz auch für die Entscheidung über die Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds zukommt. 7. Die Grundrechtsberechtigung von Ausländern im Rahmen der DeutschenGrundrechte ergibt sich für Unionsbürger aus Art. 2 Abs. 1 GG. Eine Einschränkung kann jedoch nur unter Berücksichtigung der spezifischen Schranken des jeweiligen Deutschen-Grundrechts erfolgen. Ausländer aus dem Nicht-EU-Ausland genießen grundrechtlichen Schutz in diesem Rahmen hingegen nur über Art. 2 Abs. 1 GG. Die politische Betätigung der Nicht-EU-Ausländer wird somit vor allem durch Art. 5 Abs. 1 GG sowie einfachgesetzlich über § 1 VersG beziehungsweise entsprechendem Landesrecht und § 1 VereinsG geschützt. 8. Die politische Betätigung des Ausländers unterliegt völkerrechtlich der Beschränkungsmöglichkeit des Art. 16 EMRK. Auf einfachgesetzlicher Ebene kommt dieser Grundgedanke auch in § 47 AufenthG zum Ausdruck. Hinsichtlich der Untersagung von Wahlkampfauftritten ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder kann § 47 AufenthG nur Maßnahmen rechtfertigen, die sich gegen den Veranstalter der Versammlung richten, wenn dieser kein Unionsbürger ist. Ausgenommen vom persönlichen Anwendungsbereich der Norm sind zudem die Personen, die einer völkerrechtlichen Immunität zum Zeitpunkt der Maßnahme unterliegen. Auch die Zielrichtung des § 47 AufenthG sowie die Zuständigkeit der Ausländerbehörde sprechen gegen eine Anwendung auf die Problematik. 9. Der Staat ist grundsätzlich nicht grundrechtsberechtigt. Dies folgt zuvörderst aus der primären Funktion der Grundrechte, dem Bürger einen vor staatlichen Eingriffen geschützten Raum der Freiheit zu gewähren. Zudem wird der Staat nicht aufgrund der Ausübung von Freiheiten tätig, sondern handelt im Rahmen der Kompetenzen. Für den ausländischen Staat kann nichts anderes gelten. Insbesondere kann eine Grundrechtsberechtigung nicht automatisch aus der fehlenden Grundrechtsbindung des ausländischen Staates geschlossen werden. Das lässt sich auch nicht aus dem Urteil des BVerfG zum Atomausstieg herleiten, das
E. Zusammenfassung der wesentlichen Thesen
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vielmehr unionsrechtlich eine Ausnahme für die Grundrechtsberechtigung eines vom ausländischen Staat beherrschten Unternehmens herleitet. 10. Die Kriterien, nach denen die Zulässigkeit von Äußerungen nationaler Hoheitsträger beurteilt wird, sind auf ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder nicht übertragbar. Zunächst gelten die Grenzen der Äußerungsbefugnis nicht für ausländische Hoheitsträger. Sie sind weder an das Neutralitätsgebot gebunden noch sind sie grundrechtsverpflichtet. Wird eine Aufteilung nach Sprecherrollen wie bei deutschen Amtsträgern auch für ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder vorgenommen, so sind Wahlkampfauftritte ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder ihrer amtlichen Sphäre zuzuordnen. Sie können sich dabei nicht auf Grundrechte des Grundgesetzes berufen. Zunächst können sie nicht die Rechte aus Art. 21 Abs. 1 GG geltend machen. Zudem kommt ihnen ein besonderer Schutz durch den Empfangsstaat zu. Darüber hinaus fehlt es an dem für die Grundrechte maßgeblichen Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger. Kein Kriterium für die Beantwortung der Frage nach einer Grundrechtsberechtigung kann jedoch die völkerrechtliche Immunität sein. 11. Im Bereich der Außenpolitik einen gänzlich grundrechtsfreien Bereich anzunehmen, überzeugt nicht. 12. Vielmehr ist die Auswahl der Redner – sei es, dass sie persönlich auftreten, sei es, dass sie über die Videoleinwand zugeschaltet werden – vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit der Veranstalter umfasst. Ein Schutzbereichsausschluss kann auch nicht damit begründet werden, dass die außenpolitische Dimension der Problematik dazu führe, dass die Redebeiträge von vornherein nicht mehr vom Schutzzweck der Versammlungsfreiheit erfasst wären. 