VVG: Band 8/1 Lebensversicherung §§ 150-171 [9. völlig neu bearb. Aufl.] 9783899498592, 9783899491371

Die Reform des VVG im Jahre 2008 hat insbesondere in der Lebensversicherung zu Veränderungen geführt. Die Kommentierung

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German Pages 834 [836] Year 2013

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Table of contents :
Bearbeiterverzeichnis
Vorwort
Vorbemerkungen zur Lebensversicherung
Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur
Verzeichnis der GDV-Musterbedingungen für die Lebensversicherung
VERSICHERUNGSVERTRAGSGESETZ
Teil 2: EINZELNE VERSICHERUNGSZWEIGE
Kapitel 5: Lebensversicherung
vor §§ 150–171 Einführung
§ 150 Versicherte Person
§ 151 Ärztliche Untersuchung
§ 152 Widerruf des Versicherungsnehmers
§ 153 Überschussbeteiligung
§ 154 Modellrechnung
§ 155 Jährliche Unterrichtung
§ 156 Kenntnis und Verhalten der versicherten Person
§ 157 Unrichtige Altersangabe
§ 158 Gefahränderung
§ 159 Bezugsberechtigung
§ 160 Auslegung der Bezugsberechtigung
§ 161 Selbsttötung
§ 162 Tötung durch Leistungsberechtigten
§ 163 Prämien- und Leistungsänderung
§ 164 Bedingungsanpassung
§ 165 Prämienfreie Versicherung
§ 166 Kündigung des Versicherers
§ 167 Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes
§ 168 Kündigung des Versicherungsnehmers
§ 169 Rückkaufswert
§ 170 Eintrittsrecht
§ 171 Abweichende Vereinbarungen
Sachregister
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VVG: Band 8/1 Lebensversicherung §§ 150-171 [9. völlig neu bearb. Aufl.]
 9783899498592, 9783899491371

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Großkommentare der Praxis

Bruck/Möller

Versicherungsvertragsgesetz Großkommentar 9., völlig neu bearbeitete Auflage herausgegeben von

Horst Baumann, Roland Michael Beckmann, Katharina Johannsen, Ralf Johannsen (†), Robert Koch

Band 8/1 Lebensversicherung §§ 150–171 VVG

Bearbeiter:

§§ 150–171: Gerrit Winter

De Gruyter

Stand der Bearbeitung: 1.4.2013

Zitiervorschlag: Bruck/Möller/Winter 9 § 151 VVG Rn. 5 Sachregister: Thomas Vetter

ISBN 978-3-89949-137-1 e-ISBN 978-3-89949-859-2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Datenkonvertierung/Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Christiane

Verzeichnis der Bearbeiter der 9. Auflage Erwin Abele, Rechtsanwalt in München Dr. Horst Baumann, Professor an der Technischen Universität Berlin Dr. Roland Michael Beckmann, Professor an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Dr. Oliver Brand, LL.M. (Cambridge), Professor an der Universität Mannheim Dr. Christoph Brömmelmeyer, Professor an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder) Dr. Heinrich Dörner, Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Dr. Jan Dreyer, Rechtsanwalt in Hamburg Charlotte Echarti, Rechtsanwältin in Rellingen Dr. Jan Eichhorn, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Thomas Gädtke, Rechtsanwalt in München Dr. Sven Gerhard, Allianz Global Corporate & Speciality AG, Hamburg Dr. Olaf Hartenstein, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Helmut Heiss, LL.M. (Chicago), Professor an der Universität Zürich Dr. Jörg Henzler, Rechtsanwalt in Stuttgart Dr. Harald Herrmann, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Leiter des Instituts für Versicherungswissenschaft Dr. Knut Höra, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Frankfurt am Main Dr. Detlef A. Huber, Rechtsanwalt in Freiburg i.Br. Jens Jaeger, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Katharina Johannsen, Vorsitzende Richterin am Hanseatischen OLG a.D., Hamburg Dr. Ralf Johannsen (†), Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Rocco Jula, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Berlin Dr. Kai-Oliver Knops, Professor an der Universität Hamburg Dr. Robert Koch, LL.M. (McGill), Professor an der Universität Hamburg Dr. Hubertus W. Labes, Rechtsanwalt in Rellingen Dr. Kent Leverenz, Richter in Hamburg Dr. Annemarie Matusche-Beckmann, Professor an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken Dr. Helmut Müller, Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen a.D., Berlin Dr. Ernst Niederleithinger, Ministerialdirektor beim Bundesministerium der Justiz a.D., Honorarprofessor, Berlin Dr. Peter Präve, Syndikus beim GDV, Berlin Jürgen Raab, Kravag-Logistic Versicherungs AG, Hamburg Dr. Reinhard Renger, Ministerialrat beim Bundesministerium der Justiz a.D., Bonn Dr. Thomas Richter, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Jens-Berghe Riemer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht sowie Transport- und Speditionsrecht in Nürnberg

VII

Dr. Claus von Rintelen, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Christian Rolfs, Professor an der Universität zu Köln Dr. Christian Schneider, Rechtsanwalt in Köln Dr. Winfried Schnepp, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Köln Arno Schubach, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in Koblenz Dr. Dieter Schwampe, Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Hans-Peter Schwintowski, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Ansgar Staudinger, Professor an der Universität Bielefeld Dr. Wolfgang Voit, Professor an der Philipps-Universität Marburg Dr. Eckhardt Wilkens, Vorstand der R+V Versicherung AG und Vorsitzender des Vorstandes der Vereinigten Tierversicherung Gesellschaft auf Gegenseitigkeit a.D., Burgwedel Dr. Gerrit Winter, Professor an der Universität Hamburg

VIII

Vorwort zu Band 8/1 Die Kommentierung zur Lebensversicherung liegt wie bereits bei der 8. Auflage in den bewährten Händen von Gerrit Winter. Er erläutert in seiner anschließenden Vorbemerkung, weshalb in diesem Band von dem Konzept einer gesonderten Kommentierung der Bedingungswerke neben der Bearbeitung der gesetzlichen Vorschriften abgewichen wird. Hierauf sei der Leser besonders hingewiesen. Die Kommentierung der Berufsunfähigkeitsversicherung wird später in Band 8/2 erscheinen. Für Kritik und Verbesserungsvorschläge sind Verlag und Herausgeber dankbar. Berlin, Saarbrücken und Hamburg im Mai 2013 Horst Baumann

Roland Michael Beckmann

Katharina Johannsen

Robert Koch

IX

Vorbemerkung zur Lebensversicherung Die Reform des VVG im Jahre 2008 hat insbesondere in der Lebensversicherung zu Veränderungen geführt. Daher war eine gänzliche Neukommentierung erforderlich, auch wenn ich teilweise auf meine Erörterung der Lebensversicherung in der Vorauflage zurückgegriffen habe. Besonderes Gewicht habe ich auf eine wissenschaftlich-kritische Betrachtung – auch der Gesetzesreform – gelegt (Beispiele: Überschussbeteiligung, vorsätzliche Selbsttötung). Die Kommentierung bezieht sich bei der Lebensversicherung nicht nur auf die neugefassten bzw. wieder aufgenommenen gesetzlichen Vorschriften, sondern auch auf die Bedingungswerke. Sie zeichnen sich in der Lebensversicherung – anders als noch bei der Vorauflage – dadurch aus, dass von einem beispielhaften, besonders wichtigen, die gesamte Lebensversicherung kennzeichnenden und verbreiteten Bedingungswerk nicht mehr gesprochen werden kann. Das früher maßgebliche Bedingungswerk mit einem hohen Verbreitungsgrad – von über 85 % des Lebensversicherungsgeschäfts – waren die ALB, sie konnten fast exemplarisch für die gesamte Lebensversicherung kommentiert werden. Heute liegt der Anteil der gemischten Lebensversicherung – für das Nachfolgemodell der ALB in Gestalt der GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung – bei ca. 9 %. Verbreiteter sind die Rentenversicherungen, aber auch hier ist keine Versicherungsform so dominant, dass sie allein als exemplarisch angesehen werden könnte. Die Bedingungswerke stehen in der Lebensversicherung gleichrangig – auch im Hinblick auf ihre Verbreitung – nebeneinander. Die Kommentierung nur eines oder nur zweier Bedingungswerke hätte die Praxis nur unzulänglich widergespiegelt. Hätte ich die Bedingungswerke einzeln und separat kommentieren wollen, so wäre es erforderlich gewesen, sieben (besser: neun) Bedingungswerke wissenschaftlich vertieft zu behandeln. Das hätte die Möglichkeiten auch eines Großkommentars schlicht gesprengt. Daher sind die Bedingungswerke – soweit sie im Wesentlichen nur den Gesetzestext, wenn auch mit anderen Worten wiedergeben oder ergänzen – in die Kommentierung der einzelnen gesetzlichen Vorschriften integriert worden. Weichen wichtige Bedingungsklauseln vom Gesetzestext ab, so findet sich ihre Kommentierung gleichfalls teilweise in die Gesetzeserläuterungen einbezogen, teilweise auch in eigenen Abschnitten. Das gilt auch für die charakteristischen Inhalte der einzelnen Lebensversicherungsformen, und zwar im Anhang zur Kommentierung möglichst der ersten Vorschrift, die sich auf besondere Lebensversicherungsformen bezieht (Beispiele: Die Todesfallversicherung [einschließlich der vorläufigen Deckungszusage] wird im Anhang zu § 150 erläutert, da sich diese Bestimmung im Wesentlichen auf die Todesfallversicherung bezieht, die Anzeige- und Nachweispflichten im Todesfall finden sich im Anhang zu § 161; die Rentenversicherung wird in Zusammenhang mit § 167 im Anhang erörtert, und zwar werden die einzelnen Ausdifferenzierungen dargestellt, einschließlich der Riester- und Rüruprente; die wichtige Risikolebensversicherung in Gestalt der Restschuldversicherung usw. wird im Anhang zu § 152 erörtert, die fondsgebundene Lebensversicherung wird im Anschluss an §§ 154 und 169 erläutert). Ebenso wie in der Vorauflage habe ich in meine Kommentierung auch wesentliche Teile der Gruppenlebensversicherung – immerhin rund 30 % der Lebensversicherungsverträge – mit einbezogen. Die Gruppenversicherung – die der Gesetzgeber in den Vor-

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schriften zur Lebensversicherung nicht angesprochen hat – wird international breit erörtert. Erläuterungen zur Gruppenversicherung finden sich in meiner Kommentierung immer wieder, insbesondere auch im Anhang zur Behandlung des § 168. Auch im Übrigen habe ich mich zuweilen nicht an die Beschränkungen der gesetzlichen Regelung gehalten, insbesondere wenn weitere Bereiche in den Bedingungswerken angesprochen wurden oder dazu eine wichtige Rechtsprechung entstanden ist (z.B. zur Zession oder zur Zweitmarktproblematik, zur Verpfändung, zur Zwangsvollstreckung und zur erbrechtlichen Ausgleichsberechtigung – alles im Anhang zu § 159). Dazu gehört auch die Erläuterung des für die Altersvorsorge besonders wichtigen Pfändungsschutzes (in Zusammenhang mit § 167). Noch immer kann die Vorauflage von Nutzen sein, die sich auf die Bedingungswerke bezieht, wie sie bis 1994 entstanden sind, als die Versicherungsbedingungen noch der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedurften. Aber auch darüber hinaus sind manche Teile noch von Interesse, so z.B. die Erläuterungen zum Tatbestand der einzelnen Obliegenheiten (vgl. die Vorauflage unter F Rn. 20 ff.). Mein herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. Robert Koch für die Erörterung des Zugewinn- und Versorgungsausgleichs (Einf. vor §§ 150–171 Rn 310–330) sowie Frau Annemarie Plöger, der ehemaligen Bibliothekarin des Seminars für Versicherungswissenschaft der Universität Hamburg für ihre große Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts und den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Seminars, insbesondere Frau Wiebke Düsberg für ihre Hilfe bei der Durchführung der Korrekturen.

Gerrit Winter

XII

Inhaltsübersicht Bearbeiterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen zur Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur . Verzeichnis der GDV-Musterbedingungen für die Lebensversicherung

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. VII . IX . XI . XV . XXXVII

VERSICHERUNGSVERTRAGSGESETZ Teil 2 EINZELNE VERSICHERUNGSZWEIGE Kapitel 5 Lebensversicherung vor §§ 150–171 § 150 § 151 § 152 § 153 § 154 § 155 § 156 § 157 § 158 § 159 § 160 § 161 § 162 § 163 § 164 § 165 § 166 § 167 § 168 § 169 § 170 § 171

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherte Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ärztliche Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . Widerruf des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . Überschussbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . Modellrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jährliche Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . Kenntnis und Verhalten der versicherten Person . . . Unrichtige Altersangabe . . . . . . . . . . . . . . . Gefahränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegung der Bezugsberechtigung . . . . . . . . . Selbsttötung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tötung durch Leistungsberechtigten . . . . . . . . . Prämien- und Leistungsänderung . . . . . . . . . . Bedingungsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . Prämienfreie Versicherung . . . . . . . . . . . . . . Kündigung des Versicherers . . . . . . . . . . . . . Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes Kündigung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . Rückkaufswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eintrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . .

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1 115 162 171 192 265 278 286 294 306 314 472 493 543 548 575 589 607 618 674 703 761 777

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XIII

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur a.A. a.a.O. ABBV ABE ABG ABGB abgedr. ABGF Abk. abl. ABl. ABMG ABN ABRK ABRV ABS Abs. Abschlussbericht Abschn. ABU ABV ABV (PKautV) ABVerm abw. AcP ADB ADS a.E. AEB ÄndG ÄndVO AERB AEUV AFB AFVB a.F. AFG AG AGG AGBG

anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeine Bedingungen für die Baubestandsversicherung Allgemeine Bedingungen für die Elektronikversicherung Allgemeine Bedingungen für die Kaskoversicherung von Baugeräten Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) abgedruckt Allgemeine Bedingungen für die dynamische Sachversicherung des Gewerbes und der Freien Berufe Abkommen ablehnend Amtsblatt Allgemeine Bedingungen für die Maschinen- und Kasko-Versicherung von fahrbaren und transportablen Geräten Allgemeine Bedingungen für die Bauleistungsversicherung von Gebäudeneubauten durch Auftraggeber Allgemeine Bedingungen für die Reparaturkosten von Kraftwagen Allgemeine Bedingungen für die Reise-Rücktrittskosten-Versicherung Allgemeine Bedingungen für die Sachversicherung (Österreich) Absatz siehe KomE Abschnitt Allgemeine Bedingungen für die Bauleistungsversicherung von Unternehmerleistungen Allgemeine Bedingungen der Vertrauensschadenversicherung Allgemeine Bedingungen der Vertrauensschadenversicherung (Personenkautionsversicherung) Allgemeine Bedingungen für die Vermögenshaftpflichtversicherung abweichend Archiv für civilistische Praxis (zit. nach Band, Jahr u. Seite) Allgemeine Deutsche Binnen-Transportversicherungsbedingungen Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen von 1919 am Ende Allgemeine Einbruchdiebstahlversicherungsbedingungen Änderungsgesetz Änderungsverordnung Allgemeine Bedingungen für die Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung Allgemeine Bedingungen für die Fahrradverkehrsversicherung alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Amtsgericht; Aktiengesellschaft Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)

XV

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur AGlB AGTG AHagB AHB AKadZ AKB AktG ALB allg. allg.M. Alt. AltVPfSchG AltZertG a.M. AMB

AMBUB AMG AMoB amtl. Begr. Anh. Anl. Anm. AnwBl. AnwKom/Bearbeiter ao AO AöR AP ARB ArchBR Art. ASKB Asmus/Sonnenberg AssJhrB AStB AT AtomG AUB AÜG Auff. Aufl. AuR ausdrückl. ausführl. AusfVO ausl.

XVI

Allgemeine Bedingungen für die Glasversicherung Allgemeine Bedingungen für die Garantieverlängerungsversicherung von Technischen Geräten Allgemeine Hagelversicherungs-Bedingungen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Allgemeine Bedingungen für die KfZ-Versicherung Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung allgemein allgemeine Meinung Alternative Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen anderer Meinung Allgemeine Maschinen-Versicherungsbedingungen; ab 2008: Allgemeine Bedingungen für die Maschinenversicherung von stationären Maschinen Allgemeine Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen Arzneimittelgesetz Allgemeine Montageversicherungsbedingungen amtliche Begründung Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt AnwaltKommentar BGB, hrsg. von Dauner-Lieb/Heidel/Ring, 5 Bände (2005) außerordentlich Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis. Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung Archiv für Bürgerliches Recht Artikel Allgemeine Bedingungen für die Sachversicherung von kerntechnischen Anlagen Kraftfahrtversicherung, 7. Aufl. (1998) Assekuranz-Jahrbuch Allgemeine Bedingungen für die Sturmversicherung Allgemeiner Teil Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auffassung Auflage Arbeit und Recht ausdrücklich ausführlich Ausführungsverordnung ausländisch

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur AuslG AusnVO ausschl. Ausschussbericht

AV AVB AVB MaV AVBR AVBSP AVB Vermögen AVBW AVFE AVFEBU AVFEM AVG AVP AVR AVSZ AVTHK AWaB AWB AWG Az.

Ausländergesetz Ausnahmeverordnung ausschließlich Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (BTDrucks. 16/5862) Allgemeine Verfügung Allgemeine Versicherungsbedingungen Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Maschinen, maschinellen Einrichtungen und Apparaten Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Reisegepäck Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Juwelen, Schmuck- und Pelzsachen im Privatbesitz Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden Allgemeine Bedingungen für die Kasko-Versicherung von Wassersportfahrzeugen Allgemeine Versicherungsbedingungen für Fernmelde- und sonstige elektronische Anlagen Allgemeine Betriebsunterbrechungs-Bedingungen bei Fernmelde- und sonstigen elektrotechnischen Anlagen Allgemeine Bedingungen für die Mehrkostenversicherung bei Fernmeldeanlagen und sonstigen elektrotechnischen Anlagen Angestelltenversicherungsgesetz Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Pferden und anderen Einhufern Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Rindern Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Schweinen, Schafen und Ziegen Allgemeine Bedingungen für die Tierkrankenversicherung von Hunden und Katzen Allgemeine Versicherungs-Bedingungen für die Waldbrandversicherung Allgemeine Bedingungen für die Leitungswasserversicherung Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen

Bach/Langheid Bach/Moser

Aktuelle Rechtsfragen der Versicherungsvertragspraxis, 2. Aufl. (1990) Private Krankenversicherung, MB/KK- und MB/KT-Kommentar, 4. Aufl. (2010) BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BAG Bundesarbeitsgericht Bamberger/Roth/Bearbeiter Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch in drei Bänden, 2. Aufl. (2007/08) BankArch Bankarchiv. Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen BAnz. Bundesanzeiger Baran Das Versicherungsaufsichtsgesetz, 3. Aufl. (2000) Basedow/Fock Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Bd. I–III (2002/03) Bauer Die Kraftfahrtversicherung, 6. Aufl. (2010) BauGB Baugesetzbuch Baumgärtel/Prölss Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 5 (Versicherungsrecht) (1993) Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast – BGB AT, §§ 1–240, 3. Aufl. (2007) BAV (BAA) Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- (bis 1973: und Bausparwesen (bis 2001) BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht

XVII

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur BB BBG Bd. BDSG Bearb. Beckmann/MatuscheBeckmann/Bearbeiter BEEG begl. Begr.

Bek. Bekl. Bem. Benkel/Hirschberg ber. Berliner Kommentar/ Bearbeiter BerVersV bes. BesBed Arch

BesBed Priv Beschl. Beschw. Bespr. Best. bestr. betr. BetrAV BetrAVG BetrVG 1952 BeurkG BEW BewG BfA BFH BGB BGBl. BGE BGH

XVIII

Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Band Bundesdatenschutzgesetz Bearbeitung Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. (2009) Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit beglaubigt Begründung zum VVG: RTDrucks Nr. 364, 12. Legislaturperiode, 1. Session 1907; zum PflVersG v. 7.11.1939: DJ 39, 1771; zur VO v. 19.12.1939: Amtl. Sonderveröffentl. d. DJ Nr. 20, Beilage zur DJ Nr. 3/1940; zum G v. 28.12.1942: DJ 43, 41 ff.; zur VO v. 6.4.1943: DJ 43, 269; zum G v. 5.4.1965 (PflVersG n.F.): BRDrucks. IV/2252 S 11 ff. zum RegE VVGReformG v. 20.12.2006 BTDrucks. 16/3945 Bekanntmachung Beklagter Bemerkung Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, ALB- und BUZ-Kommentar, 2. Aufl. (2011) berichtigt Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz: Kommentar zum deutschen und österreichischen VVG, hrsg. von H. Honsell (1999) Versicherungsberichterstattungsverordnung vom 29.3.2006 (BGBl. I S. 622) besonders Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und beratenden Ingenieuren Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung Beschluss Beschwerde Besprechung Bestimmung bestritten betreffend Betriebliche Altersversorgung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz v. 11.10.1952 Beurkundungsgesetz Bedingungen für die Versicherung weiterer elementarer Schäden in der Wohngebäudeversicherung Bewertungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Rentenversicherung Bund) Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des (Schweizerischen) Bundesgerichts Bundesgerichtshof

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur BGHGrS BGHR BGHSt BGHZ BilMoG BLAH/Bearbeiter BLVA BMI BMJ BOÄ Böhme/Biela Boldt FeuerV Bolze Borutta BR BRAK BRAO BRAOÄndG Braun Lebensversicherung BRDrucks. BReg. BRProt. BRRG BRStenBer. Bruck PVR Bruck Versicherungsvertrag Bruck/Dörstling Bruck/Möller/Bearbeiter8

Bruck/Möller/Bearbeiter BSG BSHG Bsp. BStBl. BT BTDrucks. BTProt. BTRAussch. BTStenBer. BU Buchst. Büchner/Winter9 van Bühren/Bearbeiter Hdb

Bundesgerichtshof, Großer Senat BGH-Rechtsprechung Zivilsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (zit. nach Band u. Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite) Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 70. Aufl. (2012) Bayerische Landesbrandversicherungsanstalt Bundesminister(ium) des Inneren Bundesminister(ium) der Justiz Bundesärzteordnung Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Handbuch für die Praxis, 23. Aufl. (2006) (bis zur 22. Aufl. Becker/Böhme) Feuerversicherung, 7. Aufl. (1995) Praxis des Reichsgerichts in Civilsachen (1886 ff.) Handbuch des Privatversicherungsrechts (Loseblatt-Ausgabe) Bundesrat Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentrechtsanwaltsordnung und anderer Gesetze Lebensversicherung (1932) Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Protokolle des Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Verhandlungen des Bundesrats, Stenographische Berichte (zit. nach Sitzung u. Seite) Das Privatversicherungsrecht (1930) Kommentar zum Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 7. Aufl. (1932) Das Recht des Lebensversicherungsvertrages: ein Kommentar zu den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall, 2. Aufl. (1933) Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unter Einschluss des Versicherungsvermittlerrechtes, 8. Aufl. (1961–2002) Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, 9. Aufl. (2008 ff) Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Beispiel Bundessteuerblatt Besonderer Teil, Bundestag Bundestagsdrucksache s. BTVerh. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags Verhandlungen des deutschen Bundestages, Stenographische Berichte (zit. nach Wahlperiode u. Seite) Betriebsunterbrechung Buchstabe Grundriß der Individualversicherung, 9. Aufl. (1986) Handbuch Versicherungsrecht, 4. Aufl. (2009)

XIX

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur van Bühren van Bühren/Nies BUZ BVB BVerfG BVerfGE

bzgl. bzw.

Versicherungsrecht in der anwaltlichen Praxis, 4. Aufl. (2000) Reiseversicherung, 3. Aufl. (2010) Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Besondere Vertragsbedingungen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (zit. nach Band u. Seite) bezüglich beziehungsweise

ca. CEA cic CR

circa Comité Européen des Assurances culpa in contrahendo Computer und Recht

dagg. DAR DAV DB DDR DeckRV DepotG

dagegen Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltsverein; Deutsche Aktuarvereinigung Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik Deckungsrückstellungsverordnung vom 6.5.1996 (BGBl. I S. 670) Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) derselbe Das neue Versicherungsvertragsrecht, 6. Aufl. (2008) dergleichen Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung das heißt dieselbe(n) Hausratversicherung 84, Kommentar, 2. Aufl. (1987) Wohngebäudeversicherung, Kommentar, 2. Aufl. (1999) Differenzierung, differenzierend Digesta Die Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte. Kommentar (2009) Deutsche Industrie Norm Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung (1896–1936) Deutsche Medizinische Wochenschrift Deutsche öffentlich-rechtliche Versicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen, Textausgabe, 6. Aufl. (2009) Directors and Officers (Liability Insurance) Entscheidungen des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Deutsches Recht, Wochenausgabe (vereinigt mit Juristische Wochenschrift) (1931–1945) Deutsche Rechtswissenschaft (1936–1943) Die Versicherung als Rechtsprodukt (1991) Deutscher Richterbund

BVerfGG BVerwG BVerwGE

ders. Deutsch dgl. DGVZ d.h. dies. Dietz HausratV Dietz WohngebäudeV Diff., diff. Dig. Diller DIN Diss. DJ DJT DJZ DMW DöV Dörner AVB D&O DOGE DR DRechtsw. Dreher DRiB

XX

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur DRiG DRiZ DRM DRpfl. DRsp. Drucks. DRW DRZ DSB DStrR dt. DuR DVBl. DVers. DVersPresse DVO DVollzO DVP DVR DVZ DZWIR E ebd. ebso. ECB ECBUB

ED ed(s) EDV EFG EG EGBGB EGGVG EGInsO EGInsOÄndG EGKS EGMR EGOWiG EGStGB EGStPO EGV EGVVG EheG ehem. Ehrenberg Ehrenzweig Einf. eingeh.

Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Deutsches Recht, Monatsausgabe (vereinigt mit Deutsche Rechtspflege) Deutsche Rechtspflege (1936–1939) Deutsche Rechtsprechung, hrsg. von Feuerhake (Loseblattsammlung) Drucksache Deutsches Recht, Wochenausgabe Deutsche Rechts-Zeitschrift (1946–1950) Datenschutzberater Deutsches Steuerrecht deutsch Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Versicherung Deutsche Versicherungspresse Durchführungsverordnung Dienst- und Vollzugsordnung Deutsche Verwaltungspraxis Datenverarbeitung im Recht (bis 1985, danach vereinigt mit IuR) Deutsche Versicherungszeitschrift Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entwurf bzw. Entscheidung ebenda ebenso Bedingungen für die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur Feuerversicherung für Industrie- und Handelsbetriebe Bedingungen für die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur FeuerBetriebsunterbrechungs-Versicherung für Industrie- und Handelsbetriebe Einbruchdiebstahl editor(s) Einbruchdiebstahlversicherung Entscheidung der Finanzgerichte (zit. nach Band u. Seite) Einführungsgesetz bzw. Europäische Gemeinschaft(en) bzw. Erinnerungsgabe Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1.1877 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrecht Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum VVG Ehegesetz ehemalig Privatversicherungsrecht (1923) Deutsches (österreichisches) Versicherungs-Vertragsrecht (1952) Einführung eingehend

XXI

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur einschl. einschr. Einl. EKMR EMRK entgg. Entsch. entspr. Entw. Erg. ErgBd. Erl. Erw. EStG etc. EU EuGH EuGHE EuGRZ EuGVVO

EuR EurKomMR europ. EuropolG EUV EuZW EV

evtl. EWG EWGV EWiR EWiV f., ff. FAG Fahr/Kaulbach/Bähr Fahr/Kaulbach/Bähr/ Pohlmann FamRZ FAO Farny FBUB Fenyves/Kronsteiner/Schauer FG FGG FGO FHB FinDAG FJL

XXII

einschließlich einschränkend Einleitung Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention entgegen Entscheidung entsprechend Entwurf Ergebnis bzw. Ergänzung Ergänzungsband Erläuterung Erwiderung Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – Amtliche Sammlung Europäische Grundrechte-Zeitschrift Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EG-Verordnung Nr. 44/2001) Europarecht Europäische Kommission für Menschenrechte europäisch Europol-Gesetz Vertrag über die Europäische Union (Lissabon-Vertrag) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung folgende Gesetz über Fernmeldeanlagen Versicherungsaufsichtsgesetz, 4. Aufl. (2007) Versicherungsaufsichtsgesetz, 5. Aufl. (2012) Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht. Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachanwaltsordnung Versicherungsbetriebslehre, 5. Aufl. (2011) Allgemeine Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen Kommentar zu den Novellen zum VersVG (Österreich) (1998) Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Feuerhaftungs-Versicherungsbedingung Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Feyock/Jacobsen/Lemor Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. (2009)

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur Fn. fragl. FS FVG v. Fürstenwerth/Weiß

Fußnote fraglich Festschrift Gesetz über die Finanzverwaltung Versicherungsalphabet, 10. Aufl. (2001)

G GB BAV

Gesetz Geschäftsbericht des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Geschäftsbericht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gesetzblatt Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Geschäftsplanmäßige Erklärung Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. (2010) gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Kommentar zum deutschen Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag (1908) Der Gerichtssaal Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (Amtsblatt Nr. L 345 vom 9/12/2002 S. 0001–0051) Geschäftsordnung gesetzlich Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- u. Wirtschaftsverwaltungsrecht Gewerbeordnung gegen Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls J. von Gierke, Versicherungsrecht, Bd. I (1937)

GB GDV GBl. GDV GE Geimer/Schütze/Bearbeiter gem. GenG Gerhard/Hagen GerS Gesamtrichtlinie Lebensversicherung GeschO gesetzl. GewArch GewO gg. GG ggf. von Gierke Versicherungsrecht I von Gierke Versicherungsrecht II GKG GKV gl. GmbHG GmbHR GMBl. GoA grdl. grds. Grimm GrS GrSZ Grubmann GRUR GS GVBl. GVG GWB GwG

J. von Gierke, Versicherungsrecht, Bd. II (1947) Gerichtskostengesetz Gesetzliche Krankenversicherung gleich Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (vorher: Rundschau für GmbH) Gemeinsames Ministerialblatt Geschäftsführung ohne Auftrag grundlegend grundsätzlich Unfallversicherung, 5. Aufl. (2009) Großer Senat Großer Senat in Zivilsachen Das Versicherungsvertragsgesetz, 6. Aufl. (2007) (Österreich) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz)

XXIII

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur h.A. Hagelschuer Hagen Versicherungsrecht Halbs. Halm/Engelbrecht/Krahe Hansen Beweislast HansRGZ Harbauer

Hauss Hax Hdb. HdV HeilPrG Heiss Heiss/Lorenz Herdt HEZ HFR HGB HGZ hins. Hinw. HK BGB/Bearbeiter HK ZPO/Bearbeiter HK VVG/Bearbeiter h.L. h.M. Hofmann PVR HRR Hrsg./hrsg. h.Rspr. Hübner

i.Allg. i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.E. i.e.S. IFG i.gl.S. i.Grds. IHK i.H.v.

XXIV

herrschende Ansicht Lebensversicherung, 2. Aufl. (1987) in: Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, 8. Band, I. und II. Abteilung (1922) Halbsatz Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht, 4. Aufl. (2011) Beweislast und Beweiswürdigung im Versicherungsrecht (1990) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift Rechtsschutzversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB), 8. Aufl. (2009) 25 Jahre Karlsruher Forum. Beiträge zum Haftungs- und Versicherungsrecht (1983) Grundlagen des Versicherungswesens (1964) Handbuch Handwörterbuch der Versicherung, hrsg. von Farny/Helten/Koch/Schmidt (1988) Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) Treu und Glauben im Versicherungsvertragsrecht (1989) Versicherungsvertragsgesetz, 2. Aufl. (1996) Die mehrfache Kausalität im Versicherungsrecht (1978) Höchstrichterliche Entscheidungen (Zivilsachen) Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch Hanseatische Gerichtszeitung hinsichtlich Hinweis Bürgerliches Gesetzbuch Handkommentar, hrsg. von Schulze/Dörner/Ebert et. al., 7. Aufl. (2011) Zivilprozessordnung Handkommentar, hrsg. von Saenger, 4. Aufl. (2011) Versicherungsvertragsgesetz Handkommentar, hrsg. von Rüffer/ Halbach/Schimikowski, 2. Aufl. (2011) herrschende Lehre herrschende Meinung Privatversicherungsrecht, 4. Auflage (1998) Höchstrichterliche Rechtsprechung (1928–1942), bis 1927: Die Rechtsprechung, Beilage zur Zeitschrift Juristische Rundschau Herausgeber/herausgegeben herrschende Rechtsprechung Allgemeine Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz, 5. Aufl. (1997) im Allgemeinen in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinne Informationsfreiheitsgesetz im gleichen Sinne im Grundsatz Industrie- und Handelskammer in Höhe vonXXVIII

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur IAIS ILC IM InfoV inl. insbes. insges. InsO inzw. IPBPR i.R.d. i.R.v. i.S. i.S.d. i.S.e. i.S.v. i.techn.S. i.U. i.üb. IuKDG

IuR IVH i.V.m. i.w. i.w.S. i.Z.m. JA Jabornegg JahrbÖR JBeitrO JBl. JBlRhPf. JBl Saar jew. JK JM JOR JPVR JR Jula JurA Jura JurJahrb. JuS Justiz JuV JVBl. JVKostO JW JZ JZ-GD

International Association of Insurance Supervisors International Law Commission Innenministerium siehe VVG-InfoV inländisch insbesondere insgesamt Insolvenzordnung inzwischen Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Rahmen der/des im Rahmen von im Sinne im Sinne der/des im Sinne einer(s) im Sinne von im technischen Sinne im Unterschied im Übrigen Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienstegesetz) Informatik und Recht Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht in Verbindung mit im Wesentlichen im weiteren Sinne im Zusammenhang mit Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen Das Risiko des Versicherers (1979) Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Justizbeitreibungsordnung Juristische Blätter (Österreich) Justizblatt Rheinland-Pfalz Justizblatt des Saarlandes jeweils Jura-Kartei Justizminister(ium) Jahrbuch für Ostrecht Juristische Rundschau für die Privatversicherung Juristische Rundschau Sachversicherungsrecht, 2. Aufl. (2008) Juristische Analysen Juristische Ausbildung Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung. Zeitschrift für Studium und Ausbildung Die Justiz. Amtsblatt des Justizministeriums von Baden-Württemberg Justiz und Verwaltung Justizverwaltungsblatt Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Juristenzeitung – Gesetzgebungsdienst

XXV

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur KAGG KalV

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung (Kalkulationsverordnung – KalV) Kap. Kapitel Kfz. Kraftfahrzeug KfzPflVV Kraftfahrzeugpflichtversicherungsverordnung KG Kammergericht, Kommanditgesellschaft KGJ Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen (1881–1922) (zit. nach Band u. Seite) KH Kraftfahrzeug-Haftpflicht Kisch Versicherungsschein Der Versicherungsschein (1952) Kisch Mehrfache Versicherung Die Mehrfache Versicherung desselben Interesses (1935) Kisch PVR II Handbuch des Privatversicherungsrechts, Bd. II (1920) Kisch PVR III Handbuch des Privatversicherungsrechts, Bd. III (1922) KJ Kritische Justiz Kl. Klausel KLV Kapitalbildende Lebensversicherung Knoerrich/Rotkies Rechtsgrundlagen der Individualversicherung KO Konkursordnung Koch/Weiss Gabler Versicherungslexikon (1994) Koller Transportrecht, 7. Aufl. (2010) KomE Kommissionsentwurf zur Reform des Versicherungsvertragsrechts; zitiert nach: Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April (2004), hrsg. von Egon Lorenz (2004) KorrBekG Gesetz zur Bekämpfung der Korruption K&R Kommunikation und Recht krit. kritisch KritVj Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung KrW-/AbfG Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz) KStG Körperschaftsteuergesetz KTS Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kühnholz Versicherungsrecht (1989) KunstUrhG Kunsturhebergesetz Kuwert/Erdbrügger Privat-Haftpflichtversicherung. Leitfaden durch die besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen, 2. Aufl. (1990) KuV Kraftfahrt und Verkehrsrecht KWG Gesetz über das Kreditwesen Langheid/Wandt/Bearbeiter

LegPer. LG lit. Lit. LM

XXVI

Münchener Kommentar Versicherungsvertragsgesetz: VVG; Band 1: §§ 1–99 VVG (Teil 1. Allgemeiner Teil) und Erläuterungen zum EGVVG (2010); Band 2: §§ 100–191 VVG (Teil 2. Einzelne Versicherungszweige) (2011); Band 3: §§ 192–215 VVG, Synopsen, Materialien (2009) Legislaturperiode Landgericht littera (Buchstabe) Literatur Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier/ Möhring u.a. (zit. nach Paragraph u. Nummer)

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur LMK Looschelders/Pohlmann/ Bearbeiter LPG LS lt. LVerf. LZ LZB

m. MaBV Mahr Maier MalßZ Manes Versicherungslexikon m. Anm. MaRisk Marlow/Spuhl Martin SVR m.a.W. m.Bespr. MBKK MBKT MBPPV MBUB MdB MdL MDR MDStV MedR Meixner/Steinbeck MindZV

missverst. m.krit.Anm. MMR MMW Möller Verantwortlichkeit Möller Versicherungsvertragsrecht Motive VAG Motive VVG MüKo-BGB/Bearbeiter H. Müller m.w.N. m.zust.Anm.

Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring VVG Versicherungsvertragsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. (2011) Landespressegesetz Leitsatz laut Landesverfassung Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (1907–1933) Zusatzbedingungen für die Feuerversicherung landwirtschaftlicher Betriebe mit Makler- und Bauträgerverordnung Einführung in die Versicherungswirtschaft, 3. Aufl. (1970) Das Versicherungs-Vertragsrecht (1911) Zeitschrift für Versicherungsrecht, hrsg. v. Conrad Malß (Bd. I v. 1866, Bd. II v. 1878) Versicherungslexikon, 3. Aufl. (1930) mit Anmerkung Mindestanforderungen an das Risikomanagement Das neue VVG, 4. Aufl. (2010) Sachversicherungsrecht, Kommentar, 3. Aufl. (1992) mit anderen Worten mit Besprechung Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung Musterbedingungen für die private Pflegeversicherung Allgemeine Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen Mitglied des Bundestags Mitglied des Landtags Monatsschrift für Deutsches Recht Staatsvertrag über Mediendienste Zeitschrift für Medizinrecht Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl. (2011) Mindestzuführungsanforderung – Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung vom 4.4.2008 (BGBl. I S. 690) missverständlich mit kritischer Anmerkung (von) MultiMedia und Recht Münchner Medizinische Wochenschrift Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter (1939) Versicherungsvertragsrecht, 3. Aufl. (1977) Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, Neudruck (1963) Motive zum VVG, Nachdruck (1963) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Rebmann/Säcker/Rixecker, 5. Aufl. (2009) Versicherungsbinnenmarkt (1998) mit weiteren Nachweisen mit zustimmender Anmerkung

XXVII

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur N. Nachtr. Nds.GVBl. Nds.Rpfl NEGB NEhelG Neum. n.F. Niederleithinger NJ NJOZ NJW NJWE-VHR NJW-RR Nr. NStZ NVersZ NVwZ NwIG NwSoBed NwSoBedIuG NwSoBedlwGeb NZA NZG NZS NZV o. o.ä. ob.dict. OBGer OECD öffentl. ÖJVersG

Nachweise Nachtrag Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Niedersächsische Rechtspflege Allgemeine Bedingungen für die Neuwertversicherung der Elektround Gasgeräte des Haushalts Gesetz über die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder Neumanns Zeitschrift für Versicherungswesen neue Fassung Das neue VVG (2007) Neue Justiz Neue Juristische Online Zeitung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Versicherungs-/Haftungsrecht NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Industrie und Gewerbe Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Industrie und Gewerbe Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung landwirtschaftlicher Gebäude Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

OVG OWiG

oben oder ähnlich obiter dictum Obergericht (Schweizer Kantone) Organization for Economic Cooperation and Development öffentlich Österr. Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum Österreichische Juristenzeitung Österreichisches Versicherungsvertragsgesetz (auch VersVG) oben genannt Oberstes Gericht der DDR Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR in Zivilsachen Österreichischer Oberster Gerichtshof Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen, einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

Palandt/Bearbeiter PartGG PatG

Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. (2013) Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Patentgesetz

ÖJZ ÖVVG o.g. OG OGDDR ÖOGH OHG OLG OLGZ

XXVIII

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur PAuswG PKV polit. PostG PostO Pr. Präve AGB PrG Prölss/Martin/Bearbeiter Prölss/Bearbeiter VAG PrOVG PSVaG PStG psych.

Gesetz über Personalausweise Private Krankenversicherung politisch Gesetz über das Postwesen (Postgesetz) Postordnung Praxis des Versicherungsrechts, Beilage zur „Oeffentlich-rechtlichen Versicherung“ (1926–1928: „Versicherung und Geldwirtschaft“) Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz (1998) Pressegesetz Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl. (2010) Versicherungsaufsichtsgesetz, hrsg. von Kollhosser, 12. Aufl. (2005) Preußisches Oberverwaltungsgericht Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit Personenstandsgesetz psychisch

QIR

Angerer/Ollick, Quellen zum Individualversicherungsrecht

RAA RAO Raiser

Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung Reichsabgabenordnung Kommentar der Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen, 2. Aufl. (1937) Deutscher Reichsanzeiger Rechtsausschuß/Rechtsausschuss Rechtsberatungsgesetz (bis 1962: Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung) Recht der Arbeit Runderlaß/Runderlass Rechtsdienstleistungsgesetz Recht der Jugend und des Bildungswesens Das Recht des Kraftfahrers, Unabhängige Monatsschrift des Kraftverkehrsrechts (1926–43, 1949–55) Rundschreiben Recht der Datenverarbeitung Recht der Wirtschaft (Österreich) Das Recht, begründet von Soergel (1897–1944) Rechtsmedizin rechtspolitisch rechtsvergleichend Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen vom 8.11.1994 (BGBl. I S. 3378) Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts mit Begründung (nicht veröffentlicht; zitiert nach der vom BMJ online zur Verfügung gestellten PDFDatei; u.a. noch abrufbar unter: http://www.brak.de/seiten/pdf/ aktuelles/versicherungsvertragsrecht.pdf) Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2631) (siehe auch VVG-Reform 2008) Regierung Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (BTDrucks. 16/3945); siehe auch Ausschussbericht Regierungsblatt Aspekte des internationalen Versicherungsvertragsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum, hrsg. von Reichert-Facilides (1994) relativ

RAnz. RAussch. RBerG RdA RdErl. RDG RdJB RdK RdSchr. RDV RdW Recht RechtsM rechtspol. rechtsvergl. RechVersV RefE

ReformG Reg. RegE RegBl. Reichert-Facilides/Bearbeiter rel.

XXIX

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur RfB RFH RfStV RG RGBl. RGRK/Bearbeiter

RGZ RHG Richter PVR Riebesell Ritter/Abraham RKG RL Rn. Rom I-VO

Römer Römer/Langheid ROW Rpfleger RpflG Rspr. RStBl. RT RTDrucks. RTVerh. Rudisch Versicherungsrecht RuP RuS RVerkBl. RVG RVO RzW s. S. s.a. SaarRZ SBR Schauer ScheckG Schimikowski Schimikowski/Höra SchlHA SchHB 79

XXX

Rückstellung für die Beitragsrückerstattung Reichsfinanzhof Rundfunkstaatsvertrag Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar – Das Bürgerliche Gesetzbuch. Kommentar, hrsg. von den Mitgliedern des Bundesgerichtshofs, 12. Aufl. (1975 ff.) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zit. nach Band u. Seite) Rechnungshofgesetz Privatversicherungsrecht (1980) Unfallversicherungsrecht und AUB 88, 2. Aufl. (1991) Das Recht der Seeversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Deutschen Seeschiffahrts-Bedingungen, 2. Aufl. (1967) Reichsknappschaftsgesetz Richtlinie Randnummer(n) Rom I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zum Versicherungsvertragsrecht, 7. Aufl. (1997) Versicherungsvertragsgesetz, 2. Aufl. (2002) / 3. Aufl. (2012) Recht in Ost und West. Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichstag Drucksachen des Reichstags Verhandlungen des Reichstags Das neue Versicherungsrecht: Gesetzestexte, Materialien, Hinweise (1994) Recht und Politik. Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungspolitik Recht und Schaden Reichsverkehrsblatt Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Reichsversicherungsordnung Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht siehe Satz, Seite siehe auch Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift Sonderbedingungen für die Beraubungsversicherung Das österreichische Versicherungsvertragsrecht, 3. Aufl. (1995) Scheckgesetz Versicherungsvertragsrecht, 4. Aufl. (2009) Das neue Versicherungsvertragsrecht (2008) Schleswig-Holsteinische Anzeigen Allgemeine Bedingungen für die gleitende NeuwertVers von Gebäuden gegen Schäden durch Schwamm und Hausbockkäfer

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur Schmidt-Salzer/Schramm Schmidt-Salzer/Bearbeiter Schmidt/Müller-Stüler Schmidt Obliegenheiten Schwintowski Schwintowski/Brömmelmeyer/Bearbeiter SchwJZ SchwZStr. Sen. SGB I, IV, V, VIII, X, XI

SGb. SGG SGlN Sieg Versicherungsvertragsrecht SJZ s.o. Soergel/Bearbeiter sog. Sonderausschuss SozVers SP Späte AHB spez. SpV StaatsGH Staudinger/Bearbeiter StAZ Stein/Jonas StenBer StGB Stiefel/Hofmann

Stiefel/Maier

StPO

Kommentar zur Umwelthaftpflichtversicherung (1993) Produkthaftung, Bd. IV/1: Produkthaftpflichtversicherung, 3. Auflage (1994) Das Recht der öffentlich-rechtlichen Sachversicherung, 3. Aufl. (1979) Reimer Schmidt, Die Obliegenheiten (1953) Der private Versicherungsvertrag zwischen Recht und Markt (1987) Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl. (2010) Schweizerische Juristen-Zeitung Schweizer Zeitschrift für Strafrecht (zit. nach Band u. Seite) Senat I: Sozialgesetzbuch, Allg. Teil IV: Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung V: Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung VIII: Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfe X: Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehung zu Dritten XI: Soziale Pflegeversicherung Sozialgerichtsbarkeit Sozialgerichtsgesetz Sonderbedingungen für die gleitende Neuwertversicherung von Wohn-, Geschäfts- und landwirtschaftlichen Gebäuden Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, 3. Aufl. (1994) Süddeutsche Juristen-Zeitung (1946–50), dann Juristenzeitung siehe oben Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl. (2000) sogenannt(e) Sonderausschuß des Bundestags für die Strafrechtsreform, Niederschriften zitiert nach Wahlperiode und Sitzung Die Sozialversicherung Schadenspraxis Haftpflichtversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) (1993) speziell Spektrum für Versicherungsrecht Staatsgerichtshof Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung (1993 ff.) Das Standesamt. Zeitschrift f. Standesamtswesen, Personenstandsrecht, Ehe- u. Kindschaftsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl. (2002 ff.) Stenographischer Bericht Strafgesetzbuch Kraftfahrtversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftversicherung (AKB) und zu den Allgemeinen Bedingungen für die Verkehrs-Service-Versicherung (AVSB), 17. Aufl. (2000) Kraftfahrtversicherung. Kommentar zu den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung – AKB mit Kommentierungen zu VVG (Auszug), Pflichtversicherungsgesetz (Auszug) und Pflichtversicherungsverordnung, 18. Aufl. (2010) Strafprozessordnung

XXXI

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur str. st.Rspr. StuR StVG StVj StVO SVS StVZO s.u. SubvG SV SZ

strittig, streitig ständige Rechtsprechung Staat und Recht Straßenverkehrsgesetz Steuerliche Vierteljahresschrift Straßenverkehrsordnung Speditions-Versicherungsschein Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung siehe unten Subventionsgesetz Sachverhalt Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen

TDG Terbille/Bearbeiter MAH

Gesetz über die Nutzung von Telediensten Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, hrsg. von Terbille, 2. Aufl. (2008) Transportversicherungsrecht, 2. Aufl. (2011)

Thume/de la Motte/Ehlers/ Bearbeiter TierschG Tit. TKG TranspR TumSchG TV Tz. u. u.a. u.ä. u.a.m. Üb. ÜbergangsAO Übk. ü.M. UFITA U-Haft Ulmer/Brandner/Hensen umstr. UNO unv. u.ö. UrhG UStG usw. u.U. UWG UZwG

VA

XXXII

Tierschutzgesetz Titel Telekommunikationsgesetz Transportrecht Gesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden vom 12.5.1920 Truppenvertrag Textzahl unten unter anderem und ähnlich und anderes mehr Überblick, Übersicht Übergangsanordnung Übereinkommen überwiegende Meinung Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Untersuchungshaft AGBG-Kommentar, 11. Aufl. (2011) umstritten United Nations Organization (Vereinte Nationen) unveröffentlicht und öfter Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung, ab 1947: … des Zonenamtes des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Hamburg)

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur VA (Berlin) VAE VAG v.A.w. VBlBW VDEW VDEW-Bed. VE VerAfP VerBAV/VerBaFin

VereinsG VerfGH VerglO Verh. VerkMitt vermitt. VerschG VersG VersEnzyklopädie/Bearbeiter VersAG VersArch VersM VersPrax, VP VersR VersRAI VersRdsch. VersSlg VersVermV VersVO VersWissArch VersWiss. Stud. VerwArch. VG VGB VGB 2008, 2010 VGH vgl. VGS VHB

Veröffentlichungen des Aufsichtsamts für das Versicherungswesen Groß-Berlin (ab 15.9.1948) Verkehrsrechtliche Abhandlungen und Entscheidungen Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmungen von Amts wegen Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke, ab 2000: Verband der Elektrizitätswirtschaft Versicherungsbedingungen für die Mitglieder der VDEW Vorentwurf Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungsund Bausparwesen, ab 1973: … des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, ab Mai 2002: VerBAFin = Veröffentlichungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Versicherungsbereich) Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) Verfassungsgerichtshof Vergleichsordnung Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw. Verkehrsrechtliche Mitteilungen vermittelnd Verschollenheitsgesetz Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) Versicherungsenzyklopädie, hrsg. von Grosse/Müller-Lutz/Schmidt, 4. Aufl. (1991) Versicherungsaktiengesellschaft Versicherungsarchiv Versicherungsmedizin Die Versicherungspraxis Versicherungsrecht. Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungsund Schadensrecht Versicherungsrecht. Beilage Ausland Versicherungsrundschau (Österreich) Sammlung der seit 1945 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen in Vertragsversicherungssachen, hrsg. von K. Wahle (1961) Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung Dritte DurchführungsVO zu MRG Nr. 63 (VersicherungsVO) Versicherungswissenschaftliches Archiv Versicherungswissenschaftliche Studien, hrsg. von Brömmelmeyer et. al. Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Allgemeine Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vereinigter Großer Senat Allgemeine Bedingungen für die Neuwertversicherung des Hausrats gegen Feuer-, Einbruchdiebstahl-, Beraubungs-, Leitungswasser-, Sturm- und Glasbruchschäden/Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen

XXXIII

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur VHB 2008 VN VO VOBl. VOBlBZ. VOR vorangeh. Voraufl. Vorbem. vorgen. VRR VR VRS VU VuR VVaG VVG VVG-InfoV VVGE

VVG-Kommission VVGRefG bzw. VVG-Reform 2008 VVV VW VwGO VwVfG VwVG VwZG WaffG Wallm. Wandt WarnRspr weitergeh. Werber/Winter von Westphalen/Bearbeiter WHG WI WiB 1. WiKG 2. WiKG Winter WiStG WM Wolf/Lindacher/Pfeiffer WPg WpHG WRP

XXXIV

Allgemeine Hausrat-Versicherungsbedingungen Versicherungsnehmer Verordnung Verordnungsblatt Verordnungsblatt für die Britische Zone Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht vorangehend Vorauflage Vorbemerkung vorgenannt Verkehrsrechtliche Rundschau Versicherer Verkehrsrechts-Sammlung, Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts (zit. nach Band u. Seite) Versicherungsunternehmen Verbraucher und Recht Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen Entscheidungssammlung zum Versicherungsvertragsrecht (VVGE): Entscheidungen zum Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), hrsg. von Dietrich Müller Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2631) (siehe auch ReformG) Versicherungswissenschaft, Versicherungspraxis, insbesondere Versicherungsmedizin (später DVZ) Versicherungswirtschaft Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Waffengesetz Wallmanns Versicherungszeitschrift Versicherungsrecht, 5. Aufl. (2010) Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des RG, hrsg. von Warneyer (zit. nach Jahr u. Nummer) weitergehend Grundzüge des Versicherungsvertragsrechts (1986) Produkthaftungshandbuch (1997) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) Wussows Informationen Wirtschaftsrechtliche Beratung 1. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Versicherungsaufsichtsrecht (2007) Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) Wertpapier-Mitteilungen AGB-Recht, Kommentar, 5. Aufl. (2009) Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über Wertpapierhandel Wettbewerb in Recht und Praxis

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur WuM WuR

Wussow Wussow AHB Wussow FeuerV WZG (Z) ZAkDR ZaöRV ZAP z.B. ZentrBlHR ZEuP ZfBR ZFBUB ZfgA 81b ZfRV ZfS ZfV ZfW ZfZ ZGR ZGS ZHR Ziff. ZIP ZInsO zit. ZJBl. ZMR Zöller/Bearbeiter ZollG Z-Quote ZPO ZRP ZR-QuotenV ZSchwR ZSK ZSW z.T. ZUM zusf. zust. ZustG zutr.

Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wirtschaft und Recht der Versicherung. Beiheft zu Mitt., ab 1926 zu „Versicherung und Geldwirtschaft“, ab 1929 zu OeffV, ab 1935 zur DOeffV Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl. (2008) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, 8. Aufl. (1976) Kommentar zu den AFB und den §§ 1127–1130 BGB, §§ 97–107c VVG, 2. Aufl. (1975) Warenzeichengesetz Entscheidung in Zivilsachen Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (1934–44) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für die Anwaltspraxis zum Beispiel Zentral-Blatt für Handelsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zusatzbedingungen zu den FBUB Zusatzbedingungen (zu den AFB) für Fabriken und gewerbliche Anlagen Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht u. Europarecht Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, begr. v. Goldschmidt Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht zitiert Zentral-Justizblatt für die Britische Zone Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen; Kommentar 29. Aufl. (2012) Zollgesetz Zuführungsquote nach der MindZV vom 4.4.2008 Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung vom 23.7.1996 (BGBl. I S. 1190) Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zusatzklauseln Zeitschrift für das gesamte Sachverständigenwesen zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht/Film und Recht zusammenfassend zustimmend Zustimmungsgesetz zutreffend

XXXV

Verzeichnis der Abkürzungen und der abgekürzt zitierten Literatur z.V.b. ZVBl. ZVerkR ZVersWiss ZVG zw. zz. ZZP

zur Veröffentlichung bestimmt Zentralverordnungsblatt für die sowjetische Besatzungszone Deutschlands (Österr.) Zeitschrift für Verkehrsrecht Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (zitiert nach Jahr und Seite) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) zweifelhaft zurzeit Zeitschrift für Zivilprozess

Verzeichnis der GDV-Musterbedingungen für die Lebensversicherung, die der Kommentierung zugrunde liegen – – – – – – – – – – –

Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung Allgemeine Bedingungen für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung Allgemeine Bedingungen für die Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung Allgemeine Bedingungen für die Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2b (EStG/Basisversorgung) Allgemeine Bedingungen für die Rentenversicherung und eine fondsgebundene Rentenversicherung als Altersvorsorgevertrag im Sinne des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes Allgemeine Bedingungen für die Fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung Allgemeine Bedingungen für die Risikoversicherung Allgemeine Bedingungen für die Vermögensbildungsversicherung Allgemeine Bedingungen für die Restschuldlebensversicherung Allgemeine Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung Besondere Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung

Versicherungsvertragsgesetz Artikel 1 des Gesetzes vom 23.11.2007 (BGBl. I 2631) in Kraft getreten am 1.1.2008 zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 79 des Gesetzes vom 22.12.2011 (BGBl. I 3044)

TEIL 2 EINZELNE VERSICHERUNGSZWEIGE

Kapitel 5 Lebensversicherung Einführung vor §§ 150–171 Allgemeines zur Lebensversicherung Überblick A. B. C. D. E.

Geschichte der Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Bedingungswerke in der Lebensversicherung . . . . . . . . Übersicht über Formen der Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . Funktion, Wesensmerkmale und Einordnung der Lebensversicherung . . . . Lebensversicherungsvertrag als Austauschvertrag, nicht als Geschäftsbesorgungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Kapitalisierungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Lebensversicherung und Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Behandlung der Lebensversicherung im Zugewinn- und Versorgungsausgleich

. . . .

1 10 14 47

. 80 . 86 . 92 . 106

A. Geschichte der Lebensversicherung Schrifttum Adams/Farny Ist das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für die Lebensversicherung reformbedürftig? (1999); Albrecht Alterssicherung und Vorsorgebedarf im Spannungsfeld von Versicherungsund Investmentprodukten (1998); Baily The Doctrine of Life Annuities and Assurance (1819); Bartels Die britische und deutsche Lebensversicherung – eine vergleichende Analyse aus der Sicht eines deutschen Aktuars (1992); Basedow/Fock Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Erster bis Dritter Band (2002/2003); Bendix Kritik der Theorien über die juristische Natur des Lebensversicherungsvertrages, ZVersWiss 1903 490; Bensa Il contratto die assicurazione nel Medio Ero (1884); Blumhardt Der Einfluss des kanonischen Wucherverbots auf die Assekuranz, ZVersWiss 1911 66; Bogs Zur Rechtsnatur der Versorgungseinrichtungen freier Berufe (1954); Börsch-Supan/Wilke Zwischen Generationsvertrag und Eigenvorsorge – Wie Europa auf den demographischen Wandel reagiert (2006); Braun/Pfeiffer/Miegel Vermögensbildung unter neuen Rahmenbedingungen (2000); Brecker Versicherung auf fremden Tod (1912); Büchner/Winter Grundriß der Individualversicherung 9. Aufl.,

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Kapitel 5: Lebensversicherung

(1986); Braun Urkunden und Materialien zur Geschichte der Lebensversicherung und der Lebensversicherungstechnik (1937); ders. Geschichte der Lebensversicherung und der Lebensversicherungstechnik 2. Aufl., (1963); Cantor Geschichte der Mathematik Dritter Band (1898); Cooper A historical Analysis of the Tontine Principle (1972); Crommelin Johann de Witt en zijn Tijd (1913); Czuber Die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie und ihrer Anwendungen (1899); Dickstein Die Merkmale der Lebensversicherung im europäischen Binnenmarkt (1995); Dreher Die Versicherung als Rechtsprodukt (1990); Dus/Maurer Finanzierung des Ruhestandes: Leibrenten und/oder Entnahmepläne – Die Gestaltung der Auszahlungsphase in der kapitalgedeckten Altersversorgung (2007); Duvinage Die Vorgeschichte und die Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (1987); Ebel Über die Professoren-Witwen- und –Waisenkasse zu Götttingen, ZVersWiss 1970 535; Ehrenberg Die juristische Natur der Lebensversicherung, ZHR 33 (1886) 1; Emminghaus Geschichte der Lebensversicherungsbank für Deutschland zu Gotha (1877); Endemann Studium in der romanischkanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts (1874–1883); Gebauer Die sogenannte Lebensversicherung (1895); Gerhardt Geschichte der Mathematik in Deutschland (1877); Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung (Hrsg.) Die Alterssicherungssysteme vor der demographischen Herausforderung – Das Säulen-Modell der Weltbank als Lösungsansatz (1996); Goecke/Will Der Renditewettbewerb in der Lebensversicherung – Marktstudie zur Plausibilität von Beispielrechnungen (2001); Goldschmidt Universalgeschichte des Handelsrechts (1891); Graetzer Edmund Halley und Caspar Neumann (1883); Grosse Wirtschaft und Versicherung (1930); Hayes A New Method for Valuation of Annuities upon Lives 2. Aufl. (1746); Hendrick The Story of Life Insurance (1907); Jack An Introduction to the History of Life Assurance (1912); Japikse Johan de Witt (1915); Jennings-Trout The Tontine: From the Reign of Louis XIV to the French Revolutionary Era (1982); Karten/Werber/Winter (Hrsg.) Lebensversicherung und Geschäftsbesorgung (1998); Karup Handbuch der Lebensversicherung (1885); Knoll Aus der Entwicklungsgeschichte des Versicherungswesens (1934); Peter Koch Zur Geschichte des Versicherungswesens (1962); ders. Begriffe und Daten aus der Versicherungsgeschichte (1964); ders. Epochen der Versicherungsgeschichte (1967); ders. Pioniere des Versicherungsgedankens, 300 Jahre Versicherungsgeschichte in Lebensbildern 1550–1850 (1968); Koenig Die vermögenswerten Rechte aus dem Lebensversicherungs-Vertrag, ZVersWiss 1906 415; Kühl Der Einsatz von Lebensversicherungen als Kreditsicherungsmittel in Deutschland und Frankreich (2005); Kurz Die Fondsgebundene Lebensversicherung mit Mindestgarantie – Modelltheoretische Bewertung und Anforderungen an das Asset-Liability-Management (1997); Littrow Über Lebensversicherungen und andere Versorgungsanstalten (1833); Malß Die Lebensversicherung, MalßZ Bd. II 1868 225; Maseres Principles of the Doctrine of Life Annuities (1783); Manes Versicherungswesen Erster Band 5. Aufl. (1930); Mayr Lehrbuch der Handelsgeschichte (1907); Meitzen Geschichte, Theorie und Technik der Statistik (1886); Mittelsten Scheid Reform der Altersbesteuerung – Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen (2004); Möller/Winter (Hrsg.)Zweiter Weltkongress für Versicherungsrecht Fünfter Band: Gruppenversicherung, insbesondere in der Lebensversicherung (1967); Moldenhauer Das private Versicherungswesen (1908); Moser Die Gesetze der Lebensdauer (1839); Pohl Die Anfänge des deutschen Lebensversicherungswesens (1913); Präve Die selbständige Dread-Desease-Versicherung, ZVersWiss 1998 355; Pringsheim Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklungsgeschichte der Vereinigten Niederlande im 17. und 18. Jahrhundert (1890); Raynes A History of British Insurance 3. Aufl. (1954); Roghé Geschichte und Kritik der Sterblichkeitsmessung bei Versicherungsanstalten (1890); Rosin Lebensversicherung und ihre geistesgeschichtlichen Grundlagen (1932); Rüdiger Die Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrage (1885); du Saar Over Sterfteformules en Lijfrenten (1917); Schalk Die fondsgebundene Lebensversicherung (2009); Schachner Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Pflichtaltersversorgung freier Berufe, Diss. Köln 1968, 35; Schareck/Schumacher/ Grischek Die Aktienindexgebundene Lebensversicherung (1999); Schwarzbauer Unterstützungskassen, in: Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Bd. I, 6. Aufl., 1977; Schwebler Die Funktion der Lebensversicherung in der Gesamtwirtschaft – Ein Beitrag zur Aktualisierung des Drei-Säulen-Konzepts, ZVersWiss 1990 540; Schwarzbauer Unterstützungskassen, in: Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Bd. I, 6. Aufl., (1977); Schwintowski Der private Versicherungsvertrag zwischen Recht und Markt (1987); Sieg Die Lebensversicherung als Versorgungsinstrument – kritische Betrachtungen zum juristischen Befund, ZVersWiss 1974 97; Sieveking Grundzüge der neueren Wirtschaftsgeschichte vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart (o.J).; Tarn Historical

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Allgemeines zur Lebensversicherung

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Review of Life Assurance (1912); Taubert Modulare und lebensphasenbegleitende Produktgestaltung in der Lebensversicherung – Ein Produktkonzept für Lebensversicherungen in Deutschland (2002); Trennery The Origin and Early History of Insurance (1926); Tropfke Geschichte der Elementarmathematik (1903); Vesper Die Sterbekassen in alter und neuer Zeit (1966); Wagner Das Problem vom Risiko in der Lebensversicherung (1898); v. Waldheim Das Versicherungswesen in seiner Entwicklung (1928); Waltershausen Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1815–1914 (1920) Wandt Versicherungsrecht, 5. Aufl. (2010); Weinstein-Deitch The Impact of Legalized Gambling (1974); Westergaard Die Lehre von der Mortalität und Morbilität (1901); ders. Contributions to the History of Statistics (1932); Wirth Anforderungen an die steuerliche Behandlung der Alterssicherung aus Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechts – insbesondere der Grundfreiheiten des EGV (2004); Werber/Winter Grundzüge des Versicherungsrechts (1986); Winter Grenzlinien der Lebensversicherung: „insurable interest“, biometrisches Risiko und Kapitalisierungsgeschäfte, VersR 2004 8; Wyler Die Tontinen in Frankreich (1916).

Übersicht Rn. I. II. III. IV. V.

Wurzeln der Lebensversicherung . . . Anfänge der Lebensversicherung . . . Wettversicherungen . . . . . . . . . . Erste Lebensversicherungsunternehmen Tontinenversicherung und staatliche Rentenversicherung . . . . . . . . . VI. Anfänge der Wahrscheinlichkeitsrechnung . . . . . . . . . . . . . . .

. . .

1 2 3 4

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.

6

Rn. VII. Sterblichkeitsforschung und Sterbetafeln VIII. Lebensversicherung im 19. Jahrhundert IX. Lebensversicherung im 20. Jahrhundert und in der Gegenwart . . . . . . . . . 1. Lebensversicherung als Finanzprodukt 2. Konsequenzen aus dem demographischen Wandel . . . . . . . . . . 3. Bedeutung der Lebensversicherung . .

7 11 12 14 15 21

I. Wurzeln der Lebensversicherung Sieht man von Ansätzen zum Versicherungsgedanken schon im Altertum einmal ab, 1 so finden sich Wurzeln der Lebensversicherung sowohl im genossenschaftlichen wie auch im vertragsrechtlichen Bereich bereits im Mittelalter. Gilden, Zünfte und Bruderschaften unterstützten ihre Mitglieder auch bei Krankheiten und Unfällen und sorgten beim Tode eines Mitgliedes für die Durchführung des Begräbnisses. Da die Mittel solcher Vereinigungen vielfach in Laden aufbewahrt wurden, bürgerte sich für genossenschaftliche Unterstützungseinrichtungen die Bezeichnung „Lade“ ein. Zur Entstehung der späteren, auf vertraglicher Grundlage basierenden Lebensversicherung hat es zudem beigetragen, dass mit Seeassekuradeuren auch die Leistung eines Lösegeldes für den Fall vereinbart werden konnte, dass die Besatzung eines Schiffes und Reisende von Seeräubern gefangen genommen wurden. Hieraus entwickelte sich allmählich die Versicherung auf das Leben von Reisenden, bei deren Tod die im Vertrage vereinbarten Beträge an Erben oder Gläubiger auszuzahlen waren. Eine weitere Vertragsform, die für die geschichtliche Entwicklung der Lebensversicherung von Bedeutung war, ist der seit dem 13. Jahrhundert auftretende Leibrentenkauf, also eine Vereinbarung über die Gewährung einer lebenslänglichen Rente gegen Hingabe einer Geldsumme. Dieser Vertrag, durch den sich insbesondere Städte und Landesherren Kapital verschafften, ist bei allen seinen sonstigen finanziellen Zwecken auch als Vorläufer der späteren Rentenversicherung anzusehen, und zwar sowohl wegen seiner Verwendbarkeit zur Versorgung des Rentenkäufers als auch wegen der Abstellung des Vertrages auf die Lebensdauer des Erwerbers einer solchen Rente.1

1

Vgl. hierzu und zum Folgenden Büchner/ Winter 21–42, und im Einzelnen insbes.

Braun Geschichte der Lebensversicherung, 2. Aufl. (1963).

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Kapitel 5: Lebensversicherung

II. Anfänge der Lebensversicherung 2

In der Neuzeit bildeten sich auf dem Gebiete der Lebensversicherung teils Einrichtungen fort, die es schon im Mittelalter gegeben hatte, teils kamen neue auf. Unterstützung bei Krankheits- und Sterbefällen gewährten, wie bereits im Mittelalter, die Zünfte der Handwerksmeister und Bruderschaften der Gesellen sowie Knappschaften der Bergleute. Versicherungsgeschichtlich bedeutsam sind auch die montes pietatis, kirchliche oder staatliche Leihhäuser, die vor allem seit dem 15. Jahrhundert insbesondere in Italien gegründet wurden, um der finanziell schwächeren Bevölkerung die Möglichkeit zu bieten, Pfandkredite zu moderaten Bedingungen zu erhalten. Mehrere unter den italienischen Leihanstalten beschafften sich Betriebskapital u.a. gegen das Versprechen, den ihnen bei der Geburt einer Tochter zinslos gegebenen Betrag bei deren Verheiratung in zehnfacher Höhe zurückzuzahlen. Wahrscheinlich aus der Kenntnis von dem Bestehen solcher Aussteuerversicherungen heraus schlug im 16. Jahrhundert der Nürnberger Berthold Holzschuher in einer eingehenden Denkschrift verschiedenen deutschen Städten die Einrichtung derartiger Kassen vor. Er erlebte eine Verwirklichung seiner Anregungen ebenso wenig wie Georg Obrecht, der einige Zeit später in erweiterter Form ähnliche Gedanken in einer Denkschrift entwickelte. Erst am Ende des 17., vor allem aber im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden in Deutschland, oft unter staatlicher Förderung, zahlreiche Sterbe-, Witwen-, Waisen- und Heiratskassen errichtet, die aber, ebenso wie ähnliche Kassen in den Niederlanden und in England, wegen ihrer versicherungstechnischen Mängel fast alle keinen Bestand gehabt haben. Für die Gründung solcher Witwen-, Waisen- und Heirats- bzw. Aussteuerkassen auf Gegenseitigkeit war neben humanitären Erwägungen das bevölkerungspolitische Motiv der Förderung von Eheschließungen maßgebend.

III. Wettversicherungen 3

Die schon Ende des Mittelalters in der Seeversicherung entwickelte Möglichkeit, Reisende für den Fall ihres Todes zu versichern, breitete sich im 16. und 17. Jahrhundert von Italien auch nach anderen Ländern, insbesondere nach den Niederlanden aus. Als seit den politischen Ereignissen am Ende des 16. Jahrhunderts die südlichen Niederlande von den nördlichen wirtschaftlich überflügelt wurden und zu dieser Zeit auch Englands politischer und wirtschaftlicher Aufstieg begann, wurden diese Länder Zentren des Rentenund Assekuranzgeschäftes. Die von den Einzelassekuradeuren außer den Seeversicherungen abgeschlossenen Lebensversicherungen hatten überwiegend einen so betont spekulativen Charakter, dass in der Zeit vom 15. bis 18. Jahrhundert in verschiedenen Staaten der Abschluss derartiger Wettversicherungen auf das Leben von Menschen (z.B. des Papstes oder eines weltlichen Herrschers) als gegen die guten Sitten verstoßend untersagt wurde.

IV. Erste Lebensversicherungsunternehmen 4

Die ersten größeren LebensVU wurden im Ausgange des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England gegründet. Auch Lloyds und die Sun nahmen 1721 neben der Seeund Feuerversicherung auch die Lebensversicherung auf. Außer den sich als dauerhaft erweisenden Unternehmen entstand eine Reihe kurzlebiger spekulativer Gründungen, insbesondere in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Vorschläge für die Schaffung sozialer Versorgungseinrichtungen enthielt eine 1698 veröffentlichte Schrift von Daniel Defoe.

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Allgemeines zur Lebensversicherung

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V. Tontinenversicherung und staatliche Rentenversicherung Für die Entwicklung der Lebensversicherung von maßgebender Bedeutung war der 5 rechnerisch gut durchdachte Plan, den der in Frankreich lebende Neapolitaner Lorenzo Tonti (1630–1695) dem Kardinal Mazarin zur Besserung der Finanzlage des französischen Staates vorlegte. Er schlug darin die Aufnahme einer größeren Anleihe vor, zu deren Verzinsung die nach dem Lebensalter in zehn Gruppen eingeteilten Kapitalgeber Leibrenten in der Weise erhalten sollten, dass die Rentenanteile der in jedem Jahr verstorbenen Gruppenmitglieder den Ansprüchen der übrigen Mitglieder zugeschlagen wurde. Erst 1689 wurde in Frankreich auf Grund der Gedanken Tontis die erste staatliche Tontine errichtet, nachdem in Holland schon seit 1670 öffentliche Anleihen in dieser Form aufgelegt worden waren. Noch bedeutsamer war es, dass der niederländische Staatsmann und Mathematiker Jan de Witt (1625–1672) aus der Verantwortung für die Finanzpolitik seines Landes heraus der zuständigen politischen Körperschaft 1671 eine Denkschrift vorlegte, worin er im Hinblick auf die Begebung staatlicher Rentenanleihen zum ersten Mal eine nach richtigen Grundsätzen ausgearbeitete Berechnung über den Barwert von Leibrenten vorgenommen hatte. Ähnliche Gedankengänge verfolgte sein Landsmann Johannes Hudde (1628–1670).

VI. Anfänge der Wahrscheinlichkeitsrechnung Diese Rentenberechnungen waren bereits eine praktische Nutzanwendung des Geistes 6 jener Zeit, in der die Mathematik erheblich an Bedeutung gewann und in der auch die Voraussetzungen für die moderne Versicherungstechnik, vor allem auf dem Gebiete der Lebensversicherung, geschaffen wurden. Von ganz maßgeblicher Bedeutung war es, dass aus Betrachtungen über den Zufall beim Würfelspiel, an denen sich bereits Galileo Galilei (1564–1642) beteiligt hatte, die Wahrscheinlichkeitsrechnung entstand. Hieran waren mit ihren mathematischen Untersuchungen u.a. beteiligt Blaise Pascal (1623–1662), Pierre Fermat (1601–1665), Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), der Niederländer Christian Huygens (1629–1695), der sich schon mit Fragen der Lebenswahrscheinlichkeit befasste, sowie besonders Jakob Bernoulli (1654–1705), der das „Gesetz der großen Zahl“ formulierte. An der weiteren Vervollkommnung der Wahrscheinlichkeitslehre haben insbesondere Pierre Simon de Laplace (1749–1827), S. D. Poisson (1781–1840) sowie Carl Friedrich Gauß (1777–1855) zu nennen, der u.a. auch ein versicherungstechnisches Gutachten über die Göttinger Professorenwitwen-Kasse erstattet hat.

VII. Sterblichkeitsforschung und Sterbetafel Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Lebensversicherung spielte die Aufklä- 7 rung mit ihrer rationalen Denkweise, die sich auch in dem Interesse für statistische Beobachtungen und Berechnungen bekundete, mit ihrem optimistischen Vernunftglauben und ihrem dem Diesseits zugewandten Wohlfahrtsethos, vor allem in England, dem Ausgangszentrum der europäischen Aufklärung sowie auch der Versicherungsmathematik als eines Zweiges der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der modernen Lebensversicherung. Bei der Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die Sterblichkeitsforschung 8 müssen für die anzustellenden Berechnungen ausreichende statistische Unterlagen vorhanden sein. Nachdem bereits um 1600 Georg Obrecht sich in einer seiner volkswirtschaftlichen Schriften für die Einführung einer Bevölkerungsstatistik eingesetzt, 1662 der

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Engländer John Graunt schon bemerkenswerte – von Huygens verwendete – statistische Beobachtungen auf Grund allerdings noch recht unzureichender Sterberegister veröffentlicht hatte, war es der Theologe Caspar Neumann (1648–1715), der über die Geburtsund Sterbefälle seiner Breslauer Gemeinde aus den dortigen, gut geführten Kirchenbüchern mit großer Sorgfalt Tabellen herstellte und sie zunächst Leibniz übersandte, bis sich die englische Royal Society die Aufstellungen erbat, um mit ihrer Auswertung den englischen Mathematiker und Astronomen Edmond Halley (1656–1742) zu beauftragen, dem sie als Unterlagen für seine Sterbetafel dienten, die er 1693 publizierte. Ausgebildet wurde die statistisch-mathematische Lebensversicherungstechnik zuerst 9 in England im 18. Jahrhundert durch die Mathematiker Abraham de Moivre, James Dodson, Thomas Simpson und Richard Price. Neben Niederländern, Franzosen und Schweden sind vor allem der Theologe Johann Peter Süßmilch, der durch ein grundlegendes Werk über die Bevölkerungsstatistik bekannt wurde, und der Kieler Johann Nicolaus Tetens, der 1785/86 das erste deutsche Lehrbuch der Versicherungsmathematik herausgegeben hat zu nennen. Bedeutendes auch für die Wahrscheinlichkeitsrechnung, die Bevölkerungsstatistik und für die Lebensversicherungstechnik hat außerdem der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler (1707–1783) geleistet. Zur praktischen Anwendung der neuen mathematischen Erkenntnisse und statisti10 schen Beobachtungen kam es zuerst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zur Hauptsache aber erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Die erste Lebensversicherungsgesellschaft, die von vornherein nach richtigen versicherungstechnischen Grundsätzen errichtet und betrieben wurde, ist die 1762 als Gegenseitigkeitsgesellschaft gegründete Equitable in London. In Deutschland sind im 18. Jahrhundert noch keine größeren LebensVU entstanden. Jedoch hat eine in Hamburg 1778 auf versicherungstechnischer Grundlage errichtete Versorgungskasse bis 1957 bestanden. Erfolgreich weiterentwickelt hat sich eine ähnliche Gründung in Braunschweig aus dem Jahre 1808, im Jahre 1827 wurde die erste größere Gegenseitigkeitsgesellschaft in Gotha gegründet, die die Lebensversicherung betrieb. Johann Georg Busch (1728–1800) und Ernst Wilhelm Arnoldi (1778–1841) gehören zu denen, denen es insbesondere zu danken ist, dass die erarbeiteten versicherungstechnischen Grundsätze auch in der Praxis der Lebensversicherung ihren Niederschlag fanden.

VIII. Lebensversicherung im 19. Jahrhundert 11

Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden eine Reihe von Versicherungsgesellschaften gegründet, die die Renten- oder auch die Kapitalversicherung und schließlich auch die bis auf die Knappschaftskassen des 16. Jahrhunderts zurückreichende Berufsunfähigkeitsversicherung in den Vordergrund ihrer geschäftlichen Betätigung rückten. Den Durchbruch zu ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung erreichte die Lebensversicherung jedoch erst, als es mit Hilfe eines regional zunehmend ausgeweiteten und verdichteten Vertreternetzes gelang, die Bevölkerung in immer breiterem Maße für die Lebensversicherung zu interessieren. Der organisatorische Aufbau und Ausbau ist einer der maßgeblichen Faktoren für die erhebliche Bedeutung geworden, die die Lebensversicherung im 19. Jahrhundert und in der Gegenwart erlangt hat. Dazu trug auch bei, dass sich die Lebensversicherung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts – in dem der Versicherungsgedanke auch durch die Einführung der Sozialversicherung gefördert wurde – nicht mehr mit der sog. Großlebensversicherung (mit großen Versicherungssummen) begnügte, sondern vielmehr auch die Kleinlebensversicherung (mit heute typischen Versicherungssummen zwischen € 2.500 und € 10.000), auch Vo1ksversicherung genannt, betrieb,

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Allgemeines zur Lebensversicherung

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wobei neben den professionellen Außendienst auch gewerkschaftlich-genossenschaftliche, berufsständische Organisationen und ähnliches traten, auch wenn die Kleinlebensversicherung nunmehr ihre Bedeutung teilweise eingebüßt hat.

IX. Lebensversicherung im 20. Jahrhundert und in der Gegenwart Die Lebensversicherung überstand beide Weltkriege und die dadurch ausgelösten Infla- 12 tionszeiten und gelangte zu ihrer heutigen großen volkswirtschaftlichen Bedeutung, obwohl sie zweimal fast gänzlich von vorn beginnen musste. Die Erhöhungen der Pflichtversicherungsgrenze sowie die Aufhebung der Pflichtversicherungsgrenze auch in der Angestelltenversicherung brachten der Lebensversicherung in den 50er und 60er Jahren einen starken Zugang von Befreiungsversicherungen. Weitere positive Anstöße erhielt sie durch die steuerliche Förderung der Vermögensbildung und der betrieblichen Altersversorgung. Die konsequente Einführung dynamischer Versicherungsformen (auch als Reaktion auf zwischenzeitliche Erhöhungen der Geldentwertungsrate), die Schaffung der fondsgebundenen Lebensversicherung in vielfältigen Erscheinungsformen, die Entstehung binnenmarktähnlicher Verhältnisse in Europa auch im Lebensversicherungsmarkt durch die Niederlassungs- und Dienstleistungsdirektiven Leben (1979, 1990, 1999), die 20022 zusammengeführt worden sind, und insbes. die Abschaffung der Vorabgenehmigung der Bedingungswerke durch die Aufsichtsbehörde im Jahre 1994 führte zu weiterem starkem Wachstum gerade bei der Lebensversicherung. Da die Lebensversicherungsprodukte durch die Vorschriften des VVG und des VAG nur vereinzelt Beschränkungen unterliegen, können die VR zügig auf neue Bedürfnisse reagieren, nicht zuletzt auch auf steuerliche Anreize wie in den letzten Jahren in Zusammenhang mit der Altersvorsorge. Abgesehen von der europarechtlich bedingten ungeheuren Produktvielfalt, wie sie – 13 auch – in der Lebensversicherung seit 1994 zu beobachten ist, hat sich speziell die Lebensversicherung in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewandelt: Die Lebensversicherung wird in Deutschland nunmehr – ebenso wie auch sonst weithin in Europa – auch als Finanzprodukt und als Konkurrenz zu Produkten aus dem Banken- und Finanzmarktbereich wahrgenommen (sogleich unter 1.). Zugleich reagiert die private Lebensversicherung auf den demographischen Wandel (sodann unter 2.). 1. Lebensversicherung als Finanzprodukt Die Lebensversicherung, die vielfältige Funktionen haben kann, wurde in Deutsch- 14 land noch im Ausgang des 20. Jahrhunderts insbes. als Instrument der Hinterbliebenenund Altersversorgung gesehen, auch die Kreditsicherungsfunktion spielte eine größere Rolle. Im europäischen Ausland und in den Vereinigten Staaten wurde und wird die Lebensversicherung dagegen stärker als Finanzprodukt im Wettbewerb mit Bankprodukten, festverzinslichen Wertpapieren, Aktien, Fonds und Immobilien wahrgenommen mit der Folge, dass nicht allein der Sicherheit der Anlage, sondern auch ihrer Rendite bei der Wahl des Finanzprodukts stärkeres Gewicht beigemessen wurde. Der Wettbewerb in Zusammenhang mit der Überschussbeteiligung war zwar schon stets ein Charakteristikum der deutschen Lebensversicherung und reichte weit zurück, er verschärfte sich jedoch deutlich durch den Vergleich mit Anlageprodukten anderer Anbieter als VU.

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Richtlinie 2002/83/EG vom 5.11.2002.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Schon in den 70er Jahren entstanden fondsgebundene Lebensversicherungen, die ständig weiterentwickelt und allmählich auch mit Garantien des Versicherers verbunden wurden. Die steuerliche Förderung, die in Deutschland zunächst insbes. mit der Kapitallebensversicherung und dem Immobilienerwerb verbunden war, wurde allmählich auch auf weitere Finanzdienstleistungsprodukte erstreckt. Die Lebensversicherungsprodukte standen nicht mehr nur in Konkurrenz zu den Produkten deutscher Lebensversicherer und sonstiger Finanzdienstleister, sondern auch europäischer und außereuropäischer Wettbewerber. Seit 1994 können deutsche Lebensversicherer in Gestalt der Kapitalisierungsgeschäfte auch Bankprodukte ohne biometrisches Risiko anbieten.3 Allfinanzkonzeptionen unter Einbeziehung nicht nur von VU und Banken, sondern auch von Bausparkassen und weiterer Anbieter, die unterschiedlichen vertrags- und aufsichtsrechtlichen Regelungen unterliegen, wurden seit den 70er Jahren in Wissenschaft und Praxis heiß diskutiert und teilweise umgesetzt, das aufsichtsrechtliche Verbot des Betriebs versicherungsfremder Geschäfte und die Behandlung branchenfremder Beteiligungen wurden allmählich liberalisiert, nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des EuGH.4 Die Freigabe der Produktgestaltung durch die Dritte EG-Richtlinie Leben führte zu einem enormen Schub neuer Versicherungsprodukte, die sich insbes. auch an ausländischen Vorbildern – gerade auch unter Berücksichtung des Allfinanzbereichs – orientierten. Im Vergleich noch zu den 60er und 70er Jahren hat sich die Wahrnehmung der Lebensversicherungsprodukte insoweit deutlich verändert. 2. Konsequenzen aus dem demographischen Wandel

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Da die Bevölkerung infolge der beiden Weltkriege und der Inflationen in den 20er und 40er Jahren teilweise wiederholt ihre Ersparnisse und Rücklagen verloren hatte und auch die staatlichen Sozialversicherungsträger ein Kapitaldeckungsverfahren nicht aufrechterhalten konnten, wurde nach dem 2. Weltkrieg für die Sozialsysteme in der Bundesrepublik bewusst eine Umlagenfinanzierung gewählt. Voraussetzung für ein solches System ist allerdings ein Gleichgewicht zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern (Generationenvertrag). Während die Sozialversicherungsträger zunächst über genügend Beitragszahler und Beitragsleistungen verfügten, kündigten sich angesichts des demographischen Wandels – steigende Lebenserwartung der Bevölkerung und Rückgang der Geburtenrate – bereits in den 70er und 80er Jahren Finanzierungsschwierigkeiten an, zumal in Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung Rücklagen der Sozialsysteme für zweckfremde Vorhaben Verwendung fanden. Seit den 90er Jahren und insbes. seit Beginn des 21. Jahrhunderts musste es daher zu deutlichen Leistungseinschnitten kommen, wie z.B. durch die Entkoppelung der Steigerung der Renten mit der Entwicklung der Löhne und Gehälter und die Reduktion der Steigerung mittels eines demographischen Faktors. Als Ausgleich sind in den vergangenen Jahren Anreize für die Bevölkerung geschaffen worden, sich eigenverantwortlich eine zusätzlich kapitalgedeckte Altersversorgung aufzubauen. Davon profitiert insbes. auch die Lebensversicherung. Früher war das mit Abstand am stärksten vertriebene Produkt im Bereiche der deut16 schen Lebensversicherung die gemischte Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall, die bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen (zwölf Jahre Laufzeit, fünf Jahre Beitragszahlung) bei Ablauf zu einer gänzlich einkommensteuerfreien Versiche3 4

8

Vgl. Winter VersR 2004 8; ders. Versicherungsaufsichtsrecht, S. 431. Winter Versicherungsaufsichtsrecht, S. 291 ff.;

EuGH 20.4.1999 VersR 1999 1080; 21.9.2000 VersR 2001 313.

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Allgemeines zur Lebensversicherung

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rungsleistung führte – eine steuerliche Begünstigung, wie sie Anlageprodukte von Banken und Fondsgesellschaften nicht genossen. Nachdem 2001 zunächst das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) eingeführt wurde, mit dem die steuerlich begünstigte sog. Riester-Rente geschaffen wurde, ist mit dem 2005 in Kraft getretenen Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) die steuerliche Bevorzugung der Kapitalversicherung gestrichen worden und ein differenziertes System der steuerlichen Förderung von Finanzprodukten – auch über den Versicherungsbereich hinaus – geschaffen worden, die dem Aufbau einer kapitalgedeckten Altersversorgung dienen. Dabei ist die steuerliche Förderung von der Höhe abhängig gemacht worden, in der die Beiträge und Leistungen des Bürgers für eine Verwendung zur lebenslangen kapitalgedeckten Altersvorsorge vorgesehen sind. Dadurch wird gewährleistet, dass eine sich auf das Produkt beziehende steuerliche Förderung keinem Missbrauch ausgesetzt wird. Das AltEinkG differenziert dabei nach drei Schichten der Altersvorsorge: Die dritte Schicht bezieht sich auf Altersvorsorgeprodukte, die der Bürger gänzlich aus eigenen Beiträgen finanziert, in die keinerlei steuerliche Förderung einfließt und die im Prinzip keinen Beschränkungen unterworfen sind. Kommt es zu Leistungen ab dem 60. Lebensjahr, so kann eine günstigere Besteuerung greifen. Die zweite Schicht erfasst Produkte, die als zusätzliche Altersvorsorge steuerlich direkt gefördert werden, wie beispielsweise die Riester-Rente und Teile der betrieblichen Altersversorgung. Die steuerliche Förderung entfällt und wird an den Staat zurückgezahlt, falls das Produkt im konkreten Fall später keine Verwendung bei der Altersversorgung findet. Die erste Schicht betrifft solche Altersvorsorgeprodukte, die als Grundsicherung im Alter direkt steuerlich gefördert werden; als Leistung ist im Prinzip nur eine lebenslange Rente an den Beitragszahler selbst möglich. Zu dieser Schicht gehören die gesetzlichen Rentenversicherungen sowie die Basisrenten-Verträge (auch Rürup-Rente). Hintergrund für die Regelung war, dass die Riester-Förderung nicht allen Bevölkerungsgruppen – wie den Selbstständigen – offen steht. Mit der Basisrente soll auch denjenigen eine eigene Altersvorsorge möglich werden, die keine Ansprüche aus der Gesetzlichen Rentenversicherung erlangen. Daher ist sie in ihren Voraussetzungen, der Förderung und Besteuerung der Versicherungsleistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung nachgebildet. Das „3-Schichten-Modell“ ist rechtlich höchst unterschiedlich geregelt. Zur dritten Schicht finden sich produktbezogene Vorschriften im VVG, im InvG oder im WpHG, zur zweiten Schicht bestehen gesetzliche Regelungen im EStG und im AltZertG, sodass eine weitgehende Zusammenarbeit zwischen dem Anbieter der Produkte, der Zentralen Stelle für Altersvorsorgevermögen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (ZfA), der Zertifizierungsstelle der BaFin und den Finanzbehörden erforderlich ist. Die dritte Schicht ist fast ausschließlich in einem Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums geregelt, im EStG finden sich nur kursorische Umschreibungen der insoweit zulässigen Produkte.

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3. Bedeutung der Lebensversicherung Die 100 im Bundesgebiet arbeitenden LebensVU verzeichneten 2011 einen Bestand 21 von mehr als 96 Millionen Lebensversicherungsverträgen, die jährlichen Beiträge beliefen sich auf 83,2 Milliarden Euro. 2011 waren beim Neuzugang 9,0 % der Einzelversicherungen Kapitalversicherungen, 2,2 % Fondsgebundene Kapitalversicherungen, 14,9 % Fondsgebundene Rentenversicherungen, 10,9 % Risikoversicherungen, 24,9 % Rentenund Pensionsversicherungen, 7,3 % Berufsunfähigkeitsversicherungen, 0,3 % Pflegeren-

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tenversicherungen und 4,9 % sonstige Einzelversicherungen (z.B. Kapitalisierungsgeschäfte, Tontinengeschäfte). Die übrigen Lebensversicherungen waren Kollektivversicherungen, davon waren 2,7 % Kapitalversicherungen, 3,7 % Bausparrisikoversicherungen, 9,0 % Restschuldversicherungen und 10,2 % übrige Kollektivversicherungen. Die an die VN und Versicherten erbrachten Leistungen der Lebensversicherer beliefen sich 2011 auf 84,3 Milliarden Euro, die ausgezahlten Leistungen aus der Überschussbeteiligung überstiegen 8,7 Milliarden Euro. Die Kapitalanlagen betrugen 2011 742,7 Milliarden Euro, der Aktienanteil belief sich auf 2.9 %. Der Bestand an Riester-Verträgen erreichte 2011 10,8 Millionen Versicherungen; der Bestand an Basisrenten 1,4 Millionen Versicherungen.5

B. Entwicklung der Bedingungswerke in der Lebensversicherung Schrifttum Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag, Reichstagsvorlage (1906); Bruck/Dörstling Das Recht des Lebensversicherungsvertrages (1933); DVfVW, Sammlung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen Deutscher Versicherungsanstalten, 2. Teil (1908); Dickstein Die Merkmale der Lebensversicherung im europäischen Binnenmarktrecht (1996); Goecke/ Will Der Renditewettbewerb in der Lebensversicherung (2001); Goll/Gilbert/Steinhaus Handbuch der Lebensversicherung, 11. Aufl. (1992); Hagelschuer Lebensversicherung, 3. Aufl., (1987); Hüttner Das Recht der Versicherung (1908); Hupka Gegenentwurf eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag, Leipzig/Wien 1908); Kühl Der Einsatz von Lebensversicherungen als Kreditsicherungsmittel in Deutschland und Frankreich (2005); Kurzendörfer Einführung in die Lebensversicherung, 3. Aufl. (2000); Malß MalßZ Bd. II 1868 225–235; Meyer Der Rückkaufswert in der Lebensversicherung (1989); Rüdiger Die Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrag (1885); Taubert Modulare und lebensphasenbegleitende Produktgestaltung in der Lebensversicherung – Ein Produktkonzept für Lebensversicherungen in Deutschland (2002); Winter Grenzlinien der Lebensversicherung: „insurable interest“, biometrisches Risiko und Kapitalisierungsgeschäfte, VersR 2004 8; Wirth Anforderungen an die steuerliche Behandlung der Alterssicherung aus Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechts – insbes. der Grundfreiheiten des EGV (2004).

Übersicht Rn. I. Normativbedingungen von 1909 (NB a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . II. Normativbedingungen von 1932: Allgemeine Versicherungsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall (ALB a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . III. Musterbedingungen für die Großlebensversicherung (ALB) von 1957 . . . . . .

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Rn. IV. Verbraucherfreundlich formulierte Bedingungswerke seit 1983 . . . . . . . . V. Abschaffung der Genehmigungspflicht auch für die Lebensversicherungsbedingungen im Jahre 1994 . . . . . . . VI. Inkrafttreten/Übergangsvorschriften des Versicherungsvertragsrechts 2008 im Bereich der Lebensversicherung . . . . .

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2012 25.

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I. Normativbedingungen von 1909 (NB a.F.) Auch die Geschichte der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensver- 22 sicherung reicht weit zurück. Bis zum Inkrafttreten des VVG im Jahre 1910 verwandten die LebensVR Versicherungsbedingungen, die formell und materiell teilweise erheblich voneinander abwichen. Die VR waren ganz offensichtlich bestrebt, auch bei der Ausgestaltung der von ihnen formulierten Versicherungsbedingungen ihre Individualität zu bewahren und dadurch einen effektiveren Wettbewerb zu ermöglichen. Erst 1875 unternahmen die in dem Verein Deutscher Lebensversicherungsgesellschaften zusammengeschlossenen 17 VR den Versuch, die Buntscheckigkeit zu beseitigen und sich auf ein einheitliches Schema von Versicherungsbedingungen zu einigen. Dieses Schema von Versicherungsbedingungen ist jedoch weder vom Verein insgesamt noch von der größeren Zahl seiner Mitglieder auch tatsächlich eingeführt worden. Eine Zusammenstellung historisch besonders wichtiger Lebensversicherungsbedingungen aus jener Zeit findet sich in Teil II der von dem Deutschen Verein für Versicherungswissenschaft herausgegebenen Sammlung von Versicherungsbedingungen Deutscher Versicherungsanstalten.6 Die Bemühungen um eine Harmonisierung der Lebensversicherungsbedingungen wur- 23 den erst angesichts des geplanten Inkrafttretens des VVG wieder aufgenommen, und erst nach langwierigen Verhandlungen konnte der Verband Deutscher LebensversicherungsGesellschaften im Namen von 36 Mitgliedsgesellschaften einen Entwurf von Normativbedingungen für die Todesfallversicherung dem Kaiserlichen Aufsichtsamt für die Privatversicherung vorlegen, der im Jahre 1909 genehmigt wurde.7

II. Normativbedingungen von 1932: Allgemeine Versicherungsbedingungen der Kapitalversicherung auf den Todesfall (ALB a.F.) Angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung zu den Normativbedingungen a.F. 24 und den zu jener Zeit von den VR verwandten Bedingungswerken wurde bald deutlich, dass bei dem zunehmend stärker werdenden Wettbewerb auch die Versicherungsbedingungen allmählich zum Wettbewerbsmittel geworden waren. Angesichts der Verschiedenheit der von den einzelnen VR verwandten Bedingungen gelangte so die Rechtsprechung bei gänzlich gleichen Tatbeständen immer wieder zu entgegengesetzten Entscheidungen, sodass sich die Forderung nach einer Harmonisierung bzw. Vereinheitlichung der verwandten Bedingungswerke erhob. Der Verband Deutscher Lebensversicherungsgesellschaften setzte 1928 einen Unterausschuss für die Erarbeitung eines Entwurfs der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein. Der fertig gestellte Entwurf wurde aufgrund der Stellungnahmen der Mitgliedsgesellschaften neugefasst und dem Reichsaufsichtsamt vorgelegt, das die Bedingungen in der aus VA 1932 115 ersichtlichen Fassung genehmigte (ALB a.F.). Die Abweichungen des neuen Bedingungswerkes von den Normativbedingungen a.F. liegen dabei mehr in der Wortwahl und im Aufbau als im Sachlichen. Es ist dabei versucht worden, die Bedingungen in einer Form zu formulieren, die es auch dem versicherungsrechtlich und -technisch nicht versierten Durchschnittsleser ermöglichen sollte, den Inhalt der Bedingungen zu verstehen.

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Berlin 1909, vgl. dazu auch Bruck/Dörstling Allgem. Vorbem. 2.

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VA 1909 92, 154.

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III. Musterbedingungen für die Großlebensversicherung (ALB) von 1957 25

Die Neufassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Großlebensversicherung im Jahre 1957 beruhte auf eingehenden, jahrelangen Arbeiten, die eine vom Ausschuss für Rechts- und Gesetzesfragen des Verbandes der LebensVU eingesetzte Kommission seit 1951 geleistet hatte. Die von der Kommission erarbeiteten Vorschläge wurden nach einer Stellungnahme des Ausschusses für Rechts- und Gesetzesfragen und nach Billigung des Hauptausschusses des Verbandes der Lebensversicherungsunternehmen mit dem Deutschen Versicherungs-Schutzverband als Vertreter der Versicherungsnehmerseite abgestimmt und zur Grundlage weiterer sehr eingehender Verhandlungen mit dem Bundesaufsichtsamt gemacht. Mit dem Deutschen Versicherungs-Schutzverband ist in allen grundsätzlichen Fragen eine Einigung erzielt worden. Nach Anhörung des Versicherungsbeirates beim Bundesaufsichtsamt fanden die neuen Versicherungsbedingungen als Musterbedingungen für die Großlebensversicherung die Genehmigung des BAV durch eine Beschlusskammerentscheidung vom 13.3.1957.8 Die Neufassung sollte dem Zweck dienen, die bestehenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung, die sich inhaltlich durchaus bewährt hatten, zu kürzen, zu straffen, noch klarer und allgemein verständlicher zu fassen. Auch wenn in der Lebensversicherung zu berücksichtigen ist, dass die durchschnittliche Laufzeit der Versicherungsverträge an die 30 Jahre beträgt, dürfte davon auszugehen sein, dass die Verträge, die auf der Grundlage der ALB a.F. beruhen, nahezu gänzlich abgewickelt worden sind. Das gilt für die seit 1957 eingegangenen Verträge allerdings nicht.

IV. Verbraucherfreundlich formulierte Bedingungswerke seit 1983 26

Nach ihrer Einführung sind die ALB im Laufe der Jahre wiederholt geändert worden, und zwar ganz regelmäßig mit dem Ziel, die Rechtsstellung des VN bzw. des Versicherten zu verbessern und den Bedingungswortlaut eindeutiger und klarer zu gestalten. Wesentliche Änderungen betrafen die Anpassung des Bedingungswerks an das AGBGesetz, die ALB 19819 waren zusammen mit den entsprechenden Bedingungswerken der übrigen Formen der Lebensversicherung Gegenstand der Kommentierung der Vorauflage. Sie sind durch die ab 1983 entstandenen sog. „verbraucherfreundlichen Bedingungswerke“ abgelöst worden, auf die sich die Kommentierung der Vorauflage gleichfalls bezog, und die durch einen übersichtlicheren Aufbau und eine lebensnahe Sprache dem Ziel dienen sollten, eine größere Allgemeinverständlichkeit zu erreichen. Die Entwicklung nahm mit einer Neufassung der ALB in Gestalt der sog. Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung ihren Anfang,10 es folgten sodann die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung,11 die Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung,12 die Allgemeinen Bedingungen für die Risikoversicherung,13 die Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensbildungsversicherung,14 die Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Versicherung15 sowie die Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Ge-

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VerBAV 1957 58. VerBAV 1981 118. VerBAV 1983 271. VerBAV 1984 2.

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VerBAV 1984 6. VerBAV 1984 55. VerBAV 1984 275. VerBAV 1984 383.

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sundheitsprüfung.16 Die neuen Bedingungswerke waren inhaltlich mit den alten Bedingungen ganz grundsätzlich identisch, insbes. sind sie inhaltlich auch nicht verbraucherfreundlicher gestaltet worden: Nur die äußere Form hatte sich geändert. Die neuen Bedingungswerke waren als Alternative zu den Musterbedingungen gedacht, sodass es den Lebensversicherern freigestellt blieb, ob sie die neuartigen Bedingungen einführten. Soweit sie das taten, fanden für den gesamten Neuzugang nur noch die neuen Allgemeinen Bedingungen Anwendung. Die relevanten Regelungen der Lebensversicherungsbedingungen sind damit inhaltlich 27 im Wesentlichen seit den ALB 57 unverändert geblieben, und zwar bis 1994.

V. Abschaffung der Genehmigungspflicht auch für die Lebensversicherungsbedingungen im Jahre 1994 Bis zur Abschaffung der Genehmigungspflicht der Bedingungswerke hatten die Aufsichtsbehörden darauf hingewirkt, dass auch im Lebensversicherungsrecht aus Gründen der Transparenz soweit wie möglich markteinheitliche Bedingungen Verwendung fanden. Durch den Wegfall der Vorabkontrolle zum 28.7.1994 ist dem der Boden entzogen worden.17 Die Aufsichtsbehörde kann den Wegfall der Genehmigungspflicht auch nicht durch eine systematische nachträgliche Kontrolle der Lebensversicherungsbedingungen ersetzen.18 Dass für die bis zum Stichtag 1994 abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge die bis dahin verwandten Versicherungsbedingungen grundsätzlich weiter gelten, ist unstreitig. Insbesondere sind auch die alten Geschäftspläne – und auch das zuvor geltende Aufsichtsrecht in Gestalt der materiellen Staatsaufsicht – unverändert weiterhin maßgebend. Soweit die VR die vor dem 29.7.1994 von der Aufsichtsbehörde genehmigten Bedingungen in der bis zum 31.12.1994 währenden Übergangsphase weiter Verwendung finden ließen, gilt das auch für den sog. Zwischenbestand. Für die Zeit seit Wegfall der Vorabgenehmigung sind die VR frei in der Schaffung und Verwendung der Versicherungsbedingungen, soweit sie nicht gegen zwingendes oder halbzwingendes Recht verstoßen. Der Verband der Lebensversicherungs-Unternehmen – und später der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft – hat jedoch bereits seit Mai 1994 rechtlich unverbindliche neue Musterbedingungen für die wesentlichen Tarife der Mitgliedsunternehmen bereitgestellt.19 Damit wird in der Praxis gleichwohl eine gewisse Einheitlichkeit der Bedingungen auch weiterhin erreicht, zumal die VR, die die Bedingungswerke übernehmen, auch gerne auf bewährte Formulierungen aus den früher weithin identischen Bedingungswerken zurückgreifen. Auch wenn der Kernbereich der Lebensversicherungsbedingungen damit zum größeren Teil inhaltlich identisch ist, in der Ausgestaltung der einzelnen Bedingungswerke finden sich zunehmend Differenzierungen. Seit der Freigabe auch der Lebensversicherungsbedingungen ist es zu Korrekturen der Bedingungswerke durch die Rechtsprechung gekommen, insbes. zum Rückkaufswert und zur Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung.20

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VerBAV 1984 8. Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 21.7.1994, BGBl I 1994 1630. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 647 ff.

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Der aktuelle Stand der Musterbedingungen ist unter www.gdv.de abrufbar. Vgl. unten Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 173 ff.

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VI. Inkrafttreten/Übergangsvorschriften des Versicherungsvertragsrechts 2008 im Bereich der Lebensversicherung 32

Zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsrechts 2008 im Bereich der Lebensversicherung wird auf Bruck/Möller/Beckmann Generaleinführung Rn. 62 ff., insbes. auch 100–103 verwiesen.

C. Übersicht über Formen der Lebensversicherung Schrifttum Benkel/Hirschberg Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung – ALB- und BUZ-Kommentar, 2. Aufl. (2011); Braa Der Geschäftsplan für die Rentenversicherung VerBAV 1979 84; Bruck/Dörstling, Das Recht des Lebensversicherungsvertrages, 2. Aufl. (1933); Büchner/Winter, Grundriß der Individualversicherung, 9. Aufl., (1986); Claus Der Geschäftsplan für die Lebensversicherungen mit planmäßiger Erhöhung des Versicherungsschutzes VerBAV 1974 11; Dickstein Die Merkmale der Lebensversicherung im europäischen Binnenmarkt (1996); Dommermuth Unternehmensfinanzierung durch Tilgungsversicherung (1991); Dus/Maurer Finanzierung des Ruhestandes – Leibrenten und/oder Entnahmepläne: Die Gestaltung der Auszahlungsphase in der kapitalgedeckten Altersversorgung; Eifert Kapital-Lebensversicherungen aus Verbrauchersicht (1997); Eisenecker, Privatversicherungsrecht und Versorgungsausgleich (1983); Fuchs Die fondsgebundene Lebensversicherung – Produktmerkmale sowie eine Gegenüberstellung aller österreichischen Anbieter (2000); Goecke/Will Der Renditewettbewerb in der Lebensversicherung – Marktstudie zur Plausibilität von Beispielrechnungen (2001); Goll/Gilbert/Steinhaus Handbuch der Lebensversicherung, 11. Aufl. (1992); Goretzky/Wallis Besteuerung von Lebensversicherungspolicen: Maß oder Konfektion?, VW 2009 826; Hagelschuer, Lebensversicherung, 3. Aufl. (1987); Hammerschlag/Möbius Innovative Lebensversicherungsprodukte, VW 2009 742; Heidemann Neue Tarife in der Lebensversicherung, VP 1998 45; Kirscht in: Halm/Engelbrecht/Krake Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht (2004) § 21; Kühl Der Einsatz von Lebensversicherungen als Kreditsicherungsmittel in Deutschland und Frankreich (2005); Kurz Die Fondsgebundene Lebensversicherung mit Mindestgarantie – Modelltheoretische Bewertung und Anforderungen an das Asset-Liability-Management (1997); Kurzendörfer Einführung in die Lebensversicherung, 3. Aufl. (2000), Lauth/Präve/Schwark/Wagner Altersvermögensgesetz – Materialien und Erläuterungen zur neuen Förderung (2002); Lührs Lebensversicherung (1997); Magnusson Gruppenversicherung, insbesondere in der Lebensversicherung in: Möller/Winter (Hrsg.) Materialien des Zweiten Weltkongresses für Versicherungsrecht, Bd. V, (1967); Millauer Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl., (1966); Pehm Markt- und Angebotsanalyse von fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen in Österreich (2003); Schalk Die fondsgebundene Lebensversicherung (2009); Scharek/Schumacher/Grischetz Die aktienindexgebundene Lebensversicherung (1999); Schneidler Die Grundlagen einer Fondsgebundenen Lebensversicherung in Deutschland, (1974); Schröder Das 624-DM-Gesetz in der betrieblichen Praxis, (1979); Schulz Restschuldversicherung, (1981); Soergel Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Bd 18, 13. Aufl., (2000); Taubert Modulare und lebensphasenbegleitende Produktgestaltung in der Lebensversicherung – Ein Produktkonzept für Lebensversicherungen in Deutschland (2002); Tietze Zertifizierung von Finanzdienstleistungen für die Altersvorsorge (2002); Traber Neuere Formen der Lebensversicherung (1958); v. Wartburg Lebensversicherung (1974); Winter in: Life Insurance Law in International Perspective (1969); ders. Grenzlinien der Lebensversicherung: „insurable interest“, biometrisches Risiko und Kapitalisierungsgeschäfte VersR 2004 8; Wirth Anforderungen an die steuerliche Behandlung der Alterssicherung aus Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechts – insbes. der Grundfreiheiten des EGV (2004).

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Übersicht Rn. I. Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalversicherung . . . . . . . . . . . 1. Todesfallversicherung . . . . . . . . 2. Erlebensfallversicherung . . . . . . . 3. Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall (gemischte Versicherung) . . 4. Versicherung auf verbundene Leben . 5. Versicherung mit festem Auszahlungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Familienversorgungsversicherung . . 7. Kleinlebensversicherung, Sterbegeldversicherung . . . . . . . . . . . . . 8. Risikoversicherung . . . . . . . . . a) Grundform . . . . . . . . . . . . b) Risikoumtauschversicherung . . . c) Risikoversicherung mit fallender oder variabler Versicherungssumme d) Restschuldversicherung . . . . . . III. Rentenversicherung . . . . . . . . . . . 1. Leibrentenversicherung . . . . . . . a) Leibrentenversicherung mit aufgeschobenen Leibrenten . . . . . . b) Leibrentenversicherung mit Beitragsrückerstattung und/oder Rentengarantie . . . . . . . . . . . . c) Leibrentenversicherung auf verbundene Leben . . . . . . . . . . . . d) Überlebensleibrentenversicherung e) Pensionsversicherung . . . . . . . 2. Zeitrentenversicherung . . . . . . . a) Zeitrentenversicherung auf den Erlebensfall . . . . . . . . . . . . b) Gemischte Zeitrentenversicherung c) Versicherung auf festen Zeitpunkt mit Zeitrenten . . . . . . . . . . d) Überlebenszeitrentenversicherungen . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Formen der Zeitrentenversicherung . . . . . . . . . . . 3. Riester- und Rürup-Renten . . . . . a) Steuerlich geförderte freie Vorsorgeverträge nach dem AltZertG (Riester-Verträge) . . . . . . . . . b) Steuerlich geförderte gebundene Vorsorgeverträge nach § 10 I Nr. 2b EStG (Rürup-Verträge) . . IV. Umgestaltung von Renten- oder Kapitalversicherungen . . . . . . . . . . . . . V. Zweckbestimmte Lebensversicherungen und Sonderformen . . . . . . . . . . . 1. Lebensversicherung mit besonderer Kapitalanlage, insbesondere fondsgebundene Lebensversicherung . . . . a) Grundlegung . . . . . . . . . . . b) Weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten der fondsgebundenen Lebensversicherung . . . . . . . . .

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Rn. c) Aktienindexgebundene Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . d) Fondsgebundene Lebensversicherung mit Mindestgarantie . . . . 2. Dynamische Versicherungsformen und flexible Tarife . . . . . . . . . . . . a) Anpassungsversicherung . . . . . b) Aufstockungsversicherung . . . . c) Dynamische Sonderformen . . . . d) Lebensversicherungen mit variablen Abläufen . . . . . . . . . . . . . e) Risikolebensversicherungen mit Umtauschrecht . . . . . . . . . . 3. Erbschaftssteuerversicherung . . . . 4. Fremdwährungsversicherung . . . . 5. Hypothekentilgungsversicherung . . 6. Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung . . . 7. Befreiungsversicherung . . . . . . . 8. Berufsunfähigkeitsversicherung . . . 9. Berufsunfähigkeitszusatzversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Unfallzusatzversicherung . . . . . . 11. Pflegerentenversicherung . . . . . . 12. Dread-Desease-Versicherung . . . . . 13. Gruppenlebensversicherung/Kollektivlebensversicherung . . . . . . . . . 14. Entgeltumwandlungen i.S.d. § 1a BetrAVG . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weitere Lebensversicherungsformen und Vertragsgestaltungen . . . . . . . . . . VII. Grenzfälle, Ein- und Ausgrenzungen . . 1. Kapitalisierungsgeschäfte . . . . . . 2. Verwaltung von Versorgungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tontinengeschäfte . . . . . . . . . . 4. Versorgung durch Berufsständische Versorgungswerke . . . . . . . . . . 5. Versorgung durch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Leistungen der Kommunalen Versorgungskassen . . . . . . . . . . . . . 7. Versorgung durch die Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost, Leistungen aus der Zusatzversicherung der Bundesbahnversicherungsanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Versorgungsleistungen durch Unterstützungskassen . . . . . . . . . . . 9. Sterbegeldhilfen im Umlagewege bzw. Übernahme von Bestattungskosten durch ein Bestattungsunternehmen . . 10. Leibrente als Rentenversicherung, Sachlebensversicherung, Pauschalentgelte für die Übernahme biometrischer Risiken . . . . . . . . . .

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I. Einteilung 33

Für eine Einteilung der Lebensversicherung in ihre mannigfaltigen Arten bietet sich ein systematisches Vorgehen in mehrfacher Hinsicht an. Hier sei primär auf die Übersichtlichkeit abgestellt, sodass zunächst die Hauptformen der Kapitalversicherung (2), sodann die Hauptarten der Rentenversicherung (3) und schließlich zweckbestimmte Lebensversicherungen und Sonderformen (4) sowie weitere Vertragsgestaltungen (5) und Grenzfälle einschl. Ausgrenzungen (6) aufgezeigt werden. Es wird dabei zunächst grundsätzlich auf die allgemeineren und im Anschluss daran auf die spezielleren Arten der Lebensversicherung hingewiesen. Eine ausführliche Erörterung der wichtigsten Formen findet sich in Zusammenhang mit der Kommentierung der gesetzlichen Vorschriften zur Lebensversicherung.

II. Kapitalversicherung 34

Bei der Kapitalversicherung besteht die Leistung des VR beim Versicherungsfall in der einmaligen Zahlung eines Kapitalbetrages. Der VR errechnet anhand der Rechnungsgrundlagen Sterbetafel, Zinsfuß und Verwaltungskosten, welchen Gesamtbeitrag (laufende Beitragszahlung oder Einmalbeitrag) er zur Zahlung der zugesagten Versicherungssumme für eine bestimmte Person (Alter, Geschlecht) benötigt. Es kann sich dabei um eine kapitalbildende Versicherung oder um eine Risikoversicherung handeln, um eine Todesfalloder Erlebensfallversicherung. Die Kapitalversicherung wird in mannigfachen Formen angeboten, wobei die Einzelformen grundsätzlich auch als dynamische Versicherungsformen – bei denen eine regelmäßige Erhöhung der Prämien und der Versicherungsleistungen vereinbart wird – oder als fondsgebundene Versicherung gewählt werden können. 1. Todesfallversicherung

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In der reinen Todesfallversicherung – langandauernde Lebensversicherung mit oder ohne abgekürzte Beitragszahlung – wird die Versicherungsleistung immer erst beim Tode des Versicherten fällig.21 Diese Versicherungsart dient also ausschließlich dem wirtschaftlichen Schutz der Hinterbliebenen. Der Beitrag besteht entweder aus einer einmaligen größeren Prämie oder – wie es die Regel ist – aus laufenden Zahlungen. Eine Besonderheit liegt in der Vereinbarung einer abgekürzten Beitragszahlung, wonach die Verpflichtung zur Prämienzahlung nicht erst beim Tode des Versicherten, sondern schon dann aufhört, wenn dieser ein bestimmtes Lebensalter, z.B. ein solches von 65 Jahren, erreicht hat. Eine reine Kapitalversicherung auf den Todesfall wird gern auch zu dem besonderen Zweck genommen, für Erbauseinandersetzungen oder die Aufbringung der Erbschaftssteuer vorzusorgen. 2. Erlebensfallversicherung

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In der reinen Erlebensfallversicherung wird die Versicherungsleistung fällig, wenn der Versicherte einen bestimmten, vertraglich vereinbarten Zeitpunkt erlebt. Diese Versicherungsart dient also nicht dem Schutze von Hinterbliebenen, sondern der Altersversorgung des Versicherten selbst. Die Kapitalversicherung auf den Erlebensfall – etwa für 21

BGH 31.10.1990 VersR 1991 89; BGH 3.3.1993 VersR 1993 554; BGH 30.11.1994

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VersR 1995 282; BGH 12.12.2001 VersR 2002 281; BGH 23.10.2003 VersR 2004 93.

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Allgemeines zur Lebensversicherung

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jemanden, der für niemand zu sorgen hat und lediglich für sein Alter vorsorgen will – spielt praktisch kaum eine Rolle. Häufig ist dagegen der Abschluss einer Leibrentenversicherung.22 3. Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall (gemischte Versicherung) Praktisch besonders bedeutsam ist die gemischte Lebensversicherung, die die Elemente 37 der Todes- und der Erlebensfallversicherung in sich vereinigt.23 Sie dient sowohl der Altersversorgung des Versicherten, indem diesem das Kapital z.B. bei Erreichung des 60. oder 65. Lebensjahres ausgezahlt wird, als auch der Versorgung Hinterbliebener, die das volle Kapital schon dann erhalten, wenn der Versicherte bereits vorher, z.B. auch unmittelbar nach der Zahlung der ersten Prämie, stirbt. Der Unterschied zwischen der gemischten Versicherung und der reinen Todesfallversicherung besteht darin, dass zwar in beiden Fällen der Schutz der Hinterbliebenen sofort mit dem Beginne der Versicherung einsetzt, dass aber bei der gemischten Versicherung das Kapital noch dem VN selbst ausgezahlt wird, wenn er das vereinbarte Alter erreicht hat, während bei der reinen Todesfallversicherung das Kapital ausschließlich den Hinterbliebenen zusteht. Im Bereich der Erlebensfallversicherung wird damit im Ergebnis ein Sparvorgang vollzogen, der dem Versicherten bei längerer Lebensdauer selbst zugute kommt. Der von dem VN zu entrichtende Beitrag ist dabei im wirtschaftlichen Ergebnis – entsprechend der Zweigleisigkeit des Risikos – teils ein Risikobeitrag (soweit er sich auf die ungewisse Todesfallleistung bezieht) und teils ein Sparbeitrag (soweit er sich auf die auf jeden Fall zu vollziehende Ausschüttung des angesparten Versicherungskapitals bezieht), die Versicherung wird daher auch als kapitalbildende Lebensversicherung bezeichnet. Auch diese Versicherung wird in mehreren Varianten angeboten, insbes. auch in Kombination mit einer Unfallzusatzversicherung. 4. Versicherung auf verbundene Leben Bei der Versicherung auf verbundene Leben – auch als Ehegatten-, Teilhaberversiche- 38 rung usw. bezeichnet – sind zwei Personen zugleich versichert, und zwar dergestalt, dass die Summe entweder beim Ableben der zuerst versterbenden Person oder nach Ablauf der gewählten Versicherungsdauer gezahlt wird. Es handelt sich somit um eine Sonderform der gemischten Versicherung, bei der die Auszahlung der Versicherungssumme bereits erfolgt, sobald eine der beiden versicherten Personen stirbt. Die Versicherung hat den Sinn, Kapital für den Fall sicherzustellen, dass beide Versicherten den Ablauf erleben, oder, falls ein Versicherter vor Ablauf der Versicherung stirbt, das Kapital dem überlebenden Versicherten zuzuführen. Denn mit dem vorzeitigen Tod z.B. eines Teilhabers können dem Überlebenden häufig Verpflichtungen entstehen, die beim Bestehen einer Versicherung auf verbundene Leben mit ausreichender Versicherungssumme meist ohne Belastung des Betriebes abgedeckt werden können. Der Beitrag ist dabei bis zum Ende des Todesjahres des zuerst sterbenden Versicherten, längstens bis zum Ende der gewählten Versicherungsdauer zu zahlen.24 22 23

OLG Stuttgart 9.6.2004 VersR 2004 1161. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1109; BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127; BGH 18.10. 1989 VersR 1989 1289; BGH 18.,6.2003 VersR 2003 1021; BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565; BGH 15.2.2006 VersR 2006 489; BGH 13.6.2007 VersR 2007 1065;

24

OLG Hamburg 21.6.1988 VersR 1988 389; OLG München 17.2.2009 VersR 2009 770. Beispielsweise LG Berlin 10.6.1958 VersR 1963 569, 570; vgl. auch OLG Köln 4.6.1992 VersR 1992 1337, 1338; OLG Düsseldorf 5.12.2000 NVersZ 2001 156.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

5. Versicherung mit festem Auszahlungstermin

39

Die Besonderheit der Versicherung mit festem Auszahlungszeitpunkt – auch als Termfix- oder Ausbildungsversicherung bezeichnet – besteht darin, dass die Versicherungssumme stets bei Ablauf des festgelegten Zeitpunkts fällig wird, und zwar auch, wenn der Versicherte vorher stirbt.25 Beim Tode des Versicherten endet die Verpflichtung zur Prämienzahlung, wobei die später fällig werdende Versicherungsleistung nicht gekürzt wird. Die Versicherung läuft also bis zu ihrem festgelegten Ablauf beitragsfrei weiter. Ähnlich wie andere Ausbildungsversicherungen wird die Versicherung zugunsten eines Sohnes oder einer Tochter des VN abgeschlossen, die zugleich auch Gefahrsperson sind. Stirbt das begünstigte Kind des VN vor Ablauf der Versicherung, so kann eine andere Person als Bezugsberechtigter eingesetzt werden. Der Zweck der Versicherung ist die Sicherstellung eines Kapitals zu einem bestimmten Zeitpunkt, und zwar unabhängig davon, ob der VN diesen Zeitpunkt erlebt oder nicht.26 Die Aussteuerversicherung – die noch immer angeboten wird – dient zur Bereitstel40 lung der Mittel für die Beschaffung der Aussteuer bzw. die Abdeckung der Kosten einer Heirat der Tochter oder des Sohnes und ist eine Sonderart der üblichen Termfixversicherung.27 Die Versicherungssumme wird fällig bei Heirat der Begünstigten, spätestens zu einem bestimmten Zeitpunkt, meistens bei Vollendung des 25. Lebensjahres der Begünstigten. Beim Tode des VN endet die Pflicht zur Beitragszahlung. Stirbt die Begünstigte vor Fälligkeit des Kapitals, so wird in aller Regel die angesammelte Deckungsrückstellung ausgezahlt.28 6. Familienversorgungsversicherung

41

Die Familienversorgungsversicherung ist eine zusammengelegte Versicherung, und zwar handelt es sich um eine Versicherung mit festem Auszahlungstermin verbunden mit einer Zeitrentenversicherung. Ist die Versicherung über eine bestimmte Summe abgeschlossen, so ist die Versicherungssumme stets fällig, falls der Versicherte den Ablauf der Versicherung erlebt. Stirbt der Versicherte zuvor, so wird ganz regelmäßig ein Teil der Versicherungssumme – 33 %, 50 % oder beispielsweise 10 % – bei seinem Tode fällig, während der Rest – also 67 %, 50 % oder 90 % – beim Ablauf der Versicherung geleistet wird. Darüber hinaus wird vom Zeitpunkt des Todes an bis zum Ablauf der Versicherungsdauer an die Hinterbliebenen eine Rente gezahlt, die in Prozenten der Versicherungssumme bemessen wird. Zu der Familienversorgungsversicherung gibt es eine Reihe von Varianten insbes. im Hinblick auf die Höhe der beim Tode des VN bzw. beim Ablauf der Versicherung fällig werdenden Versicherungsleistung. Die Versicherung verbindet auf diese Weise eine eigene Alterssicherung mit der Versorgung der Familie für den Fall des vorzeitigen Todes des Versicherten. 7. Kleinlebensversicherung, Sterbegeldversicherung

42

Die Kleinlebensversicherung ist eine Lebensversicherung mit geringen Versicherungssummen, im Allgemeinen mit Beträgen zwischen € 2.500 und € 10.000. Die Kleinlebensversicherung bietet die Möglichkeit, den Hinterbliebenen neben der Rente aus der Ge-

25 26

BGH 3.6.1992 RuS 1992 320, 321. Vgl. zu einer Terminfixversicherung BGH 11.2.1953 VersR 1953 106, 109 mit Anm. E. R. Prölss 109 f.

18

27 28

OLG Hamm 1.10.1999 VersR 2000 1219, 1220. Für einen Sonderfall vgl. LG Berlin 18.2.1963 VersR 1963 817.

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setzlichen Rentenversicherung noch einen Betrag zukommen zu lassen, der zur Deckung des beim Todesfall entstehenden Bedarfs mitverwandt werden kann. Eine Sonderform der Kleinlebensversicherung ist die Sterbegeldversicherung, eine einfach gestaltete Kapitalversicherung auf den Todesfall, die ein Sterbegeld zur Deckung der Bestattungskosten gewährt. Im Gegensatz zur Kleinlebensversicherung, die Todesfall- und Erlebensfallversicherung sein kann, ist die Sterbegeldversicherung reine Todesfallversicherung.29 8. Risikoversicherung a) Grundform. Die Risikoversicherung ist eine reine Todesfallversicherung, bei der 43 die Versicherungsleistung nur fällig wird, wenn der Todesfall innerhalb der vertraglich festgelegten Zeit eingetreten ist. Für den Erlebensfall ist keine Zahlung vorgesehen, da eine Kapitalbildung durch Ansparen eben nicht stattgefunden hat. Die Risikolebensversicherung steht damit im Gegensatz zur kapitalbildenden Versicherung. Bei der Risikoversicherung – die oftmals nur auf eine kurze Zeit wie fünf oder zehn Jahre abgeschlossen wird – trägt der VR nur ein zeitlich begrenztes Todesfallrisiko, sie dient zur Deckung eines nur vorübergehenden Schutzbedürfnisses, z.B. um die Abzahlung eines Kredits, wie eines Baudarlehns einer Bausparkasse, für den Fall des Todes des Schuldners während der Laufzeit zu sichern.30 Erlebt der VN den Ablauf der Versicherung, so hat der VR außer der Gefahrtragungsleistung keine weitere Leistung zu erbringen. Da mit der Risikoversicherung ein Sparvorgang nicht verbunden ist, sind auch die Beiträge – erheblich – geringer als bei einer kapitalbildenden Versicherung, sodass sie sich auch für VN anbietet, deren Einkommen zu gering ist, um eine kapitalbildende Versicherung abzuschließen, die ihre Familie aber gleichwohl schützen wollen. Eine solche Risikoversicherung wird als Risikovorversicherung angeboten, die in der Praxis zumeist kurzfristig einer kapitaldeckenden Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall vorgeschaltet wird, um bereits bei Vertragsschluss den vollen Versicherungsschutz für den Todesfall sicherzustellen. Ist diese Risikovorversicherung abgelaufen, so wird sie zumeist automatisch auf die von vornherein vorgesehene Versicherungsart überführt, und zwar ohne nochmalige Gesundheitsprüfung. b) Risikoumtauschversicherung. Bei der Risikoumtauschversicherung erhält der VN 44 im Anschluss an eine echte Risikoversicherung das Recht, ohne nochmalige Prüfung des Gesundheitszustandes des Versicherten die Versicherung in eine normale – kapitalbildende – Lebensversicherung mit gleich hoher oder geringerer Versicherungssumme umzutauschen. Das Recht kann dabei schon während des Laufs der Risikoversicherung ausgeübt werden, der VR schließt jedoch – um eine Gegenauslese zu vermeiden – durchweg das Recht aus, eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gleichfalls in den Umtausch einzubeziehen.

29

Zum Begriff der Sterbegeldversicherung OLG München 6.6.1952 VersR 1952 255; OLG Bremen 24.2.1955 VersR 1956 773 f.; LG Traunstein 17.1.1952 VersR 1952 90; LG Mosbach 19.1.1952 VersR 1952 140 (Anm. Borchert); LG Aschaffenburg 14.2.1952 VersR 1952 139 (Anm. Borchert); LG Bochum 23.9.1952 VerBAV 1952 129 f.; LG Hamburg 11.6.1953 VersR 1953 363.

30

Zur Höchstversicherungssumme bei Sterbekassen BAV NVersZ 2002 11 und zum Höchstbetrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten BAV NVersZ 2001 451 (€ 8.000). BGH 25.6.1964 VersR 1964 1008; BGH 22.1.1997 VersR 1997 1385; BGH 21.2.2001 VersR 2001 489; OLG Köln 22.9.2004 VersR 2005 345, 346; OLG Saarbrücken 21.3.2001 NVersZ 2001 506.

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c) Risikoversicherung mit fallender oder variabler Versicherungssumme. Diese Risikoversicherung kann als Versicherung mit kurz- und mittelfristiger Versicherungsdauer oder als Versicherung mit langfristiger Versicherungsdauer abgeschlossen werden. Der Sinn einer Risikoversicherung mit kurz- oder mittelfristiger Versicherungsdauer, die ganz regelmäßig nur gegen Einmalbeitrag angeboten wird, ist es beispielsweise, bei Kreditgeschäften die im Falle des Todes eines Darlehnsnehmers noch nicht getilgte Schuld abzudecken. Soll sich die Versicherungsdauer auf mehrere Jahre erstrecken, tritt an die Stelle des Einmalbeitrages der laufende Beitrag; diese Form der Risikoversicherung wird z.B. zur Abdeckung einer Hypothekenrestschuld oder in Verbindung mit Ratenspar- und Anlageverträgen abgeschlossen, sodass im Falle des Todes des Versicherten das Darlehn usw. sogleich getilgt werden kann. Die Versicherungsleistung wird bei Formen der Risikoversicherung mit fallender Versicherungssumme entsprechend den jeweiligen Zahlungsmodalitäten jährlich oder monatlich geringer.31 Wird die Versicherung mit variabler Versicherungssumme abgeschlossen, werden die Beiträge nachträglich berechnet.

46

d) Restschuldversicherung. Solche Versicherungen sind zumeist eine spezielle Form der Risikoversicherung mit fallender Versicherungssumme und können bei LebensVU in Kooperation beispielsweise mit einer Bank oder Sparkasse zur Absicherung von kleineren Darlehn abgeschlossen werden. Entsprechend der Darlehnskonstruktion handelt es sich um eine Risikoversicherung mit gleich bleibender, fallender oder veränderlicher Versicherungssumme, der Abschluss erfolgt in der Regel im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages. Steht die Restschuldversicherung in Verbindung mit einem Kredit, sind die Versicherungskosten Bestandteil der Kreditkosten und sind im Kreditvertrag anzugeben (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB). In der Regel ist das Kreditinstitut aus der Versicherung (unwiderruflich) bezugsberechtigt. Restschuldversicherungen werden häufig mit einer Krankentagegeld-, einer ArbeitsunfähigkeitsZusatzversicherung oder auch einer Arbeitslosenversicherung kombiniert.32

III. Rentenversicherung 47

Bei der Rentenversicherung besteht die Leistung des VR darin, dass er von einem festzusetzenden Zeitpunkt ab an den Versicherten jährlich, halbjährlich, vierteljährlich oder monatlich Renten in einer festgesetzten Höhe leistet. Zu unterscheiden sind dabei zwei Grundformen der Rentenversicherung, nämlich die Leibrentenversicherung und die Zeitrentenversicherung. Beide Grundformen kommen in mannigfaltigen Variationen vor, staatlich gefördert sind die Riester-Rente und die Basisrentenversicherung (RürupRente).33

31

32

BGH 25.4.2001 VersR 2001 883. Zum Fall einer Kreditlebensversicherung KG 13.2.1998 VersR 2000 86, 87. Zu einer Restschuldversicherung wegweisend BGH 15.12.2009 VersR 2010 469; vgl. auch BGH 7.12.1978 VersR 1979 345; OLG Celle 31.5.2007 VersR 2007 1641; OLG Dresden 30.6.2005 VersR 2006 61 mit Anm. Knoppmann VersR 2006 495; OLG Frankfurt/M. 6.12.1988 VersR 1989 793; OLG Hamm

20

33

13.8.2008 VersR 2009 1482; OLG Karlsruhe 2.2.2006 VersR 2006 637; OLG München 28.1.1988 VersR 1988 1146; zu einer Hypothekenversicherung vgl. BGH 2.10.1953 VersR 1953 469, BGH 25.6.1964 VersR 1964 1008, vgl. im übrigen Schulz Restschuldversicherung, 1981. OLG Hamm 1.8.2007 VersR 2008 525 (keine Beratungspflicht des VR über Produkte Dritter).

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1. Leibrentenversicherung Bei der Rentenversicherung ist die Leibrentenversicherung stark verbreitet. Die Leib- 48 rentenversicherung ist auf die Lebensdauer des Berechtigten ausgerichtet, wobei im Wesentlichen folgende Unterarten zu unterscheiden sind, die in mehrfacher Weise kombiniert und variiert werden können. Allen Unterarten ist dabei gemeinsam, dass die Leibrentenversicherung eine Lebensversicherung auf den Erlebensfall ist, wobei anders als bei Todesfallversicherungen nicht feststeht, wie hoch letztlich die Gesamtleistung sein wird, die der VR als Rentenzahlungen zu erbringen hat. Der VR errechnet auch hier anhand der Rechnungsgrundlagen Sterbetafel, Zinsfuß und Verwaltungskosten, welchen Gesamtbeitrag (Einmalbeitrag oder laufende Beitragszahlung) er für die Versicherung einer Leibrente in einer bestimmten Höhe für eine bestimmte Person (Alter und Geschlecht) benötigt. Aus den eingenommenen Beiträgen bildet der VR das Deckungskapital, aus dem er 49 später die Renten zahlt. Verstirbt ein Rentner, bevor sein Deckungskapital durch die Rentenzahlung aufgezehrt ist, so fällt es der übrigen Versichertengemeinschaft zu, sofern nicht eine anderweitige Vereinbarung getroffen worden ist.34 a) Leibrentenversicherung mit aufgeschobenen Leibrenten. Mit dieser Form der Leib- 50 rentenversicherung geht der VR die Verpflichtung ein, eine Rente von einem späteren Zeitpunkte ab, z.B. nachdem der Versicherte das 60. oder 65. Lebensjahr vollendet hat, zu leisten. Der VN zahlt dabei entweder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (längstens bis zum Tode des aus der Versicherung begünstigten Versicherten) laufende Beiträge, aus denen das Deckungskapital gebildet wird, oder einen Einmalbeitrag. Stirbt der Versicherte während der Zeit zwischen dem Versicherungsbeginn und dem Beginn der Rentenzahlung (Aufschubzeit), so erlischt die Versicherung ohne jede Leistung des VR, wenn nicht – wie es häufig geschieht – Todesfallleistungen (z.B. eine Beitragsrückerstattung) 35 vereinbart sind. Erlebt der Versicherte den vereinbarten Zeitpunkt, von dem ab die Rentenzahlung erfolgt, so werden an ihn vorschüssige, also am Erlebenstage fällige Renten ausgezahlt, solange der Versicherte lebt.36 b) Leibrentenversicherung mit Beitragsrückerstattung und/oder Rentengarantie. Da 51 bei den Grundformen der Leibrentenversicherung ein frühzeitiger Tod des Versicherten zu einem unerwünschten Kapitalverfall für den VN führen kann, werden diese Versicherungen mit Todesfallleistungen, und zwar mit Beitragsrückgewähr und/oder einer garantierten Rentenlaufzeit (i.d.R. zwischen 60 und 180 Monatsrenten) verbunden.37 Bei Vereinbarung einer Beitragsrückgewähr erbringt der VR beim Tode des Versicherten in der Aufschubzeit an den Berechtigten (Hinterbliebenen oder Bezugsberechtigten) eine Ver-

34

Vgl. Braa VerBAV 1979 84; Eisenecker Privatversicherungsrecht und Versorgungsausgleich, 18–49; Soergel/Winter 13 § 1587a Rn. 29; zum Begriff der Leibrentenversicherung ferner KG 2.12.1950 VersR 1951 41 f. (Anm. Dörstling); OLG Celle 20.6.2003 VersR 2003 1113; OLG Stuttgart 9.6.2004 VersR 2004 1161, 1162, 1163; LG Rottweil 24.6.1992 RuS 1995 197; OLG Stuttgart 28.1.1993 RuS 1995 198 (beide Entscheidungen zum Auszahlungsverbot der Renten-

35 36

37

versicherung während des Versorgungsausgleichsverfahrens). S. sogleich Rn. 51. Soergel/Winter 13 § 1587a Rn. 301; OLG Düsseldorf 15.8.2000 VersR 2001 705, 706; OLG Koblenz 26.5.2000 VersR 2000 1357, 1358; OLG Stuttgart 9.12.2004 VersR 2005 634. BGH 10.1.1996 ZEV 1996 389, 390 = VersR 1996 357, 358; BGH 24.2.1999 NVersZ 1999 365.

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sicherungsleistung in Höhe der vom VN gezahlten Beiträge, wobei die vom VR erzielten Zinsen und Überschüsse berücksichtigt werden können. Darüber hinaus ist eine Beitragsrückgewähr möglich, wenn der Versicherte im Rentenbezugszeitraum stirbt und eine Differenz zwischen den bereits geleisteten Renten und den entrichteten Beiträgen besteht. Rechtlich handelt es sich bei der Vereinbarung einer Beitragsrückgewähr um eine zusätzlich zur Rentenversicherung in Form einer Risikolebensversicherung abgeschlossene Todesfallversicherung, für den Fall einer Beitragsrückgewähr nach Rentenbeginn um eine Risikotodesfallversicherung mit abnehmender Versicherungssumme. Bei der Vereinbarung einer Rentengarantie handelt es sich um die Verbindung einer Zeitrentenversicherung in dem Umfange der garantierten Mindestzahl von Renten mit einer sich anschließenden Leibrentenversicherung. Die garantierte Mindestrente wird i.d.R. für einen Zeitraum vereinbart, den der Versicherte bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Lebenserwartung voll erleben wird, sodass sie insoweit in derselben Weise wie die gewöhnliche Leibrentenversicherung zu behandeln ist.38

52

c) Leibrentenversicherung auf verbundene Leben. Bei einer Leibrentenversicherung auf verbundene Leben hängen die einzelnen Rentenleistungen vom Leben mehrerer Personen (wie z.B. vom Erleben eines bei Vertragsschluss festgesetzten Zeitpunkts durch beide Ehepartner) ab, hinsichtlich einer Rente sind also zwei oder mehrere Personen Versicherte. Die Leibrentenversicherungen auf verbundene Leben kommen in mehreren Variationen vor, von denen folgende genannt seien: Bei den Verbindungsleibrenten sind mehrere Personen, z.B. Ehegatten, hinsichtlich der Leibrente Versicherte, wobei die Zahlung der Leibrente so lange erfolgt, wie die verbundenen Personen sämtlich leben. Eine Verbindungsleibrente mit zweiseitigem Rentenübergang liegt vor, wenn der VR zur Weiterzahlung der Rente an den überlebenden Ehegatten nach dem Tode des Erstversterbenden verpflichtet ist, wobei die Fortzahlung der Rente in unveränderter Höhe oder in geminderter Höhe vorgesehen ist. Bei der Verbindungsleibrente mit einseitigem Rentenübergang wird die Rente nur an einen im Voraus bestimmten Ehegatten weitergezahlt und erlischt, wenn dieser zuerst verstirbt. Verbindungsleibrenten mit einseitigem oder zweiseitigem Rentenübergang sind in die Verbindungsrente und die anschließend zu zahlende Einzelrente aufzuteilen, wobei auch hier von der statistischen durchschnittlichen Lebenserwartung auszugehen ist.39

53

d) Überlebensleibrentenversicherung. Bei einer Überlebensleibrentenversicherung wird nach dem Tode einer bestimmten Person, des Hauptversicherten, eine Leibrente an eine bestimmte überlebende Person, den Nebenversicherten (Begünstigten), gezahlt. Verstirbt der Nebenversicherte vor dem Hauptversicherten, so erlischt die Überlebensrentenversicherung. Anders als bei der Leibrentenversicherung auf verbundene Leben sind Haupt- und Nebenversicherter hinsichtlich unterschiedlicher Risiken versichert. Die Überlebensleibrentenversicherung wird als Todesfallkapitalversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten ausgestaltet, die mit einem durch den Eintritt des Versicherungsfalls in der Todeskapitalversicherung aufschiebend bedingten Leibrentenversicherungsvertrag auf das Leben des durch die Todesfallversicherung Begünstigten verbunden ist. VN kann dabei sowohl der Hauptversicherte als auch der Nebenversicherte sein. Auch die Überlebensleibrentenversicherungen finden sich in mehreren Variationen: Grundform ist die einseitige Überlebensleibrentenversicherung, bei der lediglich ein zuvor bestimmter

38

Soergel/Winter 13 § 1587a Rn. 302; OLG Stuttgart 9.6.2004 VersR 2004 1161.

22

39

Im Einzelnen hierzu Eisenecker 31–34.

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Ehegatte die Leibrente erhalten soll. Bei der zweiseitigen Überlebensleibrentenversicherung sind beide Ehepartner wechselseitig Haupt- und Nebenversicherte. Die Versicherung kann dabei als selbständige Versicherung oder als Zusatzversicherung zu einer Leibrentenversicherung auf das Leben des Hauptversicherten abgeschlossen werden. Häufigste Überlebensleibrentenversicherungen sind die Witwen-, Witwer- und Waisenversicherungen. Witwen- und Witwerrenten werden dabei als lebenslängliche Geldrenten, Waisenrenten als nach dem Lebensalter abgekürzte Renten ausgezahlt. e) Pensionsversicherung. Bei dieser Form einer Leibrentenversicherung handelt es sich 54 um eine umfassende Versicherung, die eine Altersversorgung, eine Berufs- und Erwerbsunfähigkeits- sowie eine Hinterbliebenenversorgung umfassen kann. Ziel der Pensionsversicherung ist zunächst die Gewährleistung einer Altersrente; tritt zuvor eine Berufsund Erwerbsunfähigkeit ein, so kommt eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente und später eine Altersrente zur Auszahlung, noch ausstehende Beiträge zur Altersrentenversicherung werden aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gezahlt. Zu den bei der Pensionsversicherung zudem möglichen Zusatzversicherungen gehören eine Überlebensleibrentenversicherung in Form von Witwen- und Waisenzusatzversicherungen, ferner die Unfalltodversicherung sowie eine Risikorenten- oder -kapitalzusatzversicherung. Die Pensionsversicherung wird auch durch Pensionskassen und damit durch betrieb- 55 liche Einrichtungen betrieben, durch die den Betriebsangehörigen zusätzlich zur Sozialversicherung eine Invaliden-, Alters- sowie Hinterbliebenenversorgung gesichert wird.40 2. Zeitrentenversicherung Bei Zeitrentenversicherungen erbringt der VR für eine zuvor festgesetzte Zeitdauer vom 56 Eintritt des Todes des VN oder von einem vertraglich vereinbarten sonstigen Zeitpunkt an in regelmäßigen Zeitabständen wiederkehrende Leistungen, wobei es anders als bei der Leibrente unerheblich ist, ob der Rentenberechtigte die einzelnen Fälligkeitstage erlebt. Verstirbt der Rentenberechtigte vor Ablauf der festgesetzten Zeitdauer, so erfolgt die Zahlung noch ausstehender Rentenbeträge an einen Bezugsberechtigten oder die Erben. Da die Zeitdauer der Rentenversicherung fest vereinbart ist und spätestens bei Beginn der Rentenauszahlung damit feststeht, wie hoch die Gesamtversicherungsleistung sein wird, ist die Zeitrentenversicherung ihrem Wesen nach der Kapitalversicherung verwandt, wobei der Unterschied in der Form der Leistungserbringung liegt. Anders als die Gesamtauszahlung einer Versicherungssumme in der Kapitalversicherung ist die Erbringung von Rentenleistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts besser geeignet, den Versorgungszweck zu erreichen, weil hier nicht ein zunächst der Altersversorgung gewidmeter Kapitalbetrag aufgrund eines neu gefassten Entschlusses anderweitig ausgegeben werden kann. Im Unterschied zur Leibrentenversicherung ist bei der Zeitrentenversicherung die 57 Leistung eines jeden einzelnen Rentenbetrages nicht ungewiss und damit auch kein Versicherungsfall in Gestalt des Erlebensfalles. Daher können bei der Zeitrentenversicherung die einzelnen Fälligkeitstage der Rentenzahlungen keine Versicherungsfälle sein. In der Rentenversicherung kann nur das Ereignis der Versicherungsfall sein, das die dem Rentenversicherungsvertrage zunächst immanente Ungewissheit beseitigt, also der Tod einer bestimmten Person, der Erlebensfall einer Person oder alternativ beide Ereignisse. Daher

40

Eisenecker 41; Soergel/Winter 13 § 1587a Rn. 305; zu einer Pensionsversicherung auch

LAG Hamm 1.9.1977 DB 1977 1951; BGH 12.3.1964 VersR 1964 497.

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findet sich bei der Zeitrentenversicherung – anders als bei der Leibrentenversicherung – nur ein Versicherungsfall, mit dessen Eintritt für den VR eine nunmehr feststehende Leistungspflicht ausgelöst wird. Die Zeitrentenversicherung ist somit keine Rentenversicherung in dem Sinne, dass der VR hinsichtlich der einzelnen Rentenzahlungen ein Risiko trägt. Eine Rentenversicherung ist die Zeitrentenversicherung nur deshalb, weil auf die Art der Leistungserbringung abgestellt wird, ohne dass damit jeweils ein Versicherungsfall verbunden wäre. Im Einzelnen sind eine ganze Reihe von Formen der Zeitrentenversicherung zu unterscheiden, sie finden sich häufig in Verbindung mit anderen Lebensversicherungsformen und -arten und auch sie können als Anpassungsversicherung oder als fondsgebundene Versicherung abgeschlossen werden.

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a) Zeitrentenversicherung auf den Erlebensfall. Von besonderer Bedeutung ist die Zeitrentenversicherung als reine Erlebensfallversicherung: Dabei wird die Zeitrente fällig, wenn die Gefahrsperson einen vereinbarten Zeitpunkt – beispielsweise das Erreichen des 65. Lebensjahres – erlebt. Eine solche Zeitrentenversicherung wird als sog. Rentengarantie häufig mit Leibrentenversicherungen verbunden. Dabei erfolgt die Auszahlung der Renten – falls die Gefahrsperson den Fälligkeitstag der ersten Rentenzahlung erlebt – unabhängig vom Erleben der einzelnen Rentenzahltage durch die Gefahrsperson, solange die garantierte Rentenlaufzeit vereinbart ist. Die Rentengarantie wird nur bei Frühtod des Versicherten von Bedeutung, bevor der VR die garantierten Renten ausgezahlt hat – die Rentenzahlungen erfolgen sodann an die Erben oder einen Bezugsberechtigten. Rechtlich stellt eine Leibrentenversicherung mit sofortigem Rentenbeginn und einer garantierten Mindestlaufzeit eine aneinander anschließende Folge zweier Lebensversicherungen dar: Verbunden wird eine Zeitrente im Umfang der vereinbarten Rentengarantie mit einer daran sich anschließenden Leibrentenversicherung. Genau genommen handelt es sich dabei um eine doppelt aufgeschobene Leibrentenversicherung, die Aufschubzeiten sind zunächst die Zeit bis zum Beginn der Zeitrente und sodann die Zeit der Auszahlung der garantierten Renten.41

59

b) Gemischte Zeitrentenversicherung. Mit dieser Form der Rentenversicherung – die auch als Staffelpolice bekannt wurde – ist eine gemischte Lebensversicherung gemeint, bei der im Versicherungsfall – Erlebensfall oder vorheriger Tod – statt einer Kapitalsumme eine vereinbarte Zeitrente gezahlt wird. Laufzeit und Höhe der Rente werden bei Vertragsschluss vereinbart, gängige Laufzeiten sind fünf, zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre.42

60

c) Versicherung auf festen Zeitpunkt mit Zeitrenten. Wie bei der Termfixversicherung in Gestalt einer Kapitalversicherung ist hier entweder der Tod der Gefahrsperson oder das Erleben des vertraglich vereinbarten Ablauftages der Versicherung der Versicherungsfall. Kommt es zum Tode des Versicherten, so läuft die Versicherung beitragsfrei bis zu dem zuvor vereinbarten Ablauftag weiter.

61

d) Überlebenszeitrentenversicherungen. Solche Versicherungen finden sich insbes. als Witwen- und Waisenzeitrentenversicherungen, sie stellen sich nahezu ausschließlich als reine Risikotodesfallversicherungen mit Zeitrenten dar. Ein Deckungskapital wird daher grundsätzlich nicht gebildet, wie in der reinen Kapitalrisikoversicherung kann es allerdings auch hier u.U. zu einem Deckungskapital kommen; die Beiträge sind entsprechend 41

Zu allem ausführlich Eisenecker 28 f.

24

42

Eisenecker 53.

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niedrig. Die Versicherung zeichnet sich dadurch aus, dass eine feste begrenzte Versicherungsdauer vereinbart wird, zumeist fünf, zehn oder fünfzehn Jahre. Nur falls während dieser Zeit der Versicherungsfall eintritt, muss der VR leisten. Bei einer Überlebenszeitrentenversicherung ist nur eine Gefahrsperson gegeben und nur ein Versicherungsfall möglich. Die Rentenzahlung an die überlebende Person – beispielsweise einen Ehepartner – beruht nicht auf einer mit der Todesfallversicherung verbundenen Erlebensfallversicherung auf das Leben des Ehepartners, wie es bei einer Überlebensleibrentenversicherung der Fall wäre. Die Überlebenszeitrentenversicherung ist damit versicherungstechnisch allein eine Todesfallversicherung. Die Überlebenszeitrentenversicherung findet sich einmal mit gleich bleibender Ver- 62 sicherungsleistung, die Zeitrente beginnt mit dem Tode der Gefahrsperson zu laufen. Der VR ist während der gesamten Laufzeit des Vertrages zur Leistung der Renten für den gesamten vorgesehenen Zeitraum in gleicher Höhe verpflichtet, unabhängig davon, wann der Versicherungsfall eintritt. Kommt es zum Versicherungsfall am letzten Tage der Laufzeit des Versicherungsvertrages und hat der VR beispielsweise die Zahlung von jährlichen Zeitrenten in Höhe von € 10.000 für einen Zeitraum von zehn Jahren vereinbart, so ist die Leistung in vollem Umfange zu erbringen. Der Versicherung liegt eine Risikotodesfallversicherung mit einer gleich bleibenden Rentenleistung zugrunde. Handelt es sich um eine Überlebenszeitrentenversicherung mit fallender Versicherungs- 63 leistung, so liegt ihr gleichfalls eine Risikotodesfallversicherung zugrunde, bei der sich die Rentenlaufzeit abkürzen kann. Hat der VN eine solche Überlebenszeitrentenversicherung mit zehnjähriger Laufzeit abgeschlossen, so ist der VR beispielsweise zur Zahlung von acht Jahresrenten verpflichtet, wenn die Gefahrsperson kurz vor Ablauf des zweiten Jahres verstirbt. Kommt es zum Ableben der Gefahrsperson dagegen am Ende des neunten Versicherungsjahres, so erhält der Berechtigte lediglich eine einzige Jahresrente. Die Zahl der zu zahlenden Rentenbeträge richtet sich damit nach den bis zum Ende der Versicherungslaufzeit noch nicht abgelaufenen Rentenjahren.43 e) Weitere Formen der Zeitrentenversicherung. Die Familienvorsorgeversicherung ist 64 die Kombination von mehreren Todesfall- bzw. Erlebensfallkapitalversicherungen mit einer Zeitrentenversicherung. So kann beispielsweise eine Erlebensfallkapitalversicherung mit festem Auszahlungstermin mit einer Überlebenszeitrentenversicherung mit fallender Versicherungsleistung, einer Risikotodesfallkapitalversicherung oder einer gemischten Kapitalversicherung in der Gestalt verbunden werden, dass beim Tode der Gefahrsperson vor dem Erlebensfalltage für die Kapitalversicherung die Hinterbliebenen eine Zeitrente beispielsweise von jährlich einem Zehntel der für die Kapitalversicherung mit festem Auszahlungstermin vereinbarten Summe erhalten. Weitere Leistungen erfolgen aus der Risikotodesfall- bzw. gemischten Kapitalversicherung, die Versicherungssumme aus der Termfixversicherung wird an ihrem Ablauftage fällig.44 Bei der Studiengeldversicherung soll die Finanzierung eines Studiums abgesichert wer- 65 den, es handelt sich um eine Versicherung auf einen festen Zeitpunkt mit Zahlung einer Zeitrente ab dem Ablauftage. Darüber hinaus kann eine Beitragsrückgewähr in Verbindung mit einer anderen Ver- 66 sicherung in Form einer Zeitrentenversicherung ausgestaltet sein, wenn beispielsweise bei Tod des Versicherten in der Aufschubzeit einer Leibrentenversicherung eine Beitragsrückgewähr an die Hinterbliebenen in Höhe der von dem VN erbrachten Beiträge erfolgen soll.

43

Eisenecker S. 55 f.

44

Traber S. 82 f.

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3. Riester- und Rürup-Renten

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a) Steuerlich geförderte freie Vorsorgeverträge nach dem AltZertG (Riester-Verträge). Im Jahre 2001 wurden durch das AltVermG das AltZertG und die sog. RiesterFörderung von zertifizierten Verträgen geschaffen. Die Riester-Verträge sollten dazu dienen, eine eigene kapitalgedeckte Altersversorgung einzuführen, mit deren Hilfe der Berechtigte weitere regelmäßige Einkünfte im Alter bis zu seinem Tode erhält. Voraussetzung für die steuerliche Förderung ist die Zertifizierung der Verträge durch die Zertifizierungsstelle der BaFin. Ein derartiger Vorsorgevertrag – hier in Form einer Rentenversicherung – wird grundsätzlich durch einen Sonderausgabenabzug in Gestalt einer Zulage gefördert, die dem VR als Beitrag zu dem Rentenversicherungsvertrag geleistet wird. Die steuerliche Förderung erfolgt in der Ansparphase des Vertrages, die ausgezahlten Renten unterliegen einer vollständigen Besteuerung. Der zulagenberechtigte Personenkreis ist in § 10a EStG geregelt, es handelt sich im Wesentlichen um Rentenversicherungspflichtige.

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b) Steuerlich geförderte gebundene Vorsorgeverträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG (Rürup-Verträge). Da die Riester-Förderung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen wie den Selbstständigen keine Anwendung findet, wurde 2005 durch das AltEinkG die Förderung sog. Basisrenten-Verträge geschaffen. Die gleichfalls kapitalgedeckten RürupVerträge sind somit im Wesentlichen für die Teile der Bevölkerung gedacht, die aus der gesetzlichen Rentenversicherung keine Ansprüche erwerben. Sie ist in der Art und Weise der Förderung und der Besteuerung der Gesetzlichen Rentenversicherung nachgebildet. Die Rürup-Rente soll damit die Gesetzliche Rentenversicherung ersetzen und zudem ergänzen. Anders als bei der klassischen privaten Rentenversicherung findet sich wie bei der Riester-Rente (nur 30 % Kapitalteilauszahlung bei Rentenbeginn) bei der Rürup-Rente kein Kapitalwahlrecht, der angesparte Betrag unterliegt der lebenslangen Verrentung.

IV. Umgestaltung von Renten- oder Kapitalversicherungen 69

Lebensversicherungsverträge können vom VN einseitig umgestaltet werden. Durch Ausübung des Kapitalwahlrechts, durch den Rückkauf der Versicherung unter Abzug eines Stornobetrages und durch eine Abfindung noch ausstehender Rentenzahlungen besteht bei einer Rentenversicherung die Möglichkeit einer Rentenkapitalisierung (Ausnahmen sind lediglich bestimmte staatlich geförderte Rentenversicherungen).45 Bei einer Kapitalversicherung, die mit einem Rentenwahlrecht ausgestattet ist, entsteht bei Ausübung des Rentenwahlrechts eine sog. Umtauschrentenversicherung. Weitere Umgestaltungsmöglichkeiten sind die Beitragsfreistellung in der Rentenversicherung und die Übertragung der Rentenempfangsberechtigung auf Dritte.

V. Zweckbestimmte Lebensversicherungen und Sonderformen 70

Zu den soeben genannten Formen der Lebensversicherung sind eine ganze Reihe von Zusatzformen entwickelt worden, die sich grundsätzlich sowohl auf die Kapitalversiche-

45

LG Köln 18.10.2006 VersR 2007 343.

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rung als auch auf die Rentenversicherung beziehen und nur ausnahmsweise gänzlich oder zumindest primär nur in einer dieser beiden Grundformen betrieben werden. Es seien hier beispielhaft nur die folgenden Formen genannt: 46 1. Lebensversicherung mit besonderer Kapitalanlage, insbesondere fondsgebundene Lebensversicherung a) Grundlegung. Hierbei handelt es sich um kapitalbildende Lebensversicherungen, 71 bei denen die Versicherungsleistung insgesamt oder weithin an die Wertentwicklung von vertraglich festgelegten Finanzinstrumenten, zumeist Fondsanteile, aber auch an andere Indizes gebunden ist.47 Die fondsgebundene Lebensversicherung findet sich nicht nur in der Kapitallebensversicherung, sondern auch in der Rentenversicherung, insbes. auch bei Riester- und Rürup-Renten. Der Risikoschutz ist aus der Sicht der VN eher sekundär und zuweilen nur als Voraussetzung für eine steuerliche Einordnung des Finanzprodukts interessant.48 Bei einer derartigen Versicherung hat der VR die Leistung dem Grundsatze nach nicht in einer fest vereinbarten Höhe zu erbringen, es sei denn, es ist eine Anlage in beispielsweise einem Garantiefonds vorgesehen oder der VR hat eine zusätzliche Mindestleistung zugesagt. Um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können, haben die VR die Beiträge, soweit sie der Vermögensanlage dienen, vollständig mit den vereinbarten Finanzprodukten zu bedecken, die wertmäßigen Veränderungen und die Erträge gehen zu Gunsten oder zu Lasten der VN. Dabei kann der VN die Anlagestrategie beeinflussen, er kann die Investmentfonds aus einem vom VR erstellten Verzeichnis auswählen oder für die Anlage mehrere Fonds usw. vorsehen. Auch während der Laufzeit des Versiche-

46

47

Zur früher bedeutsamen, aber seit 1989 nicht mehr durch Zahlung einer ArbeitnehmerSparzulage geförderten vermögenswirksamen Lebensversicherung vgl. Bruck/ Möller/Winter 8 B 39. Schrifttum: Ahmadi Spezielle Aspekte der Aktiengebundenen Lebensversicherung (1999); Biller Methoden zur Absicherung von Mindestgarantien bei fondsgebundenen Lebensversicherungen, VW 1995 896; Dreher/Schmidt Die Fondsgebundene Lebensversicherung mit begrenztem Risikotransfer als aufsichtspflichtiges Versicherungsgeschäft, WM 2008 377; Goretzki Der Fondswechsel im Rahmen der fondsgebundenen Lebensversicherung: Bestrafung für Marktkenntnis oder Flexibilität? In: Liber discipulorum Gerrit Winter (2002) 83; Hammerschlag/Möbius Innovative Lebensversicherungsprodukte, VW 2009 742; Hipp Aktiengebundene Lebensversicherung mit garantierter Verzinsung, ZVersWiss 1996 195; Huber Investment guarantees in unit-linked life insurance from the customer perspective, ZVersWiss 2010 627; Kurz Die Fondsgebundene Lebensversicherung mit Mindestgarantie (1997); Puschmann Invest-

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mentfonds im Versicherungsbetrieb (1999); Ras Wenn Fondskosten bei Beispielsrechnungen unberücksichtigt bleiben, VW 2008 395; Schalk Die Fondsgebundene Lebensversicherung (2009). Z.B. mit Blick auf die Abgeltungssteuer. Für ab dem 1.4.2009 abgeschlossene Lebensversicherungen entfallen die Vergünstigungen bei einem zu geringem Hinterbliebenenschutz. Wenn bis dahin VN Lebensversicherungen mit einem minimalen Versicherungsschutz abschließen konnten und im Alter lediglich die Hälfte der Erträge mit dem individuellen Steuersatz zu versteuern hatten, sind die Lebensversicherungen nunmehr nur noch dann steuerbegünstigt, wenn sie einen ausreichenden Risikoschutz enthalten, der bei Policen mit laufender Beitragszahlung zumindest 50 % der Beitragssumme über die gesamte Laufzeit betragen muss (BTDrucks. 16/11 108 S. 19 f.; Goverts VW 2009 1760, 1761). Vgl. zur fondsgebundenen Rentenversicherung BGH 26.9.2007 VersR 2008 381; LG Hamburg 20.11.2009 VersR 2010 329. Vgl. auch OLG Nürnberg 22.9.2003 VersR 2004 182 zu Transparenzanforderungen bei der fondsgebundenen Lebensversicherung.

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rungsvertrages kann der VN die Auswahl des Fonds ändern, das bislang entstandene Fondsguthaben kann auf andere Fonds übertragen werden oder es können allein für die künftigen Neuanlagen andere Fonds bestimmt werden. Als Lebensversicherung mit besonderer Kapitalanlage sind insbesondere in den USA und in Großbritannien Modelle entwickelt worden, bei denen derivative Finanzinstrumente eingesetzt werden (z.B. bei Variable Annuities)49, oder zum Beispiel kreditfinanzierte anteilsgebundene Lebensversicherungsverträge, bei denen der VN gegen Zahlung eines Einmalbeitrages Anteile an einem „Pool mit garantiertem Wertzuwachs“ erwirbt. Die Zahlung der Zinsen des Bankdarlehens (für den Einmalbeitrag) wird durch vertraglich vereinbarte regelmäßige Auszahlungen aus der Lebensversicherung ermöglicht, es wird ein Investmentfonds als Kapitalstock gebildet, der bei Fälligkeit des Darlehens Verwendung finden soll und aus dem im Anschluss daran eine fortlaufende Rente oder ein Kapitalbetrag finanziert werden soll.50 Soweit eine derartige Konstruktion nicht als fondsgebundene Rentenversicherung oder gemischte Lebensversicherung verstanden werden kann, weil der VR kein ausreichendes biometrisches Risiko übernimmt, kann es sich um ein Kapitalisierungsgeschäft handeln, das vom LebensVU ebenfalls betrieben werden kann.51 Technisch kann die fondsgebundene Lebensversicherung in zwei Grundformen betrieben werden: Bei dem in Deutschland gebräuchlichen Modell handelt es sich um eine Kapitalver72 sicherung mit einem gleich bleibenden Euro-Beitrag und einem nominell in Euro garantierten Versicherungsschutz im Todesfall mit unmittelbarer Beteiligung an der Wertentwicklung des Fonds. D.h., dass bei Ablauf der Versicherung die Summe der Sparanteile zusammen mit den auf sie entfallenden Erträgen (Ausschüttungen des Fonds usw. aus Dividenden und Zinsen) in Fondsanteilen fällig wird. Die Erlebensfallleistung steht also nicht von vornherein fest, da wegen der Veränderlichkeit der Kurse zunächst unbestimmt ist, wie viel Anteile an den Wertpapieren für den jeweiligen in Euro zur Verfügung stehenden Sparbeitrag erworben werden können. Im Todesfalle wird zunächst das in Investmentanteilen angesammelte Deckungskapital fällig, zusätzlich erbringt der VR eine aus den Risikobeitragsteilen finanzierte Risikosumme in bei Vertragsschluss vereinbarter Höhe. Die Risikosumme ist damit die Differenz zwischen einer in Euro vereinbarten Todesfallsumme und dem Wert der Deckungsrückstellung, sofern diese Differenz positiv ist. Übersteigt jedoch der Wert der Deckungsrückstellung die Todesfallsumme, so wird dieser Wert geschuldet. Neben dieser Ausgestaltung der Risikosumme sind weitere Gestaltungsmöglichkeiten gegeben. Bei dem alternativen Modell, das kaum auf Anklang gestoßen ist, lauten die Versiche73 rungssumme und die Beiträge auf Investmentanteile eines bestimmten Fonds. Die Leistungen des VN und des VR werden in vorher bestimmter Höhe in Investmentanteilen erbracht. Das bedeutet, dass der VR die Beiträge in einer bestimmten gleich bleibenden Anzahl von Anteilen erbringt. Auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages, den der VN mit dem VR abschließt, schafft der VR die als Beiträge erforderlichen Anteile für Rechnung des VN an, der VN hat dem VR den entsprechenden Gegenwert in Euro zu erstatten. Da der Euro-Gegenwert der Beiträge vom jeweiligen Kurs der Anteile

49 50

Vgl. Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 112 ff. Vgl. z.B. BGH 11.7.2012 VersR 2012 1237, 1238 ff („Wealthmaster Nobel“); angesichts der Komplexität einer solchen Versicherungskonstruktion bedarf es einer besonders sorgfältigen Information und Beratung des VN, OLG Stuttgart 17.11.2011 VersR 2012 890,

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51

891; grundsätzlich kann die vereinbarte Auszahlung nach Ablauf der Vertragslaufzeit nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung herabgesetzt werden, OLG Stuttgart 10.11.2011 VersR 2012 747, 749. Einf. Rn. 109.

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abhängig ist, sind die Beiträge des VN variabel, bei steigenden Kursen hat der VN beispielsweise höhere Beiträge in Euro aufzubringen, bei fallenden Kursen verhält es sich umgekehrt. Auch die Versicherungsleistung des VR wird in Investmentanteilen erbracht, die der VN an den Fonds veräußern oder auch als Kapitalanlage behalten kann. Wird eine fondsgebundene Lebensversicherung auf Basis des Alternativmodells betrieben, so muss der VN von einem ungünstigeren Durchschnittspreis ausgehen als bei dem in Deutschland gebräuchlichen Modell: Dort erwirbt der VN bei laufender Beitragszahlung in fester Höhe in Relation zum Ausgabepreis bei steigenden Kursen weniger, bei niedrigen Kursen mehr Fondsanteile. Im Vergleich zu einer Anlage, die auf den Erwerb einer stets gleich bleibenden Anzahl von Fondsanteilen mit unterschiedlichen Ausgabepreisen ausgerichtet ist, wird damit der Erwerb zu vieler Anteile bei erhöhten Preisen vermieden. Vor diesem Hintergrund konnte sich das Alternativmodell in Deutschland nicht durchsetzen.52 b) Weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten der fondsgebundenen Lebensversicherung. Häufig findet sich in den Verträgen eine Verlängerungsoption, sodass der Versicherungsvertrag beispielsweise um fünf Jahre verlängert wird. Da ein festes Vertragsende mit der Notwendigkeit verbunden sein kann, die Fondsanteile zu einem niedrigen Kurs zu verkaufen, kann der VN darauf hoffen, bei einer Fortführung des Vertrages bei höheren Kursen zu einem besseren wirtschaftlichen Ergebnis zu gelangen. Dem Versicherungsvertrag können dynamische Anlagestrategien in der Weise zugrunde gelegt werden, dass zunächst risikoreicher investiert wird, bei Näherrücken des Ablauftermins jedoch in risikoärmere Anlagen übergangen wird. Der VN kann mit dem VR vereinbaren, dass die Fondsanteile nach Vertragsbeendigung auf ein eigenes Depot übertragen werden, es also zu einer Naturalleistung kommt. Er kann sich das Recht vorbehalten, sich jederzeit Teilbeträge aus dem Fonds auszahlen zu lassen und Sonderzahlungen zu leisten. Die einzelnen Ausgestaltungsmöglichkeiten – von denen hier nur einige genannt worden sind – führen dazu, dass mit der fondsgebundenen Lebensversicherung flexibel auf die Kundenbedürfnisse reagiert werden kann. Die Versicherung ist für VN mit am Kapitalmarkt orientierten Renditeerwartungen geschaffen worden, die angesichts ihrer Risikopräferenzen auf eine garantierte und in einer nominalen Höhe festgelegte Ablaufleistung verzichten, sich dabei aber zugleich Eingriffsmöglichkeiten vorbehalten wollen.

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75 76

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c) Aktienindexgebundene Lebensversicherung. Diese Form der Lebensversicherung 78 ist gleichfalls ein kapitalmarktabhängiges Finanzprodukt. Anders als bei einem Aktienfonds, der sich nur auf bestimmte Aktien bezieht, wird der VN an Kursveränderungen einzelner Aktien bei einer aktienindexgebundenen Lebensversicherung nicht voll beteiligt, sondern nur insoweit, wie die Aktienverluste oder -gewinne im Index zum Ausdruck gelangen. Mit der indexgebundenen Lebensversicherung ist daher eine größere Sicherheit

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Zur fondsgebundenen Lebensversicherung, die bei einer ungünstigen Entwicklung des Anlagemarktes gegenüber der konventionellen Lebensversicherung in ihrer Bedeutung zurücktritt vgl. Schneidler Die Grundlagen einer Fondsgebundenen Lebensversicherung in Deutschland (1974) sowie Kurz Die Fondsgebundene Lebensversicherung mit

Mindestgarantie – Modelltheoretische Bewertung und Anforderungen an das Asset-Liability-Management (1997) und Schalk Die fondsgebundene Lebensversicherung (2009). Aus der Rspr. vgl. BGH 26.9.2007 VersR 2008 381; LG Hamburg 20.11.2009 VersR 2010 329.

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verbunden. Die Todesfallleistung des VR ist vom Kapitalbildungsprozess stärker abgekoppelt als bei der fondsgebundenen Lebensversicherung, die konstante Todesfallsumme kann entweder als ein absoluter Währungsbetrag oder im Verhältnis zur Summe der zu zahlenden Beiträge festgesetzt werden. Gem. § 54b Abs. 2 VAG ist für jede Anlageart ein Anlagestock zu bilden, die Bestände 79 der Anlagestöcke sind in Anteilen anzulegen, die den Bezugswert darstellen, oder in Vermögenswerten, die denjenigen Werten entsprechen, auf denen der besondere Bezugswert wie der Aktienindex beruht und die ausreichend sicher und veräußerbar sind – gemeint ist damit eine Nachbildung durch den Erwerb von Optionen.

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d) Fondsgebundene Lebensversicherung mit Mindestgarantie. Zunehmend werden Formen der fondsgebundenen Lebensversicherung usw. mit Mindestgarantie, insbes. einer Beitragsgarantie angeboten. Damit wird auf der Leistungsstruktur der fondsgebundenen Lebensversicherung sowie der Kapitalversicherung aufgebaut und das gemischte Lebensversicherungsprodukt im Todes- und im Erlebensfall bietet einerseits eine kapitalmarktorientierte Vermögensanlage im Sinne einer direkten Fondsbindung der Prämien und andererseits eine garantierte Mindestversicherungssumme, die unabhängig von der Entwicklung des Fonds im Versicherungsfall geleistet wird. Im Einzelnen werden derartige Hybridprodukte in drei Grundformen angeboten: Bei der herkömmlichen Form wird durch den VR ein Teil des Beitrages durch den VR konservativ im Sinne einer kapitalbildenden Lebensversicherung angelegt und der übrige Teil in Investmentfonds investiert. Dabei soll aus dem gebundenen Vermögen mindestens ein bestimmter Betrag (häufig die Summe der geleisteten Prämien abzüglich der Prämienanteile für Risikozusatzversicherungen) bei Ablauf der Versicherung bzw. – in der Rentenversicherung – bei Rentenbeginn zur Verfügung stehen. Bei der dynamischen Hybridversicherung besteht die Garantie in der Kombination eines gesonderten konventionellen Deckungsstocks mit anderen Anlageformen wie einem Garantiefonds. Schließlich werden auch Versicherungsformen angeboten, bei denen die vereinbarte Garantie bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit Hilfe einer Hedging-Strategie realisiert werden soll. Insgesamt wird versucht, bei diesen Formen der Versicherung mit besonderer Kapitalanlage eine vergleichbare – bei gleichwohl hoher Rendite – Verlässlichkeit wie bei der konventionellen Lebensversicherung zu gewährleisten. Das gilt insbes. auch vor dem Hintergrund, dass fondsgebundene Versicherungen eher in Sachwerte investieren können als herkömmliche Lebensversicherungen, die sich bei der Anlage weithin auf festverzinsliche Wertpapiere beschränken.53 2. Dynamische Versicherungsformen und flexible Tarife

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Eine erhebliche Bedeutung haben die in Zeiten stärkerer Inflation entwickelten dynamischen Tarifformen erlangt. Mit diesen Vertragsformen, die in vielfacher Ausgestaltung entwickelt worden sind und bei denen als Grundprinzip eine regelmäßige Erhöhung der Prämien und der Versicherungsleistungen vereinbart ist, wird nicht nur die Kaufkraft der ursprünglich angesetzten Versicherungssumme erhalten, sondern auch von vornherein sichergestellt, dass der Versicherungsschutz und der Anspruch auf Altersversorgung mit

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Kurz Die Fondsgebundene Lebensversicherung mit Mindestgarantie – Modelltheoretische Bewertung und Anforderungen an das Asset-Liability-Management (1997);

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Bergmann Die aktienindexgebundene Lebensversicherung mit garantierter Versicherungssumme, Diplomarbeit Karlsruhe (1996).

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dem persönlichen Einkommen des VN wachsen. Zur laufenden Erhöhung des Versicherungsschutzes bedarf es bei diesen Tarifformen keiner erneuten Gesundheitsprüfung des Versicherten, die steuerlichen Restriktionen spielten früher eine größere Rolle als in der Gegenwart. Die wichtigsten Tarifformen, die teilweise mit einem Widerspruchsrecht des VN ausgestattet werden, sind hierbei: a) Anpassungsversicherung. Bei der Wachstums- oder Anpassungsversicherung kön- 82 nen – und zwar sowohl bei der Kapital- als auch bei der Rentenversicherung – die Beiträge und Versicherungsleistungen laufend den sich ändernden wirtschaftlichen Verhältnissen und Versicherungsbedürfnissen angepasst werden. Der VN ist zur Anpassung berechtigt, aber nicht verpflichtet. Zumeist wurde die Anpassung früher in der Weise durchgeführt, dass der zu zahlende Beitrag in demselben Verhältnis erhöht wird, wie sich der Höchstbeitrag für die gesetzliche Rentenversicherung erhöht. Eine andere – oftmals wahlweise angebotene – Form der Anpassungsversicherung sieht eine jährliche Beitragssteigerung in Höhe eines festen Prozentsatzes – häufig in Höhe von 5 % – vor, aus Risikogründen jedoch nicht mehr als 10 %. Darüber hinaus kann eine Anpassung in Anlehnung an die Einkommensentwicklung des VN, an einen Preis- oder Gehaltsindex, an den Lebenshaltungskosten-, den Produktionskostenindex einzelner Branchen usw. vereinbart werden. b) Aufstockungsversicherung. Bei der Aufstockungsversicherung (andere Bezeichnun- 83 gen: Aufbau-, Wandel-, Fortschrittsversicherung) hat der VN die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen Zuzahlungen zu dem Einmalbeitrag bzw. den laufenden Beiträgen zu leisten und die Versicherungssumme bzw. die Versicherungsrente entsprechend aufzustocken. Die Zuzahlung wird jeweils wie ein Einmalbeitrag behandelt; die Versicherung wird insbesondere von VN gewählt, deren Einkünfte nicht regelmäßig sind. Eine Nachversicherungsgarantie knüpft zuweilen auch an einen Immobilienerwerb, die Kürzung oder den Wegfall der betrieblichen Altersversorgung, an die Geburt eines Kindes usw. an. c) Dynamische Sonderformen. Daneben gibt es eine Reihe von Sonderformen, mit 84 denen Versicherungsbeiträge und -leistungen unmittelbar und mittelbar dynamisiert werden. Bei allem ist zu berücksichtigen, dass eine Dynamisierung der Versicherungsleistungen nicht nur durch eine graduelle Prämienheraufsetzung erfolgen kann, sondern schon seit jeher durch das Bemühen der VR um eine entsprechende Wertentwicklung der Anlagen und eine umfassende Beteiligung der VN an den erzielten Überschüssen in die Praxis umgesetzt wurde. Vor diesem Hintergrund haben sich auch Formen einer mittelbaren Dynamisierung herausgebildet, ohne dass auf eine Dynamisierung der Beiträge zurückzugreifen war. Eine mittelbare Dynamisierung findet sich dabei beispielsweise auch in einer Versicherungsform wie der Rentenversicherung mit unbestimmter Verfallszeit, bei der der Rentenbeginn nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festgesetzt ist, der Versicherte ihn vielmehr während der Aufschubzeit innerhalb bestimmter Grenzen benennen und damit mittelbar auch auf die Höhe der Rente Einfluss nehmen kann. d) Lebensversicherungen mit variablen Abläufen. Nachdem das Rentenreformgesetz 85 1972 die Möglichkeit eines flexiblen Übergangs in den Ruhestand geschaffen hatte, vergrößerte sich der Bedarf an Lebensversicherungen mit variablen Abläufen. Nach der sog. Abrufklausel kann der VN den Vertrag ohne Kürzung an den Schlussüberschussanteilen insgesamt oder partiell abrufen, die Beitragszahlung endet häufig mit dem Beginn der Abrufphase. Ist eine Verlängerungsoption vereinbart, hat der VN die Möglichkeit, den Lebensversicherungsvertrag – innerhalb einer beispielsweise fünfjährigen Zeitspanne –

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um jeweils ein Jahr ohne erneute Gesundheitsprüfung verlängern zu lassen (Verfügungsphase), die Verlängerung wird dabei als Einmalprämienzahlung mit anschließender jeweils einjähriger Verlängerung berechnet. Lebensversicherungsverträge mit Verlängerungsoptionen können sowohl Erlebensfallversicherungen als auch gemischte Versicherungen sein, die der Altersvorsorge dienen.

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e) Risikolebensversicherungen mit Umtauschrecht. Grundsätzlich können Risikoversicherungen mit konstanter – zuweilen auch mit fallender – Versicherungssumme spätestens zum Ende des zehnten Versicherungsjahres ohne erneute Gesundheitsprüfung bis zur Höhe des vereinbarten Todesfallschutzes in eine kapitalbildende Lebensversicherung umgetauscht werden. Dabei findet sich auch die Möglichkeit, bis zum 60. Lebensjahr der Gefahrsperson die bisherige Risikoversicherung in eine neue Risikoversicherung umzutauschen. Darüber hinaus sind weitere Umtauschmodalitäten – also ohne erneute Gesundheitsprüfung – in Anknüpfung an eine Unfall-Zusatzversicherung, an eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, an eine selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung und Kombinationen beispielsweise mit einer Pflegeversicherung möglich. 3. Erbschaftssteuerversicherung

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Die Bedeutung der Erbschaftssteuerversicherung gerade für mittelständische und kleinere Personalgesellschaften liegt auf der Hand. Um seine künftigen Erben vor finanziellen Nachteilen zu bewahren, die aus der Belastung mit der Erbschaftssteuer entstehen können, konnte der Erblasser bis zur Neufassung des Erbschaftssteuer- und Schenkungsgesetzes vom 17.4.197454 gem. § 19 ErbschaftssteuerG a.F. eine Erbschaftssteuerversicherung mit der Folge einer steuerlichen Vergünstigung abschließen. Der Lebensversicherungsvertrag war dabei so zu gestalten, dass die Versicherungssumme zur Bezahlung der Erbschaftssteuer verwendet wurde und nach dem Tode des VN an die zuständige Finanzbehörde zu entrichten war. Wurde die Versicherungsleistung schon vor dem Tode des Erblassers und VN fällig, musste sie bis zum Tode des VN beim VR verbleiben und war erst sodann abzuführen. Soweit die Versicherungssumme zur Tilgung der Erbschaftssteuer diente, blieb sie bei der Errechnung der Erbschaftssteuer außer Ansatz, die Versicherungssumme war insoweit erbschaftssteuerfrei. Lediglich der überschüssige Betrag, der dem sonst aus der Versicherung Berechtigten zufloss, unterlag der Erbschaftssteuer. Die steuerliche Vergünstigung trat andererseits auch ein, wenn die Versicherungssumme nicht voll zur Abdeckung der Erbschaftssteuer ausreichte. Eine Sonderform der Erbschaftssteuerversicherung war die gemischte Erbschaftssteuerversicherung auf verbundene Leben, die gewählt wurde, wenn es sich – Beispiel: Berliner Testament – um zwei Leben handelte und die Versicherung zur Bereitstellung der Erbschaftssteuer beim Tode des zuletzt versterbenden Versicherten dienen sollte. Die Versicherungsleistung wurde hier beim zweiten Tode, also beim Tode des zuletzt sterbenden Versicherten erbracht.55 Derartige Erbschaftssteuerversicherungen können heute mit steuersparender Wirkung nicht mehr abgeschlossen werden. Ohne eine solche steuerliche Vergünstigung kann die Erbschaftssteuerversicherung jedoch auch weiterhin vereinbart werden. In der Praxis findet sie auch Verwendung, um beispielsweise die Pflichtteilsansprüche gesetzlicher Erben zu erfüllen.

54 55

BGBl I 1974 933. Zur Frage der Bezugsberechtigung bei einer

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Erbschaftssteuerversicherung vgl. BGH 24.3.1982 VersR 1982 665, 666.

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4. Fremdwährungsversicherung Eine Fremdwährungsversicherung ist ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag, 88 der zwischen einem in Deutschland ansässigen VN und einem in Deutschland domizilierenden VR auf eine ausländische Währung – wie beispielsweise den Schweizer Franken oder den US-Dollar – abgeschlossen wird. Die beiderseitigen Leistungen sind also in einer fremden Währung in Deutschland zu erbringen. Eine solche Fremdwährungsversicherung ist seit 1959 in Deutschland wieder zulässig.56 Der Grundsatz des § 244 BGB, wonach eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld, die im Inland zu zahlen ist, auch in Inlandswährung beglichen werden kann, wird im Versicherungsvertrag ausgeschlossen. Bis auf jederzeitigen Widerruf des VR können die Beitragszahlungen jedoch in Euro entrichtet werden. Dabei wird der in der ausländischen Währung geschuldete Beitrag nach dem Kurswert umgerechnet, der zur Zeit der Zahlung für den Zahlungsort maßgebend ist. Für jede Fremdwährung hat der VR eine selbstständige Abteilung des Deckungsstocks zu bilden, die Bestände des Deckungsstocks sind in auf die fremde Währung lautenden Vermögenswerten anzulegen. Die Gewinnbeteiligung kann bei ausländischen Währungen geringer oder höher sein als bei Versicherungen in Euro, wenn das Zinsniveau des Staates, in dessen Währung die Versicherung abgeschlossen ist, niedriger oder höher ist als das deutsche Zinsniveau. Von dieser Fremdwährungsversicherung ist eine Fremdwährungsversicherung zu 89 unterscheiden, die zwischen einem inländischen VN und einem ausländischen VR abgeschlossen wird. In diesem Falle ist beispielsweise die Versicherungssumme nicht in Deutschland, sondern im Auslande auszuzahlen. Es handelt sich nicht nur um eine Fremdwährungsversicherung, sondern darüber hinaus um die Verlegung der VRleistung in das Ausland. 5. Hypothekentilgungsversicherung Der VN als Hypothekenschuldner schließt bei dem VR, der zugleich sein Hypo- 90 thekengläubiger ist, eine Lebensversicherung in Höhe des Gesamtbetrages oder eines Teilbetrages der Hypothek ab, wobei die Versicherungssumme in Teilbeträgen auszuzahlen ist. Es wird dabei in bestimmten zeitlichen Abständen ein festgesetzter Prozentsatz der Versicherungssumme fällig, sofern der VN den jeweiligen Zeitablauf erlebt. Mit diesen jeweils fälligen Beträgen wird die Hypothek bis zum Ablaufe der Versicherung getilgt. Stirbt der VN während der Versicherung, so wird die gesamte Versicherungssumme sofort fällig und kann zur sofortigen Tilgung der Hypothekenrestschuld verwandt werden. Ein darüber hinaus durch die Lebensversicherung entstandenes Kapital wird an die Hinterbliebenen ausgezahlt. Nicht erfasst durch die Versicherung sind die Hypothekenzinsen, die von dem VN neben den Versicherungsbeiträgen zu zahlen sind, deren Betrag sich jedoch mindert, wenn Teile der Hypothek durch die Auszahlungen getilgt werden.57 Die Hypothekentilgungsversicherung in dieser Form ist von Interesse, wenn das 91 jeweilige Steuersystem eine solche Konstruktion begünstigt. Bei der Einschränkung oder Beseitigung der steuerlichen Voraussetzungen mindern sich die Vorteile einer solchen Konstruktion.

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Genehmigung der Deutschen Bundesbank 92/59 – Mitteilung der Deutschen Bundesbank Nr. 1009/61 – BAnz Nr. 167/61. Zu einer Hypothekentilgungsversicherung

vgl. LG Würzburg 15.3.1950 MDR 1951 426 (Anm. Lange); LG Hamburg 23.1.2006 VersR 2006 1103 (Grenzen der Aufklärungspflicht des VR).

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Versicherungen mit Teilauszahlungen werden jedoch nicht nur mit der Absicht einer Hypothekentilgung, sondern beispielsweise auch als Treueprämienversicherungen für Arbeitnehmer abgeschlossen. 6. Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung

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Ein Grundfall der betrieblichen Altersversorgung durch einen Versicherungsvertrag ist die sog. Direktversicherung i.S.v. § 1 Abs. 2 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Nach der sich dort befindlichen Legaldefinition handelt es sich um eine vom Arbeitgeber auf das Leben des Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung, für die der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Durch diese versicherungsvertragsrechtliche Konstruktion werden dem Arbeitgeber als VN sämtliche vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten belassen, das Schicksal der Versorgung des Arbeitnehmers ist grundsätzlich vom Willen des Arbeitgebers abhängig. Dem Arbeitgeber ist es möglich, das Bezugsrecht zunächst jederzeit zu widerrufen. § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG verpflichtet den Arbeitgeber ab Eintritt der Unverfallbarkeit arbeitsrechtlich, das Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen.58 7. Befreiungsversicherung

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Der Abschluss einer befreienden Lebensversicherung ermöglichte es z.B. demjenigen, der in den Jahren 1957, 1965 oder 1968 wegen Erhöhung bzw. Aufhebung der Pflichtgrenze in der Angestelltenversicherung rentenversicherungspflichtig wurde, die Befreiung von seiner Versicherungspflicht zu erlangen. Voraussetzung war, dass der Abschluss der Befreiungsversicherung innerhalb einer bestimmten Frist in der vorgeschriebenen Form vorgenommen wurde; die Versicherung musste als gemischte Lebensversicherung auf das Endalter 65 oder ein niedrigeres Endalter zu eigenen Gunsten oder zugunsten der Hinterbliebenen genommen sein, für die Befreiungsversicherung musste an Beiträgen ebensoviel aufgewandt werden wie an Beiträgen zur Angestelltenversicherung zu zahlen gewesen wäre59. 8. Berufsunfähigkeitsversicherung

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Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine in §§ 172–177 VVG ausdrücklich geregelte Personenversicherung, die sich als Zweig der Lebensversicherung nach den Vorschriften über die Lebensversicherung richtet, soweit die Besonderheiten der Berufsunfähigkeitsversicherung dem nicht entgegenstehen, § 176 VVG. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung trägt der VR die Gefahr, dass der Versicherte vorzeitig berufsunfähig wird. Der Versicherungsfall ist gegeben, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Erfahrung und seiner Ausbildung ausgeübt

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Vgl. dazu BGH 15.1.1992 VersR 1992 558; BGH 18.7.2002 NVersZ 2002 495; OLG Hamburg 27.8.2002 VersR 2003 630; OLG Koblenz 24.4.2006 VersR 2007 1068; LAG Hamm 29.1.1980 VerBAV 1980 184, 198 (Anm. Abt). Zu Befreiungsversicherungen vgl. BGH

34

24.9.1959 VersR 1959 845; BSG 8.4.1960 BSGE 12 88, 89 f.; BSG 20.6.1962 BB 1962 1124; BSG 13.8.1965 VerBAV 1965 223; BSG 1.7.1966 VersR 1966 953; BSG 28.1.1970 VersR 1970 346; BSG 17.4.1970 DB 1970 1448; SG Nürnberg 27.5.1964 VersR 1965 708, 710.

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werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Der Versicherungsschutz kann dabei nur solange bestehen, wie der Versicherte seinen Beruf normalerweise ausübt. Die Versicherung wird daher geschäftsplanmäßig nur bis zum 65. Lebensjahr bei Männern und bis zum 60. Lebensjahr bei Frauen gewährt. Die Berufsunfähigkeitsversicherung, die von der abgedeckten Gefahr her die eigentliche Lebensversicherung ergänzt, ist als Rentenversicherung ausgestaltet, wobei eine Leibrente für die Zeit der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis zum Erreichen der Altersgrenze gezahlt wird. Auch versicherungssaufsichtsrechtlich wird die Berufsunfähigkeitsversicherung als Lebensversicherung behandelt, sie darf auch nur von LebensVR betrieben werden. Ihrer rechtlichen und rechnungsmäßigen Ausgestaltung nach sind Berufsunfähigkeitsversicherungen Risikoversicherungen. Bei der Berechnung der Beiträge ist zu berücksichtigen, dass die von dem VR getragene Gefahr der Berufsunfähigkeit nicht gleich bleibend ist. Sie wächst mit dem zunehmenden Alter des Versicherten und verändert sich z.B. bei einem Wechsel der konjunkturellen Situation. Will der VR für die Gesamtversicherungsdauer gleich bleibende Prämien fordern, muss er einen veränderlichen Risikoverlauf einkalkulieren, sodass der VN bei einem niedrigen Eintrittsalter mehr als die risikoäquivalente Prämie zahlt, während er im fortgeschrittenen Alter entsprechend weniger zu zahlen hat. Um bei sich veränderndem Risiko einen gleich bleibenden Beitrag zu ermöglichen, bildet der VR zunächst ein Deckungskapital, das sich im weiteren Ablauf der Versicherung wieder abbaut und nicht mit dem Deckungskapital einer kapitalbildenden Lebensversicherung gleichzusetzen ist. Im Einzelnen gewährt die Berufsunfähigkeitsversicherung dem Versicherten Schutz bei 96 Berufsunfähigkeit und teilweiser Berufsunfähigkeit, indem der VR von einem bestimmten Grade der Berufsunfähigkeit an eine Rente leistet. Da Personen unter 20 Jahren zumeist noch keinen Beruf ausüben, ist das Mindestversicherungsalter in der Berufsunfähigkeitsversicherung grundsätzlich auf 20 Jahre festgesetzt. Die Versicherungsleistung kann entweder in der Weise vereinbart sein, dass der VR bei einer Berufsunfähigkeit von 50 % und mehr die vereinbarte Rente in voller Höhe leistet und bei einer Berufsunfähigkeit unter 50 % keinerlei Rentenleistung erbracht wird. Häufiger ist die gestaffelte Leistung, indem eine Rente, die nach dem Berufsunfähigkeitsgrade vereinbart ist und z.B. bei einer Berufsunfähigkeit von 25 % beginnt, geleistet wird; bei einem Berufsunfähigkeitsgrade von z.B. 75 % wird jedoch auch hier die Rente in voller Höhe fällig. Da die Berufsunfähigkeitsversicherung grundsätzlich eine Versicherung mit abstrakter Bedarfsdeckung (Summenversicherung) und nicht eine Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung (Schadensversicherung) ist, ist die Leistung des VR nicht von einer Minderung des Einkommens des Versicherten abhängig. Die Berufsunfähigkeitsversicherung wird in diesem Band im Anschluss an die Lebensversicherung kommentiert. 9. Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist eine Zusatzversicherung zu einer Lebens- 97 versicherung, wobei es unerheblich ist, ob die Lebensversicherung als Kapital- oder als Rentenversicherung ausgestaltet ist.60 Für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gelten eigene AVB, rechtlich ist die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung als Lebensversicherung aufzufassen, sodass grundsätzlich sämtliche Vorschriften zum Lebensversicherungsrecht auch hier Anwendung finden, soweit dem die Besonderheiten der Berufs-

60

BGH 18.11.2009 VersR 2010 237.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

unfähigkeitsversicherung nicht entgegenstehen, § 176 VVG. Nach den AVB können in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zwei Leistungen für den Versicherungsfall vereinbart werden: Als Hauptleistung ist eine Rente anzusehen, die zweckgebunden ist und allein dazu dient, die Beitragsverpflichtungen aus der mit der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung verbundenen Lebensversicherung und einer damit verbundenen weiteren Zusatzversicherung zu erfüllen. Neben dieser sog. Beitragsbefreiung kann eine an den Versicherten auszuzahlende bare Versicherungssumme oder Rente vereinbart werden, was allerdings nur möglich ist, wenn die Hauptversicherung eine kapitalbildende Lebensversicherung und keine Risikolebensversicherung ist. Die Höhe der baren Rente ist anders als bei der selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung begrenzt. Die Dauer der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist partiell mit der der Hauptversicherung verknüpft, die längstmögliche Dauer entspricht der Hauptversicherung bis zum dortigen (ersten) Eintritt des Versicherungsfalles. Im Übrigen kann eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auch mit einer Beitragsrückgewähr ausgestattet werden: Bleibt der Versicherungsfall während der Vertragsdauer aus und erlebt der Versicherte die Fälligkeit der als Erlebensfallversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung, so werden die für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geleisteten Beiträge als zusätzliche Erlebensfallleistungen zusätzlich zur ohnehin aus der Hauptversicherung fälligen Leistung ausgezahlt.61 Auch die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wird in diesem Band im Anschluss an die Lebensversicherung kommentiert. 10. Unfallzusatzversicherung

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Die Unfallzusatzversicherung ist eine Kombination von Lebens- und Unfallversicherung. Sie bildet mit der Lebensversicherung genauso wie die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung einen einheitlichen Vertrag und wird als besondere Form der Lebensversicherung angesehen. Der Unfallzusatz führt zu einer Erhöhung der Entschädigungsleistung auf das Doppelte für den Fall, dass der Tod durch einen Unfall herbeigeführt worden ist. Dabei entspricht der Unfall als Voraussetzung für die Zusatzleistung dem Unfallbegriff der Ziff. 1. 2–4 AUB 2008, er wird auch in ähnlicher Weise wie bei der Allgemeinen Unfallversicherung durch Ausschlüsse modifiziert.62 Die Besonderheit der Unfallzusatzversicherung ist also die Ursache, die zum Versicherungsfall führt, im Übrigen ist sie wie eine Lebensversicherung zu behandeln, sodass auch ergänzend in erster Linie die Bedingungswerke der Lebensversicherung – soweit sie mit der Lebensversicherung verbunden wird – und die Vorschriften der §§ 150–171 VVG heranzuziehen sind.63 Ihrer rechtlichen und rechnungsmäßigen Ausformung nach sind die Unfallzusatzversicherungen Risikoversicherungen.64

61

KG 10.12.1951 VersR 1952 61 sieht in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung richtigerweise eine „besonders geartete Lebensversicherung“, ähnlich LG Köln 15.10.1951 VersR 1952 12-13 m.w.N.; LG Schweinfurt 16.5.1951 VersR 1951 169. Zur Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ferner BGH 3.4.1996 VersR 1996 743; OLG Hamm 29.12.1993 VersR 1994 1094;

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62 63 64

OLG Karlsruhe 19.5.1982 VersR 1983 281 f., OLG Köln 12.11.2008 VersR 2009 621, 622; LG Ulm 5.6.1979 VersR 1979 930. Im Einzelnen Bruck/Möller/Leverenz Bd. 9 §§ 178–191, AUB 2008. RG 18.11.1932 VA 1932 297–300. Österr. OGH 21.7.1971 VersR 1972 1134, OLG Hamm 18.4.1980 VersR 1981 727, 728; BGH 9.12.1998 VerBAV 1999 159 ff.

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11. Pflegerentenversicherung Mit der Pflegerentenversicherung wird seit 1985 auch eine Lebensversicherung mit 99 einer Pflegefalldeckung angeboten. Im Einzelnen weist die Pflegerentenversicherung drei Leistungskomponenten auf: Von einem bestimmten, vereinbarten Alter an, spätestens vom 85. Lebensjahre an, beginnt eine Altersrente zu laufen. Ist zuvor der Pflegefall eingetreten, so wird die Pflegerente bis zum Beginn der Altersrente gezahlt. Stirbt die versicherte Gefahrsperson, so wird eine Todesfallleistung in Höhe von 24 oder 36 Monatsrenten abzüglich bereits geleisteter Rentenzahlungen erbracht. Durch diese dritte Leistungskomponente ist gesichert, dass aus der Pflegerentenversicherung auf jeden Fall eine bestimmte Mindestleistung erfolgt. Prämien sind nur für den Zeitraum zu entrichten, in dem keine Rente gezahlt wird. Versicherungsrechtlich wird die Pflegerentenversicherung wie die Berufsunfähigkeitsversicherung als Lebensversicherung behandelt. Sie unterscheidet sich hinsichtlich der Pflegerentenkomponente von der Lebensversicherung jedoch durch die versicherte Gefahr. Auch soweit es sich um die Pflegerente handelt, ist die Pflegerentenversicherung eine Leibrentenversicherung, wobei zu dem gedehnten Versicherungsfall der Pflegebedürftigkeit wie bei der Leibrentenversicherung der wiederkehrende Versicherungsfall des Erlebens der Rentenzahltage hinzukommt. Hinsichtlich der Todesfallleistungskomponente stellt sich die Pflegerentenversicherung ähnlich wie eine reine Leibrentenversicherung mit garantierter Rentenlaufzeit dar.65 12. Dread-Desease-Versicherung Diese Versicherungsform beinhaltet neben den Versicherungsleistungen der kapitalbil- 100 denden gemischten Lebensversicherung einen darüber hinausgehenden Versicherungsschutz für den Fall einer ernsthaften, lebensbedrohenden Erkrankung (dread desease) oder einer anderen schwerwiegenden körperlichen Beeinträchtigung. Wie bei der gemischten Lebensversicherung wird hier regelmäßig eine einheitliche Versicherungssumme vereinbart, wobei die Dread-Desease-Versicherung einen weiteren Versicherungsfall vorsieht: Wird eine in der Dread-Desease-Deckung genannte schwere Erkrankung oder eine sonstige entsprechende körperliche Beeinträchtigung diagnostiziert, erhält der Versicherte einen Anspruch auf die volle Versicherungssumme oder einen Teilbetrag. Die Schaffung der Dread-Desease-Versicherung beruht auf der Erwägung, dass die Versicherungssumme, die im Todes- oder Erlebensfall fällig würde, beim Eintritt einer lebensbedrohenden Erkrankung oder vergleichbaren Beeinträchtigung durch den Versicherten besonders benötigt wird. Die vorzeitige Kapitalauszahlung ermöglicht es den Betroffenen, seine Lebensumstände an die veränderten Umstände, insbes. an den erhöhten Geldbedarf, der mit einer solchen Erkrankung gegeben sein kann, anzupassen und sich auch die wünschenswerte ärztliche Betreuung einschl. sämtlicher medizinisch-technischer Hilfsmittel zu leisten. Darüber hinaus kann die vorzeitige Kapitalauszahlung dazu dienen, einen etwaigen Verdienstausfall aufzufangen, die Tilgung fälliger Darlehen vorzunehmen usw. Die Dread-Desease-Versicherung kann als Zusatzversicherung zu einer konventionel- 101 len gemischten Lebensversicherung oder auch als selbstständige Versicherung abgeschlossen werden.66

65

Zu allem Dickstein 233 ff.; Pasdika Produktinnovation für die Pflegeversicherung in Leben … VW 2007 572; zum Umfang des Kündigungsrechts des VN bei einer privaten Pflegeversicherung vgl. LSG Essen 16.8.2000

66

VersR 2001 1228 und zur Zurückweisungspflicht des VR vgl. Leverenz VersR 1999 525; zur gerichtlichen Zuständigkeit vgl. BSG 8.8.1996 VersR 1998 486. Zu allem vgl. Dickstein 233 ff.

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13. Gruppenlebensversicherung/Kollektivlebensversicherung

102

Bei der Gruppenlebensversicherung, die insbesondere auch der betrieblichen Altersversorgung dient, ist der Gruppenversicherungsvertrag ein einheitlicher Versicherungsvertrag zwischen dem VR und der Gruppenspitze (beispielsweise Verband, Arbeitgeber, rechtsfähige Vereinigungen von Arbeitgebern) als VN. Der Begriff des Kollektivlebensversicherungsvertrages wurde 1994 durch die Aufsichtsbehörde eingeführt, er entspricht im Prinzip dem Begriff des Gruppenlebensversicherungsvertrages. Der rechtlich einheitliche Versicherungsvertrag besteht versicherungstechnisch aus so vielen Versicherungsverhältnissen wie Gruppenmitglieder versichert sind. Aus Gründen der Versicherungstechnik muss sich die Kollektivversicherung dabei auch auf eine einheitliche, allen Gruppenmitgliedern drohende Gefahr beziehen. Der VR schuldet aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages für jedes Versicherungsverhältnis bei Eintritt des Versicherungsfalles die vereinbarte Leistung gesondert. Insbesondere auch in der Lebensversicherung besteht dabei die Möglichkeit der Gewährung des Versicherungsschutzes zu einem besonders günstigen Gruppentarif und zu vorteilhafteren Aufnahmebedingungen. Die niedrigeren Beitragssätze rechtfertigen sich wegen der kostenmindernden Verwaltung einer größeren Anzahl gleichartiger Versicherungen und angesichts der Sammelzahlung durch die Gruppenspitze, also z.B. den Arbeitgeber. Die oftmals großzügigere Beurteilung der Risiken erscheint als zulässig, da bei einer obligatorischen Versicherung eines Personenkreises eine Selbstauslese nicht stattfindet, das Spekulationsmoment also weitgehend ausgeschieden ist und sich unter den im Arbeitsprozess stehenden Personen grundsätzlich verhältnismäßig wenige ungünstige Risiken finden. Soweit es sich bei der Gruppenlebensversicherung um eine Versicherung im Rahmen der Betrieblichen Altersversorgung handelt, sind die Vorschriften des BetrAVG zu beachten.67 Im Hinblick auf die Anspruchsberechtigung ist in der Kollektivlebensversicherung 103 zwischen der Direkt- und der Rückdeckungsversicherung zu unterscheiden. Bei der Direktversicherung68 handelt es sich um einen Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter, sodass die Vorschriften der §§ 328–335 BGB, 159, 160, 162 Abs. 2 und 170 zur Anwendung gelangen. VN ist die Gruppenspitze, also in der Regel der Arbeitgeber. Bezugsberechtigt ist im Erlebensfall das einzelne Gruppenmitglied, also die Gefahrsperson, die Person, auf deren Leben das einzelne Versicherungsverhältnis läuft, im Todesfall sind es seine Hinterbliebenen, also z.B. die Ehefrau, Kinder oder Erben. Angesichts der Bezugsberechtigung hat der Bezugsberechtigte einen unmittelbaren Anspruch auf die Versicherungsleistung. Das Recht, einen Begünstigten zu ernennen, steht dem VN, also dem Arbeitgeber als Gruppenspitze zu. Die Bezugsberechtigung kann dabei schon generell im Kollektivversicherungsvertrag festgelegt werden; darüber hinaus ist es auch üblich, dass der VN das einzelne Gruppenmitglied bevollmächtigt, die Bezugsberechtigung für den Fall seines Todes durch eine Erklärung gegenüber dem VR selbst zu bestimmen. Das Gruppenmitglied erhält bei der Direktversicherung dabei in der Regel einen Versicherungsausweis, durch den es über den Inhalt seines Versicherungsverhältnisses unterrichtet

67

Vgl. dazu Drols Handbuch der Betrieblichen Altersversorgung (2005); Fehns Versicherungsrechtliche Fragen zum Pensionsversicherungsverein (1995); Flitsch/Herbst Lebensversicherungsverträge in der Insolvenz des Arbeitgebers, BB 2003 317; LangohrPlato Rechtshandbuch Betriebliche Altersversorgung, 4. Aufl. (2007).

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68

BGH 24.3.1993 RuS 1993 436; BGH 19.6.1996 VersR 1996 1089; BGH 8.6.2005 VersR 2005 1134; BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059; OLG Celle 13.9.2007 VersR 2008 60, 61 (gewohnheitsrechtliche Erfüllungshaftung).

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wird. Arbeitsrechtlich ist der auf jedes Versicherungsverhältnis entfallende Beitrag eine Zuwendung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, also steuerpflichtiges Arbeitseinkommen.69 Anders als bei der Direktversicherung mit ihrer Bezugsberechtigung stehen bei der 104 Rückdeckungsversicherung sämtliche Ansprüche aus der Kollektivversicherung dem VN, der Gruppenspitze, dem Arbeitgeber zu. Von einer Rückdeckungsversicherung spricht man wegen ihres Verwendungszwecks: Sie ist eine betriebliche Versicherung eines Arbeitgebers auf das Leben seiner Arbeitnehmer und dient der Absicherung des Todesfallrisikos für eine dem Arbeitnehmer gemachte Versorgungszusage. Sie ist eine Rückdeckung der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage durch den Arbeitgeber. Die Beiträge sind für den Arbeitgeber Betriebsausgaben, sie sind aber kein Arbeitseinkommen für die Arbeitnehmer, da diese aus dem zwischen dem Arbeitgeber und dem VR geschlossenen Versicherungsvertrag keine Ansprüche gegen den VR haben.70 Von der hier geschilderten echten Gruppenversicherung ist die unechte Gruppenlebens- 105 versicherung zu unterscheiden. Die unechte Gruppenlebensversicherung besteht nicht aus einem einheitlichen Versicherungsvertrag, sie ist ein Vertrag, durch den eine Vielzahl von einzelnen Versicherungsverträgen entsteht, die zum Zwecke der gemeinsamen Vertragsdurchführung und -verwaltung zusammengefasst werden. Bei der unechten Gruppenversicherung handelt die Gruppenspitze, der Arbeitgeber, zum Teil im fremden Namen, nämlich als Vertreter der Gruppenmitglieder, und zum Teil im eigenen Namen. Die Gruppenspitze verpflichtet sich, diese Versicherungsverträge durchzuführen, die von den einzelnen Gruppenmitgliedern als VN geschuldeten Beiträge einzuziehen und an den VR weiterzuleiten. Die Gruppenspitze vertritt die Gruppenmitglieder ganz generell und ist häufig auch zum Einziehen der Versicherungsleistung beauftragt. Beim unechten Gruppenversicherungsvertrag werden in einem Gesamtakt so viele einzelne Versicherungsverträge abgeschlossen wie Gruppenmitglieder vorhanden sind oder in den Vertrag einbezogen sind. VN sind die Gruppenmitglieder, die Arbeitnehmer. Die unechte Gruppenversicherung kann in vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten vorkommen, und angesichts der weitreichenden Vertretungsmacht der Gruppenspitze kann mit der unechten Gruppenversicherung dasselbe wirtschaftliche Ergebnis erreicht werden wie mit der echten Gruppenversicherung, auch die Anspruchsberechtigung auf die Versicherungsleistung kann durch eine entsprechende Gestaltung der Bezugsberechtigung ganz weitgehend in gleicher Weise geregelt werden wie in der echten Gruppenversicherung. Schließlich hat sich in der Lebensversicherung eine dritte Form des Kollektivlebens- 106 versicherungsvertrages entwickelt, die äußerlich in die Form der echten Gruppenversicherung gekleidet ist, aber teilweise die Form der unechten Gruppenversicherung aufweist. Diese gemischte Gruppenversicherung kommt als Gruppenversicherung vor, die ein Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmer abschließt, wenn der Arbeitnehmer einen Teil des Beitrages selbst trägt. Hier wird regelmäßig darauf gesehen, dass der Arbeitnehmer

69

70

Zum Fall einer Direktversicherung als Kollektivversicherung vgl. BGH 5.11.1962 VersR 1963. 29, BAG 31.3.1969 VersR 1969 700; OLG Saarbrücken 8.6.1988 VersR 1989 577; LAG Hamm 1.9.1977 DB 1977 1951; OLG Karlsruhe 15.12.1977 VersR 1978 416. Vgl. aber die Regelung zur Entgeltumwandlung, Einführung Rn. 107. Zur Rückdeckungsversicherung im Übrigen

BGH 13.5.1953 VersR 1953 249, 250; BGH 10.7.1996 VersR 1998 329; BGH 7.4.2005 VersR 2005 423; BAG 29.7.1967 NJW 1967 2425 f. (teilweise überholt); BAG 10.3.1972 VersR 1972 735; BAG 14.7.1972 VersR 1972 1135 und BAG 12.6.1975 BB 1975 1065; ferner auch LAG Düsseldorf 29.6.1970 DB 1970 2449; LAG Saarbrücken 7.10.1970 DB 1970 2447.

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an dem Teil der Leistung, der seinem Beitragsanteil entspricht, durch Abtretung, widerrufliche oder unwiderrufliche Bezugsberechtigung einen unmittelbaren Anspruch gegen den VR erhält.71 14. Entgeltumwandlungen i.S.d. § 1a BetrAVG

107

Das Kernelement der Neugestaltung der betrieblichen Altersversorgung durch das AVmG von 2001 war die Einführung eines individuellen gesetzlichen Anspruchs des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlungen i.S.d. § 1a BetrAVG. Damit wird es den Arbeitnehmern ermöglicht, Teile des Gehalts für die betriebliche Altersvorsorge vorzusehen, wobei die Beiträge vom Arbeitgeber direkt vom Bruttogehalt abgezogen werden. Dadurch sinkt das Einkommen des Arbeitnehmers und er hat geringere Sozialabgaben und Steuern zu entrichten. Welcher Durchführungsweg dabei beschritten wird, ist zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zu vereinbaren. Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung sind Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds und die Direktversicherung. Erfolgt die Entgeltumwandlung in Gestalt eines Lebensversicherungsvertrages (auch wenn er nicht mit einem VR, sondern mit einer Pensionskasse abgeschlossen wird), ist der Arbeitgeber VN und der Arbeitnehmer versicherte Person im Rahmen des Lebensversicherungsverhältnisses.72

VI. Weitere Lebensversicherungsformen und Vertragsgestaltungen 108

Neben den hier genannten Versicherungsformen existieren eine ganze Reihe von Modifikationen, die sich aus hier nicht kommentierten Bedingungswerken und weiteren Tarifen ergeben. Der LebensVR kann zudem im Einzelfall Individualverträge mit dem VN schließen und dabei den Wünschen des VN möglichst weitgehend Rechnung tragen, was sich beispielsweise bei den Gruppenlebensversicherungsverträgen in der betrieblichen Altersversorgung anbietet. Für solche Individualverträge entfällt die Möglichkeit der AGB-Kontrolle. Zur vorläufigen Deckungszusage in der Lebensversicherung vgl. Anhang II zu § 150.

VII. Grenzfälle, Ein- und Ausgrenzungen 1. Kapitalisierungsgeschäfte

109

Seit 1994 können durch LebensVU auch Kapitalisierungsgeschäfte betrieben werden. Nach § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG gelten Geschäfte mit Lebensversicherungsunternehmen als Kapitalisierungsgeschäfte, wenn die im Voraus festgesetzten einmaligen oder wiederkehrenden Prämien und die übernommenen Verpflichtungen nach Dauer und Höhe festgelegt sind. So wenig aussagekräftig die Definition des § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG auch ist,73 unter das Kapitalisierungsgeschäft fallen sämtliche Finanzgeschäfte, bei denen der Kunde an das LebensVU eine Geldleistung erbringt und er das – unter Anwendung eines mathe-

71

Zu allem Möller/Winter/Magnusson 103–130; Millauer Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl. (1966); Winter Life Insurance Law 210–227.

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72 73

LG Freiburg 19.8.1999 VersR 2000 1221. Kaulbach in: Fahr/Kaulbach/Bähr § 1 VAG Rn. 99.

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matischen Verfahrens – eingesetzte Kapital nach einer gewissen Laufzeit verzinst zurückerhält. Anders als bei Lebensversicherungsverträgen ist es für das Vorliegen eines Kapitalisierungsgeschäfts nicht notwendig, dass das LebensVU ein biometrisches Risiko übernimmt. Kapitalisierungsgeschäfte setzen keinen Risikotransfer voraus. Übernimmt der VR jedoch ein Risiko, so kann auch eine solche Verpflichtung durch das Kapitalisierungsgeschäft erfasst werden, wenn die übrigen Voraussetzungen dieses Instituts gegeben sind. Der Lebensversicherungsvertrag und das Kapitalisierungsgeschäft verhalten sich zueinander wie zwei sich überschneidende Kreise.74 Die Gleichstellung der Kapitalisierungsgeschäfte mit Lebensversicherungsverträgen, wie sie durch § 1 Abs. 4 Satz 1 VAG erfolgt, hat die Konsequenz, dass LebensVU auch insoweit der Aufsicht nach dem VAG unterliegen, wie sie Kapitalisierungsgeschäfte betreiben; Kapitalisierungsgeschäfte sind keine versicherungsfremden Geschäfte.75 Eine Gleichstellung kann nur so weit reichen als Kapitalisierungsgeschäft und Lebensversicherung tatsächlich auch vergleichbar sind. Die Gleichstellung darf die definitionsmäßigen Unterschiede zwischen Lebensversicherung und Kapitalisierungsgeschäft nicht aufheben. Die Unteraufsichtstellung der Kapitalisierungsgeschäfte bedeutet schließlich nicht, dass sie damit automatisch auch dem VVG mit seinen zwingenden und halbzwingenden Normen unterliegen.76 Das bedarf der individuellen Überprüfung im konkreten Falle und richtet sich nach der Ausgestaltung des Kapitalisierungsgeschäfts. Mit der aufsichtsrechtlichen Gleichstellung ist auch nicht gesagt, dass die Kapitalisierungsgeschäfte automatisch einer steuerlichen Förderung wie Lebensversicherungsverträge unterfallen. 2. Verwaltung von Versorgungseinrichtungen Neben den Kapitalisierungsgeschäften haben die LebensVU nach § 1 Abs. 4 Satz 3 110 und 4 VAG die Möglichkeit, die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen, die Leistungen im Todes- oder Erlebensfall oder bei Arbeitseinstellung oder bei Minderung der Erwerbsfähigkeit vorsehen, zu betreiben. Zu der Verwaltung von Versorgungseinrichtungen gehört die Anlage und Verwaltung der Vermögenswerte, dabei dürfen die LebensVU auch Garantiezusagen für die Erhaltung des verwalteten Kapitals und das Erreichen einer Mindestverzinsung abgeben. Mit der Verwaltung von Pensionsfonds ist für die Lebensversicherer ein neues Betätigungsfeld entstanden. Bei der Übernahme der Verwaltung kann ein Zinsrisiko übernommen werden, ein biometrisches Risiko ist mit der Verwaltung nicht verbunden. Es handelt sich bei der Verwaltung damit nicht um ein Versicherungsgeschäft, sondern eine versicherungsfremde Betätigung, die durch § 1 Abs. 4 VAG neben professionellen Asset-Management-Gesellschaften auch LebensVU erlaubt ist. Die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Satz 3 und 4 VAG dient der Umsetzung von Art. 1 Nr. 2c 111 und d Erste Richtlinie Leben, eine Bestimmung, die unverändert geblieben ist und sich auf die Geschäfte der Verwaltung von Pensionsfonds bezieht. Bei der Übernahme durch das VAG wurde der Tatbestand der Richtlinienvorschrift erweitert, das VAG verwendet den Begriff der Versorgungseinrichtung, ohne dass diese z.B. in Richtung auf die betriebliche oder öffentlich-rechtliche Altersversorgung konkretisiert wird. Die LebensVU sind damit nicht mit den Versorgungseinrichtungen identisch, sie besorgen nur Geschäfte in fremdem Namen für fremde Rechnung und haften für Fehler bei der Geschäftsbesorgung.77

74 75 76

Winter VersR 2004 8, 13 ff.; ders. Versicherungsaufsichtsrecht 441 ff. Prölss12/Präve § 1 VAG Rn. 19. Winter VersR 2004 8, 17.

77

Fahr/Kaulbach/Bähr/Kaulbach § 1 VAG Rn. 101; Winter Versicherungsaufsichtsrecht 449.

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Nur insoweit wurde eine neue Lebensversicherungssparte geschaffen. Auch die Bestandsgarantie und Mindestzinsgarantie kann zu nicht unerheblichen Haftungsrisiken für den VR führen, die von den LebensVU für die Versicherungsnehmerschaft angebotenen Vertragsformen werden dadurch jedoch nicht erweitert. 3. Tontinengeschäfte

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Anders als die Kapitalisierungsgeschäfte und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen sind die Tontinengeschäfte als neue Lebensversicherungssparte in § 1 VAG nicht geregelt. Doch schon durch die Erste Richtlinie Leben von 1979 war es den Mitgliedstaaten der EG freigestellt, ob sie Tontinengeschäfte zulassen wollten.78 Art. 10 Nr. 2 der Zweiten Richtlinie Leben von 1990 sah vor, dass das Tontinengeschäft in sämtlichen EGMitgliedstaaten zu erlauben sei, sodass eine entsprechende Transponierung auch in deutsches Recht zu erfolgen hatte.79 Die Tontinengeschäfte finden sich zwar nicht in der Vorschrift des § 1 Abs. 4 VAG erwähnt, in den sie nicht aufgenommen wurden, wohl aber in der Anlage A zum VAG mit der Einteilung der Risiken nach Risikosparten als Nr. 22. Die Tontinengeschäfte sind damit gesetzlich als Versicherungssparte eingestuft, die von einem LebensVU betrieben werden dürfen. Will eine deutsche Lebensversicherungsgesellschaft die Tontinengeschäfte betreiben, bedarf es dazu – ebenso wie bei Kapitalisierungsgeschäften und der Verwaltung von Versorgungseinrichtungen – der Erlaubnis nach § 6 Abs. 2 Satz 1 VAG. Die Tontinen werden gerne als Rentenlebensversicherungen mit Lotteriecharakter 113 bezeichnet: Gegen eine Einmalprämie wird eine in bestimmten Zeitabständen steigende Jahresrente gezahlt, die an all jene geht, die am Ende der Zeitabschnitte noch jeweils am Leben sind, also den Erlebensfall erreichen. Im Laufe der Jahrhunderte sind höchst unterschiedliche Tontinenmodelle entwickelt worden, die sämtlich für den Einzahler attraktiv genug sein mussten, andererseits aber auch für den Veranstalter der Tontine – wobei zunächst wissenschaftliche Grundlagen für Erlebenswahrscheinlichkeiten nicht gegeben waren und die Betreiber von eigenen (aus der Luft gegriffenen) Schätzungen ausgingen.80 78 79

80

Art. 1 Nr. 2a der Richtlinie. Müller Versicherungsbinnenmarkt – Die europäische Integration des Versicherungswesens (1995), Rn. 66; Koch Zum Tontinengeschäft in versicherungshistorischer Sicht VW 1995 1640. Die Tontine geht auf den Italiener Lorenzo Tonti, einen Arzt, Bankier und Glücksritter, zurück, der sie zwar nicht erfunden, wohl aber propagiert hatte. Tonti, der am französischen Hof Aufnahme gefunden hatte, machte 1653 dem Kardinal Mazarin zur Verbesserung der staatlichen Finanzen den Vorschlag, ein Kapital von 25 Mio. Livres aufzunehmen, zu dessen Verzinsung aus den staatlichen Einnahmen die jährliche Summe von 1,025 Mio Livres vorgesehen war (das entspricht einer Verzinsung von 4,1 %). Die Zeichner des Kapitals sollten nach ihrem Lebensalter in zehn Gruppen eingeteilt werden, wobei jeder dieser Gruppen eine Rente von durchschnitt-

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lich 102.500 Livres zugedacht war. Dabei erbten die Überlebenden jeder Gruppe den Rentenanteil der in ihrer Gruppe Sterbenden (Erbklassenrenten), und zwar solange, bis sämtliche Mitglieder der Gruppe gestorben waren. Die Rentenbeträge der einzelnen überlebenden Mitglieder stiegen daher stetig, aber unregelmäßig an, die Rente des letzten Überlebenden konnte sich auf 102.500 Livres belaufen. Nachdem der letzte der Rentenempfänger verstorben war, sollte die Rentenzahlung zugunsten des Staates erlöschen, eine Rückzahlung des Kapitals sollte nicht erfolgen, es sollte dem Staat verfallen. Wenngleich dieses Projekts Tontis im Parlament scheiterte und nicht durchgeführte wurde, so wurde doch 1689 die erste Staatstontine in Frankreich verwirklicht, der sich zahlreiche weitere Tontinen anschlossen, die teilweise auch von Privatpersonen und nicht vom Staat betrieben wurden (Braun 63 ff.)