13. Ein Anspruch auf Einreise eines ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds und damit auf eine bestimmte außenpolitische zwischenstaatliche Entscheidung der Bundesregierung kann aus der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden. 14. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit kann sowohl mittelbar durch ein Auftrittsverbot, welches an das ausländische Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied adressiert ist, erfolgen, als auch unmittelbar durch Untersagung der Versammlung oder Untersagung des Rednerauftritts mittels einer versammlungsrechtlichen Auflage. 15. Die Einhaltung von Kompetenznormen – vorliegend wäre Art. 32 Abs. 1 GG maßgeblich – kann einen Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen. 16. Den hohen Anforderungen an die Einschränkung der Versammlungsfreiheit wird der Auflagenbescheid des Polizeipräsidiums Köln, der die Live-Übertragung der Rede Erdog˘ans untersagte, nicht gerecht, da es an hinreichenden Anhaltspunkten für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit fehlte und die
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Gefahr von Gegendemonstrationen keine Einschränkung rechtfertigen konnte. Auch andere Fälle zeigen, dass gefahrenabwehrrechtliche Tatbestände die Problematik nicht hinreichend erfassen. 17. Der Gedanke, eine transnationale wehrhafte Demokratie für die Rechtfertigung eines Einschreitens gegen Reden ausländischer Hoheitsträger aufgrund des Schutzes einer fremden Demokratie heranzuziehen, überzeugt nicht. Denn das Schutzgut einer solchen transnationalen wehrhaften Demokratie bleibt weitgehend unklar. Auch fallen der Ort der Gefährdungshandlung und derjenige des Gefährdungserfolgs im Zweifel weit auseinander, was eine rechtliche Beurteilung erschwert. 18. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Veranstalters gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG ist nicht eröffnet, da die Redebeiträge des ausländischen Staatsoberhaupts oder Regierungsmitglieds nicht als Meinungsverbreitung seitens des Veranstalters der Wahlkampfveranstaltung qualifiziert werden können. Auch Art. 10 EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des EGMR erfordern keine andere Auslegung der Meinungsfreiheit. 19. Mangels Allgemeinzugänglichkeit der Rede als Quelle ist auch der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG nicht eröffnet. 20. Bei Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen können Redebeiträge nach gegenwärtiger Rechtslage auf Grundlage des § 47 AufenthG oder versammlungsrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen untersagt werden. 21. Darüber hinaus hat das Auswärtige Amt als Reaktion auf die Problematik eine Rundnote zirkuliert, die die vorherige Genehmigung solcher Auftritte verlangt. Damit wurde in Deutschland der diplomatische Weg gewählt, um der Problematik zu begegnen. 22. In Österreich hingegen fand eine Verrechtlichung der Problematik durch die Änderung des Versammlungsgesetzes, das nun einen neuen Untersagungstatbestand für Versammlungen vorsieht, statt. Dieser könnte in seiner aktuellen Fassung jedoch weit über die eigentlich zu erfassende Problematik hinaus Beschränkungen der Versammlungsfreiheit rechtfertigen. 23. Die Grundrechtsrelevanz der Untersagung von Wahlkampfauftritten für den Veranstalter macht eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Allerdings hält unsere Rechtsordnung dafür keine rechtsdogmatisch überzeugende Lösung bereit, die die beiden „Pole“ Außenpolitik und Versammlungsfreiheit zusammenführt. Vielmehr wird der Bundesregierung durch die Entscheidung über die Einreise gemäß Art. 32 Abs. 1 GG ein politischer Entscheidungsspielraum belassen, wohingegen auf der Ebene des Versammlungsgesetzes außenpolitische Erwägungen unberücksichtigt bleiben.
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Sachwortverzeichnis Abwehrrecht(e) 168, 173, 184, 221 Acta iure gestionis 141, 168 Acta iure imperii 141, 168 Ad hoc-Diplomat 128 Adoptionstheorie 60 Allgemein zugängliche Quellen 220 f. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 118 Allgemeine Handlungsfreiheit 222 Allgemeine Regel des Völkerrechts 59, 101 Allgemeines Gesetz 120 ff. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 156 ff., 215 Amtliche Autorität siehe Amtsautorität Amtliche Eigenschaft 79, 87, 101, 125, 128, 140, 152, 155, 173, 226 Amtliche Funktion siehe amtliche Eigenschaft Amtsautorität 25, 101, 140, 154 f., 162 f., 167, 218 Amtsträger 149 ff., 161 f., 167, 169, 171 f. Arbeitsbesuch 165 Auflage 24, 174, 179, 186 f., 190, 198 f., 200, 201 f., 204, 212, 222 f., 225, 230 Auflagenbescheid 174, 201 f., 230 Auftrittsverbot 188 f., 192, 198, 201, 204, 222, 224, 227 Ausländerbehörde 121, 131, 232 Ausnahmetrias 135 f. Außenpolitik 24, 63, 80, 84, 94, 97 f., 175, 177 ff., 229, 240 Außenpolitische Beziehungen 42 Außenpolitische Dimension 189 Außenpolitische Interessen 54, 232 Äußerungsbefugnis 149 ff.
– der Mitglieder der Bundesregierung 150 ff. – des Bundespräsidenten siehe Bundespräsident Auswärtige Beziehungen 81, 86 ff., 94 f. Auswärtige Gewalt 79 f., 86, 88 ff., 100 Auswärtiger Dienst 89, 97 Besuch 75 f., 78, 85, 99, 129 f., 163 ff., 173, 227 Binnenmarkt 74 Brokdorf-Beschluss 180, 198 f. Brokdorf-Entscheidung siehe BrokdorfBeschluss Bundespräsident 88 f., 91 ff., 100 – Äußerungsbefugnis 149, 162 – Prüfungsrecht 92 – Stellung im Grundgesetz 91 f. – Vertretungsbefugnis 88, 92, 94 Bundestreue 97 Chancengleichheit der Parteien 150, 161 Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including Diplomatic Agents 163 Deutschen-Grundrechte 104 ff., 132 Dienstbesuch 130 Diplomatische Beziehungen 76, 86, 97 Diskriminierungsverbot 104 Domaine réservé 63 f. Dualismus 59 f. Durchgriffsargument 134 Eigenstaatlichkeit der Länder 96 Eingriff – faktischer 192 f.
Sachwortverzeichnis – mittelbarer 178, 192 ff., 197, 222 – unmittelbarer 193, 223 Eingriffsbegriff – klassischer 192 f. – moderner 192 Einladung – amtliche 131 – des Bundespräsidenten 165 – durch den Versammlungsveranstalter 183, 222 Einreise – Anspruch auf 59, 62, 65, 68 f., 70, 73, 79, 101, 184, 192, 221, 240 – Entscheidung über die 64, 87 ff., 94, 100, 102, 167, 183 f., 192, 214, 222, 227 ff., 233, 240 f. – private 101, 129 ff. Einreiseanspruch siehe Einreise Ermessen – der Behörde 124, 131 – der Bundesregierung bei der Einreise 214, 228 Eskorte 165 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) – Geltung in Deutschland 65 ff. – Geltung in Österreich 35 Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes 144 Evidenzkontrolle 162 Freiheitlich demokratische Grundordnung 180, 207 ff., 212 ff., 223 Freizügigkeit 58, 73 f., 76 ff., 102 Gebietshoheit 101 Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung 204, 223, 229 f. Gefahrenabwehrrecht 229, 235 Gegendemonstrationen 201 f., 230