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Im Laufe der Zeit wurden die unterschiedlichsten Tontinen entwickelt (einfache Ton- 114 tine, Klassentontine, zusammengesetzte Tontine und kontinuierliche Tontine). Tontinen fand man schon bald auch in Holland (ab 1670), in Dänemark, Deutschland und mehreren anderen europäischen Staaten. Als besonders interessant seien die Nürnberger zusammengesetzten Tontinen erwähnt: 1777 wurde in Nürnberg eine neue Tontinenform geschaffen, bei der „kein einziges Mitglied etwas verlieren kann, sondern selbst die Einlagen der Absterbenden nebst den Zinsen zurückbezahlt werden“.81 Dazu wurden die Renten der absterbenden Mitglieder geteilt, wobei die eine Hälfte unter die Überlebenden verteilt, die andere Hälfte aber einem speziellen Fonds zugewiesen wurde, aus dessen Erträgen die Erben der Frühverstorbenen nach Kassenlage entschädigt wurden, und zwar solange, bis die Einlage einschl. Verzinsung zurückvergütet war. Mit dem Aufkommen der Sterbetafeln und der Lebensversicherungsmathematik wurden die Tontinen auf eine stärker gesicherte Grundlage gestellt und später von Lebensversicherungsgesellschaften erfolgreich vertrieben. Dazu gehörte in den USA die Equitable, die 1868 mit einem Tontinenmodell eine starke Ausbreitung verbuchen konnte mit dem Ergebnis, dass auch andere US-amerikanische LebensVR Tontinen errichteten. Gleichwohl ging die Bedeutung der Tontinen angesichts der Verbreitung der modernen Lebens- und Rentenversicherung im 19. Jahrhundert zurück, insbes. auch in Deutschland. Im Schrifttum wurde in Deutschland zunehmend der Lotterie- und Glückspielcharakter der Tontinen betont. Gleichwohl haben die Tontinen dazu beigetragen, den Versicherungsgedanken zu verbreiten. Obwohl das Tontinengeschäft im VAG nicht definiert wird, so kann doch auf Art. 2 115 Nr. 2a Gesamtdirektive Leben zurückgegriffen werden, wonach Tontinengeschäfte „die Bildung von Gemeinschaften umfassen, in denen sich Teilhaber vereinigen, um ihre Beiträge gemeinsam zu kapitalisieren und das so gebildete Vermögen entweder auf die Überlebenden oder auf die Rechtsnachfolger der Verstorbenen zu verteilen“. Unter diese Definition – bei der der Glückspielcharakter keine Rolle mehr spielt und die in ihrer Weite mit der der Kapitalisierungsgeschäfte vergleichbar ist – fallen auch Lebensversicherungsgeschäfte im traditionellen Sinne, darüber hinaus aber auch Verträge, bei denen die traditionelle Risikoübernahme in den Hintergrund treten kann. In Deutschland wird das Tontinengeschäft zurzeit nicht betrieben. 4. Versorgung durch Berufsständische Versorgungswerke Die freien Berufe haben durch ihre Kammern eigene Versorgungseinrichtungen ge- 116 schaffen, die zuweilen zum Bereiche der Lebensversicherung gezählt werden. Träger der Versorgungseinrichtung ist häufig eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Leistungen – ganz grundsätzlich wird eine kombinierte Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung gewährt – und die gegenseitigen Rechte und Pflichten differieren teilweise. Als beispielhaft sei auf das Versorgungsstatut der Ärztekammer Hamburg verwiesen, das eine Altersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt. Jedes selbständig tätige niedergelassene Mitglied zahlt bei ärztlichen Einkünften einen altersgemäßen Beitrag. Die Beiträge erhöhen sich im gleichen Umfang wie der Höchstbeitrag in der Angestelltenversicherung. Für selbstständig tätige Mitglieder, die stets nur diesen altersgemäßen Beitrag entrichtet haben, gewährt das Versorgungswerk Festrenten. Weitere Regelungen betreffen die unselbstständig tätigen Ärzte, die freiwillige Höherversicherung usw., wobei die Versorgung zumindest teildynamisch ist.

81

Braun 156.

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Bei einer solchen Versorgung handelt es sich grundsätzlich nicht um eine private Lebensversicherung. Dabei ist umstritten, ob die Versorgung durch Berufsständische Versorgungswerke schon deshalb nicht als Privatversicherung anzusehen ist, weil bei der Beitragszahlung der Mitglieder das Äquivalenzprinzip nicht ausreichend gewahrt ist.82 Angesichts der teilweise nicht unerheblichen Abweichungen vom Äquivalenzprinzip, die zu einer partiellen Ersetzung des Anwartschaftsdeckungsverfahrens durch ein Umlageverfahren führen, kann schon deswegen in einer solchen Versorgung keine Versicherung mehr gesehen werden. Hinzukommt, dass sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsträger – der nicht als Aktiengesellschaft, Gegenseitigkeitsverein oder öffentlichrechtlicher VR organisiert ist – und den Mitgliedern nicht nach dem VVG und Versicherungsbedingungen, insbes. auch nicht nach Lebensversicherungsbedingungen richtet. Zu den Berufsständischen Versorgungswerken zählen – soweit es sich nicht um Ver118 sicherung betreibende Gegenseitigkeitsvereine handelt – die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, die Berliner Ärzteversorgung, das Versorgungswerk der Ärztekammer Bremen, das Versorgungsstatut der Ärztekammer Hamburg, das Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen, die Kassenärztliche Vereinigung Hessen mit ihrer erweiterten Honorarverteilung, die Ärzteversorgung Niedersachsen, die Nordrheinische Ärzteversorgung, die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, das Versorgungswerk der Ärztekammer des Saarlandes, die Versorgungseinrichtung der Ärztekammer Schleswig-Holstein, das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin, an das die Zahnärztekammer Bremen und die Tierärztekammer Berlin angeschlossen sind, das Versorgungsstatut der Zahnärztekammer Hamburg, das Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Niedersachsen, das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, das Versorgungswerk der Tierärztekammer Nordrhein, die Alterssicherungsordnung der Tierärztekammer Niedersachsen, das Versorgungswerk der Tierärztekammer Schleswig-Holstein, das Versorgungswerk der Tierärztekammer Westfalen-Lippe, die Versorgungswerke der Landesapothekerkammer Hessen, der Apothekerkammer Nordrhein und der Apothekerkammer Westfalen/Lippe, die Notarversorgungskasse Koblenz, die Notarkasse in München, das Versorgungswerk der Saarländischen Notarkammer, die Versorgung des Pensionsvereins der Rhein-Preußischen Notare und Notariats-Candidaten, das Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Saarland, das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte,83 das Versorgungswerk der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes, die Versorgungsanstalt der Deutschen Bezirksschornsteinfegermeister,84 die Gemeinsame Ausgleichskasse im Seelotswesen der Reviere, das Versorgungswerk der Architektenkammer des Saarlandes. 5. Versorgung durch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL)

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Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nimmt eine Zwischenstellung zwischen Privatversicherung und Sozialversicherung ein. Ihr Zweck ist es, Arbeitnehmern in der öffentlichen Verwaltung, sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und gemischt-wirtschaftlichen Betrieben eine privatrechtliche zusätzliche Alters- und Hinterbliebenen-Versorgung zu gewähren. Die Versicherungspflicht wird durch Arbeits- und Tarifvertrag begründet, daneben besteht die Möglichkeit einer 82

Aus diesem Grunde verneint W. Bogs 46–47 den Versicherungscharakter dieses Instituts; a.A. Schachner 35, der auf andere Durchbrechungen des Äquivalenzprinzips in der Privatversicherung verweist.

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83 84

Vgl. dazu Philipp VW 1983 471 ff. Dazu BGH 25.6.1964 VersR 1964 837 ff.

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freiwilligen Weiterversicherung und einer beitragsfreien Versicherung. Die Beiträge werden von dem Arbeitgeber nach dem Prinzip des Umlageverfahrens entrichtet. Schon angesichts dessen kann es sich hier nicht um eine private Lebensversicherung handeln. So klassifiziert auch die Rechtsprechung das Rechtsverhältnis zwischen der Versorgungsanstalt und dem öffentlich Bediensteten mit Recht nicht als Privatversicherungsvertrag aufgrund einer privatversicherungsrechtlichen Gruppenversicherung.85 6. Leistungen der Kommunalen Versorgungskassen Diese Versorgungskassen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, deren Pflicht- 120 mitglieder die kreisangehörigen Gemeinden ihres Geschäftsbereichs mit Ausnahme der Städte sind. Freiwillige Mitglieder sind andere Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, Fraktionen der Landtage sowie kommunale Spitzenverbände und vergleichbare Organisationen. Die Versorgungskassen übernehmen für ihre Mitglieder die Berechnung und Zahlung der beamtenrechtlichen Versorgungsleistungen sowie weitere Leistungen. Die Finanzierung erfolgt durch die Mitglieder im Umlageverfahren. Die Versorgungskassen sind nicht PrivatVR und gewähren auch nicht privaten Lebensversicherungsschutz.86 7. Versorgung durch die Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost, Leistungen aus der Zusatzversicherung der Bundesbahnversicherungsanstalt Für die Rechtsbeziehungen zwischen der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundes- 121 post und den bei ihr versicherten Personen gilt gleichfalls, dass sie zwar nicht öffentlichrechtlicher Natur sind, aber auch nicht privatversicherungsrechtlichen Charakter haben.87 Ebenso sind die Rechtsbeziehungen zwischen der Bundesbahnversicherungsanstalt und den bei ihr Versicherten zu beurteilen, soweit es sich um die Zusatzversicherung nach Abteilung B der Anstalt handelt.88 Gleiches gilt für die Rechtsbeziehungen zu den weiteren Versorgungsanstalten dieser Art und auch sonstigen Zusatzversorgungskassen.89 8. Versorgungsleistungen durch Unterstützungskassen Soweit Unterstützungskassen als rechtlich selbständige Versorgungseinrichtungen in 122 der Rechtsform des eingetragenen Vereins, einer GmbH oder einer Stiftung den Rechtsanspruch auf eine Versorgungsleistung nicht nur formell ausgeschlossen haben, unterliegen sie nicht der Versicherungsaufsicht.90 Die rechtlichen Beziehungen zwischen der Unterstützungskasse, dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer sind nicht versicherungsvertraglicher Natur.91 85

86 87

BGH 23.2.1977 VersR 1977 446 f.; BGH 25.5.1977 VersR 1977 764; weniger scharf BVerwG 21.2.1958 BVerwGE 6 200 ff.; BGH 22.5.1967 BGHZ 48 35, 39 ff.; BGH 22.9.1971 VersR 1971 1116; BSG 27.7.1972 NJW 1972 2151. Offen gelassen von BVerwG 30.10.1959 DVB1 1960 70. Vgl. dazu BSG 10.4.1964 BSGE 21 5, 6 ff.; keine Stellungnahme zu der Frage ihrer privatversicherungsrechtlichen Natur.

88

89

90 91

Vgl. hierzu BGH 10.6.1963 VersR 1963 765 f.: gleichfalls keine Stellungnahme zur Frage der privatversicherungsrechtlichen Natur des Rechtsverhältnisses. Nicht entschieden von BGH 17.11.1981 VersR 1982 185: Zusatzversorgungskasse einer Universität. Sieg ZVersWiss 1969 505. Vgl. dazu im Einzelnen Schwarzbauer Handbuch 1977 ff.

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9. Sterbegeldhilfen im Umlagewege bzw. Übernahme von Bestattungskosten durch ein Bestattungsunternehmen Ein interessanter Sachverhalt lag einer Entscheidung des BVerwG aus dem Jahre 1960 zugrunde.92 Ein Zusammenschluss von etwa 3 000 Tierärzten, die zugleich einer Wirtschaftsgenossenschaft angehörten, hatte den Zweck, eine Sterbehilfe an die Hinterbliebenen derjenigen Tierärzte zu gewähren, die sich dem Zusammenschluss angeschlossen hatten. Jedes Mitglied war verpflichtet, bei jedem Todesfall 1 DM zu zahlen, der Gesamtbetrag wurde sodann an die Hinterbliebenen weitergeleitet. Reserven wurden nicht eingesammelt, mit dem Austritt aus der Genossenschaft sollte auch der Anspruch auf die Beerdigungsbeihilfe erlöschen. Das BVerwG sah in der Sterbehilfe zutreffend nicht die Versicherung eines Risikos, weil den Mitgliedern keine bestimmte Leistung versprochen werde und sich die Organisation ihren Mitgliedern gegenüber nur zum Einzug der Beträge und ihrer Aushändigung an die Hinterbliebenen verpflichtet habe. Von dem Erreichen einer zuvor festgesetzten Summe konnten die Hinterbliebenen nicht ausgehen, weil sie von vornherein nur mit geringeren Leistungen rechnen konnten, falls die Mitgliederzahl zurückging. Hinzu kam, dass es gänzlich an versicherungstypischen Abreden wie Wartezeiten, einer Beitragsstaffelung, der Möglichkeit der Nichtaufnahme in die Beerdigungsbeihilfe fehlte. Das BVerwG konnte sich dabei auf ein Urteil aus dem Jahre 1957 93 stützen, nachdem bei Vereinen, die im Falle des Todes eines jeden Mitgliedes nur Spenden einsammeln und den eingesammelten Betrag den Hinterbliebenen des Verstorbenen auszahlen, nicht von VU ausgegangen werden könne, wenn die Vereine keine von der Höhe der eingesammelten Spenden unabhängige Zahlungsverpflichtung übernehmen. Von einer Ungewissheit – die durch Übernahme des Risikos durch die Versichertengemeinschaft zu bewältigen ist – kann hier zu Recht nicht ausgegangen werden. Interessant ist aber auch der in dem Urteil zum Ausdruck gelangende Gedanke,94 dass auch bei Annahme einer Risikogemeinschaft der Gedanke des § 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG 95 Berücksichtigung zu finden habe, wonach Unterstützungseinrichtungen von der Aufsicht freigestellt sind, bei denen für die Beteiligten nicht der Gedanke der eigenen Absicherung, sondern die Bereitschaft, fremder Not abhelfen zu wollen im Vordergrund stehe – zumal das BVerwG im Ergebnis zutreffend in dem entschiedenen Falle nicht zu einem Rechtsanspruch der Mitglieder auf eine Hilfeleistung gekommen war, deren Sicherung durch staatliche Aufsichtsmaßnahmen notwendig ist. Auch das OLG Celle 96 hat mit Recht entschieden, dass es sich in einem solchen Fall 124 nicht um eine private Lebensversicherung handelt, auf die die Vorschriften des VVG anwendbar sind. Die Fürsorgeeinrichtung verspricht ihren Mitgliedern nur, bei Eintritt des Todesfalles Spenden zu sammeln und den durch die Spenden eingegangenen Betrag den Hinterbliebenen des Verstorbenen auszuzahlen. Das ist keine Versicherung, zumal den Mitgliedern ein Rechtsanspruch auf die Leistung nicht zuerkannt ist.

123

10. Leibrente als Rentenversicherung, Sachlebensversicherung, Pauschalentgelte für die Übernahme biometrischer Risiken

125

Für einen gewiss exzeptionellen Fall entschied das KG 97, dass der mit einem LebensVR abgeschlossene Rentenversicherungsvertrag mangels Gegenleistung des VN als die Vereinbarung einer Leibrente anzusehen ist. Der Entscheidung ist zu folgen, weil die eine 92 93 94

BVerwG 24.5.1950 VersR 1960 1129. BVerwG 4.7.1957 BVerwGE 3 220. BVerwG 24.5.1960 VersR 1960 1129, 1130.

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95 96 97

In seiner heutigen Fassung, früher § 1 II VAG. OLG Celle 20.5.1965 VersR 1965 677 f. KG 2.12.1950 VersR 1951 41 f.

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Allgemeines zur Lebensversicherung

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Versicherung ausmachenden Begriffselemente angesichts der Unentgeltlichkeit der Leistung nicht vollständig gegeben waren. Stärker noch im Ausland finden sich Verträge, bei denen biometrische Risiken gegen 126 ein festes Entgelt übernommen werden, wenn beispielsweise jemand gegen die einmalige Zahlung eines altersabhängigen Entgelts das Recht erwirbt, mietfrei in einem Seniorenheim zu wohnen oder auf Lebenszeit die therapeutischen Einrichtungen eines Kurheims kostenlos in Anspruch zu nehmen.98 Hier ist im konkreten Fall sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Qualifikation des Vertrages als Lebensversicherungsvertrag gegeben sind, insbes. kann zweifelhaft sein, ob ein ausreichender Zusammenschluss gefährdeter Risiken gegeben ist, ob es sich bei der Risikoübernahme um einen selbstständigen Vertragsinhalt handelt und ob sie planmäßig betrieben wird. Von der Lebensversicherung im versicherungsrechtlichen Sinne ist auch die Sachlebens- 127 versicherung zu unterscheiden. Sie gewährt Ersatz für das im Laufe der Zeit eintretende Unbrauchbarwerden bestimmter langlebiger Wirtschaftsgüter (Gebäude, Schiffe, Maschinen). Sie ist teilweise die Verbindung einer Schadensversicherung mit einer Sparversicherung und weist insoweit eine Parallele zur gemischten Lebensversicherung auf. Es werden nicht nur die während der Versicherungsdauer durch Abnutzung eingetretenen Schäden ersetzt, sondern bei Beendigung der Versicherung werden durch den VR die für eine Neuanschaffung benötigten Mittel bereitgestellt. Diese Variante ist jedoch nicht stets gegeben, die Sachlebensversicherung kann auch als reine Risikoversicherung abgeschlossen werden. Für die Sachlebensversicherung besteht gegenwärtig kein Bedürfnis mehr. Das gilt jedoch nicht für die von dieser Sachlebensversicherung zu unterscheidende und gleichfalls keine Lebensversicherung im versicherungsrechtlichen Sinne darstellende Tierlebensversicherung.

D. Funktion, Wesensmerkmale und Einordnung der Lebensversicherung Schrifttum Adler Das Tagegeld in der Krankenversicherung als Schadens- oder Summenversicherung (1995); Amrhein The Liberalization of the Life Insurance Contract (1933); Basedow/Fock/Rühl Europäisches Versicherungsvertragsrecht Bd. II (2002); Bendix Kritik der Theorien über die juristische Natur des Lebensversicherungsvertrages, ZVersWiss 1903 490; Benecke System des Assekuranzund Bodmereiwesens, Bd. I (1805); Birds Modern Insurane Law 8. Aufl. (2010); Braeß Elemente einer dynamischen Versicherungskonzeption aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, ZVersWiss 1970 1; Braun Geschichte der Lebensversicherung und der Lebensversicherungstechnik (1963); Brecher Die Versicherung auf fremden Tod (1912); Büchner/Winter Grundriß der Individualversicherung 9. Aufl. (1986); de Casaregis Discursus legales de commercio (1719); Clarke The Law of Insurance Contracts 3. Aufl. (1994); Colinvaux’s Law of Insurance 7. Aufl. (1997); Crawley The Law of life Insurance (1882); Dickstein Die Merkmale der Lebensversicherung im europäischen Binnenmarkt (1995); Dinsdale Elements of Insurance 3. Auf. (1960); Donati Zum Begriff des Versicherungsvertrages in der Entwicklung der italienischen Versicherungsrechtslehre, ZVersWiss 1960 289; Ehrenberg Versicherungsrecht, Bd. I (1893); ders. Die juristische Natur der Lebensversicherung, ZHR 33 1; Eichler Versicherungsrecht, 2. Auf. (1976); Endemann Das Wesen des Versicherungsvertrages, ZHR 10 242; Frick Regreß- und Anrechnungsprobleme in der Summenversicherung (1984); Gärtner Die Entwicklung der Lehre vom versicherungsrechtlichen Interesse von den Anfängen bis

98

Bericht der Arbeitsgruppe der Konferenz der Versicherungsaufsichtsbehörden der EG-Mitgliedstaaten zum Thema „Grenzfälle der

Versicherungstätigkeit“, Berlin 1991, insbes. 46 ff.; Winter Versicherungsaufsichtsrecht, 151.

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zum Ende des 19. Jahrhunderts, ZVersWiss 1963 337; ders. Das Bereicherungsverbot (1970); Goldschmidt Zum Recht der Lebensversicherung, ZHR 23 179; Hasse Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Dritter – Rechtsvergleichend nach deutschem, schweizerischem und französischem Recht (1981); ders. Zur Lebensversicherung für fremde Rechnung – Rechtliche Zulässigkeit und „versichertes Interesse“ im Bereich der Lebensversicherung, VersR 2010 337; ders. Lebensversicherung und § 80 VVG: Fehlendes „versichertes Interesse“ VersR 2010 1118; Hecker Zur Lehre von der rechtlichen Natur der Versicherungsverträge, Abt. I (1894); Helfesrieder Die Personenversicherung in ihrer Abgrenzung zur Schadensversicherung nach Schweiz. Privatversicherungsrecht (1953); Hempsel, Ossa G. Kelly Landesreferate in: Möller/Winter (Hrsg.) Materialien des Zweiten Weltkongresses für Versicherungsrecht, Bd. II, Die Gewinnversicherung, die Neuwertversicherung und die Taxe unter dem Blickwinkel des versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbots (1967); Huebner Life Insurance (1935); Kadatz-Hebel Die Lebensversicherung, in: 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, Bd II (1952); Kimball Insurance and Public Policy (1960); Koenig Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Auf. (1967); MacGillivray Insurance Law 9. Aufl. (1997); Merkin Insurance Contract Law (Loseblattausg.); Millauer Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung 2. Aufl. (1966); Möller Beziehung-Gefahr-Bedarf: Eine theoretische Untersuchung zu Grundfragen des Privatversicherungsrechts, ZVersWiss 1934 18; ders. Moderne Theorien zum Begriff der Versicherung und des Versicherungsvertrages, ZVersWiss 1962 269; Patterson Essentials of Insurance Law (1957); Philipps A Treatise on the Law of Insurance, Bd. II (1867); Picard-Besson Les assurances terrestre en droit français 2. Aufl. (1964); Porter The Law of Insurance, 8. Aufl. (1933); Predöhl Begriff und Wesen des Versicherungsvertrages, ZHR 22 441; Reichert-Facilides Zivilrechtliche Betrachtungen zum gerechten Verhältnis von Versicherungsschutz und Versicherungsentgelt, VersArch 1956 95; Rüdiger Die Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrag (1885); Schmidt-Rimpler Über einige Grundbegriffe des Privatversicherungsrechts, in: Beiträge zum Wirtschaftsrecht, Heft 62 (1931) S. 1211; ders. Zum Begriff der Versicherung, VersR 1963 493; Schmitt Abgrenzung der Versicherung auf fremdes Leben von Spiel und Wette, Diss. Würzburg 1933; Schweitzer Das versicherte Interesse (im Binnenversicherungsrecht) (1990); Schwintowski Der private Versicherungsvertrag zwischen Recht und Markt (1987); Sieg Die Lebensversicherung als Versorgungsinstrument – Kritische Betrachtungen zum juristischen Befund, ZVersWiss 1974 97; v. Staudinger Die Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrag (1858); Stone/Cox Life Assurance Policy Conditions (1961); Tiefenbacher Das Bereicherungsverbot im Lebensversicherungsrecht, Diss. Hamburg 1948; Wälder Über das Wesen der Versicherung (1971); Winter Konkrete und abstrakte Bedarfsdeckung in der Sachversicherung (1962); ders. Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger (1989); ders. Grenzlinien der Lebensversicherung: „insurable interest“, biometrisches Risiko und Kapitalisierungsgeschäfte, VersR 2004 8; ders. Versicherungsaufsichtsrecht (2007); ders. Die Verabschiedung des allgemeinen Bereicherungsverbots, FS. Wälder (2009) S. 103.

Übersicht Rn. I. Vielfältige Funktionen der Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . II. Absicherung des biometrischen Risikos . III. Lebensversicherung als abstrakte und konkrete Bedarfsdeckung . . . . . . . . 1. Lebensversicherung als Bedarfsdeckung und Absicherung von Vermögensgestaltungszielen . . . . . . . . . . . . 2. Lebensversicherung als Summenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lebensversicherung als Personenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zuordnungsfrage: Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung bei der Lebensversicherung einschließlich Zusatzversicherungen . . . . . . . . . . . .

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128 134 140

140 141 143

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Rn. 5. Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung und versichertes Interesse in der Lebensversicherung bis zur Schaffung des VVG 1908 . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzgebung . . . . . . . . . . . b) Rechtssprechung . . . . . . . . . . c) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . d) Bedingungswerke der Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . e) Schaffung des VVG 1908 . . . . . 6. Exkurs: Insurable Interest in der Lebensversicherung nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegung . . . . . . . . . . . . b) Insurable Interest bei der Versicherung des eigenen Lebens . . . . . .

146 148 155 156 157 158

159 159 160

Allgemeines zur Lebensversicherung Rn. c) Insurable Interest bei der Lebensfremdversicherung . . . . . . . . . d) Insurable Interest des Begünstigten bzw. des Zessionars . . . . . . . . e) Breiter Ausnahmebereich . . . . . f) Versicherbares Interesse seit dem Gambling Act 2005 . . . . . . . . 7. Ablehnung eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung während des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . 8. Anerkennung des versicherten Interesses für die Lebensversicherung nach dem VVG 2008 . . . . . . . . . . . . . . a) Herleitung . . . . . . . . . . . . . b) Definition und Funktion des versicherten Interesses in der Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen bei Anwendung des § 80 VVG . . . . . . . . . . . . . d) Kein zwingendes Erfordernis eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . e) Folgerungen für die Praxis . . . . . 9. Zwingende rechtliche Grenzen des Lebensversicherungsvertrages . . . . . IV. Elemente der konkreten Bedarfsdeckung auch in der Lebensversicherung und ihren Zusatzversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle Grenzen des Summenleistungsprinzips . . . . . . . . . . .

161 163 164 165

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Einf Rn.

a) Gegen die Einschränkung des Summenleistungsprinzips geäußerte Argumente . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen des Summenleistungsprinzips in den einzelnen Formen der Lebensversicherung . . . . . . 2. Lebensversicherung mit Elementen der Schadensversicherung . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Restschuldversicherung . . . . . . c) Hypothekentilgungsversicherung . d) Erbschaftssteuerversicherung . . . e) Rückdeckungsversicherung . . . . f) Berufsunfähigkeitszusatzversicherung . . . . . . . . . . . . g) Sterbegeldversicherung . . . . . . . h) Gruppenversicherung . . . . . . . 3. Lebensversicherung als echte Schadensversicherung . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzziehung zwischen abstrakter und konkreter Bedarfsdeckung . . . . . . V. Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung – Problematik des § 762 BGB . VI. Abgrenzung der Lebensversicherung von anderen Versicherungszweigen . . . . . 1. Unfall- und Berufunfähigkeitsversicherung . . . . . . . . . . . . . 2. Krankenversicherung . . . . . . . . . 3. Dread-Desease-Versicherung . . . . . 4. Haftpflichtversicherung . . . . . . . . 5. Probandenversicherung . . . . . . . .

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192 207 207 208 210 211 212 213 214 215 218 219 221 225 225 228 229 230 232

I. Vielfältige Funktionen der Lebensversicherung Schon der Blick auf die unterschiedlichen Formen der Lebensversicherung lässt deut- 128 lich werden, dass mit der Lebensversicherung vielfältige Funktionen zu verbinden sind. Das VVG ermöglicht in der Lebensversicherung einen nahezu unbeschränkten Gestaltungsspielraum, einengend wirken jedoch steuerrechtliche Bestimmungen. Anders als bei Versicherungen mit konkreter Bedarfsdeckung, bei denen die Ersetzung eines Schadens im Mittelpunkt steht und bei denen der Geschädigte – soweit es nicht zu anders lautenden Vereinbarungen gekommen ist – der natürliche Empfänger der Versicherungsleistung ist, kann der VR in der Lebensversicherung über die Versicherungssumme grundsätzlich frei verfügen. Diese Gestaltungsfreiheit gelangt in der Lebensversicherung in den unterschiedlichen Versicherungsformen zum Ausdruck, und soweit es hier zu Beschränkungen kommen kann, hat der LebensVR die Möglichkeit, durch Nutzung des Instituts der Kapitalisierungsgeschäfte die breite Angebotspalette sogar noch zu vergrößern. Die schon seit Beginn der Lebensversicherung gegebene und nach wie vor besonders 129 wichtige Funktion ist es, die Versorgung naher Angehöriger, aber auch – insbes. mit Hilfe der weit verbreiteten Rentenversicherung – die Alterssicherung des VN zu gewährleisten. Hierin liegt die bedeutsame soziale Funktion der Lebensversicherung, die angesichts der Finanzierungsschwierigkeiten der auf dem Umlageprinzip und dem Generationenvertrag aufbauenden Gesetzlichen Rentenversicherung in den letzten Jahrzehnten erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Angesichts der Komplementärfunktion der privaten Lebensversicherung zur Verbesserung der Alters- und Hinterbliebenenversorgung

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durch die Gesetzliche Rentenversicherung gilt das insbes. auch für die dort gegebenen Versorgungslücken (beispielsweise während der Wartezeit oder in Zeiten noch sehr niedriger Rentenanwartschaften). Ebenso wenig wie in der Gesetzlichen Rentenversicherung widersprechen und beeinträchtigen sich dabei die mit der kapitalbildenden, gemischten Lebensversicherung angestrebten Versorgungsziele Altersversorgung und Hinterbliebenenversorgung. Stirbt der VN als Gefahrsperson vor Eintritt des Erlebensfallzeitpunktes (also beispielsweise vor Erreichung des 65., 67. oder 68. Lebensjahres), so entfällt die Altersversorgung des VN und die zugesagten Renten können zur Hinterbliebenenversorgung verwandt werden. Erreicht der VN aber den Erlebensfall, so bedarf es keiner Hinterbliebenenversorgung mehr, die vereinbarte Versicherungssumme oder die zu leistenden Rentenbeträge werden zu der sodann noch erforderlichen Absicherung der Familienangehörigen verwandt. Dabei ist es dem Prinzip nach unerheblich, ob es sich um eine Kapital- oder um eine Rentenversicherung handelt, die der Alters- und Hinterbliebenenversorgung dienen soll. Von großer Bedeutung ist bei der Lebensversicherung aber auch die Kreditsicherungs130 funktion. Nimmt der VN bei einer Bank ein Darlehen – beispielsweise um den Bau oder Kauf eines Hauses oder einer Eigentumswohnung zu finanzieren – auf, so kann er den Anspruch aus seiner Lebensversicherung an den Kreditgeber abtreten und ihn, der beim Tode des VN die Versicherungssumme ausbezahlt erhält, auf diese Weise absichern. Anstelle der Abtretung der Lebensversicherung kann der VN den Kreditgeber auch als Bezugsberechtigten einsetzen. Darüber hinaus kann er einen etwa auftauchenden Geldbedarf durch Rückgriff auf den Rückkaufswert der Versicherung befriedigen. Die Abtretung des gesamten Versicherungsanspruchs oder eines Teiles davon ist nach der Einräumung eines Bezugsrechts die häufigste Verfügung über Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag. Dass es dabei zu Interessenkonflikten zwischen den Beteiligten kommen kann, liegt auf der Hand. Gesetzgeber, Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft haben im Laufe der Zeit ein ausgewogenes Geflecht von rechtlichen Instituten und Vorschriften geschaffen, mit denen im konkreten Fall auf die unterschiedlichen Bedürfnisse reagiert werden kann (beispielsweise mit der Unterscheidung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Bezugsberechtigung). Eine weitere wichtige Funktion der kapitalbildenden Lebensversicherung ist die Kapi131 talanlage. Sie darf – in der Form der Lebensversicherung – niemals reine Kapitalanlage sein, denn mit einer Lebensversicherung ist stets die Übernahme eines biometrischen Risikos durch den Versicherer verbunden. Eine reine Kapitalanlage kann nur im Wege der Kapitalisierungsgeschäfte erfolgen, wie sie LebensVU gestattet sind. Häufig wurden in der Vergangenheit kapitalbildende, insb. fondsgebundene Lebensversicherungen mit einem minimalen Versicherungsschutz abgeschlossen, um auf diese Weise Steuern zu sparen. Ab dem 1.4.2009 sind derartige Versicherungen jedoch nur noch dann steuerbegünstigt, wenn sie einen Mindesttodesfallschutz aufweisen, der bei Verträgen mit laufender Beitragszahlung mindestens 50 % der Beitragssumme über die gesamte Laufzeit hin beträgt; bei Verträgen gegen Einmalbeitrag, abgekürzter Beitragsdauer oder fondsgebundenen Policen sind als Todesfallschutz mindestens 10 % über dem Vertragswert vorgeschrieben.99 Je nach der vom VN ins Auge gefassten Funktion der Versicherung können die Par132 teien entweder die Form einer Risikoversicherung oder einer kapitalbildenden Versiche-

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BTDrucks. 16/11 108 S. 19 f.; Goverts VW 2009 1760, 1761.

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rung wählen, die Versicherungsleistung kann in Zahlung eines Kapitalbetrages oder in der Leistung von Renten bestehen. Die sog. Sparversicherung, bei der lediglich ein Sparvorgang gegeben ist und der VR kein Risiko (mit Ausnahme der Zinsgarantie) übernimmt, ist keine Versicherung im rechtlichen Sinne. Sie wird nicht mehr angeboten. Alterungs- und sonstige Risiken wie z.B. das Berufsunfähigkeitsrisiko, das Dread- 133 Desease-Risiko, die Unfallversicherung können regelmäßig mitversichert werden. Für diese und weitere mit der Lebensversicherung verbundene Funktionen haben sich in der Praxis eine Vielzahl von Tarifen herausgebildet, die der potentielle Kunde nur schwer überblicken kann – der Erforschung der Interessenlage des VN und seiner Beratung wird daher zu Recht erhebliches Gewicht beigemessen.

II. Absicherung des biometrischen Risikos Bekanntlich enthält das VVG nach wie vor keinen näher umschriebenen Begriff der 134 Lebensversicherung, auch in der für sämtliche Versicherungszweige geltenden Vorschrift des § 1 ist nur der Kernbereich des Instituts der Versicherung zum Ausdruck gelangt, eine rechtliche Definition, die bei der Ermittlung von Grenzlinien für Versicherungsprodukte eine ausreichende Eingrenzung des Anwendungsbereichs bewirken würde, ist damit nicht vorgenommen worden und ist auch nicht gewollt. Durch die weithin offene Formulierung soll gewährleistet werden, dass nicht nur gegenwärtig gängige oder zumindest bekannte Versicherungsprodukte vom VVG erfasst werden. Das gilt insbes. auch für die Lebensversicherung, deren Ausgestaltung vor der Gesetzesreform intensiv diskutiert worden ist.100 Die verschiedenen Wesensmerkmale der Versicherung, auch der Lebensversicherung, sind an anderer Stelle ausführlich erörtert worden.101 Darauf sei verwiesen. Das für die Lebensversicherung charakteristische und zentrale Wesensmerkmal ist die Übernahme eines biometrischen Risikos durch den VR.102 Dabei handelt es sich um das Todesfallrisiko, aber auch das Risiko der Langlebigkeit, hinzutreten das Berufsunfähigkeitsrisiko, das Dread-Desease-Risiko, das Unfallrisiko und das Pflegefallrisiko. Je nach dem Verhältnis von risikoabhängigen und risikounabhängigen Leistungen ist der Lebensversicherungsvertrag bei einem zu geringen Risikoanteil als versicherungsfremdes Finanzgeschäft anzusehen. Verspricht der VR seinem VN jedoch bestimmte Renditeleistungen, so trägt er zwar auch hier ein Risiko, nämlich ob er diese Rendite auch erwirtschaften kann. Es handelt sich dabei aber nicht um ein biometrisches Risiko, sondern ein sonstiges. Der Umstand, an den die Leistung des VR anknüpft, muss hinsichtlich seines Eintritts 135 oder des Zeitpunkts des Eintritts – so in der Todesfallversicherung – ungewiss sein. Die Ungewissheit kann sich also auf das Wann der Bedarfsentstehung beschränken. Soweit – wie es grundsätzlich der Fall ist – in der Lebensversicherung die Versicherungsleistung summenmäßig vertraglich bestimmt ist, stellt sich damit nicht das Problem der Ungewissheit hinsichtlich der Höhe der Versicherungsleistung. Bei der Lebensversicherung mit festem Auszahlungstermin – also der Termfixversicherungt – tritt der Bedarf in bestimmter Höhe mit dem zeitlich ungewissen Tode ein, nur die Fälligkeit der Versicherungssumme ist auf einen vorbestimmten Zeitpunkt verschoben.103 Das Risiko auch in der Lebensversicherung muss ohne inneren Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft anderer Art 100

101 102

Karten/Werber/Winter (Hrsg.) 37 ff.; sowie Bruck/Möller/Niederleithinger B 1 Reform Einf. E Rn. 33, 56 ff. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 98–224. Zu den biometrischen Rechnungsgrund-

103

lagen z.B. Deutsche Aktuarvereinigung DAV-Mitteilung Nr. 194 unter 2. Dörstling HansRZ 1918 Sp. 694 ff.; BGH 11.2.1953 VersR 1953 109; OLG Nürnberg 21.12.1951 VersR 1952 122.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

übernommen werden, es darf sich nicht um eine bloße Nebenabrede eines vertragstypologisch anders einzuordnenden Geschäfts handeln. Tritt die Risikotragung zu weit in den Hintergrund, sodass sie lediglich als unselbstständige Nebenleistung eines anderen Geschäfts zu sehen ist, kann nicht mehr von einem Lebensversicherungsvertrag gesprochen werden. Bei der kapitalbildenden Lebensversicherung darf es allerdings nicht falsch verstanden werden, wenn dort das Sparelement von dem Risikoelement unterschieden wird: Denn die gemischte Lebensversicherung mit ihrer Sparfunktion ist versicherungstechnisch allein die Zusammensetzung einer Erlebensfallversicherung mit einer Todesfallversicherung. Die gemischte Lebensversicherung ist damit gänzlich vom biometrischen Risiko geprägt. Von einer Sparfunktion wird in diesem Zusammenhang nur gesprochen, um dem VN deutlich werden zu lassen, dass die Kombination der beiden Versicherungen im wirtschaftlichen Ergebnis zu einer Sparkomponente führt. Zur Verneinung eines ausreichenden biometrischen Risikos durch die Rechtsprechung 136 ist es in den letzten Jahren wiederholt gekommen. Das geschah beispielsweise bei Lebensversicherungen auch mit ungewöhnlichen Größenordnungen, die sich auf langfristige Finanzierungen im gewerblichen Bereich (Großbauvorhaben, Unternehmensübernahmen) beziehen sollten und an denen regelmäßig die kreditgebende Bank, der Darlehensnehmer (der zugleich der VN ist) und der Versicherungsvermittler beteiligt sind. Der Darlehensnehmer hatte dabei nur die laufenden Zinsen zu zahlen, zur Tilgung sollten die Lebensversicherungen dienen. Das sollte in der Weise geschehen, dass das Darlehen bei Fälligkeit durch den allmählich entstehenden Rückkaufswert der Lebensversicherung getilgt wird. Auch wenn eine steuerliche Förderung – soweit ersichtlich – bei diesen Versicherungen nicht in Anspruch genommen wurde, war hier – in der Regel waren sie als Rentenversicherung konzipiert – die Qualifikation als Versicherung zu verneinen, wenn beispielsweise nur sehr junge Gefahrspersonen (für einen entsprechend langen Zeitraum) eingesetzt wurden, die Gefahrspersonen zudem auswechselbar waren oder das biometrische Risiko sogar ausdrücklich ausgeschlossen war, mit der Folge, dass es sich nicht um Lebensversicherungen, sondern stattdessen um Kapitalisierungsgeschäfte handelte.104 Durch besondere Klarheit zeichnet sich ein Urteil des BFH105 aus: Das Gericht hatte sich mit dem Fall zu befassen, dass ein Unternehmen für seine Arbeitnehmer Verträge abgeschlossen hatte, die als „aufgeschobene Leibrentenversicherungen mit Beitragsrückgewähr und garantierter Mindestlaufzeit von fünf Jahren“ bezeichnet wurden. Sollte die versicherte Person vor Rentenbeginn sterben, hatte der VR die geleisteten Beiträge einschl. der Überschussbeteiligung zurückzugewähren. Die monatlich zu zahlenden Versicherungsbeiträge unterwarf das Unternehmen dem pauschalen Steuersatz des § 40b EStG in Höhe von 10 %. Der BFH verneint zu Recht die Einordnung der Verträge als Lebensversicherungen, weil es Voraussetzung eines Lebensversicherungsvertrages sei, dass ein wirtschaftliches Risiko abgesichert wird, das „aus der Unsicherheit und Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens“ herrühre. In der Rentenversicherung sei das typischerweise gedeckte Risiko die ungewisse Lebensdauer als Rentner, das Erlebensfallrisiko. Wenn das mit der Rentenversicherung typischerweise verbundene Kapitalwahlrecht – wie hier – bereits bei Vertragsbeginn ausgeübt wurde, habe zu keiner Zeit das erforderliche Rentenwagnis bestanden. Aber auch ein Todesfallrisiko – also das Risiko des Todesfalls vor Eintritt des Kapitalauszahlungszeitpunkts – sei auf den VR nicht transferiert worden.

104

52

LG Hamburg 23.7.1998 NVersZ 1999 32; LG Düsseldorf 30.4.1997 VerBAV 1999 231; OLG Hamburg 12.2.2000 VerBAV 2000 163, 164.

105

BFH 9.11.1990 DB 1991 682, 683 = BB 1991 963, 964.

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Allgemeines zur Lebensversicherung

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Denn die im Falle des Todes vor Rentenbeginn zu erbringende Leistung der bis dahin gezahlten Beiträge zuzüglich einer etwaigen Überschussbeteiligung entspricht wirtschaftlich lediglich einer Rückabwicklung des Vertrages. Dem VN wird im Todesfall des Versicherten nicht mehr zur Verfügung gestellt als das, was er aus eigenen Mitteln bereits aufgebracht hat und was bei anderweitiger verzinslicher Anlage dem VN ebenfalls zustehen würde. Erst recht liegt in den durch den Abschluss des Vertrages entstandenen Verwaltungskosten und in den Provisionszahlungen keine Risikoübernahme. Denn es handelt sich nicht um das erforderliche biometrische Risiko. Die Provisionen und Verwaltungskosten dienen nicht der Abdeckung eines Bedarfs des VN und fließen ihm auch nicht durch die abgeschlossenen Verträge zu. Wo die Grenze zwischen Lebensversicherungsverträgen und Nichtversicherungsverträ- 137 gen zu ziehen ist oder wie umfassend das biometrische Risiko in einem Lebensversicherungsvertrag zum Ausdruck zu gelangen hat, kann im Einzelfall schwer zu bestimmen sein. Die Finanzverwaltung forderte früher als Voraussetzung für die steuerliche Förderung der Kapitallebensversicherung106 einen Todesfallschutz von mindestens 60 % der Beitragssumme, der spätestens nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsschluss einsetzen und für den gesamten Rest der Vertragslaufzeit bestehen musste.107 Nach dem seit 1.4.2009 geltenden Recht ist Voraussetzung für die steuerliche Förderung einer Kapitalversicherung bei laufender Beitragszahlung ein Mindesttodesfallschutz von 50 % der Beitragssumme über die gesamte Laufzeit hin. Bei Verträgen gegen Einmalbeitrag, mit abgekürzter Beitragsdauer oder von gebundenen Policen ist ein Todesfallschutz von zumindest 10 % über dem Vertragswert vorgeschrieben.108 Auch wenn kritisch hinterfragt werden könnte, ob sich ein Mindesttodesfallschutz 138 von 60 % aus dem Versicherungsbegriff ableiten lässt oder ob hier niedrigere Anforderungen zu stellen sind, so kann doch im Regelfall davon ausgegangen werden, dass ab 60 % Versicherungsschutz die Annahme einer Lebensversicherung unproblematisch ist. Liegt ein in dieser Weise geprägter gemischter Vertrag vor, so ist grundsätzlich das Versicherungsrecht auch für den gesamten Vertrag entscheidend. Das schließt allerdings nicht aus, für Rechtsfragen, die nur die Behandlung einer anderstypischen Nebenleistung – nicht also das Schicksal des Vertrages insgesamt – betreffen, das Recht der Nebenleistung anzuwenden. Die Verwirklichung des biometrischen Risikos muss gegen die Interessen des Versicher- 139 ten gerichtet sein.109 Damit wird der Lebensversicherungsvertrag zugleich von Spiel, Wette oder ähnlichen Verträgen abgegrenzt. Der Lebensversicherungsvertrag muss der Abdeckung von Gefahren dienen, deren Eintritt für den Versicherungsnehmer mit Nachteilen verbunden ist. Der Lebensversicherungsvertrag bietet dem VN somit wirtschaftliche Sicherheit bei bestimmten Risiken, es wird dem VN ermöglicht, wirtschaftliche Verluste zu kompensieren und seine wirtschaftlichen Ziele trotz des Eintritts des für ihn nachteiligen Ereignisses (Tod, Langlebigkeit) zu erreichen. Beim Todesfallrisiko liegt das auf der Hand, aber auch beim Langlebigkeitsrisiko ist davon auszugehen: Bei einem langen Leben treffen den VN bzw. seine Angehörigen Aufwendungen, mit Blick auf die er den Rentenversicherungsvertrag abschließt. Das Glücksspiel demgegenüber bietet allein unsichere Gewinnchancen, die wirtschaftliche Situation des VN kann sich bei Spiel und Wette durch den Eintritt des ungewissen Ereignisses nur verbessern, sie wird nicht verschlechtert.110 106 107 108

§§ 10 I 2b dd, 20 I Nr. 6 EStG a.F. BMF-Schreiben vom 22.8.2003 Rn. 23. BTDrucks. 16/11 108 S. 19 f.

109 110

Winter Versicherungsaufsichtsrecht 133. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 133.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

III. Lebensversicherung als abstrakte und konkrete Bedarfsdeckung 1. Lebensversicherung als Bedarfsdeckung und Absicherung von Vermögensgestaltungszielen

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Für die Lebensversicherung halten sich die Befürworter der Bedarfsdeckungs- und der Vermögensgestaltungstheorie in etwa die Waage.111 Beide Theorien haben ihren Ursprung in den Wirtschaftswissenschaften, die Plansicherungs- oder Vermögensgestaltungstheorie ist eine Weiterentwicklung der Bedarfsdeckungstheorie. Die Lebensversicherung wird vor allem als abstrakte Bedarfsdeckung, als Summenversicherung gesehen, nur wenige Lebensversicherungsformen beinhalten eine konkrete Bedarfsdeckung, die sich am entstandenen konkreten Schaden orientiert. Die Vermögensgestaltungstheorie sieht die Funktion der Versicherung – insbes. der Lebensversicherung – in der Erreichung eines „Vermögensgestaltungszieles“, beispielsweise in der Rentenversicherung. Den Ansatz der Vermögensgestaltungstheorie weiterentwickelnd sieht Braeß 112 die Störungen von „Wirtschaftsplänen“ und „Programmen“ im vollständigen oder teilweisen Ausfall geplanter Einnahmen und/oder im Auftreten nicht geplanter Ausgaben und die Funktion der Versicherung im Auffangen solcher Störungen. Er unterscheidet entsprechend zwischen Einnahmen- und Ausgabenversicherungen und sieht die Lebensversicherung im Wesentlichen als Einnahmenversicherung. Der Nachteil der Plansicherungs- oder Vermögensgestaltungstheorie liegt – wie gerade auch bei der Lebensversicherung deutlich wird – darin, dass sie nach wie vor im VVG keinen Niederschlag findet und für rechtliche Erkenntnisfragen nicht nutzbar gemacht werden kann. Gerade auch für die Zuordnung der Lebensversicherungsformen und die damit verbundenen Konsequenzen genießt die Bedarfsdeckungstheorie den Vorzug größerer Klarheit. 2. Lebensversicherung als Summenversicherung

141

Während die Versicherungsleistung in der Schadensversicherung grundsätzlich der Kompensation eines exakt bemessbaren Vermögensschadens dient, hinterlässt in der Summenversicherung die Gefahrverwirklichung wie Unfall oder Tod eine Situation, die zwar typischerweise in aller Regel nachteilig und somit bedarfsverursachend ist, aber eben nicht auch notwendigerweise in jedem Einzelfall. Darüber hinaus handelt es sich bei der Summenversicherung in aller Regel um Nachteile, deren Umfang nicht exakt bemessen werden kann. Es ist daher in Kauf zu nehmen, dass bei der abredemäßigen Festsetzung der Versicherungssumme eine vom wahren Bedarf mehr oder weniger abstrahierende Bedarfsschätzung vorgenommen wird. Ein Bedarf, ein Nachteil wird in Höhe der vereinbarten Versicherungssumme – sei es eine Kapitalleistung oder eine Rente – unter Abstrahierung von der konkreten Bedarfslage unwiderleglich vermutet.113 Demgegenüber ist der VR in der Schadensversicherung – die in der Lebensversiche142 rung nur selten anzutreffen ist – bei Eintritt des Versicherungsfalles grundsätzlich verpflichtet, dem VN den dabei verursachten Schaden zu ersetzen. Dieser Schaden ist materieller, bezifferbarer Schaden, der grundsätzlich im durch den Versicherungsfall verursachten Umfange ersetzt wird.

111 112

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Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 11, 12; ausführlich Bruck/Möller/Winter 8 Rn. B 65–70. Braeß ZVersWiss 1970 1 ff.

113

Bruck/Möller 8 Bd. II Vorbem. 2 vor §§ 49–80L Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 57.

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3. Lebensversicherung als Personenversicherung Bei der Personenversicherung verwirklicht sich das Risiko im Zusammenhang „mit 143 der Körperlichkeit eines Menschen“, dem Tod, dem Erleben, der Berufsunfähigkeit, dem Unfall usw.114 Bei der Personenversicherung liegt der Versicherungsfall in einem „Ereignis, das sich unmittelbar im leiblichen oder rein persönlichen Lebensbereich eines Menschen zuträgt“.115 Zu eng wäre dabei das Abstellen auf die körperliche Integrität, da auch der Erlebensfall als bedarfsauslösender Versicherungsfall berücksichtigt werden muss. Die Einordnung der Lebens-, der Berufsunfähigkeits- und der Unfallzusatzversicherung als Personenversicherung hat Auswirkungen für die Ausgestaltung des Versicherungszweiges: Zum einen gilt für diese Versicherungsformen insbes. (auch) das Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung,116 andererseits kennt die Lebensversicherung einschl. ihrer Zusatzversicherungen nach der h.M. kein versichertes Interesse – dem kann allerdings nicht beigepflichtet werden.117 4. Zuordnungsfrage: Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung bei der Lebensversicherung einschließlich Zusatzversicherungen Durch die Neufassung des VVG ist die umfangreiche Literatur zur Zuordnung eines 144 Versicherungszweiges zur Summen- oder Schadensversicherung weithin Makulatur geworden:118 Ebenso wie in der Nichtpersonenversicherung nicht nur eine konkrete Bedarfsdeckung, sondern auch Formen der abstrakten Bedarfsdeckung vereinbart werden können, findet sich in der Personenversicherung nicht nur die Summen-, sondern auch die Schadensversicherung. Eine konkrete Bedarfsdeckung wird in der Personenversicherung insbes. in der Kranken- und der Unfallversicherung gewählt, in der Lebensversicherung ist sie nur vereinzelt anzutreffen. Die Lebensversicherung wird einschl. ihrer Zusatzversicherungen nach wie vor grundsätzlich nach dem Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung betrieben. Die Schadensversicherung ist in der Lebensversicherung auf die Fälle beschränkt, in denen sie versicherungstechnisch möglich und sinnvoll ist. Ist die abstrakte Bedarfsdeckung vereinbart, so ist die Summenleistungsvereinbarung 145 grundsätzlich nicht angreifbar, die vereinbarte Summe ist auch dann zu zahlen, wenn der Versicherungsfall nachweislich nicht zu einem Schaden bzw. einem gleichhohen Schaden führe. Auch ein versichertes Interesse oder insurable interest wird in der Lebensversicherung und der sonstigen Personenversicherung mit abstrakter Bedarfsdeckung weder dem Grunde noch der Höhe nach für unerlässlich gehalten.119 Das bedarf jedoch der Präzisierung, der ein Blick in die Vergangenheit120 und ein Blick auf das englische Recht vorausgeschickt wird.121

114

115 116 117

Bruck/Möller8 Bd. II Vorbem. 2 vor §§ 49–80L Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 57. Büchner/Winter 75. Vgl. sogleich Rn. 144 f. Dazu unten Rn. 146 ff.

118 119 120 121

Im Einzelnen Winter FS. Wälder 107 ff. Winter VersR 2004 8, 11; a.A. Gärtner 128; Dickstein 113 ff: Näheres unter Rn. 165 ff. Sogleich Rn. 146 ff. Sodann Rn. 159 ff.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

5. Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung und versichertes Interesse in der Lebensversicherung bis zur Schaffung des VVG 1908 Bis zum Erlass des VVG 1908 war das Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung sehr viel enger mit der Lebensversicherung verbunden, als es in der Gegenwart angesichts der versicherungsgesetzlichen Festschreibung möglich ist. Die Verknüpfung der konkreten Bedarfsdeckung mit der Lebensversicherung gilt dabei sowohl für den Gesetzgeber des 18. und 19. Jahrhunderts als auch für die Rechtsprechung, das Schrifttum und die Lebensversicherungsbedingungen jener Zeit, wobei sich Ende des 19. Jahrhunderts – besonders im Schrifttum und in der Praxis – eine Abkehr von der tradierten Auffassung erkennen lässt. Die Einschätzung der Lebensversicherung als Schadens- oder Summenversicherung 147 ging dabei einher mit der Frage nach einem versicherten Interesse in der Lebensversicherung. Die Lehre vom versicherten Interesse geht zurück auf de Casaregis, Discursus legales de commercio, Florenz 1719, der das versicherte Interesse als Abgrenzungskriterium des Versicherungsvertrages zum Wettvertrage entwickelte. Mit dem Aufkommen der Lebensversicherung ergab sich gerade im Hinblick auf das versicherte Interesse die Schwierigkeit, dass hier kein rechter Anknüpfungspunkt für die Bewertung des versicherten Interesses zu finden war, eine auch rechnerisch in jeder Versicherungsform haltbare Bestimmung des versicherten Interesses erwies sich als nicht möglich. So ist die Problematik des versicherten Interesses in der Lebensversicherung eng verknüpft mit der dogmatischen Zuordnung der Lebensversicherung zur Schadensversicherung bzw. Summenversicherung.122

146

a) Gesetzgebung. Im Hinblick auf die Lebensversicherung war es ganz allgemein Ziel der Gesetzgebung, die aleatorischen Verträge von der echten Versicherung abzugrenzen und Vorschriften zu schaffen, die den Missbrauch der Lebensversicherung zu rechtswidrigen Zwecken ausschlossen. Die Lebensversicherung wurde dabei überwiegend als Teil der Schadensversicherung betrachtet, was Tiefenbacher mit der historischen Entwicklung der deutschen Lebensversicherung aus der englischen Seeversicherung erklärt.123 So sollte auch der Zweck der Lebensversicherung in aller Regel der Ersatz eines bestimmten Schadens sein. Das Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung in der Lebensversicherung ist dabei beson149 ders eindeutig im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zum Ausdruck gelangt. Danach durfte das eigene Leben unbeschränkt (ALR II 8, 13 § 1968), das Leben Dritter zum eigenen Vorteil, also zum Vorteil des VN nur versichert werden, wenn der VN zur Gefahrsperson in nahen verwandtschaftlichen Beziehungen stand (§ 1971) oder wenn die Gefahrsperson in den Abschluss des Vertrages gerichtlich einwilligte (§ 1973). Die Höhe der Versicherungssumme war dadurch begrenzt, dass sich der VN „nur gegen Schaden decken“, niemals aber „Bereicherung dadurch suchen“ dürfe (§ 1983). Das ALR forderte somit für die Fremdversicherung einmal ein materielles Interesse und zum anderen grundsätzlich auch die Zustimmung des zu versichernden Dritten. Dabei durfte die Versicherungssumme beim Abschluss des Vertrages die Höhe des befürchteten Schadens nicht übersteigen, doch war die Höhe des schließlich eingetretenen Schadens für die Leistungspflicht des VR ohne Bedeutung und das Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung damit nicht voll gewahrt.

148

122

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Vgl. zur Interesselehre insgesamt Gärtner ZVersWiss 1963 337 ff.

123

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Allgemeines zur Lebensversicherung

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Schwächer ist dieses Prinzip auch im Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg aus dem Jahre 1839 zum Ausdruck gelangt, in dem sich Regelungen finden, die auf dem Umwege über das holländische Handelsgesetzbuch von 1838 aus dem englischen Recht entnommen sind. Der Entwurf betrachtet auch die Lebensversicherung als Schadensversicherung und bestimmt ganz generell, dass der Versicherte oder derjenige, für dessen Rechnung die Versicherung genommen wird, zur Zeit des Vertragsabschlusses ein geldwertes Interesse an dem versicherten Gegenstand besitzen müsse (§ 430 des Entwurfs). Rechtswirksam ist dabei lediglich eine zeitlich begrenzte Todesfallfremdversicherung, eine unbegrenzte Todesfallfremdversicherung wird als aleatorischer Vertrag angesehen. Das materielle Interesse des VN braucht sich in der Lebensversicherung dabei nicht in einer „bestimmten Wertsumme nachweisen“ zu lassen.124 Auch der Entwurf eines Handelsgesetzbuches für die Preußischen Staaten von 1857 bleibt dem Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung für die Lebensversicherung im Ansatz grundsätzlich treu: Ganz generell solle auch die Lebensversicherung „unter den Gesichtspunkt der Vergütung eines Schadens oder entgangenen Gewinns“ fallen, sie dürfe nicht zu einer Bereicherung des Versicherten führen.125 Allerdings wird in § 382 des Entwurfs für die Lebensversicherung dabei auch das Summenleistungsprinzip eingeführt, wobei die Höhe der Versicherungssumme insoweit „von den Kontrahenten nach ihrem Gutdünken“ bestimmt werden kann. Eine Abwendung vom Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung in der Lebensversicherung wird dabei schon im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern im Jahre 1861 vollzogen. Die Lebensversicherung wird als Summenversicherung gesehen, auf die die Prinzipien der Schadensversicherung grundsätzlich nicht anwendbar seien.126 Der Dresdner Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866 geht dagegen wieder vom Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung auch für die Lebensversicherung aus, er verlangt ein vermögensrechtliches Interesse des VN am Leben der Gefahrsperson, ein verwandtschaftliches Interesse genügt nicht, und der Lebensversicherungsvertrag „erlischt, wenn das Interesse, für welches die Versicherung genommen worden ist, wegfällt“ (Art. 917 des Entwurfs). Schwächer ist das Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung für die Lebensversicherung dagegen in dem durch Bähr im Auftrage der Reichsregierung erstellten Entwurf eines Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag ausgeprägt.127 Alles in allem ist der Grundsatz der konkreten Bedarfsdeckung auch in der Lebensversicherung in dem ALR und den verschiedenen Gesetzesentwürfen mit einer Ausnahme deutlich zum Ausdruck gelangt. Fast stets wird ein materielles Interesse des VN am Leben der Gefahrsperson gefordert.

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151

152

153

154

b) Rechtssprechung. Die Rspr. hat sich bis 1908 nur selten mit dieser Frage beschäf- 155 tigt, dabei allerdings stets zu erkennen gegeben, dass die Lebensversicherung grundsätzlich wie jede Schadensversicherung zu behandeln sei und auch ihr ein vermögensrechtliches Interesse zugrunde liegen müsse. Gleichwohl stehe die Vereinbarung der Versicherungssumme im Belieben der Parteien, da das Leben eines Menschen wertmäßig nicht abschätzbar sei.128 124 125 126 127

Motive zu § 497 des Entwurfs. Motive zu § 327. Vgl. § 827 I, III des Entwurfs. ArchBR 7 1.

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RG 17.3.1908 NJW 1908 348 und die Erörterung der gerichtlichen Entscheidungen bei Brecher 48–50; vgl. aber auch Tiefenbacher 114.

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c) Schrifttum. Das Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung auch für die Lebensversicherung wird im Schrifttum dabei zunächst ganz grundsätzlich gefordert. Eine Abkehr von der tradierten Auffassung findet sich jedoch schon bei Benecke,129 der 1805 forderte, jeder Versicherung und damit der Lebensversicherung müsse ein in Geld schätzbares Interesse zugrunde liegen, wobei man allerdings in der Lebensversicherung auf den Nachweis eines „wirklichen“ Interesses verzichten könne, wenn eine Einwilligung der Gefahrsperson zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrages gegeben sei. Pöhls130 versucht 1832, die Prinzipien des Seeversicherungsrechts auf die Lebensversicherung zu übertragen, begnügt sich in der Lebensversicherung jedoch mit einem „allgemeinen“ Interesse. v. Staudinger131 sieht 1858 den Schaden bei der Lebensversicherung in dem durch den Tod bedingten Aufhören jeder wirtschaftlichen Tätigkeit des Versicherten und verlangt ein materielles Interesse des VN, wobei die Versicherungssumme allerdings nicht zu begrenzen sei. Andere betonen den mit einer Lebensversicherung verbundenen Sparvorgang und sehen den Schaden des VN in dem Ausfall des beabsichtigten Sparergebnisses, eine Auffassung, die die Lebensversicherung im Hinblick auf ein versichertes Interesse nur partiell erfasst.132 Goldschmidt133, Mittelstadt134 und Mittermaier135 vertreten die Ansicht, dass in der Lebensversicherung zwar grundsätzlich ein materielles Interesse gegeben sein müsse, sie sich aber ausnahmsweise auch auf ein ideelles Interesse gründen könne. Eine entschiedene Abkehr vom versicherten Interesse in der Lebensversicherung vollzog Endemann,136 der ein wie auch immer geartetes Interesse für die Lebensversicherung nicht für erforderlich hielt und die Lebensversicherung allein nach dem Summenleistungsprinzip betreiben wollte. Zahlreiche Anhänger fand schließlich Ehrenberg,137 der darlegte, dass im Versicherungswesen eine ganze Reihe von Versicherungsformen gegeben sei, die zu aleatorischen Zwecken nicht missbraucht werden könnten. Damit sei ein Interessebegriff entbehrlich, der lediglich die Funktion habe, eine Abgrenzung zu den aleatorischen Verträgen zu ermöglichen. So sei beispielsweise auch die Gefahr eines Wettvertrages bei der Versicherung auf eigenen Tod so gut wie nicht vorhanden, sodass von dem Nachweis eines versicherten Interesses abzusehen sei. Liege – wie beispielsweise bei der Versicherung auf fremden Tod – die Gefahr einer Wettversicherung nicht so fern, sei der Nachweis des versicherten Interesses nicht die einzige Möglichkeit, um aleatorische Verträge zu vermeiden. Es sei hier die Einwilligung der Gefahrsperson als ausreichender Schutz anzusehen, um diese Einwilligung als Ersatz für ein versichertes Interesse gelten zu lassen. Insgesamt ist damit schon für das Ende des 19. Jahrhunderts zu konstatieren, dass sich das Schrifttum von dem Erfordernis eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung ganz weitgehend allmählich abwandte.

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d) Bedingungswerke der Lebensversicherung. Damit einher ging die Entwicklung in der Praxis. Im ersten und zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts forderten die meisten der größeren deutschen LebensVR nach ihren Versicherungsbedingungen bei der Fremdlebensversicherung den Nachweis eines materiellen Interesses beim VN. Im letzten Drittel des Jahrhunderts erkannten die LebensVR jedoch schon das Summenleistungsprinzip an, verzichteten auf den Nachweis des Interesses und verlangten bei der Fremdlebensversicherung lediglich die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson.138 129 130 131 132 133

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Benecke Bd. I 203 290, 541. Pöhls 66–67, 76. v. Staudinger Die Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrag (1858). Statt vieler Rüdiger 132. Goldschmidt ZHR 23 179, 181.

134 135 136 137 138

Mittelstadt GruchBeitr 38 327, 358. Mittermaier ZHR 23 199, 202 f. Endemann ZHR 10 242, 282. Ehrenberg Bd. I 293–297. Einzelheiten bei Tiefenbacher S. 114 f. m.w.N.

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e) Schaffung des VVG 1908. Nach langem Ringen hat sich der Gesetzgeber insbeson- 158 dere auch im Hinblick auf die Praxis der Lebensversicherung der Ansicht Ehrenbergs angeschlossen und entschieden, dass die Einwilligung der Gefahrsperson nach § 159 Abs. 2 genüge, ohne dass ein wirtschaftliches oder auch nur ein ideelles Interesse gegeben sein muss.139 Das VVG geht für die Lebensversicherung vom Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung aus und hat sich von der zuvor vertretenen Einordnung der Lebensversicherung als Schadensversicherung bewusst gelöst. 6. Exkurs: Insurable Interest in der Lebensversicherung nach englischem Recht a) Grundlegung. Im englischen Recht ist für den Lebensversicherungsvertrag wie für 159 jeden Versicherungsvertrag ein insurable interest erforderlich, das den Versicherungsvertrag von den die rechtliche Anerkennung früher nicht genießenden Wettverträgen unterscheidet und das von Dennis Browne in seiner klassischen und noch immer geltenden Definition sowohl für die Nichtpersonenversicherung wie für die Personenversicherung wie folgt gekennzeichnet wird: „Where the assured is so situated that the happening of the event on which the insurance money is to become payable would, as a proximate cause, involve the assured in the loss or diminution of any right recognised by law or in any legal liability there is an insurable interest in the happening of that event to the extent of the possible loss or liability“.140 In der Lebensversicherung bedarf es des insurable interest allerdings nur beim Abschluss des Versicherungsvertrages.141 Dabei ist nach den einzelnen Versicherungsarten in der Lebensversicherung und den einzelnen Personengruppen zu differenzieren.142 b) Insurable Interest bei der Versicherung des eigenen Lebens. Nach englischem 160 Recht hat jedermann ein uneingeschränktes Interesse an seinem eigenem Leben, auch ein materielles Interesse braucht insoweit nicht nachgewiesen werden, sein Vorhandensein wird vermutet.143 Das Interesse am eigenen Leben rechtfertigt zudem jede Versicherungssumme, für den VN ist es ohne weiteres zulässig, eine beliebig hohe Versicherungssumme zu wählen und sich auch mehrfach zu versichern.144 c) Insurable Interest bei der Lebensfremdversicherung. Bei der Lebensfremdversiche- 161 rung ist Voraussetzung für einen rechtswirksamen Lebensversicherungsvertrag, dass der VN oder der Begünstigte zur Zeit des Vertragsabschlusses ein insurable interest am Leben der Gefahrsperson hat. Ein solches Interesse ist ganz grundsätzlich ein materielles Interesse; ein ideelles Interesse, die Erwartung eines Vorteils oder die Befürchtung eines Verlustes genügt in aller Regel nicht. Dabei darf die vereinbarte Versicherungssumme bei Abschluss des Vertrages den Wert des versicherten Interesses nicht übersteigen.145 Insbesondere ist auch bei verwandtschaftlichen Beziehungen ein versicherbares Inte- 162 resse grundsätzlich nicht gegeben, soweit nicht ein fälliger Unterhalts- oder sonstiger materieller Anspruch besteht. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, das Verhältnis zwischen Geschwistern, nicht jedoch für das Verhältnis zwischen

139 140

141

Bruck/Dörstling § 1 Anm. 35. Browne in MacGillivray/Browne Insurance Law, 5. Aufl. (1961) S. 187; vgl. auch Merkin A.4.2-01 ff. unter Bezugnahme auf Sections 1, 3 Life Assurance Act 1774. Ausführlich Merkin A.4.2-03-05.

142

143 144 145

Zu den Bestimmungen des damaligen Gambling Act vgl. in diesem Zusammenhang Möller/Winter/Hempsell Bd II S. 112. Crawley 24. Porter 43. Tiefenbacher 23–46.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Ehegatten bzw. civil partners146, wo das Vorhandensein eines versicherbaren Interesses vermutet wird. Andererseits hat jeder Gläubiger ein versicherbares Interesse an dem Leben seines Schuldners, der Gläubiger ferner an dem Leben des Bürgen, der Teilhaber an dem Leben des anderen Teilhabers, der Arbeitnehmer am Leben seines Arbeitgebers, der Filmproduzent an dem Leben des Schauspielers. Der Wert des insurable interest entspricht dabei der Höhe der Forderung usw., bei Bewertungsschwierigkeiten ist die Rechtsprechung großzügig, insbes. auch, wenn es sich um Unterhaltsansprüche zwischen Verwandten handelt.147

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d) Insurable Interest des Begünstigten bzw. des Zessionars. Diese Grundsätze gelten auch bei der Einsetzung eines Begünstigten wie z.B. des Ehegatten, und zwar sowohl bei der Versicherung auf eigenes Leben wie bei der Versicherung auf fremdes Leben, wobei konstruktive Schwierigkeiten des englischen Rechts, das einen Vertrag zugunsten Dritter nicht kennt, hier nicht interessieren. Maßgeblicher Zeitpunkt ist hier gleichfalls der Vertragsabschluss. Bei der Abtretung der Versicherungspolice durch Indossament oder schriftlichen oder mündlichen Vertrag stellt sich die Frage nach dem insurable interest des Zessionars, das sich nach denselben Regeln beurteilt wie das Interesse des Begünstigten, und zwar grundsätzlich auch einschl. der Lockerungen, wie sie für den Begünstigten gelten.148

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e) Breiter Ausnahmebereich. Trotz des grundsätzlichen Erfordernisses des insurable interest bei der Lebensversicherung nach englischem Recht, darf die Reihe der Durchbrechungen des Prinzips nicht unterschätzt werden. Nicht nur bei der Versicherung des eigenen Lebens, sondern auch bei der Versicherung eines Ehegatten wird das versicherbare Interesse ohne weiteres vermutet. Nach dem versicherbaren Interesse wird insbes. nicht gefragt, wenn der Lebensversicherungsvertrag zuvor wirksam zustande gekommen ist und der VN nach dem Abschluss des Vertrages einen Begünstigten einsetzt oder seine Rechte aus dem Vertrag an einen Dritten abtritt. Bedeutungslos ist allgemein, ob das Interesse nach dem Vertragsschluss entfällt oder sich verringert, die exakte Höhe des versicherten Interesses ist unerheblich, sofern es sich nicht um ein in Geld schätzbares Interesse wie z.B. bei der Schuldnerversicherung handelt.149.

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f) Versicherbares Interesse seit dem Gambling Act 2005. Angesichts der vielfältigen Umgehungsmöglichkeiten der Notwendigkeit eines insurable interest in der Lebensversicherung und der Verabschiedung des Gambling Act 2005 wird in England lebhaft diskutiert, auf das Erfordernis des insurable interest zu verzichten, da die Funktion des Interesses insbes. auch in der Lebensversicherung als Abgrenzungsmerkmal zu Spiel- und Wettverträgen entfallen sei. Insbes. durch den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages auf den VN als Gefahrsperson – was ohne Einschränkung zulässig ist – und die darauf folgende Abtretung können die durch das Erfordernis des insurable interest ursprünglich vorgesehenen Einschränkungen der Vertragsfreiheit ohne weiteres umgangen werden. Daher spricht nach Auffassung der englischen Law Commission manches dafür, beispielsweise nach australischem Vorbild auf das Erfordernis des insurable

146 147 148 149

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Civil Partnership Act 2004. Merkin A.4.2-05 f; vgl. Basedow/Fock/Rühl 1436 ff. Im Einzelnen Tiefenbacher 40–42. Ausführlich dazu Tiefenbacher 23–46; zum

amerikanischen Recht, das sich weithin durch eine großzügigere Auslegung des Interessebegriffs auszeichnet Bruck/ Möller/Winter 8 Rn. 86–88.

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interest zu verzichten. Dagegen spreche insbes., dass „there is an instinctive dislike of allowing strangers complete freedom to take out a policy on another individual’s life. Individuals are uncomfortable at the thought that people who do not wish them well can take out policies on their lives.”150 7. Ablehnung eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung während des 20. Jahrhunderts Das deutsche Lebensversicherungsrecht hat das Erfordernis des insurable interest aus 166 dem englischen Lebensversicherungsrecht während des letzten Jahrhunderts nicht übernommen. Nach ganz allgemeiner Ansicht unterscheidet sich das deutsche Lebensversicherungsrecht damit ganz entscheidend vom englischen Recht. Unter Hinweis auf die klare Entscheidung des Gesetzgebers, der ein versichertes Interesse nur für die Schadensversicherung kennt, wurde für die Lebensversicherung kein wie auch immer geartetes, rechtlich anerkanntes Interesse bejaht.151 Nur vereinzelt haben sich Stimmen erhoben, die ein versichertes Interesse auch für die 167 Lebensversicherung fordern. Am weitesten geht dabei Brecher152, der die Auffassung vertritt, Versicherungsverträge auf fremden Tod ohne materielles Interesse des VN oder des Bezugsberechtigten seien aleatorische Verträge und daher unverbindlich, die vorherige schriftliche Zustimmung der Gefahrsperson sei nicht ausreichend. Die Fremdversicherung ohne materielles Interesse sei „kein an sich nützliches Institut“.153 Das materielle Interesse sei dabei allerdings nur beim Abschluss des Versicherungsvertrages erforderlich, der Fortbestand des Vertrages werde durch einen Fortfall des versicherten Interesses nicht bedroht.154 Nicht so weit geht Tiefenbacher 155, der für eine Lebensversicherung fordert, dass der VN die Absicht haben müsse, sich oder einen anderen gegen einen durch den Versicherungsfall drohenden wirtschaftlichen Nachteil zu sichern, wobei Lebensversicherungssummen nicht in einer Höhe bestimmt werden sollten, die in keinem Verhältnis zu dem durch den Versicherungsfall drohenden Nachteil stehen. Von besonderem Interesse ist die wegweisende Arbeit Dicksteins, der sich 1995 mit 168 umfassender Begründung und reich belegt für die Anerkennung eines versicherten Interesse auch in der Lebensversicherung aussprach.156 Dickstein ist gewiss darin Recht zu geben, dass das VVG 1908 der Annahme eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung nicht entgegensteht. Ob es des versicherten Interesses bedarf, Lebensversicherungsverträge von Kapitalisierungsgeschäften bzw. Kreditderivaten abzugrenzen, ist zweifelhaft, weil sich insoweit schon die Frage des biometrischen Risikos stellt. Dickstein ist jedoch zuzugeben, dass sich bei der vertraglichen Ausgestaltung der Lebensversicherung immer wieder Hinweise in Richtung eines versicherten Interesses erkennen lassen. An der Zulässigkeit der Vereinbarung eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung besteht kein Zweifel.

150

Law Commission, Insurance Contract Law, Issues Paper 4, Insurable Interest, 2008, 26, 55. Vgl. dazu ferner Response by the City of London Law Society, Insurance Law Committee, to the English and Scottish Law Commissions’ Issues Paper 4 on Insurance Contract Law – Insurable Interest sowie Insurable Interest Amendments to the Uniform Trust Code, National Conference

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of Commissioners on Uniform State Laws, July 9–16, 2010, Chicago, USA. Statt Vieler Bruck/Möller 8 § 49 Rn. 42. Brecher 109. Brecher 143. Brecher 108. Tiefenbacher 161–165. Dickstein S. 98 ff.

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Gleichwohl wird Dickstein, Brecher und Tiefenbacher nicht gefolgt, soweit sie das Erfordernis des versicherten Interesses für die Lebensversicherung für unabdingbar halten. Auch der BGH und das OLG Celle haben sich gegen die Annahme eines Interesses in der Lebensversicherung entschieden, wohlgemerkt mit Blick auf die Rechtslage vor 2008.157 Ein versichertes Interesses als Wirksamkeitserfordernis auch in der Lebensversiche170 rung konnte für das VVG 1908 nicht bejaht werden, weil sich § 68 a.F. nur auf die Schadensversicherung bezieht und zudem als nur halbzwingend ausgestaltet war: Selbst in der Schadensversicherung konnte von ihm stets zugunsten des VN – beispielsweise durch Vereinbarung einer über dem Wert des versicherten Interesses liegenden Versicherungssumme – abgewichen werden, ein allgemeines und zwingendes Bereicherungsverbot in der Schadensversicherung fand seit den neunziger Jahren keine Anerkennung mehr.158 8. Anerkennung des versicherten Interesses für die Lebensversicherung nach dem VVG 2008

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a) Herleitung. Schon stets konnten Lebensversicherungsverträge wie die Sterbegeldoder Restschuldversicherung als Verträge mit versichertem Interesse ausgestaltet sein, gerade auch Altersvorsorgeverträge – insbes. die Riester- oder Rürupverträge – konnten als Lebensversicherungen für fremde Rechnung formuliert werden – eine typischerweise in der Schadensversicherung verbreitete Versicherungsform, mit der in aller Regel ein versichertes Interesse verbunden ist. Vor diesem Hintergrund hat das VVG 2008 die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung in den für alle Versicherungszweige geltenden Teil 1 Kapitel 1 Abschnitt 4 des VVG übernommen und sie auf alle Versicherungszweige erstreckt.159 Damit ist die Versicherung für fremde Rechnung auch im Bereich der Lebensversicherung durch den Gesetzgeber als zulässig bezeichnet worden. Da dieses rechtliche Institut stets – wie Hasse formuliert160 – das versicherte Interesse eines Dritten voraussetzt, ist damit auch das versicherte Interesse in der Lebensversicherung anerkannt. Denn die Versicherung für fremde Rechnung ist ihrem ganzen Wesen und ihrer gesetzlichen Ausgestaltung nach auf die Versicherung eines Fremdinteresses ausgerichtet, „das daher mit dieser Drittbeteiligungsform unlösbar verbunden ist“.161 Auch wenn dem in dieser Absolutheit nicht gefolgt wird, so kann ein versichertes Interesse nicht nur bei der Lebensversicherung für fremde Rechnung anerkannt und im Übrigen geleugnet werden: Das versicherte Interesse in der Lebensversicherung hat damit – zu Recht – eine eindeutige und umfassende Anerkennung gefunden. Da es sich bei den §§ 43 ff. jedoch um disponible Vorschriften handelt,162 kann daraus ein Erfordernis eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung nicht hergeleitet werden. Gleichwohl liegt es nahe, auf eine Lebensversicherung, die ein versichertes Interesses zum Gegenstand hat, die zentrale Vorschrift des § 80, die sich nach ihrer Stellung auch im VVG 2008 auf die Schadensversicherung und nicht auch auf die Lebensversicherung bezieht, entsprechende Anwendung finden zu lassen. Ihrem Inhalte nach – Rechtsfolgen beim anfänglichen Fehlen und nachträglichen Wegfall eines versicherten Interesses –

157

62

BGH 8.2.1960 BGHZ 32 44, 49 = VersR 1960 339, 340 (für die Unfallfremdversicherung); BGH 8.2.1989 VersR 1989 465; BGH 5.10.1994 VersR 1995 405, 406; OLG Celle 4.11.1993 VersR 1995 405, 406; ausführlich OLG Celle 15.1.1996 (22 U 11/95), wiedergegeben bei Winter VersR 2004, 8, 9 f.

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Winter FS. Wälder 103. Kommissionsbericht 67; VVG-RefE 69, Erläuterungen zu § 45. Hasse VersR 2010 837, 841. Hasse VersR 2010 837, 841. So im Prinzip auch Bruck/Möller/Brand Vor §§ 43–48 Rn. 47.

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ergänzt sie die absolut zwingenden Vorschriften beispielsweise der §§ 138 und 762 BGB, soweit diese nicht anwendbar sind. Die Interessenlage ist in der Lebensversicherung – soweit sie vom versicherten Interesse geprägt ist – nicht anders als in der Schadensversicherung, wenngleich das Interesse in der Lebensversicherung anders zu definieren ist, und damit vergleichbar. In der Lebensversicherung besteht eine vergleichbare Regelungslücke wie in der Schadensversicherung, wenn es die Regelung des § 80 VVG nicht geben würde. Die Vorschrift des § 80 ist somit analogiefähig und findet auch in der Lebensversicherung Anwendung, soweit sie vom versicherten Interesse geprägt ist.163 Die Entscheidung des Gesetzgebers zur Anerkennung des versicherten Interesses auch in der Lebensversicherung164 ist von erheblicher Bedeutung. b) Definition und Funktion des versicherten Interesses in der Lebensversicherung. Das versicherte Interesse ist in der Lebensversicherung angesichts des Regelfalles einer Summenversicherung großzügig zu sehen. Aber auch in der Lebensversicherung gilt der Grundsatz, dass dem Anspruchsberechtigten ein versichertes Interesse zuzubilligen ist, wenn er durch den Eintritt des Versicherungsfalles einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, also ein Recht verliert oder einer rechtlichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten ausgesetzt wird.165 Basiert das Interesse auf einer bloßen Hoffnung, einer Erwartung und der Nachteil auf bloßen Befürchtungen, so reicht das nicht aus. Das versicherte Interesse des Anspruchsberechtigten (wie VN, Bezugsberechtigter, Zessionar) am Leben der Gefahrsperson, kann insbes. in der Erfüllung familienrechtlicher Unterhalts- und Vorsorgepflichten, der Ruhegeldzusagen aus einem Arbeitsverhältnis und in der Absicherung eines Darlehens zu sehen sein.166 Bei einer Versicherung auf den eigenen Todesfall dürfte es – wiederum wie im englischen Recht – sachgerecht sein, grundsätzlich von einem anzuerkennenden Eigeninteresse167 auszugehen. Ob im Übrigen familienrechtliche Beziehungen – wie im angloamerikanischen Recht – ausreichend sein sollten, auch wenn eine Unterhaltspflicht nicht gegeben ist, dürfte zweifelhaft sein. Die Anerkennung eines versicherten Interesses auch in der Lebensversicherung kann dazu beitragen, dass Lebensversicherungen nicht missbraucht werden, indem sie beispielsweise als Wetten ausgestaltet werden (wenn nur ein einseitiges Wettmotiv gegeben ist) oder wenn mit Blick auf eine Darlehensforderung eine unverhältnismäßig hohe Versicherungsleistung vereinbart wird. In solchen Fällen können die Rechtsfolgen des § 80 den Missbrauch der Versicherung verhindern. 163 164

Hasse VersR 2010 1118, 1119. Die allerdings vom Schrifttum bislang teilweise nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 76 ff.) und Entscheidungen wie OLG Celle 4.11.1993 VersR 1995 405, 406 und BGH 5.10.1994 VersR 1995 405, 406 den Boden entzogen hat (a.A. Bruck/Möller/ Baumann § 1 Rn 77, 78). Anerkannt wird das versicherte Interesse in der Lebensversicherung jetzt insbes. auch von Bruck/ Möller/Brand Vor §§ 43–48 Rn. 33 sowie Hasse VersR 2010 837, 841 und Franz VersR 2008 1565, 1575.

165

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167

Für das englische Recht statt vieler Clarke Insurance Contracts, para. 3–6B, 89; Merkin Colinvaux’s Law of Insurance, para. 3–09, 6,3 63). Auch hier zeigt sich, wie unrichtig und missverständlich es ist, bei Leistungen in Erfüllung einer familienrechtlichen Vorsorgepflicht von einer Schenkung auszugehen, vgl. dazu § 153 Rn. 159. Zu den Gründen Winter Versicherungsaufsichtsrecht 436, 437; vgl. auch Hasse VersR 2010 837, 842.

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c) Rechtsfolgen bei Anwendung des § 80 VVG. Greifen nicht die Vorschriften der §§ 134, 138 und 762 BGB und gelangt die lediglich halbzwingende Vorschrift des § 80 zur Anwendung, weil ein versichertes Interesse bei Beginn der Versicherung nicht besteht (§ 80 Abs. 1) oder im Verlaufe des Versicherungsvertrages wegfällt (§ 80 Abs. 2) oder weil eine rechtswidrige Vorteilserzielungsabsicht gegeben ist (§ 80 Abs. 3), so ist zu differenzieren: Bei gänzlichem Interessemangel ist der VR in den Fällen des § 80 Abs. 1 und 3 von 177 vornherein von der Verpflichtung zur Leistung frei, im Falle des § 80 Abs. 2 wird er mit Eintritt des Interessenfortfalls frei. Der VN hat im Falle des Absatzes 1 nur eine angemessene Geschäftsgebühr zu entrichten, im Falle des Absatzes 2 hat er die Prämie zu zahlen, die der VR hätte fordern können, wenn die Laufzeit der Versicherung nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem er von dem Interessefortfall Kenntnis erlangt hat. Hat der VN in rechtswidriger Vorteilserzielungsabsicht gehandelt, so hat er – aus Sanktions- bzw. Präventivgründen – den Beitrag bis zu dem Zeitpunkt zu entrichten, in dem der VR von der betrügerischen Absicht des VN Kenntnis erhalten hat. Im Falle des § 80 Abs. 3 ist der Lebensversicherungsvertrag nichtig, der anfängliche 178 Interessemangel lässt die Rechtswirksamkeit des Vertrages unberührt, es gelten allerdings allein die in § 80 Abs. 2 genannten Vertragspflichten. Bei einem nachträglichen Interessenfortfall erlischt der Vertrag mit Eintritt des Interessenfortfalls.168

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d) Kein zwingendes Erfordernis eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung. Ebenso wenig wie in der Schadensversicherung findet sich auch in der Lebensversicherung ein zwingendes Erfordernis eines versicherten Interesses. Da es sich bei den §§ 43 ff. um disponible Vorschriften handelt, kann daraus das Erfordernis eines zwingenden versicherten Interesses auch in der Lebensfremdversicherung nicht hergeleitet werden. Beinhaltet der Lebensversicherungsvertrag kein oder ein nur unzureichendes versichertes Interesse, kann der Lebensversicherungsvertrag gleichwohl wirksam sein. Nicht anders verhält es sich letztlich im Hinblick auf § 80: Es handelt sich nach § 87 um eine halbzwingende Vorschrift, von der nur zum Nachteil des VN nicht abgewichen werden kann. Wird durch die Anerkennung jeder vom VN gewünschten Versicherungssumme zum Vorteil des VN in der Weise abgewichen, dass die Höhe des versicherten Interesses unerheblich ist und dass die Rechtsfolgen des § 80 abbedungen werden, so geht auch diese Vorschrift, wenn ein versichertes Interesse nicht oder nur teilweise feststellbar ist, ins Leere. Hätte dem versicherten Interesse eine ähnliche beschränkende Wirkung zugestanden werden sollen, wie sie früher weithin z.B. für das allgemeine Bereicherungsverbot und die damit in Verbindung stehenden Vorschriften angenommen wurde, so hätte das deutlicher zum Ausdruck gelangen müssen. Aus dispositiven bzw. halbzwingenden Normen das Erfordernis eines versicherten Interesses auch in der Lebensversicherung zu entnehmen, ist nicht möglich.169

180

e) Folgerungen für die Praxis. Die Lebensversicherung wird nach wie vor im Wesentlichen als Summenversicherung betrieben. Die Lebensversicherungsverträge dürften nicht nur über ein versichertes Interesse verfügen, bedürfen des Interesses jedoch nicht, um als wirksame Lebensversicherung angesehen zu werden. VR und VN sind nach dem VVG grundsätzlich frei, jede beliebige Versicherungssumme zu wählen, soweit damit

168 169

64

Zu allem im Einzelnen Hasse VersR 2010 1118, 1123 ff. Winter FS Wälder, S. 113 ff.; a.A. Hasse

VersR 2010 857 ff.; ders. VersR 2010 1118 ff.

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nicht ein Verstoß gegen allgemeines Zivilrecht verbunden ist. Der Lebensversicherungsvertrag kann jedoch ohne weiteres auch als Schadensversicherung bzw. mit Elementen der konkreten Bedarfsdeckung ausgestaltet sein. In solchen Fällen dürfte u.U. an die Existenz eines versicherten Interesses zu denken sein. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Nutzbarmachung der Regelung der §§ 43 ff. auch für die Lebensversicherung, wie sie seit 2008 zulässig ist, in diesem Bereich zu weiteren Variationsmöglichkeiten führt, soweit es jedenfalls um eine Drittbeteiligung geht. Für die Ausgestaltung der Lebensversicherungsverträge – die durch zwingende Vorschriften kaum eingeschränkt werden und bei denen auch von den vorgegebenen Instituten der widerruflichen und unwiderruflichen Bezugsberechtigung ohne weiteres abgewichen werden kann – ist 2008 eine weitere Dimension eröffnet worden, von der die Praxis erst zögernd Gebrauch macht. 9. Zwingende rechtliche Grenzen des Lebensversicherungsvertrages Wenn der Lebensversicherungsvertrag nicht zwingend über ein versichertes Interesse 181 verfügen muss, so ist damit nicht gesagt, dass andere rechtliche Grenzen bei der Lebensversicherung nicht zu beachten sind: Zu denken ist dabei insbes. an § 138, § 134 und § 762 BGB. Das ist eine Frage der rechtlichen Wirksamkeit des Lebensversicherungsvertrages, also des Wesensmerkmales: Rechtsanspruch im Rahmen der Versicherungsdefinition. Bevor darauf unter Rn. 221 ff. eingegangen wird, sei zunächst herausgearbeitet, in welchen Versicherungsformen es zu einer Begrenzung des Summenleistungsprinzips und damit u.U. auch eines versicherten Interesses kommen kann.

IV. Elemente der konkreten Bedarfsdeckung auch in der Lebensversicherung und ihren Zusatzversicherungen Ein Abweichen von der Regel der abstrakten Bedarfsdeckung ist im Lebensversiche- 182 rungsrecht in insgesamt drei Variationen denkbar: Erstens können die allgemeinen Schranken des Rechts – wie insbes. § 762 BGB – 183 trotz aller Besonderheiten der Lebensversicherung, die für ein unbeschränktes Summenleistungsprinzip angeführt werden, auch bei der Lebensversicherung relevant werden.170 Zweitens finden sich in der Lebensversicherung einzelne Versicherungsformen, die sich bei der Festsetzung der Versicherungssumme auf die Abdeckung eines bestimmten Risikos beziehen und danach ihre Ausrichtung erfahren. Insoweit existiert in der Lebensversicherung ein Grenzbereich zwischen abstrakter und konkreter Bedarfsdeckung.171 Drittens besteht auch für die Lebensversicherung und ihre Zusatzversicherungen die Möglichkeit der Vereinbarung einer konkreten Bedarfsdeckung.172 1. Generelle Grenzen des Summenleistungsprinzips a) Gegen die Einschränkung des Summenleistungsprinzips geäußerte Argumente. 184 Umschreibung der Leistungspflicht durch das Gesetz. Aus der gesetzlichen Vorschrift des § 1 Satz 1, in der es heißt, dass der LebensVR sich verpflichtet, ein bestimmtes Risiko des VN oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, kann nicht auch zugleich ent-

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Rn. 184 ff. Sodann unter Rn. 207 ff.

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Sodann unter Rn. 218.

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nommen werden, dass beliebige Summenvereinbarungen zulässig sind. Gärtner 173 betont mit Recht, dass das Gesetz bei der Regelung des § 1 einen Versicherungsvertrag voraussetzt, aufgrund dessen die Versicherungsleistung gefordert werden kann. Damit ist nicht zugleich gesagt, dass jede beliebige Leistungsvereinbarung, die für den Fall des Erlebens oder Versterbens einer Person getroffen wird, als Versicherungsvertrag zu qualifizieren ist. Vor einer Bezugnahme auf § 1 muss die Frage beantwortet werden, ob ein als Lebensversicherungsvertrag bezeichnetes Rechtsgeschäft überhaupt als Versicherungsvertrag zu werten ist oder ob es sich vielmehr um einen aleatorischen Vertrag handelt. Sparcharakter der Lebensversicherung. Die Argumentation, der Sparcharakter der Lebensversicherung unterscheide die Lebensversicherung von anderen Versicherungszweigen, sodass es ebenso möglich sein müsse, eine beliebige Versicherungssumme willkürlich festzusetzen, wie man sich ein beliebig hohes Sparziel setzen könne, geht ebenfalls fehl. Gewiss ist richtig, dass eine Lebensversicherung, soweit es sich nicht um eine Risikoversicherung handelt, grundsätzlich im wirtschaftlichen Ergebnis mit einem Sparvorgang verbunden ist, dem das Gesetz beispielsweise durch die Normen über den Rückkaufswert Rechnung trägt (versicherungstechnisch handelt es sich um die Kombination einer Todesfall- und einer Erlebensfallversicherung). Aber auch soweit es sich um eine kapitalbildende Lebensversicherung handelt, wird ebenso wenig wie ein illusorisches Sparziel eine beliebige Versicherungssumme festgesetzt, da die Versicherungssumme stets in Verbindung mit der Höhe der Prämie zu sehen ist, zu deren Zahlung der VN sich verpflichten muss, sodass er angesichts seiner Erwerbs- und Vermögensverhältnisse in der Festsetzung der Versicherungssumme eben gerade nicht frei ist. Abgesehen von allen versicherungstechnischen Überlegungen ist für sämtliche kapitalbildenden Lebensversicherungen – und nur für diese gilt das Argument mit dem Sparcharakter der Lebensversicherung – davon auszugehen, dass gerade auch angesichts des Sparanteils an der Prämie eine Lebensversicherungssumme grundsätzlich nicht beliebig festgesetzt werden kann. Damit trägt die Vereinbarung der Versicherungssumme der gegebenen Vermögensbindung Rechnung, wobei der Lebensversicherung die Aufgabe zukommt, das Sparziel, das insbesondere durch die Gefahr eines statistisch zu frühen Todes gefährdet ist, entsprechend zu sichern. Mathematisch-technische Grundlagen der Lebensversicherung. Auch im Hinblick auf die mathematisch-technischen Grundlagen wird es gerne verneint, dass die Lebensversicherung überhaupt in die Nähe des spekulativen Bereichs gerät. Werde, was die Regel ist, von der Gefahrsperson das nach statistischen Erwartungen durchschnittliche Lebensalter erreicht, so könne der einzelne VN sinnvollerweise nicht mit Gewinnmöglichkeiten rechnen, weil er bis zu diesem Zeitpunkt entsprechende Prämien zu entrichten habe.174 Daran ist gewiss richtig, dass für den VN ein Gewinn nur bei Eintritt des statistischen Ausnahmefalles gegeben sein kann und dass – anders als in der Vergangenheit, wie insbes. auch die englische Versicherungsgeschichte zeigt – Lebensversicherungen aus Spekulationsgründen grundsätzlich nicht abgeschlossen werden dürften. Andererseits stellt eine statistisch noch so geringe Gewinnchance erfahrungsgemäß kein Hindernis dar, dass Menschen ihre Hoffnung auf eben diese Chance setzen. Im Übrigen wird die Wahl einer so hohen Versicherungssumme, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist, nicht dadurch bedenkenlos, dass statistisch die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Zahlung der Versicherungssumme durch die Ansammlung der Prämienzahlungen wieder ausgeglichen

173

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Gärtner 89 mit Blick auf § 1 I 2 VVG 1908.

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Kritisch Patterson 56.

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wird.175 Allerdings verlieren die Verträge mit dem Fortschreiten der Versicherung und der anhaltenden Prämienzahlung zunehmend ihren möglicherweise aleatorischen Charakter. Subjektives Risiko. Im Zusammenhang mit einer unbeschränkten Summenleistung 189 wird gerne auf das geringe subjektive Risiko in der Lebensversicherung und ihren Zusatzversicherungen hingewiesen. In den Versicherungen auf eigenes oder fremdes Erleben fehlt es naturgemäß an der Möglichkeit, den Versicherungsfall vorsätzlich herbeizuführen; bei einer Versicherung auf den eigenen Tod ist die Gefahr einer Herbeiführung des Versicherungsfalles kaum gegeben, Selbstmorde sind selten. Für die Wirksamkeit einer Versicherung auf fremden Tod verlangt § 150 Abs. 2 die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson, sodass auch hier das subjektive Risiko auf ein Mindestmaß reduziert wird. Sicherlich kann somit davon ausgegangen werden, dass sich gerade in der Lebensversicherung die Versicherungsfälle in aller Regel auf natürliche Weise ereignen. Sei das subjektive Risiko aber so gering und könne mit Spekulationsabsichten daher kaum gerechnet werden, so sei eine unbeschränkte, freie Vereinbarung von Summenleistungen möglich. Eine Einschränkung des Summenleistungsprinzips sei in der Lebensversicherung nicht erforderlich.176 Dieser Schluss ist jedoch verfehlt. Auch in der Nichtpersonenversicherung gibt es Versicherungsarten, bei denen eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles genauso wenig wie in der Lebensversicherung oder gar überhaupt nicht in Betracht kommt. Beispiele finden sich in den einzelnen Ausgestaltungen der Elementarversicherung, wie z.B. bei der Sturm- und Hagelversicherung. Gleichwohl wird daraus für diese Bereiche nicht auch zugleich der Schluss gezogen, hier sei eine uneingeschränkte abstrakte Bedarfsdeckung anzuerkennen. Die nicht oder kaum gegebene Möglichkeit, den Versicherungsfall herbeizuführen, ist also nicht ein besonderes Charakteristikum allein der Lebensversicherung, und so ist daraus auch nicht ein uneingeschränktes Summenleistungsprinzip für die Lebensversicherung herzuleiten.177 Bewertungsschwierigkeiten. Schließlich wird das uneingeschränkte Summenleistungs- 190 prinzip mit den Schwierigkeiten begründet, die mit der Ermittlung eines Wertverlustes, den der Tod eines Menschen auslöst, verbunden sind. Da es kaum möglich sei, derartige Verluste in Zahlen auszudrücken, seien die von den Parteien vereinbarten Versicherungssummen hinzunehmen.178 Auch diese Argumentation zieht in ihrer Absolutheit nicht. Die in der Lebensversicherung gewiss existenten Bewertungsschwierigkeiten können sinnvollerweise dazu führen, dass den Parteien, vor allem bei Einzelabschlüssen, ein Bewertungsrahmen zugebilligt wird, wie er beispielsweise auch bei der Taxe geschaffen wurde. Mit Hilfe eines solchen Bewertungsrahmens können die Bewertungsprobleme grundsätzlich überwunden werden, nicht erforderlich ist in aller Regel die unbeschränkte Summenzulassung. Davon unabhängig sind in der Summenversicherung genauso wie in der Schadensversicherung Fälle denkbar, bei denen die von den Vertragsparteien vorgenommene Summenfestsetzung jeden, auch den großzügig bemessenen Bewertungsrahmen überschreitet und zu den objektiven Wertverhältnissen in keiner Relation steht.179 Hier gelangen die Verträge wieder in die Nähe des aleatorischen Bereichs. Wenn es bei der kapitalbildenden Lebensversicherung angesichts der erforderlichen Höhe der Prämien dabei kaum zu Übertreibungen kommen dürfte, ist das bei bloßen Risikoversicherungen anders: Hier sind die verlangten Prämien während der letzten Jahrzehnte durch den internationalen Wettbewerbsdruck erheblich gesunken. 175 176

Gärtner 97, 98. Vgl. nur Motive VVG 1908 71; Müller-Erzbach Deutsches Handelsrecht, (2. Aufl.), 1927, 699–700.

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Gärtner 98, 99. Möller ZVersWiss 1934 18, 36 f. Gärtner 99 f.

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Ergebnis. Die für das Prinzip einer uneingeschränkten Summenfestsetzung gegebenen Begründungen, die sich teilweise zudem nur auf bestimmte Formen der Lebensversicherung beziehen, überzeugen somit nicht. Eine Lebensversicherung kann ihren Charakter als Versicherung durchaus verlieren Dem sei an den vier Grundkonstellationen der Lebensversicherung nachgegangen, nämlich der Versicherung auf den eigenen Erlebensfall, der Versicherung auf den Erlebensfall Dritter, der Versicherung auf den eigenen Todesfall und der Versicherung auf fremden Tod.

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b) Grenzen des Summenleistungsprinzips in den einzelnen Formen der Lebensversicherung Versicherung auf den eigenen Erlebensfall. Bei einer Versicherung auf den eigenen Erlebensfall ist typischerweise ein Versorgungsanliegen Motiv für den Vertragsabschluss. Mit der Erreichung eines fortgeschrittenen Lebensalters sind vielfältige finanzielle Belastungen gegeben, man denke dabei nur an die Minderung der Erwerbsfähigkeit und das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. Mit der Versicherung auf den eigenen Erlebensfall wird den Vermögensbindungen und Einkommensrückgängen oder -ausfällen Rechnung getragen, die dieser Zeitpunkt mit sich bringt. Auch bei dieser Versicherungsform ist die innere Rechtfertigung die notwendige geldliche Bindung, die durch die Auszahlung eines Kapitalbetrages bzw. einer Rente neutralisiert wird. Dass kapitalbildende Versicherungsverträge auf den eigenen Erlebensfall in den aleatorischen Bereich hineinreichen, ist praktisch nicht vorstellbar, notwendige Beschränkungen des Summenleistungsprinzips sind kaum denkbar. Nicht ohne Grund bestanden und bestehen auch im englischen Recht bei dieser Versicherungsform keine Beschränkungen für die Vereinbarung der Versicherungssumme. Versicherung auf den Erlebensfall Dritter. Bei der Versicherung auf den Erlebensfall 193 eines Dritten, der Gefahrsperson, interessiert hier der Fall, dass die Versicherungssumme nicht an die Gefahrsperson, sondern – wie es der Regelfall ist – an den VN geleistet wird. Bei den üblichen Formen der Versicherung auf den Erlebensfall eines Dritten, wie beispielsweise bei der Ausbildungsversicherung dient die Versicherung der Neutralisierung der geldlichen Belastungen, die den Eltern durch die rechtliche oder doch zumindest faktische Verpflichtung entstehen, ihrem Kind die gewünschte Ausbildung zu sichern. Ebenso kann der VN eine solche Versicherung abschließen, um sich gegen die geldlichen Belastungen abzusichern, die für ihn entstehen, falls er anderen Personen, z.B. seinen Eltern gegenüber unterhaltspflichtig wird, wenn deren Erwerbsmöglichkeiten mit dem Erreichen eines bestimmten Alters gemindert werden oder gänzlich entfallen und ihre Altersversorgung nicht ausreichend ist. Hiervon abgesehen lassen sich allerdings auch Fälle denken, in denen zwischen der 194 Gefahrsperson und dem VN keinerlei rechtliche und auch keine faktischen Bindungen gegeben sind, also auch Unterhalts- oder ähnliche Verpflichtungen gegenüber der Gefahrsperson nicht bestehen. Hier sei nur auf die in England im 18. Jahrhundert gegebene Möglichkeit verwiesen, bei Erkrankung bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Versicherungen abzuschließen, durch die eine Geldleistung für den Fall zugesagt wurde, dass die betreffende Persönlichkeit einen bestimmten Zeitpunkt erleben bzw. nicht erleben sollte.180 Das sind eindeutig Wettverträge und nicht Versicherungsverträge, deren Abschluss in England bei Celebrities erneut möglich ist. Wenn sich auch eine solche Modalität einer „Wettversicherung“ in Deutschland in der 195 Praxis – soweit ersichtlich – nicht findet, so ist sie doch auch hier theoretisch denkbar.

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Braun 105 ff.; Gärtner 104 ff.

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Sie zeigt, dass bei der Versicherung auf den Erlebensfall Dritter das uneingeschränkte Summenleistungsprinzip zumindest fraglich ist. Versicherung auf den eigenen Todesfall. Grundsätzlich keinerlei Limitierung des Summenleistungsprinzips findet sich bei der Versicherung auf den eigenen Todesfall. Es ist wiederholt versucht worden, die Versicherung auf den eigenen Todesfall versicherungsmäßig zu rechtfertigen und von einem entsprechenden Wettvertrag abzugrenzen. Keiner der Deutungsversuche überzeugt. Anders als bei den soeben erörterten Versicherungen auf den Erlebensfall können der Leistung des VR hier keine geldlichen Bindungen des VN gegenüberstehen, die mit dem Versicherungsfall zur Entstehung gelangen und durch die Auszahlung der Versicherungssumme neutralisiert werden. Einen über den Todeszeitpunkt hinausreichenden Zuwendungsbedarf anzunehmen,181 ist eine gekünstelte Konstruktion, die letztlich auf eine reine Fiktion hinausläuft. Auch die Ansicht, bei der Versicherung auf den eigenen Todesfall des VN handele es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung, für Rechnung des Bezugsberechtigten, sodass auf die finanziellen Belastungen des Bezugsberechtigten abzustellen ist,182 überzeugt nicht. Gewiss wäre es möglich gewesen, die Versicherung auf den eigenen Todesfall in der Form auszugestalten, dass geldliche Interessen des bzw. der Bezugsberechtigten Gegenstand des Versicherungsvertrages sind. Das hat der Gesetzgeber jedoch nicht getan. Nach dem VVG kann der VN die Bezugsberechtigung grundsätzlich jederzeit ändern, und selbst wenn man dabei davon ausgehen könnte, dass als Bezugsberechtigter nur ein Personenkreis in Betracht kommen könnte, der am Leben des VN ein wirtschaftliches Interesse hat, so wäre doch die weitere Voraussetzung, dass jeder der als Bezugsberechtigter in Frage Kommenden ein Interesse gleichen Umfanges am Leben des VN hätte, gewiss nicht gegeben und höchstens eine Fiktion. Die vom Gesetz beabsichtigte Austauschbarkeit der Bezugsberechtigung kann nicht mit identischen, gleichgroßen wirtschaftlichen Interessen der Bezugsberechtigten erklärt werden.183 Dem VN wird bei dieser Versicherungsform nach dem VVG gestattet, für seinen Todesfall eine beliebige Summe festzusetzen und beliebige Personen als Empfänger zu bestimmen. Die Versicherung auf den eigenen Todesfall beruht daher auf positiver Anerkennung durch das Gesetz, und zwar grundsätzlich unabhängig von der eigenen Vermögensbindung des VN und etwaiger Bezugsberechtigter. Die Frage nach der Abgrenzung zum Wettvertrag stellt sich hier in der Praxis grundsätzlich nicht, es wird ein willkürliches Sparziel des VN versicherungsmäßig verfolgt.184 Ihre Rechtfertigung findet diese Versicherungsform in der Anerkennung durch das Gesetz, verbunden mit der vagen Feststellung, dass mit dem Tode des VN im Prinzip ein Bedarf bei den Erben des VN bzw. bei den Bezugsberechtigten entsteht oder entstehen kann. Nicht von ungefähr findet sich eine ganz ähnliche rechtliche Einordnung der Lebensversicherung auf den eigenen Todesfall im englischen Recht: Es kennt bei dieser Versicherungsart grundsätzlich keinerlei Beschränkungen im Hinblick auf die festzusetzende Versicherungssumme und den im Einzelnen zu bedenkenden Personenkreis.185 Versicherung auf fremden Tod. Bei der Versicherung auf fremden Tod wird eine Geldsumme an den VN gezahlt, wenn die Gefahrsperson stirbt. In aller Regel ist davon auszugehen, dass beim Tode der Gefahrsperson beim VN eine Vermögensbindung entsteht, die durch die Versicherungsleistung neutralisiert werden soll. Gleichwohl kann ähnlich

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Reichert-Facilides VersArch 1956 95 ff. Vgl. Möller ZVersWiss 1934 18, 34 f. Gärtner 109–110.

184 185

Schmidt-Rimpler 1230–1232. Gärtner 111; Patterson 166–167.

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wie bei der Versicherung auf den Erlebensfall Dritter der Fall gegeben sein, dass zwischen dem VN und der Gefahrsperson keine Beziehung besteht, die auf eine vermögensmäßige Bindung hindeutet. Dabei können aus der erforderlichen Einwilligung nach § 150 Abs. 2 Satz 1 VVG nur 202 bedingt Schlüsse gezogen werden. Die Einwilligung der Gefahrsperson ist keine unwiderlegliche Vermutung für vermögensmäßige Beziehungen zum VN und seine vermögensmäßige Interessiertheit.186 Das Einwilligungserfordernis ist geschaffen worden, da nicht auszuschließen ist, dass eine Person, bei deren Tod ein Dritter eine Geldleistung zu erwarten hat, einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sein kann. Diese Gefährdung wird durch das Einwilligungserfordernis ganz erheblich reduziert. Dass bei Einwilligung in eine Todesfallfremdversicherung auch vermögensmäßige Beziehungen zwischen Gefahrsperson und VN häufig gegeben sein dürften, bedeutet dabei nicht, dass Beziehungen stets bestehen. Dass bei dieser Versicherungsform der aleatorische Bereich nicht gemieden wird, 203 zeigen auch Erfahrungen aus der Vergangenheit: Während des Zweiten Weltkrieges sind wiederholt Lebensversicherungen auf das Leben besonders gefährdeter Kriegsteilnehmer abgeschlossen worden. Besonders bekannt geworden ist der Fall einer Frau, die nacheinander mehrere Fliegeroffiziere heiratete, die sämtlich bei Abschüssen ums Leben kamen. Die Frau hatte das Leben ihrer Ehemänner jeweils mit ungewöhnlich hohen Versicherungssummen versichert, die zu den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen und etwaigen finanziellen Belastungen der Frau in keinem Verhältnis standen. Abgesehen von der Frage der Nichtigkeit dieser Verträge aus anderen Gründen beriefen sich VR und Reichsaufsichtsamt auf den versicherungsrechtlichen Grundsatz, dass nur solche Lebensversicherungen gültig seien, denen ein wirtschaftliches Interesse zugrunde liege. In dem Rundschreiben des RAA vom 17.12.1942 heißt es: „Lebensversicherungen sollen auch während der Kriegszeit grundsätzlich nur abgeschlossen werden, wenn und soweit ein schutzwürdiges Interesse vorliegt. Ein solches schutzwürdiges Interesse ist aber in allen Fällen zu verneinen, in denen ein Versorgungsbedürfnis nicht besteht oder demnächst nicht zu gewärtigen ist. Die Versicherungsleistung soll so bemessen sein, dass die ihr entsprechenden Beiträge die wirtschaftlichen Kräfte des VN nicht übersteigen und voraussichtlich auch nach dem Kriege aufgebracht werden können ...“.187

204

Wenn das Aufsichtsamt darüber hinaus in dem Rundschreiben betont, der VR müsse bei der Festsetzung der Versicherungssumme nach einer Lösung suchen, „die den schutzwürdigen Interessen des Antragstellers nach Möglichkeit gerecht wird, ohne die Belange der Versicherungsgemeinschaft beiseite zu setzen“, so zeigt das, dass hier auch Elemente der Schadensversicherung hineinspielen können. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass diese engen Grundsätze des Aufsichtsamts für eine Extremsituation gedacht waren und außerhalb solcher Sachlagen in der Praxis keine Anwendung finden. 205 Die damaligen Äußerungen der Aufsichtsbehörde entsprechen jedoch nicht mehr der fast allgemeinen Sicht des § 150 Abs. 2 Satz 1. Die Todesfallversicherung hat durch diese Vorschrift gleichfalls ihre Anerkennung durch das Gesetz gefunden, und zwar allein unter der Bedingung, dass die Gefahrsperson ihre schriftliche Einwilligung erteilt. Das Gesetz stellt weitere Gültigkeitserfordernisse – soweit sie sich auf das Institut der Todesfallfremdversicherung beziehen – nicht auf.188 Dafür sprechen insbes. auch systematische

186 187

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Gärtner 113. Referiert bei Tiefenbacher 121–122; Gärtner 14–115.

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BGH 5.10.1994 VersR 1995 405, 406; OLG Celle 4.11.1993 VersR 1995 405, 406.

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Gründe. Nur so erklärt sich, warum die Todesfallfremdversicherung auch bei einer Abtretung oder bei der Einsetzung eines neuen Bezugsberechtigten ohne weiteres weitergeführt werden kann. Wettverträge werden auch international liberaler gesehen, soweit sie in Gestalt einer Todesfallfremdversicherung abgeschlossen werden. Dass eine Todesfallfremdversicherung mit besonderer Kapitalanlage unter dem Gesichtspunkt des § 762 BGB u.U. als bedenklich angesehen werden kann, fällt nicht unter die Problematik des § 150 Abs. 2 Satz 1.189 Abgrenzung zu sonstigen Einschränkungen des Summenleistungsprinzips. Abgesehen 206 von den der Lebensversicherung in ihren Erscheinungsformen immanenten Grenzen des Summenleistungsprinzips findet sich in manchen Lebensversicherungsformen eine Ausrichtung an einem entstehenden Bedarf, Zweck und Anliegen des Versicherungsvertrages werden konkret erkennbar. Die Versicherung bezieht sich auf ein bestimmtes Risiko, ohne jedoch zugleich insgesamt als Schadensversicherung ausgestaltet zu sein. Hier ist der Schritt zur konkreten Bedarfsdeckung noch nicht vollzogen,190 das geschieht erst, wenn eine Lebensversicherung in die Gestalt einer Schadensversicherung gekleidet wird.191 2. Lebensversicherung mit Elementen der Schadensversicherung a) Allgemeines. Ebenso wie es zulässig ist, die Lebensversicherung und ihre Zusatz- 207 versicherungen wie eine Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung zu betreiben, ist es auch zulässig, durch vertragliche Vereinbarung zwischen dem VR und dem VN den Umfang der Versicherungsleistung an einem dem VN, seinen Erben oder dem Bezugsberechtigten entstehenden konkreten Bedarf auszurichten, ohne dass die Versicherung damit zugleich auch gänzlich zu einer reinen Schadensversicherung wird. Die Versicherungsleistung orientiert sich an dem Zweck, dem die Versicherung dient, ohne dass die Versicherungsleistung dem entstehenden Bedarf im Ergebnis auch voll entsprechen muss. Sie kann – weil die Höhe des Bedarfs bei Abschluss der Versicherung in der Regel nicht ausreichend sicher bezifferbar ist – für den ins Auge gefassten Zweck unzureichend sein oder auch zu einer Bereicherung des aus der Versicherung Berechtigten führen. Eine konkrete Bedarfsdeckung im Sinne einer Schadensversicherung nach dem VVG ist von den Parteien nicht beabsichtigt: Eine Doppelversicherung bzw. Überversicherung – die in der Praxis allerdings möglichst vermieden werden – sind nicht unzulässig, ein etwaiger Ersatzanspruch des Berechtigten gegen den Schädiger geht auf den VR nicht automatisch über.192 Zu dieser Versicherung mit Ausrichtung an einem bestimmten Bedarf gehören: b) Restschuldversicherung. Bei der Restschuldversicherung handelt es sich um eine 208 Risikoversicherung mit entsprechend der Schuldtilgung fallender Versicherungssumme zur Kreditsicherung.193 Die Restschuldversicherung kann als Versicherung mit kurz- und mittelfristiger Versicherungsdauer oder als Versicherung mit langfristiger Versicherungsdauer abgeschlossen werden. Der Sinn einer Risikoversicherung mit kurz- oder mittelfristiger Versicherungsdauer, die ganz regelmäßig nur gegen Einmalprämie angeboten wird, ist es, bei Kredit- und Abzahlungsgeschäften die im Falle des Todes eines Darlehnsnehmers noch nicht getilgte Schuld abzudecken. Soll sich die Versicherungsdauer auf eine längere Zeit erstrecken, tritt an die Stelle des Einmalbeitrages der laufende Beitrag. 189 190 191

Näheres unter Rn. 221 ff. Sogleich unter Rn. 207 ff. Sodann unter Rn. 218.

192 193

Unten Rn. 275 ff. VerBAV 1980 230 m.w.N., Beispiel: BGH 7.12.1978 VersR 1979 345.

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Diese Form der Restschuldversicherung wird zur Abdeckung einer Hypothekenschuld oder in Verbindung mit Ratenspar- und Anlageverträgen abgeschlossen, sodass im Falle des Todes des VN das Darlehn sogleich getilgt werden kann. Die Versicherungsleistung wird bei dieser Form der Versicherung entsprechend den jeweiligen Zahlungsmodalitäten jährlich oder monatlich geringer, sie richtet sich somit jeweils nach dem konkreten Bedarf. Nur an der Höhe der Versicherungsleistung gemessen trägt die Restschuldversiche209 rung die Züge einer konkreten Bedarfsdeckung, sie ist im Übrigen aber wie eine Versicherung mit abstrakter Bedarfsdeckung zu behandeln, auf die die Vorschriften über die Schadensversicherung grundsätzlich nicht anwendbar sind. Die Vertragsparteien gehen nicht davon aus, dass beispielsweise ein etwaiger Ersatzanspruch des Berechtigten gegen den Schädiger auf den VR übergeht.

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c) Hypothekentilgungsversicherung. Die Hypothekentilgungsversicherung194 kann sich auf denselben Bedarfsbereich beziehen wie die Restschuldversicherung. Der Hypothekenschuldner schließt als VN bei dem VR, der zugleich sein Hypothekengläubiger ist, eine Lebensversicherung in Höhe des Gesamtbetrages oder eines Teilbetrages der Hypothek ab, wobei die Versicherungssumme in Teilbeträgen auszuzahlen ist. Es wird in bestimmten zeitlichen Abständen ein festgesetzter Prozentsatz der Versicherungssumme fällig, sofern der VN den jeweiligen Zeitablauf erlebt. Mit diesen jeweils fälligen Beträgen wird die Hypothek bis zum Ablaufe der Versicherung getilgt. Stirbt der VN während der Versicherung, so wird die gesamte Versicherungssumme sofort fällig und kann zur sofortigen Tilgung der Hypothekenrestschuld verwandt werden. Ein darüber hinaus durch die Lebensversicherung entstandenes Kapital wird an die Hinterbliebenen ausgezahlt. Wenn sich die Versicherungsleistung auch bei der Hypothekentilgungsversicherung grundsätzlich an den Tilgungsleistungen – nicht erfasst durch die Versicherung sind die Hypothekenzinsen! – orientiert, liegt gleichwohl keine echte Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung vor, die sich nach den Vorschriften über die Schadensversicherung richtet. Allein die Errechnung der Versicherungsleistungen hat sich an den Tilgungsbeträgen orientiert. Auch hier kann die Versicherungsleistung von dem tatsächlichen Bedarf abweichen.

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d) Erbschaftssteuerversicherung. Um den künftigen Erben vor finanziellen Nachteilen zu bewahren, die aus der Belastung mit der Erbschaftssteuer entstehen können, konnte der Erblasser im Hinblick auf § 19 ErbschaftssteuerG a.F. eine Erbschaftssteuerversicherung abschließen. Wenn dabei jetzt auch die steuerliche Vergünstigung entfallen ist, die Versicherung kann davon unabhängig auch gegenwärtig noch abgeschlossen werden. Der Lebensversicherungsvertrag ist dabei so gestaltet, dass die Versicherungssumme zur Bezahlung der Erbschaftssteuer verwendet und nach dem Tode des VN an das Finanzamt als Bezugsberechtigten zu entrichten ist, ein etwa überschüssiger Betrag fließt den Erben zu. Bei der Erbschaftssteuerversicherung kann dabei der Verwendungszweck in der Weise eingeschränkt werden, dass die Versicherungssumme nur zur Tilgung der von einem bestimmten Pflichtigen geschuldeten Erbschaftssteuer verwandt werden soll.195 Auch hier wird versucht, die Höhe der Versicherungsleistung an einem bestimmten Zweck zu orientieren, was allerdings oftmals nicht hinreichend möglich ist, da es schwer ist, die Höhe der Erbschaftssteuer genügend im Voraus exakt zu bestimmen. Auch die Erbschaftssteuerversicherung wird nicht etwa zu einer Schadensversicherung mit konkreter Bedarfsdeckung.

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LG Würzburg 15.12.1950 MDR 1951 426.

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BGH 10.7.1963 VersR 1963 917.

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e) Rückdeckungsversicherung. Bei Versorgungszusagen, die ein Unternehmen in der 212 Form gibt, dass es bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses – Eintritt des Versorgungsfalles durch Tod, Invalidität oder Erreichung der Altersgrenze – verpflichtet ist, seinem Arbeitnehmer eine bestimmte Summe einmalig oder mehrmalig (als Rente) zu zahlen, besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, im Wege einer Lebensversicherung eine kongruente oder partielle Rückdeckung zu erlangen. Bei der Rückdeckungsversicherung richtet sich die auszuzahlende Versicherungssumme nach dem entstehenden Bedarf. Gleichwohl aber wäre es auch hier nicht richtig, die Rückdeckungsversicherung wegen mangelnder Divergenz mit dem entstehenden Bedarf als Schadensversicherung zu werten. Sämtliche Normen der Schadensversicherung, die in ihrem Zusammenwirken das Ziel einer konkreten Bedarfsdeckung sichern, sind hier nicht anwendbar. Es geht auch nicht an, die Rückdeckungsversicherung des Arbeitgebers als eine Art Vermögensschadenhaftpflichtversicherung zu deuten.196 f) Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Bei der Berufsunfähigkeitszusatzversiche- 213 rung197 besteht bei Eintritt des Versicherungsfalles die Hauptleistung des VR in der Zahlung einer Rente, die zweckgebunden ist und allein dazu dient, die Beitragsverpflichtungen aus der mit der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung verbundenen Lebensversicherung zu erfüllen. Neben dieser sog. Beitragsbefreiung kann eine an den Versicherten auszuzahlende bare Versicherungssumme oder Rente zu leisten sein, allerdings nur für den Fall, dass die Hauptversicherung eine kapitalbildende Versicherung und keine Risikoversicherung ist. Soweit die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Beitragsbefreiung dient, bemisst sich die Leistung des VR nach dem Bedarf, der durch die Beitragsbefreiung neutralisiert wird. Doch wird die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung dadurch gleichfalls nicht zur Schadensversicherung, die die Schadensversicherung kennzeichnenden Normen sind auf die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht anwendbar.198 g) Sterbegeldversicherung. Die Sterbegeldversicherung199 wird gerne generell als die 214 Lebensversicherungsform bezeichnet, die nach dem Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung betrieben werde, ohne dass diese Einordnung dabei auf die Bestattungsversicherung mit echter Sachleistung beschränkt wird.200 Dieser Klassifizierung kann nicht gefolgt werden. Auch in der Sterbegeldversicherung orientiert sich die Versicherungsleistung an den Bestattungskosten, die Normen der Schadensversicherung sind damit jedoch grundsätzlich nicht anwendbar. Das gilt auch angesichts der Tatsache, dass die Sterbegeldversicherung infolge der in der Regel niedrig vereinbarten Versicherungssumme und der auch tatsächlich entstehenden Begräbniskosten schwerlich zu einer spürbaren Bereicherung des aus der Sterbegeldversicherung Berechtigten führen dürfte. An einen Übergang des Ersatzanspruches gegen einen Schädiger nach § 86 denken die Parteien nicht, er wird vom VR auch nicht geltend gemacht. Weder die Sterbegeldversicherung noch vergleichbare Formen der Kleinlebensversicherung, soweit sich diese über-

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Klingmüller VersR 1971 392, zur Rückdeckungsversicherung im Übrigen BGH 13.5.1953 VersR 1953 249, 250; BAG 12.6.1975 BB 1975 1065; BAG 10.3.1972 VersR 1972 735; BAG 14.7.1972 VersR 1972 1135; BGH 7.5.1997 VersR 1997 1213. KG 10.12.1951 VersR 1952 61.

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Zur Einordnung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung im Einzelnen vgl. Bruck/Möller/Richter §§ 172 ff. Zum Begriff vgl. OLG München 6.6.1952 VersR 1952 255 f.; OLG Bremen 24.2.1955 VersR 1956 773 f. Bruck/Möller 8 Vor §§ 49–80 Anm. 3.

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haupt an einem konkreten Bedarf wie den Begräbniskosten orientieren, sind grundsätzlich Versicherungen mit konkreter Bedarfsdeckung.201

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h) Gruppenversicherung. Es bedarf keiner Betonung, dass es für die soeben genannten Versicherungsformen für ihre Zuordnung zur konkreten oder abstrakten Bedarfsdeckung unerheblich ist, ob sie als Individualversicherung oder als Kollektivversicherung abgeschlossen werden. Eine Versicherungsform kann nicht allein deswegen zur Schadensoder Summenversicherung gezählt werden, weil sie in die Form einer Gruppenversicherung gekleidet ist. Andererseits ist dabei nicht zu verkennen, dass sich gerade bei der Kollektivlebensver216 sicherung – insbes. auch bei der betrieblichen Altersversorgung – Versicherungsformen finden, bei denen beispielsweise der Beitrag nach dem Lohn bzw. dem Gehalt abgestuft wird, sodass die Versicherungsleistungen in ihrer Funktion in die Nähe eines Lohn- bzw. Gehaltsausgleichs rücken.202 Hier finden sich die Elemente einer konkreten Bedarfsdeckung in deutlicher Ausprägung, allerdings ohne auch hier die Versicherung zu einer Schadensversicherung werden zu lassen, da die die Schadensversicherung kennzeichnenden Normen keine Anwendung finden. In diesem Zusammenhang ist auch nicht auf von der Thüsen 203 zu verweisen, der die 217 Ansicht vertritt, dass die echte Kollektivlebensversicherung in Gestalt der betrieblichen Direktversicherung den Charakter einer Versicherung für fremde Rechnung habe. Dieser Auffassung, die Millauer 204 überzeugend widerlegt hat, ist nicht zu folgen. Doch selbst wenn von der Thüsens Ansicht richtig wäre, würde die Anwendung der §§ 43–48 VVG eine Kollektivlebensversicherung noch nicht zu einer Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung machen. 3. Lebensversicherung als echte Schadensversicherung

218

Es ist unumstritten, dass eine Lebensversicherung von den Vertragsparteien auch als Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung vereinbart werden kann. Das bedeutet, dass insoweit das gesamte Gerüst der die Schadensversicherung kennzeichnenden Normen wie beispielsweise die Vorschriften über die Mehrfachversicherung und den Übergang von Ersatzansprüchen anzuwenden wäre. 4. Grenzziehung zwischen abstrakter und konkreter Bedarfsdeckung

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Die Lebensversicherung steht einer konkreten Bedarfsdeckung nicht so nahe wie die Kranken- und Unfallversicherung. Obwohl sich auch in der Lebensversicherung eine Reihe von Versicherungsformen finden, die sich an einem konkreten Bedarf ausrichten, hat die Lebensversicherung insgesamt weniger einen Ausgleichscharakter als einen Vorsorge- und Planungsabsicherungscharakter. Auch die Eindämmung des subjektiven Risikos, die durch das in der Schadensversicherung zum Ausdruck gelangende System der konkreten Bedarfsdeckung bezweckt wird, hat in der Lebensversicherung – sieht man einmal von der speziell geregelten Todesfallfremdversicherung ab – nicht die Bedeutung wie in der Kranken- und Unfallversicherung, zumal im Übrigen in der Lebensversicherung ganz grundsätzlich die Möglichkeit besteht, mehrere und hohe Lebensversiche-

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Kadatz/Hebel 5–6; RAA VA 1934 130; zur Sterbegeldversicherung als echter Schadensversicherung vgl. unten Rn. 218.

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Bruck/Möller/Sieg 8 § 74 Anm. 14–16. von der Thüsen VersR 1954 155 ff. Millauer 70–71.

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rungsverträge abzuschließen, ohne dazu eine an einem bestimmten Zweck ausgerichtete Versicherung zu wählen. So erklärt sich, dass die an einem Bedarf ausgerichteten Lebensversicherungsformen zwar Elemente der Schadensversicherung aufweisen, sie aber nicht voll zur Schadensversicherung gerechnet werden können. Die Grenzziehung zwischen konkreter und abstrakter Bedarfsdeckung, wie sie für die Unfall- und Krankenversicherung vorzunehmen ist, kann somit nicht ohne weiteres auf die Lebensversicherung übertragen werden. Die an einem Schaden oder Bedarf ausgerichteten Lebensversicherungsformen haben nicht die Funktion einer pauschalierten Entschädigungsleistung mit der Folge, dass sie der Schadensversicherung unterfallen.205 Gleichwohl ist der einzelnen Lebensversicherungsform nachzugehen und im Einzelfall zu prüfen, inwieweit eine konkrete Bedarfsdeckung von den Parteien gewollt ist und möglicherweise doch eine Schadensversicherung gegeben ist. Ebenso wie in der Kranken- und Unfallversicherung erweist sich in der Lebensver- 220 sicherung, dass die strikte Trennung zwischen abstrakter und konkreter Bedarfsdeckung überholt ist und sich eine ganze Reihe von Versicherungsformen herausgebildet haben, die Elemente der Schadensversicherung besitzen. Die Klassifizierung als Schadensversicherung ist in der Lebensversicherung insgesamt jedoch nicht so weit fortgeschritten wie bei den Summenversicherungen in der Kranken- und Unfallversicherung. Die Entwicklung ist aber nicht abgeschlossen, wie auch die 2008 erfolgte Anerkennung des versicherten Interesses in der Lebensversicherung erkennen lässt.

V. Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung – Problematik des § 762 BGB Der Rechtsanspruch des VN oder der Drittbeteiligten auf die Leistung des LebensVR 221 gehört zu den Erfordernissen des Versicherungsbegriffs, auch in der Lebensversicherung. Ein solcher Anspruch kann auch bei einem entsprechenden Willen der Vertragspartner nur entstehen, wenn dem Vertragsschluss keine gesetzlichen Unwirksamkeits- oder Unverbindlichkeitsgründe entgegenstehen. Rechtliche Grundlage solcher Überlegungen kann insbesondere die Vorschrift des § 762 BGB sein, nach der ein Rechtsanspruch auf die Leistung und damit auch ein Versicherungsvertrag nicht gegeben ist, wenn das Geschäft als Spiel oder Wette einzuordnen ist. Wenn dabei die Abgrenzung von Spiel und Wette in der Schadensversicherung insbes. auch durch das Kriterium des versicherten Interesses erfolgt, so lässt sich das angesichts der Neuregelung im VVG 2008 auch auf die Lebensversicherung übertragen.206 Da es sich bei der Regelung des versicherten Interesses jedoch nur um halbzwingende Normen handelt und von ihnen zugunsten des VN abgewichen werden kann, stößt eine Ausrichtung am versicherten Interesse aber auf Grenzen. Gegenstand von Überlegungen in Richtung Spiel und Wette können nicht nur Lebensversicherungsverträge sein, bei denen der VN mit der Gefahrsperson nicht identisch ist (Stichwort: Wetten auf das Leben von Celebrities), sondern beispielsweise auch Verträge mit besonderer Kapitalanlage, deren Wettcharakter nicht zu übersehen ist. Auch wenn im Bankenbereich mit solchen Finanzinstrumenten (casino banking) gearbeitet werden darf, wäre das im Lebensversicherungsbereich nicht zuletzt aus Verbraucher-

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Grundsätzlich zu der Grenzziehung in der Krankenversicherung vgl. die wissenschaftlich vertiefte Arbeit von Adler Das Tagegeld

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in der Krankenversicherung als Schadensoder Summenversicherung (1995). Vgl. dazu im Einzelnen oben Rn. 171 ff.

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schutzgründen besonders zweifelhaft. Die Gefahren, die aus dem Fehlen einer absolut zwingenden Regelung des versicherten Interesses im Bereich der Lebensversicherung entstehen können, werden für die Todesfallfremdversicherung – aber auch nur für sie – nach fast allgemeiner Meinung durch das Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 erfasst, das jede Möglichkeit eines Spiels mit dem Leben oder der Gesundheit anderer „abschließend“ regeln soll.207 Ein weiterer Schutz der mit dem VN nicht identischen Gefahrsperson liegt darin, dass der VN den Anspruch auf jede Leistung verwirkt, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 162 Abs. 1 BGB gegeben sind. Sieht man von § 150 Abs. 2 einmal ab, bestehen nach fast allgemeiner Auffassung jedoch keine zwingenden Beschränkungen der Versicherbarkeit unter dem Gesichtspunkt des Auseinanderfallens von Risikobezogenheit und Versicherungsleistung. Diese Ansicht ist seit der Neuregelung des VVG 2008 nicht mehr zu halten. Durch die Vorschrift des § 150 Abs. 2 hat die Todesfallfremdversicherung ihre gesetz222 liche Anerkennung für den Fall gefunden, dass die Gefahrsperson ihre schriftliche Einwilligung zu der Versicherung erklärt. Angesichts dieser Regelung wird nicht nur eine Gefährdung der Gefahrsperson ausgeschlossen oder zumindest stark reduziert, es sollten nach fast allgemeiner Ansicht auch sonstige Unwirksamkeits- oder Unverbindlichkeitsgründe ausgeschlossen werden, die beispielsweise mit Blick auf § 762 BGB einer Todesfallfremdversicherung als solcher entgegenstehen könnten.208 Das ergibt sich schon nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit aus der Begründung der Vorschrift: Hasse weist mit Recht darauf hin, dass diese Differenzierung nicht belegbar ist,209 es kann auch nicht der Funktion des § 150 Abs. 2 entnommen werden sowie daraus, dass die spätere Abtretung der Versicherung und der Wechsel eines Bezugsberechtigten ohne weiteres möglich und wirksam ist. Die Regelung des § 150 Abs. 2 bedeutet nicht zugleich, dass auch die Unwirksamkeits- oder Unverbindlichkeitsgründe, die nicht mit dem Charakter einer Todesfallfremdversicherung zusammenhängen, sondern sich beispielsweise aus dem Wettcharakter der Vermögensanlageformen ergeben können, unberücksichtigt zu bleiben haben.210 Trotz der Vorschrift des § 150 Abs. 2 kann auch eine Todesfallfremdversicherung unverbindlich – mit Blick auf § 762 BGB – oder unwirksam – z.B. aus Gründen des § 138 BGB – sein, nur eben nicht aus Gründen, die sich allein aus dem Charakter einer Todesfallfremdversicherung herleiten lassen. § 150 Abs. 2 hat insbes. die Funktion, Leben und Gesundheit der Gefahrsperson nicht zu gefährden, § 762 BGB aber soll die Vertragsparteien – und nicht die Gefahrsperson! – schützen. Es wäre nicht nachvollziehbar, wollte man §§ 762, 138, 134 BGB zwar bei der Todesfallversicherung auf eigenes Leben und bei der Erlebensfallversicherung Anwendung finden lassen, nicht aber auch auf die Todesfallfremdversicherung. Auch wenn es in dem Urteil des OLG Celle nur beiläufig zum Ausdruck gelangt 211, das Gericht geht keinesfalls davon aus, dass die

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BGH 5.10.1994 VersR 1995 405/406 m.w.N.; Prölss/Martin/Schneider § 150 Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 159 VVG Rn. 3; a.A. Hasse VersR 2010 837, 844; Bruck/Möller/Winter 8 B 71 ff., 114. Beschluss des BGH 5.10.1994 VersR 1995 405, 406 m.w.N.; OLG Celle 4.11.1993 VersR 1995 405, 406; Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 77; Langheid/Wandt/Heiss/ Mönnich § 150 Rn. 8, die ebenso wie Bau-

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mann die geänderte Gesetzeslage unberücksichtigt lassen; das gilt auch für Römer/ Langheid/Römer § 150 Rn. 4; a.A. Hasse VersR 2010 837, 844; Bruck/Möller/Winter 8 a.a.O. Hasse VersR 2010 837, 844. So aber Bruck/Möller/Baumann a.a.O.; a.A. Hasse VersR 2010 837, 844. „… können solche Verträge nicht ohne weiteres … Spiel und Wette … gleichgestellt werden …“ (VersR 1995 405, 406.

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Todesfallfremdversicherung anders als andere Lebensversicherungen den Schranken der Unwirksamkeits- und Unverbindlichkeitsregelungen nicht unterliegt. Lebensversicherungsverträge werden durch die Rspr. regelmäßig dem Test des § 138 BGB unterzogen212 und sämtliche Lebensversicherungsverträge unterstehen darüber hinaus der Regelung des § 762 BGB, auch wenn es zu solchen Überlegungen höchst selten kommen mag, weil der Tatbestand dieser Vorschrift nur noch von sehr eingeschränkter Bedeutung ist und sie im Übrigen ein beiderseitiges Wettmotiv voraussetzt. Soweit § 762 BGB nicht greift, ist zu prüfen, ob § 80 Abs. 3 Anwendung finden kann,213 ebenso ist in einem Falle des § 138 BGB zu verfahren. Die praktische Bedeutung des § 134 BGB dürfte gering sein (Beispiel bis 1994: Kapitalisierungsgeschäfte). Wenn eine Anwendung der §§ 138, 134, 762 BGB schon vor 2008 nicht ausgeschlossen war, so gilt das erst recht für die Rechtslage seit der Reform. Das deutsche Recht wird von dem Prinzip getragen, dass ein Lebensversicherungsver- 223 trag, für dessen Durchsetzung die Gerichte angerufen werden können, einen schutzwürdigen Inhalt in dem Sinne voraussetzt, dass er nicht gegen Unverbindlichkeits- oder Unwirksamkeitsgründe verstößt.214 Auch wenn seit der Reform des VVG von der Möglichkeit eines versicherten Interesses in der Lebensversicherung ohne weiteres auszugehen ist, es ist dabei zu beachten, dass die Regelung nicht zwingend ist. VR und VN können gleichwohl einen Lebensversicherungsvertrag abschließen, dem ein versichertes Interesse nicht oder nur teilweise zugrunde liegt. In solchen Fällen greifen nur die Schranken, die durch die §§ 762, 138, 134 BGB vorgegeben sind. Der früher gegenüber den VU geäußerte Gedanke der Aufsichtsbehörde, in der 224 Lebensversicherung die Höhe der Versicherungssumme aus freien Stücken so weit zu beschränken, wie sie schutzwürdig ist,215 ist nicht auf Resonanz gestoßen. Das überrascht nicht, denn der VR dürfte verwaltungsmäßig überfordert sein, bei einer Lebensversicherung stets den Nachweis eines schützenswerten Interesses zu verlangen und mit dem VN vor diesem Hintergrund die Versicherung zu diskutieren. Der VR darf nicht verpflichtet sein, bei Abschluss einer Lebensversicherung nötigenfalls in den Bereich des „Moralisch-Ethischen“ vorzudringen, um diese Problematik entscheiden zu können.216

VI. Abgrenzung der Lebensversicherung von anderen Versicherungszweigen 1. Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung Der Lebensversicherung am nächsten steht die Unfallversicherung, soweit dort eine 225 Entschädigung beim Todesfall geleistet wird. In der Unfallversicherung ist insoweit der Versicherungsfall nicht wie in der Lebensversicherung der neutral gefasste Todeseintritt, sondern der Tod durch Unfall. Der Verwandtschaft zwischen Lebens- und Unfallversicherung entspricht es, dass sich im VVG inhaltsgleiche Vorschriften für die Lebensversiche-

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Was immer wieder ausführlich geschieht, wie insbes. auch das nicht veröffentlichte Urteil des OLG Celle 15.1.1996 (22 U 11/95) zeigt – dazu Winter VersR 2004 8. Vgl. Hasse VersR 2010 1118, 1123. Bruck/Möller/Wagner 8 Anm. H 23; Hülsmann Fremdlebensversicherung: Interesse des Versicherungsnehmers am Nichteintritt des Versicherungsfalles als Wirksamkeits-

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erfordernis? – Zugleich Anm. zum Urteil des OLG Celle vom 4.11.1993 (8 U 93/92) mit Nichtannahmebeschluss des BGH vom 5.10.1994 (IV ZR 18/94) VersR 1995, 405, VersR 1995 501, 503. RAA Rundschreiben, referiert bei Tiefenbacher 121–122. Herbeck ZVersWiss 1989 728, 738.

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rung und die Unfallversicherung finden (§§ 150, 162 einerseits und §§ 179, 183 andererseits) und dass in § 180 für das Bezugsrecht in der Unfallversicherung auf die Bestimmungen der §§ 159–160 zum Bezugsrecht in der Lebensversicherung verwiesen wird. Die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr ist zuweilen als Versicherung mit Ele226 menten der Unfallversicherung und der Lebensversicherung klassifiziert worden.217 Die Besonderheit dieser Unfallversicherungsform liegt in der Art der Prämienleistung: Der VN stellt dem VR ein Kapital zur Verfügung, welches er nach einem bestimmten Zeitraum oder nach Kündigung voll zurückerhält. Das geschieht unabhängig davon, ob während dieses Zeitraums der Versicherungsfall eingetreten ist oder nicht. Das Entgelt für seine Gefahrtragung erwirtschaftet der VR während der Laufzeit der Versicherung aus der Nutzung des ihm überlassenen Kapitals. Die Versicherung unterscheidet sich im Übrigen nicht von der Ausgestaltung der gängigen Unfallversicherung, insbes. auch nicht im Umfange des Deckungsschutzes und in der Entschädigungsleistung. Die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr ist somit eindeutig Unfallversicherung.218 Elemente der Unfallversicherung enthält auch die mit der Lebensversicherung abge227 schlossene Unfallzusatzversicherung. Der Unfallzusatz führt zu einer Erhöhung der Versichererleistung um 100 Prozent für den Fall, dass der Tod durch Unfall eingetreten ist, wobei der Unfallbegriff der Unfallzusatzversicherung dem Unfallbegriff des § 178 Abs. 2 und der AUB entspricht und in ähnlicher Weise wie bei der allgemeinen Unfallversicherung durch Ausschlüsse eingeschränkt wird. Die Unfallzusatzversicherung bildet mit dem Lebensversicherungsvertrag einen einheitlichen Vertrag und ist deshalb eine besondere Form der Lebensversicherung.219 Eine Verwandtschaft mit der Unfallversicherung weist schließlich auch die Berufsunfähigkeitsversicherung und die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf. Der Begriff der Berufsunfähigkeit, wie er in § 172 Abs. 2 und 3 definiert wird, ist dabei weiter als der der Invalidität im Sinne von § 180, die als dauernde Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit als Folge eines Unfallereignisses definiert wird und nur dann Voraussetzung eines Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein kann, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb weiterer drei Monate ärztlich festgestellt und durch Erklärung gegenüber dem VR geltend gemacht worden ist.220 Die Berufsunfähigkeitsversicherung bzw. die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung setzt im Versicherungsfall keinen Unfall voraus, es ist unerheblich, ob die Berufsunfähigkeit auf Krankheit, Kräfteverfall, Unfall oder einer anderen Körperverletzung beruht.221 Eine Versicherung aber, die Krankheit und Unfall als auslösende Ursache für den Versicherungsfall als gleichwertig nebeneinander stellt, kann nicht unter einseitiger Betonung des Unfallelements als Unfallversicherung angesehen werden. So ist sowohl die Berufsunfähigkeitsversicherung als auch die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung trotz der Berührungsflächen mit der Unfallversicherung allgemein als Form der Lebensversicherung anerkannt.222

217 218

219

220

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FinanzG München 18.3.1964 VersR 1965 272 m.w.N. Bruck/Möller/Wagner 8 Bd. VI Anm. B 20 und 39; Leitsatz vom FG München 17.7.1964 VersR 1965 447. Bruck/Möller/Wagner 8 Bd. VI Anm. B 20; OLG Hamm 18.4.1980 VersR 1981 727, 728. Ausführlich Bruck/Möller/Wagner 8 Bd. VI Anm. G 307–309.

221 222

BGH 15.12.1951 VersR 1952 33, 34. Für die Berufsunfähigkeitsversicherung: BGH 18.12.1954 BGHZ 16 37, 41 ff.; für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: LG Schweinfurt 16.5.1951 VersR 1951 169; LG Köln 15.10.1951 VersR 1952 12; KG 10.12.1951 VersR 1952 61; BGH 15.12.1951 VersR 1952 33, 34. Vgl. im Übrigen die Kommentierungen der Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung.

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2. Krankenversicherung Die Lebensversicherung und ihre Sonderformen haben mit der privaten Krankenver- 228 sicherung kaum Berührungsflächen. Krankheit kann zwar genauso wie ein Unfall eine Todesursache sein und dem Versicherungsfall in der Todesfallversicherung vorausgehen – so ist es für den LebensVR beispielsweise zur Einschätzung des von ihm übernommenen Risikos erheblich, welche Vorerkrankungen vorgelegen haben – , damit ergeben sich aber nicht auch zugleich Leistungsüberschneidungen. Eine Ausnahme können der Gefahrverhütung dienende Maßnahmen der LebensVR zur Förderung des Gesundheitszustandes der Gefahrsperson, auch durch Schriften und Merkblätter, sein. Hier überschneidet sich die Leistung des LebensVR mit der des KrankenVR. Eine Überschneidung kann sich ferner zwischen der Krankentagegeldversicherung und der Berufsunfähigkeits- bzw. Berufsunfähigkeitszusatzversicherung im Hinblick auf die Arbeitsunfähigkeit einerseits und die Berufsunfähigkeit andererseits ergeben, wobei die Arbeitsunfähigkeit stets dann gegeben ist, wenn der Versicherte seine berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. 3. Dread-Desease-Versicherung Diese Versicherungsform, die neben den Leistungen der gemischten Lebensversiche- 229 rung einen zusätzlichen Versicherungsschutz für den Fall einer ernsthaften, lebensbedrohenden Erkrankung usw.223 umfasst, ist nicht mit einer Unfall-, Berufsunfähigkeitsoder Krankenversicherung zu vergleichen. Es handelt sich bei dieser Versicherungsform um eine Kapitallebensversicherung mit abstrakter Bedarfsdeckung, allerdings mit einer zusätzlichen Versicherungsfalldefinition und einer Kapitalleistung, die dem Versicherten die Möglichkeit einräumen soll, seine Lebensumstände den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Nicht zu Unrecht wird die Leistung des VR als vorgezogene Todesfall- bzw. Erlebensfallleistung bezeichnet. Während eine Krankenversicherung in der Form der Krankheitskosten- und der Tagegeldversicherung dem Ausgleich eines Bedarfs bei einer Erkrankung dient, stellt eine schwere Erkrankung bei einer Dread-Desease-Versicherung zwar das den Versicherungsfall auslösende Ereignis dar, die Versicherung zielt jedoch auf eine zusätzliche Absicherung ab, die über die im Rahmen der Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen hinausgeht. Die Dread-Desease-Versicherung soll finanzielle Mittel beispielsweise für den Einsatz neuer, ungesicherter Heilmethoden, die Beschäftigung von Pflegepersonal, für notwendige Umbauten im Haus oder am Auto, die Einarbeitung von Geschäftspartnern, die Abdeckung der zu ändernden Lebensgewohnheiten, die Sicherung des Einkommens bereitstellen. Wofür der VN letztlich den ausgezahlten Betrag verwendet, ist bei einer Summenversicherung wie der Dread-Desease-Versicherung unerheblich, die Versicherung zählt nicht zu den in § 192 genannten Formen der Krankenversicherung.224

223 224

Oben unter Rn. 100, 101. Im Einzelnen Dickstein 233 ff.; Präve ZVersWiss 1998 355, 358 ff.

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4. Haftpflichtversicherung

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Eine Berührung mit der Haftpflichtversicherung ist nach geltendem Recht grundsätzlich nicht gegeben, da die Lebensversicherungsleistung nicht den Übergang eines Ersatzanspruchs nach § 86 zur Folge hat und eine Anrechenbarkeit der Lebensversicherungsleistung auf den Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger bzw. seinen VR gleichfalls abzulehnen ist.225 Eine Verwirklichung der im Auslande teilweise realisierten Modelle zur Haftungs231 ersetzung durch Versicherungsschutz würde – beim Tode beispielsweise eines Verkehrsopfers – auch die Lebensversicherung berühren.226 5. Probandenversicherung

232

Eine partielle Verwandtschaft mit der Lebensversicherung weist die in § 40 AMG vorgeschriebene Probandenversicherung auf, eine Versicherung solcher Personen, die sich zum Zwecke des Testens eines neu einzuführenden Arzneimittels zur Verfügung stellen. Sie ist nicht Haftpflichtversicherung, weil dem Probanden selbst ein Versicherungsanspruch verschafft werden muss, sie ist nicht Krankheitskostenversicherung, da die Versicherungsleistung nicht auf die entstandenen Krankheitskosten begrenzt ist, und sie ist auch nicht Lebensversicherung, weil der Berechtigte nicht nur eine Entschädigung für den Fall des Todes bzw. der Berufsunfähigkeit erhält. Die Probandenversicherung steht der Unfallversicherung am nächsten, obwohl es sich hier regelmäßig nicht um einen Unfall im Sinne des hergebrachten Unfallbegriffs handelt, da es am Merkmal des Unerwarteten und des zeitlich begrenzten Einwirkens fehlt, wenn ein neues Medikament, dessen gesundheitsschädigende Wirkung kalkuliert ist und das zugleich den Test bildet, über längere Zeit ausprobiert wird.227

E. Lebensversicherungsvertrag als Austauschvertrag, nicht als Geschäftsbesorgungsverhältnis Schrifttum Adams Revolution im Versicherungsgewerbe, ZIP 1997 1224; von Hippel Fortschritte beim Verbraucherschutz im Versicherungswesen, JZ 1990 730 ff.; ders. Gewinnbeteiligung und Verbraucherschutz in der Lebensversicherung, JZ 1989 663 ff.; ders. Rechtlose Versicherungsnehmer? – Zur Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung, NJW 1995 566 ff.; ders. Verbraucherschutz, 3. Aufl. (Tübingen 1986); Karten/Werber/Winter (Hrsg.) Lebensversicherung und Geschäftsbesorgung (1998); Meyer Wem gehören 800 Milliarden Mark? – Eine Kritik an den rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen des Versicherungswesens, ZRP 1990 424 ff.; ders. Verbraucherpolitische Informationen und Forderungen, in: Basedow/Schwark/Schwintowski (Hg.) Informationspflichten – Europäisierung des Versicherungswesens – anerkannte Grundsätze der Versicherungsmathematik

225 226

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Unten Rn. 267 ff. Vgl. dazu im Einzelnen von Hippel Schadensausgleich bei Verkehrsunfällen (1968); und die Referate von Sieg, von Hippel, Schäfer und Winter auf dem Deutschen Sozialgerichtstag 1974, Schriftenreihe des Deutschen Sozialgerichtsverbandes Bd XIII (1975).

227

Zu den Einzelheiten der Probandenversicherung vgl. Wenckstern Die Haftung bei der Arzneimittelprüfung und die Probandenversicherung – Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz (1991).

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(1995) 203 ff.; ders. Reformbedarf des Versicherungsrechts aus Sicht des Bundes der Versicherten, in: Basedow/Meyer/Schwintowski (Hg.) Erneuerung des Versicherungsvertragsgesetzes – Versichertenschutz in den USA – Rechnungslegung von VU (1997) 69 ff.; ders. Das Versicherungsunwesen – Eine Branche jenseits von Recht und Wettbewerb (1993); ders. Was ist Versicherung? – Mißverständnisse über die rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgänge in unserem Versicherungswesen, VuR 1990 1 ff.; Pataki Der Geschäftsbesorgungsgedanke im Versicherungsvertragsrecht (1998); Schwintowski Die Rechtsnatur des Versicherungsvertrages, JZ 1996 702 ff.; ders. Anleger- und objektgerechte Beratung in der Lebensversicherung, VuR 1997 83 ff.; ders. Versicherungsrecht aktuell, VuR 1997 128 f.; ders. Rechtsnatur und ökonomische Funktionen des Versicherungsvertrages, in: Basedow/Meyer/Schwintowski (Hrsg.) Erneuerung des Versicherungvertragsgesetzes – Versichertenschutz in den USA – Rechnungslegung von VU (1997) 27 ff.; Schünemann Überschußbeteiligung und Synallagma in der Kapitallebensversicherung – Zugleich Besprechung vom Urteil des BGH vom 23.11.1994, BB 1995 417 ff.; ders. Rechtsnatur und Pflichtenstruktur des Versicherungsvertrages, JZ 1995 430 ff.; ders. Der Versicherungsvertrag, das unbekannte Wesen – BGHZ 128, 54, JuS 1995 1062 ff.; ders. Überschussbeteiligung in der Kapitallebensversicherung – Rückblick und Ausblick, in: Basedow/Meyer/Schwintowski (Hg.) Lebensversicherung – Internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutz – Versicherungsvertrieb (1996) 43 ff.; Ist das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für die Lebensversicherung reformbedürftig? 7. öffentliche Veranstaltung des Vereins zur Förderung der Versicherungswissenschaft in Berlin (1999); Winter Geschäftsbesorgung, Treuhandverhältnis und Lebensversicherung – Vertragsrechtliche Erwägungen, in: Karten/Werber/Winter (Hrsg.) Lebensversicherung und Geschäftsbesorgung (1998) 58 ff.; ders. Versicherungsaufsichtsrecht (2007) 113 ff.

Übersicht Rn. I. „Geld der Versicherten“, Treuhand- und Geschäftsbesorgungsmodelle . . . . . . II. Auslegung des Lebensversicherungsvertrages vor dem Hintergrund des § 153 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergänzende Auslegung des Versicherungsvertrages einschließlich Bedingungswerke

233

240

Rn. unter dem Gesichtspunkt eines Treuhandbzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses . IV. Abbedingung von Auftragsrechtsfolgen . V. Ergebnis: Beibehaltung des Austauschvertrages auch für die Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung . . . . . . . .

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244

I. „Geld der Versicherten“, Treuhand- und Geschäftsbesorgungsmodelle Nachdem sehr bald feststand, dass die These vom „Gelde der Versicherten“ nicht zu 233 halten war,228 wurde seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Frage intensiv diskutiert, ob der Versicherungsvertrag und insbes. der Lebensversicherungsvertrag auch weiterhin als Austauschverhältnis oder stattdessen als Treuhand- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis zu sehen sei.229 Der Vertrag sollte dabei in drei Teile zerlegt werden, nämlich in das Dienstleistungs-, Risiko- und Kapitalanlagegeschäft. Der VR sei hinsichtlich des Risiko- und Kapitalanlagegeschäfts lediglich als Geschäftsbesorger tätig, ihn treffe die Pflicht, dafür zu sorgen, dass nach dem Eintritt des Versicherungsfalles die vereinbarten Leistungen erbracht werden können. Dabei sei das Risiko- und Kapitalanlage-

228

229

Dazu näher Bruck/Möller/Winter 8 G 341 ff.; BAV-Beschlußkammerentscheidung 25.2.1986 VerBAV 1986 263, 264, bestätigt durch BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1131. Z.B. Adams ZIP 1997 1224 ff.; Pataki Der

Geschäftsbesorgungsgedanke im Versicherungsvertragsrecht (1998); Schwintowski Die Rechtsnatur des Versicherungsvertrages JZ 1996 702 ff.; Schünemann JZ 1995 430; Karten/Werber/Winter/Winter Lebensversicherung und Geschäftsbesorgung 58 ff.

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geschäft als Versicherungstreuhand mit Hilfe von Sondervermögen zu betreiben. Damit sollten separierbare Abrechnungskreise im Rechnungswesen ermöglicht werden, ohne drei gänzlich selbstständige Versicherungsverträge vorsehen zu müssen. Der VR solle allein das Entgelt für die Geschäftsbesorgung und für den Vertragsabschluss auf eigene Rechnung verwalten, die beiden anderen Prämienanteile sollen treuhänderisch abgerechnet und auf die Sondervermögen übertragen werden. Würde der privaten Lebensversicherung ein derartiges Geschäftsbesorgungsmodell zugrunde gelegt, so hätte das erhebliche Auswirkungen. Das Modell würde auf dem Umlageprinzip beruhen, die Funktion des VU würde sich weithin auf die Organisation der Umverteilung der von den VN gezahlten Beiträge beschränken. Die unternehmerische Leistung des VR würde ihre bisherige Bedeutung verlieren, auf sein unternehmerisches Geschick bei der Beherrschung der versicherungstechnischen und sonstigen Grundlagen des Versicherungsgeschäfts käme es nicht mehr entscheidend an, das VU wäre eher mit einem Entschädigungsfonds als mit einem VU im bisherigen Sinne zu vergleichen. Darüber hinaus würden bei der Übernahme eines solchen Modells bei Versicherungsaktiengesellschaften die Interessensphären von Versicherten und Aktionären anders gesehen als bisher, es käme zu Umverteilungseffekten zulasten der Aktionäre und zugunsten der Versicherten. Die Gewinne der Unternehmen und die Dividenden der Aktionäre würden allein aus dem Entgelt für das Dienstleistungsgeschäft und nicht mehr aus dem Risiko- und dem Anlagegeschäft kommen. Nach dem Geschäftsbesorgungsmodell trägt der VN das versicherungstechnische Risiko und eine gleichbleibende Prämie könnte nur im Rahmen einer Schwankungsrückstellung gewährleistet werden. Ist der VR nicht verpflichtet, ein darüber hinausgehendes Risiko auszugleichen, müssten versicherungstechnische Verluste u.U. – wie es der Norm des § 670 BGB entspricht – auf die VN abgewälzt werden. Sollte sich aus den Versicherungsbedingungen nichts Gegenteiliges ergeben, wären auch weitere Normen des Auftragsrechts bei einem Geschäftsbesorgungsmodell anwendbar, zu denken wäre an die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nach § 666 BGB, an die Herausgabepflicht nach § 667 BGB und die Vorschussleistungspflicht des Auftraggebers. Beim Verhältnis von Treuhand und Geschäftsbesorgung kann davon ausgegangen werden, dass in der Regel auch ein Geschäftsbesorgungsverhältnis gegeben ist, wenn ein Treuhandvertrag festgestellt werden kann. Umgekehrt beinhaltet jedoch nicht jeder Geschäftsbesorgungsvertrag ein treuhänderisches Verhältnis im Hinblick auf den Gegenstand der Geschäftsbesorgung. Sicherlich ist manchem Geschäftsbesorgungsvertrag eine treuhänderische Bindung des Geschäftsbesorgers zu entnehmen, wenn der Treuhänder gegenüber Dritten die Rechte im eigenen Namen und in eigener Rechtszuständigkeit ausübt. Er handelt damit nicht nur im eigenen, sondern auch im fremden Interesse. Der Geschäftsbesorgungsvertrag regelt die Pflichten und Rechte des Geschäftsbesorgers gegenüber dem Geschäftsherrn. Der Treuhandvertrag regelt dagegen die Frage, inwieweit der Geschäftsbesorger mit dem zur Ausführung der Geschäftsbesorgung erlangten Rechtsgut einer über die Geschäftsbesorgung hinausgehenden Bindung unterliegt. Damit bietet es sich an, im Folgenden zunächst zu fragen, ob bei der kapitalbildenden Lebensversicherung ein Treuhandverhältnis gegeben ist, und sodann der Frage nachzugehen, ob nicht zumindest eine Geschäftsbesorgung vorliegt. Bei beiden Instituten handelt es sich nicht um festumrissene Begriffe. Der Begriff der Treuhand wird darüber hinaus im Wirtschafts- und auch im alltäglichen Leben in einem außerordentlich weiten Sinne gebraucht. Ist jemand aufgrund Gesetzes oder Vertrages verpflichtet, die Interessen eines anderen im Hinblick auf irgend-

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eine Angelegenheit zu beachten, so wird gerne von einem Treuhandverhältnis gesprochen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um den juristischen Treuhandbegriff, der erheblich enger zu sehen ist. Im juristischen Sinne setzt Treuhandschaft zumindest voraus, dass der Treugeber einen Gegenstand einem anderen, dem Treuhänder, zu eigener Verfügungsmacht zuweist mit der Maßgabe, dass der Treuhänder die ihm übertragene Rechtsmacht im Rahmen der vertraglichen oder gesetzlichen Regelung ausübt. Zum Wesen jeder Treuhand gehört es insbesondere, das Treugut – das sich nach den Vereinbarungen der Parteien und den äußeren Umständen bzw. nach der gesetzlichen Regelung vom sonstigen Vermögen des Treuhänders eindeutig abgrenzen lassen muss – zu verwalten. Der Treuhänder muss sich mit den Interessen des Treugebers gänzlich identifizieren, wie das beispielsweise beim Sondervermögen der Kapitalanlagegesellschaften der Fall ist.230 Mit einem solchen Treuhandverhältnis scheint der Lebensversicherungsvertrag schon auf den ersten Blick nur wenig gemein zu haben. Auch wenn in der Tätigkeit des VR eine treuhänderische Komponente zu sehen sein mag – darauf kommt es für die rechtliche Sicht des Lebensversicherungsvertrages jedoch nicht entscheidend an. Die entgeltliche Geschäftsbesorgung ist deutlich weiter zu sehen als der Treuhandver- 238 trag und lässt sich als Verpflichtung des Geschäftsbesorgers gegenüber dem Geschäftsherrn verstehen, eine selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen auszuüben.231 Die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers muss somit im fremden Interesse liegen, also fremdnützig sein und damit einen Aufgabenbereich beinhalten, der dem Geschäftsherrn durch den Geschäftsbesorger abgenommen wird.232 Ob hier der Geschäftsbesorgungsbegriff überhaupt gegeben sein kann, ist zweifelhaft. So meint Schwintowski 233 z.B., wichtiger Bestandteil des Geschäftsbesorgungsverhältnisses sei die Existenz eines eigenen, grundsätzlich selbst zu erledigenden Geschäfts des Auftraggebers, das dieser auf einen anderen zur Besorgung überträgt. Dieses Element fehle beim Versicherungsvertrag, denn die Risikotragung könne nicht ein Geschäft des Einzelnen, sondern nur ein Geschäft der gesamten Risikogemeinschaft sein. Der einzelne VN sei von einem Risiko lediglich bedroht. Für die Entscheidung der Frage, ob der Lebensversicherungsvertrag am Treuhand- 239 bzw. Geschäftsbesorgungsmodell ausgerichtet ist oder ihm ein Austauschverhältnis – Gefahrtragung gegen Prämie – zugrunde liegt, kommt es allein auf die vom VR und vom VN abgegebenen Willenserklärungen, also auf den Inhalt des Versicherungsvertrages, auf den erklärten oder den hypothetischen Willen der Vertragspartner an. Maßgebend für den Inhalt der Willenserklärungen ist dabei der Inhalt der versicherungsvertragsrechtlichen gesetzlichen Bestimmungen, insbes. auch der Normen zur Lebensversicherung und zur Überschussbeteiligung, von denen zum Nachteil des VN und des Versicherten nicht abgewichen werden kann, § 171. Die betriebswirtschaftliche Sicht der Versicherung ist für die rechtliche Bewertung zwar nicht ohne Belang, aber nicht von entscheidender Bedeutung. Die Betriebswirtschaftslehre und die Volkswirtschaftslehre ermöglichen eine genauere Erfassung der Sachverhalte und der Hintergründe für richterliche und gesetzgeberische Wertungen, insbes. auch die Betriebswirtschaftslehre kann Vorgaben für die rechtliche Bewertung entwickeln, ausschlaggebend aber ist für die rechtliche Einordnung die rechtliche Bewertung.234 Erst recht kommt es nicht auf eine wenig greifbare „Vertragswirklichkeit“ an, die keinen Ausdruck im Vertrag gefunden hat. Es bedarf damit

230 231 232

Winter ZVersWiss 1991 218 ff. Im Einzelnen Pataki 22. BGH 25.4.1966 BGHZ 45 223, 229.

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Schwintowski JZ 1996 703 Überzeugend Pataki 26 ff.

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keiner Auseinandersetzung mit der „wirtschaftlichen Sichtweise“ Meyers und anderer, die zudem als empirisch nicht nachweisbar abzulehnen ist und die auch aus versicherungstechnischer Sicht nicht den Tatsachen entspricht (Stichwort: Prämie für die gemischte Lebensversicherung als Risikobeitrag für den Todesfall in Verbindung mit dem Risikobeitrag für den Erlebensfall). Wie Karten überzeugend nachgewiesen hat, deutet auch versicherungstechnisch alles auf einen Austauschvertrag hin.235

II. Auslegung des Lebensversicherungsvertrages vor dem Hintergrund des § 153 VVG 240

Ein Blick auf die Antragsformulare, die Versicherungsscheine und die Versicherungsbedingungen in der Lebensversicherung lässt deutlich werden, dass dort nicht von einem Treuhandvertrag, von einer Geschäftsbesorgung, sondern von einem Austauschvertrag ausgegangen wird. Auch aus dem Anspruch auf Überschussbeteiligung, wie er sich aus der halbzwingenden Norm des § 153 und beispielsweise für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung aus der ausführlichen Bestimmung des § 2 GDV-Musterbedingungswerk und für die kapitalbildende Lebensversicherung aus der Bestimmung des § 2 GDV-Musterbedingungswerk ergibt, kann nichts in Richtung auf einen Treuhand- oder Geschäftsbesorgungscharakter entnommen werden. Die aufsichtsrechtlichen Vorschriften wie §§ 11, 81c VAG oder die Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung (ZR-QuotenV) enthalten zwar eine Reihe von an die VU gerichteten Verhaltensanweisungen, jedoch bewusst keine Vorschrift, die für den einzelnen VN einen vertraglichen Anspruch formuliert. Die aufsichtsrechtlichen Vorschriften können für das versicherungsvertragsrechtliche Verhältnis daher nur herangezogen werden, wenn diese Verhaltensnormen in § 153 bzw. in den Bedingungswerken ihren Niederschlag gefunden haben. Das kann schon auf den ersten Blick für die Vorschrift des § 153 verneint werden,236 die ausführlichen Bestimmungen zur Überschussbeteiligung in den Bedingungswerken nehmen die aufsichtsrechtlichen Regelungen zwar zum Teil auf, begründen jedoch gleichfalls keinen Anspruch, der als Ausdruck eines Treuhand- bzw. Geschäftsbesorgungsmodells verstanden werden könnte. Eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung über die Erstellung des Versicherungsschutzes wird zwischen den Parteien nicht getroffen. Bei der Formulierung des § 153 war sich der Gesetzgeber der Aussage des BVerfG 241 bewusst, dass die VU ihre Geschäftspolitik selbst gestalten und in unternehmerischer Eigenverantwortung über den wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens entscheiden.237 Ebenso wie der Gesetzgeber es vermieden hat, die VU in Richtung eines Treuhand- oder Geschäftsbesorgungsverhältnisses einzuengen, ist das auch bei der Ausgestaltung der Überschussregelung in den Bedingungswerken beachtet worden. So nimmt der Bedingungsgeber zwar die Regelung des § 153 Abs. 1 zu Beginn in die Bedingungswerke auf, teilt dem VN beispielsweise in § 2 Abs. 1 GDV-Musterbedingungswerke für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung und die kapitalbildende Lebensversicherung die Grundsätze und Maßstäbe für die Überschussbeteiligung mit, erläutert die Entstehung der Überschüsse und bekräftigt die aufsichtsrechtlich vorgegebene „angemes-

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Karten Ökonomische Grundlagen und Konsequenzen des Gesetzentwurfs, in: Karten/Werber/Winter (Hrsg.) 44–57.

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Regierungsbegründung zu § 153 Abs. 2 BTDrucks. 16/3945 S. 96 re. Sp. BVerfG 25.6.2005 VersR 2005 1127, 1131.

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sene“ Beteiligung an den Überschüssen und das Prinzip der „verursachungsgerechten“ Beteiligung. Der VR macht deutlich, dass er die für die Überschussbeteiligung gedachte Rückstellung für Beitragsrückerstattung nur ausnahmsweise zur Abwendung eines Notstandes zur Verlustabdeckung heranziehen werde, und informiert den VN über die Maßstäbe für die Überschussbeteiligung seines Vertrages. Dabei betont er abschließend, dass die Höhe der zukünftigen Überschussbeteiligung nicht garantiert werden könne. Auch wenn die bedingungsmäßige Regelung der Überschussbeteiligung angesichts der Neuregelung des Gesetzes deutlich ausführlicher geworden ist, die Eingehung konkreter Verpflichtungen, aus denen in Richtung eines Treuhand- oder Geschäftsbesorgungsverhältnisses geschlossen werden könnte, hat der Bedingungsgeber vermieden. Er weist den VN insbes. auch nicht deutlich und klar darauf hin, dass er – um die Prämien längere Zeit hindurch auf gleichbleibender Höhe zu halten – versicherungstechnisch und aufsichtsrechtlich nach § 11 VAG gezwungen ist, die Beiträge mit erheblichen Sicherheitszuschlägen zu kalkulieren, sodass „aufsichtsrechtlich verordnete Gewinne“ anfallen. Ebenso wie die Voraussetzungen für die Zahlung der Überschussanteile sowie die Form und Verwendung der Überschussanteile, wie sie sich beispielsweise aus § 2 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung ergeben, kann man diesen Regelungen keinen Hinweis auf den Treuhand- bzw. den Geschäftsbesorgungsgedanken entnehmen.

III. Ergänzende Auslegung des Versicherungsvertrages einschließlich Bedingungswerke unter dem Gesichtspunkt eines Treuhand- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses Ein Treuhand- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis insbes. bei der kapitalbildenden 242 Lebensversicherung könnte schließlich im Wege der ergänzenden Auslegung hergeleitet werden.238 Ergibt sich eine Regelung nicht aus den vertraglichen Vereinbarungen oder dem Gesetzesrecht, so ist die rechtsgeschäftliche Regelung vervollständigend auszulegen, und zwar unter Orientierung an der konkreten Interessenlage im Einzelfall oder an Gesichtspunkten, die für Rechtsgeschäfte dieser Art typisch sind. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist dabei das Vorliegen einer Regelungslücke, und zwar im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung. Da sich nun z.B. bei der kapitalbildenden Lebensversicherung für die Erstellung des Versicherungsschutzes usw. nichts aus dem Versicherungsvertrag, dem zugrunde liegenden Bedingungswerk und der gesetzlichen Regelung der Lebensversicherung einschl. § 153 ergibt, könnte man daran denken, dass die Vertragsparteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben würden, wenn sie sich der Lücke bewusst gewesen wären. Dazu kann es bei der kapitalbildenden Lebensversicherung allerdings nicht kommen. Denn es besteht keine Lücke im Lebensversicherungsvertrag, er ist wie jeder Versicherungsvertrag bewusst als Austauschverhältnis konzipiert. Ein Austauschverhältnis ist dabei nicht nur im Hinblick auf die Risikokomponente, sondern auch hinsichtlich der Sicherheitszuschläge und der sog. Sparkomponente gegeben. Die Interessen des VN im Hinblick auf die Sicherheitszuschläge werden durch die bedingungsgemäße Überschussbeteiligung des VN z.B. nach § 2 GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung bzw. kapitalbildende Lebensversicherung und § 153 gewahrt, die schon in den vergangenen Jahrzehnten – obgleich enger gefasst – zu teilweise deutlichen Prämienrückflüssen an die VN

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Schünemann JuS 1995 1062, 1065.

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geführt hat. Die Überschussbeteiligung hat jedoch nicht zur Folge, dass der Versicherungsvertrag damit seinen Charakter als Austauschvertrag verliert.239 Die Überschussbeteiligungsregelung, wie sie ihren Ausdruck beispielsweise in § 2 GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung, § 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung als Ergänzung des vertraglichen Austauschverhältnisses gefunden hat, ist auch nicht unwirksam nach §§ 305c BGB. Sie entspricht der grundlegenden Vorschrift des § 153. Für eine ergänzende Vertragsauslegung in Richtung eines Treuhandoder Geschäftsbesorgungsvertrages ist daher insoweit kein Raum.

IV. Abbedingung von Auftragsrechtsfolgen 243

Auch wenn es sich nicht um einen Geschäftsbesorgungsvertrag handelt, könnte an die Heranziehung von Auftragsrechtsfolgen gedacht werden, um bei der kapitalbildenden Lebensversicherung zu einem interessengerechten Ergebnis zu gelangen. Derartige Rechtsfolgen sind jedoch gleichfalls durch die vertragliche Regelung des Versicherungsvertrages und dabei insbes. auch durch die Überschussbeteiligung nach § 2 GDV-Musterbedingungswerke abbedungen worden.

V. Ergebnis: Beibehaltung des Austauschvertrages auch für die Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung 244

Nach allem ist auch für die Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung an dem Prinzip des Austauschvertrages festzuhalten.240 Wie weit es sich hierbei um ein partiarisches Rechtsverhältnis handelt, wird in Zusammenhang mit der Kommentierung der Überschussbeteiligung erörtert.241 Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung des § 1 bewusst die Möglichkeit offen245 gehalten, auch der Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung einen Vertrag zugrunde zu legen, der sich am Treuhand- oder Geschäftsbesorgungsmodell ausrichtet.242 Damit könnte auch in der kapitalbildenden Lebensversicherung das unternehmerische Risiko bis hin zu Nachschusspflichten der VN auf die VN-Seite verlagert werden. Ein derartiger Systemwechsel würde allerdings eine Änderung des Aufsichtsrechts voraussetzen.243

F. Kapitalisierungsgeschäfte Schrifttum Kaulbach in: Fahr/Kaulbauch/Bähr, VAG, Komm., 4. Aufl., § 1 VAG Rn. 94–100; Präve in: Prölss VAG, Komm., 12. Aufl., § 1 VAG Rn. 13, 18–19; Schriever VP 1994 69 ff.; Weinrich VW 1993 795 ff.; Winter Grenzlinien der Lebensversicherung: „insurable interest“, biometrisches Risiko und Kapitalisierungsgeschäfte, VersR 2004 8 ff.

239 240

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Winter ZVersWiss 1991 203, 220 ff. Vgl. Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 208; ebenso Langheid/Wandt/Heiss/Mönnich Vor §§ 150–171 Rn. 40. Vgl. Bruck/Möller/Winter § 153 Rn. 152.

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Regierungsbegründung BTDrucks. 16/3945 zu § 1 S. 56 re. Sp. Kaulbach Der Gesetzesentwurf aus aufsichtsrechtlicher Sicht, in: Karten/Werber/ Winter (Hrsg.) 111, 120.

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Übersicht Rn. I. Gleichstellung mit Lebensversicherungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestand der Kapitalisierungsgeschäfte III. Reichweite der Gleichstellungsnorm des § 1 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 VAG . . . .

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Rn. IV. Versicherungsvertragsrechtliche Einordnung der Kapitalisierungsgeschäfte . . .

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I. Gleichstellung mit Lebensversicherungsverträgen Kapitalisierungsgeschäfte sind Finanzgeschäfte, die von LebensVU betrieben werden 246 können und die sich von Lebensversicherungsverträgen dadurch unterscheiden, dass bei ihnen die Komponente des vom VR übernommenen biometrischen Risikos fehlt. Die Kalkulation der Kapitalisierungsgeschäfte stützt sich in diesem Falle ausschließlich auf die beiden Rechnungsgrundlagen Zins und Kosten, die Kunden können – ähnlich einer kapitalbildenden Lebensversicherung – am Überschuss beteiligt sein, der sich allerdings nur aus dem Zins- und Kostenergebnis herleitet.244 In Frankreich sind Kapitalisierungsgeschäfte seit langem verbreitet 245 und wurden 247 zeitweise durch eine steuerliche Vorzugsbehandlung gefördert. Ihnen ist es zu verdanken, dass in Frankreich das Renditedenken schon früh viel stärker in den Vordergrund trat als in Deutschland. Ein typischer französischer bon de capitalisation ist ein Sparvertrag mit einem garantierten Zins, wobei der VR dem Kunden am Fälligkeitstage die ersparten Beiträge einschl. vereinbarter Zinsen und einer Gewinnbeteiligung zurückerstattet. Verstirbt der Kunde vor dem Fälligkeitstage, werden die inzwischen angesammelten Ersparnisse einschl. Gewinnbeteiligung ausgezahlt, ein biometrisches Risiko wird von dem LebensVU jedoch nicht übernommen. Da solche Geschäfte nicht nur in Frankreich getätigt wurden, die EU-ausländischen 248 LebensVR an dem Angebot von Kapitalisierungsgeschäften auch in Deutschland und in anderen EU-Staaten nicht gehindert werden sollten und zugleich die Diskriminierung deutscher LebensVR – die derartige Produkte (als Bankprodukte) nicht betreiben durften – aufzuheben,246 wurden die Kapitalisierungsgeschäfte in die Sparten aufgenommen, die von europäischen Lebensversicherungsgesellschaften betrieben werden können. Nach Art. 2 Nr. 2 Buchstabe b der Gesamtrichtlinie Leben sind unter Kapitalisierungsgeschäften solche Geschäfte zu verstehen, „denen ein versicherungsmathematisches Verfahren zugrunde liegt, wobei gegen im Voraus festgesetzte einmalige oder regelmäßig wiederkehrende Zahlungen bestimmte Verpflichtungen übernommen werden, deren Dauer und Höhe genau festgelegt sind.“ Der deutsche Gesetzgeber hat 1994 bei der Transponierung in § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG den Begriff der Kapitalisierungsgeschäfte leicht – aber zulässig – erweitert, wenn dort formuliert ist: „Als Kapitalisierungsgeschäfte … gelten Geschäfte, bei denen unter Anwendung eines mathematischen (nicht: versicherungsmathematischen) Verfahrens die im Voraus festgesetzten einmaligen oder wiederkehrenden Prämien und die übernommenen Verpflichtungen nach Dauer und Höhe festgelegt sind.“

244

Zum Gegenstand von und zu den Anforderungen betreffend Kapitalisierungsgeschäfte vgl. das BaFin-Rundschreiben 08/2010 v. 7.9.2010. Damit sind die Verlautbarungen v. 4.10.2005 bzw. 27.6.2007 gegenstandslos geworden.

245 246

Weinrich VW 1993 795, 797 ff.; Schriever VP 1994, 69, 72. Körber VW 1993 254, 257; Prölss/Präve § 1 VAG Rn. 13.

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Obwohl die Kapitalisierungsgeschäfte seit 1994 in Deutschland betrieben werden können und von einer ganzen Reihe von LebensVU auch angeboten werden, ist ihr Marktanteil zwar gering, aber durchaus vorhanden.247 Insbes. dienen Kapitalisierungsgeschäfte mit Auszahlung des Deckungskapitals beim Tode des Versicherten auch als Altersvorsorgevertrag im Sinne des AltZertG. Sie sind zuweilen von Lebensversicherungen schwer zu unterscheiden, wenn das biometrische Risiko bei der Ausgestaltung einer Lebensversicherung so weit in den Hintergrund tritt oder schließlich gar nicht mehr feststellbar ist. Beispiele solcher Grenzformen sind Rentenversicherungen mit Beitragsrückgewähr und Auszahlung der Überschussanteile im Todesfall während der Aufschubzeit oder die oben unter Rn. 134 ff. beschriebenen Ausgestaltungen, bei denen es nicht zur Übernahme eines biometrischen Risikos gekommen ist.

II. Tatbestand der Kapitalisierungsgeschäfte 250

Die maßgebliche Definition der Kapitalisierungsgeschäfte findet sich in § 1 Abs. 4 S. 2 VAG, eine Vorschrift, die auch unter Berücksichtigung der Richtliniendefinition auszulegen ist.248 Aus den Definitionen, die von Kaulbach 249 zu Recht als substanzarm kritisiert wer251 den, kann dabei zunächst entnommen werden, dass der Kunde in Gestalt der Prämie eine Geldleistung zu erbringen hat und dieser Leistung eine Kapitalleistung gegenübersteht, die das LebensVU in Gestalt von Geld oder Wertpapieren zu erbringen hat. Damit kann ein Kaufvertrag grundsätzlich nicht als Kapitalisierungsgeschäft angesehen werden.250 Verspricht das LebensVU bei dem Kapitalisierungsgeschäft nicht nur einen festen 252 Kapitalbetrag, sondern auch eine Überschussbeteiligung, könnte es auf den ersten Blick zweifelhaft sein, ob damit die Grenzen des Kapitalisierungsgeschäfts gesprengt sind. Denn die Leistungen des LebensVU müssen bei einem Kapitalisierungsgeschäft gem. § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG nach Dauer und Höhe festgelegt sein. Der VR muss nach der Lebensversicherungsrichtlinie „bestimmte“ Verpflichtungen übernehmen, deren Dauer und Höhe „genau“ geregelt sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Verpflichtungen zwar festgelegt sein müssen, nicht aber „zahlenmäßig“ fixiert. Es reicht auch für ein Kapitalisierungsgeschäft schon nach dem Wortlaut für das Bestimmtheitserfordernis eine Festlegung nach Dauer und Höhe aus, die zum Zeitpunkte des Vertragsabschlusses noch keine Bezifferung ermöglicht, sondern lediglich sicherstellt, dass eine solche im Leistungsfall nach bestimmten Kriterien gewährleistet ist. Negativ formuliert, spricht der Wortlaut dafür, dass die Festlegung der Leistung des VU nicht mehr von einem Willensakt der Parteien und einem Ermessen des VR abhängig sein darf. Die Festlegung bestimmter Kriterien zur Leistungsbestimmung – etwa nach Art der im Bereich der Lebensversicherung üblichen Überschussbeteiligung – genügt daher nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG unter Bestimmtheitsgesichtspunkten für das Vorliegen eines Kapitalisierungsgeschäfts. Zwar könnte unter dem Blickwinkel der Entstehungsgeschichte der Vorschrift der 253 Wortlaut des Art. 1 Nr. 2b der Ersten Richtlinie Leben zunächst für ein strengeres Verständnis des Bestimmtheitserfordernisses sprechen. Das erweist sich jedoch als Trug247

248

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Daher sind die Kapitalisierungsgeschäfte hier – anders als die Tontinengeschäfte, die in Deutschland keine Bedeutung besitzen – auch zu erörtern. Prölss/Präve § 1 VAG Rn. 18a.

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Fahr/Kaulbach/Bähr/Kaulbach § 1 VAG Rn. 99. A.A. Fahr/Kaulbach/Bähr/Kaulbach § 1 VAG Rn. 99.

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schluss, denkt man jedoch an die insbes. in Frankreich am Markt anzutreffenden Modelle, die durch die Vorschriften erfasst werden sollten, so erweist sich das als Trugschluss. Bei diesen Produkten erfolgte die Festlegung der Leistung des LebensVU regelmäßig nicht von vornherein zahlenmäßig bestimmt, sondern in Abhängigkeit von bestimmten im Vertrag festgelegten künftigen Ereignissen. So wird bei derartigen Geschäften beispielsweise auch neben einer im Alter bestimmten auszuzahlenden Erlebensfallleistung eine Leistung in Abhängigkeit von dem Ergebnis einer Auslosung erbracht. Solche Vertragsgestaltungen, die die Richtlinie vor Augen hatte, begnügen sich mit einer Festlegung der Leistung des Unternehmers nach bestimmten Kriterien, deren endgültige Bezifferung erst nach Vertragsschluss erfolgen kann. Das gilt erst recht für die Legaldefinition des Kapitalisierungsgeschäfts in § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG, die weiter ist als die der Richtlinie und erheblich weiter als die in den ausländischen Märkten anzutreffenden Modelle, was sich unter Bestimmtheitskriterien am Fehlen der Worte „bestimmt“ und „genau“ in der aufsichtsrechtlichen Definition äußert. Die Bestimmung des § 1 Abs. 4 VAG hat die Gleichstellung bestimmter Finanzge- 254 schäfte mit Lebensversicherungsgeschäften zum Ziel, deren Einordnung als versicherungsfremde Geschäfte als zweifelhaft erscheinen kann, zumal die Problematik der versicherungsfremden Geschäfte ohnehin zunehmend liberaler gesehen wird.251 Die Einordnungszweifel resultieren daraus, ob bei derartigen Geschäften ein Risikotransfer vorliegt, mithin, ob die Leistung des LebensVU bei Vertragsschluss noch nicht zahlenmäßig festgelegt ist, jedenfalls ihre Höhe noch ungewiss bleibt. Vergegenwärtigt man sich den Normzweck des § 1 Abs. 4 VAG Satz 1, 2, liegt eine Gleichsetzung von solchen Finanzgeschäften mit Lebensversicherungsgeschäften näher, bei denen die Leistungspflicht des Unternehmens zahlenmäßig noch ungewiss ist, mag der LebensVR hier auch kein Versicherungsrisiko tragen. Setzt § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG nach seinem Wortlaut sogar Geschäfte mit von vornherein beziffertem Leistungsanspruch des Kunden dem Lebensversicherungsgeschäft gleich, so gilt das erst recht für die den Versicherungsgeschäften näher stehenden Finanzgeschäfte, bei denen die Leistungspflicht des LebensVU – wie bei den Versicherungsgeschäften – zwar nach bestimmten Kriterien festgelegt, aber jedenfalls der Höhe nach noch ungewiss ist. Damit kann kein Zweifel daran bestehen, dass solche Geschäfte, bei denen es nahezu oder gänzlich an einem biometrischen Risiko fehlt und die dem Kunden eine Überschussbeteiligung in Aussicht stellen, als Kapitalisierungsgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG anzusehen sind. Die vom Kunden zu zahlenden Prämien sind in ihnen unter Anwendung finanzmathematischer Verfahren ebenso im Voraus festgelegt wie die vom LebensVU zu erbringenden Kapitalleistungen. Dass die Höhe der Überschussbeteiligung zahlenmäßig noch nicht exakt von vornherein feststeht, ist unschädlich, zumal die Kriterien, nach denen sich die Überschussbeteiligung errechnet, bereits bei Vertragsschluss festgelegt werden. Wenn oben festgestellt wurde, dass die Legaldefinition des § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG so 255 weit gefasst ist, dass ebenso wie bei der Richtliniendefinition Lebensversicherungsverträge ohne weiteres unter die Kapitalisierungsgeschäfte zu subsumieren sind, so können sich insoweit jedoch durchaus Zweifel ergeben. Insbes. kann es als zweifelhaft erscheinen, Verträge als Kapitalisierungsgeschäfte zu behandeln, die sich als Mischform beider Vertragstypen mit einem größeren oder auch kleineren Risikoanteil darstellen. Denn auf den ersten Blick scheint die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Satz 1 VAG davon auszugehen, dass das Kapitalisierungsgeschäft und das Versicherungsgeschäft einander ausschließen. Nach 251

Winter Versicherungsaufsichtsrecht 291, 364 ff.

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§ 1 Abs. 4 Satz 1 VAG werden Kapitalisierungsgeschäfte aber nur dann von der Versicherungsaufsicht erfasst, wenn sie von LebensVU betrieben werden. Kapitalisierungsgeschäfte können also keine Versicherungsgeschäfte sein, da es wenig sinnvoll wäre, sie nur dann der Versicherungsaufsicht zu unterstellen, wenn sie von zugelassenen LebensVU betrieben werden. Wie oben bereits festgestellt, kann es jedoch keinem Zweifel unterliegen, dass die Definition des § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG den Begriff des Versicherungsgeschäfts mit umfasst. Daher muss § 1 Abs. 4 Satz 1 VAG anders zu interpretieren sein. Die Definition des Versicherungsgeschäfts i.S.d. § 1 Abs.1 VAG enthält zusätzliche, engere Kriterien als die des Kapitalisierungsgeschäfts, insbes. die Risikoübernahme des VR, die nicht zu sehr in den Hintergrund treten darf. Sämtliche Voraussetzungen des Kapitalisierungsgeschäfts sind auch bei einem Versicherungsgeschäft gegeben und § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG enthält seinem Wortlaut nach keine negative Ausgrenzung des Versicherungsgeschäfts vom Begriff des Kapitalisierungsgeschäfts. Auch hier gilt: Die Gleichstellung von Kapitalisierungsgeschäften und Lebensversicherungsgeschäften, wie sie vom VAG beabsichtigt wird, ist umso mehr gerechtfertigt, je näher sich die gleichzustellenden Geschäfte stehen. Gerade wenn man an Fälle denkt, in denen es zweifelhaft ist, ob angesichts der Art und des Umfangs der Risikoübernahme im Rahmen der vertraglichen Gesamtleistung des LebensVU ein Lebensversicherungsvertrag gegeben ist, spricht mehr für eine Gleichsetzung von Kapitalisierungsgeschäften mit Lebensversicherungsgeschäften als bei Finanzgeschäften, bei denen es an jeder Risikoübernahme fehlt. Gemischte Verträge mit Elementen der Risikoübernahme und Bestandteilen eines reinen Finanzgeschäfts ohne Risikoübernahme weder als Versicherungsgeschäft noch als Kapitalisierungsgeschäft anzusehen und sie der Aufsicht nicht zu unterwerfen, erscheint als abwegig. Daher kann die Regelung zu den Kapitalisierungsgeschäften nur so verstanden werden, Versicherungsgeschäfte und Kapitalisierungsgeschäfte nicht als einander ausschließende Institute zu sehen, sondern das Kapitalisierungsgeschäft als den weiteren und Versicherungsgeschäfte als den engeren Begriff zu verstehen, der vom Kapitalisierungsgeschäft mit erfasst wird. Damit würden für LebensVU Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden, eine solche Sicht dient auch der Rechtssicherheit. Daher ist die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Satz 1 VAG einschränkend so auszulegen, dass die Kapitalisierungsgeschäfte, die die Voraussetzungen des Versicherungsbegriffs i.S.d. § 1 Abs. 1 VAG nicht erfüllen, nur dann aufsichtspflichtig sind, wenn sie von LebensVU betrieben werden. Die in Rn. 134 ff. angesprochenen Verträge erfüllen jedenfalls die Voraussetzungen des Kapitalisierungsgeschäfts i.S.v. § 1 Abs. 4 Satz 2 VAG, wenn sie nicht als Versicherungsverträge zu sehen sind.252 Andererseits darf jedoch nicht übersehen werden, dass die versicherungsaufsichtsrechtliche und versicherungsvertragsrechtliche Behandlung von Lebensversicherungsverträgen und Kapitalisierungsgeschäften unterschiedlich ist.253 Daher ist ein Finanzgeschäft, das Elemente des Versicherungsvertrages und des Kapitalisierungsgeschäfts in sich vereinigt, zunächst darauf hin zu prüfen, ob es sich um einen Lebensversicherungsvertrag handelt. Erst wenn geklärt ist, dass ein Lebensversicherungsvertrag nicht gegeben ist, stellt sich die Frage einer Einordnung als Kapitalisierungsgeschäft.

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Die Ausführungen zum Tatbestand des Kapitalisierungsgeschäfts finden sich weithin bereits bei Winter VersR 2004 8,

253

13 f.; ders. Versicherungsaufsichtsrecht 442–445. Vgl. sogleich unter 3. und 4. Rn. 261–266.

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III. Reichweite der Gleichstellungsnorm des § 1 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz. 2 VAG Die Gleichstellung der Kapitalisierungs- und der Lebensversicherungsverträge bedeu- 261 tet zunächst einmal, dass LebensVU auch insoweit der Aufsicht nach dem VAG unterliegen, wie sie Kapitalisierungsgeschäfte betreiben. Die Kapitalisierungsgeschäfte dürfen nur unter Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften Gegenstand der unternehmerischen Betätigung von LebensVU sein und nicht als neben der Aufsicht stehend angesehen werden. Wie weit die Aufsicht im Einzelnen geht, wird beispielsweise für die Kapitalausstattung (§ 53c VAG), die Zugehörigkeit zum gebundenen Vermögen (§ 54 VAG) und damit das Insolvenzvorrecht (§§ 77, 77a VAG) als unklar bezeichnet. Dabei kann die Gleichstellung nur so weit reichen, wie Kapitalisierungsgeschäft und Lebensversicherung tatsächlich auch vergleichbar sind, die Unterschiede zwischen beiden Geschäften schlagen sich auch in der Aufsicht nieder. Darüber hinaus wirkt sich die Gleichstellung mit der Lebensversicherung auch auf die 262 früher gängige aufsichtsbehördliche Einschätzung der Kapitalisierungsverträge als versicherungsfremde und damit verbotene Geschäfte aus. Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 VAG ist es, Risiken von den VU fernzuhalten, die nicht mit dem Vertrieb von Versicherungsgeschäften verbunden sind. Geht man von der Funktion des § 7 Abs. 2 VAG aus, liegt es nahe, Finanzgeschäfte mit geringerem Risiko als es die Lebensversicherungsverträge aufweisen, nicht unter das Verbot versicherungsfremder Geschäfte fallenzulassen. Denn Finanzgeschäfte, bei denen das biometrische Risiko keine Rolle spielt, dürften insoweit als risikoärmere Verträge anzusehen sein. Will man Kapitalisierungsgeschäfte schon angesichts des geringeren Risikos nicht vom Verbot der versicherungsfremden Geschäfte ausnehmen, so hat sich die rechtliche Einschätzung seit 1994 jedoch geändert. Es besteht nach der Regelung des § 1 Abs. 4 Satz 1 und 2 VAG kein Zweifel, dass Lebensversicherungsgesellschaften Kapitalisierungsgeschäfte – trotz des grundsätzlichen Verbots versicherungsfremder Geschäfte – auch planmäßig betreiben dürfen. Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 Satz 1 und 2 VAG ist zumindest ein Wandel der Verkehrsauffassung erfolgt.254

IV. Versicherungsvertragsrechtliche Einordnung der Kapitalisierungsgeschäfte Die aufsichtsrechtliche Gleichstellung der Kapitalisierungsgeschäfte mit dem Lebens- 263 versicherungsvertrag nach § 1 Abs. 4 Satz 1 VAG bedeutet nicht, dass auch das VAG auf Kapitalisierungsgeschäfte anwendbar ist. Das ergibt sich schon aus der Stellung der Vorschrift im Gesetz als Bestandteil des VAG. Dessen Normen betreffen grundsätzlich nur das Rechtsverhältnis zwischen VR und Aufsichtsbehörde, nicht das Rechtsverhältnis zwischen VR und VN.255 Bekanntlich gibt es zwar Ausnahmen von diesem Grundsatz, aber sie werden im Wortlaut des VAG durch die Verwendung entsprechender zivilrechtlicher Formulierungen ausdrücklich gekennzeichnet. Derartige Formulierungen finden sich in § 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VAG nicht. Die zivilrechtliche Bewertung dieser Verträge wird damit unberührt gelassen.

254

Fahr/Kaulbach/Bähr/Bähr § 7 VAG Rn. 22; vgl. auch Prölss12/Präve § 1 VAG Rn. 19.

255

BGH 21.3.1990 BGHZ 111 29, 33 = VersR 1990 618, 619.

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Aber auch eine andere Überlegung spricht für dieses Ergebnis. Nur wenn Kapitalisierungsgeschäfte von LebensVU betrieben werden, unterfallen sie dem Aufsichtsrecht; nicht jedoch, wenn sie Gegenstand der Geschäftstätigkeit von NichtVU sind. Will man einen und denselben Vertrag zivilrechtlich bewerten, so kann die Bewertung nicht davon abhängig sein, ob der Vertrag von einer Versicherungsgesellschaft oder von einem NichtVU abgeschlossen wird. Aufsichtsrechtlich entspricht diese Differenzierung dagegen durchaus den überkommenen Grundsätzen des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Denn nach § 81 Abs. 1 VAG überwacht die Aufsicht den gesamten Geschäftsbetrieb der aufsichtspflichtigen Unternehmen, also nicht etwa nur den Betrieb des Versicherungsgeschäfts, sondern auch andere Geschäfte, die bei einem NichtVU nicht zum Eingreifen der Versicherungsaufsicht führen würden. Das unterstreicht, dass sich die Reichweite der Gleichstellungsnorm des § 1 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 VAG auf das Aufsichtsrecht beschränkt und nicht zur Anwendbarkeit des VVG auf Kapitalisierungsgeschäfte führt. Damit sind die Normen des VVG grundsätzlich nur anwendbar, soweit es sich inhalt265 lich bei dem Kapitalisierungsgeschäft um einen Versicherungsvertrag handelt. Handelt es sich nicht um derartigen Vertrag, vermögen die Normen des VVG nur Anwendung zu finden, weil es sich um einen zusammengesetzten oder gemischten Vertrag handelt. In einem derartigen Falle können gesetzliche Regelungen für eine Vertragsform wie den Versicherungsvertrag zur Anwendung gelangen, wenn die für diesen Vertragstyp typischen Leistungen Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung geworden ist. Eine andere Möglichkeit wäre die analoge Anwendung einzelner Normen des VVG auf das Kapitalisierungsgeschäft.256 Darauf wird bei der Erörterung einzelner Normen wie z.B. der Vorschrift des § 150 Abs. 2 zurückzukommen sein. Angesichts der Nähe zwischen Kapitalisierungsgeschäft und Lebensversicherungs266 vertrag bei der näheren Ausgestaltung des konkreten Vertrages kommt es immer wieder zu Falschbezeichnungen, indem beispielsweise ein Kapitalisierungsgeschäft als Rentenversicherungsvertrag bezeichnet wird. Die Bezeichnung des Vertrags mag zwar ein Indiz für die Auslegung des Vertragsinhalts sein, entscheidend für die zivilrechtliche Einordnung eines Vertrages bleibt jedoch der Vertragsinhalt. Eine Falschbezeichnung ist rechtlich nicht relevant, der übereinstimmende Parteiwille hat den Vorrang vor einer unrichtigen Bezeichnung.

G. Lebensversicherung und Haftungsrecht Schrifttum Adler Das Tagegeld in der Krankenversicherung als Schadens- oder Summenversicherung (1995); Baur Zum Problem der Vorteilsvergleichung, JW 1937 1464; Böhm Über die Rechtsnatur der Kranken- und Unfallversicherung – Eine Begriffsverweisung und ihre Begleiterscheinung, VersR 1956 73; Cantzler Die Vorteilsausgleichung beim Schadenersatzanspruch, AcP 156 29; Ehmann Die Gesamtschuld, Versuch einer begrifflichen Erfassung in drei Typen (1972); Frick Regress- und Anrechnungsprobleme in der Summenversicherung (1985); Gärtner Das Bereicherungsverbot (1970); Hermann Lange Die Vorteilsausgleichung, JuS 1978 649; Marschall von Bieberstein Reflexschäden und Regressrechte (1967); Möller Die Gewinnversicherung, die Neuwertversicherung und die Taxe unter dem Blickwinkel des versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbots, in: Möller/Winter (Hrsg.), Zweiter Weltkongress für Versicherungsrecht II (1967) 57; Neeße Übergang der Schadenersatzforderung, die der Versicherungsnehmer gegen seinen Schädiger hat, auf den Versicherer in der privaten

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Prölss/Präve § 1 VAG Rn. 19.

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Krankenversicherung, VersR 1976 704; Rokas Summenversicherung und Schadenersatz (1975); Rother Haftungsbeschränkung im Schadenersatzrecht (1965); Rudloff Der Vorteilsausgleich als Gewinnabwehr und Glücksteilhabe, in: Festschrift Fritz von Hippel (1967) 423; Sieg Kumul der Leistungen, Regress und Subrogation in der privaten und in der staatlichen Versicherung, ZVersWiss 1973 319; Thiele Gedanken zur Vorteilsausgleichung, AcP 167 193; Walter Zum Problem der Vorteilsausgleichung gegenüber Haftpflichtansprüchen – Sind private Versicherungsleistungen anrechenbar?, JW 1937 846; Werner Vorteilsausgleichung, Kausalität und Wesen der Schadenersatzpflicht, NJW 1955 769; Winter Konkrete und abstrakte Bedarfsdeckung in der Sachversicherung (1962); ders. Die Verabschiedung des allgemeinen Bereicherungsverbots, FS Wälder (2009) 103.

Übersicht Rn. I. Kumulation oder Konkurrenz der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammentreffen von Versicherungsund Schadenersatzanspruch . . . . . . 3. Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . a) Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung . . . . . . . . . . . . . . b) Versicherung mit abstrakter Bedarfsdeckung . . . . . . . . . . . . . . c) Summenversicherung mit Elementen der Schadensversicherung . . . . . II. Versicherungsrechtliche Regressordnung bei einer Summenversicherung mit Elementen der Schadensversicherung . . . . 1. Analoge Anwendung des § 86 VVG . 2. Gesamtschuldregress . . . . . . . . . 3. Zessionsregress . . . . . . . . . . . . 4. Originäre Ansprüche des Lebensversicherers gegen den Schädiger . . . . . III. Bürgerlichrechtliche Vorteilsausgleichung und Lebensversicherung . . . . . . . . . 1. Grundsätze der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung . . . . . . . . .

Rn.

267 267 268 369 270 273 275 IV. 277 277 280 283 284

V.

VI. VII.

2. Herrschende Meinung: Keine Anrechnung von Versicherungsleistungen . . a) Rechtliche Ausgangsbasis . . . . . b) Lebensversicherungsleistungen . . . 3. Gegenmeinung: Anrechnung von Versicherungsleistungen . . . . . . . . . a) Äquivalente und adäquate Verursachung des Vorteils durch das Schadensereignis als alleiniges Anrechnungskriterium . . . . . . . . b) Versicherungsleistung als endgültige Leistung . . . . . . . . . . . . . . 4. Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . 5. Rechtspolitische Vorschläge . . . . . . Vereinbarung einer Abtretungsklausel im Lebensversicherungsrecht . . . . . . . . Anspruch aus Lebensversicherungsvertrag keine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . Ansprüche gegen mehrere Versicherer . . Lebensversicherungsrecht und Bürgerliches Recht im Übrigen . . . . . . . . .

290 290 293 294

294 297 298 302 303

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I. Kumulation oder Konkurrenz der Ansprüche 1. Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger Soweit der Versicherungsfall im Tode der Gefahrsperson besteht, kann er neben dem 267 versicherungsrechtlichen Anspruch zugleich einen Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger auslösen, den der aus der Versicherung Berechtigte – also der Bezugsberechtigte, der Erbe des VN oder der VN selbst – geltend machen kann. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen auch um einen Anspruch nach § 844 BGB: Die Pflicht zur Erstattung der Beerdigungskosten nach § 844 Abs. 1 BGB beruht auf dem Gedanken, dass der Schädiger jedenfalls die Kosten zu tragen hat, die unmittelbare Folge der Tötung sind; die Regelung des § 844 Abs. 2 BGB soll dem Ziel dienen, dass Angehörige, denen der Getötete zur Unterhaltsleistung verpflichtet war oder werden konnte, infolge des Todes des Unterhaltsverpflichteten nicht ihren familienrechtlich abgesicherten Lebensstandard verlieren. Der Anspruch nach § 845 BGB hat heute kaum noch eine Bedeutung. Von besonderer

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Wichtigkeit für den Umfang der Ersatzpflicht sind aber spezielle Normen wie beispielsweise § 10 StVG. Anders verhält es sich bei den Lebensversicherungen, bei denen Versicherungsfall nicht der Tod, sondern die Berufsunfähigkeit ist. Hier greifen Vorschriften wie § 823 BGB ein, auf die sich der unmittelbar Betroffene stützen kann. 2. Zusammentreffen von Versicherungs- und Schadenersatzanspruch

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Ist der Tod der Gefahrsperson durch ein Ereignis eingetreten, dass sowohl einen Versicherungs- als auch einen Schadenersatzanspruch auslöst, so stellt sich das Problem der gerechten Verteilung der Lasten unter dem aus dem Versicherungsvertrage Berechtigten, dem VR und dem Schädiger. Für die Lösung bieten sich dabei drei Möglichkeiten an. Erstens: Der Schadenersatzanspruch verbleibt bei dem Geschädigten, er behält auch ungeschmälert den Anspruch aus der Versicherung. Zweitens: Die Leistung des VR wird auf die Schadenersatzpflicht des Schädigers angerechnet, damit greifen die Grundsätze der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung ein. Drittens: Das Problem wird zugunsten des VR gelöst, indem der Anspruch gegen den Schädiger auf den VR übertragen wird, hier handelt es sich um die Frage der versicherungsrechtlichen Vorteilsausgleichung. 3. Lösungsmöglichkeiten

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Die einzelnen Lösungswege sind dabei von der Art der Versicherung abhängig. Zu unterscheiden ist dabei insbesondere zwischen einer Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung und einer Versicherung mit abstrakter Bedarfsdeckung.

270

a) Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung. Bei einer Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung wird die Problematik durch § 86 VVG zugunsten des VR gelöst. Soweit der VR dem aus dem Versicherungsvertrag Berechtigten den erlittenen Schaden ersetzt, geht der Ersatzanspruch gegen den Dritten im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs auf den VR über. Erhält der Geschädigte von dem Dritten Ersatz, so besteht für den VR grundsätzlich kein Anlass zur Leistung, da der Schaden des aus dem Versicherungsvertrage Berechtigten dann bereits ausgeglichen ist. Der Geschädigte bzw. der aus dem Versicherungsvertrag Berechtigte kann also nur wahlweise entweder den VR oder den haftbaren Dritten belangen. Durch § 86 VVG soll zweierlei vermieden werden: Der Dritte soll infolge der Leistung des VR nicht von seiner Verbindlichkeit befreit werden, und die Versicherung soll grundsätzlich nicht zu einer Bereicherung des aus dem Versicherungsvertrag Berechtigten führen. Die Vorschrift des § 86 VVG gilt dabei für sämtliche Versicherungsformen, die nach dem Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung betrieben werden, also auch für die Personenversicherung und damit auch für dafür in Betracht kommende Formen der Lebensversicherung.257 Fast allgemein wird die Vorschrift des § 86 VVG als spezielle Ausprägung der ver271 sicherungsrechtlichen Vorteilsausgleichung gesehen. Inwieweit eine versicherungsrechtliche Vorteilsausgleichung überhaupt anzuerkennen ist, soll hier dogmatisch nicht vertieft werden.258 Bei Anerkennung einer versicherungsrechtlichen Vorteilsausgleichung kann dabei nicht jeder Vorteil berücksichtigt werden. Zwischen Vorteil und Versicherungsfall muss eine ursächliche Verknüpfung im Sinne der Äquivalenztheorie gegeben sein. Ob

257

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Böhm VersR 1956 73; Bruck/Möller/Voit § 86 Rn. 17, 20, 37; Marschall von Bieberstein 153; Neeße VersR 1976 704.

258

Dazu Frick Regress- und Anrechnungsprobleme in der Summenversicherung (1985) S. 41 ff.

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auch eine Adäquanz vorliegen muss bzw. sonstige Kriterien gegeben sein müssen, ist noch immer umstritten.259 Für das Versicherungsrecht bietet sich dabei das Kriterium der Korrespondenz zwischen Vorteil und Einzelschaden an.260 Nach der Regressnorm des § 86 VVG, die insbesondere auch der Präzisierung der 272 Leistung des VR dient,261 ist gleichfalls nicht jeder Anspruch übergangsfähig. Der Übergang erstreckt sich nur auf diejenigen Schadenersatzansprüche, die sich auf den vom VR bezahlten, in das versicherte Risiko fallenden Schaden beziehen: Der hier geltende sog. Kongruenzgrundsatz entspricht weitgehend dem Korrespondenzgrundsatz, er besagt, dass der versicherte Gegenstand und das versicherte Interesse mit dem den Vorteil ausmachenden Schadenersatzanspruch in einem Zusammenhang stehen müssen. Der VR erhält stets nur den Teil des Schadenersatzanspruchs, der dem beeinträchtigten Interesse und dem darauf entfallenden Schaden entspricht. Ausgehend von den unterschiedlichen Schadensbegriffen im allgemeinen bürgerlichen Recht und im Versicherungsrecht ist zur Feststellung der Kongruenz und damit der Bestimmung dessen, was auf den VR übergeht, der Gesamtschaden in Einzelschäden aufzuspalten. Genauso wie der VR nur für bestimmte, im Versicherungsvertrag genau bezeichnete Einzelrisiken eintritt, gehen auf ihn nur Ansprüche über, die sich auf den entsprechenden Einzelschaden beziehen. So geht beispielsweise bei der Sterbegeldversicherung, wenn sie nach dem Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung betrieben wird, der Anspruch aus § 844 Abs. 1 BGB auf den VR über. Dabei wird nicht immer der volle kongruente Ersatzanspruch ausgeglichen. VR und VN/Erbe konkurrieren gegenüber dem Schädiger, wenn der VR den VN/Erben nicht voll entschädigt hat oder die Ersatzforderung nicht hoch genug ist, um beide zu befriedigen. Das Konkurrenzproblem ist zugunsten des VN/Erben gelöst worden, dem das sog. Quotenvorrecht zusteht.262 Nachdem das Bereicherungsverbot für die Schadensversicherung auch durch den Gesetzgeber aufgehoben worden ist,263 kann jedoch leichter von der Möglichkeit der Abdingbarkeit des § 86 VVG Gebrauch gemacht werden – inwieweit der Regress abbedungen worden ist, entscheidet die Auslegung des einzelnen Vertrages. b) Versicherung mit abstrakter Bedarfsdeckung. Anders als bei der Versicherung mit 273 konkreter Bedarfsdeckung verhält es sich bei der Summenversicherung, bei der eine gesetzliche Regelung wie § 86 fehlt. Der Gesetzgeber hielt eine Regelung für entbehrlich, weil die Leistung des SummenVR vom Bestehen eines Schadens unabhängig ist.264 Für die reine Summenversicherung wird aus dem Schweigen des Gesetzes und dem Fehlen jeder Regelung des Verhältnisses zwischen Versicherungsleistung und Schadenersatzanspruch ganz allgemein der Schluss gezogen, der aus dem Versicherungsvertrag Berechtigte behalte sowohl die Versicherungsleistung als auch den Schadenersatzanspruch.265 Dieser Ansicht ist beizutreten, die Ausnahme eines direkten Anspruchs des SummenVR gegen den Schädiger aus § 826 BGB schlägt nicht zu Buche,266 die Ansicht, dass die Versicherungsleistung bei der reinen Summenversicherung auf den Schadenersatzanspruch anzurechnen sei, ist unrichtig und wird bei der Erörterung der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung267 widerlegt.

259

260 261

Cantzler AcP 156 48; Rother 232; Thiele AcP 167 1996; BGH 16.5.1980 NJW 1980 2187, 2188. Frick 41; Möller/Winter/Möller 64; vgl. Winter VersR 1967 335. Vgl. die ausführliche Kommentierung von Bruck/Möller/Voit zu § 86.

262 263 264 265 266 267

Vgl. zu allem ausführlich Frick 69. Winter FS Wälder 103 ff. Motive 13. Statt vieler Sieg ZVersWiss 1973 321. Vgl. dazu Bruck/Möller/Voit § 86 Rn. 42. Unten Rn. 285 ff.

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In diesem Zusammenhang bedarf es noch einer Klarstellung. Wenn im Privatversicherungsrecht die Nichtanwendbarkeit des § 86 VVG bei der Summenversicherung teilweise mit Argumenten begründet wird, die letztlich darauf hinauslaufen, dass Wesen und Funktion einer Summenversicherung den Forderungsübergang schlechthin verbieten, so ist das unrichtig. Schon ein Blick auf das Sozialversicherungsrecht zeigt, dass dort ein Forderungsübergang auch angeordnet wird, wenn Summenversicherungsleistungen gegeben sind. Gleichwohl wird dort – mit Recht – die Auffassung nicht vertreten, das Prinzip der Summenversicherung sei mit der Anordnung des Forderungsüberganges nicht vereinbar. Dasselbe muss auch für die Privatversicherung gelten.

275

c) Summenversicherung mit Elementen der Schadensversicherung. Umstritten ist die Problematik bei einer Summenversicherung mit Elementen der konkreten Bedarfsdeckung. Ganz überwiegend wird auch für diese Fälle – zu denken ist bei der Lebensversicherung dabei an die Restschuldversicherung, die Hypothekentilgungsversicherung, die Erbschaftssteuerversicherung, die Rückdeckungsversicherung, die Sterbegeldversicherung und die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – aus dem Schweigen des Gesetzes das Kumulationsprinzip abgeleitet,268 neuere Ansichten ziehen Lösungen zugunsten des VR oder des Schädigers in Betracht. Das geschieht insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass sich Summenversicherung und Schadensversicherung nicht mehr so abgeschlossen gegenüberstehen, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat, und in allen drei Personenversicherungszweigen die Summenversicherungen mit Elementen der konkreten Bedarfsdeckung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Darauf aufbauend befürworten Gärtner 269 und insbesondere Frick 270 eine Ausdehnung der schadensversicherungsrechtlichen Regressordnung auf einzelne Formen der Summenversicherung. Andere nehmen die Regressordnung des VVG nicht als selbstverständlich hin und bemühen sich um Lösungen, die den Schädiger entlasten, wobei sie das Institut der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung – allerdings mit teilweise höchst unterschiedlicher Begründung und Abgrenzung – als rechtliche Basis heranziehen.271 Eine Entscheidung über die Anwendung der schadensversicherungsrechtlichen Re276 gressordnung272 oder die Entlastung des Schädigers durch das Institut der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung 273 bedeutet bei diesen Summenversicherungsformen zugleich auch eine Entscheidung zur Anwendung des Kumulationsprinzips.

II. Versicherungsrechtliche Regressordnung bei einer Summenversicherung mit Elementen der Schadensversicherung 1. Analoge Anwendung des § 86 VVG

277

Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift des § 86 VVG auf die Fälle einer Summenversicherung mit schadensversicherungsrechtlichen Elementen fällt von vornherein aus. Gegen eine unmittelbare Anwendung spricht die systematische Einordnung der Vorschrift unter die Normen für die gesamte Schadensversicherung. Die Schadensversiche-

268 269 270 271

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Thiele AcP 167 199. Gärtner 153. Frick 69. Baur JW 1937 1463; Rother 241; Werner NJW 1955 769; insbes. de lege ferenda auch Gärtner 143, 174–179 und Rokas Summen-

272 273

versicherung und Schadensersatz (1975) sowie Adler Das Tagegeld in der Krankenversicherung als Schadens- oder Summenversicherung (1995). Sogleich unter Rn. 277 ff. Sodann unter Rn. 285 ff.

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rung deckt einen konkreten, jederzeit genau messbaren und in Geld ausdrückbaren Schaden. Das ist bei diesen Formen der Lebensversicherung mit einem schadensversicherungsrechtlichen Einschlag nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Für die Lebensversicherung ist das unbestritten. Eine analoge Anwendung der Vorschrift setzt eine Lücke im Gesetz voraus, die durch 278 eine entsprechende Anwendung des § 86 VVG ausgefüllt wird. Eine Lücke des Gesetzes ist dabei für die Zeit seiner Entstehung sowie seiner Reform 2008 nicht anzunehmen. Der Gesetzgeber hat sich für die Summenversicherung bewusst gegen ein Rückgriffsrecht des SummenVR entschieden. Er hielt es für die Personenversicherung für undurchführbar, den Umfang der Leistung nach dem Schaden des aus dem Versicherungsvertrag Berechtigten zu bemessen, und sah keine Notwendigkeit, die Ersatzpflicht des VR im öffentlichen Interesse auf den Betrag des Schadens zu beschränken.274 Damit stellt sich die Frage nach einem Wandel der Normsituation. Ein Wandel der Normsituation ist dabei für die klassischen Summenversicherungsfor- 279 men, die lediglich auf eine abstrakte Bedarfsdeckung gerichtet sind und bei denen eine positive Rückgriffsregelung schon wegen der Kongruenzerfordernisse nach wie vor nicht durchführbar ist, nach allgemeiner Ansicht nicht anzunehmen. Regelungsaufgabe des Gesetzgebers und gesetzliche Regelung stimmen insoweit noch überein. Anders verhält es sich nach Frick 275 dabei jedoch für die Summenversicherungsformen mit Elementen der Schadensversicherung. Sie hätten zur Zeit der Schaffung des VVG noch keine Bedeutung gehabt oder seien praktisch noch nicht vorhanden gewesen. Im Gegensatz zu den undifferenzierten und undifferenzierbaren Summenleistungen der klassischen Lebensversicherung seien bei ihnen der Zweck und das Anliegen des Versicherungsvertrages erkennbar. Sie bezögen sich auf ein bestimmtes Risiko und sollen es abdecken, wie Frick für die Restschuldversicherung und die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung darlegt. Gewiss ist in diesen Fällen – zu denen noch die Hypothekentilgungsversicherung, die Erbschaftssteuerversicherung, die Rückdeckungsversicherung und die Sterbegeldversicherung zu zählen sind – eine Hinneigung zur Schadensversicherung unverkennbar, doch entsprechen sie in ihrer rechtlichen Qualifikation eben nicht den unter § 86 fallenden Formen der Schadensversicherung. Insbes. ist hier – soweit der Todesfall Voraussetzung für die VRleistung ist – grundsätzlich auch nicht beispielsweise eine Regressregelung zur Eindämmung des subjektiven Risikos erforderlich, es ist dem VN gestattet, auch ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Zweck mehrere Lebensversicherungen auch mit höherer Versicherungssumme zu nehmen. Der Ansicht von Frick zu einem Wandel der Normsituation und einer Lücke im Gesetz, die durch eine analoge Anwendung des § 86 VVG zu schließen ist, kann für die Lebensversicherung und ihre Zusatzversicherungen nicht gefolgt werden. Die in der Lebensversicherung anzutreffenden Formen mit einer Orientierung an einem konkreten Bedarf sind im Hinblick auf § 86 nicht anders als die reinen Summenversicherungsformen zu behandeln. 2. Gesamtschuldregress Der Gesamtschuldregress – für den § 86 lex specialis ist – setzt voraus, dass VR und 280 Schädiger Gesamtschuldner sind. Das ist auf der Grundlage der klassischen Theorien zur Gesamtschuld generell zu verneinen.276 Zu einem anderen Ergebnis gelangt insbes.

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Motive 81, 13; Marschall von Bieberstein 151.

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Frick 85 ff. Frick 41 f.

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Ehmann 277, der mit der Lehre von den drei unterschiedlichen Typen der Gesamtschuld, vor allem auch der Schutzzweckgesamtschuld, die Ansicht vertritt, die Ansprüche des Geschädigten gegen den VR und den Schädiger hätten zwar unterschiedliche Rechtsgrundlagen, rührten aus selbständigen Schuldverhältnissen her und seien ganz weitgehend voneinander unabhängig, bezögen sich andererseits – jedenfalls bei Versicherungen mit konkreter Bedarfsdeckung – für den Geschädigten jedoch auf dasselbe Rechtsgut und hätten einen identischen Schutzzweck: Ersatz des vom Schädiger angerichteten Schadens, für den auch der VR einzustehen hat. Bei einer solchen Gesamtschuld für VR und Schädiger hat der Schädiger dabei den Schaden letztlich allein zu tragen, der Gesamtschuldregress wirkt sich zugunsten des VR aus.278 Ein derartiger Gesamtschuldregress ist bei der als Summenversicherung betriebenen 281 Lebensversicherung dagegen nach keiner der vertretenen Theorien gegeben. Insbesondere ist auch eine Schutzzweckgesamtschuld im Sinne von Ehmann nicht anzunehmen: Der LebensVR als SummenVR verspricht die Leistung einer fest vereinbarten Summe unabhängig davon, ob der VN durch eine unerlaubte Handlung eines Schädigers einen Schaden erleidet. Die Versicherungssumme deckt also nur einen abstrakten Bedarf und ist nicht an den Eintritt eines konkreten Schadens gebunden, der Zweck des Summenversicherungsvertrages ist eine abstrakte Vorsorge und nicht ein Schutz im konkreten Fall. Anderes kann auch für die Lebens- und Zusatzversicherungen in Form einer Sum282 menversicherung nicht gelten, die sich an einem konkreten Bedarf zu orientieren versuchen. Auch sie bleiben ihrer rechtlichen Ausgestaltung nach primär Summenversicherung mit letztlich abstrakter Vorsorge. Die Leistung des VR ist keine Entschädigungsleistung im Sinne einer konkreten Bedarfsdeckung.279 3. Zessionsregress

283

Alternativ zum Gesamtschuldregress kann § 255 BGB bei weiter Auslegung auch auf die Schuldnermehrheit VR und Schädiger bezogen werden, wobei auf der Grundlage des Näherprinzips dem dem Schaden ferner stehenden Schuldner, also dem VR, ein Abtretungsregress zuzugestehen wäre. Das gilt gleichfalls jedoch nur für die Lebensversicherung mit konkreter Bedarfsdeckung, nicht für die Lebensversicherung als Summenversicherung, auch nicht, wenn sie schadensversicherungsrechtliche Elemente aufweist. 4. Originäre Ansprüche des Lebensversicherers gegen den Schädiger

284

Regressansprüche aus eigenem Recht stehen dem LebensVR gegen den Schädiger nicht zu. Sie lassen sich weder aus Geschäftsführung ohne Auftrag, noch aus ungerechtfertigter Bereicherung und unerlaubter Handlung herleiten. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag liegt nicht vor, weil der VR sein eigenes und nicht ein fremdes Geschäft führt und der Schädiger nichts erlangt, was er im Wege des Aufwendungsersatzes herausgeben müsste. Er erhält ebenso wenig etwas, was er im Wege der ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben hätte. Dem VR stehen grundsätzlich auch keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen den Schädiger zu, da der VR nur mittelbar geschädigt sein könnte. In ganz besonders gelagerten und durchweg nur hypothetischen Fällen wird er allerdings auf § 826 BGB zurückgreifen können.280 277 278

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Ehmann 118, 121, 125–126. Ausführlich dazu Frick 141 ff. mit eingehender Begründung.

279 280

A.M. Frick 220. Im Einzelnen Frick 228 ff.

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III. Bürgerlichrechtliche Vorteilsausgleichung und Lebensversicherung Es bleibt die Frage nach einer Anrechnung der Lebensversicherungsleistung auf die 285 Schadenersatzpflicht des Schädigers. Diese Frage stellt sich für die reine Summenlebensversicherung, die Summenversicherung mit schadensversicherungsrechtlichen Elementen und die Lebensversicherung in Form einer konkreten Bedarfsdeckung gleichermaßen. Die Problematik der Anrechnung von Versicherungsleistungen auf die Schadenersatzpflicht des Schädigers ist dabei zugleich die Frage nach der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung, deren Anwendung gerade auch im Hinblick auf Lebensversicherungsleistungen umstritten ist. 1. Grundsätze der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung Die bürgerlichrechtliche Vorteilsausgleichung ist ein Institut des Schadensrechts, dessen Inhalt und Zweck sich aus dem in § 249 BGB umschriebenen Sinn des Schadenersatzes ableiten lässt. Sie zielt auf eine Schadensbeseitigung und Gesamtbereinigung ab und muss dabei neben dem Schaden auch die Vorteile erfassen, die dem Geschädigten zugeflossen sind. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind somit anzuwenden, wenn der Geschädigte durch das schadenstiftende Ereignis einen Vorteil erlangt hat, der sich in einer Leistung des VR ausdrückt. Ein Vorteil ist eine Verbesserung der Vermögenslage des Geschädigten, während der Schaden ihre Verschlechterung zum Gegenstand hat. Der Vorteil ergibt sich aus dem Vergleich der Vermögenslage nach vollzogener, allein die nachteiligen Veränderungen erfassender Schadenersatzleistung mit der Lage, wie sie ohne das Schadensereignis bestehen würde. Aus dieser Sicht erlangt der Geschädigte neben der Leistung des Schadenersatzes auch die Versicherungsleistung und steht günstiger da als vor dem schädigenden Ereignis. Die Versicherungssumme ist somit grundsätzlich ein Vorteil im Sinne der Vorteilsausgleichung, sie ist auch nicht nur ein unselbständiger Posten der Schadensberechnung, sondern steht dem Nachteil selbständig zur Ausgleichung gegenüber. Wenn sich die Versicherungsleistungen als grundsätzlich anrechnungsfähige Vorteile erweisen, ist damit noch nicht zugleich entschieden, ob die Versicherungsleistungen auch auf den Schaden angerechnet werden müssen. Denn nicht sämtliche Vorteile werden durch das Institut der Vorteilsausgleichung erfasst, wobei nicht zuletzt auch das Problem der Korrespondenz zwischen Versicherungsleistung und Schadenersatzanspruch beispielsweise aus § 844 Abs. 2 BGB eine Rolle spielt. So geht auch die h.M. in Rechtsprechung und Literatur dahin, eine Anrechnung von Versicherungsleistungen auf den Schadenersatzanspruch nicht vorzunehmen.281 Die Problematik ist damit jedoch nicht entschieden. Man wird aber Thiele 282 darin folgen können, dass sich ein alle Fälle abdeckendes und allgemein geltendes Kriterium für die anzurechnenden Vorteile nicht vertreten lässt, eine Eingrenzung der anzurechnenden Vorteile aber über die Bildung typischer Fallgruppen erreicht werden kann. Eine solche Fallgruppe sind auch die Versicherungsleistungen, wobei eine weitere Differenzierung nicht von vornherein auszuschließen ist. Dabei kann der h.M. nicht ohne weiteres darin gefolgt werden, dass in der Schadensversicherung angesichts des gesetzlichen Forderungsüberganges und einer Abtretungsver-

281

BGH 19.12.1978 NJW 1979 760 ff.; Cantzler AcP 156 29, 57 ff.; Soergel/Mertens BGB, 12. Aufl. (1990), Vor § 249 Rn. 243;

282

Thiele AcP 167, 193, 229 [Ausnahme: Erträgnisse]. Thiele AcP 167 193, 206.

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pflichtung das Problem der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung gar nicht erst entsteht.283 Es erscheint als zweifelhaft, ob § 86 VVG eine bürgerlichrechtliche Vorteilsausgleichung in einem bestimmten Sinne präjudizieren wollte, zumal von ihr auch zugunsten des VN abgewichen werden kann und ein allgemeines zwingendes Bereicherungsverbot nicht mehr existiert. Die Vorschrift kann auch dahin verstanden werden, dass nur dann ein Forderungsübergang auf den VR stattfindet, wenn die eigenständig aus dem bürgerlichen Recht zu beurteilende Frage nach der Vorteilsausgleichung verneinend beantwortet wird. Ob der versicherungsrechtliche Regress oder eine bürgerlichrechtliche Vorteilsausgleichung die Priorität bei der Untersuchung hat, mag hier letztlich dahinstehen, da eine bürgerlichrechtliche Vorteilsausgleichung insoweit im Ergebnis abzulehnen ist. 2. Herrschende Meinung: Keine Anrechung von Versicherungsleistungen

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a) Rechtliche Ausgangsbasis. Wie bei der versicherungsrechtlichen wird auch bei der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung die Frage, welche Vorteile bei der Schadensberechnung jeweils zu berücksichtigen sind, zwar generell als Zurechnungsproblem gesehen, aber auf unterschiedlichem Wege gelöst. Nach dem BGH eignet sich dabei der Filter der Adäquanz zwar dazu, völlig ungewöhnlich erlangte Vorteile von vornherein von der Anrechnung auszuschließen. Es sind daher weitere Abgrenzungskriterien erforderlich, und die Anrechnung eines Vorteils ist davon abhängig zu machen, ob sie nach Sinn und Zweck des Schadenersatzrechts und unter Berücksichtigung der gesamten Interessenlage der Beteiligten nach Treu und Glauben dem Geschädigten zugemutet werden kann. Dabei sind nach dem BGH – ähnlich wie bei einem Rechtsübergang kraft Gesetzes eine sachliche Kongruenz gefordert wird – überhaupt nur diejenigen Vorteile als anrechenbar in Betracht zu ziehen, die mit dem Geschädigten entstandenen Nachteil korrespondieren. Die adäquate Verursachung bedeutet für den BGH284 nur ein Abgrenzungskriterium unter anderen; die Rechtsprechung bemüht sich vielmehr, in differenzierender Wertung Fallgruppen zu bilden und ihrer Eigenart durch möglichst spezielle Wertungsmaßstäbe Rechnung zu tragen.285 Im Schrifttum wird das Kriterium der Adäquanz – auch in nur ergänzender Funktion – 291 als sachfremd und ungeeignet angesehen.286 Gegen das Adäquanzkriterium spricht insbesondere, dass es bei der Frage der Vorteilsausgleichung auf die Beherrschung des Kausalverlaufs nicht ankommt. Der Schädiger könne sich sogar zu einer Schädigung ermuntert fühlen, wenn ein voraussehbarer Vorteil zu erwarten sei. Im Rahmen des einfachen Bedingungszusammenhanges zwischen Schädigung und Vorteil – der die äußerste Grenze für die auszugleichenden Vorteile bilde – sei auf das vom Schädiger verletzte Recht abzustellen, für das er Ersatz leistet, aber im Hinblick auf das er angesichts der engen Abhängigkeit von Schadenersatzpflicht und Vorteilsausgleichung auch in den Genuss der Vorteile kommen müsse, wenn er das Recht „gefördert“ habe. Der Schadenersatz gründet sich auf die Rechtsverletzung, die Vorteilsausgleichung auf die Rechtsförderung.287 Andere fordern, dass Nachteil und Vorteil eine Folge des haftungsbegründenden Ereig-

283

284

Vgl. nur Hermann Lange JuS 1978 649, 652; Rother S. 233; Thiele AcP 167 193, 213, 216. Der in der Entscheidung BGH 19.12.1978 NJW 1979 760 die Bedenken des Schrifttums gegen das Adäquanzkriterium als berechtigt anerkennt.

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287

BGH 19.12.1978 NJW 1979 760 ff.; BGH 16.5.1980 NJW 1980 2187, 2188. Grundlegend Cantzler AcP 156 29, 48; im Übrigen vgl. nur Rother 232, Rudloff VersR 1979 1153; Thiele AcP 167 193, 196. Cantzler AcP 156 29, 48 ff.

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nisses sei und einen inneren Zusammenhang aufweisen müssen. Anrechenbar seien nur bestimmte Vorteile, die mit einem bestimmten Nachteil in einem unlösbaren Zusammenhang stehen, der Vorteil und Nachteil zu einer Rechnungseinheit im Rahmen der Schadensberechnung zusammenfasst.288 Die einzelnen Auffassungen stehen sich dabei teilweise in ihren Herleitungen unvereinbar gegenüber, aber auch sie bemühen sich, in differenzierender Wertung Fallgruppen zu bilden, wobei gerade auch die Leistungen aus Versicherungsverträgen eine eigene Fallgruppe bilden. In ihrem Ergebnis unterscheiden sie sich dabei wenig. Für die Differenzierung wird bei Leistungen Dritter, zu der auch die Leistungen des 292 LebensVR zählen, dabei an den Zuwendungszweck angeknüpft, der dem die Leistungspflicht begründenden Rechtsverhältnis notfalls im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung zu entnehmen ist. Dabei sind Hinweise darauf zu berücksichtigen, ob die geschuldete oder erbrachte Leistung bei der Berechnung des Schadens eine Rolle spielen darf.289 Ebenso wie das Schrifttum stellt die Rechtsprechung auf den Zweckgedanken ab.290 Die Berücksichtigung der gesamten Interessenlage der Beteiligten bedeutet dabei, dass nicht nur die schadenersatzrechtlichen, sondern auch die versicherungsrechtlichen Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem zu würdigen sind. Aus dem Zweck der Leistung ist dabei grundsätzlich zu folgern, dass die Versicherungsleistung dem Geschädigten allein verbleibt und der Schädiger den Schaden allein zu tragen habe. Auch aus der Sicht des Schadenersatzrechts trifft die Ersatzpflicht dabei grundsätzlich den Schädiger, der von dieser Verpflichtung nicht durch die besondere Verpflichtung anderer Schuldner befreit werden darf.291 b) Lebensversicherungsleistungen. Rechtsprechung und Schrifttum stimmen in der 293 Differenzierung bei der Frage der Anrechnung von Versicherungsleistungen dabei im Ergebnis auch im Einzelnen fast gänzlich überein. Es wird ganz allgemein von dem Grundsatz ausgegangen, dass Lebensversicherungsleistungen – unabhängig davon, ob es sich um eine kapitalbildende Versicherung oder um eine Risikoversicherung handelt – nicht auf die Verpflichtung des Schädigers anzurechnen sind. Dabei wird auch nicht danach differenziert, ob es sich um reine Summenversicherungen oder um Summenversicherungen mit Elementen der Schadensversicherung handelt. Unterschiedliche Ansichten werden allein zu der Frage vertreten, inwieweit die Erträgnisse einer kapitalbildenden Lebensversicherung anzurechnen sind. Die Rechtsprechung und mit ihr teilweise auch die Literatur haben früher bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung die Erträgnisse auf den nach § 844 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Schaden angerechnet.292 Seit einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 1978293 ist hier ein Wandel eingetreten, auch die Erträgnisse werden nicht mehr auf den Schadenersatzanspruch angerechnet.294

288 289 290 291 292

Thiele AcP 167 193, 201. Thiele AcP 167 193, 227. BGH 19.12.1978 NZW 1979 760. Cantzler AcP 156 29, 58 f. Vgl. BGH 19.4.1963 BGHZ 39 249, 250; Hauß Anm. zu BGHZ 39 249 in LM § 844 II BGB Nr. 26.

293 294

BGH 19.12.1978 NJW 1979 760 ff. Freytag ZfV 1964 376; Frick 280 ff.; Rudloff FS v. Hippel 423, 456; Soergel/Beater BGB 13, 13. Aufl. (2005), § 844 Rn. 39; Thiele AcP 167 193, 234.

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3. Gegenmeinung: Anrechnung von Versicherungsleistungen

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a) Äquivalente und adäquate Verursachung des Vorteils durch das Schadensereignis als alleiniges Anrechnungskriterium. Die Argumentationen zugunsten einer Anrechnung de lege lata verfolgen zwei Wege. Bei der ersten Argumentationslinie wird versucht, die Grenzziehung zwischen den auf die Schadenersatzforderung anrechenbaren und nicht anrechenbaren Vorteilen so zu ziehen, dass die entstehenden Vorteile der Anrechnung möglichst weitgehend unterliegen. Am weitesten geht Walter,295 dem es allein darauf ankommt, ob dem Geschädigten im Ergebnis ein Schaden entstanden ist. Dabei rechnet er jeden aus dem Schadensereignis dem Geschädigten im Sinne der Äquivalenztheorie erwachsenen Vorteil auf den Schadenersatzanspruch an. Dazu gehören für ihn auch sämtliche dem Geschädigten aus dem schädigenden Ereignis zugefallenen Versicherungsleistungen, insbesondere auch die Lebensversicherungsleistungen. Werner 296 wendet sich insbesondere gegen die von der Rechtsprechung und vom Schrifttum entwickelten zusätzlichen Kriterien und möchte sämtliche Vorteile anrechnen, deren Entstehung in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit dem schädigenden Ereignis stehen. So berühre auch die Frage nach dem Sinn und Zweck des Versicherungsverhältnisses den Schädiger nicht, aus dessen Wesen könne sich keine Haftungsbeschränkung oder Haftungsverschärfung für den Schädiger ergeben. Soweit die Versicherungsleistungen in einem adäquat kausalen Zusammenhang mit dem Schadensereignis ständen, seien sie daher anzurechnen. Das gilt danach insbesondere auch für die Leistungen aus einer Lebensversicherung. Beide Ansichten überzeugen jedoch nicht. Sie stecken rein formal und ohne eine befriedigende Begründung den Bereich der Vor295 teilsausgleichung zu weit ab und verlieren den Sinn der Vorteilsausgleichung aus dem Auge, der dahin geht, Leistungen, die in der Person des Geschädigten keine Grundlage finden und daher den Schaden beeinflussen müssen, von solchen Leistungen zu unterscheiden, die dem Geschädigten aus unterschiedlichen Gründen zu belassen sind. Walter und Werner werden gerade auch den Fällen nicht gerecht, in denen Vorteile aus dem Vermögen Dritter gewährt werden. Der gerade im Hinblick auf die Anrechenbarkeit von Lebensversicherungsleistungen entscheidende Gedanke, dass der Vorteil aufgrund von Maßnahmen gewährt wird, die der Geschädigte vorsorglich getroffen hat, um bei einem derartigen Schaden – unabhängig von einer Leistung des Schädigers – geschützt zu sein, findet keine Berücksichtigung. Warum dieser Gedanke nicht berücksichtigt werden soll und Kausalitätserwägungen allein maßgeblich sein sollen, wird nicht ausreichend begründet. Mit einem gewissen Recht mag eingewendet werden, dass sich aus dem Sinn und 296 Zweck des Versicherungsvertrages für den Schädiger nichts ergebe. Aber auch das ist zu formal gesehen, eine gegenseitige Unabhängigkeit von Schadenersatz- und Versicherungsanspruch kann daraus nicht hergeleitet werden. Die der Schadenersatzpflicht zugrunde liegende Norm, das gesamte Schadenersatzrecht verlangt, dass ein aus der Verletzung eines Rechtsgutes entstandener Schaden vom Schädiger zu tragen ist. Hat aber der Schädiger allein den Schaden zu ersetzen, so folgt daraus auch notwendig etwas für Sinn und Zweck des Versicherungsvertrages. Der VN will mit Hilfe des Versicherungsvertrages Vorsorge treffen, möglicherweise dabei auch für den Fall, dass aus dem schädigenden Ereignis ein Schadenersatzanspruch erwächst. Er sorgt aber allgemein und für alle Fälle vor und nicht etwa, um einen fremdverursachten Schaden abzudecken, sondern um sich selbst bzw. andere Geschädigte wie seine Angehörigen gegen künftige Schäden und einen

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Walter JW 1937 846, 848.

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Werner NJW 1955 769, 770 ff.

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dadurch etwa verursachten Bedarf zu sichern. Dieser Zweck der Versicherungsleistung muss bei der Vorteilsausgleichung notwendigerweise mitberücksichtigt werden, um zu einem sachlich gerechtfertigten Ergebnis zu gelangen. Dabei kann auch nicht argumentiert werden, es komme auf den Sinn des Versicherungsverhältnisses zumindest teilweise deshalb nicht an, weil es dem VR, soweit er in der Summenversicherung ein Rückgriffsrecht nicht besitzt, gleichgültig sei, ob der aus dem Versicherungsvertrag Berechtigte eine weitere Leistung erhalte, und er sich nicht dafür interessiere, wem die Versicherungsleistung zugute kommt. Es wird dabei nicht berücksichtigt, dass die Leistung aus dem Versicherungsvertrag im Zweifel der Empfänger und nicht der Schädiger erhalten soll. b) Versicherungsleistung als endgültige Leistung. Auch Rothers 297 Vorstellungen kann 297 de lege lata nicht gefolgt werden. Angesichts der sozialen Bedeutung des Versicherungswesens plädiert Rother dafür, die Leistungen des VR bzw. des Versicherungsträgers als endgültig zu betrachten und damit zugleich die Haftung des Schädigers einzuschränken. Diese Ansicht lässt sich für das geltende Recht auch über die Diskussion zum Sanktionszweck des Schadenersatzes nicht begründen.298 4. Eigene Ansicht Nach allem ist eine Leistung des LebensVR nicht auf den Ersatzanspruch gegen den 298 Schädiger anzurechnen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei der Lebensversicherung um eine Summenversicherung, eine Summenversicherung mit Elementen der Schadensversicherung oder um eine Schadensversicherung wie bei Formen der Sterbegeldversicherung handelt. Dem Schädiger gebührt keine Begünstigung durch die Lebensversicherungsleistung, wenn die Prämien nicht von ihm oder für ihn aufgebracht sind – das aber ist nur ein hypothetischer Fall. Es handelt sich bei der Lebensversicherung ganz generell um eine private Vorsorgeleistung des VN, der dazu eigene finanzielle Aufwendungen gemacht hat und damit ganz prinzipiell nicht den Schädiger entlasten wollte. Die grundsätzliche Entscheidung des Schadenersatzrechts, wonach der Schädiger zur Behebung des Schadens verpflichtet ist, würde umgangen, wenn über die Vorteilsausgleichung Vorsorgemaßnahmen Dritter oder des Geschädigten dem Schädiger zugute kämen und ihn damit ganz oder zumindest partiell von seiner Ersatzpflicht befreien würden. Eine Ausnahme kann auch für die Erträgnisse einer kapitalbildenden Versicherung 299 nicht gemacht werden. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit die Erträgnisse Vorteile sind, die mit dem Schadenersatzanspruch des Geschädigten korrespondieren können. Das gilt insbes. für den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB. Bei diesem Anspruch geht es nicht um die Wiederherstellung der insgesamt gleichen wirtschaftlichen Vermögenslage, sondern lediglich um einen Ausgleich für den Verlust des Rechts auf den gesetzlich geschuldeten Unterhalt. Über den Rahmen des § 844 BGB hinausgehende Nachteile des mittelbar Geschädigten werden insoweit nicht ersetzt. Mit diesem Anspruch können die Erträgnisse einer Lebensversicherung grundsätzlich nicht korrespondieren. Denn für eine Anrechnung kämen insoweit nur solche angefallenen Vermögenswerte in Betracht, die schon zu Lebzeiten der Gefahrsperson dazu bestimmt waren, zur Bestreitung des Unterhalts zu dienen, also auch ohne den Tod der Gefahrsperson zu diesem Zweck verbraucht worden wären. Der Unterhalt muss nach der zutreffenden Formulierung des BGH 299 vor

297 298

Rother 222–249. Im Einzelnen dazu Frick 276 f.

299

BGH 19.12.1978 NJW 1979 761 und des dazu herangezogenen Schrifttums.

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dem Schadensereignis sozusagen aus derselben Quelle gespeist worden sein, um eine Anrechnung zu ermöglichen. Erträgnisse aus einer Versicherung, die der Getötete angesichts seines Einkommens und ihrer Zweckbestimmung nicht für den Unterhalt verbraucht hätte, sodass sie dem Stamm des Vermögens zugewachsen und dem Geschädigten ohnehin zugeflossen wären, sind nicht anrechenbar. Eine weitergehende Anrechnung würde dem Korrespondenzkriterium nicht entsprechen. Im Übrigen überzeugt auch die im Hinblick auf die Erträgnisfrage vorgenommene 300 Unterscheidung zwischen kapitalbildender und Risikolebensversicherung nicht. Auch die Beiträge für die kapitalbildende Lebensversicherung enthalten nicht nur Rücklagen zur Erreichung eines Sparziels, sondern auch einen Risikoanteil, der die Gegenleistung für die Gefahrtragung des VR darstellt. Der Versicherungsbeitrag ist eben nicht – wovon der BGH 300 unzutreffenderweise ausgeht – auch zugleich in vollem Umfange Rücklage für die Vermögensbildung. Da sich nun bei dem vom Schädiger verursachten Todesfall gerade das vom VR übernommene Risiko verwirklicht, kommt dem Gedanken, bei dieser Versicherungsart dominiere die Spartätigkeit des Versicherten, in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu. Eine unterschiedliche Behandlung von kapitalbildender und Risikolebensversicherung würde zudem zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen, dass der Schädiger aus den viel geringeren Aufwendungen des getöteten VN bei der gleichfalls aus Vorsorge abgeschlossenen Risikolebensversicherung keinen Vorteil angerechnet erhielte, während es ihm unter Umständen zugute käme, wenn der Unterhaltspflichtige für die kapitalbildende Lebensversicherung ganz erheblich höhere Beiträge entrichtet hätte. Ebenso wie bei der Risikoversicherung widerspricht es bei der kapitaldeckenden Versicherung dem Sinn des Versicherungsvertrages, wenn Versicherungsleistungen dem Schädiger zugute kämen, der Schädiger im Ergebnis also so gestellt wird, als wenn für ihn eine Haftpflichtversicherung bestände, für die ein anderer, ohne es zu wollen, die Prämien für den Schädiger entrichtet hätte.301 Damit ist zugleich auch bei der kapitalbildenden Lebensversicherung die Anrechnung 301 der Prämienreserve auf den Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger zu verneinen. Die vereinzelt gebliebene Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1961,302 nach der auf der Grundlage von Billigkeitserwägungen – und nicht im Wege der Vorteilsanrechnung – der Ausgleich durch eine Lebensversicherung unter Umständen zur Freistellung des Schädigers führen kann, ist nicht zu billigen. 5. Rechtspolitische Vorschläge

302

Da die Kumulation von Versicherungsleistung und Schadenersatzanspruch – unter Umständen gerade auch in der Lebensversicherung – in der Praxis zu einer erheblichen Übersicherung führen kann, geht in der deutschen und insbesondere in der internationalen Diskussion eine Tendenz dahin, den Schädiger nur bei schwerem Verschulden voll haften zu lassen. Der leicht fahrlässig oder fahrlässig handelnde Schuldner – der allerdings seinerseits in aller Regel haftpflichtversichert sein dürfte – solle entlastet werden, was einmal im Wege der Einschränkung der Regressnahme und zum anderen durch die Anrechnung von Versicherungsleistungen auf den Schadenersatzanspruch geschehen könne. Eine ausführliche Übersicht und Würdigung dieser Problematik findet sich bei Rokas.303

300 301 302

BGH 19.4.1963 BGHZ 39 249, 252. BGH 19.12.1978 NJW 1979 762. BGH 13.6.1961 VersR 1961 847.

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303

Rokas Summenversicherung und Schadenersatz (1975).

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IV. Vereinbarung einer Abtretungsklausel im Lebensversicherungsrecht Der Vereinbarung einer Abtretungsklausel – sei es in den AVB oder durch individuelle 303 Vereinbarung – in jenen Fällen, die von § 86 VVG nicht erfasst werden, stehen zwingende Vorschriften des VVG nicht entgegen, insbesondere auch nicht die Bestimmung des § 87. Auch Grundprinzipien des Versicherungsrechts würden durch eine derartige Klausel nicht tangiert, da eine Personenversicherung – und damit auch die Lebensversicherung – grundsätzlich auch als Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung ausgestaltet werden kann, soweit das überhaupt als sinnvoll erscheint und versicherungstechnisch möglich ist. Die Gestaltung einer solchen Klausel hätte sich am Leitbild des § 86 VVG zu orientieren, wobei insbesondere auch das Kongruenzerfordernis erfüllt sein muss. Bedenken gegen die Klausel aus der Sicht einer AVB-Kontrolle erscheinen vermeidbar.304

V. Anspruch aus Lebensversicherungsvertrag keine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB Es ist unbestritten, dass der Anspruch aus einer Lebensversicherung keine anderweitige 304 Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt.305 Denn Ziel und Zweck einer Lebensversicherung ist in aller Regel nicht eine Schadensdeckung, sie stellt eine besondere Art der Vorsorge, des Sparens dar, bei der von vornherein feststeht, dass die Versicherungssumme dem aus dem Versicherungsvertrage Berechtigten ohne Rücksicht darauf zugute komme, ob er den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit erlebt oder infolge eines Unfalls stirbt. Sie ist nach Art und Umfang von dem die Schadenersatzpflicht begründenden Ereignis unabhängig, sodass die nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB vorausgesetzte Kongruenz zwischen Schaden und Leistung zurücktritt. Dem ist im Ergebnis zu folgen. Denn so wenig wie sich ein Schädiger generell auf eine Versicherungsleistung berufen kann, darf dieser Einwand der öffentlichen Körperschaft zur Verfügung stehen. Eine vom Getöteten erkaufte Leistung darf dem verantwortlichen Schädiger nicht zugute kommen. Die Nichtanrechenbarkeit gilt somit nicht nur für den Fall einer Lebensversicherung 305 als reine Summenversicherung, sie gilt ebenso, wenn es sich um eine Lebensversicherung mit schadensversicherungsrechtlichen Elementen oder eine Lebensversicherung mit konkreter Bedarfsdeckung handelt.

VI. Ansprüche gegen mehrere Versicherer Hat ein VN mehr als einen Lebensversicherungsvertrag geschlossen und sind somit 306 Ansprüche gegen mehrere VR entstanden, so kann der aus dem Versicherungsvertrag Berechtigte grundsätzlich sämtliche Ansprüche gegen die VR unabhängig voneinander

304

Für die Frage einer entsprechenden Überleitungsklausel bei der Unfallversicherung vgl. Baumann JZ 1979 83–85. Zur Praxis der Aufsichtsbehörde, die eine entsprechende Klausel in der Unfallversicherung nicht genehmigt hat, vgl. Frick 289.

305

RG 29.6.1937 RGZ 155 186–192; BGH 29.1.1968 VersR 1968 666; BGH 29.1.1968 VersR 1968 697; statt vieler Soergel/Vinke BGB13, 13. Aufl. (2005), § 839 Rn. 199.

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geltend machen. Die Vorschriften zur Mehrfachversicherung finden bei der Lebensversicherung als Summenversicherung keine Anwendung, eine Anrechnung einzelner Versicherungsleistungen auf einen anderen Versicherungsanspruch erfolgt ganz grundsätzlich nicht. Auch hier ist von einer Kumulation der Leistungen auszugehen. Eine Ausnahme besteht für Leistungen aus der Gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen bestimmter Formen der betrieblichen Altersversorgung. Das gilt grundsätzlich gleichermaßen für das Zusammentreffen eines Anspruchs aus 307 einer Lebensversicherung mit einem Anspruch aus einer Unfallversicherung oder einer Krankenversicherung. Der Grundsatz gegenseitiger Unabhängigkeit mehrerer Summenversicherungen kann 308 durchbrochen werden, wenn der VN bei Vertragsschluss trotz Nachfrage durch den VR beispielsweise bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung verschweigt, dass er eine entsprechende Versicherung schon anderweitig geschlossen hat. Da der Abschluss einer weiteren Versicherung in einem solchen Fall angesichts des damit verbundenen subjektiven Risikos für den VR gefahrerheblich ist, kann dem durch das Verschweigen einer solchen Versicherung getäuschten VR ein Rücktritts- oder Anfechtungsrecht nach §§ 19 ff. zustehen.

VII. Lebensversicherungsrecht und Bürgerliches Recht im Übrigen 309

Das Recht der Lebensversicherung hat Berührungen mit einer ganzen Reihe von Rechtsgebieten, wie z.B. zur Gesetzlichen Rentenversicherung und zur betrieblichen Altersversorgung, insbes. aber auch zum Bürgerlichen Recht. Ein besonders ins Auge fallender Bereich ist beispielsweise die Lebensversicherung im Bezug zum Erbrecht.

H. Behandlung der Lebensversicherung im Zugewinnund Versorgungsausgleich Schrifttum Borth Versorgungsausgleich, 5. Aufl. 2010; Büte Die Reform des Zugewinnausgleichsrechts, NJW 2009 2776; Brudermüller Die Entwicklung des Familienrechts bis August 2012 – Güterrecht und Versorgungsausgleich, NJW 2012 3213; Breuers/Götsche/Breuers Versorgungsausgleichsrecht, 1. Aufl. 2012; Gutzeit Abgetretene, verpfändete und gepfändete Anrechte im Versorgungsausgleich, FamRB 2012 187; Hauß/Eulering Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis (2009); Haußleiter/Schulz Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 5. Aufl. 2011; Hoffmann/Raulf/Gerlach Berechnung des Ausgleichswertes von Lebensversicherungen, FamRZ 2011 333; Kemper/Norpoth Abgetretene, verpfändete und gepfändete Anrechte im Versorgungsausgleich, FamRB 2011 284; Kirchmeier Die private Altersvorsorge im Versorgungsausgleich nach der Strukturreform, VersR 2009 1581; Raube/Eitelberg Die Bewertung von Kapitallebensversicherungen im Zugewinnausgleich, FamRZ 1997 1322; Ruland Der neue Versorgungsausgleich – eine kritische Analyse, NJW 2009 2781; Schmalz-Brüggemann Die private Lebensversicherung im Zugewinn- und Versorgungsausgleich, FamRZ 1996 1053; Schmid Die Strukturreform des Versorgungsausgleichs: Reformbedarf, Gesetzgebungsverfahren, Leitlinien des neuen Rechts, FPR 2009 196; Schwintowski Auswirkungen des Familienrechts im Versicherungsrecht, VuR 2007 88; Voit Die Kombinationslebensversicherung im Zugewinnausgleich, FamRZ 1993 508; ders. Die Behandlung der Kapitallebensversicherung im Zugewinnausgleich (1992).

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Übersicht Rn. I. Zuordnung der Anrechte aus Kapitallebens- und Rentenversicherungen . . . . 1. Zweispuriges System . . . . . . . . . 2. Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitallebensversicherung mit Rentenwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung der Anrechte . . . . . . . . . 1. Zugewinnausgleich (Kapitallebensversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versorgungsausgleich (Rentenversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestimmung des Ehezeitanteils bei Rentenversicherungen . . . . . . . . . . . . . 1. Fondsungebundene Versicherungen . . a) Abschluss der Versicherung während der Ehezeit . . . . . . . . . . . . . b) Abschluss der Versicherung vor der Ehezeit . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 2. Fondsgebundene Versicherungen . . . a) Unmittelbare Bewertung des auszugleichenden Anrechts . . . . . . . b) Schwankungen des Werts der Versicherung . . . . . . . . . . . . . . c) Laufende Versorgungen . . . . . . 3. Auskunft des Versicherungsunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kein Abzug der Stornokosten . . . . . IV. Zugewinn- und versorgungsausgleichspflichtige Anrechte als Kreditsicherheit und/oder Tilgungsersatz . . . . . . . . 1. Kapitallebensversicherung . . . . . . a) Kreditsicherheit . . . . . . . . . . b) Tilgungsersatz . . . . . . . . . . . 2. Rentenversicherung . . . . . . . . . . a) Kreditsicherheit . . . . . . . . . . b) Tilgungsersatz . . . . . . . . . . .

310 310 311 312 313 313 315 319 319 319

321 321 322 323 324 325

326 326 327 328 329 329 330

320

I. Zuordnung der Anrechte aus Kapitallebens- und Rentenversicherungen 1. Zweispuriges System Nach dem Scheitern der Ehe sind die während der Ehezeit erworbenen Anrechte aus 310 einer Lebensversicherung auszugleichen. Der Ausgleich erfolgt entweder nach den Vorschriften über den Versorgungsausgleich (§ 1587 BGB i.V.m. §§ 1 ff. VersAusglG) oder güterrechtlich nach den Vorschriften über den Zugewinnausgleich (§§ 1372 ff. BGB). Die Zuordnung hängt – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen (vgl. §§ 8 ff. VersAusglG) – davon ab, ob diese Anrechte auf Auszahlung eines Kapitalbetrags, über den der Berechtigte frei verfügen kann (Kapitallebensversicherung), oder auf eine Rente (Rentenversicherung) gerichtet sind. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG sind ehezeitlich erworbene Anrechte im Versorgungsausgleich auszugleichen, wenn sie auf eine Rente gerichtet sind. Dies gilt auch dann, wenn ein Ehegatte die Rentenversicherung nach vertraglich vereinbarter Gütertrennung mit Mitteln seines vorehelich erworbenen Privatvermögens begründet hat.306 Ehezeitlich erworbene Anrechte aus einer privaten Kapitallebensversicherung sind dagegen im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen.307 Lediglich Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes sind unabhängig von der Leistungsform im Versorgungsausgleich auszugleichen. 2. Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht Besteht bei einer Rentenversicherung ein Kapitalwahlrecht, unterfällt es dem Zuge- 311 winnausgleich, wenn der Berechtigte es bis zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung ausübt.308 Zwar stellt § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG für die Bewertung eines Anrechts auf das Ende der Ehezeit ab. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach 306 307

BGH 18.1.2012 NJW-RR 2012 323. BGH 18.4.2012 NJW-RR 2012 769 f.; BGH 5.10.2011 NJW-RR 2011 1633; BGHZ 153 393, 398 = NJW 2003 1320.

308

BGH 18.4.2012 NJW-RR 2012 769; BGH 5.10.2011 NJW-RR 2011 1633, 1634; BGH 5.2.2003 BGHZ 153 393, 398 = NJW 2003 1320; BGH NJW-RR 2003 1153.

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dem Ende der Ehezeit sind nach § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG allerdings zu berücksichtigen, wenn sie auf den Ehezeitanteil zurückwirken. So liegt der Fall bei Ausübung des Kapitalwahlrechts, weil es sich zwar nicht auf den Wert des Anrechts, aber auf dessen Ausgleichsform auswirkt. Mit Rückwirkung auf das Ende der Ehezeit entfällt das Rentenrecht des Berechtigten und wird durch einen Anspruch aus der Kapitallebensversicherung ersetzt.309 Umgekehrt ist dieses Kapitalrecht auch nicht nach dem Stichtagsprinzip des § 1384 BGB dem Zugewinnausgleich entzogen, weil es bereits als wirtschaftlicher Wert bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags im Endvermögen des Berechtigten vorhanden war. Der bloße Wechsel der Ausgleichsform schließt es nicht aus, das Anrecht nach Ausübung des Kapitalwahlrechts mit diesem Wert in die Zugewinnausgleichsbilanz einzustellen.310 3. Kapitallebensversicherung mit Rentenwahlrecht

312

Besteht bei einer Kapitallebensversicherung ein Rentenwahlrecht, unterfällt es dem Versorgungsausgleich, wenn der Berechtigte es bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ausübt.311

II. Bewertung der Anrechte 1. Zugewinnausgleich (Kapitallebensversicherung)

313

Die Anrechte aus einer Kapitallebensversicherung sind nach Ansicht des BGH beim Zugewinnausgleich mit dem Rückkaufswert (= Liquidationswert) anzusetzen, wenn am Stichtag (§ 1384 BGB) die Fortführung des Versicherungsvertrags nicht zu erwarten ist und auch durch eine Stundung der Ausgleichsforderung (§ 1382 BGB) nicht ermöglicht werden kann.312 In diesem Fall sind latente Ertragssteuern, die sich bei einer vorzeitigen Auflösung einer Lebensversicherung auswirken können, bei der Bewertung der Anrechte wertmindernd zu berücksichtigen.313 Anderenfalls ist der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bemessene Zeitwert (= Fortführungswert) einzusetzen.314 Dabei hat der BGH die Frage der Ermittlung des Zeitwertes offen gelassen und es als Sache des – ggf. sachverständig beratenden – Tatrichters angesehen, im Einzelfall eine geeignete Bewertungsart sachverhaltsspezifisch auszuwählen und anzuwenden.315 Das Schrifttum hat sich mehrheitlich dem Vorschlag der Deutschen Aktuarvereinigung angeschlossen und dafür ausgesprochen, für die Wertermittlung den Rückkaufswert der individuell gutgeschriebenen Versicherungsleistungen ohne Stornoabschläge, d.h. das rechnungsmäßige Deckungskapital einschließlich gutgeschriebener Gewinnanteile zuzüglich des zum Bewertungsstichtag erreichten Anwartschaftsbarwerts auf Schlussgewinnanteile, heranzuziehen.316 309 310

311

BGH 18.4.2012 NJW-RR 2012 769, 770; BGH 5.10.2011 NJW-RR 2011 1633 f. BGH 18.4.2012 NJW-RR 2012 769, 770; BGH 5.10.2011 NJW-RR 2011 1633, 1634; BGH 5.2.2003 BGHZ 153 393, 398 = NJW 2003 1320. Vgl. BGH 6.2.2011 NJW 2011 1671; BGH 5.2.2003 BGHZ 153 393, 398 = NJW 2003 132; BGH 13.1.1993 NJW 1993 1262, 1263 = FamRZ 1993 684; BGH 9.11.1983 BGHZ 88 386, 393 = NJW 1984 299.

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312 313 314 315 316

BGH 12.7.1995 NJW 1995 2781, 2782. Johannsen/Henrich/Jaeger § 1376 Rn. 13; Haußleiter/Schulz Kap. 1 Rn. 307. BGH 12.7.1995 NJW 1995 2781, 2782. BGH 12.7.1995 NJW 1995 2781, 2783. Vgl. Haußleiter/Schulz Rn. 307; Raube/ Eitelberg FamRZ 1997 1322, 1326; Palandt/Brudermüller § 1376 Rn. 17; Bamberger/Roth/Mayer § 1376 Rn. 33; MüKo-BGB/Koch § 1376 Rn. 20; Johannsen/Henrich/Jaeger § 1376 Rn. 13.

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Diese Berechnungsmethode dürfte identisch mit der Ermittlung des Rückkaufswerts nach § 169 Abs. 3 S. 1 (ohne Stornoabschlag i.S.v. § 169 Abs. 5) sein. Bei der gemischten Kapitallebensversicherung (Einf Rn. 37), bei der dem VN die Ver- 314 sicherungsleistung im Erlebensfall, im Fall seines vorzeitigen Todes unwiderruflich dem anderen Ehegatten zusteht, unterliegt das insoweit gespaltene Bezugsrecht dem Zugewinnausgleich. Ist die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Todes des VN sehr gering, ist es beim Ehegatten mit Null anzusetzen.317 Dagegen kann der Rechtsposition des VN nicht allein deshalb ein im Zugewinnausgleich anzusetzender Wert abgesprochen werden, weil die Vermögensrechte aus der Versicherung bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung nicht mehr der Verfügung des VN unterliegen und er insbesondere kein Recht auf den Rückkaufswert hat.318 Vielmehr sind diese Rechte mit ihrem Schätzwert zu den jeweiligen Bewertungsstichtagen in die Zugewinnbilanz einzustellen, wobei die bestehende Unsicherheit, ob der Versicherungsfall des Erlebens und damit die aufschiebende Bedingung für die Rechte des VN auf die Versicherungsleistungen sowie die auflösende Bedingung für die Rechte des Bezugsberechtigten aus der Todesfallversicherung eintreten wird, unter Würdigung der Umstände des Falles bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Hierzu zählen auch die Faktoren für die Überlebenswahrscheinlichkeit, wie sie sich unter Berücksichtigung des Alters des VN am Bewertungsstichtag für den Zeitraum bis zum Ablauf der Versicherung im Erlebensfall der Allgemeinen Sterbetafel entnehmen lassen.319 Als Anhalt für den Betrag, mit dem die Ungewissheit bei der Bewertung zu berücksichtigen ist, kommen auch die Kosten einer Risikolebensversicherung in Betracht, die der VN für die Zeit bis zum Eintritt des Erlebensfalles abschließen kann, um das Risiko des vorzeitigen Todesfalles zu decken und sicherzustellen, dass die Erhöhung des Zugewinnausgleichsbetrages infolge der Einbeziehung der aufschiebend bedingten Versicherungsanrechte durch die Versicherungsleistung aus der Risikoversicherung gedeckt ist, wenn die Bedingung nicht eintritt.320 2. Versorgungsausgleich (Rentenversicherung) Die Bewertung der Anrechte aus einer Rentenversicherung beurteilt sich nach § 46 315 VersAusglG. § 46 S. 1 VersAusglG stellt klar, dass für die Bewertung die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes über Rückkaufswerte Anwendung finden (§ 169). Er tritt insoweit an die Stelle von § 1587a Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F., der vorsah, dass bei Anwartschaften und laufenden Versorgungen auf Grund eines privaten Versicherungsvertrags die prämienfreie Leistung zum Ende der Ehezeit bestimmt wurde. § 1587a Abs. 2 Nr. 5 BGB a.F. unterschied dabei zwischen Versicherungen, für die eine Prämienzahlungspflicht über das Ende der Ehezeit hinaus bestand, und Versicherungen, die am Ende der Ehezeit prämienfrei waren. Im erstgenannten Fall sah § 1587a Abs. 2 Nr. 5a BGB a.F. eine hypothetische Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung unter gleichzeitiger Fiktion des Eintritts des Versicherungsfalles am Ende der Ehezeit vor. Bestand zum Ende der Ehezeit keine Prämienzahlungspflicht mehr, war nach § 1587a Abs. 2 Nr. 5b BGB a.F. von dem Rentenbetrag auszugehen, der sich als Leistung des VR ergäbe, wenn zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsfall eingetreten wäre. Diese Regelungen sind hinfällig geworden, da nach neuem Recht gemäß § 5 VersAusglG der Tei-

317 318

BGH 20.5.1992 BGHZ 118 242, 248 = NJW 1992 2154. BGH 20.5.1992 BGHZ 118 242, 248 = NJW 1992 2154.

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BGH 20.5.1992 BGHZ 118 242, 251 = NJW 1992 2154. BGH 20.5.1992 BGHZ 118 242, 251 = NJW 1992 2154.

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lungsgegenstand sowohl in einer Rente als auch einem Kapitalwert bestehen kann.321 Maßgebliche Bezugsgröße ist nunmehr der auf die Ehezeit entfallende Rückkaufswert. Entscheidende Bezugsgröße für die Bestimmung von Ehezeitanteil und Ausgleichwert 316 aus einer Versicherung ist nach §§ 5 Abs. 5, 46 S. 1 i.V.m. § 39 VersAusglG der auf die Ehezeit entfallende Rückkaufswert i.S.v. § 169 Abs. 3 S. 1.322 Der Rückkaufswert ist vom VR im Fall der Kündigung durch den VN oder im Fall der Aufhebung des Vertrags durch Kündigung oder Rücktritt seitens des VR zu zahlen (§ 169 Rn. 21 ff.). Er bildet den Stichtagswert am Ende der Ehezeit als Kapitalwert des Anrechts ab.323 Neben dem Rückkaufswert fließen in die Bewertung des Ehezeitanteils gemäß § 169 317 Abs. 7 auch die dem VN bereits zugeteilten Überschussanteile ein, soweit sie als verzinsliche Ansammlung gewährt worden sind und keine Berücksichtigung im Deckungskapital gefunden haben, sowie der nach den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehene Schlussüberschussanteil (§ 169 Rn. 158). Nach Ansicht der Oberlandesgerichte Celle324 und München325 begründet die Aussicht auf Schlussüberschüsse und Beteiligung an Bewertungsreserven bei Verträgen, auf die § 176 Abs. 3 a.F. anzuwenden ist, noch keine gesicherte Anwartschaft und bleibt deshalb bei der Berechnung des Ausgleichswerts unberücksichtigt. § 46 S. 2 VersAusglG stellt klar, dass Stornokosten nicht abzuziehen sind. Diese Re318 gelung bezieht sich auf § 169 Abs. 5, der den VR zu einem Abzug vom Rückkaufswert (sog. Stornoabzug) berechtigt, wenn dieser vereinbart, beziffert und angemessen ist (§ 169 Rn. 114 ff.).

III. Bestimmung des Ehezeitanteils bei Rentenversicherungen 1. Fondsungebundene Versicherungen

319

a) Abschluss der Versicherung während der Ehezeit. Wurde die Versicherung erst während der Ehezeit abgeschlossen, bestimmt sich der Ehezeitanteil i.S.d. § 1 Abs. 1 VersAusglG nach dem Rückkaufswert des Anrechts i.S.d. § 46 Abs. 1 VersAusglG i.V.m. § 169 Abs. 3 S. 1 und der (Schluss-)Überschussbeteiligung zum Ende der Ehezeit.326

320

b) Abschluss der Versicherung vor der Ehezeit. Bei Abschluss der Versicherung vor Eingehen der Ehe und Fortbestand der Versicherung nach Ehezeitende ist der Rückkaufswert aus den eingezahlten Beiträgen sowie den hierauf entfallenden Zinsen und der (Schluss-)Überschussbeteiligung (vermindert um Risiko-, Verwaltungs- und sonstige Kosten) zu Beginn der Ehezeit und zum Ehezeitende zu ermitteln. Der Differenzbetrag stellt den ehezeitbezogenen Erwerb dar.327 Bei der regelmäßig vorgenommenen internen Teilung gemäß § 10 VersAusglG werden die dem Versorgungsträger bei der Teilung entstehenden Kosten, die in angemessener Höhe angesetzt werden können, abgezogen (§ 13

321 322

323

Vgl. BTDrucks 16/10144 S. 84 f. BTDrucks 16/10144 S. 85. Der Versorgungsträger hat nach § 5 Abs. 1 und 3 VersAusglG nicht nur den Ehezeitanteil zu berechnen, sondern muss dem Gericht auch einen Vorschlag für den Ausgleichswert unterbreiten. BTDrucks 16/10144 S. 85.

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324 325 326 327

OLG Celle 30.8.2011 FamRZ 2012 308, 309. OLG München 29.12.2010 FamRZ 2011, 978. Borth Rn. 486; Hauß/Eulering Rn. 669. Borth Rn. 487; Johannsen/Henrich/Henrich/Büttner/Holzwarth § 46 Rn. 12.

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VersAusglG). Der danach verbleibende Betrag wird zwischen geschiedenen Eheleuten hälftig geteilt.328 Versicherungstechnisch vollzieht sich dieser Vorgang in der Weise, dass nach § 169 Abs 3. S. 1 jeweils zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode (§ 12 VersAusglG) das Deckungskapital zu ermitteln ist.329 Voreheliches Deckungskapital ist für die Bildung des Rückkaufswerts nicht zu berücksichtigen.330 Zinserträge, die aus dem vorehelich erworbenen Deckungskapital in der Ehezeit anfallen, werden dagegen mitberücksichtigt, da es nach dem in § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG enthaltenen Grundsatz hinsichtlich des Erwerbs eines auszugleichenden Anrechts auf die Herkunft des Vermögens nicht ankommt.331 An Veränderungen der Überschussanteile sowie eines (fiktiv angenommenen) Schlussüberschussanteils während der Ehezeit nimmt der Ausgleichsberechtigte bei der internen Teilung teil.332 2. Fondsgebundene Versicherungen a) Unmittelbare Bewertung des auszugleichenden Anrechts. Bei fondsgebundenen 321 Versicherungen oder sonstigen Versicherungen i.S.d. § 54b VAG ≈ 115 VAG-E), bei denen kein Deckungskapital im eigentlichen Sinne gebildet wird, bestimmt sich der Rückkaufswert nach dem Kurswert der Anteilseinheiten zum Ende der Ehezeit sowie den nach § 169 Abs. 7 S. 1 i.V.m. § 169 Abs. 4 zu bestimmenden ehezeitbezogenen Überschussanteilen. Soweit eine bestimmte Leistung garantiert wurde, steht der ausgleichsberechtigten Person die Hälfte der ehezeitlichen Garantieleistung zu.333 In diesem Fall erhält der VN demnach einen kombinierten Rückkaufswert aus Zeitwert (nicht garantierte Teile) und dem nach § 169 Abs. 3 zu bildenden Deckungskapital (garantierte Teile).334 b) Schwankungen des Werts der Versicherung. Ein Wertanstieg zwischen Ehezeitende 322 und dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bleibt wegen § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG unberücksichtigt.335 Dagegen wirkt ein nachehezeitlicher Wertverlust der Versicherung infolge von Kurseinbrüchen nach § 5 Abs. 2 S. 2 VerAusglG auf den Ehezeitanteil zurück.336 Dabei genügt die bloß abstrakte Möglichkeit eines Wertverlustes nicht; er muss vielmehr vom Tatrichter konkret festgestellt werden. Selbst dann bleibt der nachehezeitliche Wertverlust unberücksichtigt, sofern bereits eine gegenläufige Entwicklung eingesetzt hat, die den Wertverlust wieder aufhebt (bevor der Überschuss als nachehezeitlicher Gewinn wiederum unberücksichtigt bleibt).337

328

329 330 331

332

Hoffmann/Raulf/Gerlach FamRZ 2011 333, 334 (unter Hinweis darauf, dass der GDV ein unverbindliches Muster einer Teilungsordnung für klassische und fondsgebundene Lebensversicherungen im Bereich der betrieblichen und privaten Altersvorsorge entworfen hat); Langheid/Wandt/Heiss § 159 Rn. 112. Borth Rn. 487. Offenlassend Hauß/Eulering Rn. 670. Borth Rn. 487; Johannsen/Henrich/Henrich/Büttner/Holzwarth § 46 Rn. 12; Hoffmann/Raulf/Gerlach FamRZ 2011 333, 334. Borth Rn. 487; Hoffmann/Raulf/Gerlach

333 334

335 336 337

FamRZ 2011 333, 334; Kirchmeier VersR 2009 1581, 1584. Vgl. BTDrucks 16/10144 S. 85; Borth Rn. 489. Kirchmeier VersR 2009 1581, 1583; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brambach § 169 Rn. 20; vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2007 1895. A.A. Götsche/Rehbein/Breuers/Rehbein § 46 Rn. 7. BGH 29.2.2012 FamRZ 2012 694, 696 f. m. Anm. Borth FamRZ 2012 697 ff. Vgl. BGH 29.2.2012 FamRZ 2012 694, 697; vgl. Soergel/R. Koch § 46 VersAusglG Rn. 54.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

c) Laufende Versorgungen. Wird aus einem Versicherungsvertrag bereits eine laufende Leistung erbracht, ist der Ehezeitanteil nach § 41 Abs. 1 i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG zu bestimmen. Teilungsgegenstand ist nur das bei Ehezeitende noch vorhandene Deckungskapital.338 3. Auskunft des Versicherungsunternehmens

324

Der VR ist nach § 220 Abs. 4 FamFG verpflichtet, die von ihm nach § 5 Abs. 1 VersAusglG zu berechnenden Ehezeitanteile und die Vorschläge nach § 5. Abs. 3 VersAusglG für Ausgleichswerte und korrespondierende Kapitalwerte der Anrechte dem Familiengericht mitzuteilen und diese ggf. zu erläutern.339 4. Kein Abzug der Stornokosten

325

Nach § 46 S. 2 VersAusglG dürfen Stornokosten zur Bestimmung des Ausgleichswerts im Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt werden, weil es im Falle einer internen Teilung nicht zur Zahlung eines Rückkaufswerts kommt, so dass keine Stornokosten entstehen. Ein Stornoabzug ist deshalb nicht erforderlich. Zu einer externen Teilung mit Kapitalabfluss kommt es nur mit Zustimmung des Versorgungsträgers (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VersAusglG), der in diesem Fall auch die mit dem Kapitalabfluss verbundenen Kosten zu tragen hat (vgl. § 14 Abs. 4 VersAusglG).340

IV. Zugewinn- und versorgungsausgleichspflichtige Anrechte als Kreditsicherheit und/oder Tilgungsersatz 326

Bei der Bewertung der zugewinn- und versorgungsausgleichspflichtigen Anrechte ist zwischen dem Einsatz der Kapitallebens-/Rentenversicherung als Kreditsicherheit und/ oder Tilgungsersatz zu unterscheiden. 1. Kapitallebensversicherung

327

a) Kreditsicherheit. Die Sicherungsabtretung einer Kapitallebensversicherung führt – wie jede andere Abtretung einer Forderung auch – zunächst dazu, dass der Anspruch aus dem Vermögen des Zedenten ausscheidet und der Zessionar die Gläubigerstellung des VN erlangt. Der Zedent hat aus der Sicherungsabrede einen bedingten Anspruch auf Rückgewähr, soweit die Sicherheit nicht benötigt wird. Zur Ermittlung des wirtschaftlichen Werts der Kapitallebensversicherung bzw. des Anspruchs auf Rückabtretung ist die Darlehensverbindlichkeit jeweils zum Stichtag zur Ermittlung des Anfangs- und Endvermögens in Abzug zu bringen.341

338

339

Borth Rn. 491; Hauß/Eulering Rn. 680; Kirchmeier VersR 2009 1581, 1584; Soergel/R. Koch § 46 VersAusglG Rn. 56. Vgl. BTDrucks 16/10144 S. 95; Wick FuR 2009 482, 484; Soergel/R. Koch § 46 VersAusglG Rn. 57.

112

340 341

Vgl. BTDrucks 16/10144 S. 85; Soergel/ R. Koch § 46 VersAusglG Rn. 58. OLG Düsseldorf 9.12.2003 BeckRS 2011 24442.

Robert Koch

Allgemeines zur Lebensversicherung

Einf

b) Tilgungsersatz. Eine zur Sicherung und Tilgung einer endfälligen Darlehens- 328 verbindlichkeit an den Gläubiger abgetretene Kapitallebensversicherung ist nach Ansicht des BGH von der Darlehensverbindlichkeit im Stichtagsvermögen mit dem Zeitwert in Abzug zu bringen.342 Dies begründet er damit, dass dem Zessionar der Anspruch auf die durch Tod oder Ablauf fällig werdenden Leistungen zustehe und er im Rahmen der durch die Abtretung erlangten Rechte auch berechtigt sei, das Versicherungsverhältnis zu kündigen und die Auszahlung des Rückkaufswertes zu verlangen.343 Da die Versicherungsleistungen nicht an den VN herauszugeben, sondern zur Rückführung der bestehenden und zunächst nicht weiter zu tilgenden Kreditverbindlichkeit bestimmt seien, könne der dem VN verbleibenden Rechtsposition aus dem Versicherungsvertrag kein für die Berechnung des Endvermögens relevanter Wert beigemessen werden.344 Eine bei Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten fällig gewordene Versicherungssumme sei jedoch zum vollen Nennwert beim Endvermögen des Berechtigten zu berücksichtigen, da sich der wirtschaftliche Wert der Kreditverbindlichkeit zum Stichtag um den Zeitwert der Lebensversicherung vermindert. Somit seien nicht die Aktiva des Endvermögens um den Wert der Versicherung zu erhöhen; vielmehr sei der Passivposten der Kreditverbindlichkeit um einen entsprechenden Betrag zu vermindern.345 2. Rentenversicherung a) Kreditsicherheit. Rentenversicherungen, die als Kreditsicherheit (Sicherungsabtre- 329 tung, Verpfändung) dienen, sind in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, weil sie wirtschaftlich dem Vermögen des versicherten Ehepartners zuzuordnen sind.346 Dies findet seinen Ausdruck darin, dass der versicherte Ehepartner vor der Verwertungsreife der Sicherheit berechtigt ist, eine Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO zu erheben, wenn Gläubiger des Zessionars diese Forderung pfänden347 und er trotz der Sicherungszession einen anderen Bezugsberechtigten bestimmen kann.348 Je nach der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist ein Abschlag vorzunehmen.349 Eine Einbeziehung scheidet aus, wenn die Sicherheit in Anspruch genommen oder das entsprechende Recht auf andere Weise aus dem Vermögen des betroffenen Ehegatten ausgeschieden ist.350 Entgegen der Ansicht des KG351 fallen gepfändete Anrechte aus einer Rentenversicherung nicht in den Versorgungausgleich.352

342

343 344 345 346

347

BGH 20.5.1992 BGHZ 118 242, 248 = NJW 1992 2154; Haußleiter/Schulz Kap. 1 Rn. 244. BGH 20.5.1992 BGHZ 118 242, 248 = NJW 1992 2154. BGH 20.5.1992 BGHZ 118 242, 248 = NJW 1992 2154. BGH 20.5.1992 BGHZ 118 242, 248 = NJW 1992 2154. AG Lüdenscheid 8.6.2005 FamRZ 2005 1754 (zur Lebensversicherung auf Rentenbasis); Borth Rn. 483. Vgl. AG Lüdenscheid 8.6.2005 FamRZ 2005 1754.

348

349 350 351

352

BGH 23.10.2003 BGHZ 156 350, 354 = NJW 2004 214; BGHZ 109 67, 69 = NJW 1990 256; MüKo-BGB/Gottwald § 330 Rn. 13 m.w.N. Palandt/Brudermüller § 48 VersAusglG Rn. 4. Vgl. OLG Zweibrücken 21.10.2003 FamRZ 2004 642 = BeckRS 2003 30331240. KG 10.2.2012 NJOZ 2012 1392 = FamRZ 2012 1218; vgl. auch Gutzeit FamRB 2012 187. Kemper/Norpoth FamRB 2011 284, 287; Palandt/Brudermüller § 2 VersAusglG Rn. 6.

Robert Koch

113

Einf 330

Kapitel 5: Lebensversicherung

b) Tilgungsersatz. Anrechte aus einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht, die zur Kreditsicherung abgetreten sind und mit deren Ablaufleistung ein Baudarlehen bei dessen Endfälligkeit bestimmungsgemäß getilgt werden soll, fallen nicht in den Versorgungsausgleich, weil sie nicht der Absicherung des Inhabers im Alter oder bei Invalidität dienen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG).353 Hier findet ein güterrechtlicher Ausgleich statt.354

353

Zu Recht Kemper/Norpoth FamRB 2011 284, 285; Soergel/R. Koch § 46 VersAusglG Rn. 26; a. A. zum früheren Recht BGH 6.4.2011 NJW 2011 1671; OLG Zweibrücken 21.10.2003 FamRZ 2004 642 = BeckRS 2003 30331240; wie hier zum

114

354

früheren Recht OLG Nürnberg 3.1.2007 NJW-RR 2007 1015, 1016 = FamRZ 2007 1246. Kemper/Norpoth FamRB 2011 284, 285; Palandt/Brudermüller § 2 VersAusglG Rn. 6.

Robert Koch

Versicherte Person

§ 150

§ 150 Versicherte Person (1) Die Lebensversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. (2) 1Wird die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen und übersteigt die vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten, ist zur Wirksamkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich; dies gilt nicht bei Kollektivlebensversicherungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. 2 Ist der andere geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder ist für ihn ein Betreuer bestellt und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu, kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten. (3) Nimmt ein Elternteil die Versicherung auf die Person eines minderjährigen Kindes, bedarf es der Einwilligung des Kindes nur, wenn nach dem Vertrag der Versicherer auch bei Eintritt des Todes vor der Vollendung des siebenten Lebensjahres zur Leistung verpflichtet sein soll und die für diesen Fall vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt. (4) Soweit die Aufsichtsbehörde einen bestimmten Höchstbetrag für die gewöhnlichen Beerdigungskosten festgesetzt hat, ist dieser maßgebend.

Schrifttum Amrhein The Liberalization of the Life Insurance Contract (1933); Anli Versicherung für fremde Rechnung (1967); Asmuth Der Minderjährige im Versicherungsrecht (1930); Bayer Lebensversicherung, Minderjährigenschutz und Bereicherungsausgleich, VersR 1991 129; Brecher Die Versicherung auf fremden Tod (1912); Dickstein Die Merkmale der Lebensversicherung im europäischen Binnenmarkt (1995); Drews Die Zustimmung des Versicherten in der Lebensversicherung, VersR 1987 643; Elsholz Die Versicherung auf fremden Tod nach deutschem und ausländischem Recht (1953); Fuchs Die Gefahrsperson im Versicherungsrecht (1974); Ganz Die Fremdversicherung in der Schadens- Lebens- und Unfallversicherung, Diss. Bern 1971; Geissler Der Versicherungsvertrag des Minderjährigen, Diss. Göttingen 1908; Glättli Die Versicherung auf fremde Leben, Diss. Bern 1947; Gruber International zwingende Eingriffsnormen im VVG, NVersZ 2001 442; Herdter Der Gruppenversicherungsvertrag – Grundlagen und ausgewählte Problemfelder (2010); Hülsmann Zum Einwilligungserfordernis nach § 159 VVG im Lichte der Rechtsprechung, NVersZ 1999 550; ders. Zum Einwilligungserfordernis nach § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG in der Gruppenlebensversicherung, VersR 1997 1467; Kook Der Gruppenvertrag in der Kollektivlebensversicherung (1939); Loosli Abschluß des Kinderlebensversicherungsvertrages nach schweizerischem Recht (1926); Magnusson in Möller/Winter (Hrsg.) Materialien des Zweiten Weltkongresses für Versicherungsrecht (1967), Bd V (Gruppenversicherung, insbes. in der Lebensversicherung) 103; Millauer Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl. (1966); Müller Die Einwilligung des Versicherten zum Lebensversicherungsvertrag, NVersZ 2000 454; Parthier Beiträge zur Lehre von der Gruppenlebensversicherung (1937); Pfropfe Rechtliche Fragen um die Gruppenlebensversicherung (1936); Römer/Langheid Versicherungsvertragsgesetz, 3. Aufl., (2012); Rüdiger Die Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrag (1985); Schmidt-Rimpler Zum Begriff der Versicherung, VersR 1963 493; von Wartburg Lebensversicherung (1974); Winter Erfordernis vormundschaftlicher Genehmigung bei Lebensversicherungsverträgen Minderjähriger? ZVersWiss 1977 145; ders. The Position of the Group Representative in Group Life Insurance – Germany, Hellner/Nord (ed.), Life Insurance Law in International Perspective (1969) 210; ders. Grenzlinien der Lebensversicherung: “insurable interest”, biometrisches Risiko und Kapitalisierungsgeschäfte, VersR 2004 8.

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§ 150

Kapitel 5: Lebensversicherung Übersicht Rn.

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . II. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . 1. Problematik . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz der formalen Zustimmung, aber keine Verdrängung der §§ 762, 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 3. Würdigung der Rechtsprechung . . . . 4. Einwilligung als Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 1. Todesfallfremdversicherungen einschl. sonstiger Lebensversicherungen mit einem Todesfallrisiko . . . . . . . . . 2. Analoge Anwendung des § 150 Abs. 2 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entsprechende Anwendung des § 150 Abs. 2 Satz 1 bei Vertragsänderungen? 4. Restriktive Auslegung des § 150 Abs. 2 Satz 1 in Fällen einer bloßen Beitragsrückerstattung . . . . . . . . . . . . 5. Kapitalisierungsgeschäfte? . . . . . . B. Schriftliche Einwilligung der fremden Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz, Begriff und Bestimmung der Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . 2. Begriff der Gefahrsperson . . . . . . . 3. Bestimmung der Gefahrsperson . . . . II. Schriftliche Einwilligung der fremden Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwilligung durch die Gefahrsperson 2. Rechtsnatur und Zeitpunkt der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters der Gefahrsperson . . . . . . . . . . 4. Sonderregelung: Gesetzlicher Vertreter als Versicherungsnehmer . . . . . . . 5. Einwilligung durch Bevollmächtigten . 6. Rechtsfolge fehlender Einwilligung . . 7. Gesetzliche Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis . . . . . . . . . . . a) Sterbegeldversicherung . . . . . . . b) Kinderversicherung . . . . . . . . c) inwilligungserfordernis bei sonstigen Gruppenlebensversicherungen? . . d) Kollektiversicherungen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge . . e) Einwilligungserfordernis bei Lebensfremdversicherung für Rechnung der Gefahrsperson . . . . . . . . . f) Ausnahme für regulierte Pensionskassen . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einwilligungserfordernis bei Zusatzversicherungen . . . . . . . . . . . . 9. § 150 Abs. 2 als zwingende Norm . . III. Verhaltensnormen für die Gefahrsperson 1. Einstandspflicht der Gefahrsperson für ihre Kenntnis und ihr Verhalten, § 156 VVG . . . . . . . . . . . . . .

116

1 1 5 5

6 10 13 15

Rn. IV.

V.

VI. C.

15 16

I.

17

21 25 29 29 29 30 31 32 32 38 41 47 50 54 56 56 58 60 67

69

II.

70 71 72 73

73

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2. Weitere Pflichten der Gefahrsperson . Rechte der Gefahrsperson . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwirkung auf die Ausgestaltung des Versicherungsvertrages . . . . . . . . 3. Kein Eintrittsrecht nach § 170 VVG . Veränderungen im Status der Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verpfändung und Pfändung . . . . . . Beendigung des Vertrages . . . . . . . . Anhang I: Sonstige Fragen der Wirksamkeit eines Lebensversicherungsvertrages, insbes. der Vertrag mit einem minderjährigen VN . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsfähigkeit bzw. Erfordernis der Zustimmung gesetzlicher Vertreter . . . 1. Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . 2. Erfordernis der Zustimmung gesetzlicher Vertreter . . . . . . . . . . . . a) Stillschweigende Einwilligung durch Überlassung geldlicher Mittel . . . b) Restfälle des § 110 BGB . . . . . . c) Fälle partieller Geschäftsfähigkeit, §§ 112, 113 BGB . . . . . . . . . . d) Genehmigungsmöglichkeit . . . . . aa) Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter . . . . . . . . . bb) Genehmigung durch den Minderjährigen nach Eintritt der Volljährigkeit, insbes. durch Prämienzahlung . . . . . . . . . . . . cc) Folgen der Nichterteilung der Zustimmung . . . . . . . . . . 3. Kein Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Grundsätzliche Gleichsetzung des Nichtfortbestehens eines Vertrages mit der Möglichkeit einer rechtzeitigen Lösung der vertraglichen Bindung . . . . . . . . . . . . . . c) Gleichsetzung auch bei mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen . . . . . . . . . d) Konsequenzen aus der Praxis der Lebensversicherung . . . . . . . . e) Keine Differenzierung zwischen Risikolebensversicherung und kapitalbildender Lebensversicherung . . Schwebende Unwirksamkeit und Nichtigkeit des Lebensversicherungsvertrages . . 1. Schwebende Unwirksamkeit . . . . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . b) Begriffliches und Grundlegung . . . c) Kein Verzug des Minderjährigen bei Einstellung der Prämienzahlung . . d) Rückzahlung sämtlicher Prämien . e) aktische Vertragsdurchführung . . 2. Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . .

75 78 78 79 81 82 83 84 85

86 86 87 88 88 89 93 96 96

101 104 105 105

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114 115 116 116 117 122 123 125 126

Versicherte Person

§ 150

Rn. D. Anhang II: Todesfallversicherung und vorläufiger Deckungsschutz . . . . . . . I. Todesfallversicherung . . . . . . . . . . 1. Todesfallversicherung als Archetyp der Lebensversicherung . . . . . . . . . . 2. Tod als Versicherungsfall . . . . . . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt des Todes: Hirntod . . . c) Verschollenheit . . . . . . . . . . .

128 128 128 129 129 131 136

Rn. aa) Begriff der Verschollenheit und Todeserklärung . . . . . . . . . bb) Keine ausdrückliche Regelung in den Bedingungswerken . . . 3. Lebensversicherungsformen mit dem Todesfallrisiko . . . . . . . . . . . . II. Vorläufiger Versicherungsschutz hinsichtlich der für den Todesfall beantragten Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . .

137 140 143

145

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Die Regelung der Todesfallversicherung auf das Leben eines anderen als den VN 1 wurde schon stets als problematisch angesehen. Während die Hamburgische Assekuranzund Haverey-Ordnung von 1731 – die durchgängig von einem versicherten Interesse ausging, auch für die Lebensversicherung – die Todesfallfremdversicherung in Gestalt einer Reiselebensversicherung gestattete, kam es im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 zu deutlichen Einschränkungen. Nach A.L.R. II.8.13, § 1971 konnten zunächst „Eltern, Kinder, Ehegatten oder Verlobte … für eigene Rechnung das Leben ihrer Kinder, Eltern, des anderen Ehegatten oder Verlobten versichern lassen.“ Nach § 1973 konnte außer „diesen … niemand zu seinem eigenen Vorteil auf das Leben eines dritten, ohne dessen gerichtliche (später: schriftliche) Einwilligung Versicherung nehmen“. Wurde gleichwohl eine Lebensversicherung abgeschlossen, die diese Einschränkungen nicht beachtete, so musste nach § 1974 „… jeder, sowohl der Versicherer als auch der Versicherte die gezeichnete Summe zum Besten der Armen als Strafe erlegen“. Die Bestimmung des § 159 a.F. orientierte sich mit dem Erfordernis der schriftlichen 2 Einwilligung der fremden Gefahrsperson an den Vorschriften des ALR. Zur Todesfallversicherung wurde in der Begründung zum Gesetzesentwurf schon zu Beginn des Abschnitts „Lebensversicherung“ ausgeführt: „Nur bei diesen Versicherungen haben es die Beteiligten in der Hand, den Eintritt des Versicherungsfalles selbst herbeizuführen. Mit der sich hieraus ergebenden Gefahr ist namentlich da zu rechnen, wo der Versicherungsnehmer die Versicherung nicht für den Fall des eigenen Todes, sondern für den Fall des Todes eines anderen nimmt. Die Aussicht auf den lediglich durch den Eintritt dieses Todes bedingten Gewinn kann immerhin einen Anreiz zu Handlungen bilden, welche die Verwirklichung des Gewinns bezweckt. Es erscheint deshalb geboten, der bezeichneten Gefahr durch besondere Vorschriften entgegenzutreten …“.1 Speziell zu § 159 a.F. heißt es in der Begründung: „Das Interesse, welches den Anstoß zur Schließung eines Lebensversicherungsvertrages gibt, kann an das eigene Leben des Antragstellers aber auch an das eines anderen gebunden sein … In Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen Rechtszustande geht der Entwurf davon aus, dass die Interessen, denen die auf die Person eines anderen genommene Versicherung dient, denselben Anspruch auf Berücksichtigung haben wie die Interessen, die der Versicherung des eigenen Lebens zugrunde liegen, und lässt daher beide Arten von Versicherung in gleichem Umfange zu.“

1

Motive 214.

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§ 150

Kapitel 5: Lebensversicherung

3

Die Bestimmung des § 159 a.F. wurde gänzlich in die Vorschrift des § 150 übernommen. Hinzu tritt lediglich die Bestimmung des Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 zur Kollektivversicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. In der Begründung zu dieser Änderung des § 150 heißt es im Wesentlichen: „Bei der 4 Bezeichnung ‚Kollektivlebensversicherung‘ handelt es sich um einen neueren aufsichtsrechtlichen Begriff, der an die Stelle des bisher allein gebräuchlichen Begriffs ‚Gruppenversicherung‘ getreten ist. Bei solchen Verträgen fehlt es an dem für das Einwilligungserfordernis maßgeblichen Schutzbedürfnis der versicherten Person, weshalb auf den mit diesem Erfordernis verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand bei diesen Kollektivverträgen verzichtet werden kann.“2

II. Inhalt und Zweck der Regelung 1. Problematik

5

Die Vorschrift des § 150 geht davon aus, dass der VN einen Lebensversicherungsvertrag auf seine eigene Person oder auf die Person eines anderen als des VN schließen kann. Nach wie vor wird es als problematisch angesehen, eine Lebensfremdversicherung – soweit sie nicht (wie beispielsweise die Ausbildungs- oder Studienfinanzierungsversicherung) auf den Erlebensfall abgeschlossen wird – ohne Weiteres als wirksam anzusehen. Das ist nicht zuletzt auf die Erfahrungen in der Vergangenheit zurückzuführen: Als Folge einer zu jenen Zeiten herrschenden und möglicherweise bis in die Kreuzzüge zurückreichenden Spielleidenschaft war es im späten Mittelalter üblich, Wetten auf das Leben des Kaisers, des Papstes, sonstiger weltlicher oder kirchlicher Würdenträger und anderer Dritten abzuschließen.3 Weil dabei für den Wettenden der Anreiz bestand, dem Vertragserfolg nachzuhelfen, und diese Verträge ohnehin wegen ihres betont spekulativen Charakters als bedenklich erschienen, wurde in der Zeit vom 15. bis 18. Jahrhundert in verschiedenen Staaten der Abschluss derartiger Wettversicherungen auf das Leben von Menschen als gegen die guten Sitten verstoßend grundsätzlich untersagt. Die Sanktion für die Übertretung des Verbots war unterschiedlich: Genua verlangte eine Erlaubnis der Stadt für den Vertragsabschluss (Zivilgesetz von 1588), Neapel erhob ab 1622/23 eine besondere Steuer für derartige Verträge, in Spanien war eine Beeidung der Ernsthaftigkeit der Versicherungsabsicht erforderlich,4 ein gänzliches Verbot ohne Ausnahme erging in den Niederlanden (1570 durch Verfügung Philipps II., 1598 durch Amsterdam, 1604 durch Rotterdam) und in Skandinavien (Schweden 1667, Dänemark 1683), in anderen Staaten war der Abschluss einer derartigen Wettversicherung strafbar.5 2. Grundsatz der formalen Zustimmung, aber keine Verdrängung der §§ 762, 138 BGB

6

Nachdem nunmehr auch in § 150 der Grundsatz der formalen Zustimmung zum Ausdruck gelangt und als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Lebensfremdversicherung auf den Todesfall bestimmt worden ist, dass die Gefahrsperson dem Vertragsschluss

2 3

Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BTDrucks. 16/3945 95. Fuchs 22 m.w.N.; Schmidt-Rimpler VersR 1963 493, 495.

118

4 5

Fuchs 22–23; Glättli 14. Nachweise bei Fuchs 22–23; vgl. im Übrigen auch Brecher Versicherung auf fremden Tod (1912).

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Versicherte Person

§ 150

zuvor schriftlich zugestimmt hat, wird im Schrifttum die Frage erörtert, ob es zur Gültigkeit einer Lebensfremdversicherung in diesem Sinne zusätzlich zur Einwilligung weiterer Voraussetzungen bedarf. Dabei vertreten Fuchs, Schneider, Ortmann, Heiss, Mönnich und Römer 6 sowie – wenn auch zweifelnd – Baumann7 die Auffassung, dass das deutsche Recht Spekulationen oder Spiel mit fremdem Leben nicht verbietet. Denn alle Erlebensfallversicherungen seien uneingeschränkt zulässig, und § 150 Abs. 2 lasse nicht das moralische Kriterium verwerflicher Spekulation über die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages entscheiden, sondern allein das Zustimmungserfordernis. Dem VVG gehe es nur darum, eine Gefährdung der Gefahrsperson zu vermeiden, als Mittel für den Schutz der Gefahrsperson habe das VVG die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson für ausreichend angesehen. Denn wer über den Abschluss einer Lebensversicherung auf sein Leben unterrichtet sei und dazu seine Einwilligung erteilt, bringt dem VN sein Vertrauen entgegen. Im Regelfall sei die Gefahrsperson an ihrer körperlichen Unversehrtheit, an ihrem Leben interessiert; sei sie es nicht, hätte sie mit der Gefährdung ihres Lebens rechnen müssen. Auf weitere Aspekte wie moralische Kriterien komme es nicht an. Andere lehnen das Prinzip der formalen Zustimmung als alleinige Wirksamkeitsvor- 7 aussetzung mit der Begründung ab, eine Lebensversicherung sei als Wettversicherung unverbindlich, wenn der Tatbestand der Vorschrift des § 762 BGB gegeben sei.8 Wie bereits oben in der Einführung unter Rn. 221, 222 angesprochen, kann der Auf- 8 fassung nicht gefolgt werden, dass es für die Wirksamkeit einer Lebensfremdversicherung allein auf die Einwilligung der Gefahrsperson ankomme. Mit Hilfe des Einwilligungserfordernisses soll das Leben der Gefahrsperson geschützt werden. Die Frage der Unverbindlichkeit eines Spiel- oder Wettvertrages kann sich nicht nur bei der Lebensfremdversicherung, sondern beispielsweise auch bei Verträgen mit besonderer Kapitalanlage stellen, deren Wettcharakter nicht zu übersehen ist. Gerade im Lebensversicherungsbereich wäre es aus Gründen des Verbraucherschutzes besonders zweifelhaft, wenn mit derartigen Finanzinstrumenten ohne Weiteres gearbeitet werden könnte, falls es sich um eine Lebensfremdversicherung handelt, bei der die erforderliche Einwilligung gegeben ist. Die Vorschriften der §§ 150 Abs. 2 und 762 BGB haben unterschiedliche Zielbereiche, zwischen beiden muss unterschieden werden, auch wenn in der Praxis ein größerer Bereich der Fälle, die von § 762 BGB erfasst werden, durch § 150 Abs. 2 abgedeckt wird und wenn Wettverträge – zu Unrecht – nicht mehr so kritisch gesehen werden, wie teilweise in der Vergangenheit. Dabei aber handelt es sich um eine Frage der Auslegung des § 762 BGB. Nicht jede Fremdlebensversicherung ist ein wirksamer Lebensversicherungsvertrag, 9 wenn nur die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson erklärt worden ist, – auch wenn der VN bei Abschluss des Vertrages getäuscht wurde, auch wenn der Vertrag gegen die guten Sitten verstößt oder als Spiel- oder Wettvertrag einzuordnen ist. Die Vorschrift des § 150 Abs. 2 mit der Schaffung des Einwilligungserfordernisses setzt vielmehr einen sonst wirksamen Lebensversicherungsvertrag voraus. Allein aus der schriftlichen Einwilligung der Gefahrsperson kann nicht auf die Wirksamkeit eines Vertrages als Lebensversicherungsvertrag geschlossen werden. Dass durch § 150 Abs. 2 die Regelung des § 762

6

7

Fuchs 75, 76; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Ortmann § 150 Rn. 2, 3; Prölss/Martin/ Schneider § 150 Rn. 4; Langheid/Wandt/ Heiss/Mönnich § 150 Rn. 8; Römer/Langheid/ Römer § 150 Rn. 4. Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 77, 78.

8

Insbes. Schmidt-Rimpler VersR 1963 493, 497; Dickstein 85 ff. m.w.N.; Glättli 93 ff.; Hülsmann VersR 1995 501, 502 ff.; Hasse VersR 2010 837, 844; Bruck/Möller/Winter8 B 101; Winter VersR 2004 8, 10, 11, 12.

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§ 150

Kapitel 5: Lebensversicherung

BGB oder sonstige zwingende Vorschriften des BGB ausgeschlossen werden, lassen weder die Norm zur Lebensfremdversicherung noch ihre gesetzgeberischen Motive erkennen. Im Gegenteil: Gerade weil die gesetzgeberische Begründung zu § 159 a.F. mit der Überlegung zum Interesse beginnt, welches den Anstoß zur Schließung eines Lebensversicherungsvertrages gibt und das sowohl bei der Versicherung auf eigenes wie auf fremdes Leben zu berücksichtigen sei, kann ein so weit gehender Schluss nicht gezogen werden, und zwar weder für die Versicherung auf fremdes noch auf eigenes Leben. Das gilt insbes. auch deswegen, weil mit der Regelung des § 150 Abs. 2 nicht sämtliche Zweifelsfälle erfasst werden, und zwar weder für die Lebensfremdversicherung und erst recht nicht für die Versicherung auf eigenes Leben. Im Übrigen kann nicht nachvollzogen werden, warum bei Erlebensversicherungen und Todesfallversicherungen auf eigenes Leben die zwingenden Vorschriften der §§ 762, 138, 134 BGB zu berücksichtigen sind, nicht aber bei Todesfallfremdversicherungen. Sämtliche Lebensversicherungsverträge müssen auf sämtliche Unwirksamkeits- und Unverbindlichkeitsgründe hin untersucht werden können, weil sonst Lebensversicherungsverträge, die unwirksam, nichtig oder unverbindlich sind und damit die Begriffsmerkmale des Versicherungsvertrages nicht erfüllen,9 gleichwohl als wirksame Versicherungsverträge behandelt würden. Der Gesetzgeber dürfte auch nicht beabsichtigt haben, bei erteilter Einwilligung den Schutz des Gesetzes auch solchen Verträgen zukommen zu lassen, die als Spiel- und Wettverträge oder sittenwidrige Verträge zu sehen sind. Ein Vertrag kann gerichtlich nur durchgesetzt werden, wenn ihm schutzwerte Beziehungen zwischen den Vertragsschließenden zugrunde liegen.10 Wenn Baumann Lebensfremdversicherungsverträge allein dem Test des § 138 unterziehen, nicht jedoch mit Blick auf § 762 BGB überprüfen will, so reicht das nicht aus. 3. Würdigung der Rechtsprechung

10

Zur Begründung der These von der formalen Zustimmung als alleiniges Wirksamkeitskriterium für die Lebensfremdversicherung wird gerne die Rechtsprechung zitiert. Das OLG Celle11 betont zwar die Funktion und die Bedeutung der Norm des § 150 Abs. 2 und dass das Gesetz – nämlich das VVG – weitere Gültigkeitserfordernisse wie hinsichtlich eines versicherten Interesses für die Lebensversicherung nicht aufgestellt habe – diese Feststellung entspricht allerdings nicht mehr den Tatsachen, seit der Reformgesetzgeber das versicherte Interesse auch für die Lebensversicherung anerkannt hat.12 Darüber hinaus wird schon für die Gesetzeslage vor 2008 mit keinem Wort zum Ausdruck gebracht, dass die §§ 762, 138 und 134 BGB damit verdrängt worden seien. Lebensfremdversicherungen seien nicht „ohne Weiteres“ – wohl aber möglicherweise! – Spiel und Wette gleichzustellen. Soweit der BGH 13 in seinen knappen Formulierungen über das OLG Celle hinausgeht („umfassende“ Funktion des § 150 Abs. 2) und sich dazu auf seine ständige Rechtsprechung beruft, so kann dazu nur festgestellt werden, dass sich ein derartiger Schluss aus den drei herangezogenen Entscheidungen (von denen sich zwei auf die Unfallversicherung – mit einem vergleichbaren Einwilligungserfordernis – beziehen) nicht hergeleitet werden kann. Für eine solche – im Vergleich zum OLG Celle weitergehende – Position hätte es einer näheren Herleitung und Begründung bedurft.14 Dieselbe Wort-

9 10

11

Winter VersR 2004 8, 10. Vgl. schon Bruck/Möller/Wagner8 Anm. H 23; im Ergebnis wie hier auch Hasse VersR 2010 837, 844. OLG Celle 4.11.1993 VersR 1995 404, 406.

120

12 13 14

Einführung vor §§ 150–171 Rn. 171 ff. Beschluss des BGH vom 5.10.1994 VersR 1995 405, 406. Zu Recht kritisch Hülsmann VersR 1995 501, 503, 504.

Gerrit Winter

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wahl findet sich auch in den Entscheidungen des BGH vom 7.5.1997 15 und vom 9.12.199816, ohne dabei nähere Hinweise zu enthalten. Im Übrigen unterscheiden sich die Normzwecke von § 150 Abs. 2 einerseits und 11 §§ 134, 138 und 762 BGB andererseits: § 150 Abs. 2 schützt die Gefahrsperson, §§ 134, 138 und 762 BGB schützen den Vertragspartner. Auch wenn man dieser Argumentation nicht folgen will, die rechtlichen Grundlagen 12 für die Auslegung des § 150 Abs. 2 haben sich mit der Reform 2008 entscheidend dadurch geändert, dass ein versichertes Interesse nicht nur für die Schadensversicherung, sondern auch für die Lebensversicherung gesetzliche Anerkennung gefunden hat. Die halbzwingende Norm des § 80 findet für die Lebensversicherung in gleicher Weise Anwendung wie für die Sachversicherung. Eine willkürliche und unbegrenzte Festsetzung der Versicherungssumme ist in der Lebensversicherung nicht mehr bei jedem Versicherungsvertrag zulässig.17 4. Einwilligung als Wirksamkeitsvoraussetzung Sinn und Zweck der Vorschrift des § 150 Abs. 2 ist daher die Schaffung einer spe- 13 ziellen, auf ihr Vorliegen leicht zu überprüfenden Wirksamkeitsvoraussetzung für die Bereiche der Lebensfremdversicherungen. Den speziellen Gefahren, die sich bei der Lebensversicherung mit fremder Gefahrsperson ergeben können, wird durch das Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 begegnet, das die Möglichkeit eines „Spiels“ mit dem Leben anderer zu vermeiden sucht. Dass ein weiterer Schutz der Gefahrsperson darin zu sehen ist, dass der VN den Anspruch auf jede Leistung verwirkt, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 162 Abs. 1 gegeben sind, bedarf keiner Betonung; diese Regelung ergänzt die Vorschrift des § 150 Abs. 2. Nur wenn bei der Lebensfremdversicherung die fremde Gefahrsperson ihre Einwilligung erklärt hat, kann die Versicherung wirksam sein. Und nur in diesem Falle kann der VN einen Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung besitzen.18 Nicht erforderlich ist die Einwilligung, wenn die vereinbarte Leistung über den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten nicht hinausgeht. In einem solchen Fall sind spekulative Absichten hinsichtlich des Todes der Gefahrsperson nach Auffassung des Gesetzgebers nicht zu befürchten. Weitere spezielle Wirksamkeitsvoraussetzungen für einen Lebensversicherungsvertrag 14 enthält das VVG nicht. Soweit sich hinsichtlich der Wirksamkeit speziell einer Lebensversicherung weitere Fragen ergeben, sind sie in der Einführung vor §§ 150–171 Rn. 221 ff. erörtert.

III. Anwendungsbereich 1. Todesfallfremdversicherungen einschl. sonstiger Lebensversicherungen mit einem Todesfallrisiko Bei der Lebensversicherung mit fremder Gefahrsperson ist in aller Regel davon auszu- 15 gehen, dass bei Eintritt des Versicherungsfalles beim VN eine Vermögensbindung entsteht, die durch die Versicherungsleistung neutralisiert werden soll. Dazu kann es kom-

15 16 17

BGH VersR 1997 1213, 1214. BGH VersR 1999 397, 399. Vgl. schon oben Einführung vor §§ 150–171 Rn. 221 ff. Das findet z.B. bei Bruck/Möller/

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Baumann § 1 Rn. 77 f. keine Berücksichtigung. Vgl. oben Einführung vor §§ 150–171 Rn. 221 ff.

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men, wenn die Gefahrsperson als Darlehensnehmer Zahlungen an den VN als Darlehensgeber bzw. Bürgen zu leisten hat (Beispiel: Schuldnerversicherung), wenn der VN auf die Tätigkeit der Gefahrsperson angewiesen ist und ihm bei ihrem Tod geschäftliche Nachteile oder ein Kapitalabfluss drohen könnten (Beispiele: Geschäftspartner-, Teilhaber-, Sozieenversicherung). Ein Beispiel ist auch die Versicherung des einen Ehegatten auf das Leben des anderen Ehegatten oder die Versicherung der Eltern auf das Leben ihrer Kinder. Die Lebensversicherung auf eine fremde Gefahrsperson i.S.d. § 150 Abs. 2 kann dabei grundsätzlich in sämtlichen Erscheinungsformen einer Todesfallversicherung vorkommen, wobei es unerheblich ist, ob ein Bezugsberechtigter eingesetzt ist oder nicht. Das Einwilligungserfordernis gilt dabei nicht nur bei der reinen Todesfallversicherung, sondern bei jeder Lebensversicherung, bei der ein Todesfallrisiko mit enthalten ist und bei der die Todesfallleistung die Summe der entrichteten Beiträge übersteigt.19 So besteht das Einwilligungserfordernis unstrittig für die gemischte Lebensversicherung.20 Wenn die Aufsichtsbehörde auch für den Abschluss einer Leibrentenversicherung, bei der die Rückgewähr der Prämien für den Todesfall sowohl während der Aufschubzeit als auch – abzüglich bereits geleisteter Rentenzahlungen – nach der Aufschubzeit mitversichert ist, das Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 ausgelöst wissen will, so kann dem nicht gefolgt werden.21 Frei vom Einwilligungserfordernis ist zum einen die reine Erlebensversicherung (z.B. die Ausbildungsversicherung). Frei vom Einwilligungserfordernis ist zum anderen aber auch die Todesfallversicherung, wenn es sich nicht um eine Versicherung auf eigene Rechnung handelt, sondern um eine Fremdversicherung für fremde Rechnung wie sie seit 2008 auch für den Bereich der Lebensversicherung vor dem Hintergrund der §§ 43 ff. abgeschlossen werden kann. Sollte es sich dabei um eine Konstellation handeln, bei der es mit Blick auf den Normzweck des § 150 Abs. 2 zweifelhaft ist, ob es einer Einwilligung nicht bedarf, stellt sich die Frage einer analogen Abwendung der Vorschrift.22 2. Analoge Anwendung des § 150 Abs. 2 Satz 1

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Wegen des umfassenden Schutzzwecks der Vorschrift ist sie über ihren Wortlaut hinaus analog anzuwenden, wenn der Gefahrsperson angesichts der Ausgestaltung des Vertragsschlusses im Einzelfall in vergleichbarer Weise eine Gefährdung drohen kann. Bislang wurde eine analoge Anwendung der Bestimmung durch die Rechtsprechung allerdings nur in eng umgrenzten Einzelfällen bejaht: Einer der Fallgestaltungen lag die Sachverhaltskonstellation zugrunde, dass ein Speditionskaufmann seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten dadurch zu beheben versuchte, dass er seine Ehefrau ermordete und eine hohe Lebensversicherungssumme von seinen Kindern, den Erben seiner Frau, einziehen lassen wollte. Nach dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag war die Ehefrau VN und Gefahrsperson, ihr Ehemann war Bezugsberechtigter und hatte den Lebensversicherungsvertrag – wenn man diese Sachverhaltsalternative zugrunde legt – als Vertreter seiner Frau abgeschlossen.23 Eine Einwilligung der Ehefrau wurde beim Abschluss des Vertrages nicht für erforderlich gehalten, weil VN und Gefahrsperson identisch waren und ein Konfliktfall nicht als denkbar erschien. Der BGH dehnte das Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 Satz 1 auch auf diese Konstellation aus, und zwar mit der Begründung, der Zweck des Gesetzes, die Spekulation mit dem Leben anderer zu unterbinden, ver-

19

20

Ein Sonderfall ist die Gruppenlebensversicherung des Arbeitgebers auf das Leben des Arbeitnehmers. RG 18.1.1941 JRPV 1941 71 f.

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21 22 23

Vgl. unten § 150 Rn. 21 ff. Vgl. sogleich Rn. 16. BGH 8.2.1989 VersR 1989 465, 466.

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biete in gleicher Weise den Abschluss eines Versicherungsvertrages durch den Bezugsberechtigten als Vertreter des VN, dessen Leben versichert werden soll, wenn nicht dessen schriftliche Einwilligung vorliegt. Die Entscheidung fand zu Recht einhellige Zustimmung,24 zumal die Vorschrift des § 162 nur die Leistung an den Bezugsberechtigten verhindert und nicht die Auszahlung an die Erben, also insoweit eine Schutzlücke aufweist. In einem späteren Urteil entschied der BGH,25 angesichts der Schutzfunktion des § 150 Abs. 2 sei eine Todesfallversicherung auch dann nicht wirksam vereinbart worden, wenn VN und Gefahrsperson zwar identisch sind, jedoch aufgrund eines blanko unterschriebenen Antragsformulars das Ausfüllen des Antrags und selbst die Prämienzahlungen nicht durch den VN, sondern durch den Begünstigten erfolgen. Auch diese Entscheidung ist einhellig auf Zustimmung gestoßen.26 3. Entsprechende Anwendung des § 150 Abs. 2 Satz 1 bei Vertragsänderungen? Das Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 Satz 1 als Wirksamkeitsvoraussetzung 17 für die Todesfallversicherung bezieht sich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Ein einmal von der Gefahrsperson konsentierter Lebensversicherungsvertrag auf ihren Tod bleibt dem Grundsatze auch dann wirksam, wenn nachträglich wesentliche Veränderungen eintreten, die die Gefahrenlage für die Gefahrsperson maßgeblich ändern können und für deren Entscheidung durchaus von Bedeutung gewesen wären. Das gilt insbes. für die nachträgliche Änderung der Bezugsberechtigung und für die Abtretung des Anspruchs auf die Todesfallleistung. Anders als beim Abschluss des Lebensversicherungsvertrages ist bei der Abtretung des Anspruchs aus einer Todesfallfremdversicherung ebenso wie bei einer Änderung der Bezugsberechtigung die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson nicht erforderlich.27 Dabei ist nicht zu verkennen, dass dem Grundsatze nach eine Schutzbedürftigkeit der Gefahrsperson nicht nur bei dem Abschluss, sondern auch bei einer nachträglichen Veränderung, wie einer Abtretung oder Änderung der Bezugsberechtigung, in Betracht kommt. Gleichwohl bezieht sich die Vorschrift des § 150 Abs. 2 Satz 1 nach ihrer Gesamtkonzeption eindeutig allein auf den Abschluss des Lebensversicherungsvertrages. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift etwa auf den Fall der Abtretung kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht. § 150 Abs. 2 Satz 1 schützt nicht auch dagegen, dass nach Vertragsschluss ein Dritter ein Recht auf die Leistung im Todesfall erhält. Auch tatsächliche Veränderungen der Situation, wie eine erhebliche Verschlechterung 18 der finanziellen Verhältnisse des VN oder des Bezugsberechtigten, stellt die einmal erteilte Einwilligung des Dritten nicht in Frage. Nach Erteilung der Einwilligung, die nach Vertragsschluss unwiderruflich ist, gewährleistet auch insoweit allein § 162 VVG einen Schutz der Gefahrsperson vor aus dem Versicherungsvertrag für ihr Leben resultierenden Gefährdungen, mögen diese auch erst nach Vertragsschluss zutage getreten sein. Die Gefahrsperson kann und wird bei der Entscheidung über die Einwilligung zwar regelmäßig auch eine Prognose über die künftige Entwicklung anstellen. Erweist sie sich aufgrund späterer Veränderungen jedoch als falsch, so ändert das an der Rechtswirksamkeit der einmal erteilten Einwilligung nichts. Auch eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB wegen Eigenschaftsirrtums kommt im Falle nachträglicher Veränderungen der für die

24 25

Müller NVersZ 2000 454, 457 m.w.N.; Schwintowski BK § 159 Rn. 12. BGH 9.12.1998 VersR 1999 347, 349 mit zustimmender Anm. Bardt VersR 1999 350.

26 27

Hülsmann NVersZ 1999 550 ff.; Müller NVersZ 2000 454, 457. RG 14.6.1932 RGZ 136 395, 397 ff.; OLG Königsberg 27.8.1937 JRPV 1937 361.

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Gefahreinschätzung maßgeblichen Umstände nicht in Betracht. Denn Eigenschaft sind nur gegenwärtige oder vergangene Umstände. Im Zeitpunkt der Einwilligungserklärung bei Vertragsschluss noch zukünftige Umstände fallen nicht unter § 119 Abs. 2 BGB. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Verfügungen über Lebensversicherungs19 verträge nach dem Vertragsabschluss sowie bei tatsächlichen Veränderungen der Situation, bei denen sich das Risiko, das die Gefahrsperson läuft, wesentlich erhöht, im Sinne einer erneuten Einwilligung der Gefahrsperson ist grundsätzlich nicht zulässig.28 Auch die Zustimmungserklärung der Gefahrsperson für den Fall des Verkaufs und der Weiterführung von Lebensversicherungspolicen im Zweitmarkt ist nicht erforderlich.29 Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollte bereits bei Vertragsschluss die Zustimmungs20 erklärung auch unter Einbezug künftiger vertraglicher oder tatsächlicher Änderungen formuliert oder vereinbart werden, dass die Einwilligung in diesen Fällen zu erneuern ist. 4. Restriktive Auslegung des § 150 Abs. 2 Satz 1 in Fällen einer bloßen Beitragsrückerstattung

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Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage nicht befasst, ob in Hinblick auf den Schutzzweck § 150 Abs. 2 Satz 1 restriktiv in der Weise auszulegen ist, dass nur eine die entrichteten Beiträge übersteigende Versicherungsleistung das Einwilligungserfordernis auslöst.30 Auf den ersten Blick scheint eine Restriktion des Tatbestandes des § 150 Abs. 2 Satz 1 den Entscheidungen zur analogen Anwendung der Vorschrift zu widersprechen.31 Die ausdehnende Anwendung des Einwilligungserfordernisses ist in seiner Begründung aber begrenzt auf den Bereich des Spiels oder der Spekulation mit dem Leben Dritter. Eine solche Rechtsprechung würde einem restriktiven Verständnis des § 150 Abs. 2 Satz 1 dort nicht entgegenstehen, wo es nach der Vertragsgestaltung an einer Gewinnmöglichkeit des VN im Falle des Todes des Dritten fehlt. Denn geht man mit der Rechtsprechung davon aus, dass der Normzweck der Vorschrift auf die umfassende Unterbindung von Spekulationen mit dem Leben Dritter gerichtet, aber auch beschränkt ist, so unterfallen Vertragsgestaltungen nicht dem Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses, wenn sie dem VN bei Abschluss des Vertrages keinen Spekulationsgewinn für den Fall des Todes des Dritten versprechen. Die Beispiele der Rückvergütung und der Beitragsrückgewähr enthalten keinen Gewinnanreiz für den Todesfall der versicherten Person. Der VN erhält im Fall des Todes der Gefahrsperson während der Aufschubzeit maximal die eingezahlten Beiträge zurück, erzielt also keinesfalls einen Gewinn. Verglichen mit der Alternative einer herkömmlichen verzinslichen Kapitalanlage erleidet der Vertragspartner bei einer solchen Vertragsform sogar zwingend einen Verlust, da er maximal die eingezahlten Beiträge unverzinst zurückerhält, also einen Zinsverlust erleidet. Dass der Tod der versicherten Person dem VN – etwa verglichen mit einer Kündigung in den ersten Versiche28

29

Hülsmann NVersZ 1999 550, 552; a.A. Müller NVersZ 2000 454, 458; der Fall der Auswechslung der Gefahrsperson, der Gegenstand des Urteils des OLG Hamm 25.9.2002 VersR 2003 446, 450 war, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Honsel FS Gerrit Winter 505, 511 empfiehlt gleichwohl aus Vorsichtsgründen eine entsprechende Einwilligungserklärung der Gefahrsperson.

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31

Insbes. hat BGH 10.1.1996 VersR 1996 357 keine Stellung zum Einwilligungserfordernis bei einer Todesfallleistung in Gestalt der Beitragsrückgewähr genommen. Das OLG Hamburg ist in einem Urteil vom 9.9.1998 (Az. 5 U 44/97 UA, S. 9) ohne nähere Begründung jedoch offensichtlich davon ausgegangen, auch eine Beitragsrückgewähr stelle eine das Einwilligungserfordernis auslösende Versicherungsleistung im Todesfalle dar. Vgl. § 150 Rn. 16.

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rungsjahren – Vorteile bringt, unterfällt nicht dem Normzweck des § 150 Abs. 2 Satz 1. Anderenfalls wären auch alle Formen der reinen Erlebensfallversicherung wegen der mit dem Tode der Gefahrsperson entfallenden Beitragspflicht von der Einwilligung der Gefahrsperson abhängig, was aber nach § 150 Abs. 2 Satz 1 gerade nicht der Fall ist. Der Normzweck des Einwilligungserfordernisses erstreckt sich nicht darauf, jegliche finanziellen Vorteile, die ein Versicherungsvertrag – in Gestalt einer Rentenversicherung – während seiner gesamten Laufzeit im Falle des Todes des Dritten einem der Vertragspartner bietet, von der Einwilligung des Dritten abhängig zu machen. Eine Rentenversicherung beinhaltet i.S.d. § 150 Abs. 2 Satz 1 keine Spekulation und kein Spiel mit dem Leben Dritter; im Falle des Todes des Dritten kommt es lediglich zu einer Rückabwicklung des Vertrages, der Rückkaufswert bzw. die gezahlten Beiträge werden zurückerstattet. In solchen Leistungen liegt keine Gewinnmöglichkeit des Vertragspartners für den Fall des Todes der Gefahrsperson. Diesem Ergebnis entspricht, dass der Tatbestand des § 150 Abs. 2 Satz 1 gänzlich auf 22 den Zeitpunkt des Vertragsschlusses als dem für das Einwilligungserfordernis maßgeblichen Zeitpunkt ausgerichtet ist. Unter der von § 150 Abs. 2 Satz 1 verlangten Einwilligung ist die vorherige Zustimmung i.S.d. § 183 BGB zu verstehen.32 Wollte man mit der Gegenauffassung eine spätere Genehmigung ausreichen lassen,33 bliebe auch diese letztlich punktuelle Zustimmung, nach § 184 BGB regelmäßig mit Rückwirkung auf den Vertragsschluss. Keineswegs verlangt § 150 Abs. 2 Satz 1 das kontinuierliche Vorhandensein der Zustimmung des Dritten während der gesamten Vertragslaufzeit. Wenn § 150 Abs. 2 Satz 1 auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgerichtet ist,34 ist das auch bei der Auslegung des Leistungsbegriffs i.S.d. § 150 Abs. 2 Satz 1 zu berücksichtigen. Eine dem Einwilligungserfordernis unterfallende Todesfallleistung liegt dann nicht vor, wenn der VN oder der Bezugsberechtigte im Todesfall lediglich eine Summe erhält, die die geleisteten Beiträge nicht übersteigt. Diese Ausrichtung des § 150 Abs. 2 Satz 1 auf den Vertragsschluss wird verkannt, 23 wenn die Auffassung vertreten wird,35 das Einwilligungserfordernis gelte ferner für die Leibrentenversicherung, wenn für den Fall des Todes vor oder alsbald nach Rentenbeginn eine Kapitalzahlung (Prämienrückgewähr) vereinbart sei, denn der VN könne auch hier ein Interesse an dem baldigen Eintritt des Todes haben, wenn er nämlich entweder die Beitragspflicht nachträglich als drückend empfinde oder wenn mit einem Leibrentenbezug von rentabler Dauer aus medizinischen Gründen bei der Gefahrsperson ohnehin nicht mehr zu rechnen sei; die Möglichkeit eines Rückkaufs oder die Möglichkeit, Kapitalzahlungen statt Rente zu wählen, mindere das mögliche Interesse des VN an dem Todesfall, schließe es aber nicht gänzlich aus. Auch bei reinen Erlebensfallversicherungen kann der VN die Beitragspflicht nachträg- 24 lich als drückend empfinden, ohne dass dies zur Anwendung des § 150 Abs. 2 Satz 1 VVG führen würde. Das finanzielle Interesse des VN am Tode der Gefahrsperson begründet als solches noch nicht das Einwilligungserfordernis, ebenso wenig wie Rechtsgeschäfte etwa allgemein von der Zustimmung eines Dritten abhängig sind, wenn sie einem Vertragspartner für den Fall des Todes diese Dritten einen finanziellen Vorteil gewähren. § 150 Abs. 2 Satz 1 dient nur der Unterbindung jeglicher Form der Spekulation mit dem Leben Dritter, also der Gewinnerzielung im Falle des Todes eines am Vertrag beteiligten Dritten. 32 33 34

BGH 9.12.1998 VersR 1999 347, 348. Römer/Langheid/Römer § 150 Rn. 4 f. Auch oben Rn. 17 ff.

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Prölss/Martin/Kollhosser 27 § 159 VVG a.F. Rn. 3.

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5. Kapitalisierungsgeschäfte? Die Vorschrift des § 150 Abs. 2 Satz 1 ist auf Kapitalisierungsgeschäfte36 nicht anzuwenden. Da ein Kapitalisierungsgeschäft kein einer Todesfallversicherung vergleichbares biometrisches Risiko aufweist, findet die Bestimmung keine direkte Anwendung. Aber auch eine Analogie scheidet aus, auf Nichtversicherungsverträge hat die Rechtsprechung § 150 Abs. 2 Satz 1 zu Recht nicht ausgedehnt. Die Zwecksetzung der Vorschrift – Unterbindung jeder Spekulation mit dem Leben Dritter – ist mit dem Begriff des Risikos eng verbunden. Unter einer Spekulation ist im hier interessierenden Zusammenhang mit finanziellen Angelegenheiten ein riskantes Geschäft zu verstehen, bei dem der Spekulant darauf hofft, mit geringem Kapitaleinsatz einen erheblichen Gewinn erzielen zu können, wofür er – bei korrektem Ablauf – typischerweise auch ein entsprechendes Verlustrisiko zu tragen bereit ist oder aber – und hierin liegt der innere Grund des § 150 Abs. 2 Satz 1 – auch geneigt sein kann, dem Zufall nachzuhelfen. Die Spekulation setzt daher begriffsnotwendig ein Risiko und eine Gewinnmöglichkeit voraus. Bei der durch § 150 Abs. 2 Satz 1 zu unterbindenden Spekulation mit dem Leben anderer betrifft das Risiko das Leben des anderen. Die mit der Spekulation mit dem Leben anderer für den Spekulantenbegriff notwendig verbundene Gewinnmöglichkeit setzt ebenso notwendig einen Risikotransfer voraus. Besteht im Falle des Todes des Dritten keine Gewinnmöglichkeit für den Spekulanten, so liegt auch keine Spekulation vor, spiegelbildlich dazu fehlt es dann auch an einer Risikoübernahme durch einen VR. Es ist auch nicht angängig, die Zwecksetzung des § 150 Abs. 2 Satz 1 über den 26 Gedanken der Spekulationsunterbindung hinaus auszudehnen. Verträge mit einem LebensVR, die mangels Transfers eines ausreichenden biometrischen Risikos nicht als Lebensversicherungsverträge einzuordnen sind,37 können dem Vertragspartner des VR Vorteile wie eine Beitragsrückerstattung für den Fall des Todes der Gefahrsperson bringen, wenn er in finanzielle Schwierigkeiten gerät; hier wäre der Tod der Gefahrsperson zwar günstiger als die sonstigen vertraglichen Alternativen. Derartige letztlich durch Vertragstreue motivierte Gefahren für den Dritten unterfallen aber weder dem Schutzzweck des § 150 Abs. 2 Satz 1 noch existiert auf anderer Rechtsgrundlage ein generelles Prinzip, dass Rechtsgeschäfte, die finanzielle Vorteile an den Tod eines am Rechtsgeschäft nicht beteiligten Dritten knüpfen, dessen Zustimmung bedürfen. Dass nicht einmal dieser finanzielle Vorteil, den ein Lebensversicherungsvertrag an 27 den Tod eines am Vertragsschluss unbeteiligten Dritten knüpft, dem Schutzzweck des § 150 Abs. 2 Satz 1 unterfällt, zeigt sich darüber hinaus an zwei im Tatbestand der Vorschrift angelegten Einschränkungen: Zum einen wird das Einwilligungserfordernis daran geknüpft, dass der Vertrag Leistungen für den Todesfall des Dritten vorsieht. Finanzielle Vorteile kann der Tod des Dritten dem VN im Rahmen eines Lebensversicherungsvertrages aber auch dann bringen, wenn es sich um eine reine Erlebensfallversicherung handelt, etwa eine Rentenversicherung ohne Todesfallleistung, ohne dass der VR im Todesfalle zu irgendeiner Zahlung verpflichtet wäre. Denn mit dem Tode der Gefahrsperson erlischt auch bei der reinen Erlebensfallversicherung das Versicherungsverhältnis und damit die Beitragspflicht des VN. Namentlich wenn der Vertrag eine hohe Einmalprämie oder hohe laufende Prämienzahlungen vorsieht, kann der Tod des Dritten dem VN hier erhebliche finanzielle Vorteile in Gestalt ersparter Beiträge bringen, verglichen mit dem Abwarten der nächsten Kündigungsmöglichkeit. Dass § 150 Abs. 2 Satz 1 das Einwilligungserfor-

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36

Tatbestand: Einführung vor §§ 150–171 Rn. 250 ff.; Beispiele: Winter VersR 2004 8, 9.

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Beispiele: Winter VersR 2004 8, 9.

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dernis gleichwohl an die Vereinbarung von Todesfallvereinbarungen knüpft, zeigt, dass der Zweck der Norm sich darauf beschränkt, Spekulationen mit dem Leben Dritter zu unterbinden, also Lebensversicherungsgeschäfte von der Zustimmung des Dritten abhängig zu machen, die dem Vertragspartner (aus der Sicht bei Vertragsschluss) für den Fall des Todes des Dritten einen Gewinn versprechen. Dass dieser Gewinn nach der ratio des § 150 Abs. 2 Satz 2 zudem noch einen gewissen Umfang erreichen muss, ergibt sich aus der zweiten Einschränkung des Tatbestandes des Einwilligungserfordernisses, dass nämlich die Sterbegeldversicherung nicht der Zustimmung der Gefahrsperson bedarf. Nach § 150 Abs. 2 Satz 1 ist die Einwilligung der Gefahrsperson nicht erforderlich, wenn die vereinbarte Versicherungssumme den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten nicht übersteigt. Der das Einwilligungserfordernis tragende Schutzgedanke gebietet nicht, auch bei derartigen niedrigen Versicherungssummen eine Einwilligung der Gefahrsperson zu fordern, weil insoweit Spekulationen mit dem Leben des Dritten nicht zu befürchten sind. Diese Einschränkung des Einwilligungserfordernisses macht deutlich, dass der von dem Vertragsschluss ausgehende Gewinnanreiz sogar eine Erheblichkeit haben muss, um das Einwilligungserfordernis auszulösen. Das bestätigt, dass der Zweck des § 150 Abs. 2 Satz 1 allein darauf gerichtet ist, jedes Spiel oder jede Spekulation mit dem Leben Dritter zu unterbinden, bei dem der Vertragspartner oder ein anderer Beteiligter ohne Einwilligung des Dritten einen Gewinn aus dem Tod des Dritten ziehen könnte. Das keineswegs alle Rechtsgeschäfte einwilligungsabhängig sind, die finanzielle Vor- 28 teile für einen Beteiligten an den Tod eines unbeteiligten Dritten knüpfen, zeigt sich besonderes deutlich im Bereich der letztwilligen Verfügungen. Durch letztwillige Verfügungen kann der Erblasser Vermögenswerte in beliebiger Höhe einem Dritten vermachen, ohne dass dieser der letztwilligen Verfügung zustimmen oder auch nur von ihr Kenntnis haben müsste. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, nach dem Rechtsgeschäfte von der Einwilligung eines Dritten abhängig sind, wenn sie dazu führen, dass ein Beteiligter an dem Tode des Dritten ein finanzielles Interesse gewinnen kann. Nach allem ist § 150 Abs. 2 Satz 1 auf Kapitalisierungsgeschäfte auch nicht analog anwendbar.

B. Schriftliche Einwilligung der fremden Gefahrsperson I. Grundsatz, Begriff und Bestimmung der Gefahrsperson 1. Grundsätzliches § 150 Abs. 1 bestätigt den auch in der Lebensversicherung geltenden Grundsatz der 29 Vertragsfreiheit38 und stellt klar, dass der VN eine Lebensversicherung dem Grundsatze nach in gleicher Weise auf seine eigene Person wie auf die Person eines anderen abschließen kann. Das gilt für sämtliche Formen der Kapital- wie der Rentenversicherung, der Todesfall- oder Erlebensfallversicherung. Die Absätze 2 bis 4 enthalten allein für die Todesfallversicherung auf das Leben eines anderen Schutzvorschriften; nur für eng eingegrenzte Konstellationen wird der Schutz nicht für erforderlich gehalten (geringfügige Versicherungssummen, Kollektivversicherung im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge, Versicherung im Rahmen des Eltern/Kind-Verhältnisses).

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Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 213 ff.

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2. Begriff der Gefahrsperson

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Derjenige, auf dessen Leben die Versicherung läuft, wird nach dem Sprachgebrauch der Versicherungspraxis als der Versicherte bezeichnet. Im juristischen Sprachgebrauch – bislang allerdings weder im Gesetz noch grundsätzlich auch in den Allgemeinen Lebensversicherungsbedingungen zum Ausdruck gelangt – setzt sich die Bezeichnung Gefahrsperson für denjenigen, auf dessen Leben die Versicherung läuft, zunehmend durch. Angesichts der dabei auch im juristischen Schrifttum und in gerichtlichen Entscheidungen differierenden Verwendung der Bezeichnung Gefahrsperson,39 sei klargestellt, dass unter Gefahrsperson in der Lebensversicherung diejenige Person verstanden wird, auf deren Leben die Versicherung läuft, die also der Risikoträger der Versicherung ist. Dabei wird nicht unterschieden nach Summen- und Schadensversicherung oder nach Erlebensfalloder Todesfallversicherung. Der Begriff der Gefahrsperson ist von Bedeutung für jene Versicherungen, bei denen die Gefahrsperson mit dem VN nicht identisch ist. Ist die Gefahrsperson mit dem VN identisch, so unterliegt sie grundsätzlich keiner gesonderten Betrachtung und wird damit auch als solche nicht genannt und bezeichnet. Der Begriff der Gefahrsperson in seiner Beschränkung auf den Risikoträger des Versicherungsvertrages ist damit eindeutiger als der Begriff des Versicherten, da als Versicherter im Sprachgebrauch der Versicherungspraxis sowohl die Gefahrsperson als auch der Bezugsberechtigte bezeichnet zu werden pflegt. 3. Bestimmung der Gefahrsperson

31

Die Gefahrsperson, auf die die Lebensversicherung läuft, ist eine natürliche Person, sie muss im Versicherungsvertrag grundsätzlich so bezeichnet sein, dass sich ihre Identität aus dem Antragstext ergibt. Wenn sie – wie es der Regelfall ist – namentlich bezeichnet wird, so lassen die in dem Antragsformular enthaltenen Fragen des VR nach Geburtsdatum, Beruf und Gesundheitszustand der Gefahrsperson ohnehin keinen Zweifel an ihrer Identität. Es ist allerdings andererseits ausreichend, dass sich die Bestimmung der Gefahrsperson aus Umständen ergibt, die im Vertrag genannt sind und eine hinreichend sichere Bestimmbarkeit gewährleisten. Den VR trifft keine Nachprüfungspflicht des Inhalts, dass die Gefahrsperson überhaupt existent ist – sollte das nicht der Fall sein, wäre der Vertrag gegenstandslos.40

II. Schriftliche Einwilligung der fremden Gefahrsperson 1. Einwilligung durch die Gefahrsperson

32

Unter Einwilligung im Sinne von § 150 Abs. 2 Satz 1 ist die vor dem Vertragsschluss erteilte Zustimmung i.S.v. § 183 BGB zu verstehen.41 Mit der Einwilligung wird der Rechtswidrigkeitsgehalt wie er mit der Todesfallfremdversicherung verbunden sein kann, aufgehoben und die Gefährdung der Gefahrsperson deutlich reduziert. Die Einwilligung des § 150 Abs. 1 S. 1 ist in ihrer Funktion mit der Einwilligung zu vergleichen, die sich

39 40 41

Hierzu im Einzelnen Fuchs 29–47. BGH 7.5.1997 VersR 1997 1213, 1214 für den Fall einer Rückdeckungsversicherung. Zur rechtlichen Natur der Einwilligung: Fuchs 78–79; Müller NVersZ 2000 454, 457;

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BGH 9.12.1998 VersR 1999 347, 348, 349; OLG Hamm 25.9.2002 VersR 2003 446, 448; [für die – vergleichbare – Einwilligung i.S.v. § 179 Abs. 2 S. 1:] OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 680 f. m.w.N.

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als Rechtfertigungstatbestand für eine Einwirkung auf die körperliche Unversehrtheit einer Person erweist. Damit aber sind für die Einwilligung des § 150 Abs. 2 Satz 1 vergleichbare Anforderungen zu stellen, wie sie für die Einwilligung als Rechtfertigungstatbestand gelten.42 Eine Einwilligung in die Gefährdung der Gefahrsperson ist daher nur als ausreichend anzusehen, wenn der gesamte Versicherungsvertrag dem Einwilligenden bei der Einverständniserklärung bekannt ist: Nicht nur die Höhe der Versicherungssumme, sämtliche wesentlichen Eckpunkte des Lebensversicherungsvertrages, die für das Risiko der Gefahrsperson von Bedeutung sein können, müssen bei der Einwilligung auch der Person des Einwilligenden konkret bekannt sein, wie die u.U. lange Dauer des Versicherungsvertrages, die Identität des VN und VR, die Person des Bezugsberechtigten und die Ausgestaltung des Bezugsrechts. Insbesondere kann die endgültige Festsetzung der Versicherungssumme bei der Einwilligung nicht etwa in das Ermessen des VN gestellt sein, eine Blankoeinwilligung ist für den Vertrag unerheblich und rechtlich nicht existent.43 Es genügt in aller Regel auch nicht, dass der Gefahrsperson nur einige der gefahrrelevanten Eckdaten des Vertrages bekannt sind, mit der Einwilligungserklärung i.S.d. § 150 Abs. 2 Satz 1 muss die Gefahrsperson ihre mögliche Gefährdung, nachdem sie von ihr konkret Kenntnis erhalten hat, akzeptieren. Die Gefahrsperson darf sich für die Einwilligung nicht voreilig entscheiden, sondern erst, wenn sie sich ihrer möglichen Gefährdung im Einzelnen bewusst geworden ist. Angesichts der Warnfunktion des Einwilligungserfordernisses muss die Erklärung der 33 Gefahrsperson nach § 150 Abs. 2 Satz 1 schriftlich erteilt werden. Nach § 126 Abs. 1 BGB ist der – nicht notwendigerweise von der Gefahrsperson selbst geschriebene – Text der Einwilligung von der Gefahrsperson eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens zu unterzeichnen; eine Einwilligung auf telegraphischem Wege oder die Übermittlung einer Fernkopie durch Fax ist nicht ausreichend. Aus § 126 Abs. 3 BGB ergibt sich, dass auch eine elektronische Signatur i.S.d. § 126a BGB nicht genügt. Die Schriftform macht die Verkörperung des Texts erforderlich.44 Die Ersetzung der schriftlichen Form durch die notarielle Beurkundung nach § 126 Abs. 4 BGB hat in der Lebensversicherungspraxis so gut wie keine Bedeutung. Die Einwilligungserklärung der Gefahrsperson kann gegenüber dem VR oder gegen- 34 über dem VN abgegeben werden, § 182 Abs. 1 BGB.45 In aller Regel wird die Einwilligung von der Gefahrsperson in der Weise erteilt, dass sie – wie es auf den Antragsformularen grundsätzlich vorgesehen ist – den Versicherungsantrag des VN mit unterschreibt. Die Einwilligung braucht aber nicht auf dem Antrags- oder Vertragstext zu stehen (arg. § 126 Abs. 2 BGB), es genügt eine von diesem Text äußerlich getrennte Erklärung, die sich allerdings eindeutig auf das versicherte Risiko beziehen muss. Auch in der schriftlichen Erklärung muss zum Ausdruck gelangen, dass die Einwilligung in Kenntnis der Vertragsparteien, der Höhe der Versicherungssumme, der Vertragsdauer usw. erfolgt ist; das gilt insbes., falls die Einwilligung erklärt wird, bevor das Antragsformular ausgefüllt worden ist. Sonst wäre der Warnfunktion nicht genüge getan. Ist die Gefahrsperson gleichzeitig einer von mehreren VN, so ist ihre Einwilligung dabei gleichwohl erforderlich. Ist das Antragsformular noch nicht voll ausgefüllt, so kann die Gefahrsperson eine 35 Ermächtigung zur nachträglichen Ergänzung der Angaben erteilen; eine solche Ermächti-

42 43

Müller NVersZ 2000 454, 455. BGH 9.12.1998 VersR 1999 347, 349; OLG Hamm 25.9.2002 VersR 2003 446, 448; Müller NVersZ 2000 454, 456.

44 45

Römer/Langheid/Römer § 15 Rn. 15. Vgl. auch OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 681.

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gung bedarf allerdings gleichfalls der Schriftform und einer konkreten Benennung der Punkte, auf die sich die Ermächtigung bezieht. Wird der Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages nach Erteilung der Einwilligung später geändert, ohne dass die Änderung durch eine entsprechende Ermächtigung abgedeckt ist, ist die Einwilligung so nicht mehr ausreichend. Kommt es zu einer modifizierten Annahme des Antrags durch den VR, fehlt es gleichfalls an der Einwilligung. Angesichts des Einwilligungserfordernisses kann die Gefahrsperson auf die Gestaltung 36 des Versicherungsvertrages Einfluss nehmen, indem sie die Einwilligung verweigert, wenn die Höhe der Versicherungssumme, die beantragte Versicherungsdauer oder die beabsichtigte Einsetzung eines Bezugsberechtigten ihr nicht zusagen. Eine solche Einflussnahme ist auch möglich, wenn die Einwilligung auf einem besonderen Schriftstück erklärt wird. Dabei kann die Gefahrsperson die Bedingungen, unter denen sie dem Versicherungsvertrag zustimmen will, aufzählen. Stimmt der Versicherungsantrag sodann mit der Einwilligung nicht überein, so fehlt die erforderliche Zustimmung, und der Vertrag kann nicht wirksam abgeschlossen werden. Die Gefahrsperson kann ihre Einwilligung dabei nur unter aufschiebender, nicht aber unter auflösender Bedingung erteilen, da sie mit einer auflösenden Bedingung den Rechtskreis dritter Personen tangieren und die Verkehrseignung der Lebensversicherung mit Unsicherheiten belasten würde. Die Zustimmung unter unzulässigen Bedingungen ist als Verweigerung der Einwilligung anzusehen.46 Ein Widerruf der Einwilligung ist bis zum Abschluss des Versicherungsvertrages, also 37 bis zum formellen Beginn der Lebensversicherung möglich. Ein Widerruf der Einwilligung, der nach Vertragsabschluss erklärt wird, hat keinen Einfluss auf die Gültigkeit des Versicherungsvertrages. Der Widerruf muss gegenüber dem Empfänger der Einwilligungserklärung abgegeben werden.47 Daneben besteht die Möglichkeit einer Anfechtung wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung.48

46 47 48

Vgl. im Einzelnen Fuchs 113–114. Fuchs 79. Aus der Rechtsprechung zur Einwilligung der Gefahrsperson in der Lebensversicherung vgl. RG 13.4.1889 Bolze 7 234 Nr. 617; RG 14.6.1932 RGZ 136 395, 397 ff. (Einwilligung bei Abtretung); RG 9.3.1937 RGZ 154 155, 157 ff. (Einwilligung bei Abtretung und Verpfändung); OLG Königsberg 6.5.1919 SeuffA 75 (1920) Nr. 75 S. 127–129 (Einwilligung und Generalvollmacht); KG 10.4.1935 JRPV 1935 349 f.; OLG Düsseldorf 7.12.1936 JRPV 1937 124 f. (Gruppenlebensversicherung); OLG Königsberg 27.8.1937 JRPV 1937 361 (Einwilligung und Abtretung); OLG Dresden 27.1.1939 JRPV 1939 60 f. (Analogie); OLG Hamm 17.11.1939 JRPV 1940 166, 167; OLG Frankfurt 1.2.1955 VersPrax 1955 63 (Rechtsfolge fehlender Einwilligung); OLG Hamburg 24.5.1955 VersR 1957 106 f. (Einwilligung und Vertretung); LG Hamburg 4.6.1937 JRPV 1937 240; LG Köln 23.11.1956 VersR 1957 242 (Einwilligung und Generalvoll-

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macht); OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 680, 681 f. (Unfallfremdversicherung auf eigene Rechnung); OLG Hamm 12.7.1985 VersR 1985 82, 83 (gemischte Lebensversicherung); BGH 8.2.1989 VersR 1989 465, 466 (analoge Anwendung: Bezugsberechtigter/VN); OLG Köln 4.6.1992 VersR 1992 1337, 1338 (Versicherung auf verbundene Leben); OLG Celle 4.11.1993 VersR 1995 405, 406 (Zweck der Einwilligung); BGH 5.10.1994 VersR 1995 405/406 (Zweck der Einwilligung); BGH 10.1.1996 VersR 1996 357, 358 (Rentenversicherung mit Beitragsrückgewähr); BGH 7.5.1996 VersR 1997 1213, 1214 (Rückdeckungsversicherung); BGH 9.12.1998 VersR 1989 347 ff. (analoge Anwendung: Blankounterschrift); OLG Frankfurt 31.7.1996 VersR 1997 478 (Einwilligung und konkrete Gefahr); OLG Hamm 25.9.2002 VersR 2003 446 f. (Einwilligung bei Vertragsänderung); Obergericht Brunn 18.1I.1941 JRPV 1941 71, 72; ÖOGH 13.12.1984 VersR 1986 928 (Einwilligung bei gemischter Lebensversicherung).

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2. Rechtsnatur und Zeitpunkt der Einwilligung Ihrer Rechtsnatur nach ist die Einwilligung eine einseitige empfangsbedürftige 38 Willenserklärung i.S.d. § 130 BGB, die ihre rechtlichen Wirkungen allein in Zusammenhang mit dem Lebensversicherungsvertrag entfaltet. Für sich allein gesehen ist die Einwilligung ohne Belang. Die Einwilligungserklärung der Gefahrsperson ist ein abstraktes Rechtsgeschäft, sie bedarf keines Rechtsgrundes und ist von einem etwa doch zugrunde liegenden Vertrag – in dem sich die Gefahrsperson beispielsweise zur Einwilligung verpflichtet – nicht abhängig, sie teilt auch nicht das rechtliche Schicksal der Verpflichtung. Die Einwilligung kann nach § 182 Abs. 1 BGB entweder gegenüber dem einen (dem 39 VN) oder dem anderen Vertragspartner (dem VR) erklärt werden. Ist die Einwilligung einer anderen Person gegenüber erklärt worden, die sie an den VN oder den VR weiterleitet, so ist das Einwilligungserfordernis nur gewahrt, wenn die Gefahrsperson von der Weiterleitung ihrer Erklärung ausgehen musste und auch ihr vermutlicher Wille dem nicht entgegensteht. Die Einwilligung ist vor dem Vertragsschluss zu erteilen (§ 183 BGB), da die Möglich- 40 keit der Genehmigung einen nur unzureichenden Schutz der Gefahrsperson zur Folge hätte: Der aus einer Fremdlebensversicherung Berechtigte könnte in einem solchen Fall auf den Tod der Gefahrsperson hinwirken und ihren Erben zur Genehmigung veranlassen. Möglich ist jedoch die Neuvornahme des Abschlusses des Lebensversicherungsvertrages einschl. sodann erneut erklärter Einwilligung zu einem späteren Zeitpunkt, die wie eine Bestätigung i.S.d. § 141 BGB wirkt. Eine solche Bestätigung des nichtigen Lebensversicherungsvertrages kann nicht allein im Ausstellen des Versicherungsscheins oder in der Zahlung der Prämie gesehen werden, da eine Bestätigung zumindest Zweifel der Beteiligten an der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts voraussetzt.49 3. Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters der Gefahrsperson Wenn die Gefahrsperson geschäftsunfähig i.S.d. § 104 BGB ist, so kann sie die Ein- 41 willigungserklärung nicht rechtswirksam abgeben. An ihre Stelle tritt der gesetzliche Vertreter, bei Kindern bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres also die Eltern, bei wegen Geisteskrankheit Entmündigten der Vormund, §§ 1626,1793 BGB, oder in den Fällen des § 1896 BGB der Betreuer. Sind die Eltern oder der Vormund/Betreuer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen verhindert, so tritt an ihre Stelle ein vom Familien- bzw. Betreuungsgericht zu bestellender Pfleger. Wenn die Gefahrsperson i.S.d. §§ 106, 114 BGB beschränkt geschäftsfähig ist, so 42 kann der gesetzliche Vertreter, sofern er nicht VN ist,50 an ihrer Stelle die Einwilligung erklären. Wirkt der beschränkt Geschäftsfähige bei der Einwilligung mit, indem er die Einwilligung selbst erklärt, so muss der gesetzliche Vertreter dieser Erklärung zustimmen. Nach der allgemeinen Regelung der §§ 107 ff. BGB wäre eine Einwilligung allerdings nur erforderlich, wenn es sich um ein rechtlich nachteiliges Geschäft handeln würde. Neutrale Rechtsgeschäfte, die keine vermögensrechtlichen Belange des Minderjährigen berühren, wären dabei genauso zu behandeln wie Rechtsgeschäfte, die dem Minderjährigen ausschließlich einen rechtlichen Vorteil bringen, denn insoweit würde es keines Schutzes des Minderjährigen bedürfen. Da der Gefahrsperson – die als solche weder Prämienschuldner ist noch im rechtlichen Sinne belastet wird – in der Lebensversicherung 49

BGH 9.12.1998 VersR 1999 347, 349; Hülsmann NVersZ 1999 550, 552.

50

Dazu sogleich Rn. 45.

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aus dem Versicherungsvertrage keine rechtlichen Nachteile erwachsen, würde es bei der Einwilligung des Minderjährigen nach der Regel des § 107 BGB grundsätzlich keiner Zustimmung der Eltern bedürfen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Ausnahmefall des § 107 BGB – soweit also eine Einwilligung nicht erforderlich wäre – ist hier nicht gegeben. Denn die Versicherung auf den Todesfall – die Gegenstand der Regelung des § 150 ist – bezweckt nicht den Nutzen des versicherten Minderjährigen, weil erst der Tod den Versicherungsfall bildet. Es kann daher dem Minderjährigen nicht allein überlassen bleiben, einer Versicherung, die möglichen Spekulationen auf seinen Tod Vorschub leisten könnte, seine Zustimmung zu geben. So geht auch § 150 Abs. 2 Satz 2 davon aus, dass die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bei einer Versicherung auf den Todesfall auch bei beschränkt geschäftsfähigen Gefahrspersonen erforderlich ist.51 Die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung und die Vertretung der Gefahrsperson bei der Erteilung dieser Einwilligung sind ganz maßgeblich von dem Schutzgedanken des Einwilligungserfordernisses geprägt und weichen von der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre ab. Abweichend von der allgemeinen Regelung der gesetzlichen Vertretung lässt sich § 150 Abs. 3 entnehmen, dass die Einwilligung eines Elternteils auch für die Fälle des § 150 Abs. 2 ausreicht. Denn nach § 150 Abs. 3 genügt es für die dort umschriebene Ausnahme vom Einwilligungserfordernis im Bereich der Kinderversicherung, dass die Versicherung von einem Elternteil des minderjährigen Kindes genommen wird. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 150 Abs. 3 ist eine Einwilligung des minderjährigen Kindes (vertreten durch den Ergänzungspfleger, § 1909 BGB) bereits dann entbehrlich, wenn nur ein Elternteil die Versicherung genommen hat. Ob der Abschluss dieses Vertrages familienrechtlich gesehen der gemeinsamen elterlichen Sorge beider Elternteile unterliegt, kann dahinstehen. Für das hier allein interessierende Einwilligungserfordernis genügt der Abschluss des Vertrages durch nur einen Elternteil. Der von nur einem Elternteil abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag auf den Tod des minderjährigen Kindes ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 150 Abs. 3 wirksam, wenn diesem Elternteil das Personensorgerecht zusteht. Der Vertragsschluss durch einen Elternteil genügt nach dem Gesetz, um den Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses sicherzustellen. Nach § 111 BGB ist die Einwilligungserklärung der beschränkt geschäftsfähigen Gefahrsperson nichtig, wenn ihr der gesetzliche Vertreter nicht vorher zugestimmt hat oder wenn die Gefahrsperson nicht zugleich mit ihrer Einwilligungserklärung die schriftliche Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters vorlegt und der Erklärungsempfänger sie deshalb zurückweist. Die Vorschrift des § 150 Abs. 2 Satz 1 gilt auch für den gesetzlichen Vertreter, der die Einwilligungserklärung im Namen der Gefahrsperson abgibt. Die Einwilligung muss somit schriftlich erfolgen, die Eckpunkte des Lebensversicherungsvertrages müssen ihm bekannt sein.52 Das Schriftformerfordernis mit der darin zum Ausdruck gelangenden Gefahrakzeptanz findet analoge Anwendung für den Fall, dass der gesetzliche Vertreter seine Einwilligungserklärung zur Einwilligungserteilung der minderjährigen Gefahrsperson abgibt. Das Schriftformerfordernis des § 150 Abs. 2 Satz 1 gilt nicht für den Widerruf der Einwilligung, da durch den Widerruf eine mögliche Gefährdung aufgehoben und nicht geschaffen wird.53

51

RG 18.1.1941 JRPV 1941 71; offengelassen von OLG Hamm 12.7.1985 VersR 1986 82, 83.

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52 53

Offengelassen von OLG Hamm 12.7.1985 VersR 1986 82, 83. Müller NVersZ 2000 455, 457.

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4. Sonderregelung: Gesetzlicher Vertreter als Versicherungsnehmer Nach § 150 Abs. 2 Satz 2 ist der gesetzliche Vertreter des Geschäftsunfähigen, Min- 47 derjährigen oder Betreuten von der Zuständigkeit für die Einwilligungserklärung ausgeschlossen, wenn er erstens zugleich Antragsteller und VN und damit auch Berechtigter aus dem Lebensversicherungsvertrage ist (wenn nicht ein anderer unwiderruflich Bezugsberechtigter wird) und ihm zweitens die Vertretung in den die Personensorge betreffenden Angelegenheiten zusteht. Die Einschränkung der Einwilligungszuständigkeit bezieht sich bei Identität zwischen gesetzlichem Vertreter und VN also nicht auf sämtliche gesetzlichen Vertreter, sondern nur auf jene, denen das Personensorgerecht einschl. Vertretung zusteht. Das Personensorgerecht i.S.v. § 1631 BGB steht nach § 1626 BGB grundsätzlich den Eltern zu. Die Differenzierung zwischen personensorgeberechtigten und sonstigen gesetzlichen Vertretern ist vorgenommen worden, da die personensorgeberechtigten Eltern wegen ihrer Nähe zu dem Kind in besonderem Maße die Gelegenheit haben, einen Versicherungsfall herbeizuführen. Anders als in der amtlichen Begründung zu § 159 a.F.54 erwogen wird, ist ein gesetz- 48 licher Vertreter der Gefahrsperson nicht gem. § 181 BGB von der Einwilligungszuständigkeit ausgeschlossen. § 181 BGB ist nicht direkt anwendbar, da die Eltern oder ein anderer gesetzlicher Vertreter bei Erteilung der Einwilligung zwar im Namen des Kindes handeln, aber nicht im Sinne dieser Vorschrift „mit sich“ ein Rechtsgeschäft vornehmen. Auch eine analoge Anwendung ist abzulehnen.55 Bei einer analogen Anwendung des § 181 BGB wäre nicht zwischen personensorgeberechtigten und sonstigen gesetzlichen Vertretern zu unterscheiden, § 150 Abs. 2 Satz 2 ist im Verhältnis zu § 181 BGB Spezialnorm. Ist der gesetzliche Vertreter zugleich VN und zudem personensorgeberechtigt, so ist 49 für die Zustimmung ein Ergänzungspfleger nach § 1909 Abs. 1 BGB oder ein zweiter Betreuer (§ 1899 Abs. 4 BGB) zu bestellen, der pflichtgemäß zu prüfen hat, ob der abzuschließende Versicherungsvertrag das Leben und die Interessen des Minderjährigen gefährdet. Da die Bestellung eines Pflegers oder eines zweiten Betreuers umständlich sein kann und der Aufwand bei kleineren Versicherungsverträgen in keinem Verhältnis zum Anlass steht, ist in § 150 Abs. 3 eine entsprechende Ausnahmeregelung geschaffen worden.56 5. Einwilligung durch Bevollmächtigten Die Einwilligung nach § 150 Abs. 2 Satz 1 kann auch durch einen von der Gefahrs- 50 person hierzu Bevollmächtigten erklärt werden. Obschon die Einwilligungserklärung des Vertreters der Schriftform bedarf, gilt das nach der Regel des § 167 Abs. 2 BGB nicht auch für die Vollmacht. Die Vollmacht könnte somit grundsätzlich formlos erteilt werden. Davon kann angesichts der Warn- und Kontrollfunktion der Formvorschrift des § 150 Abs. 2 Satz 1 jedoch nicht ausgegangen werden. Die Schriftform bei der Einwilligungserklärung der Gefahrsperson dient dem Zweck, insbesondere die Überlegungsmöglichkeit des Betroffenen zu gewährleisten, eine nur mündlich erteilte Vollmacht kann diesem Zweck nicht genügen. Es ist – ähnlich wie beispielsweise bei unwiderruflicher Bevollmächtigung zur Grundstücksveräußerung die notarielle Form einzuhalten ist – auch hier zu fordern, dass die Erteilung der Vollmacht schriftlich erfolgt.57

54 55 56

Motive 217. Vgl. Bruck/Möller/Wagner 8 VI Anm. H 34; a.M. Fuchs 88. Vgl. unten Rn. 58.

57

OLG Frankfurt 31.7.1996 VersR 1997 478; ÖOGH 13.12.1984 VersR 1986 928; Hülsmann NVersZ 1999 550, 551.

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Die Vollmacht ist dabei unproblematisch, wenn sie allein zu dem Zweck erteilt wird, die nach § 159 Abs. 2 Satz 1 erforderliche Einwilligung in den Versicherungsvertrag zu erklären, dessen wesentlicher Inhalt der Gefahrsperson als Vollmachtgeber bekannt sein muss, sodass sie in der Lage ist, das Risiko, das sie mit der Einwilligung auf sich nimmt, abzuwägen. Der Gefahrsperson müssen insoweit insbesondere die Person des VN, der Bezugsberechtigte und die Höhe der Versicherungssumme bekannt sein. Hat die Gefahrsperson keine Spezialvollmacht, sondern vielmehr nur eine Generalvoll52 macht erteilt, so ergibt sich hier eine vergleichbare Problematik wie bei dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages aufgrund einer Generalvollmacht.58 Denn aus der Sicht des Grundgedankens des § 150 Abs. 2 Satz 1 lassen sich im Hinblick auf eine Generalvollmacht zwei Fallgruppen unterscheiden, die beide Gegenstand der Rechtsprechung waren. In der ersten Fallgruppe schließt A im Namen des VN B eine Todesfallversicherung auf das Leben des B ab, wobei A aufgrund einer Generalvollmacht handelt. In der zweiten Fallgruppe schließt der VN A einen Todesfallversicherungsvertrag auf das Leben der Gefahrsperson B ab, wobei A die Einwilligung des B gleichfalls aufgrund einer ihm von B erteilten Generalvollmacht erklärt. Für die erste Fallgruppe ist gerade auch wegen der Möglichkeit einer Umgehung des § 150 Abs. 2 Satz 1 eine Generalvollmacht grundsätzlich nicht als ausreichend zu erachten.59 Für die zweite Fallgruppe ist gleichfalls davon auszugehen, dass eine Generalvollmacht nicht ausreichend ist, da ihr die erforderliche konkrete Risikoabwägung nicht zugrunde liegen kann. Das OLG Königsberg60 argumentiert mit Blick auf § 150 Abs. 2 Satz 1, dass jede Generalvollmacht – mag sie auch noch so allgemein und umfassend sein – nach Treu und Glauben zu beurteilen und ein Vollmachtsmissbrauch in einem Falle anzunehmen sei, in dem der Gefahrsperson der Abschluss der Versicherung „geflissentlich verheimlicht“ worden ist. Präziser und überzeugender fordert das OLG Hamburg61 nach einleitenden Ausführungen zur generellen Zulässigkeit einer Stellvertretung bei der Einwilligung nach § 150 Abs. 2 Satz 1, der Gefahrsperson müsse es eindeutig und eindringlich klar sein, dass sie sich „über die Abgabe einer bestimmten Einwilligung schlüssig“ werden solle. Das OLG Hamburg stellt damit zutreffend fest, dass eine allgemeine Vollmacht, von der der Bevollmächtigte auch ohne Kenntnis des Vollmachtgebers Gebrauch machen kann, nicht genügt. Der Vollmachtgeber muss die spezielle Kenntnis des Vertragsinhalts besitzen, wenn die Einwilligung durch einen Vertreter erklärt werden soll, das ist bei der Generalvollmacht der Natur der Sache nach grundsätzlich nicht der Fall. Die Zulässigkeit einer Generalvollmacht zur Wahrnehmung aller anfallenden Geschäfte unter Einschluss einer Einwilligung nach § 150 Abs. 2 Satz 1 würde im Gegenteil die erforderliche Abwägung der Gefahrsperson für den Einzelfall überflüssig machen.62 Das LG Hamburg63 hat angesichts dessen, dass die Gefahrsperson den Vertragsinhalt 53 kennen muss und aufgrund dieser Kenntnis den Dritten bittet, die Einwilligung zu erklären, den Dritten nicht als Vertreter, sondern als Schreibgehilfen – und die Namenszugausführung damit als unwirksam – angesehen. Der Tatbestand des Rechtsgeschäfts habe sich nicht in der Person des Vertreters verwirklicht, sondern dieser sei „vielmehr

58 59

60

Vgl. im Einzelnen dazu Bruck/Möller/ Winter 8 Anm. C 19. Im Einzelnen OLG Hamm 17.11.1939 JRPV 1940 166 f.; LG Köln 23.11.1956 VersR 1957 242. OLG Königsberg 6.5.1919 SeuffA 75 (1920) Nr. 75, 127 ff.

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61 62 63

OLG Hamburg 24.5.1955 VersR 1957 106. Vgl. auch Fuchs 79; im Ergebnis ebenso Hülsmann NVersZ 1999 550, 551. LG Hamburg 2.6.1953 VersR 1954 316 f.

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nur im Wege mechanischer Dienstleistung tätig geworden“. Dem kann mit der Berufungsinstanz OLG Hamburg64 nicht gefolgt werden. Selbst wenn es im Einzelfall richtig wäre, den Dritten in solchen Fällen nicht als Vertreter, sondern als Schreibgehilfen anzusehen, so ist damit nicht auch zugleich die Unterzeichnung unwirksam. Wenn ein Schreibgehilfe eine Erklärung weisungsgemäß unterzeichnet, so ist der anordnende Träger der Erklärung ihr näher als es bei der Einschaltung eines Vertreters der Fall wäre, der auch seine selbständige Prüfung mit Wirkung für und gegen den Vertretenen zur Geltung bringt. Hier verwischt sich die Abgrenzung zwischen Vertreterhandeln und Botenschaft, die Unterzeichnung der Einwilligungserklärung wird in ihrer Rechtswirksamkeit davon jedoch nicht tangiert. Dem Sinn des Einwilligungserfordernisses ist Genüge getan, wenn die Gefahrsperson den Lebensversicherungsvertrag kennt und den Dritten auf der Grundlage dieser Kenntnis beauftragt, die Einwilligung zu erklären. 6. Rechtsfolge fehlender Einwilligung Ist die nach § 159 Abs. 2 Satz 1 erforderliche Einwilligung von der Gefahrsperson bis 54 zum Vertragsabschluss nicht erklärt worden, so ist der Vertrag unheilbar nichtig.65 Eine Genehmigung i.S.v. § 184 BGB zu einem Zeitpunkte nach dem Vertragsabschluss ist unerheblich. Die Nichtigkeitsfolge ist zwingend. Die Gefahrsperson kann somit auf die Einwilli- 55 gung auch nicht wirksam verzichten.66 Für eine Umdeutung des nichtigen Lebensversicherungsvertrages nach § 140 BGB ist in aller Regel ebenso wenig Raum wie für eine Bestätigung gem. § 141 BGB. Zur Frage der Bestätigung betont das OLG Hamburg,67 dass sie Kenntnis der Nichtigkeit voraussetzt, und zwar die Kenntnis beider Vertragsparteien. Es kann grundsätzlich auch nicht angenommen werden, dass der Lebensversicherungsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der Einwilligung abgeschlossen ist. VN und Gefahrsperson dürften bei Abschluss des Vertrages gerade davon ausgehen, dass eine entsprechende Zustimmung nicht erforderlich sei.68 7. Gesetzliche Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis a) Sterbegeldversicherung. Nach § 150 Abs. 2 Satz 1 ist die Einwilligung der Gefahrs- 56 person nicht erforderlich, wenn die vereinbarte Versicherungssumme den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten nicht übersteigt. Der das Einwilligungserfordernis tragende Schutzgedanke gebietet nicht, auch bei derartigen niedrigen Versicherungssummen eine Einwilligung der Gefahrsperson zu fordern. Nach § 150 Abs. 4 ist dabei der von der Aufsichtsbehörde festgesetzte Höchstbetrag für die gewöhnlichen Beerdigungskosten maßgeblich. Er beträgt nunmehr € 8.000.69 Dabei ist nahezu einhellige Ansicht, dass die Festlegung der Aufsichtsbehörde in diesem Zusammenhang keine unmittelbare Bedeutung für die Wirksamkeit des Vertrages zwischen VR und VN hat.70 Geht der Lebensver-

64 65

OLG Hamburg 25.5.1955 VersR 1957 106 f. BGH 8.2.1989 VersR 1989 465, 466; RG 14.6.1932 RGZ 136 398; RG 9.3.1937 RGZ 154 156, 158 ff.; OLG Düsseldorf 7.12.1936 JRPV 1937 124; OLG Frankfurt 1.2.1955 VersPrax 1955 63; OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 681 (zu § 179 Abs. 3 Satz 1); Obergericht Brunn 18.1.1941 JRPV 1941 72;

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Müller NVersZ 2000 454, 457; Hülsmann NVersZ 1999 550; Fuchs 79. OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 681. OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 681. OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 681. BAV VerBAV 2001 133. Fuchs 88; Möller NeumannsZ 1939 733; a.M. Ehrenzweig 396.

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sicherungsvertrag über eine höhere Versicherungssumme, so bedarf er jedoch der Einwilligung der Gefahrsperson. Fehlt es an diesem Wirksamkeitserfordernis, so ist der Vertrag insgesamt nichtig, nicht etwa nur für den die Beerdigungskosten übersteigenden Teil.71 Der Betrag der „gewöhnlichen Beerdigungskosten“ bezieht sich dabei nicht auf den 57 einzelnen Vertrag, sondern insgesamt auf die Höhe aller auf die Gefahrsperson abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge.72 Das ergibt sich schon aus dem die Lebensfremdversicherung beherrschenden Schutzgedanken. Damit ist in der Praxis allerdings nicht viel gewonnen, da der Abschluss mehrerer Lebensversicherungsverträge auch gegenwärtig nur schwer zu kontrollieren ist. Bei der Antragstellung fragt der VR zwar in aller Regel nach schon bestehenden Versicherungen, die Richtigkeit der Angabe ist aber nur schwer zu überprüfen, wenn der VN die Verträge bei verschiedenen VR abgeschlossen hat.73

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b) Kinderversicherung. Eine weitergehende Ausnahme vom Einwilligungserfordernis ist nach § 150 Abs. 3 für die Kinderversicherung geschaffen: Schließt der Vater oder die Mutter eine Todesfallfremdversicherung auf die Person eines minderjährigen Kindes ab, so bedarf es grundsätzlich keiner Einwilligungserklärung des Kindes und zwar unabhängig davon, ob die vereinbarte Versicherungssumme die gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt. Eine Ausnahme ist nur für solche Todesfallfremdversicherungen geschaffen, bei denen der VR auch bei Eintritt des Todes vor der Vollendung des siebten Lebensjahres des Kindes zur Leistung verpflichtet sein soll und die vereinbarte Leistung dabei den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt. Die Regelung ist geschaffen worden, um den Abschluss von Lebensversicherungsver59 trägen durch Eltern für ihre Kinder grundsätzlich zu erleichtern, die Beschränkung der Versicherungsleistung auf die Beerdigungskosten bei Kindern bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres soll wiederum der Verhinderung verbrecherischer Absichten dienen und entspricht der Überlegung, dass insoweit der Abschluss einer Lebensversicherung dem Prinzip nach wirtschaftlich nur sinnvoll ist, wenn die Beerdigungskosten sichergestellt werden sollen. Unter Vater und Mutter sind die leiblichen Eltern zu verstehen, nicht die Stiefeltern, Großeltern und Vormünder, wohl aber die Adoptiveltern.74 Aus dem Grundgedanken des § 150 Abs. 3 ist zu folgern, dass die Erleichterungen dieser Vorschrift nicht Eltern zugute kommen soll, die das Sorgerecht nicht haben, denen es beispielsweise nach § 1680 BGB entzogen worden ist.75 Die Eltern müssen beim Abschluss der Versicherung zudem im eigenen Namen handeln, § 150 Abs. 3 ist nicht anwendbar, wenn der VN eine OHG oder KG ist, als deren Organ der Vater oder die Mutter der Gefahrsperson tätig ist.76

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c) Einwilligungserfordernis bei sonstigen Gruppenlebensversicherungen? Die Kollektiv- oder Gruppenlebensversicherung findet sich nicht nur in der betrieblichen Altersversorgung, sondern beispielsweise auch bei der Versicherung von Vereinen (was sich nicht auf eine Sterbegeldversicherung beschränken muss), von Berufsverbänden, bei Bausparkollektivlebensversicherungen, bei Kreditkartenversicherungen oder sonstigen Rest-

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73

Ehrenzweig 396; Fuchs 87, 88. Fuchs 86; BK/Schwintowski § 159 VVG Rn. 19; a.M. Prölss/Martin/Kollhosser § 159 VVG Rn. 13. Fuchs 87 m.w.N.

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Hinsichtlich der Adoptiveltern a.M. Fuchs 85. Fuchs 86; a.M. Ehrenzweig 396. OLG Frankfurt 1.2.1955 VersPrax 1955 63.

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kreditversicherungen. Anders als die unechte Kollektivlebensversicherung,77 die sich nicht als einheitlicher Versicherungsvertrag, sondern als ein Vertrag darstellt, durch den eine Vielzahl von einzelnen Versicherungsverträgen entsteht, ist die echte Kollektivlebensversicherung – und grundsätzlich auch die gemischte Gruppenlebensversicherung – notwendigerweise eine Versicherung auf fremdes Leben. Damit stellt sich die Frage, ob auch hier an dem Erfordernis einer schriftlichen Einwilligung festzuhalten ist. Das wird von der h.M. zutreffend bejaht.78 Als gewichtigste Überlegung gegen das Einwilligungserfordernis bei der echten Grup- 61 penlebensversicherung wird geltend gemacht, es könne auf die Einwilligung verzichtet werden, weil der gesetzgeberische Zweck der Vorschrift hier nicht mehr gegeben sei. So hat bereits das OLG Düsseldorf 79 eine Gefährdung der Gefahrsperson nicht mehr als existent angesehen, wenn letztlich der Gefahrsperson ein unmittelbarer Anspruch auf die Versicherungsleistung zusteht. Darüber hinaus spielten sich Abschluss und Abwicklung der Versicherung in der Kollektivversicherung nicht im Verborgenen ab, sie seien grundsätzlich der Kontrolle durch die Gruppenmitglieder ausgesetzt und so sei eine Spekulationsmöglichkeit ausgeschaltet.80 Ließe sich in der Gruppenlebensversicherung eine Gefährdung der Gefahrsperson ausschließen, so brauchte in der Tat am Einwilligungserfordernis nicht festgehalten zu werden. Eine solche Gefährdung kann aber81 in der Kollektivlebensversicherung nicht generell verneint werden. Schon die Kontrolle des Gruppenversicherungsvertrages durch die Gruppenmitglieder hat rechtliche und faktische Grenzen, und eine Spekulationsmöglichkeit der Gruppenspitze kann nur in den Fällen ausgeschaltet werden, in denen der Anspruch auf Versicherungsleistung in vollem Umfange und unwiderruflich dem Gruppenmitgliede selbst zusteht. Das wäre der Fall, wenn die Gefahrsperson bei der Todesfallfremdversicherung der einzige ist, dem die Versicherungsleistung zufließt und der sie fordern kann. Bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung zugunsten der Gefahrsperson kann der VN die Versicherungsleistung jedoch jederzeit umdirigieren. Auch bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Versicherungsleistung an den VN fällt: Man denke an den Fall, dass die Begünstigung nichtig ist oder dass sie vor Eintritt des Versicherungsfalles entfällt, z.B. durch eine Bedingung wie ununterbrochene Betriebszugehörigkeit. Ein genereller Fall der Nichtgefährdung würde also auch bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung nicht gegeben sein. Sind die Gruppenmitglieder aber nicht genötigt, ihre Einwilligung zur Versicherung zu erklären, und würden sie deswegen u.U. auch keine Kenntnis von der Versicherungsnahme erhalten, so kann – obzwar auch theoretisch nur schwer vorstellbar – eine Versuchung der Gruppenspitze zur Spekulation nicht schlechthin verneint werden. Es kommt dabei nicht auf eine tatsächliche Gefährdung an, die bloße Möglichkeit einer Gefährdung macht die Einwilligung der Gefahrsperson notwendig.

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Vgl. dazu im Einzelnen oben Einführung vor §§ 150–171 Rn. 105; Bruck/Möller/ Winter 8 B 110, B 190 f., C 129, C 136 ff., D 20, D 61, E 127, E 133, E 202, F 171, G 376. BGH 13.5.1953 VersR 1953 250; BGH 7.5.1997 VersR 1997 1213, 1214; OLG Frankfurt/M. 31.7.1996 VersR 1997 478; Fuchs 104; Glättli 248; Küstner VersR 1954 575 ff.; Magnusson 108–109; Millauer

79 80 81

74–77; Möller NeumannsZ 1939 730 f.; Parthier S. 56–59; Pfropfe S. 34; Schulze NeumannsZ 1938 1193; Simon-Kalwar VerBAV 1965 93; Winter in Hellner-Nord 214. OLG Düsseldorf 7.12.1936 VA 1936 271. Tesdorpf ZVersWiss 1936 136. Worauf mit Recht Fuchs 99 und Millauer 76 hinweisen.

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§ 150

Kapitel 5: Lebensversicherung

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Das Einwilligungserfordernis dürfte auch nicht dadurch ausgeräumt werden können, dass eine Gruppenlebensversicherung als Versicherung für fremde Rechnung ausgestaltet wird und damit nach dem auch in § 179 Abs. 2, 3 Ausdruck gelangenden Rechtsgedanken eine Einwilligung der Gefahrsperson als überflüssig zu erachten ist. Zwar sind die Vorschriften der §§ 43 ff. nunmehr auch bei der Lebensversicherung anwendbar. Es erscheint jedoch als zweifelhaft, ob für die Frage des Einwilligungserfordernisses überhaupt etwas gewonnen wäre, wenn die Gruppenlebensversicherung als Versicherung für fremde Rechnung ausgestaltet wird. Denn die Ablehnung des Einwilligungserfordernisses ist nur vor dem Hintergrund zu rechtfertigen, dass die Gefahrsperson einen unmittelbaren Anspruch auf die Versicherungsleistung gegen den VR erwirbt. Hierbei wird in aller Regel übersehen, dass gerade auch die Versicherung für fremde Rechnung dem VN nach §§ 45 Abs. 1, 44 Abs. 2 ein Forderungsrecht belässt, sofern er den Versicherungsschein behält. Damit wäre eine Gefährdung der Gefahrsperson grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Schließlich wird argumentiert, die Beschaffung der Einwilligung der Gefahrsperson 63 bereite in der Praxis Schwierigkeiten. Der VN könne bei Hunderten oder gar bei Tausenden von Gefahrspersonen die schriftliche Einwilligungserklärung oftmals gar nicht beibringen.82 Die Aufsichtsbehörde hatte daher früher, um den Abschluss von Gruppenlebensversicherungen zu erleichtern, auf das Einwilligungserfordernis verzichtet und sich auf den Standpunkt gestellt, dass in der Vereinsgruppenlebensversicherung eine Satzungsbestimmung genügen solle, durch die der Vorstand ermächtigt werde, in einem gewissen engen Rahmen Versicherungen auf das Leben der Mitglieder zu nehmen83 – eine nicht ganz zweifelhafte Regelung. Denn der Gesichtspunkt, dass die den Vorstand zum Versicherungsabschluss ermächtigende Satzungsbestimmung eine gemeinschaftliche Erklärung der in § 150 Abs. 2 geforderten Einwilligung sei, rechtfertigte die Ansicht des Reichsaufsichtsamtes nicht. Zur Aufnahme einer solchen Regelung in die Satzung ist regelmäßig nur eine qualifizierte Mehrheit, nicht aber Einstimmigkeit sämtlicher Vereinsmitglieder erforderlich. Es widerspricht dem Gedanken des § 150 Abs. 2, dass eine Versicherung auch auf das Leben solcher Vereinsmitglieder genommen wird, die sich gegen eine solche Satzungsbestimmung gewandt haben oder an der Abstimmung nicht beteiligt haben. Nur dann bestehen keine Bedenken gegen die Ansicht der Aufsichtsbehörde, wenn die einzelnen Mitglieder die Satzung schriftlich anerkannt haben, und zwar vor ihrer Einbeziehung in die Gruppenversicherung. Der Abgabe einer solchen Erklärung dürften aber vergleichbare Schwierigkeiten entgegenstehen wie der Abgabe einer individuellen schriftlichen Einwilligungserklärung beim Abschluss der Versicherung. Auch angesichts der eng begrenzten Ausnahmeregelung des § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 kann auf das Einwilligungserfordernis in der Gruppenlebensversicherung nicht ohne Weiteres generell verzichtet werden. Die Einwilligungserklärung ist bei der Gruppenlebensversicherung dabei grundsätz64 lich in derselben Form abzugeben wie bei der Einzellebensversicherung, wobei gerade auch bei der Gruppenlebensversicherung die Einwilligung der Gefahrsperson gegenüber dem VN, der Gruppenspitze als ausreichend zu erachten ist. Eine ausreichende Einwilligung könnte aber auch in dem soeben unter Rn. 63 erwähnten Verfahren erblickt werden, wenn die Gefahrsperson später einem Verein beitritt und in der Satzung die Versicherung der Mitglieder festgelegt ist, der Gefahrsperson alle erforderlichen Einzelheiten

82

Dörstling ZVersWiss 1935 10, 18 f.; OLG Düsseldorf 7.12.1936 VA 1936 271.

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83

VA 1928 166 f.

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Versicherte Person

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des Versicherungsvertrages deutlich werden und sie nicht nur den Beitritt zu dem Verein erklärt, sondern auch die Satzung schriftlich anerkennt. Fehlt es an der erforderlichen schriftlichen Einwilligungserklärung einzelner Gefahrs- 65 personen, so ist zwischen einer Gruppenlebensversicherung mit rechtsbegründender Anmeldung des Gruppenmitgliedes und einer automatischen Gruppenversicherung zu differenzieren. Erfolgt die Anmeldung des Gruppenmitgliedes, ohne dass eine ausreichende Einwilligungserklärung vorliegt, so ist die Anmeldung nichtig, wobei allerdings nichts im Wege steht, eine erneute Anmeldung vorzunehmen, wenn die Einwilligung vorliegt. Ähnlich entsteht auch bei der automatischen Gruppenlebensversicherung (die grundsätzlich allerdings nur bei von dem Einwilligungserfordernis befreiten und insoweit hier nicht interessierenden Sterbegeldversicherungen vorkommt) kein wirksames Versicherungsverhältnis für das Gruppenmitglied, wenn es an der erforderlichen Einwilligung fehlt. Einer Nachholung der Einwilligung steht aber auch hier nichts im Wege. Da sich die Versicherung automatisch auf alle Gruppenangehörigen erstreckt, die die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, entsteht das Versicherungsverhältnis automatisch mit dem Vorliegen der Einwilligung. Fehlt es an der erforderlichen Einwilligungserklärung der Gefahrsperson, so erstreckt 66 sich die Nichtigkeitsfolge grundsätzlich nur auf das einzelne Versicherungsverhältnis, die Mitversicherung dieses Risikos und nicht etwa auf den gesamten Gruppenversicherungsvertrag.84 Dabei muss im Zweifelsfalle eine entsprechende Vereinbarung i.S.d. § 139 BGB als getroffen angesehen werden. Das ergibt sich aus den Besonderheiten des Gruppenlebensversicherungsvertrages. So kann die Nichtigkeit der Mitversicherung eines Zugangsrisikos die übrigen bereits wirksam bestehenden Teilversicherungen nicht in ihrer Wirksamkeit berühren. Genauso wenig wäre es sinnvoll, den gleichzeitigen oder späteren Zugang eines anderen Risikos unter dem Fehlen der Einwilligung und der sich daraus ergebenden partiellen Nichtigkeit leiden zu lassen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei den von der Nichtigkeit erfassten Teilversicherungsverhältnissen um ein Anfangs- oder Zugangsrisiko handelt. d) Kollektivversicherungen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge. Eine Aus- 67 nahme von dem Einwilligungserfordernis gilt nach § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 allein für Kollektivversicherungen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge. Gruppenlebensversicherungen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge sind zumeist Rentenversicherungen; nur soweit sie auch Todesfallrisiken mit abdecken, stellt sich überhaupt die Frage des Einwilligungserfordernisses. Nach der Begründung zu § 150 Abs. 2 fehlt es bei „solchen Verträgen an dem für das Einwilligungserfordernis maßgeblichen Schutzbedürfnis der versicherten Person, weshalb auf den mit diesem Erfordernis verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand bei diesen Kollektivverträgen verzichtet werden kann“.85 Als Ausnahmevorschrift ist § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 eng auszulegen, eine erweiternde oder analoge Anwendung der Vorschrift entfällt, zumal die Gruppenspitze die Verträge beleihen kann usw.86 Soweit es sich bei einer Rückdeckungsversicherung um eine Kollektivlebensversiche- 68 rung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge handelt, gilt auch für sie die Ausnahme des § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2.87 84 85 86

Glättli 248; Magnusson 7; Millauer 75; Möller NeumannZ 1939 730; Pfropfe 35. Gesetzesbegründung (BReg) BTDrucks. 16/3945 S. 95 l. Sp. Römer/Langheid/Römer 2 § 159 Rn. 16; BK-Schwintowski § 195 Rn. 13.

87

Beispiel: Sachverhalt, wie er der Entscheidung BGH 7.5.1997 VersR 1997 1213 zugrunde liegt.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

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e) Einwilligungserfordernis bei Lebensfremdversicherung für Rechnung der Gefahrsperson. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann eine Lebensfremdversicherung für Rechnung der Gefahrsperson abgeschlossen werden. Damit entfällt aber nicht zugleich das Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 Satz 1. Angesichts der §§ 45 Abs. 1, 44 Abs. 2 erscheint es nicht als sachgerecht, über die Ausnahmeregelung des § 179 Abs. 3 hinaus auch bei der Lebensversicherung für Rechnung der Gefahrsperson eine Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis zuzulassen. Zwar würden den Erben der Gefahrsperson in deren Eigenschaft als Versicherte die Rechte aus dem Versicherungsvertrage zustehen, der VN kann über diese Rechte jedoch im eigenen Namen verfügen und die Versicherungsleistung annehmen, weil er im Besitz des Versicherungsscheins sein dürfte. Angesichts der Möglichkeit einer solchen Konstellation wäre es unbefriedigend, der Gefahrsperson den Schutz des Einwilligungserfordernisses zu entziehen.88 Das würde Sinn und Zweck des § 150 Abs. 2 Satz 1 widersprechen.

70

f) Ausnahme für regulierte Pensionskassen. Eine weitere Ausnahme vom Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 enthält § 211 Abs. 2. 8. Einwilligungserfordernis bei Zusatzversicherungen

71

Das Einwilligungserfordernis bezieht sich auf sämtliche Lebensversicherungsformen, sofern es sich nur um eine Todesfallversicherung handelt, also auch auf die Unfallzusatzversicherung. Das entspricht auch der Praxis der Lebensversicherung. Für den Fall einer Unfallzusatzversicherung wird die Anwendung des § 150 Abs. 2 bestätigt durch das OLG Hamburg.89 9. § 150 Abs. 2 als zwingende Norm

72

Das in § 150 Abs. 2 geregelte Einwilligungserfordernis ist angesichts des Schutzzwecks zwingendes Recht. Ein Verzicht der Gefahrsperson auf die Einwilligung ist ebenso nichtig wie eine sonstige abweichende Bestimmung.90

III. Verhaltensnormen für die Gefahrsperson 1. Einstandspflicht der Gefahrsperson für ihre Kenntnis und ihr Verhalten, § 156 VVG

73

Da die fremde Gefahrsperson nicht Vertragspartei ist, kann sie durch den Versicherungsvertrag grundsätzlich auch nicht mit Rechtspflichten belastet werden, das Zivilrecht kennt keinen Vertrag zulasten Dritter. Die Gefahrsperson kann weder zu einer Gesundheitsuntersuchung (vgl. § 151) noch ohne Weiteres zu Auskünften oder Anzeigen gezwungen werden.91 Hinsichtlich der Verhaltensnormen/Obliegenheiten stehen zum Schutze des VR die 74 Kenntnis und das Verhalten der Gefahrsperson aber der Kenntnis und dem Verhalten des VN gleich, § 156.92

88

89 90

Vgl. OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 680, 682 für einen Fall der Unfallfremdversicherung. OLG Hamburg 24.5.1955 VersR 1957 106 f. BK-Schwintowski § 159 Rn. 20; Drews

140

91 92

VersR 1987 641; Hülsmann NVersZ 1999 550; OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 680, 681. Fuchs 105. Vgl. dazu § 156 Rn. 11–20.

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2. Weitere Pflichten der Gefahrsperson Die Gefahrsperson kann darüber hinaus weitere Pflichten selbstständig übernehmen, 75 wie es z.B. dadurch geschieht, dass sich die Gefahrsperson auf dem Antragsformular, auf dem sie ihre Einwilligung zur Versicherung erklärt und Gesundheitsfragen beantwortet, zur Übernahme weiterer Pflichten bereit erklärt. Denn die Gefahrsperson ist grundsätzlich in keiner Weise gehindert, selbstständig vertragliche Pflichten hinsichtlich des Versicherungsvertrages einzugehen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Gefahrsperson grundsätzlich außerhalb des 76 Versicherungsvertragsverhältnisses steht. Ihre Einwilligung in den Vertragsschluss dient dem Grundsatze nach nur ihrem Schutz, sie begründet nicht ohne Weiteres auch Verpflichtungen der Gefahrsperson. Die Unterschrift kann insoweit nur bedeutsam werden, als die Gefahrsperson dadurch ihre Kenntnis vom Vertragsschluss bekundet. Hat die Gefahrsperson beim Abschluss des Versicherungsvertrages jedoch ausnahms- 77 weise eine Verpflichtung übernommen, so ist davon auszugehen, dass von der Gefahrsperson grundsätzlich nicht mehr verlangt werden kann als vom VN, auch für die Gefahrsperson gelten die zwingenden und halbzwingenden Normen des VVG und der AGBKontrolle. Denn sonst hätte der VR die Möglichkeit, die zwingende Regelung des VVG zu umgehen, indem er Verpflichtungen und Rechtsfolgen, die er dem VN nicht auferlegen kann, der Gefahrsperson aufbürdet. Der VR kann durch die Fremdversicherung nicht besser gestellt werden als er bei einer Eigenversicherung des VN stände.93

IV. Rechte der Gefahrsperson 1. Grundsatz Da die fremde Gefahrsperson nicht zugleich Vertragspartei oder Bezugsberechtigter 78 usw. ist, hat sie dem Grundsatze nach auch keinerlei Rechte aus dem Versicherungsvertrag. Dementsprechend begründen auch das Gesetz und die Bedingungswerke keine Rechte der Gefahrsperson. Ein Recht aus dem Versicherungsvertrag kann die Gefahrsperson nur erwerben, indem ihr durch eine vertragliche Vereinbarung ein Recht zugestanden wird. 2. Einwirkung auf die Ausgestaltung des Versicherungsvertrages Vor dem Abschluss des Versicherungsvertrages kann die Gefahrsperson allerdings 79 durchaus auf den Vertrag einwirken, soweit ihre Einwilligung zum Vertragsabschluss erforderlich ist. Die Gefahrsperson kann den Abschluss des Vertrages verhindern, indem sie ihre Einwilligung verweigert, oder sie kann durch eine Beschränkung der Versicherung auf eine bestimmte Summe, durch Begrenzung der Versicherungsdauer oder durch die Abrede, dass nur eine bestimmte Person als Bezugsberechtigter benannt werden kann, auf die nähere Ausgestaltung des Vertrages Einfluss nehmen. Da die Einwilligung der Gefahrsperson häufig in der Weise eingeholt wird, dass sie 80 den Antrag des VN mit unterschreibt, kann sie sich über die Einzelheiten des Vertrages informieren und ihre Unterschrift verweigern, wenn die Ausgestaltung des Vertrages nicht der Abrede zwischen dem VN und der Gefahrsperson entspricht. Wird die Einwilli-

93

Vgl. zu allem Fuchs 108–112.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

gung auf einem separaten Schriftstück erklärt, so kann die Gefahrsperson die Bedingungen, unter denen sie ihre Einwilligung gibt, im Einzelnen aufführen. Es fehlt dann an der erforderlichen Zustimmung, wenn der Versicherungsvertrag nicht mit diesen Bedingungen übereinstimmt. Eine Einwilligung unter unzulässigen Bedingungen ist als Verweigerung der Zustimmung zu werten.94 3. Kein Eintrittsrecht nach § 170 VVG

81

Die Gefahrsperson hat insbes. auch kein Recht, bei Vermögensverfall des VN in den Versicherungsvertrag einzutreten, also selbst VN zu werden, § 170. Denn ein solches Eintrittsrecht hat nur der Beteiligte, der an dem Versicherungsvertrag ein generell erkennbares wirtschaftliches Interesse hat. Dazu gehört die Gefahrsperson grundsätzlich nicht. Will die Gefahrsperson den Vertrag bei Nichtzahlung der Prämie durch den VN aufrechterhalten, so kann sie die Prämie anstelle des VN leisten, § 267 BGB.

V. Veränderungen im Status der Gefahrsperson 82

Die Beteiligung an einem Versicherungsvertrag ist nicht unabänderlich, grundsätzlich kann jeder Beteiligte einem anderen Funktionsträger Platz machen. Für die Gefahrsperson sind dabei Änderungen auf der Versicherungsnehmerseite von Interesse, wie z.B. der Wechsel von der Versicherungsnehmereigenschaft in die Funktion einer bloßen Gefahrsperson und umgekehrt. 1. Abtretung

83

Der VN kann die Rechte aus dem Versicherungsvertrag abtreten, sodass der Gefahrsperson ein anderer Leistungsberechtigter gegenübertritt oder sie selbst zum Leistungsberechtigten gemacht wird. Wird die Gefahrsperson zum Zessionar der auf sie genommenen Versicherung, so bleibt ihre Funktion als fremde Gefahrsperson gleichwohl erhalten, aus der Fremdversicherung wird keine Eigenversicherung. Denn dafür wäre ein Übergang aller Rechte und auch Pflichten erforderlich, der bei der Zession nicht erfolgt. Wird die Forderung aus dem Versicherungsvertrag vom VN an einen anderen abgetreten, so stellt sich zudem die Frage, ob die Gefahrsperson einer Abtretung zustimmen muss. Für das Erfordernis einer Zustimmung spricht der Gedanke des Schutzes der Gefahrsperson,95 gegen ein Zustimmungserfordernis spricht die notwendige Verkehrseignung der Versicherung.96 Allgemein wird heute davon ausgegangen, dass eine Abtretung ohne Zustimmung der Gefahrsperson wirksam ist,97 auch in den heutigen Bedingungswerken wird die Gültigkeit der Abtretung nicht mehr von der Zustimmung der Gefahrsperson abhängig gemacht.98 2. Verpfändung und Pfändung

84

Ebenso ist die Verpfändung einer Lebensversicherung ohne Zustimmung der Gefahrsperson wirksam, dasselbe gilt für die Pfändung.99

94 95 96

Fuchs 112–114. Vgl. Elsholz 32. Glättli 130, 131.

142

97 98 99

RG 14.6.1932 RGZ 136 395, 397 ff. Fuchs 142. Im Einzelnen Fuchs 143, 145–146.

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VI. Beendigung des Vertrages Zur Beendigung des Versicherungsvertrages gilt für die Lebensfremdversicherung 85 grundsätzlich nichts Besonderes. Bei der reinen Todesfallfremdversicherung endet der Vertrag nicht mit dem Tode des VN, sondern erst mit dem Tode der Gefahrsperson; bei dem Tode des VN geht der Vertrag auf die Erben über. Wird dabei die Gefahrsperson alleiniger Erbe der auf sie abgeschlossenen Lebensversicherung, so wandelt sich die Fremdversicherung in eine Eigenversicherung um.100

C. Anhang I: Sonstige Fragen der Wirksamkeit eines Lebensversicherungsvertrages, insbes. der Vertrag mit einem minderjährigen VN I. Geschäftsfähigkeit bzw. Erfordernis der Zustimmung gesetzlicher Vertreter Todesfall- und sonstige Lebensversicherungen mit Minderjährigen sind nicht Gegen- 86 stand der Regelung des § 150. Angesichts der sich in der Lebensversicherung in Zusammenhang mit Minderjährigen stellenden speziellen Probleme und ihrer Berührung mit dem Fragenkreis des § 150, sei ihnen in einem Exkurs nachgegangen, anders als bei sonstigen Unwirksamkeitsgründen, bei denen es nicht zu lebensversicherungsrechtlichen Besonderheiten kommt. 1. Geschäftsfähigkeit Um einen rechtswirksamen Lebensversicherungsvertrag abschließen zu können, muss 87 der Antragsteller unbeschränkt geschäftsfähig sein, sonst richtet sich die Wirksamkeit seiner Willenserklärung nach §§ 104–115 BGB. Bei Geschäftsunfähigkeit des Antragstellers müssen seine gesetzlichen Vertreter an seiner Stelle handeln. Wer das 7. Lebensjahr, das 18. Lebensjahr aber noch nicht vollendet hat oder beschränkt geschäftsfähig i.S.v. § 114 BGB ist, kann den Antrag auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages nur mit Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter stellen, da er aus dem Lebensversicherungsvertrag zur Beitragszahlung verpflichtet wird und folglich nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Zur Zustimmung sind im Normalfall die Eltern eines minderjährigen Antragstellers als dessen gesetzliche Vertreter gemeinschaftlich berufen, § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dabei kann die Vertretung nach außen durch einen Elternteil wahrgenommen werden, wenn der andere Elternteil ihn dazu ermächtigt hat, was insbes. bei einer Funktionsteilung unter den Eltern der Fall sein dürfte.101 Stimmt nur ein Elternteil zu und handelt er dabei zugleich im Namen des anderen Elternteils, so ist dieser im fremden Namen abgegebene Teil seiner Zustimmungserklärung als bedingungsfeindliche einseitige Gestaltungserklärung nichtig, und der andere Elternteil, der bislang vom Vertragsschluss keine Kenntnis hatte, kann den Vertrag nicht nachträglich formlos nach §§ 108, 183 BGB genehmigen. Der LebensVR sollte als Vertragspartner eines beschränkt Geschäftsfähigen daher die Zustimmung beider Elternteile zu erlangen suchen.102 Ist der

100 101

Glättli 166–167. U.U. auch Anscheinsvollmacht des einen Elternteils für den anderen, LG Deggendorf 23.2.1972 VersR 1973 609; bedenklich die offenbar ablehnende Entscheidung AG

102

München 30.4.1981, LG München 14.10.1981 VerBAV 1982 123 f. Das gilt insbes. auch angesichts AG München 30.4.1981, LG München 14.10.1981 VerBAV 1982 123 f.

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Versicherungsvertrag zwischen dem Minderjährigen und dem VR ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zustande gekommen, so kann er durch die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters Wirksamkeit erlangen.103 Solange sie nicht erklärt ist, besteht ein Zustand schwebender Unwirksamkeit des Vertrages.104 Nicht erforderlich ist eine auf den konkreten Vertrag bezogene Zustimmung des gesetzlichen Vertreters in den Fällen der §§ 110, 112 und 113 BGB. Die dort genannten Voraussetzungen können insbesondere auch für den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages durch einen Minderjährigen von Bedeutung werden. Eine familiengerichtliche Genehmigung ist für den Abschluss eines wirksamen Lebensversicherungsvertrages nicht erforderlich.105 2. Erfordernis der Zustimmung gesetzlicher Vertreter

88

a) Stillschweigende Einwilligung durch Überlassung geldlicher Mittel. Neben der ausdrücklichen Einwilligung – beispielsweise durch Mitunterzeichnung des Antrags oder sonstige schriftliche Erklärung – ist die stillschweigende oder konkludente Einwilligung von Bedeutung. Das gilt insbes. auch insoweit, als in der Überlassung geldlicher Mittel – auch aus dem Arbeitseinkommen des Minderjährigen – zur freien Verfügung eine den Lebensversicherungsvertrag wirksam machende Einwilligung zu erblicken ist. Die stillschweigende Einwilligung überschneidet sich dabei mit den Fällen des § 110 BGB und verdrängt insoweit die Anwendung dieser Vorschrift. Nach § 110 BGB gilt ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zwecke oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen sind. § 110 BGB setzt also die tatsächliche Erbringung der Leistung voraus; ist sie nur teilweise geleistet, ist davon auszugehen, dass der Vertrag teilweise wirksam wird, soweit Leistung und Gegenleistung – wie z.B. beim Lebensversicherungsvertrag – teilbar sind. Wird nun aber in der Überlassung von geldlichen Mitteln eine Einwilligung nach § 107 BGB in Gestalt eines partiellen Generalkonsenses gesehen, so stellt sich insoweit dann nicht mehr die Frage nach § 110 BGB mit seinem Bewirkungserfordernis, Überlegungen zu versicherungsperiodenbezogener Beitragszahlung werden überflüssig. Wenn eine konkludente Einwilligung vorliegt, ist § 110 BGB nicht mehr anwendbar. Der Einwand, durch die Annahme eines solchen partiellen Generalkonsenses werde der Anwendungsbereich des § 110 BGB mit seinem Bewirkungserfordernis unzulässig eingeengt und die partielle Geschäftsfähigkeit über die §§ 112, 113 BGB hinaus unzulässig erweitert,106 zieht nicht, zumal es sich hier anders als bei den Fällen der §§ 112, 113 BGB nicht um eine echte Erweiterung der Geschäftsfähigkeit handelt und der gesetzliche Vertreter insoweit auch nicht die Befugnis verliert, den Minderjährigen zu vertreten. Der Vorschrift des § 110 BGB verbleibt ein zwar eingeschränkter, aber gleichwohl ausreichender und sinnvoller Anwendungsbereich in jenen Fällen, in denen eine konkludente Einwilligung nicht anzunehmen ist. Gerade für das Versicherungswesen und hier insbesondere im Bereiche der Lebensversicherung ist die § 110 BGB einschränkende Erteilung der partiellen Generaleinwilligung von erheblicher Bedeutung, weil der Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages als dem Minderjährigen und seiner sozialen Absicherung nützlich typischerweise zumindest dann die Billi-

103 104 105

BGH 17.4.1967 BGHZ 47 352, 354 ff. Unten Rn. 96–104. A.A. aber die herrschende Meinung, vgl. im Einzelnen Rn. 105 ff.

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106

Aus dem versicherungsrechtlichen Schrifttum vgl. Schulz ZfV 1959 58, 62.

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gung der Eltern erfährt und damit auch durch den partiellen Generalkonsens abgedeckt ist, wenn der zu leistende Versicherungsbeitrag in einem vernünftigen Verhältnis zum Umfang der zur Verfügung stehenden und ihm überlassenen Mittel steht. b) Restfälle des § 110 BGB. Ist ein derartiger partieller Generalkonsens nicht gege- 89 ben, kann der Versicherungsvertrag mit tatsächlicher Zahlungsbewirkung Wirksamkeit erlangen. Dabei ist zu differenzieren zwischen den Formen Risikolebensversicherung einschl. entsprechender Zusatzversicherungen einerseits und den Formen der kapitalbildenden Lebensversicherung andererseits. Bei der Risikolebensversicherung wird der – ganz weitgehend über längere Zeit abge- 90 schlossene – Lebensversicherungsvertrag wirksam, wenn und soweit der minderjährige VN den Versicherungsbeitrag bezahlt.107 Zahlt der VN den ersten Jahresbeitrag, so wird der Vertrag für die Dauer eines Jahres wirksam; ist der VN auch bei Fälligkeit des Folgebeitrags noch minderjährig, so gilt entsprechendes für die nächste Versicherungsperiode. Eine derartige Aufspaltung des Versicherungsvertrages widerspricht nicht den Interessen der Vertragsparteien, es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass das abschnittsweise Wirksamwerden des Vertrages auch dem Willen des Minderjährigen – bzw. seines gesetzlichen Vertreters! – entspricht, soweit der Versicherungsbeitrag entrichtet wird. So ist auch angesichts des § 139 BGB ein teilweise wirksamer Vertragsschluss nicht zu verneinen, das dem VN nach § 165 gegebene und unabdingbare Kündigungsrecht lässt darauf schließen, dass der VR auf eine Nichtfortführung des Vertrages eingerichtet ist und er den Versicherungsvertrag auch für eine kürzere als die ursprünglich beabsichtigte Versicherungsdauer abgeschlossen hätte. Bei der kapitalbildenden Lebensversicherung verhält es sich anders. Die entrichteten 91 Beiträge werden wirtschaftlich nicht lediglich als ein Entgelt für die Gefahrtragung des VR (sog. Risikobeitrag) angesehen, sondern stellen sich partiell auch als Beitrag für die sich ansammelnde, vom VR bei Ablauf der Versicherung – also unabhängig von einem Todeseintritt – zu erbringende Versicherungsleistung dar (sog. Sparbeitrag). Das geschieht ungeachtet der Tatsache, dass sich der Gesamtbeitrag als die addierte Summe des Beitrages für die Risikoversicherung auf den Todesfall sowie des Beitrages für die Risikoversicherung auf den Erlebensfall darstellt. Endet die Versicherung vorzeitig, so erhält der VN – vor dem Hintergrund der Zahlungen an den Vermittler – nur den sog. Rückkaufswert, der zumeist lediglich einen Teil der entrichteten Beiträge ausmacht.108 Der VN erleidet also einen nicht unbeträchtlichen Verlust, wenn ein kapitalbildender Lebensversicherungsvertrag schon nach kurzer Zeit nicht fortgesetzt wird. Schilken109 folgert daraus, dass ein solcher Vertrag, bei dem die Beitragshöhe in einem festen inneren Zusammenhang mit der Vertragsdauer steht, nicht i.S.v. § 139 BGB teilbar ist. Aber auch wenn man dieser Ansicht nicht folgen will, kann doch angesichts des mit einer Nichtfortsetzung des Vertrages verbundenen materiellen Verlustes des Minderjährigen nicht angenommen werden, dass die Parteien den Vertrag auch für einen verkürzten Zeitraum abgeschlossen hätten: Für den minderjährigen VN und seine gesetzlichen Vertreter ist ein

107

Vgl. dazu LG Koblenz 21.2.1956 VersR 1956 314; LG Bochum 5.5.1969 VerBAV 1969 345 f. = VersR 1970 25; Schmidt VersR 1966 314; Schulz ZfV 1959 63; Soergel/Hefermehl 13 § 110 BGB Rn. 3; a.A. anscheinend für die gesamte Lebensversicherung und damit unrichtig: AG München

108

109

30.4.1981, LG München 14.10.1981 VerBAV 1982 123, 124. Im Einzelnen dazu die Kommentierung in Bruck/Möller/Winter zu § 169 Rn. 21 ff., 114 ff. Schilken FamRZ 1978 644; ihm folgend Bayer VersR 1991 129.

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solcher Wille auszuschließen, zumal ein Vertrag mit einer kürzeren Versicherungsdauer mit einer höheren Prämie verbunden gewesen wäre. Damit ist angesichts der Vorschrift des § 139 BGB für eine Teilwirksamkeit des Vertrages kein Raum.110 Zu einem anderen Ergebnis – also zur Teilwirksamkeit des Vertrages – gelangt man 92 bei der kapitalbildenden Lebensversicherung in einem Falle, in dem der Versicherungsfall während der Versicherungsperiode eintritt, für die ein Beitrag bereits entrichtet ist. Hier wirkt sich die Beitragskalkulation des VR und damit auch die Problematik des Rückkaufswerts nicht als für den VN nachteilig aus. In der Praxis dürfte in diesen Fällen eine Genehmigung erteilt werden.111

93

c) Fälle partieller Geschäftsfähigkeit, §§ 112, 113 BGB. Der Kreis der Versicherten, der von der partiellen Geschäftsfähigkeit in den Grenzen der §§ 112, 113 BGB erfasst wird, kann sich mit den durch den partiellen Generalkonsens oder im Rahmen des Taschengeldparagraphen abgedeckten Fallgruppen überschneiden. Nach § 112 BGB ist der Minderjährige, wenn er das Geschäft mit Ermächtigung sei94 ner gesetzlichen Vertreter selbständig betreibt, zum wirksamen Abschluss solcher Versicherungen ermächtigt, die der Betrieb des Erwerbsgeschäfts mit sich bringt. Dazu gehört auch der Abschluss von Lebensversicherungsverträgen, wie der Abschluss einer Lebensversicherung im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits, einer Erbschaftssteuerversicherung (zur finanziellen Sicherstellung der Fortführung des Betriebes nach dem Tode des minderjährigen Betriebsinhabers) und der Abschluss einer Kollektivlebensversicherung zugunsten der Arbeitnehmer. Gem. § 113 BGB ist dem Minderjährigen unbeschränkte Geschäftsfähigkeit zur Vor95 nahme solcher Rechtsgeschäfte verliehen worden, die die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses betreffen, in das der Minderjährige mit Ermächtigung der gesetzlichen Vertreter eintritt. § 113 BGB findet dabei keine Anwendung auf Lehrverhältnisse, Anlern- und Volontärverträge.112 Sein Anwendungsbereich beschränkt sich dabei nicht auf die Rechtsgeschäfte, die das Arbeitsverhältnis betreffen. Erfasst werden vielmehr auch solche Geschäfte mit Dritten, die in einem engen Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehen und nur mit Rücksicht auf dieses Arbeitsverhältnis vorgenommen werden. Als Konnexgeschäfte betreffen sie Eingehung, Aufhebung oder Erfüllung des Arbeitsverhältnisses zumindest in einem weiteren, mittelbaren und häufig zugleich wirtschaftlichen Sinne. Dazu können auch Lebensversicherungsverträge Minderjähriger gehören. Bei den Lebensversicherungsverträgen handelt es sich dabei nicht um Verträge, für die der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf, § 113 Abs. 1 Satz 2 BGB.113 d) Genehmigungsmöglichkeit

96

aa) Genehmigungsmöglichkeit durch den gesetzlichen Vertreter. Ist eine Ermächtigung nach §§ 112, 113 BGB oder eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht gegeben und ist auch § 110 BGB nicht anwendbar, so kann der gesetzliche Vertreter den Lebensversicherungsvertrag genehmigen. War der minderjährige VN zugleich Gefahrsperson und ist er gestorben, bevor eine 97 Zustimmung zu dem Lebensversicherungsvertrag erteilt war, so können die Eltern den

110

BGH 30.6.1958 VersR 1958 507; Adam ZfV 1964 626; a.A. Schmidt VersR 1966 313; Soergel/Hefermehl 13. § 110 BGB Rn. 3.

146

111 112 113

Vgl. unten Rn. 96–103. Soergel/Hefermehl 13 § 110 BGB Rn. 2. Rn. 105 ff.

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Vertrag nicht mehr genehmigen. Mit dem Tode des Minderjährigen ist die elterliche Gewalt erloschen, womit zugleich auch die Grundlage für ein originäres Genehmigungsrecht der Eltern bei schwebend unwirksam gebliebenen Rechtsgeschäften des Minderjährigen entfallen ist. Andererseits können die Eltern jedoch, soweit sie mit den Erben des minderjährigen VN identisch sind, ein von dem Minderjährigen abgeleitetes Genehmigungsrecht haben, und zwar in den Fällen, in denen der zunächst minderjährige VN mit Erreichung der Volljährigkeit ein eigenes Genehmigungsrecht erworben hat und stirbt, ohne die Genehmigung erteilt zu haben. Aber auch in den Fällen, in denen der VN zum Zeitpunkt seines Todes noch minderjährig war, kann ein solches Genehmigungsrecht auf die Eltern vererbt werden. Denn ein minderjähriger Erblasser hat neben den Rechten und Pflichten aus dem schwebend unwirksamen Vertragsverhältnis auch ein durch den Eintritt der Volljährigkeit aufschiebend bedingtes Genehmigungsrecht zu vererben, also eine Anwartschaft auf ein Gestaltungsrecht, die – einmal vererbt – in der Hand des volljährigen Erben zu einem Genehmigungsrecht erstarkt.114 Gegen die Annahme eines solchen Genehmigungsrechts kann schon eingewandt wer- 98 den, dass das Versicherungsverhältnis mit dem Versicherungsfall erlischt und folglich nicht mehr genehmigt werden könne. Hieran ist richtig, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag eine inhaltliche Umwandlung erfährt: Der VN bzw. seine Erben haben keine Prämien mehr zu entrichten, die Leistungspflicht des VR wandelt sich, die latente Gefahrtragung tritt in das Stadium der akuten Gefahrtragung ein. Das Vertragsverhältnis besteht aber weiter und endet erst, wenn die Versicherungssumme gänzlich ausgekehrt ist. Aus der Umwandlung des Vertragsverhältnisses allein aber kann ein Nichtfortbestehen des Genehmigungsrechts nicht hergeleitet werden. Die Möglichkeit einer Genehmigung ist in diesem Falle jedoch aus dem Rechtsgedan- 99 ken des § 2 VVG abzulehnen.115 Die Vorschrift des § 2 VVG bestimmt für den Fall der vereinbarten Rückwirkung des Versicherungsvertrages auf einen vor dem Vertragsschluss liegenden Zeitpunkt, dass der VR, der bei Abschluss des Vertrages die Unmöglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalles schon kennt, seinen Prämienanspruch verliert und dass der VN bei Kenntnis des schon eingetretenen Versicherungsfalles zu diesem Zeitpunkt seines Anspruchs auf Versicherungsschutz verlustig geht. Haben beide Vertragsparteien Kenntnis von dem Eintritt des Versicherungsfalles, so ist der Versicherungsvertrag unwirksam.116 Die Bestimmung des § 2 VVG scheidet im Hinblick auf den Begriffsinhalt der Versicherung also alle jene Verträge aus, bei denen es am Merkmal des ungewissen Ereignisses mangelt, und verweigert dem VN die Versicherungsleistung, wenn er Schutz gegen ein bereits eingetretenes Ereignis sucht. Das Erfordernis des ungewissen Ereignisses ist dabei auch nicht gegeben, wenn ein Elternteil für einen von einem Minderjährigen abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag die Genehmigung in dem Wissen vornimmt, dass die Gefahrsperson bereits gestorben, der Versicherungsfall also eingetreten ist. Aus dem Rechtsgedanken des § 2 VVG und damit zugleich auch unter Berücksichtigung des Wesens der Versicherung ist die Möglichkeit einer wirksamen Genehmigung des Lebensversicherungsvertrages in solchen Fällen abzulehnen. War der minderjährige VN zugleich Gefahrsperson und ist mit dem Tode des Minderjährigen zugleich der Versicherungsfall eingetreten, entfällt die Möglichkeit der Genehmigung des Vertrages durch die Eltern als Erben des Minderjährigen. Auf Bedenken stoßen OLG Hamm117 und ihm folgend LG

114 115

Flume II § 13, 7c, cc; Soergel/Hefermehl 13 § 108 Rn. 9. A.A. Bayer VersR 1991 129, 132.

116 117

Näheres unten Rn. 126 f. OLG Hamm 18.1.1978 VersR 1978 1134, 1135 f.

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Mönchengladbach,118 die in einem solchen Falle bei einseitiger Kenntnis des VN unter direkter Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG zu dem Ergebnis gelangen, dass die Genehmigung keine rückwirkende Kraft habe und insoweit ein wirksamer Versicherungsvertrag nicht vorliege. In dem Falle der einseitigen Kenntnis des VN vom Versicherungsfall geht das Gesetz gerade nicht von einer Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages aus, sondern verneint nur die Leistungspflicht des VR. Der Vertrag würde nur dann nicht wirksam zustande kommen, wenn nicht nur der VN, sondern auch der VR – eben weil die Genehmigung des Versicherungsvertrages durch die Erben des VN vorgenommen wird – von dem Versicherungsfall Kenntnis hat. Die Vorschrift des § 2 VVG lässt dabei zugleich die – insbes. auch zeitlichen – Gren100 zen der Genehmigungsmöglichkeit im Übrigen erkennen. Sie bedeutet andererseits jedoch nicht, dass ganz generell schon jede Genehmigung unter dem Eindruck zunehmender Gefahrverwirklichung als nicht rechtswirksam zu erachten ist. Hier kann der gesetzliche Vertreter zur Wahrung der Interessen des Minderjährigen die Erteilung einer Genehmigung des Lebensversicherungsvertrages legitimerweise als sinnvoll ansehen.

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bb) Genehmigung durch den Minderjährigen nach Eintritt der Volljährigkeit, insbes. durch Prämienzahlung. Ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig geworden, so tritt seine Genehmigung nach § 108 Abs. 3 BGB an die Stelle der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters.119 Der volljährig Gewordene kann sich dabei frei entscheiden, er ist nicht etwa deshalb zur Fortsetzung des Vertrages verpflichtet, weil er zunächst nach § 110 BGB wirksam war. Die Genehmigung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Hinsichtlich einer 102 konkludenten Genehmigung fragt sich, ob sie darin gesehen werden kann, dass der inzwischen volljährige VN die für die Lebensversicherung vorgesehenen Beiträge entrichtet. Voraussetzung einer derartigen Genehmigung ist es, dass dem Genehmigenden die Genehmigungsbedürftigkeit des Versicherungsvertrages bewusst war oder von ihm zumindest für möglich gehalten wurde und er deshalb die konkludente Genehmigung vornehmen wollte.120 Auch wenn man für das Vorliegen einer konkludenten Willenserklärung kein Erklärungsbewusstsein verlangen, sondern entscheidend auf den objektiven Erklärungswert aus der Sicht des VR abstellen will, ist es Tatfrage und dürfte häufig zu verneinen sein, dass die Voraussetzungen für eine konkludente Willenserklärung gegeben sind. Im Falle des OLG Koblenz121 war es allerdings dem VN bewusst, dass seine Mutter – die von dem Abschluss der Lebensversicherung bewusst nicht unterrichtet worden war, weil sie ihre Zustimmung aller Voraussicht nach nicht erteilt hätte – in die Lebensversicherung nicht eingewilligt hatte. Wenn er vor diesem Hintergrund die Prämienabbuchungen des VR jahrelang hingenommen und den jährlichen Anpassungen des Vertrages nicht widersprochen hatte, hat das OLG Koblenz darin zu Recht eine konkludente Genehmigung gesehen.122 Auch bei der Konstellation, dass der VN nahezu 22 Jahre hindurch die Prämien entrichtet und von sich aus Gestaltungswünsche hinsicht-

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120

LG Mönchengladbach 18.3.1982 VersR 1983 50. Vgl. dazu AG München 3.4.1981, LG München 14.10.1981 VerBAV 1982 123 f.; LG Osnabrück 4.1.1984 VerBAV 1984 252. OLG Koblenz 18.5.1990 VersR 1991 209; OLG Hamm 3.4.1992 VersR 1992 1502,

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1503; LG Aachen 14.3.1986 VerBAV 1988 83, 84; Bayer VersR 1991 129, 131. OLG Koblenz 18.5.1990 VersR 1991 209. Vgl. auch AG München 15.3.1988 VersR 1989 467; LG Verden 7.5.1997 VersR 1998 42, 43.

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lich des Lebensversicherungsvertrages geäußert hatte, hat das Gericht zu Recht eine konkludente Genehmigung angenommen.123 Will der VR, der die Genehmigungsbedürftigkeit kennt, den Schwebezustand nicht 103 akzeptieren, kann er den VN zur Genehmigung auffordern. Unterlässt der VR eine Aufklärung des VN, kann er sich im Regelfall nicht darauf berufen, er habe darauf vertraut, dass der VN den Vertrag genehmigt habe.124 cc) Folgen der Nichterteilung der Zustimmung. Solange die Zustimmung der gesetz- 104 lichen Vertreter nicht erteilt ist, ist der Lebensversicherungsvertrag schwebend unwirksam.125 Wenn der VR den gesetzlichen Vertreter zur Genehmigung auffordert, wird eine schon zuvor dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wieder unwirksam, ein bereits wirksamer oder voll unwirksamer Vertrag wird also wiederum schwebend unwirksam (§ 108 Abs. 2 BGB). Nach der Aufforderung kann die Genehmigung seitens des gesetzlichen Vertreters nur noch dem VR gegenüber erfolgen, und zwar nur noch binnen zwei Wochen, anderenfalls sie als verweigert gilt. Das Widerrufsrecht des § 109 Abs. 1 BGB hat keine Bedeutung, da der VR schon aufgrund des Antrages typischerweise über das Geburtsdatum des Minderjährigen informiert ist und deshalb auch seine beschränkte Geschäftsfähigkeit erkennt. 3. Kein Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung a) Allgemeines. In der Praxis wird beim Abschluss eines Lebensversicherungsvertra- 105 ges eine familiengerichtliche Genehmigung in aller Regel nur bei Lebensversicherungsverträgen über eine höhere Versicherungssumme eingeholt, bei kleineren Versicherungssummen wird ganz weitgehend darauf verzichtet. Die Frage nach dem Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung beurteilt sich dabei nach § 1643 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1822 Nr. 5 BGB, wobei die sich aus diesen Vorschriften ergebenden Beschränkungen sowohl für die gesetzliche Vertretung des Minderjährigen durch die Eltern (also den Abschluss des Lebensversicherungsvertrages durch die Eltern mit Wirkung für den Minderjährigen) als auch für die elterliche Zustimmung zu dem von dem Minderjährigen selbst abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag gelten. Obschon die Eltern nach § 1643 BGB freier gestellt sind als der Vormund, so ist dort ausdrücklich auf § 1822 Nr. 5 BGB verwiesen, wonach der familiengerichtlichen Genehmigung ein Vertrag bedarf, „durch den der Mündel (hier: der Minderjährige) zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Mündels fortdauern soll“. Die Bejahung des Erfordernisses einer familiengerichtlichen Genehmigung würde bedeuten, dass ein Lebensversicherungsvertrag bei Nichterteilung der Genehmigung schwebend unwirksam wird (§§ 1643 Abs. 3, 1829 BGB) und der VN dabei der Gefahr der Abwerbung ausgesetzt ist. Es besteht die Möglichkeit einer späteren Genehmigung und beispielsweise auch der Ersetzung der familiengerichtlichen Genehmigung durch eine Genehmigung der Erben des VN nach dem Versicherungsfall. Das LG Osnabrück126 bejaht die Möglichkeit einer Genehmigung nach §§ 1643 Abs. 3, 1829 Abs. 3 BGB für den Fall, dass mit Wissen der zunächst minderjährigen Versicherungsnehmerin von dem Konto ihrer Mutter aufgrund einer Abbuchungsermächti-

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LG Regensburg 26.9.2003 VersR 2004 722, 723. OLG Hamm 3.4.1992 VersR 1992 1502, 1503.

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Dazu im Einzelnen unten Rn. 116 ff. LG Osnabrück 4.1.1984 VerBAV 1984 251 f.

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gung der Mutter auch nach Eintritt der Volljährigkeit der Versicherungsnehmerin noch einige Zeit die Prämien abgebucht worden sind. Im Einzelnen ist unbestritten, dass der Lebensversicherungsvertrag dabei keiner fami106 liengerichtlichen Genehmigung bedarf, wenn eine Einmalprämie entrichtet wird oder wenn bei laufender Prämienzahlung gemäß vertraglicher Vereinbarung der Lebensversicherungsvertrag vor Vollendung des 19. Lebensjahres enden wird. Bei den verbleibenden und für die Praxis wichtigen Fällen ist das Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung umstritten.127 Gegen das Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung spricht insbes. Folgendes:

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b) Grundsätzliche Gleichsetzung des Nichtfortbestehens eines Vertrages mit der Möglichkeit einer rechtzeitigen Lösung der vertraglichen Bindung. Der VN in der Lebensversicherung hat nach der Vorschrift des § 168 Abs. 1, die nach § 171 unabdingbar ist, die Möglichkeit, den Lebensversicherungsvertrag jederzeit zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen Das bedeutet im Hinblick auf § 1822 Nr. 5 BGB, dass sich der Minderjährige nach Erreichung der Volljährigkeit durch die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages einer über das 19. Lebensjahr hinausgehenden Prämienzahlungsverpflichtung entziehen kann. Eine solche Lösung der vertraglichen Bindung ist im Hinblick auf § 1822 Nr. 5 BGB der automatischen Beendigung bzw. dem Nichtfortbestehen des Vertrages grundsätzlich gleichzusetzen. Denn durch diese Vorschrift soll die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit geschützt werden.128 Eine rechtzeitige Kündigung hat aber im Hinblick auf die Vertragsbeendigung dieselbe Wirkung wie eine zuvor vereinbarte Beendigung des Vertrages: nämlich das Nichtfortbestehen des Vertrages. Wird die Lösung der vertraglichen Bindung mit dem Nichtfortbestehen des Vertrages über einen Stichtag hinaus gleichgesetzt, so kann dem letztlich auch nicht entgegengehalten werden, dass der Schutz des Minderjährigen in den Fällen der Ausübung eines Gestaltungsrechts wegen der Notwendigkeit einer besonderen Willenserklärung schwächer sein kann, als 127

Für das Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung haben sich u.a. ausgesprochen: BGH 30.6.1958 BGHZ 28 78, 80 f. = FamRZ 1958 318, 319; KG 3.11.1928 JRPV 1929 15; Langheid/Wandt/ Heiss/Mönnich § 150 Rn. 40; OLG Koblenz 18.5.1990 VersR 1991 209; OLG Hamm 3.4.1992 VersR 1992 1502; LG Aachen 14.5.1971 (wie Vorinstanz AG Düren) VersR 1971 903 f. = FamRZ 1971 656 (zur Interpretation einzelner Entscheidungen vgl. Winter ZVersWiss 1977 164 ff.) und schließlich LG Waldshut-Tiengen 12.7.1979 VersR 1979 1147–1148; LG Hamburg VersR 1988 460; aus dem umfangreichen Schrifttum Adam ZfV 1964 625 ff.; Asmuth S. 15–18; Benkel/Hirschberg § 1 ALB 1986 Rn. 60; Berolzheimer ZVersWiss 1918 90; BK-Schwintowski § 159 Rn. 15; Boll VersR 1979 1149; Dölle S. 777 (insbes. Fn 80); Erlanger ZVersWiss 1908 693; Gernhuber § 52 V 7; Hagen Ehrenbergs Handbuch Bd. I S. 328; Hedemann VersR 1952 189;

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Langheid/Wandt/Heiss/Mönnich § 150 Rn. 40; Lederle 17; Neumann JRPV 1935 34; Prölss/Martin/Schneider § 150 VVG Rn. 16; Schellwien ZVersWiss 1908 33; Römer/Langheid/Römer § 150 Rn. 18; Schnitzerling VN 1959 55; Schilken FamRZ 1978 645 Fn 40; Schünemann LZ 1923 307; Schulz ZfV 1959 90 f.; Schweighäuser VN 1951 77 f.; Soergel/Zimmermann 13 § 1822 BGB Rn. 30, Vogel LZ 1920 377; sämtliche BGB-Kommentare. Gegen das Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung wenden sich KG 24.4.1929 JRPV 1929 246 f.; Bruck Privatversicherungsrecht 163; Bruck/Dörstling § 1 Anm. 27; Bruck/ Möller 8 Bd. I § 1 Anm. 69; Dettmeier VersR 1971 1165 f.; Franke VersR 1971 1163 ff.; ders. VW 1972 431 ff.; Petersen JRPV 1935 68; Schmidt VersR 1966 313 ff.; Bruck/ Möller/Wagner 8 Bd VI Anm. C5; Winter ZVersWiss 1977 145 ff.; Woltereck VersR 1965 649–651. Motive IV 1141, 1142.

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wenn das Rechtsverhältnis von selbst enden würde. Wenn der BGH 129 davon ausgeht, dass die Kündigungsmöglichkeit „nach der Lebenserfahrung vom Berechtigten häufig übersehen wird“, so kann dem nicht gefolgt werden. Der aus dem Lebensversicherungsvertrag verpflichtete VN macht sich über die Lösung des Vertragsverhältnisses gewiss Gedanken, so bald von ihm die Beitragszahlungen als unangenehm empfunden werden. Interessenwahrung durch rechtsgestaltende Willenserklärungen ist Ausdruck des Grundsatzes iura vigilantibus scripta.130 Soweit das Kündigungsrecht reicht,131 ist § 1822 Nr. 5 BGB auf die Lebensversicherung nicht anwendbar. c) Gleichsetzung auch bei mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nach- 108 teilen. Handelt es sich nicht um eine Risiko- sondern um eine kapitalbildende Lebensversicherung, so ist mit der Kündigung eines wirksamen Lebensversicherungsvertrages stets ein wirtschaftlicher Nachteil verbunden, da dem VN sodann nur ein Anspruch auf den Rückkaufswert zusteht, der allerdings durch § 169 eine für den VN deutlich günstigere Neuregelung erfahren hat.132 Sämtliche gerichtlichen Entscheidungen, die sich auf die wirtschaftlichen Nachteile beziehen, die dem VN entstehen können, sind zu einer Zeit ergangen, als die Rückkaufswerte noch nicht angehoben waren. Soweit nun argumentiert wird, angesichts der bei einer Kündigung dem VN ent- 109 stehenden Nachteile verbiete sich eine Gleichsetzung von Kündigungsmöglichkeit und vereinbarter Vertragsbeendigung im Rahmen des § 1822 Nr. 5 BGB, wird damit ein Kriterium in die Vorschrift hineinkonstruiert, das aus dem Gesetzeswortlaut, der Entstehungsgeschichte und der Systematik des Gesetzes sowie aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht hergeleitet werden kann. Die Kopplung der Gleichsetzung von Kündigungsmöglichkeit und Nichtfortbestehen eines Vertrages mit der Frage der Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile ist hier unzulässig, zumal einem Minderjährigen wirtschaftliche Nachteile auch durch einen mehrjährigen Lebensversicherungsvertrag entstehen können, der vereinbarungsgemäß vor seinem 19. Lebensjahr endet. Da die §§ 1821, 1822 BGB von einem einheitlichen Grundgedanken nicht getragen 110 werden, sondern der Genehmigungszwang auf bestimmte, fest umschriebene Fallgruppen beschränkt ist, ist hier eine formal-typisierende Auslegung geboten, sodass bei §1822 Nr. 5 BGB allein auf die Wahrung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit durch Vermeidung langfristiger und nicht lösbarer Bindungen abzustellen ist. Ob mit der Kündigung wirtschaftliche Nachteile für den VN verbunden sind, ist grundsätzlich genauso unerheblich wie der Umstand, dass es sich aus der Sicht des Minderjährigen um einen außergewöhnlichen oder wirtschaftlich besonders bedeutsamen Lebensversicherungsvertrag handelt. d) Konsequenzen aus der Praxis der Lebensversicherung. Die Verneinung des Erfor- 111 dernisses der familiengerichtlichen Genehmigung entspricht auch den Möglichkeiten und Bedürfnissen des Rechtsverkehrs. Anders als zur Zeit der Schaffung des BGB tritt der minderjährige Arbeitnehmer weitgehend früher in ein geregeltes Erwerbsleben ein und auch, wenn er noch in der fachberuflichen Ausbildung steht, ist er finanziell durchweg beweglicher als früher. Der Abschluss einer Lebensversicherung ist für ihn gerade auch im Hinblick auf die Entwicklung der Gesetzlichen Rentenversicherung so früh wie möglich in Betracht zu ziehen. Damit verträgt es sich nicht, den Minderjährigen von dem

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BGH 30.6.1958 BGHZ 28 81. Winter ZVersWiss 1977 145, 150 ff. Zu beachten ist § 168 Abs. 3.

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Im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 68 ff.

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Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages durch umständliche und insgesamt wenig sinnvolle Formalitäten abzuhalten. Angesichts der auch sonst ohne familiengerichtliche Genehmigung für einen Minderjährigen eingehbaren Verpflichtungen erscheint es nicht als einleuchtend, dass sich seine gesetzlichen Vertreter wegen des Abschlusses eines längerfristigen Lebensversicherungsvertrages zunächst um eine familiengerichtliche Genehmigung bemühen müssen. So wurden auch die begünstigten Versicherungsabschlüsse mit Minderjährigen im Rahmen des Unterhaltssicherungsgesetzes von den zuständigen Kommunalbehörden insbes. auch nicht auf ihre Rechtswirksamkeit nach §§ 1643, 1822 Nr. 5 BGB überprüft. Die in der Praxis ganz weitgehend auch nicht eingeholte familiengerichtliche Geneh112 migung liefe im Übrigen Gefahr, zu einer bloßen Formalität zu werden. Gewiss hätte das Familiengericht nicht über die Vor- und Nachteile einer bestimmten Tarifart, die Form der Überschussbeteiligung, die steuerlichen Auswirkungen usw. zu urteilen, bevor eine Genehmigung erteilt würde. Sollte die Erteilung oder Verweigerung der familiengerichtlichen Genehmigung bei Lebensversicherungsverträgen von der bloßen Möglichkeit wirtschaftlicher Nachteile abhängig gemacht werden, so wäre die Genehmigung – angesichts der mit einer Kündigung verbundenen Nachteile – für den Abschluss eines kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrages stets zu verweigern, was der Gesetzgeber einfacher durch das grundsätzliche Verbot des Abschlusses von kapitalbildenden Lebensversicherungsverträgen Minderjähriger hätte erreichen können. Daran denkt jedoch niemand. Im Gegenteil: Die Politik ermuntert die Bevölkerung zum frühzeitigen Abschluss privater Rentenversicherungsverträge. Würde nicht schon eine Auslegung des § 1822 Nr. 5 BGB ergeben, dass eine familien113 gerichtliche Genehmigung für den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages nicht erforderlich ist, so wäre angesichts der Praxis des Rechtsverkehrs eine Rechtsumbildung unausweichlich. Die Regelung des § 1822 Nr. 5 BGB wäre – was die Lebensversicherungsverträge anbelangt – an den tatsächlichen Gegebenheiten der Rechtswirklichkeit gescheitert.

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e) Keine Differenzierung zwischen Risikolebensversicherung und kapitalbildender Lebensversicherung. Da § 1822 Nr. 5 BGB angesichts der Kündigungsmöglichkeit des VN bei sämtlichen Lebensversicherungsverträgen nicht anwendbar ist, entfällt auch eine Differenzierung zwischen Risiko- und kapitalbildenden Lebensversicherungsverträgen.133

II. Schwebende Unwirksamkeit und Nichtigkeit des Lebensversicherungsvertrages 115

Die Frage der Nichtigkeit des Lebensversicherungsvertrages stellt sich insbes. auch in Zusammenhang mit dem Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 Satz 1,134 die Problematik der schwebenden Unwirksamkeit vor allem, wenn ein Minderjähriger einen Lebensversicherungsvertrag abschließt, ohne dass die erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegt.135

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Die Unterscheidung zwischen Risiko- und kapitalbildender Lebensversicherung ist nur für die h.M. von Bedeutung: Bei der Risikoversicherung entfällt das Argument der bei

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einer Kündigung eintretenden wirtschaftlichen Nachteile. Vgl. oben Rn. 54 f. Vgl. im Einzelnen oben Rn. 104.

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1. Schwebende Unwirksamkeit a) Bedeutung. Die familiengerichtliche Genehmigung im Rahmen der §§ 1643, 1822 116 Nr. 5, 1829 BGB ist nach der hier vertretenen Ansicht in der Lebensversicherung nicht nur für die Risiko-, sondern auch für die kapitalbildende Versicherung überflüssig, sodass sich insoweit das Problem eines schwebend unwirksamen Vertrages nicht stellt. Eine familiengerichtliche Genehmigung ist nur erforderlich, soweit das Kündigungsrecht nach § 168 Abs. 3 ausgeschlossen ist. Nur insoweit kann eine schwebende Unwirksamkeit eine Rolle spielen. Die weiter denkbaren Falle einer schwebenden Unwirksamkeit wie beispielsweise der Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff. BGB) sind in der Praxis der Lebensversicherung kaum oder gar nicht von Bedeutung. Die nun folgenden Erläuterungen beziehen sich daher ganz grundsätzlich auf die schwebende Unwirksamkeit bei Lebensversicherungsverträgen, die durch einen beschränkt Geschäftsfähigen ohne die erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abgeschlossen sind. b) Begriffliches und Grundlegung. Ist der Lebensversicherungsvertrag schwebend un- 117 wirksam, so bedeutet das, dass er zwar vorerst nicht wirksam ist, weil es noch an einem außerhalb des Vertrages liegenden Wirksamkeitserfordernis – eben der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters – fehlt, er aber noch wirksam werden kann, wenn die Zustimmung nachgeholt werden kann. Von einem Schwebezustand ist dabei nur dort zu sprechen, wo der spätere Eintritt des Wirksamkeitserfordernisses noch ungewiss ist, nicht dort, wo er gewiss ist, die Wirksamkeit also nur zeitlich hinausgeschoben ist. Der schwebend unwirksame Vertrag wird endgültig wirksam, wenn das noch ausstehende Wirksamkeitserfordernis nachgeholt wird. Ist das nicht mehr möglich, so geht die schwebende Unwirksamkeit in eine endgültige Unwirksamkeit über. Handelt es sich bei dem Wirksamkeitserfordernis dabei – wie hier – um die Zustimmung eines Dritten, die noch nachgeholt werden kann, so wird die Geltung der Rechtsfolgen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages zurückbezogen, § 184 Abs. 1 BGB. Anders verhält es sich bei dem Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung, §§ 1643, 1829 Abs. 1 Satz 1 BGB: Hier ist keine Rückwirkung vorgesehen. Zweck der Regelung einer schwebenden Unwirksamkeit ist es, die Beachtung eines bestimmten Umstandes – hier die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters – zu sichern, ohne die Gültigkeit des Vertrages im Übrigen in Frage zu stellen. Die schwebende Unwirksamkeit eines Vertrages unterscheidet sich von der Anfecht- 118 barkeit dadurch, dass das anfechtbare Rechtsgeschäft voll wirksam ist und durch die Anfechtung seine Wirksamkeit rückwirkend verliert. Vom nichtigen Vertrag unterscheidet sich ein schwebend unwirksamer Vertrag dadurch, dass das nichtige Rechtsgeschäft von vornherein jeder Wirksamkeit entbehrt, während die schwebende Unwirksamkeit doch auch eine gewisse rechtliche Bindungswirkung mit sich bringt. Schwebend unwirksamen Verträgen ist eine Zwitterstellung eigen. So ist auch die Bin- 119 dungswirkung vor dem speziellen Hintergrund dieser Charakteristik zu sehen. Geht man dabei davon aus, dass der Vertrag während der Schwebezeit unwirksam ist, so können sich Rechte und Pflichten der Vertragsparteien daraus nicht ergeben. Geht man dagegen davon aus, dass der Vertrag rückwirkend wirksam wird, so unterliegt der schwebend unwirksame Vertrag im Ergebnis den auf einen wirksamen Vertrag anwendbaren Regelungen. Beide Sichtweisen sind angreifbar. Die erste wird dem Umstand nicht gerecht, dass VN und VR den Versicherungsvertrag schließen wollen, Vertragsverhandlungen geführt haben und nur noch die Wirksamkeit aussteht. Die andere wendet die rechtlichen Regeln auf die Vertragsparteien in derselben Weise an wie wenn der Vertrag wirk-

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sam wäre, wobei aber in Wahrheit sein rechtliches Schicksal noch ungewiss ist und er ebenso unwirksam bleiben wie rückwirkend wirksam werden kann. Die Bindungswirkung bedeutet zunächst, dass die Vertragspartner in einem gewissen 120 Umfange an den Vertragsschluss gebunden sind, ihn nicht ohne Weiteres negieren können, sondern sich gegebenenfalls – allerdings grundsätzlich nicht auch im Minderjährigenrecht – im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner um die Beibringung der erforderlichen Zustimmung zu bemühen haben. Werden diese Verhaltenspflichten verletzt, so kann sich angesichts der Schadenersatzpflicht schon bei Vorverhandlungen, erst recht auch bei einem schwebend unwirksamen Vertragsverhältnis – einem eindeutigen „mehr“ gegenüber Vorverhandlungen – eine Schadenersatzpflicht ergeben. Die Bindung ist damit aber noch nicht stark genug, um den Parteien einen durchsetzbaren Leistungsanspruch zu geben. Kommt es zwischen den Parteien gleichwohl zu einem Leistungsaustausch, so geschieht das nicht in Erfüllung rechtlich bindender Leistungspflichten, sondern lediglich in rein tatsächlicher Abstimmung. Von Bedeutung wird die Frage der rechtlichen Qualifikation eines schwebend unwirk121 samen Lebensversicherungsvertrages in dreierlei Hinsicht: Erstens stellt sich die Frage, ob der minderjährige VN durch Einstellung der Prämienzahlung in Verzug geraten kann (sogleich unter Rn. 122). Zweitens fragt sich, ob der minderjährige VN angesichts der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages die von ihm während des Schwebezustandes gezahlten Prämien wieder herausverlangen kann (sodann unter Rn. 123 f.). Drittens stellt sich das Problem, ob – trotz der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages – durch eine kontinuierliche Zahlung der Prämien durch den Minderjährigen Pflichten und Rechte des VR entstehen können (anschließend unter Rn. 125).