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Gegenzeichnungserfordernis 91 Geschäftsordnung der Bundesregierung (GO-BReg) 90 f. Gesetz über den auswärtigen Dienst (GAD) 88 f. Gesetzesvorbehalt siehe Vorbehalt des Gesetzes Grundfreiheit 74, 78, 146 Grundrechtsbindung 138 f., 141 f., 148, 151, 195 Grundrechtsfähigkeit 141, 143, 146 Grundrechtsschranke 105, 187, 212, 222 – verfassungsimmanente 195, 211 Grundrechtstypische Gefährdungslage 134 f., 142 ff., 146, 148 f., 169, 173 Hoheitsträger – ausländische 64, 87, 149 ff., 162, 170, 172 f., 190 – inländische 133, 162 IGH-Statut 60 f., 70, 129 Immunität, völkerrechtliche – der Räumlichkeiten der Mission 234 – des Staates 63, 141 – funktionelle 127 – konsularischer Räumlichkeiten 234 – personelle 126 f. – ratione materiae 128 – ratione personae 126 f., 129 – Verhältnis zur Grundrechtsberechtigung 167 f. – Verzicht auf 129 – von Außenministern 127 – von Diplomaten 126 – von Konsuln 126 – von Regierungschefs 127 – von Regierungsmitgliedern 127 f., 130 – von Staatsoberhäuptern 126 f., 130 Informationsfreiheit 219 ff. Informationshandeln der Bundesregierung 194, 196 ff. Informationsquelle 220 f., 223
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Sachwortverzeichnis
International Law Commission (ILC) 165 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) 62, 110 ff., 123, 208 Interventionsverbot 63 f., 169 Juristische Person des öffentlichen Rechts, Grundrechtsberechtigung 133 f., 135 f., 139, 142 Kollektive Meinungsbildung und -äußerung 189 Kommunikationsgrundrechte 107 Kompetenz, ungeschriebene 97 f. Kompetenznorm siehe Kompetenzvorschriften Kompetenzverteilung 81, 89, 101 Kompetenzvorschriften 175, 194 ff., 222 f., 232 Kompetenzzuweisung – an die Ausländerbehörden 232 – an die Bundesregierung 198, 238 – an die Länder 96 Konfusionsargument 135 ff., 139 ff., 148 Konsularräume 71 ff., 102 Konsulat 70, 72 f., 234 KPD-Urteil 206, 208 Liveschaltung siehe Live-Zuschaltung Live-Übertragung siehe Live-Zuschaltung Live-Zuschaltung 24, 180, 185, 193, 202, 223, 230 Meinungsfreiheit – Gewährleistung durch die EMRK 67 ff., 215, 217 – persönlicher Schutzbereich 108 f., 152, 161 – Verbreiten fremder Meinungen 214 ff., 223 – Verhältnis zur Versammlungsfreiheit 185 ff. Meinungskundgabe 65, 108, 115, 181 f., 184
Menschenwürdekern 105 f. Mittelbare Drittwirkung von Grundrechten 138 Monismus 59 f. Nebenaußenpolitik der Länder 97 Neutralitätsgebot 150 ff., 161, 196, 226 Neutralitätspflicht siehe Neutralitätsgebot Niederlassungsfreiheit 143 f., 147 Öffentliche Ordnung 199 Öffentliche Sicherheit 199 Organkompetenz 88 f., 102, 175 Organwalter 103, 133, 148, 151, 155 Osho-Entscheidung 194, 196, 198 Osho-Rechtsprechung siehe Osho-Entscheidung Parteipolitik 161 Parteipolitiker 152 ff. Parteipolitische Betätigung 152, 161 Parteiveranstaltung 154 Parteiverbot 209 f., 212 Persona non grata 70 f., 73 Personales Substrat 134, 141, 143 f., 148 Pflege der (auswärtigen) Beziehungen 80 ff., 86 ff., 95 ff. Politische Betätigung 107, 110, 112, 116 f., 119, 123 ff., 131, 132, 170, 173, 231, 233, 238 Politische Willensbildung 106, 108, 161 Polizeilicher Notstand 201 Pressefreiheit 215, 217 Rechtsstaatsprinzip 106, 151, 176 Redeverbot 181, 188, 190, 193, 204, 219 Rednerauftritt 186, 240 Regierung, Begriff 27 f. Regierungsamt 152, 154, 231 Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers 91 Rundnote 31 f., 233 ff.