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c) Kein Verzug des Minderjährigen bei Einstellung der Prämienzahlung. In der Praxis kommt es häufig dazu, dass der minderjährige VN – häufig auch zunächst in Unkenntnis der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages – die Prämien während der ersten Zeit zahlt und die Zahlung später einstellt. Die rechtlichen Folgen einer solchen Einstellung der Prämienzahlung beurteilen sich danach, ob den Minderjährigen während des Schwebezustandes eine Verpflichtung zur Prämienzahlung trifft, sodass er bei Nichtleistung in Verzug geraten kann. Die Frage nach dem Bestehen einer Leistungspflicht erfährt jedoch nicht schon während der Schwebezeit, sondern erst nachträglich durch Erteilung oder Nichterteilung der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters eine Klärung. Dasselbe Verhalten des Minderjährigen – nämlich die Einstellung der Prämienzahlung – während der Schwebezeit beurteilt sich dabei bei einer ex-post-Betrachtung unterschiedlich: Ist die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters schließlich erfolgt, so ist die Nichtzahlung der Prämie verzugbegründend, weil – ex-post beurteilt – eine Leistungspflicht des Minderjährigen bestand. Ist die Genehmigung nicht erfolgt, so besteht bei ex-post-Betrachtung keine Leistungsverpflichtung, sodass der Minderjährige auch nicht in Verzug geraten kann. Auf eine solche ex-post-Beurteilung – mit einem entsprechenden Rückwirkungsrisiko für den Minderjährigen – kann es jedoch nicht ankommen. Das würde zu unbefriedigenden Konsequenzen führen. Denn würde die Einstellung der Prämienzahlung ex post als verzugbegründend gewertet werden können und würden den minderjährigen VN die sich daran anknüpfenden Sanktionen treffen, so könnte auf den VN ein mittelbarer Druck ausgeübt werden. Dieser Druck würde sich für den VN unabhängig davon ergeben, ob die Genehmigung nun später erteilt wird oder nicht. Auch wenn es später nicht zu einer Genehmigung des gesetzlichen Vertreters kommt, würde sich der VN während der Schwebezeit einem mittelbaren Druck ausgesetzt sehen, die Prämienleistungen zu erbringen – und damit eine Leistung, die sich später als endgültig nicht geschuldet herausstellt. Entscheidend für die Beurteilung der Leistungsverpflichtung des Minderjährigen

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kann angesichts dessen nicht eine ex-post-Betrachtung sein, es ist vielmehr allein auf den Zeitpunkt der Leistungseinstellung während des Schwebezustandes abzustellen. Besteht nun während des Schwebezustandes – und ohne ex-post-Betrachtung kann etwas anderes nicht angenommen werden – für den minderjährigen VN keine wirksame Leistungsverpflichtung, so kann er die Prämienzahlung einstellen, ohne sich einer Pflichtverletzung schuldig zu machen.136 d) Rückzahlung sämtlicher Prämien. Da der minderjährige VN während des Schwebe- 123 zustandes nicht verpflichtet ist, die Prämien zu entrichten, kann er sie nach § 812 Abs. 1 BGB zurückverlangen.137 Im Bereicherungsrecht sind auch tatsächlich empfangene Leistungen grundsätzlich 124 herauszugeben. Als solche Leistung kann die bereits erbrachte tatsächliche Gefahrtragungsleistung des VR angesehen werden. Sie ist allerdings angesichts des Vorrangs des Minderjährigenschutzes gleichwohl nicht zur Saldierung zu stellen. e) Faktische Vertragsdurchführung. Angesichts der trotz schwebend unwirksamen 125 Vertrages häufig vorkommenden – oftmals auch nur zeitlich begrenzten – faktischen Vertragsdurchführung durch VN und VR erhebt sich die Frage, inwieweit sich hieraus rechtliche Folgerungen herleiten lassen. Diese Folgerungen dürfen dabei nicht so weit gehen, dass der Minderjährigenschutz illusorisch gemacht und in Missachtung der Vorschriften der §§ 106 ff. BGB von der Fiktion eines voll wirksamen Vertragsverhältnisses ausgegangen wird. Hierbei ergeben sich interessante Fragen wie die nach der Leistungspflicht des VR im Versicherungsfall nach kontinuierlicher Prämienleistung des VN, ferner die Frage, ob der VR ohne Weiteres von der Gefahrtragung Abstand nehmen kann, wenn der VN die Prämienzahlung einstellt, und schließlich auch die Frage, ob der VR unter Bezugnahme auf die schwebende Unwirksamkeit des Vertrages die faktische Gefahrtragung zurückfordern kann. Dabei handelt es sich jedoch nicht um spezifisch lebensversicherungsrechtliche Fragen, sodass davon abgesehen werden muss, ihnen an dieser Stelle nachzugehen. 2. Nichtigkeit Zur Nichtigkeit ist auf die grundlegende Darstellung bei Bruck/Möller 8 § 22 126 Anm. 31–54138 zu verweisen, auch in der Lebensversicherung kann die Nichtigkeit den gesamten Versicherungsvertrag betreffen oder nur einen Teil des Vertrages. Eine Spezialnorm für die Lebensversicherung stellt § 150 Abs. 2 dar, wonach zur Gültigkeit einer

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137

Zu der Argumentation vgl. RG 19.1.1942 RGZ 168 261, 266 f.; Lange FS SchmidtRimpler 144. So auch LG Aachen 14.5.1971 VersR 1971 904; LG Waldshut-Tiengen 12.7.1979 VersR 1979 1147, 1148; LG München 14.10.1981 und AG München 30.4.1982 (beide:) VerBAV 1982 123; BGH 30.6.1958 BGHZ 28 84 ist nur bedingt einschlägig, da sich diese Entscheidung auf den Fall einer endgültig versagten Genehmigung und damit auf einen nichtigen Vertrag bezieht. In den

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Urteilen kommt dabei allerdings die sich daran anschließende Frage zu kurz, ob der VR den Wert einer von ihm während der Schwebezeit faktisch erbrachten Gefahrtragung nach § 818 Abs. 3 BGB zur Saldierung stellen kann. Die Problematik ist nur bei BGH 30.6.1958 BGHZ 28 84 und LG Aachen 14.5.1971 VersR 1971 904 kurz gestreift, in den anderen Urteilen bleibt sie gänzlich unerwähnt. Vgl. auch Bruck/Möller/Rolfs § 22 Rn. 33–38.

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Todesfallversicherung bei fremder Gefahrsperson die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson erforderlich ist. Die Nichtigkeitsfolge ist hier durch das VVG nicht direkt, sondern nur indirekt angeordnet, indem die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages von einem besonderen Wirksamkeitserfordernis abhängig gemacht ist.139 Abgesehen vom VVG kann sich die Nichtigkeit eines Lebensversicherungsvertrages 127 auch aus allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften ergeben, wie z.B. aus § 104 BGB bei Geschäftsunfähigkeit des VN. – Sind bei Unterstützungseinrichtungen die Rechtsansprüche nur formell ausgeschlossen, so handelt es sich zivilrechtlich um nach § 117 BGB nichtige Unterstützungsrechtsverhältnisse und gültige Versicherungsverträge.140 – Bei verbotswidrigen Begünstigungsverträgen in der Gruppenlebensversicherung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie nicht nach § 134 BGB nichtig, sondern vielmehr zivilrechtlich voll wirksam sind.141 – Mit der Frage der Nichtigkeit eines Lebensversicherungsvertrages nach §§ 134, 138 BGB beschäftigt sich BGH 24.4.1978:142 Bestehe der hauptsächliche Vertragszweck einer Versorgungsregelung darin, dem Angestellten durch monatliche Aufwendungen des Arbeitgebers für eine Lebensversicherung einen Anspruch auf Versorgung zu schaffen, so sei nach § 134 BGB allein die Absprache der Parteien, zu einer Steuerverkürzung zu gelangen, nichtig, nicht aber der zugrunde liegende Anstellungsund Versicherungsvertrag. Mehrfach hat sich die Rechtsprechung mit der sittenwidrigen Bezeichnung eines Bezugsberechtigten befasst und dabei entschieden, dass sich die Sittenwidrigkeit der Bezugsberechtigung nicht auch auf den gesamten Versicherungsvertrag auswirke.143 Die in diesem Bereich zur Sittenwidrigkeit wegen Verstoßes gegen die Eheund Familienordnung ergangenen Entscheidungen, entsprechen dabei teilweise nicht mehr heutiger Auffassung. – Zur Koppelung von Darlehens- und Lebensversicherungsverträgen stellt das OLG Düsseldorf144 zutreffend fest, dass eine solche Verknüpfung häufig sei und grundsätzlich nicht als sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB zu werten ist. – Die Nichtigkeit eines Lebensversicherungsvertrages, mit dem der VN seine Befreiung von der Versicherungspflicht bezweckte, kann nicht ohne Weiteres daraus abgeleitet werden, dass die Prämien nicht die zur Befreiung von der Gesetzlichen Rentenversicherung erforderliche Höhe aufweisen.145

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Vgl. zur Einwilligung der Gefahrsperson im Einzelnen oben § 150 Rn. 32–72. Vgl. RG 3.4.1906 VA 1906 Anhang 38; KG 11.1.1926 VA 1926 228 ff. Millauer 129–131; vgl. BGH 17.6.2004 JR 2005 287, 288 mit Anm. Winter JR 2005 289, 290; Winter Versicherungsaufsichtsrecht 661, 674 ff. BGH 24.4.1978 VersR 1978 915, 916. Vgl. z.B. RG 24.11.1933 RGZ 142 410 412 ff.; 12.3.1934 VA 1934 209 ff.; 18.12.1934 JRPV 1935 22, 23; 23.2.1937

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RGZ 154 99; BGH 10.1.1957 BGHZ 23 76, 78 ff.; BGH 6.3.1962 VersR 1962 405, 406; 31.3.1970 NJW 1970 1273, 1275 f.; 4.12.1980 VersR 1981 371 f.; OLG Hamm 11.10.1951 VersR 1952 41; OLG Hamburg 10.2.1961 DB 1961 501; OLG Düsseldorf 12.12.1961 VersR 1962 655, 656. OLG Düsseldorf 16.8.1955 VersR 1955 577 f. mit beipflichtender Anm. von Voss 578. LG Mönchen-Gladbach 18.11.1958 VersR 1959 846 f.

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D. Anhang II: Todesfallversicherung und vorläufiger Deckungsschutz I. Todesfallversicherung 1. Todesfallversicherung als Archetyp der Lebensversicherung Die Todesfallversicherung – wie sie Gegenstand der Regelung des § 150 Abs. 2 ist – 128 verkörpert nicht nur das Urbild, sondern auch den Idealtypus der Lebensversicherung, um den sich die – viel bedeutsamere – Erlebensfallversicherung in Gestalt der Rentenversicherung, die Berufsunfähigkeitsversicherung, die Dread-Desease-Versicherung, die Studienfinanzierungsversicherung, die Pflegerentenversicherung usw. gruppiert haben. Sie zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass die Höhe der Versicherungsleistung nicht von einem etwaigen Schadensereignis abhängt, bei Eintritt des Versicherungsfalles wird die im Versicherungsvertrag vereinbarte Leistung grundsätzlich in voller Höhe erbracht. Zum anderen tritt der Versicherungsfall grundsätzlich nur einmal ein, die Todesfallversicherung hat nicht das Problem wiederkehrender Regulierungen (wie z.B. die Berufsunfähigkeitsversicherung). 2. Tod als Versicherungsfall a) Bedeutung. Der Tod ist die versicherte Gefahr in sämtlichen Formen der Todesfall- 129 versicherung sowie in den einzelnen Formen der gemischten Versicherung (z.B. § 1 GDVMusterbedingungen Risikoversicherung; § 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung). Weder im VVG noch in den Bedingungswerken findet sich jedoch eine Definition des Todes. Es ist daher auf den bürgerlich-rechtlichen Begriff des Todes zurückzugreifen. Dabei ergibt sich jedoch, dass auch das BGB keine Definition des Todes enthält und keine Kriterien dafür angibt, wann der Tod als eingetreten anzusehen ist. Hieraus ist zu schließen, dass sich die rechtliche Betrachtung an die in der medizinischen Wissenschaft herrschende Ansicht anschließen müsse. Dasselbe gilt auch für das Versicherungsrecht. Die genaue Feststellung des Todeszeitpunkts ist dabei z.B. für jene Fälle von Bedeu- 130 tung, in denen die Versicherung nur für eine begrenzte Zeit abgeschlossen worden ist und festgestellt werden muss, ob der Tod auch innerhalb der materiellen Versicherungsdauer eingetreten ist oder nicht. Von Bedeutung kann die Feststellung des genauen Todeszeitpunktes aber beispielsweise auch sein, wenn eine Folgeprämie nicht gezahlt worden ist und sich die Frage erhebt, ob der VR bei Eintritt des Todes bereits gemäß § 38 Abs. 2 von der Verpflichtung zur Leistung frei war. b) Zeitpunkt des Todes: Hirntod. Das Sterben ist nach dem derzeitigen Kenntnis- 131 stand der Medizin nicht als ein punktuelles Ereignis, sondern als Prozess zu verstehen.146 Es kann daher an mehrere Momente angeknüpft werden. Die in der Medizin früher herrschende Auffassung stellte dabei auf den irreversiblen Stillstand von Kreislauf und Atmung, auf den sog. klinischen Tod ab. Damit ist jedoch noch nicht das vollständige Ende aller Lebenssymptome erreicht, wenn man auch davon ausgehen konnte, dass der Sterbeprozess unaufhaltsam geworden war und der Arzt mit seinen Eingriffsmöglich-

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Strätz Zivilrechtliche Aspekte der Rechtsstellung des Toten unter besonderer Berücksichtigung der Transplantationen (1971) 9.

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keiten am Ende war. Die Medizin hat zudem Methoden und Geräte entwickelt, die es erlauben, die Herztätigkeit wieder in Gang zu setzen oder zu erhalten, bevor eine irreversible Funktionsunfähigkeit des Herzens eingetreten ist (sog. Reanimation). Ein eingetretener Herzstillstand kann damit nur ein wieder aufhebbarer klinischer Tod sein. Es kann dazu kommen, dass die Gehirnzellen endgültig funktionsunfähig geworden sind, das Herz aber noch weiter arbeitet. Daher ist auf den Hirntod abzustellen. Wenn keine Hirnströme mehr feststellbar sind, also die sog. Nulllinie im EEG zu verzeichnen ist, wird ein Mensch nach dem derzeitigen Stande der medizinischen Wissenschaft als endgültig tot angesehen. Hierzu führten auch prinzipielle Überlegungen: Mit dem gänzlichen Verlust der Hirnfunktion ist eine Eigenschaft des Menschen verloren gegangen, auf die sich das Menschsein gründet. Daher erscheint es als richtig, einen Menschen mit erloschenen Hirnfunktionen auch schon als tot anzusehen, wenn biologisch noch nicht alles Leben in ihm erloschen ist. Beim Hirntod wird der Tod des zentralen Organs mit dem Gesamttod des Menschen gleichgesetzt. Abzulehnen ist die Auffassung,147 den Todesbegriff aufzuspalten. Entsprechend der Zweckgebundenheit juristischer Begriffsbildung schlägt Westermann vor, für die allgemeinen Fragen des Zivilrechts – wie Eintritt der Erbfolge, Ende der Rechtsfähigkeit – weiterhin auf den klinischen Tod abzustellen (sog. Feststellungsbegriff des Todes), andererseits aber bei der Bestimmung der Sorgfaltspflicht des Arztes in den Entscheidungen, vor die er sich durch die neuen medizinischen Techniken gestellt sieht, auf den Gehirntod abzuheben (sog. Handlungsbegriff des Todes). Danach wäre auch für die Feststellung des Todes in der Lebensversicherung weiterhin der klinische Tod entscheidend. Die Aufspaltung des Todesbegriffs in diesem Sinne erscheint jedoch nicht sachgerecht und auch nicht praktikabel. Denn auch wenn die Diskussion über den Todesbegriff weitergeführt wird, so besteht doch in der Medizin eine einhellige Meinung darüber, dass der Herzstillstand kein geeignetes Todeskriterium darstellt. Das hat für sämtliche Tatbestände, für die der Todesbegriff entscheidend ist, in derselben Weise zu gelten.148 Auch im Lebensversicherungsrecht ist daher für den Todeszeitpunkt auf den Hirntod abzustellen. Dabei wird nicht verkannt, dass der Hirntod – wie es auch bei medizinischer Betreuung der Regelfall ist – nicht festgestellt wird, sondern nur ein Herz- und Atmungsstillstand beobachtet wird. Hier ist eine sog. Sterbezeit – eine empirisch gesicherte Zeitspanne von regelmäßig höchstens zehn Minuten – hinzuzurechnen, innerhalb derer der Hirntod eintritt.149 Zur Feststellung des Hirntodes hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer 1997 in seiner Dritten Fortschreibung der „Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes“ den Hirntod definiert als „Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Dabei wird durch kontrollierte Beatmung die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich aufrechterhalten“.150

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148 149

Westermann Fortschritte der Medizin und die Grenzen der ärztlichen Pflicht, in: Jahrbuch der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelm-Universität 1968, 87). Vgl. nur Soergel/Stein § 1922 Rn. 3, h.M. Englert Todesbegriff und Leichnam als Element des Totenrechts (1979) S. 72.

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Aus dem Schrifttum: Stoecker Der Hirntod. Ein medizinisches Problem und seine moralphilosophische Transformation (2006); Akerma Lebensende und Lebensbeginn (2006) sowie das Schrifttumsverzeichnis bei Soergel/Stein § 1922 Rn. 1.

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c) Verschollenheit. Ist die Tatsache und der Zeitpunkt des Todes einer Gefahrsperson 136 nicht feststellbar, so ist sie für verschollen und in der Folge für tot zu erklären. Das Verfahren richtet sich nach dem „Gesetz über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit“.151 aa) Begriff der Verschollenheit und Todeserklärung. Nach § 1 VerschG ist verschol- 137 len, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder verstorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen gewöhnlicher Verschollenheit, Kriegsverschollenheit, Seeverschollenheit, Luftverschollenheit und Gefahrenverschollenheit. An die bloße Tatsache, dass ein Mensch verschollen ist, knüpfen sich dabei Rechtsfolgen grundsätzlich nicht an. Das geschieht erst durch die richterliche Entscheidung, die den Verschollenen für tot erklärt. Eine solche Todeserklärung kann unter den Voraussetzungen der §§ 3–7 VerschG erfolgen. Nach § 9 Abs. 1 VerschG begründet die Todeserklärung die Vermutung, dass der Ver- 138 schollene in dem im Beschluss festgestellten Zeitpunkt gestorben ist. Diese Vermutung begründet also eine Lebens- und Todesvermutung: Es wird vermutet, dass der Verschollene bis zu dem festgestellten Zeitpunkt gelebt habe, aber nicht über diesen Zeitpunkt hinaus. Die Vermutung gilt dabei bis zum Beweise der Unrichtigkeit. Der Beweis kann dabei auch als Indizienbeweis geführt werden, zur Widerlegung genügt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, die nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt.152 Da die Todeserklärung eine Vermutung schafft, dass der Verschollene verstorben sei, 139 treten als Folge der Todeserklärung die Rechtswirkungen ein, die sich an den Tod knüpfen. Die Wirkung der Todeserklärung erstreckt sich grundsätzlich auf alle, ohne Rücksicht auf ihre Beteiligung am Verfahren.153 bb) Keine ausdrückliche Regelung in den Bedingungswerken. Ist die Gefahrsperson 140 verschollen, so ist damit der Versicherungsfall – der Tod der Gefahrsperson – noch nicht eingetreten und der VR ist nicht zur Erbringung der Versicherungsleistung verpflichtet. Die Rechtslage ändert sich jedoch, wenn der Tod der Gefahrsperson zwar nicht bewiesen werden kann, nach den Umständen des Falles aber als sicher anzunehmen ist. Angesichts der Funktion der Todesfallversicherung, die Hinterbliebenen in einer Notlage zu schützen, muss im Hinblick auf die Todesfallversicherung ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit genügen, um den Versicherungsfall und die Fälligkeit der Versicherungssumme herbeizuführen.154 Dieser Grad von Wahrscheinlichkeit ist z.B. gegeben, wenn sich die verschollene Gefahrsperson zuletzt auf einem Schiffe befand, das nach dem Spruch des Seeamts für verloren erklärt wurde, wobei als vermutliche Ursache des Unterganges eine Minenexplosion angenommen wurde.155 Ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit ist stets gegeben, wenn der Versicherte in eine Lebensgefahr geraten und dabei verschollen ist oder wenn eine Todeserklärung erfolgt ist.

151 152 153

Gesetz vom 4. Juli 1935 in der Fassung vom 26. Juli 1957. BGH 21.1.1950 RzW 1959 239. Nähere Einzelheiten, ausführliche Schrifttumsnachweise und eine Übersicht über die Rspr. zur Todeserklärung mit Blick auf den

154 155

Lebensversicherungsvertrag (zumeist aus der Mitte des 20. Jahrhunderts) vgl. Bruck/Möller/Winter 8 G 5–7. So schon RG 13.3.1908 LZ 1908 Sp. 397. OLG Celle 17.12.1920 VA 1922 17 Nr. 1182.

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Die gerichtliche Todeserklärung als solche liefert nicht schon den Todesnachweis. In Bedingungswerken der Todesfallversicherung ist die Rechtswirkung der gesetzlichen Todesvermutung ausgeschaltet worden, indem der Nachweis des Todes an die Vorlegung bestimmter Belege, insbes. der Sterbeurkunde und eines ärztlichen Berichts geknüpft worden ist. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 ist dieser Nachweis jedoch auch auf anderem Wege möglich, sofern er dem VN billigerweise zugemutet werden kann. Ein solcher Nachweis ist aber die Todeserklärung.156 Weitere Belege als den Todeserklärungsbeschluss kann der VR nicht fordern. Andererseits kann der VR die Todeserklärung nicht unter allen Umständen fordern, nämlich dann nicht, wenn ihm der Tod bereits durch eine andere hinsichtlich der Todesfeststellung gleichwertige amtliche Urkunde – beispielsweise den Spruch des Seeamts – nachgewiesen wurde.157 Hat der VR bei einer Todeserklärung an den aus dem Versicherungsvertrag materiell 142 Berechtigten geleistet und kehrt der für tot Erklärte wieder zurück, so ist der VR nicht etwa freigeworden. Denn der Versicherungsfall war niemals eingetreten. Der VR hat daher gegen den Empfänger der Versicherungssumme einen Kondiktionsanspruch.158 3. Lebensversicherungsformen mit dem Todesfallrisiko

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Das Todesfallrisiko spielt – entweder allein oder im Zusammenhang mit anderen Risiken – eine Rolle in der Kapitalversicherung auf den Todesfall (Todesfallversicherung), in der gemischten Versicherung (Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall), bei der Kapitalversicherung auf verbundene Leben (Ehegatten-, Teilhaberversicherung), Termfixversicherung (Studienfinanzierungsversicherung, Aussteuerversicherung), Familienversorgungsversicherung, Kleinlebensversicherung, Sterbegeldversicherung, Risikoversicherung, Leibrentenversicherung mit Beitragsrückerstattung, Überlebensleibrentenversicherung, Zeitrentenversicherung, Riester-Rente, Rürup-Rente (nicht jedoch in der Grundform), bei der Vermögenswirksamen Lebensversicherung, der Fondsgebundenen Lebensversicherung, in den dynamischen Versicherungsformen, der Erbschaftssteuerversicherung, Hypothekentilgungsversicherung, Befreiungsversicherung, Fremdwährungsversicherung, in manchen Formen der Gruppenlebensversicherung und in der Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. Zu den einzelnen Formen der Todesfallversicherung und ihrer Ausgestaltung vgl. die 144 Einführung vor §§ 150–171 Rn. 35 ff. Zu weiteren Formen der Todesfall- und der gemischten Versicherung, z.B. mit betontem Erlebensfallcharakter bei (anfangs) nur geringem Hinterbliebenenschutz oder mit erhöhter Todesfallleistung (Schutz junger Familien mit Kindern) vgl. im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 167 Rn. 75 ff. sowie Bruck/Möller/Winter 8 G 185 ff. – die dort genannten Versicherungsformen werden auch weiterhin angeboten.

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Vgl. auch Prölss/Martin/Reiff/Schneider § 9 ALB, § 86 Rn. 2; a.A. das überwiegende Schrifttum, das die Todeserklärung mit dem Todesfall gleichsetzt: Biedermann Deutsche VersPresse 1919 87; Jähnel ZfV 1915 130;

160

157 158

Kalthoff ZfV 1913 400; Schmidt MDR 1950 17; Silber ZVersWiss 1926 425. OLG Celle 17.12.1920 VA 1922 17 Nr. 1182. Vgl. Schmidt MDR 1950 17, 18.

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II. Vorläufiger Versicherungsschutz hinsichtlich der für den Todesfall beantragten Leistungen Von Ausnahmen abgesehen ist im Gegensatz zu anderen Versicherungszweigen ein 145 vorläufiger Deckungsschutz in der Lebensversicherung vor 1977 in Deutschland nicht gewährt worden.159 Erst in diesem Jahre genehmigte die Aufsichtsbehörde dem ersten LebensVR einen Geschäftsplan für vorläufigen Versicherungsschutz nebst entsprechenden AVB. Um Missbräuchen vorzubeugen und um zu verhindern, dass der VR vor Abschluss einer Gesundheitsprüfung „unübersehbare, die Versichertengemeinschaft belastende Gesundheitsrisiken“160 übernimmt, wurden von Seiten der Aufsichtsbehörde Grundsätze aufgestellt, die nur die Gewährung eines beschränkten Deckungsschutzes ermöglichten: Der vorläufige Versicherungsschutz wurde auf die Fälle beschränkt, in denen die Gefahrsperson infolge eines Unfalls stirbt, zudem wurde die Höchstversicherungssumme auf DM 200.000 begrenzt. Um Manipulationen vorzubeugen, sollte der vorläufige Deckungsschutz erst mit dem zehnten Tage nach dem Antragsdatum beginnen. Er sollte mit dem Beginn des Versicherungsschutzes aus dem beantragten Versicherungsvertrag oder mit der Ablehnung des Versicherungsantrages durch den VR enden, spätestens mit Ablauf von zwei Monaten. Als grundsätzliche Voraussetzung für den vorläufigen Versicherungsschutz wurde bestimmt, dass der Antragsteller zuvor die erste Beitragsrate für den abzuschließenden Versicherungsvertrag zu entrichten hat.161 Nachdem im ersten Jahr bereits elf LebensVR Geschäftspläne für die Gewährung auch vorläufigen Versicherungsschutzes genehmigt worden waren, fand die vorläufige Deckungszusage schnell Verbreitung. Diskutiert wurden dabei insbes. zwei Fragenkreise: Zum einen die Erweiterung des vorläufigen Deckungsschutzes und zum anderen die Abkürzung der Karenzzeit. Zur ersten Problematik konnte man auf Erfahrungen in der Schweiz zurückgreifen, wo bereits seit längerem ein entsprechender erweiterter vorläufiger Versicherungsschutz angeboten wurde, ohne dass es dadurch zu Unzuträglichkeiten gekommen war, insbes. auch keine Erhöhung der Anzeigepflichtverletzungen festgestellt worden war. So wird seit 1981 auch in Deutschland vorläufiger Deckungsschutz für Todesfälle durch andere Ursachen als Unfall gewährt, soweit die Todesursache erst nach Antragstellung entstanden bzw. erkennbar geworden ist.162 Ist eine bereits zuvor entstandene bzw. erkennbare Ursache für den Todesfall kausal geworden, so trifft den VR die Beweislast für diesen Ausschluss von der Gefahrtragung. Das mit der Erweiterung der vorläufigen Deckungszusage verbundene Abstellen auf den Gesundheitszustand der Gefahrsperson zur Zeit der Antragstellung erscheint für die Durchführung der Risikoprüfung nach heutigen Erkenntnissen als ausreichend, so dass es konsequenterweise auch als vertretbar erscheint, die Verpflichtung des Antragstellers abzubedingen, jede bis zur Annahme des Versicherungsantrages noch eintretende nicht unerhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Gefahrsperson dem VR anzuzeigen.163 Zur Problematik der Verkürzung der Karenzzeit konnte gleichfalls auf Erfahrungen in der Schweiz zurückgegriffen werden, wo der vorläufige Versicherungsschutz in der Lebensversicherung schon zuvor mit Eingang des Versicherungsantrages bei einer Generalagentur oder der Direktion des VR beginnen konnte. Die Karenzzeit war wegen der Gefahr der Erschleichung des Versicherungsschutzes durch die Rückdatierung des Versicherungsantrages eingeführt worden, 159

160

Vgl. dazu OLG Hamm 20.5.1975 VersR 1976 144; LG München 24.6.1958 VersR 1958 590, 591; Freytag ZfV 1971 570; Theda VW 1974 1068 f. BAV VerBAV 1977 34.

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BAV VerBAV 1977 34. Bedenken dagegen äußerte Werber ZVersWiss 1984 331, 333. BAV VerBAV 1981 182.

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wobei als Alternative zur Zehntagesfrist zunächst auch überlegt wurde, den vorläufigen Versicherungsschutz erst mit Eingang des Versicherungsantrages bei der Hauptverwaltung des VR beginnen zu lassen. Dagegen sprach jedoch, dass der Antragsteller auf die unverzügliche Weiterleitung des Antrags durch den Versicherungsvertreter an die Hauptverwaltung grundsätzlich keinen Einfluss hat und Versäumnisse des Versicherungsvertreters nicht dem Antragsteller angelastet werden sollten. Es sei auch nicht angängig, den vorläufigen Deckungsschutz erst mit einer besonderen Bestätigung zu gewähren, die der VR abgibt, nachdem der Versicherungsantrag bei der Hauptverwaltung eingegangen ist. Die Belange der Versicherten sind nur dann ausreichend gewahrt, wenn der VN bei der Antragstellung erfährt, wann genau der vorläufige Versicherungsschutz beginnt. Angesichts dessen, dass auch mit Hilfe einer großzügig bemessenen Frist wie der Zehntagesfrist die Gefahr von Manipulationen nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, wurden interne Sicherungsmaßnahmen der VR vorgeschlagen, die sich in den Arbeitsanweisungen für den Außendienst niederschlagen sollten, wie z.B. die Bestimmung, dass der Versicherungsvertreter den Antrag spätestens nach drei Tagen der zuständigen Bezirksdirektion oder Geschäftsstelle einzureichen hat.164 Angesichts solcher Vorkehrungen konnte die Karenzzeit auf fünf bzw. drei Tage verkürzt und auch eine Regelung eingeführt werden, wonach der vorläufige Versicherungsschutz mit dem Tage der Antragstellung beginnt.165 Zur Problematik der vorläufigen Deckungszusage in der Lebensversicherung wird 146 verwiesen auf Bruck/Möller/Höra §§ 49–52. Dort sind im Anhang zu §§ 49 ff. auch die GDV-Musterbedingungen vorläufiger Deckungsschutz von 2009 wiedergegeben. Auch die Rechtsprechung, mit denen die Klausel zum Ausschluss der Leistungspflicht bei Ursachen, nach denen im Antrag gefragt worden ist, beanstandet wurde,166 ist in der Vorbemerkung zu §§ 49–52 Rn. 29 ff. erörtert. Zur Inhaltskontrolle bei der „Zwei-MonatsFrist“ in der Lebensversicherung167 vgl. die Regelung des § 52 und die dortige Kommentierung.

§ 151 Ärztliche Untersuchung Durch die Vereinbarung einer ärztlichen Untersuchung der versicherten Person wird ein Recht des Versicherers, die Vornahme der Untersuchung zu verlangen, nicht begründet. Schrifttum Borchert Zur Unwirksamkeit der Schweigepflichtentbindungserklärung in Versicherungsverträgen, NVersZ 2001 2; Fricke Die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten – Anmerkungen zu § 213 VVG – VersR 2009 297; Knappmann Verpflichtung zur Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht nach dem Tod des Versicherten, NVersZ 1999, 511; Neuhaus/Kloth Gesundheitsdaten(schutz) im Versicherungsrecht – Der aktuelle Stand, NJW 2009 1707; Petri Datenschutzrechtliche Einwilligung im Massengeschäftsverkehr, RDV 2007 153; Präve Das Gendiagnostikgesetz aus versicherungsrechtlicher Sicht, VersR 2009 857; Schleifenbaum Datenschutz

164 165

Ausführlich Gerlach VerBAV 1978 72 f. VersPrax 1983 12; vgl. auch Werber ZVersWiss 1984 330. Zu den Problemen der vorläufigen Deckung in der Lebensversicherung wird insbes. auch auf die grundlegende Arbeit von Grebe Die vorläufige Deckungs-

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166 167

zusage unter Berücksichtigung ihrer Handhabung in der Lebensversicherung (1987) hingewiesen. BGH 21.2.2001 VersR 2001 489. BGH 3.4.1996 VersR 1996 743.

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Ärztliche Untersuchung

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und Tatenschutz in der Versicherungswirtschaft (2009); Weichelt Die Krux mit der ärztlichen Schweigepflichtentbindung für Versicherungen, NJW 2004 1695; Wicki Grenzen der ärztlichen Geheimhaltungspflicht, Diss. Zürich (1972); You Der zivilrechtliche Schutz der Persönlichkeit bei der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht, Diss. Heidelberg (1978)

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . Ärztliche Untersuchung . . . . . . . Vereinbarung einer ärztlichen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . II. Risikoausschlüsse bei Lebensversicherungen ohne ärztliche Untersuchung

. . . . .

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1 1 2 4

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5

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Rn. III. Rechtliche Beziehungen zwischen Arzt und Versicherer . . . . . . . . . . . . . IV. Arzt als Auge und Ohr des Versicherers . V. Weitere ärztliche Aufklärung . . . . . . C. Schweigepflicht des Arztes und Schweigepflichtentbindung . . . . . . . . . . . . I. Ärztliches Berufsgeheimnis . . . . . . . II. Schweigepflichtentbindung . . . . . . . D. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

11 14 17 21 21 26 31

A. Einleitung I. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift des § 151 hat inhaltlich unverändert § 160 VVG a.F. übernommen. 1 Eine objektive und sachgerechte Einschätzung des Lebensversicherungsrisikos erfordert eine detaillierte und vollständige Kenntnis der Gesundheitsverhältnisse der zu versichernden Person. Da die persönliche Beantwortung von Gesundheitsfragen durch den VN häufig nicht ausreicht, sind VR darauf angewiesen, von Ärzten, die die zu versichernde Gefahrsperson untersucht haben, Auskünfte zu erhalten. In der Lebensversicherung wird die Annahmeerklärung des VR und damit der Vertragsschluss bei Überschreitung bestimmter Versicherungssummen daher von einer ärztlichen Aufnahmeprüfung der Gefahrsperson abhängig gemacht. Bei Schaffung des VVG hatten VR in die Antragsformulare teilweise eine Bestimmung eingefügt, nach der der VN verpflichtet war, innerhalb einer bestimmten Frist die Untersuchung durch einen Vertrauensarzt des VR vornehmen zu lassen, im Falle der Nichterfüllung dieser Verpflichtung aber eine Vertragsstrafe zu bezahlen, die beispielsweise in dem einfachen oder doppelten Betrag einer Jahresprämie bestand. Eine solche Vertragsstrafe bedeutete für den VN ein ganz erhebliches Opfer, das „außer allem Verhältnisse zu dem Zwecke der ganzen Strafbestimmung (bestehe) durch die der Versicherer im Grunde nur verhüten will, dass Personen, die er als VN zu gewinnen Aussicht hat, sich in der Zwischenzeit durch Agenten eines anderen Unternehmens abspenstig machen und bewegen lassen, bei diesem Unternehmer Versicherung zu suchen“. Eine derartige Vertragsstrafe sei zudem auch deswegen nicht gerechtfertigt, als bis zu Beginn der ärztlichen Untersuchung dem VR besondere Kosten nur ausnahmsweise erwachsen und er seine Interessen dadurch wahren kann, dass er sich etwaige Auslagen erstatten lässt. Wenn nun nach der Vorschrift des § 160 a.F. ein Recht des VR, die Vornahme der Untersuchung zu fordern, nicht begründet werden kann, bedeutet das zugleich, dass die für den Fall der Nichterfüllung des Versprechens getroffene Vereinbarung einer Strafe unwirksam ist.1 Wie sich aus den Motiven ergibt, hatte der Gesetzgeber zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf einen Missstand reagieren wollen, zu dem es seitdem nicht mehr gekommen ist. 1

Motive 218, 219.

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§ 151

Kapitel 5: Lebensversicherung

II. Inhalt und Zweck der Regelung 2

Mit der Vorschrift des § 151 findet das Interesse des VR an der Durchführung einer ärztlichen Untersuchung dem Prinzip nach Anerkennung. Die Untersuchung stellt jedoch einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Gefahrsperson dar. Daher kann der VR nicht verlangen, dass sich die Gefahrsperson einer derartigen Untersuchung vor Abschluss des Versicherungsvertrages unterwirft. Die Untersuchung kann aber vereinbart und mit Einverständnis der Gefahrsperson 3 auch durchgeführt werden. § 151 schützt die freie Willenserklärung des Betroffenen, so dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt bleibt. Entscheidend ist das Einverständnis. Nach § 151 i.V.m. § 309 Nr. 6 BGB verbietet sich auch die Vereinbarung einer selbstständigen Vertragsstrafe, die Regelung des § 151 darf nicht umgangen werden.2 Werden personenbezogene Daten durch den VR erhoben, so sind die gesetzlichen Vorgaben des § 213 zu beachten.

III. Anwendbarkeit 4

Die Vorschrift ist anwendbar auf sämtliche Lebensversicherungsformen, soweit bei ihnen eine ärztliche Untersuchung erforderlich sein kann. Sie ist daher beispielsweise bei Kapitalisierungsgeschäften ohne Bedeutung, ist jedoch gemäß § 176 entsprechend anwendbar auf die Berufsunfähigkeitsversicherung.

B. Ärztliche Untersuchung I. Vereinbarung einer ärztlichen Untersuchung 5

Grundsätzlich verlangt der VR vor dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages die Beantwortung von Fragen zum gesundheitlichen Zustand der Gefahrsperson. Werden bestimmte Versicherungssummen überschritten oder ergeben sich Anhaltspunkte für ein möglicherweise erhöhtes Risiko, so kann es zu einer ärztlichen Untersuchung kommen. Es ist aber auch durchaus nicht selten, dass der VR auf die Beantwortung von Gesundheitsfragen und Untersuchungen verzichtet, beispielsweise um einen interessanten Kundenkreis – z.B. Bausparer – zu erschließen. Nimmt der VR den Antrag an, ohne dass die Untersuchung stattgefunden hat, so 6 kann er sich später auf diesen Mangel nicht berufen. Der Vertrag ist gleichwohl rechtswirksam zustande gekommen, eine nachträgliche Untersuchung kann nicht mehr gefordert werden. Der VN ist auch nicht verpflichtet, das sich etwa in seinen Händen befindliche Untersuchungsergebnis an den VR herauszugeben. Denn wenn der Versicherungsvertrag durch die Annahmeerklärung des VR bereits rechtswirksam zustande gekommen ist, so kann er nicht nachträglich durch den – möglicherweise ungünstigen – Untersuchungsbefund beeinflusst werden, sofern der VR nicht wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vom Vertrage zurücktreten bzw. die Prämie erhöhen kann. Der VR kann

2

BK-Schwintowski § 160 Rn. 2; zur Stellung des Arztes im Übrigen vgl. ausführlich Bruck/Möller/Winter 8 C 264–275.

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Ärztliche Untersuchung

§ 151

die Annahmeerklärung auch nicht nach § 119 Abs. 2 BGB anfechten, da die ärztliche Untersuchung die Angaben des Antragstellers über seinen Gesundheitszustand im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht ergänzen soll. Soweit die vorvertragliche Anzeigepflicht reicht, ist das Recht zur Irrtumsanfechtung ausgeschlossen. Nur das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wird davon nicht berührt, §§ 22 VVG, 123 BGB. Im Rahmen der Prüfung dieses Rechtsbehelfs kann der VN jedoch nach §§ 810, 811 BGB zur Vorlage des Untersuchungsergebnisses verpflichtet sein. Hat die Untersuchung zu einem ungünstigen Ergebnis geführt, sodass der VR nach seinem Geschäftsplan oder seiner sonstigen Praxis den Versicherungsantrag nicht oder nur unter Einschränkungen – wie Risikobegrenzungen oder Prämienzuschlägen – angenommen hätte, hat er ihn aber gleichwohl ohne alle Einschränkungen angenommen, so ist der Vertrag gleichfalls wirksam zustande gekommen. Mit der Vorschrift des § 151 wird dem VR nicht etwa die Möglichkeit genommen, 7 einen Lebensversicherungsvertrag ohne ärztliche Untersuchung anzunehmen. Für die vor dem 29.7.1994 abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge (Altbestand nach § 11c VAG) sind die aufsichtsrechtlichen Höchstsummen3 zu beachten. Bei der Ermittlung der Versicherungssumme für Versicherungen ohne ärztliche Untersuchung ist grundsätzlich das riskierte Kapital zugrunde zu legen (bei Tarifen, die eine planmäßige Erhöhung der Versicherungssummen vorsehen, ist durch geeignete Maßnahmen – beispielsweise durch eine entsprechende Begrenzung der Anfangsversicherungssumme ohne ärztliche Untersuchung – der Tatsache Rechnung zu tragen, dass das riskierte Kapital im Verlaufe der Versicherungsdauer zunächst ansteigt. Zulässig ist mit Blick auf § 151 die Vereinbarung einer Eventualklausel, wonach der 8 VR den Antrag auch ohne Untersuchung annehmen kann, sofern die Untersuchung nicht innerhalb der ersten vier Wochen seit Antragstellung erfolgt. In solchen Fällen gilt nach der Eventualklausel die Höchstsumme für Versicherungen ohne Untersuchung als beantragt, sofern die beantragte Versicherungssumme die nach dem Geschäftsplan für Versicherungen ohne Untersuchung zulässige Summe übersteigt.4 Insbesondere kann auch nicht eingewandt werden, es fehle bei dieser Klausel dem Antrag und der Annahme an der erforderlichen Bestimmbarkeit.5 Auch wenn § 151 kein Recht des VR auf eine ärztliche Untersuchung gewährt, so 9 bedeutet das nicht, dass der VR den Antrag des VN wegen des Untersuchungsergebnisses nicht ablehnen kann.

II. Risikoausschlüsse bei Lebensversicherungen ohne ärztliche Untersuchung Bei einer Lebensversicherung ohne ärztliche Untersuchung kann der VR als Ausgleich 10 für die Übernahme eines höheren Risikos angemessene Ausschlüsse vereinbaren. Das gilt auch für den Fall, dass der VR auf Gesundheitsfragen generell verzichtet hat. Übernimmt der VR bei einer Lebensversicherung für die „dreijährige Aufbauzeit“ nach Vertragsschluss nur das Unfallrisiko (wobei der Tod innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein muss) und erst anschließend das gesamte Lebensversicherungsrisiko, so ist der Ausschluss nach § 305c BGB nicht Vertragsbestandteil geworden, wenn der VN auf-

3 4

Zuletzt VerBAV 1986 305: DM 250.000. BK-Schwintowski § 160 Rn. 2; LG Hamburg 23.5.1952 VersR 1952 419.

5

LG Hamburg 23.5.1952 VersR 1952 419.

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§ 151

Kapitel 5: Lebensversicherung

grund eines auf diese Versicherung bezogenen Werbeschreibens des VR den Eindruck gewinnen konnte, dass es sich um eine verbindliche und unbedingte Leistungsverpflichtung bei Unfalltod handelt.6 Zumal die Voraussetzung eines Todeseintritts innerhalb eines Jahres nach dem Unfall für Lebensversicherungen nicht üblich ist, überzeugt das Urteil des LG Wiesbaden, auch wenn der VR die gezahlten Beiträge erstatten wollte.

III. Rechtliche Beziehungen zwischen Arzt und Versicherer 11

Der untersuchende Arzt ist für Rechnung und im Auftrage des VR tätig, soweit es sich um die ärztliche Untersuchung und um die Ausfertigung des ärztlichen Zeugnisses handelt. Der Versicherte vertritt den VR bei Abschluss des Arztvertrages. Das ärztliche Zeugnis, das ein Arzt am Wohnort des Antragstellers dazu anfertigt, ist das Ergebnis einer eingehenden Befragung und sorgfältigen Untersuchung der Gefahrsperson. Die Untersuchungsformulare und die darin enthaltenen Fragen sind so abgefasst, dass sie bei normalem Befund nur kurz, bei krankhaftem Befund dagegen ausführlich zu beantworten sind. Die rechtlichen Beziehungen zwischen dem VR und dem untersuchenden Arzt, deren 12 nähere Regelung durch besondere Abkommen erfolgt, stellen sich als Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB dar, da der VR durch die Untersuchung der Gefahrsperson in die Lage versetzt werden soll, sich ein ausreichendes Urteil über ihren Gesundheitszustand zu bilden. Es handelt sich somit um einen Erfolg, der durch die Tätigkeit des untersuchenden Arztes herbeigeführt werden soll.7 Die Kosten der ärztlichen Untersuchung trägt der VR im Verhältnis zum Arzt.8 Ein Versehen bei der ärztlichen Untersuchung und dem darauf aufbauenden Zeugnis 13 geht damit zu Lasten des VR. Der Arzt haftet dem VR gegenüber für eine Schlechterfüllung des Werkvertrages wie z.B. wegen verspäteter Einsendung des Zeugnisses nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Der Arzt ist im Rahmen dieser Tätigkeit nicht Vertreter des VN oder der Gefahrsperson.

IV. Arzt als Auge und Ohr des Versicherers 14

Neben der untersuchenden und begutachtenden Tätigkeit ist der untersuchende Arzt zur Entgegennahme von Erklärungen auf bestimmte Fragen verpflichtet, die der VR anhand ausführlicher Fragebogen über die gesundheitlichen Verhältnisse der Gefahrsperson und ihrer Angehörigen aufstellt. Die Zuziehung des Arztes erfolgt, damit die sich auf den Gesundheitszustand der Gefahrsperson beziehenden Fragen sachgerecht beantwortet werden können. Diese Tätigkeit des Arztes ist rechtlich grundsätzlich nicht anders zu bewerten als die Tätigkeit des bei der Beantwortung der vorvertraglichen Fragen mitwirkenden Versicherungsvertreters, denn die Erklärungen des VN bzw. der Gefahrsperson über seine bzw. ihre gesundheitlichen Verhältnisse gegenüber dem Arzt sind Bestandteil der dem VN bzw. der Gefahrsperson bei Vertragsschluss auferlegten Anzeigepflicht. Der untersuchende Arzt ist also Auge und Ohr des VR. Dem VR ist das Wissen

6 7

LG Wiesbaden 11.1.1990 VersR 1991 210, 211. A.A. RG 1.9.1912 Wallm. 47 489, das ohne

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8

nähere Begründung einen Dienstvertrag annimmt. AG Hamburg 22.1.1953 VersR 1953 235.

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Ärztliche Untersuchung

§ 151

des mit der Anfertigung eines ärztlichen Zeugnisses beauftragten Arztes allerdings nur insoweit zuzurechnen, wie dieser es durch den Antragsteller im Rahmen der „Erklärung vor dem Arzt“ erlangt, eine Zurechnung erfolgt nicht hinsichtlich des „Untersuchungsbefundes“ in Abschnitt II des ärztlichen Zeugnisses. Nur bezogen auf Abschnitt I des Zeugnisses ist der untersuchende Arzt also Auge und Ohr des VR. Eine weitergehende Zurechnung von Wissen, die sich für den Arzt aus früheren Untersuchungen und Behandlungen ergeben hat, scheidet aus. Auch für den Versicherungsvertreter kommt eine Zurechnung nur für Kenntnisse in Betracht, die in Zusammenhang mit der Aufnahme und Bearbeitung des Antrages für die jeweilige Versicherung stehen. Würde das Augeund-Ohr-Prinzip bei dem eingeschalteten Arzt auf sämtliche jemals beruflich erlangte Informationen erweitert, würde das – verglichen mit dem Versicherungsagenten – zu einer nicht gerechtfertigten Erweiterung der Zurechnung führen. Für sie besteht schon deswegen keine Ursache, weil der Pflichtenkreis des beauftrag- 15 ten Arztes nicht weiter, sondern enger gezogen ist als der des Versicherungsvertreters. Der Hausarzt ist zwar passiver Stellvertreter des VR, er ist aber nicht gehalten, etwa Beratungs- oder andere weitergehende Pflichten gegenüber dem Antragsteller in Verbindung mit der Versicherung wahrzunehmen.9 Nur das, was dem Arzt zur Beantwortung der vom VR vorformulierten Fragen von dem zu Untersuchenden gesagt wird, ist dem VR gesagt, auch wenn der Arzt die ihm erteilten Antworten nicht in die Erklärung aufnimmt.10 Verzögerungen bei der Weiterleitung des Untersuchungsergebnisses an den VR sind unerheblich. Wird von dem VN substantiiert geltend gemacht, dass er den Arzt mündlich zutreffend unterrichtet hat, obliegt es dem VR zu beweisen, dass das nicht der Fall ist.11 Fügt der Arzt der zu versicherten Person bei der Untersuchung Schäden zu, hat der VR nach § 278 BGB dafür einzustehen. Wenn die Gefahrsperson von der Unrichtigkeit einer ärztlichen Angabe erfährt, so hat 16 sie für eine Berichtigung Sorge zu tragen.

V. Weitere ärztliche Aufklärung Oft reicht eine einmalige ärztliche Untersuchung nicht aus, um das Risiko ab- 17 schließend zu beurteilen. So empfiehlt auch der die Aufnahmeuntersuchung durchführende Arzt nicht selten ergänzende Untersuchungen oder fachärztliche Sondergutachten. Zur Aufhellung ungeklärter Fragen sind auch Berichte von Hausärzten oder anderen Ärzten erforderlich, die die Gefahrsperson früher behandelt haben. Dasselbe gilt für Krankenhäuser, in denen sich die Gefahrsperson aufgehalten hat. Solche Berichte sollen aber nur auf der Grundlage vorhandener Krankenbefunde oder sonstiger Aufzeichnungen erstattet werden, und nicht aufgrund einer neuen ärztlichen Untersuchung. Alles zusammen erst ergibt das Bild, das der VR zur Einschätzung des Risikos benötigt. Das gilt erst recht, wenn eine ärztliche Aufnahmeuntersuchung für die beantragte 18 Lebensversicherung nicht erforderlich ist und der VR auf die Angaben des VN bzw. der Gefahrsperson im Fragebogen angewiesen ist. Die Angaben bedürfen der Überprüfung. Das geschieht insbesondere dadurch, dass die Ärzte, die die Gefahrsperson zuvor untersucht haben, vor allem auch der Hausarzt, um die Erstattung eines Berichts gebeten wer-

9 10

BGH 11.2.2009 VersR 2009 529, 530. BGH 7.3.2001 VersR 2001 620 unter 2b m.w.N.; BGH 11.2.2009 VersR 2009 529,

11

530, Langheid/Wandt/Heiss/Mönnich § 151 Rn. 8. BGH 21.11.1989 VersR 1990 77, 78.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

den. Auch solche Berichte, denen die Schweigepflicht des Arztes entgegensteht, können nur erstattet werden, soweit sie durch eine Schweigepflichtentbindung abgedeckt sind.12 Schließlich kann der VR auch ein Interesse daran haben, über die Untersuchungen 19 und ärztlichen Behandlungen der Gefahrsperson nach Abschluss des Vertrages orientiert zu werden, um auch auf diese Weise die vorvertraglichen Angaben des VN zu überprüfen und über die Entwicklung des Risikos unterrichtet zu bleiben. Die Anforderung solcher Unterlagen und Berichte dürfte allerdings nur im Ausnahmefall zulässig sein, auch hier bedarf es einer Entbindung von der Schweigepflicht. Dasselbe gilt für den Fall, dass sich der VR bemüht, die Ursachen zu klären, die zum 20 Tode der Gefahrsperson führten. Das ist von Bedeutung für die Frage, ob die Gefahrsperson beispielsweise Selbstmord begangen hat oder einen Unfall erlitt, der für den Tod ursächlich war. Auch hierzu können Auskünfte nur eingeholt werden, soweit sie von der Schweigepflichtentbindung abgedeckt sind.13

C. Schweigepflicht des Arztes und Schweigepflichtentbindung I. Ärztliches Berufsgeheimnis 21

Nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB werden Ärzte und andere Angehörige eines Heilberufs mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht, wenn sie unbefugt ein fremdes – namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes – Geheimnis offenbaren, das ihnen als Angehörigen dieses Personenkreises bekannt geworden ist. Neben diese strafrechtlich sanktionierte Schweigepflicht tritt als prozessuales Korrelat das Zeugnisverweigerungsrecht der §§ 53 Abs. 1 Nr. 3, 53a StPO, ergänzt durch § 97 StPO, der der Strafverfolgungsbehörde den Zugriff auf die im Besitze des Arztes befindlichen Korrespondenzen, Krankengeschichten, Untersuchungsbefunde und anderen derartigen Dokumente verwehrt. Weil das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und seinem Patienten in beson22 derem Maße der Privatsphäre angehört, genießt es aber nicht nur den Schutz dieser Vorschriften, sondern untersteht darüber hinaus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.14 Der Diskretionsschutz bemisst sich also auch nach der Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Schweigepflicht unterliegen alle Umstände, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung derjenige, den sie angehen, ein von seinem Standpunkt aus sachlich begründetes Interesse hat oder bei eigener Kenntnis haben würde. Geheimnischarakter haben beispielsweise Krankheitsbefunde, körperliche Besonderheiten, psychische Abartigkeiten und ungünstige Charaktermerkmale. Der geschützte Geheimbereich erstreckt sich weit, es macht keinen Unterschied, ob die fragliche Tatsache dem Betroffenen bekannt ist oder nicht. Die lange strittige Frage, ob die Schweigepflicht über den Tod des Betroffenen fortdaure, hat der Gesetzgeber in § 203 Abs. 4 StGB positiv entschieden. Der Arzt darf das Geheimnis preisgeben, wenn und soweit der Geschützte damit ein23 verstanden ist, wobei der Patient die Aufhebung der Schweigepflicht sachlich und zeitlich

12 13

Dazu sogleich unter Rn. 27 ff. Hinsichtlich solcher Auskünfte und Nachweise vgl. beispielsweise § 11 (3) GDV-

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14

Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung. OLG Celle 30.9.1964 NJW 1965 362.

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Ärztliche Untersuchung

§ 151

begrenzen kann. Das geschieht im Versicherungswesen durch eine Schweigepflichtentbindung. Soweit es sich um die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten und die dazu erforderliche Datenschutzermächtigungsklausel handelt, wird auf § 213 und die dazu erfolgte Kommentierung verwiesen. Der Umfang der den untersuchenden Arzt treffenden Schweigepflicht richtet sich 24 danach, wem gegenüber sie zu beobachten ist. Dem VR kann die Schweigepflicht durch den die Aufnahmeuntersuchung vornehmenden Arzt nicht entgegengehalten werden. Die ärztliche Untersuchung erfolgt im Auftrage des VR und in der der Gefahrsperson bekannten Absicht, dass das Ergebnis der Untersuchung für den VR die Grundlage für die Entscheidung über den Versicherungsantrag werden soll. Findet die ärztliche Untersuchung statt, dann ist es selbstverständlich, dass ihre Ergebnisse dem VR mitgeteilt werden dürfen, ohne dass es einer besonderen ausdrücklichen Ermächtigung des VN bedarf.15 Die Einwilligung des VN erfolgt konkludent. Anders kann es sich im Verhältnis zum VN verhalten. Zwar tritt der Arzt dem Untersuchten in einem solchen Falle nicht als ärztlicher Ratgeber, sondern als Beauftragter des VR gegenüber und soll die Ergebnisse der Untersuchung auch deshalb dem Untersuchten nicht mitteilen können, weil diese ärztliche Untersuchung nur ein Glied in der Kette von Erhebungen bilde, die der VR zur Erfassung des ihm angebotenen Risikos vornehmen lässt. Damit in Einklang stände, dass der VN nach § 3 Abs. 4 Satz 1 zwar eine Abschrift seiner eigenen Erklärungen von dem untersuchenden Arzt verlangen kann, nicht aber auch eine Kopie von dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung16 – eine Auffassung, die angesichts der alleinigen Dispositionsbefugnis der Gefahrsperson über ihre Daten als höchst zweifelhaft erscheint und heute nicht mehr vertretbar ist. Selbstverständlich besteht die Schweigepflicht gegenüber allen übrigen Personen und 25 Beteiligten.

II. Schweigepflichtentbindung Die Entbindung von der Schweigepflicht ist eine vertragliche Nebenpflicht/Obliegen- 26 heit des VN bzw. der Gefahrsperson17 oder Voraussetzung für die Annahme des Versicherungsantrages. Sie braucht nicht gegenüber dem Arzt usw. erklärt zu werden, sondern es genügt die Ermächtigung an den VR zur Einholung von Auskünften und dergleichen. Die Ermächtigung kann zwar widerrufen werden, der VN würde damit jedoch gegen seine Vertragspflichten verstoßen und damit Gefahr laufen, seinen Leistungsanspruch zu verlieren.18 Von der Schweigepflicht kann nur derjenige entbinden, zu dessen Gunsten sie besteht. 27 In erster Linie somit der VN, wenn er zugleich auch Gefahrsperson ist. Ist ein anderer als der VN die Gefahrsperson, so muss diese einverstanden sein. Es bedarf hier nicht der Konstruktion einer Einwilligung infolge der Geltung entspre- 28 chender Bedingungsklauseln. Das wäre auch bedenklich, denn die Ermächtigung, die erforderlichen Erhebungen anzustellen, ist nicht ohne Weiteres als Entbindung von der

15 16

So schon OLG Hamburg 28.4.1909 Wallm. 43 2351. LG Hamburg 6.1.1951 VersR 1951 47; zu § 3 Abs. 4 Satz 1 vgl. Bruck/Möller/Knops § 3 Rn. 15.

17 18

OLG Köln 22.2.1928 JRPV 1928 284. OLG Celle 16.3.1966 VersR 1966 870.

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§ 151

Kapitel 5: Lebensversicherung

Schweigepflicht für den Befragten auszulegen. In der Praxis befindet sich die Schweigepflichtentbindung auf dem Antragsformular, das vom antragstellenden VN sowie von der Gefahrsperson unterzeichnet wird, sofern die Gefahrsperson nicht mit dem VN identisch ist. Erteilt der Betroffene eine solche Einwilligung zur Weitergabe ärztlicher Erkenntnisse, so handelt der Arzt usw. nicht rechtswidrig, die Einwilligung ist ein Rechtfertigungsgrund. Die Entbindung von der Schweigepflicht ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit einem stark ausgeprägten persönlichen Bezug und vergleichbar der Einwilligung in ärztliche Eingriffe, Freiheitsbeschränkungen usw.19 Die Schweigepflichtentbindungsklausel wird als Teil des Antrages auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, weil es sich um eine vorformulierte Bedingung für eine Vielzahl von Verträgen handelt, durch die Rechte und Pflichten auch für die Vertragsdauer konkretisiert und begründet werden. Wenn der Antragsteller die Klausel ganz oder teilweise streichen würde, so müsste er damit rechnen, dass sein Antrag durch den VR nicht angenommen würde. Die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erfolgt, damit der VR anhand der 29 Gesundheitsdaten entscheiden kann, ob er das Risiko übernehmen kann und das zu normalen Bedingungen möglich ist. Darüber hinaus muss der VR sich und damit die durch ihn repräsentierte Versichertengemeinschaft durch die Rückfragemöglichkeit auch vor unwahren Angaben und damit vor betrügerischen Manipulationen schützen. Dazu dient auch die Ermächtigung für den Leistungsfall. Diese Zweckbestimmung kommt auch in der Schweigepflichtentbindung zum Ausdruck, da der Antragsteller den VR ermächtigt, „zur Nachprüfung und Verwertung“ der vom VN bzw. der Gefahrsperson gemachten Angaben über die Gesundheitsverhältnisse bei den behandelnden Ärzten usw. nachzufragen. Darüber hinaus ist der zu befragende Personenkreis genau begrenzt. Der Antragsteller weiß aber angesichts der ihm in dem Antragsformular vorgelegten Fragen und aufgrund der Formulierung in der Entbindungsklausel, dass alleiniger Gegenstand der Auskunft, die der VR bei seinen Ärzten bzw. den infrage kommenden Krankenanstalten einholt, die medizinische Feststellung des Gesundheitszustandes ist. Auch der Zeitraum, auf den sich die Befragung bezieht, ist deutlich bestimmt und erscheint als sachgerecht. Der Einwilligende kann die Bedeutung und Tragweite seiner Einwilligung erkennen. Angesichts des eingegrenzten Umfangs der Klausel, des fest umrissenen Kreises der Betroffenen und der zeitlichen Limitierung wird der VN – dem die Interessen der Versichertengemeinschaft entgegenzuhalten sind – auch unter Berücksichtigung seines durch Art. 2 GG garantierten Persönlichkeitsrechts durch die Schweigepflichtentbindungsklausel nicht unangemessen benachteiligt. Der Überlegung, dass dem berechtigten Interesse der VR Genüge getan werde, wenn dem VN die Obliegenheit auferlegt wird, den VR von Fall zu Fall zur Einholung der Auskunft zu ermächtigen und die Auskunftsstelle von der Schweigepflicht zu entbinden, kann nicht gefolgt werden – sie wäre zu unpraktikabel.20 Zu den in Zusammenhang mit dem Beschluss des BVerfG von 2006 21 diskutierten 30 datenschutzrechtlichen Problemen22 wird hier nicht Stellung genommen und stattdessen

19

20

Vgl. nur Schwintowski/Brömmelmeyer/Klär § 213 VVG Rn. 26; wäre sie als geschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren, so wären die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechend anzuwenden. Unter Verstoß gegen eine zeitlich begrenzte Schweigepflichtentbindung erhobene Gesundheitsdaten können aufgrund einer

170

21 22

Güterabwägung vom VR jedenfalls dann verwertete werden, wenn der VN Vorerkrankungen arglistig verschwiegen hat (OLG Saarbrücken 9.9.2009 VersR 2009 1478, 1479). BVerfG 23.10.2006 VersR 2006 1669 ff. Dazu Fricke VersR 2009 297 ff.

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Widerruf des Versicherungsnehmers

§ 152

auf die Kommentierung zu § 213 verwiesen. Die Zulässigkeit der Erhebung von Gesundheitsdaten ist dabei durch das Gericht nicht vom Amts wegen zu prüfen.23 Ist die Schweigepflichtentbindung zu weit gefasst und ist sie deshalb unwirksam und erlangt der VR infolge der Schweigepflichtentbindung Informationen, die eine arglistige Täuschung durch den VN aufzudecken geeignet sind, so vermag die Güterabwägung zu ergeben, „dass der VR weder unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) an der Anfechtung noch wegen eines prozessualen Verwertungsverbots an der Einführung der gewonnenen Erkenntnisse in einem Rechtsreit gehindert ist“.24

D. Keine Abdingbarkeit § 151 ist in § 171 nicht erwähnt, die Vorschrift ist jedoch nicht abdingbar, sie ist 31 zwingend. Denn eine Abweichung von § 151 würde eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zur Folge haben, Art. 2 Abs. 1 GG.

§ 152 Widerruf des Versicherungsnehmers (1) Abweichend von § 8 Abs. 1 Satz 1 beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage. (2) Der Versicherer hat abweichend von § 9 Satz 1 auch den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen. Im Fall des § 9 Satz 2 hat der Versicherer den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder, wenn dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist, die für das erste Jahr gezahlten Prämien zu erstatten. (3) Abweichend von § 33 Abs. 1 ist die einmalige oder die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen.

Schrifttum Armbrüster Das allgemeine Widerrufsrechts im neuen VVG, RuS 2008 493; Claussen Widerrufsrecht bei Versicherungsverträgen, JR 1991 360; Derleder Die Restschuldversicherung zwischen Inhalts- und Äquivalenzkontrolle, VuR 2007 241; Freitag Die Unanwendbarkeit der bürgerlichrechtlichen Verbundvorschriften (§§ 358, 359 BGB) auf die Restschuldversicherung, VersR 2009 862; Funck Ausgewählte Fragen aus dem Allgemeinen Teil zum neuen VVG aus der Sicht einer Rechtsabteilung, VersR 2008 163; Heinig Anwendbarkeit der Vorschriften über verbundene Verträge auf Verbraucherdarlehens- und Restschuldversicherungsverträge, VersR 2010 863; Knops Restschuldversicherung und Verbraucherkredit, VersR 2006 1455; Krämer Zustandekommen und Zulässigkeit von Risikoausschlussklauseln in der Kreditlebensversicherung, VersR 2004 713; Laars Restschuldversicherung und Preisangabenverordnung, VersR 2008 1577; Pockrant Die Anwendung der §§ 358 ff. BGB auf einen mit einer Kapitallebensversicherung gekoppelten Gelddarlehnsvertrag, (Manuskript 2011); Präve Das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers ZfV 1994 374; Reimer Der verbraucherschützende Widerruf im Recht der Willenserklärungen, AcP 2003 1; Rolfs Beratungs- und Informationspflichten in der betrieblichen Altersversorgung nach der VVG-Reform,

23

OLG Saarbrücken 9.9.3009 VersR 2009 1522, 1523.

24

BGH 21.9.2011 VersR 2012 297, 298.

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171

§ 152

Kapitel 5: Lebensversicherung

BetrAVG 2010 199; Schimikowski Abschluss des Versicherungsvertrages nach neuem Recht, RuS 2006 441; Schneider Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie 2002/65/EG im VVG, VersR 2004 696; ders. Keine Musterbelehrung in Sicht, VW 2008 1168; Schürnbrand Darlehnsvertrag und Restschuldversicherung als verbundene Verträge, ZBB 2010 123; Schulz Restschuldversicherung – Kreditlebensversicherung (1981); Schwintowski Neuerungen im Versicherungsvertragsrecht, ZRP 2006 139; Wandt/Ganster Die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Versicherungsvertrages gemäß § 9 VVG 2008, VersR 2008 425; Weipert Teilzahlungsgeschäft und Versicherung (1966); Werber Information und Beratung des Versicherungsnehmers vor und nach Abschluss des Versicherungsvertrages, VersR 2007 1153.

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.

II.

III.

C.

I. II.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Verlängerung von Widerrufs- und Prämienzahlungsfrist . . . . . . . . . . . . Absatz 1: Widerrufsfrist, Widerrufsbelehrung, Widerspruchsrecht aus § 5 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . Absatz 2: Rechtsfolgen des Widerrufs in der Lebensversicherung . . . . . . . . . 1. Erstattungsgrundsatz . . . . . . . . . 2. Erstattung des Rückkaufswerts einschließlich Überschussbeteiligung . . . 3. Sanktionen des § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG . . . . . . . . . . . . . . 4. Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . Absatz 3: Fälligkeit der Einmal- oder Erstprämien . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einmalprämie . . . . . . . . . . . . . a) Begriffliches . . . . . . . . . . . . b) Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Erstprämie . . . . . . . . . . . . . . 3. Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einklagung der Erstprämie . . . . . . 5. Fälligkeit von Erst- und Einmalprämie in der Gruppenlebensversicherung . . Anhang: Darlehensvertrag und Restschuldversicherung, Bausparrisikoversicherung und gemischte Lebensversicherung als verbundene Verträge . . . . . . Übersicht zur Risikolebensversicherung . Restschuldversicherung . . . . . . . . . 1. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . 3. Erscheinungsformen der Restschuldversicherung . . . . . . . . . . . . . a) Verbindung mit Verbraucherdarlehen, Abzahlungskauf, Dispositionskredit usw. . . . . . . . . . . b) Restschuldversicherung mit fallender Versicherungssumme . . . . . . . .

172

Rn.

1 1 2 6 10

10 13 13 14 17 19 20 20 20 22 26 29 32

III.

34

36 36 38 38 39 IV. 41 V. 41 42

D.

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c) Restschuldversicherung mit gleich bleibender Versicherungssumme . . d) Restschuldversicherung als Außenstands- oder Saldenversicherung . . 4. Besonderheiten der Restschuldversicherung . . . . . . . . . . . . . . . a) Rahmenvertrag zwischen Kreditinstitut und Versicherer . . . . . . b) Versicherungsrechtliche Stellung von Kreditnehmer, Kreditgeber und Versicherer . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . bb) Darlehensgeber als Zessionar . cc) Kreditgeber und Bezugsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . dd) Kreditgeber als Bevollmächtigter des Kreditnehmers . . . . . . . ee) Kreditgeber als Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . c) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . 5. Bausparrisikoversicherung . . . . . . Anwendbarkeit der §§ 358 ff. BGB auf Verbraucherdarlehens- und Restschuldversicherungsverträge . . . . . . . . . . 1. Problematik . . . . . . . . . . . . . . 2. Restschuldversicherung und Darlehensvertrag als verbundene Verträge . . . a) Verhältnis von §§ 8, 9, 152 VVG zu §§ 358 ff. BGB . . . . . . . . . . . b) Finanzierungsfunktion des Darlehens für die Restschuldversicherung . . . c) Darlehens- und Restschuldversicherungsvertrag als wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit der §§ 358 ff. BGB beim Abschluss einer Bausparrisikolebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalbildende Lebensversicherung in der Form einer Tilgungsversicherung und §§ 358 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

45 47 50 50

53 53 55 60 61 62 64 65

66 66 68 69 70

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74

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Widerruf des Versicherungsnehmers

§ 152

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Das Widerrufsrecht des VN geht ursprünglich auf die Fernabsatzrichtlinie für Finanz- 1 dienstleistungen1 zurück. Im Rahmen der VVG-Reform wurden die zuvor bestehenden Gestaltungsrechte in Form des Widerspruchs (§ 5a VVG a.F.), des Widerrufs (§§ 8 Abs. 4, 48c VVG a.F.) und des Rücktritts (§ 8 Abs. 5 VVG a.F.) zu einem einheitlichen Widerrufsrecht zusammengefasst. Es war ein wichtiges Ziel der VVG-Reform, eine einheitliche Regelung für den Abschluss von Versicherungsverträgen grundsätzlich unabhängig vom Vertriebsweg zu schaffen (Ausnahmen: § 8 Abs. 3 Satz 1). Zu dem Widerrufsrecht auch für den Lebensversicherungsvertrag wird auf die Kommentierung von Bruck/Möller/ Knops zu §§ 8, 9 verwiesen.

II. Inhalt und Zweck der Regelung Angesichts ihrer langen Laufzeit, ihrer sozialpolitischen Bedeutung (insbes. der 2 Alters- und Hinterbliebenenversorgung) und des bei der kapitalbildenden Lebensversicherung vergleichsweise hohen Prämienvolumens haben die Lebensversicherungsverträge für den VN in der Regel eine besondere Bedeutung. Vor diesem Hintergrund sind mit § 152 Sonderreglungen zur Bestimmung der Widerrufspflicht, der Leistungspflicht im Fall eines Widerrufs und der Prämienfälligkeit geschaffen worden, mit denen von den allgemein geltenden Vorschriften zugunsten des VN abgewichen wird. Abgesehen hiervon gelten die für alle Versicherungssparten geschaffenen Vorschriften der §§ 8, 9 auch für die Lebensversicherung. In Absatz 1 der Vorschrift wird die Widerrufsfrist bei der Lebensversicherung – in 3 Übereinstimmung mit der Fernabsatzrichtlinie II – abweichend von § 8 Abs. 1 Satz 1 auf 30 Tage festgesetzt. Für den Beginn der Widerrufsfrist gilt die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 1. Diese Regelung entspreche dem Interesse sowohl des VN als auch des VR an einer klaren Fristbestimmung, da der Abschluss des Versicherungsvertrages und die Information über die Versicherung in der Lebensversicherung regelmäßig durch Übersendung des Versicherungsscheins erfolgt.2 Absatz 2 der Vorschrift ergänzt § 9 Satz 1 bei der Lebensversicherung dahingehend, 4 dass der VR bei seiner Erstattungspflicht im Falle eines Widerrufs auch den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile zu berücksichtigen hat. Die Regelung des § 9 Satz 1 „würde bei Lebensversicherungen der in § 169 Abs. 1 bezeichneten Art dazu führen, dass der widerrufende Versicherungsnehmer den Rückkaufswert nicht erhält, den er bei einer Kündigung beanspruchen könnte. Um dieses unbillige Ergebnis zu vermeiden, schreibt Absatz 2 Satz 1 insoweit zusätzlich die Zahlung des Rückkaufswerts vor, wie er sich nach den Vorschriften des § 169 Abs. 3 bis 6 … unter Ausklammerung der Abschluss- und Vertriebskosten (ungezillmertes Deckungskapital) errechnet“. Hinzu kommen die Überschussanteile nach § 169 Abs. 7. Ist es zu einer unrichtigen Belehrung gekommen oder fehlt es an einer Belehrung, so kann dem VN nach § 152 Abs. 2 Satz 2 ein Wahlrecht zustehen: Der VN „kann entweder gemäß § 9 Satz 2 die Erstattung der für

1

Fernabsatzrichtlinie II 2002/65/EG vom 23.9.2002 ABl. EG Nr. L 271 S. 16.

2

Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 95.

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§ 152

Kapitel 5: Lebensversicherung

das erste Jahr des Versicherungsschutzes und der nach Wirksamwerden des Widerrufs gezahlten Prämie oder den sich aus dem ungezillmerten Deckungskapital ergebenden Rückkaufswert gemäß § 169“ einschließlich Überschussbeteiligung verlangen.3 Da § 33 Abs. 1 hinsichtlich der Fälligkeit der einmaligen oder ersten Prämie an den 5 Ablauf der – in der Lebensversicherung verlängerten – Widerrufsfrist anknüpft, wird nach § 152 Abs. 3 der Zeitpunkt der Prämienfälligkeit entsprechend später festgesetzt.

III. Anwendungsbereich 6

Die Vorschrift ist auf sämtliche Lebensversicherungsformen anwendbar, soweit § 8 Abs. 3 greift (nicht anwendbar ist § 152 somit z.B. bei Lebensversicherungsverträgen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat, bei einem Vertrag über vorläufige Deckung oder einem Lebensversicherungsvertrag bei Pensionskassen, die auf arbeitsvertraglichen Regelungen beruhen). Für zertifizierte Altersvorsorgeverträge findet sich eine Sonderregelung in § 7 Abs. 3 AltZertG (Rücktrittsfrist von einem Monat bei Nichterfüllung der dem Anbieter nach § 7 Abs. 1, 2 AltZertG obliegenden Pflichten). Nach § 211 Abs. 2 Nr. 1 finden § 152 Abs. 1 und Abs. 2 keine Anwendung auf Pen7 sionskassen i.S.d. § 118b Abs. 3, 4 VAG (mit Ausnahme von Fernabsatzverträgen i.S.d. § 312b Abs. 1 und 2 BGB). Bei Berufsunfähigkeitsversicherungen ist die Vorschrift entsprechend anzuwenden, 8 § 176. Das gilt auch für Kapitalisierungsgeschäfte. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vorschrift auf vor dem 1.1.2008 geschlossene 9 sog. Altverträge gilt die differenzierte Regelung, wie sie sich bei Bruck/Möller/Knops § 8 Rn. 7 findet.

B. Verlängerung von Widerrufs- und Prämienzahlungsfrist I. Absatz 1: Widerrufsfrist, Widerrufsbelehrung, Widerspruchsrecht aus § 5 VVG 10

Zum Widerrufsrecht im Einzelnen, zum Widerrufsberechtigten (Versicherter statt des VN in der Restschuldversicherung, wenn der VN der Kreditgeber ist4), zur Widerrufsfrist sowie zur Belehrung über das Widerrufsrecht wird auf die Kommentierung von Bruck/ Möller/Knops zu § 8 verwiesen. Um die Einheitlichkeit der Information zu gewährleisten, ist das Muster einer Widerrufsbelehrung dem VVG angefügt worden.5 Ein VR, der auf dieses Muster zurückgreift, genügt so den gesetzlichen Anforderungen an die von dem Gesetzgeber beabsichtigte Belehrung (§ 8 Abs. 5). Damit sind anders gestaltete Belehrungen jedoch nicht ausgeschlossen.6

3 4

Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 95. Bruck/Möller/Knops § 8 Rn. 9; hat ein VN den Versicherungsvertrag bereits gekündigt und ist der Rückkaufswert an der VN ausgezahlt worden, so vermag er zu einem späteren Zeitpunkt von seinem Widerrufsrecht usw. nicht mehr Gebrauch zu machen, OLG

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5 6

Hamm 24.8.2011 VersR 2012 745, 746 zu § 5a VVG a.F. Art. 10 des Gesetzes vom 29.7.2009 (BGBl. I 2355). Vgl. auch dazu Bruck/Möller/Knops § 8 Rn. 61 ff.

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Widerruf des Versicherungsnehmers

§ 152

Schließt ein VN gleichzeitig unterschiedliche Versicherungsverträge ab, so können bei 11 Eingehung auch eines Lebensversicherungsvertrages unterschiedliche Fristen gegeben sein, die separat zu berechnen sind (Lebensversicherungsvertrag, Gebäudefeuerversicherung). Die Regelung des § 152 gilt auch, wenn in der Lebensversicherung der übersandte 12 Versicherungsschein teilweise vom Antrag des VN abweicht.7 Das bedeutet, dass der VN sowohl das Widerspruchsrecht aus § 5 (mit der Widerspruchsfrist von einem Monat) als auch das Widerrufsrecht aus § 8 (mit der Frist des § 152 Abs. 1) geltend machen kann, wobei für den Fristbeginn unterschiedliche Zeitpunkte maßgeblich sein können. Es bedeutet nicht, dass die Frist auch beim Widerspruchsrecht in der Lebensversicherung 30 Tage beträgt – eine solche Regelung hätte in § 152 deutlicher zum Ausdruck gelangen müssen. Die Fristen sind in der Lebensversicherung nur fast gleichlang, es kann durchaus von Bedeutung sein, welche Frist dem Widerspruchs- bzw. Widerrufsrecht zugrunde gelegt wird. Erklärt der VN den Widerruf, so ist seine Erklärung im Zweifel stets auch als Widerspruch auszulegen und umgekehrt, um einer Verfristung zu entgehen.8

II. Absatz 2: Rechtsfolgen des Widerrufs in der Lebensversicherung 1. Erstattungsgrundsatz Widerruft der VN seine Vertragserklärung, so wird ihre Bindungswirkung aufgeho- 13 ben, aus dem Lebensversicherungsvertrag ergeben sich keine Verpflichtungen mehr und die bis dahin bewirkten Leistungen (wie der Gefahrtragung) müssen rückabgewickelt werden. Die Rückabwicklung im Einzelnen ergibt sich aus § 9, darüber hinaus nach §§ 357, 346 ff. BGB (wenn der Versicherungsschutz nicht vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt). Hat der Versicherungsschutz – mit Zustimmung des VN – bereits vor Ende der Widerrufsfrist begonnen, so hat der VR lediglich die auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs fallenden Versicherungsbeiträge zurückzuerstatten; bereits erhaltene Leistungen sind nicht zurückzugewähren.9 Voraussetzung dafür ist, dass der VN in der vom VR vorzunehmenden Widerrufsbelehrung auf sein Widerrufsrecht und die Rechtsfolgen des Widerrufs hingewiesen wird. Ist es zu einem solchen Hinweis nicht gekommen, so greift die Sanktion des § 9 Satz 2: Der VR hat zusätzlich die Prämien für das gesamte erste Jahr zu erstatten, es sei denn, der VN hat Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen. 2. Erstattung des Rückkaufswerts einschließlich Überschussbeteiligung Wird Versicherungsschutz bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist (verzögert – auch für 14 eine längere Zeit – z.B. infolge einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung) gewährt, so kann es bis zum Wirksamwerden des Widerrufs bereits zur Bildung eines Rückkaufswerts gekommen sein. Es wäre nicht sachgerecht, wenn der Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung erstattet würde, wenn der VN eine Kündigung nach § 169 Abs. 1 ausgesprochen hat, nicht aber, wenn er zu demselben Zeitpunkt einen Widerruf erklärt

7 8

Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 95. Prölss/Martin/Schneider § 152 Rn. 9; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brambach § 152 Rn. 7.

9

Im Einzelnen Bruck/Möller/Knops § 9 Rn. 5 ff.

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§ 152

Kapitel 5: Lebensversicherung

hat. Daher ist die Vorschrift des § 152 Abs. 2 geschaffen worden,10 für die Berechnung der Rückvergütung einschließlich Überschussbeteiligung verweist das Gesetz auf § 169: Zu erstatten ist das ungezillmerte Deckungskapital ohne Verrechnung von Abschlussund Vertriebskosten und einschließlich Überschussbeteiligung (also teilweise anders als bei der vorzeitigen Kündigung).11 Insoweit bedarf es einer teleologischen Reduktion der Vorschrift des § 152 Abs. 2 Satz 1. Obwohl § 169 in § 152 Abs. 2 Satz 1 voll in Bezug genommen wird, ist ein Storno15 abzug i.S.d. § 169 Abs. 5 gleichfalls nicht zulässig. Ein Stornoabzug würde Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Fernabsatzrichtlinie II widersprechen, eine Vertragsstrafe ist nicht gestattet. Die Vorschrift des § 152 Abs. 2 Satz 1 ist insoweit teleologisch zu reduzieren.12 Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen ist der Zeitwert nach § 169 Abs. 4 zu 16 erstatten, gleichfalls ohne Abschlags- und Vertriebskosten. 3. Sanktionen des § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG

17

Ist der VR bei Vertragschluss seiner Pflicht zur Widerrufsbelehrung nicht nachgekommen, so greift die Sanktion des Absatzes 2 Satz 2, so dass der VR darüber hinaus verpflichtet ist, zusätzlich – also neben der Rückzahlung der Prämien nach § 9 Satz 1 – für das gesamte erste Jahr mit Blick auf den Versicherungsschutz gezahlte Prämien zurückzuerstatten, es sei denn, der VN hat eine Versicherungsleistung in Anspruch genommen (in der Lebensversicherung beispielsweise Auszahlung der Versicherungssumme im Falle des Todes der Gefahrsperson). Die Sanktion des Absatzes 2 Satz 2 greift dabei in den Fällen, dass der VN den Widerruf im zweiten oder einem nachfolgenden Versicherungsjahr erklärt. In der Lebensversicherung erhält der VN somit ein Wahlrecht nach Absatz 2 Satz 2, sich zwischen – einerseits – der Auskehrung der Rückvergütung einschließlich Überschussbeteiligung und – andererseits – der Erstattung der Beiträge für das erste Versicherungsjahr zu entscheiden. Der Anspruch auf Erstattung der Beiträge, die auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallen, verbleibt dem VN in beiden Fällen. Nach Absatz 2 Satz 2 gebührt dem VN der Anspruch, der für ihn insgesamt günstiger ist. Die Regelung des Absatzes 2 Satz 2 i.V.m. § 9 Satz 2 ist nicht unproblematisch, die 18 Beschränkung der Prämienerstattung auf das erste Jahr lässt den Verstoß gegen die Belehrungspflicht für den VR zu einer Belohnung werden, je länger die Lebensversicherung zunächst fortgeführt wird. Dem VR werden somit Vorteile gesichert, die er durch einen Verstoß gegen das Belehrungserfordernis erhalten hat. Eine solche Regelung ist mit Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Fernabsatzrichtlinie II nicht zu vereinbaren. Da eine richtlinienförmige Auslegung angesichts des klaren Wortlauts des § 152 Abs. 2 Satz 2 nicht möglich ist, bedarf es insoweit einer Aufhebung auch der lebensversicherungsrechtlichen Norm: Der VR, der den VN nicht ordnungsgemäß belehrt hat, hat die Prämienzahlung voll zurückzuerstatten, nicht nur für das erste Versicherungsjahr.13 Solange der Gesetzgeber nicht handelt, bietet sich für § 152 Abs. 2 Satz 2 eine teleologische Reduktion an; Knops schlägt dem VN vor, im Wege eines Schadenersatzanspruchs nach §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 f. BGB gegen den VR vorzugehen, sieht allerdings auch die rechtliche und tatsächliche Problematik eines solchen Anspruchs.

10 11 12

Vgl. Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 95; vgl. auch Römer/Langheid/Römer § 152 Rn. 11. Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 95. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 152 Rn. 7.

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13

Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers § 9 Rn. 6 ff.; im Einzelnen Bruck/Möller/Knops § 9 Rn. 18 ff. m.w.N.

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Widerruf des Versicherungsnehmers

§ 152

4. Rücktrittsrecht Beginnt der Versicherungsschutz nicht vor Ablauf der Widerrufsfrist, so ist der Lebens- 19 versicherungsvertrag nach §§ 346, 357 Abs. 1 abzuwickeln: Bereits erbrachte Prämienzahlungen sind zurückzugewähren.

III. Absatz 3: Fälligkeit der Einmal- oder Erstprämien 1. Einmalprämie a) Begriffliches. Auch in der Lebensversicherung können die Beiträge laufende oder 20 einmalige Beiträge sein.14 Bei Vereinbarung einer Einmalprämie wird die Prämie für die gesamte Laufzeit der Lebensversicherung in einer Summe entrichtet. Die Einmalprämie ist das einmalige Entgelt für die Gefahrtragung des VR während der gesamten technischen Versicherungsdauer. Sie ist zu unterscheiden vom Beitragsdepot: In diesem Falle ist durch Beitragsvorauszahlung ein Guthaben des VN entstanden, von dem die laufenden Prämien bei Fälligkeit der Prämie abgebucht werden. Ist ein Beitragsdepot für die gesamte Versicherungsdauer angelegt worden, so unterscheidet es sich von der Einmalprämie durch die Fälligkeit: Die Einmalprämie ist in voller Höhe – und damit anders als beim Beitragsdepot – beim Abschluss des Versicherungsvertrages fällig. Die Einmalprämie wurde gerade auch in der Lebensversicherung früher als Einmal- 21 verfallprämie bezeichnet, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass bei vorzeitigem Eintritt des Versicherungsfalles – wie des Todes – die Einmalprämie verfallen ist und nicht etwa Teile der Prämie vom VR zurückzuzahlen sind. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist die Beitragsrückgewähr, die insbes. in der Rentenversicherung für den Fall vereinbart wird, dass die Person, an die die Leibrente zu zahlen ist, vor Beginn der Rentenzahlung verstirbt (sog. Rentengarantie). Wird z.B. in der gemischten Lebensversicherung ein Risikozuschlag mit Rückgewähr im Rahmen einer Einmalprämie erhoben, so wird er bei Erleben des Vertragsablaufs zurückgezahlt. Das erhöhte Risiko wird von dem VR aus neben den durch Tod verfallenden Zuschlägen und aus der Kapitalrendite finanziert. Dabei werden die Risikozuschläge mit Rückgewähr bei längerer Vertragsdauer zunehmend geringer. b) Häufigkeit. Die Einmalprämie ist in der Praxis der Lebensversicherung vergleichs- 22 weise häufig, obwohl bei weitem nicht alle VN in der Lage sind, die Einmalprämie zu Beginn des Vertrages aufzubringen. Die Einmalprämie findet sich nicht nur beim Abschluss einer Rentenversicherung mit Hilfe eines Kapitalbetrages, der als Kapitalanlage nicht weitergeführt werden soll. Einmalbeiträge werden auch als Vermögensanlage gezahlt, wenn sich der VN nicht nur angesichts der garantierten Verzinsung, sondern auch wegen der Überschussbeteiligung eine bessere Rendite als mit Hilfe anderer Kapitalanlagen erhofft. Nur bei wenigen Versicherungsformen ist die Zahlung einer Einmalprämie nicht zulässig, wie z.B. bei der Vermögensbildungsversicherung, bei der nur laufende Prämien zu Kapitalversicherungen vermögenswirksame Leistungen sein können. Bei einzelnen Versicherungsformen ist darüber hinaus eine einmalige Prämienleistung nicht möglich, weil die Befreiung von der laufenden Prämienzahlung für den Todesfall Gegenstand 14

Vgl. nur § 7 (1) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung; § 5 (1) GDV-Musterbedingungen für die

Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG/Basisversorgung.

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§ 152

Kapitel 5: Lebensversicherung

der Versicherung ist (Beispiele: Termfix- und Ausbildungsversicherung). Für den VR bedeutet die Vereinbarung einer Einmalprämie, dass das Risiko einer solchen Versicherung erheblich geringer ist als bei einer Versicherung gegen laufende Prämienzahlung, da sie schon von Beginn an eine hohe Prämienreserve aufweist und das vom VR riskierte Kapital entsprechend geringer ist als bei einer Versicherung mit laufender Prämienzahlung über die gleiche Versicherungssumme. Ein besonders wichtiger Fall ist die Restschuldversicherung, hier wird die Einmalprä23 mie fast regelmäßig vereinbart, der Einmalbeitrag wird häufig vom Kreditinstitut mitfinanziert.15 Auch bei den sog. Zuzahlungen bei manchen Versicherungsformen handelt es sich 24 versicherungstechnisch um Einmalprämien. Wenn vermögenswirksame Beitragsleistungen nicht in jährlich gleich bleibender Höhe entrichtet werden, so können die Leistungen, die die fest vereinbarte Prämie übersteigen, am Ende des Kalenderjahres als Einmalbeitrag zur Erhöhung der Versicherungssumme verwandt werden. Bei den übrigen Lebensversicherungsformen sind solche Zuzahlungen insbes. in Verbindung mit einer Beitragsfreistellung möglich. So kann durch eine einmalige Zuzahlung die prämienfreie Versicherungssumme bis zu der zuvor geltenden beitragspflichtigen Versicherungssumme ohne erneute Gesundheitsprüfung aufgestockt werden. Das bezieht sich nicht nur auf die Hauptversicherung, sondern auch auf Zusatzversicherungen. Bei der Umwandlung der Lebensversicherung in eine prämienfreie Versicherung findet 25 die Einmalprämie aber auch im Übrigen Berücksichtigung. Zur Durchführung der Umwandlung im Einzelnen, die Ermittlung der beitragsfreien Summe und die Festsetzung der Einmalprämie auf der Grundlage der Bestimmung des Rückkaufswerts vgl. ausführlich § 165 Rn. 33 ff. 2. Erstprämie

26

Die Erstprämie ist auch in der Lebensversicherung diejenige Prämie, ohne deren Zahlung der materielle Versicherungsschutz nicht einsetzt. Die Zahlung der Erstprämie ist aufschiebende Bedingung für den materiellen Versicherungsbeginn. Auch die Einmalprämie ist Erstprämie. Sämtliche Prämien, die keine Erstprämien sind, sind Folgeprämien. Zur Prämienzahlung im Einzelnen wird auf Bruck/Möller/Beckmann §§ 33 ff. verwiesen.16 Für eine vorläufige Deckungszusage17 wird in der Regel keine Prämie verlangt. Hat 27 der VR eine Versicherungsleistung auf der Grundlage eines vorläufigen Versicherungsschutzes erbracht, wird nach einzelnen Bedingungswerken vom VR ein Entgelt mit der Versicherungsleistung verrechnet. Bei unzulässigen Diskriminierungen in Zusammenhang mit der Prämienberechnung 28 greifen §§ 19 ff. AGG,18 zwischen männlichen und weiblichen Gefahrspersonen darf hinsichtlich der Prämie nicht mehr differenziert werden.19

15 16

Vgl. BGH 15.12.2009 VersR 2010 469, 470. Vgl. auch die Prämienzahlungsklauseln in den Bedingungswerken der Lebensversicherung, beispielsweise § 7 GDV-Musterbedingungen für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung oder § 8

178

17 18 19

GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung. Vgl. § 3 (2) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung. Armbrüster VersR 2006 1297. EuGH 1.3.2011 VersR 2011 377.

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Widerruf des Versicherungsnehmers

§ 152

3. Fälligkeit Nach § 152 Abs. 3 ist die Einmal- bzw. Erstprämie in der Lebensversicherung ange- 29 sichts der Verlängerung der Widerrufsfrist unverzüglich nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen. Wäre eine solche Regelung nicht geschaffen worden, hätte die Erst- bzw. Einmalprämie bereits nach Ablauf von 14 Tagen gezahlt werden müssen, wenn es zwischen VR und VN nicht zu einer abweichenden Vereinbarung kommt. Absatz 3 der Vorschrift greift – ebenso wie das Widerrufsrecht – nicht nur bei Neu- 30 abschluss des Versicherungsvertrages, sondern auch bei einer Änderung. Vertragserklärungen werden auch bei vertraglichen Änderungen des Lebensversicherungsvertrages abgegeben.20 Die Widerruflichkeit und die Fälligkeit einer Prämienzahlung kann nicht davon abhängig sein, ob die vertragliche Änderung Gegenstand eines eigenständigen Vertrages sein könnte. Auf diese Weise könnten sonst für den VN aus subjektiver Sicht wesentliche, aber objektiv nicht genügend erhebliche vertragliche Änderungen von dem durch den Gesetzgeber vorgesehenen Schutz ausgeklammert werden, auch wenn es dem VN möglich wäre, z.B. die vom VR vorgeschlagene Änderung des Vertrages abzulehnen oder eine Kündigung des Vertrages auszusprechen. Auch wenn die Einzelprämie erst während der Vertragsdauer in den Vertrag einbezogen wird, ist dem VN ein Widerrufsrecht nach § 8 zuzubilligen und die Zahlungsfrist auf 30 Tage zu verlängern. Ist eine entgeltliche vorläufige Deckungszusage durch den LebensVR erfolgt, greift die 31 Verlängerung der Widerrufs- bzw. Fälligkeitsfrist nicht. Ein Widerrufsrecht bei einer vorläufigen Deckungszusage würde dem Sinn der §§ 49 ff. widersprechen, Widerrufsrecht und verlängerte Fälligkeitsregelung bleiben dem VN für den Hauptvertrag jedoch erhalten.21 In der Lebensversicherung spielt die Fälligkeitsproblematik bei der vorläufigen Deckungszusage keine Rolle, weil der VR für seine Leistung insoweit in der Regel kein Entgelt berechnet. 4. Einklagung der Erstprämie In der Vergangenheit hatte sich die Aufsichtsbehörde in der Lebensversicherung gegen 32 die Einklagung fälliger Erstprämien durch den VR gewandt,22 in erster Linie, um eine Schädigung des Versicherungsgedankens zu vermeiden. Auch verursache jeder Prozess Verwaltungskosten, die auch im Falle des Obsiegens und der Möglichkeit der Beitreibung der Prozesskosten nicht ausgeglichen werden, die der VR also aus der Gesamtheit des Prämienaufkommens zu tragen habe. Abgesehen von der Schädigung des Rufs eines jeden Versicherungsunternehmens, das nicht nur im Einzelfalle die Beiträge beizutreiben versuche, sei eine durch einen Prozess erzwungene Versicherungsgemeinschaft ein Widerspruch in sich selbst. Schon damals bewirkte die aufsichtsbehördliche Auffassung jedoch nicht, dass eine Prämienklage des VR unbegründet war. Es besteht auch kein Handelsbrauch, der besagt, dass Erstprämien in der Lebensversicherung nicht einzuklagen sind.23 In der Zwischenzeit hat die Aufsichtsbehörde ihre Ansicht aufgegeben, auch bei Le- 33 bensversicherungen mit Einmalbeitrag. Die VR sind dazu übergegangen, Einmal- und

20

21

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers § 8 Rn. 13; Prölss/Martin/Prölss § 8 Rn. 2; einschränkend Armbrüster RuS 2008 493, 494. Vgl. Bruck/Möller/Knops § 8 Rn. 54.

22 23

VA 1927 126; 1928 112; BAV-Gutachten 16.5.1953 VerBAV 1953 158. OLG Hamm 28.12.1956 VersR 1956 61 mit Anm. Franke 157; vgl. auch LG Lüneburg 10.11.1977 VersR 1977 658.

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§ 152

Kapitel 5: Lebensversicherung

Erstprämien regelmäßig nicht einzuklagen, auch nicht, wenn eine bestehende Lebensversicherung auf Veranlassung eines Vermittlers storniert und dafür eine neue Versicherung bei einem anderen VR abgeschlossen wird, also der Tatbestand der Ausspannung gegeben ist.24 5. Fälligkeit von Erst- und Einmalprämie in der Gruppenlebensversicherung

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Bei einer echten Gruppenlebensversicherung stehen dem einheitlichen Versicherungsvertrag die einzelnen Versicherungsverhältnisse gegenüber. Werden beispielsweise Arbeitnehmer aufgrund von Listen versichert, so ist zwischen Anfangsbestand und Zugang zu unterscheiden. Als der Regelung des § 152 Abs. 3 unterfallende Erstprämie ist dabei allein die erste Prämie für den Anfangsbestand anzusehen. Die Einheitlichkeit des Gruppenversicherungsvertrages schließt die Entstehung einer Vielzahl von Versicherungsverhältnissen mit einer jeweiligen Erstprämie aus. Aus der Einheitlichkeit des Versicherungsvertrages folgt vielmehr notwendigerweise, dass der VN nur eine – auf den gesamten Vertrag bezogene – Erstprämie schuldet. Soweit in späteren Prämien erstmalig Anteile für Zugangsrisiken enthalten sind, müssen sie als Bestandteil einer Folgeprämie angesehen werden. Auf sie können die Vorschriften zur Erstprämie keine Anwendung finden.25 Anderes gilt jedoch, wenn die Vertragsparteien im echten Gruppenlebensversiche35 rungsvertrag eine Klausel in den Vertrag aufnehmen, nach der die Leistungspflicht des VR erst nach Eingang des für die einzelne Versicherung zu zahlenden Einlösungsbetrages beginnen soll. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Regelung bestehen keine Bedenken.26 Bei der unechten Gruppenlebensversicherung gibt es dagegen keine rechtlich einheitliche Prämienschuld. Die Fälligkeitsregelung einschließlich § 152 Abs. 3 zur Erstprämie gilt hier folglich nicht nur für den Anfangsbestand, sondern auch für die Zugangsrisiken.

C. Anhang: Darlehensvertrag und Restschuldversicherung, Bausparrisikoversicherung und gemischte Lebensversicherung als verbundene Verträge I. Übersicht zur Risikolebensversicherung 36

Die Restschuldversicherung ist ihrem Wesen nach eine Risikolebensversicherung.27 Als reine Todesfallversicherung, die nicht zur Kapitalbildung gedacht ist, dient sie grundsätzlich zur Abdeckung eines vorübergehenden Schutzbedürfnisses, so beispielsweise, um die Rückgabe eines Darlehens für den Fall des Todes des Schuldners während der Laufzeit zu sichern. Zuweilen finden sich auch längere Versicherungsdauern (oft bis 25 Jahre, in der betrieblichen Altersversorgung auch darüber hinausgehende Laufzeiten). Der Zweck der Risikoversicherung ist nicht die Altersvorsorge, sondern die Hinterbliebenenvorsorge. Ihre zentrale Aufgabe liegt in ihrer Kreditsicherungsfunktion. Davon abgesehen dient sie insbes. zur Überbrückung von Wartezeiten in der Gesetzlichen Rentenversicherung, fer-

24

Zum früheren Einklagungsverbot vgl. Bruck/Möller/Winter 8 E 169, auch zu einer Vereinbarung zwischen Versicherungsvermittler und VN, mit der sich der Agent bei einer Stornierung des Lebensversicherungsvertrages im ersten Versicherungsjahr gegen

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25 26 27

den Ausfall bzw. die Kürzung seiner Provision sichern will. Bruck/Möller/Winter 8 E 133. Millauer 39. Zum Begriff vgl. oben Vor § 150 Rn. 43 f.

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Widerruf des Versicherungsnehmers

§ 152

ner bei der Beamtenversorgung, bei freien Berufen usw. Sie bietet sich insbes. für VN an, deren Einkommen nicht genügend hoch ist, um eine kapitalbildende Lebensversicherung abzuschließen, die aber ihre Angehörigen gleichwohl beschützen wollen, und wird häufig als Risikovorversicherung bzw. Risikoumtauschversicherung als Vorstufe für eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen.28 Die Risikolebensversicherung kann zum einen mit gleich bleibender Versicherungs- 37 summe – wie sie sich auch in anderen Lebensversicherungsformen findet – abgeschlossen werden, das gilt insbes. für solche Versicherungsverträge, die z.B. zur Überbrückung von Wartezeiten in der Gesetzlichen Rentenversicherung dienen sollen. Die Risikoversicherung kann aber auch mit fallender Versicherungssumme abgeschlossen werden, hier senkt sich die Versicherungssumme in bestimmten Stufen, die ein Jahr, ein halbes Jahr, ein Vierteljahr oder einen Monat betragen können. Diese Versicherungsform wird insbes. in Verbindung mit Krediten, Leasingverträgen und Sparprogrammen abgeschlossen. Eine erhebliche Bedeutung hat die Risikoversicherung mit fallender Versicherungssumme als Restschuldversicherung und als Bausparrisikoversicherung gewonnen.

II. Restschuldversicherung 1. Entwicklung Die Restschuldversicherung29 ist eine Sonderform der Risikolebensversicherung zur 38 Absicherung kurzfristiger Bankkredite usw. Die Anfänge der Restschuldversicherung finden sich in den USA, auf dem europäischen Kontinent wurde die Restschuldversicherung im Jahre 1955 zuerst in der Schweiz eingeführt, seit 1957 findet sie sich auch in der Bundesrepublik.30 Dabei konnte man sich zunächst eine Entwicklung der Restschuldversicherung zum Massengeschäft im heutigen Umfange nicht vorstellen. Seit Anfang der sechziger Jahre entwickelte sich die Restschuldversicherung in Deutschland jedoch außerordentlich schnell. Die zulässige Laufzeit wurde von der Aufsichtsbehörde von drei Jahren auf zehn Jahre verlängert, nach Fortfall der aufsichtsbehördlichen Vorabgenehmigung bildet auch eine längere Laufzeit kein Problem, ebenso wenig wie die Höhe der Versicherungssumme. Das BAV leitete im Interesse des Verbraucherschutzes 1975 mit einer grundsätz-

28 29

Vgl. dazu ausführlich § 163 Rn. 81 ff. Zusätzliches Schrifttum: Dave Verbraucherdarlehn und Restschuldversicherung im Insolvenzverfahren, NZI 2008 513; Derleder Die Restschuldversicherung zwischen Inhalts- und Äquivalenzkontrolle, VuR 2007 241; Freitag Die Unanwendbarkeit der bürgerlich-rechtlichen Verbundvorschriften (§§ 358, 359 BGB) auf die Restschuldversicherung, VersR 2009 862; Geßner Die Restschuldversicherung in der Äquivalenzprüfung des Darlehnsvertrags, VuR 2008 84; ders. Aufklärungspflichten über Kick-Backs bei der Distribution von Restschuldversicherungsverträgen, VuR 2009 243; Heinig Anwendbarkeit der Vorschriften über verbundene Verträge auf Verbraucherdarlehns-

30

und Restschuldversicherungsverträge, VersR 2010 469; Knops Darlehns- und Restschuldversicherungsvertrag als verbundene Geschäfte – Rechtsfolgen für die Praxis, ZIP 2010 1265; Marlow/Spuhl Zur (Un)Wirksamkeit von Ausschlussklauseln für bekannte ernstliche Erkrankungen, RuS 2009 177; Reifner „Legaler Betrug“ bei der Restschuldversicherung, VuR 1992 137; Schürnbrand Darlehnsvertrag und Restschuldversicherung als verbundene Verträge, ZBB 2010 123; Wriede Ausschluß „alter Leiden“ in der Reisekranken- und Restschuldlebensversicherung, VersR 1996 1473. Dazu im Einzelnen Schulz 9–14; vgl. auch Pällmann 7–10.

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lichen Verlautbarung eine Neuordnung der Restschuldversicherung ein, die Sonderregelungen zur Gesundheitsprüfung, zum Versicherungsantrag, zum Annahmeverfahren, zur Mindestversicherungssumme, zur vorzeitigen Rückzahlung des Kredits, zur Überschussbeteiligung sowie zu einem mit dem Kreditgeber abzuschließenden Rahmenvertrag enthielten.31 Die Grundsätze finden dem Prinzip nach auch gegenwärtig noch Berücksichtigung in den Bedingungswerken zur Restschuldversicherung. 2. Begriffliches

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Die Restschuldversicherung dient der planmäßigen Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen des Versicherten, insbes. auch bei seinem Tode. In Betracht kommen Geldverbindlichkeiten aus Schuldverhältnissen aller Art, auch beispielsweise aus Ratensparverträgen, auf deren Erfüllung ein klagweise durchsetzbarer Anspruch nicht besteht. Die Versicherungssumme und ihre planmäßige Entwicklung während der Versicherungsdauer müssen bei Beginn des Versicherungsschutzes feststehen. Die Versicherungssumme ist dabei nicht akzessorisch, also im Verlauf der Versicherung nicht direkt von der Schuldhöhe abhängig. In der Praxis ist die Restschuldversicherung häufig so gestaltet, dass VN der Rest40 schuldgläubiger ist, die Beiträge jedoch von dem Darlehensnehmer zu entrichten sind, und zwar durch Zahlung gegenüber dem Restschuldgläubiger. Das gilt aber nur für kleinere und kurz- bzw. mittelfristige Versicherungen. Handelt es sich um höhere Versicherungssummen mit längeren Laufzeiten, ist der Darlehensnehmer – der ja auch die Gefahrsperson ist – grundsätzlich auch VN. Beide Vertragsgestaltungen lassen sich in gleicher Weise vereinbaren. Die Position des VN ist für den Darlehensschuldner in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft, auch wenn dem Restschuldgläubiger dabei ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt wird. Der Darlehensschuldner wird als VN über die Versicherung eingehend informiert, er kann als VN durch seine Beitragszahlung den Beginn und die Fortdauer des Versicherungsvertrages beeinflussen. Er kann den Vertrag ferner z.B. aus mit der Schuld in Zusammenhang stehenden Gründen kündigen oder Änderungen vereinbaren, wobei sich der Restschuldgläubiger gegen einen Missbrauch des Kündigungsrechts durch schuldvertragliche Vereinbarungen sichern kann. Auch wenn der Darlehensnehmer bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht nicht mehr berechtigt ist, über den Versicherungsanspruch zu verfügen, so steht doch die Überschussbeteiligung grundsätzlich dem VN zu und kann daher im Todesfall auch von dessen Erben beansprucht werden.32 3. Erscheinungsformen der Restschuldversicherung

41

a) Verbindung mit Verbraucherdarlehen, Teilzahlungsgeschäft, Dispositionskredit usw. Die Restschuldversicherung wird beispielsweise in Verbindung mit einem Verbraucherdarlehen i.S.v. §§ 491 ff. BGB, einem finanzierten Teilzahlungsgeschäft, einem Dispositionskredit, einem Leasing- oder Sparvertrag abgeschlossen und dient der Absicherung der Zahlungsverpflichtungen aus diesen Versicherungsverträgen für den Fall des Todes bzw. – bei Abschluss einer entsprechenden Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung, die auch mit einer Krankentagegeldversicherung verbunden werden kann – auch für den Fall

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Die Grundsätze sind veröffentlicht in VerBAV 1975 456 ff., geändert gemäß VerBAV 1978 203 ff.; sie sind auch wiedergegeben bei Bruck/Möller/Winter 8 C 176.

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Ausführlich Braa/Rekittke VerBAV 1976 108, 109.

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der Arbeitsunfähigkeit. In diesem Fall gewährt der VR neben dem Versicherungsschutz für den Todesfall einen zusätzlichen Versicherungsschutz bei einer länger als 30tägigen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall. Der VR zahlt in diesem Falle entweder ein Krankentagegeld in Höhe von 1/30 der gleich bleibenden monatlichen Tilgungsrate oder eine monatliche Arbeitsunfähigkeitsrente in Höhe der bestehenden Tilgungsrate. Hinsichtlich der Krankentagegeldversicherung ist wegen des Grundsatzes der Spartentrennung die Kooperation zwischen einem LebensVR und einem KrankenVR erforderlich. Der Versicherungsvertrag kann dabei entweder zwischen dem Kreditnehmer bzw. Sparer und dem VR oder zwischen dem Kreditinstitut usw. und dem VR auf die Person des Kreditnehmers abgeschlossen werden. Angesichts der unterschiedlichen Darlehensformen sind in der Restschuldversicherung im Wesentlichen drei Versicherungsformen entwickelt worden: b) Restschuldversicherung mit fallender Versicherungssumme. Die Grundform der 42 Restschuldversicherung ist die Versicherung mit monatlich fallender Versicherungssumme. Anfangssumme ist dabei grundsätzlich die Summe aller Raten, mit dem Laufe der Versicherung nimmt die Versicherungssumme entsprechend der Laufzeit gleichmäßig um den Betrag ab, der sich aus der Teilung der Anfangsversicherungssumme durch die vereinbarte Zahl der Tilgungsraten errechnet. Versichert ist somit in der Regel nicht der tatsächliche Außenstand des Kreditnehmers, sondern nur der planmäßige Zahlungsaußenstand, der im Falle des Verzuges oder aus anderen Gründen vom tatsächlichen Darlehensstand durchaus abweichen kann. Fast regelmäßig wird die Versicherung gegen Einmalprämie abgeschlossen, bei der das 43 monatliche Fallen der Versicherungssumme einkalkuliert ist. Der Einmalbeitrag wird im Allgemeinen von der Bank usw. mitfinanziert. Die Restschuldversicherung kann sich dabei an die im Einzelnen gewählten Darlehensvereinbarungen anpassen: So findet sich beispielsweise eine Kreditform, bei der mit Ausnahme der letzten Rate die monatlichen Raten gleich bleiben, die letzte Rate jedoch erheblich höher liegt (Tilgungsplan mit einer sog. Ballonrate). Auch hieran kann die Restschuldversicherung angepasst werden. Stirbt die Gefahrsperson, so begleicht der VR die planmäßig noch ausstehenden Til- 44 gungsraten durch die Leistung des vereinbarten Kapitalbetrages. Die Versicherungsleistung wird (zusammen mit der Überschussbeteiligung) dem Darlehenskonto der Gefahrsperson gutgeschrieben, der Kreditgeber rechnet das Kreditkonto nach der Gutschrift der Versicherungsleistung ab und zahlt ein etwaiges Guthaben an die Erben des Kreditnehmers aus. c) Restschuldversicherung mit gleich bleibender Versicherungssumme. Sollen Kredit- 45 nehmer von Nichtratenkrediten und nicht regelmäßig zu tilgenden Darlehen einschließlich Dispositionskrediten auf Lohn- und Gehaltskonten gesichert werden, kann eine Restschuldversicherung mit gleich bleibender Versicherungssumme gewählt werden. Ebenso wie die Restschuldversicherung mit fallender Versicherungssumme wird auch diese Versicherung gegen Einmalprämie abgeschlossen, die Prämie ist angesichts des gleich bleibenden Versicherungsschutzes etwa doppelt so hoch wie die Prämie für eine Versicherung mit regelmäßig fallender Versicherungssumme. Wegen der hohen Prämienbelastung ist darauf zu achten, dass die Versicherung mit gleich bleibender Versicherungssumme nicht auch in Fällen gewählt wird, in denen eine Versicherung mit fallender Versicherungssumme ausreichend wäre.33 33

Zu Missbrauchsproblemen vgl. Pällmann 26–27.

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Tritt der Versicherungsfall ein, hat der VR die volle vertraglich festgelegte Versicherungssumme sowie die etwaige Überschussbeteiligung zu erbringen. Die Versicherungsleistung wird auch hier dem Darlehenskonto des Versicherten gutgeschrieben und ein etwaiger Überschuss sodann an die Erben des Kreditnehmers ausgekehrt.

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d) Restschuldversicherung als Außenstands- oder Saldenversicherung. Die Versicherung mit regelmäßig fallender oder gleich bleibender Versicherungssumme passt nicht für das sog. Dispositions-, Verfügungs- oder Überziehungsdarlehen. Dieses Darlehen variiert in seiner Höhe, auch seine Laufzeit steht nicht von vornherein endgültig fest; die Kreditzinsen können anders als beim gewöhnlichen Ratenkredit nicht für die gesamte Laufzeit im Voraus berechnet werden, der Kreditnehmer wird mit den Zinsen vielmehr monatlich entsprechend dem in Anspruch genommenen Kredit belastet. Auch eine regelmäßige Tilgung durch von vornherein fest vereinbarte Raten findet sich hier nicht. Für diese Kredite – oder auch andere Darlehen, deren Tilgungsablauf nicht von vorn48 herein fest bestimmt ist – bietet sich zur Absicherung die sog. Außenstands- oder Saldenversicherung an. Versicherungssumme ist hier der jeweilige Saldo, mit den Prämien wird der Kreditnehmer Monat für Monat entsprechend der Größe des Saldos belastet. Durch die monatliche Meldung der versicherten Salden werden auch die Änderungen des Kreditvertrages wie Ratenstundungen oder Laufzeitverlängerungen vom VR automatisch mit erfasst. Die Mitfinanzierung einer Einmalprämie entfällt. Stirbt der versicherte Kreditnehmer, gleicht der VR den am Todestag bestehenden 49 Saldo aus. 4. Besonderheiten der Restschuldversicherung

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a) Rahmenvertrag zwischen Kreditinstitut und Versicherer. In der Regel ist bei einer Restschuldversicherung davon auszugehen, dass zwischen dem VR und dem Gläubiger der Zahlungsverpflichtung ein Rahmenvertrag besteht, innerhalb dessen Restschuldversicherungen fakultativ abgeschlossen werden. Ein derartiger Rahmenvertrag ist die Voraussetzung für eine besonders rationelle 51 Durchführung der Restschuldversicherung. Auf seiner Grundlage ist es u.a. möglich, den Kreditantrag mit dem Versicherungsantrag zu kombinieren und nur eine sehr vereinfachte Risikoprüfung stattfinden zu lassen. Der Versicherungsschutz kann mit der Valutierung des Kredits beginnen, ohne dass es einer besonderen Versicherungspolice bedarf, der versicherte Kreditnehmer erhält lediglich eine Antragskopie und ein Merkblatt für die Restschuldversicherungsbedingungen als Versicherungsbestätigung. Aus dem Rahmenvertrag ergeben sich auch die Vereinbarungen über den Datenträger52 austausch zwischen dem Kreditinstitut und dem VR, die eine sofortige Bearbeitung der vertragsrelevanten Daten aus dem Verhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer auch für den VR möglich machen. b) Versicherungsrechtliche Stellung von Kreditnehmer, Kreditgeber und Versicherer

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aa) Allgemeines. Gefahrsperson ist bei der Restschuldversicherung in aller Regel nur der Kreditnehmer, selten auch ein Mitschuldner. VN kann sowohl der Kreditnehmer als auch der Kreditgeber sein. Regelmäßig ist der 54 Kreditnehmer auch zugleich VN und damit unmittelbarer Vertragspartner des VR. Nur ausnahmsweise – beispielsweise bei bestimmten Kleingeschäften – ist der Kreditgeber der VN, für diesen Ausnahmefall ist jedoch darauf zu achten, dass die Position des Darlehensnehmers entsprechend gestärkt wurde: Dem Kreditnehmer bzw. seinen Erben

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stehen die Überschussanteile aus der Restschuldversicherung auch dann zu, wenn er nicht VN, sondern lediglich Gefahrsperson ist. Ist der Kreditnehmer und nicht der Kreditgeber auch zugleich VN, so stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, dem Kreditgeber einen Anspruch aus der Versicherung zu geben, der seinem Kreditrisiko entspricht. bb) Darlehensgeber als Zessionar. Ist der Darlehensnehmer zugleich auch der VN, so findet sich häufig eine Abtretung der etwaigen Versicherungsforderung an den Kreditgeber, der Kreditgeber wird Zessionar der Versicherungsforderung. So findet sich insbes. auch bei Sparkassen in dem neben dem Kreditantrag abzugebenden Versicherungsantrag die Klausel: „Ich trete hiermit die Ansprüche aus dieser Versicherung an die Sparkasse in … als Sicherheit ab und ermächtige sie, für mich den Versicherungsschein in Empfang zu nehmen“. Bei einer derartigen Abtretung ist zu beachten, dass nach § 400 BGB, §§ 850 ff. ZPO der Anspruch gegen den VR nicht abgetreten werden kann, wenn die Pfändungsschutzgrenzen greifen. Die Restschuldversicherung ist eine reine Todesfallversicherung, sie weist aber die Besonderheit auf, dass die Versicherungssumme in der Regel nicht gleich bleibend ist, sondern während der Laufzeit kontinuierlich abfällt und während der Versicherungsdauer Schwankungen ausgesetzt ist. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 400 BGB ist dabei nicht auf die Anfangsversicherungssumme, sondern auf die Höhe der Versicherungssumme zum Zeitpunkt der Aktualisierung der Gefahrtragung abzustellen.34 Übersteigt die Versicherungssumme die Pfändungsgrenze, so ist nicht die gesamte Versicherungssumme, sondern nur der diese Grenzen übersteigende Betrag abtretbar. Da es sich um eine Sicherungszession handelt, hat der Kreditgeber im Innenverhältnis zum Kreditnehmer nur bei Eintritt des Sicherungsfalles das Recht auf Zugriff auf die zedierte Forderung. Das ergibt sich aus dem Sicherungszweck der Abtretung und aus dem Wesen der Restschuldversicherung. Der Kreditgeber ist bei Eintritt des Todes des Kreditnehmers aber nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, sich zunächst aus der Versicherung zu befriedigen.35 Erst wenn der Kreditgeber aus dem Versicherungsanspruch keine Befriedigung erhält, darf er auf die Forderung aus dem Darlehensvertrage zurückgreifen. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Restschuldversicherung in Verbindung mit dem abgeschlossenen Kreditvertrag. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Verhalten des Kreditnehmers dazu geführt hat, dass der VR von der Verpflichtung zur Leistung gänzlich oder partiell frei ist oder frei sein könnte, weil er z.B. wegen falscher Angaben zum Gesundheitszustand vom Versicherungsvertrage zurückgetreten ist. In einem solchen Falle geht die Verpflichtung des Darlehensgebers zwar dahin, dem Versicherten entweder den Versicherungsschein herauszugeben oder ihm seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag zum Einzug abzutreten, der Kreditgeber muss es dem versicherten Kreditnehmer anzeigen, wenn er eine Deckungsklage gegen den VR nicht erheben will. Kommt der Darlehensgeber dieser Verpflichtung nicht nach und versäumt es der Darlehensnehmer deshalb, den VR fristgemäß in Anspruch zu nehmen, so darf der Kreditgeber auf die Forderung aus dem Kreditvertrage nicht mehr zurückgreifen.36 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Darlehensnehmer im Versicherungsfall nicht mehr lebt und die notwendigen Maßnahmen nicht mehr ergreifen kann, die Erben aber häufig keine Kenntnis vom Abschluss der Restschuldver-

34 35

A.M. Pällmann 67, der auf die Anfangsversicherungssumme abstellen will. Vgl. BGH 7.12.1978 VersR 1979 345 für den

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Fall, in dem der Kreditgeber allerdings nicht Zessionar, sondern VN war. Vgl. im Einzelnen dazu Pällmann 71–74.

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sicherung haben, durch die auch Vorsorge dafür getroffen werden soll, dass die Hinterbliebenen nicht mit den durch den Kredit entstandenen Verpflichtungen belastet werden sollen. Leistet der VR im Versicherungsfalle an den Kreditgeber, so werden die Erben des 59 Kreditnehmers insoweit von ihren Verbindlichkeiten aus dem Kreditvertrage befreit.

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cc) Kreditgeber und Bezugsberechtigter. Bei der Bezugsrechtskonstruktion ist der Kreditnehmer gleichfalls der VN, der Kreditgeber wird jedoch als Bezugsberechtigter eingesetzt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf § 159 Rn. 18 ff. verwiesen.

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dd) Kreditgeber als Bevollmächtigter des Kreditnehmers. In der Praxis finden sich unterschiedliche Klauseln zur Stellung des Kreditnehmers als VN. Wenn in der vereinbarten Klausel nicht eine Abtretung oder die Benennung eines Bezugsberechtigten zu sehen ist, kann der Kreditgeber u.U. die Stellung eines Bevollmächtigten des Kreditnehmers besitzen, der auch zum Empfange der Versicherungsleistung bevollmächtigt ist.37 Auslegungsschwierigkeiten bereiten dabei insbes. auch solche Klauseln, in denen der Kreditnehmer zugleich als VN und – gleichwohl! – als Bezugsberechtigter bezeichnet wird: Hier ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Kreditgeber hinsichtlich der Versicherungsforderung keine Forderungsrecht hat.38

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ee) Kreditgeber als Versicherungsnehmer. Anders als bei den bislang erörterten Klauseln kann auch der Kreditgeber und nicht der Kreditnehmer als VN auftreten. In diesem Falle ist der Kreditnehmer lediglich die Gefahrsperson, im Versicherungsfall leistet der VR an den Kreditgeber. In den vergangenen Jahren ist diese versicherungsrechtliche Konstruktion in der Praxis jedoch zunehmend in den Hintergrund getreten, sie leidet unter dem Nachteil, dass die Stellung des Kreditgebers zulasten der Position des Kreditnehmers besonders ausgeprägt ist. Erforderlich ist bei einer Ausgestaltung der Restschuldversicherung in dieser Weise 63 eine schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson in den Abschluss der Versicherung, § 150 Abs. 2.39 Umstritten ist die rechtliche Einordnung der Konstruktion. Lammel 40 und – anscheinend auch – das OLG Hamm41 gehen davon aus, dass es sich hier um eine Versicherung für fremde Rechnung i.S.d. §§ 43 ff. handelt, so dass sich die Frage erhebt, ob der Kreditnehmer gleichwohl grundsätzlich einen direkten Rechtsanspruch gegen den VR erhält. Da seit 2008 die Lebensversicherung – und damit auch die Restschuldversicherung – als Versicherung für fremde Rechnung abgeschlossen werden kann,42 ist eine solche Konstruktion seither zulässig. Die Frage des Rechtsanspruchs des Kreditnehmers beantwortet sich nach der Ausgestaltung des Restschuldversicherungsvertrages.

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c) Sonstiges. Sonderregelungen enthalten die verschiedenen Formen der Restschuldversicherung im Hinblick auf die vorvertragliche Anzeigepflicht. Hierzu wird in der Praxis ein vereinfachtes Verfahren vereinbart, wonach auf Gesundheitsfragen auch gänz-

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Vgl. Pällmann 87. Zur Bestellung einer kreditgebenden Bank zum Zustellungsbevollmächtigten des kreditnehmenden VN vgl. OLG Köln 26.9.1985 VersR 1986 1186, 1887. Im Einzelnen dazu Bruck/Möller/Winter § 150 Rn. 32 ff.

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Lammel BB Beilage 8/1980 11. OLG Hamm 18.11.1986 VersR 1987 354. Im Einzelnen Einf. vor §§ 150–171 Rn. 171 ff.

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Widerruf des Versicherungsnehmers

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lich verzichtet werden kann, wenn mit dem VN hinsichtlich bestimmter ernstlicher Gesundheitsstörungen eine Wartezeit vereinbart wird. Eine solche Klausel kann beispielsweise lauten: „Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf die der versicherten Person bekannten ernstlichen Erkrankungen (ernstliche Erkrankungen sind z.B. Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs, der Wirbelsäule und Gelenke, der Verdauungsorgane, Krebs, HIV-Infektion/Aids, psychische Erkrankungen, chronische Erkrankungen), wegen derer Sie in den letzten zwölf Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes ärztlich beraten oder behandelt wurden. Diese Einschränkung gilt nur, wenn der Versicherungsfall innerhalb der nächsten 24 Monate seit Beginn des Versicherungsschutzes eintritt und mit diesen Erkrankungen oder Unfallfolgen in ursächlichem Zusammenhang steht.“ Wenn das OLG Dresden43 insbes. mit Bezugnahme auf Prölss 44 eine solche Klausel für zulässig hält, da sie nur solche Erkrankungen erfasse, derentwegen der VR den Vertrag bei einer Risikoprüfung vor Vertragsschluss nicht oder nur mit erheblichen Risikozuschlägen geschlossen hätte, so kann dem nicht beigepflichtet werden. Die Klausel umgeht die halbzwingende gesetzliche Regelung des § 32 und führt zu einer Ausschaltung des Regelungssystems der §§ 19 ff., 32,45 sie könnte darüber hinaus auch gegen das Transparenzgebot verstoßen sowie zu einer Entwertung des Versicherungsschutzes nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB führen.46 Positiv zu sehen ist die in der Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung enthaltene Klausel, nach der der VR nicht zu leisten hat, wenn der Versicherungsfall durch Arbeitsunfähigkeit infolge einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung verursacht ist. Diese Klausel ist nicht überraschend, sie ist auch nicht intransparent. Durch den Ausschluss einer einzelnen Erkrankung – der sich im Übrigen auch in der Unfallversicherung findet – wird nicht das Regelungssystem der §§ 19 ff. ausgeschaltet und der Versicherungsschutz nicht so weit ausgehöhlt, dass an § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu denken ist. Der VN wird auch nicht unangemessen benachteiligt, „denn der Ausschluss psychischer Erkrankungen aus dem Versicherungsschutz dient nicht allein den Interessen des Versicherers, sondern auch derjenigen der VN, da eine zuverlässige Tarifkalkulation sowie eine zeitnahe Leistungsprüfung angesichts objektiv fassbarer, möglichst unproblematisch zu diagnostizierender Erkrankungen deutlich begünstigt wird“.47 – Eine allgemeine Aufklärungspflicht über mögliche Risiken für den VN aus der Vertragsabwicklung besteht auf Seiten des VR

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OLG Dresden 30.6.2005 VersR 2006 61, 62 f.; ähnlich OLG Koblenz 1.6.2007 VersR 2008 383, 384; vgl. auch OLG Schleswig 27.3.2006 OLGR 2006 395; a.A. OLG Saarbrücken 11.7.2007 VersR 2008 621; OLG Brandenburg 25.4.2007 VersR 2007 1071, 1072; vgl. BGH 7.2.1996 VersR 1996 486, 487 zu einer früheren Klausel; zweifelnd auch OLG Hamm 13.8.2008 VersR 2009 1482. Prölss/Martin/Prölss § 19 Rn. 73, 79–82; Krämer VersR 2004 713 m.w.N. Ausführlich dazu Knappmann VersR 2006 495, 496 sowie Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 32 Rn. 11 ff. Aus der Rspr. zu dieser Thematik zu unterschiedlichen Klauseln OLG Köln 4.10.1990 VersR 1990 1381 (nicht bedingungslos wirk-

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sam); ähnlich OLG Hamm 11.12.1990 VersR 1991 798; OLG Nürnberg 8.11.1990 VersR 1991 799; OLG Köln 9.10.1990 VersR 1990 369; LG Berlin 17.5.1990 VersR 1991 577, 578 (unwirksam); zu weiterer Rspr. vgl. Benkel/Hirschberg/Benkel RLV Rn. 9 ff. – Zu weiteren Besonderheiten der Restschuldversicherung vgl. Pällmann 92; Bhayani VW 2009 754. Aus der Rspr. vgl. OLG Frankfurt 30.1.2002 NVersZ 2002 400, 401 (zur Beratungsbedürftigkeit); OLG Frankfurt 6.12.1988 VersR 1989 793 (Restschuldversicherung mit schadensrechtlichem Einschlag); OLG Karlsruhe 2.2.2006 VersR 2006 637; OLG München 28.1.1988 VersR 1988 1146. OLG Köln 13.8.2010 VersR 2011 201 m.w.N.

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nicht.48 – Ebenso wenig wie ein VN aus den klassischen Grundformen der Lebensversicherung einen individuellen Auskunftsanspruch über den Rückkaufswert gegen den VR hat,49 besitzt ihn der VN in der Restschuldversicherung,50 in der es im Übrigen in der Regel nicht zu einem Rückvergütungsanspruch kommen dürfte. 5. Bausparrisikoversicherung

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Die Bausparrisikolebensversicherung erfolgt zur Absicherung eines Bauspardarlehens und wird von fast sämtlichen Bausparkassen gefordert, sie hat deutliche Ähnlichkeiten mit der üblichen Restschuldversicherung. Dabei handelt es sich in aller Regel um Gruppenversicherungen, bei denen auf eine Gesundheitsprüfung verzichtet wird, die Verwaltung der Versicherungen ist dadurch erheblich vereinfacht. Im Einzelnen besteht die Bausparrisikoversicherung in der Regel aus einer Aneinanderreihung einjähriger Risikolebensversicherungen, wobei die Versicherungssumme jeweils zu Beginn des Kalenderjahres nach dem Darlehensstand zu dieser Zeit neu festgesetzt wird und für dieses Jahr konstant bleibt. Die Prämie wird jährlich neu festgesetzt, dabei wird nicht nur die Höhe des Restdarlehens, sondern auch das von der Gefahrsperson inzwischen erreichte Alter berücksichtigt.51

III. Anwendbarkeit der §§ 358 ff. BGB auf Verbraucherdarlehensund Restschuldversicherungsverträge 1. Problematik §§ 358 ff. BGB sollen den Verbraucher vor Risiken schützen, die für ihn durch die Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vertrages entstehen. Mit § 358 Abs. 1 BGB wird das für den Liefervertrag geltende Widerrufsrecht auf den Darlehensvertrag erstreckt, mit § 358 Abs. 2 umgekehrt das für das Darlehen geltende Widerrufsrecht auf den Liefervertrag. Der Einwendungsdurchgriff, wie er in § 359 BGB geregelt ist, gewährt dem Verbraucher die Möglichkeit, Einwendungen, die sich aus dem Liefer- und Finanzierungsvertrag ergeben, auch dem Anspruch aus dem verbundenen Vertrag entgegenzuhalten. Soweit dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt wird, hat der Unternehmer den Verbraucher über sein Recht und die Rechtsfolgen des jeweiligen Widerrufsrechts in deutlicher Form zu belehren. Ein solcher Widerrufs- und Einwendungsdurchgriff ist auch im Verhältnis von Restschuldversicherung und Verbraucherdarlehensvertrag zu bejahen.52 Ein Widerruf des Darlehensvertrages hat auch die Rückabwicklung des Restschuldversicherungsvertrages zur Folge. Ist der Verbraucher vom Unternehmer nicht ausreichend belehrt worden, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, § 355 Abs. 2 BGB. Die Möglichkeit des Widerrufs ist auch bei der Restschuldversicherung von Bedeu67 tung, obwohl der VN – falls laufende Prämie zu zahlen sind – das Recht der jederzeitigen Kündigung besitzt und bei einer Risikoversicherung die nachteilige Rückvergütungsregelung kaum zu Buche schlägt. Der besondere Wert einer Widerrufsmöglichkeit im Rah-

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OLG Frankfurt 30.1.2002 NVersZ 2002 400. Zur Haftung einer Bank, die die Vermittlung der Restschuldversicherung an den VN übernommen hat vgl. OLG Koblenz 5.12.2008 VersR 2009 488, 489. Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 160 ff.

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AG Breisach 13.6.2006 VersR 2007 936. Vgl. Hagelschuer 55; zu den Bausparkassenbedingungen vgl. Herzog Bausparkassenbedingungen und AGB-Kontrolle (2006). BGH 15.12.2009 VersR 2010 469 m.w.N.; Heinig VersR 2010 863 m.w.N.

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Widerruf des Versicherungsnehmers

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men der §§ 358 ff. BGB liegt für den VN darin, dass er angesichts der Sanktionsregelung des § 9 Satz 2 bei Widerruf des Vertrages wirtschaftlich besser dastehen kann, als wenn er den Vertrag gar nicht geschlossen hätte. Bei der Zahlung einer Einmalprämie, wie sie bei der Restschuldversicherung üblich ist, greift die Regelung des § 168 ohnehin nicht. Das gilt auch für § 168 Abs. 2, da es sich bei der Restschuldversicherung nicht um eine kapitalbildende Versicherung handelt. 2. Restschuldversicherung und Darlehensvertrag als verbundene Verträge Voraussetzung eines solchen Widerrufs- und Einwendungsdurchgriffs ist es, dass 68 die Restschuldversicherung und das Verbraucherdarlehen als verbundene Verträge i.S.d. §§ 358 ff. BGB anzusehen sind. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn die besonderen Widerrufsregelungen der §§ 8, 9 der Anwendbarkeit der §§ 358, 359, 359a BGB nicht entgegenstehen (a), wenn das Darlehen nach § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB der Finanzierung der Restschuldversicherung dient (b) und zwischen beiden Verträgen eine wirtschaftliche Einheit i.S.v. § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB gegeben ist (c). a) Verhältnis von §§ 8, 9, 152 VVG zu §§ 358 ff. BGB. Das Widerrufsrecht des VVG 69 ist eine eigenständige Regelung zugunsten des VN, das sich in seiner Ausgestaltung von dem Widerrufsrecht der §§ 358 ff. BGB unterscheidet, das gleichfalls eine spezielle Regelung bei verbundenen Verträgen darstellt. Wenn die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 BGB das Widerrufsrecht für das Verbraucherdarlehen ausschließt, falls der Darlehensnehmer den verbundenen Vertrag – also den Versicherungsvertrag – widerrufen kann, so ist damit allein ein Widerrufsrecht „nach Maßgabe dieses Untertitels“, also ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB gemeint und nicht ein Widerrufsrecht nach dem VVG.53 § 358 Abs. 2 Satz 2 BGB führt daher nicht zum Ausschluss des Widerrufsrecht aus dem VVG und umgekehrt.54 Insbesondere sind auch die Voraussetzungen und Folgen in §§ 8, 9, 152 VVG nicht „abschließend normiert“, auch schließen die Unterschiede in den Vertragsstrukturen von Darlehen und Versicherungsvertrag einen „Rückabwicklungsgleichlauf beider Verträge im Rahmen eines Widerrufsdurchgriffs“ nicht aus.55 b) Finanzierungsfunktion des Darlehens für die Restschuldversicherung. Nach § 358 70 Abs. 3 Satz 1 BGB kann von verbundenen Verträgen nur gesprochen werden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des verbundenen Vertrages dient. Das Recht der verbundenen Verträge ist vor dem Hintergrund geschaffen worden, dass ein finanzierter Vertrag einem Finanzierungsvertrag gegenübersteht, der finanzierte Vertrag (Kaufvertrag, aber auch Dienstleistungsvertrag) durch das Darlehen finanziert wird. Bei der Restschuldversicherung liegt dabei nicht der typische Fall verbundener Verträge (Kauf eines Autos, Finanzierung durch Darlehen) vor, der Verbraucher verfolgt mit dem Darlehen nicht primär den Abschluss einer Restschuldversicherung, sondern den Kauf des Autos. Die Finanzierung auch einer Restschuldversicherung entspricht daher nicht dem Bild eines traditionellen Teilzahlungsgeschäft und beinhaltet eine ungewohnte Perspektive auf einen Vertrag, der der Absicherung des Darlehens dienen soll. Der BGH stellt jedoch zu Recht gleichwohl darauf ab, dass im Verhältnis Darlehen/Restschuldversicherung gleichfalls ein Aufspaltungsrisiko besteht und knüpft daran an, dass die Restschuldversicherungsprämie mit einem Teil der Darlehenssumme bezahlt wird: Die

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Heinig VersR 2010 863, 864. BGH 15.12.2009 VersR 2010 469 m.w.N.

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So aber Freitag VersR 2009 862, 863 m.w.N.

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§ 152

Kapitel 5: Lebensversicherung

Annahme eines verbundenen Geschäfts setzt nicht voraus, „dass die finanzierte Leistung auf dem Markt auch von Unternehmern angeboten wird, die selbst zur Finanzierung etwa durch die Bewilligung von Ratenzahlungen, bereit sind. Entscheidend ist vielmehr, dass durch den Abschluss zweier rechtlich selbstständiger Verträge die Gefahr begründet wird, dass der Verbraucher zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet bleibt, obwohl ihm gegen den Unternehmer, der die finanzierte Leistung erbracht hat, Einwendungen zustehen. Dies ist der Fall, wenn der Verbraucher den Restschuldversicherungsvertrag gemäß §§ 8, 48c VVG a.F. widerruft und dadurch von der Pflicht zur Zahlung der Versicherungsprämie frei wird, das Darlehen aber bereits an den VR ausgezahlt ist. Umgekehrt könnte sich der Verbraucher an einem Widerruf des Darlehensvertrages gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB praktisch gehindert sehen, wenn er nicht auch das Verbundgeschäft, d.h. den Restschuldversicherungsvertrag, beenden könnte. Dass der Verbraucher bei Annahme verbundener Geschäfte mit dem Widerruf des Darlehensvertrages den Schutz der Restschuldversicherung verliert und das Ausfallrisiko selbst tragen muss … fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Das Widerrufsrecht besteht bei ordnungsgemäßer Belehrung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen. Sofern das Darlehen in diesem Zeitraum bereits ausgezahlt worden ist, kann der Verbraucher, bevor er sich zum Widerruf entschließt, unschwer feststellen, ob er den Schutz der Restschuldversicherung entbehren und das Darlehen selbst zurückzahlen kann“.56

71

c) Darlehens- und Restschuldversicherungsvertrag als wirtschaftliche Einheit. Die Frage der wirtschaftlichen Einheit ist im Wege einer Gesamtschau festzustellen und dürfte im Zusammenhang mit einer Restschuldversicherung, die über ein Darlehen finanziert wird, in aller Regel nicht zweifelhaft sein.57 3. Rechtsfolgen

72

Die Anwendbarkeit der Vorschriften über verbundene Verträge auf Verbraucherdarlehen und Restschuldversicherung hat zur Folge, dass die Formulare für Darlehensverträge auch eine Belehrung nach § 358 Abs. 5 BGB des Inhalts enthalten müssen, dass ein Widerruf des Darlehensvertrages auch Auswirkungen auf die Restschuldversicherung hat (§ 358 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Rechtsfolgen des Widerrufs der Restschuldversicherung richten sich nach § 9 73 VVG.58 Nach § 9 Satz 1 ist daher bei korrekter Erfüllung der Belehrungspflicht zu berechnen, welcher Anteil der (Einmal-)Prämie auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfällt, wobei auch § 152 Abs. 2 zu berücksichtigen ist. Bei fehlender Belehrung greift § 9 Satz 2. Im Übrigen tritt das Kreditinstitut in die Rechte und Pflichten des VR ein, § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB.

IV. Anwendbarkeit der §§ 358 ff. BGB beim Abschluss einer Bausparrisikolebensversicherung 74

Zum Abschluss einer Bausparrisikoversicherung kommt es erst nach Zuteilung des Bausparvertrages, wenn die Bausparkasse an den Bausparer ein Darlehen vergibt, das durch die Risikolebensversicherung für den Fall des Todes des Bausparkunden abge-

56 57

BGH 15.12.2009 VersR 2010 469, 470. Heinig VersR 2010 863, 865.

190

58

BGH 15.12.2009 VersR 2010 469, 471.

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Widerruf des Versicherungsnehmers

§ 152

sichert werden soll. Wird die Finanzierung der Risikoversicherung durch das Verbraucherdarlehen übernommen, so gilt für die Bausparrisikoversicherung das zur Restschuldversicherung Gesagte entsprechend. Wird die Bausparrisikoversicherung nicht durch die Bausparkasse, sondern direkt durch 75 den Bausparer als VN finanziert und handelt es sich deswegen nicht um ein verbundenes Geschäft, so kann die Vorschrift des § 359a Abs. 2 BGB zur Anwendung gelangen und es gleichwohl zu einem Widerrufs- und Einwendungsdurchgriff hinsichtlich der Bausparrisikoversicherung kommen.

V. Kapitalbildende Lebensversicherung in der Form einer Tilgungsversicherung und §§ 358 ff. BGB Kommt es in Zusammenhang mit einem Grundstückskaufvertrag oder dem Bau eines 76 Hauses zum Abschluss eines Verbraucherdarlehens und soll das Darlehen mit Hilfe einer Tilgungsversicherung (in der Form einer kapitalbildenden Lebensversicherung) getilgt werden, so kann an eine analoge Anwendung gemäß § 359a Abs. 2 BGB gedacht werden. Es handelt sich bei dem Darlehen und der kapitalbildenden Lebensversicherung nicht um verbundene Verträge, die Lebensversicherung wird nicht über das Darlehen finanziert, aber Darlehen und Lebensversicherung sind in ihrer Höhe und der angesetzten Zeit für die Ansparleistung aufeinander abgestimmt und wirtschaftlich eng miteinander verknüpft, sie bilden eine wirtschaftliche Einheit. Die Tilgungsversicherung ist allein des Bauspardarlehens wegen geschlossen worden. Darüber hinaus könnten Darlehensvergabe und Lebensversicherung auch durch dasselbe Unternehmen – nämlich das Versicherungsunternehmen – bereitgestellt werden. Auch wenn der Vertrag „über Zusatzleistungen“ auf die Form der Tilgungsversicherung auf den ersten Blick nicht zu passen scheint, es liegt auch hier die Gefahr auf der Hand, dass sich der VN von dem Vertrag nur unter Inkaufnahme von Nachteilen (niedriger Rückkaufswert) nach § 168 lösen kann, wenn ein Widerrufsrecht hinsichtlich der Tilgungsversicherung verweigert würde. Bei Gewährung einer Widerrufsmöglichkeit nach §§ 358 ff. BGB kann die Rechtsfolge des § 9 Satz 2 für den VN wirtschaftlich deutlich günstiger sein als die Kündigung, wenn sie mit einer Rückkaufswerterstattung verbunden ist.59

D. Abdingbarkeit Die Vorschriften des § 152 Abs. 1 und 2 sind halbzwingend, § 171 Satz 1. Absatz 3 77 ist disponibel (ebenso wie § 33 Abs. 1).60

59

Im Einzelnen und zutreffend Pockrant (Manuskript).

60

Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 95.

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§ 153

Kapitel 5: Lebensversicherung

§ 153 Überschussbeteiligung (1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; die Überschussbeteiligung kann nur insgesamt ausgeschlossen werden. (2) 1Der Versicherer hat die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden. 2 Die Beträge im Sinne des § 268 Abs. 8 des Handelsgesetzbuches bleiben unberücksichtigt. (3) 1Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. 2 Bei der Beendigung des Vertrages wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. 3Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Kapitalausstattung bleiben unberührt. (4) Bei Rentenversicherungen ist die Beendigung der Ansparphase der nach Absatz 3 Satz 2 maßgebliche Zeitpunkt. Schrifttum1 Ackermann Die Rückgewährquote der Lebensversicherungsunternehmen (1985); Adams Vorschläge zu einer Reform der kapitalbildenden Lebensversicherung, NVersZ 2000 49; Armbrüster Das Transparenzgebot im Hinblick auf die Überschussermittlung und -beteiligung in der Lebensversicherung, ZVersWiss 2003 745; ders. Eigentumsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht – Auswirkung der Judikatur des BVerfG zur Lebensversicherung, ZGR 2006 683; ders. Teilkollektivierung der freien Rückstellung für Beitragsrückerstattung in der Lebensversicherung (§ 56b Abs. 2 VAG n.F.), VersR 2013 385; Basedow Die Kapitallebensversicherung als partiarisches Rechtsverhältnis – Eine zivilistische Konstruktion der Überschussbeteiligung, ZVersWiss 1992 419; Baumann Die Kapitallebensversicherung mit Überschussbeteiligung als partiarisches Rechtsverhältnis und ihre Bedeutung bei der Umstrukturierung von Versicherungsgruppen (1993); ders. Lebensversicherung, stille Reserven und Gesamtrechtsordnung, JZ 1995 446; Baumhauer Karlsruhe und die stillen Reserven: Nicht wirklich kundenfreundlich, VW 2005 1228; Benkel Die Verwendung des Überschusses in der Lebensversicherung, VersR 1994 509; Brömmelmeyer Der Verantwortliche Aktuar in der Lebensversicherung (2000); ders. Die Reform des Lebensversicherungsrechts, VersR 2003 939; Bürkle Nationalstaatliche Produktregulierung im Europäischen Binnenmark für Lebensversicherungen, VersR 2006 1042; Claus Die Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung, Der Aktuar 1997 60; Dalmis/Kaiser Die Zinszusatzreserve und ihre Folgen für Aktionäre und Kunden, VW 2011 560; Degenhardt Zeitwertbilanzierung finanzieller Vermögenswerte von Versicherungsunternehmen nach IFRS (2003); Donath Der Anspruch auf Überschussbeteiligung – Eine bürgerlichrechtliche Untersuchung zur Kapitallebensversicherung, AcP 193 279; ders. Der Streit um die stillen Reserven der Lebensversicherungsgesellschaften – Bestandsaufnahme und Ausblick, VuR 1997 339; Dreyer Stille im Jahresabschluss von Lebensversicherungsunternehmen (1998); Ebers Die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung (2001); Engeländer Die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung, NVersZ 2000 401; ders. Probleme und Lösungen bei der Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung, NVersZ 2000 545; ders. Überschussbeteiligung nach dem Regierungsentwurf zum VVG, VersR 2007 155; ders./Kölschbach Der Fair-Value-Standard ist schwer umzusetzen, VW 2003 1324; Eppe § 153 VVG 2008 – Neues zur Rechtsnatur des Versicherungsvertrages, VersR 2008 1316; Geib 1

Eine ausführliche Übersicht über das Schrifttum bis 1987 findet sich in Bruck/Möller/ Winter8 G 308.

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Überschussbeteiligung

§ 153

Die Pflicht zur Offenlegung des Zeitwertes von Kapitalanlagen der Versicherungsunternehmen nach Umsetzung der Versicherungsbilanzrichtlinie (1997); ders./Engeländer Mehr oder weniger Ermessen?, VW 2006 541; dies. Die Überschussbeteiligung und das Handelsrecht, VW 2006 620; dies. Was soll nun Gesetz werden?, VW 2006 714; Goecke Der Renditewettbewerb in der Lebensversicherung (2001); Hammers Full-Fair-Value-Bilanzierung von Lebensversicherungsprodukten und mögliche Implikationen für die Produktgestaltung, Köln Diss. (2009); Heiss Die Überschussbeteiligung in der kapitalbildenden Lebensversicherung nach dem Urteil des BVerfG vom 26.7.2005 (1 BvR 80/95) in Albrecht/Bartels/Heiss (Hrsg.) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.7.2005 (1 BvR 80/95) (2006) 7; Heller Die Bilanzierung von Versicherungsverträgen nach IFRS: eine ökonomische Analyse (2009); Hennrichs Stille Reserven und Lebensversicherung, NVersZ 2002 5; Hesberg Ist die Externe Rechnungslegung der Versicherungsunternehmen überflüssig? – Zur Gestaltung der Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen auf deregulierten Versicherungsmärkten aus Sicht der Versicherungsnehmer in: Hesberg/Nell/Schott (Hrsg.) Risiko, Versicherung, Markt, Festschrift für Karten (1994), 523; ders./Karten Der Gesetzentwurf zur Reform des deutschen Versicherungsvertragsgesetzes – Die Abspaltung der Kapitalanlage und des Risikogeschäfts, NVersZ 1999 1; von Hippel Gewinnbeteiligung und Verbraucherschutz in der Lebensversicherung, JZ 1989 663; ders. Rechtlose Versicherungsnehmer?, NJW 1995 566; Hölscher Marktzinsorientierte Ergebnisrechnung in der Lebensversicherung (1994); ders. Die „gerechte“ Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen in der Lebensversicherung, ZVersWiss 1996 41; Kaserer Offenlegung stiller Reserven – eine internationale Perspektive, ZIP 1999 2085; Kessler Die Wahrheit über das Vorsichtsprinzip?!, DB 1997 1; Knappmann BVerfG stärkt Stellung der Versicherten in der Lebensversicherung, NJW 2005 2892; Lorenz Rechtsfragen zur Überschussbeteiligung in der Kapitallebensversicherung, ZVersWiss 1993 283; Looschelders Aktuelle Auswirkungen des EU-Rechts auf das deutsche Versicherungsvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Tarifierung, VersR 2011 421; Meier Das partiarische Darlehen (1988); Meyer Wem gehören 800 Milliarden?, ZRP 1990 424; Mudrack Änderungsbedarf beim Regierungsentwurf zum Versicherungsvertragsrecht, ZfV 2007 41; Nguyen Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (2008); Ortmann Kapitalanlage deutscher und britischer Lebensversicherer (2002); Pfleiderer Die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung (2006); Präve Neue Bedingungen für die Lebensversicherung, VersR 2000 694; ders. Das neue Versicherungsvertragsgesetz, VersR 2007 1046; Römer Zu ausgewählten Problemen der VVG-Reform nach dem Referentenentwurf vom 13. März 2006 (Teil II), VersR 2006 865; ders. Die kapitalbildende Lebensversicherung nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz, DB 2007 2523; ders. Was bringt das neue VVG Neues zur Lebensversicherung?, RuS 2008 405; Rückle Überschussermittlung und -verwendung in der kapitalbildenden Lebensversicherung aus der Sicht des Bilanz-, Abfindungs- und Kapitalanlagerechts in Basedow/Meyer/Schwintowski (Hrsg.) Versicherungsvertrag und Versicherungs-Treuhand, Ertragsbesteuerung, Überschussermittlung und -verwendung VersWissStud. Bd. 5 (1997) 251; Schenke Versicherungsrecht im Fokus des Verfassungsrechts – die Urteile des BVerfG vom 26. Juli 2005, VersR 2006 871; Schradin Mit Reserven die Jahresschwankungen ausgleichen, VW 2005 1288; Schröder Stille Reserven als Quellen der Überschussbeteiligung, VW 2005 1226; Schünemann Überschussbeteiligung und Synallagma in der Kapitallebensversicherung, BB 1995 417; ders. Überschussbeteiligung in der Kapitallebensversicherung, Rückblick und Ausblick in: Basedow/Meyer/Schwintowski (Hrsg.) Lebensversicherung, internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutzzweck, Versicherungsvertrieb VersWissStud. Bd. 4 (1996) 43; ders. Geschäftsbesorgung in der Lebensversicherung und der Gesetzesentwurf vom 2. Juli 1997 – Perspektiven eines Befürworters in: Karten/ Werber/Winter (Hrsg.) Lebensversicherung und Geschäftsbesorgung (1998) 26; ders. Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung – Rückblick und Ausblick, ZVersWiss 2000 43; Schwintowski Die Rechtsnatur des Versicherungsvertrages, JZ 1996 702; ders. Rechtsnatur und ökonomische Funktion des Versicherungsvertrages in: Basedow/Meyer/Schwintowski (Hrsg.) Erneuerung des Versicherungsvertragsgesetzes, Versichertenschutz in den USA, Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen VersWissStud. Bd. 6 (1997) 27; ders./Evers Lebensversicherung – stille Reserven – Überschussbeteiligung, ZVersWiss 2002 393; Stindt Die Überschussbeteiligung in der kapitalbildenden Lebensversicherung im bilanziellen Spannungsfeld zwischen HGB und IAS/IFRS (2009); Wandt Thesen zur Transparenz des Rechts der Überschussbeteiligung, VW 2006 1966; Wehling/Präve Versicherungsvertragsrecht (2008); Winter Ausgewählte Rechtsfragen der Lebensversicherung, ZVersWiss

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§ 153

Kapitel 5: Lebensversicherung

1991 2003; ders. Geschäftsbesorgung, Treuhandverhältnis und Lebensversicherung – Vertragsrechtliche Erwägungen in: Karten/Werber/Winter (Hrsg.) Lebensversicherung und Geschäftsbesorgung (1998) 58; Zeides Die rechtliche Behandlung der Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsunternehmen in Deutschland (2004); Zielke IFRS für Versicherer (2005); Zillmer Mathematische Rechnungen bei der Lebens- und Rentenversicherung, 2. Aufl. (1887); Zimmermann/Schweinberger Künftige Überschussbeteiligung und Verbraucherinformation: Eine „latente“ RfB“ hätte viele Vorteile, VW 2006 542.

Übersicht Rn. A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . II. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . 1. Anspruch auf Überschussbeteiligung . 2. Ermittlung der Überschussbeteiligung . 3. Ausgestaltung der Beteiligung am Überschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Durchführung der Beteiligung an den Bewertungsreserven . . . . . . . . . . III. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 1. Kapitalbildende Versicherungen . . . 2. Risiko- und Zusatzversicherungen . . 3. Analoge Anwendung der Regelung zur Überschussbeteiligung auf Nichtlebensversicherungen, insbesondere Kapitalisierungsgeschäfte . . . . . . . . . . . 4. Lebensversicherungsverträge mit der Niederlassung eines EU-ausländischen Versicherungsunternehmens . . . . . 5. Regulierte Pensionskassen, Sterbekassen . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Altverträge . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundlagen und Strukturen der Überschussbeteiligung (Abs. 1) . . . . . . . . I. Prämienkalkulation in der kapitalbildenden Lebensversicherung . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechnungszinsfuß als erste Rechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sterblichkeit als zweite Rechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausscheideordnungen . . . . . . . b) Bevölkerungssterbetafeln . . . . . . c) Versichertensterbetafeln . . . . . . d) Projektion in die Zukunft . . . . . 4. Kostenzuschläge als dritte Rechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschlusskosten . . . . . . . . . . b) Kosten der laufenden Verwaltung . 5. Sonstige Rechnungsgrundlagen . . . . 6. Sicherungszuschläge . . . . . . . . . 7. Aufsichtsrechtliche Vorschriften zur Prämienkalkulation . . . . . . . . . . 8. Eingeengter Anwendungsbereich der aufsichtsrechtlichen Vorschriften . . . II. Überschussquellen und Überschussermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überschussquellen . . . . . . . . . . 2. Handelsrechtlicher Jahresabschluss als Überschussermittlungsbilanz . . . . .

194

1 1 5 5 8 10 15 20 20 21

24

25 26 28 29 29 29 36 42 42 43 44 46 50 50 52 53 55 56 58 59 59 67

Rn. a) Rückgriff auf den HGB-Abschluss . b) Anforderungen an eine Überschussermittlungsbilanz . . . . . . . . . c) Ausgleichsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses . . . d) Störungen des Gleichgewichts zwischen VN und Anteilseignern durch das Realisations- und Vorsichtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . e) Handelsrechtliche Bilanzierungswahlrechte . . . . . . . . . . . . . f) Berücksichtigung der stillen Reserven bei der Überschussermittlung . . . III. Gegenstand der Überschussbeteiligung . 1. Überschüsse nach dem HGB-Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalanlageergebnis, Risikoergebnis und übriges Ergebnis im Sinne der Mindestzuführungsverordnung b) Beispiel: Körperschaftssteuerminderung . . . . . . . . . . . . . c) Überschussermittlung nach Abrechnungsverbänden . . . . . . . . . . 2. Feststellung der Bewertungsreserven . a) Begriff und Wesen der Bewertungsreserven . . . . . . . . . . . . . . b) Einheitliche Ermittlung der Bewertungsreserven bei den unterschiedlichen Formen der Kapitalanlage . . c) Feststellung der Bewertungsreserven IV. System der Überschussbeteiligung . . . . 1. Rückstellung für Beitragsrückerstattung und Direktgutschrift . . . . . . . . . a) Pufferfunktion der Rückstellung für Beitragsrückerstattung . . . . . b) Direktgutschrift . . . . . . . . . . 2. Beteiligungsprozess in zeitlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verteilungsvorgang hinsichtlich der einzelnen VN . . . . . . . . . . . . . 4. Verwendung der jährlichen Überschussanteile: Auszahlung, Verrechnung mit der Prämie, Erhöhung der Versicherungsleistung, Verkürzung der Versicherungsdauer, variable Gewinnverwendungssysteme . . . . . . . . . V. Anspruch auf Überschussbeteiligung . . 1. Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . 2. Entstehung und Erfüllung des Anspruchs auf Überschussanteile . . . .

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67 68 69

70 76 77 86 86

86 90 93 96 96

102 104 109 109 109 116 119 124

125 131 131 134

Überschussbeteiligung

§ 153

Rn.

VI.

VII.

VIII.

C.

I.

II.

a) Anspruch auf jährliche Überschussanteile einschl. Direktgutschrift . . aa) Entstehung und Erfüllung des Anspruchs . . . . . . . . . . . bb) Anspruch auf jährliche Überschussanteile bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages . . . . . . . . . . . b) Anspruch auf den Schlussüberschussanteil und die Bewertungsreserven 3. Anspruchsberechtigung . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . b) Einsetzung eines Bezugsberechtigten Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung als partiarisches Rechtsverhältnis 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . 2. Keine Optimierungspflicht des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine verstärkte Ausrichtung der Überschussbeteiligung an Treu und Glauben 4. Keine Aufspaltung des kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrages in mehrere Verträge . . . . . . . . . . . Anspruch auf Überschussbeteiligung beim Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überschussbeteiligung bei Verträgen mit Mitgliedern . . . . . . . . . . . a) Anspruchsgrundlagen . . . . . . . b) Rechtliche Natur des Anspruchs auf Überschussbeteiligung . . . . . 2. Überschussbeteiligung bei Versicherungsverträgen mit Nichtmitgliedern Ausschluss der Überschussbeteiligung . 1. Systematik des Gesetzes . . . . . . . 2. Ausschluss als enge Ausnahme und Korrektiv des gesetzlichen Anspruchs auf Überschussbeteiligung . . . . . . 3. Ausschluss der Bewertungsreserven . Ausgestaltung der Beteiligung am Überschuss: angemessene Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung und verursachungsorientierte Verteilung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . Interessen der Beteiligten und Vorgaben des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessen der Versicherungsnehmer und des Versicherers . . . . . . . . . 2. Vorgaben des BVerfG zur Verteilung und Zuteilung der Überschüsse? . . . Aufsichtsrechtliche Mindestregelungen . 1. Bedeutung des § 81c VAG und der Mindestzuführungsverordnung, Reduzierung der Mindestzuführung nach § 5 MindZV . . . . . . . . . . . . . 2. Mindestgewinnanteil der Versicherungsaktiengesellschaft nach § 56a Abs. 2 Satz 2 VAG . . . . . . . . . . 3. Mindestrückerstattung einschließlich Z-Quote als Regelung der Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . .

Rn.

135 135 III. 137 141 143 143 144

IV. V. VI.

152 152 156

VII. VIII.

157 IX. 158

159 D. 160 160

I. II.

162 164 165 165

166 168

III. IV. V.

171 VI. 171 171 173 175

E. I.

II. 175

III. IV. V.

184 VI. 185

F.

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4. Mindestzuführung und Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kein vertraglicher Anspruch des Versicherungsnehmers auf bestimmte Zuführung zur RfB . . . . . . . . . Verursachungsorientierte Beteiligung . . 1. Verursachungsgerechtigkeit und Verursachungsorientierung . . . . . . . 2. Komplexität des Verfahrens . . . . . Vereinbarung vergleichbarer Verteilungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsrechtliches Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsrechtliche Eingriffsnorm zur Gewährleistung angemessener Verteilungsgrundsätze und Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationspflichten . . . . . . . . . Ausschüttungssperre nach § 153 Abs. 2 Satz 2 VVG . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtliche Überprüfung der Beteiligung am Überschuss, aber kein separater vertraglicher Anspruch des Versicherungsnehmers auf Überprüfung des vom Versicherer praktizierten Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgestaltung der Beteiligung an den Bewertungsreserven (Absatz 3) . . . . . Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . Zuordnung der Bewertungsreserven auf den anspruchsberechtigten Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Solvabilität und Stresstesterfordernis . 2. Anspruchsberechtigte Verträge, Aufteilung zwischen Versicherungsnehmern und Lebensversicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . Bewertungsstichtage und Auszahlungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligungsquote an den Bewertungsreserven und Auszahlung . . . . . . . . Zuteilungszeitpunkt der Bewertungsreserven bei Rentenversicherungen (Absatz 4) . . . . . . . . . . . . . . . Überschussbeteiligung aufgrund einer IAS/IFRS-Rechnungslegung als Messinstrument für eine angemessene Überschussbeteiligung . . . . . . . . . . . . Bedingungsmäßige Regelung . . . . . . Grundsätze und Maßstäbe für die Überschussbeteiligung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . Verursachungsorientiertes und vergleichbare Verfahren . . . . . . . . . . Bewertungsreserven . . . . . . . . . . Ausschluss der Überschussbeteiligung . Überschussbeteiligung und Nachreservierung . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhöhte Überschussbeteiligung aufgrund vertraglicher Vereinbarung . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .

187

189 190 190 191 199 200

201 206 207

208 210 210

215 215

216 218 220

224

225 226

226 227 228 231 232 233 234

195

§ 153

Kapitel 5: Lebensversicherung

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

In seiner alten Fassung enthielt das VVG keine Regelung zur Überschussbeteiligung der Versicherten. Eines solchen Instruments bedarf es jedoch, weil sich die kapitalbildenden Lebensversicherungen – insbes. in Gestalt der Rentenversicherungen, aber auch der Kapitalversicherungen – regelmäßig durch lange Laufzeiten auszeichnen und bei der Rentenversicherung auch auszeichnen müssen, um ihre Funktion als Instrument der Altersversorgung von existentieller Bedeutung für den VN auch ausüben zu können. Über einen Zeitraum von zwei oder drei Jahrzehnten kann die tatsächliche Entwicklung einer Lebensversicherung zum Zeitpunkt des Abschlusses – angesichts der Anlage-, Sterblichkeit- und Kostenproblematik – nicht annähernd sicher abgeschätzt werden. Daher muss der VR die garantierte Leistung und die zu zahlenden Prämien sehr vorsichtig kalkulieren, also einen deutlich höheren Betrag verlangen, als er ihn zum Zeitpunkt des Endes der Vertragslaufzeit ex post möglicherweise festgesetzt hätte. Sollte es dabei – wie es nach allen Erfahrungen wahrscheinlich, aber keineswegs sicher ist – zu Überschüssen kommen, sind sie an die Versicherten auszukehren. Dabei waren auch früher zwar die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, insbes. § 81c VAG zu beachten, Anspruchsgrundlage waren nach der Rechtslage vor 2008 allerdings allein die zwischen VR und VN vereinbarten AVB. Die Zusage, eine Überschussbeteiligung vorzunehmen, beruhte daher bislang auf der autonomen Entscheidung des jeweiligen VR. Auch wenn der Wettbewerb den VR weithin gezwungen haben dürfte, seinen VN eine Überschussbeteiligung einzuräumen, dem VR verblieben erhebliche Spielräume für die Ausgestaltung der Bedingungsregelungen in seinem Sinne, ohne dass der VN in der Lage gewesen wäre, die eingeräumte Überschussbeteiligung in ihren Einzelheiten nachzuvollziehen und zu bewerten. Auch wenn der VR die aufsichtsrechtlichen Regelungen zu beachten hatte und es unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu einer so gravierenden Äquivalenzstörung kommen konnte, dass der Vertrag nichtig gewesen wäre, der weite Gestaltungsspielraum der VR wurde zwar reduziert, nicht aber ausgeschlossen. Auch Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Normen hatten keine unmittelbare Rechtsfolge für den VN, die Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung nach § 81c Abs. 1 Satz 1 VAG bedeutete zunächst keine unwiderrufliche Zuweisung an den einzelnen VN, vorgesehen war grundsätzlich auch nur eine „angemessene“ Zuführung; die Angemessenheitsgrenze war weithin nicht absolut, sondern konnte von dem VR unter Einbeziehung von Fakten, die mit dem einzelnen Überschuss zunächst nichts zu tun hatten, unterschritten werden, wenn beispielsweise der Risikoverlauf oder der Solvabilitätsbedarf des VR eine Absenkung der Angemessenheitsgrenze erforderlich machte. Schließlich konnten mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde Beträge, die bereits in die Rückstellung eingestellt waren, in Ausnahmefällen und „im Interesse der Versicherten zur Abwendung eines Notstandes“ verwendet werden. All diese Überlegungen fanden 2004 ihren Niederschlag in dem Vorschlag eines § 145 KomE2. Damit wurden jedoch vor allem bislang schon geltende Vorgaben des Aufsichtsrechts zusammen mit vertraglich vereinbarten Regelungen in das VVG übernommen, die materiellen Verbesserungen zum Umfang der Überschussbeteiligung erschienen demgegenüber als eher gering.3 Die Vorschrift des § 145 KomE lautete:

2

Im Einzelnen Abschlussbericht 97 ff., 383 ff.

196

3

Bruck/Möller/Niederleithinger Einf. E Rn. 62.

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Überschussbeteiligung

§ 153

(1) Eine Überschussbeteiligung kann nur durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. (2) Der Versicherer hat die Überschussbeteiligung nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen, es sei denn, es sind andere angemessene Verteilungsgrundsätze vereinbart. (3) Bei Verträgen mit Überschussbeteiligung ist in Textform mitzuteilen, dass der Überschuss nach handelsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelt wird, eine Mindestzuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung nach § 81c des Versicherungsaufsichtsgesetzes vorzunehmen ist und die Rückstellung für Beitragsrückerstattung nach § 56a des Versicherungsaufsichtsgesetzes auch zur Verlustdeckung herangezogen werden kann.

Von ganz erheblicher Bedeutung waren für die gesetzliche Gestaltung der Überschuss- 2 beteiligung jedoch die Entscheidungen des BVerfG vom 26.7.20054, insbes. die Entscheidung zu den stillen Reserven5. Hier gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber für den Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung – also einschließlich der kapitalbildenden Rentenversicherung mit ihren besonders langen Laufzeiten – dahingehend Vorkehrungen treffen müsse, dass bei der Ermittlung des bei Vertragsende zuzuteilenden Schlussüberschusses die durch die Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden. Stille Reserven, die durch eine unter dem aktuellen Zeitwert erfolgte Bilanzierung entstehen, seien mit auszuschütten. Erforderlich seien daher Vorgaben, inwieweit stille Reserven bei der Berechnung des Rohüberschusses einfließen müssten und Querverrechnungen – also die Verrechnung von nicht gedeckten Kosten mit Überschüssen – unzulässig seien. Da der einzelne VN keine Möglichkeit besitzt zu klären, ob die ihm zugewiesenen Schlussüberschussanteile zu niedrig festgesetzt seien, das Aufsichtsrecht in erster Linie die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens und die Wahrung der Belange der VN in ihrer Gesamtheit im Auge habe, sei es angesichts der Schutzpflichten des Staates zugunsten der VN, also aus Gründen der Effektivität des Grundrechtsschutzes der VN Aufgabe des Gesetzgeber, das Schutzdefizit der VN mit Blick auf die Überschussbeteiligung zu beheben. Dazu gehöre die Sicherung größerer Transparenz hinsichtlich der Entwicklung von Überschussquellen und der Auskehrung von Überschüssen, die Verbesserung des Informationszugangs für die Versicherten, des Wettbewerbs durch ergänzende Informationen über Abschluss- und Verwaltungskosten, Möglichkeiten der Querverrechnung und die Abwicklung des Vertrages. Ein wichtiger Bereich seien auch weitere Regelungen zu einer versicherungsspezifischen Bilanzierung der Vermögenswerte unter Offenlegung der stillen Reserven, die eine teilweise Berücksichtigung bei der Überschussbeteiligung ermöglichen, ohne dass Bewertungsreserven realisiert werden müssten. Darüber hinaus seien die Möglichkeiten zum Wechsel des VR zu erleichtern, und zwar unter weitgehendem Erhalt schon angesparter finanzieller Mittel etwa in Anlehnung an das AltZertG. Dabei wird in der Entscheidung des BVerfG zu Recht betont, die neuen Regelungen seien nicht ausschließlich im Interesse eines einzelnen Versicherten und an einer Optimierung der an ihn auszukehrenden Leistung auszurichten, das stehe nicht in Einklang mit dem für das Versicherungsrecht typischen Grundgedanken der Risikogemeinschaft. Die Schutzdefizite habe der Gesetzgeber bis zum 31.12.2007 zu beseitigen.6 Die Problematik der Entscheidungen des BVerfG liegt darin, dass es noch 2005 davon ausgegangen ist, die goldene Zeit der Überschussbeteiligung während der 60er bis 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts werde sich auch in

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BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1109 ff.; zum Grundsätzlichen schon Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 259 ff.

5 6

BVerfG BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1109, 1117; BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1134.

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Zukunft fortsetzen, eine lang andauernde Niedrigzinsphase sei ebenso undenkbar wie immer neue Finanzkrisen (seit 2008 Bankenkrise, Staatsschuldenkrise, Eurokrise) mit existentiellen Auswirkungen für die VR. Daher erschien es dem Gericht vertretbar, die Funktion der Überschussbeteiligung insbes. bei Verträgen, die der Altersvorsorge dienen und sich über 20, 30, 50 und mehr Jahre erstrecken, unter Bekräftigung der BVerwGEntscheidung von 19907 weiter zu schwächen.8 Der Referentenentwurf vom 13.3.2006 hat versucht, die Eckpunkte des BVerfG zur 3 Überschussbeteiligung insbes. durch folgende Regelungen zu berücksichtigen:9 § 153 Überschussbeteiligung (1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Überschussbeteiligung zu, es sei denn, sie ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen. (2) Bei Verträgen mit Überschussbeteiligung hat der Versicherer den Überschuss auf der Grundlage des Jahresabschlusses zu ermitteln. Bei der Ermittlung des Überschusses zu Zwecken der Überschussbeteiligung wird der Unterschiedsbetrag zwischen Anschaffungskosten und einem darüber liegenden Zeitwert angemessen berücksichtigt; eine angemessene Berücksichtigung ist anzunehmen, wenn der Unterschiedsbetrag zur Hälfte berücksichtigt wird. (3) Der Versicherer hat die unmittelbare Zuteilung der für die Überschussbeteilung bestimmten Beträge spätestens zwei Jahre nach Ermittlung des Überschusses nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden.

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Nach dieser Vorschrift sind insbes. auch die stillen Reserven angemessen zu berücksichtigen, wobei nach Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der Vorschrift als angemessen verstanden werden soll, wenn der Unterschiedsbetrag zwischen den Ankaufskosten und dem Zeitwert zur Hälfte berücksichtigt wird. Die erforderliche Transparenz soll durch eine Änderung der bilanzrechtlichen Regelungen erreicht werden. Wenn der Überschuss gem. dem Referentenentwurf nach zwei Jahren zugeteilt werden soll, so seien die zugeteilten Beiträge auch bei der Berechnung des Überschusses zu berücksichtigen, der sich bei einer vorzeitigen Kündigung des VN ergibt. Die Regelung des Absatzes 3 zur Anwendung eines verursachungsorientierten Verfahrens gilt nur, soweit nicht andere angemessene Verteilungsgrundsätze vereinbart werden. Es überrascht nicht, dass die hälftige Teilung der stillen Reserven insbes. von Aktuaren und Betriebswirtschaftlern angegriffen wurde, bei einer endgültigen Gutschrift eines erheblichen Teils der Bewertungsreserven bereits nach zwei Jahren hätte dem VU ein erheblichter Teil der Reserven nicht zur Verfügung gestanden, die Vorsichtskalkulation wäre weithin entwertet worden und es wäre bei den VU zu Solvenzproblemen gekommen.10 So kam es beim Regierungsentwurf und im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu weiteren Änderungen der Vorschrift, insbes. zu einer

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BVerwG 12.9.1990 VersR 1990 73; Kagelmacher VersR 1990 805; Winter Versicherungsaufsichtsrecht 613 ff. Vgl. z.B. unter § 153 Rn. 191, 196. Dass das BVerfG – ebenso wie früher die Aufsichtsbehörde und das BVerwG – damit auch die Funktion der Überschussbeteiligung und der RfB verkennt, liegt auf der Hand. Darauf wurde bereits 1988 in Zusammenhang mit der Abschmelzung der RfB und der Ein-

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führung der Direktgutschrift durch die Aufsichtsbehörde hingewiesen, Bruck/Möller/ Winter 8 G 326. Nicht veröffentlicht; zitiert nach der vom BMJ online zur Verfügung gestellten PDF-Datei, abrufbar unter http://www. brak.de/seiten/pdf/aktuelles/ versicherungsvertragsrecht.pdf. Vgl. dazu im Einzelnen Römer VersR 2006 740, 865, 868 f.

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Überschussbeteiligung

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abgemilderten Zuordnung, die Auszahlung erfolgt erst bei Beendigung des Vertrages (durch Ablauf, Todesfall oder Kündigung).11 Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung, durch den Teile der geplanten Novelle zum VAG vorgezogen, in § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG das Wort „Kapitalausstattung“ durch die Worte „Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen, insbesondere § 52c, § 54 Abs. 1 und 2, § 56a Abs. 3 und 4 sowie § 81c Abs. 1 und 3 des Versicherungsaufsichtsgesetzes“ ersetzt und die Leistungskraft der deutschen LebensVR gestärkt werden soll, ist bislang nicht verabschiedet worden.12

II. Inhalt und Zweck der Regelung 1. Anspruch auf Überschussbeteiligung § 153 beinhaltet einen gesetzlichen Anspruch auf Überschussbeteiligung und ist für 5 die Neuregelung der Lebensversicherung von zentraler Bedeutung. Damit sollen die VN in der Lebensversicherung an den durch die Prämienzahlung geschaffenen Vermögenswerten angemessen beteiligt werden. Das Ausmaß der Überschussbeteiligung ergibt sich dabei nicht nur aus § 153, sondern aus dem Gesamtzusammenhang mit den Vorschriften des VAG und des HGB und in enger Verzahnung mit weiteren Vorschriften wie der RechVersV und der MindZV. Erst durch eine ganzheitliche Sicht dieser unterschiedlichen Normen, die sich teilweise auch zu widersprechen scheinen (Ausschluss nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 im Vergleich mit § 11 Abs. 1 Satz 1 VAG), und der Regelungen in den Bedingungswerken ergibt sich der Anspruch auf Überschussbeteiligung. Wenn die Vorschrift des § 153 Abs. 1 eine gesetzliche Definition der Überschussbeteiligung enthält, die sich sowohl auf eine Beteiligung an den laufenden Überschüssen des VR wie auch an den Bewertungsreserven bezieht, so wird damit zunächst klargestellt, dass bei der Ermittlung der Überschüsse auch die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die als stille Reserven bezeichnet werden. Zum Ausmaß der Überschussbeteiligung ist damit noch nicht viel gesagt. So essentiell die Überschussbeteiligung für den Wettbewerb der VR untereinander ist, 6 der Gesetzgeber war sich dessen bewusst, dass das Ausmaß der Überschussbeteiligung in einem Spannungsverhältnis zum erforderlichen Eigenkapital stehen muss: Bietet der VR dem VN langfristig Sicherheit, wie es die Funktion insbes. der kapitalbildenden Lebensversicherung ist, so ist das nur mit einer ausreichenden Kapitalausstattung möglich. Die Gewährung einer Überschussbeteiligung bedeutet eine Minderung des verfügbaren Eigenkapitals, ein LebensVR darf also keine Verpflichtungen im Rahmen der Überschussbeteiligung übernehmen, die nur unter Verletzung der Vorschriften über die Mindestsolvabilität aus dem Eigenkapital geleistet werden können. Die Grundlage der Überschussbeteiligung kann nur der Überschuss sein, der sich aus der Bilanzierung unter Beachtung der Mindestsolvabilität ergibt.13 Beträge zur Überschussbeteiligung sind nur verfügbar, wenn sie überhaupt verteilungsfähig sind.

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Bruck/Möller/Niederleithinger Einl. E Rn. 96. Vgl. zuletzt Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses BTDrucks. 17/11395 vom 7.11.2012, die sich bei Abschluss des

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Manuskriptes im Gesetzgebungsverfahren befinden. Mit einer Verabschiedung der Vorschriften ist zunächst nicht zu rechnen. Vgl. dazu im Einzelnen Engeländer NVersZ 2000 545, 446.

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Rechtlich ist die Überschussbeteiligung als partiarisches Rechtsverhältnis zu sehen, die Leistungsvergütung ist also nicht höhenmäßig fixiert und damit in der Höhe garantiert, sondern erfolgsbezogen und damit variabel ausgestaltet. Auch der umfangmäßige Inhalt des Anspruchs des VN auf Überschussbeteiligung im Einzelnen richtet sich in erster Linie nach der Ausgestaltung der Bedingungswerke, die sich an den gesetzlichen Vorschriften, insbes. auch an § 153 orientieren: Der partiarische Rechtsanspruch hat grundsätzlich keine Optimierungspflicht des VR, keine verstärkte Ausrichtung der Überschussbeteiligung an Treu und Glauben und keine Aufspaltung des kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrages in mehrere Verträge zur Folge. 2. Ermittlung der Überschussbeteiligung

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Die Überschussermittlungsbilanz ist der handelsrechtliche Jahresabschluss. Damit bestimmen sich die Ausschüttungen an die Aktionäre wie auch an die VN nach derselben Ausgangsbasis, Aktionäre und VN werden insoweit gleich behandelt. Beträge, die mit Blick auf die Kapitalerhaltung nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden dürfen, sollen auch nicht an die VN verteilt werden. Der Gesetzgeber kann nicht verlangen, dass Vermögen des VU an die VN ausgeschüttet wird, welches als Sicherungsmittel dient und nicht als Dividende den Aktionären überlassen werden kann. Darin ist der eigentliche Grund dafür zu sehen, dass die Ermittlung und Bewertung nach dem HGB die gesetzliche Grundlage der Überschussbeteiligung ist. Das Nähere zu den anzurechnenden Kapitalerträgen sowie zu dem Kapitalanlageergebnis, dem Risikoergebnis und dem übrigen Ergebnis ergibt sich aus der aufgrund von § 81c Abs. 3 Satz 1–3, 5 VAG erlassenen MindZV. Zu dieser Regelung ist es gekommen, weil eine Aufschlüsselung dahingehend, inwieweit Überschüsse als unverbrauchte Sicherheitszuschläge zu sehen sind oder inwieweit sie aus anderen Ursachen – wie z.B. dem unternehmerischen Geschick des VR – resultieren, kaum möglich ist. Basis der Überschussbeteiligung sind damit sämtliche Vermögenswerte des VU, einschl. der mit Eigenkapital geschaffenen. Damit übersteigt der Anspruch die Forderungen des BVerfG, allerdings bezieht er sich nur auf die handelsrechtlich angesetzten Überschüsse, nicht auf handelsrechtlich nicht erfasste unrealisierte Gewinne. Soweit sich die Überschussbeteiligung auch auf die Rendite aus dem Eigenkapital erstreckt, ist die aufsichtsrechtliche Regelung rechtlich nicht unproblematisch. Auszukehren ist nach den vertraglichen Bestimmungen und der Regelung des § 153 9 auch eine Beteiligung an den Bewertungsreserven. Bewertungsreserven ergeben sich aus dem Unterschied zwischen dem Buchwert und dem Zeitwert bei den Kapitalanlagen; ist der Zeitwert höher als der Buchwert, kommt es zu stillen Reserven. Nach dem Vorsichtsprinzip des HGB erfolgt die überwiegende Bewertung der Kapitalanlagen zu den Anschaffungskosten und nach dem Niederstwertprinzip, Gewinne dürfen nur ausgewiesen werden, wenn sie realisiert sind, also wenn sie durch den Markt, durch Transaktionskosten mit Dritten bestätigt worden sind. Angesichts der im Verhältnis zur einzelnen Vertragsdauer in der Lebensversicherung relativ kurzen Verweildauer vieler Kapitalanlagen im Portefeuille der LebensVU wird ein großer Teil der Bewertungsreserven während der Laufzeit der einzelnen Versicherungsverträge realisiert, die Gewinne fließen in den zu verteilenden Überschuss mit ein. Nur wenige Anlagen wie beispielsweise Beteiligungen an Tochtergesellschaften (insbes. andere LebensVU, Pensionskassen, Pensionsfonds, Vertriebsgesellschaften) und selbst genutzte Bürogebäude sind häufig für längere Zeit im Portefeuille und Gegenstand der Beteiligung der VN an den Bewertungsreserven. Sie sind häufig nicht ohne weiteres zu realisieren, Marktpreise haben sich nicht herausgebildet. Insoweit hat der VR die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und dem VN bei Beendigung des Versicherungsversicherungsvertrages zuzuteilen.

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3. Ausgestaltung der Beteiligung am Überschuss Die Höhe der Überschussbeteiligung findet ihre primäre Grundlage im Aufsichtsrecht: In § 81c VAG i.V.m. der MindZV ist die Mindestzuführung der ermittelten Überschüsse zur RfB bzw. zu den Direktgutschriften geregelt. Danach beträgt die Mindestzuführung (Z-Quote) bei den Kapitalerträgen 90 % der anzurechnenden Kapitalerträge (auch wenn der Ursachenzusammenhang zwischen den Beitragsleistungen der VN und den Gewinnen nicht immer gewahrt ist), 75 % beim Risikoergebnis und 50 % beim übrigen Ergebnis. Eine Beteiligung der VN hat nur an positiven Ergebnisquellen zu erfolgen, damit ist eine Querverrechnung mit einem negativen Kostenergebnis ausgeschlossen. Die Z-Quote ist – zumindest auch – eine Regelung der Finanzaufsicht, da sie zugleich von erheblicher Bedeutung für die finanzielle Ausstattung der LebensVU ist. Nach dem Subsidiaritätsprinzip darf die Aufsichtsbehörde bei Nichtbeachtung der Z-Quote zwar nur eingreifen, wenn es sich nicht um den Schutz zivilrechtlicher Rechtsansprüche des individuellen VN handelt. Da die Mittelzuführung jedoch nicht eine Frage des einzelnen Versicherungsverhältnisses, sondern eine Regelung im Interesse der Gesamtheit der VN ist, hat das Subsidiaritätsprinzip insoweit grundsätzlich keine Bedeutung. Da es sich bei der aufsichtsrechtlichen Regelung der Z-Quote um eine Mindestregelung handelt, können die LebensVU auch höhere Überschüsse den Versicherten zuteilen. In der Vergangenheit kam es Jahrzehnte hindurch bei manchen LebensVU zu einer Zuführung von bis zu 98 % bei den Kapitalerträgen. Nachdem auf diese Weise die Gesamthöhe der Überschussbeteiligung bestimmt worden ist, wird die sich sodann anschließende Verteilung der Überschüsse an die Versicherten nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchgeführt, § 153 Abs. 2. Mit dem Begriff der Verursachungsorientierung soll der kollektive Charakter der Überschussbeteiligung betont werden. Die Lebensversicherungsverträge werden unter dem Gesichtspunkt der Überschussbeteiligung zu Gruppen zusammengefasst und der zur Verteilung bestimmte Betrag nach dem Kriterium der Überschussverursachung den einzelnen Gruppen zugeordnet. Im einzelnen Vertrag wird der rechnerische Anteil an dem Gesamtbetrag der Gruppe zugerechnet. Bei dem System der bloßen Verursachungsorientierung und der kollektiven Überschusszuteilung ergeben sich Glättungsmöglichkeiten, die einem verursachungsgerechten Verfahren fremd wären. Nach § 153 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 können Verteilungsverfahren nicht nur nach einem verursachungsorientierten System, sondern auch nach anderen Verteilungsgrundsätzen durchgeführt werden, sofern sie angemessen sind und vereinbart werden. Es finden sich auch im übrigen Europa andere Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Überschussbeteiligung, die in der Praxis erprobt sind.14 Um auf neue versicherungstechnische Entwicklungen reagieren zu können, aber auch aus europarechtlichen Gründen ist das Gesetz daher nicht auf ein verursachungsorientiertes Verfahren fixiert. Im Rahmen der Legalitätskontrolle kann die Aufsichtsbehörde eingreifen, wenn die Angemessenheit des Verteilungsverfahrens – als kollektiver Prüfungsmaßstab – in Frage steht. Bei der individuellen Geltendmachung eines Anspruchs auf Überschussbeteiligung kann auch das Verteilungsverfahren Gegenstand der rechtlichen Überprüfung sein.

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Geib/Engeländer VW 2006 714.

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4. Durchführung der Beteiligung an den Bewertungsreserven

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Nach § 153 Abs. 3 sollen die VN – im Gleichklang mit der Beteiligung an den laufenden und Schlussüberschüssen – auch an den nicht realisierten stillen Reserven partizipieren, die mit ihren Beiträgen aufgebaut werden. Die Problematik besteht darin, dass der VN an stillen Reserven beteiligt wird, die der VR – insbes. auch bei volativen Märkten – noch nicht sicher erwirtschaftet hat und die sich in der Folge wieder verflüchtigen können (fallende Aktienkurse, fallende Werte bei Beteiligungen). Durch eine zu frühe verbindliche Zusage der Beteiligung an den Bewertungsreserven, die der VR einlösen müsste, kann es zu tiefgreifenden negativen Folgen für die Solvabilität des LebensVU kommen. Die Beteiligung an den stillen Reserven ist daher auf die Beendigung des Lebensversicherungsvertrages gelegt und es wird sichergestellt, dass die Beteiligung der VN nicht dazu führt, dass die – vorrangige – dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge gefährdet wird (§ 153 Abs. 3 Satz 3). Wie bei der übrigen Überschussbeteiligung sind die jährlich neu ermittelten Bewer16 tungsreserven den VN auf der Grundlage eines verursachungsorientierten Verfahrens zuzuordnen. Wenn der VN dabei an den durch seine Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerten beteiligt werden soll, so bedeutet das, dass eine Beteiligung an anderen Vermögenswerten (wie z.B. aus Kapitalanlagen, die das Eigenkapital oder sonstige Verbindlichkeiten ohne Bezug zum Versicherungsgeschäft wie Pensions- und Steuerrückstellungen bedecken) durch die VN nicht erfolgt.15 Ein verursachungsorientiertes Beteiligungsverfahren muss die Lebensversicherungsverträge mit Blick auf ihr Sparvolumen, gem. der zurückgelegten Laufzeit und gem. dem Wert der stillen Reserven zum Zeitpunkt der jeweiligen Einzahlungen beteiligen und in seiner Systematik verständlich und nachvollziehbar sein. Die Ausführungen unter Nr. 211 ff. beziehen insbes. den Vorschlag des Gesamtverbandes, der in Zusammenarbeit mit der BaFin entwickelt worden ist,16 in die Untersuchung mit ein. Der tatsächliche Verlauf der Bewertungsreserven lässt sich exakter nur schwer nachverfolgen, wenn die damit verbundenen Kosten vertretbar bleiben sollen. Da die anteiligen Bewertungsreserven nicht tatsächlich ausgeschüttet zu werden brau17 chen, sondern allein als Berechnungsgrundlage dienen sollen, stellt sich die Frage, aus welchen Mitteln die Auszahlung an die VN zu erfolgen hat. Sie kann entweder aus dem laufenden Überschuss in Form der Direktgutschriften oder aus der RfB geleistet werden, in beiden Fällen wird die Überschussbeteiligung der verbleibenden VN gem. § 153 Abs. 2 reduziert.17 Daher ist es sachgerecht im Sinne eines verursachungsorientierten Verfahrens, die damit frei gewordenen stillen Reserven den VN zuzuteilen, die ihre Verträge weiterführen.18 Auch der 50-prozentige Anteil der Bewertungsreserven, der bei dem VN verbleiben soll, wird nicht tatsächlich dem VR zugeteilt.19 Es handelt sich vielmehr allein um eine Ausschüttungsblockade mit Blick auf die ausscheidenden VN, um den VR nicht zu sehr seiner finanziellen Ausstattung zu berauben. Daher ist die gesamte Bewertungsreserve nach dem Ausscheiden der VN wieder frei geworden und sie ist den verbleibenden VN in voller Höhe zuzuteilen. Da die verbleibenden VN bei Beendigung ihrer Verträge wiederum nur die Hälfte erhalten, entspricht das der Höhe nach den Mitteln, die der

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A.A. Brömmelmeyer § 42 Rn. 293. Wehling/Präve Versicherungsvertragsrecht unter X. Engeländer VersR 2007 155, 158.

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Engeländer VersR 2007 155, 158 f. Mudrack ZfV 2007 41, 44; Engeländer VersR 2007 155, 159.

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Überschussbeteiligung entnommen worden waren.20 Denkt man sich dieses Verfahren weiter, so trägt die Versicherungsgemeinschaft letztlich das Risiko bei der Realisierung der stillen Reserven. Bei der hälftigen Beteiligung an den Bewertungsreserven stellt sich die Frage, inwie- 18 weit diese Regelung die Interessenabwägung korrekt wiedergibt.21 Gewiss vermeidet eine derartige starre Regelung Rechtsstreitigkeiten über die Angemessenheit einer Beteiligung an den Bewertungsreserven. Sie berücksichtigt sowohl die Interessen der ausscheidenden als auch der verbleibenden VN, aber auch die Interessen des VR. Die Beteiligung an den Bewertungsreserven und an den sonstigen Überschüssen bildet ein aufeinander abgestimmtes System, das auch der erforderlichen Transparenz zu genügen sucht. Der Ansatz, den VN die Vertretung ihrer Interessen selbst zu überlassen, ist in der Gesetzesreform bei der Überschussbeteiligung nicht genügend klar zum Ausdruck gelangt. Es ist bei den früheren Eingriffsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörde nicht geblieben, vielmehr sind nunmehr auch neue angesichts der gesetzlichen Regelung der Überschussbeteiligung geschaffen worden. Die Regelung des § 153 Abs. 4 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zuteilung der 19 Bewertungsreserven in der Rentenversicherung ist verfassungskonform so auszulegen, dass der VN an Bewertungsreserven während der Auszahlungsphase zu beteiligen ist.22

III. Anwendungsbereich 1. Kapitalbildende Versicherungen Die Überschussbeteiligung ist auf die kapitalbildende Lebensversicherung zugeschnit- 20 ten, und zwar nicht nur auf die gemischte Lebensversicherung, sondern auch auf die Rentenversicherung. Die Beteiligung an der Rendite aus den Kapitalanlagen ist der zentrale Regelungsbereich der Vorschrift des § 153. Im Gesetzestext und in der Gesetzesbegründung findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass eine Überschussbeteiligung nur bei kapitalbildenden Lebensversicherungen in Frage kommt. Die Bestimmungen zur Überschussbeteiligung beziehen sich nicht allein auf die Kapitalrendite, sondern auch auf die Gewinne aus dem Sterblichkeitsrisiko und den sonstigen Überschussquellen. Die Regelung der Überschussbeteiligung greift daher dem Grundsatze nach bei sämtlichen Lebensversicherungsformen, in denen es zu Überschüssen gleich welcher Art kommt. 2. Risiko- und Zusatzversicherungen Bei Risikolebensversicherungen und Zusatzversicherungen aus dem Bereich der Le- 21 bensversicherung, bei denen typischerweise kein Kapitalbildungsprozess vereinbart wird, ist zu differenzieren: Bei kurzfristigen Risikolebensversicherungen werden die eingehenden Beiträge nicht längerfristig angelegt, sie werden – wie in der Sach- und Haftpflichtversicherung – mehr oder weniger direkt für Leistungsfälle ausgezahlt. Bei langfristigen Risikolebensversicherungen – wie sie beispielsweise von Verbrauchern zur Absicherung

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Engeländer VersR 2007 155, 158; Stindt 139 f. Mudrack ZfV 2007 41, 43.

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Looschelders/Pohlmann/Krause § 153 Rn. 49; Brömmelmeyer § 42 Rn. 301.

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eines Hypothekendarlehns abgeschlossen werden und die eine Laufzeit von 20, 30, 40 Jahren oder mehr haben können – kann es durchaus zu Überschüssen kommen. Um bei derartigen Risikoversicherungen den Beitrag über die gesamte Versicherungsdauer hin dem Grundsatze nach konstant zu halten, werden die Beiträge in den ersten Jahren – gemessen am Sterblichkeitsrisiko – deutlich zu hoch angesetzt, später werden die nicht verbrauchten Beitragsanteile zum Ausgleich der sodann rechnerisch nicht ausreichenden Beiträge verwandt, die Deckungsrückstellungen gehen allmählich auf Null und sind am Ende der Laufzeit häufig auch negativ. Findet eine Risikolebensversicherung aber ein vorzeitiges Ende, weil das abzusichernde Darlehn früher zurückgezahlt werden kann, so gehen die verbliebenen Überschüsse in die Überschussbeteiligung ein. Zu Recht entfalten daher auch die Bedingungswerke zur Risikolebensversicherung eine ausführliche Regelung der Überschussbeteiligung, bei der in erster Linie auf Sterblichkeits- und Kostengewinne, aber auch auf die Erträge aus Kapitalanlagen abgestellt wird.23 Davon unabhängig kommt es zur Überschussbeteiligung bei Risikoversicherungen 22 insbes. auch, wenn eine Beteiligung an den Zinsüberschüssen ausdrücklich vereinbart wird, das gilt auch für Risikoversicherungen gegen Einmalbeitrag oder mit (stark) abgekürzter Beitragszahlungsdauer, wenn eine Beteiligung an den hieraus entstehenden Kapitalerträgen Gegenstand des Versicherungsvertrages geworden ist. Dabei ist es unerheblich, ob die Risikoversicherung als Haupt- oder Zusatzversicherung abgeschlossen wird. Soweit Bewertungsreserven entstehen, sind die Versicherten auch daran zu beteiligen.24 23 3. Analoge Anwendung der Regelung zur Überschussbeteiligung auf Nichtlebensversicherungen, insbesondere Kapitalisierungsgeschäfte

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Entsprechende Anwendung findet die Vorschrift des § 153 nach § 176 auf die Berufsunfähigkeitsversicherung, sie gilt jedoch nicht für Pensionskassen nach § 118b Abs. 3, 4 VAG, soweit mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in den AVB abweichende Bestimmungen getroffen sind, § 211 Abs. 2 Nr. 2. § 153 Abs. 3 Satz 1 gilt nicht für Sterbekassen, § 211 Abs. 2 Nr. 2. Die Anwendbarkeit auf die Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr ist umstritten;25 soweit es zu Überschüssen kommt, ist § 153 entsprechend auch auf diese Versicherungsform anzuwenden. Kapitalisierungsgeschäfte können so ausgestaltet sein, dass es zwar nicht zu Sterblichkeitsgewinnen kommt – weil es an der Übernahme des biometrischen Risikos fehlt – , wohl aber zu Überschüssen aus Kapitalanlagen oder sonstigen Ergebnisquellen. Auch insoweit sind die Vertragspartner des VR aus den Kapitalisierungsgeschäften an den Überschüssen zu beteiligen.26 Kommt es beispielsweise bei lang andauernden Kapitalisierungsgeschäften auch zu Bewertungsreserven, ist der aus dem Vertrag Berechtigte an ihnen zu beteiligen.

23 24 25

§ 2 GDV-Musterbedingungen Risikolebensversicherung. § 1 (1) b GDV-Musterbedingungen Risikolebensversicherung. Für eine Anwendung sprechen sich aus Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 153 Rn. 9; Rüffer/Halbach/Schimikowski/

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Brambach § 153 Rn. 4; a.A. Engeländer VersR 2007 155, 156. BaFin Zinsüberschussbeteiligung bei Kapitalisierungsprodukten, 27.6.2007; dies. Auslegungsfragen zum VVG, 28.5.2008; Langheid/Wandt/Heiss § 153 Rn. 9.

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Überschussbeteiligung

§ 153

4. Lebensversicherungsverträge mit der Niederlassung eines EU-ausländischen Versicherungsunternehmens § 153 ist auch auf VR mit Sitz im Ausland anzuwenden, durch die entsprechende Le- 25 bensversicherungsverträge in Deutschland angeboten werden.27 Dem Grundsatze nach ist davon auszugehen, dass das deutsche Versicherungsvertragsrecht gilt, wenn ein ausländischer EU-/EWR-VR einen Lebensversicherungsvertrag mit einem VN abschließt, der seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hat.28 Dass die Berücksichtigung des § 153 durch ausländische VR in deren Produktgestaltung eingreift und mit dem aus der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit folgenden Beschränkungsverbot kollidiert, vertritt Bürkle mit beachtlichen Gründen.29 Der Gesetzgeber geht hingegen davon aus, dass die Erstreckung des § 153 auf ausländische VR durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt ist.30 Voraussetzung für eine Überschussbeteiligung in diesen Fällen ist allerdings, dass es zu entsprechenden Überschüssen kommt, das gilt insbes. für die Bewertungsreserven. Die Schwierigkeit bei der Beteiligung an den Überschüssen und den Bewertungsreserven liegt in einem solchen Falle u.a. darin, dass die deutschen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen keine Anwendung finden, soweit sie der Finanzaufsicht zuzurechnen sind.31 5. Regulierte Pensionskassen, Sterbekassen Nach § 211 Abs. 2 Nr. 2 ist die Vorschrift des § 153 auf regulierte Pensionskassen 26 i.S.v. § 118b Abs. 3, 4 VAG nicht anwendbar, falls in den Bedingungswerken mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde nicht Abweichendes vereinbart worden ist.32 Gemäß § 211 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 ist die Bestimmung des § 153 Abs. 3 Satz 1 auf 27 Sterbekassen nicht anzuwenden. Ihre Bedingungswerke, Tarife und Rechnungsgrundlagen sind nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 VAG Teil des genehmigten Geschäftsplans. Weil von den Sterbekassen die Überschüsse nur alle drei Jahre ermittelt werden, wäre eine jährliche Ermittlung unverhältnismäßig. Sie werden daher hinsichtlich des § 153 Abs. 3 Satz 1 wie regulierte Pensionskassen behandelt.

IV. Altverträge Wenn keine Überschussbeteiligung vereinbart war, ist § 153 nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 28 EGVVG auf Altverträge nicht anwendbar. War eine Überschussbeteiligung Gegenstand des Altvertrages, findet § 153 ab dem 1.1.2008 Anwendung, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGVVG. Das gilt sowohl für Verträge, die in der regulierten Zeit (also bis zum 29.7.1994) geschlossen wurden als auch für die Zeit im Anschluss daran.33 Die früher wirksam vereinbarten Verteilungsgrundsätze gelten gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 EGVVG als angemessen. 27 28 29 30 31

Regierungsbegründung BT-Drucks. 16/3945 S. 96. Art. 7 Abs. 3 und 6 Rom I, Art. 1 Abs. 1g Gesamtrichtlinie Leben. Bürkle VersR 2006 1042, 1044 ff. BTDrucks. 16/3945 S. 96 zu Abs. 1. Vgl. unten Rn. 186 ff., 202 ff.; Winter S. 597 ff.; Zeides Die rechtliche Behandlung der Zweigniederlassungen auslän-

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discher Versicherungsunternehmen in Deutschland 62. von Hinüber BetrAV 2008 776, 780 f.; Thurnes BetrAV 2008 276, 277. Vgl. z.B. § 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung. Zu näheren Einzelheiten bei der Problematik der Altverträge vgl. Prölss/Martin/Reiff § 153 Rn. 8.

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B. Grundlagen und Strukturen der Überschussbeteiligung (Abs. 1) I. Prämienkalkulation in der kapitalbildenden Lebensversicherung 1. Übersicht

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Die Kalkulation der Lebensversicherungsprämie erfolgt – auch für die kapitalbildende Lebensversicherung – gleichfalls auf der Grundlage des Äquivalenzprinzips, also dem Prinzip der Gleichheit zwischen der Leistung des VR und der Gegenleistung des VN. Das bedeutet, dass für eine große Zahl gleichartiger Versicherungen der Wert der dem VR während der gesamten Zahlungsdauer zufließenden Prämieneinnahmen dem Wert sämtlicher Ausgaben des VR für die Versicherungsleistungen und die Kosten gleichzusetzen ist, falls die Annahmen über Sterblichkeit, Zins und Kostenaufwand zutreffen. Angesichts der Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeiten kann das Äquivalenzprinzip dabei nicht für den einzelnen Vertrag gelten. Um das Äquivalenzprinzip wahren zu können, müssen die Leistungen beider Vertragsparteien miteinander vergleichbar sein. Weil nun die Versicherungsleistungen und die Prämien zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig werden, lassen sich Leistung und Gegenleistung nicht unmittelbar miteinander vergleichen. Sie müssen zuvor auf einen einheitlichen Zeitpunkt bezogen werden. Das geschieht dadurch, dass als Bezugszeitpunkt üblicherweise der Beginn der Versicherung gewählt und die zukünftigen Versicherungsleistungen und die Prämien mit ihren Werten zu Beginn der Versicherung angesetzt werden. Dazu werden die Versicherungsleistungen und die Prämien auf den Versicherungsbeginn abgezinst. Der bei dieser Diskontierung verwandte Zinssatz ist der sog. Rechnungszinsfuß. Bei der Diskontierung ist zu berücksichtigen, dass in der Lebensversicherung die Beitragszahlungsdauer und der Zeitpunkt der Versicherungsleistung ungewiss sind. Diesen Zufälligkeiten wird mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung begegnet, indem die Beitragsleistungen und die Versicherungsleistungen mit den Wahrscheinlichkeiten, dass diese Leistungen zu den angenommenen Zeitpunkten erbracht werden, verknüpft werden. Die bedeutsamsten Wahrscheinlichkeitsziffern sind in der Lebensversicherung die Sterbe- und Erlebenswahrscheinlichkeiten. Auf diese Weise erhält man den Erwartungswert der Versicherungsleistungen und den Erwartungswert der Beitragseinnahmen. In der Praxis wird dabei so vorgegangen, dass für eine vorgegebene Versicherungsleistung der nach dem Äquivalenzprinzip erforderliche Beitrag errechnet wird. Das ist der Nettobeitrag, dem die dem VR entstehenden Kosten zuzuschlagen sind. Die Rechnungsgrundlagen der Lebensversicherung sind also der Rechnungszinsfuß, die Wahrscheinlichkeitstafeln und die Kostenzuschläge. Die drei Rechnungsgrundlagen werden so bestimmt, dass die Erfahrungen der Vergangenheit in die Zukunft projiziert werden. Das ist problematisch, zumal sich die Kalkulation oftmals auf einen längeren Zeitraum erstrecken muss und Beitragsanpassungen in der Lebensversicherung nur im Rahmen der Vorschrift des § 163 zulässig sind. Daher müssen die Rechnungsgrundlagen, um die dauernde Erfüllbarkeit der Lebensversicherungsverträge sicherzustellen, ausreichend große Sicherheitszuschläge enthalten. Sie können in der Lebensversicherung, wie die Vergangenheit gezeigt hat, zu erheblichen Überschüssen führen, die dem VN – eben weil es sich um zu viel erhobene Beitragsanteile handelt – weitgehend wieder zurückzugewähren sind. Die Tarifbeiträge sind also „Anfangspreise“, die ihre Korrekturen durch die Überschussbeteiligung erhalten.

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Überschussbeteiligung

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In der gesamten Lebensversicherung wird dabei von einer während der gesamten 34 Laufzeit des Vertrages gleichbleibenden Prämie ausgegangen, obwohl die Gefahr des Todeseintritts während der Vertragsdauer ständig steigt. Die Berechnung der Prämie ist also auch insoweit eine grundlegend andere als in der Schadensversicherung. Dort kann davon ausgegangen werden, dass das Risiko des VR dem Grundsatze nach während des Laufs der Versicherung gleichbleibt und auch die Prämien entsprechend gleichbleiben können. Steigt das Risiko durchgehend wie in der Todesfallversicherung, so müsste an sich jedes Jahr eine neue höhere Prämie festgesetzt werden. Das ist auch praktisch nicht durchführbar, sodass die sog. natürliche Prämie in der Lebensversicherung insoweit keine Rolle spielt. Schon bei der Festsetzung der ersten Prämie wird der gesamte Verlauf des Risikos mitberücksichtigt, sodass die ersten Prämien höher sind als es der Risikolage entspricht, der Ausgleich erfolgt erst später. Eine Besonderheit gilt für die Prämienkalkulation bei der gemischten Lebensversiche- 35 rung – gleichbedeutend mit einer Lebensversicherung mit unbedingter Leistungspflicht –, hier wird im Allgemeinen zwischen der Risiko- und der sog. Sparprämie differenziert. Die Sparprämienanteile sollen zur Bildung der Deckungsrückstellung dienen, die Risikoprämienanteile für die Erbringung der Versicherungsleistungen bei einem vorzeitigen Todesfall – eine solche Differenzierung mag anschaulich sein, sie entspricht jedoch nicht der Versicherungstechnik. Der gemischten Lebensversicherung liegt in der Versicherungspraxis die Kombination einer Todesfall- und einer Erlebensfallversicherung zugrunde. Die Gesamtprämie setzt sich vielmehr aus einer gleichbleibenden Risikoprämie für den Todesfall und einer gleichbleibenden Prämie für den Erlebensfall zusammen, und zwar unter Berücksichtigung der Zinseffekte. Die Deckungsrückstellung der gemischten Lebensversicherung ist die Summe der Deckungsrückstellungen für die Todesfall- und die Erlebensfallversicherung.34 Gewiss könnte die gemischte Lebensversicherung auch als Sparvorgang ausgestaltet werden, welcher durch eine Risikolebensversicherung mit einer fallenden Versicherungssumme ergänzt wird.35 Soweit ersichtlich, hat diese Form der Vertragskonstruktion in der Praxis keine Bedeutung erlangt. 2. Rechnungszinsfuß als erste Rechnungsgrundlage Der Rechnungszinsfuß, der der Ermittlung eines Tarifbeitrages zugrunde liegt, muss 36 so bestimmt werden, dass er in jedem Falle während der Dauer der Verträge aus den Vermögensanlagen erwirtschaftet wird. Er ist der Zinssatz, der im Durchschnitt über die gesamte Lebensversicherungsvertragslaufzeit erforderlich ist, um die garantierte Leistung zu finanzieren. Er kann auf die Kalkulation in der Lebensversicherung einen ganz erheblichen Einfluss haben, das differiert jedoch nach den einzelnen Versicherungsformen. Das Beispiel der gemischten Lebensversicherung, bei der die Versicherungssumme beim Tode der Gefahrsperson, spätestens aber mit Ablauf der Versicherung (z.B. mit Erreichung des 65. Lebensjahres) fällig wird, zeigt, welche Bedeutung der festgesetzte Rechnungszinsfuß haben kann: Nur ein kleiner Teil der Prämie wird jedes Jahr zur Zahlung der durch Tod fällig werdenden Versicherungssummen und zur Abdeckung der Verwaltungskosten verwandt, der größere Teil des Beitrages wird verzinslich angesammelt. Wollte man mit exakten Werten arbeiten, so müsste man für jedes Jahr im Voraus die bei Kapitalanlagen erzielbaren Zinsen kennen und während der Laufzeit der Versicherung somit unterschiedliche Rechnungszinsfüße verwenden. Da nun die künftige

34

Hesberg/Karten NVersZ 1999 1 ff.

35

Schwintowski JZ 1996 702, 708 f.

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Zinsentwicklung nicht bekannt ist und sich auch nicht in befriedigender Weise im Voraus schätzen lässt, hat man bei der Lebensversicherung den einfachen Weg gewählt, grundsätzlich für die gesamte Versicherungsdauer von einem gleichbleibenden Rechnungszinsfuß auszugehen. Die folgende Tabelle macht anschaulich, wie sich die Höhe des Rechnungszinsfußes 37 bei einer gemischten Lebensversicherung im Einzelnen auf die Höhe der Jahresprämien auswirkt. Je höher der gewählte Rechnungszinsfuß ist, umso niedriger sind die Prämien, und je länger die Laufzeit der Versicherung angesetzt ist, umso augenfälliger ist die Differenz zwischen den einzelnen Prämienbeträgen: Jahresprämien für eine gemischte Versicherung mit einem Eintrittsalter von 30 Jahren und einer Versicherungssumme 1000 in Abhängigkeit vom Rechnungszinsfuß Rechnungszinsfuß

Versicherungsdauer in Jahren

%

10

20

30

40

1 2 3 4 5 6 7 8

106,90 101,84 97,04 92,49 88,18 84,11 80,25 76,61

54,30 49,80 45,71 42,01 38,68 35,68 33,01 30,63

37,45 33,35 29,79 26,73 24,13 21,94 20,11 18,61

30,18 26,42 23,29 20,74 18,69 17,06 15,79 14,81

Um eine ausreichende Sicherheit zu gewährleisten, beträgt der Höchstrechnungszinsfuß in Deutschland für sämtliche Lebensversicherungen 1,75 Prozent.36 Dieser abgesenkte Höchstrechnungszins gilt nur für neue Lebensversicherungsverträge 39 ab 2012, für Altverträge verbleibt es bei dem jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbarten Rechnungszins. Der Rechnungszins könnte variabel gestaltet werden, indem er beispielsweise bei stei40 gendem Kapitalmarktzins heraufgesetzt (und bei fallendem Kapitalmarktzins herabgesetzt) wird, Voraussetzung wäre eine entsprechende Prämienänderungsklausel. Durch eine Heraufsetzung des Rechnungszinses würde zwar die zu zahlende Versicherungsprämie niedriger angesetzt werden können, zugleich würde sich jedoch die Überschussbeteiligung ermäßigen. Würde ein VN bei gleicher Prämienleistung einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Prämie, die mit dem Rechnungszins X plus 1 % kalkuliert ist, abschließen, so erhielte er nach dem Vertrag eine höhere garantierte Versicherungssumme, zugleich aber auch – da die erhöhte Summe zu finanzieren ist – eine entsprechend niedrigere Ablaufleistung. Für den VN ändert sich nicht das Verhältnis von Preis und Leistung insgesamt, es wird nur das Leistungsgefüge insoweit verschoben, als zu Beginn des Vertrages ein höherer Todesfallschutz zu Lasten einer geringeren Ablaufleistung besteht. Auch das Argument, durch einen höheren Rechnungszins werde ein höherer Rückkaufswert erreicht, zieht nicht: Da der Rückkaufswert im Wesentlichen aus dem sog. Spar-

38

36

§ 2, Ausnahmen in § 3 DeckRV; zur Zinszusatzreserve vgl. Dalmis/Kaiser VW 2011 560 ff.

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beitrag entsteht, so wird er im Gegenteil kleiner sein, wenn die Sparbeiträge bei unverändertem Gesamtbeitrag und bei erhöhtem Rechnungszins angesichts der höheren Versicherungssumme kleiner werden. Ein weiterer Nachteil einer Erhöhung des Rechnungszinses wäre es, dass die Überschussbeteiligung als ausgleichender Faktor bei inflationären Tendenzen faktisch an Bedeutung verliert, wenn der VN nicht mehr denselben Beitrag dafür aufwendet wie bisher.37 Im Übrigen spricht bei der Festlegung des Höchstrechnungszinses in der Lebensver- 41 sicherung manches für eine unternehmensindividuelle und gegen eine allgemeine, unternehmensunabhängige Festlegung. Das unternehmensindividuelle Verfahren beschränkt eine Herabsetzung des Rechnungszinses auf das unternehmensindividuell notwendige Maß und beeinträchtigt auch das Vertrauen in die Anlageform Lebensversicherung weniger als beispielsweise eine allgemeine Absenkung des Höchstzinssatzes. Das unternehmensunabhängige Verfahren muss den Höchstrechnungszins so niedrig festsetzen, dass auch die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen des wirtschaftlich schwächsten VU noch gewährleistet ist. Bei deutlichen Unterschieden in der Wirtschaftskraft der Versicherungsgesellschaften mag das unternehmensindividuelle Verfahren schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vorzuziehen sein – dagegen spricht allerdings eine verminderte Transparenz beim Produktvergleich.38 3. Sterblichkeit als zweite Rechnungsgrundlage a) Ausscheideordnungen. Die für die Berechnung der Prämien und der Versicherungs- 42 leistungen erforderlichen Wahrscheinlichkeitsdaten ergeben sich aus den sog. Ausscheideordnungen. Die wichtigste Ausscheideordnung in der Lebensversicherung ist die Sterbetafel, also die Absterbeordnung, die angibt, wie viele Personen eines großen Anfangsbestandes gleichaltriger Personen nach einem Jahr, nach zwei, drei usw. Jahren noch leben bzw. wie viele Personen in jedem einzelnen Lebensalter gestorben sind. Setzt man z.B. die Zahl der im Alter von 40 Jahren Gestorbenen ins Verhältnis zur Zahl derjenigen, die zu Beginn des Alters von 40 Jahren noch lebten, so ergibt sich daraus die einjährige Sterbenswahrscheinlichkeit für einen Vierzigjährigen; diese Werte sind in den Sterbetafeln schon ausgerechnet. b) Bevölkerungssterbetafeln. Die Bevölkerungssterbetafeln beruhen auf Bevölkerungs- 43 statistiken, die in Deutschland vom Statistischen Bundesamt erstellt werden. Man benötigt dazu zum einen die laufenden Statistiken über Geburten, Sterbefälle und Zu- und Fortzüge aus dem beobachteten Gebiet sowie andererseits die als Ergebnis einer Volkszählung aufgezeichneten, nach dem Alter aufgegliederten Bestände aller lebenden Personen. Der Beobachtungszeitraum, der der Sterbetafel zugrunde liegt, umfasst gewöhnlicherweise mehrere Jahre, die sich am Volkszählungsjahr orientieren. Entweder wird dabei zwischen den beiden Geschlechtern, die eine unterschiedliche Sterblichkeit aufweisen, nicht unterschieden, sodass man auf diese Weise zu einer Sterbetafel der Gesamtbevölkerung gelangt, oder es wird das Beobachtungsmaterial für Männer und Frauen getrennt ausgewertet, sodass man die sog. Männertafeln und Frauentafeln erhält. Ein Vergleich der Sterbetafeln aus den Jahren 1871/80 bis in die Gegenwart lässt dabei erkennen, dass sich die Sterblichkeit in Deutschland insgesamt stark vermindert hat.

37 38

Vgl. Bäumer VW 1980 518. Im Einzelnen Winter Versicherungsaufsichtsrecht 733 ff.

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44

c) Versichertensterbetafeln. Wenn bis 1994 die Preispolitik des VR in der Lebensversicherung im Wesentlichen von der Aufsichtsbehörde bestimmt wurde, ist der VR seitdem für seine Prämienkalkulation selbst verantwortlich, natürlich unter Beachtung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften gerade auch in der Lebensversicherung. Der VR kann dabei die sich aus den Bevölkerungssterbetafeln ergebenden Sterblichkeitsziffern auf die einzelne Versichertengemeinschaft nicht ohne weiteres übertragen, da die risikomäßige Zusammensetzung des Versichertenbestandes nicht dem der Gesamtbevölkerung entspricht. Die Ursache dafür ist insbes. die von den LebensVR bei der Antragstellung durchgeführte Risikoauslese, sodass die Versichertensterblichkeit allgemein niedriger ist als die Sterblichkeit der Gesamtbevölkerung. Spezielle Versichertensterbetafeln sind jedoch wenig aussagefähig, wenn das Material des einzelnen VR nicht umfangreich genug ist. Anders verhält es sich, wenn die Ergebnisse mehrerer LebensVR auf Bundesbasis zusammengefasst werden. Für die Versichertensterblichkeit gilt im Übrigen, dass sie auch gerade während der ersten Vertragsjahre vergleichsweise niedrig ist. In den Folgejahren nimmt die Selektionswirkung jedoch zunehmend ab und ist in 10–15 Jahren nicht mehr erkennbar. Eine Sterbetafel, die neben dem Alter der Gefahrsperson auch die Versicherungsdauer berücksichtigt, wird als doppelt abgestufte Sterbetafel bzw. Selektionssterbetafel bezeichnet. Die Rentensterbetafel ist nach den Beobachtungen der Sterblichkeit bei Rentenver45 sicherten aufgestellt worden. Dabei hat sich allgemein die Tatsache ergeben, dass Rentenversicherte durchschnittlich länger leben als die Versicherten, die eine Kapitalleistung im Todesfalle vereinbart haben. Die Erklärung liegt in der Selbstauslese der Versicherten. Wer sich aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes eine längere Lebensdauer erhofft, wird eher bereit sein, eine Rentenversicherung als eine Versicherung mit Erlebensfallcharakter abzuschließen; der weniger Gesunde spekuliert dagegen eher auf den Todesfall und wird eine Todesfallversicherung abschließen. Da nun die Rentenversicherten länger leben als nach der allgemeinen Sterbetafel zu erwarten ist, muss der VR in der Rentenversicherung seinen Tarif auf einer Sterbetafel aufbauen, die dieser Beobachtung Rechnung trägt. Die speziellen Rentensterbetafeln sind dabei in der Regel nach dem Geschlecht der Rentner unterteilt, da gerade auch bei der Rentenversicherung weibliche Versicherte eine längere Lebensdauer aufweisen als männliche Rentner.

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d) Projektion in die Zukunft. Bei der Anwendung der Sterbetafeln ist zu berücksichtigen, dass sämtliche Absterbeordnungen auf Ziffern aus der Vergangenheit beruhen und nicht ohne weiteres in die Zukunft projiziert werden können. Werden bei der Prämienkalkulation die gegenwärtigen Sterblichkeitsverhältnisse zugrunde gelegt und verbessert sich die Sterblichkeit in der Zukunft, so ergeben sich für die Versicherungen mit Todesfallcharakter entsprechende Sicherheitsspannen, weil die Todesfallleistungen niedriger ausfallen als sie bei der Berechnung angesetzt wurden. Anders verhält es sich bei Versicherungen mit Erlebensfallcharakter, hier ergeben sich Verluste, weil der VR höhere Erlebensfallleistungen zu erbringen hat als nach der Vergangenheit zu erwarten war. Bei den Lebensversicherungen mit Todesfallcharakter hat die Deutsche Aktuarvereini47 gung 2008 eine Richtlinie zur Sterbetafel DAV 2008 T vorgelegt, die für Fondsgebundene Lebensversicherungen, Kapitallebensversicherungen und Risikolebensversicherungen gedacht ist, nicht jedoch für Lebensversicherungen ohne Risikoprüfungen (insbes. auch nicht Sterbegeldversicherungen). Die methodischen Vorgaben der Richtlinie stellen einen Mindeststandard dar, der bei der Herleitung unternehmenseigener Sterbetafeln zu berücksichtigen ist. Der Verantwortliche Aktuar muss dabei überprüfen, ob unternehmens-

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individuelle Sachverhalte bestehen, die gegen eine unveränderte Übernahme der Richtliniesterbetafel sprechen (z.B. angesichts der Kundenstruktur, der Altersstruktur oder des Vorgehens bei der Gesundheitsprüfung). U.U. hat der Verantwortliche Aktuar bei der Sterbetafel geeignete Anpassungen vorzunehmen. Nachdem seit Einführung der DAV-Sterbetafel 1994 R für Rentenversicherungen 48 die Lebenserwartung deutlich zugenommen hatte, wurde von der Deutschen Aktuarvereinigung 2004 die Sterbetafel DAV 2004 R erarbeitet, die von einer neuen Sterbetafel bislang nicht abgelöst worden ist. Mit Rundschreiben 9/2004 (VA) hat die BaFin angeordnet, dass die für den einzelnen Rentenversicherungsvertrag zu bildende Deckungsrückstellung jederzeit mindestens so hoch sein muss, wie sie sich bei Verwendung der DAV-Sterbetafel 2004 R ergeben werde, es sei denn, es liegen bei den einzelnen VU Erkenntnisse über Abweichungen von den dieser Sterbetafel zugrunde liegenden Voraussetzungen vor.39 Bei den Sterbetafeln finden sich zunehmend Differenzierungen (nach Berufsgruppen, 49 Einkommensverhältnissen, Nikotin- und Alkoholkonsum, Blutdruckwerten, Nichtausübung bestimmter Freizeitsportarten usw.40), für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung werden drei biometrische Rechnungsgrundlagen benötigt (Invalidisierungswahrscheinlichkeit, Sterbenswahrscheinlichkeit, Reaktivierungswahrscheinlichkeit), bei der Unfallzusatzversicherung wird dem höheren Unfallrisiko bei älteren Menschen dadurch Rechnung getragen, dass insoweit der Unfallschutz eingeschränkt wird. 4. Kostenzuschläge als dritte Rechnungsgrundlage a) Abschlusskosten. Mit der Bereitstellung des Versicherungsschutzes sind für den 50 VR sonstige Kosten verbunden, wobei zwischen Abschlusskosten und den Kosten der laufenden Verwaltung zu unterscheiden ist. Zu den Abschlusskosten gehören sämtliche einmalig beim oder durch den Abschluss einer Versicherung entstehenden Kosten. Den überwiegenden Teil der Kosten machen die sog. äußeren Kosten aus, also die Abschlussprovisionen für den freien Außendienst, die Lohn- und Gehaltskosten für den angestellten Außendienst und die Geschäftsstellen sowie sonstige Vermittlerkosten und allgemeine Anwerbekosten wie Ausgaben für die Werbung. Zu den Abschlusskosten gehören aber auch darüber hinausgehende Aufwendungen im Innenbereich des VR wie die Aufwendungen für die Schulung und Führung des Außendienstes, für die Werbung und für die Entwicklung und Änderung der Tarife, sowie ferner die Kosten, die bei dem VR durch die Antragsbearbeitung entstehen, man denke nur an die Risikoprüfung, die Kosten für das ärztliche Zeugnis, die Policierung und die EDV-mäßige Erfassung des Versicherungsvertrages. Alles das wird als die sog. inneren Kosten bezeichnet. Theoretisch wären diese Kosten – ihrem einmaligen Charakter gemäß – vom VN zu Vertragsbeginn zu entrichten. Damit würde die erste Prämie aber so sehr verteuert werden, dass der VN von dem Abschluss einer Lebensversicherung abgeschreckt werden könnte. Die Abschlusskosten werden daher vom VR bevorschusst und der bevorschusste Betrag unter Wahrung des Prinzips der gleichbleibenden Prämie und unter Berücksichtigung von Sterblichkeit und

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40

Zur Kritik an der Sterbetafel insbes. mit Blick auf Riesterverträge vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 22.12.2008 BTDrucks. 16/11363. Zum Urteil EuGH 1.3.2011 VersR 2011 377

(Verbot der geschlechtsspezifischen Tarifierung) vgl. kritisch insbes. Looschelders VersR 2011 421, 424 ff.; Mönnich Unisex: Die EuGH-Entscheidung vom 1.3.2011 und die möglichen Folgen, VersR 2011 1092.

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Zins auf sämtliche zu durchlaufenden Versicherungsjahre verteilt. Durch diesen jährlichen Kostenzuschlag werden während der Laufzeit der Versicherung die von dem VR bevorschussten einmaligen Kosten getilgt. Die Tilgungsrate der Abschlusskosten wird nach dem Mathematiker Zillmer 41 als Zillmerquote bezeichnet, die um diese Quote erhöhte Nettoprämie ist die sog. gezillmerte Nettoprämie. Dem Grundsatze nach müssten die VR die von ihnen übernommenen Abschlusskosten in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwendungen ausweisen, was zu deutlichen Belastungen des Ergebnisses führen kann, vor allem wenn das Neugeschäft nachdrücklich gesteigert wird. Um eine solche Kostenbelastung der VU zu verringern, können sie einen Teil der Abschlusskosten (bis zur Höhe des Zillmersatzes, der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 DeckRV 40 ‰ nicht überschreiten darf) neutralisieren.42 Häufig ist es den VU allerdings trotz Zillmerverfahren und Amortisationszuschlages 51 nicht möglich, die gesamten Abschlusskosten abzudecken; so entstehen überrechnungsmäßige Abschlusskosten, die partiell durch die nicht benötigten Kostenzuschläge für die laufende Verwaltung ausgeglichen werden. Damit erfolgt ein Kostenausgleich zwischen dem Neuzugang und den bereits zuvor bestehenden Verträgen.

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b) Kosten der laufenden Verwaltung. Zu diesen Kosten gehören die mit dem Prämieneinzug verbundenen Kosten und sämtliche sonstigen durch die Verwaltung der Versicherungsverträge entstehenden sächlichen und persönlichen Kosten.43 Als in der Vergangenheit die Prämien teilweise auch durch Vertreter kassiert wurden, fiel der Prämieneinzug erheblich ins Gewicht. Das hat sich durch die Einführung einer EDV-Bearbeitung durchschlagend gewandelt. Kosten der laufenden Verwaltung sind im Übrigen z.B. die Kosten der Bestandsführung, Vertragsänderung, Änderung von Begünstigungsvermerken, Verpfändungsvormerkungen, Abtretungserklärungen, Änderung des Inhalts des Versicherungsscheins, Ausstellung von Ersatzurkunden, Bearbeitung der Überschussbeteiligung, der Korrespondenz mit Kunden, des Jahresabschlusses und der Rückversicherung, ferner die im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung – sei es durch Kündigung, Eintritt des Versicherungsfalles oder sei es durch Ablauf des Vertrages – entstehenden Kosten. Zu den Verwaltungskosten rechnen kalkulatorisch schließlich auch Ausgaben wie die Aufwendungen für die Altersversorgung der beim VR tätigen Arbeitnehmer sowie etwaige öffentliche Abgaben des VR. Nicht zu den laufenden Verwaltungskosten gehören die Aufwendungen für die Verwaltung der Kapitalanlagen, sie werden durch die Erträge aus den Kapitalanlagen finanziert und sind daher im Zusammenhang mit der Festsetzung des Rechnungszinsfußes zu berücksichtigen.

41 42

Vgl. Zillmer 1831–1893. Das geschieht in der Bilanz durch eine Aktivierung von Forderungen aus den abgeschlossenen Versicherungsverträgen gegenüber dem VN, § 15 RechVersV. Durch Verrechnung der eingenommenen Prämien mit den aktivierten Forderungen kommt es zu einer Kürzung der Nettodeckungsrückstellung, die Verrechnung erfolgt dabei jedoch nicht über die gesamte Vertragslauf-

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43

zeit, sondern allein über die ersten 5 Jahre hin, vgl. § 169 Abs. 3 Satz 1. Die Folge ist ein langsameres Anwachsen der Deckungsrückstellung. Dabei brauchen die die Höhe der Ratenzahlungszuschläge und des effektiven Jahreszinses bei unterjährlicher Zahlung von Versicherungsbeiträgen durch den VR nicht angegeben zu werden, OLG Hamburg 18.11.2011 VersR 2012 41, 42 ff.

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Überschussbeteiligung

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5. Sonstige Rechnungsgrundlagen Zuweilen werden auf Erfahrungen gegründete Voraussagen über die zu erwartende 53 Stornierung von Lebensversicherungsverträgen als weitere Rechnungsgrundlage bezeichnet. Angesichts der Abhängigkeit des Stornos auch von der wirtschaftlichen Entwicklung und der Höhe der Arbeitslosenrate sind Voraussagen hier jedoch nur bedingt möglich. Als weitere Rechnungsgrundlage werden für die Gruppenlebensversicherung gegen 54 Durchschnittsprämie die Erwartungen über den Neuzugang der Gruppe angesehen. 6. Sicherheitszuschläge Angesichts der häufig sehr langen Vertragslaufzeiten insbes. in der gemischten Le- 55 bensversicherung, aber auch in der sonstigen kapitalbildenden Lebensversicherung und der grundsätzlich gleichbleibenden Prämie sind mit den Verwendung findenden Rechnungsgrundlagen eine ganze Reihe von Unsicherheiten und Fehlermöglichkeiten verbunden. Die Lebenserwartung kann sich im Verlaufe der Vertragsdauer überraschend ändern, der Rechnungszins kann sich als nicht erzielbar erweisen und die Kosten können sich als deutlich höher als vorausgeschätzt darstellen. Angesichts der nur beschränkten Möglichkeit einer Änderung der vertraglich ursprünglich festgesetzten Prämien müssen ausreichende Sicherheitsmargen gewahrt bleiben. Das geschieht in der Form, dass die VR einen ungünstigeren Verlauf der Anlageergebnisse, der Sterblichkeitsentwicklungen und der Kostenbelastungen bei ihrer Kalkulation zugrunde legen. Der so errechnete Prämienbetrag ist damit höher, als er sich allein aufgrund der Rechnungsgrundlagen ergeben würde. Da die eingerechneten Sicherheitsmargen von den VU in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weithin nicht benötigt wurden, entstanden für die VR in jener Zeit nicht unerhebliche Überschüsse.44 7. Aufsichtsrechtliche Vorschriften zur Prämienkalkulation Während die Tarife des Altbestandes – also des bis 1994 abgeschlossenen Lebens- 56 versicherungsgeschäfts – als Teil des Geschäftsplans von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden mussten45 und die Aufsicht auf diese Weise direkt Einfluss auf die Verwendung findenden Rechnungsgrundlagen nehmen konnte, geht man nunmehr grundsätzlich davon aus, dass auch eine weithin freie marktwirtschaftliche Preisbildung Prämien mit ausreichenden Sicherheitsmargen gewährleistet. Gleichwohl hat der Gesetzgeber – in berechtigter Sorge wegen der Möglichkeit einer aus Wettbewerbsgründen sich anbietenden zu weitgehenden Prämienunterbietung und angesichts des aufsichtsrechtlichen Postulats der dauernden Erfüllbarkeit der Lebensversicherungsverträge – in § 11 Abs. 1VAG die LebensVU ausdrücklich dazu verpflichtet, die Beiträge unter „Zugrundelegung angemessener versicherungsmathematischer Annahmen“ zu kalkulieren und sie so hoch anzusetzen, dass die VR allen ihren „Verpflichtungen nachkommen, insbes. für die einzelnen Verträge ausreichende Deckungsrückstellungen bilden“ können. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VAG ist es den LebensVU zwar erlaubt, ihrer Finanzanlage – also den realistischen

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Näheres zur Kalkulation der Lebensversicherungsprämien – insbes. mit Blick auf die Überschussbeteiligung – bei Bruck/Möller/ Winter 8 Anm. E 12 ff., und zwar nicht nur

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für die regulierten Verträge bis 1994, sondern weithin auch für die Gegenwart. Bruck/Möller/Winter 8 E 29.

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§ 153

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Zinserwartungen aus bestehenden und künftigen Kapitalanlagen – Rechnung zu tragen und damit auch eine Subventionierung der Versicherungsverträge nicht gänzlich auszuschließen, nicht gestattet ist jedoch der planmäßige und dauerhafte Einsatz von Mitteln zur Erfüllung der Versicherungsverträge, die nicht aus Prämienzahlungen herrühren. Die Deckungsrückstellungen sind grundsätzlich nicht etwa durch Quersubventionierungen (z.B. aus Eigenmitteln und sonstigen Überschüssen) aufzubauen, sondern primär aus den Beitragsleistungen.46 Mit der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 und dem Hinweis auf die Deckungsrückstellungen werden dabei die Vorschriften der DeckRV in Bezug genommen; da mit den Deckungsrückstellungen das für die VN garantierte Kapital sichergestellt werden soll, müssen unvorsichtige Kalkulationen, die die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen gefährden, ausgeschlossen werden; der Hinweis auf den geltenden Höchstzinssatz findet sich in § 2 DeckRV, der Höchstzillmersatz ist in § 4 Abs. 1 Satz 2 DeckRV genannt. Übergreifend fordert § 25 Abs. 1 RechVersV die Ansetzung „angemessener Sicherheitszuschläge“. Die VR orientieren sich an den aufsichtsrechtlichen Vorgaben – trotz aller Freiheiten, wie sie seit 1994 gegeben sind – für die Prämienkalkulation, weil sich gerade auch während der letzten Dekade erwiesen hat, dass die Vorschriften erforderlich sind, um die von VR-Seite garantierten Leistungen auch erbringen zu können. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Vorgaben weithin nicht der aufsichtsrechtlichen „Verordnung von Gewinnen“ für die VR dienen,47 sondern notwendig sind, um die den VN gegebenen Zusagen erfüllen und auch beispielsweise Finanzkrisen verkraften zu können. Inwieweit es zu einem Gewinn für den VR, zu Überschüssen gekommen ist, kann nur ex post ermittelt werden. Der Prämienkalkulation liegt naturgemäß aber eine ex-ante-Sicht zugrunde. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben sollen es dem VR erleichtern, die Sicherheitszuschläge auch in der erforderlichen Höhe zu nutzen. Die vorsichtige Prämienberechnung entspringt damit nicht nur dem wirtschaft57 lichen Interesse der VR, sondern wird insbes. auch durch aufsichtsrechtliche Normen gefordert. Die Überschüsse, die Gegenstand der Überschussbeteiligung sind, erweisen sich daher zum größeren Teil als zuviel erhobene und für die Erbringung der garantierten Leistungen nicht benötigte Beitragsteile, die den VN wieder zurückerstattet werden. Die Überschussbeteiligung ist das Korrektiv zur Prämienbemessung. Der Wettbewerb gelangt in der kapitalbildenden Lebensversicherung nicht nur bei der Prämiengestaltung und der Leistungsumschreibung zum Ausdruck, sondern auch in der Höhe der Überschussbeteiligung. Dass insoweit in besonderer Weise auf die Transparenz zu achten ist, bedarf keiner Betonung. 8. Eingeengter Anwendungsbereich der aufsichtsrechtlichen Vorschriften

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Eine Regelung zur Einforderung ausreichender Prämien ist Teil der Finanzaufsicht. Das hat zur Folge, dass die Vorschriften auf die Niederlassungen ausländischer VU nicht anwendbar sind. Angesichts dessen, dass die versicherungsvertragliche Beziehung zwischen VR und VN Teil des Zivilrechts ist, kann das Aufsichtsrecht mit seinen Auswirkungen auf die rechtliche Position des VN nur eine Reservefunktion haben; es gilt das

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Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Kaulbach § 11 VAG Rn. 9; Prölss/Präve § 11 VAG Rn. 7; Winter Versicherungsaufsichtsrecht 193–195. Claus VerBAV 1980 111; zur 2011 eingeführ-

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ten Zinszusatzreserve (Nachreservierung der Deckungsrückstellung) als antizyklische Reaktion auf niedrige Zinsen Dalmis/Kaiser VW 2011 560, 561.

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Überschussbeteiligung

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Subsidiaritätsprinzip.48 Nach § 81 Abs. 1 Satz 3 VAG ist die Aufsichtsbehörde zu einer Tätigkeit nicht befugt, die lediglich als Geltendmachung und als Wahrnehmung bürgerlich-rechtlicher Rechtsansprüche seitens der VN-Seite gegen den VR zu sehen ist.

II. Überschussquellen und Überschussermittlung 1. Überschussquellen Entsprechend den einzelnen Rechnungsgrundlagen bei der Prämienkalkulation kann 59 ein Überschuss insbes. durch die Faktoren Sterblichkeitsrate, Kapitalerträge und Kosten, aber auch durch andere bestimmt werden. Dazu wird nunmehr durch die Vorschrift des § 153 Abs. 1 – und nicht mehr nur wie zuvor durch die Versicherungsbedingungen – bestimmt, dass dem VN ein Anspruch auf Überschussbeteiligung zusteht. Sie erfasst damit den aus dem handelsrechtlichen Jahresabschluss sich ergebende Überschuss einschl. einer Beteiligung an den Bewertungsreserven. Da sich im VVG keine näheren Vorschriften zur Ermittlung des Überschusses finden, sind die handelsrechtlichen Vorschriften49 heranzuziehen, wobei die Gliederung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach Maßgabe der RechVersV verändert ist.50 Die wesentliche Ausgangsgröße für die Überschussbeteiligung ist der Rohüberschuss, dessen Quellen allerdings nur in groben Linien deutlich werden. Nach § 55a VAG besteht daher für die VU die Pflicht, im Wege der internen Rechnungslegung mit Hilfe von Formblättern (den sog. Nachweisungen) der BaFin eine detaillierte Fassung der externen Rechnungslegung vorzulegen. Näheres ist in der BerVersV geregelt. Auf diese Weise gewinnt die Aufsichtsbehörde ein eingehendes Bild der geschäftlichen Strukturen der VU und ihre wirtschaftliche Lage. Der Rohüberschuss erscheint dabei nicht als ausgewiesene Position in der Gewinn- und Verlustrechnung, er kann jedoch aus dem Jahresabschluss abgeleitet werden und stellt sich rechnerisch als der Jahresgewinn des LebensVU nach Steuern dar.51 Er ist die Summe des Jahresüberschusses bzw. des Jahresfehlbetrages, der Aufwendungen zur Erhöhung der RfB und zur Beitragsrückerstattung, sofern sie als Direktgutschrift ausgekehrt wird, und schließlich der Zinsen auf die Guthaben der VN, sofern sie die rechnungsmäßigen Zinsen und eine Rendite aus der Direktgutschrift übersteigen.52 Zentraler Gedanke der internen Rechnungslegung ist die „Zerlegung des auf der Grundlage des HGB ermittelten Rohergebnisses nach den einzelnen Ergebnisquellen“ (Risikoergebnis, Kapitalanlagenergebnis, Kostenergebnis, Ergebnis aus Rückversicherung, sonstiges Ergebnis, § 10 Ziff. 4 BerVersV). Die Feststellung der Überschüsse usw. erfolgt durch eine

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Bähr Das Generalklausel- und Aufsichtssystem des VAG im Strukturwandel (2000) 50 ff.; Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bähr § 81 VAG Rn. 9a; Winter Versicherungsaufsichtsrecht 647 ff. Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 96. Infolge der Transponierung der EG-Versicherungsbilanz-Richtlinie im Jahre 1994 werden die gesetzlichen Vorschriften zur externen Rechnungslegung fast gänzlich im HGB normiert. Aufgrund des § 330 HGB wurde die VO über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) erlas-

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sen, daneben findet sich die eigenständige Ermächtigungsvorschrift des § 55a VAG für die interne Rechnungslegung der VU gegenüber der Aufsichtsbehörde. Auf ihr beruht die VO über die Berichterstattung von Versicherungsunternehmen gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BerVersV) in der Fassung vom 29.3.2006. Vgl. § 2 RechVersV. Ebers 41. Ackermann 61 f.; Stindt 22.

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Nachkalkulation, für jede Rechnungsgrundlage wird also der Unterschied zwischen dem rechnungsmäßigen Ertrag und der tatsächlichen Entwicklung ermittelt. Auf der Grundlage dieser Differenzbeträge vermag die Aufsichtsbehörde die Angemessenheit der Überschussbeteiligung zu überwachen, § 81c VAG. Entsprechend den verschiedenen Versicherungsformen mit unterschiedlicher Risikotragung wird das sog. Risikoergebnis ermittelt, dabei hat das Sterblichkeitsergebnis nach wie vor eine große Bedeutung. In der Regel ist das Risikoergebnis – angesichts des Vorsichtigkeitsprinzips bei den gewählten Grundlagen und der unternehmensindividuellen Risikoauslese – positiv. Die Risikoselektion hat damit die Funktion einer zusätzlichen Sicherheitsmarge.53 Das Kapitalanlageergebnis resultiert aus der Gegenüberstellung des tatsächlichen Ertrages aus den Kapitalanlagen (wie aus den Zins- und Dividendenzahlungen, aber auch außerordentlichen Erträgen aus der Auflösung stiller Reserven) und der rechnungsmäßigen Zinsen. Lange Zeit hindurch war das Ergebnis aus Kapitalanlagen eine verlässliche Hauptüberschussquelle, jedenfalls solange die Verzinsung der Kapitalanlagen erheblich über dem rechnungsmäßigen Zins lag. Das Kapitalanlageergebnis ist aber nicht nur von der Entwicklung des Zinsniveaus, sondern auch von der Kapitalanlagepolitik abhängig.54 Das Kostenergebnis resultiert gleichfalls aus der Gegenüberstellung der rechnungsmäßig zur Verfügung stehenden Kostendeckungsmittel und den tatsächlich anfallenden Kosten. Dabei werden zu den Abschlusskosten sämtliche Kosten gerechnet, welche in einem direkten Zusammenhang mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages zu sehen sind. Angesichts dessen, dass nach § 4 Abs. 1 Satz 2 DeckRV der Höchstzillmersatz von 4 ‰ der Summe aller Prämien nicht überschritten werden darf, können weithin die Abschlusskosten nicht in voller Höhe aktiviert werden. Das bedeutet, dass der gegebene Bestand mit Aufwendungen für das Neugeschäft belastet wird.55 Gerade auch für den Verwaltungskostensektor ist davon auszugehen, dass der VR hier besondere und individuelle unternehmerische Initiativen mit dem Ziel entfalten kann, seine Geschäftsergebnisse zu verbessern. Aus diesem Bereich sich ergebende Überschüsse dürften daher nicht ohne weiteres pauschal auf die vom Vorsichtigkeitsprinzip geprägten Anforderungen der Aufsichtsbehörde zurückgeführt werden können. Als weitere Ergebnisquellen sind z.B. die Rückversicherung, die Stornoquote und Steuern zu berücksichtigen. Das Ergebnis in diesen Bereichen trägt in aller Regel zum Überschuss nicht bei. Insbesondere angesichts der aufsichtsrechtlich angeordneten Sicherheitskalkulation entstehen somit zumindest aus dem Risiko-, dem Kapitalanlagenergebnis und dem Ergebnis der laufenden Verwaltungskosten Überschüsse, die an die Versicherten zurückzuerstatten sind. Die aufsichtsrechtlichen Normen des § 81c VAG, der DeckRV und der MindZV beziehen sich im Wesentlichen auf die Beteiligung der Versicherten am Überschuss. Auf sie wird daher unter Rn. 110 ff. eingegangen. Auf die Überschussermittlung beziehen sich die bereits herangezogenen Vorschriften zur externen und internen Rechnungslegung.

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Schierenbeck/Hölscher BankAssurance 729 f. Schierenbeck/Hölscher BankAssurance 728.

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Ackermann 83 f.; Hagelschuer 180; Stindt 25; Ebers 59.

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2. Handelsrechtlicher Jahresabschluss als Überschussermittlungsbilanz a) Rückgriff auf den HGB-Abschluss. Angesichts dessen, dass die Überschussermitt- 67 lung für den Betrag entscheidend ist, der anschließend für die Verteilung des Überschusses an Versicherte und Anteilseigner zur Verfügung steht, kommt der Frage nach der Überschussermittlungsbilanz eine ganz erhebliche Bedeutung zu. Ohne dass bei der Einführung einer Überschussbeteiligung die Frage nach der Überschussermittlungsbilanz problematisiert wurde, wird wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass der – ohnehin zu erstellende – handelsrechtliche Jahresabschluss als Grundlage der Überschussbeteiligung zu sehen sei. Auch in § 153 findet sich kein ausdrücklicher Hinweis auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss als Instrument für die Überschussermittlung. Gleichwohl ist der Gesetzgeber von dem HGB-Abschluss als Grundlage der Überschussermittlung ausgegangen,56 darüber hinaus ergibt sich die Anwendbarkeit der HGB-Normen aus § 341a HGB sowie aus § 1 RechVersV, vor allem aber auch aus den Bedingungswerken wie § 2 (1) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung. Auf dieses Weise ist die handelsrechtliche Rechnungslegung, modifiziert nach der RechVersV, mit dem Lebensversicherungsrecht, insbes. der Überschussbeteiligung eng verwoben. Die handelsrechtliche Rechnungslegung ist daher das entscheidende Instrument für die Ermittlung der Überschüsse und die Angemessenheit der Überschussbeteiligung geworden. Hinsichtlich der Einbeziehung der Bewertungsreserven nach § 153 wird nunmehr durch § 54 RechVersV verlangt, dass für sämtliche Kapitalanlagen der jeweilige Zeitwert im Anhang der Bilanz angegeben wird. b) Anforderungen an eine Überschussermittlungsbilanz. Aus Sicht der Überschussbe- 68 rechtigten besteht das Bedürfnis nach einer vollständigen und transparenten Angabe sämtlicher Gewinne, und zwar nicht nur der realisierten, sondern auch der noch nicht realisierten Gewinne. Die Gewinnermittlung sollte aufgrund objektiver Kriterien erfolgen, Ermessensspielräume und Manipulationsmöglichkeiten sollten vermieden werden. Aus Sicht der LebensVU sollte die vorzeitige Ausschüttung noch nicht realisierter Gewinne möglichst ausgeschlossen werden. Die Funktion der Überschussbeteiligung, Schwankungen bei Kapitalerträgen, bei der Sterblichkeit bzw. Langlebigkeit, bei den Kosten usw. während der gewöhnlich langen Versicherungsdauer auszugleichen, muss gewährleistet bleiben.57 c) Ausgleichsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Nur wenn die Er- 69 mittlung des Überschusses nach der HGB-Regelung sachgerecht ist, kann auch die Verteilung der Überschüsse angemessen sein. Die Angemessenheit der Überschussermittlung aber kann schon deswegen zweifelhaft sein, weil der handelsrechtliche Jahresabschluss nicht zu diesem Zwecke geschaffen wurde, sondern unterschiedliche Funktionen erfüllen soll, wie z.B. Informationszwecke, Dokumentationszwecke, Gewinnermittlung, Ausschüttungsbemessung zugunsten der Anteilseigner und schließlich Gläubigerschutz durch ausreichende Kapitalerhaltung, er ist darüber hinaus auch Ausgangsbasis für eine steuerliche Gewinnermittlung. Der Jahresabschluss soll nicht nur ein den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werdendes Bild der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens – § 264 Abs. 2 HGB – darstellen. Mit Blick auf die Auskehrungsbemessungsfunktion soll das notwendige Haftungsvermögen gesichert werden, Mittel sollen nur insoweit ausge-

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Begr. RegE BTDrucks. 16/3945 S. 96.

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Stindt 70.

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kehrt werden, als sie nicht anderweitig benötigt werden.58 Bei LebensVU finden sich neben den ohnehin anzutreffenden Interessenten am Jahresabschluss (Anteilseigner, Kapitalgeber, Arbeitnehmer, Finanzbehörden) die Versicherten, die RückVR, die Ratingagenturen sowie die Versicherungsaufsicht. Darüber hinaus erfordert das langjährige Vertragsverhältnis zwischen VR und VN und die Ansparleistung durch die VN ein nicht zu unterschätzendes Vertrauensverhältnis, auch mit Blick auf eine Überschussbeteiligung, das auch durch Finanzkrisen nicht zu erschüttern sein sollte. Die handelsrechtlichen Vorschriften versuchen, einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen herzustellen.

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d) Störungen des Gleichgewichts zwischen VN und Anteilseignern durch das Realisations- und Vorsichtsprinzip. Wesentliche Elemente des HGB-Gewinnermittlungssystems sind – neben dem als Selbstverständlichkeit vorausgesetztem Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 HGB – das Realisations- und das Vorsichtsprinzip, beide stärken die Kapitalerhaltungsfunktion. Daher werden nur solche Gewinne ausgewiesen, die bereits mit der erforderlichen Sicherheit erwirtschaftet worden sind. Dabei kann jedoch nicht übersehen werden, dass das ausgeprägte Vorsichtsprinzip, verschärft durch das Vorsichtsprinzip bei der Kalkulation der Prämien, aus der Sicht der VN zu einer unbefriedigenden Gewinnermittlung führen kann. Konkret bedeutet das Realisationsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz HGB, dass Gewinne nur zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Damit soll vermieden werden, dass nicht realisierte Gewinne ausgewiesen und ausgekehrt werden. Die Gewinne müssen durch einen Umsatzprozess in Erscheinung getreten sein, auch das Realisationsprinzip dient damit einer vorsichtigen Gewinnermittlung, die auf diese Weise dem Ermessen des Bilanzierenden entzogen wird. Darüber hinaus dient das Realisationsprinzip der Festsetzung des Werts eines erworbenen Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt des Erwerbs und führt damit zum Anschaffungskosten- und Herstellungskostenprinzip, wie es in § 253 Abs. 1 HGB zum Ausdruck gelangt.59 Das Vorsichtsprinzip als allgemeiner Grundsatz der handelsrechtlichen Rechnungs71 legung ist ein wesentliches Instrument der handelsrechtlichen Gewinnermittlung. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB „ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen …“. Bei der Bewertung sind sämtliche Gesichtspunkte mit zu berücksichtigen, insbes. auch solche Umstände, die auf bestehende und künftige Risiken – auch Finanzkrisen! – hindeuten. Vor allem wenn Aktiva grundsätzlich unterbewertet und Passiva überbewertet werden, könnte dabei allerdings die Kapitalerhaltungsfunktion u.U. zu einseitig betont und die Rechenschafts- und Informationsfunktion eingeschränkt werden. Eine vorsichtige Gewinnermittlung bedeutet eine Auskehrungsbegrenzungswirkung und ist mit Blick auf die Interessen der Versicherten vielleicht nicht unbedenklich, auf die lange Sicht jedoch erforderlich. Das Vorsichtsprinzip gelangt darüber hinaus in Vorschriften zum Ausdruck, durch die z.B. die Aktivierung von Vermögensgegenständen ausgeschlossen wird, deren Wert nicht genügend festlegbar ist (§ 248 Abs. 1 HGB) oder wonach auch „Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden“ sind (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Darüber

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Zu allem Hennrichs Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften (1999) 95; Schildbach JAS als Rechnungslegungsstandards für alle, BFuP 2002 263, 271; Stindt 74.

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Leffson Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (1987) 247 ff.; Stindt 80.

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Überschussbeteiligung

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hinaus findet das Vorsichtsprinzip seinen Ausdruck in dem soeben erwähnten Anschaffungsprinzip: Der danach als Bewertungsobergrenze festgesetzte Wert darf bis zur Veräußerung des Vermögensgegenstandes (z.B. von Grundstücken, Aktien) nicht überschritten werden. Darüber hinaus sind bei dem Anlagevermögen, das für eine beschränkte Zeit genutzt werden kann, die Anschaffungskosten nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB durch planmäßige Abschreibung zu vermindern. Darüber hinaus finden sich außerplanmäßige Abschreibungsmöglichkeiten und damit Korrekturregelungen für Vermögensgegenstände des Anlage- und des Umlaufvermögens (Niederstwertprinzip, § 253 Abs. 2–5 HGB). Die grundsätzlich auch für VU geltenden Realisations- und Vorsichtsprinzipien erfah- 72 ren dabei durch die speziellen Bewertungsvorschriften der §§ 341b f. HGB Modifizierungen. Durch die Ausnahmeregelung des § 341b Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz HGB ist es den VU nunmehr beispielsweise gestattet, für Kapitalanlagen zu bestimmen, dass sie „dauernd dem Geschäftsbetrieb … dienen“ sollen, mit der Folge, dass das strenge Niederstwertprinzip nicht zur Anwendung gelangt. Damit hat der Gesetzgeber nach den Kurseinbrüchen nach der Jahrhundertwende erhebliche Abschreibungen der VR auf das Kapitalanlagevermögen und insbes. auch Kürzungen der Überschussbeteiligung der VN vermeiden wollen. Den VU wird es damit möglich, erhebliche stille Lasten in der Bilanz zu bilden – eine (bedenkliche) Durchbrechung des grundsätzlich verfolgten Prinzips der handelsrechtlichen Vermögensermittlung.60 Darüber hinaus erlaubt es § 341c HGB, Namensschuldverschreibungen, Hypothekendarlehn und andere Forderungen zu ihrem Nennbetrag zu bewerten. Auf der Passivseite der Versicherungsbilanz kann ferner die Rückstellungsbildung zu 73 einer Steuerung der Gewinnermittlung führen, insbes. bei der Frage der Höhe der Rückstellung. Jede Rückstellungsbildung führt zugleich zu einer Absenkung des Reinvermögens. Wenn nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB die Rückstellungen allein in Höhe des Betrages anzusetzen sind, der nach kaufmännischer Berechnung als notwendig erscheint, so ist gleichwohl – unter dem Gesichtspunkt des Vorsichtsprinzips – im Zweifel eher von einem pessimistisch ermittelten Wert auszugehen.61 Dabei ergänzen die §§ 341e–h HGB die allgemeinen Vorschriften zur Rückstellungsbewertung. So lässt § 341e HGB die Bildung versicherungstechnischer Rückstellungen über den Rückstellungskatalog des § 249 HGB hinaus zu, wie die Rückstellung für Beitragsüberträge nach § 341e Abs. 2 Nr. 1 HGB, die RfB nach § 341e Abs. 2 Nr. 2 HGB oder sonstige versicherungstechnische Rückstellungen. Dabei sind die aufsichtsrechtlichen Vorschriften entsprechend zu beachten, auch das Vorsichtsprinzip, um dem auch z.B. in der Lebensversicherung gegebenen Unsicherheitselement Rechnung zu tragen. Neben dem Grundsatz der Einzelbewertung nach § 253 Abs. 1 Nr. 3 HGB sei noch auf das Abzinsungsgebot für Rückstellungen hingewiesen (§ 253 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz HGB). Ob § 341e Abs. 1 Satz 1 HGB ein besonderes Vorsichtsprinzip für Versicherungs- 74 unternehmen zu entnehmen ist, kann dahinstehen. Das Vorsichtsprinzip auch bei der Rückstellungsbildung geht nur so weit, wie die gesetzliche Regelung reicht. Dass dabei ein strengerer Vorsichtsmaßstab bei VU zugrunde zu legen ist als in der übrigen Wirtschaft, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Ein strengerer Vorsichtsgrad als vom Gesetzgeber verlangt, würde dem Ziel einer objektiven Gewinnermittlung entgegenstehen.62 60 61

Schulze-Osterloh ZIP 2004 1128, 1133. Baetge/Kirsch/Thiele/Baetge/Ziesemer, Bilanzrecht, Komm., Losebl.-Ausg., § 252 HGB Rn. 144.

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Stindt 91, 92.

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Gleichwohl ist abschließend zu konstatieren, dass durch die Orientierung der Gewinnermittlung an der handelsrechtlichen Rechnungslegung der Kapitalerhaltungsgedanke – insbes. auch durch die Schaffung stiller Reserven – in einer Weise betont wird, die in der versicherungsrechtlichen Diskussion teilweise als problematisch empfunden wurde. Zwar besitzen stille Reserven angesichts der langjährigen Dauer der kapitalbildenden Lebensversicherungsverträge eine ganz wesentliche Funktion, nämlich insbes. auch die Schwankungen bei der Renditeerzielung, der Sterblichkeit usw. auszugleichen. Das kann auch in Zeiten von Finanzkrisen von Vorteil für die Versicherten sein. Eine Besserstellung der VN-Seite erfolgte zudem durch die vom BVerfG geforderten Zeitwertangaben bei der Einbeziehung der stillen Reserven in die Überschussbeteiligung.63

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e) Handelsrechtliche Bilanzierungswahlrechte. Durch die Bilanzierungswahlrechte der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften werden den VU – sich u.U. zulasten der VN auswirkende – Gestaltungsmöglichkeiten gewährt, die teilweise als problematisch empfunden werden.64 Derartige Wahlrechte können eine Gefährdung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses beinhalten, sie sind ein Instrument der Unternehmens- und Bilanzpolitik und vermögen die Einschätzung des Unternehmens, insbes. auch die Gewinnfeststellung, zu beeinflussen. Das gilt beispielsweise bei den Möglichkeiten der Bildung steuerfreier Rücklagen oder von steuerrechtlichen Abschreibungswahlrechten,65 man denke auch an erhöhte Absetzungen für Baumaßnahmen an Gebäuden.66 Auch das Ansatzwahlrecht für den Geschäfts- oder Firmenwert nach § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB kann der Gewinnbeeinflussung dienen, gleiches gilt für das Aktivierungswahlrecht des § 274 Abs. 2 HGB in Zusammenhang mit der Neutralisierung einer zu hohen Steuerschuld. Deutliche Verfälschungsmöglichkeiten bieten auch die Ansatzwahlrechte für Aufwandsrückstellungen.67 Insgesamt bestehen bei der handelsrechtlichen Rechnungslegung eine ganze Reihe von Bilanzierungswahlrechten, die gerade auch die für die Versicherten bedeutsame Gewinnermittlung beeinflussen können und eine angemessene Überschussermittlung deutlich erschweren oder gar unmöglich werden lassen.68 Je stärker das VU von bilanzrechtlichen Möglichkeiten der Ertragsthesaurierung Gebrauch macht, desto niedriger ist der Gewinn, der für die Überschussbeteiligung zur Verfügung steht. De lege lata ist allerdings davon auszugehen, dass das VU seine Wahlrechte auch zum Nachteil des VN wahrnehmen kann, soweit dem nicht versicherungsspezifische Normen entgegenstehen. Das Gesetz hat sich für die HGB-Bilanz als Gewinnermittlungsbilanz entschieden, und mit einer Argumentation, die sich auf das Institut der Überschussbeteiligung allein bezieht, können die Wahlrechtsmöglichkeiten nicht eingeschränkt werden. Hier kann nur durch den Gesetzgeber eingegriffen werden.

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f) Berücksichtigung der stillen Reserven bei der Überschussermittlung. Mit seinem wegweisenden Urteil zur Beteiligung der VN an den stillen Reserven ist das BVerfG 69

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Vgl. im Einzelnen unter Rn. 78 ff. Rückle in Basedow/Beyer/Schwintowski (Hrsg.), Versicherungsvertrag und Versicherungstreuhand, Ertragsbesteuerung, Überschussermittlung und -verwendung (1997) 251, 284 ff. Küting DStR 1997 84 ff.; Hennrichs 204 f. Ellrott/Lorenz im Beck’schen Bilanz-Kommentar § 254 Rn. 50 ff.

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Vgl. Großfeld Bilanzwahlrecht Rn. 379. Näheres bei Stindt 92 ff. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127 ff. Auf die kursorischen und zusammenfassenden Bemerkungen von Bruck/Möller/Baumann § 1 Rn. 135 ff., 259 ff. sei verwiesen.

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davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Überschussbeteilung vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst werde, obwohl er zunächst nur dem Grunde nach feststeht, der Höhe nach gänzlich unbestimmt ist und sich erst im weiteren Vertragsverlauf konkretisiert. Die Aussicht auf die Überschussbeteiligung verfestige sich in abgrenzbaren Stufen, der einzelne Versicherte verfüge in der gemischten Lebensversicherung bereits von Anfang an über eine vertrags- und aufsichtsrechtlich abgesicherte, allmählich auch wirtschaftlich gehaltvolle Position. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Argumentation des BVerfG zum größeren Teil auf die bereits realisierten, aber noch zugeteilten Mittel in der RfB bezieht, nicht jedoch ohne weiteres auf die noch nicht realisierten stillen Reserven. Andererseits betont das BVerfG, dass sämtliche mit dem Prämiengeldern der VN geschaffenen Vermögenswerte und damit auch ein Großteil der stillen Reserven Gegenstand der Überschussbeteiligung sein müssen. Dabei fordert das Gericht die Beteiligung an den stillen Reserven allerdings nur bei der Berechnung des Schlussüberschusses, nicht im Rahmen der laufenden Überschussbeteiligung. Bei dem vom BVerfG formulierten Auftrag an den Gesetzgeber, das Schutzdefizit auch 78 mit Blick auf die stillen Reserven zu schließen, wird keine bestimmte Lösung gefordert, möglich sei eine versicherungsvertragsrechtliche wie auch aufsichtsrechtliche Lösung.70 Zulässig seien aber auch Regelungen über eine versicherungsspezifische Bilanzierung der Vermögenswerte, wobei die Bewertungsreserven detailliert offenzulegen seien, um eine teilweise Berücksichtigung bei der Überschussbeteiligung zu ermöglichen, ohne dass stille Reserven realisiert werden müssten. Dabei dürfe der Gesetzgeber seine Regelung nicht einseitig allein an den Interessen 79 der ausscheidenden Mitglieder ausrichten, erforderlich ist eine Gesamtabwägung sämtlicher beteiligter Interessen.71 Es sei ein Ausgleich der teilweise widerstreitenden Interessen vorzunehmen, der sich an der Funktion des Versichertenkollektivs als Risikogemeinschaft ausrichte. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die von den VN entrichteten Prämien gänzlich in das Eigentum des VR übergehen, sodass die Verwendung der vereinnahmten Mittel grundsätzlich der unternehmerischen Entscheidung des VR unterliegt.72 Auch wenn es die Entscheidungen des BVerfG vermeiden, sich mit dem Kernproblem 80 auseinanderzusetzen, wie eine angemessene Überschussbeteiligung im Einzelnen auszugestalten ist, und zu Fragen der laufenden Überschussbeteiligung (Direktgutschrift, zeitnahe Überschussbeteiligung) nicht Stellung nehmen, kann ihnen insbes. darin gefolgt werden, wenn eine größere Transparenz gefordert wird. Soweit mit Blick auf die stillen Reserven der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erweitert wird,73 kann dem BVerfG darin gefolgt werden, dass mit Blick auf eine Gesamtabwägung der beteiligten Interessen keine zwingende Beteiligung der Versicherten an den noch nicht realisierten Bewertungsreserven gefordert wird, aus Gründen der Solidargemeinschaft der Versicherten kann sich ein Verzicht auf die Beteiligung an den stillen Reserven rechtfertigen. Vor allem auch das Realisierungsrisiko ist nicht nur zwischen VR und VN aufzuteilen, sondern auch zwischen einem im Wege der Kündigung ausscheidenden VN, dem an einer Erhöhung seines Schlussüberschussanteils bei seinem Ausscheiden gelegen ist, und jenen Versicherten, die Mitglied der Gefahrengemeinschaft bleiben, bis der Vertrag ausläuft oder der Versicherungsfall eintritt.

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BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1134. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1134. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1131.

73

Kritische Schenke VersR 2006 871, 872 ff.; Römer VersR 2006 865, 867.

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Wird die gesetzliche Regelung, wie sie zuletzt in § 153 sowie in § 54 RechVersV ihren Niederschlag gefunden hat, an den Vorgaben des BVerfG gemessen, so ergeben sich dagegen keine schwerwiegenden Bedenken. Nur schwer nachvollziehbar war die im Referentenentwurf geplante Einführung einer 82 Zeitwertbilanzierung allein auf der Aktivseite für sämtliche Kapitalanlagen, die in die Berechnung der Überschussbeteiligung einzubeziehen sind,74 und eine zu zeitnahe verbindliche Überschusszuteilung.75 Infolge der Einführung der Zeitwertbilanzierung auf der Aktivseite sollte die Bildung stiller Reserven und stiller Lasten vermieden werden. Durch die Ungleichbehandlung der Aktiv- und der Passivseite wären die ständigen Schwankungen der Zeitwertbilanzierung auf der Aktivseite nicht auf der Passivseite zum Ausdruck gelangt,76 sodass bei einem nachträglichen Sinken der Zeitwerte eine Anpassung einseitig zulasten der Aktionäre gegangen wäre.77 Als Folge einer verbindlichen zeitnahen Zuteilung (spätestens zwei Jahre nach Ermittlung des Überschusses) wäre ein Anspruch der VN auf die Beteiligung an den stillen Reserven entstanden, den der VR hätte erfüllen müssen, auch wenn die stillen Reserven inzwischen wieder fortgefallen wären. Der Fehlbetrag hätte aus dem Eigenkapital aufgefangen werden müssen.78 Diesen Bedenken ist bei der geltenden Regelung Rechnung getragen worden. An die 83 Stelle einer Zeitwertbilanzierung ist die Regelung des § 54 RechVersV getreten, die wie folgt lautet: Zeitwert der Kapitalanlagen Für zum Zeitwert oder zum Nennwert ausgewiesene Kapitalanlagen ist im Anhang jeweils der Zeitwert anzugeben. Die Ermittlung des Zeitwertes erfolgt 1. für Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken nach § 55 sowie 2. für die übrigen Kapitalanlagen nach § 56. Zudem sind die Gesamtsumme der Anschaffungskosten der in der Überschussbeteiligung einzubeziehenden Kapitalanlagen, die Gesamtsumme des beizulegenden Zeitwerts selbiger Kapitalanlagen und der sich daraus ergebende Saldo anzugeben.

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Mit der Angabe des jeweiligen Zeitwerts für sämtliche Kapitalanlagen hat der Gesetzgeber von einer Änderung der bilanzrechtlichen Bewertungsregeln abgesehen und sich durch detaillierte Anhangsangaben für eine erhöhte Transparenz entschieden.

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§ 341d Abs. 2 HGB sollte lauten: Kapitalanlagen sind mit dem Zeitwert unter Berücksichtung des Grundsatzes der Vorsicht zu bewerten, soweit sie in die Berechnung einer Überschussbeteiligung von Versicherungsunternehmen einzubeziehen sind; die §§ 341b und 341 c sind nicht anzuwenden. Der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und einem darüber liegendem Zeitwert ist zur Hälfte auf der Passivseite direkt dem Eigenkapital in einem gesonderten Posten unter der Bezeichnung „Zeitwertbewertungsrücklage“ einzustellen. Die Rücklage ist erfolgswirksam aufzulösen, soweit die darin enthaltenen Beträge nicht

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mehr für die Anwendung der benutzten Bewertungsmethode und die Erfüllung ihres Zwecks erforderlich sind. § 153 Abs. 3 RefE sollte lauten: Der Versicherer hat die unmittelbare Zuteilung der für die Überschussbeteiligung bestimmten Beträge spätestens zwei Jahre nach Ermittlung des Überschusses nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden. Schenke VersR 2006 725, 727. Bezüglich weiterer Bedenken vgl. Stindt 126. Stindt 127.

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Überschussbeteiligung

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Nach § 153 Abs. 1 erfolgt die Überschussermittlung in zwei Abschnitten. Nach der 85 allgemeinen Überschussermittlung auf der Grundlage des Jahresabschlusses sind die Bewertungsreserven des VR festzustellen. Bei den Rechnungslegungssystemen, die nach dem Anschaffungs- und Herstellungskostengrundsatz vorgehen, werden durch eine Angabe der Zeitwerte sodann die stillen Reserven bzw. stillen Lasten ermittelt. Die Bewertungsreserven ergeben sich aus einem Vergleich der Zeitwerte mit den Anschaffungsbzw. Herstellungskosten.

III. Gegenstand der Überschussbeteiligung 1. Überschüsse nach dem HGB-Abschluss a) Kapitalanlageergebnis, Risikoergebnis und übriges Ergebnis im Sinne der Mindest- 86 zuführungsverordnung. Nach der aufgrund von § 81c Abs. 3 Satz 1–3 und 5 VAG erlassenen MindZV ergibt sich Näheres zu den anzurechnenden Kapitalerträgen (§ 3 MindZV) sowie zu dem Kapitalanlageergebnis, dem Risikoergebnis und dem übrigen Ergebnis (§ 4 Abs. 1 MindZV). Das Kapitalanlageergebnis stellt sich dar als die Summe der Beträge in Nachweisung 213 Zeile 07 und 08 jeweils Spalte 1 BerVersV, das Risikoergebnis als die Summe der Beträge in Nachweisung 213 Zeile 04, 05, 12 und 13 jeweils Spalte 01 T BerVersV und das übrige Ergebnis als die Summe der Beträge in Nachweisung 213 Zeile 06, 09, 10, 11, 14 und 15 jeweils Spalte 01 T BerVersV. Nach dem Grundgedanken der Überschussbeteiligung, wie er auch durch das BVerfG 87 bestätigt wird,79 ist den VN dasjenige zurückzugewähren, was sie unter Beachtung des Vorsichtigkeitsprinzips usw. in Form der Sicherheitszuschläge an zu hohen Prämienleistungen erbracht haben. Dabei müssen die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die bei den VU mit den gezahlten Versicherungsprämien gebildet worden sind. Den VR sollen die „übererhobenen Prämienanteile“ nicht zustehen, sondern nur derjenige Teil des Gewinns, der auf die Leistungen des VU oder die Rendite aus dem Eigenkapital zurückzuführen ist. Eine derartige Aufteilung ist jedoch in der Praxis nicht überzeugend durchführbar, da es für sämtliche Rechnungsgrundlagen im Jahresabschluss an einer Aufschlüsselung dahingehend mangelt, inwieweit Überschüsse als unverbrauchte Sicherheitszuschläge zu sehen sind oder inwieweit sie aus anderen Ursachen – wie z.B. dem unternehmerischen Geschick des VR – resultieren. Eine präzise Nachkalkulation, aus der sich die zurückzuerstattenden Prämienanteile ergeben, würde schon voraussetzen, dass die exakte Höhe der Sicherheitszuschläge bekannt ist. Aber das ist nicht der Fall, wenn bei der Kalkulation – wie es in der Praxis geschieht – nur ungünstigere Rechnungsgrundlagen als Ausgangswerte gewählt werden. Bei der allgemein gängigen Kalkulation der Prämien ist nicht ermittelbar, inwieweit die Sicherheitszuschläge tatsächlich verbraucht werden. Darüber hinaus sind die Rechnungsgrundlagen nicht nur beispielsweise von der Ent- 88 wicklung der Sterblichkeitsrate und des Marktzinses abhängig, sie können auch direkt durch den VR beeinflusst werden.80 Der Rohüberschuss findet seine Ursache zudem nicht allein in den Sicherheitszuschlägen bei der Prämienansetzung, sondern wird beispielsweise auch mit Hilfe der Eigenmittel des VR geschaffen und kann auch auf das unternehmerische Geschick des VR zurückgeführt werden, wie auf eine besonders erfolg-

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BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1131.

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Claus VerBAV 1989 225, 226 f.; Ebers 191 ff.

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reiche Kapitalanlage oder eine schärfere Risikoauslese. Im Übrigen profitieren die Versicherten im Rahmen der Kapitalanlage nicht nur an dem gebundenen, sondern auch an dem Anlageergebnis des freien Vermögens. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, die exakte Höhe der zurückzuerstat89 tenden Prämienanteile mit Hilfe der handelsrechtlichen Rechnungslegung zu bestimmen, er hat sich vielmehr mit der Forderung nach einer angemessenen pauschalierten Verteilung der Überschüsse geholfen,81 bei der sowohl die Interessen der VN als auch des VU Berücksichtigung finden sollen. Auch wenn auf diese Weise das Grundkonzept der Überschussermittlung und -beteiligung nicht mehr so deutlich in Erscheinung tritt, es muss gleichwohl herangezogen werden, um Überschüsse, die in das Beteiligungsverfahren Eingang finden, von jenem Gewinn zu unterscheiden, der allein dem VR zusteht. Die Folge sind Unsicherheiten über den sachgerechten Gewinnansatz, wie sich an dem nunmehr folgenden Beispiel zeigt:

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b) Beispiel: Körperschaftssteuerminderung. Will ein VU Gewinnrücklagen, die der Körperschaftssteuer unterliegen und versteuert wurden, später an seine Aktionäre ausschütten, so wird dem ausschüttendem Unternehmen eine Körperschaftssteuerminderung nach § 27 KStG gutgebracht, bei der sich die Frage stellt, ob sie in die Überschussermittlung mit einzubeziehen ist. Angesichts der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für die Überschussbeteiligung mag zunächst davon auszugehen sein, dass sich durch die Körperschaftssteuerminderung auch der Rohüberschuss erhöht. Eine solche formale Betrachtungsweise widerspräche jedoch der Funktion der Überschussbeteiligung insbes. als Korrektiv des für die Prämienberechnung geltenden Vorsichtsprinzips, auch wenn dieses Prinzip wie bei den Erträgen aus dem Eigenkapital nicht durchgehalten wird. Bei der Körperschaftssteuerminderung handelt es sich nicht um einen „staatlich verordneten“ Überschussanteil, sie ist kein aufgrund der vorsichtigen Prämienkalkulation vorprogrammierter Ertrag. Es handelt sich vielmehr um einen Betrag, der in früheren Jahren zur Versteuerung des den Anteilseignern zustehenden Gewinnanteils aufgewendet wurde, nachdem die berechtigten Ansprüche der Versicherten auf Überschussbeteiligung in den jeweiligen Jahren bereits erfüllt worden waren. Die für die Bildung und Versteuerung der Rücklagen aufgewendeten Beträge können aber nun nicht deshalb nachträglich den Versicherten zugeordnet werden, weil sich durch die Ausschüttung der Gewinne die Steuerbelastung des Unternehmens ändert. In der Konsequenz der aufsichtsbehördlichen und gesetzgeberischen Bemühungen um 91 eine möglichst verursachungsgerechte Rückvergütung der den Versicherten gebührenden Überschussanteile liegt es umgekehrt nahe, Rechnungsposten, die nach der Funktion der Überschussbeteiligung nicht zu den rückgewährpflichtigen aufsichtsbehördlich verordneten Überschüssen gehören, auch nicht in die Überschussbeteiligung einfließen zu lassen. Beanspruchen die Versicherten zu Recht die möglichst ungeschmälerte Gutschrift aus den Sicherheitszuschlägen auf die aus der Prämienkalkulation resultierenden Überschüsse, so folgt daraus umgekehrt auch, dass sie die nicht aus diesen Zuschlägen resultierenden und dem VR zustehenden Gewinnanteile nicht auch noch beanspruchen können. Soll die Z-Quote in Einklang mit der Funktion der Überschussbeteiligung die möglichst ungeschmälerte Zuführung der den Versicherten zustehenden Überschüsse aus dem Risikoverlauf und den Kapitalanlagen sicherstellen, so ist es umgekehrt wenig funktionsgerecht, auch die darüber hinausgehenden nicht den Versicherten zustehenden Ertragsbestandteile

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Stindt 39.

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in die Überschussbeteiligung einzubeziehen. Die Einbeziehung der Körperschaftssteuerminderung widerspricht daher der Funktion der Überschussbeteiligung. Die Einbeziehung in den Rohüberschuss würde darüber hinaus dem Zweck des KStG 92 zuwiderlaufen, die ertragssteuerliche Doppelbelastung ausgeschütteter Körperschaftsgewinne sowie deren nachteilige Folgen zu beseitigen.82 Die Doppelbelastung hatte sich früher als Hemmnis einer angemessenen Ausschüttungspolitik erwiesen sowie die Eigenkapitalfinanzierung gegenüber der Fremdfinanzierung benachteiligt und damit negative Auswirkungen auf die Kapitalstruktur der Unternehmen gehabt. Die vom KStG sodann als Konsequenz bezweckte vollständige Entlastung von ausgeschütteten Körperschaftsgewinnen von der Körperschaftssteuer würde faktisch unterlaufen, wenn die Körperschaftssteuerminderung in den Rohüberschuss einbezogen würde. Durch die damit verbundene Beteiligung der Versicherten an der Körperschaftssteuerminderung bliebe die Rendite der Anteilseigner faktisch mit Körperschaftssteuer in Höhe der Beteiligung der Versicherten belastet. Damit bliebe das Ausschüttungshemmnis auch weiter bestehen, die Benachteiligung der Eigenkapitalfinanzierung gegenüber der Fremdmittelfinanzierung bestünde faktisch ebenfalls weiter fort. Aus diesen und weiteren Gründen ist eine Körperschaftssteuerminderung in die Überschussbeteiligung nicht mit einzubeziehen. c) Überschussermittlung nach Abrechnungsverbänden. Um trotz des Individualitäts- 93 verlustes des einzelnen Versicherungsvertrages als Ursache für die Überschusserwirtschaftung gleichwohl eine möglichst verursachungsorientierte Überschussverteilung zu gewährleisten, erfolgt die Festsetzung des Überschusses und seine Verteilung an die VN gesondert nach sog. Abrechnungsverbänden. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die verschiedenen Versicherungsformen und Versichertenkollektive sowohl insgesamt als auch in den verschiedenen Ergebnisbereichen in unterschiedlichem Ausmaß zum Gesamtüberschuss eines VR beitragen. In einem Abrechnungsverband werden Versicherungen mit gleicher oder ähnlicher Ertragsstruktur zusammengefasst. Die Gründe für die Errichtung eines gesonderten Abrechnungsverbandes können unter- 94 schiedlich sein, ein wesentliches Differenzierungsmerkmal ist die Art der versicherten Gefahr. Somit kann das Überwiegen des Todesfallrisikos oder bei anderen Versicherungen das Erlebensfall-, des Berufunfähigkeits- oder des Pflegefallrisikos bei bestimmten Versicherungsformen zur Folge haben, dass diese Versicherungsformen getrennt in eigenen Abrechnungsverbänden geführt werden. Weitere Gründe für die Errichtung eines eigenen Abrechnungsverbandes sind Besonderheiten in der vertragsrechtlichen Gestaltung, Unterschiede in der Kostenlage und bei der Kapitalanlage. Die Abrechnungsverbände können darüber hinaus in sog. Gewinnverbände aufgeglie- 95 dert werden, sodass die Höhe der Überschussbeteiligung innerhalb eines Abrechnungsverbandes bei den einzelnen Gewinnverbänden unterschiedlich ist. In der Versicherungswirtschaft haben sich dabei eine ganze Reihe von Abrechnungsverbänden herausgebildet, die sich an den einzelnen Versicherungsformen orientieren. 2. Feststellung der Bewertungsreserven a) Begriff und Wesen der Bewertungsreserven. Die Bewertungsreserven sind der 96 Unterschiedsbetrag von Buchwert und Zeitwert. Für den Fall, dass der Zeitwert höher ist 82

Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung BTDrucks. 7/1470 S. 323 ff.

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als der Buchwert, handelt es sich um stille Reserven; ist der Buchwert höher als der Zeitwert, handelt es sich um stille Lasten.83 Stille Reserven sind somit Beträge, die in der Bilanz noch nicht als Gewinne ersichtlich sind. Nach dem Realisationsprinzip liegt ein Gewinn erst vor, wenn er – als Regelfall – durch ein Umsatzgeschäft realisiert wird oder wenn z.B. bei der Abwicklung von Versicherungsfällen Rückstellungen mit stillen Reserven aufgelöst werden. Dabei verändert sich ihr Wesen aus der Sicht des Bilanzrechts: Ihr Wert kann sich verflüchtigen, ohne dass die Unternehmensleistung auf die Auflösung Einfluss nimmt, oder sie werden erfolgswirksam liquidiert und erhöhen damit den Jahresüberschuss. Bewertungsreserven zeichnen sich in der Bilanz durch ihre Reserveeigenschaft aus, sie haben nicht den Charakter echter materieller Reserven. Ein positiver Wert der Differenz zwischen Buch- und Zeitwert kann häufig auch nur vorübergehend bestehen. Die Reserven bieten gleichwohl Schutz vor Risiken, für die das Unternehmen eine Vorsorgepflicht trifft. Stille Reserven können aber auch nur rechnerisch bestehen, ohne dass die Möglichkeit einer Realisierung gegeben ist. Die Zwecke stiller Reserven sind danach zu unterscheiden, ob ihre Entstehung durch die Unternehmensleistung unbeeinflussbar (Zwangsreserven) oder beeinflussbar ist (Ermessensreserven), ihr Zweck richtet sich im zweiten Falle nach den Unternehmenszielen. Die maßgebliche Funktion der stillen Reserven ist die Erhaltung und Stärkung des Eigenkapitals, indem Vermögensteile vor der Ausschüttung zurückgehalten werden und damit die Auskehrung von Schein- und Buchgewinnen verhindert wird. Gerade auch im Versicherungsbereich ist die Glättungsfunktion der Bewertungsreserven bei Kapitalmarktbewegungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dabei hat der VR erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten. Zu den Zwangsreserven zählen all jene Reserven, die im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegung durch das Anschaffungs- und Realisationsprinzip entstehen. Eine solche Bildung von Bewertungsreserven ist weder durch das BVerfG noch durch den Gesetzgeber eingeschränkt oder verboten worden, dem Vorwurf der Intransparenz bei der früheren Handhabung des Problems der Bewertungsreserven wird durch die Pflicht zur Bezeichnung der Reserven im Anhang der Bilanz Rechnung getragen. Die Ermessensreserven sind jene Reserven, die sich letztlich als Ergebnis einer unternehmerischen Entscheidung darstellen, wie sie in Zusammenhang mit den bilanzrechtlichen Ansatz- und Bewertungswahlrechten gegeben sind. Die Neuregelung zum Bereich der Bewertungsreserven soll die Informations- und die Auskehrungsbemessungsfunktion der Bilanz im Interesse der VN-Seite stärken. b) Ermittlung der Bewertungsreserven bei den unterschiedlichen Formen der Kapitalanlage. Bei der Ermittlung der Bewertungsreserven erfolgt nach § 153 Abs. 3, § 54 RechVersV dem Grundsatze nach keine Differenzierung bei der Einbeziehung der einzelnen Formen von Kapitalanlagen. Bedenken werden geäußert gegen die Berücksichtigung auch der Bewertungsreserven aus festverzinslichen Anlagen.84 Die Bewertungsreserven entstehen bei festverzinslichen Wertpapieren allein durch schwankende Zinsniveaus; fallende Zinsen lassen die Kurse der festverzinslichen Anlagen steigen und führen zu Bewertungsreserven. Da die Anleihen usw. bei Fälligkeit zu 100 % des Nominalwerts zurück-

83 84

Umfassend Dreyer 21 ff. Schenke VersR 2006 725, 730; Stindt 134 ff.; GDV, Kernpunkte VVG, Dezember 2006,

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9 ff.; Stellungnahme des Bundesrates BTDrucks. 16/3945, S. 128; vgl. zu allem auch Mudrack ZfV 2007 41, 42.

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zuzahlen sind, pflegt die Höhe der Bewertungsreserven zu sinken, wenn das Ende der Laufzeit absehbar wird. Es handelt sich also nur um zeitlich begrenzte Bewertungsreserven, ihre Realisierung wäre nur bei einer vorzeitigen Veräußerung möglich. In der Praxis werden die festverzinslichen Papiere von den VU zumeist gehalten, die Bewertungsreserven der Rentenpapiere orientieren sich an dem Zinsunterschied zu dem abgefallenen Zinsniveau, und für den VN, der seinen Versicherungsvertrag bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Papiere weiterführt, dürfte es finanziell unerheblich sein, ob es insoweit zu Bewertungsreserven kommt oder die Papiere mit ihrem höheren Zinsniveau gehalten werden. Anders verhält es sich allerdings, wenn der VN vor Fälligkeit der Papiere ausscheidet, weil er die Versicherung beispielsweise kündigt oder es zum Versicherungsfall kommt. Auch wenn hier an eine teleologische Reduktion der Vorschrift gedacht werden kann, 103 dem System einer verursachungsorientierten Überschussbeteiligung einschl. stiller Reserven dürfte die Nichtberücksichtigung der zeitlich begrenzten Wertzuwächse widersprechen. Das gilt umso mehr als sich die festverzinslichen Anlagen auf etwa 90 % der Kapitalanlagen der LebensVU belaufen.85 Ein sachgerechter Kompromiss könnte in dem Vorschlag gesehen werden, nach § 56a Abs. 3 VAG-E Bewertungsreserven aus festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäften nur insoweit bei der Überschussbeteiligung zu berücksichtigen, als sie einen etwaigen Sicherungsbedarf aus den Versicherungsverträgen mit Zinsgarantie gem § 65a Abs. 4 VAG-E überschreiten.86 Der Vorschlag ist bislang nicht verabschiedet worden. Eine teleologische Reduktion könnte auch bei zu starker Volatilität der Märkte in Frage kommen. c) Feststellung der Bewertungsreserven. Wird die Höhe der Bewertungsreserven ermittelt und im Anhang angegeben, so schließt das auch die entsprechende Information der VN mit ein. Die Zuteilung und Auszahlung des Anteils an den Bewertungsreserven erfolgt erst bei Vertragsbeendigung. Dafür kann der VR z.B. auf den am letzten Bilanzstichtag festgestellten Wert der Bewertungsreserven zurückgreifen, er kann jedoch weniger lange Bewertungsintervalle festsetzen, wobei der VR schon aus Transparenzgründen sodann an den unterjährigen Stichtagen auch für die Zukunft festhalten sollte. Bei der Ermittlung der Bewertungsreserven bedarf es zunächst der Bestimmung der stillen Reserven der einzelnen relevanten Kapitalanlagen, im Anschluss daran einer Saldierung mit stillen Lasten. Für die Bestimmung der Buch- und Zeitwerte sind die handelsrechtlichen Vorschriften maßgeblich, auch bei der unterjährigen Bewertung sind die Bestimmungen zur Erstellung des Jahresabschlusses anzuwenden. Zur Ermittlung der Buchwerte von Kapitalanlagen finden insbes. die Vorschriften der §§ 341 ff. HGB Anwendung, bei der Ermittlung der Zeitwerte aller Kapitalanlagen gelten die Bestimmungen der RechVersV. Der Zeitwert von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und Bauten, auch auf fremden Grundstücken, ist durch eine Schätzung zumindest alle fünf Jahre zu ermitteln, und zwar unter Einschluss entsprechender Wertminderungen und voraussichtlicher Realisierungsaufwendungen, § 55 RechVersV. Ist die Bestimmung des Marktwerts eines Grundstücks oder Gebäudes nicht möglich, so ist von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten auszugehen. Für den Zeitwert der übrigen Kapitalanlagen ist nach § 56 RechVersV auf den sog. Freiverkehrswert abzustellen, bei an einer zugelassenen Börse notierten Kapitalanlagen ist auf den Börsenwert abzustellen.

85

GDV Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2012 42.

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BTDrucks. 17/11395 S. 4, 5.

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Nach Nachweisung 671 sind Zeitwerte – ausgenommen Grundstückszeitwerte – generell vierteljährlich festzustellen. Dabei kann es zulässig sein, auf den letzten ermittelten Zeitwert abzustellen, es sei denn, dass eine offensichtliche Marktentwicklung oder andere wichtige Gründe eine Neubewertung der Anlage erforderlich machen. Inwieweit es im Einzelnen möglich ist, bei der unterjährigen Bewertung Vereinfachungen vorzunehmen, ist anhand von Kosten-Nutzen-Abwägungen unter Berücksichtigung des Einzelfalles zu entscheiden.87

IV. System der Überschussbeteiligung 1. Rückstellung für Beitragsrückerstattung und Direktgutschrift

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a) Pufferfunktion der Rückstellung für Beitragsrückerstattung. Die Überschüsse können den Versicherten auf zwei Wegen gutgebracht werden. Sie können erstens in eine spezielle Rückstellung, nämlich die RfB eingelegt werden und später – mit einer zeitlichen Verzögerung – an die Versicherten übertragen werden. Zweitens können die Überschüsse durch eine Direktgutschrift den einzelnen Versicherten zugeteilt werden. Beim Beteiligungsprozess über die RfB wird ein Großteil als laufende Überschüsse ausgekehrt, beim Ablauf des Lebensversicherungsvertrages wird der Schlussüberschussanteil geleistet, das Problem einer möglichst zeitnahen Überschussbeteiligung ist nicht mehr aktuell. Nach § 56a Abs. 2 Satz 1 VAG sind die für die Überschussbeteiligung der Versicher110 ten bestimmten Beträge – soweit sie den Versicherten nicht unmittelbar in Gestalt der Direktgutschrift zugeteilt werden – in die RfB einzustellen. Damit in Einklang ist der VR nach § 81c Abs. 1 VAG i.V.m. § 4 MindZV verpflichtet, jährlich bestimmte Mindestbeträge der RfB zuzuführen (auf die die Direktgutschriften selbstverständlich anzurechnen sind). Erst von der RfB aus werden die vorgesehenen Überschüsse mit einer entsprechenden – teilweise erheblichen Verzögerung – den Versicherten zugeteilt. Das geschieht angesichts der Schwankungen, denen die Überschusskraft eines VU im Laufe der Jahre unterworfen ist. Würden die Überschüsse, die beim VR entstanden sind, den Versicherten grundsätzlich unmittelbar gutgebracht, so könnten die Schwankungen nicht ausgeglichen werden und den VR beispielsweise auch dann zu einer zeitweiligen Senkung der Überschussanteilssätze zwingen, wenn die Möglichkeiten einer Überschussbeteiligung langfristig unverändert bleiben. Für den VR stellt die RfB neben den Bewertungsreserven das zweite Instrument für eine Verstetigung der Überschussbeteiligung dar. Damit dient die RfB mit ihrer Ausgleichsfunktion auch ganz entscheidend der notwendigen Transparenz bei der Überschussbeteiligung;88 die Überschussanteile sollen nicht laufend geändert werden müssen. Die RfB hat damit drei Aufgaben, nämlich zum einen, einen zeitlichen Puffer zwischen Gewinnentstehung und -zuweisung zu bilden, zum anderen eine Gewinnreserve zum Ausgleich von Schwankungen des Rohüberschusses darzustellen und schließlich die für die Zahlung der Schlussüberschussanteile benötigten Mittel zur Verfügung zu halten.89 Die RfB setzt sich im Wesentlichen aus dem festgelegten Teil, dem darüber 87

88 89

Weitere Hinweise zur Ermittlung des Zeitwerts einzelner Kapitalanlagen finden sich bei Wehling/Präve Kapital IX S. 5 ff. BGH 8.6.1983 VerBAV 1983 298 ff. Der Vorschlag, zur optimalen Nutzung der Pufferfunktion einen Ausgleich zwischen dem Altbestand für die bis 1994 geschlosse-

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nen Verträge und dem Neubestand für das Geschäft ab 1994 vorzunehmen und die jüngeren zulasten der älteren Verträge besserzustellen (BTDrucks. 17/11395 S. 6; § 56b Abs. 2 VAG-E), ist rechtlich nicht unbedenklich (vgl. dazu aber Armbrüster VersR 2013 385 ff.).

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hinaus gebundenen Teil (Schlussüberschussanteilfonds) und dem freien, ungebundenen Teil zusammen. Festgelegt sind die aufgrund der Vorausdeklaration im Geschäftsbericht den einzelnen Versicherten verbindlich zugesagten, aber noch nicht gutgebrachte Überschussanteile (Festlegungsschicht). Da die LebensVR teilweise für ein Jahr, teilweise für eineinhalb Jahre und teilweise für zwei Jahre im Voraus Überschussanteile deklarieren, sind entsprechende Mittel in der RfB für das folgende Kalenderjahr oder für die nächsten beiden Kalenderjahre festgelegt. Die in der Festlegungsschicht befindlichen Mittel sind dem gebundenen Vermögen zuzurechnen, für das der Anlagekatalog des VAG gilt. Die in der RfB für den Schlussanteilfonds gebundenen Mittel finden sich bei solchen VU, die in ihrem Überschussbeteiligungssystem Schlussüberschussanteile vorsehen. Die für die Finanzierung der Schlussüberschüsse reservierten Mittel sind zeitanteilig aufzubauen; der Fonds ist so zu berechnen, dass sich für jede Versicherung mindestens der Teil der zu ihrem regulären Fälligkeitszeitpunkt (Ablauf der Versicherung oder Rentenbeginn der aufgeschobenen Rentenversicherung) vorgesehene Schlussüberschussanteil ergibt, der dem Verhältnis der abgelaufenen Versicherungsdauer zu der gesamten Versicherungsdauer entspricht (§ 28 Abs. 7 RechVersV). Der freie ungebundene Teil der RfB ergibt sich, indem von der Gesamt-RfB am Ende eines Jahres die festgelegten Teile und der Schlussüberschussanteilsfonds abgezogen werden. Es handelt sich dabei also um die noch nicht festgelegten Überschüsse sowie Restguthaben, die durch Abläufe, Rückkauf, Eintritt des Versicherungsfalles und Vorfinanzierung der Gewinnbeteiligung entstehen. Der ungebundene Teil der RfB dient zum Ausgleich von Schwankungen. Nur dem freien Teil der RfB obliegt die Pufferfunktion.90 Es handelt sich um freies Vermögen. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Mittel dem VR frei zur Verfügung stehen; durch die Reservierung der Mittel in der RfB tritt automatisch eine grundsätzliche Zweckbindung ein. Die Mittel unterliegen dabei nicht den Anlagevorschriften für das gebundene Vermögen. Damit die RfB ihre Pufferfunktion erfüllen kann, achtet die Aufsichtsbehörde darauf, dass insbes. auch die RfB Mittel in angemessener Höhe enthält. Im Übrigen war die Aufsichtsbehörde schon seit jeher bemüht, eine Regelung zu praktizieren, die dem Versicherten auf der einen Seite eine angemessene Überschussbeteiligung sichert sowie im Übrigen den in der Versicherungswirtschaft gewachsenen unterschiedlichen Gewinnbeteiligungssystem Rechnung trägt und die unternehmerische Gestaltungsfreiheit der VR im notwendigen Umfange erhält. Dabei sind einer einfachen und verursachungsorientierten Überschussbeteiligung naturgemäß Grenzen gesetzt. Der einzelne Versicherungsvertrag verliert infolge der Versicherungstechnik und der geschäftspolitisch notwendigen Maßnahmen des VR seine Individualität als Ursache für den Überschuss,91 es ist nicht möglich, alle anfallenden Erträge und Aufwendungen verursachungsgerecht mit einzelnen Verträgen in Zusammenhang zu bringen. Die in die RfB eingestellten Mittel dürfen nur ausschließlich für die Überschussbeteiligung Verwendung finden (§ 56a Abs. 1, § 56b Abs. 1 Satz 1 VAG): Eine Ausnahme ergibt sich allerdings aus § 56b Abs. 1 Satz 2 VAG, wonach die RfB auch zur Abwendung eines drohenden Notstandes verwandt werden kann (Verlustausgleichsfunktion). Nach dieser Vorschrift soll die RfB auch zur Ausgleichung unvorhergesehener Verluste (die auf allgemeine Änderungen der Verhältnisse zurückzuführen sind) und zur Erhöhung der Deckungsrückstellung (gleichfalls bei unvorhergesehener Änderung der Verhältnisse) 90

Vogel/Lehmann VerBAV 1982 332.

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Vogel/Lehmann VerBAV 1982 332, 335.

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herangesogen werden. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme, die gegenüber dem Versicherten wirtschaftlich eine vergleichbare Wirkung besitzt wie die Herabsetzung der Leistungen nach § 89 Abs. 2 Satz 1 VAG, eine Vorschrift, an der sich die Aufsichtsbehörde bei der Entscheidung über einen solchen Fall gleichfalls zu orientieren hat.92 Rechtlich sind die in der RfB enthaltenen Mittel Verbindlichkeiten gegenüber der Versichertengemeinschaft, nicht jedoch gegenüber dem einzelnen VN. Der Rechtsanspruch des einzelnen VN kann erst mit der Rückentnahme aus der RfB entstehen.

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b) Direktgutschrift. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist das damals zu konstatierende Anwachsen des Puffers der RfB nicht nur von Seiten des Verbraucherschutzes zunehmend kritisiert worden. Durch die positive Entwicklung der Erträge am Kapitalmarkt hatte die RfB ihre ursprüngliche Funktion, lediglich ein Puffer für die schwankende Überschusserzeugung zu sein, im Branchendurchschnitt zunehmend verloren. Daher waren von der Aufsichtsbehörde verschiedene Maßnahmen getroffen worden, um zu einer Verringerung der RfB zu gelangen und einer allgemeinen Thesaurierung der Überschüsse entgegenzutreten. Dazu gehörte neben der Einführung neuer Sterbetafeln, einer Erhöhung des Rechnungszinses und einer Abschmelzung der RfB93 insbes. die Einführung der Direktgutschrift im Jahre 1984, mit der die Versicherten kapitalbildender Versicherungen an den Überschüssen zeitnäher – und wie die Aufsichtsbehörde meinte: auch entstehungsgerechter94 – beteiligt werden sollten, indem ihnen bestimmte Beträge zulasten der Zuführung der RfB schon im Geschäftsjahr direkt gutgeschrieben, in ihrer Höhe für die Zukunft aber nicht garantiert werden. Durch die Einführung einer Direktgutschrift wird der Überschuss des Geschäftsjahres 117 nicht mehr in bisheriger voller Höhe der RfB zugeführt, da er sich um den den VN direkt zugeschriebenen Betrag mindert. Nur der Restüberschuss fließt in die RfB. Die mit der Direktgutschrift auszuschüttenden Überschüsse gehen also voll und unmittelbar zulasten des im laufenden Geschäftsjahr erwirtschafteten Überschusses und werden nicht mehr wie zuvor aus den in der RfB reservierten Überschüssen der Vorjahre bestritten. Die Direktgutschrift bewirkt eine zeitnähere Überschussbeteiligung, nicht jedoch eine merkliche Erhöhung der Überschussbeteiligung. Auf längere Sicht hat die Direktgutschrift zur Folge, dass die Pufferfunktion der RfB 118 eingeschränkt wird. Daher ist die zwangsweise Einführung der Direktgutschrift durch die Aufsichtsbehörde95 als problematisch empfunden worden, auch wenn Finanzkrisen wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch nicht in Sicht waren. Eine solche Befugnis der Aufsichtsbehörde ergab sich weder aus § 56a VAG noch aus § 81c VAG, sie lässt sich auch nicht aus dem Wesen der Überschussbeteiligung herleiten. Dass die Wahrung der Belange der Versicherten sie erforderte, ist schließlich durch das BVerwG96 verneint worden. Nach geltendem Recht kann von der Direktgutschrift zwar Gebrauch gemacht werden (was auch aus Wettbewerbsgründen in ganz erheblicher Weise geschieht), ihre Verwendung ist jedoch nicht zwingend.

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93

Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Kaulbach § 56a VAG Rn. 10. Zur Reduzierung der Mindestzuführung vgl. § 5 MindZV. Vgl. dazu unten Rn. 123 f.

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GB BAV 1982 54. BAV-Beschlußkammerentscheidung 4.3.1987 VerBAV 1987 255, 259. BVerwG 12.9.1989 VersR 1990 73, 75.

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2. Beteiligungsprozess in zeitlicher Hinsicht Auch bei der Überschussbeteiligung aus der RfB wird den Versicherten ein größerer Teil der Überschüsse in Gestalt laufender Überschussanteile ausgekehrt. Auf diese Weise werden die der RfB zugewiesenen Mittel in aller Regel nach ein bis drei Jahren den Versicherten in konkreter Form zugeteilt, verbleiben jedoch in der RfB. Im Rahmen der „Vorausdeklaration“ setzt der Vorstand ein bis zwei Jahre zuvor verbindlich fest, in welcher Höhe die Überschussanteile gewährt werden sollen. Die zeitliche Verzögerung hat zur Folge, dass der VR eine möglichst konstante Überschussbeteiligung vornehmen kann. Darüber hinaus erhalten die Versicherten bei Beendigung des Lebensversicherungsvertrages weitere „Schlussüberschussanteile“. Ihre Funktion ist es, bei Beendigung des Vertrages erwirtschaftete und der RfB zugeführte, aber wegen der durch die Vorausdeklaration bedingten zeitlichen Verzögerung der Überschussverteilung noch nicht ausgeschüttete Überschüsse aus der RfB zur Auskehrung zu bringen. Darüber hinaus sollen damit auch Teile der auf den einzelnen Vertrag in der gesamten Vertragslaufzeit entfallenen Überschüsse gutgebracht werden, die von den jährlichen Überschussanteilen nicht erfasst worden sind. Auch die Höhe des Schlussüberschussanteils richtet sich dem Grundsatze nach nach der vereinbarten Versicherungssumme und der Vertragslaufzeit und damit nach einem verursachungsorientierten Verfahren. Der VR hat innerhalb der RfB einen Schlussüberschussanteilsfonds zu bilden, bei dem die Mittel durch eine Vorausdeklaration noch nicht verbindlich festgelegt werden. Allein die den ausscheidenden Mitgliedern zu leistenden Schlussüberschussanteile sind durch die bereits erfolgte Vorausdeklaration verbindlich festgelegt worden.97 Nur aus den durch die Vorausdeklaration bestimmten laufenden Überschuss- und Schlussüberschussanteilen besteht der gebundene Teil der RfB. Die übrigen im Schlussüberschussanteilsfonds befindlichen Mittel, auf die sich die Vorausdeklaration nicht bezieht, sind ungebundene, freie Mittel, und damit freies Vermögen des VR, wenngleich sie grundsätzlich für die Überschussbeteiligung bestimmt sind. Sie können – aufgrund auch ihrer Haftungsfunktion – als Eigenmittel des Unternehmens nach § 53c Abs. 3 Nr. 4 VAG angerechnet werden und werden den VN bei Beendigung des Vertrages zugeteilt. Allein die Zuteilung der Mittel in die RfB bedeutet für den VN noch keinen unmittelbaren, unwiderruflichen Vermögenszuwachs, dazu kommt es erst bei Vertragsablauf. Zuvor steht die genaue Höhe der Schlussgewinnanteile für den einzelnen VN noch nicht fest, sie kann sogar herabgesetzt werden. Damit stellt sich das Problem der Thesaurierung der Überschüsse in der RfB bzw. die zeitnahe Ausschüttung der Überschussanteile an den VN. In den achtziger Jahren hat die Aufsichtsbehörde die Schlussüberschussanteile – mit Blick auf die für die Assekuranz günstige Entwicklung – zu begrenzen gesucht,98 darüber hinaus hat sie sich bemüht, durch Festsetzung einer Höchstgrenze die Einstellung in die RfB insgesamt zu beschränken und Verfahren für die Abschmelzung der RfB einzuleiten.99 Insbes. die zwangsweise Abschmelzung der RfB, die auch den VN zugute kam, die mit ihren Beiträgen beim Aufbau der RfB kaum mitgewirkt hatten, ist auf Kritik gestoßen (nachhaltige Reduzierung der Pufferfunktion der RfB, Wegfall eines Inflationsausgleichs – an Finanzkrisen wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts dachte noch niemand), durch das BVerwG100 allerdings bestätigt worden.

97 98

Vgl. zu allem Hölscher ZVersWiss 1996 41, 63. Vgl. § 153 Rn. 118 f. zur Direktgutschrift; BAV GB 1984 52; VerBAV 1985 100.

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Näheres bei Bruck/Möller/Winter 8 G 325 f. BVerwG 12.9.1989 VersR 1990 73 ff.

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Das Urteil ist heftig kritisiert worden,101 insbes. weil das Gericht es versäumt hatte, den Tatbestand der nicht ausreichenden Wahrung der Belange der Versicherten in einer dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entsprechenden Weise zu konkretisieren.102 Wie berechtigt der Vorwurf eines mangelnden wirtschaftlichen Verständnisses, wie er gegenüber Aufsichtsbehörde und BVerwG erhoben wurde, gewesen ist, hat sich wenige Jahre später in Zusammenhang mit dem Eintritt einer Reihe von Finanzkrisen gezeigt. Heute wird die Problematik in der Überdotierung der zeitnahen Überschussbeteiligung (aus Wettbewerbsgründen) und einer Vernachlässigung der Schlussüberschussanteile gesehen. Nach geltendem Recht besteht für die VU keine öffentlich-rechtliche, ausdrücklich for123 mulierte Pflicht mehr, die Überschussbeteiligung „zeitnah“ auszugestalten. Weder in §§ 81c, 56a VAG noch in der MindZV wird eine „zeitnahe“ Überschussbeteiligung gefordert, die Ausgestaltung der Gewinnbeteiligung ist dem VVG und den vertraglichen Vereinbarungen überlassen, aufsichtsrechtliche Vorschriften sind nach dem Subsidiaritätsprinzip eng auszulegen,103 soweit es Regelungen im Verhältnis zwischen VR und VN anbelangt. 3. Verteilungsvorgang hinsichtlich der einzelnen VN

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Bei der Frage der konkreten Beteiligung der einzelnen VN an den Überschüssen wird auf die Bestandsgruppen zurückgegriffen, denen die einzelnen Versicherten zugeordnet worden sind. In einem weiteren Schritt werden die Überschüsse der Bestandsgruppen auf die konkreten Versicherungsverträge verteilt. Als Verfahren finden in aller Regel natürliche Gewinnbeteiligungssysteme Verwendung. Dabei wird versucht, dem konkreten Versicherungsvertrag – im Rahmen eines verursachungsorientierten Verfahrens, § 153 Abs. 2 – möglichst einen Anteil am Überschussergebnis zuzurechnen, wie er von dem einzelnen Vertrag verursacht worden ist. Insbes. hier wird deutlich, dass der einzelne Versicherungsvertrag durch die Versicherungstechnik, die Anlageentscheidungen und sonstigen unternehmerischen Maßnahmen des VR seine Individualität als Ursache für den Überschuss eingebüßt hat. Es ist nicht möglich, sämtliche Erträge und Aufwendungen verursachungsgerecht mit den einzelnen Verträgen in Verbindung zu bringen, sodass nicht festgestellt werden kann, welchen Überschuss ein bestimmter Versicherungsvertrag in einem einzelnen Geschäftsjahr erzeugt hat und welche Überschussbeteiligung verursachungsgerecht ist.104 Daher belässt es der Gesetzgeber bei der Forderung nach einem verursachungsorientierten Überschussbeteiligungsverfahren, § 153 Abs. 2. Soll versucht werden, dem im Einzelnen stärker nachzuspüren, so wird häufig die Ermittlung einer erhöhten Verursachungsgerechtigkeit mit höheren Kosten verbunden sein. 4. Verwendung der jährlichen Überschussanteile: Auszahlung, Verrechnung mit der Prämie, Erhöhung der Versicherungsleistung, Verkürzung der Versicherungsdauer, variable Gewinnverwendungssysteme

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VR und VN stehen bei der Wahl und Ausgestaltung der Überschussverwendung vielfältige Möglichkeiten offen; in der Regel wird die Verwendungsform bei Vertragsabschluss festgelegt, aber auch Abänderungen sind möglich. Die Wahl der Verwendungsform bezieht sich dabei nur auf die laufenden Überschussanteile, also nicht auf die

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Vor allem von Kagelmacher VersR 1990 805. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 612–614.

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Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bähr § 81c VAG Rn. 2; Winter Versicherungsaufsichtsrecht 697 ff. So schon Vogel/Lehmann VerBAV 1982 335.

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Schlussüberschussanteile, die bei Ende des Vertrages ausgekehrt werden. Unerheblich ist dabei, ob die laufenden Überschussanteile über die RfB oder im Wege der Direktgutschrift ausgeschüttet werden. U.U. kann auch nach der Überschussquelle differenziert werden, indem z.B. für den Zinsgewinn eine Leistungserhöhung vereinbart und der Risiko- und sonstige Gewinn zur Verrechnung bestimmt wird. Eine Verminderung der Prämienzahlung kann dadurch erfolgen, dass der jährliche 126 Überschussanteil an den VN ausgezahlt oder mit der laufenden Prämie verrechnet wird, indem dem VN eine entsprechend abgesenkte Prämie in Rechnung gestellt wird. Eine Verrechnung mit den Prämienaufwendungen hat zur Folge, dass – wie es der Regelfall ist – mit dem Fortschreiten der Versicherung und entsprechend steigenden Überschussanteilen der jährliche Prämienaufwand bei gleichbleibender Versicherungssumme laufend geringer wird, während der VN bei steigendem Einkommen im Laufe der Jahre leicht höhere Prämien zahlen könnte. Das entspricht bei der kapitalbildenden Lebensversicherung ebenso wie die jährliche Auszahlung häufig nicht den Vorstellungen und Bedürfnissen des VN. Anders verhält es sich jedoch bei der Risikolebensversicherung, und zwar insbes. dann, wenn die Überschussverteilung schon bei Versicherungsbeginn einsetzt und sich der VN von vornherein auf – faktisch gesehen – geringere Prämien einstellen kann. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass der um die Überschussanteile verminderte Prämienaufwand in dieser geringen Höhe vom VR nicht für die gesamte Laufzeit der Versicherung, sondern nur für den Deklarationszeitraum garantiert werden kann. In aller Regel sucht der VR, die Überschüsse im Unternehmen zu halten und den VN 127 dazu zu bewegen, eine Erhöhung der Versicherungssumme zu vereinbaren. Das kann im Wege der verzinslichen Ansammlung, aber auch über ein „Bonussystem“ geschehen. Bei der verzinslichen Ansammlung werden die gutgeschriebenen Überschussanteile beim VR angespart, verzinst und im Versicherungsfalle oder bei Ablauf der Versicherung zusammen mit den garantierten vertraglichen Leistungen ausgezahlt. Handelt es sich um Rentenversicherungen, werden die während der Aufschubzeit entstandenen Ansammlungsguthaben wahlweise bei Beginn der Rentenzahlungen geleistet oder zur Erhöhung der garantierten Rente eingesetzt. Die verzinsliche Ansammlung ist technisch und rechtlich ein reiner Sparvorgang, der Ansammlungszins ist im Geschäftsplan festzulegen. Ferner ist zu regeln, ob der VN während der Laufzeit der Versicherung über die angesparten Überschussanteile frei verfügen kann oder ob sie erst zusammen mit der vertraglich vereinbarten Versicherungssumme fällig werden.105 Beim Summenzuwachs- oder Bonussystem erfolgt die Erhöhung der Versicherungsleistung in der Weise, dass der jährliche Überschussanteil als Einmalprämie für eine zusätzliche prämienfreie Versicherung – den sog. Bonus – gleicher Art und Dauer Verwendung findet. Im Versicherungsfall oder bei Ablauf der Versicherung wird die vertraglich vereinbarte Leistung zusammen mit der Summe der angefallenen Boni (Gesamtbonus) fällig. In der Rentenversicherung wird eine zusätzlich „Bonusrente“ gebildet. Beim Rückkauf der Versicherung wird zusätzlich zur Rückvergütung der Basisversicherung das Deckungskapital des Gesamtbonus ausgekehrt. Jeder Bonus trägt – in Gestalt einer beitragsfreien Versicherung – wiederum zum Überschuss bei, sodass sich der ursprüngliche jährliche Überschussanteil um den Überschussanteil auf die gesammelten Boni erhöht. Beim Bonus- oder Summenzuwachssystem ist die Todesfallleistung aus der Überschussbeteiligung grundsätzlich deutlich höher als es das zusätzlich verzinslich angesammelte Sparkapital wäre. Das Bonussystem hat eine allmählich deutliche Erhöhung des Versicherungsschutzes zur Folge, sodass sich das Bonus-

105

Kurzendörfer 165; Lück DB 1981 1051 f.

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§ 153

Kapitel 5: Lebensversicherung

system der verzinslichen Ansammlung der Überschussanteile insoweit als überlegen erweist. Andererseits ist zu bedenken, dass die Boni nicht nur zur Ansammlung, sondern auch zur Tragung eines Risikos Verwendung finden, sodass die Ablaufleistung niedriger ist als es die verzinsliche Ansammlung der Überschussanteile wäre.106 Eine besondere Ausformung des Bonussystems ist der sog. Todesfallbonus. Hier erhöht sich allein die Todesfallleistung, nicht aber die Erlebensfallleistung. Der Todesfallbonus findet sich insbes. in der Risikolebensversicherung, wobei die Versicherungssumme unter Einbeziehung des Todesfallbonus vereinbart werden kann, sodass der Todesfallbonus eine ähnliche Wirkung hat wie die Verrechnung der Überschussanteile mit der Prämie. Die Höhe des Todesfallbonus kann dabei allerdings nur für die Dauer des Deklarationszeitraums verbindlich zugesagt werden. Bei neueren Verwendungsalternativen können die Überschüsse aus konventionellen 128 Lebensversicherungen auch für den Erwerb von Fondsanteilen eingesetzt werden; dabei wird z.B. die Todes- und Erlebensfallversicherung mit garantierten Leistungen mit einer u.U. ertragreicheren fondsgebundenen Lebensversicherung verbunden und auf diese Weise eine Kombination von kapital- und fondsgebundener Lebensversicherung angeboten. Hierzu finden sich unterschiedliche Möglichkeiten der Kombination, um die Fondskomponente stärker oder weniger stark zu betonen; in der Rentenversicherung können die laufenden Überschüsse für eine progressive Gewinnrente Verwendung finden, auch auf Fondsbasis. Von erheblicher Bedeutung ist auch die Vereinbarung einer Abkürzung der Versiche129 rungsdauer durch die jährlichen Überschussanteile, sie findet sich in der reinen Todesfallversicherung wie auch in der gemischten Lebensversicherung. Die Versicherung läuft sodann bereits zu dem Zeitpunkt ab, in dem die Summe aus dem Deckungskapital, die Boni sowie die Schlussüberschussanteile die vereinbarte Versicherungssumme erreichen. Dabei finden sich zwei vertragliche Ausgestaltungen der Vertragsverkürzung: Gelangt der Lebensversicherungsvertrag zu diesem Zeitpunkt verbindlich zum Auslauf, wird von einem Abbruch des Vertrages gesprochen. Macht der VR für den Ablaufzeitpunkt dem VN ein unverbindliches Angebot zur Vertragsbeendigung, kann sich der VN entscheiden, entweder den Vertrag „abzurufen“ oder ihn bis zu dem beim Vertragsschluss vereinbarten Zeitpunkt weiterzuführen (Abrufklausel). Der endgültige Ablauf des Vertrages wird in diesen Fällen gerne an den Eintritt des VN in den Ruhestand geknüpft. Zu den einzelnen Lebensversicherungsformen finden sich Sondervereinbarungen wie 130 z.B. für die Risikolebensversicherung, bei der sich die Summenerhöhung nur bei Eintritt des Versicherungsfalles während der Laufzeit des Lebensversicherungsvertrages auswirkt.

V. Anspruch auf Überschussbeteiligung 1. Anspruchsgrundlage

131

Die Anspruchslage für eine Überschussbeteiligung ergibt sich nicht nur aus dem Lebensversicherungsvertrag, sondern auch aus § 153 Abs. 1. Sowohl die vertraglichen Bestimmungen – beispielsweise § 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung – als auch § 153, auf den die Bedingungswerke zur Überschussbeteiligung Bezug zu nehmen pflegen, bringen zum Ausdruck, dass dem VN dem Grunde nach ein Anspruch auf Überschussbeteiligung einschl. einer Beteiligung an Bewertungsreserven 106

Kurzendörfer 166; Lück DB 1981 1051.

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Überschussbeteiligung

§ 153

zusteht – dabei fällt allerdings die zurückhaltende Formulierung der gesetzlichen Vorschrift wie auch der Bedingungswerke mit ihrem Hinweis auf die gesetzliche Regelung auf. Sowohl in der Regelung des § 153 wie insbes. aber auch in den Bedingungswerken finden sich nähere Bestimmungen zur Entwicklung der Überschüsse, zur MindZV und zu sonstigen aufsichtsrechtlichen Vorschriften, zur Vorgehensweise des VR, zu den Voraussetzungen für die Fälligkeit (Wartezeit, Stichtag für die Zuteilung und Ähnliches), zur Form und Verwendung der Überschussanteile (Direktgutschrift, laufende Überschussanteile, Schlussgewinnanteile) usw. Als individueller Zahlungsanspruch sind die Vorschriften und Bestimmungen nicht formuliert, denn der Anspruch auf Überschussbeteiligung geht nicht – und kann nicht gehen – sogleich auf Zahlung eines Überschusses, dessen exakte Höhe beim Vertragsschluss feststeht. Die genaue Höhe des Überschusses und der Bewertungsreserven kann im Vorhinein gerade nicht festgesetzt werden. Der VN erwirbt in jedem Jahr einen Anspruch auf einen bestimmten Betrag (Direktgutschrift plus Anteile in der RfB), der sich dem Umfange nach von demjenigen aus dem Vorjahr unterscheiden kann, sofern hier nicht mit Hilfe der RfB für einen Ausgleich gesorgt wird. Der Anspruch aus § 153 bzw. aus den Überschussregelungen der Bedingungswerke geht daher grundsätzlich nur auf die Überschussbeteiligung, er ist grundsätzlich kein Zahlungsanspruch und ist kein Anspruch auf individuelle Überschussbeteiligung. Erst wenn dem VN eine Direktgutschrift oder eine Zuwendung aus der RfB erteilt wird, kann er einen zivilrechtlichen Zahlungsanspruch geltend machen.107 Eine andere Verfahrensweise ist für den VN nicht vorgesehen, sie lässt sich auch nicht 132 schaffen. Für die Interessen des VN wird auf andere Weise, insbes. auch durch die Aufsichtsbehörde gesorgt: Die Ermittlung des Rohüberschusses erfolgt durch den Vorstand des VU, der Jahresabschluss wird zwingend durch den Abschlussprüfer geprüft (§ 341k HGB) und durch den Aufsichtsrat festgestellt (erster Schritt). Die Aufteilung des Überschusses zwischen dem VR und den VN erfolgt aufgrund der §§ 56a, 81c VAG und der MindZV durch den Vorstand und Aufsichtsrat, insoweit erfolgt eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde (zweiter Schritt). Auch nach der Gesetzesbegründung108 ist ausdrücklich ein vertraglicher Anspruch des einzelnen VN auf eine bestimmte Zuführung zur RfB nicht vorgesehen. Unter aufsichtsrechtlicher Nachprüfung erfolgt sodann auch der dritte Schritt: Die Zuordnung der Ergebnisanteile auf die einzelnen Bestandsgruppen. Schließlich entscheidet der Vorstand – im Rahmen eines vierten Schritts – auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars (in Ausübung seiner auch aufsichtsrechtlichen Funktion) im Wege der Deklaration über die Höhe der zuzuteilenden Überschussanteile (laufende Überschussanteile, Schlussüberschussanteile, Direktgutschrift) – auch insoweit hat der VN keine Einflussmöglichkeiten, der Verantwortliche Aktuar ist zwar nicht in die Aufsichtsbehörde integriert, erfüllt aber gleichwohl eine öffentliche Aufgabe und unterliegt der Überwachung durch die Aufsichtsbehörde.109 Zum Anspruch auf Beteiligung am Überschuss im Übrigen und zu seiner Überprüfung 133 vgl. § 153 Rn. 209. Zu Auskunftsansprüchen zur Überschussbeteiligung vgl. § 155 Rn. 13 ff.

107

Zur h.M. hinsichtlich der Rechtslage bis zur Schaffung des § 153 vgl. Bruck/Möller/ Winter 8 G 362; Prölss/Martin/Kollhosser VVG 27 ALB 86 § 11 Rn. 3, ALB 94 § 17 Rn. 2; Lorenz VersR 1995 967; Benkel

108 109

VersR 1994 509; z.T. zweifelnd Baumann JZ 1995 446; kritisch dazu Langheid/ Wandt/Heiss § 153 Rn. 33 ff. Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 96. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 92.

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§ 153

Kapitel 5: Lebensversicherung

2. Entstehung und Erfüllung des Anspruchs auf Überschussanteile

134

Zu differenzieren ist hier zwischen dem Anspruch auf die jährlichen Überschussanteile (einschl. Direktgutschrift) und dem Anspruch auf den Schlussüberschussanteil. a) Anspruch auf jährliche Überschussanteile einschl. Direktgutschrift

135

aa) Entstehung und Erfüllung des Anspruchs. Die Entstehung des Anspruchs auf die jährlichen Überschussanteile ist im Einzelnen davon abhängig, ob es sich um eine Überschussbeteiligung über die RfB oder um eine Direktgutschrift handelt, welches der Deklarationszeitraum ist und ob die Überschussbeteiligung von Beginn des Vertrages an oder erst nach einer Wartefrist gewährt werden soll. Der Anspruch entsteht dabei mit der Festsetzung des Überschusses, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen jährlichen Überschussanteil in Form der Direktgutschrift oder aus der RfB handelt. Vor dem Festsetzungsbeschluss kann – wenn überhaupt – lediglich eine Anwartschaft des VN auf den jährlichen Überschussanteil entstehen.110 Zu den Modalitäten der Erfüllung des Anspruchs auf den jährlichen Überschussanteil 136 (beispielsweise Überweisung, Aufrechnung mit der Prämie, Schaffung einer Zusatzversicherung vgl. Rn. 126). Bei der verzinslichen Ansammlung handelt es sich um den Abschluss eines Darlehensvertrages zwischen dem VN als Darlehensgeber und dem VR als Darlehensnehmer. Die Schuld des VR hinsichtlich des jährlichen Überschussanteils wird in eine Schuld auf Rückzahlung des Darlehens umgewandelt.111 Sollen die Überschussanteile zur Abkürzung der Versicherungsdauer verwendet werden, wird der Versicherungsvertrag insoweit abgeändert, als sich der VN zur Zahlung einer höheren Prämie verpflichtet. Diese Prämienschuld wird durch Aufrechnung mit dem Anspruch auf den jährlichen Überschussanteil erfüllt.

137

bb) Anspruch auf jährliche Überschussanteile bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages. Außer durch Eintritt des Versicherungsfalles (Tod, Pflegefall) und durch Ablauf kann die Versicherung durch Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung auch vorzeitig beendet werden oder es kann nach § 165 eine Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie erfolgen. Bei einer Anfechtung ist der Versicherungsvertrag von Anfang an nichtig; erfolgte die 138 Anfechtung jedoch durch den VR im Rahmen des § 22, so darf der VR die schon eingenommenen Prämien behalten (§ 39 Abs. 1 Satz 2), er muss aber den Rückkaufswert einschl. der dem VN bereits zugeteilten Überschussanteile zahlen, § 169 Abs. 7 Satz 1; § 153 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt. Kommt es zu einer Kündigung des VN nach § 168, so sind gleichfalls sämtliche bis zur Kündigung des VN fällig gewordenen Ansprüche auf die jährlichen Überschussanteile zu erfüllen, § 169 Abs. 1, Abs. 7. Das gleiche gilt für den Rücktritt des VR, auch hier ist ein Anspruch auf Überschussbeteiligung bis zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung gegeben, § 169 Abs. 1, Abs. 7. Für den Fall der Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung 139 besteht bis zur Umwandlung der volle Anspruch auf Beteiligung an den jährlichen Überschüssen, § 165 Abs. 3 Satz 2. Nach erfolgter Umwandlung bleibt der Anspruch zwar bestehen, ist jedoch erheblich reduziert.112

110 111

Stelckens 94–96. Stelckens 98.

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112

Stelckens 102.

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Überschussbeteiligung

§ 153

Besteht in den Fällen der Anfechtung usw. noch kein Anspruch auf Überschussbeteili- 140 gung, sondern nur ein Anwartschaftsrecht, so kann der VN einen Zahlungsanspruch nicht geltend machen, es sei denn, es ist vereinbart worden, dass der VR in diesem Falle bereits vor dem Festsetzungsbeschluss den Überschussanteil des VN zu berechnen und auszuzahlen hat. b) Anspruch auf den Schlussüberschussanteil und die Bewertungsreserven. Der Schluss- 141 überschussanteil wird zusammen mit der vereinbarten Versicherungssumme geleistet; zur Feststellung der Höhe des Schlussüberschussanteils bedarf es keines Festsetzungsbeschlusses, der Schlussüberschussanteil lässt sich bei Eintritt des Versicherungsfalles rein rechnerisch ermitteln. Der Anspruch auf den Schlussüberschussanteil ist auf Auszahlung gerichtet, dabei ist sicherzustellen, dass auch beim Rückkauf der Versicherung Schlussüberschussanteile in angemessener Höhe ausgeschüttet werden, § 169 Abs. 7 Satz 1, ebenso bei der Anfechtung, dem Rücktritt des VR oder bei einer Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung. Was für die jährlichen Überschussanteile und den Schlussüberschuss gilt, gelangt auch 142 bei den Bewertungsreserven zur Anwendung, sie sind Teil der Überschussbeteiligung und werden bei Ablauf der Lebensversicherung ebenso wie bei der vorzeitigen Beendigung der Lebensversicherung ausgezahlt. 3. Anspruchsberechtigung a) Grundsatz. Dem Prinzip nach ist zunächst der VN als Vertragspartner des VR Trä- 143 ger der Rechte und Pflichten der VN-Seite. Der Versicherte – im Sinne der Gefahrsperson – ist als solcher nicht Anspruchsberechtigter, und zwar weder im Hinblick auf die vereinbarte Versicherungssumme noch hinsichtlich einer Überschussbeteiligung. Der VN kann seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag jedoch auf eine andere Person (auch die Gefahrsperson!) übertragen – z.B. im Wege der Einsetzung eines Bezugsberechtigten – und damit auch den Anspruch auf die Überschussbeteiligung verlieren. Besonderheiten gelten im Übrigen in der Gruppenlebensversicherung. b) Einsetzung eines Bezugsberechtigten. Bei der Einsetzung eines Bezugsberechtigten 144 oder Begünstigten ist zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Bezugsberechtigung zu unterscheiden.113 Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung erwirbt der Dritte das Recht auf die Leis- 145 tung des VR erst mit dem Tode der Gefahrsperson oder bei Eintritt eines anderen Versicherungsfalles. Vor dem Eintritt des Versicherungsfalles soll der Bezugsberechtigte nichts erhalten, bis zu diesem Zeitpunkt ist der VN Inhaber aller Rechte aus dem Versicherungsvertrage und damit auch Inhaber des Anspruchs auf die Überschussbeteiligung bzw. den jeweiligen Überschussanteil.114 Auch wenn Überschussanteile zur Erhöhung der Versicherung Verwendung finden 146 oder verzinslich beim VR angesammelt werden, bezieht sich die widerrufliche Bezugsberechtigung nicht auch auf den Anspruch auf die jährlichen Überschussanteile bzw. die Direktgutschrift. Der widerruflich Bezugsberechtigte soll während der Versicherungsdauer eben gerade keine Rechte erwerben. Das ändert sich jedoch mit dem Eintritte des Versicherungsfalles. 113

Vgl. dazu im Einzelnen unter § 159 Rn. 17 ff.

114

LG München I 18.1.1962 VersR 1963 965, 966.

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§ 153 147

148

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Ist der jährliche Überschussanteil von dem VN zur Erhöhung der Versicherungssumme verwandt worden und sind dadurch entsprechende Ansprüche gegen den VR auf eine erhöhte Versicherungssumme entstanden, so bezieht sich die Bezugsberechtigung bei Eintritt des Versicherungsfalles auch auf diese Ansprüche, da es in der Regel dem Willen des VN entspricht, sämtliche Leistungen, die beim Versicherungsfall fällig werden, dem Bezugsberechtigten zukommen zu lassen.115 Das gilt auch für die Schlussüberschussanteile wie für den Anteil an den Bewertungsreserven. Es gilt jedoch nicht, wenn der VN – unter Wahrung der bisherigen Position des ursprünglich alleinigen Bezugsberechtigten – für den erhöhten Betrag oder die Schlussüberschussanteile einen anderen widerruflich Bezugsberechtigten bestimmt. Auch bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung, bei der der Begünstigte das Recht auf die Leistungen VR sofort erhält, muss zwischen dem Anspruch auf den jährlichen Überschussanteil bzw. die Direktgutschrift und – wenn die verzinsliche Ansammlung der Überschussanteile oder die Schaffung einer Höherversicherung vereinbart wurde – dem Anspruch auf das Guthaben oder die zusätzliche Versicherungssumme bzw. dem Schlussüberschussanteil und den Bewertungsreserven differenziert werden. Bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung erhält der Begünstigte den Anspruch auf das angesammelte Guthaben oder auf den vorhandenen Rückkaufswert der Höherund Zusatzversicherung, den Schlussüberschussanteil und die Bewertungsreserven nicht nur beim Eintritt des Versicherungsfalles, sondern auch im Falle einer sonstigen Leistungsauslösung. Die Position des unwiderruflich Bezugsberechtigten ist also auch insoweit stärker als die des widerruflich Bezugsberechtigten. Aber auch der Anspruch auf die jährlichen Überschussanteile und die Direktgutschrift steht grundsätzlich dem Begünstigten zu. Die Begünstigungserklärung ist in der Regel so zu verstehen, dass das Recht des Bezugsberechtigten sämtliche aus dem Versicherungsvertrag fällig werdenden Ansprüche umfassen soll. Dazu gehört auch der Anspruch auf die jährlichen Überschussanteile und die Direktgutschrift. Etwas anderes gilt beispielsweise jedoch, wenn der VN vor oder bei der Bezeichnung des Bezugsberechtigten erklärt, dass er die jährlichen Überschussanteile bzw. die Direktgutschrift an sich selbst ausgezahlt wünscht oder dass die Überschussanteile mit der Prämie der Grundversicherung verrechnet werden sollen. Aus einer solchen Erklärung ist zu entnehmen, dass der VN die Überschussanteile dem Bezugsberechtigten nicht zukommen lassen wollte. Hat der VN vor und bei Einsetzung des unwiderruflich Bezugsberechtigten dem VR gegenüber erklärt, dass – im Wege des Erfüllungsersatzes – die jährlichen Anteile angesammelt oder als Beiträge für eine Zusatz- oder Höherversicherung Verwendung finden sollen, so ist dabei zu berücksichtigen, dass eine derartige Vereinbarung nur zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zustande kommen kann. Die Vereinbarung eines Erfüllungsersatzes, die den Anspruch auf Überschussbeteiligung umwandelt oder schon zur Zeit der Entstehung nach § 389 BGB wieder untergehen lässt, kann somit nur wirksam getroffen werden, wenn der Vertragsschließende der Anspruchsberechtigte ist. Der Anspruchsberechtigte aber ist für die Zeit nach Einsetzung eines Bezugsberechtigten der Begünstigte. Das bedeutet für den Anspruch auf die jährlichen Überschussanteile für die Zeit vor der Einsetzung des Bezugsberechtigten, dass der VR seine Leistung bereits an den VN erbracht hat, und zwar in der vereinbarten Art und Weise. Will der VN nun dem Bezugsberechtigten die künftigen Ansprüche auf die jährlichen Überschussanteile in der-

115

Dieckmann VersR 1963 1006; Stelckens 105; a.A. Krumbholz 108.

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Überschussbeteiligung

§ 153

selben Weise – also im Wege verzinslicher Ansammlung oder als Beiträge für eine Höheroder Zusatzversicherung – zukommen lassen, so muss er zunächst mit dem VR vereinbaren, die Erfüllungsabrede für die Zukunft rückgängig zu machen. Anschließend müsste der VR die jährliche Überschüsse an den unwiderruflich Bezugsberechtigten auszahlen oder mit dem Bezugsberechtigten einen Erfüllungsersatz vereinbaren. Würde es der VN bei der ursprünglichen Vereinbarung über den Erfüllungsersatz belassen, so kann er nicht davon ausgehen, dass der VR nunmehr verpflichtet ist, die ursprünglich vereinbarte Art und Weise der Überschussbeteiligung nunmehr auch für den Bezugsberechtigten weiterzuführen. Wenn in der Praxis an der ursprünglichen Vereinbarung festgehalten wird, so kann nur mit einer Genehmigung des Bezugsberechtigten geholfen werden, es könnte aber auch auf den Willen des VN geschlossen werden, den Anspruch auf die jährliche Überschussbeteiligung nicht auf den Bezugsberechtigten übergehen zu lassen. Das aber heißt, dass er die Art der Überschussbeteiligung insoweit für sich selbst auch nach Einsetzung eines unwiderruflich Bezugsberechtigten noch ändern kann.116

VI. Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung als partiarisches Rechtsverhältnis 1. Grundsätzliches Ist die Überschussbeteiligung nicht abbedungen, so handelt es sich bei der kapital- 152 bildenden Lebensversicherung um ein partiarisches Rechtsverhältnis. Ein partiarisches Rechtsverhältnis zeichnet sich dadurch aus, dass das Entgelt für die Leistung des einen Teils gänzlich oder zum Teil von dem Ertrag bzw. dem Gewinn abhängt, den der andere Teil mit der Leistung erwirtschaftet hat. Die Leistungsvergütung ist also nicht höhenmäßig fixiert und damit in der Höhe garantiert, sondern erfolgsbezogen ausgestaltet. Dem Grundsatze nach kann jeder schuldrechtliche Vertrag, insbes. auch ein Austausch- 153 verhältnis wie beim Lebensversicherungsvertrag,117 mit einer Partialklausel modifiziert werden. Dabei wird die Partialbeteiligung in das Synallagma eines gegenseitigen Vertrages mit einbezogen. Angesichts der schuldrechtlichen Gestaltungsfreiheit kann eine Partialbeteiligung in unterschiedlicher Form geschaffen werden, es sei denn, es bestehen zwingende gesetzliche Vorgaben wie § 153. Ein einheitliches partiarisches Rechtsverhältnis, an dessen Begriff die Ausgestaltung eines partiarischen Vertrages zu messen ist, gibt es nicht. Die partiarische Ausgestaltung erfolgt aus unterschiedlichen Motivationen, in der 154 Lebensversicherung ist es die Unmöglichkeit, angesichts der für einen Austauschvertrag ungewöhnlich langen Vertragsdauer eine in der Höhe garantierte Leistung unter Einbeziehung der Gewinne des VU zu Beginn des Vertrages festzusetzen. Insoweit enthält ein partiarisches Rechtsverhältnis gesellschaftsähnliche Elemente, allerdings nur insoweit, wie es in dem konkret abgeschlossenen Austauschvertrag einschl. des vereinbarten Bedingungswerks und seiner regelmäßig ausführlichen Regelung zur Überschussbeteiligung auch zum Ausdruck gelangt.

116 117

Vgl. Stelckens 109. Bruck/Möller/Winter Einführung vor §§ 150 ff. Rn. 233 ff.

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§ 153 155

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Schon vor Schaffung des § 153 wurde der kapitalbildende Lebensversicherungsvertrag als partiarisches Rechtsverhältnis angesehen,118 wobei teilweise versucht wurde, aus dieser Einordnung weitergehende inhaltliche Verpflichtungen des VR abzuleiten,119 auch wenn sie in der umfangreichen vertraglichen und bedingungsmäßigen Regelung der Überschussbeteiligung keine Grundlage hatten.120 Damals wie heute ergibt sich der Inhalt der Partialregelung aus den Bedingungswerken, in die die zwingenden Vorgaben des § 153 und die aufsichtsrechtliche Regelung aufgenommen worden sind, soweit sie einer bedingungsmäßigen Formulierung zugänglich sind. Das betriebswirtschaftliche und mathematische Instrumentarium kann keine Berücksichtigung finden, sofern es nicht in der vertraglichen oder gesetzlichen Regelung seinen Niederschlag gefunden hat. Ergibt sich eine Verpflichtung des VR dem VN gegenüber nicht aus den vertraglichen Vereinbarungen oder auch dem dispositiven gesetzlichen Vertragsrecht, so kann die bedingungsmäßige Regelung zwar ergänzend und vervollständigend ausgelegt werden, und zwar unter Orientierung an der konkreten Interessenlage im Einzelfall oder an Gesichtspunkten, die für Rechtsgeschäfte dieser Art typisch sind. Voraussetzung für eine solche ergänzende Vertrags- oder Bedingungsauslegung ist jedoch das Vorliegen einer Regelungslücke, und zwar im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung oder einer Bedingungsregelung. Eine solche Lücke ist jedoch nicht gegeben, die Überschussregelungen in den Bedingungswerken sind ausführlich, die Bestimmungen sind auch nicht unwirksam, auch nicht mit Blick auf das Transparenzgebot. Das hat mehrere Konsequenzen für den Inhalt der Partialregelungen, wie sie sich in der kapitalbildenden Lebensversicherung finden: 2. Keine Optimierungspflicht des Versicherers

156

Der VR ist durch die Partialregelung nicht verpflichtet, für eine möglichst hohe Überschussbeteiligung zu sorgen. Ebenso wie den VR keine allgemeine Optimierungspflicht mit Blick auf die Interessen des VN trifft,121 hat der VR bei Annahme eines Partialverhältnisses seine Geschäfte nicht anders zu führen als bei einem Lebensversicherungsvertrag ohne Überschussbeteiligung, soweit sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt.

118

119 120

Vgl. Uwe Haasen 66; Stelckens 69; Basedow ZversWiss 1992 419 ff.; Lorenz ZVersWiss 1993 285, 296; Baumann 7; a.A. Präve ZfV 1992 334, 337 ff. Insbes. durch Basedow ZVersWiss 1992 419 ff. Auch die Auseinandersetzung zwischen Basedow ZVersWiss 1992 419 ff. – dessen Ausführungen auf einem Gutachten für den Bund der Versicherten beruhten – und Lorenz ZVersWiss 1993 283 ff. – der bei seiner Abhandlung auf ein von ihm für den Verband der Lebensversicherungsunternehmen erstelltes Rechtsgutachten zurückgreift – sind seit der Gesetzesreform als überholt anzusehen. Beiden Gutachten konnte schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie in zentraler Form metajuristische Gesichtspunkte in ihrer Argumentation einbringen, die weder im VVG noch in den

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121

Bedingungswerken einen Ausdruck gefunden haben und auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung keine Berücksichtigung finden können. Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die nach Ansicht Basedows unwirksamen Klauseln in den Folgejahren als wirksam angesehen worden, die Entscheidungen des BVerfG und die Reform des VVG zielen jedoch teilweise in die Richtung, die Basedow und die Repräsentanten des Verbraucherschutzes schon de lege lata vertreten hatten und die in den neunziger Jahren – wie durch die Entscheidungen des BVerfG bestätigt wurde – juristisch nicht zu begründen waren; zur Zurückhaltung des Gesetzgebers hinsichtlich der Rechtsnatur der Überschussverteilung vgl. Römer/Langheid/Römer § 153 Rn. 4. Z.B. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 212 ff.

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Überschussbeteiligung

§ 153

Der VR hat nicht nur die Interessen des Unternehmens, sondern auch die Interessen der Versicherten und der Aktionäre im Auge zu behalten. Die Überschussbeteiligungszusage hat keinen Einfluss auf die Geschäftsführung, der VR hat nicht die Aufgabe, dem Partiar möglichst hohe Gewinne zu verschaffen. Der VR hat die Pflicht, die Substanz des Unternehmens zu sichern, sodass eine Fortführung des Unternehmens – auch bei allgemeinen Finanzkrisen – gewährleistet ist, er muss die Versicherungsprodukte in der Lebensversicherung auch durch eine möglichst hohe Überschussbeteiligung verfassungsgerecht und wettbewerbsfähig halten und andererseits angemessene Dividendenzahlungen erbringen. Insoweit bedarf es einer sachgerechten Ausbalancierung der unterschiedlichen Interessen. Das bedeutet zugleich auch, dass der VR – grundsätzlich – die bilanzrechtlich zulässigen Optionen wahrnehmen kann und beispielsweise auch Querverrechnungen mit den Überschusserträgen vornehmen kann, soweit sich insoweit keine Einschränkungen z.B. aus § 4 Abs. 1 Satz 2 MindZV, anderen aufsichtsrechtlichen oder sonstigen Vorschriften ergeben, von denen nicht abgewichen werden kann. Gerade auch mit Blick auf die Alters- und Hinterbliebenenvorsorgeprodukte ist es auch im Interesse der VN, dass der VR nach 20, 30, 50 und mehr Jahren noch existent ist und den VN die – weithin „garantierte“ – Altersvorsorge usw. auch zur Verfügung stellen kann. 3. Keine verstärkte Ausrichtung der Überschussbeteiligung an Treu und Glauben Auf die Problematik einer – vermeintlich – besonderen Ausgestaltung der Versiche- 157 rungsverträge an Treu und Glauben, wie sie durch den VN, aber auch für den VR zu beachten sein soll, kann hier nicht eingegangen werden.122 Aus den Normen zur Überschussbeteiligung – seien sie vertragsrechtlicher oder aufsichtsrechtlicher Natur – und den Bedingungswerken zur kapitalbildenden Lebensversicherung kann eine „behutsame Mitorientierung an Regelungen über die stille Gesellschaft“123 nicht entnommen werden, auch nicht im Wege einer ergänzenden Bedingungsauslegung. Die ausführliche Regelung z.B. des § 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung lässt dafür keinen Raum. 4. Keine Aufspaltung des kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrages in mehrere Verträge Die Qualifikation des Lebensversicherungsvertrages mit Überschussbeteiligung als 158 partiarisches Rechtsverhältnis führt auch nicht zur Aufspaltung des Vertrages in mehrere Verträge, wie beispielsweise einen Lebensversicherungs- und einen Überschussbeteiligungsvertrag oder einen Spar- und einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Auch insoweit ist die Gesetzes- und Bedingungslage eindeutig: Der Lebensversicherungsvertrag mit Überschussbeteiligung ist ein einheitlicher Vertrag, weil die Überschussbeteiligung allein nicht vereinbart worden wäre, sondern sich zwingend aus der Verbindung von Todesfall- und Lebensfallversicherung ergibt. Sie kann daher auch nicht durch eine Aufspaltung verselbstständigt werden – die geschuldeten Leistungen werden gerade in ihrer Verbindung miteinander erbracht.124

122

Dazu nur Botes From Good Faith to Utmost Good Faith in Marine Insurance (2006) sowie Schneider Uberrima Fides – Treu und Glauben und vorvertragliche Aufklärungspflichten im englischen Recht (2004).

123 124

Baumann z.B. 87. Stellungnahme zu weiteren Theorien zur rechtlichen Einordnung des Anspruchs auf eine Überschussbeteiligung Bruck/Möller/ Winter 8 G 356–361.

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§ 153

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VII. Anspruch auf Überschussbeteiligung beim Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 159

Beim Gegenseitigkeitsverein ist für den Anspruch auf Überschussbeteiligung danach zu differenzieren, ob es sich um einen Versicherungsvertrag mit einem Mitglied des Gegenseitigkeitsvereins handelt oder ob der Versicherungsvertrag mit einem Nichtmitglied geschlossen wird. 1. Überschussbeteiligung bei Verträgen mit Mitgliedern

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a) Anspruchsgrundlagen. Handelt es sich um den Anspruch auf Überschussbeteiligung eines Mitgliedes des Gegenseitigkeitsvereins, so kommt zunächst – anders als bei der Versicherungsaktiengesellschaft – die gesetzliche Anspruchsgrundlage des § 38 VAG in Frage, wonach bei einem Gegenseitigkeitsverein ein sich aus der Bilanz ergebender Überschuss an die Mitglieder verteilt wird, dabei ist das Nähere durch eine Satzung zu regeln. Neben der gesetzlichen findet sich eine weitere Anspruchsgrundlage in der Satzung des Gegenseitigkeitsvereins, die nicht nur eine nähere Erläuterung des bereits in § 38 VAG enthaltenen Rechts auf Überschussbeteiligung beinhaltet, sondern eine eigene Anspruchsgrundlage begründet.125 161 Darüber hinaus finden aber natürlich auch beim Gegenseitigkeitsverein die gesetzliche Anspruchsgrundlage des § 153 und die entsprechenden Bestimmungen der üblichen Bedingungswerke der Lebensversicherung Anwendung.

162

b) Rechtliche Natur des Anspruchs auf Überschussbeteiligung. Inhaltlich ist der Anspruch auf Überschussbeteiligung beim Gegenseitigkeitsverein grundsätzlich gleich geregelt, es wird insoweit nicht zwischen dem gesetzlichen, satzungsmäßigen und vertraglichen Anspruch unterschieden, obwohl hier theoretisch durchaus Unterscheidungen denkbar sind. Die aufsichtsrechtlich geschaffenen Regelungen zur Überschussbeteiligung gelten auch hier. Der durch § 153 vorgeschriebene Umfang der Überschussbeteiligung darf beim Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ebenso wenig unterschritten werden wie bei der AG. Insoweit geht § 153 der Vorschrift des § 38 VAG vor. Der Anspruch aus § 38 usw. unterscheidet sich damit insoweit grundsätzlich nicht von dem Anspruch auf Überschussbeteiligung, wie er bei einer Versicherungsaktiengesellschaft gilt. 163 Soweit es um den gesetzlichen und satzungsmäßigen Anspruch beim Gegenseitigkeitsverein geht, ergeben sich im Vergleich zum auf § 153 basierenden vertraglichen Anspruch Unterschiede in der rechtlichen Herleitung des Anspruchs. Der Anspruch des § 38 VAG und der satzungsgemäße Anspruch wurzeln in der mitgliedschaftlichen Seite des einheitlichen Rechtsverhältnisses zwischen VN und Gegenseitigkeitsverein. Die Überschussbeteiligung i.S.d. § 38 VAG ist der Anteil des Versicherten am Vereinsüberschuss, sie geht insoweit nicht auf das Versicherungsvertragsverhältnis zurück, wenn sie auch mit ihm vielfach verknüpft ist, sondern auf die Tatsache der Zugehörigkeit zum Gegenseitigkeitsverein. Sie folgt aus dem genossenschaftlichen Prinzip, nach dem der Gegenseitigkeitsverein organisiert ist. Mit Recht wird der Anspruch auf Überschussbeteiligung im Rahmen des § 38 VAG und der Satzung eines Gegenseitigkeitsvereins daher als mitgliedschaft-

125

Haasen 39; Krumbholz 68; Stelckens 64.

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liches Recht angesehen, und zwar als Vermögensrecht, das zu den allgemeinen Mitgliedschaftsrechten, nicht zu den Sonderrechten zählt und für das unbestritten der Gleichheitsgrundsatz gilt.126 Damit verbunden ist der auf § 153 basierende vertragsrechtliche Anspruch, der den Anspruch aus § 38 VAG ergänzt und für den Umfang der Überschussbeteiligung für den VN entscheidend ist. 2. Überschussbeteiligung bei Versicherungsverträgen mit Nichtmitgliedern Bei Nichtmitgliedern – deren Versicherung durch den Gegenseitigkeitsverein satzungs- 164 gemäß gestattet sein kann, § 21 Abs. 2 VAG – ist die Anspruchsgrundlage des § 38 VAG i.V.m. der Satzung des Vereins naturgemäß nicht gegeben. Das Nichtmitglied hat lediglich den Anspruch aus § 153 und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke der Lebensversicherung. Das Nichtmitglied hat beim Gegenseitigkeitsverein rechtlich daher eine Stellung wie der VN bei einer Versicherungsaktiengesellschaft.127 Da sich auch bei den Mitgliedern des Gegenseitigkeitsvereins der Umfang der Überschussbeteiligung zugunsten der VN nach der Vorschrift des § 153 richtet, ist die Beteiligung des Mitgliedes und des Nichtmitgliedes dem Umfange nach gleich geregelt.

VIII. Ausschluss der Überschussbeteiligung 1. Systematik des Gesetzes Die Formulierung des § 153 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, wonach die Überschussbeteili- 165 gung durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen werden kann, überrascht, sie scheint systemwidrig und irreführend, ebenso wie die Gesetzesbegründung.128 Nimmt man die Formulierung des § 153 Abs. 1 wörtlich, so kann jede Überschussbeteiligung – auch wenn sie (wie es wie im 20. Jahrhundert keine Seltenheit war) verglichen mit den garantierten Leistungen von kaum geringerer Höhe ist – wirksam ausgeschlossen werden. Zwar kann jedermann, auch ein VN, auf ihm zustehende Leistungen verzichten, wenn er zuvor über die ihm sonst u.U. zustehende Beteiligung an den Überschüssen entsprechend aufgeklärt worden ist. Sicherlich mag auch der Wettbewerb zwischen den VR dafür sorgen, dass sich derartige Ausschlüsse, insbes. wenn sie bedingungsgemäß erfolgen, im Markt nicht halten würden und kein VR sie für eine kapitalbildende Lebensversicherung ins Gespräch bringen würde, wenn es sich um Beträge von einiger Bedeutung handelt. Zu Recht hat das BVerfG bereits die im Entstehen begriffene, jedoch nicht konkretisierte und realisierte Überschussbeteiligung in den Schutzauftrag des Art. 14 Abs. 1 GG mit einbezogen.129 Es wäre gerade auch aus verfassungsrechtlichen Gründen schwer verständlich, wenn der VR von der Aufsichtsbehörde nach §§ 11 Abs. 1, 11a Abs. 3 Nr. 4 VAG gezwungen würde, die Lebensversicherungsverträge (und zwar ohne Ausnahme) angesichts ihrer langen Laufzeit auf der Grundlage des Vorsichtigkeitsprinzips zu kalkulieren, sodass es – abhängig von dem konkreten Lebensversicherungsvertrag – in günstigen Zeiten zwangsläufig zu Überschüssen kommen muss, er aber diese Überschüsse nicht an den VN herauszugeben hätte und sie selbst behalten könnte. Systemwidrig ist

126 127 128

Haasen 36–39; Stelckens 74–82. Stelckens 85. Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 95/96.

129

BVerfG 5.4.2006 VersR 2006 489, 493; BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1130.

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die Ausschlussmöglichkeit deswegen, weil § 153 nach § 171 Satz 1 als halbzwingende Vorschrift zu sehen ist, von der zum Nachteil des VN bzw. der versicherten Person nicht abgewichen werden darf, weder durch eine individuelle Vereinbarung noch durch die Aufnahme einer Ausnahmeklausel in ein Bedingungswerk der Lebensversicherung. Wenn sich der VR einer Überschussbeteiligung durch individuelle Vereinbarung oder sogar durch eine Ausnahmeklausel im Bedingungswerk – unter Beachtung des Transparenzgebots – entziehen können soll, hätte es sich der Gesetzgeber einfacher machen und § 153 nicht unter die halbzwingenden Normvorschriften einreihen können. Das aber hätte auch angesichts der Entscheidungen des BVerfG nicht dem Gesetzeszweck des neu geschaffenen § 153 entsprochen. Dem VR kann nicht gestattet werden, trotz des aufsichtsrechtlichen Vorsichtsgebots sämtliche denkbaren Lebensversicherungen ohne Überschussbeteiligung anzubieten, solange der VN nur der Ausnahmeregelung zugestimmt hat. § 153 ist daher enger auszulegen, als es der Wortlaut bei oberflächlicher Betrachtung zunächst vermuten lässt. Ein generell mit den VN vereinbarter Ausschluss der Überschussbeteiligung würde gegen Sinn und Zweck des § 153 verstoßen und wäre nach § 138 BGB nichtig, bei einer Ausschlussklausel im Bedingungswerk würde § 307 Abs. 1 BGB greifen.130 Die Ausschlussregelung kann daher nur als enge Ausnahmeregelung zu verstehen sein. 2. Ausschluss als enge Ausnahme und Korrektiv des gesetzlichen Anspruchs auf Überschussbeteiligung

166

Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, den Anspruch auf die Überschussbeteiligung auf Lebensversicherungsformen wie die kapitalbildende Lebensversicherung zu begrenzen.131 Die Überschussbeteiligung ist in Kapitel 5 des Gesetzes, also bei der Lebensversicherung geregelt, sie bezieht sich daher grundsätzlich auf sämtliche Lebensversicherungsformen einschl. der Zusatzversicherungen. Die Norm des § 153 regelt darüber hinaus nicht nur einzelne Überschussquellen wie die Zinserträge, sondern sämtliche Überschussquellen (wie z.B. auch Kostengewinne nach Einführung der EDV). Sie bezieht sich auch nicht allein auf solche Lebensversicherungsverträge, bei denen aufsichtsrechtlich verordnete Gewinne aus der Kapitalanlage, dem Risikoverlauf usw. zu erwarten sind; zu einer Überschussbeteiligung haben auch solche Versicherungsformen beizutragen, bei denen die Gewinne wie beispielsweise bei einer Risikolebensversicherung zunächst dadurch entstehen, dass der VR angesichts des Gebots der gleichbleibenden Prämie zunächst hohe Prämien fordern und einen Überschuss aufbauen muss, der im weiteren Verlauf der Versicherung wieder abgebaut wird. Das Vorsichtsgebot gilt auch für die Risikolebensversicherung. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 153 hat der VR sämtliche Gewinne, die während der Vertragsdauer entstehen für die Überschussbeteiligung mit zu berücksichtigen. Will der VR einen Gewinnfaktor, wie beispielsweise die „sonstigen Gewinne“ (z.B. Stornierungsgewinne) zum Gegenstand einer Ausschlussregelung machen, so ist auch das sehr zweifelhaft, solange es nicht bei einer Ausnahmeregelung bleibt und die einer Überschussbeteiligung entzogenen Gewinne ihrer geringen Höhe oder des kurzen Verlaufs der Verträge wegen zu vernachlässigen sind.

130 131

Richtig Brömmelmeyer § 42 Rn. 278. BTDrucks. 16/3945 S. 132 zu Nr. 11, S. 127/128 zu Nr. 11.

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Nach der halbzwingenden Norm des § 153 Abs. 2 ist die Überschussbeteiligung nach 167 einem verursachungsorientierten oder einem vergleichbaren Verfahren durchzuführen, auch hiervon darf nicht abgewichen werden – die Herausnahme einzelner Gewinnquellen aus einem solchen Verfahren würde einen rechtlichen Verstoß gegen diese Vorschrift bedeuten. Die so breit in § 153 Abs. 1 formulierte Ausschlussregelung darf generell nur Anwendung finden, wenn sie sich als Ausnahmefall auf Gewinne bezieht, deren Höhe nicht von wirtschaftlicher Bedeutung ist. Ist es nicht zur Entstehung von Gewinnen gekommen, kann naturgemäß auch keine Überschussbeteiligung stattfinden. Dasselbe gilt, wenn beispielsweise bei der deutschen Niederlassung eines ausländischen LebensVU, bei dem sich die finanzielle Aufsicht nach dem Recht des Sitzlandes richtet, keine Überschüsse anfallen, weil beispielsweise auch § 11 VAG keine Anwendung findet – insoweit würde es einer Ausschlussmöglichkeit allerdings gar nicht bedürfen. 3. Ausschluss der Bewertungsreserven Ebenso wie die Überschüsse insbes. aufgrund der aufsichtsrechtlichen Vorschriften 168 und des Vorsichtsgebots entstehen, kommt es zu Bewertungsreserven, wenn sich die Bilanz nach den handelsgesetzlichen Vorschriften nach dem Niederstwertprinzip usw. richtet. In ähnlicher Weise wie bei den aufsichtsbehördlich verordneten Überschüssen handelt es sich auch bei den Bewertungsreserven um systembedingte Werte, die angesichts der Einordnung ihrer versicherungsvertragsrechtlichen Regelung als halbzwingende Normen nicht willkürlich von der Überschussbeteiligung ausgeschlossen werden können. Die Möglichkeit einer Nichtbeteiligung an den Bewertungsreserven würde weder dem Sinn und Zweck der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen noch der Vorschrift des § 153 entsprechen. Damit ist auch die Möglichkeit des Ausschlusses von Bewertungsreserven nur im Rahmen einer engen Ausnahme möglich, wenn sie in ihrem Umfange gleichfalls hintanzusetzen sind. Belaufen sie die Bewertungsreserven auf eine Höhe, die für den VN finanziell von Interesse sein kann, würde auch der Ausschluss der Bewertungsreserven nach § 138 BGB nichtig oder nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Darüber hinaus enthält § 153 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz noch die Regelung, dass 169 die Beteiligung an den Bewertungsreserven – soweit sie überhaupt ausgeschlossen werden kann – nur zusammen mit der Beteiligung an den übrigen Überschüssen exkludiert werden kann. Auch hier gilt, dass der VR Bewertungsreserven und sonstige Überschüsse nur an die 170 VN verteilen kann, soweit es überhaupt zu Überschüssen und stillen Reserven gekommen ist. Wird beispielsweise ein ausländischer LebensVR in Deutschland durch eine Niederlassung tätig, so richtet sich die rechtliche Ausgestaltung der durch die Niederlassung abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge in der Regel nach deutschem Recht und damit auch nach § 153. Die finanzielle Aufsicht über die Niederlassung unterliegt jedoch dem ausländischen, also beispielsweise auch dem englischen Recht. Nach ausländischem Aufsichtsrecht brauchen keine von der Aufsichtsbehörde verordneten Überschüsse zu entstehen, auch zu stillen Reserven braucht es nach dem im Ausland verwandten Rechnungslegungssystem nicht zu kommen. Die deutschen Regelungen zur Überschussbeteiligung und zu den Bewertungsreserven laufen insoweit leer. In einem solchen Fall kann eine Ausschlussregelung nach § 153 Abs. 1 in die AVB aufgenommen werden, es handelt sich jedoch streng genommen nur um eine Klarstellung, nicht um eine Ausschlussregelung hinsichtlich entstandener, aber nicht an die VN auszuschüttender Überschüsse.

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C. Ausgestaltung der Beteiligung am Überschuss: angemessene Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung und verursachungsorientierte Verteilung (Abs. 2) I. Interessen der Beteiligten und Vorgaben des BVerfG 1. Interessen der Versicherungsnehmer und des Versicherers Angesichts dessen, dass die Gewinne der VR zu einem großen Teil nicht das Ergebnis eigener unternehmerischer Leistungen, sondern auf die Sicherheitszuschläge bei den Prämien zurückzuführen sind, haben die VN ein berechtigtes Interesse, an den Überschüssen verursachungsgerecht und möglichst hoch beteiligt zu werden. Mit Blick auf seine Gläubigerstellung als VN und den grundsätzlichen Absicherungszweck der Lebensversicherung durch die garantierten Versicherungsleistungen ist der VN jedoch auch an einer vorsichtigen, gläubigerschutzorientierten Überschussbeteiligung interessiert. Der VR soll nicht durch eine übermäßige und zu zeitnahe Ausschüttung geschwächt werden. Auch das BVerfG hat – noch 2005 – zu wenig vor Augen gehabt, dass die positive wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung im ausgehenden 20. Jahrhundert sich nicht ad infinitum fortsetzen muss und eine lang andauernde Niedrigzinspolitik und einander ablösende Finanzkrisen die VR sehr bald in existentielle Bedrängnisse bringen können. Für den durchschnittlichen VN, der sich bei einer lang laufenden kapitalbildenden Lebensversicherung nach wie vor nur unter Verlusten aus dem Vertrag lösen kann, dürfte die verlässliche Erreichung seines Versorgungsziels eine hohe Priorität besitzen.132 Teilt der VR – aus Wettbewerbsgründen – Gewinne zu, die noch nicht hinreichend sicher erwirtschaftet sind und von dem VR später nicht vollständig realisiert werden können, ist der Fehlbetrag schlussendlich aus dem Eigenkapital abzudecken. Eine solche Überschussbeteiligung wäre nicht im Interesse des Versichertenkollektivs. Im konkreten Fall kann das Interesse des einzelnen VN allerdings anders gelagert sein, wenn er vorzeitig aus dem Vertrag ausscheiden will oder wenn das reguläre Ausscheiden demnächst erfolgen soll. Hier bedarf es einer entsprechenden Gesamtabwägung, grundsätzlich ist den VN, die dem Versichertenkollektiv nur kurze Zeit angehören, jedoch ein nur eingeschränkter Schutz zuzubilligen.133 Die VR sind daran interessiert, die notwendigen finanziellen Mittel zu erwirtschaften, 172 um ihre garantierten Leistungen über 20, 30 oder 50 Jahre und darüber hinaus eine angemessene Überschussbeteiligung zu erbringen. Ebenso wie ihren VN liegt ihnen daran, auf Dauer eine möglichst verlässliche und gleich bleibend hohe Überschussbeteiligung zu gewähren. Insbes. mit Blick auf die sich langfristig stets in Bewegung nach oben oder unten befindlichen Kapitalmärkte und die sich häufenden Finanzkrisen benötigen die VR spezielle Glättungsinstrumente, wie beispielsweise auch stille Reserven oder freie Teile der RfB.134

171

2. Vorgaben des BVerfG zur Verteilung und Zuteilung der Überschüsse?

173

In seinen Entscheidungen aus dem Jahre 2005 stellt das BVerfG fest, dass die damaligen Regelungen der Überschussbeteiligung nicht den grundrechtlichen Schutzanforderungen der Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG genügen. Es bemängelt das Fehlen „hin132 133

Geib/Engeländer VW 2006 541. Vgl. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1134.

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134

Schradin VW 2005 1288, 1290; Geib/ Engeländer VW 2006 541, 543.

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reichender rechtlicher Vorkehrungen dafür, dass bei der Berechnung des bei Vertragsende zu zahlenden Schlussüberschusses die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die bei den Versicherungsunternehmen mit den gezahlten Versicherungsprämien gebildet worden sind.“135 Das bezieht sich im Wesentlichen darauf, dass eine angemessene Berücksichtigung der stillen Reserven nicht erfolgt, die mit den Prämienzahlungen der Versicherten geschaffen werden. Das damals allgemein herrschende und nach der Gesetzesreform im Wesentlichen weitergeführte System der Überschussbeteiligung wird durch die Entscheidungen jedoch nicht in Frage gestellt. In den Entscheidungen werden zwar einige Wesensmerkmale erläutert und es kann auf die Billigung eines verursachungsorientierten Konzepts geschlossen werden, die zentrale Frage, wie eine angemessene Überschussbeteiligung im Einzelnen durchzuführen ist, wird jedoch nicht erörtert. Insbes. wird auch die Kernfrage nicht erörtert, ob die in den Verordnungen zu § 81c VAG niedergelegten Mindestbeteiligungsquoten als Grundlage einer angemessenen Überschussbeteiligung anzusehen sind. Zu Fragen der laufenden Überschussbeteiligung äußerst sich das BVerfG überhaupt nicht und zur Schlussüberschussbeteiligung nur mit Blick auf die Bewertungsreserven. Wenn das BVerfG die mangelnde Transparenz der damaligen Regelungen und das 174 Fehlen einer effektiven Möglichkeit für den VN moniert, die Überschussbeteiligung durch den VR konkret zu kontrollieren, so fragt sich allerdings, ob der Gesetzgeber bei der Reform der rechtlichen Regelung der Überschussbeteiligung daraus Konsequenzen gezogen hat, insbes. mit Blick auf das verursachungsorientierte Verteilungsverfahren. Auch das BVerfG betont den Gedanken der Risikogemeinschaft und hebt hervor, dass beispielsweise nicht einseitig auf das Interesse des kündigenden VN an einer sofortigen Überschussbeteiligung abgestellt werden könne, es müsse dabei Rücksicht auf die Interessen der ihren Vertrag weiterführenden VN und damit auf die Solidargemeinschaft genommen werden.136 Zu Recht wird darin eine Anerkennung auch der generationenübergreifenden Altersvorsorgefunktion der Lebensversicherung gesehen.137

II. Aufsichtsrechtliche Mindestregelungen 1. Bedeutung des § 81c VAG und der Mindestzuführungsverordnung, Reduzierung der Mindestzuführung nach § 5 MindZV Die aufsichtsrechtliche Vorschrift des § 81c VAG und die MindZV regelt die Mindest- 175 zuführung der Überschüsse zu der RfB bzw. den Direktgutschriften. Nach Abs. 1 des § 81c VAG liegt ein die Belange der Versicherten gefährdender Missstand i.S.d. § 81 Abs. 2 VAG vor, wenn durch den VR bei überschussberechtigten Versicherungen keine angemessene Zuführung zur Beitragsrückerstattung vorgesehen wird. Die Zuführung ist nach § 81c Abs. 1 Satz 2 VAG nicht angemessen, wenn sie nicht der gem. Absatz 3 der Vorschrift erlassenen MindZV entspricht: Nach § 4 Abs. 3 MindZV beträgt die Mindestzuführung bei den Kapitalerträgen 90 % der nach § 3 anzurechnenden Erträge, nach § 4 Abs. 4 beträgt die Mindestzuführung beim Risikoergebnis (Sterblichkeit/sonstiges Risiko/ Rückversicherung: Sterblichkeit/Rückversicherung: sonstiges Risiko) 75 % und nach § 4 Abs. 5 beim übrigen Ergebnis (vorzeitiger Abgang/Abschlusskosten/laufende Verwaltungskosten/Unterschied Tarif- und Normbeitrag/Rückversicherung: übriges Ergebnis/

135 136

BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1130. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1134.

137

Schradin VW 2005 1288, 1289; Stindt 123.

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sonstiges Ergebnis) 50 %. Dabei darf keine Querverrechnung vorgenommen werden: Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 MindZV hat eine Beteiligung der VN nur an positiven Ergebnisquellen zu erfolgen. Mit der MindZV wird eine Regelvermutung geschaffen unter der Voraussetzung, dass 176 der konkrete Lebensversicherungsvertrag zu den überschussberechtigten Versicherungsverträgen gehört, auf die sich die VO bezieht. Bei dem Begriff „angemessen“ in § 81c Abs. 1 VAG handelt es sich um eine wertausfüllungsbedürftige Formulierung, deren Konkretisierung anhand der MindZV und sonstiger gesetzlicher Bestimmungen erfolgt.138 Nach Auffassung der Aufsichtsbehörde ist eine angemessene Überschussbeteiligung dadurch gekennzeichnet, dass die Versicherten im Prinzip diejenigen Prämienanteile möglichst ungeschmälert zurückerhalten, die aufgrund der vorgesehenen Rechnungsgrundlagen nicht benötigt werden.139 Da sich aus dem prozentualen Anteil der Überschusszuweisungen am Überschuss jedoch nicht ablesen lässt, ob sie in diesem Sinne als angemessen anzusehen sind, wurde von der Aufsichtsbehörde seit 1973 als Beurteilungsmaßstab die sog. Rückerstattungsquote (RE-Quote) herangezogen.140 Die REQuote war das in Prozent ausgedrückte Verhältnis aus der Zuweisung zur RfB sowie einer Direktgutschrift zur Summe der Überschüsse aus den Kapitalanlagen und dem Risikoverlauf.141 Die Aufsichtsbehörde konnte sich für die Frage der Angemessenheit der Überschussbeteiligung an dem Durchschnittswert der RE-Quote der gesamten Lebensversicherungsbranche orientieren. Die RE-Quote wurde 1980 durch die sog. Rückgewährquote (R-Quote) abgelöst, die das Verhältnis der den VN in Form der Zuführung zur RfB, einer eventuellen Direktgutschrift und der rechnungsmäßigen Zinsen zufließenden Er-träge zu einem Normwert angibt, der sich aus Normzinsertrag und Normrisikoüberschuss zusammensetzt. Die Normwerte wurden dabei in jedem Jahr in Anlehnung an die Branchenergebnisse ermittelt, wobei von einem Branchendurchschnitt von genau 100 % für die R-Quote ausgegangen wurde. 1983 erfolgte die Aufnahme der Vorschrift des § 81c in das VAG, wonach jeder LebensVR verpflichtet ist, im Durchschnitt der jeweils letzten drei Geschäftsjahre im Normalfall eine bestimmte Rückgewährquote zu erreichen. Die R-Quote wurde 1996 durch die ZR-Quote für die Verträge des Neubestandes 177 abgelöst. Nach § 1 Abs. 2 schrieb die ZR-QuotenV (nach Abzug der Aufwendungen für die Direktgutschrift und der rechnungsmäßigen Zinsen) eine RfB-Zuführung von 90 % der (Netto) Kapitalerträge (also der Kapitalerträge unter Berücksichtigung der Abschreibungen und der Aufwendungen aus den Kapitalanlagen) vor. Eine Querverrechnung von außerrechnungsmäßigen Abschlusskosten wurde eingeschränkt, ein Risikoüberschuss war in der ZR-Quote nicht mehr genannt, ein Ertrag oder Verlust aus den biometrischen Risiken wurde dem Unternehmerrisiko zugeordnet. Auf eine Normierung des Branchendurchschnitts wurde verzichtet. Die Entwicklung der RE-, R- und ZR-Quote lässt erkennen, wie sich die Aufsichtsbehörde und die LebensVU um eine zunehmend verbraucherfreundliche Überschussbeteiligung bemühten. Die bislang letzte Stufe im Zuge dieser Entwicklung sind die Z-Quoten wie sie durch 178 die MindZV von 2008 festgelegt werden. Die Regelungen sind auch angesichts der Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahre 2005 neu gefasst wurden, um die Querverrechnungen zwischen den Gewinnquellen weiter zu begrenzen, die Regelungen für den Altund Neubestand zu harmonisieren und erweiterte Ausnahmeregelungen zu schaffen. 138 139

Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bähr § 81c VAG Rn. 6. Claus VerBAV 1980 111.

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140 141

Vgl. dazu Claus VerBAV 1980 111 ff. Claus VerBAV 1980 111.

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Nach § 81c Abs. 1 Satz 3 VAG kann die Aufsichtsbehörde von den VU verlangen, dass ihr ein Plan zur Sicherstellung angemessener Zuführungen zur RfB vorgelegt wird, falls die Zuführung zur Rückstellung nicht den Mindestanforderungen der MindZV entspricht. Wenn sich die Angemessenheit nach § 81c Abs. 1 Satz 2 VAG „insbesondere“ nach der MindZV richtet, so bedeutet das, dass eine Mindestzuführung auch zu akzeptieren ist, wenn sie Vorgaben der Z-Quote verfehlt.142 Nach § 81c Abs. 2 Satz 2 VAG soll das auch für den Fall gelten, dass der ungebundene Teil der RfB den gemäß Abs. 3a VAG durch Rechtsverordnung festgelegten Höchstbetrag überschreitet. Mit der Formulierung „in Abhängigkeit von den Kapitalerträgen“ in § 81c Abs. 3 Satz 1 VAG soll dem VU die Freiheit erhalten bleiben, die Struktur ihrer Kapitalanlage unternehmerisch zu verantworten: Bei einer vom VN gewollten besonders risikoarmen und damit sicheren Kapitalanlage kann die Verzinsung und damit auch die Überschussbeteiligung geringer sein. In Ausnahmefällen kann die Mindestzuführung nach § 5 MindZV mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde reduziert werden, um (1) den Solvabilitätsbedarf für die überschussberechtigten Versicherungsverträge des Gesamtbestandes auszugleichen oder um (2) „unvorhersehbare Verluste“ aus dem Kapitalanlagen-, dem Risiko- oder dem übrigen Ergebnis abzudecken, „die auf eine allgemeine Änderung der Verhältnisse zurückzuführen sind“. Schließlich kann eine Reduzierung auch erfolgen, um den Erhöhungsbedarf in der Deckungsrückstellung auszugleichen, wenn die Rechnungsgrundlagen aufgrund einer „unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse“ angepasst werden müssen (3). Die Vorschrift des § 5 MindZV trägt damit der Kapitalerhaltungs- und -ausstattungspflicht des VR Rechnung. Bedauerlich ist, dass die Aufsichtsbehörde ihre Erwägungen zu der Festsetzung der Prozentsätze zu dem Kapitalanlageergebnis, zum Risikoergebnis usw. nicht ausreichend veröffentlicht hat, sodass diese – für die Höhe der Überschussbeteiligung so entscheidenden – Kennziffern nur schwer überprüft werden können.

179

180

181

182

183

2. Mindestgewinnanteil der Versicherungsaktiengesellschaft nach § 56a Abs. 2 Satz 2 VAG Bei der Aufteilung des Überschusses zwischen VR und VN ist darüber hinaus § 56a 184 Abs. 2 Satz 2 VAG zu berücksichtigen, wonach der Versicherungsaktiengesellschaft nach der Bildung der RfB ein so hoher Anteil am Überschuss vorbehalten bleiben muss, dass noch ein Mindestbilanzgewinn in Höhe von 4 % des Grundkapitals an die Aktionäre gehen kann. Die Vorschrift des § 56a Abs. 2 Satz 2 VAG greift den Gedanken des § 254 Abs. 1 AktG auf 143 und regelt zugleich das Konkurrenzverhältnis zwischen den VN und den Aktionären. 3. Mindestrückerstattung einschließlich Z-Quote als Regelung der Finanzaufsicht Die Vorschrift des § 81c VAG wird vom Gesetzgeber der Finanz- und nicht der allge- 185 meinen Rechtsaufsicht zugeordnet. Das ergibt sich aus § 110a Abs. 4 Ziff. 3a VAG; die Vorschrift des § 81c VAG hätte erwähnt werden müssen, wenn es sich nicht um eine Vor-

142

Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bähr § 81c VAG Rn. 7.

143

Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bähr § 56a VAG Rn. 5.

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schrift der Finanzaufsicht handeln würde. Sicherlich enthält § 81c VAG auch ein wesentliches Element des Verbraucherschutzes, die Regelung der Mindestrückerstattung wirkt sich jedoch – ebenso wie § 11 Abs. 1 VAG – besonders deutlich bei der finanziellen Situation des VU aus: Die Vorschrift regelt zugleich, welche Anteile an dem Gewinn dem VR (10 % des Kapitalanlageergebnisses, 25 % des Risikoergebnisses und 50 % des sonstigen Ergebnisses) zuzuordnen ist, hat also erhebliche Auswirkungen auf die finanzielle Ausstattung des VU. In Abs. 1 Satz 3 wird die Berücksichtigung des Solvabilitätsbedarfs ausdrücklich angesprochen, das geschieht auch in Absatz 3 der Vorschrift. Die MindestZV, die auf der Grundlage des § 81c Abs. 3 VAG erlassen ist, enthält in ihren §§ 3–5 fast ausschließlich finanzielle Regelungen und versicherungsmathematische Begriffe; besonders deutlich wird das in § 5 MindZV mit seinen Regelungen zum Solvabilitätsbedarf, zu Verlusten aus dem Kapitalanlagenergebnis usw. und dem Erhöhungsbedarf in der Deckungsrückstellung bei unvorhergesehenen Verlusten oder einer unvorhersehbaren Änderung insbes. auch der finanziellen Verhältnisse. Mit der h.M. ist bei § 81c VAG daher von einer Vorschrift der Finanzaufsicht auszugehen.144 Die Einordnung als finanzaufsichtsrechtliche Regelungen hat zur Folge, dass sie bei 186 Niederlassungen ausländischer EU-VU in Deutschland keine Anwendung finden. Die Finanzaufsicht richtet sich in einem solchen Falle ausschließlich nach dem Recht des Sitzlandunternehmens.145 Wollte man von einem – systemfremden – Doppelcharakter des § 81c VAG und der MindZV – was die Mindestprozentsätze in ihrer Bedeutung für die Versicherten anbelangt – ausgehen, so stoßen die (von der Tätigkeitslandbehörde zu beachtenden) Vorschriften ins Leere, soweit es ohne Sicherheitszuschläge zu den „verordneten Gewinnen“ nicht gekommen ist. 4. Mindestzuführung und Subsidiaritätsprinzip

187

Da die Vorschrift des § 81c VAG auch die versicherungsvertragliche Beziehung zwischen VR und VN betrifft, kann ihr insoweit nur eine Reservefunktion zugebilligt werden, es gilt das Subsidiaritätsprinzip.146 Die Aufsichtsbehörde darf nur eingreifen, soweit es nicht um die Geltendmachung und den Schutz bürgerlich-rechtlicher Rechtsansprüche des VN gegen den VR handelt; die Wahrnehmung solcher Ansprüche bleibt dem Zivilrecht überlassen. Um diesen Bereich individueller zivilrechtlicher Ansprüche des VN aber handelt es sich hier nicht: § 81c VAG und die MindZV sind nicht auf die Belange der einzelnen Versicherten und ihre Mitwirkung am Verfahren hin ausgerichtet, der von der Aufsichtsbehörde anzulegende Maßstab ist insoweit nicht auf das einzelne Versicherungsvertragsverhältnis bezogen.147 Die angemessene Zuführung zur RfB durch den VR, auf die § 81c VAG und die MindZV abheben, ist nicht eine Frage des einzelnen Versicherungsverhältnisses, sondern eine Regelung im Interesse der Gesamtheit der VN. In einem solchen Falle kann die Aufsichtsbehörde eingreifen, auch wenn sich mittel188 bar Auswirkungen auf zivilrechtliche Ansprüche gegen den VR ergeben. Der einzelne VN hat keinen vertraglichen Anspruch auf eine bestimmte Zuführung zur RfB,148 nur die Aufsichtsbehörde kann hier zügig und effektiv eingreifen. Das Eingreifen der Aufsichts-

144

145

Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bähr § 81c VAG Rn. 1; Kurzendörfer 40; a.A. Prölss/ Kollhosser § 81c VAG Rn. 7. Ausführlich dazu Winter 559 ff., 598; Zeides 147 und im Übrigen vgl. oben § 153 Rn. 27.

250

146

147 148

Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bähr § 81c VAG Rn. 2; im Einzelnen Winter Versicherungsaufsichtsrecht 647 ff. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1133. Vgl. sogleich Rn. 190.

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behörde ist erforderlich, weil die Alternativen (Ombudsmannverfahren, ordentliche Gerichtsbarkeit, sonstige Beschwerdenbearbeitung) nicht als ausreichend zur Verwirklichung der Ziele der Versicherungsaufsicht – wie eben eine Mindestzuführung zur RfB – angesehen werden kann.149 5. Kein vertraglicher Anspruch des Versicherungsnehmers auf bestimmte Zuführung zur RfB Der einzelne VN hat keinen vertraglichen Anspruch auf eine bestimmte Zuführung zu 189 der RfB.150 Aus der Regelung des § 81c VAG ergibt sich daher kein individueller Anspruch des einzelnen VN, es sind tatsächliche Vorteile, die dem VN aufgrund der aufsichtsrechtlichen Regelung zugute kommen.

III. Verursachungsorientierte Beteiligung 1. Verursachungsgerechtigkeit und Verursachungsorientierung Nachdem somit die Höhe der Überschussbeteiligung eines VU insgesamt bestimmt ist, 190 bedarf es sodann der Durchführung der Überschussbeteiligung des einzelnen VN nach einem „verursachungsorientierten“ Verfahren, § 153 Abs. 2. Nähere Angaben zum Begriff der Verursachungsorientierung finden sich im Gesetz nicht, doch dürfte ein solcher unbestimmter Rechtsbegriff angesichts der Komplexität des Verfahrens unterschiedlich zu sehen sein. Nachdem früher stets von „Verursachungsgerechtigkeit“ der Überschussbeteiligung die Rede war und auch das BVerfG die Bedeutung des Ursachenzusammenhangs zwischen geleisteter Prämie und zu erwartenden Überschüssen betont hat,151 hat der Gesetzgeber für den zu beachtenden Maßstab eine andere Kennzeichnung gewählt. Das geschah vor dem Hintergrund, dass der bei dem einzelnen Vertrag zurückzugewährende Überschuss nicht in getrennter Rechnung festgestellt wird und die Überschussbeteiligung nicht unter Berücksichtigung individueller Schadensfreiheit gewährt wird. Mit dem Begriff der Verursachungsorientierung soll der kollektive Charakter der Überschussbeteiligung betont werden – der allerdings auch früher die Überschussbeteiligung geprägt hat. Nach der Gesetzesbegründung erfüllt der VR den Maßstab eines verursachungsorientierten Verfahrens „schon dann, wenn er ein Verteilungssystem entwickelt und widerspruchsfrei praktiziert, das die Verträge unter dem Gesichtspunkt der Überschussbeteiligung sachgerecht zu Gruppen zusammenfasst, den zur Verteilung bestimmten Betrag nach den Kriterien der Überschussverursachung einer Gruppe zuordnet und dem einzelnen Vertrag dessen rechnerischen Anteil an dem Betrag der Gruppe zuschreibt“.152 Die nach den kollektiven Ausgleichsverfahren erwirtschafteten Gewinne werden nach bestimmten Schlüsseln auf die Verträge aufgeteilt, die die statistische Beteiligung der einzelnen Verträge widerspiegeln.153 Damit hängt die kapitalbildende Lebensversicherung – als Renten- oder als Kapitalversicherung – auch nicht so stark von den Zufälligkeiten der Kapitalmärkte z.B. beim Eintritt des VN in den Ruhestand ab. Ein

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150

Zu den Maßstäben, die bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bei der Versicherungsaufsicht zu setzen sind, vgl. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 647, 556. Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 96.

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Bruck/Möller/Winter 8 G 326, 327; BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1130. Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 96. Engeländer VersR 2007 155, 157.

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verursachungsorientiertes Verfahren soll insgesamt den wirtschaftlichen Überschuss im Wege des Risikoausgleichs systematisch den einzelnen Generationen der VN zukommen lassen. Damit wird dem Gedanken eines Versichertenkollektivs auch insoweit Rechnung getragen. Auf diese Weise unterscheidet sich das in der regulären kapitalbildenden Versicherung praktizierte Verfahren von einem verursachungsgerechten Vorgehen, wie es sich in der fondsgebundenen Lebensversicherung oder auch im Ausland findet.154 In der fondsgebundenen Lebensversicherung werden für jede Beitragszahlung akribisch die Wertentwicklung der mit der Zahlung erworbenen Kapitalanlagen verfolgt und die einzelnen Wertschwankungen dem konkreten VN zugewiesen, ohne dass es zu irgendeinem Ausgleich kommt. Zu Recht betont Engeländer, dass das deutsche kollektive Ausgleichssystem den Vorzug größerer Verlässlichkeit gerade auch bei der Altersvorsorge besitzt. Scheidet ein einzelner VN in kapitalmarktbedingt günstigen Zeiten aus, so wird der VN, dessen Vertrag in eher ungünstigen Zeiten läuft und insbes. auch abläuft, daran nicht beteiligt. Die Altersversorgung entwickelt sich – bei gleicher Sparleistung – in Abhängigkeit von der Kapitalmarktentwicklung u.U. sehr unterschiedlich und der VN kann bei einem lang laufenden Vertrag Schwierigkeiten haben, sein Vertragsziel zu erreichen.155 Nach dem System der in Deutschland normierten bloßen Verursachungsorientierung und einer kollektiven Überschussbeteiligung ergeben sich Glättungsmöglichkeiten, die der individuellen Überschussermittlung fremd sind. Der Gesetzgeber hat damit also im Prinzip das bereits früher angewandte Verfahren als Regelfall normiert. Damit sind die unterschiedlichsten Möglichkeiten verbunden, die ein solches verursachungsorientiertes System zur Grundlage haben. Ein Widerspruch zu den Forderungen des BVerfG für eine sachgerechte Überschussbeteiligung ist in der Anwendung dieses Verfahrens nicht zu sehen. 2. Komplexität des Verfahrens

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Durch die Überschussbeteiligung wird im Rückblick eine Festsetzung oder Korrektur des Preis-Leistungs-Verhältnisses vorgenommen. Bei Lebensversicherungsverträgen, die im Durchschnitt eine Laufzeit von weit über 20 – eher von 30, 40, 50 und mehr – Jahren haben, kann der vertragliche Ablauf auch angesichts der sich ändernden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht in der erforderlichen Form vorausgesehen werden. Das gilt insbes. von tiefgreifenden Finanzkrisen, wie sie seit Beginn des 21. Jahrhunderts zu beobachten sind., Daher finden sich gerade auch im Lebensversicherungsrecht umfangreiche Prämien-, Leistungs- und Bedingungsänderungsvorschriften (vgl. § 163). Zu Recht weist daher Engeländer darauf hin, dass das vom VR gewählte verur192 sachungsorientierte Verfahren auch bei der Überschussbeteiligung nicht zu statisch gesehen werden darf:156 Schon die Zusammensetzung des Bestandes kann sich im Laufe der Zeit ganz wesentlich ändern, auch angesichts neuartiger Produkte oder der geänderten Betonung unterschiedlicher Versicherungsformen. Nicht nur die tatsächlichen Verhältnisse wie die Kapitalmarktsituation – lang anhaltendes niedriges Zinsniveau – können ebenso schnell einen Wandel erfahren wie die rechtlichen Grundlagen. Wenn früher die Ausschüttung der Überschüsse als zu wenig zeitnah empfunden wurde und Aufsichts-

154

Engeländer VersR 2007 155, 158: Man denke z.B. an Verfahren, wie sie von Engeländer für Belgien bzw. das Vereinigte Königreich geschildert werden, wobei nach britischem Recht im Wege des smoothing

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versucht wird, die Kapitalmarktschwankungen teilweise zu glätten. Engeländer VersR 2007 155 Fn. 39. Engeländer VersR 2007 155, 161.

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behörde und Verbraucherschutz auf eine Abschmelzung der RfB drängten, kann heute eine zu starke frühzeitige Überschussbeteiligung als problematisch gesehen und zu einer existentiellen Bedrohung für die VR werden. Fragt man dabei nach der Rechtsgrundlage für eine Absenkung der Überschussbeteiligung, so fällt auf, dass die früher in § 172 Abs. 1 Satz 2 a.F. gegebene Möglichkeit, auch das Überschussbeteiligungsverfahren an die geänderten Verhältnisse anzupassen, nicht mehr gegeben ist. Denn § 163 regelt allein die Anpassungsmöglichkeiten für vorab festgesetzte Beiträge. Der Gesetzgeber hat von der Aufnahme des § 172 Abs. 1 Satz 2 a.F. in § 163 abgesehen, weil er dafür kein genügendes Bedürfnis mehr sah. Das ist schwer verständlich, weil sich zum Abschluss der Gesetzesreform die zweite Finanzkrise des 21. Jahrhunderts bereits ankündigte. Da es sich bei § 163 um eine halbzwingende Bestimmung handelt, kann § 163 zum Nachteil des VN keine analoge Anwendung finden.157 Auch eine Absenkung der Überschussbeteiligung in Zusammenhang mit dem verursachungsorientierten Verfahren ist daher insoweit dem Grundsatze nach nicht möglich,158 zulässig sind nur Möglichkeiten einer Absenkung bzw. eines Zugriffs auf die Überschussbeteiligung, wie sie in § 163 Rn. 25 genannt sind. Diese missliche Lücke ist durch die Neufassung des § 56b Abs. 1 Satz 2 VAG weithin geschlossen werden, wonach eine Heranziehung der RfB auch zur Ausgleichung unvorhersehbarer Verluste aus den überschussbeteiligten Versicherungsverträgen (die auf allgemeine Änderungen der Verhältnisse zurückzuführen sind) und zur Erhöhung der Deckungsrückstellung zulässig ist, wenn die Rechnungsgrundlagen aufgrund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse angepasst werden müssen. Angesichts der Komplexität eines verursachungsorientierten Verfahrens bei der Überschussbeteiligung stellt sich bald die Kostenfrage. Sicherlich lässt sich jedes Verfahren verfeinern – auch in Richtung einer stärkeren individuellen Verursachungsgerechtigkeit. Aber eine Perfektionierung des Verfahrens kann zugleich eine deutliche Zunahme der damit verbundenen betrieblichen Aufwendungen und Kosten bedeuten. Sie tragen zur Senkung der Überschussbeteiligung des einzelnen Versicherten bei, auch wenn der Querverrechnungsausschluss des § 4 Abs. 1 Satz 2 MindZV Beachtung findet. Derartige Kosten-Nutzen-Erwägungen sind auch dem Vertragsrecht grundsätzlich nicht fremd.159 Soweit das Verfahren der verursachungsorientierten Überschussverteilung Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung sein kann, bedarf es schon deswegen einer entsprechenden Formalisierung und Dokumentation – ebenso wie auch für die vorhergehenden Schritte der Ermittlung und der Aufteilung des Gesamtgewinns des LebensVU schon aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ausführliche Nachweisungen erforderlich sind. Auffällig ist, dass die VN früher nicht nur verursachungsgerecht, sondern auch zeitnah an den Überschüssen beteiligt wurden,160 nunmehr aber weder im Gesetzestext noch in den Bedingungswerken von einer zeitnahen Überschussbeteiligung die Rede ist. Wenn die Zeitnähe der Ausschüttung früher in Zusammenhang mit der Verursachungsgerechtigkeit genannt wurde, so ist das heute nicht mehr der Fall. Sowohl die Aufsichtsbehörde in den 80er und 90er Jahren als auch 2005 das BVerfG haben die Funktion der Überschussbeteiligung teilweise verkannt und sind davon ausgegangen, dass die aus Sicht einer Überschussbeteiligung goldenen 60er bis 80er Jahre auf lange Zeit weiterwirken,

157

Engeländer VersR 2007 155, 161 spricht in diesem Zusammenhang von einer weitgehenden Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten.

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Vgl. dazu im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 163 Rn. 25. A.A. Engeländer VersR 2007 155, 160. Bruck/Möller/Winter 8 G 325, 326.

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dass eine lang andauernde Niedrigzinsphase und allgemeine Finanzkrisen bedrohlichen Ausmaßes nicht in Betracht zu ziehen seien. Zu Recht sieht heute auch die Aufsichtsbehörde offensichtlich keinen Anlass mehr, angesichts hoher Schlussüberschussanteile auf eine zeitnahe Ausschüttung zu drängen. Denn auch wegen einer zu zeitnahen Überschussbeteiligung sind LebensVU schon in der ersten Finanzkrise zu Beginn des 21. Jahrhunderts in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Heute besteht die Gefahr einer zu schnellen Ausschüttung. Auch aus den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, dass es einer besonderen Vereinbarung bedarf, wenn Überschüsse von dem VR nicht so zeitnah ausgeschüttet werden sollen wie nach altem Recht.161 Die Verursachungsorientierung besitzt höchstens nur insoweit noch ein Element der Zeitnähe, als die Überschüsse nicht der einen Generation von VN vorenthalten werden und der anderen Generation von VN zugeteilt werden können.162 Wenn die Finanzkrisen sich so weiterentwickeln, wie heute zu vermuten ist, erscheint auch das als zweifelhaft und nicht haltbar. Weiterhin zulässig dürfte es sein, VN-Gruppierungen vorübergehend zu bevorzugen, 197 wenn die dafür verwandten Beiträge in angemessener Zeit an die VN ausgeschüttet werden, die zuvor benachteiligt worden sind.163 Insgesamt entspricht das verursachungsorientierte Verfahren im Wesentlichen dem 198 alten Recht der verursachungsgerechten Überschussbeteiligung – allein die sprachliche Fassung ist angepasst worden.

IV. Vereinbarung vergleichbarer Verteilungsgrundsätze 199

Gemäß § 153 Abs. 2 Satz 1 soll durch den Hinweis auf ein verursachungsorientiertes Verfahren eine Verwendung anderer Verteilungsgrundsätze – die eben nicht als streng verursachungsorientiert zu verstehen sind – nicht ausgeschlossen werden, sofern sie angemessen sind und vereinbart werden. Dem VR soll damit die Möglichkeit gegeben werden, nicht nur mit Blick auf andere Überschusssysteme, wie sie in Europa oder auch sonst Verwendung finden, andere angemessene Verteilungsinstrumente zu wählen und auch auf neue versicherungstechnische Entwicklungen zu reagieren. Angesichts der gesetzlichen Forderung nach Angemessenheit und des Erfordernisses einer transparenten Beschreibung des abweichenden Verfahrens in den Bedingungswerken erscheinen die Interessen der VN-Seite als gewahrt.164

V. Aufsichtsrechtliches Gleichbehandlungsgebot 200

Es bedarf keiner Betonung, dass bei der Verteilung der Überschüsse auf die individuellen Lebensversicherungsverträge – unabhängig vom gewählten Verfahren – das aufsichtsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 11 Abs. 2 VAG, das sich nicht nur auf die Prämien, sondern auch auf die Leistungen bezieht, Beachtung zu finden hat.165

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162 163

A.A. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 153 Rn. 57 ff.; Looschelders/Pohlmann/Krause § 153 Rn. 37. Abschlussbericht 106. Vgl. Abschlussbericht 106.

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Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 96. Brömmelmeyer § 42 Rn. 292; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 153 Rn. 53.

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VI. Aufsichtsrechtliche Eingriffsnorm zur Gewährleistung angemessener Verteilungsgrundsätze und Subsidiaritätsprinzip Zur Überwachung des verursachungsorientierten oder eines anderen angemessenen Verfahrens findet sich keine spezielle aufsichtsrechtliche Norm. Insbes. scheidet die analoge Anwendung einer Vorschrift wie des § 81c VAG – die sich auf eine angemessene Zuführung zur RfB und die angemessene Verwendung der Mittel in der RfB bezieht – schon wegen des verwaltungsrechtlichen Analogieverbots aus. Die Regelung der Aufteilung der Überschussbeteiligung unter den Versicherten im Wege eines angemessenen Verfahrens berührt nicht die Finanzaufsicht, sie hat keinerlei Einfluss auf die finanzielle Ausstattung des VU. Die Überwachung der Verteilung der Überschüsse auf die VN ist daher eine Frage der Rechtsaufsicht im Übrigen. Findet sich in einem solchen Falle im Versicherungsaufsichtsrecht keine spezielle Norm, die zum Eingreifen ermächtigt, so kann jedoch § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG greifen, wonach die Aufsichtsbehörde gegenüber den VU alle Anordnungen treffen kann, die geeignet und erforderlich sind, um Missstände zu vermeiden oder zu beseitigen. Es entspricht allerdings der ganz h.M. im Schrifttum, dass die Vorschrift seit 1994 nicht mehr als Ausdruck einer umfassenden Missstandskontrolle, sondern einer Legalitätskontrolle zu sehen ist.166 Die Legalitätskontrolle greift erst, wenn das VU gegen bestehende rechtliche Vorschriften verstößt. Zu den Vorschriften, gegen die das VU zu verstoßen hat, um einen Eingriff der Aufsichtsbehörde auszulösen, gehört auch das VVG und damit auch eine Norm wie § 153 Abs. 2.167 Auch die weiteren – wenn auch teilweise umstrittenen – Voraussetzungen für einen Eingriff nach § 81 Abs. 1 VAG sind gegeben: Die Vorschrift des § 153 Abs. 2 gilt für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts, sie betrifft die Versicherten und eine Nichtbefolgung des § 153 Abs. 2 durch das VU bedeutet eine Gefährdung der Versicherteninteressen, die Belange der Versicherten wären nicht ausreichend gewahrt. Dass auch für das BVerfG eine aufsichtsrechtliche Lösung zur Überwachung einer angemessenen Überschussverteilung denkbar war, wird in den Urteilen des BVerfG wiederholt angesprochen.168 Das liegt auch insoweit nahe, als sich die Frage des verursachungsorientierten oder sonst angemessenen Verteilungsverfahrens auf das Gesamtbild der VN, die kollektive Versicherungsnehmerschaft bezieht. Die rechtliche Situation ist damit vergleichbar mit der aufsichtsrechtlichen Überwachung der Mindestzuführung: Bei dem Subsidiaritätsgebot ist auch hier darauf abzustellen, dass nur die Aufsichtsbehörde zügig und effektiv eingreifen kann. Dass das BVerfG den kollektiven Prüfungsmaßstab, wie er von der Aufsichtsbehörde anzulegen wäre, nur für den Fall akzeptiert, dass der VN eine vertragsrechtliche effektive Möglichkeit zur separaten Überprüfung der verursachungsorientierten Überschussbeteiligung mit der Folge erhält, dass auch sie allein zum Gegenstand einer Klärung durch die Aufsicht wird, kann m.E. aus den Urteilen des BVerfG nicht entnommen werden – das hätte unmissverständlicher zum Ausdruck gelangen müssen.169 Der VN hat jedoch die Möglichkeit, im

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167 168

Winter Versicherungsaufsichtsrecht 616 mit ausführlichen Nachweisen; Fahr/Kaulbach/ Bähr/Pohlmann/Bähr § 81 VAG Rn. 2b. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 629. Z.B. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1134.

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A.A. Brömmelmeyer § 42 Rn. 287; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 153 Rn. 92, 37, 32.

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Rahmen einer Leistungsklage die Überschussermittlung und Überschussverteilung zivilgerichtlich überprüfen zu lassen.170 Das BVerfG sieht, dass das geltende Aufsichtsrecht nicht auf die Belange der einzelnen Versicherten ausgerichtet ist,171 und fordert für den Fall, dass der Gesetzgeber hinsichtlich des Schutzes des einzelnen VN nach wie vor allein dem Aufsichtsrecht vertrauen wolle (was nicht geschehen ist), dass „die Rechtmäßigkeit der Überschussberechnung auch unter Berücksichtigung der individuellen Belange der Versicherten aufsichtsbehördlich überprüft werden kann“.172 Dazu ist es nicht gekommen, § 81 Abs. 1 Satz 3 VAG ist unverändert geblieben.173

VII. Informationspflichten 206

Gemäß der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV muss der VR dem VN vor Vertragsschluss Angaben über die für die Überschussermittlung und -verteilung geltenden Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe zur Verfügung stellen. Ferner ist der VN jährlich gem. § 155 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV über die Überschussbeteiligung zu unterrichten.

VIII. Ausschüttungssperre nach § 153 Abs. 2 Satz 2 VVG 207

Mit der durch das BilMoG von 2009 als Satz 2 in § 153 Abs. 2 eingefügten Regelung wird sichergestellt, dass nach der handelsrechtlichen Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB bestimmte in der Handelsbilanz nunmehr mögliche Gewinne auch bei der Ermittlung der Überschussbeteiligung unberücksichtigt bleiben. Anwendung findet die Regelung des Satzes 2 bei der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände (§ 248 Abs. 2 HGB), latenter Steuern (§ 274 HGB) und von Mehrvermögen aus Altersversorgungsverpflichtungen (§ 246 Abs. 2 HGB). Damit erhält das LebensVU die Möglichkeit, stille Reserven außerhalb der Kapitalanlagen – und damit außerhalb des Anwendungsbereichs von § 153 Abs. 3 i.V.m. §§ 54 ff. RechVersV – zu aktivieren. Die Erträge dürfen gem. § 268 Abs. 8 HGB jedoch nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden und ebenso wenig nach § 153 Abs. 2 Satz 2 im Wege der Überschussbeteiligung an die VN. Die Ausschüttungssperre entfällt, wenn die aktivierten Beträge in der Bilanz nicht mehr enthalten sind.174

IX. Gerichtliche Überprüfung der Beteiligung am Überschuss, aber kein separater vertraglicher Anspruch des Versicherungsnehmers auf Überprüfung des vom Versicherer praktizierten Verfahrens 208

Da der VN einen zivilrechtlichen Anspruch auf Beteiligung am Überschuss besitzt, wie er sich nach der Bestimmung des § 153 und nach den Bedingungswerken darstellt, sind bei der gerichtlichen Geltendmachung einer entsprechenden Überschussbeteiligung durch den VN auch sämtliche Schritte zur Ermittlung und Verteilung des Überschusses

170 171 172 173

Vgl. § 153 Rn. 208. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1133. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1134. Vgl. zu § 81 Abs. 1 Satz 3 VAG im Einzel-

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174

nen Winter Versicherungsaufsichtsrecht 654 ff. Vgl. dazu Geib/Ellenbürger VW 2008 1173, 1174, 1175; Bonin VW 2008 1530; Nguyen 562 ff.

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zu überprüfen: Das gilt schon für die Ermittlung des Überschusses, aber auch für seine Verteilung (einschl. der Regelung der Mindestzuführung und der Durchführung eines verursachungsorientierten Verfahrens). Alle Faktoren, die sich auf die Überschussbeteiligung auswirken, müssen – verfassungskonform – Gegenstand der zivilgerichtlichen Kontrolle sein können. Der VN kann nicht darauf verwiesen werden, dass er die Ermittlung der Überschussbeteiligung und die Mindestzuführung zur RfB, wie sie von dem VR vorgenommen wird, zu akzeptieren hat. Eine solche Beschränkung kann aus dem Gesetz und der Gesetzesbegründung nicht hergeleitet werden. Beim Begriff des verursachungsorientierten Verfahrens handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Das vom VR praktizierte Verfahren ist – in der Regel mit Hilfe von Sachverständigen – voll überprüfbar, wobei Vorsorge zu treffen ist, dass das Interesse des VR gewahrt bleibt, aus Wettbewerbsgründen seine internen Kalkulationsgrundlagen nicht öffentlich zugänglich zu machen.175 Soweit bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Überschussbeteiligung die Überschussbeteiligung davon abhängig ist, dass der VR Leistungsbestimmungsrechte einseitig ausgeübt hat, so kommt es auf das billige Ermessen i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB an. Wenn Engeländer Bedenken dagegen hat, dass ein Gericht den klagenden VN mit einer erhöhten Überschussbeteiligung bedenkt, ohne zugleich den übrigen Versicherten einen entsprechenden Betrag ihrer Überschussbeteiligung abziehen zu können,176 so kann dem VN deswegen nicht seine Anspruchsberechtigung verwehrt werden. Es ist immer wieder vorgekommen, dass der VN eine Leistung an einen Nichtberechtigten – z.B. bei der Änderung der Rechtsprechung zur schriftlichen Anzeige der Abtretung177 – erbringt und die Leistung von ihrem Empfänger nicht zurückerlangt werden kann. Die Möglichkeit eines Eingreifens der Aufsichtsbehörde dürfte eine Situation wie bei der Equitable Life mit ihren schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für das VU gar nicht entstehen lassen. Bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Überschussbeteiligung durch den VN liegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich zwar beim VN. Von ihm kann jedoch nicht gefordert werden, dass er ohne eine zuvor erfolgte qualifizierte Darlegung des VR die Unrichtigkeit der Abrechnung darlegt und beweist. Den VR trifft eine entsprechende Darlegungspflicht, er ist zur Auskunft verpflichtet. Dem VN steht insoweit die Stufenklage zur Verfügung. Ein gesetzlicher bzw. vertraglicher Anspruch des einzelnen VN, der allein auf eine 209 Neuordnung des verursachungsorientierten Verfahrens gerichtet ist, wird jedoch weder durch das Gesetz noch durch die Bedingungswerke vorgesehen. Angesichts der Überprüfungsmöglichkeiten durch eine Leistungsklage des VN und der aufsichtsrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten ist ein solcher Anspruch auch nicht erforderlich.178 Die Überprüfbarkeit gilt für den Umfang der auszuzahlenden Bewertungsreserven.

175

Vgl. zu dieser Problematik OLG Celle 19.7.2007 VersR 2007 1501, 1502; kritisch dazu Langheid/Wandt/Heiss § 153 Rn. 33 ff.; ausführlich zu allem Römer/Langheid/ Römer § 153 Rn. 53 ff.

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Engeländer VersR 2007 155, 160. Vgl. Bruck/Möller/Winter 8 H 257. Unklar ist die Begründung BTDrucks. 16/3945 S. 96; a.M. Looschelders/Pohlmann/Krause § 153 Rn. 30.

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D. Ausgestaltung der Beteiligung an den Bewertungsreserven (Absatz 3) I. Übersicht 210

Mit der Überschussbeteiligung in Gestalt einer Partizipation an den Bewertungsreserven hat der Gesetzgeber Neuland betreten, um die Vorgaben des BVerfG zu realisieren: Die VN erhalten bei der Beendigung des Versicherungsvertrages nach § 153 Abs. 3 eine weitere Schlusszahlung, deren Höhe sich nach den Bewertungsreserven richtet, die sich zu einem bestimmten Stichtag angesammelt haben. Der so ermittelte Betrag an Bewertungsreserven wird an die VN ausgezahlt. Dabei werden aber nicht die Bewertungsreserven selbst ausgeschüttet, sie ändern sich durch die Zahlung nicht. Die Auskehrung wird in einer Form analog zur Direktgutschrift als sonstiger versicherungstechnischer Aufwand i.S.v. § 44 Satz 2 Nr. 2b RechVersV verbucht und reduziert insoweit die erfolgte Mindestzuführung zur RfB nach § 81c Abs. 1 Satz 2 VAG. Alternativ kann sie aber auch in Übereinstimmung mit § 56a Satz 4 VAG direkt der RfB entnommen werden, weil sie für die Überschussbeteiligung nach § 153 Abs. 1 Verwendung findet. Die Auszahlung der Bewertungsreserven wird von Engeländer daher zu Recht dem künftig nicht mehr dem Versicherungskollektiv angehörenden VN als ein „Vorab“ auf zukünftig erwartete Überschüsse bei einer Realisierung der Bewertungsreserven bezeichnet.179 Im Falle der Auflösung werden die Bewertungsreserven später dem handelsrechtlichen Rohüberschuss zugerechnet und sodann nach § 153 Abs. 2 an die VN als Überschüsse ausgeschüttet. Bei der Zahlung der Bewertungsreserven nach § 153 Abs. 3 handelt es sich wirtschaftlich nicht um die zusätzliche Auszahlung weiterer Gewinne des VR, an denen die VN-Seite sonst nicht partizipieren würde, sie bedeutet nur die Vorziehung der Auszahlung (an den ausscheidenden VN) unabhängig von der Auflösung der Bewertungsreserven. Können die Bewertungsreserven später nicht in der erwarteten Form realisiert werden, so wird damit das verbleibende Versicherungskollektiv belastet.180 211 Für die Zuordnung der Bewertungsreserven im Rahmen eines verursachungsorientierten Verfahrens haben der GDV und die BaFin in einer gemeinsamen Stellungnahme einen Vorschlag für ein solches Verfahren vorgelegt.181 Da auch die Formulierung des § 153 Abs. 3 aus europarechtlichen Gründen die Gestaltungsfreiheit bei der Überschussbeteiligung nach Möglichkeit nur wenig einschränken sollte182 und dem Gesetzgeber an einem Gleichklang gelegen war, orientiert sich das Verfahren für die Bewertungsreserven an den bisher für die Überschussbeteiligung entwickelten verursachungsorientierten Vorgehensweisen. Dabei fällt auf, dass der Hinweis auf „vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze“, wie er sich in § 153 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 findet, in § 153 Abs. 3 zu den Bewertungsreserven nicht wiederholt worden ist. Das bei Wehling/Präve vorgeschlagene Verfahren, das mit der Zuteilung der Bewertungsreserven auf die einzelnen VN endet, besteht im Wesentlichen aus drei Abschnitten: Im ersten Schritt erfolgt eine Zuordnung der Bewertungsreserven auf den anspruchsberechtigten Bestand, in einem zweiten Schritt wird eine fiktive Zuordnung innerhalb der anspruchsberechtigten Verträge vollzogen und schließlich kommt es zu einer faktischen Zuteilung der Bewertungsreserven bei Vertragsbeendigung.

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Engeländer VersR 2007 155, 158. Engeländer VersR 2007 155, 158. Abgedruckt in der Sammlung Wehling/Präve Versicherungsvertragsrecht; die Ergebnisse für den Altbestand sind weithin auch in

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Ziff. 3.11 des Gesamtgeschäftsplans für die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung übernommen worden. Wehling/Präve Vorschlag 2.

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Gegenstand des ersten Abschnitts ist eine Aufteilung der Bewertungsreserven zwi- 212 schen den anspruchsberechtigten Verträgen und dem VU. Dabei wird zunächst untersucht, ob mit Blick auf die zu leistende Beteiligung an den Bewertungsreserven die Anforderungen an die Solvabilität gewahrt bleiben und ob der Stresstest bestanden wird (1. Stufe). Bei der sodann erfolgenden Zuordnung kommt es zu einer Aufteilung nach dem Verhältnis der verteilungsrelevanten Passivposten der anspruchsberechtigten Verträge zur verteilungsrelevanten Bilanzsumme (2. Stufe). Auch bei der fiktiven Zuordnung innerhalb der anspruchsberechtigten Verträge wird 213 in zwei Stufen vorgegangen. Dabei werden zunächst die sich auf die nicht festgelegte RfB beziehenden Bewertungsreserven den im Bestand verbleibenden Lebensversicherungsverträgen zugerechnet. Die sodann folgende Aufteilung richtet sich nach dem Gesamtbetrag der Vermögenswerte eines anspruchsberechtigten Vertrages während der Vertragslaufzeit im Verhältnis zum Gesamtbetrag der Vermögenswerte sämtlicher anspruchsberechtigten Verträge während der Vertragslaufzeit. Der zugeordnete Anteil des Einzelvertrages an den Bewertungsreserven ist umso höher, je länger der Vertrag sich im Bestande befindet und je höher der Beitrag und die darauf zurückzuführenden Erträge sind. Um die erforderliche Verursachungsorientierung zu erreichen, bemisst sich daher der Verteilungsschlüssel an dem Zinsträger (also dem Deckungskapital) des einzelnen Vertrages, wobei ferner der Vertragsverlauf mit einbezogen wird. Durch die Einbeziehung des Vertragsverlaufes soll beispielsweise die Verzerrung der verursachungsorientierten Zuordnung durch die Zahlung eines Einmalbeitrages vermindert werden (Verhinderung sog. Arbitrageeffekte). Ist ein Lebensversicherungsvertrag anspruchsberechtigt, so wird dem Berechtigten bei 214 Beendigung des Vertrages die Hälfte des dem Vertrag zugeordneten Anteils an den Bewertungsreserven ausgezahlt (3. Abschnitt). Ausgelöst wird die Zahlung durch Ablauf/ Kapitalauszahlung, Rückkauf, planmäßige Teilauszahlung, Beitragsfreistellung usw.

II. Zuordnung der Bewertungsreserven auf den anspruchsberechtigten Bestand 1. Solvabilität und Stresstesterfordernis Grundvoraussetzung einer Beteiligung der VN an den Bewertungsreserven ist, dass das 215 LebensVU trotz Ausschüttung von stillen Reserven seiner Verpflichtung, die dauernde Erfüllbarkeit der Lebensversicherungsverträge sicherzustellen, nachkommen kann. Das ist danach zu beurteilen, ob das VU die Solvabilitätsanforderungen und die jeweils aktuellen Stresstests der BaFin erfüllt. Dementsprechend bleiben nach § 153 Abs. 3 Satz 1 die aufsichtsrechtlichen Regelungen zur Kapitalausstattung unberührt. Die Vorschrift ist dabei im Prinzip so zu verstehen, dass das Versicherungsaufsichtsrecht im Verhältnis zur Beteiligung an den Bewertungsreserven Vorrang hat, soweit es um Solvabilitätsanforderungen und Stresstests geht.183 Obwohl es an einer Regelung wie bei § 169 Abs. 6 zum Rückkaufswert fehlt, kann die Bestimmung des § 153 Abs. 3 Satz 3 nicht anders zu verstehen sein:184 Der VR darf die Bewertungsreserven nur insoweit ausschütten, wie die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Kapitalausschüttung nicht berührt werden. Das entspricht auch der erforderlichen Interessenabwägung zwischen den unterschiedlichen VN-Grup-

183

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 16/5862 S. 99.

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Ebenso Krause in Looschelders/Pohlmann § 153 VVG Rn. 44.

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pierungen.185 Nach § 56a Abs.3 VAG-E sollen die Bewertungsreserven aus festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäften nur insoweit bei der Überschussbeteiligung Berücksichtigung finden, als sie einen etwaigen Sicherungsbedarf aus den Versicherungsverträgen mit Zinsgarantie gemäß § 56a Abs. 4 VAG-E überschreiten. Die Regelung soll also nicht für Bewertungsreserven z.B. bei Aktien oder Grundstücken gelten. Die Vorschrift ist jedoch bislang nicht verabschiedet worden. 2. Anspruchsberechtigte Verträge, Aufteilung zwischen Versicherungsnehmern und Lebensversicherungsunternehmen

216

Angesichts der Verknüpfung von Überschussbeteiligung und Beteiligung an den Bewertungsreserven in § 153 Abs. 1 ist davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Beteiligung an den Bewertungsreserven nur gegeben sein kann, wenn der Versicherungsvertrag auch an der Überschussbeteiligung teilnimmt. Anspruchsberechtigte Verträge sind daher grundsätzlich insbes. kapitalbildende Lebensversicherungen. Risikolebensversicherungen und Zusatzversicherungen, die in aller Regel nicht als kapitalbildende Versicherungen ausgestaltet sind, sind nicht regelmäßig an Überschüssen und Bewertungsreserven beteiligt. Auch Kapitalisierungsprodukte können an den Überschüssen und den Bewertungsreserven beteiligt sein. Dabei wäre eine Beschränkung der Beteiligung an Bewertungsreserven nur auf solche Kapitalisierungsgeschäfte, bei denen eine Anwendung des VVG vereinbart wird, zu eng gegriffen, die Bestimmungen zur Überschussbeteiligung könnten dadurch zu leicht umgangen werden. 217 Wenn der VN an den durch seine Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerten verursachungsorientiert beteiligt werden soll, so bedeutet das zugleich, dass eine Partizipation an anderen Vermögenswerten nicht erfolgen soll. Vor diesem Hintergrund erstreckt sich der Beteiligungsanspruch nicht auf Bewertungsreserven aus Bilanzposten wie Eigenkapital, Genussrechtskapital, Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle, für Pensionen, Steuerrückstellungen, Verbindlichkeiten gegenüber Versicherungsvermittlern, Kreditinstituten, Mitglieds- und Trägerunternehmen usw.186 Dabei kann nicht argumentiert werden, bei der Überschussbeteiligung im engeren Sinne, wie sie in § 153 Abs. 2 geregelt ist, werde nach der MindZV mit ihren Beteiligungssätzen von 90 %, 75 % und 50 % nicht differenziert. Die Einbeziehung der Erträge aus Eigenkapital usw. nach der MindZV ist systemwidrig und ist als Ausnahme einer analogen Anwendung nicht zugänglich. Die MindZV bezieht sich allein auf eine Überschussbeteiligung im engeren Sinne, Regelungen zu den Bewertungsreserven enthält sie nicht.

III. Bewertungsstichtage und Auszahlungszeitpunkt 218

Die Anteile eines Versicherungsvertrages an den Bewertungsreserven werden einmal jährlich zum Bilanzstichtag festgestellt, die Ermittlung der Bewertungsreserven kann aber – aus Transparenzgründen – auch häufiger, zu weiteren Stichtagen, auch monatlich vorgesehen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Bewertungsreserven häufig durch eine höhere Volatilität auszeichnen. Auf der anderen Seite verursachen häufi185

Eine Empfehlung des GDV und der BaFin zur Auszahlungskürzung findet sich in dem Vorschlag für ein verursachungsorientiertes Verfahren zur Beteiligung der VN an Bewertungsreserven, Ziff. 1.1.2 in Wehling/Präve Versicherungsvertragsrecht.

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186

Looschelders/Pohlmann/Krause § 153 VVG Rn. 42; vgl. auch Heinen Welche Änderungen kommen auf die Lebensversicherer zu? (2008) 25, 30; a.A. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 153 Rn. 82.

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Überschussbeteiligung

§ 153

gere Wertungsstichtage höhere Kosten. Die Feststellung der Bewertungsreserven an diesen Stichtagen dient der Information des VN, ein Anspruch des VN in dieser Höhe entsteht dadurch nicht. Daher fordert Engeländer,187 es in den Informationen des VN deutlich zu machen, dass auf die häufig auch nicht sofort mitgeteilten Beträge kein Anspruch besteht, sondern dass der bei sofort nach Mitteilung erfolgender Kündigung auszuzahlende Betrag davon abweichen kann. Für den tatsächlichen Anspruch des VN auf die Bewertungsreserven ist die Entwicklung 219 sowohl der stillen Reserven als auch des Vertrages seit der letzten rechnerischen Zuordnung für den Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages zu berücksichtigen, § 153 Abs. 3 Satz 2. Dabei ist nicht auf konkret ermittelte Bewertungsreserven zu diesem Zeitpunkt abzustellen, es wird ein Betrag „für diesen Zeitpunkt“ aufgrund eines vergangenen Bewertungsstichtages bestimmt.188 Erst jetzt werden die Bewertungsreserven verbindlich zugeteilt.

IV. Beteiligungsquote an den Bewertungsreserven und Auszahlung Von dem Betrag der Bewertungsreserven, wie sie sich für diesen Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages (Todes-, Erlebens-, Rückkaufsfall) ergeben, steht dem VN die Hälfte zu. Diese vom Gesetzgeber in § 153 Abs. 3 Satz 2 festgelegte Beteiligungsquote ist eine abschließende Regelung, es handelt sich nicht um eine noch einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehende Mindestregelung. Ob die 50 %-Regelung angemessen ist, wird unterschiedlich gesehen.189 Das muss angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung dahinstehen. Ein Leistungsbestimmungsrecht des VR, das flexibler gewesen wäre, war vom Gesetzgeber nicht gewollt. Dem VR ist es jedoch nicht versagt, eine höhere Beteiligung an den Bewertungsreserven an den VN auszukehren. Mit der Beschränkung der Beteiligung auf 50 % können Schwankungen der Kapitalmärkte ausgeglichen werden, die dem VR verbleibenden Bewertungsreserven haben damit – ähnlich wie die Überschussbeteiligung im Übrigen – eine Ausgleichungsfunktion, wie sie insbes. bei den der Altersversorgung dienenden kapitalbildenden Lebensversicherungen erforderlich ist. Bei der Beendigung des Versicherungsvertrages erfolgt eine Gesamtschlusszahlung, die nicht nur aus den Bewertungsreserven, sondern auch aus den Überschüssen im engeren Sinne besteht. Ist das Ergebnis der Zahlung ungewöhnlich hoch, können die Leistungen teilweise abgesenkt werden, um Ausgleichsreserven für solche VN zu schaffen, die benachteiligten Jahrgängen angehören. Das ist von besonderer Wichtigkeit, wenn bei Beendigung des Vertrages stille Lasten gegeben sind, in der Vergangenheit also zu hohe Überschüsse ausgewiesen waren.190 Den Parteien des Lebensversicherungsvertrages steht es frei, nach § 153 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 eine frühere Zuteilung zu vereinbaren. Sie würden in einem solchen Fall allerdings die Kapitalanlagepolitik des VR erschweren und u.U. die Renditeaussichten der VN gefährden.191 Kommt es zu einer Teilkündigung des Vertrages, sind die Bewertungsreserven – soweit sie bereits angefallen sind – entsprechend teilweise auszukehren. 187 188 189

Engeländer VersR 2007 155, 159 Fn. 47. Engeländer VersR 2007 155, 159. Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 153 Rn. 89; Schwintowski ZVersWiss 2007 449, 460; Römer VersR 2006 865,

190 191

868; Bürkle VersR 2006 1042, 1044; Brömmelmeyer § 42 Rn. 299. Vgl. im Einzelnen Engeländer VersR 2007 155, 160. Brömmelmeyer § 42 Rn. 300.

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§ 153

Kapitel 5: Lebensversicherung

V. Zuteilungszeitpunkt der Bewertungsreserven bei Rentenversicherungen (Absatz 4) 224

Nach § 153 Abs. 4 ist bei der Rentenversicherung der maßgebliche Zeitpunkt für die Zuteilung der Hälfte der Bewertungsreserven die Beendigung der Ansparphase, also die Aufnahme der Rentenzahlung. Weil die Rentenleistungen in der Regel mit dem Tode des VN ihr Ende finden, würde er die Bewertungsreserven nicht mehr erhalten, wenn sie bei Beendigung des Vertrages ausgezahlt würden. Die der Altersversorgung dienende Versicherung wird jedoch zugunsten des VN und nicht zugunsten seiner Familienangehörigen bzw. der Erben abgeschlossen, eine Auskehrung an die Erben würde dem Versorgungszweck der Rentenversicherung nicht entsprechen. Werden die Bewertungsreserven jedoch bei Beendigung der Ansparphase erbracht, können sie ebenso wie die sonstige Überschussbeteiligung die Renten in der Auszahlungsphase erhöhen.192 Problematisch ist jedoch, dass die Rentenversicherung in der Auszahlungsphase – also zu Lebzeiten des VN – hinsichtlich der Weiterentwicklung von Bewertungsreserven nicht mehr anspruchberechtigt ist. Daher geht die h.M. zu Recht dahin, die Regelung des § 153 Abs. 4 verfassungskonform so auszulegen, dass der VN an Bewertungsreserven, die vor Beendigung der Rentenversicherung während der Auszahlungsphase mit dem noch vorhandenen Kapital neu aufgebaut werden, gleichwohl zu beteiligen ist.193 Dem Vertragszweck der Rentenversicherung würde es dabei am besten entsprechen, wenn die Beteiligung über eine laufende Überschussleistung erfolgen würde.

VI. Überschussbeteiligung aufgrund einer IAS/IFRS-Rechnungslegung als Messinstrument für eine angemessene Überschussbeteiligung 225

Als Folge der Neugestaltung der europäischen Versicherungsaufsicht im Rahmen von Solvency II auf der Grundlage eines Rechnungsabschlusses nach den IAS/IFRS wird insbes. auch die Problematik der Bewertungsreserven eine Änderung erfahren. Die hauptsächlichen Unterschiede der IAS/IFRS-Rechnungslegung im Vergleich zum HGB finden sich bei der Ausprägung des Realisations- und des Vorsichtsprinzips. Bei der IAS/IFRS-Regelung wird der Ausweis von noch nicht sicher erwirtschafteten Erträgen zulässig werden, der Vorsichtsgrundsatz wird lediglich als Unterprinzip des Grundsatzes der Verlässlichkeit gesehen werden. Verbunden mit einer höheren Transparenz dürfte das Kapitalanlageergebnis nach der IAS/IFRS-Regelung tendenziell höher ausfallen, jedoch auch höheren Schwankungen unterliegen.194

E. Bedingungsmäßige Regelung I. Grundsätze und Maßstäbe für die Überschussbeteiligung des Versicherungsnehmers 226

§ 2 GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung, § 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke enthalten eine erweiterte Darstellung der Grundsätze für

192 193

Vgl. Römer DB 2007 2523; Engeländer VersR 2007 155, 161. Looschelders/Pohlmann/Krause § 153

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194

Rn. 49; Brömmelmeyer § 42 Rn. 301; Römer/Langheid/Römer § 153 Rn. 50 f. Im Einzelnen Stindt 146 ff.

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Überschussbeteiligung

§ 153

die Überschussbeteiligung, die über die gesetzliche Vorschrift des § 153 Abs. 1 und 2 hinausgeht und eine für den VN verständliche Zusammenfassung unter Hinweis auf die handelsrechtlichen Bestimmungen und unter Einbeziehung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften bildet. Die Ermittlung der Überschüsse und ihre Aufteilung zwischen VR und der Versichertengemeinschaft, wie sie in § 2 der Bedingungswerke dargestellt wird, ist mit § 153 Abs. 1 vereinbar. Dabei wird die aufsichtsrechtliche Regelung vertraglich als Mindestmaßstab vereinbart, der VR hat die aufsichtsrechtliche Regelung daher nicht nur aus Gründen des Aufsichtsrechts, sonder auch aus Gründen des Vertragsrechts einzuhalten. Neben dem gesetzlichen Anspruch des VN auf Überschussbeteiligung tritt nach z.B. § 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung ein vertraglicher Anspruch, der die Mindestmaßstäbe des Gesetzes nicht unterschreiten darf. In der Bedingungsregelung ist die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des VR im Rahmen des § 315 Abs. 1 BGB zu erblicken, welches nach billigem Ermessen vorzunehmen ist und zudem überprüfbar und gerichtlich ersetzbar ist, § 315 Abs. 3 BGB.195 Zur gerichtlichen Ersetzung dürfte es angesichts des § 171 Abs. 1 Satz 1 kaum kommen.

II. Verursachungsorientiertes und vergleichbare Verfahren In § 2 (1) (a) Unterabsatz 3 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensver- 227 sicherung und den vergleichbaren Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke wird das verursachungsorientierte Verfahren zur Verteilung der Überschüsse dem VN erläutert (Gewinngruppen, Direktgutschrift, RfB). Die Musterbedingungen überlassen die nähere Beschreibung des Verfahrens nach den Bestimmungen des § 2 (2) (a)–(c) dem VR, der die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Überschussanteils (Wartezeit, Stichtag u.ä.), die Form und Verwendung der Überschussanteile (laufende Anteile, Schlussüberschussanteile, Bonus, Ansammlung usw.), Bemessungsgrößen für die Überschussanteile usw. dem VN anzugeben hat. Will der VR die verursachungsorientierte Überschussbeteiligung durch ein vergleichbares angemessenes Verfahren ersetzen, so ist eine ausdrückliche Vereinbarung mit dem VN erforderlich.

III. Bewertungsreserven § 2 (1) (b) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung und die vergleich- 228 baren Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke beschreibt die Ausgleichsfunktion der Bewertungsreserven und gibt nähere Informationen über das gewählte Vorgehen. Nach § 153 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 können VR und VN eine frühere verbindliche 229 Zuteilung der Bewertungsreserven vereinbaren, so dass der Rechtsanspruch auf die stillen Reserven zu einem früheren Zeitpunkt entsteht. Der Gesetzgeber hat die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung – die nach § 171 Abs. 1 Satz 1 ohne weiteres wirksam wäre – ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen, „da es zweifelhaft sein kann, ob es sich in jedem Fall um eine Vereinbarung zum Vorteil des Versicherungsnehmers handelt“196, wenn die frühere Zuteilung zu einer geringeren Leistung des VR führt als die spätere Zuteilung. Die frühere Zuteilung würde eine weitere Einschränkung der Glättungsfunktion der Bewertungsreserven zur Folge haben. 195

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 153 Rn. 31 f.; Prölss/Martin/Reiff/Schneider § 2 ALB 2008 Rn. 4.

196

BTDrucks. 16/3945 S. 97 zu § 153 Abs. 3.

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§ 153 230

Kapitel 5: Lebensversicherung

Bei einer Teilkündigung des Lebensversicherungsvertrages, wie sie beispielsweise nach § 9 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung möglich ist, hat der VR die bis dahin entstandenen Bewertungsreserven, soweit sie auf den gekündigten Vertragsteil entfallen, an den VN auszukehren.

IV. Ausschluss der Überschussbeteiligung 231

Will der VR einen Ausschluss der Überschussbeteiligung197 vornehmen, so bedarf es dazu einer ausdrücklichen, transparent und klar ausgestalteten Vereinbarung. Der Ausschluss kann dabei auch in die Bedingungswerke aufgenommen werden. Der VR hat den VN rechtzeitig vor Angabe von dessen Vertragserklärung über den Ausschluss der Überschussbeteiligung zu informieren, § 2 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV.

V. Überschussbeteiligung und Nachreservierung 232

VR und VN können vereinbaren, dass der VN aus den Überschussanteilen, die bei einer Rentenversicherung während der Aufschubzeit oder ab Rentenbeginn anfallen, zusätzliche Renten gebildet werden und nicht im Rahmen einer Nachreservierung Verwendung finden. In dem einer Entscheidung des BGH198 zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Parteien einen kapitalbildenden Rentenversicherungsvertrag geschlossen, der zunächst eine garantierte monatliche Rentenleistung (auf der Grundlage der Sterbetafel 1987 R und einem Rechnungszins von – zunächst – 3,5 %) beinhaltete (erste Komponente). Hinzu traten eine gleichfalls garantierte Zusatzrente aus den Überschussanteilen, die während der Aufschubzeit anfielen (zweite Komponente), sowie eine nicht garantierte Zusatzrente, die aus den ab Rentenbeginn anfallenden Überschussanteilen gebildet wurde (dritte Komponente). Die beiden Zusatzrenten wurden also allein durch die während der Aufschubzeit bzw. nach Rentenbeginn anfallenden Überschussanteile geschaffen (die anderenfalls beispielsweise an den VN auszuzahlen gewesen wären oder die mit der Prämie hätten verrechnet werden können).199 Dabei handelt es sich bei der während der Aufschubzeit entstehenden Rente um eine garantierte Rente, zu der dritten Komponente – im Prinzip gleichfalls einer konstanten Rente200 – hat der VR jedoch keine Garantieerklärung abgegeben. Wenn sich der VR verpflichtet hat, die laufenden Überschussanteile des Einzelvertrages zur Bildung einer zusätzlichen Rente zu verwenden, so darf er sie nicht auszahlen, nicht mit der Prämie verrechnen und nicht zu einer Nachreservierung verwenden, also z.B. zur Auffüllung einer wegen unzureichender Kalkulation mit einer veralteten Sterbetafel schon bei Vertragsschluss bestehenden Lücke in der Deckungsrückstellung für die garantierte Rente aus der ersten Komponente.201 Ein Nachreservierungsbedarf darf nicht mit Mitteln finanziert werden, hinsichtlich derer der VR eine anderweitige Verpflichtung übernommen hat. Die Differenz zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlich vorhandenen Deckungskapital ist beispielsweise aus Aktionärsmitteln oder „aus dem Rohüberschuss des gesamten Altbestandes unter Einhaltung der für die Abrechnungsverbände maßgeblichen Mindestzuführungsquote“ aufzufüllen.202 197 198 199 200

Dazu im Einzelnen § 153 Rn. 166 ff. BGH 8.7.2009 VersR 2009 1208. Im Einzelnen § 153 Rn. 126 ff. BGH 8.7.2009 VersR 2009 1208, 1209.

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201 202

BGH 8.7.2009 VersR 2009 1208, 1209. Vgl. BAV 31.10.1995 R5/95 VerBAV 1995 366, 368.

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Modellrechnung

§ 154

VI. Erhöhte Überschussbeteiligung aufgrund vertraglicher Vereinbarung Da die Vorschrift des § 153 halbzwingend ist, kann zwischen VR und VN eine höhere 233 Überschussbeteiligung vereinbart werden, als sie gesetzlich vorgesehen ist. Auch die Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung, auf die in den Bedingungswerken in Zusammenhang mit der Überschussbeteiligung Bezug genommen wird, regelt nur eine Mindestzuführung, von der zugunsten des VN auch vertraglich abgewichen werden kann.

F. Abdingbarkeit Die Vorschrift des § 153 ist halbzwingend, § 171 Satz 1. Nach § 153 Abs. 3 Satz 3 234 kann eine anspruchsbegründende Zuteilung der Hälfte der Bewertungsreserven bereits für einen Zeitpunkt vor Vertragsende vereinbart werden. Eine solche Klarstellung wird als erforderlich angesehen, da es zweifelhaft ist, ob es sich in einem solchen Falle um eine abweichende Vereinbarung zum Vorteil des VN handelt.203

§ 154 Modellrechnung (1) 1Macht der Versicherer im Zusammenhang mit dem Angebot oder dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte Angaben zur Höhe von möglichen Leistungen über die vertraglich garantierten Leistungen hinaus, hat er dem Versicherungsnehmer eine Modellrechnung zu übermitteln, bei der die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen dargestellt wird. 2Dies gilt nicht für Risikoversicherungen und Verträge, die Leistungen der in § 54b Abs. 1 und 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen. (2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer klar und verständlich darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Modellrechnung nur um ein Rechenmodell handelt, dem fiktive Annahmen zu Grunde liegen, und dass der Versicherungsnehmer aus der Modellrechnung keine vertraglichen Ansprüche gegen den Versicherer ableiten kann. Übersicht Rn. A. I. II. III. IV.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Sinn und Zweck der Regelung . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Hinweis auf Modellrechnungen in den Bedingungswerken . . . . . . . . . . . B. Gesetzliche Vorgaben der Modellrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grenzen der Realitätsnähe und Gefahren der Irreführung . . . . . . . . . . . . .

203

1 1 2 6 12 14 14

Rn. II. Keine Verpflichtung des Versicherers zur Übermittlung von Modellrechnungen . III. Voraussetzungen einer Modellrechnung i.S.d. § 154 VVG . . . . . . . . . . . 1. Bezifferte Angaben . . . . . . . . . 2. Bezug auf einen konkreten Lebensversicherungsvertrag . . . . . . . . 3. Durch den Versicherer autorisierte Angaben . . . . . . . . . . . . . . 4. Aushändigung an den VN . . . . .

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18

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20 20

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24 25

Regierungsbegründung BTDrucks. 16/3945 S. 97.

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§ 154

Kapitel 5: Lebensversicherung Rn.

IV. Ausgestaltung der normierten Modellrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . V. Pflicht zum Hinweis auf die Unverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . VII. Problematik von Renditeangaben zum Vergleich mit anderen Vorsorgeprodukten C. Zusätzliche Informationspflichten zur Überschussbeteiligung nach der VVG-InfoV . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. D. Informationspflichten bei fondsgebundenen Lebensversicherungen . . . . . I. Rechtliche Grundlagen: § 2 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV, §§ 121 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 InvG, § 31 Abs. 3 WpHG . . . II. Übernahme der investmentrechtlichen Grundsätze für die Versicherer . . . . E. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .

26 28 29 30

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35

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34

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

In der Vergangenheit haben die VR ihren VN Beispielrechnungen vorgelegt, die den VN Auskunft über ihre sich während der Vertragsdauer entwickelnde – und nicht garantierte – Überschussbeteiligung geben sollten und die häufig zu optimistisch gehalten und missbrauchsanfällig waren. Eine gesetzliche Regelung für diese Modellrechnungen existierte nicht. Sie wurde in Gestalt der Vorschrift des § 154 erstmalig im Rahmen der VVG-Reform geschaffen.

II. Sinn und Zweck der Regelung 2

Die Überschussbeteiligung, die im Rahmen des § 153 dem VN bzw. den sonst Anspruchsberechtigten als nicht garantierte Leistung gewährt wird,1 hat angesichts der Langfristigkeit der Lebensversicherungsverträge und angesichts der Unmöglichkeit, die Leistungen gänzlich oder fast gänzlich zu garantieren, für den VN eine außerordentlich große Bedeutung. Es kann keine verlässlichen Prognosen über die Entwicklung des Kapitalmarkts, der Sterblichkeit und der Kosten für einen Zeitraum von 20, 30, 40 und mehr Jahren geben. Andererseits hat der VN ein großes Interesse daran, schon vor Abschluss des Vertrages zu erfahren, welche Leistungen der von dem VR über die garantierten Leistungen hinaus zu erwarten hat. Auch der VR und seine Vermittler haben ein starkes Interesse daran, dem Versicherungsinteressenten entsprechende Informationen zu geben, um damit die „Leistungsfähigkeit ihres Angebots gegenüber anderen Versicherern und im Vergleich zu anderen Finanzdienstleistungen“ herauszustellen.2 Die Problematik der Darstellung der künftigen Überschussbeteiligung liegt darin, dass 3 eine realitätsnahe Angabe zu ihrer Höhe nur für wenige Jahre möglich ist, dass die aktuell deklarierte Überschussbeteiligung allenfalls ein Ausgangspunkt für die Schätzung einer künftigen Überschussbeteiligung sein kann und dass die Gefahr besteht, der VN könne die Angaben des VR zur künftigen Entwicklung der Ablaufleistung für verbindlich halten. Das gilt insbes. dann, wenn die Angaben einer Leistungsdarstellung detaillierter sind. Die in Zahlen ausgedrückte Angabe einer künftigen Überschussbeteiligung ist dabei der konkreteste in Frage kommende Hinweis des VR auf die künftige Versicherungsleistung. Er hat zugleich den höchsten Glaubwürdigkeitsgrad.

1

Vgl. dazu im Einzelnen die Kommentierung zu § 153.

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2

BTDrucks. 16/3945 S. 52; ferner S. 97 zu § 154.

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Modellrechnung

§ 154

Solche „Beispielrechnungen sind in einem besonderen Maße missbrauchsanfällig“. 4 Auch wenn der VN deutlich über die Unverbindlichkeit der Modellrechnungen aufgeklärt wird, dürfte er sie als eine „sachverständige Prognose“ ansehen, die sie in der Realität nicht sind und sein können. Daher sieht § 154 Abs. 1 für diesen Fall die zwingend erforderliche Aushändigung von Modellrechnungen durch den VR vor, mit denen die künftige Höhe der Überschussbeteiligung auf der Grundlage von drei unterschiedlichen Zinssätzen – also „auf einheitlichen und vertretbaren Zinsgrundlagen“ – dargestellt werden und die auch darüber hinaus bestimmten Vorgaben entsprechen müssen. Auch dadurch kann zwar eine Fehlinformation des VN durch zusätzliche unternehmensindividuelle Prognoseangaben nicht ausgeschlossen werden. Aber der VN erhält auf diese Weise vertretbare Beispielrechnungen und Prognosen über die Ablaufleistung einer von ihm abgeschlossenen Lebensversicherung.3 Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass konkrete Modellrechnungen gleichwohl 5 bei manchen VN den falschen Eindruck entstehen lassen können, man könne sich auf Versicherungsleistungen in der so berechneten Höhe verlassen, enthält § 154 Abs. 2 weitere Vorgaben (Betonung, dass es sich nur um fiktive Angaben handele, Ausschluss eines Rechtsanspruchs). Verstößt der VR gegen die Vorgaben des § 154, „kann sich für den Versicherungsnehmer ein entsprechender Leistungsanspruch ergeben“.4

III. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 154 gilt für sämtliche Todesfall- und Erlebensfallversicherungen, 6 für Kapital- und für Rentenversicherungen, es sei denn, es handelt sich um Lebensversicherungen nach Abs. 1 Satz 2 (Risiko- und fondsgebundene Lebensversicherungen). Risikolebensversicherungen sind deshalb ausgeschlossen, weil die Überschussbeteiligung – soweit sie überhaupt gegeben ist – hier kein erhebliches wirtschaftliches Gewicht hat.5 Der Schwerpunkt der Regelung liegt bei der kapitalbildenden Lebensversicherung. Aber auch bei dieser Form der Lebensversicherung ist die Anwendbarkeit des § 154 bei fondsgebundenen Lebensversicherungen (also solchen Versicherungen, die Leistungen der in § 54b Abs. 1 und 2 VAG bezeichneten Art vorsehen) ausgeschlossen. Denn hier liegt die Kapitalanlage – als wichtigste Überschussquelle – außerhalb der Zuständigkeit und Verantwortung des VR; die Wertentwicklung hängt unmittelbar vom Kapitalmarkt ab, so dass nur allgemeine Modellrechnungen erstellt werden können, bei denen mit fiktiven Annahmen hinsichtlich der möglichen Wertentwicklung gearbeitet werden muss.6 Da für selbstständige BU-Versicherungen die Kapitalbildung nicht im Vordergrund 7 steht, sondern der Risikoschutz, ist § 154 auf sie nicht anwendbar, trotz der Verweisung des § 176 auch auf § 154. Einer analogen Anwendung des § 154 bei der BU-Versicherung stehen die Besonderheiten dieser Versicherung entgegen. Daher bedarf es bei der BU-Versicherung keiner Vorlage von Modellrechnungen. Das gilt auch für BUZ- und Unfallzusatz-Versicherungen. Keine Anwendung findet § 154 auf Riesterverträge (nach § 7 Abs. 5 Satz 2 AltZertG 8 wird die Modellrechnung des § 154 durch die spezielle Angabe nach § 7 Abs. 1 Satz 2

3 4 5

BTDrucks. 16/3945 S. 52; ferner S. 97 zu § 154. BTDrucks. 16/3945 S. 52; ferner S. 97 zu § 154. BTDrucks. 16/3945 zu § 154 S. 97.