Sachwortverzeichnis Sachlichkeitsgebot 151 Schmähkritik 216 Schranke siehe Grundrechtsschranke Schutz, völkerrechtlicher 77 f., 163 ff. Schutzbereichsbegrenzung 109, 175, 190, 202 Schutzpflichten, völkerrechtliche 167 Sonderstatusverhältnis 67 Souveräne Gleichheit der Staaten 63 f., 101, 141 Souveränität – äußere 63 – innere 63 – territoriale 64, 101 Spezialmission 128 Sphäre – Abgrenzung bei Äußerungen von Amtsträgern 153 ff. – Trennung privater und staatlicher 138, 140 Staatliches Informationshandeln 196 f. Staatsbesuch 165 ff., 182 Staatsbürgerliche Rechte 107 Staatsoberhaupt – Begriff 27 – Völkerrechtliche Immunität siehe Immunität Störereigenschaft 203 Streitbare Demokratie siehe wehrhafte Demokratie Transformationstheorie 60, 65 Transnationale wehrhafte Demokratie siehe wehrhafte Demokratie Troika 127, 131 Unionsbürger 74 ff., 104 f., 125 Unionsbürgerschaft 74, 113, 171 Unterlassungsanspruch 156 f., 159 Unterstaatliche Akteure 86 Urteil zum Atomausstieg 140, 172
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Verbalnote 31 f., 75 f., 231, 233 ff. Vereinsgesetz (VereinsG) 107, 109, 123, 132 Verfassungsbeschwerde 140, 143, 145 Verfassungskonforme Auslegung 35, 200 Verfassungsmäßige Ordnung 106 Verfassungsorgane 91, 131 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 92, 94 f., 105 Verfassungsreferendum 205, 231 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 39, 106, 116, 124, 151, 196 Versammlung – Art und Weise der Durchführung 185 ff. – Durchführung 120, 184 ff., 200 f. – Inhalt 184 f., 187 f. – physische Anwesenheit der Teilnehmer 182, 191 – Teilnehmer 37, 48, 182, 185, 188, 202 – unter freiem Himmel 198 Versammlungsbehörde – in Deutschland 101, 222 – in Österreich 37, 45 Versammlungsfreiheit – einfachgesetzlich gewährleistete 110, 120 f., 132 – Gewährleistung durch die EMRK 34, 110 – Schutzbereich, persönlicher 191 – Schutzbereich, sachlicher 181 ff. – Schutzzweck 185, 189 – Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters 184, 191 – Verhältnis zur Meinungsfreiheit 185 ff. Versammlungsrechtliche Auflage siehe Auflage Versammlungsverbot 37, 42, 121, 186, 199 f. Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes 66 Völkerrechtsquellen 60 f. Völkerrechtssubjekte 34, 37, 82, 86 f.
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Sachwortverzeichnis
Völkervertragsrecht 60, 70 Vollzugslehre 60, 65 Vorbehalt des Gesetzes 35, 106, 111, 196 f., 198, 222 Wahlkampfreden 218, 241 Wechselwirkungslehre 198 f. Wehrhafte Demokratie – der EMRK 207 f., 209, 223 – des Grundgesetzes 207, 208 ff., 223, 228 – transnationale 205 f., 213 f., 223, 228, 244 Weimarer Reichsverfassung 84 f., 92 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) 70 f., 167, 234
Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) 71, 73, 234 Wiener Vertragsrechtskonvention 88 Willensbildungsprozess – gesellschaftlicher 107 – innerstaatlicher 90 – politischer 106 f., 180 Zuständigkeitsordnung 196 Zwischenstaatlichkeit – zwischenstaatliche Dimension 170, 239 – zwischenstaatliche Ebene 175, 184, 192, 229 – zwischenstaatliche Entscheidung 25, 167 – zwischenstaatlicher Bereich 227, 229 – zwischenstaatlicher Verkehr 85, 89, 127