6

Vgl. dazu Ortmann Kostentransparenz in der Lebensversicherung – Britische Lebensversicherer stellen ihre Produkte nach der Reduction in Yield Methode dar, VW 2007 824 ff.

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§ 154

Kapitel 5: Lebensversicherung

Nr. 2 AltZertG ersetzt): Danach sind die zu zahlenden Beiträge wie auch das gebildete Guthaben für einen Zeitraum von zehn Jahren darzustellen, und zwar mit unterschiedlichen Zinssätzen. Analoge Anwendung findet § 154 – ebenso wie die Regelung des § 153 – auf Kapita9 lisierungsgeschäfte. Einer teleologischen Reduktion der Vorschrift des § 154 nur auf Versicherungsver10 träge, die mit einem Verbraucher abgeschlossen werden, kann nicht beigepflichtet werden. Vom Schutz des § 154 sind nur Verträge über Großrisiken i.S.d. § 210 ausgenommen; auch VN, die nicht Verbraucher sind und keine Großrisikoverträge geschlossen haben, unterfallen der Vorschrift des § 154. Für Altverträge – die also vor dem 1.1.2008 abgeschlossen wurden – gilt die Regelung 11 des § 154 seit dem 1.1.2009, Art. 1 Abs. 1 EGVVG.

IV. Hinweis auf Modellrechnungen in den Bedingungswerken 12

In den GDV-Musterbedingungen zu den einzelnen Lebensversicherungsformen finden sich zwar ausführliche Regelungen zur Überschussbeteiligung, insbes. auch im Anhang der Bedingungswerke zu den Versicherungsformen, bei denen eine Überschussbeteiligung gewährt wird. Eine eingehende Regelung zu den Modellrechnungen ist darin allerdings nicht enthalten. Im GDV-Musteranhang der Bedingungswerke zur Überschussbeteiligung findet sich 13 unter der Überschrift: Die Höhe der künftigen Überschussbeteiligung kann nicht garantiert werden! nur der Hinweis auf die Modellrechnungen, aus denen der mögliche Verlauf der Überschussbeteiligung zu entnehmen sei. Nach Fn. 13 ist unternehmensindividuell darauf hinzuweisen, welche Angaben aus der Modellrechnung zu entnehmen sind und wo die Modellrechnungen zu finden sind (z.B. im Anhang zum Versicherungsschein oder zur Verbraucherinformation).

B. Gesetzliche Vorgaben der Modellrechnung I. Grenzen der Realitätsnähe und Gefahren der Irreführung 14

Eine realistische Angabe zur künftigen Überschussbeteiligung ist lediglich für wenige Jahre möglich, in der Regel für zwei oder drei Jahre. Verfügt ein VR über ausreichende Reserven und besteht die Bereitschaft, auf diese Reserven auch zurückzugreifen, so kann sich der Zeitraum für kurze Zeit verlängern. Angaben, die über diesen kurzen Zeitraum hinausgehen, entbehren schnell des erforderlichen Realitätsbezuges. Daher besteht allgemein eine erhebliche Skepsis, wenn es um eine Darstellung der künftigen Überschussbeteiligung durch die VR geht. Die Aufsichtsbehörde hatte früher erhebliche Bedenken gegen nicht realitätsnahe Überschussberechnungen geäußert und auch die Reformkommission hätte es vorgezogen, wenn die VR auf Beispielsrechnungen und vergleichbare Angaben ganz hätten verzichten müssen. Da die VR dazu nicht bereit waren und sie auch nicht zur Aufgabe der Beispielsrechnungen gezwungen werden konnten, war im Abschlussbericht vorgeschlagen worden, den VN lediglich normierte Modellrechnungen im Sinne der nunmehrigen Vorschrift des § 154 auszuhändigen.7

7

Abschlussbericht 122, 123.

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Modellrechnung

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Irreführende Angaben zu künftigen Leistungen können zu aufsichtsrechtlichen und 15 juristischen Konsequenzen führen. Die zu hoch gegriffenen Zahlen können u.U. nach glauben dazu führen, dass der VR so gestellt wird, als wäre es zu einer vertraglichen Zusage gekommen.8 Dabei kann die Höhe des Schadenersatzanspruches die garantierte Leistung zuzüglich der in der Werbung angesprochenen Überschussbeteiligung übersteigen. Ferner besteht das Risiko, dass solche Leistungsdarstellungen einer AVB-Kontrolle nicht standhalten, ganz abgesehen davon, dass eine unsachgemäße Darstellung der Überschussbeteiligung als Vertragsbestandteil in dem Sinne angesehen werden kann, dass der VR verpflichtet ist, die in Aussicht gestellten Überschüsse auch auszukehren. Die Aufsichtsbehörde hat die Möglichkeit, eine Irreführung der Verbraucher nach § 81 Abs. 2 VAG, § 3 UWG zu unterbinden.9 Irreführende Leistungsdarstellungen sind gegeben, „wenn nicht unerhebliche Teile des 16 Adressatenkreises mit den betreffenden geschäftlichen Angaben Vorstellungen verbinden, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang stehen. Irreführend können aber auch Angaben sein, die den Kunden veranlassen, von einer eigenen Beurteilung abzusehen, weil er sich darauf verlässt, dass das beworbene Produkt bzw. die Leistungsdarstellung den Standard der diesbezüglichen Fachkreise entspricht. Grundlage für die Beurteilung derartiger Angaben ist dabei nicht die Frage, ob die Angaben richtig oder falsch sind. Eine solche Beurteilung ist nicht möglich. Grundlage für die Beurteilung ist vielmehr, dass mit der Weitergabe solcher Angaben eine Tatsachenbehauptung verbunden ist, die sich auf die Art der Ermittlung der dargestellten Werte bezieht. Entscheidend ist also, welche Erwartungen der Verbraucher an die Zuverlässigkeit und Seriosität dieser Werte hat …“.10 Will der VR – in Ergänzung der zwingend vorgeschriebenen Modellrechnungen – an 17 weiteren unternehmensindividuellen Leistungsdarstellungen festhalten, so müssen seine Zahlenangaben so realitätsnah wie möglich ermittelt werden. Das geschieht unter Berücksichtigung „der volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen, versicherungstechnischen und rechtlichen Zusammenhänge“,11 aber auch mit Blick auf die objektive Leistungsfähigkeit und die Unternehmenspolitik. Da die Finanzierbarkeit der Überschussbeteiligung gewährleistet sein muss, hat der VR die künftige Entwicklung der Kapitalanlage-, Risiko- und Kostenergebnisse mit größter Sorgfalt und kritisch zu ermitteln. Er darf dabei nicht davon ausgehen, dass die zurzeit deklarierten Überschussanteile dem VN auch künftig gewährt werden können. Beispielsrechnungen, denen für künftige Jahre eine höhere Überschussdeklaration zugrunde liegt, sind höchst problematisch. Auch wenn die Leistungserwartungen mit dem deutlichen Hinweis eingeleitet werden, dass die künftige Entwicklung nicht vorhersehbar ist und dass sie keine Prognose beinhalten. Darüber hinaus sollten die Angaben des VR so begründet werden, dass der VN in die Lage versetzt wird, eine eigene Einschätzung vorzunehmen.12 Wirbt der VR mit Überschüssen aus der Vergangenheit, ist er zur Aufklärung des Versicherungsinteressenten verpflichtet, wenn die Erzielung solcher Überschüsse für die Gegenwart unwahrscheinlich ist. Der VR han-

8 9

10

Langheid/Wandt/Heiss § 154 Rn. 25. Zu den eingeschränkten Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde vgl. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 647 ff. BAV-Rundschreiben R 2/2000 vom 23.10.2000 VerBAV 2000 252, 255; aufgehoben durch Schreiben der BaFin vom

11 12

29.11.2007 – die Grundsätze behalten gleichwohl insoweit ihre Gültigkeit. BAV-Rundschreiben R 2/2000 vom 23.10.2000 VerBAV 2000 252, 254. BAV-Rundschreiben R 2/2000 vom 23.10.2000 VerBAV 2000 252, 254.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

delt pflichtwidrig, wenn die Sterblichkeitsrückstellungen nicht mehr als sachgerecht zu bewerten sind und der VR ohne nähere Aufklärung mit den Sterblichkeitsüberschüssen in der Vergangenheit wirbt.13

II. Keine Verpflichtung des Versicherers zur Übermittlung von Modellrechnungen 18

Die Vorschrift des § 154 ermöglicht es dem VR, den VN mit Hilfe von Modellrechnungen über die Entwicklung der Überschussbeteiligung zu unterrichten, wenn er dem VN bezifferte Angaben zur Überschussentwicklung bei einem konkreten Vertrag vorlegen möchte. Der VR ist dazu jedoch nicht verpflichtet, er kann auf die Möglichkeit einer Darstellung der Überschussbeteiligung mit Hilfe von bezifferten Angaben usw. auch gänzlich verzichten, wie sich auch aus der negativen Einstellung der Reformkommission zu Beispielrechnungen usw. ergibt.14 Will der VR keine bezifferten Angaben oder bezifferte Angaben ohne konkreten 19 Bezug zu einem Lebensversicherungsvertrag machen, so bedarf es der Modellrechnungen nach § 154 Abs. 1 nicht. Nur wenn die Gefahr bestehen könnte, dass der VN Angaben des VR im Sinne einer verbindlichen Erklärung in Zusammenhang mit einem konkreten Vertrag missverstehen könnte, sind die Modellrechnungen nach § 154 zu übermitteln. Das Erfordernis der Modellrechnungen bedeutet auch nicht, dass der VR die Rechnungen nicht durch eigene bezifferte Beispielsdarstellungen ergänzen darf. Legt der VR zugleich unternehmensindividuelle Beispielsrechnungen vor, so dienen die Modellrechnungen auch dem Zweck, die individuellen Beispielsrechnungen zu relativieren und dem Eindruck entgegenzutreten, dass es sich insoweit um verbindliche Erklärungen des VR zur Leistungserwartung handelt.

III. Voraussetzungen einer Modellrechnung i.S.d. § 154 VVG 1. Bezifferte Angaben

20

Voraussetzung einer Verwendung von Modellrechnungen i.S.d. § 154 ist es, dass der VR bezifferte Angaben zur Höhe von möglichen Leistungen über die vertraglich garantierten Leistungen hinaus macht. Die Modellrechnung knüpft damit an konkrete Angaben des VR zur Überschussbeteiligung an. Weist der VR lediglich darauf hin, dass es neben der garantierten Versicherungsleistung noch zur Auskehrung von Überschüssen kommen werde, die nicht beziffert werden, so ist er nicht verpflichtet, Modellrechnungen zu übermitteln. Unerheblich ist es, warum der VR bezifferte Angaben zur Überschussbeteiligung macht, insbes. auch, ob der VR die Angaben von sich aus macht oder vom VN danach gefragt wird. Darüber hinaus müssen die bezifferten Angaben zur Überschussbeteiligung in klarer 21 und übersichtlicher Form von den garantierten Leistungen unterschieden werden. Der VR muss dem VN deutlich machen, dass ihm zu Beginn des Vertrages nur die garantierten Leistungen zugesagt werden können. Die garantierten Versicherungsleistungen sollten bereits drucktechnisch im Vordergrund stehen; sie dürfen nicht etwa gleichrangig in einer

13

BGH 18.4.2012 VersR 2012 1100, 1112.

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14

Abschlussbericht 122.

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Übersicht mit den Leistungen aus einer Überschussbeteiligung aufgeführt werden. Eine solche Differenzierung kann z.B. dadurch erfolgen, dass die garantierten Leistungen im Fettdruck erscheinen, die Leistungen einschließlich Überschussbeteiligung im Normaldruck. 2. Bezug auf einen konkreten Lebensversicherungsvertrag Erforderlich ist für die Verpflichtung zu einer Modellrechnung der Zusammenhang 22 der bezifferten Angaben mit dem Angebot oder dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages. Die Informationen müssen in Verbindung mit den Angaben über die vertraglich garantierten Leistungen gemacht werden. Sie beziehen sich damit auf ein konkretes Versicherungsprodukt und einen bestimmten Versicherungsvertrag, der Gegenstand der Gespräche zwischen VR und VN ist und bei dem der Vertragsinhalt bereits durch die garantierte Versicherungsleistung festgelegt ist (und damit auch die Höhe der Beiträge und die Rechnungsgrundlagen). Erfolgen bezifferte Angaben, die sich nicht auf einen konkreten Versicherungsvertrag beziehen, so handelt es sich um allgemeine Auskünfte zu möglichen Aufbauleistungen, Renditen, die sich auf die Lebensversicherungsbranche oder auf einen konkreten VR beziehen können. Zu differenzieren ist somit danach, ob es sich um allgemeine Produktangaben, auch mit Beispielsrechnungen handelt, oder um Informationen bezogen auf einen konkreten Vertrag unter Verwendung konkreter Vertragsdaten (Lebensalter des VN, Laufzeit usw.). Nur in diesem Fall stellt sich die Frage von Angaben zur Überschussbeteiligung i.S.d. § 154 und damit die Frage der Modellrechnungen. Um die Rechtsfolge des § 154 auszulösen, genügt es im Übrigen, wenn es zu einer 23 Vertragsänderung oder zu einem Wiederaufleben bzw. der Zurückumwandlung einer Versicherung kommt. 3. Durch den Versicherer autorisierte Angaben Wenn in § 154 Abs. 1 von bezifferten Angaben des VR die Rede ist, so ist das nicht so 24 zu verstehen, dass damit nur Informationen gemeint sind, die vom VR direkt oder durch ein Online-Portal übermittelt werden. Gemeint sind vom VR autorisierte vertragsbezogene Angaben, auch wenn sie dem VN durch einen Versicherungsvertreter oder -makler bzw. -berater übermittelt werden. Zu den auf einen konkreten Vertrag bezogenen autorisierten Angaben zählen jedoch nicht allgemeine Informationen über künftige Aufbauleistungen, Renditen, Rentenentwicklungen. Solche Angaben führen nicht dazu, dass die Vorschrift des § 154 greift. Der Differenzierung danach, ob die von dem VR autorisierten vertragsbezogenen Angaben durch einen Versicherungsvertreter oder durch einen Versicherungsmakler bzw. -berater übermittelt werden,15 kann nicht beigepflichtet werden. Eine solche Unterscheidung hätte zur Folge, dass bei denselben Angaben die Aushändigung durch den Versicherungsagenten die Modellrechnung nach § 154 auslösen würde, dass sich der VR bei der Aushändigung durch einen Makler usw. aber nicht an die Modellrechnungen zu halten hätte. Ob der Vermittler dem VR zuzurechnen ist oder nicht, ist für die Problematik des § 154 unerheblich, solange die Angaben durch den VR in gleicher Weise autorisiert sind.16

15

Prölss/Martin/Reiff § 154 Rn. 7.

16

Looschelders/Pohlmann/Krause § 154 Rn. 9.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

4. Aushändigung an den VN

25

Die bezifferten Angaben lösen die Modellrechnung i.S.d. § 154 nur aus, wenn sie dem VN gegenüber gemacht werden. Erfolgen die Angaben nur gegenüber der Gefahrsperson oder dem Bezugsberechtigten, die über die Stellung des Versicherungsantrages nicht zu entscheiden haben, ist zu differenzieren. Dabei ist davon auszugehen, dass zumindest die Gefahrsperson mit den gesetzlich notwendigen Modellrechnungen zu versehen ist, um bei einer Lebensversicherung mit fremder Gefahrsperson die Missbrauchsgefahr richtig einschätzen zu können. Hinsichtlich des Bezugsberechtigten lässt sich die Einbeziehung in die Regelung des § 154 nicht begründen.

IV. Ausgestaltung der normierten Modellrechnung 26

Sind die Voraussetzungen nach Rn. 15 ff. gegeben, regelt die Vorschrift des § 154, dass der VR dem VN eine normierte Modellrechnung auszuhändigen hat, bei der die Aufbauleistung unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei unterschiedlichen Zinssätzen dargestellt wird. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 VVG-InfoV ist zum einen der Höchstrechnungszinssatz nach § 2 Abs. 1 DeckRV, multipliziert mit 1,67 zugrunde zu legen (erster Modellrechnungszinssatz nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 VVG-InfoV). Diese Formel wurde aus Sicherheitsgründen gewählt: Sie beruht zunächst auf der Umlaufrendite der Staatspapiere, enthält jedoch einen Sicherheitsabschlag von 40 %, da der Höchstrechnungszinssatz 60 % der Umlaufrendite der Staatspapiere nicht überschreiten darf (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VAG). Wird der Höchstrechnungszinssatz nach der DeckRV17 mit dem Faktor 1,67 multipliziert, so gelangt man daher zu einem einigermaßen wirklichkeitsnahen aktuellen Kapitalmarktzins, von dem bei der Festlegung des letzten Höchstrechnungszinssatzes ausgegangen ist. Auf diese Weise wird ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand nicht erforderlich, es soll damit auch vermieden werden, dass der VN „einen amtlich für die Modellrechnung gesondert veröffentlichten Zinssatz als sichere Grundlage für seine Entscheidung ansehen könnte“.18 Diese normierte Modellrechnung basiert somit auf den Kapitalmarktdaten. Sie lässt nicht erkennen, aus welchen Überschussquellen im Einzelnen die Überschussbeteiligung herrührt. Bei den anderen beiden Varianten wird der Zinssatz der Variante 1 zuzüglich eines Prozentpunktes bzw. abzüglich eines Prozentpunktes zugrunde gelegt (zweiter Modellrechnungszinssatz nach § 2 Abs. 3 Nr. 2, dritter Modellrechnungszinssatz nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VVG-InfoV). Die zweite und dritte Modellrechnung in ihrem Verhältnis zueinander und zur ersten Modellrechnung machen es dem VN deutlich, welche erheblichen Auswirkungen eine Änderung des Zinses mit sich bringt. Die drei Zinssätze sollen dem VN einen realistischen Eindruck von der möglichen Gesamtverzinsung vermitteln. Das Abstellen auf diese drei Modellrechnungen bedeutet nicht, dass es dem VR unter27 sagt ist, auch unternehmensindividuelle Beispielsrechnungen Verwendung finden zu lassen.19 Der VR kann sich beispielsweise an den Ablaufleistungen seiner Versicherungsverträge in der Vergangenheit orientieren. Darauf ist durch den VR deutlich hinzuweisen, die Vergangenheitsrechnungen dürfen sich dabei nur an tatsächlich erzielbaren und erzielten Leistungen von Lebensversicherungsverträgen desselben Tarifs orientieren. Voraussetzung sollte auch sein, dass der in Bezug genommene Tarif schon längere Zeit ange-

17 18

Vgl. dazu § 153 Rn. 36 ff. Abschlussbericht 123.

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19

BTDrucks. 16/3945 S. 97.

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§ 154

boten worden ist, der Ablauf der Verträge darf nicht längere Zeit zurückliegen. Zudem ist der VN darauf hinzuweisen, dass der Verlauf in der Vergangenheit keine Rückschlüsse auf die künftige Entwicklung ermöglicht. Verwendet der VR derartige unternehmensindividuelle Beispielrechnungen, so soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers die erforderliche zusätzlich auszuhändigende normierte Modellrechnung sodann dafür sorgen, dass der VN jedenfalls auch Modellrechnungen erhält, wie sie von allen VR aufgrund der einheitlich zugrunde liegenden Zinsmodelle anzufertigen sind.

V. Pflicht zum Hinweis auf die Unverbindlichkeit Der VR muss den VN klar, übersichtlich und unmissverständlich darauf hinweisen, 28 dass der Modellrechnung nur fiktive Annahmen zugrunde liegen und daraus keine Ansprüche herzuleiten sind. Damit wird auch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in Bezug genommen. Insbesondere wenn die Modellrechnungen zusammen mit anderen Beispielrechnungen ausgehändigt werden, sollte der Hinweise durch Fettdruck und in unmittelbarer Nähe der Modellrechnungen hervorgehoben werden.20 Insbesondere ist auch der Eindruck des VN zu vermeiden, dass die obere und die untere Modellrechnung einen Korridor bilden, innerhalb dessen sich die Leistung des VR bewegen wird. Der VR muss in einem solchen Falle deutlich machen, dass die Leistung auch geringer ausfallen kann als die Versicherungsleistung, die sich nach der Modellrechnung mit dem niedrigsten Rechnungszinssatz ergibt.

VI. Sanktionen Auch wenn § 154 keine ausdrücklichen Sanktionen enthält, so ist ein Verstoß des VR 29 gegen diese Vorschrift nicht möglich, ohne dass es zu Sanktionen kommt. Hier gilt das allgemeine Zivilrecht, und der VN könnte einen Anspruch auf die in der Modellrechnung angegebene Leistung haben, wenn ein durchschnittlicher VN die Ablaufleistung bei einer Modellrechnung als vertraglich garantiert ansehen kann21 und die bei Abschluss des Versicherungsvertrages herbeigeführten Erwartungen des VN nicht erfüllt werden. Ebenso wie die Versicherungsbedingungen usw. gehört die Modellrechnung zu den versicherungsvertraglichen Grundlagen, die dem VN bei Vertragsschluss zuzuleiten sind. Hat der VR Modellrechnungen ausgehändigt, die auf einer überholten Sterbetafel beruhen und hätte sich der VN bei Aushändigung von richtigen Modellrechnungen für einen anderen VR entschieden, so kann der VR schadenersatzpflichtig werden.22

20 21

Prölss/Martin/Reiff § 154 Rn. 14. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 154 Rn. 15. Ebenso Looschelders/Pohlmann/Krause § 154 Rn. 15, der allerdings zu Recht darauf hinweist, dass eine solche Auslegung in der Praxis in der Regel nicht möglich ist, weil durch die Erforderlichkeit von drei Modellrechnungen schon eine Unsicher-

22

heit und Unverbindlichkeit zum Ausdruck gelange, die einen Vertrauenstatbestand nicht entstehen lasse; Beispiele bei Römer/Langheid/Römer § 154 Rn. 13. Vgl. OLG Düsseldorf 15.8.2000 VersR 2001 705, 706; OLG Koblenz 26.5.2000 VersR 2000 1357, 1358.

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VII. Problematik von Renditeangaben zum Vergleich mit anderen Vorsorgeprodukten Mit Hilfe von Renditeangaben sollen Anlagealternativen auch bei unterschiedlichen Vertragsdauern und unterschiedlichen Prämien oder Einzahlungen vergleichbar gemacht werden. Unter Rendite ist dabei der auf das eingesetzte Kapital bezogene Ertrag, den eine Anlage erzielt, zu verstehen. Die Angabe einer Rendite ist zur Beurteilung eines Lebensversicherungsvertrages allerdings wenig geeignet, da die Übernahme des biometrischen Risikos durch den VR nicht genügend zu erfassen ist. Zwar könnte theoretisch auch das biometrische Risiko mit einbezogen werden, wenn der Barwert der Prämien mit dem der Leistung gleichgesetzt wird. Da der Begriff der Rendite nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Kennzeichnung von Kapitalanlagen aber als so festgelegt erscheint, ist zweifelhaft, inwieweit die Angabe einer Rendite in Zusammenhang mit einer kapitalbildenden Lebensversicherung überhaupt möglich ist, wenn eine Irreführung der VN vermieden werden soll. Da zudem angesichts der nicht gleichmäßigen Entwicklung von Rückkaufswerten die Wertentwicklung des Versicherungsvertrages nur schwer darzustellen ist, erscheint es auch schwierig, die Renditeentwicklung für unterschiedliche Vertragsdauern deutlich werden zu lassen. Hinzukommt die Schwierigkeit einer Berücksichtigung von Kosten und weiterer Abzüge, deren Berechnung für die VN regelmäßig nicht nachvollziehbar wäre. Renditeangaben mit Blick auf die Lebensversicherung sind daher regelmäßig geeignet, den VN irrezuführen, insbes. auch, soweit eine Überschussbeteiligung des VN in die Renditeberechnungen einbezogen wird. Auch Angaben des VR über eine „Verzinsung“ des VN-Guthabens dürften regelmäßig gleichfalls als irreführend anzusehen sein.23 Ein Vergleich von Renditeangaben für eine Lebensversicherung unter Berücksichti31 gung einer Überschussbeteiligung und von Vorsorgealternativen (wie auch Kapitalisierungsgeschäften) ist somit höchst problematisch, er dürfte für den VN regelmäßig irreführend sein. Ein Ausweg ist der Vergleich von Ausschnitten des Versicherungsprodukts wie z.B. 32 der Erlebensfallrendite der Sparbeiträge in der gemischten Lebensversicherung oder der kapitalbildenden Rentenversicherung. Eine solche Rendite kann auch im Vergleich zu sonstigen Anlageformen eine Orientierung erlauben. Problematisch ist allerdings – wie überhaupt bei Leistungsdarstellungen – die Gewichtung z.B. der Kostenbelastung und des erwirtschafteten Anlagenergebnisses bei der Überprüfung von Überschussprognosen.24 Auch bei den Angaben zu einer Rendite hat der VR Vorsicht walten zu lassen. Geht 33 der VR von einer Rendite in der Größenordnung von 6–7 % aus und hat er in der Vergangenheit eine solche Rendite selbst nicht erzielt, so stellt diese Äußerung eine irreführende Werbung i.S.d. § 3 UWG dar, wenn er die Renditenangabe nicht als unsichere Prognose, sondern als mit großer Sicherheit zu erzielenden Ertrag charakterisiert.25 Ähnliches gilt für überholte und damit unrichtige Renditeprognosen.26

30

23 24

BAV-Rundschreiben 2/2000 vom 23.10.2000 VerBAV 2000 252, 256. Nach Auffassung von Weckfort VW 2011 96, 98 werden Kostenquoten im Vergleich zu Kapitalanlageergebnissen zu stark gewichtet. Vgl. im Übrigen Schulz VW 1996 1710.

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25 26

LG Hamburg 19.2.1997 RuS 1997 260, 261. OLG Düsseldorf 15.8.2000 VersR 2001 705, 706.

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§ 154

C. Zusätzliche Informationspflichten zur Überschussbeteiligung nach der VVG-InfoV Mit der VVG-InfoV werden die für den LebensVR bestehenden Informationspflichten 34 zur Überschussbeteiligung zusammengefasst, auch soweit sie sich nicht auf §§ 154, 155 beziehen. Sie geht auf Art. 36 Gesamtrichtlinie Leben zurück und bindet die Informationspflichten in das Zivilrecht ein, nachdem sie zuvor in § 10a VAG a.F. geregelt waren. In Fortführung der aufsichtsrechtlichen Regelung sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV die Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe für die Überschussermittlung und -beteiligung anzugeben. Dem VN wäre dabei allerdings nicht damit gedient, wenn er über eine Vielzahl versicherungstechnischer Einzelheiten informiert würde, hier könnte es leicht zu einer Fehlinformation durch Überinformation kommen. Da andererseits die Materie der Überschussbeteiligung in hohem Maße komplex und für den durchschnittlichen VN nicht ganz einfach zu verstehen ist, sind die maßgeblichen Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe gleichwohl in der gebotenen Ausführlichkeit übersichtlich und verständlich darzulegen. Dabei ist zunächst auch klarzustellen, ob der Lebensversicherungsvertrag überschussberechtigt ist; es sind die handelsrechtlichen Grundsätze mitzuteilen, nach denen die Beteiligung an dem Gewinn ermittelt wird und welche Maßstäbe nach § 81c VAG usw. zur Bestimmung der Überschussbeteiligung anzulegen sind. Diese Informationen finden sich zumeist in den Bedingungswerken, sie brauchen nicht weiter zu reichen, als es das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt.27 Eine Beifügung allein von Modellrechnungen i.S.d. § 154 dürfte nicht immer ausreichend sein, die Information nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV ist nicht auf die Informationen durch das kurz und bündig zu fassende Produktinformationsblatt im Rahmen des § 4 Abs. 3 VVG-InfoV zu begrenzen.28 Sinn und Zweck des Art. 36 Gesamtrichtlinie Leben erfordern eine detaillierte, ausführliche und konkretisierte Information. Ermessensspielräume für unternehmerische Entscheidungen, die sich bei der Ermittlung und Berechnung der Überschussbeteiligung für den VN deutlich nachteilig auswirken, sind zu benennen: In Fällen zulässiger, aber nicht unerheblicher Reduzierung der Überschussbeteiligung ist ein „nicht zu übergehendes Bedürfnis des VN“ an weiterer Information gegeben.29 Eine Pflicht des VR besteht jedoch nicht, darüber zu informieren, dass keine treuhänderische Verwaltung erfolgt.30 Auch der Rechtsanspruch auf eine verursachungsorientierte Beteiligung an den Bewertungsreserven i.S.d. § 153 Abs. 2 bedarf der Erläuterung, da der Begriff einer „Verursachungsorientierung“ unterschiedlich ausgelegt werden kann und auch vergleichbare Verteilungsgrundsätze vereinbart werden können.31 Nach wie vor gilt auch, dass ein „Versicherer, der mit Überschüssen aus der Vergangenheit wirbt, den Interessenten darüber aufklären muss, wenn sich bei Vertragsschluss abzeichnet, dass die in der Vergangenheit erzielten Überschüsse z.B. aufgrund veränderter durchschnittlicher Lebenserwartung unwahrscheinlich bis ausgeschlossen sind. […] Ausreichend ist, wenn … (dem VR) das aus dem gewählten Überschussmodell und der Verwendung veralteter oder ,unpassender‘ Sterbetafeln resultierende Risiko bei

27 28

29

Vgl. Bruck/Möller/Herrmann § 7 Rn. 24. Brömmelmeyer VersR 2009 584, 591; a.A. Bruck/Möller/Herrmann § 7 Rn. 24; Präve VersR 2008 151, 153. Vgl. BGH 9.5.2001 VersR 2001 839, 840 in Zusammenhang mit der Problematik der Rückkaufswerte; AG Hamburg 7.8.2001

30 31

VersR 2002 874, 875 mit zust. Anm. Schünemann; Schwintowski VuR 1996 223, 236; Brömmelmeyer VersR 2009 584, 591. LG München 9.1.2001 VersR 2001 970. Vgl. Brömmelmeyer VersR 2009 584, 591; Engeländer VersR 2007 155, 161.

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ordentlicher Geschäftsführung bekannt sein musste“.32 Weicht das angebotene Versicherungsprodukt erheblich von den üblichen Lebensversicherungen ab, so treffen den VR weitere Aufklärungs- und Unterrichtungspflichten, auch zur Vereinbarkeit des Produkts mit den Wünschen des VN.33

D. Informationspflichten bei fondsgebundenen Lebensversicherungen I. Rechtliche Grundlagen: § 2 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV, §§ 121 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 InvG, § 31 Abs. 3 WpHG 35

Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen, auf die § 154 nicht anwendbar ist, hat der VR dem VN Angaben über die der Versicherung zugrunde liegenden Fonds und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen, § 2 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV. Dadurch soll es dem VN ermöglicht werden, die Risiken und Chancen wie bei einem gewöhnlichen Investment abzuschätzen.34 Was dabei im Einzelnen mit § 2 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV gemeint ist, ergibt sich weder aus der Begründung der Vorschrift noch aus ihrem Wortlaut, aus ihrem europarechtlichen Hintergrund und ihrer Entstehungsgeschichte. Daher stellt sich die Frage, inwieweit hier die Grundsätze und Regelungen des Invest36 mentrechts Anwendung finden oder zumindest Bedeutung erlangen können. VR, die fondsgebundene Lebensversicherungen anbieten, fallen jedoch nicht unter den Anwendungsbereich des InvG, da sie keine Investmentvermögen nach § 1 Nr. 1 InvG „bilden“ und auch keine Kapitalanlagegesellschaften i.S.v. § 1 Nr. 2 InvG darstellen. Auch vertreiben die LebensVR keine ausländischen Investmentanteile „öffentlich“ i.S.v. § 1 Nr. 3 InvG. Das WpHG, wie es für den Vertrieb von Investmentanteilen gilt, findet keine Anwendung auf VR, § 2a Abs. 1 Nr. 4 WpHG; VR vertreiben keine Wertpapiere, sondern fondsgebundene Lebensversicherungen. Andererseits haben der Verkauf von Investmentanteilen und von fondsgebundenen 37 Lebensversicherungen i.S.v. § 54b Abs. 1, 2 VAG große Ähnlichkeiten miteinander, wenn man einmal von der Übernahme des biometrischen Risikos durch die VR absieht. Der VN, der bei der fondsgebundenen Lebensversicherung das Risiko aus der Kapitalanlage ebenso zu tragen hat wie beim Kauf von Investmentanteilen, befindet sich in einer Position, als hätte er direkt in den Fonds investiert. Er ist insoweit genauso schutzbedürftig wie der Erwerber von Investmentanteilen, beide sind gleichzustellen. Der Normzweck des § 2 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV verlangt daher, dass der VR zur Kapitalanlage dem Grundsatze nach die gleichen Informationen zu erteilen hat wie sie beim Vertrieb von Investmentanteilen vorgeschrieben sind.35 In einer Entscheidung zu Erklärungs- und Schadensersatzansprüchen bei einer 2001 abgeschlossenen anteilsgebundenen Lebensversicherung („Wealthmaster Noble“) hat der BGH diese Sicht bestätigt 36: Ist der Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft anzusehen, so ist der VR zu einer entsprechenden Aufklärung verpflichtet; er hat den VN „bereits im 32

33 34

BGH 18.4.2012 VersR 2012 1110, 1111 zu einer 1999 abgeschlossenen englischen Lebensversicherung mit einem überschussbeteiligten Investment-Sparplan. OLG Stuttgart 29.12.2012 VersR 2013 482, 483 ff. Präve VersR 2008 151, 154; ausführlich Metz

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35 36

VersR 2009 1573, 1574 unter Hinweis auf BAV VerBAV 1995 283, 286. So darf beispielsweise ein als „spekulativ“ bezeichnetes Anlagerisiko nicht verharmlost werden, OLG Düsseldorf 30.3.2004 VersR 2005 62, 63. Metz VersR 2009 1573, 1574 f. BGH 11.7.2012 VersR 2012 1237, 1238 ff.

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Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vollständig zu informieren, die für seinen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren. Das gilt insbesondere für die mit der angebotenen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken“37 und ist auch für den Fall festzustellen, das es sich nicht um einen Lebensversicherungsvertrag, sondern rechtlich um ein Kapitalisierungsgeschäft handelt. Soweit den VR strengere Aufklärungs- und Unterrichtungspflichten treffen können, weil das empfohlene Versicherungsprodukt von den üblichen fondsgebundenen Lebensversicherungen erheblich abweicht, gilt das auch für die neuartigen fondsgebundenen Produkte.38 Die Informationspflichten beim Vertrieb von Investmentanteilen ergeben sich zum 38 einen aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 InvG, wonach der vereinfachte Verkaufsprospekt in zusammengefasster und leicht verständlicher Form u.a. eine Kurzdarstellung des Sondervermögens und Informationen über die Anlageziele und die Anlagestrategie, die Besteuerung des Sondervermögens und die Kosten zu enthalten hat. Zum anderen greift für Wertpapierdienstleistungsunternehmen § 31 Abs. 3 WpHG, der zusätzliche Informationspflichten auferlegt, die dem Anleger helfen sollen, die Produkte zu verstehen und die Anlageentscheidung treffen zu können, die jedoch im Wesentlichen über die Pflichten nach dem InvG nicht hinausgehen.

II. Übernahme der investmentrechtlichen Grundsätze für die Versicherer Bei der Erteilung der Informationen durch den VR liegt es nahe, gleichfalls nach der 39 Aushändigung eines vereinfachten Verkaufsprospekts und einer Informationserteilung in anderer Form zu differenzieren. Auch für den VR muss es genügen, seinen Informationspflichten insoweit durch Übergabe eines vereinfachten Verkaufsprospekts nachzukommen. Da nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 VVG-InfoV nicht zwingend ein vereinfachter Verkaufsprospekt ausgehändigt werden muss, kann den Informationspflichten auch auf andere Weise nachgekommen werden. Dabei sind die investmentrechtlichen Anforderungen an den Informationsumfang den versicherungsrechtlichen Gegebenheiten anzupassen.39 Unter Berücksichtigung der ohnehin bereits gegebenen Informationsdichte im Lebensversicherungsbereich nach § 7 VVG und der VVG-InfoV stellt sich gerade auch in Verbindung mit fondsgebundenen Lebensversicherungen die Problematik einer Überinformation.40 Nach einem Beschluss des OLG Köln41 ergibt sich bei der fondsgebundenen Lebens- 40 versicherung keine Verpflichtung für den VR, den VN auf sog. Kick-Backs hinzuweisen. Die Entscheidung bezieht sich auf die Rechtsprechung zu Anlageberatungsverträgen, die zum Verhältnis zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelt wurde und wonach das Kreditinstitut seinen Kunden über verdeckte Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen und jährlichen Verwaltungsgebühren aufklären muss, damit der Kunde beurteilen kann, ob die Anlageempfehlung allein im Kundeninteresse nach den Kriterien analoger und objektgerechter Beratung erfolgt ist, oder im Interesse der Bank, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten.42 Ein solcher Interessenkonflikt der Bank ist dem Kunden offen zu legen, § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob 37 38 39 40

BGH 11.7.2012 VersR 2012 1237, 1241; BGH 17.2.2011 NJW-RR 2011 910 Rn. 9. OLG Stuttgart 29.10.2012 VersR 2013 482, 483 ff. Metz VersR 2009 1573, 1576. Metz VersR 2009 1573,1576 unter Hinweis auf BGH 9.5.2001 VersR 2001 841, 844.

41

42

OLG Köln 29.10.2010 VersR 2011 248, 249; zurückhaltend auch Witte/Weber zur Übertragbarkeit der Kick-back-Rechtsprechung auf den Versicherungsbereich VersR 2011 1103, 1106 f.; ebenso – allgemein – OLG Stuttgart 18.8.2011 VersR 2012 706, 708. BGH 19.12.2006 VersR 2007 953, 954.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

die Rückvergütungen einem bestimmten Geschäft unmittelbar zugeordnet werden oder in bestimmten Zeitabständen zu entrichten sind. Es reicht aus, dass die Kick-Backs umsatzabhängig sind. Wenn das OLG Köln die Rechtsprechung zur Information über Rückvergütungen im Bankenbereich auf die fondsgebundene Lebensversicherung nicht übertragen will, weil es dem VR freisteht, in welche Fonds er die Versicherungsbeiträge der VN investiert, und weil daher keine Interessenkollision entstehe, so vermag das allerdings in dieser Allgemeinheit nicht zu überzeugen. Der VN geht nicht davon aus, dass der VR bestimmte Aktien und Fonds insbes. deswegen bevorzugt einsetzt, weil ihm – dem VN gegenüber verschwiegene – Kick-Backs zufließen. Gerade auch angesichts der seit 2008 gegebenen verstärkten Kostentransparenz im Versicherungswesen kann dieser Entscheidung nicht beigepflichtet werden. Kick-Backs sind dem VN durch den VR in ähnlicher Weise zu offenbaren wie im Bankenbereich.

E. Abdingbarkeit 41

Die Regelung des § 154 ist halbzwingend, § 171.

§ 155 Jährliche Unterrichtung 1Bei Versicherungen mit Überschussbeteiligung hat der Versicherer den Versicherungsnehmer jährlich in Textform über die Entwicklung seiner Ansprüche unter Einbeziehung der Überschussbeteiligung zu unterrichten. 2 Ferner hat der Versicherer, wenn er bezifferte Angaben zur möglichen zukünftigen Entwicklung der Überschussbeteiligung gemacht hat, den Versicherungsnehmer auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von den anfänglichen Angaben hinzuweisen.

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . Tatbestand, Hinweise, Rechtsfolgen . . . Jährliche Unterrichtung über die Entwicklung des Lebensversicherungsvertrages einschließlich Überschussbeteiligung (§ 155 Satz 1) . . . . . . . . 1. Bisherige tatsächliche Entwicklung . . 2. Textform . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichweite der Unterrichtung . . . . . II. Hinweise auf Abweichungen (§ 155 Satz 2) III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 5 8

8 8 9 10 11 12

Rn. C. Weitere Informationsansprüche des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . I. Auskunftsinteresse des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruch des Versicherungsnehmers aufgrund der Auskunftsregelung des § 55 Abs. 3 VAG . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein Auskunftsanspruch auf nachvollziehbare Berechnung und Zuteilung der Überschüsse . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeiner bürgerlich-rechtlicher Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . 2. Funktion der Aufsichtsbehörde . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . .

13 13

14

17 17 22 24

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

Die Vorschrift des § 155 ist neu in das Gesetz eingefügt worden und knüpft an die Regelung des § 10a Abs. 1 VAG a.F. i.V.m. Anlage D Abschnitte I und II zu Verbraucherinformationen während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in der Lebensversiche-

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Jährliche Unterrichtung

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rung an, deren Mindestinhalt nunmehr – weithin identisch – in §§ 1, 2 und insbes. 6 VVG-InfoV niedergelegt ist. Mit diesen Bestimmungen sollten zudem die damaligen Richtlinien zur Lebensversicherung einschließlich der Gesamtrichtlinie1 umgesetzt werden (insbes. Art. 36 Abs. 2 i.V.m. Anlage III B b 2 Gesamtrichtlinie Leben). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV ist bei Versicherungsverträgen mit Überschussbeteiligung alljährlich eine Information über den Stand der Überschussbeteiligung sowie Informationen darüber zu geben, inwieweit diese Überschussbeteiligung garantiert ist. Diese Vorschrift ergänzt und überschneidet sich mit § 155.

II. Sinn und Zweck Angesichts der außerordentlich langen Laufzeiten in der kapitalbildenden Renten- und 2 Kapitalversicherung, insbes. auch, wenn die Rentenversicherung der Altersversorgung dienen soll, hat der VN ein großes Interesse daran, über die Entwicklung und den Stand seiner Versicherungsansprüche regelmäßig informiert zu werden. Das gilt insbes. auch für die Entwicklung der Modell- und sonstigen Beispielsrechnungen, so dass er notfalls weitere Maßnahmen ins Auge fassen kann, wenn beispielsweise der Aufbau seiner Altersvorsorge wegen einer langandauernden Niedrigzinsphase nicht in der Weise fortschreitet wie ursprünglich gehofft. Ein Anbieter- oder Produktwechsel ist angesichts der Rückvergütungsregelung des § 169 nach wie vor mit Verlusten verbunden und problematisch. Zwar ist der VN bei Lebensversicherungsverträgen mit Überschussbeteiligung schon 3 vor der Gesetzesreform von seinem VR während der Vertragslaufzeit jährlich über die Entwicklung des Versicherungsschutzes einschließlich der tatsächlichen Zuteilungen aus der Überschussbeteiligung informiert worden. Die Unterrichtung erfolgte jedoch sehr unterschiedlich, die Mitteilungen waren partiell nicht genügend verständlich gefasst und teilweise auch nicht vergleichbar. Hier sollte durch die Neuregelung Abhilfe geschaffen werden.2 Der Gesetzgeber ist dabei davon ausgegangen, dass die VR neben den normierten 4 Modellrechnungen auch weiterhin sonstige eigene Beispielsrechnungen und Leistungsdarstellungen an ihre VN aushändigen werden. Daher ist die Informationspflicht des Satzes 1 mit Blick auf Änderungen, die sich bei bezifferten Angaben in Modell- und sonstigen Beispielsrechnungen ergeben, ausdrücklich erweitert worden (Satz 2 der Vorschrift).3

III. Anwendbarkeit § 155 findet bei sämtlichen Lebensversicherungsformen Anwendung, bei denen Über- 5 schüsse gebildet werden, insbes. – aber nicht nur – bei den kapitalbildenden Lebensversicherungen. Die Vorschrift ist also auch bei Risikolebensversicherungen anzuwenden, soweit es bei ihnen zu einer Überschussbeteiligung kommt.4 Da die jährliche Unterrichtung des VN über die Überschussbeteiligung mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist,5

1

2 3

Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen. BTDrucks. 16/3945 S. 97. BTDrucks. 16/3945 S. 98.

4

5

Vgl. z.B. die ausführliche Bestimmung des § 2 GDV-Musterbedingungen Risikolebensversicherung zur Überschussbeteiligung. Abschlussbericht 125.

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plädiert Reiff für eine teleologische Reduktion zur Anwendbarkeit der Vorschrift, soweit die Überschussbeteiligung – wie z.B. bei der Risikolebensversicherung – nicht von größerem Gewicht sei.6 Dem ist zuzustimmen, soweit es sich nicht um eine Risikolebensversicherung mit einer hohen Versicherungssumme handelt, wie sie sich im Wirtschaftsleben nicht nur vereinzelt findet.7 Gemäß § 176 ist § 155 analog auch bei BU-Versicherungen anzuwenden, auch hier bietet sich – ebenso wie bei der fondsgebundenen Lebensversicherung – eine teleologische Reduktion der entsprechenden Vorschriften an. Analoge Anwendung findet § 155 auch bei Kapitalisierungsgeschäften. Angesichts der Vorschrift des § 211 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 gilt bei Sterbekassen ein 6 eingeschränkter Anwendungsbereich: Es bedarf keiner jährlichen Unterrichtung des VN über die Bewertungsreserven, auch bei Sterbekassen unterliegt jedoch die sonstige Überschussbeteiligung des VN der Regelung des § 155. Für die vor dem 1.1.2008 abgeschlossenen sog. Altverträge gilt § 155 ab dem 7 1.1.2009, Art. 1 Abs. 1 EGVVG.

B. Tatbestand, Hinweise, Rechtsfolgen I. Jährliche Unterrichtung über die Entwicklung des Lebensversicherungsvertrages einschließlich Überschussbeteiligung (§ 155 Satz 1) 1. Bisherige tatsächliche Entwicklung

8

Der VR hat den VN jedes Jahr erneut über die Entwicklung seiner Ansprüche zu informieren, insbes. über den Stand der Überschussbeteiligung. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV hat der VR dabei auch Informationen darüber zu geben, inwieweit diese Überschussbeteiligung bereits erfolgt ist. Damit ist die Höhe des individuellen Deckungskapitals einschließlich der jährlichen Überschüsse anzugeben, die bislang gutgeschrieben worden sind, verbunden mit einer Information darüber, unter welchen Bedingungen die Überschüsse bereits garantiert sind. Nicht zugewiesene Ansprüche sind nicht anzugeben. Die Information bezieht sich damit auf die bisherige tatsächliche Entwicklung des Vertrages, die künftige Entwicklung ist Gegenstand von § 155 Satz 2. Die Informationen müssen verständlich und klar sein, sie sind am Transparenzgebot zu messen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB); die jährliche Unterrichtung muss so vorgenommen werden, dass ein durchschnittlicher VN die Information verstehen und nachvollziehen kann,8 auch wenn § 6 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV hierzu keine weiteren Vorgaben enthält. Auch insoweit gilt, dass der VR sich einem Haftungsrisiko aussetzt, wenn er die Unverbindlichkeit der Informationen und Prognosen nicht in der gebotenen Art und Weise deutlich macht. Bei nicht hinreichender Klarstellung kann sich der VR nicht darauf berufen, dass „Standmitteilungen … kein konstitutives Schuldversprechen darstellen, sondern lediglich Wissenserklärungen, mit denen der Versicherer seiner Unterrichtungspflicht nachkommt und eine unverbindliche Prognose über die erwartete Verzinsung des eingesetzten Kapitals abgibt“.9

6 7 8

Prölss/Martin/Reiff § 155 Rn. 2; a.A. Langheid/Wandt/Heiss § 155 Rn. 7. Vgl. auch die Ausnahme in § 154 Satz 2. Vgl. Römer RuS 2008 405, 410.

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9

So aber OLG Stuttgart 9.12.2004 VersR 2005 634; vgl. auch OLG Köln 30.10.2002 VersR 2003 95, 96 – insofern sind die Entscheidungen teilweise veraltet.

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Jährliche Unterrichtung

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2. Textform Die Information über die Entwicklung der Überschussbeteiligung hat in Textform 9 nach § 126b BGB (Papierform, Email, CD-Rom usw.) zu geschehen. Hinsichtlich des näheren Zeitpunkts der Unterrichtung enthält das Gesetz keine Angaben. 3. Reichweite der Unterrichtung § 155, der sich ausdrücklich auf „Verträge mit Überschussbeteiligung“ bezieht, for- 10 dert eine Unterrichtung des VN „über die Entwicklung seiner Ansprüche“ (also sämtlicher Ansprüche und nicht nur) „unter Einbeziehung der Überschussbeteiligung. Mit stärkerem Bezug allein auf die Überschussbeteiligung ist § 6 Abs. 1 Nr. 3 formuliert, nicht jedoch § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6b sowie § 2 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, sofern sich die Änderungen aus der Reform oder sonstigen Modifizierung von Rechtsvorschriften ergeben. Ortmann10 und Krause11 befürworten dabei eine Information des VR nicht nur zur Überschussbeteiligung, sondern z.B. auch zur Höhe des jährlichen Rückkaufswerts, der beitragsfreien Versicherungssumme und sonstiger Versicherungsleistungen. Dabei ist davon auszugehen, dass der VN grundsätzlich Informationen des VR erwarten darf, wenn die zu Beginn des Lebensversicherungsvertrages als möglich dargestellten oder zugesagten Leistungen erhöht, vermindert oder in sonstiger Weise geändert werden. Krause bezieht sich dabei zu Recht auf Art. 36 II i.V.m. Anlage III B b 2 Gesamtrichtlinie Leben 2002/83, wonach Änderungen von Leistungsangaben in Gestalt eines „Zusatzvertrages“ dem VN mitzuteilen sind, soweit sie auf Änderungen von Rechtsvorschriften beruhen. Krause plädiert dafür, mit Bezug auf die englische und die französische Fassung der Richtlinie nicht nur bei Abschluss eines „Zusatzvertrages“, sondern bereits bei jeder vertraglichen Änderung bzw. Ergänzung die Informationspflicht des VR greifen zu lassen. Sinn und Zweck der Pflicht zur Unterrichtung des VN erfordern eine Information des VN bei sämtlichen Vertrags- und Leistungsänderungen (auch beispielsweise beim Rückkaufswert, den Prämien usw.) und auch, wenn die Änderungen nicht auf der Reform oder sonstigen Modifizierung rechtlicher Vorschriften beruhen. Hinsichtlich der VVG-InfoV gelangt eine Ausrichtung an Sinn und Zweck des § 6 – Weiterführung der Unterrichtung über spätere Versicherungsleistungen – und eine richtlinienkonforme Auslegung gleichfalls zu dem Ergebnis einer breiter zu sehenden Informationspflicht des VR, die Ortmann zudem aus der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung herzuleiten sucht.12 Dem ist beizupflichten.

II. Hinweise auf Abweichungen (§ 155 Satz 2) Hat der VR bezifferte Angaben zu einem konkreten Versicherungsvertrag gemacht 11 und war er deswegen (bei Vorliegen sämtlicher drei Voraussetzungen) zur Aushändigung einer normierten Modellrechnung verpflichtet, so hat er nach § 155 Satz 2 darüber hinaus den VN auf Abweichungen der inzwischen eingetretenen Entwicklung von den ursprünglichen Angaben hinzuweisen. Das gilt sowohl für unternehmensindividuelle Bei-

10 11

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 155 Rn. 3. Looschelders/Pohlmann/Krause § 155 Rn. 5–7.

12

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 155 Rn. 3.

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spielsrechnungen als auch für die normierten Modellrechnungen. Satz 2 bezieht sich daher allein auf die künftige Entwicklung der Überschussbeteiligung. Ist es zu Abweichungen von der bei Vertragsbeginn zugrunde gelegten Prognosen gekommen, hat sich also die Überschussbeteiligung anders entwickelt als zuvor angenommen und ändert sich damit auch die Einschätzung der finanziellen Entwicklung des Vertrages für die Zukunft (z.B. geringere Überschussbeteiligung angesichts eines deutlichen und längere Zeit sich hinziehenden Absinkens der Kapitalmarktrenditen), so hat der VR den VN darüber nach § 155 Satz 2 zu informieren. Dabei differenziert das Gesetz nicht nach negativen und positiven Abweichungen, auch über eine voraussichtlich höhere Überschussbeteiligung ist der VN zu unterrichten. Der VR ist dabei nicht verpflichtet, aktualisierte Modellrechnungen zu erstellen und dem VN auszuhändigen.13

III. Rechtsfolgen 12

Zweck des § 155 ist die Unterrichtung des VN über die Höhe der Überschussbeteiligung und die Ausräumung von Fehlvorstellungen bei Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von den ursprünglichen Modellen. Auch die der Korrektur dienenden Informationen sind unverbindlich; darauf hat der VR den VN auch insoweit klar und verständlich hinzuweisen, um eine Haftung zu vermeiden.14

C. Weitere Informationsansprüche des Versicherungsnehmers I. Auskunftsinteresse des Versicherungsnehmers 13

Das Auskunftsinteresse des VN ist durch die Vorschriften der §§ 154, 155 und der VVG-InfoV weitgehend abgedeckt worden. Darüber hinaus könnte jedoch auch an einen Einzelanspruch auf Auskunft oder auf eine umfassende Einsicht in sämtliche betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Berechnung und Zuteilung der Überschussbeteiligung gedacht werden, wie er z.B. von Ortmann15 und Schünemann16 bejaht wird. Bei einem solchen Anspruch wären die Kalkulationsgrundlagen des VR in nachvollziehbarer Weise offen zu legen sowie sämtliche unternehmerischen Entscheidungen mitzuteilen, die der VR während der Laufzeit des Vertrages zur Durchführung der Überschussbeteiligung zu treffen hatte. Das Auskunftsinteresse kann sich dabei einmal bei der Beendigung der Versicherung, also im Versicherungsfall oder bei Ablauf der Versicherung, zum anderen aber auch während der Laufzeit des Vertrages ergeben. Begründet wird ein solcher Auskunftsanspruch neuerdings auch mit dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG.17

13

14

BTDrucks. 16/3945 S. 98; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ortmann § 155 Rn. 6; Prölss/Martin/Knappmann § 6 VVG-InfoV Rn. 4; Römer/Langheid/Römer § 155 Rn. 8. Vgl. auch insoweit OLG Stuttgart 9.12.2004 VersR 2005 634.

282

15 16 17

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 153 Rn. 37. Schünemann VuR 2008 8, 11 f. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann a.a.O.

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Jährliche Unterrichtung

§ 155

II. Anspruch des Versicherungsnehmers aufgrund der Auskunftsregelung des § 55 Abs. 3 VAG Das so gekennzeichnete Auskunftsinteresse wird dabei nicht durch den Anspruch des 14 VN aus § 55 Abs. 3 VAG abgedeckt. Dieser Auskunftsanspruch, bei dem der VR dem einzelnen VN auf Verlangen in dem auf das Berichtsjahr folgenden Geschäftsjahr ein Stück des Rechnungsabschlusses und des Jahresberichts zu übersenden hat, ist eng begrenzt. Er erfüllte vor der Neuregelung der Überschussbeteiligung eine gewisse Funktion,18 hat mit Inkrafttreten der §§ 154, 155 und der VVG-InfoV jedoch an Bedeutung verloren. Inhaltlich ist bei dem Auskunftsanspruch nach § 55 Abs. 3 VAG allein auf den 15 Gewinn des VR abzustellen, der sich aus den Jahresberichten des VR gemäß § 55 VAG ergibt. Denn nur auf den so ermittelten Gewinn stellt das Gesetz ab, ein auf andere Weise ermittelter Gewinn kommt als Grundlage für den Überschussbeteiligungsanspruch nicht in Betracht, und auf ihn bezieht sich auch der Auskunftsanspruch des § 55 Abs. 3 VAG nicht.19 Mit dem Auskunftsanspruch soll es dem VN ermöglicht werden, sich über die Bonität 16 des VR zu unterrichten. Weder für Kreditinstitute noch für Kapitalanlagegesellschaften ist ein derartiger Auskunftsanspruch geschaffen; die Kosten für die Auskunftsverpflichtung können dem VN in Rechnung gestellt werden, dabei dürfen die Auskunftsvergütungen nicht so hoch angesetzt werden, dass sie als Abwehrpreise wahrgenommen werden.20

III. Kein Auskunftsanspruch auf nachvollziehbare Berechnung und Zuteilung der Überschüsse 1. Allgemeiner bürgerlich-rechtlicher Auskunftsanspruch Ein Auskunftsanspruch, der durch die gesetzlichen Vorschriften zur Überschussbeteili- 17 gung und die VVG-InfoV nicht abgedeckt wird, kann insbes. aus den Bedingungswerken, aus einer stillschweigenden Vereinbarung, aus § 242 BGB oder aus einer Analogie zu den gesetzlichen Auskunftspflichten des BGB hergeleitet werden. Die Bedingungswerke enthalten keinen entsprechenden Auskunftsanspruch, auch eine stillschweigende – über die gesetzliche Regelung hinausgehende – Auskunftsvereinbarung würde die vertragliche bzw. bedingungsmäßige Regelung überdehnen. Eine so weitgehende analoge Anwendung der speziellen gesetzlichen Bestimmungen usw. verbietet sich angesichts dessen, dass die Problematik seit den 80er Jahren diskutiert, aber in die Reformgesetzgebung – offenbar bewusst – nicht aufgenommen wurde.21 Am ehesten bietet sich eine Analogie zu den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften an: 18 Sie ist in der Vergangenheit auf die Auskunftspflicht des Zedenten (§ 402 BGB), des Verkäufers (§ 444 BGB), des Beauftragten (§ 666 BGB – wobei zu berücksichtigen ist, dass der kapitalbildenden Lebensversicherung das Treuhand- bzw. das Geschäftsbesorgungs-

18 19 20

Vgl. dazu BGH 8.6.1983 VerBAV 1983 298, 302. BGH 8.6.1983 VerBAV 1983 298, 300. Fahr/Kaulbach/Bähr/Kaulbach § 55 Rn. 3.

21

Zur früheren Regelung vgl. Lorenz Die Auskunftsansprüche des Versicherten zur Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung (1983).

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modell gerade nicht zugrunde liegt 22), der Gesellschaft (§ 713 BGB), des Betreuers usw. gestützt worden, wobei sich die Ausgestaltung des Anspruchs nach § 242 BGB richtet.23 Damit verbietet es sich, auf einen Auskunftsanspruch, der sich allein und unabhängig von einer Analogie zu den einzelnen im BGB normierten Auskunftspflichten auf die Vorschrift des § 242 BGB gründet, zurückzugreifen.24 Zu den Voraussetzungen eines derartigen Auskunftsanspruchs gehört es, dass der 19 Auskunftsberechtigte – hier der VN – keine Gewissheit über die Entstehung und den Umfang seines Rechts (also der Überschussbeteiligung) hat und dieses Recht, also das Recht auf Überschussbeteiligung, muss seiner Eigenart nach das Auskunftsbegehren auch rechtfertigen. Inwieweit diese Voraussetzung bei einem über die gesetzlichen Vorschriften zur Information und Unterrichtung des VN hinausreichenden Auskunftsbegehren gegeben ist, ist zweifelhaft: Denn bei der Überschussbeteiligung ist allein auf den Überschuss abzustellen, der sich aus den gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften ergibt; hierzu können sämtliche Angaben aus den nach § 155 usw. erforderlichen Informationen des VR entnommen werden. Ein auf andere Weise ermittelter Gewinn kommt als Grundlage für einen Überschussbeteiligungsanspruch nicht in Betracht, somit braucht der VR dem VN weitere Auskünfte über die Art und die Ermittlung des Überschusses auch bei einem allgemeinen Auskunftsanspruch insoweit nicht zu geben.25 Soweit diese Voraussetzung überhaupt gegeben ist, handelt es sich um einen inhaltlich gleichfalls begrenzten Auskunftsanspruch. Dem VR ist das Recht auf unternehmerische Entscheidungen bei der Überschussbeteiligung durch die Reform des VVG nicht genommen worden. Soweit dem VR Spielräume bei der Ermittlung des Überschusses verblieben sind, sind sie vom Gesetzgeber ausdrücklich gebilligt worden.26 Ferner gehört zu den Voraussetzungen eines allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Aus20 kunftsanspruchs, dass der VR die Auskunft auch unschwer erteilen kann, die Erteilung der Auskunft muss dem VR zumutbar sein. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Zu einer Offenlegung seiner Kalkulationsgrundlagen dem VN gegenüber ist der VR nicht verpflichtet.27 Wäre er dazu gezwungen, so wäre er in seinem Grundrecht aus Art. 12 GG verletzt. Eine Auskunftserteilung ist nur insoweit zumutbar, wie das Geheimhaltungsinteresse des VR gewahrt ist. Aber auch wenn die Voraussetzungen des allgemeinen Auskunftsanspruchs gegeben wären, schiede er angesichts der aufsichts- und versicherungsvertragsrechtlichen Spezialregelungen aus. Mit den schon zuvor und den seit 2008 geltenden speziellen Regelungen wurde der Interessengegensatz zwischen dem Unternehmen, dem VR auf der einen Seite (der einer zu weitreichenden Auskunft über seine internen Verhältnisse u.a. aus Wettbewerbsgründen abwehrend gegenübersteht) und dem Vertragspartner des Unternehmens auf der anderen Seite (in dessen Interesse eine möglichst weitgehende Auskunft liegt) im Wege eines ausgewogenen Kompromisses gelöst.28 Damit wird die Möglichkeit abgeschnitten, durch Analogie einen inhaltlich durch § 242 BGB bestimmten, damit ebenfalls auf Ausgleich dieses Interessengegensatzes zielenden Auskunftsanspruch zu begründen. Inhaltlich wäre bei diesem Anspruch nur der Weg zu gehen, den der Gesetzgeber bereits beschritten hat.

22 23 24 25

Bruck/Möller/Winter Einf. vor §§ 150–171 Rn. 233 ff., 244. Lorenz 28, 29. Lorenz 28, 29; vgl. auch OLG Celle 19.7.2007 VersR 2007 1501. Vgl. schon BGH 8.6.1983 VerBAV 1983 300;

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26 27 28

OLG Celle 19.7.2007 VersR 2007 1501, 1502. OLG Celle 9.3.2006 VersR 2007 930, 932. OLG Celle 19.7.2007 VersR 2007 1501. Vgl. dazu schon Lorenz 31–33.

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§ 155

Schließlich könnte der allgemeine bürgerlich-rechtliche Auskunftsanspruch dem Grund- 21 satze nach Gegenstand einer vertraglichen oder bedingungsmäßigen Regelung sein. Zu solchen Regelungen ist es jedoch nicht gekommen. Die Bestimmungen in den Bedingungswerken bzw. ihrem Anhang sind vor dem Hintergrund auch der Änderungen des Reformgesetzgebers formuliert worden, eine Erweiterung des Auskunftsanspruchs des VN im Sinne einer Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen durch Einzelauskünfte ist dadurch nicht erfolgt.29 2. Funktion der Aufsichtsbehörde Auch wenn die Funktion der Aufsichtsbehörde durch die Neuregelung des Aufsichts- 22 rechts 1994 mit Blick auf die Überschussbeteiligung teilweise beschnitten worden ist, so gehört die Überwachung der Einhaltung der rechtlichen Vorschriften bei der Überschussbeteiligung nach wie vor zu ihren Kernaufgaben. Soweit es sich bei der Tätigkeit der BaFin insoweit um die Rechtsaufsicht im Übrigen und die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips handelt, kommt es nicht zu einer Einschränkung: Gerade wenn bei einer Überprüfung der Kalkulationsgrundlagen ein Geheimhaltungsinteresse des VR tangiert sein könnte, eröffnet sich damit der Weg zu einer Überwachung durch die Aufsichtsbehörde, soweit sie sich auf gesetzliche Ermächtigungen im Sinne des Legalitätsprinzips stützen kann.30 Gerade in Fragen der unternehmerischen Betätigung, deren Offenlegung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens den VR in seinen Rechten aus Art. 12 GG verletzen könnte, ergeben sich weniger bzw. keine Bedenken bei Eingriffen der neutralen staatlichen Aufsicht. Abgesehen von möglichen Eingriffen der Aufsichtsbehörde bewirkt auch der Wettbe- 23 werb der Versicherungsunternehmen untereinander einen mäßigenden Effekt bei unternehmerischen Entscheidungen des VR zur Überschussbeteiligung.31 3. Ergebnis Der VN hat grundsätzlich gegen den VR keinen Anspruch auf Offenlegung der 24 Rechtsgrundlagen und auf Einzelauskünfte über die Höhe und die Art der Verteilung der Überschüsse. Auch Einzelauskünfte über die Berechnung des Garantiekapitals können über die gesetzliche Regelung hinaus nicht verlangt werden. Zu einer Offenlegung seiner Kalkulationsgrundlagen ist der VR nicht verpflichtet. Der VN hat grundsätzlich auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht durch ein Sachverständigengutachten den Betrag des zu verteilenden Überschusses ermittelt. Die Reform des VVG zur Überschussbeteiligung hat die Auskunftsansprüche des VN bewusst beschränkt, sie sind nur zu gewähren, soweit sie in die gesetzliche Regelung der Überschussbeteiligung und die VVGInfoV Aufnahme gefunden haben. Die Rechtslage hat sich gegenüber früher insoweit nicht geändert, damit entfällt auch die Argumentation aus Art. 19 Abs. 4 GG.

29

Vgl. LG Köln 18.10.2006 VersR 2007 343, 344; OLG Celle 19.7.2007 VersR 2007 1501, 1502.

30 31

Winter Versicherungsaufsichtsrecht 647 ff., 645. So schon BGH 8.6.1983 VerBAV 1983 301.

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§ 156

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§ 156 Kenntnis und Verhalten der versicherten Person Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen.

Schrifttum Anli Versicherung für fremde Rechnung (1967); Armbrüster Die Lebensversicherung in der zivilrechtlichen Nachfolgeplanung, in: Liber amicorum Gerrit Winter (2007) 519; Bischoff Zur Struktur von Unterlassungs- und Nebenpflichten im Schuldverhältnis, in: Liber amicorum Gerrit Winter (2007) 739; Brecher Versicherung auf fremden Tod (1912); Elsholz Die Versicherung auf fremden Tod nach deutschem und ausländischem Recht, Diss. Göttingen (1933); Fuchs Die Gefahrsperson im Versicherungsrecht, Diss. Berlin (1974); Ganz Die Fremdversicherung in der Schaden-, Lebensund Unfallversicherung (1972); Glättli Die Versicherung auf fremdes Leben, Diss. Bern (1947); Grunecke Versicherte Gefahr und Anzeigepflicht in der privaten Krankenversicherung (1965); Hasse Drittbeteiligung in der Lebensversicherung – Kapital- und Rentenversicherungen zugunsten Dritter und für fremde Rechnung einschließlich versicherungsförmig durchgeführter Altersvorsorgeverträge (2012); Knappmann Die Zurechnung des Verhaltens Dritter zu Lasten des Versicherungsnehmers, VersR 1997 261; Krause Der Begriff des versicherten Interesses und seiner Auswirkungen auf die Versicherung für fremde Rechnung (1997); Ruscher Die Besonderheiten des Versicherungsanspruchs bei der Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Köln (1961); Süß Vorvertragliche Anzeigepflicht, insbesondere in der Krankenversicherung, VersR 1952 185.

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . Tatbestand und Rechtsfolgen . . . . . . Tatbestand des § 156 VVG . . . . . . . 1. Dogmatische Einordnung . . . . . . . 2. Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . 3. Obliegenheitsverletzungen und Gefahrumstandsausschlüsse . . . . . . . . . a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . b) Informations- und Auskunftsobliegenheiten . . . . . . . . . . . c) „Vorschriften dieses Gesetzes“ – Arglistanfechtung durch den Versicherer . . . . . . . . . . . . . aa) Zurechnung einer arglistigen Täuschung . . . . . . . . . . . bb) Arglistanfechtung bei mehreren Gefahrspersonen . . . . . . . .

286

1 1 4 6 10 10 10 11 13 13 16

20 20 24

Rn. d) Verhaltensobliegenheiten . . . . . . e) Subjektive Risikoausschlüsse . . . . f) „Von rechtlicher Bedeutung“ . . . . 4. Individuelle Übernahme weiterer Pflichten/Obliegenheiten durch die Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgen des § 156 VVG . . . . . . 1. Fremdlebensversicherung auf eigene Rechnung des Versicherungsnehmers . 2. Fremdlebensversicherung auf fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . III. Einschränkung der Zurechnungsregelung 1. Fehlendes Wissen von der Einsetzung als Gefahrsperson . . . . . . . . . . . 2. Sog. natürlich Verpflichteter . . . . . 3. Berücksichtigung des Sicherungsinteresses des Versicherers . . . . . . . . 4. Obliegenheitsverletzungen in „mittelbar Täterschaft“ . . . . . . . . . . . . . C. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

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25 26 27

28 30 30 32 33 33 34 35 36 37

Kenntnis und Verhalten der versicherten Person

§ 156

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Die Norm des § 156 übernimmt die Vorgängerbestimmung des § 162 a.F. inhaltlich 1 unverändert.1 Die Vorschrift des § 162 a.F. wurde für erforderlich gehalten, weil auch bei der Versicherung fremden Lebens die vorvertragliche Anzeigepflicht denjenigen trifft, „welcher den Vertrag mit dem Versicherer schließt, nicht den, auf dessen Person die Versicherung genommen wird … Tatsächlich aber fällt bei einer Versicherung, die auf die Person eines anderen als des Versicherungsnehmers genommen wird, dem anderen zugleich die Aufgabe zu, die für die Anzeigen an den Versicherer erforderliche Auskunft zu liefern. Deshalb muss der Versicherer … in der Lage sein, sich vertragsmäßig gegen die Nachteile, die ihm aus einer unterbliebenen oder unrichtig gemachten Anzeige von Gefahrumständen erwachsen können, auch insoweit einen ausreichenden Schutz zu verschaffen, als die Verletzung der Anzeigepflicht auf das Verhalten desjenigen, auf dessen Person die Versicherung genommen ist, zurückzuführen ist. Hierzu ist er jedoch ohne eine besondere Gesetzesbestimmung nicht imstande“,2 so dass eine entsprechende Ergänzung des VVG erforderlich war. Trotz der Vorschrift des § 47 zur Versicherung für fremde Rechnung, die die Kenntnis 2 und das Verhalten des Versicherten ebenfalls in das VVG einbezieht, wurde die Bestimmung des § 156 für erforderlich gehalten, weil Lebensversicherungen auf den Tod eines anderen regelmäßig nicht auf fremde, sondern vielmehr auf eigene Rechnung des VN abgeschlossen werden. Die Formulierung des § 156 wurde an die Formulierung des § 47 zwar angeglichen, 3 doch fällt auf, dass der Versicherte für eigenes Fehlverhalten nach § 47 nicht mehr nur haftet, soweit Kenntnis und Verhalten „nach den Vorschriften dieses Gesetzes“ bedeutsam sind (so aber in § 156).

II. Sinn und Zweck Als Nichtvertragspartei kann die fremde Gefahrsperson grundsätzlich auch nicht mit 4 Rechtspflichten/Obliegenheiten belastet werden. Die Gefahrsperson kann weder zu einer Gesundheitsuntersuchung (vgl. §151) noch ohne weiteres zu Auskünften oder Anzeigen gezwungen werden. Die Vorschrift des § 156 bewirkt daher die rechtliche Gleichstellung von VN und Gefahrsperson hinsichtlich ihrer Kenntnis und ihres Verhaltens für die Konstellation einer Lebensversicherung auf fremdes Leben, und zwar für eigene Rechnung als auch für fremde Rechnung. Ebenso wie die Vorschrift des § 47 zur Gleichstellung von VN und Versichertem bei der Versicherung für fremde Rechnung dient die Norm des § 156 dem Schutz des VR, sie ergänzt die Regelungen des § 334 BGB (Bezugsberechtigter) und des § 47. Die Gleichstellung von VN und Gefahrsperson ist unabhängig davon, ob die Gefahrs- 5 person zugleich beispielsweise Wissens- oder Wissenserklärungsvertreter ist. Würde es die Regelung des § 156 nicht geben, so könnte der Lebensversicherungsinteressent allein die Rolle einer Gefahrsperson übernehmen und den VN nicht ausreichend über das vom VR zu übernehmende Risiko aufklären, um für seine Kenntnisse und sein Fehlverhalten nicht einstehen zu müssen. Es bestünde insoweit eine Missbrauchsmöglichkeit. 1

BTDrucks. 16/3945 S. 98 zu § 156.

2

Motive 219, 220.

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III. Anwendbarkeit 6

Die Vorschrift findet Anwendung auf sämtliche Formen der Lebensversicherung, bei denen die Gefahrsperson nicht zugleich der VN ist. Das gilt nicht nur für alle Todesfallversicherungen i.S.d. § 150 Abs. 2, sondern auch für sämtliche Erlebensfallversicherungen, unerheblich ist nach § 156 auch, ob es sich für um Versicherung für eigene Rechnung oder eine Versicherung für fremde Rechnung handelt. Ihre Bedeutung entfaltet die Bestimmung des § 156 jedoch im Rahmen der Versicherung für eigene Rechnung. 7 Nicht anwendbar ist § 156 auf den Bezugsberechtigten, dort gilt die Zurechnungsregelung des § 334 BGB. Die Kenntnis eines Bezugsberechtigten, der beim Vertragsschluss als Verhandlungsgehilfe des VN beteiligt war, kann dem VN nach § 278 BGB zuzurechnen sein:3 Dabei braucht der Verhandlungsgehilfe nicht maßgeblich an den Vertragsverhandlungen beteiligt zu sein. § 278 BGB schränkt die Haftung des Geschäftsherren für seinen Erfüllungsgehilfen auch für den Fall nicht ein, dass seine eigenen Interessen durch die Handlungsweise des Erfüllungsgehilfen gefährdet werden. 8 Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf eine fremde Gefahrsperson findet § 156 analoge Anwendung, § 176. 9 In Zusammenhang mit Kapitalisierungsgeschäften bedarf es des § 156 nicht. Da ein Kapitalisierungsgeschäft kein einer Todesfall- oder Erlebensfallversicherung vergleichbares biometrisches Risiko aufweist, findet die Vorschrift des § 156, die mit dem Begriff des Risikos verbunden ist, keine direkte, aber auch keine analoge Anwendung.

B. Tatbestand und Rechtsfolgen I. Tatbestand des § 156 VVG 1. Dogmatische Einordnung

10

Die Vorschrift erstreckt die Obliegenheiten/Rechtspflichten des VN bei der Fremdlebensversicherung auf die Gefahrsperson, sie sind damit sowohl an den VN als auch an die Gefahrsperson gerichtet. Damit wird auch Missbrauchsmöglichkeiten auf der VNSeite vorgebeugt. Konstruktiv unterscheidet sich § 156 von § 47 Abs. 1 dadurch, dass nach § 156 allein der VN (bzw. der Bezugsberechtigte, Zessionar usw.) den Anspruch auf die Versicherungsleistung hat und nicht die Gefahrsperson. Nach § 47 Abs. 1 ist grundsätzlich der Versicherte der Rechts- und Anspruchsinhaber. 2. Gefahrsperson

11

Nach dem Sprachgebrauch der Versicherungspraxis wird derjenige, auf dessen Leben die Versicherung läuft und der Risikoträger der Versicherung ist, als der Versicherte bezeichnet. Im juristischen Sprachgebrauch setzt sich dafür zunehmend – allerdings bei der Reform des VVG nicht durchgehend berücksichtigt – die Bezeichnung Gefahrsperson für denjenigen durch, auf dessen Leben die Versicherung läuft. Der Begriff der Gefahrsperson in seiner Bedeutung als Risikoträger der Versicherung ist eindeutiger als der

3

BGH 8.2.1989 VersR 1989 465, 466; Langheid/Wandt/Heiss § 156 Rn. 2.

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Kenntnis und Verhalten der versicherten Person

§ 156

Begriff des Versicherten, da als Versicherter in der Versicherungspraxis sowohl die Gefahrsperson als auch der Bezugsberechtigte bezeichnet zu werden pflegt. Auf den Bezugsberechtigten bezieht sich die Regelung des § 156 nicht.4 Sind durch einen Lebensversicherungsvertrag mehrere Gefahrspersonen gedeckt, so 12 kann grundsätzlich weder Kenntnis noch Verhalten der einen Gefahrsperson der anderen schaden. Dieser Grundsatz gilt nicht nur bei Kollektivlebensversicherungen. 3. Obliegenheitsverletzungen und Gefahrumstandsausschlüsse a) Übersicht. Die Kenntnis der Gefahrsperson kann bei sämtlichen gesetzlichen oder 13 bedingungsmäßigen Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten eine Rolle spielen, nicht nur – wie die Motive zu § 162 a.F.5 vermuten lassen könnten – bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht, zu denken ist z.B. auch an die Gefahrerhöhung. § 156 stellt auf die positive Kenntnis von den Umständen ab, die eine Anzeige- oder Auskunftspflicht zur Folge haben. Ein Kennenmüssen ist der Kenntnis nicht gleichstellt. Das Verhalten der Gefahrsperson kann sich auf Obliegenheiten wie die Gefahrstands- 14 pflicht bei der Gefahrerhöhung beziehen. Verhalten ist ein Handeln oder Unterlassen vor Abschluss, während der Dauer des Versicherungsvertrages und bei Eintritt des Versicherungsfalles. Darüber hinaus kann das Verhalten in Zusammenhang mit subjektiven Risikoaus- 15 schlüssen eine Rolle spielen. b) Informations- und Auskunftsobliegenheiten. Bei den Informationsobliegenheiten 16 ist in erster Linie an die vorvertragliche Anzeigepflicht zu denken, die bei Todesfallversicherungen auch in den Bedingungswerken ausführlich geregelt ist, wobei in der Regel auch die Gefahrsperson in Bezug genommen wird. So heißt es beispielsweise in § 6 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke, dass im Falle einer fremden Gefahrsperson „auch diese … für die wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung der Fragen verantwortlich“ ist. Verschweigt der gesetzliche Vertreter – der zugleich der VN ist – eines Minderjährigen 17 als Gefahrsperson die Erkrankung der Gefahrsperson an einer Bronchitis, so ist allein auf die Person des gesetzlichen Vertreters und nicht auf die Gefahrsperson selbst abzustellen, § 166 Abs. 1 BGB. Jedenfalls auf dem Gebiete des Versicherungsvertragsrechts kommt es, was die Kenntnis vertragserheblicher Umstände anbelangt, allein auf die Person des gesetzlichen Vertreters an (Ausnahme nur für den Fall der gewillkürten Vertretung nach § 2 Abs. 3 zur Rückwärtsversicherung). § 166 Abs. 2 BGB gilt nicht für den Fall der gesetzlichen Vertretung. „Handelt also der gesetzliche Vertreter nach Weisung des Minderjährigen, so kann sich der Minderjährige sehr wohl darauf berufen, der gesetzliche Vertreter habe von bestimmten Umständen keine Kenntnis gehabt, die ihm, dem Minderjährigen, bekannt waren. Der Grund dieses Unterschiedes zur rechtsgeschäftlichen Vollmacht ist der vom Gesetz bezweckte Schutz des Minderjährigen, der insoweit für sein Verhalten noch nicht verantwortlich gemacht werden soll“.6

4

Zum Begriff der Gefahrsperson und zum Einwilligungserfordernis in der Todesfallversicherung wird im Einzelnen auf Bruck/Möller/ Winter § 150 Rn. 29 ff. verwiesen.

5 6

Motive 219, 220. OLG Hamm 82.1978 VersR 1978 860, 861 – das bedeutet jedoch nicht, dass der gesetzliche Vertreter als VN den Minderjährigen auch bei

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Kapitel 5: Lebensversicherung

18

Bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht stellt sich darüber hinaus die Frage, ob bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung § 20 (Erheblichkeit der Kenntnis bei Vertragsschluss durch Vertreter in Abweichung von § 166 BGB) in die Vorschrift des § 156 einzubeziehen ist. Dagegen könnte sprechen, dass es sich bei der Norm des § 20 bereits um eine Ausdehnung der Erheblichkeit von Kenntnis und Verhalten des VN handelt. Daraus allein kann jedoch nicht geschlossen werden, § 20 werde von § 156 nicht erfasst, das wäre zu formalistisch gedacht. Die Verhaltensnormen, die den VN belasten, sollen auch die Gefahrsperson treffen, soweit die Erfüllung der Verhaltensnorm im Einflussbereich der fremden Gefahrsperson gelegen ist. § 20 gilt daher auch für die fremde Gefahrsperson.7 Weitere Informations- und Auskunftspflichten treffen die Gefahrsperson z.B. in 19 Zusammenhang mit dem Erlebensfall in der Rentenversicherung, in der Pflegerentenversicherung, der BUZ- und Unfallzusatzversicherung. c) „Vorschriften dieses Gesetzes“ – Arglistanfechtung durch den Versicherer

20

aa) Zurechnung einer arglistigen Täuschung. Hat bei einer Lebensversicherung mit fremder Gefahrsperson der Versicherte, also die fremde Gefahrsperson eine arglistige Täuschung in Ansehung anzeigepflichtiger Gefahrumstände verübt, so kann der VR den Versicherungsvertrag an sich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB anfechten. Es wäre dazu erforderlich, dass der VN die arglistige Täuschung der Gefahrsperson kannte oder kennen musste, also infolge Fahrlässigkeit nicht kannte. Für das Versicherungsrecht taugt diese Einschränkung des Anfechtungsrechts nicht. Dem VR darf zu Lasten der von ihm verwalteten Gefahrengemeinschaft kein Nachteil aus der für den VN günstigen Rollenspaltung auf der VN-Seite durch Einschaltung einer fremden Gefahrsperson erwachsen. Gerade das wäre aber der Fall, wenn etwa die Voraussetzung des § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB, dass der VN die arglistige Täuschung kannte oder kennen musste, nicht gegeben oder nicht nachweisbar ist. Dementsprechend bestimmen § 6 (4) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbil21 dende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke, dass arglistiges Verhalten der Gefahrsperson dem VN in jedem Falle zugerechnet wird, so als hätte er sich selbst arglistig verhalten. Daneben wird man auf eine arglistige Täuschung durch den Versicherten auch § 156 analog anwenden können. Das aufgezeigte besondere versicherungsrechtliche Erfordernis, die subjektiven Voraussetzungen in der Person des VN, die § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB erfordert, auszuschließen, rechtfertigt eine solche Analogie. Die in den §§ 47 und 156 übereinstimmend ausgedrückte, den besonderen Erfordernissen im Versicherungsrecht bei einer Rollenspaltung auf der VN-Seite Rechnung tragende Regelung, dass das Verhalten und die Kenntnis eines Versicherten ebenso behandelt werden sollen wie Verhalten und Kenntnis des VN, wäre lückenhaft, käme sie nicht auch auf den Fall einer arglistigen Täuschung zur Anwendung.8 Die Frage einer analogen Anwendung des § 156 bei Arglist des Versicherten wird nur dann bedeutsam, wenn in dem zugrunde liegenden Bedingungswerk eine Anfechtungsregelung nicht enthalten ist. Abzulehnen ist im Ergebnis die gleiche Auffassung, die zu einer unmittelbaren An22 wendung des § 156 gelangen will, und zwar mit der Begründung, dass § 123 BGB über

der Einwilligung nach § 150 Abs. 2 Satz 2 vertreten kann, wenn er personensorgeberechtigt ist, vgl. Bruck/Möller/Winter § 150 Rn. 41 ff.

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7 8

Fuchs 107. Röhr 183; ähnlich, aber unklar Gruneke 130.

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Kenntnis und Verhalten der versicherten Person

§ 156

§ 22 zu einer Vorschrift des VVG – „dieses Gesetzes“ i.S.d. § 156 – würde.9 Diese Ansicht überzeugt nicht, zumal der Reformgesetzgeber den Bezug auf das VVG in § 156 unverändert gelassen, in § 47 jedoch gestrichen hat.10 Zu den Vorschriften „dieses Gesetzes“ i.S.d. § 156 zählt nicht § 123 BGB, § 22 enthält keine durch § 32 geschützte eigenständige Regelung, gibt aus sich heraus kein Recht auf Anfechtung, sondern stellt nur eine Konkurrenzvorschrift dar, die besagt, dass im Falle arglistiger Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Regeln gelten.11 Unvollständig, da die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 156 nicht er- 23 wogen wird, ist eine von Magnusson12 vertretene Ansicht, nach der eine arglistige Täuschung des Versicherten dem VN nur dann zugerechnet werden soll, wenn dies vertraglich, wie z.B. durch § 6 (4) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke geschehen, vereinbart ist. Durch eine solche Vereinbarung wird die subjektive Voraussetzung des § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB auf der VN-Seite, Kenntnis oder Kennenmüssen von der Arglist des Versicherten, ausgeschlossen. Als zum Schutze der Gefahrengemeinschaft vor den Gefahren einer Rollenspaltung auf der VN-Seite erforderliche Regelung sei eine solche Vereinbarung mit dem Schutzgedanken des § 123 BGB vereinbar und daher zulässig.13 bb) Arglistanfechtung bei mehreren Gefahrspersonen. Sind in einem Lebensversiche- 24 rungsvertrage mehrere Personen versichert, so etwa bei einer Versicherung auf verbundene Leben oder bei einer Gruppenlebensversicherung, so findet für den Umfang der Arglistanfechtung seitens des VR § 139 BGB Anwendung, wenn die arglistige Täuschung in Ansehung einzelner, nicht aller Gefahrspersonen gegeben ist. Im Zweifel ist also der Gesamtvertrag nichtig. § 29 ist nicht anwendbar, da die Arglistanfechtung außerhalb der Regelung des VVG liegt. In einem solchen Falle ist der VN dafür beweispflichtig, dass die Lebensversicherung auch ausschließlich für die Gefahrsperson zustande gekommen wäre, in Ansehung derer keine arglistige Täuschung vorliegt. Gelingt dem VN dieser Nachweis, so bleibt der Versicherungsvertrag in Ansehung der Gefahrsperson, auf deren Gesundheitsverhältnisse usw. sich die arglistige Täuschung nicht bezog, aufrechterhalten.14 d) Verhaltensobliegenheiten. Selbstständige und unselbstständige Verhaltensobliegen- 25 heiten spielen in der Lebensversicherung kaum eine Rolle, das gilt auch für die Gefahrstandspflicht. Zu denken ist auch an Obliegenheiten in Zusammenhang mit der Pflegerentenversicherung, der BUZ- und Unfallzusatzversicherung. e) Subjektive Risikoausschlüsse. Auch Gefahrumstandsausschlüsse sind in Zusam- 26 menhang mit § 156 nicht von großer Bedeutung. Der Ausschluss der vorsätzlichen Selbsttötung ist ohnehin so formuliert, dass er auch bei einer Versicherung auf eigene

9 10

11 12

Süß VersR 1952 187; Gruneke 130 (widersprüchlich). In § 47 war die Entstehungsgeschichte eine andere und der Bezug auf das VVG zweifelhaft, wie Looschelders/Pohlmann/Koch § 47 Rn. 5 aufgezeigt hat. Magnusson VersR 1953 300, 301; OLG Hamburg 23.10.1974 VersR 1975 561,562. Magnusson VersR 1953 300, 301.

13

14

Eine weitere Ansicht kam zu einer unmittelbaren Anwendung des § 156 auf eine vom Versicherten verübte arglistige Täuschung, indem sie die AVB als ein Gesetz i.S.d. § 156 ansehen wollte, so Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Anm. 4 für den insoweit dogmatisch gleichen § 79. Auch diese Ansicht überzeugt nicht. AVB können kein Gesetz i.S.d. § 156 sein. Bruck/Dörstling § 8 ALB a.F. Rn. 47.

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Rechnung die Konstellation der fremden Gefahrsperson mit erfasst. Zu denken ist im Übrigen jedoch an Risikoausschlüsse in der Unfallzusatz- und BUZ-Versicherung.

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f) „Von rechtlicher Bedeutung“. Verhalten und Kenntnis sind bei Obliegenheitsverletzungen und bei Ausschlüssen von rechtlicher Bedeutung, wenn sie zur Folge haben können, dass der VR leistungspflichtig ist oder zum Rücktritt, zur Anfechtung oder zur Kündigung berechtigt ist. 4. Individuelle Übernahme weiterer Pflichten/Obliegenheiten durch die Gefahrsperson

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Die Gefahrsperson steht grundsätzlich außerhalb des Versicherungsverhältnisses. Ihre Einwilligung nach § 150 Abs. 2 dient ihrem Schutz, sie begründet keine weiteren Obliegenheiten/Pflichten für die Gefahrsperson, für die § 156 relevant werden könnte. Gleichwohl kann die Gefahrsperson über die gesetzlichen und bedingungsmäßigen 29 Obliegenheiten/Pflichten weitere Verhaltenspflichten selbstständig und individuell bei Vertragsschluss übernehmen, indem sie sich auf dem Antragsformular zur Erfüllung weiterer Obliegenheiten/Pflichten bereiterklärt. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass von der Gefahrsperson nicht mehr verlangt werden kann als vom VN: Auch für die Gefahrsperson gelten die vertraglichen Grenzen, wie sie das VVG und die AGB-Kontrolle für den VN kennt. Sonst hätte der VR die Möglichkeit, das zwingende/halbzwingende Recht des VVG bzw. des BGB mit Hilfe der Gefahrsperson zu umgehen. Der VR kann durch die Einschaltung einer Gefahrsperson nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als bei einer Eigenversicherung des VN.15

II. Rechtsfolgen des § 156 VVG 1. Fremdlebensversicherung auf eigene Rechnung des Versicherungsnehmers

30

Handelt es sich um eine Lebensversicherung mit fremder Gefahrsperson, die der VN im Wege der Einzel- oder Gruppenlebensversicherung (insbes.: im Bereiche der Betrieblichen Altersvorsorge) auf eigene Rechnung abgeschlossen hat, so führt die Nichterfüllung der Anzeige- und Verhaltensnormen ebenso zur Leistungsfreiheit, zum Rücktritt, zur Kündigung oder zur Anfechtung durch den VR wie die Obliegenheitsverletzung durch den VN. Auch ist der VR leistungsfrei, wenn die Gefahrsperson eine Gefahrenumstandsausschlussklausel verletzt. Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn es sich um eine kombinierte Eigen- und 31 Fremdlebensversicherung handelt: Auch hier kommt es zu denselben Rechtsfolgen, zu denen eine Obliegenheitsverletzung usw. durch den VN geführt hätte. Handelt es sich um eine Gruppenlebensversicherung, kann die Vorschrift des § 29 zum Zuge kommen. Wird bei einem Lebensversicherungsvertrag ein unwiderruflich oder widerruflich Bezugsberechtigter eingesetzt, so verändert sich dadurch die Person des Anspruchsberechtigten, komplizierter werden die rechtlichen Beziehung dadurch nicht. Sind auf der VN-Seite mehrere Personen beteiligt, so ist stets zu fragen, inwieweit sich eine Obliegenheitsverletzung usw. nicht nur auf den VN, sondern auch auf die übrigen auf der VN-Seite Beteiligten auswirkt.

15

Fuchs 108–112.

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Kenntnis und Verhalten der versicherten Person

§ 156

2. Fremdlebensversicherung auf fremde Rechnung Bei der seit 2008 unter die Vorschriften der §§ 43 ff. fallenden Lebensversicherung als 32 Fremdlebensversicherung auf fremde Rechnung kommt es zu einer Kombination der Regelungsinhalte der §§ 47, 156. Hinsichtlich der Kenntnis und des Verhaltens des Versicherten wird dazu auf die Kommentierung von Bruck/Möller/Brand zu § 47 verwiesen, hinsichtlich des Verhältnisses der Gefahrsperson zu den übrigen auf der VN-Seite beteiligten Personen gilt die spezielle Vorschrift des § 156.

III. Einschränkung der Zurechnungsregelung 1. Fehlendes Wissen von der Einsetzung als Gefahrsperson Mit Blick auf eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 33 stellt sich die Frage, ob die Zurechnungsproblematik des § 156 entfällt, wenn die Gefahrsperson keine Kenntnis von dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages und ihrer Einsetzung als Gefahrsperson hat. Angesichts des Einwilligungserfordernisses des § 150 Abs. 2 dürfte die Kenntnis vom Lebensversicherungsvertrag stets gegeben sein, soweit das Erfordernis reicht. In der Kollektivlebensversicherung im Bereich der Betrieblichen Altersversorgung dürfte der Arbeitnehmer als Gefahrsperson von der Einbeziehung in die Gruppenlebensversicherung stets unterrichtet sein. Einer vergleichbaren Vorschrift wie in der Versicherung für fremde Rechnung bedarf es in Zusammenhang mit § 156 daher nicht. 2. Sog. natürlich Verpflichteter Im Verhältnis VN/Gefahrsperson findet sich keine von der Rspr. entwickelte gesetz- 34 liche, bedingungsmäßige Regelung des Inhalts, dass ausschließlich der jeweils natürlich Verpflichtete betroffen ist, wenn Obliegenheiten ihrer Natur nach nur vom VN oder der Gefahrsperson (Kenntnis von Erkrankungen) erfüllt werden können.16 3. Berücksichtigung des Sicherungsinteresses des Versicherers Es findet sich auch keine gesetzliche oder sonstige Regelung des Inhalts, dass eine 35 Obliegenheit nicht vom VN oder von der Gefahrsperson zu beachten ist, falls dem Sicherungsinteresse des VR Genüge getan ist, wenn einer von ihnen die entsprechende Informations- oder Verhaltenspflicht erfüllt (Angabe von Erkrankungen durch die Gefahrsperson).17 Das ist in der Regel selbstverständlich. Es kann nicht von einer Verletzung z.B. der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den VN ausgegangen werden, wenn die Gefahrsperson der Anzeigepflicht bereits nachgekommen ist, vgl. auch § 19 Abs. 5 Satz 2. Vielmehr ist auf den Sinn und Zweck der Obliegenheit und den Schutz der Interessen des VR abzustellen, bei einer Unterlassungsobliegenheit können sowohl VN als auch Gefahrsperson das Gebot zu erfüllen haben.18

16

Zur Versicherung für fremde Rechnung vgl. dazu Bruck/Möller/Brand. § 47 Rn. 9.

17 18

Vgl. Bruck/Möller/Brand § 47 Rn. 10. Vgl. Bruck/Möller/Brand § 47 Rn. 11.

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§ 157

Kapitel 5: Lebensversicherung

4. Obliegenheitsverletzungen in „mittelbar Täterschaft“

36

Bei Aufklärungsobliegenheiten ist denkbar, dass die bösgläubige Gefahrsperson dem gutgläubigen VN gefahrerhebliche Erkrankungen verschweigt und dass der VN die falschen Angaben der Gefahrsperson im Antrag an den VR weiterleitet; hier ist die Informationsobliegenheit von VN und Gefahrsperson nicht ordnungsgemäß erfüllt.19

C. Abdingbarkeit 37

§ 156 ist grundsätzlich abdingbar, da die Vorschrift eine Regelung zugunsten des VR enthält, vgl. § 171.

§ 157 Unrichtige Altersangabe 1Ist das Alter der versicherten Person unrichtig angegeben worden, verändert sich die Leistung des Versicherers nach dem Verhältnis, in welchem die dem wirklichen Alter entsprechende Prämie zu der vereinbarten Prämie steht. 2Das Recht, wegen der Verletzung der Anzeigepflicht von dem Vertrag zurückzutreten, steht dem Versicherer abweichend von § 19 Abs. 2 nur zu, wenn er den Vertrag bei richtiger Altersangabe nicht geschlossen hätte.

Schrifttum Armbrüster Abschließende Regelung der §§ 16 ff. VVG bei Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten, LMK 22.3881; Bischoff Zur Struktur von Unterlassungs- und Nebenpflichten im Schuldrechtsverhältnis, in: Liber amicorum Gerrit Winter (2007), S. 739; Brand Grenzen der vorvertraglichen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, VersR 2009 715; Huppert Die Lebensversicherung. Falsche Angaben und Verschweigungen beim Abschlusse derselben (1896); Kalka Die Nebenpflichten im Lebensversicherungsvertrage (1964); Keinert Vorvertragliche Anzeigepflicht (1983); Knappmann Grenzen und Beschränkung der Rechte des Versicherers bei Verletzung der Anzeigepflichten (§§ 16 ff. VVG) durch den Versicherungsnehmer, RuS 1996 81; Koenig Über die Behandlung der falschen Angaben und Verschweigungen im Lebensversicherungsvertrage (1889); Lange Die vorvertragliche Anzeigepflicht nach der VVG-Reform, RuS 2008 56; Links Die Verletzung der Anzeigepflicht in der Lebensversicherung (1935); Nagel Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers im Hinblick auf gefahrerhebliche Umstände nach der VVG-Reform, MDR 2009 186; Neuhaus Die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung im neuen VVG, RuS 2008 45; Reusch Die vorvertraglichen Anzeigepflichten im neuen VVG, VersR 2007 1313; Röhr Die vorvertragliche Anzeigepflicht (1980); Schimikowski Die vorvertragliche Anzeigepflicht – Ausgewählte Probleme, RuS 2009 353; Schulz Zulässigkeit und Auswirkung der Irrtumsanfechtung eines Lebensversicherungsvertrages durch den Versicherer, insbesondere bei zu niedrig dokumentierter Prämie (1958); Weiberle Änderung der Anfragenpraxis der Versicherer in Folge der Reform des VVG, VuR 2008 170; Ziebe Die Anzeige der Gefahrenumstände in der Lebensversicherung (1931)

19

Vgl. Bruck/Möller/Brand § 47 Rn. 12 im Anschluss an Bruck/Möller/Sieg 8 § 79 Rn. 8.

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Unrichtige Altersangabe

§ 157

Übersicht Rn. A. I. II. III. IV. B.

I. II.

III. IV. V. VI. VII. C. D.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . Bedingungsregelungen . . . . . . . . . . Angabe eines zu hohen oder zu niedrigen Lebensalter durch den Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatische Einordnung der unrichtigen Altersangabe . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen falscher Altersangabe . . . 1. Versicherungstechnische Leistungsberichtigung . . . . . . . . . . . . . 2. Rücktritt des Versicherers . . . . . . . 3. Kündigung der Versicherung . . . . . 4. Keine Anwendbarkeit des § 21 Abs. 4 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussmöglichkeiten des Versicherungsnehmers oder eines Drittberechtigten . . Anfechtungsrecht aus § 123 BGB . . . . Sonderfragen bei der Angabe eines zu hohen Lebensalters . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . Anhang: Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht in der Lebensversicherung

1 1 3 4 5

6 6 7 8 10 13 15 16 17 18 20 22 23 24

Rn. I. Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorvertragliche Anzeigepflicht in der Gruppenlebensversicherung . . . . . . . 1. Differenzierung . . . . . . . . . . . . 2. Echte Gruppenlebensversicherung . . a) Umfang der vorvertraglichen Anzeigepflicht und Zeitpunkt der Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . aa) Gruppentypische Gefahrumstände . . . . . . . . . . . . bb) Besondere Gefahrumstände . . (1) Gruppe im jeweiligen, wechselnden Bestande versichert: Zwangsgruppenlebensversicherung . . . . . . . . . . (2) Nur dem Versicherer angemeldete Personen sind Versicherte: Gruppenlebensversicherung mit rechtsbegründender Anmeldung . . . (a) Versicherer hat kein Recht zur Risikoauslese . . . . . . . . . . (b) Risikoausleseberechtigung des Versicherers . . . . . . . . . . b) Anzeigepflichtiger Personenkreis . . c) Rechtsfolgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht . . 3. Unechte Gruppenlebensversicherung .

24 26 26 27

27 27 28

29

31 32 33 36 37 41

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift des § 157 übernimmt die Regelung des § 162 a.F. zur Angabe eines zu 1 niedrigen Lebensalters beim Abschluss einer Lebensversicherung und ergänzt sie um die Konstellation einer zu hohen Altersangabe. Nach dem Alter der Gefahrsperson bestimmt sich ganz wesentlich das Verhältnis zwischen der Versicherungsleistung und der vom VN zu zahlenden Versicherungsprämie. Ist ein unrichtiges Alter angegeben, so kann das Verhältnis ohne weiteres korrigiert werden. Damit lässt sich erreichen, dass der „Versicherungsvertrag trotz der unrichtigen Angabe bestehen bleibt, indem einfach das Ergebnis der Berichtigung als entscheidend für die gegenseitigen Rechtsbeziehungen des Versicherers und des Versicherungsnehmers angesehen wird“.1 Für den damaligen Gesetzgeber hatte es zunächst nahegelegen, die Berichtigung in der Weise vorzunehmen, dass die Prämie entsprechend erhöht und der VN zugleich verpflichtet wird, den erforderlichen Prämienbetrag zuzüglich Zinsen nachzuzahlen. Da dem VN damit jedoch Verpflichtungen auferlegt worden wären, deren Erfüllung ihm auf die Dauer vielleicht schwergefallen wären, wurde die Berichtigung nach § 162 Satz 1 a.F. durch Herabsetzung der Versicherungssumme vorgenommen. Die Leistungsminderung konnte unabhängig von einem Verschulden geltend gemacht werden und wurde zeitlich nicht beschränkt; ausgeschlos-

1

Motive 220.

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§ 157

Kapitel 5: Lebensversicherung

sen wurde zugleich das Recht des VR, wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vom Vertrage zurückzutreten, es sei denn, dass wirkliche Alter lag außerhalb der Grenzen, welche vom VR für den Abschluss von Versicherungsverträgen festgelegt waren. Für den Fall einer unrichtigen Altersangabe, die zur Folge hat, dass die Prämie zu hoch angesetzt wird, wurde keine gesetzliche Regelung geschaffen, weil der VN insoweit nicht Gefahr lief, seinen Versicherungsschutz durch den Rücktritt des VR zu verlieren.2 Der Reformgesetzgeber empfand eine solche Einseitigkeit der Regelung als unange2 messen und hat die Konstellation einer zu hohen Altersangabe mit der Folge einer entsprechenden Veränderung der Versicherungsleistung in die Vorschrift aufgenommen.3

II. Sinn und Zweck 3

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Angabe eines unrichtigen Alters durch den VN nicht unter die Regelung der vorvertraglichen Anzeigepflicht mit dem Rücktrittsund Kündigungsrecht des VR fallen. Stattdessen wird bei unrichtiger Altersangabe eine verhältnismäßige Anpassung der Versicherungsleistung vorgesehen. Dem VR steht das Recht der Kündigung überhaupt nicht, das Rücktrittsrecht nur zu, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen nach § 157 Satz 2 gegeben sind. Die Vorschrift hat daher den Zweck, den Lebensversicherungsvertrag möglichst aufrechtzuerhalten. Das Recht des VR, den Lebensversicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wird nicht ausgeschlossen.

III. Anwendbarkeit 4

Die Vorschrift ist auf sämtliche Formen der Lebensversicherung anwendbar. Sie gilt nicht für Kapitalisierungsgeschäfte.

IV. Bedingungsregelungen 5

In den Bedingungswerken findet sich kein Hinweis auf § 157. Soweit die Rechte aus §§ 19 ff. i.V.m. § 6 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke, § 157 und das Recht der Anfechtung nach § 22 ausgeübt werden können, bestehen sie unabhängig nebeneinander. Auch wenn das Anfechtungs- und das Rücktritts-/Kündigungsrecht nicht fristgerecht geltend gemacht werden, bleibt die Vertragsanpassung weiterhin möglich, auch erst nach Eintritt des Versicherungsfalles (dem Zeitpunkt, zu dem die unrichtige Altersangabe zumeist entdeckt wird).

2

Motive 221.

296

3

BTDrucks. 16/3945 zu § 157 S. 98.

Gerrit Winter

Unrichtige Altersangabe

§ 157

B. Angabe eines zu hohen oder zu niedrigen Lebensalter durch den Versicherungsnehmer I. Dogmatische Einordnung der unrichtigen Altersangabe § 157 regelt einen besonderen Fall der vorvertraglichen Anzeigepflicht, wie er auch 6 Gegenstand der Regelungen des § 6 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke sowie der §§ 19 ff. ist. Für den LebensVR ist das Alter ein besonders wichtiger gefahrerheblicher Umstand, und zwar sowohl für die Todesfall- als auch für die Erlebensfallversicherung. Das Alter des VN bzw. der Gefahrsperson ist in erster Linie für die Höhe des zu zahlenden Beitrages maßgebend. Das gilt insbes. auch deswegen, weil die gesundheitlichen Verhältnisse des Versicherten in den verschiedenen Altersstufen unterschiedlich zu beurteilen sind. Wird nun ein zu niedriges Lebensalter des Versicherten angegeben, so stellt sich dadurch bei allen Todesfallversicherungen oftmals die im Versicherungsvertrage nebst Formularen geschilderte Gefahrslage günstiger dar als es der wahren Gefahrslage entspricht. Wird in der Erlebensfallversicherung – also den unterschiedlichsten Formen insbes. der Rentenversicherung – ein zu hohes Lebensalter der Gefahrsperson angegeben, so stellt sich dort gleichfalls die im Versicherungsvertrag vorausgesetzte Gefahrslage günstiger dar als es der wirklich gegebenen Lebenswahrscheinlichkeit entspricht. Die Angabe des richtigen Lebensalters ist eine Obliegenheit des VN, für die mit § 157 – was die Rechtsfolgen anbelangt – eine Sonderregelung geschaffen wurde, die die allgemeinen Bestimmungen zu den Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtsverletzung verdrängt.4 Gäbe es die Vorschrift des § 157 nicht, würde sich die Verletzung dieser Obliegenheit nach §§ 19, 21 beurteilen.

II. Rechtsfolgen falscher Altersangabe Bei unrichtiger Altersangabe stehen dem VR unter unterschiedlichen Voraussetzungen 7 als Rechtsbehelfe zur Verfügung: 1. Versicherungstechnische Leistungsberichtigung § 157 Satz 1 sieht im Falle einer unrichtigen Altersangabe vorrangig eine versiche- 8 rungstechnische Leistungsberichtigung vor. Diese wird durchgeführt, indem die im Versicherungsfalle fällige Leistung in dem Verhältnisse gemindert wird, in welchem der dem wirklichen Alter entsprechende Beitrage zum vereinbarten Beitrage steht. Maßgebend sind dabei die Beitragstarife zum Zeitpunkte des Vertragsabschlusses. Die geminderte Leistung kann der VR auf einfache Weise aus seinen versicherungstechnischen Unterlagen ersehen (§§ 11, 13 VAG). Wegen dieses einfachen Weges, der bei einer Anzeigepflichtverletzung in Ansehung der Altersangabe beschritten werden kann, hat der Gesetzgeber die Regelung des § 157 getroffen. Dabei ist die Leistungsberichtigung nicht an ein Verschulden des Anzeigepflichtigen geknüpft. Sie tritt kraft Gesetzes ein. Der VR braucht dem VN gegenüber keine entsprechende Erklärung abzugeben. Ist der Versicherungsfall bereits eingetreten, so kann die Versicherungssumme auch nach der Auszahlung noch herabgesetzt werden. Der Unterschiedsbetrag zwischen ausgezahlter und berichtigter Summe ist dann gemäß §§ 812 ff. BGB an den VR zurückzuerstatten. 4

Vgl. Links 32.

Gerrit Winter

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§ 157 9

Kapitel 5: Lebensversicherung

Die versicherungstechnische Leistungsberichtigung findet nicht statt, wenn sich nach dem Geschäftsplan des VR für das wahre Alter des Versicherten derselbe Beitrage ergäbe wie für das unrichtig angegebene, der Beitragsberechnung zugrunde gelegte Alter. 2. Rücktritt des Versicherers

10

Ist nach dem Geschäftsplan des VR der Versicherte mit seinem wahren Alter nicht mehr versicherbar, da die im Geschäftsplan vorgesehene Höchstaltersgrenze überschritten würde, so eröffnet § 157 Satz 2 dem VR die Möglichkeit, auf die sonstigen Rechte bei einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückzugreifen. Unter den Voraussetzungen der §§ 19 ff., 6 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke kann der VR anstelle der Leistungsanpassung vom Versicherungsvertrage zurücktreten. § 157 Satz 2 erschöpft sich in seiner Aussage praktisch in der Aufhebung des Satzes 1 des § 157 für den Fall, dass der Versicherte mit seinem wahren Alter nicht mehr versicherbar ist.5 Diese zusätzliche Voraussetzung für die Ausübung des Rücktrittsrechts ist vom VR 11 darzulegen und auch zu beweisen. Maßgebend sind auch insoweit die dem Tarif zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages zugrunde liegenden Risikoprüfungsgrundsätze. Ist die Höchstaltersgrenze überschritten und der VN nicht mehr versicherbar, so stellt sich die Problematik des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG: Soweit in der Nichtversicherbarkeit des VN wegen Alters eine Diskriminierung im Sinne des AGG gesehen werden kann, ist die Festsetzung einer Höchstaltersgrenze unzulässig. Im Übrigen richtet sich der Rücktritt nach den Vorschriften der §§ 19 ff. Die Ausübung des Rücktrittsrechts durch den VR hat zur Folge, dass der VN einen An12 spruch auf Zahlung der Rückvergütung nach § 169 hat. Die Rechtsfolgen nach Eintritt des Versicherungsfalles ergeben sich aus § 21 Abs. 2. Der VR hat den Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Prämie bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Rücktritts. 3. Kündigung der Versicherung

13

Ist weder eine versicherungstechnische Leistungsberechtigung noch ein Rücktritt des VR möglich, an sich aber der Grundtatbestand des § 157 Satz 2 gegeben, so kann der VR den Versicherungsvertrag nach § 19 Abs. 3 Satz 2 kündigen. Denkbar ist dieser Fall vor allem bei nicht vorsätzlicher und nicht grob fahrlässiger falscher Altersangabe, z.B. aufgrund eines Schreibfehlers.6 Dabei wird der Lebensversicherungsvertrag durch Kündigung nach § 166 Abs. 1 in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt. Ist der Grundtatbestand des § 157 gegeben, der Rücktritt nach § 157 Satz 2 jedoch ausgeschlossen, so bedeutet das nicht, dass § 157 Satz 1 nunmehr entsprechend anzuwenden ist, indem das versicherbare Höchstalter fiktiv als Alter des Versicherten gewählt wird. Aus der Tatsache, dass § 157 Satz 2 nur den Rücktritt des VR erwähnt, kann nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Kündigungsmöglichkeit des § 19 Abs. 3 Satz 2 ausgeschlossen sei. Ausgeschlossen ist jedoch – abgesehen von Kulanzregelungen oder -abreden in den Fällen des § 157 Satz 2 – die Möglichkeit einer Beitragsaufbesserung nach § 19 Abs. 4 Satz 1. Denn die Voraussetzungen einer Beitragsaufbesserung stimmen mit 5

Römer/Langheid/Römer § 157 Rn. 6; Zum Rücktritt wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vgl. Bruck/Möller/Rolfs § 19 Rn. 97 ff.

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6

Zur Kündigung vgl. im Einzelnen Bruck/ Möller/Rolfs § 19 Rn. 136 ff.

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Unrichtige Altersangabe

§ 157

denen der versicherungstechnischen Leistungsberichtigung überein. § 157 ersetzt für den VR die Möglichkeit einer Beitragsaufbesserung bei fehlendem Verschulden durch die Möglichkeit der versicherungstechnischen Leistungsberichtigung, weil diese Leistungsanpassung angesichts des Charakters der Lebensversicherung als Summenversicherung einfacher abzuwickeln ist und den VN geringer belastet. Der Nachrangigkeit der Kündigung gegenüber einer Vertragskorrektur in Gestalt 14 einer Beitragsaufbesserung in § 19 Abs. 4 wird dadurch genügt, dass eine Kündigung wegen falscher Altersangabe ohnehin nur möglich ist, wenn die (die Beitragsaufbesserungsmöglichkeit ersetzende) versicherungstechnische Leistungsberichtigung undurchführbar ist. 4. Keine Anwendbarkeit des § 21 Abs. 4 VVG Auf die Regelung des § 157 kann die Zeitschranke des § 21 Abs. 4 bzw. die verkürzte 15 Frist des § 6 Nr. 3 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Normen der übrigen Bedingungswerke der Lebensversicherung keine Anwendung finden. Mit Blick auf den Sinn der Zeitschranke erscheint dies sachgerecht. § 21 Abs. 4 – ebenso wie die bedingungsmäßigen Bestimmungen – trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht im Laufe mehrerer Jahre an Bedeutung verliert, der verschwiegene oder falsch angezeigte Gefahrumstand hat sich im individuellen, konkreten Vertrage dann als praktisch unerheblich bewiesen. Eine falsche Altersangabe – zumal ein zu niedrig angegebenes Lebensalter bei Todesfallversicherungen – wirkt sich der Natur der Sache nach bei den meist auf lange Zeit angelegten Lebensversicherungen erst spät aus. Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zu anderen Gefahrumständen, etwa Krankheiten usw., auf die § 21 Abs. 4 mit Blick auf die Lebensversicherung insbes. abstellt. Fraglich ist jedoch, ob die Herausnahme einer unrichtigen Altersangabe aus dem Anwendungsbereich des § 21 Abs. 4 zulässig ist, und zwar deswegen, weil es sich hier um eine halbzwingende Norm handelt, von der zum Nachteil des VN nicht abgewichen werden kann. Eine unrichtige Altersangabe ist jedoch als ein durch die gesetzliche Vorschrift des § 157 aus den §§ 19 ff. besonders hervorgehobener Fall einer Anzeigepflichtverletzung anzusehen, auf den sich § 21 Abs. 4 nicht beziehen soll. In der Praxis wird zudem ein falsch angegebenes Alter in aller Regel erst nach Eintritt des Versicherungsfalles festgestellt, wenn nämlich der Tod des Versicherten – und damit der Geburts- und Sterbetag – dem VR bei der Geltendmachung des Anspruchs auf die Versicherungssumme nachgewiesen wird. Erst dann kann es im Normalfalle zu einer versicherungstechnischen Leistungsberichtigung kommen. Wollte man die Zeitschranke des § 21 Abs. 4 oder ähnlichgerichteter bedingungsmäßiger Bestimmungen hier anwenden, so verbliebe für § 157 Satz 1 ein so gut wie nicht gegebener Anwendungsbereich. Das gilt auch für § 157 Satz 2, da insofern die gleiche Lage gegeben ist.

III. Einflussmöglichkeiten des Versicherungsnehmers oder eines Drittberechtigten Will der VR die Versicherungssumme wegen falscher Altersangabe herabsetzen, so 16 steht es den davon Betroffenen (VN, Bezugsberechtigten usw.) frei, den Beitragsunterschied zwischen tatsächlich gezahltem und dem für die konkrete Versicherungssumme beim wahren Alter des Versicherten an sich zu zahlenden Beitrag mit angemessener Verzinsung nachzuzahlen. Einer solchen Vereinbarung zwischen VN und VR nach Feststellung der unrichtigen Altersangabe steht die Vorschrift des § 157 nicht entgegen.

Gerrit Winter

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§ 157

Kapitel 5: Lebensversicherung

IV. Anfechtungsrecht aus § 123 BGB 17

Grundsätzlich bleibt für den VR das Anfechtungsrecht nach § 123 BGB unberührt, wenn die falsche Altersangabe eine arglistige Täuschung darstellt. Dies folgt aus § 22 und steht Sinn und Zweck des § 157, dessen Ziel die Vertragsanpassung durch Herabsetzung der Leistung des VR ist, nicht entgegen. Die Klarstellung des § 22 erschien als notwendig, damit aus den Sondervorschriften der § 19 ff., 157 nicht der unrichtige Umkehrschluss gezogen wird. § 157 beinhaltet keine Sperrwirkung gegenüber § 123 BGB.7 Erklärt der VR die Anfechtung, hat er dem VN die Rückvergütung zu zahlen. Unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention wäre es rechtspolitisch verfehlt, einen arglistigen VN in ähnlicher Weise zu behandeln wie jemanden, den nur leichte oder keinerlei Fahrlässigkeit trifft. Der arglistig Handelnde ist weniger schutzwürdig als der leicht fahrlässig bzw. schuldlos Handelnde.

V. Sonderfragen bei der Angabe eines zu hohen Lebensalters 18

In der Todesfallversicherung ist die Angabe eines zu hohen Lebensalters in den Musterbedingungswerken nicht mehr geregelt. Es dürfte dazu auch nur höchst selten kommen. Nach der Regelung des § 157 ist die Versicherungssumme entsprechend dem gezahlten Beitrag aufzustocken. Der Anspruch besteht auch noch nach Auszahlung der Versicherungssumme. Zu verfahren ist dabei sinngemäß wie bei einer Angabe eines zu niedrigen Lebensalters. Eine Aufstockung der Versicherungssumme ist aber ausgeschlossen, wenn es sich um eine Todesfallversicherung ohne ärztliche Untersuchung handelt, bei der die im Wege der Leistungsanpassung aufgestockte Versicherungssumme die Obergrenze für versicherbare Summen bei Versicherungen ohne ärztliche Untersuchung überschritte. In einem solchen Falle kann der zuviel gezahlte Versicherungsbeitrag, der zur Erhöhung der Versicherungssumme über die Höchstsumme hinausführt, an den VN im Wege des Bereicherungsausgleichs zurückerstattet werden, der VR kann jedoch auch auf die ärztliche Untersuchung verzichten oder sie nachholen. 19 Bedeutsam kann der Fall der Angabe eines zu hohen Lebensalters nur bei Erlebensfallversicherungen werden, insbes. bei Leibrentenversicherungen, da bei diesen Versicherungen das Risiko gerade umgekehrt gelagert ist wie bei Todesfallversicherungen. Entsprechend hat hier die Angabe eines zu hohen Alters des Versicherten für den VR die Bedeutung wie die Angabe eines zu niedrigen Alters bei der Todesfallversicherung. Entsprechend kommt es dabei nach § 157 zu einer Leistungsberichtigung. Satz 2 des § 157 ist bei allen Erlebensfallversicherungen der Natur der Sache nach unanwendbar.8

VI. Beweislast 20

Die Unrichtigkeit der Altersangabe ist von dem Vertragspartner bzw. Dritten zu beweisen, der eine Korrektur der Versicherungsleistung erstrebt. Der VR ist im Falle des Rücktritts bzw. der Kündigung dafür beweispflichtig, dass er den Lebensversicherungsvertrag bei Kenntnis des richtigen Alters nicht geschlossen hätte (z.B. durch Vorlage der Annahmerichtlinien). 7

Vgl. für die vorvertragliche Anzeigepflicht BGH 18.3.1991 VersR 1991 1404; vgl. im Übrigen Langheid/Wandt/Heiss § 157 Rn. 13.

300

8

Vgl. zur Rentenversicherung Braa VerBAV 1979 86.

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Unrichtige Altersangabe

§ 157

Die erforderliche Belehrung nach § 19 Abs. 5 hat der VR zu beweisen; dass der VR 21 das richtige Lebensalter gekannt hat, muss der VN beweisen.

VII. Praxis Um das Alter des Versicherten nachzuprüfen, müssen die VR einen Altersnachweis 22 verlangen. Abgesehen von Leibrentenversicherungen mit sofort beginnender Rentenauszahlung wird dieser Altersnachweis bei Vertragsschluss jedoch überwiegend nicht verlangt. Der VR verlässt sich insoweit auf die im Versicherungsantrage gemachten Angaben. Bei Sterbefällen erfolgt die Altersüberprüfung zumeist durch Vorlage der Sterbeurkunde der Gefahrsperson, die auch das Geburtsdatum enthält. In der Praxis haben die Altersnachweise früher häufig zu Verzögerungen, auch bei der Auszahlung der Versicherungssumme geführt. Die VR sind daher häufig dazu übergegangen, auf einen Altersnachweis zu verzichten. Dies vor allem auch deshalb, da die unrichtigen Altersangaben in der Mehrzahl der Fälle geringfügig waren und die Erhebungen über Altersnachweise zu Verwaltungskosten führten, die im Verhältnis zu den durch unrichtige Altersangaben konkret bei der Auszahlung entstehenden Mehrkosten unverhältnismäßig waren.

C. Abdingbarkeit 23

Die Bestimmung des § 157 ist halbzwingend, § 171 Satz 1.

D. Anhang: Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht in der Lebensversicherung I. Hinweise Zur Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht im Übrigen enthält die gesetzliche 24 Regelung der Lebensversicherung keine Sonderregelung. Die Anzeigepflicht ist jedoch in den Bedingungswerken zur Todesfallversicherung ausführlich geregelt (Beispiel: § 6 GDV-Musterbedingungen kapitalbildenden Lebensversicherung). Daher wird auch für die Lebensversicherung insoweit auf Bruck/Möller/Rolfs zu 25 §§ 19 ff. verwiesen. Eine ausführliche – aber veraltete Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zur Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht in der Lebensversicherung (bis 1988) findet sich in Bruck/Möller/Winter8 F 6–159, der Tatbestand der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist kommentiert unter F 20–65.

II. Vorvertragliche Anzeigepflicht in der Gruppenlebensversicherung Schrifttum Düby Die rechtliche Natur der Kollektivversicherung (1930); Ehrenzweig Rechtsgrundsätze des Gruppenlebensversicherungsvertrages, VersR 1955 196; Franz Informationspflichten gegenüber Versicherten bei Gruppenversicherungsverträgen – ein weißer Fleck auf der Landkarte des VVG? VersR 2008 1565; Herdter Der Gruppenversicherungsvertrag – Grundlagen und ausgewählte Problemfelder (2010); Kook Der Gruppenvertrag in der Kollektivlebensversicherung, Diss. Berlin (1939); Millauer Vorvertragliche Anzeigepflicht beim Gruppenversicherungsvertrag, VersR 1964 355; ders.

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§ 157

Kapitel 5: Lebensversicherung

Rechtsgrundsätze in der Gruppenversicherung, 2. Aufl. (1966); Parthier Beiträge zur Lehre von der Gruppenlebensversicherung, Diss. Tübingen (1937); Pfropfe Rechtliche Fragen um die Gruppenlebensversicherung, Diss. Heidelberg (1936).

1. Differenzierung

26

Für die vorvertragliche Anzeigepflicht ist zwischen echter und unechter Gruppenlebensversicherung zu unterscheiden.9 Hinsichtlich der Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht bestehen zwischen echter und unechter Gruppenlebensversicherung erhebliche Unterschiede. Bei der echten Gruppenlebensversicherung stellt sich dabei die Frage, inwieweit und wann die versicherten Gruppenmitglieder, die nicht VN sind, der Anzeige selbst oder im Zusammenwirken mit der Gruppenspitze, dem VN, nachkommen müssen. 2. Echte Gruppenlebensversicherung a) Umfang der vorvertraglichen Anzeigepflicht und Zeitpunkt der Erfüllung

27

aa) Gruppentypische Gefahrumstände. Unter gruppentypischen Gefahrumständen versteht man solche, die allen für die Einbeziehung in die Gruppenlebensversicherung in Frage kommenden Gruppenmitgliedern einheitlich anhaften, z.B. eine besondere Gefährdung bei einer Betriebsgruppenlebensversicherung durch die spezielle betriebliche Arbeit. Solche Gefahrumstände hat der VN, die Gruppenspitze bei Abschluss des Gruppenlebensversicherungsvertrages gemäß §§ 19 ff. anzuzeigen, sofern Erheblichkeit i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 gegeben ist und der VR in Textform nach ihnen gefragt hat. Diese Gefahrumstände sind für die Entscheidung des VR, ob und zu welchen Bedingungen und zu welchem Tarif er den Gruppenlebensversicherungsvertrag abschließen will, maßgebend. Die Anzeigepflicht ist bis zum Abschluss des Versicherungsvertrages zu erfüllen.

28

bb) Besondere Gefahrumstände. Besondere Gefahrumstände sind in Ansehung der einzelnen Personen, die als Gruppenmitglieder als Gefahrsperson in den Versicherungsvertrag miteinbezogen werden sollen, gegebene Gefahrumstände, ähnlich wie in der Einzelversicherung die individuelle Beschaffenheit des Einzelrisikos.10 Solche Gefahrumstände sind nicht in jedem Falle anzuzeigen. Hier ist vielmehr nach Art der Vereinbarung im Gruppenlebensversicherungsvertrage zu unterscheiden.

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(1) Gruppe im jeweiligen, wechselnden Bestande versichert: Zwangsgruppenlebensversicherung. Ist bei dieser Vertragsgestaltung vereinbart, dass die Höhe des zu zahlenden Beitrags davon unabhängig sein soll, wie das Risiko in Ansehung des einzelnen Versicherten beschaffen ist (Beitragsberechnung nur nach Kopfzahl der Versicherten), so hat sich der VR seiner Entscheidungsfreiheit über den Umfang seiner künftigen Gefahrtragung begeben. Über den Umfang der Gefahrtragung entscheidet nach dieser Vertragsgestaltung praktisch der VN, indem er darüber befindet, welche Personen er als Mitglieder in die Gruppe aufnimmt, da ja jedes Gruppenmitglied automatisch versichert ist. Hier kommt es zur Versicherung auch solcher Personen, die der VR bei einer Einzelversicherung nicht oder nur als anomale Risiken versichern würde. Bei einer solchen Vertragsgestaltung besteht in Ansehung der einzelnen Versicherten keine vorvertragliche Anzeigepflicht, und

9

Zum Begriff der echten und unechten Gruppenlebensversicherung vgl. Einführung vor §§ 150–171 Rn. 102 ff., 105.

302

10

Millauer 28.

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Unrichtige Altersangabe

§ 157

zwar sowohl hinsichtlich des Zuganges als auch hinsichtlich des Anfangsbestandes. Ausnahmsweise kann hier eine vorvertragliche Anzeigepflicht für den Anfangsbestand gegeben sein, wenn dies vereinbart ist und der VR entsprechende schriftliche Fragen stellt, die die Versicherten zu beantworten haben. Der VR verlangt dies nur, wenn er die Frage, ob, zu welchen Bedingungen und zu welchem Beitrag er abschließen will, von der individuellen Gefahrslage der Versicherten im Anfangsbestande abhängig machen will und sich durch die vorvertragliche Anzeigepflicht die erforderlichen Kenntnisse verschaffen will.11 Eine Anzeigepflicht ist jedoch in Ansehung eines jeden einzelnen Versicherten zu 30 erfüllen, wenn die Beitragshöhe von der Gefahrslage bei den einzelnen Versicherten abhängen soll. Hier folgt die Anzeigepflicht jedoch nicht aus den §§ 19 ff., sondern nur aus einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung. Es geht dann nämlich nicht mehr um die Frage, ob und zu welchen Bedingungen (im Hinblick auf die Leistungspflicht des VR) die Versicherten versichert werden sollen – das aber ist die von den §§ 19 ff. vorausgesetzte Lage. Dies steht nach dem Gruppenlebensversicherungsvertrage ja bereits fest, der VR hat in dieser Frage keinen Entscheidungsspielraum mehr. Nur die Beitragspflicht soll noch von der Anzeigepflicht abhängen. Diese Anzeigepflicht kann der VR als eine zweifellos echte Rechtspflicht (auch nach der Obliegenheitslehre) mit einer Stufenklage nach § 254 ZPO bei einem Rechtsstreit über die Beitragshöhe einklagen. (2) Nur dem Versicherer angemeldete Personen sind Versicherte: Gruppenlebensver- 31 sicherung mit rechtsbegründender Anmeldung. Teilweise anders ist die Rechtslage für die vorvertragliche Anzeigepflicht, wenn der Zugang weiterer Gruppenmitglieder als Gefahrspersonen von einer Anmeldung des VN abhängt. In der Gruppenlebensversicherung behalten sich die VR oft zudem eine ausdrückliche Annahme jedes einzelnen angemeldeten Versicherten vor. Hier ist zu unterscheiden: (a) Versicherer hat kein Recht zur Risikoauslese. Bei dieser Vertragsgestaltung hat es 32 ebenfalls allein der VN in der Hand, welche Personen als Gruppenmitglieder versichert werden oder nicht. Die Rechtslage in Anlehnung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist daher ebenso wie bei der oben unter Rn. 29 erörterten Vertragsgestaltung, bei der die gesamte Gruppe in ihrem jeweiligen, wechselnden Bestande versichert sein soll. In der Gruppenlebensversicherung ist eine solche Vertragsgestaltung selten. (b) Risikoausleseberechtigung des Versicherers. Sieht der Gruppenlebensversicherungs- 33 vertrag ein Risikoausleserecht für den VR vor, so ist die vorvertragliche Anzeigepflicht ausnahmslos in Ansehung eines jeden einzelnen Gruppenmitglieds, das der VN dem VR als Gefahrsperson anmeldet, zu erfüllen. Das gilt sowohl für den Anfangsbestand als auch für den späteren Zugang. Zwar handelt es sich bei der Anzeigepflicht beim späteren Zugang nicht mehr um eine im engeren Wortsinn vor Abgabe der Vertragserklärung zu erfüllende Pflicht bzw. Obliegenheit, da der Versicherungsvertrag zwischen Gruppenspitze und VR ja bereits abgeschlossen ist. Die §§ 19 ff. dürfen jedoch nicht in einem so engen Wortsinne verstanden werden. Ihr Sinn liegt darin, dem VR vor der Übernahme eines zur Versicherung angetragenen Risikos eine Prüfung dieses Risikos zu ermöglichen, um sich aufgrund dieser Prüfung entscheiden zu können, ob und zu welchen Bedingungen er abschließen will. Der VN bzw. der Versicherte muss ihm alle für diese Entscheidungen relevanten Gefahrumstände mitteilen. Von diesem Sinn her liegt es auf der Hand, dass die §§ 19 ff. auch dort eingreifen müssen, wo dem VR ein neuer Versicherter zur

11

Millauer 26, 27.

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§ 157

Kapitel 5: Lebensversicherung

Versicherung angetragen wird und er sich entscheiden muss, ob er auch dieses Risiko versichern will. Für den Fall einer Vertragsänderung bzw. -erweiterung ist das in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt. Die Anmeldung neuer Versicherter im Rahmen einer Gruppenlebensversicherung mit Risikoausleserecht des VR ist zwar normalerweise (Ausnahme unten) bei einer Gruppenversicherung keine Vertragsänderung oder -erweiterung,12 sondern nur eine nach dem Versicherungsvertrage als möglich und zulässig ausdrücklich vereinbarte Gefahrerweiterung auf neue Versicherte. Jedoch trifft auch in Ansehung dieser Gefahrerweiterung der Sinn der §§ 19 ff. zu, so dass diese Vorschriften hier zum Zuge kommen. Ein Abstellen allein auf einen Vertragsabschluss oder eine Vertragsänderung im formellen Sinne wäre formal und liefe dem klar erkennbaren Sinn der §§ 19 ff. zuwider, die insofern auf die materielle Sachlage abstellen, ob nämlich der VR vor der Entscheidung steht, ein neues Risiko zu versichern oder nicht. Eine erweiternde Auslegung der §§ 19 ff. ist nunmehr auch deshalb geboten, weil § 19 auf eine „Vertragserklärung“ abstellt, unter der auch die Anmeldung eines neuen Gruppenmitgliedes verstanden werden kann. Das Argument des einer erweiternden Anwendung entgegenstehenden Wortlauts des § 19 hat sich daher relativiert.13 Dem steht auch die Argumentation Ehrenzweigs14 nicht entgegen, eine vertragliche 34 Ausweitung der Anzeigepflicht bis zur Anmeldung des einzelnen Versicherten sei angesichts der Vorschrift des § 32 (§ 34 a.F.) nicht zulässig: § 19 sei nicht zulasten des VN abdingbar. Ehrenzweig schlägt stattdessen vor, dass dem VN mit Sanktionsabrede die vertragliche Obliegenheit auferlegt werden solle, über individuelle Risiken neu beitretender Gruppenmitglieder aufzuklären. Der VN wäre auf diese Weise verpflichtet, das beitrittswillige Gruppenmitglied zu gefahrerheblichen Umständen zu befragen und die Ergebnisse an den VR weiterzuleiten. Ein solcher Lösungsvorschlag überzeugt allerdings nicht. Auch hier müsste – würde man Ehrenzweigs Auffassung folgen – § 32 zu berücksichtigen sein, so dass die entsprechende Vertragsabrede hinfällig sein müsste. Zudem ist Ehrenzweigs Ansicht wegen der Verkennung des Sinns der §§ 19 ff. zweifelhaft, sie führt zu unvertretbaren Folgerungen. Demgegenüber hatten auch die Praxis und früher die Aufsichtsbehörde gegen eine Anwendung der §§ 19 ff. auf den Zugang bei einer Gruppenlebensversicherung zu keiner Zeit Bedenken, vielmehr hat die Aufsichtsbehörde sogar entsprechende Vereinbarungen ausdrücklich gefordert.15 Der erörterte Meinungsunterschied wird in den meisten Gruppenlebensversicherun35 gen mit Anmeldung der Versicherten durch den VN nicht bedeutsam sein können, da in der Gruppenlebensversicherung häufig vereinbart ist, dass neben der Anmeldung neuen Zugangs durch den VN die Annahme durch den VR nötig ist.16 In diesem Falle kommt durch Anmeldung (Angebot des VN) und Annahme durch den VR ein Vertrag über die Einbeziehung jedes neuen Versicherten zustande. Die §§ 19 ff. gelangen damit auch aus diesem Grunde zur Anwendung.

12 13

14 15

A.A. Möller ZfV 1939 731; Ehrenzweig VersR 1955 197. Zum Ganzen eingehend mit überzeugender Begründung Millauer 30–35; Herdter 84 ff. plädiert für eine analoge Anwendung der §§ 19 ff. Ehrenzweig VersR 1955 198. Vgl. die Neubekanntmachung des Rundschreibens des RRA R 4/35 vom 6.12.1935 durch Rundschreiben in VA 1949 69, 70;

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16

ferner die Rundschreiben R 1/65 des BAV vom 2.2.1965 Ziff. B III VerBAV 1965 18; R 1/73 vom 4.5.1973 VerBAV 1973 128; dazu Simon/Claus VerBAV 1976 280, 283. Zur Ansicht von Ehrenzweig eingehend Millauer 30–34 mit dem gleichen Ergebnis wie hier; dem folgend auch Herdter 86 f., der zudem auf Bedenken angesichts der Vorschrift des § 47 Abs. 1 hinweist. Millauer 66.

Gerrit Winter

Unrichtige Altersangabe

§ 157

b) Anzeigepflichtiger Personenkreis. Hinsichtlich des anzeigepflichtigen Personen- 36 kreises bestehen keine Unterschiede zur Einzellebensversicherung. Soweit die vorvertragliche Anzeigepflicht überhaupt zu erfüllen ist, obliegt dem VN als Gruppenspitze in erster Linie die Anzeige gruppentypischer Gefahrumstände. Hinsichtlich der besonderen Gefahrumstände in der Person des Versicherten sind auch und in erster Linie diese anzeigepflichtig, § 156 bzw. § 47, soweit es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt, wie sie seit der VVG-Reform auch bei der Lebensversicherung Verwendung finden kann. Die Versicherten können ihre Anzeigepflicht allerdings nur insoweit erfüllen, als sie darüber orientiert sind, dass sie fremde Gefahrspersonen in der Gruppenlebensversicherung sind. Davon dürfte im Regelfall auszugehen sein; handelt es sich bei der Gruppenlebensversicherung um eine reine Erlebensfallversicherung, wäre die vorvertragliche Anzeigepflicht hinsichtlich der gesundheitlichen Verhältnisse der Gefahrsperson ohnehin bedeutungslos. c) Rechtsfolgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Bei vorsätzlicher 37 oder grob fahrlässiger Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist der VR gemäß § 19 Abs. 2 zum Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrage berechtigt, bei fahrlässiger oder schuldloser Verletzung zur Kündigung nach § 19 Abs. 3 Satz 2. Soweit der VN/die Gruppenspitze, die vorvertragliche Anzeigepflicht im Hinblick auf gruppentypische Gefahrumstände verletzt hat, kann der Rücktritt bzw. die Kündigung den gesamten Gruppenlebensversicherungsvertrag erfassen. Bezieht sich die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht auf besondere Gefahrumstände hinsichtlich einzelner Gruppenmitglieder, so kommt grundsätzlich nur ein Teilrücktritt bzw. eine Teilkündigung gemäß § 29 Abs. 1 in Betracht. Das gilt sowohl bei einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht in Ansehung des Anfangsbestandes als auch in Ansehung eines späteren Zuganges. Bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht in Ansehung besonderer Ge- 38 fahrumstände kann der VR ausnahmsweise den gesamten Vertrag durch Rücktritt oder Kündigung auflösen, wenn bei einem Teilrücktritt die Anzahl der noch verbleibenden Versicherten so gering wäre, dass der VR allein für diese Versicherten den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen hätte. Dafür ist der VR allerdings beweispflichtig. Praktisch bedeutsam kann ein solcher Rücktritt vom Gesamtversicherungsvertrag nur dann werden, wenn der Versicherungsvertrag als Begünstigungsvertrag geschlossen ist und die nach einem Teilrücktritt noch verbleibende Anzahl der Versicherten unter die von der Aufsichtsbehörde vorgeschriebene Mindestanzahl von Versicherten17 fällt. Aber auch das gilt nur mit Einschränkungen und insbes. nicht hinsichtlich des Zugangs. Bezieht sich die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht auf erst später hinzukommende Gruppenmitglieder, so wird der VR den Beweis, dass er den Versicherungsvertrag hinsichtlich der Anzahl der nach einem Teilrücktritt verbleibenden Versicherten nicht zu denselben Bedingungen abgeschlossen hätte, normalerweise nicht führen können. Denn der Umfang des späteren Zugangs lässt sich nie mit Sicherheit voraussehen und kann somit auch nicht die Grundlage für den abgeschlossenen Versicherungsvertrag und seine Bedingungen bilden. Auch das Absinken der Zahl der nach einem Teilrücktritt oder einer Teilkündigung noch verbleibenden Versicherten unter die von der Aufsichtsbehörde – bei Vereinbarung eines Begünstigungstarifes – vorgeschriebene Mindestbeteiligung kann nicht zur Vollauflösung des Versicherungsvertrages führen. Denn der spätere Wegfall der Mindest-

17

Vgl. Ziff. 1.4.1 der Hinweise für die Kollektivlebensversicherung zu Rundschreiben R 3/94 vom 10.11.1994 (VerBAV 1995 3, 5).

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§ 158

Kapitel 5: Lebensversicherung

beteiligung hindert die weitere Anwendung eines aufsichtsrechtlich genehmigten Begünstigungstarifes nicht.18 Anders verhält es sich allerdings, wenn für einen solchen Fall das Erlöschen des Begünstigungstarifes vereinbart ist.19 Im Übrigen dürfte – entgegen dem Wortlaut des § 29 – ein Rücktritt vom gesamten 39 Lebensversicherungsvertrag wegen Verletzung der individuellen vorvertraglichen Anzeigepflicht gänzlich ausscheiden, da sonst sämtliche Versicherten von den Folgen der Rückabwicklung des Vertrages betroffen wären und ihren Versicherungsschutz rückwirkend verlieren würden, ohne dass insoweit eine Differenzierung nach dem Grad des Verschuldens vorgenommen worden wäre. § 29 Abs. 1 ist daher im Wege der teleologischen Reduktion in der Gruppenlebensversicherung so auszulegen, dass lediglich ein Kündigungsrecht hinsichtlich des Gruppenlebensversicherungsvertrages in seiner Gesamtheit gegeben ist.20 Macht der VR von der Teilkündigung nach § 29 Abs. 1 Gebrauch, ist der VN nach 40 § 29 Abs. 2 berechtigt, den von den Kündigung nicht betroffenen Teil des Vertrages gleichfalls zu kündigen. 3. Unechte Gruppenlebensversicherung

41

Die unechte Gruppenversicherung ist eine besondere Vertragsform, die sich nur in der Lebensversicherung herausgebildet hat. Da sie lediglich eine Verbindung einer Vielzahl einzelner Lebensversicherungsverträge zwischen dem VR und dem einzelnen Gruppenmitgliede ist, ist die vorvertragliche Anzeigepflicht bei der unechten Gruppenlebensversicherung genauso wie bei der Einzellebensversicherung zu erfüllen. Es ergeben sich aus der Einbindung des einzelnen Gruppenmitgliedes als VN in die unechte Gruppenlebensversicherung insofern keine Besonderheiten gegenüber der Einzellebensversicherung. Anders als bei der echten Gruppenlebensversicherung ist die vorvertragliche Anzeigepflicht hier also von jedem einzelnen Gruppenmitglied als VN zu erfüllen.

§ 158 Gefahränderung (1) Als Erhöhung der Gefahr gilt nur eine solche Änderung der Gefahrumstände, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll; die Vereinbarung bedarf der Textform. (2) 1Eine Erhöhung der Gefahr kann der Versicherer nicht mehr geltend machen, wenn seit der Erhöhung fünf Jahre verstrichen sind. 2Hat der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre. (3) § 41 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Herabsetzung der Prämie nur wegen einer solchen Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrminderung angesehen werden soll.

18

Zur aufsichtsrechtlichen Problematik in Begünstigungsverträgen vgl. Prölss/Kollhosser § 81 Rn. 98; Winter Aufsichtsrecht 661 ff.

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19 20

Zum Ganzen vgl. Millauer 36–38 m.w.N.; Herdter 91 ff. Herdter 93.

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Gefahränderung

§ 158

Schrifttum Bischoff Zur Struktur von Unterlassungs- und Nebenpflichten im Schuldverhältnis, in: Liber amicorum Gerrit Winter (2007) 739; Brockmann Risiko- und Prämienänderung in der Unfallzusatzversicherung, VersR 1988 890; Felsch Neuregelung von Obliegenheiten und Gefahrerhöhung, RuS 2007 485; Hantelmann Die Gefahrerhöhung in der Lebensversicherung, Diss. Göttingen (1940); Loacker Die Gefahrerhöhung nach der VVG-Reform, VersR 2008 1285; Prölss Der Zeitpunkt des Eintritts einer Gefahrerhöhung i.S.d. §§ 23 ff. VVG, VersR 2004 576; Süßmann Der Lebensversicherungsvertrag im deutschen und schweizerischem Privatversicherungsrecht, Diss. Erlangen (1920); Werber Die Gefahrerhöhung im deutschen, französischen, italienischen, schwedischen und englischen Recht (1967); Winter Gedanken zur Gefahrenänderung in: Festgabe für Hans Möller (1972) 537.

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . Gefahrenänderung . . . . . . . . . . . Vereinbarte Gefahrerhöhung . . . . . . 1. Grundsatz und rechtsdogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen des § 158 Abs. 1 VVG a) Änderung bestimmter Gefahrumstände . . . . . . . . . . . . . b) Ausdrückliche Vereinbarung . . . . c) Textformerfordernis . . . . . . . .

Rn.

1 1 4 5 7 7

3. Rechtsfolgen einer Vereinbarung i.S.d. § 158 Abs. 1 VVG . . . . . . . . . . a) Begrenzung der Rechte des Versicherers gemäß § 158 Abs. 2 VVG . . . b) Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung . . . . . . . . . . . . II. Ausschlussfrist des § 158 Abs. 2 VVG . . III. Vereinbarte Gefahrminderung . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausdrückliche Vereinbarung der Gefahrminderung . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . C. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

7 10 10 12 13

14 15 16 17 20 20 21 24 27

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Vorgängernormen des § 158 waren die Vorschriften der §§ 164 a.F. (Gefahr- 1 erhöhung), 164a a.F. (keine Prämienherabsetzung bei Gefahrenminderung), die mit deutlichen Änderungen übernommen sind.1 Die Regelung des § 161 a.F. beinhaltete eine Einschränkung der Gefahrerhöhungsvorschriften für die Lebensversicherung. Denn es „liegt in den natürlichen Bedingungen des menschlichen Lebens, dass die Verhältnisse, die erhaltend oder verkürzend auf dasselbe einwirken, einem fortwährenden Wechsel unterliegen, und es gehört gerade zu den Aufgaben der Lebensversicherung, Deckung gegen die aus diesem Wechsel entspringende Gefahr zu bieten. Demgegenüber ist die Zahl der Umstände, welche für den Versicherer die Bedeutung haben, dass er im Falle einer ihm nachteiligen Änderung die Gefahr ablehnen muss, nur eine beschränkte“.2 Sie lassen sich schon bei Vertragsschluss genau bezeichnen. Daher sollten nach § 164 Abs. 1 a.F. nur solche Umstände als Gefahrerhöhung gelten, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhungen angesehen werden sollten. Diese Vorschrift ist unverändert als § 158 Abs. 1 übernommen worden, auch weil die Gefahrumstände „nur unsicher abzugrenzen“ sind.3

1

Zur Rechtslage vor Schaffung des VVG 1908 vgl. Bruck/Möller/Winter 8 Anm. F 175.

2 3

Motive 222, 223. BTDrucks. 16/3945 S. 98.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

2

Nach den Vorschriften der §§ 41a, 164a a.F. hatte der VN keinen gesetzlichen Anspruch auf eine angemessene Herabsetzung der Prämie, wenn gefahrerhöhende Umstände, angesichts derer eine höhere Prämie angesetzt wurde, nachträglich fortgefallen waren. Eine solche unterschiedliche Behandlung von Gefahrerhöhung und Gefahrverminderung wurde von der Reformkommission nicht als „überzeugend“ empfunden,4 zumal sich in den Bedingungswerken der Lebensversicherung und vertraglichen Vereinbarungen zuweilen auch ein Anspruch auf Herabsetzung der Prämie fand. So kam es zur Aufnahme auch der Gefahrenminderung in der Lebensversicherung in das Gesetz, allerdings gleichfalls nur im beschränkten Umfange: Ebenso wie sämtliche nicht ausdrücklich bezeichneten Umstände bei der Gefahrerhöhungsregelung außer Betracht bleiben, sind sie auch bei der Gefahrverminderung ausgeschlossen. Im Abschlussbericht findet sich dazu auch ein Beispiel: Hat der VN einen besonders unfallträchtigen Beruf, wird der VR einen Zuschlag verlangen. Der Zuschlag kann entfallen, wenn der VN diesen Beruf nicht mehr ausübt, allerdings nur, wenn der Gefahrenumstand i.S.v. § 158 Abs. 3 ausdrücklich vereinbart worden ist.5 Die Verkürzung der Ausschlussfrist des § 158 Abs. 2 auf fünf Jahre entspricht der 3 Reduzierung der Frist nach § 21 Abs. 3. Sie erfolgte angesichts des Interesses des VN daran, in einem angemessenen Zeitraum Sicherheit darüber zu erlangen, dass der Vertrag Bestand hat. Den Belastungen, denen der VN bei einer rückwirkenden Anpassung oder Rückabwicklung des Vertrages nach vielen Jahren ausgesetzt wäre, ständen „keine schutzwürdigen Interessen“ des VR gegenüber.6 Für die Fälle eines vorsätzlichen oder arglistigen Verhaltens des VN bei einer Gefahrerhöhung hat der Gesetzgeber die Regelung des § 21 Abs. 3 Satz 2 übernommen.

II. Inhalt und Zweck 4

Die Vorschrift des § 158 regelt für den Bereich der Lebensversicherung – mit häufig sich über einen langen Zeitraum erstreckenden Verträgen – die Wahrung der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung und beinhaltet – soweit es um die subjektive Gefahrerhöhung geht – auch eine Steuerung des Verhaltens des VN. Sie schränkt die Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen zur Gefahrerhöhung bzw. zur Gefahrverminderung erheblich ein, eine Erscheinung, wie sie für manche Bereiche der Massenversicherung nicht untypisch ist. In der Lebensversicherung – genauer der Todesfallversicherung – gehört es darüber hinaus zu der vom VR beim Vertragsschluss übernommenen Gefahr, dass der Versicherte älter wird, Krankheiten oder sonstige lebensverkürzende Umstände eintreten. Da die Todesfallversicherung gerade auch unter Berücksichtigung dieser Wechselfälle des Lebens, die die Möglichkeit eines Frühtodes in sich bergen, abgeschlossen wird, kann der Eintritt solcher Umstände nicht als eine Gefahrerhöhung im Rechtssinne gelten. Diesem aus dem Wesen der Lebensversicherung heraus nur engen Anwendungsbereich für die Gefahrerhöhungsvorschriften trägt § 158 Rechnung. Verbunden mit der Beschränkung ist die Einführung eines Listensystems, so dass dem VN die Bewertungsschwierigkeiten, die mit einer Gefahrenänderung verbunden sein können, erleichtert werden. Dabei korrespondieren die Gefahrerhöhungen und Gefahrverminderungen, es kommt zu einer gewissen Gleichstellung. Sämtliche nicht ausdrücklich verein-

4 5

Abschlussbericht 388, 389. Abschlussbericht 388, 389.

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6

BTDrucks. 16/3945 S. 66, 98.

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Gefahränderung

§ 158

barten Gefahränderungen sind außer Betracht zu lassen. Die Gefahrübernahme durch den VR ist – auch was künftige Risiken anbelangt – umfassender angelegt als die Gefahrtragung in anderen Versicherungszweigen.

III. Anwendbarkeit Der Anwendungsbereich der §§ 23 ff., 158 ist in der Lebensversicherung nur sehr 5 begrenzt: Bei einer Erlebensfallversicherung kann eine Gefahrerhöhung nicht als solche rechtlich bewertbar sein. Da hier nämlich gerade das Erleben des Versicherten die vom VR getragene Gefahr ist, könnten allenfalls ärztliche oder sonstige Maßnahmen, die die Gesundheit des Versicherten verbessern und damit seine Lebenserwartung erhöhen, als Gefahrerhöhungen gelten. Solche Maßnahmen als Gefahrerhöhung i.S.d. §§ 23 ff. zu bewerten, wäre jedoch geradezu sittenwidrig. Als Anwendungsbereich für § 158 Abs. 1 und damit die §§ 23 ff. verbleiben mithin nur Todesfallversicherungen.7 In der Berufsunfähigkeitsversicherung findet § 158 analoge Anwendung, § 176.8 Bei 6 Kapitalisierungsgeschäften hat die Vorschrift keine Funktion, sie ist daher nicht heranzuziehen.

B. Gefahrenänderung I. Vereinbarte Gefahrerhöhung 1. Grundsatz und rechtsdogmatische Einordnung Die Einschränkung der Gefahrerhöhungsregelung nach §§ 23 ff. erfolgt in der Weise, 7 dass nur eine solche Änderung der Gefahrumstände als Gefahrerhöhung in der Lebensversicherung gilt, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden sollen. Nur soweit der Tatbestand des § 158 Abs. 1 erfüllt ist, können die §§ 23 ff. zur Anwendung gelangen. In den GDV-Musterbedingungen zur Lebensversicherung ist eine Regelung der Gefahrerhöhung nicht erfolgt. § 158 Abs. 1 ist rechtlich in Zusammenhang mit § 27 Alternative 2 zu sehen. Dessen 8 Aussage wird praktisch umgekehrt, indem bestimmt wird, dass eine Gefahrerhöhung in der Lebensversicherung grundsätzlich nicht die Rechtsfolgen der §§ 23 ff. auslösen soll, sondern nur in ausdrücklich vereinbarten Fällen. Dadurch wird der Sinn des § 27 Alternative 2 an das Wesen der Lebensversicherung als Todesfallversicherung angepasst. Die Vereinbarung über eine Gefahrerhöhung i.S.d. § 158 Abs. 1 ist zu unterscheiden 9 von objektiven Gefahrausschlüssen, wie etwa dem Ausschluss der Kriegsgefahr nach § 4 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Früher kamen solche Gefahrenausschlussbestimmungen häufiger vor, wie z.B. auch der Ausschluss von Klima- und Berufsgefahren.

7 8

Vgl. Motive 223. OLG Saarbrücken 19.11.2003 VersR 2004 1401, 1402.

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§ 158

Kapitel 5: Lebensversicherung

2. Voraussetzungen des § 158 Abs. 1 VVG

10

a) Änderung bestimmter Gefahrumstände. Eine Gefahrerhöhung kann nur dann bedeutsam sein und die Anwendung der §§ 23 ff. nach sich ziehen, wenn die zur Zeit des Vertragsschlusses gegebene Gefahrslage nachträglich erhöht worden ist. Erforderlich für eine solche Gefahrerhöhung ist die Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen der §§ 23 ff.9 Eine Vereinbarung nach § 158 Abs. 1 kann nur einen derartigen Gefahrumstand und eine derartige Gefahrerhöhung betreffen. Dabei sind nur erhebliche Gefahrerhöhungen bedeutsam, vgl. § 27. Wenn die §§ 23 ff. nur erhebliche Gefahrerhöhungen erfassen können, so setzt dies aber logischerweise voraus, dass der betreffende Gefahrumstand selber ein erheblicher ist.10 Eine Vereinbarung über eine Gefahrerhöhung i.S.d. § 158 Abs. 1 kann also nur dann gegeben sein, wenn sie sich auf bestimmte, für sich gesehen erhebliche Gefahrumstände bezieht. Die Feststellung einer Gefahrerhöhung erfordert dabei eine Gesamtabwägung der gefahrrelevanten Umstände des Einzelfalles, bezogen allerdings nur auf die vereinbarten Gefahrerhöhungen.11 Für die Frage der Erheblichkeit gilt dabei ein rein objektiver Maßstab, wie bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist eine Beurteilung anhand der versicherungstechnischen Erfordernisse eines geordneten Versicherungsbetriebes durch einen sachkundigen VR maßgebend. Die folgt aus dem Sinn der §§ 23 ff. Dem VR muss das Recht eingeräumt werden, sich von den Pflichten aus einem Versicherungsvertrage lösen zu können, der sich nicht mehr in die Gefahrengemeinschaft einfügt, weil er ein vergleichsweise höheres Risiko in sich birgt. Objektiv unerhebliche Umstände können auch bei einer im Übrigen den Voraussetzungen des § 158 Abs. 1 entsprechenden Vereinbarung nicht von der Gefahrerhöhungsregelung erfasst werden. Leider ist insoweit die Sondervorschrift des § 158 Abs. 1 missverständlich gefasst. Wenn es heißt, dass als Erhöhung der Gefahr eine Änderung der Gefahrumstände „gilt“, welche nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden „soll“, könnte man leicht auf den Fehlschluss verfallen, dass die ausdrückliche Vereinbarung die Rechtsfolge hat, dass die Änderung bestimmter – beliebig benennbarer – Gefahrumstände stets als Gefahrerhöhung angesehen werden soll. So gelesen käme es nicht darauf an, ob die Änderung der Gefahrslage objektiv erhebliche oder unerhebliche Umstände betreffen muss.12 Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Die Vorschrift des § 158 Abs. 1, die die §§ 23 ff. nur in ihrem Anwendungsbereich eingrenzen soll, erhielte nach der Ansicht Hantelmanns einen unvertretbaren Aussagegehalt. Eine Änderung der Gefahrenlage könnte in der Lebensversicherung dann nämlich viel strenger behandelt werden als in den übrigen Versicherungszweigen, in denen § 158 Abs. 1 nicht gilt und nur objektiv erhebliche Gefahrerhöhungen in Ansehung objektiv erheblicher Gefahrumstände zur Anwendung der §§ 23 ff. führen können. Hantelmann liest aus dem Wortlaute des § 158 Abs. 1 folglich eine Verdrängung des § 27 Alternative 1 heraus,13 was rechtsdogmatisch falsch ist und dem Sinn der §§ 23 ff. entgegensteht. Liegt eine Vereinbarung i.S.d. § 158 Abs. 1 vor, wird man daher davon auszugehen haben, dass der erwähnte Gefahrumstand im Zweifel ein objektiv erheblicher ist. Den VN trifft die Beweislast für den Gegenbeweis.

9 10

Dazu im Einzelnen Bruck/Möller/MatuscheBeckmann zu §§ 23 ff. OLG Düsseldorf 5.6.1951 VersR 1951 201, 202 mit Anm. Dörstling VersR 1951 202, 203; Berufungsentscheidung zu LG Düsseldorf 11.5.1950 VersR 1950 146.

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11 12 13

Vgl. BGH 5.5.2004 VersR 2004 895, 896. So Hantelmann 11. Hantelmann 11.

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Gefahränderung

§ 158

Liegt eine Vereinbarung i.S.d. § 158 Abs. 1 vor, ist bei Eintritt einer als Gefahr- 11 erhöhung vereinbarten Krankheit usw. hinsichtlich der Gefahrerhöhung – z.B. Eintritt einer erheblichen Erkrankung – ein objektiver Maßstab anzulegen.14 Als Gefahrerhöhung in diesem Sinne ist z.B. auch eine Gewichtsabnahme von rund 25 kg in wenigen Monaten ohne äußern Anlass anzuzeigen, da eine solche Gewichtsabnahme eindeutig auf eine erhebliche Erkrankung hinweist.15 Eine objektiv für jedermann erkennbare Gefahrerhöhung in der Lebensversicherung wurde bei einem Berufswechsel (vereinbarte Gefahrerhöhung) vom Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes zum Gastwirt verneint.16 b) Ausdrückliche Vereinbarung. Über die gefahrerheblichen Umstände, für die die 12 Vorschriften der §§ 23 ff. ausnahmsweise bei einem Lebensversicherungsvertrage gelten sollen, muss zwischen VR und VN eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen werden. Eine Einigung in diesem Punkte ist erforderlich. Eine solche Vereinbarung kann für den einzelnen Vertrag mit Blick auf eine besondere Gefahrslage als Individualabrede oder allgemein durch eine Bestimmung z.B. dem zugrunde gelegten Bedingungswerk erfolgen.17 Ergeben sich die Umstände aus dem Bedingungswerk, so kann der VR bzw. der Versicherungsvermittler verpflichtet sein, den VN im Rahmen der Beratung i.S.d. §§ 6, 61 darauf hinzuweisen. Nicht um einen Fall der Gefahrerhöhung handelt es sich, wenn die Erkrankung bereits vor Antragstellung eingetreten ist, der Antragsteller aber erst nach Antragstellung bzw. Vertragsschluss von ihr erfahren hat.18 § 158 Abs. 1 verlangt dabei eine ausdrückliche Vereinbarung. Die Gefahrumstände, für die die Vorschriften der §§ 23 ff. gelten sollen, müssen näher bezeichnet werden. Der VN muss leicht feststellen können, ob in Ansehung eines Gefahrumstandes eine Gefahrerhöhung eingetreten ist oder bei Vornahme einer bestimmten Handlung eintreten wird. Von ihm darf dabei nur eine Tatsachenfeststellung, kein Werturteil verlangt werden. Allgemein gehaltene Klauseln, die z.B. nur von Gefahrerhöhung schlechthin handeln, sind keine ausdrücklichen Vereinbarungen i.S.d. § 158 Abs. 1. Dem Erfordernis der Ausdrücklichkeit entspricht es, wenn in einem Bedingungswerk der Lebensversicherung auf „insbesondere eine erhebliche Erkrankung oder Verletzung der zu versichernden Person“ abgestellt wird.19 Der Eintritt anderer als der erwähnten Gefahrumstände bzw. deren Erhöhung kann hier somit nicht als Gefahrerhöhung gelten. c) Textformerfordernis. § 158 Abs. 1 verlangt für die Vereinbarung die Textform 13 i.S.d. § 126b BGB. Damit wird der Praxis Rechnung getragen, weil die einfache Textform auch im Wege der elektronischen Versendung (Email) gewahrt werden kann. Sofern von der Möglichkeit einer Vereinbarung über eine Gefahrerhöhung Gebrauch gemacht wird, wird stets die gesamte Vereinbarung in Textform niedergelegt. Der VN vereinbart die im Antragsbogen schriftlich enthaltene Bestimmung über die Gefahrerhöhung mit seiner Unterschriftsleistung mit. Damit wird dem Text- bzw. Schriftformerfordernis genügt. Der Grund für das Textformerfordernis liegt in der Tragweite einer Vereinbarung i.S.d. § 158 Abs. 1, durch die der Freiraum des Versicherten u.U. eingeschränkt werden kann.

14 15 16 17 18

RG 23.9.1930 RGZ 130 55; OLG Köln 14.10.1931 JW 1932 2555. Gottschalk JW 1932 2555. RG 9.2.1904 Wallmann 38 1972 2045. BGH 27.6.1984 VersR 1984 884. BGH 27.6.1984 VersR 1984 884; OLG Düs-

19

seldorf 5.6.1951 VersR 1951 201; LG Kiel 9.5.1972 VersR 1973 757. Vgl. Ehrenzweig 401; a.A. Hantelmann 19; Römer/Langheid/Römer § 158 Rn. 4 bezweifelt, dass die ausdrückliche Vereinbarung in den AVB niedergelegt werden kann.

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§ 158

Kapitel 5: Lebensversicherung

3. Rechtsfolgen einer Vereinbarung i.S.d. § 158 Abs. 1 VVG

14

Liegt eine wirksame Vereinbarung i.S.d. § 158 Abs. 1, so gelten in Ansehung der ausdrücklich genannten Gefahrumstände die sonst ausgeschlossenen §§ 23 ff.20 Im Bereiche der Lebensversicherung gelten bei Anwendung der Vorschrift der §§ 23 ff. zwei Besonderheiten, die aus dem Wesen der Lebensversicherung folgen:

15

a) Begrenzung der Rechte des Versicherers gemäß § 158 Abs. 2 VVG. Der VR kann eine von § 158 Abs. 1 erfasste Gefahrerhöhung nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr geltend machen, § 158 Abs. 2. Die Anwendung der §§ 23 ff. ist dann infolge Zeitablaufs ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt jedoch für ein vorsätzliches oder arglistiges Verhalten, vgl. Satz 2 des § 158 Abs. 2.21

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b) Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung. Kündigt der VR einen Lebensversicherungsvertrag nach den §§ 23 ff., wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um, § 166 Abs. 1.22 Warum der Gesetzgeber die Umwandlung – ohne Begründung – auch auf die Konstellation eines vorsätzlichen oder arglistigen Verhaltens des VN in Zusammenhang mit einer Gefahrerhöhung erstreckt hat, lässt sich nicht zwingend nachvollziehen (Schutz von Lebensversicherungsverträgen, die der Alters- oder Hinterbliebenenversorgung dienen?). Hier stellt sich die Frage einer teleologischen Reduktion der Vorschrift des § 166, mit der Folge, dass die Bestimmung im Wesentlichen nur bei der Alters- und Hinterbliebenenversorgung gilt.

II. Ausschlussfrist des § 158 Abs. 2 VVG 17

Sämtliche Rechte des VR aus §§ 24 ff. sind ausgeschlossen, wenn seit der Gefahrerhöhung fünf Jahre, bei einem vorsätzlichen oder arglistigen Verhalten des VN zehn Jahre verstrichen sind.23 Der Ausschluss beruht auf der Erkenntnis, dass vorhandene Gefahrumstände mit Ablauf einer gewissen Zeit ihre Bedeutung für die Gefahrtragung des VR verlieren, wenn der Vertrag normal abgewickelt wird. Wird die Leistungspflicht des VR infolge einer Vertragsänderung oder Wiederherstel18 lung bzw. Rückumwandlung erweitert, beginnt die Fünfjahres- bzw. Zehnjahresfrist hinsichtlich des geänderten oder wiederhergestellten Teiles erneut zu laufen.24 Wird von dem VN dem VR ein Versicherungsfall nach Ablauf der Ausschlussfrist 19 angezeigt, obwohl er bereits während der Ausschlussfrist eingetreten ist, und wird dem VR in Zusammenhang mit dem Versicherungsfall bekannt, dass der VN seine Obliegenheiten aus der Gefahrerhöhungsregelung verletzt hat, so kann der VR von seinen Rechten trotz Ablaufes der Ausschlussfrist Gebrauch machen. Für den VN darf nicht der Anreiz gegeben sein, den Versicherungsfall erst nach Ablauf der Frist dem VR zu melden, um ihm die Ausübung seiner Rechte zu verwehren.25

20

21 22 23

Zur Darstellung der Arten, Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Gefahrerhöhung wird auf die Kommentierung zu §§ 23 ff. durch Bruck/Möller/Matusche-Beckmann verwiesen. Vgl. näher dazu § 158 Rn. 18. Näheres dazu Bruck/Möller/Winter § 166 Rn. 16 ff. Diese Regelung entspricht § 21 Abs. 3 zur Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht.

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25

Vgl. die Ausschlussfrist für die vorvertragliche Anzeigepflicht nach § 6 (5) GDVMusterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Vgl. dazu für die vorvertragliche Anzeigepflicht § 21 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2.

Gerrit Winter

Gefahränderung

§ 158

III. Vereinbarte Gefahrminderung 1. Grundsatz §§ 158 Abs. 3, 41 beziehen sich auf den Wegfall oder die Bedeutungslosigkeit von 20 Gefahrumständen. In diesen Fällen kann der VN verlangen, dass die Versicherungsprämie vom VR entsprechend herabgesetzt wird. Voraussetzung ist somit, dass ein ungünstiger, die Gefahr erhöhender Umstand weggefallen ist, für den (auch nur intern) ein Zuschlag berechnet worden ist oder angesichts dessen eine höhere Tarifklasse gewählt werden musste. Entscheidend und Voraussetzung für jede Prämienherabsetzung ist – wie bei der Gefahrerhöhung – auch hier die Gesamtschau und die Dauerhaftigkeit der Gefahrminderung.26 Gleichgestellt ist der Gefahrenminderung die irrtümliche Falschanzeige von Gefahrumständen. 2. Ausdrückliche Vereinbarung der Gefahrminderung Entsprechend der Gefahrerhöhungsregelung ist § 41 nur anwendbar, soweit die 21 Gefahrumstände, die Gegenstand einer Gefahrminderung sind, zuvor ausdrücklich vereinbart worden sind. Sämtliche nicht ausdrücklich genannten Umstände bleiben außer Betracht. Die Vorschrift des § 41 wird durch § 158 in ähnlicher Weise eingeschränkt wie die Gefahrerhöhungsregelung. Auch bei der Gefahrminderung bestehen Abgrenzungsschwierigkeiten, so dass die ausdrückliche Vereinbarung nicht nur die Funktion einer Beschränkung der Vertragsänderungsmöglichkeiten besitzt, sondern auch der Rechtsklarheit und -sicherheit dient. In der Begründung zu § 15827 finden sich Beispiele einer nicht gegebenen bzw. gege- 22 benen Gefahrminderung: Ist der Beruf des VN mit einem deutlich erhöhten Risiko von Berufskrankheiten verbunden, die auch erst nach einem Berufwechsel ausbrechen und zu einem verfrühten Todes des VN führen können, so dürfte der Berufswechsel in einem solchen Falle nicht zum Gegenstand der ausdrücklichen Vereinbarung werden. Anders verhält es sich in dem – bereits oben Rn. 2, 12 erwähnten – Fall eines unfallträchtigen Berufs. Wiederum anders dürfte der Fall zu beurteilen sein, dass der VN unter starkem Übergewicht und den bekannten gesundheitlichen Folgen leidet; nimmt er nunmehr schlagartig ab, so braucht sich seine Lebenserwartung nicht ebenso schlagartig verlängert zu haben: Auch in diesem Fall kann eine ausdrückliche Vereinbarung für Klarheit sorgen. Es liegt dabei im Ermessen der Parteien (insbes. des VR), welche risikoreduzierenden Umstände sie in die ausdrückliche Vereinbarung aufnehmen und damit eine besonders verbraucherfreundliche Regelung schaffen wollen. Allerdings ist auch die Erheblichkeitsschwelle zu beachten, da das Gesetz die Gefahrerhöhung und die Gefahrminderung gleichstellen will.28 Das Formerfordernis des § 158 Abs. 1 Halbsatz 2 gilt auch für Abs. 3 (wiederum aus 23 Gleichstellungsgründen).

26

Im Einzelnen Bruck/Möller/Beckmann § 41 Rn. 6 ff.; vgl. im Übrigen auch Langheid/ Wandt/Heiss § 158 Rn. 12 ff.

27 28

BTDrucks. 16/3945 S. 98. BTDrucks. 16/3945 S. 98.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

3. Rechtsfolgen

24

Die Herabsetzung der Prämie erfolgt auf Verlangen des VN, dabei handelt es sich um ein Gestaltungsrecht des VN.29 Das Herabsetzungsverlangen bedarf in der Regel der Schriftform.30 25 Die Ausschlussregelung des § 158 Abs. 2 findet auf die Gefahrminderung keine 26 Anwendung.

C. Abdingbarkeit 27

§ 158 ist halbzwingend, § 171 Satz 1.

§ 159 Bezugsberechtigung (1) Der Versicherungsnehmer ist im Zweifel berechtigt, ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen sowie an die Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. (2) Ein widerruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. (3) ein unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leistung des Versicherers bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter.

Schrifttum Armbrüster Die Lebensversicherung in der zivilrechtlichen Nachfolgeplanung in: Liber amicorum für Gerrit Winter (2007) 519; ders./Pilz Schicksal des Lebensversicherungsvertrages in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, KTS 2004 481; Baroch Castellví Zuordnung des Anspruchs auf den Rückkaufswert bei geteiltem Bezugsrecht in der gemischten Lebensversicherung, VersR 1998 410; ders. Zur Verteilung des Rückkaufswerts einer Kapitallebensversicherung, VersR 1999 570; Bayer Der Vertrag zugunsten Dritter (1995); ders. Die Sicherungszession der Rechte aus einer Lebensversicherung und ihrer Auswirkungen auf die Bezugsberechtigung, VersR 1989 17; Blomeyer Die Inanspruchnahme des Rückkaufswerts eines widerruflichen Direktversicherungs-Bezugsrechts im Unternehmenskonzern, DB 1988 962; Böhm Besteuerung von auf dem Zweitmarkt erworbenen deutschen Lebensversicherungen (2010); Bork Der Lebensversicherungsvertrag in der Insolvenz des Versicherungsnehmers in: FS für Helmut Kollhosser I (2004) 57; Brecher Die Interessenconflicte bezüglich der Lebensversicherungssumme (1902); Bruck/Dörstling Das Recht des Lebensversicherungsvertrages, 2. Aufl. (1933); Dieckmann Wertveränderungen des Nachlasses, Pflichtteil – Pflichtteilergänzung – Anfechtung in: Festschrift für Günther Beitzke (1979) 399; Dietrich Ansprüche der Begünstigten einer Direktversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, in: Liber discipulorum für Gerrit Winter (2002) 55; Dogan Die Funktionen der Lebensversicherung, in: Aktuelle Probleme des Versicherungsvertrags-, Versicherungsaufsichts- und Vermittlerrechts (2013), 133; Elfring Dritt-

29 30

Bruck/Möller/Beckmann § 81 Rn. 14. § 14 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die ent-

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sprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

wirkungen der Lebensversicherung (2003); ders. Das System der drittbezogenen Ansprüche bei der Lebensversicherung, NJW 2004 483; ders. Die Lebensversicherung im Erbrecht, ZEV 2004 305; Fenyves Die Secondhand-Polizze in der Haftpflichtversicherung des Versicherungsmaklers, RdW 2008 137; Finger Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall, Diss. Frankfurt (1968); ders. Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall – eine Umfrage bei den deutschen Lebensversicherungsgesellschaften, VersR 1986 508; ders. Lebensversicherung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe und § 2077 BGB, VersR 1990 230; Flitsch/Herbst Lebensversicherungsverträge in der Insolvenz des Arbeitgebers, BB 2003 317; Frels Mitteilungspflichten des Lebensversicherers gegenüber dem Begünstigten oder einem Zessionar, Pfandgläubiger und Pfändungsgläubiger des Versicherungsnehmers, VersR 1970 984; Frey Lebensversicherung und Nachlaßinteressen, Diss. Tübingen (1996); Fromm Familienfürsorge, Kreditbeschaffung und Gläubigerbefriedigung durch die Lebensversicherung, Diss. Bonn 1939; von Gierke Der Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter nach deutschem und ausländischem Recht (1936); Gittermann Der Widerruf einer Bezugsberechtigung im Lebensversicherungsvertrag, Diss. Göttingen (1953); Glauber Widerruf der Bezugsberechtigung und § 130 Abs. 2 BGB – Ein Scheinproblem, VersR 1993 938; Harder Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall (1968); Hasse Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Dritter – Rechtsvergleichend nach deutschem, schweizerischem und französischem Recht (1981); ders. Zur gesetzlichen Neuregelung der Zwangsvollstreckung in Kapitallebensversicherungen, VersR 2004 958; ders Zwangsvollstreckung in Kapitallebensversicherungen – eine kritische Bestandsaufnahme de lege lata, VersR 2005 15; ders. Zur gemischten Lebensversicherung zugunsten Dritter, VersR 2005 1176; ders. Lebensversicherung und erbrechtliche Ausgleichsansprüche – Abhandlung unter kritischer Würdigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (2005); ders. Zum Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersversorgung und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzordnung, VersR 2006 145; ders. Änderungen für Altersvorsorgeverträge durch das Jahressteuergesetz 2007 – Fortbestehen eines grundlegenden Reformbedürfnisses bei sogenannten „Rürup-Verträgen“, VersR 2007 277; ders. Der neue Pfändungsschutz der Altersvorsorge und Hinterbliebenenabsicherung, VersR 2007 870; ders. Zur „kondiktionsfesten“ Anspruchszuwendung bei der Todesfalllebensversicherung zugunsten Dritter durch eine sachgerechte Konstruktion des Valutaverhältnisses, VersR 2008 590; ders. Das Valutaverhältnis bei der Todesfalllebensversicherung zugunsten Dritter – zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 21.5.2008 (IV ZR 238/06), VersR 2008 1054; ders. Lebensversicherung und Pflichtteilsergänzung – zur ausgleichsrechtlichen Behandlung mittelbarer Zuwendungen, VersR 2009 733; ders. Zur Lebensversicherung für fremde Rechnung – Rechtliche Zulässigkeit und „versichertes Interesse“ im Bereich in der Lebensversicherung, VersR 2010 837; ders. Lebensversicherung und § 80 VVG 2008: Fehlendes „versichertes Interesse“, VersR 2010 1118; ders. Zweitmarkt für Lebensversicherungen und „versichertes Interesse“, VersR 2011 156; ders. Drittbeteiligung in der Lebensversicherung – Kapital- und Rentenversicherungen zugunsten Dritter und für fremde Rechnung einschließlich versicherungsförmig durchgeführter Altersvorsorgeverträge (2012); ders. Ausgleichspflichten bei der Kapitalversicherung (2012); Hassold Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis (1981); Heilmann Die Begünstigung in der Kapitallebensversicherung, VersR 1972 997; ders. Zur Rechtslage des schenkungshalber Begünstigten bei dem Vertrage zugunsten Dritter (Begünstigung), insbesondere bei der Kapitallebensversicherung, VersR 1980 516; Hilbig Der Umfang des § 2325 BGB bei Lebensversicherungen, ZEV 2008 262; Hinkel/Laskos Das eingeschränkte unwiderrufliche Bezugsrecht in der Insolvenz des Arbeitgebers, ZinsO 2006 1253; Hoffmann Der Vertrag zugunsten Dritter von Todes wegen, eine Erbeinsetzung im Valutaverhältnis, AcP 158 178; Honsel Verkauf von Lebensversicherungen im deutschen Zweitmarkt in: Liber amicorum Gerrit Winter (2007) 505; Horn Kapitalversicherungsverträge in der familienrechtlichen Praxis, in: Liber discipulorum für Gerrit Winter (2002) 119; Josef Lebensversicherung und Pflichtteilsergänzungsanspruch, ArchBürgR 42 319; Joseph Lebensversicherung und Abtretung (1990); Kayser Die Lebensversicherung im Spannungsfeld der Interessen von Insolvenzmasse, Bezugsberechtigung und Sicherungsnehmer – eine Zwischenbilanz in: FS für Gerhart Kreft (2004) 341; ders. Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers (2006); Keil Der Zweitmarkt für Lebensversicherungspolicen – Deutschland, Großbritannien und die USA (2006); Kollhosser Aktuelle Fragen der vorweggenommenen Erbfolge, AcP 194 231; König Die Drittbegünstigung in der Kapitallebensversicherung im deutschen und englischen Recht (1998); ders. „Gebrauchte (Risiko-)Lebensversicherungen“ als Kapitalanlage, VersR 1996 1328; Kühl Der Einsatz von Lebens-

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

versicherungen als Kreditsicherungsmittel in Deutschland und Frankreich (2005); Kühlmorgen Die Lebensversicherungsverträge zugunsten Dritter (1927); Lackner/Lexa Die Rechte des Käufers eines Lebensversicherungsvertrages in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, NJW 2007 1176; Langenfeld Abgrenzung von ehebezogenen Zuwendungen und Leistungen innerhalb einer Ehegatteninnengesellschaft, ZEV 2000 14; Lorenz Zur Kapitallebensversicherung für den Todesfall – Umfang und Art des Rechtserwerbs durch den bei Vertragsschluß ohne besondere Abreden bezeichneten Bezugsberechtigten in: FS für Schwebler (1986) 349; ders. Zur Anwendbarkeit erbrechtlicher Vorschriften auf Drittbegünstigungen durch eine Kapitallebensversicherung auf den Todesfall in: Festschrift für Dieter Farny (1994) 335; ders. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Lebensversicherung, Bittburger Gespräche, Jahrbuch 2006/II 27; Morhard „Unbenannte Zuwendungen“ zwischen Ehegatten – Rechtsfolgen und Grenzen der Vertragsgestaltung, NJW 1987 1734; Müller-Feldhammer Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Versprechensempfängers, NZI 2001 343; Muscheler Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall und Erbenwiderruf WM 1994 921; Petersen Die Lebensversicherung im Bürgerlichen Recht, AcP 2004 832; Prahl Die Abtretung des Kündigungsrechts des VN nach § 165 VVG bei der gemischten Kapitallebensversicherung, VersR 1999 944; ders. Der Anspruch auf den Rückkaufswert einer gemischten Kapitallebensversicherung – Rechtliche Zuordnung und selbstständige Abtretbarkeit, NVersZ 2000 502; ders. Zur Pfändung des Kündigungsrechts des Versicherungsnehmers bei der gemischten Kapitallebensversicherung, NVersZ 2001 151; Progl Die Reichweite des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2325 BGB bei Lebensversicherungszuwendungen und die Rechtsfiguren der mittelbaren Schenkung und der ehebedingten Zuwendung, ZErb 2008 288; Riedel Der Zweitmarkt für private Lebensversicherungen, in: Aktuelle Probleme des Versicherungsvertrags-, Versicherungsaufsichts- und Vermittlerrechts (2013) 183; Rudy Der „verschenkte Gegenstand“ i.S.d. § 2325 Abs. 1 BGB bei der Zuwendung von Versicherungsleistungen durch die Bestimmung eines Bezugsberechtigten nach dem Urteil des BGH vom 28.4.2010, VersR 2010 895, VersR 2010 1395; Sandweg Ehebedingte Zuwendungen und ihrer Drittwirkung, NJW 1989 1965; Scherer Die Gläubigeranfechtung der Bezugsberechtigung und der Prämienzahlung beim Lebensversicherungsvertrag zu Rechten Dritter, Diss. Mainz (1991); Schmalz-Brüggemann Die Rechtsstellung des Bezugsberechtigten aus einem Lebensversicherungsvertrag, ZEV 1996 84; Schnepp Nochmals – Zur Wirkung der nicht angezeigten Abtretung von Lebensversicherungsforderungen, VersR 1991 949; Sieg Der Versicherungsvertrag als Vertrag zugunsten Dritter, ZVersWiss 1995 697; Sieprath Der Handel mit gebrauchten Lebensversicherung aus versicherungsvertragsrechtlicher, aufsichtsrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht (2007); ders. Der Lebensversicherungs-Zweitmarkt – eine Kurzbetrachtung, DRiZ 2008 49; Stake Die Pflichten aus der ehelichen Lebensgemeinschaft und ihre gerichtliche Durchsetzung, JA 1994 115; Stegmann/Lind Der Lebensversicherungsvertrag in der Insolvenz, NVersZ 2002 193; Tappmeier Erbeinsetzung und Bezugsberechtigung des Ehegatten aus einer Kapitallebensversicherung nach Scheidung der Ehe, DNotZ 1987 715; Thiel Die Anfechtung der (Um-)Benennung des Bezugsberechtigten für die Todesfallversicherung gemäß § 134 Abs. 1 InsO, ZIP 2002 1232; Thiele Lebensversicherung und Nachlaßgläubiger, Diss. Hamburg (1968); Voit Das Ende einer Zugewinnausgleichsoase, FamRZ 1992 1385; Völkel Bereicherungsanspruch gegen einen bezugsberechtigten Ehegatten aus einer Kapitallebensversicherung, VersR 1992 539; Vollersen Die Hinterlegung durch den Lebensversicherer – Königsweg oder Holzweg, ZGS 2009 305; Wagner Zur Wirkung der nicht angezeigten Abtretung von Lebensversicherungsforderungen, VersR 1991 622; Wedemann Beschränkung der Vermögenssorge bei Lebensversicherungen, FamRZ 2009 1197; Wernicke Der Zweitmarkt für Lebensversicherungen in der Bundesrepublik Deutschland – ein Rechtsvergleich mit dem britischen und US-amerikanischen Recht (2009); Westhelle/Micksch Die insolvenzrechtliche Abwicklung der Direktversicherung, ZIP 2003 2054; Winter Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger (1989); ders. Ausgewählte Fragen der Lebensversicherung, ZVersWiss 1991 203; Wollmann Private Altersvorsorge und Gläubigerschutz (2010); Zehner Versicherungssumme und Nachlassinteressen, AcP 153 424; Zum Schrifttum vor 1988 vgl. die Angaben bei Bruck/Möller/Winter8 H 23, H 206, H 251, H 262, H 274.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Übersicht Rn. A. I. II. III. IV. V. B. I. II.

III.

IV.

V.

VI.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . Bedingungsregelungen . . . . . . . . . Bezugsberechtigung und der Schutz Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezugsberechtigter . . . . . . . . . . . Terminologie . . . . . . . . . . . . . . Lebensversicherung zu eigenen Gunsten und zugunsten Dritter . . . . . . . . . 1. Lebensversicherungsvertrag zu eigenen Gunsten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbindung der Lebensversicherung zu eigenen Gunsten mit der Lebensversicherung zugunsten Dritter . . . Funktionen der Lebensversicherung: Widerstreitende Interessen auf der Versicherungsnehmerseite . . . . . . . 1. Hinterbliebenenversorgung . . . . . 2. Kreditsicherungsfunktion und Versorgungsinteresse des Versicherungsnehmers und des Bezugsberechtigten . a) Interessenwiderstreit bei widerruflicher Bezugsberechtigung . . . . . b) Interessenwiderstreit bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung . . . c) Flexibilität der rechtlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interessenkonflikt zwischen den bezugsberechtigten Angehörigen und den Gläubigern des Versicherungsnehmers 4. Versorgungsinteresse der Begünstigten und Ausgleichsinteressen der Nachlassbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliche und vertragliche Grundlagen 1. Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . 2. Regelung in den Bedingungswerken . Ausgestaltungen des Bezugsrechts . . . 1. Widerrufliche Bezugsberechtigung . . a) Rechtslage vor dem Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . b) Rechtslage nach dem Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . 2. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . 3. Geteilte Bezugsberechtigung . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . b) Ausgestaltung der geteilten Anspruchsberechtigung . . . . . . . aa) Widerrufliche Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . bb) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . Benennung des Bezugsberechtigten . . . 1. Selbstständigkeit der Begünstigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . 2. Benennung des Bezugsberechtigten als Gestaltungsgeschäft . . . . . . . . .

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Rn. 3. Bezeichnungsbefugnis . . . . . . . . 4. Gegenstand der Bezugsberechtigung . 5. Begründung der Bezugsberechtigung . a) Einseitigkeit der Begünstigungserklärung . . . . . . . . . . . . . b) Empfangsbedürftigkeit, Anzeige an den Versicherer . . . . . . . . . . aa) Keine Empfangsbedürftigkeit durch den Bezugsberechtigten . bb) Empfangsbedürftigkeit durch den Versicherer . . . . . . . . c) Schriftliche Anzeige an den Versicherer . . . . . . . . . . . . . . 6. Bezeichnungsinhalt . . . . . . . . . 7. Schriftform . . . . . . . . . . . . . a) Keine erbrechtliche Form, Differenzierung hinsichtlich der Schriftform b) Einsetzung eines Bezugsberechtigten im Antragsformular . . . . . . . . c) Einsetzung des Bezugsberechtigten nach Vertragsschluss . . . . . . . d) § 13 (4) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung als dem Schutz des Versicherers dienende Vorschrift . . . e) Abrede zur Formfreiheit . . . . . 8. Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Nichtigkeit der Bezugsberechtigung . a) Nichtigkeitsgründe . . . . . . . . b) Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot . . . . . . . . . . . . . . c) Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB . aa) Geliebtenbegünstigung . . . . bb) Beweislastverteilung . . . . . . cc) Sicherungsbegünstigung eines Kreditgebers . . . . . . . . . dd) Rechtserwerb des Versicherungsnehmers bei Nichtigkeit der Bezugsberechtigung . . . . . . . ee) Rechtliche Position des Versicherers bei sittenwidriger Bezugsberechtigung . . . . . . . . . (1) Kein Zurückweisungsrecht des Versicherers . . . . . . . . . . (2) Schutz des Versicherers durch analoge Anwendung des § 409 BGB . . . . . . . . . . . . . . ff) Kein Rückforderungsrecht des Versicherungsnehmers gegen den Bezugsberechtigten . . . . . . d) Sittenwidrigkeit der Zurückweisung einer Bezugsberechtigung . . . . . e) Exkurs: Anfechtung einer Bezugsrechtseinräumung . . . . . . . . . VII. Beziehungen zwischen dem Bezugsberechtigten und dem Versicherer . . . . . 1. Rechtserwerb durch den Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt des Rechtserwerbs durch den Bezugsberechtigten . . . . . . . . . .

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung Rn.

a) § 331 BGB als grundlegende Norm b) Regelfall: Rechtserwerb beim Eintritt des Versicherungsfalles . . . . aa) Aufschiebende Befristung des Rechtserwerbs . . . . . . . . bb) Aufschiebende Bedingung des Rechtserwerbs . . . . . . . . cc) Rechtserwerb während der Schwebezeit . . . . . . . . . . c) Sofortiger und späterer Rechtserwerb . . . . . . . . . . . . . . d) Rücktritts-, Kündigungs-, Anfechtungs- und Ablehnungserklärung des Versicherers gegenüber den Bezugsberechtigten . . . . . . . . 3. Widerrufliche Bezugsberechtigung . . a) Rechtslage vor dem Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . aa) Wesenlose Anwartschaft . . . bb) eine Vererblichkeit . . . . . . cc) Keine Verfügungsbefugnis . . . dd) Kein Aussonderungsrecht, keine Drittwiderspruchsklage . . . . ee) Stellung des Versicherungsnehmers, insbesondere sein Widerrufsrecht . . . . . . . . ff) Schutz der Anwartschaft, Verfügung über die Anwartschaft . . gg) Keine Pflichten aus dem Versicherungsvertrage . . . . . . hh) Eintrittsrecht des widerruflich Bezugsberechtigten . . . . . . ii) Berechtigung zur Prämienzahlung . . . . . . . . . . . . jj) Keine Informationspflichten des Versicherers gegenüber dem widerruflich Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . kk) Tötung der Gefahrsperson durch den Bezugsberechtigten . . . . b) Rechtslage nach dem Versicherungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erstarken der Anwartschaft zum Recht . . . . . . . . . . bb) Sonderfall der Termfixversicherung . . . . . . . . . . . . . . cc) Recht auf die Überschussbeteiligung . . . . . . . . . . . . dd) Anzeigepflicht des Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . ee) Ausscheiden des Versicherungsnehmers bzw. seiner Erben als Gläubiger aus dem Versicherungsvertrag . . . . . . . . . 4. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundposition des Bezugsberechtigten . . . . . . . . . b) Verbliebener Einfluss des Versicherungsnehmers auf den Umfang der Versicherungsleistung . . . . . . .

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Rn. c) Gegenstand des Anspruchs des unwiderruflich Bezugsberechtigten . d) Rechtliche Position des Versicherungsnehmers im Übrigen . . . . . e) Verfügungsmöglichkeiten des Bezugsberechtigten . . . . . . . . . f) Interventionsklage des Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . g) Anspruch des Bezugsberechtigten auf den Versicherungsschein . . . h) Vererblichkeit der rechtlichen Position des Bezugsberechtigten . . . . i) Prämienleistung durch den Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . j) Eintrittsrecht des Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . k) Keine weiteren Rechte des Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . l) Anzeigepflicht des Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . m)Informationspflicht des Versicherers gegenüber dem unwiderruflich Bezugsberechtigten . . . . . . . . . n) Tötung der Gefahrsperson durch den Bezugsberechtigten . . . . . . 5. Geteilte Bezugsberechtigung . . . . . 6. Originär begründeter, nicht aus dem Nachlass stammender Anspruch des Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Zuordnung . . . . . . c) Lebensversicherungsvertrag als Schenkung auf den Todesfall? . . . d) Bewusste und zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannte Privilegierung des Bezugsberechtigten . . . e) Keine Differenzierung zwischen Familienangehörigen und sonstigen Personen als Bezugsberechtigte . . f) Exkurs: Schutz der Nachlassgläubiger und Pflichtteilsberechtigten . 7. Zurückweisung des Rechts durch den Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . a) Grundsatz des § 333 BGB . . . . b) Gegenstand der Zurückweisung . c) Zurückweisungserklärung . . . . d) Keine Schriftform . . . . . . . . . e) Rechtsfolgen der Zurückweisung . 8. Einwendungen des Versicherers gegenüber dem Bezugsberechtigten . . . . a) Grundsatz des § 334 BGB . . . . b) Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag . . . . . . . . . . . c) Einwendungen aus der Person des Versicherungsnehmers . . . . . . d) Herausgabeanspruch des Versicherers bei Leistung der Versicherungssumme trotz nichtigen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . 9. Nichterwerb des Bezugsrechts durch den begünstigten Dritten . . . . . . .

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Bezugsberechtigung

§ 159

Rn. VIII. Beziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer . . . 1. Widerrufliche Bezugsberechtigung . . a) Rechtliche Stellung des Versicherungsnehmers vor dem Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . b) Recht des Widerrufs und der Abänderung der Bezugrechtsbenennung . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Grundlagen . . . . (1) Grundsätzliches zum Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . (2) Widerrufsvorbehalt zugunsten des Versicherungsnehmers . . . (3) Kein Widerrufsvorbehalt der Erben des Versicherungsnehmers bb) Ausübung eines Gestaltungsrechts, Änderungsbefugnis . . cc) Einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, Anzeige an den Versicherer . . . . . . . . (1) Einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung . . . (2) Anzeige an den Versicherer . . (3) Zugang der Anzeige vor dem Tode des Versicherungsnehmer dd) Ausdrücklicher und konkludenter Widerruf . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . (2) Widerruf durch Abtretung . . (3) Widerruf durch Verpfändung . ee) Schriftform . . . . . . . . . . ff) Widerrufsverzicht . . . . . . . gg) Erlöschen des Widerrufsrechts c) Rechtliche Stellung des Versicherungsnehmers nach dem Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . 2. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . 3. Besonderheiten bei der geteilten Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . a) Widerrufliche Bezugsberechtigung b) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vor Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . . bb) Nach Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . IX. Beziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung des Valutaverhältnisses . . 2. Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . a) Unterhaltsverpflichtung . . . . . . b) Darlehensvertrag, Arbeitsvertrag und andere Kausalgeschäfte . . . . c) Schenkung . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangssituation . . . . . . . bb) Rechtliche Konstruktion im Übrigen . . . . . . . . . . . . (1) Schenkungsvertrag mit Hilfe einer postmortalen Einigung .

Rn.

211 211

211

215 215 215 217 218 219

X.

221 221 224 227 228 228 233 237 239 240 241

C. I. II. III.

242 243 246 246 248 248 250

252 252 254 254 255 256 256

IV.

V.

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(a) Linie der vertraglichen Konstruktion . . . . . . . . . . . (b) Anwendungsbereich . . . . . . (c) Anwendbarkeit des § 132 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . (d) Keine unzulässige Umgehung des § 2301 BGB . . . . . . . . (e) Schadenersatzpflicht des Versicherers? . . . . . . . . . . . (f) Wettlauf zwischen den Erben des Versicherungsnehmers und dem Bezugsberechtigten . . . . (2) Schenkungsvertrag mit Hilfe eines lebzeitigen Insichgeschäfts d) Wegfall der Geschäftsgrundlage beim Kausalgeschäft, Widerruf der Schenkung . . . . . . . . . . Lebensversicherung für fremde Rechung 1. Zulässigkeit der Lebensversicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . 2. Analoge Anwendung des § 80 VVG bei einem versicherten Fremdinteresse in der Lebensversicherung . . . . . . 3. Rechtserwerb außerhalb erbrechtlicher Vorgänge . . . . . . . . . . . Zessionar . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliche Klärung . . . . . . . . . . Regelungsgrundlage . . . . . . . . . . Abtretungsfähigkeit bei einzelnen Lebensversicherungsformen . . . . . . . . . . 1. Todesfallversicherung . . . . . . . . a) Todesfallversicherung auf das Leben einer fremden Gefahrsperson . . . b) Todesfallversicherung auf das Leben des Versicherungsnehmers als Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . aa) Keine Abtretung eines Anwartschaftsrechts . . . . . . . . . bb) Abtretung eines bei Vertragsabschluss entstehenden Anspruchs . . . . . . . . . . . . 2. Erlebensfallversicherung . . . . . . . 3. Gemischte Lebensversicherung . . . . 4. Versicherung mit festem Auszahlungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rentenversicherung/Riester- und Rürup-Verträge . . . . . . . . . . . 6. Risikolebensversicherung mit Umtauschrecht . . . . . . . . . . . . . 7. Dynamische Versicherungsformen und flexible Tarife . . . . . . . . . . . . Abtretungsmodalitäten . . . . . . . . . 1. Voll- und Sicherungszession . . . . . 2. Abtretung eines Teilanspruchs . . . . Abtretungsberechtigung . . . . . . . . 1. Versicherungsnehmer . . . . . . . . 2. Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . 3. Bezugsberechtigtern . . . . . . . . . a) Widerrufliche Bezugsberechtigung b) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung Rn.

VI.

VII. VIII.

IX. X. XI. XII. XIII.

320

4. Zessionar . . . . . . . . . . . . . . 5. Vertraglicher Pfandgläubiger und gesetzliche Pfändungspfandgläubiger . . Abtretungshindernisse und gesetzliche Abtretungsverbote . . . . . . . . . . . 1. Unwiderrufliches Bezugsrecht . . . . 2. Vertragliches Abtretungsverbot . . . 3. Abtretung durch die Eltern eines versicherten Minderjährigen . . . . . . a) Abtretung bei Lebensversicherungsverträgen, deren Abschluss ohne Einwilligung des Kindes zulässig ist . . . . . . . . . . . . . . b) Lebensversicherungsverträge, deren Abschluss der Einwilligung des Kindes bedarf . . . . . . . . . . . 4. Gesetzliche Abtretungsverbote . . . . Abtretungsvertrag zwischen Zedentem und Zessionar . . . . . . . . . . . . . Wirksamkeitsvoraussetzungen bei der Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Übergabe des Versicherungsscheins erforderlich . . . . . . . . . 2. Keine Einwilligung der Gefahrsperson erforderlich . . . . . . . . . . . . . 3. Anzeige der Abtretung an den Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . a) Absolute Unwirksamkeit der Abtretung bei Nichtanzeige . . . . . b) Überraschungs- und Inhaltskontrolle der Anzeigeregelung . . . . c) Kein Verzicht des Versicherers auf die Abtretungsanzeige . . . . . . . d) Möglichkeit einer Anzeige vor Zustandekommen der Abtretung . . . e) Anzeige nach Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . f) Anzeige durch den neuen Verfügungsberechtigten . . . . . . . . . g) Rücknahme der Anzeige . . . . . Wirksamkeitszeitpunkt der Abtretung . Abtretungsbestätigung . . . . . . . . . Versicherungsschein und Abtretung . . Abtretung als Pfändungshindernis und Pfändung als Abtretungshindernis . . . Wirkungen der Abtretung . . . . . . . 1. Rechtsstellung des Zessionars . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Abtretung . . . . . . aa) Todesfallleistungen . . . . . . bb) Erlebensfallleistungen und Überschussbeteiligung . . . . . cc) Rückvergütung . . . . . . . . dd) Pfändungsschutz in Zusammenhang mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung . . . . c) Recht zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages . . . . . . aa) Übertragung . . . . . . . . . bb) Bestehen einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung . . . .

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Rn. cc) Erstreckung der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins auf das Kündigungsrecht des Zessionars . . . . . . . . dd) Besonderheit bei der Restschuldund sonstigen Risikoversicherungen . . . . . . . . . . . . d) Begründung eines Bezugsrechts durch den Zessionar . . . . . . . aa) Widerrufliches Bezugsrecht . . bb) Unwiderrufliches Bezugsrecht . e) Umwandlung einer Risikolebensversicherung in eine kapitalbildende Lebensversicherung . . . . . . . . aa) Abtretung bei Umtausch einer Risikolebensversicherung . . . bb) Fortbestehen der Abtretung an der kapitalbildenden Lebensversicherung . . . . . . . . . cc) Keine Ausübung des Umwandlungsrechts durch den Zessionar f) Recht des Zessionars auf Zahlung rückständiger Prämien . . . . . . g) Informationspflicht des Versicherers gegenüber dem Zessionar hinsichtlich des Prämienrückstandes . . . 2. Rechtsstellung des Zedenten . . . . . 3. Rechtsstellung des Versicherers . . . a) Bestimmung der Zahlungsfrist und Kündigung nach § 38 VVG . . . . b) Rücktritt, Kündigung nach §§ 19, 21, Anfechtung nach § 22 VVG . . c) Aufrechnungsrecht gemäß § 35 VVG . . . . . . . . . . . . . d) Hinterlegungsrecht des Versicherers e) Mehrfache Abtretungsanzeige . . . f) Auskunftspflicht des Versicherers hinsichtlich des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . XIV. Abtretung nach Bezugsrechtseinräumung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerrufliche Bezugsrechtsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Widerruf der Bezugsberechtigung bei uneingeschränkter Zession . . b) Rangrücktritt des Bezugsrechts bei der Sicherungsabtretung . . . . . aa) Grundsätzliches . . . . . . . . bb) Rückführung des Kredits nach dem Tode des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . cc) Uneingeschränkter Widerruf der Begünstigung bei einer Sicherungszession . . . . . . . . . 2. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . b) Abtretungsbefugnis des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Überschussbeteiligung aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung mit dem Versicherer . . . . . . . . . .

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394

Bezugsberechtigung

§ 159

Rn.

D. I. II. III.

IV.

V. VI. E. I. II.

c) Abtretungsbefugnis des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Überschussbeteiligung bei fehlender Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . d) Kein Anzeigeerfordernis des unwiderruflich Bezugsberechtigten . e) Auslegungszweifel hinsichtlich des Ranges eines unwiderruflichen Bezugsrechts . . . . . . . . . . . 3. Geteilte Bezugsberechtigung . . . . . a) Unwiderrufliches Bezugsrecht für den Erlebens- und den Todesfall . b) Unwiderrufliches Bezugsrecht nur für den Todesfall . . . . . . . . . c) Unwiderrufliches Bezugsrecht nur für den Erlebensfall . . . . . . . . Zweitmarktinvestor . . . . . . . . . . Problematik und Möglichkeiten der Übertragung . . . . . . . . . . . . . . Auskunft zum Vertragsstand durch den Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsübernahme durch den Investor . 1. Auswechslung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmungserfordernis des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Zustimmungspflicht des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kein Einwilligungserfordernis für die Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . 5. Abtretungsverbote . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . Abtretung und Beitragszahlungsabrede . 1. Treuhandmodell . . . . . . . . . . . 2. Zahlung der Versicherungsbeiträge analog § 34 VVG . . . . . . . . . . Verbleib der Versicherungsleistung beim Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . Informationspflicht des VR über den Zweitmarkt . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsgläubiger . . . . . . . . Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung bei fehlender Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . 1. Einzelzwangsvollstreckung . . . . . . a) Umfang der Pfändung . . . . . . . b) Pfändungs- und Überweisungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . c) Pfändungswirkungen . . . . . . . d) Überweisungswirkungen . . . . . aa) Überweisung zur Einziehung . bb) Überweisung an Zahlungs statt cc) Andere Verwertungsart . . . . 2. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . b) Vollständig beglichene Prämienschuld . . . . . . . . . . . . . . . c) Noch nicht vollständig beglichene Prämienschuld . . . . . . . . . . d) Auskunftsanspruch gegenüber dem Versicherer . . . . . . . . . . . .

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Rn. III. Zwangsvollstreckung bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung . . . . . . . 1. Einzelzwangsvollstreckung . . . . . . a) Unmittelbarer Zugriff . . . . . . . b) Zugriff über Gläubigeranfechtung aa) Begriff, Zweck und Umfang der Schenkungsanfechtung . . . . bb) Anfechtung von Bezugsrechtseinräumung und Prämienzahlung . . . . . . . . . . . . cc) Keine Anfechtung bei Bezugsberechtigungen in Erfüllung familienrechtlicher Unterhaltsund Vorsorgepflichten . . . . . dd) Keine Anfechtung bei Bezugsberichtigungen nach § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG . . . . . . . . 2. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbarer Zugriff . . . . . . . b) Zugriff über eine Anfechtung . . . IV. Zwangsvollstreckung bei widerruflicher Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelzwangsvollstreckung . . . . . . a) Vor Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbarer Zugriff . . . . . (1) Widerruf der Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . (2) Verwertung des Anspruchs . . bb) Zugriff über Schenkungsanfechtung . . . . . . . . . . b) Nach Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein unmittelbarer Zugriff . . bb) Zugriff über Schenkungsanfechtung . . . . . . . . . . (1) Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung . . . . . . . . . . (2) Anfechtungsfrist . . . . . . . (3) Umfang der Rückgewährleistung . . . . . . . . . . . . (4) Unentgeltlichkeit im Valutaverhältnis . . . . . . . . . . . (5) Keine Anfechtung der Prämienzahlungen . . . . . . . . . . . 3. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . a) Vor dem Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbarer Zugriff . . . . . bb) Kein Zugriff über eine Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . b) Nach dem Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . V. Zwangsvollstreckung bei geteilter Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . 1. Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts . . . . . . . . . . . . . a) Todesfallbegünstigung . . . . . . aa) Vor Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . .

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321

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung Rn.

F. I. II. III. IV. V. VI.

(1) Unmittelbarer Zugriff . . . . . (2) Zugriff über eine Anfechtung . bb) Nach Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . . . . . . . . b) Erlebensfallbegünstigung . . . . . c) Abweichende Ausgestaltungen des Bezugsrechts . . . . . . . . . . . 2. Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts . . . . . . . . . . . . . 3. Gespaltenes Bezugsrecht . . . . . . . a) Widerrufliche Bezugsberechtigungen sowohl im Todes- als auch im Erlebensfall . . . . . . . . . . b) Unwiderrufliche und widerrufliche Bezugsberechtigung im Todes- bzw. Erlebensfall . . . . . . . . . . . . c) Unwiderrufliche Bezugsberechtigungen sowohl im Todes- als auch im Erlebensfall . . . . . . . . . . aa) Anfechtung vor Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . bb) Anfechtung nach Eintritt des Versicherungsfalles . . . . . . Pfandgläubiger . . . . . . . . . . . . . Vorkommen in der Praxis . . . . . . . Akzessorietät des Pfandrechts . . . . . Pfandrechtsbestellung, Anzeige an den Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Verpfändung . . . . . . . Pfandreife . . . . . . . . . . . . . . . Verpfändungswirkungen . . . . . . . . 1. Vor dem Eintritt der Pfandreife . . . a) Rechtsstellung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsstellung des Pfandgläubigers c) Rechtsstellung des Versicherers . . 2. Nach dem Eintritt der Pfandreife . .

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Rn. VII. Verpfändung bei einer Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Widerrufliche Bezugsberechtigung . . 3. Geteilte Bezugsberechtigung . . . . . VIII. Zurückbehaltungsrecht am Versicherungsschein nach Verpfändung . . . . . G. Erbrechtlich Ausgleichsberechtigte . . . I. Pflichtteilsberechtigter . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsergänzungsanspruch bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilsergänzungsanspruch bei widerruflicher Bezugsberechtigung . . 4. Pflichtteilsanspruch bei der gemischten Lebensversicherung und geteilter Bezugsberechtigung . . . . . . . . . 5. Auskunftsanspruch des Pflichtteilsergänzungsberechtigten gegen den Erben . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Exkurs: Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Abtretung . . . . . . . . . . . . II. Vertragserbe . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . 2. Todesfallversicherung . . . . . . . . a) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerrufliche Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemischte Lebensversicherung mit geteilter Bezugsberechtigung . . . III. Miterbe . . . . . . . . . . . . . . . . H. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .

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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

Die Vorschrift des § 159 Abs. 1 und Abs. 2 entspricht im Wesentlichen § 166 a.F. Mit dieser Bestimmung sollten die §§ 328 ff. BGB zum Vertrag zugunsten Dritter für die Kapitallebensversicherung in mehrfacher Sicht ergänzt werden, um den mit der Lebensversicherung verbundenen Bedürfnissen der Versicherungspraxis gerecht zu werden.1 2 § 159 erweitert den Anwendungsbereich der gesetzlichen Bezugsrechtsregelung auf jede Form der Lebensversicherung und nimmt damit die fast allgemeine Auffassung zu § 166 a.F. auf.2 Neu ist die Regelung des § 159 Abs. 3, sie entspricht inhaltlich der Bezugsrechtsregelung durch die Bedingungswerke sowie der allgemeinen Auffassung. 1 2

Motive zu § 166 a.F. 224, 226. Auch nach altem Recht galt die Regelung der Bezugsberechtigung für jede Lebensversicherungsform, z.B. auch für die Rentenversiche-

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rung, obwohl sich die Vorschrift dem Gesetzeswortlaut nach nur auf die Kapitalversicherung bezog (Bruck/Möller/Winter 8 H 43).

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Bezugsberechtigung

§ 159

Die Vorschrift des § 159 verdrängt in ihrem Anwendungsbereich teilweise die Rege- 3 lungen der §§ 328, 331–335 BGB, die Auslegungsnorm des § 330 BGB bezieht sich seit dem 1.1.2008 nicht mehr auf die Lebensversicherung.3 § 159 geht nunmehr ausdrücklich von der Differenzierung der Begünstigung nach widerruflicher und unwiderruflicher Bezugsberechtigung aus und orientiert sich an der Diktion der Bedingungswerke. Obwohl die Vorschrift keinen Hinweis auf die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung mehr enthält, bedeutet das nicht, dass die gestalterische Freiheit bei der Schaffung und Verwendung von Bezugsrechtsregelungen eingeschränkt wird. Die Neufassung der Vorschrift deckt sich voll mit den Vorschlägen der VVG-Reform- 4 kommission.4

II. Inhalt und Zweck der Regelung § 159 beinhaltet – zusammen mit § 160 – die grundlegende gesetzliche Regelung der Möglichkeit des VN, einem Dritten (wie etwa einem Verwandten oder einem Gläubiger) den Anspruch auf die Versicherungsleistung einzuräumen und damit einen Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB zu schließen. Kommt es zu der Einsetzung eines Dritten durch den VN, so erhält der Dritte einen direkten und originären Rechtsanspruch gegen den VR, der sich auf die Versicherungssumme, die Rückvergütung und sonstige Versicherungsleistungen wie die Überschussbeteiligung richten kann. Kommt es in der Lebensversicherung nicht zum Abschluss eines Vertrages zugunsten Dritter, stehen die Leistungen grundsätzlich dem VN zu (Ausnahmen: z.B. Zessionar, Zweitmarktkäufer, Vollstreckungsgläubiger, Pfandgläubiger). Die §§ 159, 160 enthalten dabei im Wesentlichen Auslegungsregelungen und Ergänzungen hinsichtlich der Rechtsstellung des Dritten, des Zeitpunkts des Rechtserwerbs und der Möglichkeit einer Änderung der Rechtseinsetzung vor dem Hintergrund der §§ 328, 331–335 BGB. Soweit die Vorschriften nicht zwingend sind, werden sie durch Sonderregelungen in den Bedingungswerben bzw. Lebensversicherungsverträgen modifiziert. Das Bezugsrecht wird somit in erster Linie durch die Regelungen der Lebensversicherungsbedingungen – wie z.B. § 13 GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung; § 13 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung – sowie etwaige individuelle vertragliche Vereinbarungen bestimmt. Nur wenn insoweit keine Regelungen bestehen oder Zweifelsfragen bleiben, ist auf die gesetzlichen Bestimmungen zurückzugreifen. Nach § 159 Abs. 1 wird dabei zunächst statuiert, dass der VN den Bezugsberechtigten ohne Zustimmung und Mitwirkung des VR einsetzen und auswechseln bzw. die Bezugsberechtigung widerrufen kann. Mit einer solchen Auslegungsregelung weicht § 159 Abs. 1 von § 332 BGB ab, wonach eine einseitige Bezugsrechtseinräumung nur zulässig ist, wenn sich der VN die Verfügungsbefugnis insoweit ausdrücklich vorbehalten hat. Der Regelung des § 159 Abs. 1 kann zudem entnommen werden, dass die Begünstigung im Zweifel ein widerrufliches Bezugsrecht entstehen lässt.5

3 4 5

Näheres dazu bei Soergel/Hadding 13 (2010) § 330 BGB Rn. 1. Vgl. KomE 254 f., 389. § 159 Abs. 1 übernimmt dabei unverändert

die Regelung des § 166 Abs. 1, dessen Satz 2 jedoch gestrichen wurde, da seine Regelung bereits in dem übernommenen Satz 1 eingeschlossen ist.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

9

Abs. 2 und 3 regeln dagegen den Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Bezugsberechtigten und verdrängen insoweit die allgemeinen Regelungen des BGB. In Abs. 2 wird die Regelung, dass der Begünstigte das Recht auf die Leistung im Zweifel erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erwirbt, auf die Fälle beschränkt, in denen die Bezugsberechtigung widerruflich ist. Die Bestimmung des Zeitpunkts für den Rechtserwerb ist eine Normierung von erheblicher Relevanz. Sie geht dabei über die Vorschrift des § 331 BGB hinaus, da sie diese Regelung auf jede Art der Lebensversicherung bezieht, also auch auf die Rentenversicherung. Bis zum Eintritt des Versicherungsfalles hat der widerruflich Bezugsberechtigte allein eine schwache und ungesicherte Anwartschaft auf die Versicherungsleistung, denn die Begünstigung kann jederzeit frei widerrufen werden. Versicherungsleistungen, die vor dem Versicherungsfall fällig werden (wie die Zahlung eines Rückkaufswerts, einer Überschussbeteiligung), stehen dem Bezugsberechtigten daher nicht zu. Die neu geschaffene Regelung des Abs. 3 bezieht sich auf die unwiderrufliche Bezugs10 berechtigung, bei der der Dritte das Recht auf die Versicherungsleistung im Zweifel schon mit der Einräumung der Bezugsberechtigung erwirbt. Erwerbszeitpunkt ist nach den Bedingungswerken der Zugang der Verfügungserklärung beim VR. Wird ein unwiderrufliches Bezugsrecht verfügt, so richtet sich der Wille des VN im Zweifel auf einen sofortigen Rechtserwerb des Begünstigten. Mit dieser Form der Bezugsberechtigung werden somit die Konstellationen erfasst, in denen der VN den Bezugsberechtigten sofort und endgültig absichern will, indem er auf die ihm sonst zustehende Widerrufsmöglichkeit verzichtet. Mit der unwiderruflichen Bezugsberechtigung sollen die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht erst mit dem Versicherungsfall, sondern schon zuvor aus dem Vermögen des VN ausgesondert werden. In dem Lebensversicherungsvertrag kann sowohl bei der widerruflichen als auch bei 11 der unwiderruflichen Bezugsberechtigung von dem gesetzlichen Leitbild abgewichen werden; es können auch sonstige Formen der Bezugsberechtigung geschaffen werden.6 Davon wird in der Praxis auch Gebrauch gemacht.

III. Anwendungsbereich 12

Die Vorschrift des § 159 erstreckt sich auf sämtliche Lebensversicherungen. Unerheblich ist dabei, ob die Versicherungsleistung gewiss oder ungewiss ist.7 Damit wird auch die Rentenversicherung und beispielsweise die Versicherung mit festem Auszahlungszeitpunkt (Versicherung auf den Heiratsfall, Ausbildungsversicherung) von der Bezugsrechtsregelung erfasst, und der VN kann bei der gemischten Lebensversicherung nicht nur für den Todesfall, sondern auch für den Erlebensfall eine widerrufliche oder unwiderrufliche Begünstigung vornehmen. Auch bei einem Kapitalisierungsgeschäft kann eine Bezugsrechtsregelung auf der 13 Grundlage des § 159 vereinbart werden. Nach §§ 185, 176 ist die Regelung des § 159 auf die Unfall- und Berufsunfähigkeits14 versicherung entsprechend anzuwenden.

6

BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022; KomE 389 für den Fall der unwiderruflichen Bezugsberechtigung; Winter Interessenkonflikte 33.

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Begr. BTDrucks. 16/3945 98.

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Bezugsberechtigung

§ 159

IV. Bedingungsregelungen Die Bestimmung des § 159 wird durch die Bedingungswerke der Lebensversicherung 15 in aller Regel modifiziert, die Bedingungsregelung geht der gesetzlichen Regelung vor. In der Kommentierung wird auf die Bedingungsregelung regelmäßig mit eingegangen; die in erster Linie Verwendung findende Bestimmung des § 13 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung lautet: Wer erhält die Versicherungsleistung? (1) Die Leistung aus dem Versicherungsvertrag erbringen wir an Sie als unseren Versicherungsnehmer oder an Ihre Erben, falls Sie uns keine andere Person benannt haben, die bei Eintritt des Versicherungsfalles die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben soll (Bezugsberechtigter). Bis zum Eintritt des Versicherungsfalles können Sie das Bezugsrecht jederzeit widerrufen. (2) Sie können ausdrücklich bestimmen, dass der Bezugsberechtigte sofort und unwiderruflich die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben soll. Sobald wir Ihre Erklärung erhalten haben, kann dieses Bezugsrecht nur noch mit Zustimmung des von Ihnen Benannten aufgehoben werden. (3) Sie können Ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch abtreten oder verpfänden. (4) Die Einräumung und der Widerruf eines Bezugsrechts sowie eine Abtretung oder Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag sind uns gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie uns vom bisherigen Berechtigten schriftlich angezeigt worden sind.

V. Bezugsberechtigung und der Schutz Dritter Wird eine Bezugsberechtigung verfügt, so hat das Auswirkungen auf die Möglichkeit 16 einer Zession der Versicherungsforderung, auf die Rechte eines Zweitmarktinvestors, eines Vollstreckungsgläubigers, eines Pfandgläubigers und auf den Schutz der Pflichtteilsberechtigten, den Ausgleich gegenüber Vertragserben und Miterben. Diesen Fragen wird in den Abschnitten C–F nachgegangen, zumal sich die Bedingungsregelungen in Zusammenhang mit der Bezugsberechtigung auch auf die Abtretung oder Verpfändung beziehen.8

B. Bezugsberechtigter I. Terminologie Lebensversicherungsverträge sind häufig Verträge zugunsten Dritter, die als Bezugs- 17 berechtigte oder – aus der Sicht des VN – als Begünstigte bezeichnet werden. Dabei handelt es sich ausnahmslos um echte Verträge zugunsten Dritter, weil der Dritte ein eigenes Klagerecht hat. Der Bezugsberechtigte ist also mit dem VN und dem VR nicht identisch, er erlangt das sonst dem VN bzw. seinen Erben zustehende Recht, über die fällige Leistung zu verfügen. Das dem Dritten vertraglich eingeräumte und gegen den VR gerichtete Recht auf die Leistungen aus dem Lebensversicherungsvertrage wird als Bezugsberechtigung bezeichnet.

8

§ 13 (3), (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

18

Da bei der Bezeichnung eines Bezugsberechtigten im Ergebnis eine Zuwendung des VN an den Begünstigten vorliegt, ist der soziale oder wirtschaftliche Grund hierfür naturgemäß dem Verhältnis dieser beiden Personen zueinander zu entnehmen. Aus dieser Rechtsbeziehung ergibt sich auch der Rechtsgrund für die Zuwendung, er entscheidet darüber, ob der Dritte die Leistung behalten darf. Die rechtliche Ausgestaltung der Zuwendung ergibt sich jedoch allein aus dem Vertrag zwischen dem VN und dem VR, dieses Verhältnis ist für den Umfang und die Beständigkeit der Versicherungsleistung maßgebend. Der VN bestimmt die Höhe der Versicherungssumme, ihn treffen auch weiterhin grundsätzlich alle Haupt- und Nebenpflichten aus dem Versicherungsvertrage, bei deren Nichterfüllung das Recht des Dritten gemindert oder zerstört werden kann. Vor allem behält der VN auch das nach §§ 168, 171 unabdingbare Recht der Kündigung des Lebensversicherungsvertrages. Der Inhalt der Bezugsberechtigung ist daher weitgehend von der Ausgestaltung und der Weiterführung des Vertrages durch den VN abhängig. Nur im Rahmen dieser Grenzen kann das Recht des Bezugsberechtigten gesehen werden.9 Der Bezugsberechtigte kann das Recht auf die Leistung des VR dabei sofort oder erst 19 mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erwerben. Dafür ist entscheidend, ob die Bezugsberechtigung unwiderruflich oder widerruflich ist. Der widerruflich benannte Bezugsberechtigte erwirbt den Anspruch auf die Versicherungssumme erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Da die Bezugsberechtigung nach dem Grundsatz der §§ 331 Abs. 1 BGB, 159 Abs. 1 im Zweifel abänderbar und damit widerruflich ist, stellt der in dieser Weise aufgeschobene Rechtserwerb den Großteil der Fälle dar. Bei der seltener vorkommenden unwiderruflichen Bezugsberechtigung erlangt der Dritte sein Recht sofort und unwiderruflich.10 Die bei der gemischten Lebensversicherung sich findende Bezeichnung: im Erlebens20 fall an den VN, im Todesfall an den Bezugsberechtigten enthält nur für den Todesfall eine Bezugsberechtigung. Für den Erlebensfall wird klargestellt, dass der VN als Vertragspartner des VR anspruchsberechtigt geblieben ist. Geteilt ist damit nicht die Bezugsberechtigung, sondern die Anspruchsberechtigung. Die Begriffe „geteilte Begünstigung“ und „gespaltene Bezugsberechtigung“ beschreiben den Sachverhalt nur zutreffend, wenn der VN für den Erlebens- und Todesfall unterschiedliche Dritte begünstigt hat.11 Vom geteilten bzw. gespaltenen Bezugsrecht ist die kumulative Mehrheit von Bezugsberechtigten (die Begünstigung verschiedener Dritter bezieht sich jeweils auf einen Teil der Versicherungssumme) und die alternative Mehrheit von Bezugsberechtigten (im Sinne einer Ersatzbegünstigung) zu unterscheiden.12

II. Lebensversicherung zu eigenen Gunsten und zugunsten Dritter 1. Lebensversicherungsvertrag zu eigenen Gunsten

21

Hat sich der VN in dem Antragsformular selbst als bezugsberechtigt eingetragen und damit erklärt, dass die Versicherung zu seinen eigenen Gunsten genommen sein soll, so ist bei sämtlichen Lebensversicherungsformen eine Versicherung zu eigenen Gunsten des VN gegeben.

9 10 11

Winter ZVersWiss 1970 39–40. Winter ZVersWiss 1970 40. Hasse VersR 2005 1176 Fn. 7; Lind/Stegmann VersR 1998 433, 434 Fn. 11.

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12

Hasse VersR 2005 1176 Fn. 7.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Das gilt auch für eine Versicherung auf den eigenen Todesfall des VN. Früher wurde 22 hierzu zuweilen die Auffassung vertreten, eine Todesfallversicherung auf den eigenen Todesfall sei begrifflich stets eine Versicherung zugunsten Dritter, und zwar der Angehörigen.13 Auch wenn kein Bezugsberechtigter bezeichnet sei, sei nicht ein Forderungsrecht des VN geschaffen worden, sondern ein durch den Tod des VN bedingtes Forderungsrecht Dritter. Als diese Forderungsberechtigten seien zwar die Erben des VN anzusehen, sie können aber nicht in ihrer Erbeneigenschaft eine Geldforderung erhalten, die der Erblasser niemals gehabt hätte oder bekommen könnte, die Erben erlangten diese Forderung vielmehr als Dritte.14 Der grundlegende Irrtum, der zu dieser Ansicht geführt hat, ist die Annahme, dass der VN bei Versicherungen auf den eigenen Tod niemals eine Forderung auf die Versicherungsleistung haben könne, weil die Versicherungsleistung eben von dem Tode des VN abhängig sei. Zunächst einmal wird dabei übersehen, dass der VN durchaus schon einen Anspruch auf den Rückkaufswert haben kann, wenn es zu einem Rückkauf der Versicherung kommt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass das Recht auf die Versicherungsleistung – nicht zu verwechseln mit dem bereits fälligen Anspruch – schon vor dem Eintritt des Versicherungsfalles besteht. Daher ist es auch nur folgerichtig, wenn dem VN die Möglichkeit eingeräumt ist, den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag unabhängig vom Eintritte des Versicherungsfalles abzutreten und zu verpfänden.15 Zu den Lebensversicherungen zu eigenen Gunsten gehören zum einen die Fallgestal- 23 tungen, in denen der VN ausdrücklich als empfangs- oder bezugsberechtigt bezeichnet worden ist, zum anderen aber insbes. auch die Fälle, in denen niemand als empfangsoder bezugsberechtigt benannt worden ist, es also an einer Vereinbarung darüber, an wen die Versicherungsleistung zu erbringen ist, fehlt. Die Auffassung, bei Versicherungen auf den Todesfall des VN seien die Erben des VN auch dann als Drittbegünstigte anzusehen, wenn es zur Einräumung einer – wie auch immer gearteten – Bezugsberechtigung überhaupt nicht gekommen ist,16 kann nicht gefolgt werden. Wenn dabei argumentiert wird, es sei nichts wahrscheinlicher, als dass der VN bei Unterlassung einer Bezugsrechtsnennung seine Erben als Dritte bedenken wolle, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages auf den eigenen Tod nicht immer notwendigerweise die Vorsorge für die hinterbliebenen Angehörigen zu bezwecken braucht. Aber auch wenn der VN den Willen hatte, die Versicherung seinen Angehörigen zukommen zu lassen, so genügt dieser Wille allein gleichwohl nicht, er muss zum Ausdruck gebracht worden sein. Das gilt auch angesichts dessen, dass nach § 159 Abs. 1 der VN das Recht hat, einen Begünstigten einseitig zu ernennen. Auszugehen ist von dem allgemeinen Grundsatz, dass aus einem schuldrechtlichen Vertrage nur die Vertragsschließenden Rechte erwerben sollen. Sollen ausnahmsweise für andere, also Dritte Rechte begründet werden, so muss das zum Ausdruck gebracht werden. Ist ein Dritter in dem Versicherungsvertrag nicht benannt worden, so handelt es sich um eine Lebensversicherung zu eigenen Gunsten. Ebenso wie die Fälle ohne Bezugsberechtigung sind jene Fälle zu behandeln, bei denen 24 der VN eine Bezeichnung gewählt hat, mit der ein bestimmter bzw. zumindest bestimm-

13

14 15

Vgl. RG 3.3.1880 RGZ 1 378; Behrend LZ 1907 Sp. 880–883; Berliner LZ 1909 Sp. 119; Reuscher 49; Schwarz 11. RG 3.3.1880. Kühlmorgen 15–18.

16

Vgl. RG 25.2.1880 RGZ 1 188; RG 3.3.1880 RGZ 1 380; Behrend LZ 1907 Sp. 882; ders. LZ 1908 Sp. 131; Berliner LZ 1909 Sp. 127; Schwarz 11, 12, 38.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

barer Bezugsberechtigter nicht zu ermitteln ist. Das ergibt sich schon aus dem für Schuldverhältnisse geltenden Grundsatz, dass der Gläubiger einer Leistung genügend bestimmbar sein muss.17 Zu einer Versicherung zu eigenen Gunsten kann es auch kommen, wenn eine Versi25 cherung, die bei Vertragsschluss als Versicherung zugunsten eines Dritten ausgestaltet ist, später in eine Versicherung zu eigenen Gunsten umgestaltet wird. Eine solche nachträgliche Umwandlung tritt beispielsweise ein, wenn der Bezugsberechtigte wegfällt, ohne dass ein Ersatzberechtigter an seine Stelle tritt. Ein solcher Wegfall des Bezugsberechtigten kann unterschiedliche Gründe haben wie z.B. den Tod des Bezugsberechtigten vor Rechtserwerb, Rückweisung des Bezugsrechts durch den Begünstigten, Widerruf der Bezugsberechtigung durch den VN.18 Ähnlich wie beim Fortfall des Bezugsberechtigten verhält es sich, wenn der Begünstigte 26 bei einer Todesfallversicherung durch eine widerrechtliche Handlung den Tod der Gefahrsperson vorsätzlich herbeiführt. In diesem Falle gilt die Einräumung der Bezugsberechtigung als nicht erfolgt. § 162 Abs. 2. Das bedeutet, dass von Beginn der Versicherung an eine Versicherung ohne Bezugsberechtigung, also eine Versicherung zu eigenen Gunsten des VN gegeben ist. Es bedarf nicht erst der Anwendung des § 160 Abs. 3, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Versicherungsleistung nunmehr dem VN bzw. seinen Erben zusteht. 2. Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter

27

Bezeichnet der VN einen Dritten als den Bezugsberechtigten oder Begünstigten, so wird der Lebensversicherungsvertrag zu einem Vertrag zugunsten Dritter. Dabei ist davon auszugehen, dass sowohl der VR als auch der VN ein Interesse daran haben, dass der Bezugsberechtigte in einer Weise bezeichnet wird, die sämtliche möglichen Zweifel an der Bestimmung seiner Person ausschließt. Daher werden zumeist genaue Bezeichnungen des Bezugsberechtigten gewählt. Der VN kann jedoch Gründe haben, zu allgemeinen Bezeichnungen des Bezugsbe28 rechtigten zu greifen, etwa weil er den Lebensversicherungsvertrag zum Schutze seiner Familie abschließen möchte, seine Kinder bei Vertragsschluss aber teilweise noch nicht geboren sind und er es vermeiden möchte, bei Geburt eines Kindes die Bezugsberechtigung wieder zu ändern. In solchen Fällen kann der VN die Versicherung beispielsweise zugunsten seiner Familie, seiner Angehörigen, seiner Hinterbliebenen usw. abschließen. Dabei kann sich die Frage stellen, ob die Bezeichnung genügend bestimmt und damit überhaupt geeignet ist, den Versicherungsvertrag zu einem Vertrage zugunsten Dritter zu machen. Als genügend bestimmt sind dabei solche Bezeichnungen anzusehen, mit Hilfe derer sich bei Fälligkeit die Versicherungsleistung bzw. beim Rechtserwerb durch den Bezugsberechtigten feststellen lässt, wer im Einzelnen vom VN gemeint ist.19

17

18

Zur Begünstigung der Erben usw. und zur Inhaberklausel vgl. Bruck/Möller/Winter § 160 Rn. 29 ff., § 159 Rn. 100. Vgl. Kühlmorgen 22–28.

328

19

Kühlmorgen 38–39. Zur Auslegung der Begünstigung vgl. Bruck/Möller/Winter § 160.

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Bezugsberechtigung

§ 159

3. Verbindung der Lebensversicherung zu eigenen Gunsten mit der Lebensversicherung zugunsten Dritter Bei der gemischten Lebensversicherung, bei der die Versicherungsleistung alternativ 29 mit dem Tode der Gefahrsperson oder spätestens mit dem Eintritte des vertraglich festgelegten Stichtages fällig wird, kann der VN für den Erlebens- und Todesfall dieselbe Person begünstigen. Er kann aber auch für beide Fälle verschiedenen Dritten ein Bezugsrecht einräumen oder nur für einen der beiden Versicherungsfälle einen Bezugsberechtigten bestimmen und sich für den anderen Fall die Versicherungsleistung selbst vorbehalten. In aller Regel wird die gemischte Versicherung für den Erlebensfall zu eigenen Gunsten und für den Todesfall unwiderruflich der widerruflich zugunsten eines Dritten abgeschlossen.20 Auf diese Weise ist es dem VN möglich, seine eigene Altersversorgung und die Versorgung des Begünstigten gleichzeitig sicherzustellen. Durch diese Form der Begünstigung wird quasi eine Verbindung der Lebensversiche- 30 rung zu eigenen Gunsten und einer Lebensversicherung zugunsten Dritter erreicht. Die beiden Versicherungsformen bestehen dabei nicht nebeneinander, sondern der Charakter der Versicherung wird durch ihren Verlauf entschieden: Stirbt die mit dem VN identische Gefahrsperson vor Erreichung des vereinbarten Stichtages, so ergibt sich daraus, dass die Versicherung von Beginn an eine Versicherung zugunsten Dritter war; erlebt die Gefahrsperson dagegen den Stichtag, so handelt es sich um eine Versicherung zu eigenen Gunsten. Eine Verbindung der Versicherung zu eigenen Gunsten und der Versicherung zu- 31 gunsten Dritter ist darüber hinaus in der Weise möglich, dass der VN die eingeräumte Bezugsberechtigung auf einen Teil der Versicherungsleistung beschränkt. In diesem Falle bestehen Lebensversicherung zu eigenen Gunsten und Lebensversicherung zugunsten Dritter gleichzeitig nebeneinander.21

III. Funktionen der Lebensversicherung: Widerstreitende Interessen auf der Versicherungsnehmerseite Der Bezugsberechtigte ist allerdings nicht der einzige Dritte, der an dem Lebensver- 32 sicherungsvertrag auf der VN-Seite beteiligt ist oder dessen Interessen gleichfalls einer Berücksichtigung bedürfen: Zu denken ist beispielsweise nicht nur an den VN, sondern auch an den Zessionar, an den Eintrittsberechtigten, an den Vollstreckungsgläubiger, den Pfandgläubiger, an den Pflichtteilsberechtigten, den Ausgleichsberechtigten im Versorgungsausgleich usw. Angesichts der zahlreichen Funktionen der Lebensversicherung und der an der Versicherung Beteiligten oder auch nur Interessierten auf der VN-Seite gilt für die Lebensversicherung ein weiter Gestaltungsfreiraum, der durch das VVG kaum eingeschränkt wird. Angesichts dieser vielfältigen Beteiligten kann es zwischen den Interessen des VN, des Bezugsberechtigten, des Zessionars usw. zu Konflikten kommen, die bei der Ausgestaltung und der Auslegung des Lebensversicherungsvertrages der Berücksichtigung bedürfen.22

20 21 22

Vgl. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 162. Kühlmorgen 49. Grundlegend dazu Hasse Interessenkonflikte

bei der Lebensversicherung zugunsten Dritter (1979).

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

1. Hinterbliebenenversorgung

33

Neben der Altersversorgung des VN (mit ihrer Substitutions- und ihrer Komplimentärfunktion zur Verbesserung der gesetzlichen Altersversorgung, vor allem auch bei den dort gegebenen Versorgungslücken) ist insbes. die Hinterbliebenenversorgung von Bedeutung. Stirbt beispielsweise bei der gemischten Lebensversicherung der VN als Gefahrsperson vor Eintritt des Erlebensfallzeitpunkts (also z.B. vor Erreichung des 65. oder 67. Lebensjahres), so entfällt die Altersversorgung des VN und die gesamte Versicherungssumme oder die vereinbarten Renten können zur Hinterbliebenenversorgung verwandt werden. Charakteristisch ist es für die gemischte Versicherung dabei, dass die Angehörigen als Bezugsberechtigte im Sinne der §§ 159, 160 eingesetzt werden. Erreicht der VN den Erlebensfall, so bedarf es keiner Hinterbliebenenversorgung mehr, die ausgezahlte Versicherungssumme oder die zu leistenden Rentenbeträge werden auch zur dann noch erforderlichen Absicherung der Familienangehörigen des VN verwandt. Der VN kann also die Versorgung seiner Angehörigen für die Zeit nach seinem Tode und die eigene Versorgung für sein Alter nebeneinander verfolgen, ohne dass es insoweit zu Konflikten kommt. Die Interessen des VN und der bezugsberechtigten Angehörigen gehen dabei dem Grundsatze nach nicht auseinander. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine Kapital- oder um eine Rentenversicherung handelt, die der Alters- und Hinterbliebenenversicherung dienen soll. Wenn die private Lebensversicherung – was die Höhe der Versicherungsleistungen anbelangt – in der Vergangenheit im Prinzip auch keinen Vergleich mit der Gesetzlichen Rentenversicherung zu scheuen brauchte, ist allerdings kritisch festzustellen, dass die mit einem Lebensversicherungsvertrag beabsichtigte Alterssicherung zwar teilweise besser gesichert ist als die Hinterbliebenenversorgung (Regelungen bei Riester-, Rürup- und sonstigen Produkten), aber gleichwohl erheblichen Eingriffen von Seiten des VN und seiner Gläubiger unterliegen kann. Der VN hat das Recht zur jederzeitigen Kündigung des Vertrages, er kann einen Bezugsberechtigten auf den Erlebensfall einsetzen, er kann sich – wenn die Leistung nicht einem unwiderruflich Bezugsberechtigten zusteht – den Rückkaufswert auszahlen lassen, er kann sich die jährliche Überschussbeteiligung aushändigen oder sie mit der Prämie verrechnen lassen, er kann die Versicherung beleihen, er kann den Anspruch aus der Versicherung an einen anderen abtreten und er kann die Versicherung auch dadurch gefährden und den VR zur Kündigung veranlassen, wenn er sich weigert, die vereinbarte Prämie zu leisten. Zu denken ist auch an Verfügungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs, an vertragliche Vereinbarungen im Zusammenhang mit einer länger andauernden Arbeitslosigkeit usw. Das Vorsorgemodell Lebensversicherung ist gegen Eingriffe des VN und der Gläubiger keineswegs immer so abgesichert, wie das sozialpolitisch wünschenswert wäre. Insbesondere auch gegenüber einer Zwangsvollstreckung kann sich der VN nur in engen Grenzen wehren. Vor dem Versicherungsfall hat der VN überhaupt keine Möglichkeit, sich den Versicherungsanspruch zu erhalten: Der Gläubiger, der das Kündigungsrecht mitpfändet, kann den Anspruch auf die Rückvergütung pfänden und sich überweisen lassen. Erreicht der VN den Stichtag für die Erlebensfallleistung, so hat das Gesetz die Versorgungsfunktion der gemischten Lebensversicherung bzw. der reinen Erlebensfallversicherung ausdrücklich nur für den Fall anerkannt, dass der VN Rentenzahlungen fordern kann.23 Die Erstreckung des Pfändungsschutzes auch auf Kapitalforderungen – die gerade in der gemischten Versicherung häufig vereinbart werden – ist durchaus von praktischer Bedeu-

23

Vgl. §§ 851c ZPO, 167 VVG hinsichtlich der Altersversorgung.

330

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Bezugsberechtigung

§ 159

tung. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Lebensversicherung – auch in Form einer Kapitalversicherung – eines der drei typischen Versorgungsinstitute darstellt. Der wirksame Aufbau einer Alters- bzw. einer Hinterbliebenenversorgung ist allein gesichert, wenn der Gläubiger keine Zwangsvollstreckung in den Versicherungsanspruch bzw. in die nach Tode des VN anfallende Versicherungssumme betreiben kann. Andererseits haben die Gläubiger des VN, wenn er sich in schlechten Vermögensverhältnissen befindet, ein erhebliches Interesse daran, in den Versicherungsanspruch des VN vollstrecken zu können, zumal es sich bei diesem Anspruch nicht nur in Einzelfällen um das vielleicht einzige größere Befriedigungsobjekt des Schuldners handeln dürfte. Ein solches Gläubigerinteresse ist nicht von vornherein abzulehnen, denn auch Gläubiger und ihre Familien sind zu schützen und sie haben es zudem durch ihre Leistungen zuweilen mit ermöglicht, dass der VN die Versicherungsprämien regelmäßig bezahlen und damit eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung in diesem Umfange aufbauen konnte. Das Gläubigerinteresse geht dahin, die Prämienzahlungen bzw. die Versicherungsansprüche weder zu Lebzeiten des VN noch nach seinem Tode dem Zugriff zu entziehen.24 Die Abwägung zwischen den Interessen der Gläubiger des VN und seinen Angehöri- 34 gen hat sich als rechtlich besonders interessant erwiesen, wenn es sich um die Hinterbliebenenversorgung mit Hilfe der Bezeichnung von Bezugsberechtigten handelt, der VN also z.B. Ehepartner und Kinder für den Fall seines Todes einsetzt. Dabei ist mit dem Gesetz zwischen der widerruflichen und der unwiderruflichen Bezugsberechtigung zu unterscheiden. Auch für die Bezugsberechtigung gilt, dass der Hinterbliebenenschutz angesichts des jederzeitigen Kündigungsrechts des VN, der Möglichkeit der Einstellung der Prämienzahlung durch den VN, Leistungseinschränkungen bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht usw. erhebliche Lücken aufweisen kann. Mängel des Valutaverhältnisses zwischen VN und Bezugsberechtigtem können mittelbar auf die Bezugsberechtigung durchschlagen. Ist der Hinterbliebene als widerruflich Bezugsberechtigter bezeichnet worden, so 35 kann der Gläubiger auf die Versicherungsforderung Zugriff nehmen, die Pfändungsgrenzen des § 850 Abs. 3 ZPO, der Vollstreckungsschutz nach § 850i Abs. 1 ZPO, der Pfändungsschutz nach § 851c ZPO und die Vorschrift des § 167 VVG greifen hier nicht, ähnlich ist es bei der Insolvenz des VN. Der Bezugsberechtigte hat nur das Eintrittsrecht des § 170 VVG. Anders verhält es sich bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung, ein Gläubiger 36 kommt an die Versicherungsforderung grundsätzlich nicht heran. Hier ist das Versorgungsinteresse des VN für seine Familie bewusst über das Befriedigungsinteresse des VN gestellt worden. Der VN behält zwar das Kündigungsrecht und weitere Gestaltungsrechte; da sie jedoch nur zusammen mit dem Versicherungsanspruch pfändbar sind, bleiben auch sie dem Zugriff des Gläubigers entzogen. Sieht man einmal von der – begrenzten – Möglichkeit einer Pfändung der jährlichen Überschussanteile ab, ist ein Zugriff nur über die recht enge Schenkungsanfechtung möglich: Voraussetzung dafür ist, dass es sich bei den relevanten Rechtshandlungen des VN auch wirklich um eine Schenkung handelt, also Unentgeltlichkeit gegeben ist. Soweit die Begünstigung Angehöriger im Rahmen einer Unterhaltsverpflichtung erfolgt, ist eine Schenkung jedoch abzulehnen.25 24

Zu dem Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des VN und seiner Gläubiger vgl. Bruck/Möller/Winter § 167 sowie Wollmann Private Altersvorsorge und Gläubigerschutz (2010).

25

Zur geteilten Bezugsberechtigung vgl. Winter 12.

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§ 159 37

Kapitel 5: Lebensversicherung

Das Innenverhältnis zwischen VN und Bezugsberechtigtem wird bei der Bezugsberechtigung Angehöriger teilweise nicht richtig gesehen. Lange Zeit sind Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig davon ausgegangen, dass der Bezugsberechtigung eine Schenkung des VN an seinen Ehepartner bzw. seine Kinder zugrunde liegt. Das entspricht nicht mehr unseren Vorstellungen: Die Ehe wird heute als eine auf Lebenszeit angelegte partnerschaftliche Beziehung vor dem Hintergrund der Gleichwertigkeit der Funktionen beider Ehepartner und verbunden mit einer ebenso auf Lebenszeit angelegten gegenseitigen Unterhaltungs- und Vorsorgepflicht gesehen. Die beim Tode eines der Ehepartner zu leistende Versicherungssumme bzw. -rente ist dazu bestimmt, der Unterhaltssicherung und der Altersversorgung des anderen Ehepartners zu dienen, auch ohne dass sich die Beteiligten des Zwecks der Absicherung bewusst geworden sind. Eine derartige Vorsorgepflicht im Rahmen des Möglichen besteht nicht nur im Hinblick auf den Ehepartner, sondern auch hinsichtlich der Kinder. Soweit die Vorsorgeverpflichtung reicht, kann nicht von einer Schenkung des VN an seine Familie gesprochen werden. Diese Erkenntnis hat erhebliche Auswirkungen auf die rechtliche Konstruktion der Bezugsberechtigung und des Valutaverhältnisses. Aber auch sonst kann das Innenverhältnis zwischen VN und Bezugsberechtigtem von großer Bedeutung sein, der VN kann beispielsweise verpflichtet sein, die Bezugsberechtigung nicht zu widerrufen, die Versicherung nicht zu kündigen und sich den Zeitwert nicht auszahlen zu lassen. Insoweit tritt das Versorgungsinteresse nicht hinter das Interesse des VN an freier Negoziabilität zurück. 2. Kreditsicherungsfunktion und Versorgungsinteresse des Versicherungsnehmers und des Bezugsberechtigten

38

Mit Blick auf die Kreditsicherungsfunktion der Lebensversicherung hat es einer besonders sorgfältigen Abstimmung der Interessen des VN und der Bezugsberechtigten durch Praxis, Wissenschaft und Rechtsprechung bedurft. Nimmt der VN bei einer Bank ein Darlehen – beispielsweise um den Bau oder den Kauf eines Hauses zu finanzieren – auf, so kann er den Anspruch aus seiner Lebensversicherung teilweise oder gänzlich an den Kreditgeber abtreten, der beim Tode des VN die Versicherungssumme ausbezahlt erhält und auf diese Weise abgesichert wird. Anstelle einer Abtretung kann der VN den Kreditgeber als Bezugsberechtigten einsetzen. Die Abtretung erfolgt vor allem in der Form einer Sicherungszession, bei der der Zessionar dem verfolgten Zwecke nach nicht endgültig Gläubiger der Forderung werden soll, sondern allein zur Erfüllung des Sicherungszwecks. Die Sicherungszession ist dabei zwar – im Gegensatz zum akzessorischen Pfandrecht – in ihrem Bestand und in ihrem Umfang vom Kausalgeschäft unabhängig, sie beinhaltet für den Zessionar aber die Verpflichtung, die abgetretenen Ansprüche und Rechte an den VN zurück zu zedieren, wenn der Sicherungszweck erfüllt ist und wenn sie nicht ohnehin an den VN zurückgefallen sind. Eine vergleichbare Lösung bietet die Vereinbarung, etwaige Bezugsrechte im Rang hinter den vereinbarten Sicherungszweck zurücktreten zu lassen,26 im Übrigen bleiben die Bezugsrechte voll wirksam.

39

a) Interessenwiderstreit bei widerruflicher Bezugsberechtigung. Hat der VN eine widerrufliche Bezugsberechtigung beispielsweise zugunsten seiner Angehörigen ausgesprochen, so ändert das nichts bei einer Vollabtretung. Bei einer Sicherungszession kann es sich jedoch anders verhalten. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass der wirtschaftliche Zweck auch der Sicherungszession nur erreicht wird, wenn der Zessionar im Sicherungs26

BGH 18.10.1989 VersR 1989 1229, 1230.

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Bezugsberechtigung

§ 159

falle einen Zahlungsanspruch gegen den VR erhält, ohne dass noch eine weitere Mitwirkung des VN notwendig wäre oder dass dem die Rechte eines Bezugsberechtigten oder eines Erben entgegenständen. Für den Sicherungsnehmer wäre eine Abtretung, die ihm im Versicherungsfalle keine Rechte zukommen lässt, sondern bei der vielmehr die Anwartschaft des Bezugsberechtigten zum Vollrecht erstarkt, nicht zu gebrauchen. Andererseits ist es ein Charakteristikum der Sicherungszession, dass die Versicherungsforderung nur in Höhe des gewährten Darlehens als Sicherungsmittel benötigt wird und der Zessionar zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistung nur berechtigt sein soll, wenn der VN seinen Verpflichtungen im Innenverhältnis nicht nachkommt. Tritt die Bezugsberechtigung bei einer Sicherungsabtretung hinter die Abtretung zurück,27 so kann der VN im Prinzip seine Versorgungsinteressen (Altersversorgung und Angehörigenversorgung) ebenso weiterverfolgen wie seine Interessen im Zusammenhang mit der Kreditsicherungsfunktion der Lebensversicherung. Soweit es dazu der Einschränkung oder Aufhebung der Bezugsberechtigung bedarf, ist er dazu dem Grundsatze nach befugt. Die Abtretungsmöglichkeit ist allerdings nur insoweit gegeben, als die Lebensversicherung der Pfändung nicht unterworfen ist und § 400 BGB nicht eingreift. Die Möglichkeit des Widerrufs der Bezugsberechtigung kann ihre Grenze u.U. in der Unterhalts- und Versorgungspflicht des VN finden. Auch im Übrigen kann aus dem Innenverhältnis zwischen VN und Bezugsberechtigtem heraus der VN verpflichtet sein, die Bezugsberechtigung nicht zu widerrufen, die Versicherung nicht zu kündigen und sich den Rückkaufswert nicht auszahlen zu lassen. Wenn daher die Auffassung vertreten wird, dass das Versorgungsinteresse stets und gänzlich hinter dem des VN an freier Negoziabilität zurücksteht, so kann dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. b) Interessenwiderstreit bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung. Falls der VN z.B. 40 einem Angehörigen ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt hat, erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch gegen den VR bereits mit der Benennung. Die Rechtsstellung des unwiderruflich Bezugsberechtigten kann durch eine Abtretung daher grundsätzlich nicht gefährdet werden. Sieht man einmal von Ausnahmevereinbarungen im Rahmen der Überschussbeteiligung ab, ist der VN bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung generell nicht imstande, auch die Kreditsicherungsfunktion der Lebensversicherung zu nutzen. Etwas anderes kann sich jedoch unter Berücksichtigung des Innenverhältnisses zwischen VN und Bezugsberechtigtem ergeben. Hat der VN beispielsweise einen dringenden Kreditbedarf, so können unwiderruflich bezugsberechtigte Angehörige verpflichtet sein, ihre Zustimmung dazu zu geben, dass die unwiderrufliche Bezugsberechtigung aufgehoben wird oder dass die notwendig gewordene Sicherungszession dem unwiderruflichen Bezugsrecht vorgeht. Der Ehepartner oder die Kinder des VN können sich nicht weigern, in einem solchen Falle der Aufhebung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung und damit einer Verfügung über den Versicherungsanspruch zuzustimmen.28 Das gilt nicht nur für den Fall eines sehr dringenden Finanzbedarfs, um den VN vor einem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren, das gilt beispielsweise auch für den Fall, dass der VN auf die Versicherung zurückgreifen muss, um eine Kreditaufnahme zum Bau oder zum Kauf eines Hauses für sich und seine Familie zu ermöglichen. Andererseits darf dadurch natürlich nicht die besondere Versorgungsfunktion der unwiderruflichen Bezugsberechtigung ausgehöhlt werden, insbes. darf es dadurch den Gläubigern des VN

27 28

Ständige Rechtsprechung seit BGH 18.10.1989 VersR 1989 1229, 1230. Z.B. in analoger Anwendung der Vorschrif-

ten der §§ 1365 Abs. 2, 1369 Abs. 2, 1451– 1452, 3038 Abs. 1, 744 Abs. 2 BGB.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

nicht ermöglicht werden, an den Rückkaufswert der Versicherung heranzukommen. Ist der Bezugsberechtigte zur Erteilung der Zustimmung nicht verpflichtet, hängt es allein von seinem Ermessen ab, ob er in die Aufhebung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung einwilligt und damit den Weg zu einer Abtretung eröffnet.

41

c) Flexibilität der rechtlichen Regelung. Der VN kann unter den denkbaren Vertragsmodalitäten der Lebensversicherung, bei denen das Versorgungs- und Kreditsicherungsinteresse unterschiedlich gewichtet sind, die Vertragsform auswählen, die seinen Bedürfnissen am besten entspricht. VR und VN sind dabei nicht gehalten, sich an dem gesetzlichen Leitbild der – dispositiv gefassten – Bezugsberechtigung zu orientieren. Es können auch sonstige Formen der Bezugsberechtigung geschaffen werden. Es können Vorbehalte und weitere Modifikationen vereinbart werden.29 Möglich ist dabei auch die Verschiebung der Gewichtung zwischen Kreditsicherungsfunktion und Vorsorgefunktion unter stärkerer Betonung der Vorsorgefunktion.30 3. Interessenkonflikt zwischen den bezugsberechtigten Angehörigen und den Gläubigern des Versicherungsnehmers

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Sowohl bei unwiderruflicher als auch bei widerruflicher Bezugsberechtigung erwirbt der Begünstigte – auch soweit es sich nicht um Angehörige handelt – nachlassgetrennt. Der Konflikt zwischen dem Versorgungsinteresse der Angehörigen und sonstiger Bezugsberechtigter und dem Befriedigungsinteresse der Nachlassgläubiger wird zugunsten der Bezugsberechtigten entschieden. Insoweit hat sich Gewohnheitsrecht herausgebildet.31 Insbesondere die Rechtsprechung hat sich seit langem gegen die Bestrebungen gewandt, die Privilegierung der Bezugsberechtigten aufzuheben und dem Vorbild des Erbrechts zu folgen, wo der Konflikt zwischen den Versorgungsinteressen der Angehörigen und den Befriedigungsinteressen der Gläubiger zugunsten der Nachlassgläubiger entschieden wird. Der Anspruch des Bezugsberechtigten auf die Versicherungssumme ist auch nicht mit 43 der Begründung kondizierbar, dass im Valutaverhältnis kein Vertrag zustande gekommen sei. Die Bezugsberechtigung naher Angehöriger gründet sich auf Vorsorgeverpflichtung des VN. 4. Versorgungsinteresse der Begünstigten und Ausgleichsinteressen der Nachlassbeteiligten

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Einen Interessenkonflikt kann es bei einer Bezugsberechtigung Angehöriger schließlich im Hinblick auf die Interessen der Nachlassbeteiligten geben. Dass gilt vor allem für die Fälle, in denen der VN die Bezugsberechtigung seiner Angehörigen bewusst oder unbewusst anders geregelt hat, als es sich aus den erbrechtlichen Vorschriften bei gesetzlicher Erbfolge ergeben würde. In solchen Fällen wäre die Ausgleichspflicht des § 2316 BGB, die Anrechnungspflicht des § 2315 BGB und vor allem auch der Pflichtteilsergän-

29

Beispiele: BGH 8.6.2005 VersR 2005 1134, 1135; ähnlich BGH 22.9.2005 ZIP 2005 1836 und BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059; vgl. auch OLG Düsseldorf 18.8.1997 RuS 1997 520; OLG Düsseldorf 30.1.2001 RuS 2002 214, 215; OLG Karlsruhe 15.3.2001

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30 31

VersR 2001 1501; OLG Hamm 19.12.1997 RuS 1998 168, 169; OLG Karlsruhe 1.6.2006 VersR 2007 341, 342. Winter Interessenkonflikte 33. Winter Interessenkonflikte 33.

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Bezugsberechtigung

§ 159

zungsanspruch aus § 2325 BGB zu berücksichtigen. Dabei ist wiederum danach zu differenzieren, ob es sich um eine widerrufliche, unwiderrufliche oder geteilte Bezugsberechtigung handelt.

IV. Gesetzliche und vertragliche Grundlagen 1. Gesetzliche Regelung Auf den Lebensversicherungsvertrag mit Bezugsberechtigung als Vertrag zugunsten 45 Dritter findet die gesetzliche Regelung der §§ 328–335 BGB Anwendung.32 Um für einen an dem Vertragsschluss nicht beteiligten Dritten (hier: Bezugsberechtigten) ein Recht zu begründen, sind an sich zwei Rechtsgeschäfte erforderlich. Zunächst einmal ist die Begründung eines Anspruchs durch die berechtigte Vertragspartei an den Dritten erforderlich. Mit Hilfe des Instituts des Vertrages zugunsten Dritter ist es möglich, dieses Ergebnis durch ein einziges Rechtsgeschäft zu erreichen, und zwar ohne dass es einer Mitwirkung des Dritten bedarf. Die grundlegende Regelung enthält § 328 Abs. 1 BGB, nach dem der Vertrag zwischen dem Gläubiger (Versprechensempfänger, VN) und dem Schuldner (Versprechender, VR) eine Leistung an einen Dritten (Begünstigten, Bezugsberechtigten) mit der Wirkung bedungen werden kann, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung von dem Versprechenden zu fordern. Der Dritte, der das Recht ohne Mitwirkung erwirbt, hat die Möglichkeit, das Recht zurückzuweisen (§ 333 BGB). In diesem Falle gilt es als nicht erworben, und zwar u.a. mit der Folge, dass der Versprechensempfänger vertragsgemäß einen anderen Dritten bezeichnen oder nunmehr die Leistung an sich fordern kann. Die Vorschriften der §§ 331 Abs. 1, 332 BGB beziehen sich zwar nicht ausdrücklich 46 auf die Lebensversicherung, haben hier jedoch vor allem ihre Bedeutung. § 331 Abs. 1 BGB enthält die allerdings gleichfalls nur im Zweifel geltende Vorschrift, dass bei einer Leistung, die nach dem Tode des VN erfolgen soll, der Dritte das Recht auf die Leistung erst mit dem Tode des Versprechensempfängers erwirbt. Von Belang in der Lebensversicherung sind auch die Vorschriften der §§ 334, 335 BGB, die die Zulässigkeit von Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag gegenüber dem Dritten und das Recht des Versprechensempfängers regeln, von dem Schuldner – also dem VR – die Leistung an den Dritten zu verlangen. Diese Vorschriften des BGB haben durch das VVG eine Erweiterung erfahren. Durch 47 die Auslegungsbestimmung des § 159 Abs. 1 wird dem VN im Zweifel die Befugnis vorbehalten, ohne Zustimmung des VR einen Dritten durch einseitige Willenserklärung als Bezugsberechtigten zu bezeichnen und eine etwa vorhandene Bezeichnung zu ändern. § 159 Abs. 2 bestimmt, dass der Dritte – mangels anderweitiger Vereinbarung – als widerruflich Bezugsberechtigter das Recht auf die Leistung des VR erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erhält, § 159 Abs. 3 regelt das Institut der unwiderruflichen Bezugsberechtigung. Dem Bezugsberechtigten kommt die rechtliche Position eines Forderungsberechtigten zu, ein Lebensversicherungsvertrag mit Einräumung eines Bezugsrechts ist ein echter Vertrag zugunsten Dritter. § 160 enthält Auslegungsregeln für den Fall, dass mehrere Personen ohne Bestimmung ihrer Anteile bzw. die „Erben“ als Bezugsberechtigte eingesetzt worden sind. Nach § 160 Abs. 2 Satz 2 hat die Ausschlagung der Erbschaft durch einen als Bezugsberechtigten bezeichneten Erben keinen Einfluss auf sein

32

BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

Bezugsrecht. Ferner bestimmt § 160 Abs. 2, dass das Recht auf die Leistung des VR, falls es von dem Bezugsberechtigten nicht erworben wird, dem VN selbst zustehen soll. Durch § 162 Abs. 2 werden dem Bezugsberechtigten seine Ansprüche entzogen, wenn 48 er die Gefahrsperson vorsätzlich und widerrechtlich tötet. In § 170 schließlich wird das Eintrittsrecht des Bezugsberechtigten geregelt. 2. Regelung in den Bedingungswerken

49

Auch in den Bedingungswerken der Lebensversicherung findet sich keine ausführlichere Regelung der Bezugsberechtigung. Sämtliche Bedingungswerke können jedoch eine Reglung der Bezugsberechtigung enthalten. Typisch ist § 13 der GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung, soweit die Zusatzbedingungen keine eigene Regelung enthalten, gilt die Bezugsrechtsregelung der Hauptversicherung. Seit jeher unterscheiden die Bedingungswerke der Lebensversicherung zwischen der widerruflichen und der unwiderruflichen Bezugsberechtigung. Eine dritte Art für die Begründung der Bezugsberechtigung durch den VN enthalten die Bedingungswerke nicht.

V. Ausgestaltungen des Bezugsrechts 50

Die beiden unterschiedlichen Formen der Bezugsberechtigung sind die widerrufliche und die unwiderrufliche Bezugsberechtigung. Die Unterscheidung hat wegen der unterschiedlichen Zugriffsmöglichkeiten etwaiger Gläubiger des VN bzw. des Bezugsberechtigten eine erhebliche Bedeutung. Dabei ist die Bezugsberechtigung im Zweifel abänderbar und damit widerruflich, § 159 Abs. 1. Die sog. geteilte Bezugsberechtigung oder – besser: – geteilte Anspruchsberechtigung ist keine besondere Form der Bezugsberechtigung: Sie ist gegeben, wenn der VN bei einer gemischten Lebensversicherung für den Erlebens- und Todesfall verschiedene Personen oder nur für einen der beiden – alternativen – Versicherungsfälle einem Dritten ein widerrufliches oder unwiderrufliches Bezugsrecht einräumt. Dabei bedarf es der Betonung, dass die Praxis nicht gezwungen ist, sich an dem gesetzlichen Leitbild zu orientieren, es können auch sonstige Formen der Bezugsberechtigung geschaffen werden.33 1. Widerrufliche Bezugsberechtigung

51

Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung ist der Eintritt des Versicherungsfalles entscheidend für die rechtliche Position der Begünstigten, § 159 Abs. 2.

52

a) Rechtslage vor dem Eintritt des Versicherungsfalles. Vor dem Eintritt des Versicherungsfalles besitzt der Bezugsberechtigte nur eine recht schwache Anwartschaft, die als wesenlos, zerbrechlich oder ähnlich charakterisiert wird,34 aber noch kein Recht gegenüber dem VR. Der BGH spricht von einer „ungesicherten Hoffnung“, also rechtlich

33

Vgl. BGH 15.1.1992 VersR 1992 558, 559 zur Unverfallbarkeit bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung vgl. oben Rn. 42. Grundsätzlich zum Umfang und Widerruf des Bezugsrechts vgl. Armbrüster in: Liber amicorum Gerrit Winter 519, 521 ff.

336

34

RG 3.6.1902 RGZ 51 404; RG 8.7.1904 RGR 61 218; Decker S. 7, von Gierke 33-35; Hasse 20; Koerner 26–33; Werber/Winter Grundzüge des Versicherungsvertragsrechts Rz. 336; Winter ZVersWiss 1970 41.

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Bezugsberechtigung

§ 159

einem „Nullum“.35 Erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erstarkt die Anwartschaft zu einem Recht auf die Versicherungsleistung. Die widerrufliche Bezugsberechtigung ist für den Begünstigten nicht verwertbar, sie ist nicht abtretbar, nicht verpfändbar oder pfändbar. Wenn der Bezugsberechtigte vor dem Eintritte des Versicherungsfalles stirbt, so erlischt die Bezugsberechtigung, sie geht nicht auf seine Rechtsnachfolger über. Der Bezugsberechtigte hat grundsätzlich keine Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis, die rechtliche Position des VN wird durch die Benennung eines widerruflich Bezugsberechtigten praktisch nicht geändert. Die widerrufliche Bezugsberechtigung zeichnet sich insbes. dadurch aus, dass der 53 Gläubiger des VN die künftigen Ansprüche des Bezugsberechtigten nach Pfändung und Überweisung durch Widerruf der Begünstigung vereiteln kann. Hat er auch die Gestaltungsrechte gepfändet und sich überweisen lassen, so kann er die Versicherung kündigen und sich den Rückkaufswert auszahlen lassen. Das ist bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung nicht möglich. Der Zusammenhang zwischen der Widerrufsmöglichkeit und dem Zeitpunkt des 54 Rechtserwerbs ist nicht zwingend. Der Dritte könnte ohne weiteres auch ein sofort wirksames und durch den Widerruf auflösend bedingtes Recht eingeräumt bekommen. Diese Form der Bezugsrechtsausgestaltung findet sich in der Praxis jedoch nicht. Bei der Einräumung einer Bezugsberechtigung mit Widerrufsvorbehalt steht für den 55 VN die eigene Absicherung durch die Lebensversicherung im Vordergrund. Er will zwar daneben auch eine Vorsorge für den Bezugsberechtigten treffen, bis zu seinem Tode kommt es ihm primär jedoch auf die eigenen Belange an.36 b) Rechtslage nach dem Eintritt des Versicherungsfalles. Der widerruflich Bezugsbe- 56 rechtigte erwirbt erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles ein Recht auf die Leistung des VR (§159 Abs. 2, § 13 (1) Satz 2 GDV-Bedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke). Während sich beim Bezugsberechtigten dabei die Anwartschaft in ein Vollrecht wandelt, scheiden der VN bzw. seine Erben entsprechend als Gläubiger der Versicherungsforderung aus, bleiben im Übrigen jedoch durchaus Träger weiterer Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag. VN und Erben bleiben die Vertragspartner des VR, ihnen gegenüber sind z.B. Rücktritt oder Anfechtung des Vertrages zu erklären. Nach § 335 BGB hat der VN (bzw. seine Erben) darüber hinaus die Befugnis, auch seinerseits von dem VR die Leistung an den Bezugsberechtigten zu fordern. 2. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung Mit der Einsetzung als unwiderruflich Bezugsberechtigter erhält der Begünstigte eine 57 wesentlich stärkere Rechtsstellung als bei der widerruflichen Bezugsberechtigung. Der VN kann die Bezugsberechtigung durch einseitige Willenserklärung nicht mehr widerrufen oder in sonstiger Weise abändern. Eine Aufhebung oder Änderung der Bezugsberechtigung wäre nur mit Zustimmung des Bezugsberechtigten möglich. Der unwiderruflich Bezugsberechtigte erwirbt schon mit seiner Einsetzung den Anspruch auf die künftige Leistung.37 Er erhält also bereits bei der Einräumung der Bezugsberechtigung 35 36 37

BGH 27.4.2010 VersR 2010 1021 m.w.N. Näheres unter § 159 Rn. 140. Winter ZVersWiss 1970 41–42. BGH 8.5.1954 VerBAV 1955 136; BGH 18.06.2003 VersR 2003 1021, 1022; KG

13.2.1998 VersR 2000 86, 87; OLG Frankfurt/M. 14.9.2000 VersR 2002 219, 220; OLG Frankfurt/M. 19.12.2001 VersR 2002 963, 964.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

einen Teil der Rechtsstellung des VN, dem VN ist die Verfügung über den Versicherungsanspruch entzogen, er kann die Versicherung nicht verpfänden oder abtreten. Das gilt auch bei der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts auf den Erlebensfall.38 Der Pfändungsgläubiger des VN hat keine Zugriffsmöglichkeit, auch eine Pfändung der Gestaltungsrechte des VN führt für den Gläubiger nicht zu dem Ziel, dass er sich mit einem Rückkauf aus der Rückvergütung befriedigen kann. Die unwiderrufliche Bezugsberechtigung ist im Gegensatz zur widerruflichen Bezugsberechtigung weitgehend gläubigersicher, ein Gläubiger des VN kann an die Versicherungsforderung nicht heran, es sei denn, er versucht es über den schwierigen Weg der Gläubigeranfechtung.39 Es wäre rechtlich ohne weiteres möglich gewesen, dass der VN dem Begünstigten eine 58 unwiderrufliche, aber erst mit dem Tode des VN zum Vollrecht erstarkende Anwartschaft einräumt.40 Dieser Weg ist jedoch bewusst nicht gegangen worden, der sofortige Rechtserwerb ist der entscheidende Inhalt der unwiderruflichen Bezugsberechtigung.41 Der in dem Widerrufsverzicht zum Ausdruck gelangende Gedanke der Vorsorge für einen Dritten erfordert einen sofortigen Rechtserwerb der Begünstigten mit der Folge, dass das Bezugsrecht dem Zugriff der Gläubiger des VN entzogen ist. Auch in den Bedingungswerken der Lebensversicherung ist daher der Widerrufsverzicht mit dem sofortigen Rechtserwerb des Begünstigten gekoppelt. Das gilt sowohl beim unwiderruflichen Bezugsrecht für den Todesfall als auch beim unwiderruflichen Bezugsrecht für den Erlebensfall und bezieht sich auch auf die Überschussanteile.42 Hat der VN ein unwiderrufliches Bezugsrecht sowohl für den Todesfall als auch für den Erlebensfall eingeräumt, so gilt der Grundsatz der Priorität.43 Der Bezugsberechtigte erwirbt auch bei einer gemischten Versicherung auf den Erlebens- und Todesfall das Recht auf die Versicherungsleistung sofort, aber auflösend bedingt durch den Eintritt des Erlebensfalls.44 Wenn das unwiderrufliche Bezugsrecht dem Zugriff der Gläubiger des VN entzogen 59 ist, so unterliegt es doch dem Zugriff der Gläubiger des Begünstigten. Für die Gläubiger des Bezugsberechtigten ist eine Befriedigung aus der Versicherungsleistung allerdings regelmäßig erst nach Eintritt des Versicherungsfalles möglich. Denn nicht der Bezugsberechtigte, sondern allein der VN hat das Rückkaufsrecht. Nur soweit der VN durch Kündigung des Versicherungsvertrages eine vorzeitige Fälligkeit der Versicherungsleistung herbeiführt, kann es zu einer Befriedigung der Gläubiger des Begünstigten bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles kommen.45 Will der unwiderruflich Bezugsberechtigte sein Recht aus der Bezugsberechtigung an 60 einen Vierten abtreten oder verpfänden, so ist das rechtlich möglich. Dabei bedarf die Abtretung nicht der schriftlichen Anzeige nach § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Denn es ist aus dieser Klausel nicht zweifelsfrei ersichtlich, ob sich dieses Abtretungsverbot auch an den Bezugsberechtigten richtet und dessen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mit erfasst (obwohl in der Bestimmung nicht der VN, sondern in neutraler Form der „Berechtigte“ angesprochen wird). Will man mit dem OLG Karls-

38 39 40 41

BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022. Vgl. zu allem schon RG 25.2.1930 RGZ 127 269–271. Von Gierke 17, Hasse 15–16; Koerner 39–40; Kühlmorgen 61–63. BGH 18.6.2003; OLG Frankfurt/M. 14.9.2000 VersR 2002 219, 220; Hasse 16.

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OLG Frankfurt 14.9.2000 VersR 2002 219, 220. OLG Frankfurt 14.9.2000; VersR 2002, 219,2 220. OLG Düsseldorf 3.12.1996 VersR 1997 1215, 1216. Zu allem Winter ZVersWiss 1970 42–44.

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ruhe46 diese Zweifel bejahen, so gilt das Anzeigeerfordernis für die Verfügungsmöglichkeiten des Bezugsberechtigten nicht, da sie zugunsten des VR als Verwender der AVB beschränkt werden, § 305c Abs. 2 BGB. Insbesondere bei der Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge – 61 aber auch sonst – findet sich ein eingeschränktes unwiderrufliches Bezugsrecht, das sich dadurch auszeichnet, dass es dem Grunde nach als unwiderruflich eingeräumt wird, obwohl sich der VN (Arbeitgeber) für bestimmte Fälle den Widerruf vorbehält, wenn z.B. das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles und vor Erreichung des Unverfallbarkeitszeitpunkts (§ 1b Abs. BetrAVG) endet. Dadurch wird die grundsätzliche Unwiderruflichkeit des dem Arbeitnehmer eingeräumten Bezugsrechts eingeschränkt. „Solange aber die tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Vorbehalts nicht erfüllt sind, steht das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht einem uneingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht gleich. ... Das gilt erst Recht, wenn der Zweck des Vorbehalts endgültig entfallen ist und seine Voraussetzungen auch künftig nicht mehr eintreten können.“47 So kann das unwiderrufliche Bezugsrecht durch den VN dahin eingeschränkt werden, dass er sich die Beleihung bzw. Abtretung der Versicherung mit Zustimmung des Bezugsberechtigten vorbehalten hat: Auch hier steht das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht einem uneingeschränkten rechtlich gleich, solange die Voraussetzungen des Vorbehalts nicht erfüllt sind.48 Eine solche Einschränkung des unwiderruflichen Bezugsrechts ist rechtlich grundsätzlich ohne weiteres möglich.49 Das gilt insbes. auch, wenn die Vorbehalte unter dem Zustimmungserfordernis des Bezugsberechtigten stehen. Unterfällt der Vorbehalt nicht dem Zustimmungserfordernis, sondern bezieht er sich auf ein objektives Ereignis (wie ein Ausscheiden des bezugsberechtigten Arbeitnehmers aus dem Unternehmen vor Eintritt der Unverfallbarkeit), so besteht die Gefahr, dass der Bezugsberechtigte seines Rechts verlustig gehen kann, wenn der VN die Bezugsberechtigung widerruft. Hier ist nach der Ursache der Vorbehaltserfüllung zu differenzieren: Greift der Vorbehalt aus Gründen, die sich der Einflussnahme des Bezugsberechtigten entziehen und auch im Übrigen seiner Sphäre als Arbeitnehmer nicht zuzuordnen sind, so führt das nicht zum Verlust des Bezugsrechts. Hat sich der VN das Recht vorbehalten, sämtliche der Altersvorsorge dienenden Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles endet, und die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen nach dem BetrAVG nicht erfüllt sind, so kann das zum Verlust der Bezugsberechtigung führen. Die Zuweisung der versicherungsrechtlichen Ansprüche in das Vermögen des Arbeitnehmers soll es diesem nicht ermöglichen, „das Arbeitsverhältnis nach freiem Belieben (vorzeitig) zu beenden und dennoch die Versicherungsansprüche zu behalten. Er soll insbes. nicht das – u.U. vorteilhaftere – Angebot eines anderen Arbeitgebers annehmen, den Betrieb seines bisherigen Arbeitgebers verlassen und gleichwohl noch auf die Versicherungsleistungen zugreifen können. Der Arbeitgeber will sich durch den Vorbehalt – zumindest auch – der weiteren Betriebstreue des Arbeitnehmers vergewissern“.50 – Fer-

46 47 48 49 50

OLG Karlsruhe 1.6.2006 VersR 2007 341, 342. BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059, 1060. BGH 19.6.1996 VersR 1996 1089, 1090. Vgl. oben § 159 Rn. 42, BAG 26.6.1990 VersR 1991 211, 212. BGH 13.12.1999 NJW 2000 1197, 1198; BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059, 1060 f.;

BGH 8.6.2005 VersR 2005 1134, 1135; ähnlich BGH 22.9.2005 ZIP 2005 1836 und BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059; vgl. auch OLG Düsseldorf 18.8.1997 RuS 1997 520; OLG Düsseldorf 30.1.2001 RuS 2002 214, 215; OLG Karlsruhe 15.3.2001 VersR 2001 1501; OLG Hamm 19.12.1997 RuS 1998 168, 169.

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ner kann das unwiderrufliche Bezugsrecht durch den VN dahin eingeschränkt werden, dass er sich die Beleihung bzw. Abtretung der Versicherung mit Zustimmung des Bezugsberechtigten vorbehalten hat: Auch hier steht das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht einem uneingeschränkten rechtlich gleich, solange die Voraussetzungen des Vorbehalts nicht erfüllt sind.51 Die spätere Beleihung der Versicherung kann in einem solchen Falle jedoch – trotz des Vorbehalts – nur erfolgen, wenn der unwiderruflich Bezugsberechtigte seine Zustimmung erteilt hat; eine Auszahlung des Policendarlehens hat dem Bezugsberechtigten gegenüber nur eine befreiende Wirkung, wenn dessen Zustimmung vorliegt.52 Der VN könnte im Übrigen beispielsweise den Rückkaufswert vom unwiderruflichen Bezugsrecht auf den Erlebensfall ausnehmen und festlegen, dass der Rückkaufswert nach Kündigung vor Ablauf der Versicherung dem VN oder dem für den Todesfall eingesetzten Bezugsberechtigten oder auch einen anderen Dritten zukommen soll.53 3. Geteilte Bezugsberechtigung

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Die geteilte Bezugs- oder Anspruchsberechtigung findet sich in der gemischten Lebensversicherung regelmäßig in der Form, dass sie für den Erlebensfall als Versicherung zu eigenen Gunsten und für den Todesfall widerruflich oder unwiderruflich zugunsten eines Dritten abgeschlossen wird.54 Die verbreitete Verwendung der Standardform erklärt sich daraus, dass es damit dem VN ermöglicht wird, gleichzeitig eine eigene Altersversorgung und die Versorgung der begünstigten Familienangehörigen sicherzustellen. Die geteilte Bezugs- bzw. Anspruchsberechtigung findet sich seltener auch in der 63 Form, dass der VN für den Erlebensfall und den Todesfall Dritte als Bezugsberechtigte einsetzt. Zu unterscheiden ist von der geteilten Anspruchsberechtigung die kumulative Mehr64 heit und alternative Mehrheit von Bezugsberechtigten. Eine kumulative Mehrheit liegt vor, wenn der VN einen Ersatzbegünstigten einsetzt, indem er als Bezugsberechtigten beispielsweise seine Ehefrau und für den Fall des Todes vor dem Eintritt des Versicherungsfalles seinen Sohn einsetzt. Die Bezugsberechtigung der Ehefrau ist damit auflösend, die des Sohnes aufschiebend bedingt durch den vor dem Eintritt des Versicherungsfalles eintretenden Tod der Ehefrau.55

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a) Zulässigkeit. Während bei der geteilten Bezugsberechtigung die Zulässigkeit einer auf den Todesfall beschränkten widerruflichen Bezugsberechtigung niemals umstritten war, ist die auf den Todesfall beschränkte unwiderrufliche Begünstigung teilweise infrage gestellt worden.56 Es ist dabei argumentiert worden, dass eine solche Beschränkung der Rechtsstellung des Dritten mit dem Wesen der unwiderruflichen Bezugsberechtigung nicht vereinbar sei, weil der Dritte auf diese Weise letztlich nur ein entziehbares Recht erhalte. Denn für den Fall, dass der VN den vereinbarten Stichtag erlebt, geht der unwiderruflich

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BGH 19.6.1996 VersR 1996 1089, 1090. BGH 19.6.1996, 1089, 1090. BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022. Das gilt jedoch nicht für eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung i.S.d. §§ 851c, d ZPO. Zur Terminologie sei auf § 159 Rn. 20 verwiesen. Bei der oben genannten Konstellation hätte richtiger allein von einer geteilten

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55

56

Anspruchsberechtigung gesprochen werden müssen. Daran halten sich Rspr. (z.B. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 162) und Schrifttum allerdings weiterhin nicht. Hasse 23 Fn. 87; OLG Frankfurt/M. 14.9.2000 RuS 2001 478, 479; OLG Frankfurt/M. 12.12.2001 VersR 2002 963, 964. Decker 9–11; John DÖV 1933 78–81.

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§ 159

Bezugsberechtigte leer aus. Die Bezeichnung eines unwiderruflich Bezugsberechtigten – dessen rechtliche Stellung hier von dem Nichteintritt einer Bedingung abhängig gemacht wird – sei ein bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft. Endlich sei die Beschränkung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung auf den Todesfall mit dem einheitlichen Charakter eines Lebensversicherungsvertrages nicht vereinbar. Weil es ungewiss sei, welcher der beiden alternativ Bezeichneten den Anspruch auf die Versicherungssumme geltend machen könne, erwerbe keiner der beiden – also auch der unwiderruflich Bezugsberechtigte nicht – einen gegenwärtigen Anspruch auf die Versicherungssumme, sondern lediglich ein durch den Erlebens- bzw. Todesfall bedingtes Anwartschaftsrecht. Der Anspruch auf den Rückkaufswert könne weder vom VN noch vom Bezugsberechtigten geltend gemacht werden; solange der Erlebens- bzw. Todesfall nicht eingetreten sei, stehe der Anspruch auf die Rückvergütung weder dem VN noch dem Bezugsberechtigten zu.57 Dem kann nicht beigepflichtet werden. Die unwiderrufliche Bezugsberechtigung soll 66 den Begünstigten davor schützen, dass der VN willkürlich Änderungen hinsichtlich der Bezugsberechtigung vornimmt. Die Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung bleibt durch die Konstruktion eines durch den Eintritt des Erlebensfalls auflösend bedingten Bezugsrechts unberührt, denn die rechtsändernde Wirkung der auflösenden Bedingung vollzieht sich ohne ein Einwirken des VN, gerade die willkürliche Einwirkung des VN aber soll durch die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts ausgeschlossen werden.58 Die Bezeichnung eines unwiderruflich Bezugsberechtigten ist auch kein Rechtsgeschäft, das bedingungsfeindlich ist;59 die Bezeichnung eines unwiderruflich Bezugsberechtigten kann nicht mit der Anfechtung bzw. der Kündigung gleichgestellt werden, bei denen die Bedingungsfeindlichkeit auf dem schutzwürdigen Interesse des Erklärungsgegners beruht, Gewissheit über die Wirksamkeit einer Anfechtungserklärung usw. zu haben. Die unwiderrufliche Bezugsberechtigung wird – nach den modernen Bedingungswerken – durch vertragliche Abrede des VN mit dem VR begründet, dem VR aber ist es gleichgültig, wer der Anspruchsberechtigte ist, er kann sich notfalls auch durch Hinterlegung der Versicherungssumme schützen. Die Alternativität der Anspruchsberechtigung lässt sich durch eine Bedingungskonstruktion lösen, durch die der einheitliche Charakter der gemischten Lebensversicherung nicht tangiert wird und die es auch ermöglicht, den Anspruch auf den Rückkaufswert nicht als subjektloses Forderungsrecht zu sehen. Daher wird die Zulässigkeit der geteilten Anspruchsberechtigung bei der gemischten Lebensversicherung heute allgemein bejaht.60 b) Ausgestaltung der geteilten Anspruchsberechtigung. aa) Widerrufliche Bezugsberechtigung. Die Rechtsstellung des allein für den Todes- 67 fall widerruflich Bezugsberechtigten in der gemischten Lebensversicherung entspricht der des widerruflich Bezugsberechtigten bei der Todesfallversicherung. Erst mit dem Eintritt des Todesfalles erhält der Bezugsberechtigte ein Recht auf die Versicherungssumme, zuvor hat er lediglich eine „wesenlose“ Anwartschaft.61 bb) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung. Der auf den Todesfall unwiderruflich Be- 68 zugsberechtigte hat bei geteilter Anspruchsberechtigung lediglich ein auflösend bedingtes

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Decker 10–11. Hasse 25; Niewisch HansRGZ 1938 A Sp. 488. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167; Hasse 25; Koerner 42–43.

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BGH 17.2.1966 BGHZ 45 166–167; Hasse 25–26; Koerner 41–43. Vgl. dazu im Einzelnen oben Rn. 51 ff.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Recht, der Anspruch des VN ist aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Erlebensfalles. Tritt der Erlebensfall ein, enden alle Rechte aus der Todesfallversicherung, bis dahin hat der Bezugsberechtigte einen auflösend bedingten Anspruch auf die Versicherungsleistung. Anders als bei der einheitlichen unwiderruflichen Bezugsberechtigung ist das Recht des Begünstigten hier angesichts der auflösenden Bedingung als weniger gesichert anzusehen als bei ungeteilter Anspruchsberechtigung. Die Konstruktion des Bezugsrechts hat erhebliche Auswirkungen.62 Würde das Recht 69 des Bezugsberechtigten als aufschiebend bedingt und das Recht des VN als auflösend bedingt durch den Eintritt des Todesfalls angesehen, so würden die vor dem Eintritt des Versicherungsfalles zu erbringenden Leistungen (insbes. auch der Rückkaufswert) dem VN zustehen und damit dem Zugriff seiner Gläubiger ausgesetzt sein. Damit aber würde die mit der Einsetzung eines unwiderruflich Bezugsberechtigten allgemein beabsichtigte Rechtslage verfälscht, insbes. würde der Intention des VN nicht entsprochen, für den Bezugsberechtigten für den Fall des Todes des VN die erforderliche Vorsorge zu treffen. Dem VN darf grundsätzlich nicht die Möglichkeit gegeben sein, die rechtliche Position des Begünstigten in der Weise zu beeinträchtigen, dass z.B. bei einer Kündigung der Versicherung nicht der Bezugsberechtigte, sondern der VN den Anspruch auf den Rückkaufswert hat. Der Bezugsberechtigte soll vielmehr eine Rechtsstellung erhalten, die ebenso gesichert ist und vor den Zugriffen der Gläubiger ebenso Schutz gewährt wie bei der einfachen Todesfallversicherung. Nur für den Fall, dass der VN den vereinbarten Stichtag erlebt, möchte er in den Genuss der Versicherungsleistung kommen. Diese beiden vom VN verfolgten Ziele lassen sich mit der Konstruktion einer auflösenden Bedingung für den Anspruch des Bezugsberechtigten mühelos und ohne Beeinträchtigung der Rechtsposition des VN erreichen.63 Im Übrigen bestehen im Vergleich zur reinen Todesfallversicherung keine Besonder70 heiten hinsichtlich der rechtlichen Position des Bezugsberechtigten. Unrichtig ist die Auffassung, nach der bei der auf den Todesfall beschränkten unwiderruflichen Bezugsberechtigung vom VN in der Regel ein späterer Rechtserwerb – also ein Rechtserwerb mit dem Eintritte des Versicherungsfalles – gewollt sei.64 Wollte man dieser Auffassung folgen, würde bis zum Eintritt des Versicherungsfalles niemandem ein Recht auf die Todesfallleistung zustehen.65 Wie in der reinen Todesfallversicherung kann der unwiderruflich Bezugsberechtigte 71 über sein Bezugsrecht frei verfügen, es unterliegt dem Zugriff seiner Gläubiger. Da es gänzlich ungewiss ist, ob der Bezugsberechtigte seinen Anspruch jemals geltend machen kann, ist der wirtschaftliche Wert seiner rechtlichen Position jedoch vergleichsweise gering.66 Ist es zur Pfändung und Überweisung des Bezugsrechts an den Gläubiger gekommen, so kann die Einziehung erst nach Eintritt des Todesfalles erfolgen, der Anspruch auf die Rückvergütung kann dagegen sofort nach Kündigung des Versicherungsvertrages geltend gemacht werden.67

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Hasse 26–27. Vgl. zu allem BGH 17.2.1966 a.a.O. 166; LG Frankfurt/M. 7.11.1956 VersR 1957 211; Hasse 26–27; Niewisch HansRGZ 1938 A Sp. 43, 49–50. Diese Ansicht wurde in dem durch LG Frankfurt/M. 7.11.1956 VersR 1957 211 abgeänderten erstinstanzlichen Urteil angesichts des § 166 Abs. 2 a.F. vertreten.

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Hasse 27; Welz VersR 1957 211. Hasse 27. Hasse 28; Niewisch HansRGZ 1938 A Sp. 50. Zu allem auch die gründliche Untersuchung von Baroch Castellví VersR 1998 410 ff.

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VI. Benennung des Bezugsberechtigten 1. Selbstständigkeit der Begünstigungserklärung Der Vorschrift des § 328 Abs. 1 BGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass das Recht 72 auf die Leistung des Versprechenden durch einen Vertrag zwischen dem Versprechenden (hier: VR) und dem Versprechensempfänger (hier: VN) ohne Durchgangserwerb des Versprechungsempfängers für den Dritten zustande kommt. Zu der bei Vertragsschluss erfolgenden Begünstigung kommt es dabei nach der Vorstellung des Gesetzgebers in einem einzigen rechtsgeschäftlichen Akt. Wenn in der Lebensversicherung bei Vertragsschluss ein Bezugsberechtigter benannt 73 wird, so bedeutet das – wie bei der widerruflichen Bezugsberechtigung deutlich wird – jedoch nicht, dass der Rechtserwerb des Dritten im Rahmen des Abschlusses des Lebensversicherungsvertrages mit dem VR vertraglich vereinbart wird. Denn nach § 159 Abs. 1 ist dem VN im Zweifel von Anfang an die Befugnis vorbehalten, durch eine nicht der Zustimmung des VR bedürftige Begünstigungserklärung den Bezugsberechtigten zu bestimmen und an seine Stelle einen anderen zu setzen. Das bedeutet, dass der Versicherungsantrag des VN nicht von vornherein auch auf die Einigung über die Person des Bezugsberechtigten gerichtet ist. Die Einräumung des Bezugsrechts beruht daher in der Lebensversicherung – anders als es § 328 Abs. 1 BGB bestimmt – nicht auf einem Rechtsgeschäft, sondern auf zwei Rechtsgeschäften, nämlich dem Lebensversicherungsvertrag und der Begünstigungserklärung. Die Begünstigungserklärung enthält die dem VN zustehende einseitige Ausübung der ihm vorbehaltenen Zuwendungsbefugnis. Demgemäß wurde die Begünstigungserklärung auch bereits vom Reichsgericht als eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung qualifiziert, „deren Wirksamkeit zwar eine Vertragsbindung zwischen dem VR und dem VN voraussetzt, die aber keineswegs einen Bestandteil des Versicherungsvertrages selbst darstellt.“68 Die Begünstigungserklärung kann von dem VN nach Vertragsschluss oder aber auch schon bei Vertragsschluss ausgesprochen werden, wenn der VN in dem Versicherungsvertrag einen Bezugsberechtigten bezeichnet.69 Es gibt dabei keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass der zum Abschluss eines Le- 74 bensversicherungsvertrages Bevollmächtigte auch für die mit diesem Vertrag zusammenhängenden Folgegeschäfte wie eine Begünstigungserklärung bevollmächtigt ist.70 2. Benennung des Bezugsberechtigten als Gestaltungsgeschäft Der in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung, bei der Benennung 75 eines Bezugsberechtigten handele es sich – jedenfalls solange die Begünstigung durch einseitige Willenserklärung erfolgt – um die Ausübung eines Gestaltungsrechts,71 ist beizupflichten. Die Ausübung des Gestaltungsrechts ist – auch von der Funktion her – vergleichbar mit der Erbeinsetzung.72 Nicht zu überzeugen vermag dagegen der von BGH 25.3.195373 gezogene Vergleich mit der Ausübung eines Wahlrechts bei einer Wahlschuld. Denn eine Wahlschuld setzt die Verpflichtung zu mindestens zwei unterschiedlichen Leistungen voraus, das aber ist hier nicht gegeben.

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RG 23.2.1937 RGZ 154 104. Lorenz FS Schwebler 356–358. Vgl. BGH 13.5.1992 VersR 1992 989, 990. RG 23.2.1937 RGZ 154 102; BGH 25.3.1953 VersR 1953 179; BGH 8.6.1967

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VersR 1967 795; BGH 28.9.1988 r+s 1988, 381, 382; ÖOGH 19.4.1979 VersR 1981 692. Vgl. RG 23.2.1937 a.a.O. BGH 25.3.1953 a.a.O. und BGH 8.6.1967 a.a.O.

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§ 159 76

Kapitel 5: Lebensversicherung

Bei der Einsetzung eines Bezugsberechtigten handelt es sich nicht um die Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts.74 Die Auffassung, das Benennungsrecht sei wegen der besonderen „familienrechtlich-ethischen“ Bedeutung der Lebensversicherung und angesichts dessen, dass die Bezugsberechtigung auch in einer Verfügung von Todes wegen ausgesprochen werden könne, höchstpersönlicher Natur,75 wird heute zu Recht nicht mehr vertreten. Gegen diese Ansicht spricht, dass den Gläubigern des VN auch bei der widerruflichen Bezugsberechtigung der Zugriff auf den Vermögenswert der Lebensversicherung zu Lebzeiten des VN entzogen würde, wenn man von einer Höchstpersönlichkeit des Benennungs- oder Widerrufsrechts ausgehen würde. Als nicht höchstpersönliches Recht unterliegt die Benennung eines widerruflich Bezugsberechtigten daher grundsätzlich der Pfändung und der Verfügung des Insolvenzverwalters,76 wobei die Pfändung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag genügt und das Widerrufsrecht nicht besonders gepfändet zu werden braucht. 3. Bezeichnungsbefugnis

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Grundsätzlich ist nach § 159, § 13 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung, § 13 (1) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke der VN zur Benennung eines Bezugsberechtigten befugt, denn dem VN als dem Vertragspartner des VR stehen zunächst alle Rechte aus dem Vertrage zu. Der VN kann dabei einen Dritten beauftragen, einen Bezugsberechtigten zu bezeichnen, die Benennung zu ändern oder zu widerrufen. Die Vollmacht des Dritten muss sich dabei ausdrücklich auf die Abgabe einer derartigen Erklärung richten, von einer Generalvollmacht ist die Benennung eines Bezugsberechtigten angesichts der Nähe zu den Verfügungen von Todes wegen nicht gedeckt. Das Gesetz und die Bedingungswerke gewähren die Bezeichnungsbefugnis nicht dem Versicherten, der Gefahrsperson.77 Ihr kann die Bezeichnungsbefugnis nur vertraglich eingeräumt werden, z.B. als Arbeitnehmer in der Gruppenlebensversicherung.78 Bei mehreren VN ist jeder VN hinsichtlich seines Anteils zur Benennung eines Bezugsberechtigten befugt (vgl. § 420 BGB). Ist der VN nur beschränkt geschäftsfähig, so bedarf es zur Benennung eines Bezugsberechtigten der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Der Auffassung von Gößmann, der angesichts der Nähe zu den Verfügungen von Todes wegen die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten für eine so persönliche Angelegenheit hält, dass sie der Beeinflussung durch den gesetzlichen Vertreter nicht unterliegen dürfe,79 kann nicht beigepflichtet werden. Da die Benennung des Bezugsberechtigten eben nicht die Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts ist, so muss der gesetzliche Vertreter zu jeder Ausübung der Benennungsbefugnis seine Zustimmung erteilen, ebenso wie bei jeder sonstigen Verfügung. Der Widerruf einer bereits getroffenen Bezugsberechtigung durch den Minderjährigen bedarf jedoch keiner Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, da sich der minderjährige VN mit dem Widerruf lediglich einen rechtlichen Vorteil verschafft, § 107 BGB. 74 75 76

RG 13.2.1914 VA 1914 Anh. S. 78 Nr. 831; RG 25.2.1930 RGZ 127 269. Behrend LZ 1908 Sp. 131; Emminghaus LZ 1927 Sp. 29. RG 25.2.1930 a.a.O.; LG Stade 16.6.1954 VersR 1954 457.

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ÖOGH 19.4.1979 VersR 1981 692. Vgl. dazu Theda VersPrax 1976 42. Gößmann ZVersWiss 1909 139, 331.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Der VN kann einen Bezugsberechtigten nur solange benennen, wie seine Rechte aus 82 dem Versicherungsvertrage nicht abgetreten, verpfändet und gepfändet sind. Bei einer Abtretung usw. hat der Zessionar, der Pfändungsgläubiger usw. die Befugnis, eine Bezugsberechtigung zu begründen, zu ändern oder zu widerrufen.80 Ist die Forderung aus dem Versicherungsvertrage durch den VN nur teilweise abgetreten worden, so kann der VN nur noch insoweit einen Bezugsberechtigten benennen, wie die Forderung dem VN auch weiterhin zusteht. Das gilt auch für den Fall der Sicherungszession, bei der die Verfügungsbefugnis des 83 VN nur insoweit entfällt, wie das vorrangige Interesse des Zessionars es erfordert: Auch nachdem eine Sicherungszession vorgenommen worden ist, kann es somit zur Einsetzung eines Bezugsberechtigten kommen. Die Einsetzung erfolgt jedoch aufschiebend bedingt oder sie tritt hinter die Abtretung zurück, der Sicherungszweck der teilweisen Abtretung darf nicht beeinträchtigt werden.81 In einem vom OLG Hamm entschiedenen Fall war in einem Gütertrennungsvertrag für den Fall der Ehescheidung der alleinige Anspruch der Ehefrau aus der von dem Ehemann abgeschlossenen Lebensversicherung vereinbart worden, so dass die Ehefrau nach der Scheidung von dem Ehemann die Beseitigung der Bezugsberechtigungen Dritter und ihre eigene unwiderrufliche Einsetzung als Bezugsberechtigte verlangen konnte, soweit dem die Sicherungsabtretung nicht entgegenstand.82 Für den anderen Teil der Forderung hat die Bezeichnungs-, Änderungs- und Wider- 84 rufsbefugnis nunmehr der Zessionar. Ebenso verhält es sich bei der Verpfändung der Versicherungsforderung: Auch hier kann der VN eine Bezugsberechtigung nur insoweit begründen, wie das Recht des Pfandgläubigers dadurch nicht beeinträchtigt wird. In der Mitteilung der Verpfändung an den VR (vgl. § 1280 BGB) kann konkludent der Widerruf einer widerruflichen Bezugsberechtigung liegen, soweit die Rechte des Pfandgläubigers durch die Bezugsberechtigung tangiert werden.83 Ist die Forderung des VN aus dem Versicherungsvertrage gepfändet, so kann der VN einen Bezugsberechtigten nur unbeschadet der Rechte des Pfändungsgläubigers bestellen; der Pfändungsgläubiger hat die Bezugsberechtigung zu widerrufen, wenn die Anwartschaft des Bezugsberechtigten auf die Versicherungsforderung aufgehoben werden soll. Denn die Pfändung als solche beinhaltet nicht auch den Widerruf der Bezugsberechtigung.84 Bei Insolvenz des VN geht das Recht zur Begründung einer Bezugsberechtigung, ihrer Änderung und insbes. ihres Widerrufs auf den Insolvenzverwalter über.85 4. Gegenstand der Bezugsberechtigung Die Bezugsberechtigung bezieht sich auf die schuldrechtlichen Ansprüche gegen den 85 VR und dabei zuallererst auf die vom VR zu leistende vertraglich festgelegte Versicherungssumme. Hinsichtlich der vom VR zu erbringenden Überschussbeteiligung ist ebenso wie bei der Rückvergütung zu differenzieren: Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung

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Zur Abtretung vgl. OLG Hamm 6.1.1971 VersR 1971 246–248. OLG Hamm 1.7.1994 VersR 1994 1053 mit zust. Anm. von Bayer VersR 1994 1053, 1054. Ebenso OLG Köln 29.3.1990 VersR 1990 1338, 1339 zur Auswechslung eines Bezugsberechtigten trotz Sicherungsabtretung.

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OLG Hamm 19.11.1996 VersR 1997 1386, 1387. RG 25.2.1930 RGZ 127 272; OLG München 28.2.1964 BB 1964 990; OLG Hamm 6.1.1971 VersR 1971 246. RG 25.2.1930 RGZ 127 269. Vgl. RG 13.2.1914 LZ 1914 Sp. 955 zum Widerruf einer Bezugsberechtigung.

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§ 159

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Kapitel 5: Lebensversicherung

erstreckt sich der Anspruch des Bezugsberechtigten nicht auf die jährlichen Überschussanteile, die der VR in bar oder per Verrechnung mit der jährlichen Prämie auskehrt. Wird der jährliche Überschussanteil zur Erhöhung der Versicherungssumme oder zur verzinslichen Ansammlung beim VR verwandt, so bezieht sich die Bezugsberechtigung grundsätzlich – ebenso wie bei den Schlussüberschussanteilen – auch auf diese Leistung des VR, da es in der Regel dem Willen des VN entspricht, sämtliche Leistungen, die beim Versicherungsfall fällig werden, dem Bezugsberechtigtem zukommen zu lassen.86 Anders verhält es sich bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung: Hier stehen nicht nur die beim VR angesammelten Überschussanteile einschl. Schlussüberschussanteilen dem Bezugsberechtigten zu, sondern auch die jährlich in bar auszuzahlenden Anteile, es sei denn, dass der VN vor oder bei Bezeichnung des Bezugsberechtigten erklärt, dass er die jährlichen Überschussanteile an sich selbst in bar ausgezahlt wünscht.87 Die Rückvergütung steht bei der widerruflichen Bezugsberechtigung grundsätzlich dem VN zu, da in dem Rückkauf zugleich ein Widerruf des Bezugsrechts zu sehen ist. Bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung hat dagegen der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Rückvergütung.88 Die Bezugsberechtigung kann sich auch allein auf die Versicherungssumme und nicht auch auf die Überschussbeteiligung oder die Rückvergütung beziehen. Der VN braucht eine Bezugsberechtigung auch nicht auf die gesamte Versicherungssumme zu erstrecken, sondern kann sie auf einen Teil der Versicherungssumme beschränken. Die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten kann sich z.B. bei gemischten Versicherungen sowohl auf die Versicherungsleistung im Todesfall als auch auf die Leistung im Erlebensfall beziehen, sie kann aber auch nur auf den Todesfall der Gefahrsperson beschränkt werden, so dass der VN die Leistung im Erlebensfall selbst erhält.89 Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der VN selbst der Empfänger der Leistung zu sein wünscht.90 Erstreckt sich eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung allein auf den Todesfall, so behält der VN das Recht, für den Erlebensfall entweder niemanden oder einen anderen Bezugsberechtigten zu benennen, es sei denn, dass dadurch das Recht des unwiderruflich Bezugsberechtigten tangiert wird. Nicht Gegenstand der Bezugsberechtigung ist das Recht, die Versicherung zu kündigen, die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung zu verlangen oder den Vertrag anzufechten.91 Denn die Regelung des Vertrages zugunsten Dritter nach § 328 BGB bezieht sich nur auf schuldrechtliche Ansprüche und nicht auf andere Rechte wie Gestaltungsrechte. Der VN bleibt der Adressat sämtlicher versicherungsvertraglicher Erklärungen des VR, dem Bezugsberechtigten stehen nur die durch den Erwerb des Anspruchs sich ergebenden Rechte zu. Zwar behält der VN gemäß § 335 BGB einen klagbaren Anspruch auf die Leistung des VR an den Bezugsberechtigten, dabei wird aber die Rechtsstellung des Bezugsberechtigten nicht beeinträchtigt.92

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Bruck/Möller/Winter § 153 Rn. 144 ff.; vgl. auch OLG Nürnberg 27.9.1968 VersR 1969 608–609. Bruck/Möller/Winter § 153 Rn. 148 ff. Vgl. dazu Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 170.

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BGH 17.2.1966 VersR 1966 359. Vgl. OLG Dresden 19.10.1910 LZ 1911 Sp. 322. Vgl. RG 9.3.1937 RGZ 154 159; BGH 17.2.1966 VersR 1966 359. Heilmann VersR 1972 999.

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Bezugsberechtigung

§ 159

5. Begründung der Bezugsberechtigung a) Einseitigkeit der Begünstigungserklärung. Bei der Begründung der Bezugsberechti- 90 gung ist anders als früher nicht mehr zwischen der widerruflichen und der unwiderruflichen Bezugsberechtigung zu differenzieren.93 Die Begründung der Bezugsberechtigung und damit die Ausübung des Gestaltungsrechts erfolgt durch eine einseitige Willenserklärung. Unabhängig davon, ob die Einsetzung des Bezugsberechtigten bei oder nach Vertragsschluss erfolgt, gilt zunächst der Grundsatz des § 332 BGB, nach dem sich der Versprechensempfänger – also der VN – die Befugnis vorbehalten kann, ohne Zustimmung des Versprechenden an die Stelle des im Versicherungsvertrage bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Dabei ist allgemein anerkannt, dass das nicht nur für die Änderung einer Bezugsberechtigung gilt, sondern auch für ihre Begründung und für ihren Widerruf. Die Regelung des § 332 BGB ist getroffen worden, weil es dem Versprechenden in der Regel gleichgültig sein dürfte, ob der Versprechensempfänger einen Begünstigten benennt, ob er die Bezeichnung widerruft oder in sonstiger Weise ändert. Ebenso wie der Versprechensempfänger durch Abtretung oder Verpfändung über sein Gläubigerrecht verfügen kann, ohne dass es der Zustimmung des Versprechenden bedarf, soll das auch für den vergleichbaren Vorgang der Begünstigung eines Dritten gelten. Einer Annahmeerklärung des Versprechenden bedarf es nicht. Für die Regelung des § 332 BGB enthält nun die Vorschrift des für die Lebensversicherung geltenden § 159 Abs. 1 die Auslegungsregel, dass im Zweifel anzunehmen ist, dass dem VN die Befugnis vorbehalten ist, ohne Zustimmung des VR einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen oder die Bezugsberechtigung zu ändern. Somit wird auch für die Lebensversicherung bestätigt, dass bei der Bezugsberechtigung die Einsetzung eines Bezugsberechtigten durch eine einseitige Willenserklärung des VN erfolgt. Das ist offensichtlich, wenn die Begünstigungserklärung nach dem Vertragsschluss ausgesprochen wird, es gilt aber auch für den Fall, dass der Bezugsberechtigte bereits im Versicherungsantrag benannt wird: Hier erfolgt die Einsetzung eines Bezugsberechtigten zusammen mit dem Abschluss des Vertrages, behält aber ihren Charakter als eigenes Rechtsgeschäft. Die Bezugsrechtseinsetzung erfolgt aber nicht nur unabhängig von einer Annahme- 91 erklärung des VR, sondern auch unabhängig von einer Annahme durch den Begünstigten. Das ergibt sich deutlich aus § 333 BGB, wonach der Bezugsberechtigte durch Erklärung gegenüber dem Versprechenden – also dem VR – das bereits „erworbene“ Recht mit rückwirkender Kraft zurückweisen kann. Der Rechtserwerb tritt auf Seiten des Bezugsberechtigten also ein, ohne dass es einer Äußerung des Dritten bedurft hätte. Die Argumentation von Hadding,94 der davon ausgeht, dass sich niemand gegen seinen Willen etwas zuwenden lassen müsse, kann angesichts der eindeutigen Ausrichtung und Funktion der §§ 332, 333 BGB und § 159 nicht beigepflichtet werden.95 Die Bezugsrechtseinräumung erfolgt somit durch eine einseitige Willenserklärung, 92 der Annahme durch den VR oder den Bezugsberechtigten bedarf es nicht.96 Die Billi93

94 95 96

Vgl. zur Rechtslage bei früheren Bezugsrechtsklauseln Bruck/Möller/Winter 8 H 43–48. Hadding FS Zajtay 185. Lorenz FS Schwebler 363–364. RG 17.2.1933 RGZ 140 30; RG 12.1.1937 RGZ 153 226; RG 23.2.1937 RGZ 154 99; RG 22.12.1941 RGZ 168 177; BGH 25.3.1953 VersR 1953 179; BGH 8.6.1967

VersR 1967 795; BGH 4.12.1980 VersR 1981 372; OLG Bremen 11.11.1958 VersR 1959 689; OLG Hamburg 27.5.1936 JRPV 1936 253; OLG Hamburg 10.2.1961 DB 1961 501; OLG Hamm 11.10.1951 VersR 1952 41; OLG Hamm 29.1.1975 VersR 1976 143; LG Berlin 30.10.1958 VersR 1959 329; LG Hildesheim 5.5.1964 VersR 1964 938; LG Karlsruhe 16.2.1956 VersR

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

gungsklausel des § 5 erfasst nicht die Bestimmung des Bezugsberechtigten, sondern nur vertragliche Regelungen.97 b) Empfangsbedürftigkeit, Anzeige an den Versicherer

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aa) Keine Empfangsbedürftigkeit durch den Bezugsberechtigten. Es bedarf nicht nur nicht der Zustimmung des Bezugsberechtigten zu der Begünstigung, auch ein Empfang der Begünstigungserklärung durch den Bezugsberechtigten ist nicht erforderlich. Denn würde ein Empfangserfordernis für den Bezugsberechtigten bestehen, so hätten die Erben des VN die Möglichkeit, nach § 130 Abs. 1 BGB die Bezugsberechtigung zu widerrufen, wenn die Begünstigungserklärung dem Bezugsberechtigten vor dem Todes des VN noch nicht zugegangen ist.98

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bb) Empfangsbedürftigkeit durch den Versicherer. Umstritten war lange, ob die Begünstigung eine für den VR empfangsbedürftige Willenserklärung ist. Dabei ist auf § 322 BGB verwiesen worden, wonach die Änderung der Bezugsberechtigung im Zweifel auch mit Hilfe einer Verfügung von Todes wegen, also in einer Erklärung, die unstreitig nicht empfangsbedürftig ist, vorgenommen werden kann, darüber hinaus entspreche es nur der „Ökonomie des Rechts“, wenn auch eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung als ausreichend angesehen werde.99 Für die Empfangsbedürftigkeit sprechen jedoch schon dogmatische Gründe; die Benennung eines Bezugsberechtigten durch eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung zuzulassen, lässt sich mit dem Vertragsrecht nur schwer vereinbaren. Der Ausnahmetatbestand des § 332 letzter Halbsatz BGB wird in unzulässiger Weise verallgemeinert. Für die Notwendigkeit einer Empfangsbedürftigkeit der Bezugsrechtseinräumung spricht insbes. das Erfordernis der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit bei der Abwicklung des Versicherungsvertrages, und zwar nicht nur für den VR, sondern auch für die VN-Seite. Es muss ein Beweismittel geben, das den VN, den Dritten und auch den VR auf rechtsändernde Erklärungen festlegt, und dafür bietet sich als einfache Lösung an, den Zugang der rechtsbegründenden oder rechtsändernden Erklärung beim VR als Wirksamkeitserfordernis festzulegen. Zu Recht gehen die Rechtsprechung und das Schrifttum heute dahin, dass es sich bei der Bezugsrechtsbegründung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt.100 Eine empfangsbedürftige Willenserklärung bedarf zu ihrer Wirksamkeit auch der Begebung, sie muss mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sein.101

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1956 313; LG Saarbrücken 30.4.1982 NJW 1983 181; Lorenz FS Schwebler 363–364; Prölss ZVersWiss 1936 281; a.M. Heilmann SchweizJZ 1971 109–110; ders. VersR 1972 997–998. OLG Frankfurt 31.3.1999 VersR 1999 1353. Lorenz FS Schwebler 364–365. Ein Widerruf durch die Erben im Valutaverhältnis ist davon zu unterscheiden. So Brück LZ 1932 Sp. 661; Gerhard JW 1932 2519; Heck JW 1932 2517; Silberschmidt JRPV 1930 341; OLG Hamburg 13.7.1931 HansRZ 1931 A Sp. 597; anders RG 22.3.1932 RGZ 136 49; BGH 28.9.1988 RuS 1988 381, 382; BGH 18.12.2002 VersR 2003 229.

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RG 25.11.1932 JRPV 1933 4; RG 17.2.1933 RGZ 140 30; RG 12.1.1937 RGZ 153 226; RG 23.2.1937 RGZ 154 104; RG 22.12. 1941 RGZ 168 186; BGH 25.3.1953 VersR 1953 179-180; BGH 8.6.1967 VersR 1967 795; BGH 28.9.1988 RuS 1988 381, 382; BGH 18.12.2002 VersR 2003 229; OLG Hamm 29.1.1975 VersR 1976 143; ÖOGH 19.4.1979 VersR 1981 692; aus dem Schrifttum vgl. insbes. Helmers VersR 1965 534; Heilmann VersR 1972 998 und Lorenz FS Schwebler 365–366. BGH 18.12.2002 VersR 2003 229 – auch zur Beweisregel des § 416 ZPO.

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Bezugsberechtigung

§ 159

c) Schriftliche Anzeige an den Versicherer. Seit 1957 ist die Problematik weitgehend 95 belanglos geworden, weil nach § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung, § 13 (3) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung und den gleichlautenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke die Einräumung und der Widerruf eines Bezugsrechts dem VR gegenüber nur und erst dann wirksam ist, wenn sie der bisherige Verfügungsberechtigte – also in aller Regel der VN – dem VR schriftlich (nicht erforderlich ist eine Anzeige auf einem vorgefertigten Formular102) angezeigt hat. Das Anzeigeerfordernis aber begreift die Empfangsbedürftigkeit mit ein. Mit dieser Regelung soll nicht nur der Bezugsberechtigte, es soll auch der VR geschützt werden. Indem die Wirksamkeit der Bezugsrechtseinräumung von der Anzeige des VN abhängig gemacht wird, wird die Befugnis des VN, einen Bezugsberechtigten zu bestimmen, deutlich eingeschränkt.103 Die Regelung bedeutet dabei auch zugleich, dass die Benennung eines Bezugsberechtigten durch Testament, die dem VR nicht angezeigt wird, nicht wirksam werden kann.104 Das hat der BGH für den Widerruf einer Bezugsberechtigung durch Testament bestätigt:105 In den Bedingungswerken braucht nicht ausdrücklich der Fall eines Widerrufs der Bezugsberechtigung durch Testament geregelt zu werden, um Zweifel mit Blick auf § 332 BGB darüber zu zerstreuen, dass der Widerruf nur wirksam ist, wenn er dem VR schriftlich angezeigt wird. Auch in der entsprechenden Weisung an den Testamentsvollstrecker kann die wirksame Einräumung eines Bezugsrechts nicht gesehen werden, wenn der VR davon nicht unterrichtet wird.106 Dasselbe gilt, wenn der VN die Bezugsberechtigung gegenüber dem Dritten selbst erklärt. Für die Wirksamkeit der Benennung reicht es nicht aus, dass die Anzeige dem VR nach dem Tode des Versicherten zugeht, § 130 Abs. 2 BGB ist hier nicht anwendbar.107 Die Frage der Empfangsbedürftigkeit der Bezugsrechtseinräumung ist nur für jene 96 Fälle von Bedeutung geblieben, in denen die Regelung des § 13 (4) GDV Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen nicht gelten. Das sind nur wenige Fälle, wie auch der Rückgang der Rechtsprechung zu dieser Frage erkennen lässt. Wenn argumentiert wird, § 332 BGB könne nur durch eine ausdrückliche Regelung im Versicherungsvertrag und nicht nur indirekt durch das Anzeigeerfordernis ausgeschlossen werden,108 so kann dem nicht beigepflichtet werden. Denn § 332 BGB greift als Auslegungsvorschrift gerade nur dann ein, wenn die Auslegung des Vertrages einschl. der Vertragsbestandteil gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts anderes ergibt.109 § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die ent- 97 sprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke – die über das Gesetz hinaus

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OLG Hamm 14.1.2009 VersR 2010 200, 201. BGH 1.7.1981 VersR 1981 926, 927; besonders deutlich zur absoluten Unwirksamkeit bei fehlender Anzeige der Abtretung BGH 31.10.1990 VersR 1991 89, 90 – das gilt auch für die Bezugsberechtigung. Grundsätzlich zum Anzeigeerfordernis Armbrüster Liber amicorum Gerrit Winter 519, 526. BGH 1.7.1981 a.a.O.; BGH 10.2.1994 VersR 1994 586 m.w.N.; ausführlich ebenso Helmers VersR 1965 534–535.

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BGH 14.7.1993 VersR 1993 1219; vgl. auch BGH 10.2.1994 VersR 1994 586, auch zur Rechtzeitigkeit des Widerrufs beim VR. AG Bad Homburg 21.10.1952 VersR 1955 162–163. BGH 14.7.1993 VersR 1993 1219; BGH 10.2.1994 VersR 1994 586; OLG Hamm 14.11.1979 VersR 1980 740. Bartholomeyczik in Festgabe von Lübtow für Ulrich 729, 735. BGH 1.7.2982 VersR 1981 927.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

eine schriftliche Anzeige erfordern – sind auch nicht nach § 307 BGB unwirksam. Die bedingungsmäßige Regelung, die die Zweifelsregelung des § 332 BGB überflüssig macht, führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des VN. Sie ist auch nicht derart ungewöhnlich, dass ein VN damit nicht zu rechnen braucht, sie läuft den „vernünftigen Erwartungen eines VN nicht derart zuwider, dass etwa von einer Überrumpelung oder Übertölpelung gesprochen werden könnte“.110 Voraussetzung für die Wirksamkeit der Anzeige ist es, dass die Verfügungsbefugnis des bisherigen Verfügungsberechtigten noch im Zeitpunkt der Anzeige gegeben ist.111 6. Bezeichnungsinhalt

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Inhaltlich muss die Erklärung des VN bzw. die Anzeige an den VR erkennen lassen, dass der VN über die Person des Empfängers der Versicherungsleistung eine Bestimmung treffen will. Das kann ausdrücklich, aber auch konkludent geschehen. Ein Beispiel für den konkludenten Widerruf einer Bezugsberechtigung kann u.U. die Anzeige des VN an den VR sein, dass er die Rechte aus dem Versicherungsvertrag abgetreten habe. Die Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung kann sich auch allein aus Sinn und Zweck der Versicherung ergeben, wenn z.B. die Kreditlebensversicherung gegen Einmalbeitrag für den Fall der Kündigung die Gutschrift der Rückvergütung auf dem Kreditkonto des VN vorsieht.112 Die Bezeichnung des Bezugsberechtigten muss den Empfänger der Versicherungsleis99 tung so kenntlich machen, dass der VR bei Fälligkeit der Leistung in der Lage ist, festzustellen, an wen die Leistung zu erbringen ist. Nicht erforderlich ist jedoch eine namentliche Bezeichnung des Bezugsberechtigten, es genügt, dass der Empfänger bestimmbar ist, z.B. aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses zu dem VN. Auch Personen, die noch nicht geboren oder gezeugt sind, können als Bezugsberechtigte benannt werden.113 Bezeichnet der VN den Inhaber des Versicherungsscheins als empfangs- oder bezugs100 berechtigt, so ist darunter in der Regel nicht die Einräumung eines Bezugsrechts zu verstehen, es gilt vielmehr § 808 BGB, so dass der VR zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, an den Inhaber des Versicherungsscheins zu leisten. Da sich die Inhaberklausel in § 12 GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung, § 12 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke vereinbart findet, ist die Weisung des VN, dass die Zahlung der Versicherungssumme an den Inhaber des Versicherungsscheins erfolgen soll, ohne Bedeutung. Die Rechtslage bleibt die gleiche, wie wenn der Inhaber des Versicherungsscheins nicht noch zusätzlich durch den VN als empfangsberechtigt bezeichnet worden wäre. Das gilt auch für die Fälle, in denen der VN anstelle der Bezeichnung „Inhaber“ eine inhaltlich gleiche Bezeichnung wie z.B. „Überbringer“ gewählt hat.114

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OLG Hamm 31.5.1996 VersR 1997 729. BGH 10.3.2010 VersR 2010 937 für einen Fall der Abtretung. LG Berlin 23.3.2011 VersR 2012 1023, 1024. RG 29.2.1904 Recht 1904 601. Über die Anforderungen an die Fassung der

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Bezugsrechtsklausel in einem Lebensversicherungsvertrag, der der Erlangung der Versicherungsfreiheit dienen soll, vgl. SG Nürnberg 27.5.1964 VersR 1965 708–710; vgl. im Übrigen unten Bruck/Möller/Winter § 160 Rn. 10 ff.

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Bezugsberechtigung

§ 159

7. Schriftform a) Keine erbrechtliche Form, Differenzierung hinsichtlich der Schriftform. Soweit 101 sich ein Lebensversicherungsvertrag als ein auf den Todesfall geschlossener Vertrag darstellt, ist die Begünstigungserklärung in ihrer rechtlichen Wirksamkeit nicht davon abhängig, dass die Form einer Verfügung von Todes wegen eingehalten wird.115 Denn der Bezugsberechtigte erwirbt das Recht unmittelbar aus dem Vermögen des VR und nicht aus dem Vermögen des VN.116 Auch der Charakter des Lebensversicherungsgeschäfts als Massengeschäft würde komplizierte Formerfordernisse nicht vertragen. Anders verhält es sich jedoch mit der Schriftform. Für die Frage, inwieweit sie für die 102 Einsetzung eines Bezugsberechtigten erforderlich ist, muss zwischen der Einräumung eines Bezugsrechts im Antragsformular – also vor Vertragsschluss – und der Einsetzung eines Bezugsberechtigten nach Abschluss des Vertrages unterschieden werden. Ist der Vertrag bereits zustande gekommen, ist die Formvorschrift des § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke zu beachten, so dass die Einräumung (und der Widerruf) der Bezugsberechtigung der Schriftform unterliegt. Darüber hinaus enthalten die Bedingungswerke grundsätzlich keine weitere Schriftformklausel, die hier greifen könnte. b) Einsetzung eines Bezugsberechtigten im Antragsformular. Für die Willenserklä- 103 rung des VN zur Benennung eines Bezugsberechtigten im Antragsformular besteht keine gesetzliche Formvorschrift, auch wird zwischen dem versicherungsnehmenden Antragsteller und dem VR vor der Antragstellung keine Schriftform i.S.d. § 127 Satz 1 BGB vereinbart. Auch wenn im Antragsformular auf § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke verwiesen wird, so kann darin nicht die Vereinbarung einer Schriftform gesehen werden, denn die Versicherungsbedingungen binden den VN nicht vor Vertragsschluss. Das gilt auch für den Fall, dass der Antragende mit der Antragstellung die Erklärung abgibt, dass er die Allgemeinen Versicherungsbedingungen als für sich bindend ansieht: Auch das ist keine Vereinbarung über die Schriftform, da es sich insoweit zunächst um eine einseitige Erklärung des VN handelt. Das bedeutet, dass es für die Benennung eines Bezugsberechtigten grundsätzlich keiner Schriftform bedarf.117 Die Einräumung einer Bezugsberechtigung wird somit dann wirksam, wenn der Antragsteller die Erklärung mündlich gegenüber dem Versicherungsvertreter abgibt. In diesem Augenblick ist die Erklärung dem VR zugegangen, da der Versicherungsvertreter nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 als bevollmächtigt gilt, das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen, zu denen die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten gehört, von dem VN entgegenzunehmen.118 Auf § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke kommt es nicht an. c) Einsetzung des Bezugsberechtigten nach Vertragsschluss. Ist der Versicherungs- 104 vertrag bereits zustande gekommen und soll die Einräumung eines Bezugsrechts nachträglich vorgenommen werden, so gelten für die Willenserklärung des VN § 13 (4) GDVMusterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestim-

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BGH 29.1.1964 BGHZ 41 96; BGH 9.11.1966 BGHZ 46 201; BGH 26.11.1975 BGHZ 66 12. Im Einzelnen unten Rn. 188 ff.

117 118

BGH 8.6.1967 VersR 1967 796; ÖOGH 19.4.1979 VersR 1981 692. So schon BGH 8.6.1967; VersR 1967 796.

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mungen der übrigen Bedingungswerke. Für die Benennung eines widerruflich Bezugsberechtigten durch den VN und die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts ist somit Schriftform erforderlich.

105

d) § 13 (4) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung als dem Schutz des Versicherers dienende Vorschrift. Was die Schriftform nach § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke anbelangt, so handelt es sich um Vorschriften, die dem Schutze des VR dienen. Es bleibt dem VR überlassen, ob er sich auf diese Bestimmungen berufen will.119 Geht es dabei nicht um das Verhältnis des VN zum VR, so beurteilt sich insoweit die Wirksamkeit der Bezugsberechtigung nach den allgemeinen Vorschriften, die Vorschrift des § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung bleibt außer Betracht. Insoweit ist auch eine mündliche Einsetzung des Bezugsberechtigten wirksam, wenn sie gegenüber dem VR oder einem zur Entgegennahme einer solchen Äußerung bevollmächtigten Versicherungsvertreter erklärt wird.120

106

e) Abrede zur Formfreiheit. Da der Grundsatz der Formfreiheit auch im Versicherungsvertragsrecht herrscht, können die Parteien von der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen bestimmten Schriftform jederzeit einverständlich wieder abgehen. Dann ist auch die mündliche Bezeichnung eines Bezugsberechtigten wirksam, wenn sie gegenüber einem nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 zur Entgegennahme der Erklärung als bevollmächtigt geltenden Versicherungsvertreter abgegeben wird.121 Wollen sich VN und Versicherungsagent über die in den Bedingungswerken bestimmte Form hinwegsetzen, so handelt es sich um eine Vereinbarung i.S.d. § 305b BGB. Voraussetzung für eine solche Vereinbarung ist allerdings eine entsprechende Vollmacht des Versicherungsvertreters. 8. Frist

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Die Begünstigungserklärung, die mit dem Versicherungsantrag verbunden oder später ausgesprochen werden kann, muss dem VR vor dem Versicherungsfall zugehen. Die Vorschrift des §§ 130 Abs. 2 BGB, nach dem es auf die Wirksamkeit einer Willenserklärung ohne Einfluss ist, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt, vermag hier keine Anwendung zu finden. Denn Voraussetzung dafür ist, dass die Erben des Erklärenden zu dem Zeitpunkt noch verfügungsbefugt sind, in dem die Erklärung wirksam wird. Würde die Begünstigungserklärung aber erst nach dem Tode der Gefahrsperson wirksam, so ständen zu diesem Zeitpunkt die Rechte aus dem Versicherungsvertrag jedoch allein dem Bezugsberechtigten zu.122 9. Nichtigkeit der Bezugsberechtigung

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a) Nichtigkeitsgründe. Ebenso wie der Lebensversicherungsvertrag insgesamt kann auch die Bezugsberechtigung nichtig sein. Zu denken ist dabei an die Frage des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB (§ 14 HeimG) oder an die Sittenwidrigkeit

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BGH 8.6.1967 VersR 1967 796; OLG Hamm 14.11.1979 VersR 1980 739–740. BGH 8.6.1967; VersR 1967 796. Vgl. ÖOGH 19.4.1979 VersR 1981 692; BGH 8.6.1967 VersR 1967 796.

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Vgl. für den Widerruf einer Bezugsberechtigung OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 229.

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Bezugsberechtigung

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einer Bezugsberechtigung nach § 138 BGB. Bis Ende der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war der Hauptanwendungsfall für eine sittenwidrige Bezugsberechtigung die „Geliebtenbegünstigung“. Ebenso wie zum „Geliebtentestament“ finden sich hierzu kaum noch gerichtliche Entscheidungen: Die Vorstellung, außereheliche geschlechtliche Beziehungen seien grundsätzlich sittenwidrig und die Sittenwidrigkeit beziehe sich auch auf sämtliche damit in Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte, ist seit mehreren Jahrzehnten überholt. Hier ist es zu einem ganz grundlegenden Wertewandel und zu neuen rechtlich respektierten Formen partnerschaftlichen Zusammenlebens gekommen (nichteheliche Lebensgemeinschaften in unterschiedlichen Ausgestaltungen). Als sittenwidrig ist dagegen die Zurückweisung der Bezugsberechtigung durch einen Sozialhilfeempfänger anzusehen, um den Sozialleistungsanspruch nicht zu unterbrechen. Sittenwidrig kann aber auch die Sicherungsbegünstigung des Kreditgebers bei deutlicher Überschreitung der Übersicherungsgrenze sein. Verstößt eine Bezugsberechtigung gegen ein gesetzliches Verbot oder ist sie sittenwid- 109 rig, so bezieht sich die Nichtigkeit dabei allein auf die Bezugsberechtigung, nicht auf den gesamten Versicherungsvertrag.123 b) Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot. Eine Bezugsrechtseinräumung, die gegen ein 110 gesetzliches Verbot verstößt, ist gemäß § 134 BGB nichtig, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Setzt die Insassin eines Altenpflegeheims den Träger oder Personal des Heims als Bezugsberechtigte ein, so kann darin ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1, Abs. 5 HeimG liegen, wonach es dem Träger, der Leitung und den Beschäftigten eines Heims untersagt ist, sich von den Heimbewohnern finanzielle Leistungen über das nach § 5 HeimG vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Durch diese Vorschrift soll verhindert werden, dass alte und pflegebedürftige Menschen, die in einem Heim leben, ausgenutzt werden und unterschiedliche Vermögensverhältnisse der Insassen zu einer unterschiedlichen Behandlung führen. Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB können sich auch aus dem Strafrecht ergeben. Die 111 Einräumung einer Bezugsberechtigung ist beispielsweise nichtig, wenn sie der Finanzierung einer für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer verbotenen Vereinigung (§§ 84 f. StGB) bzw. der Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129 f. StGB) dient. c) Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB aa) Geliebtenbegünstigung Bei der Beurteilung, ob eine Bezugsberechtigung zuguns- 112 ten einer Geliebten oder eines Geliebten als sittenwidrig anzusehen und damit nichtig ist, sind die allgemeinen Prinzipien zu § 138 BGB maßgeblich.124 Dabei ist allgemein aner-

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124

RG 23.2.1937 RGZ 154 108; OLG Hamburg 27.5.1936 JRPV 1936 256; OLG Hamburg 10.2.1961 DB 1961 501; OLG Hamm 11.10.1951 VersR 1952 41; vgl. auch BGH 6.3.1962 VersR 1962 405, 406. Vgl. zu allem ausführlich Bruck/Möller/Winter 8 H 82–90 und die zu der Problematik ergangene Rspr.: RG 24.11.1933 RGZ 142 410 ff.; RG 12.3.1934 VA 1934 209 ff. Nr. 2711; RG 18.12.1934 JRPV 1935 22; RG 23.2.1937 RGZ 154 99; BGH 10.1.1957

BGHZ 23 76 ff.; BGH 6.3.1962 VersR 1962 405, 406; BGH 4.12.1980 VersR 1981 371, 372; OLG Bremen 11.11.1958 VersR 1959 689 ff.; OLG Breslau 4.5.1934 JRPV 1935 ZusatzNr. 1 9–11; OLG Hamburg 27.5.1936 JRPV 1936 255, 256; OLG Hamburg 10.2.1961 DB 1961 501; OLG Hamm 11.10.1951 VersR 1952 41; AG Bad Homburg 21.10.1952 VersR 1955 162, 163. Vgl. auch OLG Düsseldorf 12.12.1961 VersR 1962 655–656 (zur Gültigkeit einer Ver-

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kannt, dass die Nichtigkeit der Bezugsberechtigung nach § 138 BGB nach denselben Grundsätzen zu behandeln ist wie eine letztwillige Verfügung.125 Maßgeblich für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist stets der Zeitpunkt des Ver113 sicherungsfalls bzw. der sonstige Zeitpunkt der Auszahlung einer Leistung des VR (also Tod, Erlebensfall, Rückkauf). Das gilt insbes. auch, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der Begründung der Bezugsberechtigung geändert haben oder ein Anschauungswandel eingetreten ist.126 Denn § 138 BGB soll nur den von der Sittenordnung missbilligten Rechtserfolg verhindern, die rechtlichen Wirkungen der Bezugsberechtigung treten letztlich jedoch erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles oder beim Rückkauf des Vertrages ein. Das gilt nicht nur für die widerrufliche, sondern in diesem Sinne auch für die unwiderrufliche Bezugsberechtigung. Damit in Einklang steht, dass auch § 2171 BGB hinsichtlich der Beurteilung gesetzlicher Verbote gleichfalls auf den Zeitpunkt des Erbfalls abstellt. § 2171 BGB aber ist eine für das Erbrecht verallgemeinerungsfähige Vorschrift, die für die Bezugsberechtigung in der Todesfallversicherung wegen ihrer Nähe zum Erbrecht analoge Anwendung finden kann. Im Ergebnis unterscheidet sich die erbrechtliche Rechtsprechung des BGH nur teilweise von der hier vertretenen Ansicht, weil nach dem BGH127 der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu beachten ist, wenn ein Verstoß gegen die guten Sitten erst beim Erbfall anzunehmen ist. Folglich bleibt auch die Begünstigung, die bei ihrer Begründung gegen die Sitten verstieß, nicht sittenwidrig, wenn der VN die Begünstigte später heiratet. Nach der Rechtsprechung ist von dem Grundsatz auszugehen, dass ein VN, der eine 114 andere Person als seinen Ehegatten, Lebensgefährten oder Lebenspartner unbestritten oder bewiesenermaßen ausschließlich zur Belohnung oder zum Anreiz für geschlechtliche Beziehungen als Bezugsberechtigten einsetzt, eine nach § 138 BGB nichtige Begünstigung vornimmt.128 In seinem Urteil von 1970 betont der BGH ausführlich, inwieweit zu berücksichtigen sei, welche Personen durch die Begünstigung zurückgesetzt werden, in welcher wirtschaftlichen Situation sich die Betroffenen befinden, inwieweit sie am Erwerb des Familienvermögens beteiligt waren, wie sich die familiären Beziehungen zum Erblasser bzw. VN weiterentwickelt haben und inwieweit ihnen die Begünstigung der/des Bezugsberechtigten zuzumuten sei. Angesichts der mit der Bezugsberechtigung häufig verbundenen Funktion der Alters- und Hinterbliebenenvorsorge spielt gerade auch dieser Blickwinkel – aus der Sicht sowohl des Bedachten als auch der Angehörigen – eine erheb-

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pflichtung des VN gegenüber der Bezugsberechtigten, mit der er ehebrecherische Beziehungen unterhält, das Bezugsrecht nicht zu widerrufen, wenn die Bezugsberechtigte zugleich für das Geschäft des VN tätig ist). Aus der Literatur ist insbes. auf Helmers VersR 1967 1123–1126 zu verweisen. RG 24.11.1933 RGZ 142 410; OLG Düsseldorf 12.12.1961 VersR 1962 656; OLG Hamm 11.10.1951 VersR 1952 41. Vgl. Soergel/Stein 13 § 1937 BGB Rn. 28; a.M. RG 24.11.1933 RGZ 142 410; RG 23.2.1937 RGZ 23 99; BGH 15.2.1956 BGHZ 20 71; Birk FamRZ 1964 120. BGH 15.2.1956 BGHZ 20 75. Vgl. im Einzelnen die grundlegende Ent-

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scheidung BGH 31.3.1970 NJW 1970 1273 ff. zu der entsprechenden Problematik für letztwillige Verfügungen, die von BGH 10.11.1982 NJW 1983 674 ff. bekräftigt worden und zuletzt von OLG Düsseldorf 22.8.2008 AZ I-3 Wx 100/08 bestätigt worden ist. Im Übrigen ist der früheren Rspr. durch die Einführung des ProstG weitgehend der Boden entzogen worden, aus dessen § 1 Satz 1 sich ein Anspruch der Prostituierten gegen den Freier auf Zahlung des Dirnenlohns nach Leistungserbringung ergibt. Ist die Prostitutionsabrede danach unbedenklich, so kann auch die Geliebtenbegünstigung für sich besehen nicht sittenwidrig sein.

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Bezugsberechtigung

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liche Rolle. Damit sind jedoch die Gesichtspunkte, die bei einer Gesamtwürdigung entscheidungserheblich sein können, nicht erschöpft. bb) Beweislastverteilung. Bis Ende der sechziger Jahre hatte die Rechtsprechung aus 115 der bloßen Tatsache sexueller Kontakte regelmäßig geschlossen, sie seien auch alleiniges oder bestimmendes Motiv für die Einsetzung eines Bezugsberechtigten gewesen. Wenn dabei gesagt wurde, die Sittenwidrigkeit könne entfallen, falls den Erblasser/VN achtbare Gründe geleitet hätten, so hatte das nur theoretische Bedeutung. Eine veränderte Einstellung zur Verteilung der Beweislast trat zum ersten Mal in der Entscheidung des BGH von 1970129 zutage, seither wird den gesetzlichen Erben auferlegt, die Tatsachen zu beweisen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung bzw. Bezugsrechtseinsetzung ergibt. Nichtig ist danach die Bezugsberechtigung nur, wenn offenkundig oder bewiesen ist, dass die Einräumung des Bezugsrechts ausschließlich zur Entlohnung des Geschlechtsverkehrs erfolgte. Werden sexuelle Beziehungen festgestellt, so stellt das allein keine für eine solche Annahme genügende Indiztatsache dar; bei lang andauernden außerehelichen Beziehungen geht die Erfahrung sogar dahin, dass die Erbeinsetzung bzw. Bezugsrechtseinräumung keinen reinen Entgeltcharakter hat. Die Anwendung der von der Rechtsprechung unter Billigung des Schrifttums entwickelten Grundsätze in der Praxis zeigt, dass es zur Feststellung der Sittenwidrigkeit einer Bezugsrechtseinräumung in der Gegenwart so gut wie nicht mehr kommt.130 cc) Sicherungsbegünstigung eines Kreditgebers. Häufig kommt es in Zusammenhang 116 mit der Aufnahme und Absicherung eines Darlehns durch den VN nicht zu einer Sicherungszession an den Kreditgeber, sondern zur Einsetzung der Bank usw. als Bezugsberechtigten. Eine solche Sicherungsbegünstigung kann wegen Überschreitung der Übersicherungsgrenze ebenso sittenwidrig und damit nichtig sein wie eine deutlich zu hoch angesetzte Sicherungszession.131 dd) Rechtserwerb des Versicherungsnehmers bei Nichtigkeit der Bezugsberechtigung. 117 Ist die Bezugsberechtigung nichtig, so steht das Recht auf die Versicherungsleistung dem VN zu, § 160.132 Hat der VN eine Bezugsberechtigung geändert und ist die neue Bezugsrechtseinsetzung nichtig, gilt aber die frühere Bezugsrechtseinsetzung weiter.133 ee) Rechtliche Position des Versicherers bei sittenwidriger Bezugsberechtigung (1) Kein Zurückweisungsrecht des Versicherers. Der VR, dem eine Begünstigungserklä- 118 rung eines verheirateten VN zugeht, dürfte ihr nicht ansehen können, dass sie sittenwidrig und damit nichtig ist. Er hat unter diesen Umständen rechtlich keine Möglichkeit, die Bezugsberechtigung zurückzuweisen.

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BGH 31.3.1970 NJW 1970 1273, 1276. Vgl. zu der Gesamtproblematik BGH 31.3.1970 NJW a.a.O.; BGH 29.6.1973 NJW 1973 1645; R. Johannsen WM 1971 918–928; ders. WM 1973 530–550; Karow Sittenwidrigkeit von Verfügungen von Todeswegen (2001); Paul JZ 2005 436–444; Schrenck-Notzing Unerlaubte Bedingungen (2009).

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Hasse VersR 2010 837, 846 mit Bezugnahme auf einen bei Winter Versicherungsaufsichtsrecht 432 f. wiedergegebenen Fall, der der Entscheidung des OLG Celle vom 15.1.1996 zugrunde liegt. Vgl. BGH 6.3.1962 VersR 1962 405; OLG Hamm 11.10.1951 VersR 1952 41. BGH 4.12.1980 VersR 1981 371.

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(2) Schutz des Versicherers durch analoge Anwendung des § 409 BGB. Ist der VR nicht durch die Inhaberklausel geschützt, so ist bei einer nichtigen Bezugsrechtseinsetzung § 409 BGB analog anzuwenden.134 Nach § 409 BGB muss der VN, der dem VR die Bezugsrechtseinsetzung angezeigt hat, die Bezugsrechtseinsetzung dem VR gegenüber gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht wirksam ist.135

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ff) Kein Rückforderungsrecht des Versicherungsnehmers gegen den Bezugsberechtigten. Bei einer nach § 138 BGB nichtigen Bezugsberechtigung hat der VN gemäß § 817 Satz 2 BGB gegen den Bezugsberechtigten kein Rückforderungsrecht, weil der VN durch die Zuwendungen nicht weniger gegen die guten Sitten verstößt als der Bezugsberechtigte.136

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d) Sittenwidrigkeit der Zurückweisung einer Bezugsberechtigung. Weist ein Sozialhilfeempfänger eine Bezugsberechtigung nach § 333 BGB zurück, so verstößt er damit gegen die guten Sitten, wenn der Sozialleistungsanspruch infolge der Leistung des LebensVR für eine nicht unerhebliche Zeit ausgeschlossen gewesen wäre. Der Sozialhilfeempfänger „nimmt für sich die durch das Sozialstaatsprinzip verbürgte Solidarität der staatlichen Gemeinschaft in Anspruch. Nimmt er in dieser Situation einen ihm angetragenen Vermögenserwerb nicht wahr, so verweigert er umgekehrt der Gemeinschaft eben diese Solidarität, indem er rechtlich eine Bedürftigkeit vorschützt, die wirtschaftlich nicht besteht bzw. nicht bestehen müsste … Ein derart widersprüchliches Verhalten ist mit den guten Sitten ersichtlich nicht zu vereinbaren, es sei denn, es kann im Einzelfall auf Gründe gestützt werden, die die Rechtsordnung auch bei voller Würdigung der Allgemeininteressen akzeptieren muss.“137 Ebenso wie bei der Ausschlagung einer Erbschaft ist die Zurückweisung einer Bezugsberechtigung zwar Ausdruck der allgemeinen und vermögensrechtlichen Handlungsfreiheit des Benannten i.S.v. Art. 2, 14 GG. Die Handlungsfreiheit wird jedoch durch die §§ 2, 90 Abs. 1 SGB XII beschränkt. Das Recht der Zurückweisung ist gegenüber Drittinteressen nicht generell vorrangig. Es kann auch nicht argumentiert werden, mit Blick auf die – in ihrer Funktion vergleichbare – Ausschlagung einer Erbschaft sei der Erbe nach der zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtlichen Lage nicht verpflichtet, bei der Entscheidung über die Ausschlagung auf die Interessen seiner Gläubiger Rücksicht zu nehmen, und diese Erwägung sei auf die Zurückweisung übertragbar. Es geht nicht darum, ob der Sozialhilfeträger auf das Vermögen des Sozialhilfeempfängers zugreifen darf. Es geht vielmehr darum, ob der Hilfsbedürftige ihm zufallende Vermögenswerte ausschlagen bzw. zurückweisen darf, wenn er hierdurch seine Bedürftigkeit aufrechterhält. Von dem Sozialhilfeempfänger muss erwartet werden, dass er vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe einen ihm von dritter Seite ermöglichten Erwerb finanzieller Mittel wahrnimmt. Es gilt auch insoweit der Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII).138

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RG 23.2.1937 RGZ 154 109; RG 22.12. 1941 RGZ 168 177; Helmers VersR 1967 1125; a.A. OLG München 3.12.1940 HansRGZ 1941 Sp. 208. Vgl. die Übersicht bei Helmers VersR 1967 1125; BGH 17.5.1955 DB 1955 603; a.A. Rieke NJW 1959 1415. RG 12.3.1934 VA 1934 209–211 Nr. 2711; RG 23.2.1937 RGZ 154 102, 103.

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OLG Hamm 16.7.2009 RNotZ 2009 603, 604 für den Fall der Ausschlagung einer Erbschaft. Vgl. im Übrigen die Anm. von Baumann zum Beschluss des OLG Hamm RNotZ 2009 605–607.

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Bezugsberechtigung

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e) Exkurs: Anfechtung einer Bezugsrechtseinräumung. Für die Anfechtung einer Be- 122 zugsrechtseinräumung gelten keine Besonderheiten, durch die Anfechtung der Bezugsrechtseinsetzung wird die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages im Übrigen nicht tangiert.

VII. Beziehungen zwischen dem Bezugsberechtigten und dem Versicherer 1. Rechtserwerb durch den Bezugsberechtigten Nach § 330 BGB – in dem die Differenzierung des § 328 Abs. 2 BGB nach Verträgen 123 mit oder ohne Leistungsforderungsrecht des Dritten aufgenommen wird – ist der Lebensversicherungsvertrag im Zweifel ein echter Vertrag zugunsten Dritter. Das bedeutet, dass der Bezugsberechtigte nicht darauf angewiesen ist, dass der VN oder seine Erben die Zahlung der Versicherungssumme an ihn fordern, er kann von dem VR die Versicherungssumme selbst verlangen. Ein echter Versicherungsvertrag zugunsten Dritter kann dabei so ausgestaltet sein, 124 dass nur der Dritte ein Recht auf die Leistung des VR hat oder aber auch der VN bzw. seine Erben die Leistung an den Dritten fordern können. Die nähere Regelung enthält § 335 BGB, wonach neben dem Bezugsberechtigten auch der VN bzw. seine Erben ein Leistungsforderungsrecht haben, sofern sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt. Eine solche anderweitige Vereinbarung dürfte bei einem Lebensversicherungsvertrag in der Praxis in aller Regel jedoch nicht vorkommen, so dass davon auszugehen ist, dass der VN bzw. die Erben des VN stets das Recht haben, die Leistung an den Bezugsberechtigten gleichfalls zu fordern. Dabei handelt es sich um ein selbstständiges Forderungsrecht des VN und seiner Erben,139 nicht etwa nur um eine Ermächtigung.140 2. Zeitpunkt des Rechtserwerbs durch den Bezugsberechtigten a) § 331 BGB als grundlegende Norm. Die Frage nach dem Zeitpunkt des Rechts- 125 erwerbs durch den Begünstigten beantwortet sich nicht schon nach § 330 BGB. Wenn es dort heißt, dass der Bezugsberechtigte unmittelbar das Leistungsforderungsrecht erwirbt, so ist damit nach jetzt allgemein vertretener Meinung noch nichts darüber gesagt, ob der Begünstigte das Recht sofort bei Vertragsschluss bzw. Bezugsrechtseinräumung oder erst später erhalten soll.141 Der Zeitpunkt des Rechtserwerbs ergibt sich jedoch aus § 331 Abs. 1 BGB, der die entsprechende Differenzierung des § 328 Abs. 2 BGB aufnimmt. Nach § 331 Abs. 1 BGB aber erwirbt der Dritte, wenn die Leistung an den Dritten nach dem Tode des VN erfolgen soll, das Recht auf die Leistung im Zweifel mit dem Tode des VN. Die Vorschrift des § 331 BGB enthält jedoch keine zwingende Regelung. § 331 Abs. 1 BGB beantwortet die Frage nach dem Zeitpunkt des Rechtserwerbs 126 durch den Begünstigten allerdings nur für den Fall, dass die Leistung des VR erst nach dem Tode des VN zu bewirken ist. In sämtlichen anderen Fällen richtet sich der Zeitpunkt des Rechtserwerbs nach § 328 Abs. 2 BGB, er ist also aus den Umständen und dem Zweck des Vertrages zu entnehmen. Dabei ist davon auszugehen, dass es in der Regel dem Willen des VN mehr entspricht, wenn der Bezugsberechtigte das Recht erst

139

Vgl. für einen nichtversicherungsrechtlichen Fall BGH 15.1.1974 NJW 1974 502; Lorenz FS Schwebler 350–351.

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So jedoch Hadding AcP 171 (1971) 414. RG 4.6.1909 RGZ 71 326; Kühlmorgen 53.

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beim Eintritt des Versicherungsfalles erwirbt. Insbes. wenn zwischen dem VR und dem VN der Widerruf der Bezugsberechtigung ausgeschlossen ist, kann aber davon ausgegangen werden, dass der Bezugsberechtigte das Bezugsrecht sofort erhalten soll.142 Im Wege der Auslegung des Lebensversicherungsvertrages kann jedoch auch ein anderer Zeitpunkt für den Rechtserwerb ermittelt werden.

127

b) Regelfall: Rechtserwerb beim Eintritt des Versicherungsfalles. Kommt es bei einer Versicherung auf den Todesfall zu einer Konkurrenz zwischen § 328 Abs. 2 BGB und § 331 Abs. 1 BGB, so geht diese Bestimmung als speziellere Norm der Regelung des § 328 Abs. 2 BGB vor. Im Einzelnen ergibt sich dabei folgende Rechtslage:

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aa) Aufschiebende Befristung des Rechtserwerbs. Nach dem Regelfall des § 333 Abs. 1 BGB erwirbt der Bezugsberechtigte das zunächst betagte und durch die Prämienzahlung bedingte Recht auf die Leistung erst mit dem Tode des VN. Diese Bestimmung wird in § 159 Abs. 2 aufgenommen: Auch nach dieser Regelung erlangt der Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung erst mit dem Versicherungsfall, bei der Todesfallversicherung also erst mit dem Tode der Gefahrsperson. Dieselbe Regelung enthalten § 13 (1) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke der Lebensversicherung. Da der Todestag der Gefahrsperson eine Zeitbestimmung beinhaltet, ist der Rechtserwerb des Bezugsberechtigten also aufschiebend befristet. Bei der Todesfallversicherung fällt der Todestag mit der Fälligkeit der Forderung auf die Versicherungsleistung zusammen.143

129

bb) Aufschiebende Bedingung des Rechtserwerbs. In Einklang mit § 331 BGB ist darüber hinaus § 160 Abs. 3 zu entnehmen, dass der Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung nur selbst und somit nur erlangen soll, wenn er den Versicherungsfall erlebt, also nicht vor dem Versicherungsfall oder gleichzeitig mit dem VN stirbt.144 Weil das aber ungewiss ist, steht der Rechtserwerb des Bezugsberechtigten auch unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Bezugsberechtigte die Gefahrsperson, also den VN überlebt. Das bedeutet, dass die Erben des Bezugsberechtigten bei dessen Vorversterben im Zweifel nichts erhalten. Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung tritt zu den Bedingungen, unter denen das 130 Bezugsrecht vor Eintritt des Versicherungsfalles steht, als eine weitere Bedingung noch hinzu, dass kein Widerruf erfolgt.

131

cc) Rechtserwerb während der Schwebezeit. Das betagte und bedingte Recht auf die Versicherungsleistung, das bereits bei Vertragsschluss entsteht und das der Bezugsberechtigte erst mit dem Tode des VN erwirbt, steht während der Schwebezeit dem VN zu. Denn nach § 160 Abs. 3 steht das Recht auf die Leistung dem VN zu, wenn es von dem bezugsberechtigten Dritten nicht erworben ist. Die Vorschrift des § 160 Abs. 3 bezieht sich zwar dem Grundsatze nach auf andere Konstellationen, nämlich z.B. auf die Zurückweisung des Rechts durch den Begünstigten, auf die Nichtigkeit der Bezugsberechtigung oder auf den Fall, dass der Bezugsberechtigte vorverstorben ist. Mit Recht wendet

142 143

Zu weiteren Einzelheiten vgl. Kühlmorgen 54–58. Vgl. Lorenz 351–352.

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Vgl. BGH 8.6.1967 VersR 1967 795; AG Bremen 10.5.1949 VersR 1950 49; Lorenz a.a.O. S. 352.

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Bezugsberechtigung

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Lorenz145 die Vorschrift des § 160 Abs. 3 aber auch auf den Fall an, dass der Dritte das Recht noch nicht erworben hat; die bereits entstandene Forderung kann während der Schwebezeit nicht ohne Gläubiger sein. c) Sofortiger und späterer Rechtserwerb. Da der Regelrechtserwerb nach § 331 BGB, § 160 Abs. 3 nur gilt, wenn VR und VN nichts Abweichendes vereinbart haben, finden sich in der Praxis der Lebensversicherung auch ein sofortiger oder ein späterer Rechtserwerb. Ein sofortiger Rechtserwerb findet sich bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung (vgl. § 13 (2) Satz 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke). Ein Rechtserwerb erst nach dem Tode des VN tritt z.B. ein, wenn der Bezugsberechtigte erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles geboren wird. Dass als Begünstigter auch eine noch nicht geborene Person benannt werden kann, ergibt sich aus § 331 Abs. 2 BGB. Nicht angesprochen ist in dieser Vorschrift jedoch, ob der Bezugsberechtigte zur Zeit der Benennung bereits erzeugt sein muss. Analog den Vorschriften der §§ 2101, 2162 Abs. 2 und 2178 BGB, nach denen noch nicht erzeugte Personen als Nacherben eingesetzt und mit Vermächtnissen bedacht werden können, besteht die Möglichkeit, sie auch in der Lebensversicherung als Bezugsberechtigte einzusetzen. Ein weiteres Beispiel für einen späteren Rechtserwerb wäre auch die Vereinbarung, dass bei einer Todesfallversicherung der Bezugsberechtigte das Recht nicht vor Vollendung des 18. oder 21. Lebensjahres erhalten soll. Kommt es bereits vor Vollendung des 18. oder 21. Lebensjahres zum Versicherungsfall, so erwirbt der Begünstigte das Recht auf die Leistung gleichwohl erst später. Es ist jedoch nicht möglich, dass der Rechtserwerb erst nach Fälligkeit der Leistung erfolgt.146

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133 134

135

d) Rücktritts-, Kündigungs-, Anfechtungs- und Ablehnungserklärung des Versiche- 136 rers gegenüber den Bezugsberechtigten. Hat der VN keine andere Person als Bevollmächtigten benannt, gilt nach § 6 (16) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke ein Bezugsberechtigter nach dem Ableben des VN als bevollmächtigt, eine Rücktritts-, Kündigungs- oder Anfechtungserklärung (§§ 19, 21, 22) entgegenzunehmen. Diese Klausel ist von großer Bedeutung, weil die Rücktrittserklärungen usw. wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht in der Lebensversicherung in der Regel nach dem Tode des VN erfolgen. Denn der VR hat erst nach Eintritt des Versicherungsfalles durch Tod des VN einen Anlass, ärztliche Auskünfte und sonstige Erkenntnisse über die Gefahrsperson daraufhin zu überprüfen, ob der VN Gesundheitsfragen falsch beantwortet hat. Auch die Ablehnungserklärung des VR hat gegenüber dem Bezugsberechtigten zu erfolgen und nicht gegenüber den Erben.147 Ein Gerichtsstand zugunsten des aus dem Versicherungsvertrag Bezugsberechtigten an dessen Wohnort bzw. an dem des VN wird durch § 215 VVG nicht begründet.148 Eine Klausel wie § 6 (16) GDV-Musterbedingungen ist grundsätzlich rechtlich nicht 137 zu beanstanden.149 Sie ist insbes. auch nicht unangemessen i.S.v. § 307 BGB, da sie mit

145 146

Lorenz 352. Kühlmorgen 59 Fn. 1; vgl. auch den Fall, der OLG Hamburg 23.10.1974 VersR 1975 561 zugrunde liegt.

147 148 149

KG 13.2.1998 VersR 2000 86, 87. LG Limburg 17.11.2011 VersR 2012 889, 890. BGH 5.5.1982 VersR 1982 746; BGH 24.3.1993 VerBAV 1993 311, 312.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung wie sie in § 21 und § 22 zum Ausdruck gelangen, vereinbar sind. § 21 schließt die Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten nicht aus. Der VN hat ein Interesse daran, sich gegenüber dem VR durch einen Bevollmächtigten über den Tod hinaus vertreten zu lassen, um eine zügige Abwicklung der Versicherung zu ermöglichen, ohne dass zuvor die Erben ermittelt werden müssen. Dass die Bevollmächtigung nur für den Empfang von Willenserklärungen gilt, erst mit dem Tode des VN wirksam wird und natürlich auch im Interesse des VR liegt, bedeutet nicht, dass sie nicht auch dem Willen und dem Interesse des VN entspricht. Hat der VN dem VR gegenüber ausdrücklich einen Zustellungsbevollmächtigten eingesetzt, so entspricht auch das seinem Willen. Der VR ist an einem solchen Zustellungsbevollmächtigten gebunden und darf nur, wenn ein solcher Bevollmächtigter nicht benannt wurde, den Bezugsberechtigten als postmortal Bevollmächtigten ansehen. Zumal der VN dem Bezugsberechtigten die Versicherungsleistung zukommen lassen will, kann es dem Interesse des VN auch nicht widersprechen, den Begünstigten als postmortal bevollmächtigt anzusehen. Mit der Einräumung eines Bezugsrechts hat der VN die Erben von der Versicherungsleistung ausgeschlossen, daher muss es auch in seinem Interesse liegen, wenn nicht die Erben, sondern der Bezugsberechtigte bevollmächtigt wird. Wenn schließlich – falls ein Bezugsberechtigter nicht benannt oder sein Aufenthalt nicht zu ermitteln ist – der Inhaber des Versicherungsscheins als bevollmächtigt anzusehen ist, so mag eine solche Regelung insbes. den Interessen des VR entgegenkommen, sie widerspricht aber auch nicht den Interessen des VN. Sollte der Inhaber des Versicherungsscheins – auch nicht als Zessionar – nicht Rechtsinhaber sein und angesichts der Willenserklärungen des VR nicht die erforderlichen Schritte (eben weil er nicht Rechtsinhaber ist) unternehmen können, hat er die Erben des VN zu informieren (§§ 681, 666 BGB). Es würde sich als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen, wollte sich der VR 138 nicht an die Bedingungsregelung halten und sich auf ihn günstige Rechtsfolgen von Willenserklärungen berufen, die er anderen Personen gegenüber als den in der Klausel Bezeichneten abgegeben hat.150 3. Widerrufliche Bezugsberechtigung a) Rechtslage vor dem Eintritt des Versicherungsfalles

139

aa) Wesenlose Anwartschaft. Da der Begünstigte bei der widerruflichen Bezugsberechtigung das Recht auf die Leistung erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erwirbt, hat er zunächst keine gesicherte Stellung. Seine rechtliche Position ähnelt der des Erben bzw. des Vermächtnisnehmers vor dem Eintritte des Erbfalls: Der Bezugsberechtigte hat ebenso wie der Erbe eine Aussicht, eine Hoffnung auf Erlangung eines Vermögensvorteils, aber kein Recht gegenüber dem VR. Er hat lediglich eine schwache Anwartschaft, die als wesenlos, zerbrechlich, ziemlich schwach oder ähnlich charakterisiert zu werden pflegt. Der BGH spricht sogar von einem rechtlichen „Nullum“,151 was mit Blick auf die Abtretbarkeit allerdings zweifelhaft ist.152 Eine andere Auffassung wurde insbes. von Zeigner153 vertreten, der in der Anwart140 schaft ein den späteren Anfall des Bezugsrechts begründendes und von dem Bezugsrecht zu unterscheidendes Recht sah. Nach Zeigner ist der spätere Anfall eines Rechts nur

150 151

BGH 24.3.1993 a.a.O.; a.M. Bruck/ Möller/Rolfs § 21 Rn. 12. BGH 27.4.2010 VersR 2010 1021 m.w.N.

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152 153

Vgl. § 159 Rn. 146. Zeigner ZVersWiss 1913 660, 661.

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Bezugsberechtigung

§ 159

möglich, wenn zwischen den Beteiligten personenrechtliche Beziehungen bestehen oder ein den späteren Anfall rechtfertigendes Recht entstanden ist. Dem kann nicht gefolgt werden, denn der Rechtserwerb ist auch dann durch die Bezugsrechtseinsetzung beim Lebensversicherungsvertrag gerechtfertigt, falls die Begünstigungserklärung und der Rechtserwerb zeitlich nicht zusammenfallen. Dass es in einem solchen Falle keines zusätzlichen Rechts bedarf, ergibt sich auch aus § 328 Abs. 1 BGB, wonach der Begünstigte sein Recht nicht durch die Vermittlung eines anderen, das neue Recht rechtfertigenden Rechts, sondern unmittelbar aus dem schuldrechtlichen Vertrage zugunsten Dritter erwirbt. bb) Keine Vererblichkeit. Weil die schwache Anwartschaft des Bezugsberechtigten 141 nicht als Recht qualifiziert werden kann, kann sie auch nicht auf die Erben des Bezugsberechtigten übergehen, wenn der Bezugsberechtigte vor dem Rechtserwerb stirbt.154 Es handelt sich vielmehr um einen Fall des § 160 Abs. 3155, der VN ist zur Forderung der Versicherungsleistung an sich selbst berechtigt. cc) Keine Verfügungsbefugnis.Da der Dritte mit dem Bezugsrecht noch kein Recht 142 besitzt, kann er über ein solches Recht auch noch nicht verfügen.156 Er kann das Bezugsrecht insbes. nicht abtreten, verpfänden oder sonst wie verwerten, es kann auch nicht gepfändet werden. dd) Kein Aussonderungsrecht, keine Drittwiderspruchsklage. Der Bezugsberechtigte 143 hat in der Insolvenz des VN kein Aussonderungsrecht,157 wird das Recht des VN aus dem Lebensversicherungsvertrage gepfändet, so besteht für den Bezugsberechtigten nicht die Möglichkeit, Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu erheben. Der Bezugsberechtigte kann auch keinen Arrest und keine einstweilige Verfügung 144 erhalten, in der Insolvenz kann er keine Sicherung erlangen;158 der Anspruch des VN auf den Rückkaufswert fällt in die Insolvenzmasse.159 ee) Stellung des Versicherungsnehmers, insbesondere sein Widerrufsrecht. Die Rechts- 145 stellung des VN wird durch die Benennung eines widerruflich Bezugsberechtigten praktisch nicht geändert. Der VN bleibt der Träger sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrage, er kann trotz des Bestehens einer Bezugsberechtigung seine Rechte uneingeschränkt abtreten und verpfänden, er ist Eigentümer des Versicherungsscheins, § 952 BGB.160 Insbesondere aber kann der VN die Bezugsberechtigung ohne Zustimmung des VR und des Bezugsberechtigten widerrufen, auf einen Teil beschränken oder eine andere Person benennen.161 Stehen die Verfügungen des VN zu der Benennung des

154

155 156 157

Vgl. nur ÖOGH 18.3.1976 VersR 1977 464; Bachmann 11; Bürkner 22; Brecher 305; Ebmeyer 11; Geister 22; Kühlmorgen 66; Lederle 102; Reuscher 48. BGH 8.6.1967 VersR 1967 795. OLG Dresden 18.2.1910 SeuffArch 65 317. Vgl. BGH 18.7.2002 NVersZ 2002 495, 496; OAG München 11.6.1870 SeuffArch 26 273 Nr. 177; OLG Dresden 13.5.1907 LZ 1907 Sp. 920; OLG Hamm 24.1.2006 VersR 2006 915, 916; Kühlmorgen 67.

158 159 160 161

§§ 916, 935 ZPO, § 47 InsO. BGH 8.6.2005 VersR 2005 1134; BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059. Winter ZVersWiss 1970 40, 41. § 159 Abs. 1, § 13 (1) Satz 2, (3) GDVMusterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der sonstigen Bedingungswerke; OLG München 4.3.1916 OLGE 32 224. Vgl. dazu im Einzelnen unten Rn. 216 ff.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Bezugsberechtigten in Widerspruch, so hat grundsätzlich die frühere Benennung der später getroffenen Verfügung zu weichen. Das gilt nicht nur für den Widerruf oder die Änderung der Bezugsberechtigung, sondern auch, wenn der VN die Ansprüche aus der Versicherung abtritt oder verpfändet,162 ferner kann der Insolvenzverwalter des VN die Benennung des Bezugsberechtigten widerrufen und so die zerbrechliche Anwartschaft des begünstigten Dritten vernichten.

146

ff) Schutz der Anwartschaft, Verfügung über die Anwartschaft. Gleichwohl ist die wesenlose Anwartschaft des Bezugsberechtigten nicht ohne jede Bedeutung. Ihre Verletzung durch Dritte kann einen Schadenersatzanspruch begründen.163 Ferner kann die Anwartschaft mit der Wirkung abgetreten werden, dass beim Eintritt des Versicherungsfalles die dem Begünstigten zufallenden Ansprüche in dem im Zeitpunkt des Versicherungsfalles bestehenden Umfange auf den Zessionar übergehen.164

147

gg) Keine Pflichten aus dem Versicherungsvertrage. Den Begünstigten treffen grundsätzlich keine Pflichten und Nebenpflichtenobliegenheiten aus dem Versicherungsvertrage.

148

hh) Eintrittsrecht des widerruflich Bezugsberechtigten. Der einzige – und dabei relativ unvollkommene – Schutz, den der widerruflich Bezugsberechtigte zur Aufrechterhaltung seiner Anwartschaft genießt, ist das Eintrittsrecht nach § 170. Sind die Voraussetzungen des § 170 gegeben, so hat jedoch nur der namentlich bezeichnete widerruflich Bezugsberechtigte das Eintrittsrecht.

149

ii) Berechtigung zur Prämienzahlung. Der widerruflich Bezugsberechtigte gehört nicht zu dem privilegiertem Personenkreis des § 34, da er noch kein Recht auf die Leistung des VR erworben hat. Obwohl der widerruflich Bezugsberechtigte ein ebenso großes Interesse an der Prämienzahlung haben kann wie der unwiderruflich Begünstigte, kommt eine analoge Anwendung des § 34 schon angesichts dessen nicht in Betracht, dass dem Bezugsberechtigten die Anwartschaft trotz seines Eingreifens jederzeit entziehbar wäre.

150

jj) Keine Informationspflichten des Versicherers gegenüber dem widerruflich Bezugsberechtigten. Anders als beim unwiderruflichen Bezugsberechtigten165 besteht im Hinblick auf § 34 dem widerruflich Bezugsberechtigten gegenüber keine Mitteilungspflicht des VR.166 Der widerruflich Bezugsberechtigte gehört zu Recht nicht zu dem privilegierten Personenkreis der Vorschrift. Es kann ihm angesichts seiner nur schwachen Anwartschaft hinsichtlich der Versicherungsleistung nicht zugemutet werden, Prämienzahlungen für den VN zu übernehmen. Anders verhält es sich hinsichtlich des Eintrittsrechts des widerruflich Bezugsberechtigten: Angesichts auch der stärkeren Gefährdung durch die Gläubiger des VN könnte es dem Bezugsberechtigten als sinnvoll erscheinen, von seinem Eintrittsrecht Gebrauch zu machen.167

162 163 164 165

RG 13.2.1914 VA 1914 Anh. S. 78 Nr. 831; RG 25.2.1930 RGZ 127 269. RG 7.1.1938 JW 1938 755, 757. LG Berlin 30.9.1950 VersR 1951 157, 158. Vgl. unten Rn. 182 f.

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166 167

Frels VersR 1970 688. Wegen einer Informationspflicht des VR vgl. insoweit Bruck/Möller/Winter § 170 Rn. 73, 74.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Der VR ist auch nicht verpflichtet, dem widerruflich Bezugsberechtigten Auskunft 151 über den Versicherungsvertrag und die Fälligkeit zu erteilen.168 Grundsätzlich ist für den VR die Tatsache, dass ein widerrufliches Bezugsrecht einge- 152 räumt ist, solange ohne Bedeutung, wie der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Der VR ist insbes. auch nicht verpflichtet, dem widerruflich Begünstigten Mitteilung zu machen, wenn er den VN mahnt, den Vertrag kündigt, den Rücktritt oder die Anfechtung erklärt. kk) Tötung der Gefahrsperson durch den Bezugsberechtigten. § 162 Abs. 2 gilt auch 153 für den widerruflich Bezugsberechtigten: Die Benennung des Dritten gilt bei einer Versicherung für den Todesfall als nicht erfolgt, wenn der Dritte den Tod der Gefahrsperson vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung herbeiführt. b) Rechtslage nach dem Versicherungsfall aa) Erstarken der Anwartschaft zum Recht. Erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erwirbt der widerruflich Bezugsberechtigte ein Recht auf die Leistung des VR, § 159 Abs. 2, § 13 (1) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Der Bezugsberechtigte erwirbt das Recht unmittelbar gegenüber dem VR, die Anwartschaft erstarkt mit dem Versicherungsfall zu einem Vollrecht. Der Anspruch des Bezugsberechtigten richtet sich dabei nicht gegen den Nachlass, sondern direkt gegen den VR.169 Denn der Bezugsberechtigte macht nicht den Anspruch des VN, sondern einen eigenen aus dem Versicherungsvertrage erwachsenen Anspruch geltend. Für das Erstarken der Anwartschaft zum Recht auf die Versicherungsleistung ist eine Willenserklärung des Bezugsberechtigten nicht erforderlich, insbes. auch keine Annahmeerklärung. Das Recht auf die Versicherungsleistung steht dem Bezugsberechtigten auch zu, wenn er keine Kenntnis von der Versicherung hat170 oder wenn er z.B. geschäftsunfähig ist. Wenn der Anspruch des VN auf die Versicherungsleistung gepfändet worden ist, ohne dass beim Versicherungsfall die Bezugsberechtigung vom VN oder vom Gläubiger widerrufen worden ist, so erwirbt der Bezugsberechtigte das Recht, ohne durch das Pfandrecht beschränkt zu sein.171 Im Übrigen hat das Erstarken der Anwartschaft zu einem Recht auf die Versicherungsleistung dieselben Folgen wie die Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung, insoweit wird auf unten Rn. 165 ff. verwiesen. Das Recht des Bezugsberechtigten ist nunmehr vererblich, der Bezugsberechtigte erhält das Eigentum an dem Versicherungsschein172 usw. Der Bezugsberechtigte kann über die Versicherungsleistung verfügen, er kann den Anspruch abtreten, seine Gläubiger können ihn pfänden.

154

155

156

157

bb) Sonderfall der Termfixversicherung. Bei der Termfixversicherung bewirkt der 158 Tod des VN bzw. der sonstigen Gefahrsperson die Beendigung der Prämienzahlung, nicht auch die Fälligkeit der Versicherungssumme, die erst zu dem vereinbarten Kalendertage fällig wird. Hat der VN die Versicherung auf das Leben einer anderen Gefahrsperson abgeschlossen, so dürfte die Bezugsberechtigung grundsätzlich dahin auszulegen sein,

168 169 170

Vgl. AG Karlsruhe 3.1.1959 VersR 1959 884–885. Vgl. im Einzelnen unten Rn. 188 ff. RG 17.1.1936 JRPV 1936 54.

171 172

RG 25.1.1930 RGZ 127 271; OLG München 28.2.1964 BB 1964 990. RG 17.1.1936 JRPV 1936 53, 55.

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dass der VN bis zur Fälligkeit der Versicherungssumme verfügungsberechtigt bleiben will. Für diesen Fall dürfte in der Regel nicht davon auszugehen sein, dass der Tod der Gefahrsperson, durch den sich die weiterlaufende Versicherung lediglich im Hinblick auf die Prämienzahlung ändert, einen Einfluss auf die rechtliche Position des Bezugsberechtigten hat. Anders verhält es sich, wenn die Termfixversicherung auf das Leben des VN läuft: Hier kommt § 331 BGB zum Tragen, wonach der Dritte das Recht auf die Versicherungsleistung mit dem Tode des VN erwirbt, wenn die Leistung nach dem Tode desjenigen erfolgen soll, dem sie versprochen ist. Auch wenn es zweifelhaft sein mag, ob der Wortlaut der Vorschrift des § 331 Abs. 1 BGB so weit geht, dass sie nicht nur dann anwendbar ist, wenn die Versicherungsleistung mit dem Tode des VN auch fällig wird, ist hier nach Sinn und Zweck der Norm davon auszugehen, dass sich die gesetzliche Regelung – zumindest in erweiternder Auslegung oder analoger Anwendung – auch auf solche Fälle bezieht, in denen der Versprechensempfänger die Rechtslage für die Zeit nach seinem Tode zu ordnen beabsichtigt und die vom engen Wortlaut der Norm nicht gedeckt sind. An dieser Ordnung sollen die Rechtsnachfolger des VN nichts ändern dürfen. Ist der VN zugleich die Gefahrsperson, fällt das Recht auf die Versicherungsleistung dem Bezugsberechtigten somit sogleich mit dem Tode des VN zu.

159

cc) Recht auf die Überschussbeteiligung.Während der Bezugsberechtigte bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles keinen Anspruch auf eine Überschussbeteiligung hat,173 ändert sich das mit dem Eintritt des Versicherungsfalles: In der Regel entspricht es dem Willen des VN, sämtliche Leistungen, die beim Versicherungsfall fällig werden, also auch die Leistungen aus der Überschussbeteiligung, dem Bezugsberechtigten zukommen zu lassen.174

160

dd) Anzeigepflicht des Bezugsberechtigten. Mit dem Erwerb der Rechte aus dem Versicherungsvertrag wird dem Bezugsberechtigten die Anzeigepflicht des § 30 Abs. 1 Satz 2 auferlegt. Nach dieser Vorschrift hat auch der Bezugsberechtigte dem VR beim Todesfall des VN bzw. der sonst bestimmten Gefahrsperson eine Anzeige vom Eintritt des Versicherungsfalles zu erstatten. Der Bezugsberechtigte ist dabei neben dem VN oder seinem Rechtsnachfolger anzeigepflichtig, nicht etwa an seiner Stelle.175

161

ee) Ausscheiden des Versicherungsnehmers bzw. seiner Erben als Gläubiger aus dem Versicherungsvertrag. Während sich beim Bezugsberechtigten mit dem Eintritte des Versicherungsfalls die Anwartschaft in ein Vollrecht wandelt, scheiden der VN bzw. seine Erben in entsprechendem Umfange als Gläubiger der Versicherungsforderung aus; sie verlieren die Möglichkeit zur Verfügung bzw. über die Versicherung, insbes. auch zum Widerruf und zur Änderung der Bezugsberechtigung. Der VN bzw. seine Erben bleiben im Übrigen jedoch grundsätzlich Träger weiterer Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrage. Sie bleiben Vertragspartner des VR, ihnen gegenüber sind z.B. Anfechtung und Rücktritt zu erklären, wenn sich aus den Bedingungswerken nichts anderes ergibt.176

173 174

LG München 18.1.1962 VersR 1963 965, 966. OLG Nürnberg 27.9.1968 VersR 1969 608, 609; LG Nürnberg-Fürth 3.4.1968 VersR 1969 33, 34; Dieckmann VersR 1963 1006; Stelkens 105; a.M. LG München I 18.1.1962 VersR 1963 965, 966; Krumbholz 108.

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175 176

OLG München 22.10.1924 JW 1925 657. KG 30.1.1935 VA 1935 227, 228 Nr. 2800. Vgl. aber z.B. § 6 (16) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung, s.o. Rn. 137, 138.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Nach § 335 BGB hat der VN bzw. seine Erben darüber hinaus die Befugnis, auch sei- 162 nerseits von dem VR Leistung an den Bezugsberechtigten zu fordern. Es handelt sich hierbei um eine eigene Art von Klageberechtigung, nicht um eine Gesamtgläubigerschaft. Zur Wahrung seiner Rechte genießt der widerruflich Bezugsberechtigte nach dem Ein- 163 tritt des Versicherungsfalls den Schutz des § 34 Abs. 1, wonach der VR nach dem Tode des VN auch trotz des Widerspruchs der Erben verpflichtet ist, die Zahlung einer rückständigen Prämie durch den Begünstigten anzunehmen, falls die Zahlungsfrist bei Eintritt des Versicherungsfalles noch nicht abgelaufen ist.177 4. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung a) Rechtliche Grundposition des Bezugsberechtigten. Durch die Einsetzung als un- 164 widerruflich Bezugsberechtigter erhält der Begünstigte eine wesentlich stärkere Rechtsstellung als bei der widerruflichen Bezugsberechtigung. Der VN kann die Bezugsberechtigung einseitig ebenso wenig widerrufen wie eine sonstige Änderung der Bezugsberechtigung vornehmen.178 Ein Widerruf oder eine sonstige Änderung der Bezugsberechtigung ist nur mit Zustimmung des Bezugsberechtigten möglich; dasselbe gilt für eine vertragliche Aufhebung des Versicherungsvertrages.179 Denn der Bezugberechtigte erwirbt bereits im Zeitpunkt der Benennung einen Anspruch, über den ohne sein Einverständnis nicht verfügt werden kann.180 b) Verbliebener Einfluss des Versicherungsnehmers auf den Umfang der Versiche- 165 rungsleistung. Dem VN als Vertragspartner des VR verbleiben nur die Gestaltungsrechte der Kündigung (einschl. Rückkauf) und der Umwandlung der Versicherung, §§ 168, 169, 165.181 Die Fälligkeit und die Höhe des Anspruchs des Bezugsberechtigten sind somit von der sich nach Einsetzung des Bezugsberechtigten ergebenden Entwicklung des Versicherungsverhältnisses in hohem Maße abhängig, dabei vor allem auch von der Ausübung der Gestaltungsrechte durch den VN. Der Anspruch des unwiderruflich Bezugsberechtigten ist also nicht nur betagt, sondern hinsichtlich seines Umfangs zumeist auch mehrfach bedingt.182 c) Gegenstand des Anspruchs des unwiderruflich Bezugsberechtigten. Gleichwohl aber 166 ist der Bezugsberechtigte schon Anspruchsinhaber, der sofortige Rechtserwerb ist der entscheidende Inhalt der unwiderruflichen Bezugsberechtigung.183 Nicht nur beim Todes des VN bzw. der fremden Gefahrsperson oder im sonstigen Versicherungsfalle – also auch im Erlebensfalle – kann er die Versicherungsleistung fordern, ihm stehen auch sämtliche u.U. früher fällig werdenden Leistungen des VR aufgrund des Versicherungsanspruchs zu. Vor allem gebühren ihm auch die Leistungen, die bei der Ausübung der dem VN noch zustehenden Gestaltungsrechte fällig werden.184 Die Begünstigungserklärung

177 178 179 180 181

182

Winter ZVersWiss 1970 42. Vgl. GB BAV 1957/58 32. KG 8.7.1936 JRPV 1937 75, 77. BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022. Vgl. RG 9.3.1937 RGZ 154 155, 160; BGH 12.3.1964 VersR 1964 500; BGH 17.3.1966 BGHZ 45 167, 168. Borgmann 7; Knoch 18, 19; Thiele S. 5; Winter ZVersWiss 1970 43.

183

184

BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022; OLG Frankfurt/M. 14.9.2000 VersR 2002 219, 220. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167; BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022; OLG Frankfurt/M. 14.9.2000 VersR 2000 219, 220; Winter ZVersWiss 1970 43.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

ist in der Regel so zu verstehen, dass das Recht des Bezugsberechtigten sämtliche aus dem Versicherungsvertrag fällig werdenden Ansprüche umfassen soll. Im Einzelnen hat er insbes. auch grundsätzlich den Anspruch auf die Überschussbetei167 ligung.185 Das gilt nicht nur für den Anspruch auf das angesammelte Guthaben oder auf die vorhandene Rückvergütung der Höher- oder Zusatzversicherung beim Eintritt des Versicherungsfalles, sondern auch im Falle der sonstigen Leistungsauslösung. Darüber hinaus steht dem unwiderruflich Bezugsberechtigten auch der Anspruch auf die jährlichen Überschussanteile zu. Etwas anderes gilt jedoch beispielsweise, wenn der VN vor oder bei der Bezeichnung des Bezugsberechtigten erklärt, dass er die jährlichen Überschussanteile an sich selbst in bar ausgezahlt wünscht bzw. dass die Überschussanteile mit der Prämie der Grundversicherung verrechnet werden sollen.186 Auch der Anspruch auf den Rückkaufswert steht bei der unwiderruflichen Bezugsbe168 rechtigung allein dem Begünstigten zu.187 Denn anderenfalls könnte der VN die unwiderrufliche Bezugsberechtigung jederzeit aushöhlen oder gegenstandslos machen.188 Schließlich hat der unwiderruflich Bezugsberechtigte auch Anspruch auf die auf 169 Antrag des VN zu leistende Vorauszahlung.189

170

d) Rechtliche Position des Versicherungsnehmers im Übrigen. Der VN hat schon zu seinen Lebzeiten keine Möglichkeit mehr, vom VR eine Geldleistung an sich selbst zu fordern. Er kann die Versicherung in keiner Weise nutzbar machen, er kann sie nicht abtreten und nicht verpfänden.190 Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag können auch nicht mehr gegen den VN 171 gepfändet werden und gehören auch nicht zu dessen Insolvenzmasse.191 Doch bleibt der VN Vertragspartner des VR. Grundsätzlich sind sämtliche Pflichten 172 und Nebenpflichten bzw. Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrage vom VN zu erfüllen, er bleibt – soweit nicht abweichende vertragliche Regelungen gegeben sind – der Erklärungsempfänger für alle Erklärungen des VR.

173

e) Verfügungsmöglichkeiten des Bezugsberechtigten. Demgegenüber hat der unwiderruflich Bezugsberechtigte die volle Verfügungsmacht über den Anspruch; er kann ihn grundsätzlich abtreten und verpfänden, seine Gläubiger können den Anspruch pfänden, er gehört in seine Insolvenzmasse.

174

f) Interventionsklage des Bezugsberechtigten. Einem Zugriff der Gläubiger des VN auf den Versicherungsanspruch könnte der Bezugsberechtigte mit der Drittwiderspruchsklage begegnen, und zwar auch dann, wenn es sich um eine gemischte Lebensversicherung handelt, also das Recht des Bezugsberechtigten auflösend bedingt durch den Erlebensfall beim VN ist.192

175

g) Anspruch des Bezugsberechtigten auf den Versicherungsschein. Nach § 952 BGB hat der unwiderruflich Bezugsberechtigte das Recht auf den Versicherungsschein.193 Hat

185 186 187 188 189

OLG Frankfurt/M. 14.9.2000 VersR 2002 219, 220. KG 17.1.1934 JRPV 1934 139; LG München 18.1.1962 VersR 1963 965. BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167. Winter ZVersWiss 1970 43.

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190 191 192

193

Winter 1970 44. Vgl. RG 13.2.1914 VA 1914 78–79. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167; Hoffmann AcP 158 (1959/60) 216; Niewisch HansRGZ 1938 A Sp. 41–50. AG Mölln 10.6.1976 VersR 1978 131–132.

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Bezugsberechtigung

§ 159

der Bezugsberechtigte den Versicherungsschein nicht in Besitz, besteht die Gefahr, dass der VR bei einem Rückkauf der Versicherung durch den VN die Rückvergütung nach der Inhaberklausel des § 12 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung (und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke) an den Inhaber des Versicherungsscheins auszahlt, wenn der VN eine – für den VR nicht erkennbar – gefälschte Vollmacht des Bezugsberechtigten vorlegt; zu einer vorherigen Rückfrage bei dem Begünstigten ist der VR in der Regel nicht verpflichtet.194 h) Vererblichkeit der rechtlichen Position des Bezugsberechtigten. Stirbt der Bezugsbe- 176 rechtigte vor dem Eintritt des Versicherungsfalls, so treten seine Erben an seine Stelle.195 Dabei ist es allerdings möglich, dass der VN dem Dritten das unwiderrufliche Bezugs- 177 recht nur unter der auflösenden Bedingung zuwendet, dass der Begünstigte den Versicherungsfall – also insbes. den Tod des VN – selbst erlebt. In solchen Fällen findet eine Vererbung des Bezugsrechts nicht statt, wenn der Begünstigte zuvor stirbt.196 i) Prämienleistung durch den Bezugsberechtigten. Zur Berechtigung Dritter zur Prä- 178 mienzahlung vgl. oben § 34. Der unwiderruflich Bezugsberechtigte gehört zu dem Kreis der privilegierten Personen nach § 34 Abs. 1. Er kann daher zur Wahrung seiner Rechte stets die rückständigen Prämien zahlen, § 34 Abs. 1. j) Eintrittsrecht des Bezugsberechtigten. Sind die Voraussetzungen des § 170 – auf 179 dessen Kommentierung verwiesen wird – gegeben, hat auch der namentlich bezeichnete unwiderruflich Bezugsberechtigte das Eintrittsrecht. Denn auch der unwiderruflich Bezugsberechtigte kann – um beispielsweise der Gefahr einer Gläubigeranfechtung zu entgehen – ein Interesse zum Eintritt in die Versicherung haben.197 k) Keine weiteren Rechte der Bezugsberechtigten. Weitergehende Rechte hat der 180 unwiderruflich Bezugsberechtigte nicht, Rechte wie das Kündigungs- und Rückkaufsrecht stehen ihm nur zu, wenn der VN seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag an den Begünstigten abgetreten hat. Diese Rechte hat der Dritte sodann jedoch nicht in seiner Eigenschaft als Bezugsberechtigter, sondern lediglich als Rechtsnachfolger des VN. l) Anzeigepflicht des Bezugsberechtigten. Auch dem unwiderruflich Bezugsberechtig- 181 ten ist die Anzeigepflicht des § 30 Abs. 1 Satz 2 auferlegt, er ist dabei neben dem VN oder seinem Rechtsnachfolger anzeigepflichtig. Weitere Pflichten bzw. Obliegenheiten hat der Bezugsberechtigte grundsätzlich nicht. m) Informationspflichten des Versicherers gegenüber dem unwiderruflich Bezugsbe- 182 rechtigten. Von dem Zahlungs- und Eintrittsrecht der §§ 34 Abs. 1, 170 Abs. 1 Satz 2 kann der Bezugsberechtigte nur Gebrauch machen, wenn er entweder vom VN oder vom VR davon unterrichtet wird, dass die Voraussetzungen des Eintrittsrechts usw. gegeben sind. Die Benachrichtigungspflicht des VN hängt von der Ausgestaltung des Valutaverhältnisses ab.198 Eine Informationspflicht des VR ist nur in engen Grenzen anerkannt,

194 195

OLG Karlsruhe 18.1.1979 VersR 1979 929, 930. RG 18.12.1891 SeuffArch 48 206 Nr. 128; Brück LZ 1932 Sp. 666; Winter ZVersWiss 1970 44.

196 197 198

Kühlmorgen 71–72. A.M. Sieg FS Klingmüller 458. Vgl. dazu unten § 159 Rn. 253 ff.

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z.B. für die Konstellation des § 142 Abs. 1 bzw. des § 34 Abs. 1 SchiffsRG. Einer weitergehenden Informationspflicht des VR steht das informationelle Selbstbestimmungsrecht des VN entgegen. Will der VR den unwiderrufliche Bezugsberechtigten über einen Beitragsrückstand des VN unterrichten, so bedarf es zuvor der Einwilligung bzw. der mutmaßlichen Einwilligung des VN. Von einer mutmaßlichen Einwilligung des VN dürfte der VR bei einem unwiderruf183 lich Bezugsberechtigten ausgehen dürfen, da der VN mit der Wahl einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung zum Ausdruck gebracht hat, dass ihm an der Aufrechterhaltung und Absicherung der Bezugsberechtigung gelegen ist. Nicht nur für den Fall, dass einem Arbeitnehmer in einem Versicherungsvertrag im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden ist,199 sondern gegenüber jedem unwiderruflich eingesetzten Bezugsberechtigten trifft den VR eine Informationspflicht hinsichtlich eines Prämienverzuges.200

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n) Tötung der Gefahrsperson durch den Bezugsberechtigten. Die Vorschrift des § 162 Abs. 2 gilt auch für den unwiderruflich Bezugsberechtigten: Hat der Dritte bei einer Versicherung für den Todesfall den Tod der Gefahrsperson vorsätzlich durch eine widerrufliche Handlung herbeigeführt, so gilt die Benennung des Dritten als nicht erfolgt.201 5. Geteilte Bezugsberechtigung

185

Für die geteilte Anspruchsberechtigung gilt allein die Besonderheit, dass das Bezugsrecht des auf den Todesfall unwiderruflich Bezugsberechtigten durch den Erlebensfall auflösend bedingt ist. Im Übrigen gilt das für die unwiderrufliche Bezugsberechtigung Gesagte auch insoweit. Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung erhält der Begünstigte auch bei geteilter 186 Anspruchsberechtigung erst mit dem Todesfall der Gefahrsperson ein voll wirksames Recht. Zuvor hat er lediglich eine wesenlose Anwartschaft, das oben zur widerruflichen Bezugsberechtigung Gesagte gilt auch hier.202 Ist die unwiderrufliche oder widerrufliche Begünstigung auf den Erlebensfall erfolgt 187 und hat der VN für den Todesfall eine Versicherung zu eigenen Gunsten abgeschlossen, so gilt das zur Bezugsberechtigung Gesagte entsprechend; die Todesfallleistung fällt in den Nachlass des VN und steht somit dessen Erben zu. 6. Originär begründeter, nicht aus dem Nachlass stammender Anspruch des Bezugsberechtigten

188

a) Grundsatz. Der Bezugsberechtigte erwirbt sowohl bei der widerruflichen als auch bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung – wenn auch zeitlich verschoben – ein Recht auf die Versicherungsleistung unmittelbar gegenüber dem VR. Der Begünstigte

199

200

OLG Düsseldorf 17.12.2002 VersR 2003 627, 628 mit kritischer Anm. von LangohrPlato, vgl. auch § 166 Abs. 4. A.A. ÖOGH 4.2.1970 VersR 1970 1068; AG Karlsruhe 3.1.1959 VersR 1959 884, 885; Frels VersR 1970 984–989. Wegen einer Informationspflicht des VR hinsicht-

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201 202

lich des Eintrittsrechts vgl. Bruck/Möller/ Winter § 170 Rn. 72, 73. OLG Hamm 27.5.1987 RuS 1987 237. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 163, 168; LG Frankfurt 7.11.1956 VersR 1957 211; Hasse 23–28.

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Bezugsberechtigung

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erhält den Anspruch aufgrund der besonderen Konstruktion der Verträge zugunsten Dritter und auch in der Todesfallversicherung – trotz der Ähnlichkeit von erbrechtlichen und versicherungsrechtlichen Verfügungen – gänzlich außerhalb erbrechtlicher Vorgänge. Der Tod der Gefahrsperson – die in den hier insbes. interessierenden Konstellationen mit dem VN identisch ist – hat dabei die Fälligkeit der Forderung zur Folge. Da der Anspruch des Bezugsberechtigten auf dem Lebensversicherungsvertrage beruht, also ein eigener Anspruch ist, der nicht zum Vermögen des VN gehört hat und insbes. auch nicht aus dessen Nachlass stammt, können sich die Nachlassgläubiger, die gesetzlichen Erben und die Pflichtteilberechtigten grundsätzlich nicht an den Bezugsberechtigten halten. Insbesondere die Nachlassgläubiger werden damit – wenn der VN einen überschuldeten Nachlass hinterlässt und zugleich eine nennenswerte Lebensversicherungssumme fällig wird – durch das Institut der Lebensversicherung bewusst benachteiligt.203 b) Rechtliche Zuordnung. Nach der Konstruktion des Vertrages zugunsten Dritter in 189 der Form des Lebensversicherungsvertrages auf den Todesfall erwirbt der Bezugsberechtigte die Versicherungssumme nicht etwa als Rechtsnachfolger des VN aus dem Nachlass, sondern unmittelbar vom VR. Das ergibt sich trotz der funktionalen Ähnlichkeit eines Rechtserwerbs durch den Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall und einer letztwilligen Verfügung schon aus der systematischen Stellung des § 331 BGB, auch wenn das rechtliche Ziel des Vertrages erst mit dem Tode des VN erreicht wird. Bei der Todesfallversicherung ist der Tod des VN der Zeitpunkt, nicht der Rechtsgrund des Erwerbs. Von der Vorstellung eines Erwerbs unabhängig vom Nachlass des VN ist der

203

RG 25.2.1880 RGZ 1 188; RG 4.6.1886 RGZ 16 126; RG 19.12.1892 RGZ 48 284; RG 3.6.1902 RGZ 51 404–405; RG 6.3.1903 RGZ 54 96–97; RG 8.7.1904 RGZ 61 218; RG 5.1.1906 RGZ 62 263; RG 8.10.1912 RGZ 80 177; RG 25.2.1916 RGZ 88 139; RG 25.2.1930 RGZ 127, 271; RG 25.3.1930 RGZ 128 190; RG 12.1.1937 RGZ 152 228; RG 22.4.1942 JRPV 1942 130; BGH 14.7.1952 BGHZ 7 142; BGH 8.5.1954 BGHZ 13 232; BGH 10.1.1955 VersR 1955 99; BGH 8.2.1960 VersR 1960 339; BGH 12.7.1960 VersR 1960 932, 934; BGH 29.1.1964 BGHZ 41 96; BGH 10.6.1965 NJW 1965 1913–1914; BGH 9.11.1966 NJW 1967 102; BGH 29.5.1984 VerSr 1984 845, 846; BGH 20.9.1995 VersR 1995 1429, 1430; BGH 8.5.1996 VerSR 1996 877, 878; BGH 26.11.2003 NJW 2004 767, 768; BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94; BayObLG 2.11.1994 VersR 1995 648, 649; ÖOGH 19.6.1963 JBl 1964 39; zur Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und Landesgerichte und zum älteren Schrifttum Bruck/Möller/Winter 8 Anm. H 130; Borgmann 4; Berliner LZ 1909 Sp. 290; Ebmeyer 11; Ehrenberg JherJb 41 (1900) 395; ders. Recht 1911 Sp. 13–14; Kirchmann

LZ 1912 Sp. 618–619; Hasse Interessenkonflikte in der Lebensversicherung 148–165; Hasse VersR 2008 590 ff.; Heilmann MDR 1969 433; ders. VersR 1972 1000; ders. VersR 1980 516; Knoch 46–48; Koerner Diss. Marburg (1957) S. 70; Krebs VersR 1960 266; Kühlmorgen 80–84; Lorenz FS Schwebler, S. 371; Lücke S. 25; Mehn S. 34–40; Möller in: Deutsche Landesreferate zum III. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in London 1950, S. 581; Prölss VersR 1960 341–342; Reinicke NJW 1956 1053; Schindel S. 89; Schmilz S. 51; Schwarz S. 14; Sieg in Festschrift für Klingmüller, S. 455–456 [mit Differenzierungen]; Siepermann S. 23; Stübler S. 63; Thiele S. 118; Winter ZVersWiss 1970 44–46; Zeißig S. 72–73; a.M. Constam S. 40–42; Finger JuS 1969 309; Geister S. 45; Harder Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall (1968), S. 165–166; Hoffmann AcP 158 (1959/60) 194; Zehner AcP 153 (1954) 452–453; Elfring 10 ff. mit weiteren Nachweisen; Armbrüster in: Liber amicorum Gerrit Winter S. 519, 521. Zuletzt Hasse VersR 2008 590 ff. mit ausführlicher Würdigung des gegenwärtigen Meinungsstandes.

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Gesetzgeber auch bei der Schaffung der Spezialnormen zur Lebensversicherung im VVG ausgegangen, insbes. auch bei der Schaffung des § 160: Auch in den in dieser Vorschrift geregelten Fällen „wird es im Zweifel als der Wille des Versicherungsnehmers anzusehen sein, dass der Anspruch aus der Versicherung nicht einen Bestandteil des Nachlasses bilden, sondern den betreffenden Personen unmittelbar auf Grund des Versicherungsvertrages zustehen soll. Wird der Anspruch auf diese Weise erworben, so ist er dem Zugriffe der Nachlassgläubiger entzogen und gehört, wenn der Nachlasskonkurs eröffnet wird, nicht zur Konkursmasse.“204 Wie auch in § 160 Abs. 2 deutlich zum Ausdruck gelangt, wird zwischen einem Erwerb über den Nachlass und dem Erwerbsgrund einer Bezugsberechtigung deutlich unterschieden. Das geschieht unabhängig davon, ob es sich um eine widerrufliche oder unwiderrufliche Bezugsberechtigung handelt. Während im Erbrecht der Konflikt zwischen den Versorgungsinteressen der Angehörigen und den Befriedigungsinteressen der Nachlassgläubiger im Wesentlichen zugunsten der Nachlassgläubiger entschieden worden ist, werden bei einer Versorgung im Wege der Lebensversicherung die Bezugsberechtigten bevorzugt und die Interessen der Nachlassgläubiger usw. nur in begrenztem Rahmen anerkannt. Nach h.M. auch im Schrifttum und ständiger Rechtsprechung ist dabei nicht nur das Deckungsverhältnis (Verhältnis VN/VR) und das Vollzugsverhältnis (Verhältnis VR/Bezugsberechtigter), sondern auch das Valutaverhältnis (Verhältnis VN/Bezugsberechtigter) als lebzeitiges Rechtsgeschäft zu sehen, wobei sich das Valutaverhältnis auch aus familienrechtlichen – aber nicht erbrechtlichen! – Regelungen herleiten lässt.205

190

c) Lebensversicherungsvertrag als Schenkung auf den Todesfall? Gegen diese Sicht der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung wird insbes. eingewandt, die vom VN gezahlten Prämien seien im Valutaverhältnis als Schenkungen an den begünstigten Dritten anzusehen, so dass auch der Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall an der Vorschrift des § 2301 BGB zu messen sei. Sei die Schenkung zu Lebzeiten des VN noch nicht vollzogen, so seien die erbrechtlichen Vorschriften anwendbar. Dabei wird argumentiert, insbes. das nach § 171 unabdingbare Recht, bei einer widerruflichen und auch bei unwiderruflichen Bezugsberechtigung den Lebensversicherungsvertrag zu kündigen und damit den Anspruch des Dritten auf die Versicherungssumme zu zerstören, gebe dem VN eine so weitreichende Verfügungsmacht über den Versicherungsanspruch, dass von einem endgültigen Erwerb dieses Anspruchs durch den Bezugsberechtigten vor dem Tode des VN keine Rede sein könne. Die unwiderrufliche und die widerrufliche Bezeichnung eines Begünstigten seien gleichermaßen keine unter Lebenden vollzogenen Rechtsgeschäfte, sondern seien in ihrer Wirkung und im Hinblick auf die Interessenlage den letztwilligen Verfügungen so ähnlich, dass in beiden Fällen der zugewendete Anspruch als Nachlassbestandteil zu behandeln sei. Im Übrigen sei nicht einzusehen, dass das Sparen in Form der Lebensversicherung in der Weise privilegiert werden solle, dass es gläubigersicher erfolge. Das gelte insbes. auch für den Fall, dass andere als die nächsten Angehörigen bezugsberechtigt seien. Die Versicherungssumme sei daher als

204 205

Begründung zu § 167 a.F., Motive S. 227. Zuletzt Hasse VersR 2008 590, 591 m.w.N. Das gilt auch, wenn die Einsetzung des Bezugsberechtigten im Wege einer letztwilligen Verfügung nach § 332 BGB erfolgt. Denn sie wird nach § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebens-

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versicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke nur wirksam, wenn sie dem VR noch zu Lebezeiten des VN angezeigt wird (BGH 10.2.1994 VersR 1994 586 m.w.N.).

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Bezugsberechtigung

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Nachlassbestandteil zu behandeln, sie sei bei der Berechnung des Pflichtteils in den Nachlass einzubeziehen, und die Nachlassgläubiger könnten in die Versicherungssumme beim Bezugsberechtigten vollstrecken, als ob er der Erbe sei.206 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Mit der Bezugnahme auf § 2301 BGB 191 wird ohne weiteres davon ausgegangen, dass im Valutaverhältnis zwischen VN und Bezugsberechtigtem eine Schenkung vorliege, die Einsetzung eines Bezugsberechtigten also ein rein altruistisch motivierter rechtsgeschäftlicher Akt sei. Dabei wird unberücksichtigt gelassen, dass die Einsetzung eines Bezugsberechtigten beispielsweise der Absicherung eines Kreditinteresses dienen kann und im Übrigen bei der Einsetzung eines Familienangehörigen gleichfalls nicht grundsätzlich und undifferenziert von Schenkung gesprochen werden kann. Nicht nur die Familienstruktur, sondern auch das Familienrecht haben sich im 20. Jahrhundert erheblich gewandelt. Die Ehe ist personen- und vermögensrechtlich ganz weitgehend als eine partnerschaftliche Beziehung vor dem Hintergrund der Gleichwertigkeit der Funktionen beider Ehepartner anerkannt, was insbes. in der Zugewinngemeinschaft und dem Versorgungsausgleich („Wirtschaftsgemeinschaft Ehe“) zum Ausdruck gelangt. Bei der Einsetzung eines Ehepartners als Bezugsberechtigten von Schenkung zu sprechen, dürfte zumindest bei längerer Ehe – während der die Prämien für die Versicherung gezahlt wurden – nicht mehr unserer heutigen Sicht entsprechen und erinnert an das 19. Jahrhundert. Ähnlich ist die Beziehung zum langjährigen Lebensgefährten des VN zu beurteilen, ferner die Beziehung zu Verwandten, aber auch zu familienfremden Personen, die mit dem VN einen gemeinsamen Haushalt geführt oder beispielsweise in seinem Betriebe (insbes. landwirtschaftlicher oder kleingewerblicher Art) z.B. als erwachsene Kinder mitgewirkt haben. Die Ehe ist verbunden mit einer auf Lebenszeit angelegten gegenseitigen Unterhalts- und Vorsorgepflicht. Die beim Tode eines der Ehepartner zu leistende Versicherungssumme bzw. -rente ist bestimmt, der Versorgung des anderen Ehepartners zu dienen, auch ohne dass sich die Beteiligten des Zwecks der Absicherung bewusst geworden oder gar darüber einig geworden sind. Der erwerbstätige, verdienende Ehepartner – der eben der VN zu sein pflegt – ist aus der ehelichen Unterhaltspflicht heraus gehalten, „nicht nur für den gegenwärtigen, sondern entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des zukünftigen Unterhalts des anderen Ehepartners zu sorgen.207 Krankheits- und Altersvorsorgeunterhalt sind unselbstständige Teile des einheitlichen Unterhalts.“ Der nach §§ 1361 Abs. 1 Satz 2 (Unterhalt bei Getrenntleben) bzw. 1578 Abs. 3 BGB (Unterhalt des geschiedenen Ehegatten) geschuldete Vorsorgeunterhalt ist dazu bestimmt, als Teil eines einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf des Berechtigten umfassenden Unterhaltsanspruchs Nachteile auszugleichen, die dem unterhaltsberechtigten Ehegatten aus der Behinderung seiner Erwerbstätigkeit während der Ehe erwachsen.208 Das muss auch für den Unterhalt in einer weiter bestehenden Ehe gelten. Die familiäre Leistung des abredegemäß sich stärker den Kindern und dem Haushalt widmenden Ehegatten darf keine Diskriminierung in der Weise erfahren, dass sie im Zusammenhang mit der den Unterhalt und die Alters- und Hinterbliebenenvorsorge ermöglichenden stärker beruflich ausgerichteten Tätigkeit des anderen Ehegatten keine Berücksichtigung findet. Nicht ohne Grund schützt auch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom

206 207

Besonders klar Kipp/Coing Erbrecht, 18. Aufl. (1978) 360. So ausdrücklich BGH 21.3.1979 BGHZ 74 38, 45–46. Ähnlich BGH 11.11.1981 FamRZ 1982 165, 166.

208

BGH 4.11.1987 FamRZ 1988 145, 150; BGH 25.10.2006 XII ZR 141/04 FamRZ 2007 117, 118.

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26.3.2007 den als besonders schützenswert erachteten Willen des VN, seinen Angehörigen Versorgungsansprüche zuzuwenden, ohne dass dies von Gläubigern usw. verhindert werden kann.209 Gleichwohl sieht die h.M. das Valutaverhältnis bei ehe- und familienbezogenen Zuwendungen auch weiterhin grundsätzlich als Schenkung i.S.d. §§ 516 ff. BGB, obwohl eine unentgeltliche Zuwendung nur gegeben sein kann, wenn auf den Erwerb kein Rechtsanspruch besteht und wenn sie nicht von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung abhängig ist.210 Wenn dabei argumentiert wird, dass Versorgungsbedürfnis naher Angehöriger im BGB werde nur durch das (auch diesem Zweck dienende) Pflichtteilsrecht abgedeckt,211 so dürfte das nur für einen schon zu vernachlässigenden Teil der Bevölkerung gelten. In einer Zeit, in der angesichts einer vorauszusehenden Altersarmut eine Pflicht zur privaten Altersvorsorge gefordert wird, kann der Abschluss und die Bedienung einer Lebensversicherung durch den erwerbstätigen Ehegatten nicht mehr als Geschenk gegenüber dem anderen Ehepartner angesehen werden, soweit die Versicherung als Instrument des Altersvorsorgeunterhalts zu qualifizieren ist. Eine solche Vorsorgeleistung im Rahmen des Möglichen findet sich nicht nur im Hinblick auf den Ehepartner, sondern auch hinsichtlich der Kinder und auch sonstiger Angehöriger, denen gegenüber der VN zum Unterhalt verpflichtet ist. Soweit die Verpflichtung zum Familienunterhalt i.S.d. §§ 1360, 1360a BGB reicht, kann die Unterhaltsleistung nicht als Geschenk angesehen werden.212 Darüber hinaus lässt sich eine Schenkung in Höhe der Versicherungssumme aber 192 auch deswegen schwer begründen, weil die Versicherungsleistung beim vorzeitigen Tode des VN – und das ist in der Todesfallversicherung der Regelfall für die Fälligkeit der Versicherungsleistung – nicht allein aus angesammelten Sparprämien, sondern weithin durch den VR im Wege der Gefahrübernahme erbracht wird. Besonders deutlich wird das in der reinen Risikoversicherung, bei der die Erben sodann in den Genuss einer Leistung kämen, die sich der VN niemals selbst hätte zugute kommen lassen können. Aber selbst soweit man von Schenkung im Valutaverhältnis sprechen könnte, vermag die Vorschrift des § 2301 BGB keine Anwendung finden, weil sie im Hinblick auf §§ 331 BGB, 159, 160 restriktiv auszulegen ist.213 Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2301 BGB ist es, Umgehungsgeschäfte unter Lebenden zu verhindern, mit denen erbrechtliche Wirkungen in erleichterter Weise erreicht werden sollen. Daher soll eine Vermögensverschiebung, die sich erst nach dem Tode auswirkt, wie eine letztwillige Verfügung zu behandeln sein. Normalerweise kann jede Schenkung in einer erbrechtlichen Zuwendungsform durchge-

209 210

211

212

Hasse VersR 2008 590, 594. Zuletzt Hasse VersR 2009 41; ders. VersR 2008 590, 599; BGH 21.5.2008 VersR 2008 1054, 1055. Lorenz in FS, S. 345. Die Möglichkeit des Vorsorgeunterhalts deswegen zu verneinen, weil die Unterhaltspflicht höchstpersönlich sei und daher mit dem Tode des Unterhaltsverpflichteten ende, will gleichfalls nicht überzeugen. OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378, 1379; Bruck/Möller/Winter 8 Anm. H 132; ders. Interessenkonflikte 14 ff., 26 ff; ders. ZVersWiss 1991 203, 209 f.; Bayer 319 ff. m.w.N.; Dogan 133, 150; Scherer S. 166–177, 183 ff.; Sieg FS Klingmüller 462

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213

ist der Auffassung, ebenso wenig wie ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern durch die Gewährung außervertraglicher Zuwendungen eine Schenkung mache, tue dies der verantwortungsbewusste VN, der für seine nächsten Angehörigen durch eine Lebensversicherung sorge; ders. ZVersWiss 1995 699; vgl. auch Benkel/Hirschberg/Benkel § 13 ALB 2008 Rn. 116. Langheid/Wandt/ Heiss § 159 Rn. 91 weist darauf hin, dass der BGH „bisweilen“ von einer unbekannten Zuwendung ausgeht, auf die das Schenkungsrecht nicht stets Anwendung finden muss. Ausführlich Hasse 159 f.; Thiele 78–80.

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führt werden, so dass der Beschenkte die Stellung eines Erben oder Vermächtnisnehmers erhält. Das Gesetz bietet jedoch keine geeignete Form einer letztwilligen Zuwendungsform, um zu dem mit dem Lebensversicherungsvertrag auf den Todesfall bezweckten Erfolg zu gelangen, zumal bei einem vorzeitigen Tode des VN die Versicherungsleistung nicht nur aus der angesammelten Sparprämie, sondern im Wege der Gefahrübernahme erbracht wird. Würde man eine Zuwendungsform wie die Lebensversicherung auf den Todesfall mit Bezugsberechtigung der Vorschrift des § 2301 BGB unterstellen, so hätte der VN keine Möglichkeit, mit Hilfe einer letztwilligen Verfügung den von ihm gewünschten Erfolg herbeizuführen. Eine solche Gesetzesanwendung aber wäre mit der Schaffung der §§ 331 Abs. 1 BGB, 159 unvereinbar. Unter diesen Umständen scheidet auch eine analoge Anwendung des § 2301 BGB auf die Todesfallversicherung mit Bezugsberechtigung aus. d) Bewusste und zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannte Privilegierung des Be- 193 zugsberechtigten. Die Lebensversicherung ist aus sozialen Gründen, insbes. auch aus Gründen der ungefährdeten Vorsorge für hinterbliebene Familienangehörige bewusst aus dem Erbrecht herausgenommen worden. Der Lebensversicherungsvertrag ist in der Rechtsprechung seit Ende des 19. Jahrhunderts als selbstständiges, traditionell insbes. auch der Hinterbliebenenvorsorge dienendes Spezialinstitut anerkannt, das zumindest gewohnheitsrechtlich nicht dem Erbrecht untersteht, obwohl es sich hier nach Inhalt und Wirkung um eine Regelung vermögensrechtlicher Verhältnisse von Todes wegen handeln kann. Der Wunsch, Ehegatten, Abkömmlinge, Verwandten oder anderen nahe stehenden Personen ein Kapital oder eine Rente für ihren Lebensunterhalt sicherzustellen, das weder von den Erben und Pflichtteilsberechtigten noch von den Vermächtnisnehmern und Nachlassgläubigern als Nachlassbestandteil in Anspruch genommen werden kann, hat seinen Vorrang vor den Belangen aller sonstigen Nachlassbeteiligten in der geschichtlichen Entwicklung des deutschen Rechts durchgesetzt und entspricht auch der heutigen Rechtsanschauung. Gerade auch im Hinblick auf die Komplementärfunktion der privaten Lebensversicherung zur Gesetzlichen Rentenversicherung, bei der die Hinterbliebenenrenten gleichfalls nicht in den Nachlass fallen, darf die private Lebensversicherung nicht dadurch beeinträchtigt und im Einzelfall sogar entwertet werden, dass die Versicherungssumme durch den Nachlass geht.214 e) Keine Differenzierung zwischen Familienangehörigen und sonstigen Personen als 194 Bezugsberechtigte. Dabei konnte de lege ferenda überlegt werden, ob durch die Lebensversicherung lediglich ein enger Kreis naher Angehöriger im Rahmen bestimmter Höchstbeträge bevorzugt werden sollte.215 Eine derartige Differenzierung ist nach geltendem Recht jedoch nicht möglich, insbes. kann sie auch nicht auf die bloßen Pfändungsschutzvorschriften gestützt werden.

214

Seit dem Erscheinen der Vorauflage Bruck/Möller/Winter 8 im Jahre 1988 ist – soweit ersichtlich – keine gerichtliche Entscheidung ergangen, in der die gewohnheitsrechtliche Privilegierung der Hinterbliebenenvorsorge in Zweifel gezogen wird. Wenn Hasse (VersR 2008 590, 610) – ohne seine Bedenken zu konkretisieren – und Janko in seiner Dissertation zur bewussten Zugangsverzögerung auf den Todesfall (Janko 137)

215

die gewohnheitsrechtliche Privilegierung in Zweifel ziehen, so hat das allein nicht zur Folge, dass es zu einer gewohnheitsrechtlichen Sonderregelung nicht gekommen ist. Behrend LZ 1908 Sp. 127; Ehrenberg JherJb. 41 (1900) 404 f.; Heilmann VersR 1972 1000; Plumbohm JW 1938 352; Sieg a.a.O. S. 456; Winter ZVersWiss 1970 46; Thiele 119.

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§ 159 195

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f) Exkurs: Schutz der Nachlassgläubiger und Pflichtteilsberechtigten. Die Nachlassgläubiger können lediglich an den schwierigen Weg der Anfechtung gläubigerschädigender Rechtshandlungen nach der InsO oder dem AnfG denken und den Versicherungsanspruch oder den Prämienaufwand des VN ganz oder teilweise ihrem Zugriff unterwerfen. Solche Fälle einer Absichts- oder Schenkungsanfechtung sind jedoch sehr selten.216 Auch für den Pflichtteilsberechtigten findet sich ein gewisser Ausgleich darin, dass bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2325 BGB die vom Erblasser entrichteten Versicherungsprämien in Höhe der Rückvergütung zur Zeit seines Todes, die eine Schenkung an den begünstigten Dritten darstellen, u.U. dem Nachlass zuzurechnen sind.217 7. Zurückweisung des Rechts durch den Bezugsberechtigten

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a) Grundsatz des § 333 BGB. Ein Zurückweisungsrecht des Bezugsberechtigten findet sich weder in den Bedingungswerken der Lebensversicherung noch in den Vorschriften des VVG zur Lebensversicherung. Daher gelangt § 333 BGB zur Anwendung, wonach der durch den Vertrag begünstigte Dritte die rechtliche Möglichkeit hat, den Erwerb des Rechts mit rückwirkender Kraft zurückzuweisen. Die Vorschrift beruht auf der Erwägung, dass niemandem gegen seinen Willen ein endgültiger Rechtserwerb aufgedrängt werden soll. Die einseitige Zurückweisung eines erworbenen Rechts durch den Dritten entspricht 197 nicht den allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts, wonach ein erworbenes Forderungsrecht nur durch einen Verzicht- oder Erlassvertrag aufgegeben werden kann (vgl. § 397 BGB). Daher war die Regelung des § 333 BGB erforderlich, um dem begünstigten Dritten zum Ausgleich für eine ihm ohne sein Wollen und Wissen zugefallene Berechtigung die einseitige Zurückweisung des Rechts zu ermöglichen.

198

b) Gegenstand der Zurückweisung. Der Bezugsberechtigte kann nach § 333 BGB das erworbene Recht zurückweisen. Das bedeutet, dass eine Zurückweisung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung ebenso möglich ist wie die Zurückweisung der widerruflichen Bezugsberechtigung nach Eintritt des Versicherungsfalles. Aber auch bei der widerruflichen Bezugsberechtigung, bei der der Begünstigte erst eine schwache Anwartschaft und noch kein Recht erworben hat, ist von einer Zurückweisungsmöglichkeit auszugehen, obwohl die Voraussetzungen des § 333 BGB nicht gegeben sind. Da Verfügungen über zukünftige Rechte grundsätzlich möglich sind, muss auch die vorweg erklärte Zurückweisung mit dem Ergebnis zulässig sein, dass es zu einem Anfall des Rechts mit dem Eintritt des Versicherungsfalles gar nicht erst kommt. Voraussetzung für eine derartige Rechtsfolge ist jedoch, dass der in der Zurückweisung zum Ausdruck gelangende Wille, das Recht nicht erwerben zu wollen, zu dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls fortbesteht. Den Begünstigten bei der widerruflichen Bezugsberechtigung auf den Eintritt des Versicherungsfalles zu verweisen und einer zuvor erklärten Zurückweisung die Rechtswirksamkeit zu versagen,218 wäre übertriebener Formalismus.

199

c) Zurückweisungserklärung. Die Zurückweisung ist die Ausübung eines Gestaltungsrechts durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, sie muss dem VR gegenüber erklärt werden, eine Erklärung gegenüber dem VN bzw. seinen Erben ist nicht erforderlich.

216 217

Näheres bei Thiele 6 ff., 11 f. Vgl. unter Rn. 534 ff.

374

218

So aber RG 11.2.1921 RGZ 101 304; Kühlmorgen 68; Lederle 106.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

Die Zurückweisungserklärung kann unter einer aufschiebenden Bedingung oder Zeit- 200 bestimmung abgegeben werden, denn für den VR entsteht hierdurch trotz des rechtsgestaltenden Charakters der Erklärung keine unzumutbare Rechtsunsicherheit.219 Aus § 333 BGB ergibt sich nicht, wie lange der Bezugsberechtigte das einmal erwor- 201 bene Recht zurückweisen darf. Eine Ausschlussfrist besteht für ihn nicht. Hat der Bezugsberechtigte jedoch durch eine Annahmeerklärung gegenüber dem VR – auch konkludent, beispielsweise durch Abtretung des Bezugsrechts – zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Rechtserwerb einverstanden ist, verliert er die Möglichkeit das Bezugsrecht zurückzuweisen.220 d) Keine Schriftform. Für die Zurückweisungserklärung besteht kein Schriftform- 202 erfordernis, sie kann dem VR gegenüber auch mündlich erklärt werden. e) Rechtsfolgen der Zurückweisung. Nach § 333 BGB gilt das Bezugsrecht nach der 203 Zurückweisungserklärung als nicht erworben, die Zurückweisung hat also rückwirkende Kraft. Es handelt sich um einen Fall des § 160 Abs. 3, so dass das Recht nunmehr wiederum dem VN zusteht, der VN kann dabei auch einen anderen Bezugsberechtigten benennen. 8. Einwendungen des Versicherers gegenüber dem Bezugsberechtigten a) Grundsatz des § 334 BGB. Obwohl das Recht des Begünstigten ein originäres und 204 nicht vom VN hergeleitetes Recht ist, beruht das Recht des Bezugsberechtigten jedoch gleichwohl ausschließlich auf dem zu seinen Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrage und ist daher in seinem Bestehen und in seinem Umfang nach dem Versicherungsvertrage zu bestimmen. Das bedeutet zugleich, dass dem VR sämtliche Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag auch gegenüber dem Bezugsberechtigten zustehen, § 334 BGB. Der VR darf nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass er an den Begünstigten und nicht an den VN zu leisten hat. Der Begriff der Einwendungen ist weit zu fassen, doch fallen darunter nicht auch Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis, die nicht unmittelbar aus dem Vertrage abgeleitet werden können. b) Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag. Einwendungen, auf die sich der VR 205 dem Bezugsberechtigten gegenüber berufen kann, sind z.B. Nichtigkeit des Versicherungsvertrages, Anfechtung, Rücktritt, Kündigung sowie eine aus der Verletzung von Haupt- und Nebenpflichten/Obliegenheiten durch den VN sich ergebende Leistungsfreiheit oder -reduzierung. Eine Anfechtung des Vertrages durch den VR ist dabei denkbar bei arglistiger Täuschung des VR bei Vertragsschluss über gefahrerhebliche Umstände, ein Rücktritt ist gleichfalls bei der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht sowie bei Nichtzahlung der Erstprämie denkbar. Kündigt der VR den Versicherungsvertrag wegen Nichtzahlung der Folgeprämie, so wandelt sich die Versicherung nach § 166 in eine prämienfreie Versicherung um, die Versicherungsleistung wird nach § 165 entsprechend den bereits gezahlten Prämien herabgesetzt. Bei Eintritt des Versicherungsfalles hat der Bezugsberechtigte in einem solchen Falle nur den Anspruch auf die geminderte Versicherungssumme, ist ein Fall des § 169 gegeben, so hat der Bezugsberechtigte nur den Anspruch auf den Rückkaufswert.

219

A.M. Hellwig 263.

220

OLG Dresden 25.10.1938 JRPV 1938 349.

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§ 159 206

Kapitel 5: Lebensversicherung

Die Einwendungen können dem Bezugsberechtigten dabei auch dann entgegengehalten werden, wenn sie erst entstanden sind, nachdem der Begünstigte bereits eine – dem Grundsatz nach – nicht mehr einseitig entziehbare Bezugsberechtigung erlangt hat.

207

c) Einwendungen aus der Person des Versicherungsnehmers. Demgegenüber kann der VR dem Bezugsberechtigten gegenüber keine Einwendungen geltend machen, die aus der Person des VN herrühren und sich nicht auf den Versicherungsvertrag beziehen. So kann der VR dem Bezugsberechtigten gegenüber nicht mit einer Prämienforderung aus einem anderen mit demselben VN abgeschlossenen Versicherungsvertrag aufrechnen.221 Andererseits kann der VR mit Forderungen, die ihm gegen den Bezugsberechtigten 208 persönlich zustehen, durchaus aufrechnen.222

209

d) Herausgabeanspruch des Versicherers bei Leistung der Versicherungssumme trotz nichtigen Vertrages. Hat der VR aufgrund eines nichtigen Vertrages bereits an den Bezugsberechtigten geleistet, so kann er von ihm die Herausgabe der Summe aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen. 9. Nichterwerb des Bezugsrechts durch den begünstigten Dritten

210

Wird das Bezugsrecht durch den Begünstigten nicht erworben, so steht es nach § 160 dem VN zu. Dabei sind insbes. folgende vier Konstellationen zu unterscheiden, bei denen das Recht von dem Bezugsberechtigten nicht erworben wird: (1) Zurückweisung des Bezugsrechts durch den begünstigten Dritten,223 (2) Entfallen der Voraussetzungen für die Bezugsrechtseinräumung (Beispiel: Einsetzung des Ehepartners unter der auflösenden Bedingung der Ehescheidung,224 (3) Nichtigkeit der Bezugsrechtseinräumung,225 (4) Tod des widerruflich Bezugsberechtigten vor dem Versicherungsfall oder gleichzeitig mit dem VN.226

VIII. Beziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer 1. Widerrufliche Bezugsberechtigung

211

a) Rechtliche Stellung des Versicherungsnehmers vor dem Eintritt des Versicherungsfalles. Als Vertragspartner bleibt der VN grundsätzlich Träger aller Haupt- und Nebenpflichten/Obliegenheiten, er bleibt der Erklärungsempfänger für sämtliche Erklärungen des VR. Hinsichtlich der Rechte des VN ist zwischen den Forderungs- und den Gestaltungsrechten zu unterscheiden: Der VN hat grundsätzlich Anspruch auf sämtliche vor dem Eintritt des Versiche212 rungsfalles fällig werdenden Leistungen des VR, insbes. kann der VN die Rückvergütung und die Vorauszahlungssumme für sich selbst beanspruchen, ohne dass er die Bezugsberechtigung zu widerrufen braucht. Denn der Begünstigte hat nur den Anspruch auf solche Leistungen, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalles fällig werden. Der VN bleibt insbes. auch der Anspruchsberechtigte hinsichtlich der vor Eintritt des Versiche-

221 222

Ehrenberg ZVersWiss 1927 553; vgl. auch Winter ZVersWiss 1970 47. Vgl. im Einzelnen dazu Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 10.

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223 224 225 226

Vgl. hierzu im Einzelnen oben Rn. 196 ff. Vgl. Bruck/Möller/Winter § 160 Rn. 49 f. Vgl. im Einzelnen oben Rn. 108 ff. Vgl. oben Rn. 129.

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Bezugsberechtigung

§ 159

rungsfalles ausgekehrten Überschussanteile wie Direktgutschriften.227 Der Bezugsberechtigte hat also keinen Anspruch auf eine erhöhte Rückvergütung der Hauptversicherung, die Rückvergütung einer Zusatzversicherung oder auf eine vom VN vorzeitig abgehobene verzinsliche Ansammlung der Überschussanteile.228 Sämtliche Forderungsrechte, die dem VN aus dem Versicherungsvertrag zustehen, 213 kann er jederzeit im Wege der Abtretung und Verpfändung für seine eigenen Bedürfnisse verwenden, auch soweit sie erst nach Eintritt des Versicherungsfalles fällig werden. Ebenso stehen dem VN auch weiterhin sämtliche Gestaltungsrechte aus dem Ver- 214 sicherungsvertrag zu. Er kann den Vertrag jederzeit kündigen und die Rechtsstellung des Bezugsberechtigten zunichte machen. Die Kündigung muss dabei allerdings nicht zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung bedeuten.229 Er kann die Versicherung aber auch durch Umwandlung oder Beleihung in ihrem Werte mindern. Vor allem kann der VN die Bezugsberechtigung frei widerrufen, um die Versicherungsleistung entweder sich selbst bzw. seinen Erben oder durch Einsetzung eines anderen Bezugsberechtigten einem anderen zuwenden.230 b) Recht des Widerrufs und der Abänderung der Bezugrechtsbenennung aa) Rechtliche Grundlagen (1) Grundsätzliches zum Widerrufsvorbehalt. Die in § 328 Abs. 2 BGB gestellte dritte 215 Frage, ob den Vertragschließenden (also dem VN und dem VR) die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern, wird in § 159 aufgenommen. Nach dieser Vorschrift ist es dem VN im Zweifel vorbehalten, ohne Zustimmung des VR an die Stelle des ursprünglich bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen, § 159 Abs. 1. Dem VN wird damit für die widerrufliche Bezugsberechtigung eine einseitige Aufhebungs- und Änderungsbefugnis zuerkannt. In den §§ 331 Abs. 2, 332 BGB sind weitere Regeln für den Fall vorgesehen, dass feststeht, dass die Aufhebung oder Änderung des Bezugsrechts bereits vorbehalten ist. Zu den Fragen des Widerrufs und der Änderung der Bezugsberechtigung findet sich 216 umfangreiche Rechtsprechung.231 227

228 229 230 231

Vgl. im Einzelnen oben Bruck/Möller/Winter § 153 Rn. 146; vgl. auch LG München I 18.1.1962 VersR 1963 965 f. Hasse 62. OLG Köln 20.12.2000 VersR 2002 299, 300. Zum Widerruf sogleich Rn. 215 ff. RG 13.2.1914 VA 1914 78–79; RG 25.2.1930 RGZ 127 270; RG 22.3.1932 RGZ 136 52; RG 25.11.1932 VA 1933 88; RG 17.2.1933 RGZ 140 33; RG 17.1.1936 JRPV 1936 53–55; RG 28.4.1936 VA 1936 221–223; RG 12.1.1937 RGZ 153 225; RG 23.2.1937 RGZ 154 105–106; RG 7.1.1938 JW 1938 755–757; RG 12.1.1940 JRPV 1940 44–45; RG 22.12.1941 RGZ 168 185; BGH 25.3.1953 VersR 1953 179–180; BGH 8.6.1967 VersR 1967 795–796; BGH 25.4.1975 VersR 1975 706–708; BGH 4.12.1980 VersR 1981 371–372; BGH 29.1.1981 VersR 1981 326–327;

BGH 1.7.1981 VersR 1981 926–927; BGH 19.11.1985 VersR 1986 231–232; BGH 28.9.1988 RuS 1988 381; BGH 18.10.1989 NJW 1990 256, 257; BGH 15.1.1992 VersR 1992 558; BGH 3.6.1992 RuS 1992 320, 321; BGH 3.3.1993 VersR 1993 553,544; BGH 14.7.1993 VersR 1993 1219; BGH 10.2.1994 VersR 1994 586; BGH 30.11.1994 VersR 1995 282; BGH 8.5.1996 VersR 1996 877, 878; BGH 24.2.1999 NVersZ 1995 365; BGH 25.4.2001 VersR 2001 883, 884; BGH 12.12.2001 VersR 2002 218, 219; BGH 18.12.2002 VersR 2003 229; BGH 23.10.2003 VersR 2004 93; BGH 14.2.2007 VersR 2007 784, 785; BGH 21.5.2008 VersR 2008 1054; OLG Bremen 11.11.1958 VersR 1959 698–699; OLG Breslau 4.5.1934 JRPV 1935 9–11; OLG Dresden 23.2.1940 JRPV 1940 85–86; OLG Düssel-

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

217

(2) Widerrufsvorbehalt zugunsten des Versicherungsnehmers. Dem VN ist es dabei vorbehalten, die Bezugsberechtigung nicht nur ohne Zustimmung des VR, sondern auch ohne Zustimmung des Dritten zu widerrufen. Das ist aus der Vorschrift des § 159 herzuleiten: Da der Dritte die Bezugsberechtigung im Zweifel erst mit dem Tode des VN erwirbt, ist im Zweifel auch anzunehmen, dass dem VN auch die Befugnis vorbehalten ist, die Bezugsberechtigung des Dritten ohne dessen Zustimmung zu widerrufen. In den in diesem Sinne geschaffenen § 13 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw. wird die gesetzliche Regelung inhaltlich wiederholt.

218

(3) Kein Widerrufsvorbehalt der Erben des Versicherungsnehmers. Von einem Widerrufsvorbehalt der Erben des VN ist grundsätzlich nicht auszugehen. Weder aus dem VVG noch aus den Bedingungswerken lässt sich ein solcher Widerrufsvorbehalt für die Erben des VN entnehmen. Die Position des Bezugsberechtigten hat sich mit dem Tode des VN insofern verändert, als der Dritte nunmehr ein fälliges Recht auf die Versicherungsleistung erworben hat, während er zuvor nur eine wesenlose Anwartschaft hatte. Angesichts dessen kann der Erbe im Zweifel keinen Widerrufsvorbehalt haben, worauf auch schon § 331 Abs. 2 BGB hindeutet, wonach das Versprechen des VR, an den Bezugsberechtigten zu leisten, nach dem Tode des VN vor der Geburt des Dritten nur dann noch aufgehoben oder geändert werden kann, wenn die Befugnis dazu für die Erben des VN vorbehalten worden ist. Es entspricht im Zweifel dem Willen der Vertragsparteien, dass der widerruflich Bezugsberechtigte mit dem Tode des VN sein Bezugsrecht als grundsätzlich nicht widerrufbares Recht erhalten soll. Soll der Begünstigte das Bezugsrecht als auch nach dem Tode des VN widerrufliches Recht erwerben, so muss das von den Parteien ausdrücklich vereinbart werden.232

219

bb) Ausübung eines Gestaltungsrechts, Änderungsbefugnis. Ebenso wie die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten ist auch die Abänderung bzw. der Widerruf eines Bezugsrechts ein Gestaltungsgeschäft. Es handelt sich dabei nicht um die Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts.233

dorf 12.12.1961 VersR 1962 655–656; OLG Düsseldorf 13.5.1975 VersR 1975 918–919; OLG Frankfurt 16.9.1971 VersR 1973 413; OLG Frankfurt 21.9.1983 VersR 1984 755; OLG Hamburg 21.6.1988 VersR 1989 389, 390; OLG Hamm 6.1.1971 VersR 1971 246; OLG Hamm 29.1.1975 VersR 1976 142–143; OLG Hamm 14.11.1979 VersR 1980 739; OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 228–229; OLG Hamm 3.12.2004 VersR 2005 819; OLG Hamm 24.1.2006 VersR 2006 915; OLG Hamm 14.1.2009 VersR 2010 200, 221; OLG Karlsruhe 26.3.1941 HRR 1942 Sp. 69–70 Nr. 69; OLG Koblenz 1.2.2007 VersR 2007 1258; OLG Köln 17.2.1983 VersR 1983 1182; OLG Köln 29.3.1990 VersR 1990 1338; OLG Köln 12.11.2008 VersR 2009 621, 622; OLG Königsberg 17.3.1939 JRPV 1939 188; OLG München 4.3.1916 OLGE 32 224; OLG München

378

232 233

28.2.1964 WM 1964 778–779; OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378, 1379; OLG Stuttgart 3.12.1953 VersR 1954 186; OLG Stuttgart 20.5.1981 VersR 1982 797–798; OLG Stuttgart 1.12.1989 VersR 1990 369; LG Berlin 30.10.1959 VersR 1960 329; LG Freiburg 20.5.1952 VersR 1952 256; LG Hildesheim 5.5.1964 VersR 1964 937–938; LG Itzehoe 22.11.1963 VersR 1964 581; LG Köln 9.7.1959 VersR 1959 797–798; LG Stade 11.11.1950 VersR 1960 25; LG Waldshut 24.12.1953 VersR 1954 76; AG Bad Homburg 21.10.1952 VersR 1952 162; BAG 26.6.1990 VersR 1991 211, 212; BFH 9.5.1974 DB 1974 1797; ÖOGH 19.6.1963 JBl 1964 39–40; OG (DDR) 27.4.1971 OGZ 13 128–134. Kühlmorgen 91. RG 13.2.1914 VA 1914 78; RG 25.2.1930 RGZ 127 270.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Die Widerrufs- und Abänderungsbefugnis steht grundsätzlich dem VN zu. Hat der VN 220 seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag abgetreten oder verpfändet, so steht die Widerrufsbefugnis grundsätzlich dem Zessionar bzw. dem Pfandgläubiger zu. Ebenso verhält es sich bei der Pfändung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag. Bei der Insolvenz des VN geht das Recht zur Änderung eines Bezugsrechts auf den Insolvenzverwalter über.234 cc) Einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, Anzeige an den Versicherer (1) Einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung. Wie die Einsetzung eines 221 Bezugsberechtigten, so ist auch die Abänderung oder der Widerruf einer Bezugsberechtigung eine einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung.235 Die Empfangsbedürftigkeit ergibt sich schon aus § 332 BGB, wonach die Abänderung der Bezeichnung des Bezugsberechtigten im Zweifel auch in einer Verfügung von Todes wegen, also in einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung vorgenommen werden kann. § 332 BGB ist also eine Ausnahmevorschrift, grundsätzlich ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung erforderlich. Die Empfangsbedürftigkeit durch den VR ist aber insbes. auch schon deswegen erforderlich, weil der VR schließlich erfahren muss, wer sein Gläubiger ist. Mit Hilfe der Empfangsbedürftigkeit ist darüber hinaus ein Beweismittel geschaffen worden, das den VN und den VR auf rechtsändernde Erklärungen festlegt. Auch in der Klausel, dass der Inhaber des Versicherungsscheins zur Verfügung über 222 die Ansprüche des VN berechtigt sein soll, ist nicht der Verzicht des VR auf die Empfangsbedürftigkeit zu sehen. Denn die Inhaberklausel ändert nichts „an dem schon in der amtlichen Begründung zum VVG (§ 166 VVG a.F.) hervorgehobenen grundsätzlichen Interesse des Versicherers …, seine Leistung an den richtigen Empfänger, also an den zu bewirken, dem auch das materielle Recht auf die Leistung zusteht. Sein Interesse beschränkt sich eben nicht nur darauf, durch die Zahlung von seiner Schuld befreit zu werden, sondern geht auch dahin, das Vertrauen der Beteiligten auf eine richtige, auch dem materiellen Recht entsprechende Abwicklung der Versicherung zu rechtfertigen, soweit ihm dies möglich ist“.236 Nicht erforderlich für die Wirksamkeit eines Widerrufs der Bezugsberechtigung ist die 223 Empfangsbedürftigkeit durch den Bezugsberechtigten, der Begünstigte braucht von dem Widerruf der Bezugsberechtigung oder ihrer Abänderung nicht benachrichtigt zu werden.

234

235

Vgl. zu allem oben Rn. 72 ff., das dort zur Benennung eines Bezugsberechtigten Ausgeführte gilt entsprechend auch für den Widerruf bzw. die sonstige Abänderung des Bezugsrechts. RG 22.3.1932 RGZ 136 52; RG 25.11.1932 VA 1933 88; RG 17.1.1936 JRPV 1936 55; RG 17.2.1933 RGZ 140 33; RG 28.4.1936 VA 1936 222; RG 12.1.1937 RGZ 153 226; RG 23.2.1937 RGZ 154 105; RG 7.1.1938 JW 1938 755; RG 12.1.1940 JRPV 1940 44; RG 22.12.1941 RGZ 168 185; BGH 25.3.1953 VersR 1953 180; BGH 8.6.1967 VersR 1967 795; BGH 4.12.1980 VersR 1981 371; BGH 28.9.1988 RuS 1988 381, 382; BGH 14.7.1993 VersR 1993 1219, 1220; BGH 10.2.1994 VersR 1994 586; BGH 12.12.2001 VersR 2002 218, 219;

236

OLG Bremen 11.11.1958 VersR 1959 689; OLG Düsseldorf 13.5.1975 VersR 1975 919; OLG Frankfurt 16.9.1971 VersR 1973 413; OLG Köln 17.02.1983 VersR 1983 1182; LG Hildesheim 5.5.1964 VersR 1964 938; LG Köln 9.7.1959 VersR 1959 797; LG Stade 11.11.1959 VersR 1960 25; LG Waldshut 24.12.1953 VersR 1954 76; AG Bad Homburg 21.10.1952 VersR 1955 162; Haymann JW 1933 771; Kisch JW 1930 3628; Hagen ZVersWiss 1933 232; Helmers VersR 1965 534–538. BGH 25.3.1953 VersR 1953 179–180; vgl. auch RG 22.3.1932 RGZ 136 52; RG 28.4.1936 VA 1936 222; RG 12.1.1940 JRPV 1940 44; LG Köln 9.7.1959 VersR 1959 797.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

224

(2) Anzeige an den Versicherer. Die Frage der Empfangsbedürftigkeit ist seit der Schaffung einer Klausel wie des § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke in den Hintergrund getreten, da nach dieser Bestimmung der Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts – und dasselbe muss für die sonstige Abänderung des Bezugsrechts gelten – nur und erst wirksam ist, wenn sie der bisherige Verfügungsberechtigte dem VR schriftlich angezeigt hat.237 Das Anzeigeerfordernis aber begreift die Empfangsbedürftigkeit mit ein. Von dem Schriftformerfordernis kann durch eine individuelle Vereinbarung der Vertragsparteien Abstand genommen werden, die Anzeige kann deshalb auch konkludent erfolgen.238 Wenn jeder Bezugsrechtswiderruf erst durch die Anzeige an den VR wirksam wird, so 225 bedeutet das, dass auch der Widerruf durch Testament nach § 332 BGB ohne schriftliche Anzeige an den VR keine rechtliche Gültigkeit erlangt. „Die maßgebliche Bestimmung des § 13 Abs. 3 ALB 1957 (Vorgängerklausel des § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung) schränkt die Befugnis des VN zur Einräumung und zum Widerruf eines Bezugsrechts deutlich ein. Einräumung und Widerruf sollen danach nur und erst dann wirksam werden, wenn sie dem Versicherer angezeigt sind … Die Erwägung des Berufungsgerichts, § 13 Abs. 3 ALB 1957 spreche dem nicht angezeigten Widerruf die Wirksamkeit nur „gegenüber dem Versicherer“ ab und lasse dessen Wirkungen im Übrigen offen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Der Widerruf einer Bezugsberechtigung und die Bezeichnung einer anderen Person als bezugsberechtigt, die dem VR gegenüber unwirksam bleiben, lassen die Verpflichtung des VR gegenüber dem alten Bezugsberechtigten unberührt und können dem neu bezeichneten Dritten daher kein Recht gegen den Versicherer verschaffen.“239 Der Auffassung, § 332 BGB könne nur durch eine ausdrückliche Regelung und nicht 226 auch indirekt durch das Anzeigeerfordernis ausgeschlossen werden, kann nicht beigepflichtet werden, da § 332 BGB als Auslegungsvorschrift gerade nur dann eingreift, wenn die Auslegung des Vertrages einschl. AVB nichts anderes ergibt.240

227

(3) Zugang der Anzeige vor dem Tode des Versicherungsnehmers. Die Anzeige des Widerrufs muss dem VR dabei vor dem Tode der Gefahrsperson zugehen, § 130 Abs. 2 BGB ist hier nicht anwendbar.241 Denn diese Vorschrift setzt voraus, dass die Erben des VN in dem Zeitpunkt noch verfügungsberechtigt sind, in dem die Erklärung wirksam wird. Das aber ist nicht der Fall, da das Recht auf die Versicherungssumme nach dem Tode der Gefahrsperson bereits dem Bezugsberechtigten zusteht.242 § 130 Abs. 2 BGB bezweckt den Schutz des Erklärungsempfängers, der sich auf den Zugang der Willenserklärung möglicherweise schon eingerichtet hat. Ein solcher Schutzgedanke entfällt, falls sich die Willenserklärung beim Tode des Erklärenden nicht auf dem Weg zum VR befunden hat.243

237 238 239 240 241

Vgl. BGH 24.2.1999 NVersZ 1999 365 m.w.N. OLG Hamburg 27.8.2002 VersR 2003 630, 631. BGH 1.7.1981 VersR 1981 927. BGH 1.7.1981 VersR 1981 927. BGH 14.7.1993 VersR 1993 1219, 1220; BGH 10.2.1994 VersR 1994 586; BGH 24.2.1999 NVersZ 1999 365; OLG Hamm

380

242 243

14.11.1979 VersR 1980 740; OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 229; OLG Zweibrücken 31.5.2006 VersR 2007 195, 196; LG Detmold 17.2.1995 VersR 1996 615, 616; a.M. LG Freiburg 20.5.1952 VersR 1952 256. Franke VersR 1952 313. BGH 14.7.1993 VersR 1993 1219, 1220.

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Bezugsberechtigung

§ 159

dd) Ausdrücklicher und konkludenter Widerruf (1) Allgemeines. Der Widerruf kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen.244 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jede Verfügung über die Forderung, die mit der Begünstigung in Widerspruch steht, den Widerruf der Bezugsberechtigung bedeutet. So ist auch in der uneingeschränkten Abtretung und Verpfändung des Versicherungsanspruchs grundsätzlich zugleich auch ein (vollständiger) Widerruf zu sehen, nicht jedoch in der Sicherungsabtretung, bei der das Interesse des VN lediglich auf einen Vorrang des Sicherungsgläubigers vor dem Bezugsberechtigten geht.245 Ein Widerruf ist auch nicht allein in der Pfändung der Ansprüche des VN zu erblicken, soweit es hier an einer entsprechenden konkludenten Willensäußerung des VN fehlt.246 Stets anders zu sehen ist jedoch eine sich anschließende Einziehungsverfügung, auch wenn dabei nicht ausdrücklich die Begriffe „Widerruf“ oder „Bezugsberechtigung“ Verwendung finden. Hierin gelangt der Wille des Vollstreckungsgläubigers unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Bezugsberechtigung widerrufen und die Versicherungsleistung dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden soll. Die Forderung soll nicht mehr – wie bei der Pfändung – nur gesichert, sondern realisiert werden. Das kann nur geschehen, wenn die Bezugsberechtigung widerrufen wird.247 Die Einsetzung eines anderen Bezugsberechtigten beinhaltet regelmäßig den Widerruf des bisherigen Bezugsrechts. Anders verhält es sich, wenn die neue Begünstigung summenmäßig oder auf bestimmte Rechte beschränkt ist (z.B. auf die Überschussbeteiligung): Hier bleibt die alte Bezugsberechtigung bestehen und beschränkt sich auf einen Restbetrag bzw. auf die von der neuen Begünstigung nicht erfassten Rechte. Auch wenn der neue Begünstigte neben dem bisherigen bezugsberechtigt sein soll, bleibt die alte Bezugsberechtigung bestehen, allerdings mit der Maßgabe, dass nunmehr beide Bezugsberechtigte zu gleichen Teilen berechtigt sind, § 160 Abs. 1.248 Kündigt der VN den Versicherungsvertrag, so ist darin ein Widerruf der Begünstigung nur zu sehen, wenn ein Anhalt dafür gegeben ist, dass der VN den Rechtserwerb des Bezugsberechtigten beim Eintritt des Versicherungsfalles vor dem Wirksamwerden der Kündigung verhindern will.249 Die Umwandlung und Beleihung der Versicherung beinhalten nicht grundsätzlich auch den Widerruf der Bezugsberechtigung, es bleibt durchaus Raum für einen Anspruch des Bezugsberechtigten nach Eintritt des Versicherungsfalles.250 Ein konkludenter Widerruf der Bezugsberechtigung kann auch in einer Scheidungsvereinbarung gesehen werden, doch fehlt es hier häufig an einer entsprechenden Anzeige an den VR.251

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(2) Widerruf durch Abtretung. Ein Widerruf der Bezugsberechtigung könnte – aber 233 nicht stets – insbes. in der Abtretung gesehen werden.252 Dabei ist zwischen der Vollzes-

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RG 25.2.1930 RGZ 127 272; RG 25.11.1932 VA 1933 88; OLG Dresden 23.2.1940 JRPV 1940 86. BGH 18.10.1989 VersR 1989 1289; zuletzt BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346. Näheres unter § 159 Rn. 233 ff. Vgl. RG 25.2.1930 RGZ 127 269. OLG Köln 1.10.2001 VersR 2002 1544, 1545; Heilmann VersR 1972 997, 1000

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(allgemein für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse). Hasse 63. LG Stade 24.10.1953 VersR 1954 457. Hasse 63 f. OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 229; OLG Köln 17.2.1983 VersR 1983 1182. OLG Hamm 6.1.1971 VersR 1971 247; OLG München 27.12.1937 Bankarchiv 1938

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sion und der Sicherungszession zu unterscheiden. Bei der uneingeschränkten Abtretung soll dem Zessionar in aller Regel die volle Gläubigerstellung hinsichtlich der Versicherungsleistung zugewendet werden. Mit einer derartigen Rechtsstellung des Zessionars ist das Fortbestehen der Bezugsberechtigung im Allgemeinen unvereinbar. Letztlich aber kann der Widerruf natürlich nur dann mit der Abtretung verbunden sein, wenn er vom VN auch beabsichtigt wird. Bestehen hier Zweifel, so kann der Widerruf erst nach der Abtretung durch den Zessionar erfolgen;253 das Widerrufsrecht geht mit der Abtretung grundsätzlich auf den Zessionar über. Liegt der Widerruf bereits in der Abtretung, so erfolgt die notwendige Anzeige von dem Widerruf zusammen mit der Anzeige der Abtretung. Die Rückgängigmachung der Abtretung erfolgt durch eine Rückabtretung (sofern keine auflösend bedingte Abtretung vereinbart ist), an die sich die erneute Begründung eines Bezugsrechts anschließen kann. Eine Abtretung braucht jedoch nicht notwendig den gänzlichen und endgültigen 234 Widerruf der Bezugsberechtigung zu beinhalten.254 Hier ist in erster Linie an die Sicherungszession zu denken, die zumeist zur Absicherung eines Kredits erfolgt und bei der der Zessionar die Versicherungsforderung in Gestalt der Rückvergütung nur geltend machen darf, wenn der VN seine Schuld nicht vereinbarungsgemäß erfüllt. Darüber hinaus soll der Zessionar die Versicherungsforderung geltend machen können, wenn der Kreditnehmer – der VN – verstirbt und nicht mehr in der Lage ist, den Kredit anderweitig zurückzuzahlen. Der Wille des VN geht bei der Sicherungszession dahin, die Bezugsberechtigung zum einen nur in der Höhe des für die Absicherung benötigten Betrages zu widerrufen, der in der Regel nicht höher als der Wert der Rückvergütung zur Zeit der Abtretung ist. Zum anderen geht der Wille der Vertragsparteien dahin, die Bezugsberechtigung nur „für die Dauer der Abtretung“ oder „nur insoweit, als sie den Rechten des Kreditinstituts entgegensteht“ zu widerrufen.255 Mit der Rückübertragung der Rechte auf den VN soll die Bezugsberechtigung im ursprünglichen Umfange wieder aufleben, ohne dass es also der erneuten Einsetzung eines Bezugsberechtigten bedarf; der Widerruf ist somit – so die Rechtsprechung bis 1989 – nach § 158 Abs. 2 BGB auflösend bedingt, allerdings nicht durch die Erfüllung des Sicherungszweckes der Abtretung, sondern durch die Rückabtretung.256 Dabei kann man darüber unterschiedlicher Meinung sein, ob das auch gilt, wenn nicht nur ein bestimmter, sondern „alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche“ des Kreditinstituts gesichert werden sollen. Obwohl der Widerruf als Gestaltungsrecht grundsätzlich bedingungsfeindlich ist, ist er in einem solchen Falle zulässig.257 Grund der Bedingungsfeindlichkeit eines Widerrufs der Bezugsberechtigung ist das schutzwürdige Interesse des VR, Gewissheit über die Wirksamkeit der Erklärung zu

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758–760; Fromm 18; Gittermann 64 f.; Hasse 64; Heilmann ZfV 1951 465; Koerner 124; Kühlmorgen 91 f.; vgl. auch Borgmann Die Lebensversicherung zugunsten Dritter als Kreditmittel, insbesondere der Widerruf des Bezugsberechtigten (Diss. Köln 1935) 16 ff.; zurückhaltend BGH 18.10.1989 VersR 1989 1289, 1290; BGH 3.3.1993 VersR 1993 553, 555 und Bayer VersR 1989 17, 18. RG 12.1.1937 RGZ 153 226; BGH 18.10.1989 VersR 1989 1289, 1290. BGH 18.10.1989 VersR 1989 1289, 1290; OLG Köln 18.11.2008 VersR 2009 621, 622.

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OLG Hamm 6.1.1971 VersR 1971 246; OLG Stuttgart 20.5.1981 VersR 1982 797 f.; vgl. auch Römer/Langheid/Römer § 159 Rn. 24. OLG Hamburg 21.6.1988 VersR 1989 389, 390. OLG Bremen 11.11.1958 VersR 1959 689 zur Bedingungsfeindlichkeit des Widerrufs, im Übrigen OLG Frankfurt 21.9.1983 VersR 1984 755 zu einem Widerruf „für die Dauer der Abtretung“; vgl. auch OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378, 1379.

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Bezugsberechtigung

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erlangen. Der VR, der über die Rückübertragung der Versicherungsforderung unterrichtet wird und damit auch Kenntnis von dem Wiederaufleben der Bezugsberechtigung hat, ist jedoch ausreichend geschützt, zumal wenn man auch an die Möglichkeit der entsprechenden Anwendung der §§ 407–409 BGB und an die Funktion der Inhaberklausel denkt.258 Voraussetzung für das Wiederaufleben der Bezugsberechtigung ist allerdings, dass die auflösende Bedingung eintritt bzw. die Rückabtretung erfolgt, bevor der Tod der Gefahrsperson eintritt: „Ein Erwerb der Bezugsberechtigung nach dem Versicherungsfall ist begrifflich ausgeschlossen, da ein Bezugsrecht als Anwartschaft auf die Versicherungsansprüche voraussetzt, dass der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Nach dem Versicherungsfall kann daher ein Bezugsrecht auch nicht mehr nach § 166 Abs. 2 (nunmehr: § 159 Abs. 2) VVG zum Anspruch auf die Versicherungsleistung erstarken“.259 Seit 1989 wird der formularmäßige Widerruf eines Bezugsrechts bei einer Sicherungs- 235 abtretung – soweit es den Rechten des Kreditgebers „entgegensteht“ – nach allgemeiner Auffassung dahin verstanden, dass etwaige Bezugsrechte im Rang hinter dem vereinbarten Sicherungszweck zurücktreten sollen; das gleiche gilt jedenfalls soweit, wie der Sicherungszweck inhaltlich klar festliegt und der Höhe nach bestimmbar ist.260 Diese Konstruktion, die durch die Gestaltungsfreiheit im Zusammenhang mit der Bezugsberechtigung ermöglicht wird, ist flexibler und wird den Interessen der Beteiligten besser gerecht. Sie hat grundsätzlich Anwendung zu finden. Tritt das Bezugsrecht in einem bestimmten Umfang hinter die Rechte des Sicherungsnehmers zurück, so bleibt es im Übrigen voll wirksam.261 Dabei kann der VN das Bezugsrecht nicht nur nachträglich, sondern auch „bei Abschluss des Versicherungsvertrages“ so ausgestalten, dass es von vornherein gegenüber einer schon erfolgten oder noch vorzunehmenden Sicherungsabtretung nachrangig ist. Entscheidend ist dafür, ob die dem VR gegenüber abgegebenen Erklärungen des VN über die Begründung des Bezugsrechts usw. in dieser Weise auszulegen sind. Ist ein solcher Fall gegeben, bedarf es bei der nachfolgenden Sicherungsabtretung zur Begründung des Vorrangs des Sicherungsnehmers keines Widerrufs des Bezugsrechts mehr. Dabei kann u.U. auch davon ausgegangen werden, dass die erforderliche Abtretungsanzeige bereits im Versicherungsvertrag enthalten ist und mit dessen Zugang beim VR erfolgt ist. Geht die Abtretungsanzeige auf diese Weise der Abtretung voraus, wird die Abtretung gleichwohl erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem beide Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen 262 – ein solcher Verzicht auf die nachträgliche Anzeige ist nicht unproblematisch, die Anzeigeobliegenheit des VN, wie sie sich in den Bedingungswerken findet und wie sie bislang verstanden wird, kann damit ihre Funktion einbüßen. Tritt das Bezugsrecht hinter die Rechte des Sicherungsnehmers zurück, erwirbt der Bezugsberechtigte beim Tode des VN den Anspruch auf die Versicherungsleistung, soweit er die gesicherte Forderung übersteigt, unmittelbar ohne weitere Rechtshandlung

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Hasse 64 f. OLG Frankfurt 21.9.1983 VersR 1984 755; vgl. auch BGH 19.22.2985 VersR 1986 231. Vgl. BGH 18.10.1989 VersR 1989 1289, 1290; BGH 3.3.1993 VersR 1993 553; BGH 8.5.1996 VersR 1996 877; BGH 25.4.2001 VersR 2001 883, 884; BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94; BGH 27.10.2010 VersR 2010 1630; BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346; OLG Bamberg 9.2.2006 VersR

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2006 1389; OLG Düsseldorf 3.12.1996 (4 U 158/95); OLG Koblenz 1.2.2007 VersR 2007 1258, 1259. Zur Abtretung im Einzelnen unten § 159 Rn. 293 f.; 314 ff.; 328 ff.; 383 ff. Zweifel zum Vorrang der Sicherungsabrede gehen zulasten des Zessionars (OLG Hamm 1.4.2009 VersR 2010 57, 58). BGH 25.4.2011 VersR 2001 883, 885.

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des Sicherungsnehmers.263 Die Bezugsrechtsbestimmung steht auch in der Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalles im Rang hinter den Rechten des Sicherungsnehmers zurück.264 Die Bezugsberechtigung bleibt aufrechterhalten, wenn der Kredit erst nach dem Ein236 tritt des Versicherungsfalles zurückgeführt wird.265 Wenn zur Zeit des Versicherungsfalles auch weiterhin ein Sicherungsbedürfnis des Kreditinstituts besteht, wird die Bank oder Sparkasse insoweit Inhaberin des Anspruchs auf die Lebensversicherungssumme. Soll der Verwertungsüberschuss der Bank – der sich erst nach dem Tode der Gefahrsperson herausstellt – von dem Kreditinstitut an den Bezugsberechtigten herausgegeben werden, so wird das nach dem OLG Oldenburg dadurch erleichtert, dass zwischen dem VN und dem Zessionar eine entsprechende Zahlungspflicht vereinbart wird. Damit wird der ursprüngliche Vertrag zugunsten Dritter mit dem VR – so jedenfalls das OLG Oldenburg – ersetzt, die „zunächst gescheiterte Drittbegünstigung“ werde durch eine weitere Drittbegünstigungsklausel im Sicherungsvertrag gerettet“.266 Eine solche Klausel ist jedoch in der Regel nicht erforderlich, eine interessengerechte Auslegung gelangt zu dem gleichen Ergebnis.267 Der VR, dem die Höhe des besicherten Anspruchs nicht immer bekannt ist, tragt das Risiko der richtigen Erfüllung (§ 362 BGB), er kann u.U. hinterlegen (§ 372 BGB).268

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(3) Widerruf durch Verpfändung. Ebenso wie die Abtretung beinhaltet regelmäßig auch die Verpfändung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag den Widerruf der Bezugsberechtigung.269 Der mit der Verpfändung einhergehende Sicherungszweck macht es erforderlich, dass sich der Pfandgläubiger notfalls an den Anspruch auf die Versicherungsleistung halten kann. Weil dem Pfandgläubiger das Widerrufsrecht vor dem Eintritt der Pfandreife aber nicht zusteht, bestände für ihn die Gefahr, dass er mit dem Eintritt des Versicherungsfalles seine Sicherheit verliert. Der wirtschaftliche Zweck der Verpfändung erfordert es somit, dass die Verpfändung zugleich auch den Widerruf der bestehenden Bezugsberechtigung beinhaltet. Dieser in der Verpfändung enthaltene Widerruf muss dem VR nach § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw. zur Kenntnis gebracht werden, was durch die Anzeige der Verpfändung geschieht. Auch bei der Verpfändung wird die Bezugsberechtigung nur soweit widerrufen, wie es 238 zur Absicherung des Pfandgläubigers notwendig ist, auch hier ist der Widerruf durch den Fortfall des Pfandrechts auflösend bedingt und lässt die Bezugsberechtigung soweit unberührt, wie die Versicherungssumme die gesicherte Forderung übersteigt.270

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BGH 12.12.2001 VersR 2002 218, 219. BGH 27.10.2010 VersR 2010 1630, 1631; BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346. BGH 27.10.2010 VersR 2010 1630; anders wohl OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378, 1379. Bayer Anm. zu OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1379, 1380. Vgl. dazu im Einzelnen § 159 Rn. 388 ff. Vgl. Rn. 388; BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346.

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Vgl. BGH 27.10.2010 VersR 2010 1630. OLG Dresden 23.2.1940 JRPV 1940 184; OLG München 28.2.1964 BB 1964 990; Gittermann 69 ff.; Hasse 65; Knoch 64; Koerner 131; Kühlmorgen 134. Gittermann 73; Hasse 65; Koerner 131; Kühlmorgen 134; vgl. auch OLG Hamm 30.4.1935 JW 1935 2910–2911; zur Verwertung einer verpfändeten Rückdeckungsversicherung mit widerruflichem Bezugsrecht vgl. BGH 7.4.2005 VersR 2005 923.

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Bezugsberechtigung

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ee) Schriftform. Die Schriftform für die Anzeige des Widerrufs ergibt sich aus § 13 (4) 239 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke.271 ff) Widerrufsverzicht. Der VN kann dem widerruflich Bezugsberechtigten gegenüber 240 auf sein Widerrufsrecht verzichten, damit wird der Versicherungsvertrag jedoch nicht abgeändert. Der Widerrufsverzicht bindet in einem solchen Falle lediglich den VN dem Bezugsberechtigten gegenüber sein an sich bestehendes Widerrufsrecht nicht auszuüben.272 Eine Abänderung des Versicherungsvertrages wird nur dadurch erreicht, dass der VN mit dem VR vereinbart, dass er von seinem Widerrufsrecht künftig keinen Gebrauch machen werde.273 gg) Erlöschen des Widerrufsrechts. Das Widerrufsrecht erlischt mit dem Eintritt des 241 Versicherungsfalles.274 Ist das Widerrufsrecht erloschen, so kann z.B. durch die Erben des VN ein Rückabwicklungsanspruch geltend gemacht werden, wenn es an dem erforderlichen Valutaverhältnis fehlt. c) Rechtliche Stellung des Versicherungsnehmers nach dem Eintritt des Versiche- 242 rungsfalles. Mit dem Eintritt des Versicherungsfalles wandelt sich die Anwartschaft des Bezugsberechtigten in ein dem Grundsatze nach nicht entziehbares Recht des VN auf die Versicherungsleistung. Den Erben des VN ist es nicht möglich, über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen. Sie können das Widerrufsrecht des VN nicht mehr ausüben, da es mit dem Versicherungsfall erloschen ist. Abgesehen vom Recht auf die Versicherungsleistung sind sie Träger der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag. 2. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung Der VN bleibt zwar Träger sämtlicher Haupt- und Nebenpflichten/Obliegenheiten 243 aus dem Versicherungsvertrage, er ist auch weiterhin Erklärungsempfänger für sämtliche Erklärungen des VR, im Übrigen aber wird seine Rechtsstellung durch die Einsetzung eines unwiderruflich Bezugsberechtigten ganz wesentlich beeinträchtigt. Hat dabei ein Arbeitgeber (VN) seinem Arbeitnehmer ein mit Vorbehalten verbundenes Bezugsrecht unwiderruflich eingeräumt und können diese Vorbehalte nicht mehr umgesetzt werden, so hat in der Insolvenz des Arbeitgebers der eingeschränkt unwiderruflich Bezugsberechtigte Arbeitnehmer die gleiche Stellung wie ein uneingeschränkt unwiderruflich Bezugsberechtigter.275 Dem VN als Vertragspartei bleiben jedoch die Gestaltungsrechte: Er hat auch weiter- 244 hin das Kündigungs-, Umwandlungs- und Beleihungsrecht.276 Das hat zur Folge, dass der VN trotz der Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung in der Lage ist, durch Kündigung oder Umwandlung das Versicherungsverhältnis aufzulösen oder zu reduzieren. Will der VN die Bezugsberechtigung widerrufen oder ändern, so ist das nur mit 245 Zustimmung des Bezugsberechtigten möglich (§ 13 (2) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw.). 271 272 273 274

OLG Köln 17.2.1983 VersR 1983 1182. OLG Düsseldorf 12.12.1961 VersR 1962 655–656. Kühlmorgen 92 ff. BGH 30.11.1994 VersR 1995 282, 284.

275 276

BAG 26.6.1990 VersR 1991 211, 212. RG 9.3.1937 RGZ 154 159; BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167; BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022; Fromm 13; Hasse 54; Koerner 40; Kühlmorgen 70.

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3. Besonderheiten bei der geteilten Bezugsberechtigung

246

a) Widerrufliche Bezugsberechtigung. Hier ist insbes. beim konkludenten Widerruf zwischen den beiden Formen der Begünstigung auf den Erlebensfall und auf den Todesfall zu unterscheiden. Benennt der VN einen anderen Dritten als Bezugsberechtigten für den Erlebensfall, so liegt darin nicht auch zugleich ein Widerruf der auf den Todesfall beschränkten Begünstigung. Ein Widerruf der Begünstigung ist nur insoweit erfolgt, wie sie mit der neuen Bezugsberechtigung im Widerspruch steht. Erlebt der VN bei der gemischten Lebensversicherung das vertraglich festgesetzte 247 Alter, so kann die Anwartschaft des Dritten nicht mehr zum Vollrecht erstarken, sie erlischt. b) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung

248

aa) Vor Eintritt des Versicherungsfalles. Der hinsichtlich der Todesfallleistung unwiderruflich Bezugsberechtigte erlangt zwar sofort ein Recht auf sämtliche Leistungen des VR, sein Recht ist jedoch durch den Eintritt des Erlebensfalles auflösend bedingt. Kündigt der VN den Vertrag, so kann die Fälligkeit der Versicherungsleistung durch Erleben des Stichtages nicht mehr eintreten, die fällig werdende Rückvergütung steht dem Bezugsberechtigten uneingeschränkt zu. Die Besonderheit der gemischten Versicherung mit geteilter Anspruchsberechtigung besteht darin, dass der VN bei Erreichung des vertraglich vereinbarten Stichtages den Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, sie im Übrigen jedoch gänzlich dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zusteht.277 Hinsichtlich der Gestaltungsrechte bleibt es bei der geteilten Bezugsberechtigung bei 249 dem oben zum Verhältnis von VN und unwiderruflich Begünstigten Gesagtem (vgl. oben Rn. 245). Dem VN steht es jedoch frei, für den Erlebensfall einen anderen Bezugsberechtigten zu benennen.278

250

bb) Nach Eintritt des Versicherungsfalles. Tritt der Erlebensfall ein, so enden nach § 158 Abs. 2 BGB sämtliche Rechtswirkungen aus der Todesfallversicherung, die Versicherungsansprüche fallen grundsätzlich dem VN zu.279 Wenn der VN vor dem vertraglich festgelegtem Termin stirbt, so stehen sämtliche 251 Versicherungsansprüche dem unwiderruflich Bezugsberechtigtem zu.

IX. Beziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Bezugsberechtigten 1. Bedeutung des Valutaverhältnisses

252

Soll der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung endgültig und nicht nach § 812 BGB kondizierbar erwerben, so bedarf es eines den Lebensversicherungsvertrag mit seiner Begünstigung im Valutaverhältnis rechtfertigenden Rechtsgrundes.280 Das gilt sowohl für die widerrufliche wie für die unwiderrufliche Begünstigung.

277

BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167; LG Frankfurt 7.11.1956 VersR 1957 211; Hasse 76 f.; Niewisch HansRGZ 1938 Sp. 49–50; Wussow NJW 1964 1261; a.M. Koerner 43 f.; von Laun 72.

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278 279 280

Hasse 77 f. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 166; Hasse 78; Niewisch HansRGZ 1938 A Sp. 43. BGH 25.4.1975 VersR 1975 706 ff.; BGH 24.3.1982 VersR 1982 667; BGH 1.4.1987

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Bezugsberechtigung

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Der Auffassung von Harder,281 die Drittbegünstigung sei eine einseitige Zuwendung 253 von Todes wegen besonderer Art, die nicht nur den Rechtserwerb herbeiführt, sondern ihn – ähnlich einem Vermächtnis – auch kausal rechtfertigt, kann nicht beigepflichtet werden, da die Drittbegünstigung in der Lebensversicherung nicht dem Erbrecht zuzuordnen ist.282 Die Konstruktion widerspricht zudem dem Formzwang und der abschließenden Regelung des Erbrechts. 2. Rechtsgrund a) Unterhaltsverpflichtung. Bei einem Großteil der Lebensversicherungsverträge – 254 insbesondere bei den wegen ihrer causa umstrittenen Verträgen auf den Todesfall des VN – liegt der Rechtsgrund im Unterhaltsrecht. Das gilt nicht nur für die Begünstigung des Ehepartners, sondern auch für ein Bezugsrecht der Kinder des VN und sonstiger Unterhaltsberechtigter. Für den bezugsberechtigten Ehepartner ist angesichts der auf Lebenszeit angelegten ehelichen Gemeinschaft von einer ebenso auf Lebenszeit angelegten gegenseitigen Unterhalts- und Vorsorgepflicht auszugehen, die beim Tode des Ehepartners fälligen Versicherungssummen sind dazu bestimmt, der Unterhaltssicherung und der Altersversorgung des anderen Ehepartners zu dienen, auch ohne dass sich die Eheleute des Zwecks der Absicherung „aktuell bewusst oder hierüber ausdrücklich einig geworden“ sein müssen.283 In Übereinstimmung damit hat der BGH schon zuvor „den erwerbstätigen Ehegatten, im Allgemeinen also den Ehemann, für verpflichtet gehalten, nicht nur für den gegenwärtigen, sondern entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des zukünftigen Unterhalts des anderen Ehegatten (regelmäßig der Ehefrau) zu sorgen; die Grundlage für diese während der gesamten Ehezeit fortlaufend bestehende Verpflichtung hat der Bundesgerichtshof in der ehelichen Unterhaltspflicht gesehen“.284 Nicht nur im Hinblick auf den Ehepartner, sondern auch hinsichtlich der Kinder und auch sonstiger Angehöriger, denen gegenüber der VN zum Unterhalt verpflichtet ist, hat der erwerbstätige VN nach seinen Möglichkeiten für die dauernde Sicherung des Unterhalts zu sorgen. Das gilt auch für eine über seinen Tod hinausreichende Vorsorge, es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht des VN als seine höchstpersönliche Verpflichtung grundsätzlich mit seinem Tode endet.285 Zwar ist der erwerbstätige Ehepartner unterhaltsrechtlich nicht verpflichtet, für seinen Ehepartner einen konkreten privaten Lebensversicherungsvertrag abzuschließen – ebenso wie auch der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet ist, für seinen Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung einzurichten; kommt es für den Arbeitnehmer jedoch zu einer Einbeziehung und Pensionszahlungen, so ist das nicht als Schenkung des Arbeitgebers, sondern als Entgelt für seine geleistete Tätigkeit zu sehen, die Versorgung untersteht dem BetrAVG mit seinen unterschiedlichen Verpflichtungen, auch zur Entgeltumwandlung (§ 1 BetrAVG). Ebenso kann auch ein Lebensversicherungsvertrag, den der erwerbstätige Ehepartner im Bewusstsein seiner Vorsorgepflicht für seine Familie abgeschlossen hat, nicht als Schenkung gesehen werden.286 Soweit der

281

VersR 1987 660; BGH 30.11.1994 VersR 1995 282, 283; BGH 21.5.2008 VersR 2008 1054, 1055; Finger VersR 1986 508 ff.; ders. WRP 1981/1 9 ff.; Hasse VersR 2008 590, 592 ff.; Heilmann VersR 1980 516 ff. jeweils m.w.N. Harder FamRZ 1976 426 ff.

282 283 284 285 286

Vgl. oben Rn. 101, 188 ff. BGH 21.3.1979 BGHZ 74 45, 46. BGH 21.3.1979 BGHZ 74 45, 46; vgl. im Übrigen ausführlich oben Rn. 191. BGH 11.11.1981 WM 1982 101. OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378, 1379; Bruck/Möller/Winter 8 Anm.

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Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages von der Unterhaltspflicht des VN gedeckt ist, bedarf es eines anderen, vertraglichen Rechtsgrundes nicht. Insbesondere bedarf es dafür auch nicht – anders als es im Schrifttum ganz allgemein gesehen wird – eines anderen, vertraglichen Rechtsgrundes wie eines Schenkungsvertrages. Der gewöhnliche, der Vorsorge für die Angehörigen dienende Lebensversicherungsvertrag ist damit nicht nur als Vertrag unter Lebenden, sondern auch als bereicherungsfest anzusehen.287

255

b) Darlehensvertrag, Arbeitsvertrag und andere Kausalgeschäfte. Soweit ein Kreditinstitut oder ein anderer Gläubiger des VN entsprechend dem zwischen den Parteien vereinbarten Darlehensvertrage in dem Versicherungsvertrag als Bezugsberechtigter eingesetzt wird, besteht gleichfalls kein Zweifel, dass ein wirksamer Rechtsgrund für die Einräumung eines Bezugsrechts besteht. Ebenso verhält es sich bei einem Versicherungsvertrag, den z.B. der Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer als Begünstigten abgeschlossen hat und bei dem sich der Rechtsgrund aus dem Arbeitsvertrag ergibt.288 In allen Verträgen dieser Art ist davon auszugehen, dass der Lebensversicherungsvertrag mit einer Drittbegünstigung auf einem zwischen dem VN und dem Begünstigten bestehenden Vertrage beruht, der zugleich die causa für die Bezugsberechtigung darstellt.289 c) Schenkung

256

aa) Ausgangssituation. Soweit ein Lebensversicherungsvertrag mit Drittbegünstigung nicht im Rahmen der Vorsorgepflicht, aus Gründen eines Darlehensvertrages usw. abgeschlossen wird, kann ihm eine Schenkung zugrunde liegen. Ohne die Einhaltung der Form nach § 518 Abs. 1 BGB – die in der Praxis regelmäßig nicht gegeben ist – ist eine derartige Schenkung nach § 518 Abs. 2 BGB wirksam, wenn sie vollzogen wurde. Der Vollzug der Schenkung erfolgt bei der widerruflichen Bezugsberechtigung dadurch, dass der Begünstigte den Anspruch auf die Versicherungssumme erhält, die Schenkung ist bei einer Todesfallversicherung also mit dem Eintritt des Versicherungsfalles vollzogen. Auch bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung ist angesichts des jederzeitigen Kündigungsrechts des VN nach § 168 erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles von einer vollzogenen Schenkung in voller Höhe auszugehen, zuvor hat der Bezugsberechtigte beim Rückkauf nur einen Anspruch auf das Deckungskapital. Voraussetzung einer derartigen Schenkung ist jedoch der Abschluss eines entsprechenden Schenkungsvertrages. Er kann ausdrücklich oder konkludent geschlossen werden. Hat der VN den Begünstigten noch zu Lebzeiten von der beabsichtigten Schenkung unterrichtet und haben sich damit VN

287

H 132; ders. ZVersWiss 1991 209; Bayer 319 ff.; Scherer 166 ff., 183 f.; Sieg ZVersWiss 1995 697, 699; ders. ZVersWiss 1974 97 ff.; wohl auch Benkel/Hirschberg/Benkel § 13 ALB 2008 Rn. 116 und Bork FS Kollhosser, Bd. 1, S. 57, 49; a.M. zuletzt BGH 25.5.2008 VersR 2008 1054, 1055; Hasse VersR 2009 41, 45. Bayer sieht in den Bemühungen, auf der Grundlage eines Schenkungsvertrages eine kondiktionsfeste Anspruchsanwendung zu konstruieren, zu Recht ein „abschreckendes Beispiel einer Konstruktionsjurisprudenz“, Bayer 332.

388

288

289

Vgl. RG 26.1.1938 JRPV 1938 117 ff.; BAG 29.7.1967 BB 1967 2426 f. (allerdings nicht für die Einräumung einer Bezugsberechtigung, sondern für eine Abtretung); KG 8.7.1936 JRPV 1937 75 ff.; Winter in Life Insurance Law in International Perspective (1969), S. 219 ff. Vgl. auch BGH 1.4.1987 VersR 1987 660; BGH 8.7.1982 BGHZ 84 364 f., wo auch die sog. unbenannte Zuwendung unter Ehegatten nicht dem Schenkungsrecht unterstellt, sondern vielmehr als ehebezogenes Geschäft eigener Art, das gleichfalls als causa infrage kommt, aufgefasst wird.

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Bezugsberechtigung

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und Bezugsberechtigter über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung geeinigt, so ist damit eine rechtswirksame causa für die Bezugsrechtseinräumung geschaffen. Auf den Zugang einer Annahmeerklärung durch den Bezugsberechtigten wird durch den VN in der Regel konkludent verzichtet, so dass der Begünstigte das Angebot konkludent nach § 151 BGB annehmen kann. bb) Rechtliche Konstruktion im Übrigen. Nur wenn der Begünstigte von dem VN 257 über die von ihm zu seinen Gunsten abgeschlossene Lebensversicherung zu Lebzeiten des VN nicht unterrichtet worden ist, kommt es zu den im Schrifttum diskutierten Schwierigkeiten bei der Konstruktion eines wirksamen Schenkungsvertrages im Sinne einer causa für die Einsetzung eines Bezugsberechtigten und u.U. zu dem Wettlauf zwischen den Erben des VN und dem Begünstigten. Das gilt nicht nur für eine reine Todesfalllebensversicherung und für die gemischte Lebensversicherung, die partiell auch auf den Todesfall ausgerichtet ist. Von Bedeutung ist es auch für die Rentenversicherung mit Todesfallbegünstigung, die seit Einführung der Riester- und Rürup-Verträge in der Praxis an Bedeutung gewonnen hat. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine widerrufliche oder unwiderrufliche Begünstigung handelt. Im Wesentlichen haben sich zwei Wege für die Konstruktion eines Schenkungsvertrages herausgebildet: (1) Schenkungsvertrag mit Hilfe einer postmortalen Einigung (a) Linie der vertraglichen Konstruktion. Haben VN (Schenker) und Bezugsberech- 258 tigter (Beschenkter) keine lebzeitige Einigung getroffen, würde der Begünstigte mit dem Tode des VN zwar einen Anspruch auf die Versicherungssumme erhalten, die Erben des VN wären jedoch berechtigt, von dem Bezugsberechtigten die Versicherungsleistung bzw. den Versicherungsanspruch wieder herauszuverlangen, §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 1 BGB;290 ist die Versicherungssumme vom VR hinterlegt worden, so hat der wirkliche Rechtsinhaber einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Einwilligung in die Herausgabe, da der Bezugsberechtigte auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stellung eines Hinterlegungsberechtigten erlangt hat.291 Eine postmortale Einigung zwischen dem VN und dem Bezugsberechtigten, wie sie die h.M.292 vertritt und wie sie zur Schaffung eines Schenkungsvertrages und damit zu einem Rechtsgrund im Valutaverhältnis führt, soll in der Weise zustande kommen, dass der VN mit der Bezugsrechtseinräumung ein Schenkungsangebot macht, das der VR nach dem Tode des VN an den Bezugsberechtigten weiterleiten soll, vgl. § 130 Abs. 2 BGB. Die Bezugsrechtseinräumung ist nach dem BGH als konkludenter Auftrag an den LebensVR zu verstehen, dem Bezugsberechtigten nach Eintritt des Todes des VN das Schenkungsangebot des VN zu überbringen. Ein in dieser Form mit einem Botendienst betrauter VR kann den Auftrag durch Auszahlung der Versicherungssumme an den Bezugsberechtigten ausführen, da hierin konkludent das Schenkungsangebot des nunmehr verstorbenen VN zum Ausdruck ge-

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291 292

Z.B. BGB 21.5.2008 VersR 2008 1054, 1055; OLG Hamm 3.12.2004 VersR 2005 819. BGH 15.10.1999 NJW 2000 291; BGH 21.5.2008 VersR 2008 1054, 1055. RG 25.3.1930 RGZ 125 187, 189 ff.; BGH 29.1.1964 BGHZ 41 95; BGH 9.1.1966 NJW 1967 101, 102; BGH 30.10.1974 NJW 1975 382, 383; BGH 21.5.2008 VersR 2008

1054, 1055 f.; OLG Hamm 3.12.2004 VersR 2005 819; Kämper Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall unter besonderer Berücksichtigung des Valutaverhältnisses (Diss. Köln 1964) 71 ff.; Thiele S. 96 f.; Palandt/Grünberg § 331 Rn. 5; Müko-BGB/Gottwald § 331 Rn. 9; Armbrüster Liber amicorum Gerrit Winter 519, 539 f.

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langt. Die konkludente Annahme des Schenkungsangebots kann sodann durch den Begünstigten in der Weise erfolgen, dass die Versicherungssumme angenommen wird. Ein Zugang der Annahmeerklärung bei den Erben ist nach § 151 BGB entbehrlich.293 Will der Erbe das Zustandekommen der postmortalen Einigung verhindern, um einen Bereicherungsanspruch gegenüber dem Bezugsberechtigten geltend machen zu können, wird er bemüht sein, die Schenkungsofferte nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB zu widerrufen, bevor sie dem Bezugsberechtigten zugeht. Darüber hinaus kann er als Alternative einen etwaigen Übermittlungsauftrag gegenüber dem VR widerrufen, § 671 Abs. 1 BGB. Auf diese Weise kann er verhindern, dass es durch die postmortale Schenkungsannahme des Bezugsberechtigten zum Abschluss eines Schenkungsvertrages kommt, wie es nach § 153 BGB möglich wäre.

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(b) Anwendungsbereich. Zu einem Widerruf der Schenkungsofferte durch den Erben kann es kommen, wenn der VN beispielsweise mit Hilfe der Bezugsberechtigung die gesetzliche Erbregelung korrigieren wollte oder wenn sich z.B. die Ehefrau des VN von ihm trennen wollte und der VN mit der Bezugsberechtigten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebte.294 Sollen einzelne Erben für ihre besondere Zuwendung belohnt werden, soll bei der Behinderung eines Abkömmlings eine finanzielle Bevorzugung sichergestellt werden oder sollen unterschiedliche Ausbildungen der Kinder des VN ausgeglichen werden, so bietet sich dafür nicht nur eine testamentarische Regelung, sondern auch die Berücksichtigung in einer Bezugsberechtigung an, soweit ein Lebensversicherungsvertrag unterhalten worden ist. Stimmen die Vorstellungen der Erben nicht mit denen des Erblassers überein, so kann es leicht zu einem Korrekturversuch kommen. Geht der Widerruf der Schenkungsofferte von einem Alleinerben aus, so bietet die sofortige Ausübung des Rechts keine Schwierigkeiten. Ist eine Erbengemeinschaft gegeben, so ist grundsätzlich die Mehrheit der Erben (§ 2040 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 745 BGB),295 bei der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses ist nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen zum Widerruf befugt.296 Ist eine Testamentsvollstreckung angeordnet, ist allein der Testamentsvollstrecker zum Widerruf berechtigt (§ 2205 Satz 1 BGB). Sind nicht sämtliche Miterben durch die Lebensversicherung begünstigt worden, ist der Testamentsvollstrecker zum Widerruf der Schenkungsofferte des Erblassers verpflichtet, da der auf die Versicherungssumme gerichtete Bereicherungsanspruch zu einer Vermehrung des Nachlasses führt und der Wille des VN insoweit zurücktritt.297 Darüber hinaus ist bei einer Nachlassinsolvenz auch der Insolvenzverwalter zum Widerruf der Schenkungsofferte nicht nur befugt, er ist sogar verpflichtet, einen rechtsgrundlosen Rechtserwerb des Bezugsberechtigten rückgängig zu machen (§§ 35, 148 Abs. 1, 159 InsO).298 Zu Recht weist Hasse darauf hin, dass angesichts des durch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge geschaffenen Vollstreckungsschutzes bei der Hinterbliebenenabsicherung nicht jeder Widerruf und damit Zugriff eines Erben zulässig ist,299 soweit sich das Valutaverhältnis in solchen Fällen nicht ohnehin aus der Verpflichtung zu einem Vorsorgeunterhalt herleiten lässt: Hier scheidet die kondiktionsrechtliche Problematik aus.

293 294 295 296

BGH 21.5.2008 VersR 2008 1054, 1055. Vgl. BGH 21.5.2008 VersR 2008 1054. Hasse VersR 2008 590, 593 Fn. 31. Hasse VersR 2008 590, 593 Fn. 31.

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297 298 299

Hasse VersR 2008 590, 593 Fn. 31. Hasse VersR 2008 590, 593 Fn. 31. Hasse VersR 2008 594.

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(c) Anwendbarkeit des § 130 Abs. 2 BGB. Die Berufung auf § 130 Abs. 2 BGB wird 260 als problematisch empfunden, weil diese Vorschrift keine Anwendung finden dürfe, um bewusst das postmortale Zugehen einer Willenserklärung – nämlich der Schenkungsofferte – rechtlich wirksam werden zu lassen.300 Aus der Vorschrift des § 130 Abs. 2 BGB ergibt sich nicht, dass sie nicht greife, wenn eine Offerte planvoll angehalten wird. Eine solche Vorgehensweise wird vom Wortlaut der Bestimmung umfasst. Eine Eingrenzung der Vorschrift auf die Fälle eines zufälligen und nicht auf längere Zeit verschobenen postmortalen Zugangs würde zu Unsicherheiten führen, die durch § 130 Abs. 2 BGB gerade vermieden werden sollen. Auch hätte der Schenker beabsichtigen können, den Bezugsberechtigten bei passender Gelegenheit von der Schenkung selbst zu unterrichten, auch wenn es angesichts seines Todes dazu nicht mehr gekommen war.301 Es bestehen keine Zweifel daran, dass nach §153 BGB ein – wie in diesen Fällen – lebzeitig lediglich vorbereiteter Abschluss eines Schenkungsvertrages nach dem Tode des VN durch eine postmortale Annahmeerklärung des Beschenkten noch wirksam zustande kommen kann.302 (d) Keine unzulässige Umgehung des § 2301 BGB. Ein postmortales Zustandekom- 261 men des Schenkungsvertrages könnte eine Umgehung der erbrechtlichen Formvorschriften des § 2301 BGB beinhalten. Das kann sich allerdings nur auf die widerrufliche Bezugsberechtigung beziehen. Denn die unwiderrufliche Bezugsberechtigung zeichnet sich durch einen sofortigen, lebzeitigen Anspruchserwerb des Begünstigten im Deckungsverhältnis aus und damit durch einen sofortigen Schenkungsvollzug i.S.d. § 2301 Abs. 2 BGB. Die unwiderrufliche Bezugsberechtigung beruht daher auch nicht auf einer unter einer Überlebensbedingung stehenden Versprechensschenkung im Valutaverhältnis, so dass § 2301 Abs. 1 BGB keine Anwendung findet. Im Übrigen bedarf es der erbrechtlichen Formvorschriften bei Lebensversicherungsverträgen ohnehin ganz generell nicht. Diese Vorschriften dienen in erster Linie der Beweissicherung für den Willen des Erblassers, hinsichtlich der Schenkung des Versicherungsanspruchs aber steht der VR als neutraler Zeuge zur Verfügung. Was den Übereilungsschutz des § 2301 BGB anbelangt, so soll der Erblasser deswegen geschützt werden, weil er durch den Abschluss eines Erbvertrages in seinem Recht, über sein Vermögen zu verfügen, erheblich eingeschränkt wird. Zu einer solchen Bindungswirkung kommt es jedoch bei einem Lebensversicherungsvertrag mit widerruflicher Bezugsberechtigung gerade nicht: Die Befugnis, über sein Vermögen frei zu verfügen, bleibt ihm bei der widerruflichen Begünstigung erhalten.303 Weiterer Überlegungen dazu, inwieweit § 2301 BGB mit Blick auf § 331 Abs. 1 BGB sowie § 159 Abs. 2 ohnehin restriktiv auszulegen ist,304 bedarf es nicht, auch nicht dazu, wieweit die gewohnheitsrechtliche Privilegierung der Lebensversicherung reicht. (e) Schadenersatzpflicht des Versicherers? Kommt es zu einem Widerruf der Schen- 262 kungsofferte durch die Erben und hat der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungssumme herauszugeben, so stellt sich u.U. die Frage, ob sich der VR bei nicht rechtzeitiger Übermittlung des Angebots gegenüber dem Begünstigten schadenersatzpflichtig macht.305 In diesem Zusammenhang ergibt sich eine deutliche Schwäche der

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Harder 150; Finger 101 f.; Janko Die bewusste Zugangsverzögerung auf den Todesfall (2000), 117 ff., 137 f.; a.A. RG 8.2.1943 RGZ 170 380, 384; BGH 30.10.1974 NJW 1975 382, 383; BGH 21.5.2008 VersR 2008 1054, 1055.

301 302 303 304 305

Thiele 98; Hasse 156; ders. VersR 2008 590, 607. BGH 21.5.2008 VersR 2008 1054, 1055. Hasse VersR 2008 590, 608. Thiele 78 ff.; Hasse 157 ff. Ausführlich Hasse VersR 2009 41, 44 f.

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vertraglichen Konstruktion einer postmortalen Einigung: Zu einem Schadenersatzanspruch des Bezugsberechtigten gegen den VR kann es nur kommen, wenn den VR eine – nach Eintritt des Versicherungsfalles unverzüglich vorzunehmende – Pflicht trifft, die Offerte an den Bezugsberechtigten zu übermitteln. Eine derartige Übermittlungspflicht allein aus dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages herzuleiten, dürfte zu weit gehen, zumal den VR nicht nur Pflichten gegenüber dem Bezugsberechtigten treffen, sondern auch gegenüber den Erben des VN. Eine Übermittlungspflicht des VR ist nur gegeben, wenn zwischen VN und VR ein entsprechender Übermittlungsauftrag zustande kommt. Ein solcher Übermittlungsauftrag entspricht erkennbar den Interessen des VN und des Bezugsberechtigten, so dass Muscheler 306 vorschlägt, diesen Auftrag als echten Vertrag zugunsten Dritter zu qualifizieren – zumindest dürfte in einem solchen Falle von einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auszugehen sein. Zu einem solchen Übermittlungsauftrag dürfte es jedoch in der Regel nicht kommen, da es erkennbar nicht den Interessen des VR entspricht, über seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag hinaus eine Übermittlungspflicht für die Schenkungsofferte zu übernehmen. Eine solche Pflicht wäre mit Interessenkonflikten für den VR mit Blick auf die Erben als seinen neuen Vertragspartnern verbunden, darüber hinaus könnte es zu Schadenersatzrisiken kommen. Eine konkludente Auftragsannahme durch den VR dürfte daher für den Regelfall ausscheiden.307

263

(f) Wettlauf zwischen den Erben des Versicherungsnehmers und dem Bezugsberechtigten. Als gravierender Nachteil der Konstruktion einer postmortalen Einigung – wie sie der h.M. entspricht – wird jedoch der Wettlauf zwischen Erben, Gläubiger und Bezugsberechtigten empfunden, der nur zu zufälligen Ergebnissen führen kann. Auch wenn dem nicht voll beigestimmt werden kann, da sich für die überwiegende Zahl der Bezugsrechtseinräumungen, und zwar insbes. der sozialpolitisch und existenziell für den Einzelnen wesentliche Verträge das Valutaverhältnis aus der Vorsorgepflicht des erwerbstätigen Ehepartners herleiten lässt – gegen die Konstruktion der h.M. spricht, dass ein Widerruf der Schenkungsofferte durch den Erben bzw. den Gläubiger dem Willen des VN erkennbar nicht entspricht. Möchte ein VN einen Widerruf seiner Erben ausschließen und sich zugleich seine lebzeitige Verfügungsberechtigung über die Versicherung erhalten, so kann er das nur durch eine lebzeitige schuldrechtliche Vereinbarung mit den Erben oder eine letztwillige Verfügung (ohne Mitwirkung der Erben) erreichen.308 Andererseits hängt das Schicksal der widerruflichen Bezugsberechtigung auch zu Lebzeiten des VN von seiner freien Willensentscheidung ab. Die Problematik besteht darin, dass nach dem Tode des VN nicht mehr der VN, sondern seine Erben über die Versicherung zu entscheiden haben, deren Interessen anders gelagert sein können als die des VN.

264

(2) Schenkungsvertrag mit Hilfe eines lebzeitigen Insichgeschäfts. Die beiden mit der Konstruktion eines postmortalen Schenkungsvertrages verbundenen Mängel (Problema-

306 307

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Muscheler WM 1994 921, 923 ff. Hasse empfiehlt den LebensVR sogar, in ihren Versicherungsbedingungen darauf hinzuweisen, dass sie Mitwirkungspflichten in Zusammenhang mit der Herbeiführung eines postmortalen Schenkungsvertrages nicht übernehmen können, Hasse VersR 2009 41, 45. Hasse VersR 2008 590, 597. Zu weiteren konstruktiven Überlegungen, bei einer

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widerruflichen Bezugsberechtigung den Erben die Möglichkeit des Widerrufs zu nehmen, vgl. Heilmann VersR 1980 516–518. Der VN kann den Widerruf nicht dadurch verhindern, dass er das Schenkungsangebot oder den Übermittlungsauftrag an den VR als „unwiderruflich“ bezeichnet (BGH 30.10.1974 NJW 1975 382, 384).

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Bezugsberechtigung

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tik des Zustandekommens des Übermittlungsvertrages sowie einer erkennbar dem Willen des VN nicht entsprechenden Möglichkeit des Widerrufs der Schenkung durch die Erben) haben dazu geführt, dass sich eine zunehmende Auffassung im Schrifttum zum Konzept eines Schenkungsvertrages bekennt, der mit Hilfe eines lebzeitigen Insichgeschäfts zustande kommt.309 Die Einsetzung eines widerruflich Bezugsberechtigten kann zugleich als der unter Rücktrittsvorbehalt erfolgende Abschluss eines Schenkungsvertrages verstanden werden, bei dem der VN für sich als Schenker und zugleich als Vertreter ohne Vertretungsmacht für den Bezugsberechtigten als Beschenkten handelt (Insichgeschäft nach § 181 BGB). Weil der Schenker/VN als Vertreter ohne Vertretungsmacht für den Begünstigten handelt, ist der Schenkungsvertrag schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Die Vorschrift des § 181 BGB steht der Wirksamkeit des Insichgeschäfts nicht entgegen, da die Schenkung dem Bezugsberechtigten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Mit der Genehmigung wird der Schwebezustand rückwirkend beendet, ein etwa zwischenzeitlich erklärter Widerruf fällt ins Leere. Denn die Erben können in gleicher Weise wie der Schenker/VN die von ihm als vollmachtsloser Vertreter des Bezugsberechtigten erklärte Schenkungsannahme nach § 178 BGB nicht widerrufen, da der Schenker/VN bei Abschluss des Vertrages den Mangel seiner Vertretungsmacht kannte (§ 178 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB). Daher können die Erben nur nach § 177 Abs. 2 BGB vorgehen, sie können den Bezugsberechtigten/Beschenkten lediglich zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. Damit bleibt dem Bezugsberechtigten und zugleich Beschenkten genügend Zeit, den Schenkungsvertrag rückwirkend auf den Vertragsschluss wirksam werden zu lassen, § 184 Abs. 1 BGB. Denn die Genehmigung gilt nach § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB erst nach fruchtlosem Ablauf der Zweichwochenfrist als verweigert. Wenn gegen eine solche Konstruktion geltend gemacht wird, dass es an einer äußeren Erkennbarkeit des Selbstkontrahierens fehlt, so kann dem nicht gefolgt werden. Entscheidend ist, dass aus dem Verhalten des VN ein auf einen bestimmten Rechtserfolg gerichteter Wille zu entnehmen ist und der Wille des VN, dem Bezugsberechtigten auf diese Weise eine Schenkung zu machen, deutlich zum Ausdruck gelangt. Die Konstruktion eines Insichgeschäfts mit einem Handeln ohne Vertretungsmacht entspricht dem Willen des VN, zumal damit zumindest ein sofortiges Widerrufsrecht der Erben ausgeschlossen wird. Hasse, der über die Versprechensschenkung mit Rücktrittsvorbehalt 310 hinausgeht 265 und statt dessen die Konstruktion einer Handschenkung – also eine Vereinfachung – befürwortet, hat sich mit den Vertragskonstruktionen im Einzelnen überzeugend auseinandergesetzt.311 Die von ihm vertretene Auffassung vermeidet die Mängel der Konstruktion eines postmortalen Schenkungsvertrages.312

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310 311

Bühler NJW 1976 1728; Gubitz ZEV 2006 333, 336 ff.; Hasse 156, 157; ders. VersR 2008 590, 599; Kümpel WM 1977 1186, 1193; Reischl Zur Schenkung von Todes wegen (1996) 291 f.; Bruck/Möller/Winter 8 Anm. H 169; a.M. Bayer 329; Finger WRP 1981 9, 13; Harder/Welter NJW 1977 1139, 1140; Janko 130; Lieseke WM 1975 286, 292; Muscheler WM 1974 921, 923 f. Wie sie von Bühler NJW 1976 1728 vorgeschlagen wird. Hasse VersR 2008 590, 603, 604 ff.

312

Die von Lorenz (FS Schwebler 349, 366–371) vertretene Konstruktion einer einseitigen lebzeitigen Schenkung als causa der widerruflichen Bezugsberechtigung, mit der er sich auf reichsgerichtliche Entscheidungen von 1915 (RG 25.2.1915 RGZ 88 137, 139) und 1922 (RG 8.2.1923 RGZ 106 1, 2) und auf Überlegungen von Kühlmorgen (Lebensverträge zugunsten Dritter (1927) 115 ff.) und weiteres älteres Schrifttum (im Einzelnen Hasse VersR 2008 590, 598 Fn. 64) bezieht, hat angesichts der

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Kapitel 5: Lebensversicherung

d) Wegfall der Geschäftsgrundlage beim Kausalgeschäft, Widerruf der Schenkung. Kommt es beim Kausalgeschäft z.B. zum Wegfall der Geschäftsgrundlage313 mit der Folge einer Anpassung oder Beendigung des Vertrages oder auch zu einer Anfechtung, so haben der VN bzw. seine Erben u.U. auch einen entsprechenden Bereicherungsanspruch. Liegt der Bezugrechtseinräumung eine Schenkung zugrunde, so kann es zu einem Widerruf der Schenkung i.S.v. § 530 Abs. 1 BGB, aber auch zur Einrede nach § 519 BGB oder zur Rückforderung nach § 528 BGB kommen, und zwar auch für den Fall einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung, die damit unter Berücksichtigung des Valutaverhältnisses angreifbarer ist als es eine bloße Betrachtung des Deckungsverhältnisses es vermuten lässt.

X. Lebensversicherung für fremde Rechnung 1. Zulässigkeit der Lebensversicherung für fremde Rechnung

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Das Lebensversicherungsrecht kennt nicht nur die Lebensfremdversicherung für eigene Rechnung, sondern auch für fremde Rechnung. Anders als in der Unfallversicherung (§ 179 Abs. 1 Satz 2) findet sich in Kapitel 5 zur Lebensversicherung allerdings keine Vorschrift, aus der sich die Zulässigkeit einer Lebensversicherung für fremde Rechnung ergibt. Das bedeutet jedoch nicht mehr, dass daraus geschlossen werden muss, in der Lebensversicherung sei nur eine Versicherung für eigene Rechnung zulässig. Denn seit Inkrafttreten des VVG 2008 hat sich die systematische Stellung der die Versicherung für fremde Rechnung regelnden Vorschriften geändert, sie finden sich nunmehr in Teil 1, Kapitel 1 des Gesetzes bei den Bestimmungen „für alle Versicherungszweige“ (§§ 43–48) und nicht mehr im zweiten Abschnitt des VVG 1908 zur Schadensversicherung. Daher ist nunmehr die Zulässigkeit der Lebensversicherung für fremde Rechnung zu bejahen.314 Das ist auch der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers.315 Ein VN kann daher seit 2008 auch in der Lebensversicherung eine solche Drittbeteiligungsform anstelle der bislang allein verwandten Formen der – beliebig abänderbaren – Bezugsberechtigung wählen. 2. Analoge Anwendung des § 80 VVG bei einem versicherten Fremdinteresse in der Lebensversicherung

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Da die Lebensversicherung für fremde Rechnung – ebenso wie die Lebensversicherung für eigene Rechnung mit Bezugsberechtigung – als Anwendungsfall des Vertrages zugunsten Dritter zu sehen ist, sind auch insoweit die §§ 328 ff. BGB anwendbar, sofern sich aus den §§ 43–48 nicht etwas anderes ergibt.316 Zu den Voraussetzungen, die bei

313 314

Eigenwilligkeit der Konstruktion kaum Zustimmung erfahren (Ausnahme: Bayer 331 ff.). Will man ihr folgen, kann dem Bezugsberechtigten die Versicherungssumme durch die Erben gleichfalls nicht entzogen werden. §§ 313, 314 BGB, vgl. BGH 1.4.1987 VersR 1987 660. Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt 3 Kap. 1 Anm. 671; Franz VersR 2008 1565, 1576; Looschelders/Pohlmann/Koch VVG § 43 Anm. 34 (für die Restschuldversicherung); Bruck/Möller/Brand § 43 Rn. 13 (für die

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315

316

Restschuldversicherung); Dageförde in Langheid/Wandt VVG Vor § 43 Anm. 7; Hasse VersR 2007 870, 873; ders. VersR 2010 837, 838; ders. VersR 2010 1118, 1119. a.A. Deutsch VVG6 Anm. 7, 107. „Die Regelung der Versicherung für fremde Rechnung … wird durch die Aufnahme in Kapitel 1 des Teils 1 auf alle Versicherungszweige erstreckt.“ (Begr. zu § 43, BTDrucks. 16/3945 S. 72). Dazu im Einzelnen Looschelders/Pohlmann/ Koch § 43 Rn. 10 ff.

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Bezugsberechtigung

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einer Lebensfremdversicherung gegeben sein müssen, wird auf die Erläuterungen in Bruck/Möller/Brand §§ 43 ff. verwiesen. Da eine Versicherung für fremde Rechnung bislang regelmäßig ein versichertes Interesse voraussetzt, ist auch für die Lebensfremdversicherung – soweit sie §§ 43 ff. unterfällt – grundsätzlich von einem versicherten Interesse auszugehen. Das dürfte beispielsweise bei einer Direktversicherung in der betrieblichen Altersversorgung oder bei der Restschuldversicherung der Fall sein, insbes. auch, wenn es sich um eine Versicherung im Rahmen einer Gruppenversicherung handelt. Dabei spielt das Valutaverhältnis eine wichtige Rolle. Andererseits sind die Vorschriften der §§ 43 ff. grundsätzlich abdingbar. Eine Ausnahme soll für die Vorschriften der §§ 44 Abs. 1, 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 zu machen sein, um Wettversicherungen auszuschließen (Eigen- und Fremdversicherungen auf fremdes Risiko).317 Das ist jedoch zweifelhaft. Mit der bewussten Verabschiedung des Bereicherungsverbots durch das VVG 2008 entfällt auch die Basis für eine solche Argumentation.318 Entscheidend für die Existenz eines versicherten Interesses aufseiten des Anspruchsberechtigten ist die Auslegung des Lebensversicherungsvertrages, nicht der Umstand, dass §§ 43 ff. anwendbar sind. Ist die Lebensversicherung als Versicherung mit konkreter Bedarfsdeckung – auch in einem weiteren Sinne – ausgestaltet, so kann von einem versicherten Interesse mit großer Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Das versicherte Interesse im Rahmen einer Lebensversicherung ist aber weiter zu sehen. Hasse ist darin beizupflichten, dass mit Blick auf die Lebensfremdversicherung ein „anerkennenswertes Fremdinteresse“ regelmäßig zu bejahen ist, „soweit es nicht spekulativ-aleatorischen Charakters (Wette), auf die Erlangung einer unverhältnismäßig hohen (extremen) Versicherungsleistung oder einer übermäßigen Kreditversicherung gerichtet und keine auch nur einseitige (aufgrund des Verhaltens des VN vorliegende) Sittenwidrigkeit des Versicherungsvertrags gegeben ist.“319 Ist ein versichertes Interesse Gegenstand eines Lebensversicherungsvertrages, erhebt 269 sich die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 80 bei einem anfänglichen oder nachträglichen Interessemangel, beispielsweise wenn dem Vertrag ein einseitiges Wettmotiv oder eine einseitige Sittenwidrigkeit zugrunde liegt.320 Aber hier ist zu beachten, dass es sich bei der Vorschrift des § 80 zwar nicht um eine disponible, aber um eine halbzwingende Vorschrift handelt:321 Von ihr kann zum Vorteil des Anspruchsberechtigten auf der VN-Seite abgewichen werden, wenn der VR den Lebensversicherungsvertrag z.B. trotz Interessemangels als voll wirksam behandeln will. § 80 kann in der Lebensversicherung mit seinen Rechtsfolgen nur zum Zuge kommen, wenn ein versichertes Interesse des Anspruchsberechtigten anzuerkennen ist. So kann insbes. mit Blick auf den eingeschränkten Anwendungsbereich der §§ 762, 138 BGB zu sachgerechten Ergebnissen gekommen werden. Ist der VR nach § 80 Abs. 1, Abs. 2 bei einem fehlenden Fremdinteresse von der Verpflichtung zur Leistung gegenüber dem Anspruchsberechtigten frei, so greift § 160 Abs. 3. Eine Lebensversicherung für fremde Rechnung zugunsten eines Dritten bedarf als 270 Wirksamkeitsvoraussetzung jedoch nicht eines versicherten Interesses und die Rechtsfolgen bei einem Interessemangel bestimmen sich nicht zwingend nach § 80.322

317

318

Bruck/Möller/Brand Vor §§ 43–48 Rn. 47, die Belege, die Brand anführt, beziehen sich allerdings sämtlich auf das bis 2007 geltende Recht. Vgl. im Einzelnen Winter FS Johannes Wälder 103 ff.

319 320 321 322

Hasse VersR 2010 837, 848. Befürwortet insbes. von Hasse VersR 2010 837, 847. § 87 VVG. So aber Hasse VersR 2010 837, 848.

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395

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

3. Rechtserwerb außerhalb erbrechtlicher Vorgänge

271

Ist nicht ein Bezugsberechtigter bei der Lebensversicherung anspruchsberechtigt, sondern ein Versicherter im Rahmen der Vorschriften der §§ 43 ff., so erhält er beim Tode der Gefahrsperson die Versicherungssumme außerhalb erbrechtlicher Vorgänge. Es würde dem gerade auch der betrieblichen Gruppenlebensversicherung immanenten Versorgungsgedanken widersprechen, wenn die Versicherungssumme in den Nachlass des verstorbenen Arbeitnehmers fallen würde. Daher erscheint es sachgerecht, die zur Privilegierung des Bezugsberechtigten ergangene Rechtsprechung auch auf den Fall zu erstrecken, dass nicht ein Bezugsberechtigter, sondern ein Versicherter einen Anspruch auf die Versicherungssumme hat. Im Übrigen ergeben sich die unterschiedlichsten Möglichkeiten für die vertragliche Ausgestaltung der Lebensversicherung, da die Vorschriften der §§ 159, 160 disponibel sind und auch von den §§ 43 ff. grundsätzlich abgewichen werden kann. Für die Bezugsberechtigung vgl. § 159 Rn. 42, die Regelung der §§ 43 ff. nimmt zusätzliche Vertragsmodifikationen in den Blick.323

C. Zessionar I. Begriffliche Klärung 272

Mit Hilfe der Abtretung macht sich der VN die Funktion der Lebensversicherung als Kreditsicherungsmittel zunutze, die teilweise oder gänzliche Abtretung aus dem Lebensversicherungsvertrag ist nach der Einräumung eines Bezugsrechts die häufigste Verfügung des VN.324 Sie erfolgt durch die Übertragung der Versicherungsforderung durch Vertrag von dem bisherigen Gläubiger – dem Zedenten – auf einen neuen Gläubiger – den Zessionar. Damit kann z.B. die Rückzahlung eines Kredits abgesichert werden, den der VN bei dem Zessionar aufgenommen hat. Auch wenn der Anspruch des VN gegen den LebensVR erst später – beim Tode des VN – fällig wird, er stellt schon bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrages einen Wert dar, den der VN zur Kreditsicherung nutzen kann. Bei einem Abtretungsverhältnis stehen sich grundsätzlich drei Vertragsparteien gegen273 über: Schuldner, bisheriger Gläubiger und neuer Gläubiger. In der Regel besteht zunächst ein Lebensversicherungsvertrag zwischen dem VR als Schuldner und dem VN als Gläubiger. Sodann wird zwischen dem VN/Zedenten und einem Dritten/Zessionar ein Abtretungsvertrag geschlossen, in dessen Folge rechtliche Beziehungen zwischen dem VR als Schuldner und dem neuen Gläubiger entstehen. Während auf der Schuldnerseite in der Regel kein Wechsel eintritt, kann es auch häufiger zu einem Wechsel der Gläubigerseite kommen. Ein Wechsel der Gläubigerseite ist dabei kein Wechsel des Vertragspartners des VR: 274 Bei einem Wechsel des Vertragspartners würde der bisherige VN mit sämtlichen Rechten und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis ausscheiden. Das ist bei einer Abtretung nicht der Fall. Ein Wechsel des Vertragspartners – mit dem eine Schuldübernahme verbunden wäre – würde nach § 415 Abs. 1 BGB der Genehmigung des VR bedürfen. Denn dem VR darf nicht ohne weiteres ein u.U. finanziell weniger verlässlicher Vertragspartner zugewiesen werden, ohne dass er seine Zustimmung erteilt hätte.

323

Vgl. schon Bruck/Möller/Brand Vor §§ 43–48, Rn. 33, 47.

396

324

Zur historischen Entwicklung der Abtretung in der Lebensversicherung Joseph 3 ff.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

Der Zedent scheidet mit Abschluss des Abtretungsvertrages aus seiner bisherigen Stel- 275 lung als Gläubiger des VR aus und der Zessionar tritt an seine Stelle. Dennoch bleibt der Zedent der VN, ihm obliegen insbes. auch weiterhin die Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wie z.B. die Prämienzahlung. Auch die Gefahrsperson bleibt identisch. Die Abtretung bewirkt eine einseitige Änderung auf der VN-Seite, die VR-Seite ist daran nicht beteiligt. Gleichwohl ergeben sich durch die einseitige Aufteilung der Rechte und Pflichten auf der Seite des VN eine Reihe von Problemen, die aus den Besonderheiten des Lebensversicherungsvertrages herrühren, wie z.B. der Möglichkeit, einen Bezugsberechtigten zu ernennen.

II. Regelungsgrundlage Die gesetzliche Regelung der Abtretung findet sich in §§ 398–413 BGB, die auch für die Abtretung von Rechten aus einem Lebensversicherungsvertrag heranzuziehen sind, da das VVG keine Sonderregelung enthält, wenn man von der Vorschrift des § 17 absieht, die sich auf unpfändbare Sachen bezieht und auf die Lebensversicherung nicht anwendbar ist. Die Vorschriften der §§ 398 ff. BGB regeln dabei nicht nur die Übertragung der Forderung in Gestalt eines dinglichen Vertrages, der den Rechtsübergang unmittelbar herbeiführt und der als abstraktes Rechtsgeschäft von dem Rechtsgrund losgelöst ist, der den Zedenten und den Zessionar veranlasst hat, den Abtretungsvertrag zu schließen. Die Vorschriften der §§ 398–413 BGB erlangen ihre Bedeutung in ihrem Zusammenwirken mit den lebensversicherungsrechtlichen Normen des VVG. Will der Zessionar seinen versicherungsrechtlichen Anspruch gegen den VR in der Weise durchsetzen, dass ihm die Rückvergütung ausgezahlt wird, so bedarf er dazu des Kündigungsrechts des § 168, das nach § 413 BGB auf den Zessionar übergehen kann. Will der Zessionar von dem Kündigungsrecht Gebrauch machen, so muss er im Rahmen der Abtretung dafür Sorge tragen, dass ihm das Recht ausdrücklich oder konkludent übertragen wird.325 Denn der Zessionar wird nicht etwa automatisch nach § 401 BGB – wonach Nebenrechte zusammen mit der abgetretenen Forderung übergehen – Inhaber des Kündigungsrechts. Als Nebenrechte sind zwar auch die sog. Hilfsrechte zu zählen, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind, nicht aber das Kündigungsrecht des § 168.326 Eine ausführliche bedingungsmäßige Regelung der Abtretung findet sich nicht nur nicht im VVG, auch die Bedingungswerke enthalten sie nicht. Sie gehen auf die Abtretung nur insoweit ein, als § 13 (3), (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke (soweit in der betreffenden Lebensversicherungsform eine Abtretung zulässig ist) eine Abtretung ausdrücklich als möglich bezeichnen, sie aber dem VR gegenüber „nur und erst dann wirksam“ werden lassen, wenn sie der bisherige Verfügungsberechtigte dem VR schriftlich angezeigt hat.327 Bei der Kommentierung kann häufig auf die grundlegende Arbeit von Joseph, Lebensversicherung und Abtretung (1990), zurückgegriffen werden, auch wenn sich die Sicht

325

Zum Umfang der Abtretung BGH 13.6. 2007 VersR 2007 1065, 1066 f.; BGH 18.11.2009 VersR 2010 375, 376; LG Bonn 14.11.2007 VersR 2008 768, 769.

326 327

BGH 1.6.1973 NJW 1973 1793, 1794; OLG Köln 22.9.2004 VersR 2005 345, 346. Zu allem Joseph 11 ff.

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397

276

277

278

279

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

der Probleme seitdem teilweise verändert hat und die inzwischen ergangene Rechtsprechung mit zu berücksichtigen ist. Besondere Probleme ergeben sich im Zusammenhang von Abtretung und Bezugsberechtigung. Darauf wird unter Rn. 229 ff, 305, 380 ff. eingegangen.

III. Abtretungsfähigkeit bei einzelnen Lebensversicherungsformen 1. Todesfallversicherung

280

Sowohl bei der Todesfallversicherung mit langer Laufzeit als auch bei den auf eine bestimmte, zumeist kürzere Zeitdauer abgeschlossenen Versicherungen ist eine Abtretung möglich, und zwar bei der Todesfallversicherung mit fremder Gefahrsperson unproblematisch; für den Fall der Identität von VN und Gefahrsperson ist die Konstruktion der Abtretung umstritten: a) Todesfallversicherung auf das Leben einer fremden Gefahrsperson. Die Abtretung des Versicherungsanspruchs bei einer Todesfallversicherung auf das Leben eines anderen weist keine dogmatische Besonderheiten auf. Dass es sich bei der abzutretenden Forderung um eine nur künftige Forderung (bei einer kapitalbildenden Todesfallversicherung) handelt oder um eine Forderung, bei der es gänzlich ungewiss ist, ob die Forderung überhaupt jemals entsteht (bei einer reinen Risikoversicherung mit kurzer Vertragsdauer), steht der Wirksamkeit der Abtretung nicht entgegen.328 Stirbt die Gefahrsperson während der Laufzeit der Versicherung, ist der VN Inhaber des Anspruchs auf Leistung der Versicherungssumme. Eine solche Forderung kann unproblematisch abgetreten werden; einer Einwilligung der Gefahrsperson zur Abtretung bedarf es nicht.

281

b) Todesfallversicherung auf das Leben des Versicherungsnehmers als Gefahrsperson. Bei dieser Versicherungsform entsteht die Forderung gegenüber dem VR erst mit dem Todesfall des VN, so dass die Versicherungssumme nicht mehr in das Vermögen des VN fallen kann. Der VN tritt also eine Forderung an den Zessionar ab, die er selbst zu keinem Zeitpunkt für sich realisieren kann; denn mit dem Todesfall tritt auch der Erbfall ein und die Versicherungssumme fällt in den Nachlass (wenn nicht ein Bezugsberechtigter eingesetzt ist). Der VN wird damit niemals Inhaber einer fälligen Forderung. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Gegenstand der Abtretung.

282

aa) Keine Abtretung eines Anwartschaftsrechts. In der Abtretung der Forderung auf Auszahlung der Versicherungsleistung im Todesfall kann nicht die Abtretung eines Anwartschaftsrechts gesehen werden, welches in der Person des Zessionars bei Eintritt des Versicherungsfalles zum Vollrecht erstarkt. Denn der Person des VN kann ein Anwartschaftsrecht nicht zugeordnet werden, da der VN – wenn erst sein Tod den Versicherungsfall herbeiführt – niemals Rechtsinhaber werden kann.

283

bb) Abtretung eines bei Vertragsabschluss entstehenden Anspruchs. Mit dem BGH ist statt dessen davon auszugehen, dass die Abtretung einer künftigen Forderung zwar erst wirksam wird, wenn die Forderung auch wirklich entsteht; diese Wirksamkeitsvoraussetzung gehört jedoch nicht zum Abschlusstatbestand des Zessionsvertrages und tritt

328

BGH 19.10.1983 BGHZ 88 205, 206.

398

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

nicht durch eine Willenseinigung der Vertragsparteien ein, sondern durch ein zusätzliches, von dieser Willensübereinstimmung nicht abhängiges Ereignis. Sofern nicht noch eine weitere Willenserklärung des Verfügenden notwendig ist, um den Rechtsübergang zu bewirken, muss sich der Rechtserwerb des Zessionars vollenden können, auch wenn es zu der weiteren Wirksamkeitsvoraussetzung erst mit dem Tode des Verfügenden kommt.329 Abgetreten wird dabei entweder eine durch den Eintritt des Versicherungsfalls aufschiebend bedingte Forderung (bei Todesfallversicherungen mit bestimmter, kurzer Vertragsdauer) oder eine betagte Forderung (bei Todesfallversicherungen, bei denen der Eintritt des Versicherungsfalles gewiss ist). Dass bedingte oder betagte Forderungen abtretbar sind, ist unstrittig.330 Dass der Zedent die Fälligkeit der Forderung nicht erlebt, ist bei dieser Konstruktion unerheblich. 2. Erlebensfallversicherung Bei der Erlebensfallversicherung, die auf den eigenen Erlebensfall oder den Erlebens- 284 fall Dritter abgeschlossen werden kann, ist eine Abtretung problemlos möglich. Ob die Gefahrsperson den vertraglich vereinbarten Zeitpunkt erlebt, stellt ein ungewisses Ereignis dar, die Forderung des VN gegen den VR ist daher eine aufschiebend bedingte Forderung. Falls die Gefahrsperson vor dem vereinbarten Zeitpunkt stirbt, ist entscheidend, ob der VR für diesen Fall eine Leistung gewährt, wie z.B. die Leistung einer Beitragsrückgewähr. Die Abtretung erfasst in einem solchen Falle grundsätzlich auch die Forderung auf Zahlung der Beitragsrückgewähr. 3. Gemischte Lebensversicherung Bei einer Kapitalversicherung, bei der die Versicherungssumme beim Tode der Ge- 285 fahrsperson und spätestens bei Ablauf der vereinbarten Versicherungsdauer fällig wird, ist die Abtretung gleichfalls unproblematisch.331 4. Versicherung mit festem Auszahlungstermin Bei der Termfix- oder Ausbildungsversicherung, bei der die Leistung des VR zu einem 286 festen Termin fällig wird (ohne dass es darauf ankommt, ob die Gefahrsperson lebt oder nicht), ist eine Abtretung gleichfalls zulässig.332 Da die Versicherung in aller Regel von einem Elternteil (der zugleich auch Gefahrsperson ist) zugunsten eines Kindes zur Deckung des Ausbildungsbedarfs abgeschlossen wird, ergibt sich auch hier wieder die Problematik, dass der VN die Fälligkeit der Versicherungssumme u.U. nicht erlebt. Auch hier ist bei einer Abtretung die Versicherungssumme an den Zessionar zu leisten, der vom VN ursprünglich ins Auge gefasste Zweck der Versicherung – nämlich die Ausbildung eines Kindes sicherzustellen – steht einer Abtretung regelmäßig nicht entgegen.333

329 330 331

BGH 9.6.1960 BGHZ 32 367, 369; BGH 1.7.1981 VersR 1981 926, 927. Dazu im Einzelnen Joseph 49 ff., insbes. 61 f.; Lederle 15, 45. OLG Frankfurt 19.12.2001 VersR 2002 963, 964.

332

333

Versicherungsfall bei einer sog. Termfixversicherung ist der Tod der Gefahrsperson, wenn er vor Erreichen des Auszahlungstermins eintritt, BGH 3.6.1992 RuS 1992 320, 321. Joseph 65.

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399

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

5. Rentenversicherung/Riester- und Rürup-Verträge

287

Handelt es sich bei der Rentenversicherung nicht um Verträge, die als Altersvorsorgeverträge eine staatliche Förderung genießen,334 so kann der VN seine Ansprüche gegen den VR jederzeit abtreten. Der Versorgungszweck einer Rentenversicherung, die nicht besonderen Vorschriften zur Sicherung der Altersvorsorge unterliegt, steht einer Abtretung nicht entgegen. Abgetreten werden können die aufschiebend bedingten Ansprüche auf Beitragsrückgewähr oder Rentenzahlung. Der Umstand, dass es zur Zeit der Abtretung der Ansprüche während der Aufschubzeit gänzlich ungewiss ist, ob es jemals zu Rentenzahlungen kommt, ist unerheblich. Ansprüche aus Riester- und Rürup-Rentenverträgen können grundsätzlich nicht abge288 treten werden,335 die GDV-Musterbedingungen zur Riester- und zur Basisrentenversicherung enthalten daher auch keinen Hinweis auf eine Abtretungsmöglichkeit. 6. Risikolebensversicherung mit Umtauschrecht

289

Für die Praxis wichtige Fragen ergeben sich, wenn es bei einer Risikoumtauschversicherung – bei der der VN berechtigt ist, zum Ende der vereinbarten Laufzeit die Risikoversicherung in eine kapitalbildenden Lebensversicherung mit gleich bleibender oder niedrigerer Versicherungssumme umzutauschen – vor Ausübung des Umtauschrechts zu einer Abtretung der Versicherung kommt. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass das Umtauschrecht beim VN geblieben ist, da dieses Recht ein Gestaltungsrecht ist, das nicht selbstständig abgetreten werden kann.336 Die Frage, ob die Abtretung nach Ausübung des Umtauschrechts mit der Folge fortbesteht, dass dem Zessionar nunmehr die Ansprüche aus der kapitalbildenden Lebensversicherung zustehen, hängt zunächst von der Abtretungsvereinbarung ab, die u.U. erhebliche Zeit vor dem Umtausch geschlossen worden ist. Eine ausdrückliche Vereinbarung zum Umtauschrecht dürfte die Abtretungsurkunde in der Regel nicht enthalten. Formale Umstände – Beibehaltung der Versicherungsnummer oder Ausfertigung eines neuen Versicherungsscheins durch den VR – dürften keine Indizwirkung für die Auslegung der Abtretungsvereinbarung besitzen. Der neue kapitalbildende Vertrag ist keine Fortsetzung der Risikoversicherung, das Eintrittsalter, die Versicherungsdauer, die Prämie usw. werden neu festgesetzt, nur auf eine neue Gesundheitsprüfung wird verzichtet. Sonstige Anhaltspunkte, die auf eine Fortsetzung der Abtretung als Ergebnis einer Auslegung der Vereinbarung mit dem Zessionar hindeuten, sind in der Regel nicht ersichtlich. Problemlos sind allerdings solche Fälle, in denen der VN den Umtausch während der 290 Laufzeit der Risikoversicherung beantragt und der VR den Zessionar auffordert, zu dem Umtausch seine Zustimmung zu erklären, weil sich seine Absicherung durch den Umtausch verschlechtern könnte, wenn beispielsweise der Todesfallbonus (wie er sich in der Risikolebensversicherung zuweilen findet) bei der kapitalbildenden Versicherung nicht fortgeführt wird. Kommt es erst bei Ablauf der Versicherung zu einem Umtausch und wird der Zessio291 nar nicht zur Zustimmung aufgefordert oder lässt sich auch der Weg einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht beschreiten, so ist ein Weiterlaufen der Abtretung zweifelhaft, weil sich die neue Versicherung erheblich von der Risikoversicherung unterscheidet und

334

Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 AltZertG – Riester-Verträge, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b EStG – Rürup-Verträge.

400

335 336

Vgl. auch den Verwertungsausschluss nach § 168 Abs. 3. Joseph 67.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

sich der Zessionar mit Blick auf die kapitalbildende Versicherung und seine Kreditabsicherung zwar verbessern, aber durchaus auch verschlechtern kann. Gleichwohl empfiehlt Joseph dem VR in diesen Fällen, von einem weiteren Bestehen der Abtretung auszugehen. Wenn der VN der Auffassung ist, dass sich die Abtretung mit dem Umtausch erledigt hat, so sei er gehalten, sich vom Zessionar die Freigabe der Sicherheit bestätigen zu lassen.337 7. Dynamische Versicherungsformen und flexible Tarife Bei derartigen Versicherungsformen erfasst die Abtretung grundsätzlich auch die er- 292 höhten und modifizierten Versicherungsleistungen, wenn der VN und der Zessionar nicht Abweichendes vereinbart haben. Dabei erstreckt sich die Abtretung nicht nur auf die erhöhten garantierten Leistungen des VR, sondern auch auf die Überschussbeteiligung.338

IV. Abtretungsmodalitäten 1. Voll- und Sicherungszession Die Abtretung erfolgt im Wesentlichen, um einen dem Zedenten vom Zessionar ge- 293 währten Kredit für den Fall des Todes des Zedenten abzusichern, sie kann aber auch aus anderen Gründen erfolgen. Dementsprechend ist zwischen Vollabtretung und Sicherungszession zu unterscheiden. Die Sicherungs- oder fiduziarische Abtretung zeichnet sich dadurch aus, dass dem verfolgten Zweck nach der Zessionar nicht endgültig Gläubiger der Forderung werden soll, sondern nur zur Erfüllung des Sicherungszwecks. Das bedeutet aber gleichwohl, dass der Sicherungszessionar dem VR gegenüber vollberechtigter Gläubiger ist, wie jeder andere Zessionar, er kann die Forderung weiter abtreten, er kann sie einziehen, die Versicherung kündigen oder einen Bezugsberechtigten einsetzen.339 Obschon die Sicherungszession – anders als das akzessorische Pfandrecht – hinsichtlich der Wirksamkeit und des Umfangs von dem Kausalgeschäft unabhängig ist, beinhaltet sie die Verpflichtung zur Rückzession der abgetretenen Ansprüche an den VN, wenn der Sicherungszweck erfüllt ist. Das gilt nach Treu und Glauben auch dann, wenn eine solche Absprache nicht ausdrücklich getroffen worden ist. Eine andere Möglichkeit ist es, die Abtretung mit einer auflösenden Bedingung zu verbinden, so dass die Abtretung endet, wenn die Forderungen des Kreditgebers beglichen sind. Die Rückzession ist ein abermaliger Abtretungsvertrag, für ihn gilt das gleiche wie für jede sonstige Abtretung.340 Eine stille Zession, bei der die Abtretung dem VR nicht bekannt gegeben werden 294 darf, ist angesichts der Anzeigeregelung in § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke grundsätzlich unwirksam.

337 338

Ausführlich Joseph 68 ff. Zu weiteren Versicherungsformen, bei denen eine Abtretung zulässig ist, vgl. Joseph 70 ff.

339 340

BGH 3.3.1993 VersR 1993 553, 554; OLG Koblenz 1.2.2007 VersR 2007 257, 258. Vgl. zu allem Asmus ZVersWiss 1970 50.

Gerrit Winter

401

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

2. Abtretung eines Teilanspruchs

295

Der VN kann nicht nur den Anspruch auf die gesamte Versicherungsleistung, sondern auch einen Teilanspruch abtreten. Dabei ist der Umfang der Abtretung genau zu bestimmen, indem der Versicherungsanspruch bis zu einem bestimmten Betrag oder die Rechte in einem bestimmten Verhältnis abgetreten werden. Es ist auch zulässig, Überschussanteile aus einer Lebensversicherung gesondert abzutreten.341 Wird der Anspruch auf die Versicherungsleistung je zu einem bestimmten Betrag an zwei Zessionare abgetreten und reicht die Leistung des VR zur Befriedigung beider Zessionare nicht aus, so muss aus der Abtretung zu ersehen sein, ob die Zuordnung der Versicherungssumme nach dem Grundsatz der Priorität oder einer verhältnismäßigen Teilung erfolgen soll.

V. Abtretungsberechtigung 1. Versicherungsnehmer

296

Inhaber des Anspruchs auf die Versicherungsleistung ist in erster Linie der VN, der den Anspruch jederzeit, vor oder nach dem Versicherungsfall, abtreten kann. Er kann als Rechtsinhaber einer abtretbaren Forderung aus dem Lebensversicherungsvertrag über die Forderung ohne weiteres verfügen. 2. Gefahrsperson

297

Soweit VN und Gefahrsperson identisch sind, ergeben sich keine Probleme. Auch bei einer Todesfallversicherung mit einer fremden Gefahrsperson ist grundsätzlich allein der VN zur Abtretung berechtigt, die Gefahrsperson kann keinerlei Rechte abtreten. Anderes gilt nur, wenn die Gefahrsperson vom VN z.B. als unwiderruflich Bezugsberechtigter eingesetzt wird oder ihr die Rechte aus dem Versicherungsvertrag abgetreten werden. 3. Bezugsberechtigter

298

a) Widerrufliche Bezugsberechtigung. Ist der Versicherungsfall eingetreten, hat der widerruflich Bezugsberechtigte eine unentziehbare Rechtsposition erlangt, es steht ihm ab diesem Zeitpunkt ein eigener Versicherungsanspruch gegen den VR zu.342 Über diesen Anspruch kann der Bezugsberechtigte im Wege der Abtretung verfügen. Bevor der Versicherungsfall eingetreten ist, hat der VN lediglich eine schwache 299 Anwartschaft, die als wesenlos oder zerbrechlich charakterisiert wird343 und die nicht abtretbar ist.344 Hasse erwägt allerdings, ob der Bezugsberechtigte die ihm künftig – vielleicht – einmal zustehende Versicherungsforderung mit der Wirkung abtreten könnte, dass sie vom Zessionar mit dem Eintritt des Versicherungsfalles in dem sodann bestehenden Umfang erworben wird.345 Eine solche Abtretung dürfte allerdings zur Kreditsicherung kaum tauglich sein.

341 342 343

OLG Hamburg 24.1.2000 VersR 2000 1218, 1219. Winter ZVersWiss 1970 39, 42. Vgl. oben Rn. 57.

402

344 345

Hasse 20, 21. Hasse 21; a.A. Joseph 90 ff., der eine Abtretbarkeit der Anwartschaft des widerruflich Bezugsberechtigten befürwortet.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

b) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung. Ist ein unwiderruflich Bezugsberechtigter 300 eingesetzt worden, so kann grundsätzlich nicht der VN, sondern nur der unwiderruflich Bezugsberechtigte seinen Anspruch gegen den VR abtreten. Eine solche Abtretung dürfte zwar dem Grundsatze häufig nicht im Sinne des VN sein, ist aber gleichwohl zulässig. Der VN kann die von ihm beabsichtigte Vorsorge in der Weise durchsetzen, dass er durch Vereinbarung mit dem VR nach § 399 BGB die Abtretung ausschließt. Will der unwiderruflich Bezugsberechtigte seinen Anspruch gegen den VR abtreten, 301 so kann das nur insoweit geschehen, wie ihm die Rechte selbst zustehen. Dabei ist insbes. die Abtretung des Kündigungsrecht nach § 168 nicht möglich, es verbleibt trotz der Einsetzung eines unwiderruflich Bezugsberechtigten beim VN. Erfolgt eine Abtretung durch den VN, so erwirbt der Zessionar häufig auch das Kündigungsrecht, bei einer Abtretung durch den unwiderruflich Bezugsberechtigten ist das jedoch nicht möglich. Der Zessionar, der seine Rechte von einem unwiderruflich Bezugsberechtigten herleitet, ist allein forderungsberechtigt. Dem VN steht es jedoch frei, die ihm noch verbliebenen weiteren Ansprüche wie aus der Überschussbeteiligung zusammen mit den ihm noch verbliebenen Gestaltungsrechten an den unwiderruflich Bezugsberechtigten abzutreten. Der Bezugsberechtigte würde dadurch die volle Stellung eines Zessionars und damit auch das Kündigungsrecht und sonstige Gestaltungsrechte erhalten, die ihm als unwiderruflich Bezugsberechtigten nicht zustehen würden. Er könnte diese Rechte – zusammen mit den ihm als unwiderruflich Bezugsberechtigten zustehenden Rechten – seinerseits weiterzedieren. 4. Zessionar Dass eine abgetretene Forderung weiter abgetreten werden kann, liegt auf der Hand. 302 So ist der Zessionar ohne weiteres berechtigt, die erworbenen Rechte gegen den VR seinerseits abzutreten, VN und VR können sich dagegen nur wehren, indem sie die Weiterabtretung nach § 399 BGB ausschließen.346 5. Vertraglicher Pfandgläubiger und gesetzliche Pfändungspfandgläubiger Infolge einer Verpfändung kommt es nur zu einer Belastung der Rechte und An- 303 sprüche des VN, es kommt nicht zu einem vermögensrechtlichen Übergang der Rechte. Der vertragliche Pfandgläubiger ist daher zu einer Abtretung nicht befugt. Er ist allein berechtigt, das ihm nach §§ 1282, 1228 Abs. 2 BGB zustehende Recht zur Einziehung der Forderung einem anderen zu übertragen. Eine solche Abtretung des Einziehungsrechts wäre allerdings zur Kreditsicherung nicht tauglich. Auch für den gesetzlichen Pfändungspfandgläubiger scheidet eine Abtretung grund- 304 sätzlich aus. Auch hier wäre jedoch eine Abtretung des Einziehungsrechts möglich.347

346 347

Joseph 96. Vgl. zu allem ausführlich Joseph 97 ff.; Bruck/Dörstling § 15 Rn. 32, 62.

Gerrit Winter

403

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

VI. Abtretungshindernisse und gesetzliche Abtretungsverbote 1. Unwiderrufliches Bezugsrecht

305

Nach der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts können Forderungen des VN gegen den VR grundsätzlich nicht mehr an Dritte abgetreten werden.348 Trotz unwiderruflicher Bezugsberechtigung bleibt der VN jedoch der Vertragspartner des VR, nur er kann die Versicherung weiterhin kündigen und nur er kann die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umwandeln, §§ 168, 165. Da der unwiderruflich Bezugsberechtigte ein Interesse daran haben kann, auch diese Rechte auszuüben, stellt sich die Frage der Zulässigkeit einer Verfügung über diese Gestaltungsrechte durch den VN – die Frage ist zu bejahen. Denn werden die Gestaltungsrechte gleichfalls auf den Bezugsberechtigten übertragen, so fallen das Recht auf die Versicherungsleistung und die Inhaberschaft an den Gestaltungsrechten nicht auseinander; nur die isolierte Abtretung eines Gestaltungsrechts an einen Dritten begegnet Bedenken. Der VN unterliegt zwar weiter der Prämienzahlungspflicht, er ist auch weiter – als Vertragspartner – der Erklärungsgegner des VR. Insgesamt kommt die Einräumung einer Bezugsberechtigung zusammen mit einer Übertragung der Gestaltungsrechte jedoch der Auswechselung des Vertragspartners des VR sehr nahe.349 2. Vertragliches Abtretungsverbot

306

Der vertragliche Ausschluss der Abtretbarkeit einer Forderung durch den VN nach § 399 BGB findet sich bei Individualverträgen in der Regel nicht, VN und VR haben beide kein Interesse an einer derartigen Vereinbarung. Zu einem vertraglichen Abtretungsverbot kommt es jedoch häufig in Gruppenlebensversicherungen, bei denen die Versicherten einen unmittelbaren Anspruch auf die Versicherungsleistung besitzen, insbes. in der betrieblichen Altersversorgung. Eine Abtretung, die bei bestehendem Abtretungsverbot vorgenommen wird, ist unwirksam.350 Der VR kann die Abtretung jedoch genehmigen.351 3. Abtretung durch die Eltern eines versicherten Minderjährigen

307

Ist die Gefahrsperson minderjährig und ist die Lebensversicherung durch einen Elternteil abgeschlossen, fragt sich, ob zur Abtretung die Einwilligung des Minderjährigen erforderlich ist und ob die gesetzlichen Vertreter den Minderjährigen bei der Einwilligung vertreten können.

308

a) Abtretung bei Lebensversicherungsverträgen, deren Abschluss ohne Einwilligung des Kindes zulässig ist. Wenn nach § 150 Abs. 3 für den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages auf das Leben eines minderjährigen Kindes eine Einwilligung nicht erforderlich ist, so liegt es nahe, dass es auch für die Abtretung einer Einwilligung nicht bedarf. Der Regelung des § 150 Abs. 3 liegt die Erwägung zugrunde, dass in solchen Fällen mit dem Missbrauch einer Lebensversicherung nicht gerechnet zu werden braucht.352

348

Eine Ausnahme liegt der Entscheidung OLG Düsseldorf 3.12.1996 VersR 1997 1215, 1216 zugrunde: Hier ist die unwiderrufliche Bezugsberechtigung für die Dauer der Abtretung durch den VN vertraglich in ihrem Rang zurückgetreten.

404

349 350 351 352

Joseph 101, 102. So schon BGH 14.10.1963 BGHZ 40 159 ff. Näheres m.w.N. bei Joseph 103, 104. Vgl. Bruck/Möller/Winter § 150 Rn. 58.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Der Vertrauensvorschuss, der den Eltern für den Abschluss der Versicherung entgegengebracht wird, muss sich auch auf die Verfügung über die Versicherungsansprüche erstrecken. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Eltern auch bei einer Abtretung das Wohl der Kinder im Auge behalten. Auch eine Abtretung – in der ein Minus gegenüber dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages gesehen werden kann – ist daher ohne Einwilligung des Kindes zulässig. b) Lebensversicherungsverträge, deren Abschluss der Einwilligung des Kindes bedarf. 309 Will man nicht für die Abtretung von Rechten des VN aus einem Lebensversicherungsvertrag, der auf eine fremde Gefahrsperson läuft und der dem Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 untersteht, gleichfalls eine Einwilligung fordern,353 so bedarf es auch bei Verträgen mit Kindern als Gefahrsperson, die für den Abschluss einer Lebensversicherung der Einwilligung bedürfen, nicht einer erneuten Zustimmung, wenn es zu einer Abtretung kommt. Die Einwilligung nach § 150 Abs. 3 deckt auch Verfügungen über eine Lebensversicherung, wie die Abtretung oder die Einsetzung eines Bezugsberechtigten, mit ab. 4. Gesetzliche Abtretungsverbote Gemäß § 400 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfän- 310 dung nicht unterworfen ist.354 Darüber hinaus finden sich Versicherungsformen, bei denen die staatliche Förderung 311 an den Staat zurückzuerstatten ist, wenn der Anspruch gegen den VR abgetreten wird (wie z.B. bei der Rürup- bzw. Basisrentenversicherung). Das führt in der Praxis dazu, dass bei diesen Versicherungsformen schon in den Bedingungswerken eine Abtretung nicht vorgesehen wird (vgl. beispielsweise § 10 (2) GDV-Musterbedingungen Rürup-Rente.

VII. Abtretungsvertrag zwischen Zedentem und Zessionar Die Abtretung ist ein Vertrag, durch den der Altgläubiger/VN/Zedent seine Forderung 312 gegen den Schuldner/VR auf den Neugläubiger/Zessionar überträgt. Eine Abtretungserklärung des Zedenten führt nur zu einer Abtretung, wenn der Zessionar zumindest konkludent 355 das Angebot des Zedenten annimmt. Der Abtretungsvertrag bedarf keiner Form, in der Praxis wird jedoch zumindest die Abtretungserklärung in aller Regel schriftlich abgegeben.356 Nach § 13 (4) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen für die übrigen Bedingungswerke bedarf die Abtretung jedoch der schriftlichen Anzeige an den VR. Erfolgt die Anzeige an den VR nicht, so ist die Abtretung nicht wirksam.357 Häufig legt der VN der Anzeige eine Kopie der Abtretungsvereinbarung bei. Hat der VN seine Abtretungsanzeige nicht dem VR übermittelt, sondern sie dem Zessionar überlassen, der sie dem VR über-

353 354

So mit gewichtigen Argumenten Joseph 223 ff. gegen die h.M. Dazu wird auf die Kommentierung unter Bruck/Möller/Winter § 167 Rn. 11 ff. verwiesen. In der Entscheidung OLG Celle 16.2.1994 RuS 1994 473 wird die Frage einer Übersicherung des Abtretungsgläubigers angesprochen, aber verneint.

355 356 357

RG 13.2.1914 LZ 1914 Sp. 255, 256; BAG 29.7.1967 NJW 1967 2426. OLG Königsberg 27.8.1937 JRPV 1937 361; ÖOGH 7.5.1969 VersRdsch 1969 407. Zur Anzeige im Einzelnen vgl. die Ausführungen zur Anzeige der Einräumung einer Bezugsberechtigung unter § 159 Rn. 95.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

sendet, ohne hierzu weitere Erklärungen abzugeben, so kann der VR davon ausgehen, dass die Abtretungsvereinbarung zumindest konkludent zustande gekommen ist.358 Die Abtretung ist dabei nur wirksam, wenn die Verfügungsbefugnis des VN noch zum Zeitpunkt der Abtretungsanzeige gegeben ist.359 Wird dem VR von dem VN – oder dem sonstigen bisher Berechtigten – die Abtretung 313 angezeigt und wird der Anzeige nicht die Abtretungsurkunde beigefügt, so versucht der VR in aller Regel, von dem Neugläubiger eine Bestätigung der Abtretung einzuholen. Der VR hat angesichts der Erklärungspflicht des Drittschuldners nach § 840 ZPO ein Interesse festzustellen, ob es auch wirklich zu einer wirksamen Abtretung der Versicherungsforderung an den Zessionar gekommen ist; er darf sich nicht allein auf die Anzeige des VN verlassen. Geht der VR ohne weiteres von einer stattgefundenen Abtretung aus und kommt es sodann zu einer Pfändung des Versicherungsanspruchs, so läuft der VR Gefahr, eine unrichtige Erklärung abzugeben, wenn es in Wirklichkeit zu der Abtretung gar nicht gekommen ist.360

VIII. Wirksamkeitsvoraussetzungen bei der Abtretung 1. Keine Übergabe des Versicherungsscheins erforderlich

314

Die Übergabe des Versicherungsscheins ist für die Wirksamkeit der Abtretung rechtlich nicht erforderlich.361 Im Hinblick auf die Inhaberklausel des § 12 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke wird der Zessionar in der Praxis die Aushändigung des Versicherungsscheins aber stets verlangen. Die Übergabe des Versicherungsscheins ist daher stets ein starkes Indiz für eine konkludente Abtretung, vor allem auch, wenn es sich um einen auf den Überbringer lautenden Versicherungsschein handelt.362 Zum Schicksal des Versicherungsscheins bei der Abtretung vgl. § 159 Rn. 334 ff. 2. Keine Einwilligung der Gefahrsperson erforderlich

315

Anders als beim Abschluss des Lebensversicherungsvertrages ist bei der Abtretung des Anspruchs aus einer Todesfallversicherung die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson nach § 150 Abs. 2 nicht erforderlich.363 Dagegen wendet sich Joseph 364 mit beachtlichen Argumenten: Es besteht dem Grundsatze nach ein Schutzbedürfnis der Gefahrsperson nicht nur bei Abschluss des Versicherungsvertrages, sondern auch bei der nachträglichen Abtretung des Versicherungsanspruchs, durch das Hinzutreten des Zessionars verstärkt sich u.U. das Interesse an dem Eintritt des Versicherungsfalls. Kommt es bei dem VN/Schuldner nach der Zession zu einer Einstellung der Zahlungen und wird auch die Lebensversicherungsprämie nicht mehr entrichtet, wird es dem Zessionar sehr

358 359 360 361

362

BGH 9.12.1970 WM 1971 305. BGH 10.3.2010 VersR 2010 936, 938. Zu allem Joseph 86. ÖOGH 11.7.1962 SZ XXXV 208–210 Nr. 77; vgl. ferner ÖOGH 7.5.1969 VersR 1970 96 zur Verpfändung. RG 13.2.1914 LZ 1914 Sp. 955; KG 13.11.1937 JRPV 1938 24 f.; KG 14.1.1939 JRPV 1939 156; OLG Königsberg 27.8.1937

406

363 364

JRPV 1937 361; ÖOGH 11.7.1962 SZ XXXV 208 ff. Nr. 77; OLG Wien 14.2.1946 ÖJZ 1946 115; BAG 29.7.1967 NJW 1967 2435 f. RG 14.6.1932 RGZ 136 395 ff.; OLG Königsberg 27.8.1937 JRPV 1937 361. Joseph 223 ff.; vgl. auch Drews VersR 1987 634 ff.

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Bezugsberechtigung

§ 159

bald deutlich, dass er zu einer vollständigen Befriedigung seiner Forderung nur im Falle des Eintritts des Versicherungsfalles gelangen kann. Von einer solchen erhöhten Gefährdung erfährt die Gefahrsperson nichts, da weder der VN noch der VR verpflichtet sind, den Versicherten über die Zession zu informieren (was rechtspolitisch durchaus wünschenswert wäre). Der Argumentation Josephs kann jedoch gleichwohl nicht gefolgt werden. Die Vor- 316 schrift des § 150 Abs. 2 bezieht sich ihrem Wortlaute nach eindeutig allein auf den Abschluss des Vertrages. Dabei hat es zu bleiben, eine analoge Anwendung der Vorschrift auch auf den Fall der Abtretung ist insbes. auch deswegen abzulehnen, weil sonst die notwendige Negoziabilität der Versicherung eingeschränkt würde. Erteilt die Gefahrsperson bei Abschluss des Vertrages die erforderliche Einwilligung, so ist davon auszugehen, dass zwischen VN und Gefahrsperson ein Vertrauensverhältnis besteht, welches auch eine spätere Zession des Versicherungsanspruchs mit einbeschließt. Der von dem Zessionar möglicherweise ausgehenden Gefährdung der Gefahrsperson ist durch die analoge Anwendung des § 162 auch auf den Zessionar Rechnung getragen.365 Ebenso wenig wie bei der nachträglichen Einräumung eines Bezugsrechts bedarf es bei der Zession der schriftlichen Einwilligung der Gefahrsperson.366 3. Anzeige der Abtretung an den Versicherer a) Absolute Unwirksamkeit der Abtretung bei Nichtanzeige. Nach § 13 (4) GDV- 317 Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke bedarf die Abtretung der schriftlichen Anzeige an den VR.367 Hat der VN als der bisherige Verfügungsberechtigte die Abtretung dem VR nicht schriftlich angezeigt, so ist die Abtretung absolut unwirksam. Die Anzeigepflicht im Sinne der Bedingungswerke schränkt die Befugnis des VN zur Abtretung – ebenso wie zur Einräumung und zum Widerruf eines Bezugsrechts – in deutlicher Weise ein. Grundsätzlich sind rechtsgeschäftlich vereinbarte Verfügungsbeschränkungen mit dinglicher Wirkung gemäß der zwingenden Vorschrift des § 137 Satz 1 BGB nichtig, sofern das Gesetz nicht eine Ausnahme zulässt. Als Ausnahme zu § 137 Satz 1 BGB kommt hier die Bestimmung des § 399 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift aber ist eine Abtretung unwirksam, wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen oder von bestimmten Erfordernissen bzw. einer Anzeige an den Schuldner, einer Zustimmung des Schuldners abhängig gemacht worden ist und dieses Erfordernis nicht erfüllt worden ist. Dabei ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut des § 399 BGB, dass er eine absolute Unwirksamkeit anordnet.368

365 366

367

368

Vgl. Müller ZVersWiss 1911 13; Winter ZVersWiss 1970 52. A.A. Bürkner ZVersWiss 1911 813; von Swinarski 19, 20; zur Problematik vgl. auch RG 9.3.1937 RGZ 154 159. Als schriftliche Anzeige einer Abtretung durch den bisher Berechtigten genügt es, wenn der abtretende VN eine von ihm und dem Zessionar unterschriebene Abtretungsvereinbarung dem VR übergibt, OLG Hamm 25.1.2008 VersR 2008 908, 909. St. Rspr. seit BGH 31.10.1990 VersR 1991 89, 90 (Revisionsentsch. zu OLG München

11.12.1989 VersR 1990 1141, 1142), der die neuere Literatur ausnahmslos folgt; zuvor schon OLG Karlsruhe 16.3.1988 VersR 1989 34; vgl. auch BGH 24.2.1999 NVersZ 1999 365, 366; zum damaligen Meinungsstand im Schrifttum vgl. ausführlich Wagner VersR 1991 622 ff.; intensiv auseinandergesetzt mit der Problematik und mit dem Ergebnis einer relativen Unwirksamkeit der Anzeigeklausel hat sich Joseph 14 ff.; ein Überblick über die Rspr. vor 1989 findet sich bei Bruck/Möller/Winter 8 Anm. H 257.

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§ 159 318

Kapitel 5: Lebensversicherung

Mit Recht hat das OLG München schon 1986 darauf hingewiesen, dass eine absolute Unwirksamkeit der Abtretung bei fehlender Anzeige auch der Billigkeit entspricht: „Ein Forderungsinhaber, der sein Verfügungsrecht durch vertragliche Absprache mit dem Schuldner in der Weise eingeschränkt hat, dass er nur unter bestimmten Voraussetzungen über die Forderung verfügen kann, hat es in der Hand, die Wirksamkeit seiner Abtretung durch Schaffung dieser Voraussetzungen herbeizuführen. Unterlässt er dies, so handelt er zwar im Verhältnis zum Zessionar möglicherweise vertragswidrig, doch bleibt er rechtlich Forderungsinhaber. Wenn er sodann, entgegen der vertraglichen Verpflichtung, die Wirksamkeit der Abtretung nicht durch die erforderliche Anzeige herbeiführt (bis dahin ist schwebende Unwirksamkeit anzunehmen) und stattdessen die Forderung einem anderen überträgt und die Wirksamkeit dieser Abtretung durch Anzeige herbeiführt, so stehen dem ersten Zessionar nur die allgemeinen Rechte aus schuldhafter Vertragsverletzung zu, z.B. Schadenersatz; die schuldhaft vorenthaltene Sicherung als solche kann nachträglich ebenso wenig herbeigeführt werden wie in allen sonstigen Fällen, in denen ein Schuldner vertragswidrig die versprochene Sicherheit nicht stellt.“369

319

b) Überraschungs- und Inhaltskontrolle der Anzeigeregelung. Das Anzeigeerfordernis bei der Abtretung von Versicherungsforderungen stellt für den VN keine überraschende Klausel dar, die klare und eindeutige Regelung dient nach dem OLG Hamm nicht nur den Interessen des VR, sondern auch denen des VN.370 Darüber hinaus hält das Anzeigeerfordernis auch einer Inhaltskontrolle stand. Es 320 handelt sich um einen abgeschwächten Abtretungsausschluss, der nach Ansicht des BGH nicht unangemessen ist, zumal der VN es in der Hand habe, die Abtretung durch eine Anzeige wirksam werden zu lassen.371

321

c) Kein Verzicht des Versicherers auf die Abtretungsanzeige. Ein durchschnittlicher VN, auf dessen Verständnis bei der Auslegung von AVB abzustellen ist, kann der Bestimmung des § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Klauseln der übrigen Bedingungswerke nicht entnehmen, dass die Wirksamkeit einer Abtretung vom VR auch durch „Verzicht auf den Zugang der Abtretungserklärung vor dem Eintritt des Versicherungsfalles durch den Versicherer herbeigeführt“ werden kann.372

322

d) Möglichkeit einer Anzeige vor Zustandekommen der Abtretung. Ist die Abtretungsanzeige bereits im Versicherungsantrag enthalten und geht sie dem VR zusammen mit dem Antrag zu, so wird die Anzeige zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem es auch zur Abtretungsvereinbarung kommt. Das Vorziehen der Anzeige ist in den häufigen Fällen keine Seltenheit, in denen der Lebensversicherungsvertrag auf Verlangen eines Kreditgebers und als Voraussetzung für die Gewährung eines Darlehens abgeschlossen wird. Das Vorziehen der Anzeige ist zulässig, Voraussetzung für die Wirksamkeit der Abtretung der Versicherungsforderung ist jedoch zudem das Zustandekommen des Abtretungsvertrages.373

369 370 371

OLG München 13.6.1986 ZfS 1986 368. OLG Hamm 31.5.1996 VersR 1997 729. BGH 28.1.2003 BGHZ 153 344; vgl. auch BGH 31.10.1990 NJW 1991 559; BGH 19.2.1992 NJW-RR 1992 790.

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372 373

BGH 24.2.1999 VersR 1999 700, 701. BGH 25.4.2001 VersR 2001 883, 884.

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e) Anzeige nach Eintritt des Versicherungsfalles. Hat der VN vor Abtretung der Ver- 323 sicherungsforderung einen widerruflich Bezugsberechtigten benannt und tritt sodann der Versicherungsfall ein, bevor der VR von der Abtretung erfährt, so erwirbt der Bezugsberechtigte den Leistungsanspruch gegen den VR mit dem Tode des VN. Damit entfällt jede Möglichkeit zur nachträglichen Änderung und Einschränkung der Bezugsberechtigung, auch durch eine nachträglich angezeigte Abtretung. Eine Anzeige wird dabei nur wirksam, wenn die Kündigungsbefugnis des bisherigen Verfügungsberechtigten auch im Zeitpunkt der Abtretungsanzeige gegeben ist.374 Daher muss die Abtretung – ebenso wie die Benennung eines Bezugsberechtigten – dem VR vor Eintritt des Versicherungsfalles angezeigt werden.375 Die Überlegungen von Joseph, dass der VR in Einzelfällen auch bei Anerkennung einer Abtretungsanzeige, die nach dem Versicherungsfall bei dem VR eingeht, geschützt sei und es deswegen nicht zu einer doppelten Inanspruchnahme kommt, ändert an dem Ergebnis nichts.376 f) Anzeige durch den neuen Verfügungsberechtigten. Auf dem Formular des Ab- 324 tretungsvertrages lässt sich das Kreditinstitut in aller Regel von dem abtretenden VN eine Klausel unterschreiben, die die Anzeige der Abtretung zur Vorlage bei dem VR beinhaltet. Wenn der Kreditgeber das Formular dem VR zukommen lässt, so erfolgt die Anzeige der Abtretung auf diese Weise gleichwohl durch den VN, also den bisherigen Verfügungsberechtigten, das Kreditinstitut hat allein die Übermittlung übernommen.377 Erfolgt die Anzeige der Abtretung auf andere Weise durch den Kreditgeber, so dürfte 325 der VR bei dem VN in der Regel zunächst die Bestätigung der Abtretung einholen. Handelt das Kreditinstitut bei der Anzeige in angeblicher Vollmacht des Altgläubigers, so hat der VR die Anzeige gegen sich gelten zu lassen, falls er sie nicht unverzüglich unter Hinweis auf den Mangel der Vollmacht zurückweist, § 174 BGB.378 g) Rücknahme der Anzeige. Der VN kann die Abtretungsanzeige nicht einseitig 326 wieder zurücknehmen. Hat der VR dem Zessionar nach erfolgter Anzeige durch den VN die Gläubigerstellung bestätigt, kann die Rechtsposition des Zessionars nicht wieder einseitig zerstört werden. Das dem Schutze des VR dienende Anzeigeerfordernis führt nicht dazu, dass die Rechte des Altgläubigers zulasten des Zessionars erweitert werden. Aber auch, wenn der VR die Anzeige dem Zessionar noch nicht bestätigt hat, kann 327 der Zedent von der Anzeige nicht wieder Abstand nehmen. Das Erfordernis der Anzeige nach § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung ist eine Schutzvorschrift für den Schuldner, wie sie auch in § 409 BGB zum Ausdruck gelangt. Nach § 409 Abs. 2 BGB kann aber eine Anzeige nur mit Zustimmung desjenigen zurückgenommen werden, welcher als der neue Gläubiger bezeichnet worden ist. Ist eine Anzeige an den VR erfolgt, muss sich der VN an dieser Anzeige festhalten lassen.379

374 375

BGH 10.3.2010 VersR 2010 936, 938. BGH 24.2.1999 VersR 1999 700, 701; vgl. auch BGH 14.7.1993 VersR 1993 1219; BGH 10.2.1994 VersR 1994 586; OLG Hamm 14.11.1979 VersR 1980 740.

376 377 378 379

Vgl. Joseph 39. Joseph 42. Bruck/Dörstling § 15 Anm. 45; Joseph 42. RG 23.2.1937 RGZ 154 99, 109; Joseph 42 ff.

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IX. Wirksamkeitszeitpunkt der Abtretung 328

Grundsätzlich wird die Abtretung mit dem Abschluss des Vertrages zwischen Altgläubiger und Neugläubiger wirksam. Es ist jedoch ohne weiteres möglich zu vereinbaren, dass die Abtretung erst zu einem späteren Zeitpunkt – einem Anfangstermin i.S.v. § 163 BGB – wirksam wird. Zu einer solchen Vereinbarung kommt es beispielsweise, wenn der VN die Versicherungsforderung bereits an einen anderen abgetreten hat und er bei Vereinbarung der neuen Abtretung nicht Inhaber der versicherungsrechtlichen Ansprüche ist. Die zweite Abtretung bedeutet für den VN daher die Verfügung eines Nichtberechtigten; nach § 185 Abs. 2 BGB wird die Verfügung jedoch wirksam, wenn er über die Versicherungsforderung wieder verfügen kann. Dass die zweite Abtretung gleichwohl schon jetzt vereinbart wird, hat für den zweiten Zessionar den Vorteil, dass der Zedent auf diese Weise daran gehindert wird, in der Zwischenzeit anderweitig über die Versicherungsforderung zu verfügen, § 163 BGB i.V.m. § 161 Abs. 1 Satz 1 BGB. 329 Kreditinstitute lassen in Zusammenhang mit der Gewährung eines Kredits von dem Kreditnehmer häufig ein Antragsformular auf Abschluss einer Risikolebensversicherung unterschreiben, um den Antrag sodann zusammen mit der Abtretungsanzeige dem LebensVR zuzuleiten. Die Abtretung der Versicherungsansprüche zu einem Zeitpunkt, zu dem erst der Versicherungsantrag gestellt, der Versicherungsvertrag aber noch nicht zustande gekommen ist, ist ohne weiteres zulässig. Denn bei Abtretung einer künftigen Forderung braucht das Rechtsverhältnis – aus dem die Forderung entspringt – noch nicht existent zu sein.380 330 Wird die Abtretung zu einem Zeitpunkt vereinbart, zu dem von dem VR über den Versicherungsantrag noch nicht entschieden ist, so kann sich das Problem ergeben, dass der VR in seiner Annahme von dem Antrag abweichen muss, indem er eine höhere Prämie, eine niedrigere Versicherungssumme oder Leistungseinschränkungen verlangt. Die Abtretung bleibt von derartigen Einschränkungen grundsätzlich unberührt; der VR kann die Abweichungen vom Versicherungsantrag mit dem VN vereinbaren, ohne die Zustimmung des Zessionars einzuholen. Dass der VN dem Zessionar gegenüber verpflichtet ist, auf die Abweichungen hinzuweisen, so dass der Neugläubiger prüfen kann, ob sein Sicherungsinteresse gewahrt ist, ist eine Frage der Abtretungsvereinbarung. Den VR trifft in diesen Fällen grundsätzlich keine Informationspflicht gegenüber dem Zessionar, er kann davon ausgehen, dass der VN den Zessionar von den Änderungen benachrichtigt. 331 Anders kann es sich verhalten, falls der VR eine Bestätigung der Abtretung dem Zessionar gegenüber vornimmt und dieser Bestätigung eine rechtlich bindende Wirkung zukommt. Entscheidend ist hierzu die Auslegung des Vertragswillens der Parteien im Einzelfall,381 so dass es durchaus auch zu einer Pflicht des VR kommen kann, den Zessionar über die aus dem Versicherungsantrag nicht ersichtlichen Leistungseinschränkungen zu unterrichten.382 Es empfiehlt sich, dass der Kreditgeber bei der Weitergabe des Versicherungsantrags mit dem VR vereinbart, ihn über die Abweichungen vom Versicherungsantrag zu informieren.

380

Ausführlich dazu Joseph 118 ff., insbes. auch für den Fall, dass in dem Antragsformular bereits eine Bezugsberechtigung verfügt ist.

410

381

382

RG 13.6.1929 RGZ 125 252, 254; RG 21.10.1911 RGZ 77 157, 158; RG 21.10.1913 RGZ 83 184, 186. A.M. Joseph 127.

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X. Abtretungsbestätigung Zu einer Abtretungsbestätigung des VR kommt es in der Regel, wenn das Kreditinsti- 332 tut die Abtretung der Versicherungsforderung im Namen des VN anzeigt und als Zessionar den VR um eine Bestätigung der Forderung und eine Anerkennung der Abtretung ersucht. Eine solche Bestätigung kann u.U. die Rechtswirkungen des § 405 BGB auslösen oder einen generellen Verzicht auf Einwendungen i.S.d. § 404 BGB bedeuten. Grundsätzlich wird in diesem Zusammenhang von einem Einwendungsausschluss ausgegangen, allerdings nicht solcher Einwendungen, die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung unbekannt waren.383

XI. Versicherungsschein und Abtretung Wird eine Abtretung des Versicherungsanspruchs zwischen dem Neu- und Altgläubi- 333 ger vereinbart, geht das Eigentum an dem Versicherungsschein auf den Zessionar über, ohne dass es dazu der Übergabe des Versicherungsscheins bedürfte. Hat der Zessionar den Besitz an dem Versicherungsschein nicht erhalten, hat der Neugläubiger gegen den Altgläubiger einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB. Daneben hat der Zessionar einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch nach § 402 BGB gegen den Altgläubiger. Probleme ergeben sich in den nicht seltenen Fällen, dass es zu einer nur teilweisen 334 Abtretung der Versicherungsforderung kommt oder dass der VN den Versicherungsanspruch an mehrere Gläubiger abtritt. Im Falle einer nur teilweisen Abtretung an einen Zessionar werden der Alt- und Neugläubiger Miteigentümer an dem Versicherungsschein. Damit der Zessionar seine Gläubigerrechte gegenüber dem VR durchsetzen kann, erhält er in der Praxis den Versicherungsschein, wie es in der Abtretungsvereinbarung häufig auch zum Ausdruck gelangt. Dass der Zessionar im Versicherungsfalle oder bei vorzeitiger Kündigung von der Versicherungssumme bzw. der Rückvergütung keinen größeren Anteil erhält als ihm zusteht, kann der Altgläubiger dadurch vermeiden, dass er den VR mit der Anzeige der Abtretung auch zugleich über ihren Umfang informiert. Sollte der VR wider besseres Wissen und gegen Treu und Glauben dem Zessionar die volle Versicherungssumme oder Rückvergütung auszahlen, entfällt insoweit die Befreiungswirkung,384 zumindest dürfte ein solches Verhalten des VR Schadenersatzansprüche des VN gegen den VR nach sich ziehen. Ein Versicherer wird von seiner Leistungspflicht gegenüber dem bisherigen Berechtigten gleichfalls nicht frei, wenn er vor der Auszahlung dessen Rechtsposition nicht hinreichend geprüft hat.385 Wird die Versicherungsforderung durch den VN an mehrere Zessionare abgetreten, 335 so werden die Neugläubiger sämtlich Miteigentümer des Versicherungsscheins, und zwar im Verhältnis ihrer Forderungsanteile.386 Die einzelnen Zessionare haben dabei einen Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes an dem Versicherungsschein, denn der Miteigentümer hat grundsätzlich das Recht des Mitbesitzes und ist berechtigt, die Einräu-

383

384

BGH 23.6.1971 NJW 1971 2220; BGH 18.10.1972 NJW 1973 39, 40; BGH 4.11.1976 DB 1977 539; Marburger DB 1973 2125 ff.; Joseph 138. RG 8.12.1914 RGZ 86 86, 87; KG 7.2.1921 VA 1922 Anh. 12 Nr. 1238; OLG Karlsruhe 4.1.1956 VersR 1956 217.

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BGH 24.2.1999 NVersZ 1999 365, 366; vgl. BGH 22.3.2000 VersR 2000 709; BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061; BGH 18.11.2009 VersR 2010 375, 376. RG 17.12.1904 RGZ 59 314, 318.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

mung des Mitbesitzes zu verlangen.387 Dazu empfiehlt sich in der Praxis eine vertragliche Regelung in der Abtretungsvereinbarung. Hat ein Zessionar seine Rechte auf einen Teil der Versicherungsforderung zeitlich nachrangig von einem anderen Zessionar erworben, so steht ihm allerdings kein Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes gegen den zeitlich vorrangigen Neugläubiger zu, soweit sich nicht in dem ersten Abtretungsvertrag für diesen Fall ein Vorbehalt findet – zu dem es allerdings angesichts der Verwendung der üblichen Abtretungsformulare nach Joseph nicht kommen dürfte.388

XII. Abtretung als Pfändungshindernis und Pfändung als Abtretungshindernis 336

Sollen die Rechte aus einem Lebensversicherungsvertrag gepfändet werden, so wird sich häufig herausstellen, dass der Anspruch durch den VN bereits abgetreten worden ist. Erstreckt sich die Abtretung nicht nur auf einen Teilbetrag, sondern auf den Gesamtanspruch, ist eine wirksame Pfändung nicht möglich. Handelt es sich um eine Sicherungsabtretung, so könnte der Gläubiger höchstens den künftigen Rückübertragungsanspruch des VN gegen den Neugläubiger pfänden.389 In vergleichbarer Weise ist die Pfändung des Anspruchs aus dem Lebensversiche337 rungsvertrag in der Regel ein Abtretungshindernis, nämlich soweit die Rechte des Pfändungspfandgläubigers durch eine Abtretung tangiert würden.

XIII. Wirkungen der Abtretung 1. Rechtsstellung des Zessionars

338

a) Grundsatz. Der Zessionar erhält die Gläubigerstellung des VN/Zedenten, er ist nunmehr zur Einziehung der fälligen Versicherungsleistung berechtigt, soweit sie von der Abtretung erfasst wird. Das kann im Einzelnen zweifelhaft sein, ebenso wie die Frage, inwieweit von der Abtretung auch das Recht erfasst wird, über den Versicherungsvertrag durch Kündigung,390 Rücktritt, Anfechtung oder Einsetzung eines Bezugsberechtigten391 zu verfügen. Der VR kann dem Zessionar als dem Rechtsnachfolger des VN nach § 404 BGB alle 339 Einwendungen entgegenhalten, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.392 Er kann zudem nach § 406 BGB dem Grundsatze nach eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger – also den VN – zustehende Forderung nach der Abtretung auch dem Zessionar gegenüber aufrechnen.393 Mit Hilfe dieser Vorschriften ist die Position des VR jedoch nicht ausreichend gewahrt, wenn die Prämien erst nach der Abtretung fällig werden, in diesen Fällen greift das Abzugsrecht nach § 35 auch gegenüber dem Zessionar.394 Der Zessionar ist zur Prämienzahlung grundsätzlich nicht verpflichtet, er kann jedoch 340 darauf bestehen, dass der VR bei einem Zahlungsverzug des VN die fälligen Prämien von ihm annimmt, § 34 ist insoweit analog anwendbar.395 Der Sicherungsnehmer kann sich

387 388 389 390 391 392

OLG München 11.12.1954 NJW 1955 637. Joseph 137, zur Gesamtproblematik 129 ff. Im Einzelnen Joseph 141 ff. Vgl. sogleich § 159 Rn. 348. Vgl. § 159 Rn. 355 ff. BAV VerBAV 1951 33.

412

393 394 395

OLG Karlsruhe 15.6.1978 VersR 1979 154. Asmus ZVersWiss 1970 51; Bruck/Möller/ Beckmann § 35 Rn. 3, 9. Hierzu im Einzelnen § 159 Rn. 364; a.M. Bruck/Möller/Beckmann § 34 Rn. 11.

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auch verpflichten, die Prämien bis zur Entstehung des Verwertungsrechts zu zahlen.396 Den Zessionar treffen grundsätzlich auch keine Obliegenheiten/Nebenpflichten, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalles zur erfüllen sind.397 Doch hat der Zessionar nach § 30 Abs. 1 Satz 2 dem VR den Versicherungsfall anzuzeigen; ihm obliegt es auch, die notwendigen Auskünfte zu erteilen und Belege zu beschaffen, § 31 Abs. 2.398 In der Insolvenz des VN besitzt der Sicherungszessionar das Recht auf abgesonderte 341 Befriedigung, § 51 Ziff. 1 InsO.399 Der Gläubiger des VN kann eine Abtretung nach §§ 129 ff., 133 Abs. 1 Satz 1 InsO bzw. § 3 Nr. 1 AnfG anfechten.400 b) Umfang der Abtretung aa) Todesfallleistungen. In den Abtretungsformularen der Kreditinstitute, wie sie der 342 Abtretung im Regelfall zugrunde liegen, ist von den Parteien im Einzelnen kenntlich zu machen, auf welche Forderungen aus einer Lebensversicherung sich die Abtretung bezieht. Soweit das nicht oder nur unzureichend geschehen ist, muss der Abtretungsvertrag unter Berücksichtigung der Interessen der Vertragspartner und des Zwecks des Abtretungsvertrages ausgelegt werden, notfalls auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung. Dabei heißt es in den Formularen regelmäßig, die Abtretung umfasse (zunächst) die 343 gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag für den Todesfall, (partiell) einschließlich der damit verbundenen Zusatzversicherungen (z.B. bei einer Unfallzusatzversicherung), insbes. auch die Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssumme und der Gewinnanteile.401 Vor allem in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Abtretung häufig auf die Ansprüche aus der Hauptversicherung im Falle des Todes begrenzt. Der Hintergrund war teilweise eine bis zum Februar 1992 geltende Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG, wonach Prämienzahlungen für Kapitallebensversicherungen mit mindestens zwölfjähriger Laufzeit (im Rahmen von Höchstbeträgen) als steuermindernde Sonderausgaben geltend gemacht werden konnten. Zinsen aus solchen privilegierten Versicherungen waren von der Steuerpflicht für Kapitaleinnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ausgenommen. Auf diese Weise wurden Lebensversicherungen häufig zur Steuerersparnis im Rahmen von Finanzierungen genutzt, ohne dabei der privaten Alters- oder Hinterbliebenenversorgung zu dienen. Darin sah der Gesetzgeber einen zweckwidrigen Missbrauch der steuerlichen Förderung. Vor diesem Hintergrund wurden Lebensversicherungsverträge seit 1992 grundsätzlich nicht mehr steuerlich privilegiert, wenn sie auch zu Lebzeiten der Gefahrsperson (also mit der Erlebensfallleistung) der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienten, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten waren (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG). Für die Besicherung von Darlehen durch Lebensversicherungsverträge im gewerblichen Bereich führte die Gesetzesänderung von 1992 dazu, dass die steuerlichen Vorteile u.U. auch erhalten blieben, wenn lediglich die Ansprüche auf den Todesfall zur Darlehenssicherung herangezogen wurden.402 Eine Ausdehnung der Dar-

396 397 398 399

OLG Hamm 30.4.1935 JW 1935 2910–2911 mit Anm. Oellers 2911. RG 26.11.1909 RGZ 72 215. Asmus ZVersWiss 1970 51, 52. Müller VW 1971 523. Zur Abtretung im Zusammenhang mit einer Insolvenz vgl. auch OLG Oldenburg 22.3.1974 VersR 1975 415–416.

400

401

402

RG 11.3.1930 Praxis 1930 37; OLG Hamm 30.4.1935 JW 1935 2910–2911 mit Anm. Oellers 2917; BAG 29.7.1967 NJW 1967 2425. Vgl. nur BGH 13.6.2007 VersR 2007 1065, 1067; LG Bonn 14.11.2007 VersR 2008 768, 769. Janca ZInsO 2003 449, 452.

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lehenssicherung auf die Rückvergütung sahen die Finanzbehörden als steuerschädlich an. Das hatte zur Folge, dass die Kreditinstitute darauf achteten, sich nur noch die Ansprüche aus dem Todesfall abtreten zu lassen,403 um den Kunden Steuervorteile zu erhalten und die Akzeptanz der Sicherungsabtretung zu erhöhen. Inzwischen ist die Abzugsfähigkeit der Beiträge auch dem Grunde nach schrittweise so abgebaut worden, dass § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG nur noch auf sog. Rürup-Verträge anwendbar ist.404 Die steuerliche Entwicklung hat jedoch dazu geführt, dass bei der Abtretung zunehmend nach Todesfallleistungen, Erlebensfallleistungen, Überschussbeteiligung, Rückvergütung usw. differenziert wird. Die Abtretung der Lebensversicherungsforderungen wird bewusst zunehmend nur noch zu dem eingeschränkten Sicherungszweck herangezogen, gegen den Kreditratenausfall durch den Tod des Darlehensnehmers geschützt zu werden.405 Eine klare Linie hat sich in der Praxis jedoch noch nicht herausgebildet.

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bb) Erlebensfallleistungen und Überschussbeteiligung. Unproblematisch ist die Erstreckung der Abtretung auf versicherungsrechtliche Erlebensfallleistungen – hier ist die Unpfändbarkeit von besonderer Bedeutung – sowie die Leistungen des VR im Rahmen einer Überschussbeteiligung,406 sie sollten gleichfalls möglichst präzise festgelegt werden. Gewinn- bzw. Überschussanteile aus einer Lebensversicherung sind auch gesondert abtretbar. Der Zessionar kann die Auszahlung der Anteile aber nicht sofort verlangen, wenn sie vertragsgemäß verzinslich angesammelt werden und erst zusammen mit der fälligen Versicherungssumme bzw. mit dem auf eine Kündigung zu erstattenden Rückkaufswert auszuzahlen sind.407

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cc) Rückvergütung. Während früher der Rückkaufswert ohne weiteres als von der Abtretung erfasst gesehen wurde, wenn allein eine Todesfallversicherung, die Ansprüche auf den Todesfall und auf den Erlebensfall oder „alle Rechte“ übertragen wurden, wird von der Rechtsprechung nunmehr – zutreffend – differenziert. Den Anspruch auf die Todesfallsumme als einen durch den Erlebensfall auflösend bedingten Anspruch auf die Versicherungssumme und die Forderung auf den Rückkaufswert als lediglich andere Erscheinungsform des Todesfallanspruchs zu sehen,408 wird den Besonderheiten und der Funktion des Rückkaufs nicht gerecht. Ist die Rückvergütung im Abtretungsvertrag ausdrücklich409 oder in der Umschreibung der abgetretenen Rechte 410 nicht erwähnt oder nicht unmissverständlich gemeint, so bedarf die Zessionsvereinbarung der Auslegung. Denn dem Rückkaufswert kann in finanzieller Hinsicht eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommen. Tritt der Zedent die Versicherungsforderungen ab, die „im Falle des Todes“ des VN fällig werden, so dürfte er unter dem Eindruck stehen, der Zessionar solle eine Absicherung für den Fall erhalten, dass der Zedent mit seiner Arbeitskraft endgültig ausfällt. Er verfügt damit über einen Anspruch, der erst nach seinem Ableben fällig wird, und dürfte weniger vor Augen haben, dass der Zessionar bereits zu seinen Lebzeiten einen Zugriff auf einen Teil seines Vermögens hat, das der VN beispielsweise als

403 404 405 406 407

Herrmann Sicherungsabtretung 92 ff.; Wagner VersR 1998 1083 ff. Goretzky/Wallis VW 2009 826 ff. Ausführlich BGH 13.6.2007 VersR 2007 1065, 1067. Zur Abtretung der Gewinnanteile vgl. LG Bonn 14.11.2007 VersR 2008 768, 769. OLG Hamburg 24.1.2000 VersR 2000 1218, 1219.

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Vgl. BGH 17.2.1966 VersR 1966 359. Beispiel: BGH 18.11.2009 VersR 2010 375, 376. Beispiel: Die Abtretung für den Erlebensfall umfasst auch etwaige Rechte und Ansprüche im Falle der Verwertung vor Fälligkeit, vgl. BGH 13.6.2007 VersR 2007 1065.

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Altersvorsorge vorgesehen hat. Dass die Rückvergütung nur angesichts ihrer rechtlichen Verknüpfung mit der Todesfallleistung Gegenstand eines Abtretungsvertrages ist, der sich in erster Linie auf den Versicherungsfall bezieht, dürfte kaum den Vorstellungen des Zedenten entsprochen haben.411 Deutet im Abtretungsvertrag auch nichts darauf hin, unter welchen Voraussetzungen der Zessionar die Versicherung kündigen und die Rückvergütung einziehen kann, dürften die Vertragsparteien nicht unter dem Eindruck gestanden haben, dass dem Zessionar auch finanzielle Mittel zukommen sollten, mit denen der Zedent eine anderweitige Vermögensgestaltung im Auge gehabt hat und die nicht nur seinen Erben bzw. Bezugsberechtigten zugute kommen sollten. Bei Verträgen, die als kapitalbildende Todesfallversicherungen steuerlich gefördert waren, lag die Vorstellung, die Rückvergütung trotz der steuerschädlichen Auswirkungen in die Abtretung einzubeziehen, besonders fern. Einen „generellen Vorrang“ für eine Zuordnung des Rückkaufswerts zu den Ansprüchen auf den Todesfall gibt es bei der Abtretung nicht, entscheidend sind der Gestaltungswille des VN und die Interessen von Zedent und Zessionar, wie sie der Abtretungsvereinbarung zugrunde liegen412 und sich aus dem Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar ergeben. Im Allgemeinen legen die Kreditinstitute in den von ihnen verwandten Abtretungs- 346 formularen dabei Wert auf eine Abtretung auch der Rückvergütung und behalten sich eine Kündigung der Lebensversicherung für den Fall vor, dass der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt. Die Möglichkeit nicht nur im Falle des Todes des VN auf die Versicherungssumme zugreifen zu können, sondern sich an die vom VN für die Lebensversicherung bereits erbrachte Ansparleistung halten zu können, wenn die Zins- und Tilgungszahlungen dem Kreditinstitut gegenüber ausbleiben, ist für den Zessionar höchst wichtig. Sollte der Zugriff auf die Rückvergütung dem Kreditgeber rechtlich verwehrt werden, würde die kapitalbildende Lebensversicherung als Mittel der Kreditsicherung ihre Bedeutung partiell einbüßen. Gibt sich der Kreditgeber nicht mit einer Risikolebensversicherung zufrieden, um damit das Todesfallrisiko abzudecken, und wird eine kapitalbildende Lebensversicherung Gegenstand des Abtretungsvertrages, dürfte sich die Zession heute in der Regel auch auf die Rückvergütung beziehen. Das gilt auch für den Sonderfall, dass zwischen VN und Zessionar vereinbart worden ist, die Rückzahlung des der Abtretung zugrunde liegenden Darlehens solle aus der Versicherungsleistung erfolgen.413 dd) Pfändungsschutz in Zusammenhang mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversiche- 347 rung. Die Abtretung aller Rechte aus einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist nicht insgesamt unwirksam. Zwar sind vertragliche Rentenansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar und daher gemäß § 400 BGB nicht abtretbar. Ein solcher Pfändungsschutz von Geldrenten, wie sie wegen einer Verletzung des Körpers und der Gesundheit zu leisten sind, dient der existentiellen Sicherung des VN. Der Schutz soll dabei dem Betroffenen nicht nur gegenüber dem Schädiger zustehen, sondern auch wenn die Rentenzahlung im Wege einer Berufsunfähigkeitsversicherung erbracht wird, die der Geschädigte abgeschlossen hat und für die er die Prämien aufbringt.414 Wenn danach die Abtre-

411 412

LG Bonn 14.11.2007 VersR 2008 768, 769. BGH 13.6.2007 VersR 2007 1065, 1067; LG Bonn 14.11.2007 VersR 2008 768, 769; vgl. auch Hülsmann VersR 1996 308, 309.

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Vgl. OLG Hamburg 8.11.2007 VersR 2008 767, 768. Vgl. schon BGH 25.1.1978 VersR 1978 747; im Einzelnen BGH 18.11.2009 (IV ZR

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tung der Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unwirksam ist, so gilt das nicht auch für die Abtretung der Forderungen aus der Lebensversicherung. Zwar bildet die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit der Hauptversicherung in Gestalt der Lebensversicherung, mit der zusammen sie abgeschlossen wird, eine „Einheit“.415 Das schließt eine isolierte Abtretung von Ansprüchen aus der Lebensversicherung als Hauptversicherung jedoch nicht aus. Solange die Prämien für die Gesamtversicherung gezahlt werden, steht der Versicherungsschutz aus der Berufsunfähigkeitsversicherung für den VN trotz der Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung auch weiterhin zur Verfügung. Die Abtretungsvereinbarung ist zerlegbar in eine Abtretung allein der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag und in eine Abtretung der Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Hätten VN und Zessionar allein die Ansprüche aus der Lebensversicherung abgetreten, wäre diese Vereinbarung wirksam. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Abtretungsvertrag bezogen auf die Lebensversicherung nicht geschlossen worden wäre, wenn die Abtretung der Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht wirksam ist. Das folgt insbes. auch daraus, dass „die Lebensversicherung als Hauptversicherung in ihrem Bestand unabhängig vom Bestehen der Berufsunfähigkeitzusatzversicherung ist.416 Vernünftigerweise hätten die Parteien allein die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag abgetreten. Insbesondere auch der Zessionar wäre an einer Teilabtretung nur der Lebensversicherungsansprüche interessiert gewesen. Denn dem Zessionar ist daran gelegen, seine Kreditansprüche für den Fall des Todes des Zedenten durch eine entsprechende Lebensversicherungssumme abzusichern, Rentenansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung sind für ihn weniger von Interesse. Der Zedent aber hat die Möglichkeit, die Lebensversicherung – einschließlich des Rückkaufswerts – dem Zessionar gegenüber als Sicherungsmittel zu verwenden, die Rentenansprüche bleiben ihm erhalten. Der Wirksamkeit der Abtretung der Lebensversicherungsansprüche steht daher auch der hypothetische Wille der an der Abtretung Beteiligten nicht entgegen. c) Recht zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages

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aa) Übertragung. Das Recht zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages nach § 168, mit der der Zessionar den Versicherungsvertrag zum Ende der laufenden Versicherungsperiode auflösen und den Anspruch auf Rückvergütung geltend machen kann, vermag als unselbstständiges Gestaltungsrecht keinen selbstständigen Übertragungsgegenstand zu bilden, es kann nur zugleich mit einer Versicherungsforderung – und zwar der Forderung auf die Rückvergütung – auf den neuen Gläubiger übergehen.417 Das Kündigungsrecht allein besitzt keinen finanziellen Wert, sondern erlangt seine wirtschaftliche Bedeutung erst in Zusammenhang mit der Rückvergütung. Da es sich bei dem Kündigungsrecht nicht um ein höchstpersönliches Recht handelt, ergeben sich gegen seine

415

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39/08) VersR 2010 237, 238 m.w.N.; BGH 18.11.2009 (IV ZR 134/08) VersR 2010 375, 376; KG 7.6.2002 VersR 2003 490, 491; OLG Saarbrücken 9.11.1994 VersR 1995 1227, 1228. Wie in § 9 (1) Satz 1 GDV-Musterbedingungen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung formuliert ist. BGH 18.11.2009 VersR 2010 237, 238; im

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Einzelnen auch OLG Saarbrücken 9.11.1994 VersR 1995 1227, 1228. BGH 17.12.1966 VersR 1966 359, 360; BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022; BGH 18.11.2009 VersR 2010 237, 238; Bayer VersR 1989 17, 18; Heilmann VersR 1972 997, 999; Hülsmann VersR 1996 308; Joseph S. 152 ff.; Wagner VersR 1998 1083, 1084.

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Übertragbarkeit dem Grunde nach keine Bedenken. Das Kündigungsrecht ist dem Recht auf Rücktritt oder Anfechtung vergleichbar. Solche Rechte soll der Zedent nach der Forderungsabtretung nicht mehr allein ausüben können, soweit sich aus der Abtretungsvereinbarung nichts anderes ergibt. Ihm soll es nicht gestattet sein, die dem Zessionar abgetretenen Forderungen – soweit nicht § 161 Abs. 1 BGB greift – zu beeinträchtigen. Ist demgegenüber der Zessionar zur Ausübung des ihm übertragenen Kündigungsrechts berechtigt, so kann das gleichfalls dem Innenverhältnis zum Altgläubiger widersprechen. Aus der Sicherungsabrede kann sich ergeben, dass der Zessionar nur unter bestimmten Voraussetzungen von dem Kündigungsrecht nach § 168 Gebrauch machen kann. Nach Treu und Glauben muss der Zessionar den Zedenten u.U. über die Kündigungsabsicht informieren, da der VN angesichts der auch weiterhin niedrigeren Rückkaufswerte deutliche finanzielle Verluste erleiden kann. Eine Kündigung durch den Zessionar kann u.U. als positive Forderungsverletzung gesehen werden, die einen entsprechenden Schadenersatzanspruch des Zedenten auslöst.418 Aus den Abtretungsvereinbarungen mit den Kreditinstituten ergibt sich in der Regel 349 deutlich, ob das Kündigungsrecht nach § 168 auf den Zessionar übergehen soll, wenn die Abtretung für den Erlebensfall auch die Rechte und Ansprüche im Falle einer Verwertung vor Fälligkeit mit erfassen soll 419 oder wenn der Zessionar berechtigt sein soll, sich den abgetretenen Betrag „im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks … durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufswerts“ zu beschaffen.420 Insbesondere ist davon auszugehen, dass bei Abtretung des Anspruchs auf die Rückvergütung auch eine Abtretung des Kündigungsrechts erfolgt. Der früher verbreiteten Auffassung, dass das Kündigungsrecht auch bei Abtretung beispielsweise nur der Todesfallansprüche „ohne weiteres“ oder doch zumindest „im Zweifel“ mitübertragen wird,421 kann nicht beigepflichtet werden.422 Ergeben sich aus der Abtretungsvereinbarung keine Anhaltspunkte zur Übertragung des Kündigungsrechts, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen zu fragen, ob ein automatischer Übergang des Rechts beabsichtigt ist.423 Auch hinsichtlich der Ausübung des übertragenen Gestaltungsrechts durch den Zes- 350 sionar finden sich in der Regel nähere Bestimmungen in den von den Kreditinstituten verwandten Abtretungsformularen.424 Dabei ist im Allgemeinen von einer Berechtigung zur Kündigung nach § 168 auszugehen, wenn sich der VN/Zedent in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, vielleicht auch die Versicherungsprämien nicht bezahlt und ihm die Ausübung des Kündigungsrechts zuvor angedroht wird.425 418 419 420 421 422 423 424

425

Römer/Langheid/Römer § 165 Rn. 6. Z.B. BGH 13.6.2007 VersR 2007 1065. Z.B. BGH 18.11.2009 VersR 2010 237, 238. Joseph 155 f. Hülsmann VersR 1996 308, 309. Hülsmann VersR 1996 308, 309. Vgl. OLG Hamburg 8.11.2007 VersR 2008 767, 768, auch für den Fall, dass das Kündigungsrecht beim VN verbleibt und nur mit Zustimmung des Kreditinstituts ausgeübt werden kann. Ein Beispiel findet sich in BGH 13.6.2007 VersR 2007 1065: Das Kreditinstitut „ist berechtigt, beim Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere wenn der Kreditneh-

mer seinen Verpflichtungen in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt, sich den abgetretenen (Teil-)Betrag im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks entweder durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufswerts oder durch Einziehung bei Fälligkeit zu beschaffen und die sonstigen sich aus dieser Abtretung ergebenden Rechte aus der Versicherung auszuüben, insbesondere die Versicherung in eine beitragsfreie umwandeln, die Versicherung durch Kündigung aufzulösen, Auszahlungen auf die Versicherung oder eine etwa angesammelte Dividende zu erheben sowie die Rechte und Ansprüche beliebig, auch durch

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Kapitel 5: Lebensversicherung

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bb) Bestehen einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO sollen Rentenansprüche wie aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung dem Schuldner (also dem VN) verbleiben, um seine Existenz zu sichern.426 Die Rentenansprüche sollen vor dem Zugriff eines Gläubigers (wie des Kreditinstituts) geschützt werden. Durch die Übertragung des Rechts zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages wird dem Kreditinstitut jedoch kein Zugriff auf die BU-Rente ermöglicht. Eine Kündigung der Lebensversicherung durch das Kreditinstitut führt nach § 9 Nr. 1 GDVMusterbedingungen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zum Erlöschen des Versicherungsschutzes aus der Hauptversicherung. Ist zuvor bereits – also während der Dauer auch der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit eingetreten, so bleibt der VR zur Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung verpflichtet. Dieser Leistungsanspruch bleibt unangetastet, er läuft längstens bis zum Ablauf der vertraglich bestimmten Leistungszeit, so lange wie der den Versicherungsfall auslösende Zustand andauert. Die Leistungspflicht aus einem zuvor schon eingetretenen Versicherungsfall wird durch die Kündigung der Lebensversicherung nicht beendet.427 Die Bestimmung des § 9 (7) GDV-Musterbedingungen Berufsunfähigkeits-Zusatzver352 sicherung, wonach lediglich im Zeitpunkt der Kündigung der Hauptversicherung „anerkannte oder festgelegte Ansprüche aus der Zusatzversicherung“ durch die Kündigung nicht berührt werden, bedeutet eine unangemessene Einschränkung des Leistungsversprechens des VR und erweist sich nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam. Sie „widerspricht evident dem Interesse des VN, für die in versicherter Zeit geleisteten Prämien bei Eintritt des Versicherungsfalles die versprochenen Versicherungsleistungen zu erhalten.“428 Kündigt der Zessionar die Hauptversicherung und verlangt er die Auszahlung der Rückvergütung, so kann dadurch eine rechtlich erworbene Position des VN aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht beeinträchtigt werden. Mit der Abtretung des Rechts zur Kündigung verliert der VN nur die Möglichkeit, seinen BU-Versicherungsschutz durch Weiterführung der Lebensversicherung auf der Grundlage seiner eigenen Willensentscheidung in der mit dem VR vereinbarten Weise aufrechtzuerhalten. „Vor diesem Nachteil schützt das Pfändungsverbot nicht. Der Einsatz der Lebensversicherung als Sicherungsmittel basiert grundsätzlich auf einer freien Entscheidung des VN als Sicherungsgeber. Hieran darf er ebenso wenig durch § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehindert werden wie z.B. an einer Kündigung des Vertrages aus anderen Gründen.“429 Der BGH weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der VN gesetzlich nicht verpflichtet ist, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen oder aufrechtzuerhalten – daher findet sich auch kein gesetzliches Pfändungsverbot für die Prämienleistung, die für den Erhalt einer Berufsunfähigkeitsversicherung aufzuwenden ist. Würde es durch die

Übertragung an Dritte, zu verwerten. Das gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrag nicht nachkommt. Der Versicherungsnehmer verzichtet auf seine Mitwirkung bei diesen Rechtshandlungen. Soweit etwa eine Genehmigung erforderlich sein sollte, erteilt er sie hiermit im Voraus. … Soweit ausschließlich Todesfallansprüche abgetreten sind, ist die Ausübung (von Rechten) durch den Versicherungsnehmer, insbesondere die

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426 427 428 429

Kündigung des Lebensversicherungsvertrages, nur mit Zustimmung (des Kreditinstituts) möglich, soweit dadurch Rechte (des Kreditinstituts) aus dieser Vereinbarung beeinträchtigt werden könnten.“ KG 7.6.2002 VersR 2003 490. BGH 16.6.2010 VersR 2010 1025, 1026; Terno RuS 2008 361, 367. BGH 16.6.2010 VersR 2010 1025, 1027. BGH 18.11.2009 VersR 2010 237, 239; vgl. auch BGH 18.11.2009 VersR 2010 375, 376.

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Bezugsberechtigung

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Regelung des § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht mehr möglich sein, das Recht zur Kündigung der Hauptversicherung nach § 168 auf den Zessionar zu übertragen, wäre die Sicherungsfunktion der Kapitallebensversicherung erheblich beeinträchtigt.430 cc) Erstreckung der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins auf das Kündi- 353 gungsrecht des Zessionars. Hat der Zessionar den Versicherungsschein ausgehändigt erhalten, so ist der VR berechtigt, an den Inhaber des Versicherungsscheins mit befreiender Wirkung zu leisten, § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 12 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung. Diese Legitimationswirkung des Versicherungsscheins erfasst auch das Kündigungsrecht zur Erlangung der Rückvergütung. Daher kann der VR in diesem Falle den Zessionar als Inhaber des Versicherungsscheins als berechtigt ansehen, den Versicherungsvertrag zu kündigen, um die Auszahlung der Rückvergütung zu erlangen.431 dd) Besonderheit bei der Restschuld- und sonstigen Risikoversicherungen. Bei Risiko- 354 versicherungen bezieht sich die Abtretung häufig allein auf die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag, nicht auch auf die „Rechte“.432 Das hat seinen Grund: Während es bei der kapitalbildenden Lebensversicherung bei einer Kündigung zu einer Rückvergütung kommt, ist das bei einer Risikoversicherung weithin nicht der Fall. Hier findet sich allenfalls eine geschäftsplanmäßig festgelegte, geringe Prämienvergütung, die für den Zessionar als Kreditgeber kaum von Interesse ist. Dem Kreditgeber kommt es darauf an, dass im Falle des Todes des VN die noch offene Darlehenssumme vom VR beglichen wird und dass die Versicherung vom Zedenten nicht vor dem vereinbarten Ablauftermin gekündigt wird, beispielsweise um Prämien zu sparen. Werden nur die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag – und nicht auch das Kündigungsrecht – auf den Kreditgeber übertragen, ist jedoch gleichwohl davon auszugehen, dass der VN die Versicherung im Wege der Kündigung nicht vorzeitig beenden darf. Hier kann an § 161 Abs. 1 Satz 1 BGB gedacht werden, im Übrigen dürfte die Abtretungsvereinbarung – auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung – so zu verstehen sein, dass der VN nicht berechtigt ist, von dem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Eine Lebensversicherung, die jederzeit gekündigt werden kann, bietet dem Zessionar nur eine unzureichende Sicherheit. d) Begründung eines Bezugsrechts durch den Zessionar aa) Widerrufliches Bezugsrecht. Nach allgemeiner Auffassung ist der Zessionar so- 355 wohl bei einer unbeschränkten Abtretung als auch bei einer Sicherungsabtretung berechtigt, für die Leistung des VR im Todes- und Erlebensfall einen widerruflich Bezugsberechtigten einzusetzen, falls die Versicherungsansprüche nicht nur für den Todesfall, sondern auch für den Erlebensfall an ihn abgetreten werden.433 Erfolgt die Abtretung nur hinsichtlich der Ansprüche auf den Todesfall, so kann der Zessionar nur insoweit eine widerrufliche Bezugsberechtigung verfügen. Der Zessionar kann dabei nicht nur einen Dritten, sondern auch sich selbst als Bezugsberechtigten einsetzen. 430 431

432

Römer/Langheid/Römer § 165 Rn. 6. BGH 22.3.2000 VersR 2000 709; BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061; BGH 18.11.2009 VersR 2010 375, 376; BGH 10.3.2010 VersR 2010 936, 937. Anders verhält es sich bei der Abtretung einer Risikolebensversicherung, wie sie dem Urteil des OLG Köln 22.9.2004 VersR 2005 345, 346 zugrunde lag.

433

RG 8.4.1907 LZ 1907 Sp. 437, 438; OLG Hamm 6.1.1971 VersR 1971 246; OLG München 27.12.1937 BankArchiv 1937/38 758, 759 f.; FG Hamburg 15.4.1987 NJW 1988 2063, 2064; Hasse 45; Heilmann VersR 1972 996, 997; Joseph 160 ff.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

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Aus welchen Gründen der Zessionar von der Einsetzung eines Dritten oder von sich selbst als Bezugsberechtigten Gebrauch macht, ist zuweilen schwer nachzuvollziehen. Ob der VR an den Kreditgeber als Zessionar oder in seiner Eigenschaft als Bezugsberechtigter leistet, ist im Normalfall nicht von praktischer Relevanz.434 Übernimmt bei einer Umschuldung ein Dritter dem Zessionar gegenüber die Ablösung der Verbindlichkeit des VN (beispielsweise aus einem Darlehensvertrag), so ist die Einräumung eines Bezugsrechts zugunsten des Dritten ein einfacher Weg, dem Sicherheitsbedürfnis des Dritten zu entsprechen, der im Falle des Todes des VN den Anspruch auf die Versicherungssumme erhält. Ob der Zessionar im Innenverhältnis – also im Verhältnis zum VN – zur Einsetzung 357 eines Begünstigten berechtigt ist, ergibt sich aus der Abtretungsvereinbarung. Vorformulierte Sicherungsabtretungsverträge enthalten in der Regel auch die Übertragung der Befugnis zur Einräumung eines Bezugsrechts.435 Da auch bei einer Sicherungszession die Einsetzung eines widerruflich Bezugsberechtigten durch den Zessionar ohne weiteres möglich ist, kann der Ansicht von Joseph beigepflichtet werden, der Neugläubiger sei auch zur Bezugsrechtsbenennung berechtigt, wenn sich eine solche Berechtigung nicht ausdrücklich aus der Abtretungsvereinbarung ergibt. Allein in solchen Fällen, in denen die Bestellung eines Bezugsberechtigten durch den Zessionar nach der Sicherungsabrede beschränkt oder ausgeschlossen ist, fehlt dem Zessionar die Berechtigung zu einem solchen Vorgehen. Setzt der Sicherungszessionar einen widerruflich Bezugsberechtigten ein, so kann es sich dabei nur um ein für die Dauer der Abtretung befristetes Bezugsrecht handeln.

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bb) Unwiderrufliches Bezugsrecht. Bei einer unbeschränkten Abtretung ist der Zessionar grundsätzlich – auch im Innenverhältnis zum Zedenten – berechtigt, ein unwiderrufliches Bezugsrecht einzuräumen, soweit sich nichts Anderweitiges aus der Abtretungsvereinbarung ergibt. Anders verhält es sich bei einer Sicherungszession: Hier kann der Zessionar grundsätzlich kein unwiderrufliches Bezugsrecht verfügen, an das der VN auch nach Rückzahlung des Darlehens bzw. der Rückabtretung gebunden wäre. Zur Klarstellung empfiehlt sich für die Abtretungsvereinbarung die Regelung, dass das Recht auf Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts infolge der Abtretung nicht auf den Zessionar übergeht. Für den Zessionar ist die Verfügung eines unwiderruflichen Bezugsrechts bei der Wahrnehmung seines Sicherungsinteresses nicht erforderlich.436 e) Umwandlung einer Risikolebensversicherung in eine kapitalbildende Lebensversicherung

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aa) Abtretung bei Umtausch einer Risikolebensversicherung. Nach § 18 GDV-Musterbedingungen Risikoversicherung kann eine Risikolebensversicherung jederzeit vor Ablauf der Versicherung in eine kapitalbildende Lebensversicherung umgetauscht werden.437 Für den VN bringt eine derartige Umwandlung der Risikoversicherung den Anreiz mit sich, dass keine erneute Gesundheitsprüfung vorgenommen wird, um die Versicherung nunmehr als kapitalbildende Lebensversicherung weiterführen zu können. Das gilt insbes. auch für den Fall, dass seit Abschluss der Risikolebensversicherung bereits

434 435

Joseph 161. Vgl. den der Entscheidung OLG Hamm 6.1.1971 VersR 1971 246, 247 zugrunde liegenden Fall.

420

436 437

Joseph 165 f. Zur Risikoumtauschversicherung vgl. im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 163 Rn. 81 ff.

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Bezugsberechtigung

§ 159

mehrere Jahre verstrichen sind und sich der Gesundheitszustand der Gefahrsperson deutlich verschlechtert hat. Mit Blick auf eine Abtretung ergeben sich bei der Umwandlung einer Risikolebensversicherung zwei Fragen: Zunächst fragt sich, ob sich die Abtretung an der kapitalbildenden Lebensversicherung fortsetzt (sogleich unter bb), und zweitens, ob der Zessionar berechtigt ist, die Umwandlung der Versicherung – mit der Folge einer Verbesserung seiner rechtlichen Stellung – selbst vorzunehmen (sodann unter cc). bb) Fortbestehen der Abtretung an der kapitalbildenden Lebensversicherung. Die kapi- 360 talbildende Lebensversicherung stellt eine Fortsetzung der Risikolebensversicherung dar, auch wenn § 18 GDV-Musterbedingungen Risikoversicherung von einem Umtausch spricht. Versicherungstechnisch ist die Anschlussversicherung eine Mischform zwischen einer Fortführung der ursprünglichen Versicherung mit bloßer Änderung ihres Inhalts einerseits und einer neu abgeschlossenen Versicherung andererseits. Versicherungsvertragsrechtlich stellt sich die kapitalbildende Lebensversicherung mit der ursprünglichen Risikolebensversicherung als eine Einheit dar. Die Fortführung des Vertrages erfolgt dabei aufgrund einer in dem Risikolebensversicherungsvertrag enthaltenen Klausel, weite Teile des Vertrages bleiben unverändert und regelmäßig wird durch den VR die Versicherungsnummer des alten Vertrages für den neuen Vertrag beibehalten. Daher dürfte der „Umtausch“ als Fortsetzung des alten Vertrages, verbunden mit einer inhaltlichen Änderung, insbes. einer Prämienerhöhung zu verstehen sein. Aus der Abtretungsvereinbarung ergibt sich in aller Regel nicht, dass die Abtretung mit der Umwandlung des Vertrages endet. Daher bietet es sich an, von einem Fortbestehen der Abtretung an der kapitalbildenden Lebensversicherung auszugehen. Da sich die Absicherung des Zessionars durch die Fortsetzung der Abtretung an einer 361 kapitalbildenden Lebensversicherung (mit der Möglichkeit eines späteren Rückkaufs) verbessert, erwägt Joseph einen Anspruch des VN gegen den Zessionar auf Rückabtretung, wenn der VN sein Umwandlungsrecht kurz vor Ablauf der Risikoversicherung ausübt. Denn der Zessionar hat in aller Regel keinen Anspruch gegen den Zedenten auf Fortführung des ablaufenden Risikoversicherungsvertrages in Gestalt einer kapitalbildenden Versicherung mit erhöhter Prämienleistung.438 Solange es nicht zu einer Rückabtretung kommt, setzt sich die Abtretung an der Versicherung fort, es sei denn, die Abtretungsvereinbarung enthält eine Regelung zum Auslaufen der Abtretung, wenn es zu einer Umwandlung kommt. cc) Keine Ausübung des Umwandlungsrechts durch den Zessionar. Bei einer Risiko- 362 versicherung, bei der eine Rückvergütung keine oder kaum eine Rolle spielt, bezieht sich die Abtretung in der Regel beispielsweise auch nicht auf eine eventuelle Rückvergütung und das Kündigungsrecht. Zu den Rechten, die auf den Zessionar zu übertragen keinen Sinn macht, gehört auch das Umwandlungsrecht, dessen Ausübung für den VN mit der Zahlung einer höheren Prämie verbunden ist. Daher ist bei der Abtretungsvereinbarung grundsätzlich davon auszugehen, dass das Umwandlungsrecht von der Abtretung nicht erfasst ist.439 f) Recht des Zessionars auf Zahlung rückständiger Prämien. Kommt der VN seiner 363 Verpflichtung zur Prämienzahlung nicht nach, kann der Zessionar ein Interesse daran haben, die Prämienzahlung zu übernehmen, um z.B. das Todesfallrisiko weiter abzusichern. Gleichwohl gehört der Zessionar nicht zu dem privilegierten Personenkreis des

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Zu allem Joseph 168.

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A.M. Joseph 169.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

§ 34 Das ist nicht nachvollziehbar, zumal der Reformgesetzgeber dem Pfandgläubiger die Ablöseberechtigung nach wie vor zugestanden hat, und zwar nicht nur beim Pfändungspfandrecht, sondern auch bei der Verpfändung der Versicherungsforderung. Die Zession ist im 20. Jahrhundert weithin an die Stelle einer Verpfändung getreten. Der Zessionar hat in vergleichbarer Weise ein Interesse an der Verhinderung und Beseitigung der Verzugsfolgen beim Lebensversicherungsvertrag wie der Pfändgläubiger. Die Vorschrift des § 34 Abs. 1 ist angesichts der §§ 267, 268 BGB zwar als Ausnahmebestimmung zu sehen. Sie ist jedoch nicht eng, sondern nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen. Angesichts des besonderen Interesses an der Versicherungsleistung, das dem Zessionar als Gläubiger des VN zuzuerkennen ist, erscheint eine analoge Anwendung daher als sachgerecht. Anders als beim widerruflich Bezugsberechtigten, dessen Anwartschaft trotz seines Eingreifens bei dem Prämienrückstand jederzeit entziehbar wäre, ähnelt die rechtliche Stellung des Zessionars eher der Position des unwiderruflich Bezugsberechtigten. Der VN kann die Rechtsübertragung dem Zessionar gegenüber ebenso wenig durch eine einseitige Willenserklärung rückgängig machen wie bei einem unwiderruflich Bezugsberechtigten.440

364

g) Informationspflicht des Versicherers gegenüber dem Zessionar hinsichtlich des Prämienrückstandes. Von dem Zahlungsrecht des § 34 kann der Zessionar nur Gebrauch machen, wenn er entweder vom VN oder vom VR davon unterrichtet wird, dass es zu einem Prämienrückstand gekommen ist. Die Benachrichtigungspflicht des VN hängt von der Ausgestaltung der Abtretungsvereinbarung ab. Eine Informationspflicht des VR findet sich im Gesetz lediglich in engen Grenzen441 und wird für den Zessionar durch die h.M. verneint.442 Dem kann nicht beigepflichtet werden. Der VN kann sich nicht auf sein informationelles Selbstbestimmungsrecht berufen,443 es kann von einer mutmaßlichen Einwilligung des VN ausgegangen werden.444 Eine Verweigerung der Einwilligung zur Information des Zessionars durch den VR würde gegen die vertraglichen Pflichten des Zedenten gegenüber dem Zessionar verstoßen und dürfte in der Regel sogar arglistig sein. Da dem Zessionar ein Verlust seines Versicherungsschutzes droht, wenn er über den Zahlungsverzug des VN nicht orientiert wird und nicht eingreifen kann, erscheint es nur als sachgerecht, dem VR eine entsprechende Informationspflicht aufzuerlegen. 2. Rechtsstellung des Zedenten

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Wird eine Abtretung vorgenommen, so bleibt der VN der Prämienschuldner und teilweise auch Erklärungsgegner des VR, das Versicherungsverhältnis als solches bleibt unberührt. Soweit die Abtretung wirkt, kann der VN nicht mehr über die ihm zuvor zustehenden Forderungs- und Gestaltungsrechte verfügen. Macht der Zessionar einen Versicherungsanspruch gegenüber dem VR geltend, hat eine Ablehnung des VR gegenüber dem Zessionar zu erfolgen.445 440

441 442

Im Ergebnis ebenso Looschelders/Pohlmann/ Stagl § 34 Rn. 3; Ganster Prämienzahlung 381 f.; a.M. Bruck/Möller/Beckmann § 34 Rn. 11, 12; Joseph 170, 171. Vgl. § 34 Abs. 1 SchiffsRG, § 142 Abs. 1 für die Gebäudefeuerversicherung. Vgl. dazu grundsätzlich Frels VersR 1970 984 ff. Bruck/Möller/K. Johannsen § 17 Rn. 18 spricht sich lediglich – im Anschluss

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443 444 445

an Bruck/Möller 8 § 15 Anm. 8 – für eine sich ausnahmsweise aus Treu und Glauben ergebende Informationspflicht des VR aus. Vgl. BVerfG 14.12.2001 VersR 2002 1405, 1406. Im Einzelnen dazu Bruck/Möller/Winter § 166 Rn. 25, 26. BGH 1.10.1986 VersR 1987 41.

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Bezugsberechtigung

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Kommt es zu einer nur teilweisen Abtretung der Ansprüche und des Kündigungs- 366 rechts, so verbleibt der nicht abgetretene Teil des Versicherungsanspruchs bzw. des Kündigungsrechts bei dem Zedenten.446 Der VN hat weiterhin grundsätzlich das Recht, vertragliche Änderungen an dem 367 Lebensversicherungsvertrag vorzunehmen, soweit es dadurch nicht zu einer sicherungsmäßigen Verschlechterung der rechtlichen Position des Zessionars kommt. Beispiele derartiger vertraglicher Änderungen sind die Erhöhung der Versicherungssumme, der Abschluss von Zusatzversicherungen oder die Umwandlung einer Risikoversicherung in eine kapitalbildende Lebensversicherung. Zu Vertragsänderungen, bei denen es zu einer Verschlechterung der Situation des Zessionars kommt, ist der Zedent allerdings nicht befugt: Beispiele sind eine Absenkung der Versicherungssumme oder eine Verkürzung der Laufzeit des Vertrages. Hierzu bedarf es einer Zustimmung des Zessionars. Dem VN verbleibt nach einer Abtretung im Wesentlichen allein die formale Stellung 368 als Vertragspartner des VR. Die Übertragung der VN-Stellung auf einen Dritten – nach erfolgter Abtretung also im Wesentlichen eine Schuldübernahme durch einen Dritten – kann nur mit Zustimmung des Zessionars durchgeführt werden.447 Ein Wechsel des VN kann dazu führen, dass sich die Situation des Zessionars verschlechtert, wenn beispielsweise der neue VN seiner Prämienzahlungspflicht nicht verlässlich nachkommt.448 3. Rechtsstellung des Versicherers a) Bestimmung der Zahlungsfrist und Kündigung nach § 38 VVG. Erklärungsgegner 369 nach § 38 ist grundsätzlich der Prämienschuldner. Angesichts des Umstandes, dass die wirtschaftlichen Nachteile bei Nichtzahlung der Prämie nach erfolgter Abtretung nicht dem Zedenten, sondern weithin dem Zessionar drohen, wird die Ansicht vertreten, dass die Bestimmung der Zahlungsfrist und die Kündigung der Lebensversicherung dem Zessionar gegenüber zu erklären sei.449 Dem kann nicht beigepflichtet werden. Zunächst einmal wäre es systematisch verfehlt, 370 wenn eine Kündigung als eine einseitige vertragsgestaltende Erklärung einem anderen als dem Vertragspartner des VR gegenüber ausgesprochen wird. Würde die Mahnung und Kündigung dem Zessionar gegenüber – der nicht zur Zahlung der Prämie verpflichtet ist – erklärt, so könnte dieser die Fristbestimmung nur zum Anlass nehmen, den VN eindringlich aufzufordern, seiner Zahlungspflicht nachzukommen. Im Übrigen könnte der Zessionar zwar die Prämienzahlung übernehmen, er täte das jedoch aus freien Stücken und nicht, weil er zu einer Zahlung der Prämie verpflichtet wäre. Es darf auch nicht übersehen werden, dass dem Zessionar zwar faktisch Nachteile drohen können, wenn der VR leistungsfrei wird, dass er jedoch berechtigt ist, sich letztlich beim Zedenten schadlos zu halten. Diesen treffen die rechtlichen Folgen und Nachteile der Nichtzahlung in erster Linie. Daher ist auch bei einer Abtretung Erklärungsgegner des VR der VN. b) Rücktritt, Kündigung nach §§ 19, 21, Anfechtung nach § 22 VVG. Der Rücktritt 371 und die Anfechtung wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den VN sind bei der Lebensversicherung insbes. in der Zeit nach Eintritt des Todes des VN von Bedeutung, weil der VR die Angaben des VN im Rahmen der vorvertraglichen Anzeige-

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Beispiele zur teilweisen Abtretung des Kündigungsrechts bei Joseph 146 ff. Vgl. KG 7.6.2002 VersR 2003 490, 491. Ausführlich dazu Joseph 150 ff.

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Bruck/Dörstling § 4 Rn. 15, 36, § 15 Rn. 45.

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pflicht nunmehr mit den Todesursachen vergleichen kann. Nach dem Ableben des VN richtet sich die Empfangsbevollmächtigung hinsichtlich der Willenserklärungen des VR nach § 6 (16) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung bzw. nach § 6 (16) GDV-Musterbedingungen Risikoversicherung oder entsprechenden Klauseln anderer Bedingungswerke. Der Zessionar ebenso wie der Bezugsberechtigte haben im Falle der Ausübung eines Gestaltungsrechts des VR nach diesen Bestimmungen nicht mehr darauf zu warten, ob der VR den Rücktritt usw. rechtzeitig erklärt (u.U. durch öffentliche Zustellung), um sodann, nachdem sie vom VR über den Inhalt seines Schreibens informiert worden sind, über die erforderlichen rechtlichen Schritte zu entscheiden: Sollte kein Empfangsbevollmächtigter bestellt, kein Bezugsberechtigter benannt worden sein oder die Bezugsberechtigung hinter die Abtretung zurücktreten, so hat der VR das Gestaltungsrecht dem Zessionar gegenüber auszuüben, sofern er Inhaber des Versicherungsscheins ist. Die Erklärung des Rücktritts gegenüber den Erben (anstatt gegenüber dem Zessionar) führt dazu, dass die Rücktrittsfrist des § 21 Abs. 1 nicht gewahrt ist.450 Dadurch entsteht für den Zessionar eine klarere Rechtslage, als wenn es zu dieser Bedingungsregelung nicht gekommen wäre.

372

c) Aufrechnungsrecht gemäß § 35 VVG. Ist der Lebensversicherungsvertrag durch den VN oder den Zessionar gekündigt worden, ist es zum Ablauf des Vertrages oder zum Eintritt des Versicherungsfalles gekommen und hat der VR die Versicherungsleistung an den Zessionar zu erbringen, so ist er nach § 35 befugt, eine fällige Prämienforderung oder eine sonstige ihm aus dem Vertrag zustehende fällige Forderung gegen eine Forderung aus der Versicherung auch dem Zessionar gegenüber aufzurechnen. § 35 verbietet es allerdings dem VR, von der Versicherungsleistung Forderungen abzuziehen, die der VN aus einem anderen Versicherungsvertrag nicht beglichen hat. Damit wird durch § 35 zwar das Aufrechnungsrecht des VR erweitert, es wird jedoch nicht das Gebot der Konnexität der Forderungen aufgehoben. Kann der Zessionar von dem VR nur eine Teilleistung beanspruchen, weil ihm nur 373 ein Teil der Versicherungsforderung abgetreten ist, so kann der VR gleichwohl mit dem gesamten Prämienanspruch gegen den Teilanspruch des Zessionars aufrechnen. Denn dem VR ist es grundsätzlich gestattet, mit der gesamten Prämienforderung oder auch nur einem verhältnismäßigen Teil der Beitragsforderung gegen den Teilanspruch des Zessionars aufzurechnen.451

374

d) Hinterlegungsrecht des Versicherers. Die Abtretung der Versicherungsforderung ist besonders häufig Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen VN, Bezugsberechtigtem und Zessionar.452 Obwohl Schwierigkeiten bei Beurteilung der Rechtslage allein nicht zur Hinterlegung berechtigen, für Auseinandersetzungen über die Wirksamkeit einer Abtretung usw. gilt eine Ausnahme.453 Der VR kann in solchen Fällen von seinem Hinterlegungsrecht Gebrauch machen, § 372 Satz 2 BGB.

375

e) Mehrfache Abtretungsanzeige. Erhält der VR von dem VN eine zweite und weitere Abtretungsanzeigen, die sich auf dieselbe Versicherungsleistung beziehen, so kann der

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BGH 5.5.1982 VersR 1982 746; BGH 24.3.1993 RuS 1993 436. Vgl. im Übrigen die Kommentierung von Bruck/Möller/Beckmann zu § 35; Joseph 249. Beispielsweise auch wegen Anfechtung der Abtretung, RG 5.12.1908 RGZ 70 88, 90.

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453

RG 5.12.1908 RGZ 70 88, 90; RG 9.2.1917 RGZ 89 401; BGH 10.1.1957 WM 1957 584, 585; Bruck/Dörstling § 15 Anm. 49; Joseph 250.

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Bezugsberechtigung

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VR die zweite oder dritte Abtretung nicht ohne weiteres bestätigen, auch nicht in Form einer nachrangigen Berücksichtigung. Ist die Versicherungsforderung an einen Dritten abgetreten, so ist die Gläubigerstellung vom Zedenten auf den Zessionar übergegangen. Sie verbleibt bei dem Zessionar solange, wie die Forderung nicht rückabgetreten wird oder auf andere Weise an den VN zurückfällt. Der Zedent/VN kann nach wirksamer Abtretung daher keine zweite wirksame Abtretung vornehmen, solange er nicht erneut Gläubiger geworden ist. Er vermag dem zweiten Zessionar im Voraus nur die seiner Verfügungsmacht künftige wieder unterstehende Versicherungsforderung abzutreten, die nach Erledigung der ersten Abtretung an ihn zurückfallen wird. Ob die zweite Abtretung wirksam wird und der zweite Zessionar überhaupt zum 376 Zuge kommt, ist ungewiss, solange sich die erste Abtretung nicht erledigt hat. Denn der erste Zessionar könnte die Rechte aus der Abtretung als Gläubiger der Versicherungsforderung seinerseits – auch unter Verstoß gegen die Sicherungsabrede – an einen anderen abtreten, an den der VR im Versicherungsfalle leisten müsste, weil diese Abtretung wirksam zustande gekommen ist. Die in der Praxis durch den VR häufig erfolgende Bestätigung einer nachrangigen Abtretung an den vom VN genannten zweiten Zessionar ist zweifelhaft, und vermittelt den Beteiligten gegenüber kein verlässliches Bild. Ihr kann nicht die Bedeutung der üblichen Abtretungsbestätigung zuerkannt werden. Für den VR besteht die Gefahr, auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden, wenn er eine nachrangige Abtretungsbestätigung erteilt; er kann die Abtretung nur vorbehaltlich der Rechte des ersten Zessionars bestätigen.454 f) Auskunftspflicht des Versicherers hinsichtlich des Versicherungsschutzes. Der Zes- 377 sionar hat in erster Linie einen Anspruch gegenüber dem VN, ihn im Rahmen der Abtretungsvereinbarung über den Umfang der abgetretenen Rechte und Versicherungsansprüche aufzuklären. Darüber hinaus hat der Zessionar ein berechtigtes Interesse daran, vom VR die Richtigkeit der Angaben des VN bestätigt zu erhalten und im Einzelnen über den Umfang des Versicherungsschutzes – insbes. über Gefahrausschlüsse – informiert zu werden. Das gilt nicht nur bei größeren Finanzierungen durch den Kreditgeber. Im Einzelnen ist der VR zur Auskunft über die Höhe des Lebensversicherungsschutzes und sämtliche vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet, an denen der Zessionar ein sachlich nachvollziehbares Interesse hat. Da es bezüglich der Abtretung an einer Vorschrift wie § 146 für die Gebäudefeuerversicherung fehlt, ergibt sich die Auskunftspflicht des VR aus § 242 BGB. Ausgenommen sind dabei solche Fakten, die der Einwilligung bedürfen, wie z.B. ärztliche Auskünfte. Für eine unrichtige Auskunft haftet der VR aus positiver Forderungsverletzung gemäß 378 §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, und zwar auch, wenn der VR Auskünfte erteilt, zu denen er nicht verpflichtet war.

XIV. Abtretung nach Bezugsrechtseinräumung 1. Widerrufliche Bezugsrechtsberechtigung Bei den Auswirkungen einer Abtretung auf die widerrufliche Bezugsberechtigung ist 379 nach Vollabtretung (also einer uneingeschränkten Abtretung) und Sicherungszession zu differenzieren.

454

Joseph 253.

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a) Widerruf der Bezugsberechtigung bei uneingeschränkter Zession. Bei einer uneingeschränkten Abtretung wird dem Zessionar eine uneingeschränkte Gläubigerstellung hinsichtlich der Versicherungsforderung übertragen. Die Abtretung steht nicht in Abhängigkeit beispielsweise von einer Kreditgewährung, sie erfolgt, ohne an eine Bedingung geknüpft zu sein. Mit einer solchen Zession ist das Fortbestehen einer widerruflichen Bezugsberechtigung nicht zu vereinbaren, die Bezugsberechtigung wird endgültig widerrufen. Der Widerruf erfolgt ausdrücklich oder konkludent, er wird erst wirksam, wenn er 381 dem VR angezeigt wird, § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke.455 Der Widerruf kann in der Abtretung bzw. ihrer Anzeige liegen. Ob die Abtretung allein dabei schon stets einen Widerruf enthält, kann zweifelhaft 382 sein, weil die Abtretung ausschließlich gegenüber dem Zessionar erklärt wird, während der Widerruf der Erklärung gegenüber dem VR bedarf. In der Praxis ergeben sich daraus jedoch keine Probleme, weil dem VR mit der Anzeige der Abtretung in aller Regel auch der darin erhaltene Widerruf der Bezugsberechtigung zugeht. Die Anzeige darf dem VR allerdings nicht erst nach dem Versicherungsfall, also dem Tode des VN zugehen.456 Daher ist das Datum der Anzeige der Abtretung bzw. des Widerrufs entscheidend dafür, ob der Bezugsberechtigte oder der Neugläubiger das Recht auf die Versicherungsleistung erwirbt. b) Rangrücktritt des Bezugsrechts bei der Sicherungsabtretung

383

aa) Grundsätzliches. Gänzlich anders verhält es sich bei der Sicherungsabtretung. Dabei ist zunächst gleichfalls davon auszugehen, dass sich kein Sicherungsgeber mit einer Abtretung zufrieden geben würde, die ihm im Versicherungsfall oder beim Rückkauf der Versicherung keine Rechte verschafft, sondern es bei der – wenn auch „wesenslosen“ – Anwartschaft des widerruflich Bezugsberechtigten belässt, die mit Eintritt des Versicherungsfalles zum Vollrecht wird. Daher erfolgt auch bei der Sicherungsabtretung ein Widerruf der Bezugsberechtigung, allerdings nur insoweit, wie er erforderlich ist, und zwar in zweierlei Hinsicht: In der Höhe nur soweit, wie eine Forderung des Zessionars abzusichern ist, und, was die Dauer anbelangt, nur solange, wie die Absicherung tatsächlich erfolgt. In der Praxis liegen den Sicherungsabtretungen in der Regel Formulare der Kreditinstitute zugrunde, mit denen der VN seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag „zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen (des Kreditinstituts) in der jeweiligen Vertragshöhe“ an den Gläubiger abtritt und „für die Dauer der Abtretung ein etwaiges Bezugsrecht (widerruft), soweit es den Rechten des Kreditinstituts entgegensteht.“ Sobald das Institut „wegen aller seiner Ansprüche gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, ist es verpflichtet, seine Rechte aus der Abtretung auf den VN zurückzuübertragen.“ Nach der Rechtsprechung 457 besteht jedoch bei einer Sicherungsabtretung „im Allge384 meinen kein ausreichender Grund für die Annahme, der VN wolle zugleich mit der

455

456 457

Zum ausdrücklichen und konkludenten Widerruf der Bezugsberechtigung und die erforderliche Anzeige vgl. § 159 Rn. 212 ff., 234 ff., 225. Vgl. BGH 10.3.2010 VersR 2010 936, 938. BGH 18.10.1989 VersR 1989 1289, 1290;

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BGH 3.3.1993 VersR 1993 553; BGH 8.5.1996 VersR 1996 877, 878; BGH 25.4.2001 VersR 2001 883; BGH 12.12.2001 VersR 2002 218, 219; BGH 27.10.2010 VersR 2010 1630; BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 345 f.; OLG

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Abtretung auch etwaige Bezugsrechte vollständig widerrufen. Das berechtigte Interesse des VN ist nämlich gewöhnlich auf den vereinbarten Sicherungszweck begrenzt, geht lediglich auf einen Vorrang des Sicherungsgläubigers vor anderen Berechtigten und richtet sich dementsprechend nicht auch auf die Ausräumung nachrangiger Bezugsrechte. Ein VN, der an früheren Bezugsrechtsbenennungen „an sich“ festhalten will, wird deshalb dem Sicherungsbedürfnis des Zessionars vernünftigerweise nur in diesem Rahmen Rechnung tragen und sich darauf beschränken, die von ihm benannten Bezugsberechtigten im Range hinter den Sicherungsnehmer zurückzuversetzen.“ Die vorformulierten Erklärungen des VN – wie sie sich auf derartigen Formularen finden – sollen „etwa von ihm früher ausgesprochene Bezugsberechtigungen nur in begrenztem Umfange außer Kraft setzen, soweit nämlich, wie es zur Sicherung (des Kreditinstituts) unbedingt nötig ist.“ Auch wenn sich die Absicherung auf Forderungen des Kreditgebers bezieht, die von wechselnder Höhe oder nicht entstanden sind, wird es von der Rechtsprechung nicht für erforderlich gehalten, zuvor eingeräumte Bezugsrechte, die der VN aus guten Gründen verfügt hat, wegen des Sicherungsbedürfnisses des Kreditinstituts gänzlich wegfallen zu lassen, und sei es auch nur für eine vorübergehende Zeitspanne. Vielmehr reicht es völlig aus, wenn die Rechte der Bezugsberechtigten im Range hinter den Sicherungsnehmer zurückversetzt werden. Dass das Recht auf die Leistung bei einem Vertrag zugunsten Dritter oder auch speziell bei der Lebensversicherung aufgeteilt und verschiedenen Bezugsberechtigten zugewendet werden kann, ist unbestritten. Auch gegen die Begründung eines Rangverhältnisses zu einem Sicherungszessionar bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Dabei ist freilich vorausgesetzt, dass der Sicherungszweck, der den Bezugsberechtigungen vorgehen soll, inhaltlich klar festliegt und der Höhe nach bestimmbar ist.“ Daher ist die zuvor zitierte vorformulierte Widerrufsklausel „dahin zu verstehen, dass der VN mit ihr die von ihm ausgesprochenen Bezugsrechtsbenennungen nicht vollständig widerruft, sondern nur dahin einschränkt, dass sie hinter den vereinbarten vorrangigen Sicherungszweck“ zugunsten des Kreditinstituts zurücktreten. Teile der Versicherungsleistungen, die von dem Kreditinstitut nicht benötigt werden, werden von dem Widerruf nicht erfasst. Die im Rang lediglich zurückgesetzten Bezugsrechte bleiben voll wirksam. Die Versicherungssumme, die für die Abdeckung der gewährten Kredite nicht benötigt wird, geht daher an den Bezugsberechtigten und nicht an die Erben.458 Kommt es zum Versicherungsfall (also zum Tode des VN), so erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung, soweit sie die gesicherte Forderung übersteigt, unmittelbar und ohne eine weitere Rechtshandlung (wie etwa die Rückabtretung des Sicherungsnehmers).459 Die Bezugsberechtigung steht aber auch in der Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalles im Rang hinter den Rechten des Sicherungsnehmers zurück.460 Hat der VN seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung zur Sicherung der Schuld eines Dritten an dessen Gläubiger abgetreten, so sprechen die Interessen der

458 459

Hamm 19.11.1996 VersR 1997 1386; OLG Koblenz 1.2.2007 VersR 2007 1257, 1259; OLG Köln 29.3.1990 VersR 1990 1338, 1339; OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378, 1379 mit kritischer Anm. Bayer VersR 1990 1379 f.; vgl. auch OLG Stuttgart 1.12.1989 VersR 1990 369. BGH 18.10.1989 VersR 1989 1289, 1290; BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346. Sog. dingliche Lösung: BGH 12.12.2001

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VersR 2002 218, 219; BGH 27.10.2010 VersR 2010 1630; BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346; vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Brömmelmeyer § 42 Rn. 203; Römer/Langheid/Römer § 166 Rn. 17; kritisch Prölss/Martin/Reiff/Schneider § 13 ALB 86 Rn. 57 ff. BGH 27.10.2010 VersR 2010 1630; BGH 18.1.2012 VersR 2012, 344, 346.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Beteiligten regelmäßig dafür, dass der vereinbarte Sicherungszweck sich nicht mit dem Tode des VN erledigt haben soll.461 Es ist nur konsequent, dass der VN dabei nachträglich – also nach der Abtretung – 385 auch eine Änderung und Auswechslung des Bezugsberechtigten vornehmen kann. Denn durch die Bezugsrechtsänderung wird weder der Sicherungszweck gefährdet noch in irgendeiner Weise in die rechtliche Position des Kreditgebers eingegriffen.462 Durch die Sicherungszession entfällt auch die Verfügungsbefugnis des VN nur insoweit, wie dies das vorrangige Interesse des Kreditgebers notwendig macht. Gleichfalls folgerichtig ist es, dass die Sicherungsabtretung die spätere Verfügung des 386 VN über die Bezugsberechtigung nicht nur hindert, sie erlaubt auch die erstmalige Einsetzung eines Bezugsberechtigten (also wenn zuvor ein Bezugsrecht noch nicht verfügt war), soweit die Versicherungsforderung der Höhe nach von der Sicherungsabrede nicht erfasst wird oder soweit nach Befriedigung des Sicherungsnehmers ein Überschuss verbleibt.463

387

bb) Rückführung des Kredits nach dem Tode des Versicherungsnehmers. Wird der Kredit nicht vor, sondern erst nach dem Tode des VN zurückgeführt, stellt sich bei der Bezugsberechtigung gleichfalls die Frage nach einer Wiedereinnahme ihres früheren Ranges, wie sie ihn vor der Abtretung und dem Widerruf innehatte. Da im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles nach wie vor ein Sicherungsbedürfnis des Kreditinstituts gegeben ist, könnte sich der Widerruf der Bezugsberechtigung in dem Sinne auswirken, dass das Kreditinstitut endgültig Inhaber der Versicherungsforderung ist und die vom VN mit der Verfügung des Bezugsrechts beabsichtigte Privilegierung der Begünstigten zulasten der Nachlassgläubiger gescheitert ist. Die Einräumung einer Bezugsberechtigung nach dem Versicherungsfall ist begrifflich ausgeschlossen. Denn ein Bezugsrecht als Anwartschaft auf die Versicherungsforderung setzt voraus, dass der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Nach dem Versicherungsfall kann ein erst in der Folge eingeräumtes widerrufliches Bezugsrecht nicht mehr zum Anspruch auf die Versicherungsleistung erstarken.464 Das aber muss nicht zwingend auch für den Rangrücktritt und die Wiedereinnahme des früheren Ranges des Bezugsrechts gelten. Der BGH geht angesichts der Gestaltungsfreiheit im Zusammenhang mit der Bezugsberechtigung zu Recht davon aus, dass die Bezugsrechtbestimmung auch in der Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalles bis auf Weiteres fortbesteht.465 Es liegt im Interesse des VN und des VR, den Bezugsberechtigten im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern ein Vorrecht einzuräumen. Das wird auch vom Zessionar akzeptiert, wenn er – wie es häufig der Fall ist – verpflichtet ist, den sich nach Eintritt des Versicherungsfalles ergebenden Überschuss an den Bezugsberechtigten auszukehren. Mit der Zession der Versicherungsforderung an den Kreditgeber will der VN die Versicherungssumme nur dem Zessionar und nicht auch sämtlichen anderen Gläubigern zur Verfügung stellen. § 159 Abs. 2 ist keine zwingende und keine halbzwingende Norm und ein Bezugsrecht, das die Versicherungssumme dem Bezugsberechtigten auch zugute kommen lässt, wenn der Zessionar – dessen Kreditforderung aus anderen Sicherungsrechten (z.B. einer Grundschuld) beglichen worden ist –

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BGH 27.10.2010 VersR 2010 a.a.O. OLG Köln 29.3.1990 VersR 1990 1338, 1339. Vgl. OLG Hamm 1.7.1994 VersR 1994 1053 mit Anm. Bayer VersR 1994 1053, 1054.

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464

465

BGH 19.11.1985 VersR 1986 231; BGH 8.5.1996 VersR 1996 877, 878; OLG Frankfurt 21.9.1983 VersR 1984 755. BGH 27.10.2010 VersR 2010 1630.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

nach Eintritt des Versicherungsfalles feststellt, dass er die Versicherungsleistung (teilweise oder gänzlich) nicht mehr benötigt, wird den Interessen der Beteiligten am ehesten gerecht.466 Das OLG Oldenburg 467 versucht, den Interessen des Bezugsberechtigten mit Hilfe 388 einer Drittbegünstigung aufgrund des Abtretungsvertrages entgegenzukommen. Dessen bedarf es jedoch nicht. In den Abtretungsformularen der Kreditinstitute heißt es in der Regel: „Wenn die Bank die abgetretenen Versicherungsansprüche freigibt, lebt die Bezugsberechtigung wieder auf; ein Überschuss aus der Verwertung der Versicherungsansprüche ist von der Bank an den bisherigen Gläubiger auszuzahlen.“468 Die Bezugsberechtigung bleibt auch nach dem Tode des VN aufrechterhalten, der Bezugsberechtigte hat einen Anspruch gegen den VR auf den Überschuss.469 Der VR trägt das Risiko der richtigen Erfüllung, er kann u.U. auch hinterlegen. Wenn das OLG Oldenburg im zweiten Satz der Klausel auch eine zwischen dem VN und dem Kreditinstitut vereinbarte Begünstigung des Bezugsberechtigten sehen will, der der Wille von Zedent und Zessionar zu entnehmen ist, dem Bezugsberechtigten „für den Fall des Todes des VN einen unmittelbaren Anspruch auf einen Verwertungsüberschuss zuzuwenden (§ 331 Abs. 1 BGB)“, so ist das sicherlich nachvollziehbar. Einer solchen Auslegung stände „weder die zu Lebzeiten des VN bestehende Anspruchsberechtigung noch die Widerruflichkeit der Bezugsberechtigung entgegen. Sie entspricht auch der Interessenlage der Parteien des Abtretungsvertrages. Finanzielle Belange der Bank werden durch die Auskehrung eines Verwertungsüberschusses ohnehin nicht berührt. Der Vorstellung und den Interessen des VN entspricht es, die bisherigen Bezugsberechtigten im Falle seines Todes in ähnlicher Weise wie vor Abschluss des Abtretungsvertrages zu begünstigen und ihnen einen auf Bereicherungsgrundsätze zu stützenden Anspruch gegen die Bank auf Auskehrung eines Verwertungsüberschusses zuzuwenden. Durch die Abtretungsverträge sollte die ursprüngliche Bezugsberechtigung mithin nur insoweit außer Kraft gesetzt werden, wie es zur Sicherung der Bank unbedingt notwendig war.“470 Mit einer solchen Konstruktion wird ein Ergebnis erreicht, zu dem auch der BGH mit der von ihm vorgenommenen und an den Interessen der Beteiligten orientierten Auslegung der abgetretenen Ansprüche durch den Zessionar gelangt.471 Damit wird sichergestellt, dass die Lebensversicherungssumme dem Zugriff der Nach- 389 lassgläubiger entzogen wird und beispielsweise die bezugsberechtigten Kinder des VN erreicht. Dabei sind die Abtretungsformulare weit auszulegen: Ihrem Wortlaut nach beziehen sie sich zwar häufig nur auf die Auskehrung eines eventuellen Verwertungsüberschusses. Ihrem Sinn und Zweck nach beziehen sie sich aber auch auf die Konstellation, dass die gesamte Versicherungssumme frei wird, wenn die durch die Abtretung gesicherten Darlehensforderungen aus anderen Mitteln zurückgeführt werden.472 Sind neben der Lebensversicherung weitere Sicherheiten zugunsten des Kreditgebers bestellt worden und ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag kein Rangverhältnis der Sicherheiten, so wird im Zweifel dem Kreditgeber die Entscheidung darüber überlassen, welche Sicherheiten er verwerten und in welcher Reihenfolge er dabei vorgehen will.473

466 467 468 469 470

Vgl. BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346. OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378 mit Anm. Bayer VersR 1990 1379, 1380. Beispiel: OLG Oldenburg 24.4.1990 a.a.O. BGH 27.10.2010 VersR 2010 a.a.O. OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378, 1379.

471 472

473

BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346. OLG Oldenburg 24.4.1990 VersR 1990 1378, 1379; BGH 18.1.2012 VersR 2012 344, 346 f. Bayer VersR 1990 1379, 1380.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

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Die Entscheidung BGH 8.5.1996474 bedeutet nicht die Abkehr von einer jahrzehntelangen umfassenden Privilegierung des Bezugsberechtigten – und damit der Familie des VN – gegenüber den Nachlassgläubigern. Ist der Nachlass überschuldet, so kann die Privilegierung der Bezugsberechtigten bei einer widerruflichen Begünstigung nicht mehr greifen, sofern der VN von der Kreditsicherungsfunktion der Lebensversicherung Gebrauch gemacht hat und der Kredit bei seinem Tode nicht zurückgeführt war. Derartige Konstellationen dürften keine Ausnahme sein und in der Praxis die Privilegierung der Bezugsberechtigung stark einschränken. Entscheidend ist jedoch, dass der VN die Kreditfunktion des Versicherungsvertrages nur dem Zessionar gegenüber in Anspruch nehmen will und bei einer Zession die Begünstigung z.B. eines Angehörigen nur gegenüber einem Kreditgeber und nicht generell zugunsten der Nachlassgläubiger aufgeben will.

391

cc) Uneingeschränkter Widerruf der Begünstigung bei einer Sicherungszession. Auch bei einer Sicherungszession kann die Abtretungserklärung bzw. die Abtretungsanzeige den Widerruf der Bezugsberechtigung ohne Einschränkungen regeln. Das Wesen einer Sicherungsabtretung ist es zwar, dem Gläubiger nur solange Rechte gegenüber dem VR einzuräumen, wie es aus Gründen der Absicherung erforderlich ist. Daraus allein zu schließen, dass der VN, der einen unbeschränkten Widerruf erklärt hat, einen über den Wortlaut hinausgehenden Willen mit dem Widerruf verbunden hat, lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Auch wenn der bloße und uneingeschränkte Widerruf einer Bezugsberechtigung eher die Ausnahme darstellen mag, es kommt in diesen Fällen durchaus dazu, dass der VN nach erfolgter Rückabtretung auf die Neueinräumung eines Bezugsrechts verzichtet.475 2. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung

392

a) Grundsatz. Ist ein unwiderruflich Bezugsberechtiger eingesetzt worden, so unterliegen die Forderungen aus der Versicherung grundsätzlich nicht mehr der Verfügungsmacht des VN.476 Eine Abtretung durch den VN ist nicht mehr möglich, zu einer Gefährdung der rechtlichen Situation des unwiderruflich Bezugsberechtigten kann es grundsätzlich nicht kommen. Nur der unwiderruflich Bezugsberechtigte könnte im Prinzip die Ansprüche gegen den VR abtreten. Kommt es zu einer Abtretung durch den Bezugsberechtigten, so ist auch insoweit von Bedeutung, ob es sich um eine Vollabtretung oder eine Sicherungszession handelt. Tritt der unwiderruflich Bezugsberechtigte seine Versicherungsforderung gegen den 393 VR im Wege einer Sicherungszession an den Kreditgeber ab und erklärt er dabei seine Zustimmung dazu, dass sein Bezugsrecht für die Dauer der Abtretung im Rang im Vergleich zur Abtretung zurücktritt, so erhält er mit der Rückabtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag wieder das erstrangige unwiderrufliche Bezugsrecht, wie er es vor der Abtretung innehatte.477 Das hat zur Folge, dass der VR den Rückkaufwert nur an den unwiderruflich Bezugsberechtigten auszahlen kann.

474 475 476

BGH 8.5.1996 VersR 1996 877, 878 mit Anm. Kummer ZEV 1996 264, 265. Vgl. Joseph 185, 186. BGH 17.2.1966 VersR 1966 359; OLG Hamm 1.4.2009 VersR 2010 57; OLG Koblenz 1.2.2007 VersR 2007 257, 258;

430

477

zu einem eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht vgl. BGH 19.6.1996 VersR 1996 1089, 1090. OLG Düsseldorf 3.12.1996 VersR 1997 1215, 1216.

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Bezugsberechtigung

§ 159

b) Abtretungsbefugnis des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Überschussbeteili- 394 gung aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung mit dem Versicherer. Hat der VN mit dem VR ausdrücklich oder konkludent bei der Einsetzung eines unwiderruflich Bezugsberechtigten vereinbart, dass er hinsichtlich der Leistungen aus der Überschussbeteiligung anspruchsberechtigt bleiben soll, hat er insoweit auch weiterhin die Möglichkeit einer Abtretung. Dazu kommt es beispielsweise bei der Konstellation, dass der VN bei seiner Lebensversicherung eine so hohe Summe vereinbart hat, dass er zur Zahlung der Prämien nur in der Lage ist, wenn die jährlichen Überschussanteile mit den Prämien verrechnet werden. Schon die Vereinbarung allein einer Anrechnung der Überschussanteile bei der Prämienforderung kann so verstanden werden, dass dem VN die jährlichen Überschussanteile zustehen und nicht dem unwiderruflich Bezugsberechtigten.478 Tritt der VN den Anspruch auf die Überschussanteile an seinen Kreditgeber ab und ist er deswegen nicht mehr in der Lage, die fälligen Prämien zu entrichten, so kann das für unwiderruflich Bezugsberechtigen bedeuten, dass die Versicherung durch den VN gekündigt oder in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wird.479 Im Falle einer Kündigung aber hat der unwiderruflich Bezugsberechtigte allein den Anspruch auf die Rückvergütung. c) Abtretungsbefugnis des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Überschussbeteili- 395 gung bei fehlender Vereinbarung. Erfolgt keine Vereinbarung über die Zuordnung der Überschussbeteiligung bei der Einräumung eines Bezugsrechts, stehen die Überschüsse dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zu. Dagegen spricht zwar, dass die Gewinnbeteiligung weniger als vom VR geschaffene Versicherungsleistung zu sehen ist, als die Rückgewähr aus Vorsichtsgründen zu hoch erhobener, vom VR nicht benötigter Prämien. Gerade auch angesichts der Schaffung des § 153 und seiner Ausgestaltung, wie sie als Folge der Rechtsprechung des BVerfG zur Prämienrückgewähr in einem verursachungsorientierten Verfahren vorgenommen wird, spricht Einiges dafür, die Überschussbeteiligung dem VN als dem zur Prämienzahlung Verpflichteten zuzuweisen. Entscheidend ist jedoch, dass die Prämien in das Eigentum des VR übergegangen sind, der VR keinen Weisungen des VN bei seiner unternehmerischen Betätigung unterliegt und die Überschüsse rechtlich eine Beteiligung am Bilanzüberschuss des VR darstellen und damit eine Versicherungsleistung,480 wie sie vom Bezugsrecht erfasst wird. Davon kann nur abgewichen werden, wenn der VN und der VR eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben.481 Ohne Zustimmung des unwiderruflich Bezugsberechtigten kann eine Neuordnung der Überschussanteile auf den VN nicht vorgenommen werden. d) Kein Anzeigeerfordernis des unwiderruflich Bezugsberechtigten. Ob das verfü- 396 gungsbeschränkende Anzeigeerfordernis des § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke hinsichtlich einer Abtretung auch für den unwiderruflich Bezugsberechtigten gilt, ist aus dem Bedingungswerk unter Berücksichtigung der zum Bedingungswerk gehörenden einleitenden Hinweise für den VN und den Bezugsberechtigten nicht mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen. Dass diese Regelung auch für den unwiderruflich Bezugsberechtigten gilt, würde zwar Sinn und Zweck der Bestimmung entsprechen, die dem VR Klarheit über die Anspruchsberechtigung verschaffen soll. Wenn der Bezugsbe-

478

479

LG München 18.1.1962 VersR 1963 965, 966; Diekmann VersR 1963 1006; Haasen 76 f.; Joseph 194 f. Vgl. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 162, 167.

480 481

Haasen 77. So bereits Bruck/Dörstling § 15 Rn. 46; Joseph 198.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

rechtigte als Nichtversicherungsnehmer durch das Bedingungswerk „nicht unmittelbar“ angesprochen werden soll und die Rechte und Pflichten, wie sie sich aus den Bedingungen ergeben, „vorrangig nur den VN“ angehen sollen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Bezugsberechtigte die Anzeigepflicht bei seiner Abtretung auch auf sich beziehen muss.482 Das Anzeigeerfordernis bei einer Abtretung gilt daher gemäß § 305c Abs. 2 BGB nicht auch zulasten des Bezugsberechtigten. Die von einem unwiderruflich Bezugsberechtigten vorgenommene Zession ist auch ohne Anzeige an den VR rechtswirksam.

397

e) Auslegungszweifel hinsichtlich des Ranges eines unwiderruflichen Bezugsrechts. Kommt es bei einer Abtretung zu Zweifeln über den Rangrücktritt eines unwiderruflichen Bezugsrechts, so gehen verbleibende Zweifel zulasten des VR. Der VN kann eine Abtretung der Versicherungsansprüche nur vornehmen, wenn der unwiderruflich Bezugsberechtigte auf sein Bezugsrecht insoweit ausdrücklich verzichtet und der Abtretungsvereinbarung als solcher und ihren Modalitäten ausdrücklich zustimmt. An die Feststellung eines rechtsgeschäftlichen Willens, auf eine rechtliche Position wie das unwiderrufliche Bezugsrecht verzichten zu wollen, sind strenge Anforderungen zu stellen, der Wille darf nicht vermutet werden.483 3. Geteilte Bezugsberechtigung

398

Auch bei der geteilten Bezugsberechtigung bei der gemischten Lebensversicherung kann es zu einer Abtretung kommen. Wieweit den Beteiligten eine Abtretung möglich ist, beurteilt sich nach der von dem VN gewählten Form der Bezugsrechtsverfügungen. So kann der VN für den Todesfall ein unwiderrufliches oder ein widerrufliches Bezugsrecht einräumen und für den Erlebensfall gleichfalls einen widerruflich oder unwiderruflich Bezugsberechtigten bestimmen oder sich die Versicherungsleistung selbst zukommen lassen. Dabei ist das jeweilige Recht des unwiderruflich Bezugsberechtigten aus der Todesfall- bzw. Erlebensfallversicherung auflösend und das jeweilige widerrufliche Bezugsrecht aus der Erlebens- bzw. Todesfallversicherung ebenso wie das Recht des VN aufschiebend bedingt. Soweit widerrufliche Bezugsrechte verfügt werden, kann der VN seine Versicherungs399 forderungen stets abtreten, die Bezugsrechte treten im Rang hinter die Abtretung zurück. Der unwiderruflich Bezugsberechtigte ist stets zur Abtretung seiner Forderungen berechtigt. Eine auf die Erlebensfallleistung beschränkte Abtretung kann nur beim Vorliegen 400 besonderer Anhaltspunkte angenommen werden, da der Zessionar in der Regel insbes. für den Todesfall abgesichert sein möchte.484

401

a) Unwiderrufliches Bezugsrecht für den Erlebens- und den Todesfall. Bei der Einräumung derartiger Bezugsrechte gilt der Grundsatz der Priorität,485 beide Bezugsberechtigte erwerben sogleich das Recht auf die Versicherungsleistung. Der VN hat grundsätzlich keine Möglichkeit, die Versicherungsforderungen abzutreten.486 Die Abtretungsbe-

482 483 484

OLG Karlsruhe 1.6.2006 VersR 2007 341, 342. OLG Hamm 1.4.2009 VersR 2010 57, 58. Hasse 79.

432

485 486

OLG Frankfurt 14.9.2000 VersR 2002 219, 220. Vgl. LG Frankfurt 7.11.1956 VersR 1957 211; Winter ZVersWiss 1970 39, 43.

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Bezugsberechtigung

§ 159

fugnis steht dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zu. Eine Ausnahme besteht selbstverständlich für den Fall, dass der unwiderruflich Bezugsberechtigte zustimmt, wenn der VN die Rechte aus dem Vertrag abtritt. Der unwiderruflich Bezugsberechtigte tritt für die Zeit der Abtretung im Rang zurück und erhält nach der Rückabtretung erneut das erstrangige Bezugsrecht mit der Folge, dass der VR beispielsweise den Rückkaufswert nur an ihn auszahlen kann.487 Eine Ausnahme besteht auch insoweit, als die laufenden Überschussanteile dem VN zustehen können und er sie mit der Prämienforderung des VR verrechnet. Soweit die Überschussanteile dem VN zustehen, kann er auch eine Abtretung vornehmen. b) Unwiderrufliches Bezugsrecht nur für den Todesfall. Liegt die Funktion der kapi- 402 talbildenden Lebensversicherung in der Altersvorsorge für den VN (Erlebensfallleistung) und in der Hinterbliebenenversorgung (unwiderrufliche Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung), so geht die überwiegende Auffassung auch für diesen Fall davon aus, dass sich der Vorsorgezweck der unwiderruflichen Bezugsberechtigung nur erreichen lässt, wenn das Recht auf die Versicherungsleistung nicht mehr der Verfügungsmacht des VN unterliegt. Daher findet auch bei dieser Konstruktion zugunsten des unwiderruflich Bezugsberechtigten ein sofortiger Rechtserwerb statt, der durch den Eintritt des Erlebensfalles auflösend bedingt ist.488 Der Widerrufsverzicht lässt darauf schließen, dass für den VN die Hinterbliebenenversorgung eindeutig überwiegt. Das Recht des VN auf die Erlebensfallleistung ist aufschiebend bedingt. Wird diese Konstruktion zugrunde gelegt, so hat das zur Folge, dass bis zum Eintritt der auflösenden Bedingung (also bis zum Erlebensfall) jede nach dem Versicherungsvertrag zu erbringende Leistung dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zusteht. Wird der Versicherungsvertrag durch den VN gekündigt, so ist die Rückvergütung an den unwiderruflich Bezugsberechtigten zu erbringen. Die Stellung des unwiderrufliche Bezugsberechtigten entspricht auch in diesem Falle – in dem die Erlebensfallleistung dem VN zusteht – der Position des unwiderruflich Bezugsberechten in der reinen Todesfallversicherung. Daher liegt es nur nahe, dem VN auch bei dieser Konstruktion das Recht zur Abtretung zu verweigern. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Fall einer gemischten Lebensver- 403 sicherung mit unwiderruflicher Bezugsberechtigung anders liegt als die Konstellation einer bloßen Todesfallversicherung: Bei der gemischten Versicherung steht dem VN als Alleinberechtigtem ein aufschiebend bedingter Anspruch auf die Erlebensfallleistung zu. Da Forderungen, falls nicht ein Abtretungsverbot greift, auch bedingte, grundsätzlich abtretbar sind, muss auch die Forderung des VN aus der gemischten Lebensversicherung abtretbar sein. Durch eine solche Abtretungsmöglichkeit, die sich auf die Erlebensfallleistung bezieht, wird die Rechtsstellung des unwiderruflich Bezugsberechtigten für die Leistung im Todesfall nicht tangiert. Insbesondere wird auch das Prinzip des sofortigen Rechtserwerbs, wie es mit einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung verbunden ist, nicht berührt. Der Zessionar kann durch die Abtretung keine bessere Rechtsstellung erhalten als sie der VN abtreten kann. Auch das Kündigungsrecht des VN kann von dem Zessionar nicht zuungunsten des Begünstigten ausgeübt werden: Es würde beim Zedenten bleiben, da es nur zusammen mit dem Anspruch auf Rückvergütung abgetreten wird, der Anspruch auf den Rückkaufswert steht jedoch dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zu. Auch weil es sich um eine bedingte Forderung handelt, kann der Anspruch auf

487 488

OLG Düsseldorf 3.12.1996 VersR 1997 1215, 1216. BGH 17.2.1966 VersR 1966 359, 360; Hasse

27; Joseph 203; Kühlmorgen 53 ff.; Winter ZVersWiss 1970 39, 43.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

die Erlebensfallleistung abtretbar sein, denn bei der Abtretung einer künftigen Forderung braucht bekanntlich das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung herrühren soll, noch nicht zu bestehen.489 An der für den unwiderruflich Bezugsberechtigten grundsätzlich gegebenen Abtre404 tungsmöglichkeit hinsichtlich des auflösend bedingten Anspruchs auf die Todesfallleistung gelten keine Besonderheiten.

405

c) Unwiderrufliches Bezugsrecht nur für den Erlebensfall. Ungleich weniger häufig sind gemischte Versicherungen, bei denen ein unwiderrufliches Bezugsrecht allein für den Erlebensfall eingeräumt ist (beispielsweise um einen voraussehbaren Geldbedarf des Bezugsberechtigten für diesen Zeitpunkt abzudecken).490 Der VN, der über die Todesfallleistung im Wege eines widerruflichen Bezugsrechts verfügt hat, kann allein den Anspruch auf die im Todesfall fällig werdende Versicherungsleistung abtreten. Da im Falle einer Kündigung durch den VN die Rückvergütung an den unwiderruflich Bezugsberechtigten zu erbringen ist, kann der Zessionar nur eine schwache Rechtsposition erlangen, zu einer Versicherungsleistung kommt es nur beim Tode der Gefahrsperson. Das widerrufliche Bezugsrecht tritt bei einer Abtretung des VN im Range entsprechend zurück.

D. Zweitmarktinvestor I. Problematik und Möglichkeiten der Übertragung 406

Angesichts der langen Laufzeiten von kapitalbildenden Lebensversicherungen lassen sich die künftigen finanziellen Möglichkeiten und Bedürfnisse des VN bei Vertragsschluss nur schwer einschätzen. Eine ungünstige wirtschaftliche Entwicklung, Arbeitslosigkeit, Ehescheidung, enttäuschende Renditen beim gewählten VR lassen den VN daran denken, die Lebensversicherung aufzugeben, um einen plötzlichen Kapitalbedarf abzudecken und die laufenden Ausgaben zurückzuführen. Da die Höhe einer Rückvergütung bei Kündigung des Lebensversicherungsvertrages nach § 168 von vielen VN noch immer als verhältnismäßig gering empfunden wird, hat sich auch in Deutschland ein Zweitmarkt für „gebrauchte“ Lebensversicherungsverträge entwickelt, auf dem VN ihre kapitalbildenden Lebensversicherungen – und zwar fast ausschließlich nur gemischte Lebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht – verkaufen können. Dabei erhält der Verkäufer einen Kaufpreis, der erheblich über der üblichen Rückvergütung liegt, der Erwerber übernimmt vom Zeitpunkt des Erwerbes ab die weitere Prämienzahlung und bekommt bei Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherungsleistung. Häufig wird bei einer gemischten Lebensversicherung der Todesfallschutz zugunsten der Hinterbliebenen der Gefahrsperson aufrecht erhalten und die Differenz zwischen der Todesfallleistung und dem Kaufpreis zuzüglich erbrachter Prämienzahlungen sowie unter Berücksichtigung eines kalkulatorischen Zinses an die Hinterbliebenen ausgekehrt. Erlebt die Gefahrsperson bei der gemischten Lebensversicherung das Ende der Vertragslaufzeit, so wird der Verkäufer an der Erlebensfallleistung nicht beteiligt. Es findet sich jedoch die Alternative, dass dem Erwerber die gesamte Todesfallleistung auszukehren ist. Im Einzelnen sind die unterschiedlichsten Modalitäten bei der Weiterführung des Lebensversicherungsvertrages entstanden.491 489 490

Ausführlich zu allem Joseph 208 ff. OLG Frankfurt/M. 19.12.2001 VersR 2002 963, 964.

434

491

Vgl. zu allem Honsel Liber amicorum für Gerrit Winter 505 ff.; König VersR 1996 1328 ff.; Keil Der Zweitmarkt für Lebens-

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Bezugsberechtigung

§ 159

Um die erforderliche Übertragung des Lebensversicherungsvertrages auf den Erwer- 407 ber vorzunehmen, bieten sich neben der Einräumung eines Bezugsrechts zugunsten des Erwerbers zwei Möglichkeiten an: Die Vertragsübernahme (unten unter Rn. 412 ff.) und die Abtretung aller Rechte und – soweit möglich – Pflichten aus dem Lebensversicherungsvertrag (sodann unter Rn. 426 ff.). Die bloße Verfügung eines Bezugsrechts zugunsten des Investors wird den Interessen des Erwerbers nicht gerecht und scheidet daher von vornherein aus. Denn in diesem Falle hätte der VN weiterhin die laufenden Beiträge zu zahlen, er könnte seine Gestaltungsrechte – insbes. auch das Recht zur Kündigung nach § 168 – weiterhin ausüben und die rechtliche Position des Erwerbers wäre zu wenig abgesichert, auch nicht bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung. Verpflichtet sich der VN als Verkäufer dem Käufer gegenüber, von seinen Gestaltungsrechten nicht Gebrauch zu machen, so würde das dem VR gegenüber keine rechtlichen Wirkungen entfalten.

II. Auskunft zum Vertragsstand durch den Versicherer Entscheidende Voraussetzungen für den Verkauf einer bereits laufenden Lebensver- 408 sicherung ist eine ausführliche und korrekte Information über ihre Werthaltigkeit wie die vereinbarte Versicherungssumme, die Laufzeit, Beiträge, den Tarif, den erreichten Rückkaufswert, die zu erwartende Überschussbeteiligung, Abtretungen, Abtretungshindernisse und Bezugsberechtigungen. Zwar kann der VN aus den Vertragsunterlagen die relevanten Informationen zumeist – häufig allerdings nur mit Unterstützung eines Fachmannes – selbst entnehmen, für eine verlässliche und vollständige Auskunft ist er jedoch auf den VR angewiesen. In der Praxis erteilt der VN dem Investor eine Informationsvollmacht, mit der sich der Käufer an den VR wenden und eine entsprechende Bestätigung erhalten kann. In der Regel wird der VR bereit sein, die gewünschten Informationen zur Verfügung zu stellen, zumal er auch ein Interesse daran haben kann, den Vertrag nicht durch Kündigung und Auszahlung der Rückvergütung zu verlieren. Eine spezielle Auskunfts- und Bestätigungspflicht ergibt sich weder aus dem Gesetz 409 noch aus den Bedingungswerken. Angesichts der lang andauernden vertraglichen Beziehungen zwischen VN und VR, der sonstigen Informations- und Auskunftspflichten des VR gegenüber dem VN, der hohen Stornoquote – wobei die Kündigung der Versicherung zumeist aus zwingenden Gründen erfolgt – und der für den VN noch immer deutliche Verlust bei der damit verbundenen Regelung der Rückvergütung muss aus Treu und Glauben ein entsprechender Auskunfts- und Bestätigungsanspruch des VN gegenüber dem VR hergeleitet werden. Der VR kann eine derartige Information und Bestätigung zur Werthaltigkeit des einzelnen bei ihm geführten Versicherungsvertrages unschwer geben. Ausgeschlossen von dem Auskunftsanspruch sind Daten zum Gesundheitszustand der Gefahrsperson usw.492

versicherungspolicen (2006); Sieprath Der Handel mit gebrauchten Lebensversicherungen aus versicherungsvertragsrechtlicher, aufsichtsrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht (2007); Wernicke Der Zweitmarkt für Lebensversicherungen in der Bundesrepublik Deutschland (2009); Böhm Besteuerung von

492

auf dem Zweitmarkt erworbenen deutschen Lebensversicherungen (2010); Riedel 183, jeweils m.w.N. Zu allem Honsel Liber amicorum für Gerrit Winter 508 ff., wobei Honsel einem derartigen Anspruch skeptisch gegenübersteht.

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435

§ 159 410

Kapitel 5: Lebensversicherung

Hat der VR Bedenken gegen eine vorbehaltlos zu erteilende Auskunft und Bestätigung, so muss er seine Vorbehalte gegenüber dem VN zum Ausdruck bringen. Ergeben sich in Zusammenhang mit den Daten, die der VR dem VN übermittelt, Leistungsverweigerungsrechte des VR, so könnte darin u.U. ein Verzicht auf Einwendungen gegen den Vertrag gesehen werden. Um dieser Gefahr und möglichen Schadenersatzansprüchen zu entgehen, muss der VR auf Umstände, die er bislang nicht prüfen konnte und aus denen Einwendungen hergeleitet werden können, unmissverständlich hinweisen.

III. Vertragsübernahme durch den Investor 1. Auswechslung des Versicherungsnehmers

411

Die Übernahme des Versicherungsvertrages durch den Erwerber kann zum einen in der Weise erfolgen, dass der VN im Einzelnen sämtliche Ansprüche und Rechte aus der Lebensversicherung an den Erwerber abtritt (§§ 398, 413 BGB) und dieser sämtliche Pflichten aus dem Vertrag in einem Rechtsakt übernimmt (§ 415 BGB). Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass der gesamte Lebensversicherungsvertrag vom VN auf den Erwerber übergeht. Bei einer solchen Gesamtübernahme wird der VN aus dem Lebensversicherungsvertrag gegen einen außenstehenden Dritten – den Erwerber/Investor – in der Weise ausgetauscht, dass der VN gänzlich aus dem Vertragsverhältnis ausscheidet und der Erwerber in sämtliche Rechte und Pflichten der ausscheidenden Vertragspartei im Wege der Sondernachfolge eintritt. Dabei bleibt die Identität des Lebensversicherungsvertrages im Übrigen gewahrt. Die Folge der Auswechslung ist nicht etwa die Auflösung des ursprünglichen und die gleichzeitige Neubegründung eines Versicherungsvertrages. Obschon die Gesamtnachfolge in einen schuldrechtlichen Vertrag keinen Ausdruck in einer speziellen gesetzlichen Regelung gefunden hat, ergibt sie sich aus der Vertragsfreiheit und hat in dieser Form allgemeine Anerkennung gefunden.493 Sie entspricht dem Bedürfnis der Parteien, sämtliche sich aus einem Schuldverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten in einem Rechtsgeschäft auf eine andere Person zu übertragen. Nicht nur die Gesamtübertragung, sondern auch die zu Beginn erwähnte zusammengefasste Einzelübertragung bilden ein einheitliches Rechtsgeschäft, das nicht in seine einzelnen Teile aufgelöst werden kann.494 Eine solche Übernahme des Lebensversicherungsvertrages durch den Investor berück412 sichtigt die Interessen des bisherigen VN und des Erwerbers, wie sie beim Verkauf einer Zweitmarktpolice erkennbar werden, in idealer Form. Der VN scheidet aus dem Vertrag mit dem VR aus und ist nicht mehr zur Fortsetzung der Prämienzahlung verpflichtet, er kann die rechtliche Position des Erwerbers nicht mehr negativ beeinflussen, insbes. den Vertrag auch nicht mehr kündigen. Die Gestaltungsrechte aus dem Lebensversicherungsvertrag stehen sämtlich dem Käufer zu, der gesamte vertragliche Rahmen der Gefahrübernahme durch den VR bleibt im Übrigen unberührt, auch bei der Gefahrsperson tritt keine Änderung ein. Der Lebensversicherungsvertrag kann mit einem neuen VN weitergeführt werden, seine Funktion und seine Verwendungsmöglichkeiten bleiben aufrecht erhalten.

493

Wagner JuS 1997 690, 692; Soergel/Zeiss Vor § 398 Rn. 5; Palandt/Grüneberg § 398 Rn. 41.

436

494

Coester MDR 1974 803, 804; Pieper Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt 177 ff.; Palandt/Grüneberg § 398 Rn. 41.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Die Durchführung einer solchen Vertragsübernahme bedarf der Mitwirkung sämt- 413 licher Beteiligter, in der Regel in der Form einer Vereinbarung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Versicherungsvertrages, unter Zustimmung des VR. Zwischen dem VR und dem früheren VN bestehen nach Durchführung des Rechtsgeschäfts keine rechtlichen Beziehungen mehr, der Vertragspartner des VR ist der neue VN. Die rechtlichen Folgen der Gesamtnachfolge ergeben sich aus §§ 398 ff., 415 BGB in analoger Anwendung. 2. Zustimmungserfordernis des Versicherers Das Zustimmungserfordernis des VR bei einem VN-Wechsel ist unbestritten und 414 ergibt sich aus § 415 BGB analog. Dem Grundsatze nach ist die Vertragspartei, die einen Vertrag mit einem neuen Vertragspartner fortsetzen soll, darin frei, dazu ihre Zustimmung zu geben oder sie zu verweigern. Denn den Beteiligten steht es – auch angesichts des Prinzips der Vertragsfreiheit – frei, mit wem sie einen Vertrag eingehen wollen. Der VR wird dabei die Bonität des Investors und die Wahrscheinlichkeit der Weiterführung der Versicherung bis zum Versicherungsfall mitberücksichtigen. Obwohl die Bonität des neuen Vertragspartners in der Regel als höher einzuschätzen sein dürfte als die des ursprünglichen VN, wird die Zustimmung durch den VR in der Praxis überwiegend verweigert.495 3. Keine Zustimmungspflicht des Versicherers Dabei liegt es nahe, in analoger Anwendung des § 415 BGB davon auszugehen, dass 415 der VR zu einer solchen Genehmigung nicht verpflichtet ist. Aus einer Bestimmung des Versicherungsvertrages einschließlich der Bedingungswerke lässt sich eine Zustimmungspflicht nicht herleiten, sie kann sich nur aus den Normen des VVG bzw. nach § 242 BGB ergeben: In diesem Zusammenhang ist in erster Linie an § 95 zu denken. Diese Vorschrift 416 bezieht sich auf den Eintritt des Erwerbers einer versicherten Sache in einen bestehenden Versicherungsvertrag, bei der Vertragsübernahme in der Lebensversicherung ist jedoch keine Sache, sondern das Leben der Gefahrsperson versichert, es kommt auch nicht zu einer Veräußerung des versicherten Objekts. Darüber hinaus ist der VR nach § 96 Abs. 1 bei einem Übergang des Versicherungsvertrages auf den Erwerber zur Kündigung berechtigt, also zu einer Lösung des Versicherungsvertrages, die bei der Vertragsübernahme durch den Zweitmarkterwerber gerade vermieden werden soll. Insoweit passen die §§ 95 ff. VVG nicht. Sie sind – als Eingriff in die Freiheit der Wahl der Vertragspartner – auf die Sachversicherung beschränkt, eine analoge Anwendung, aus der für den Bereich der Lebensversicherung eine Zustimmungspflicht des VR hergeleitet werden kann, kommt nicht infrage.496 Auch aus dem Gedanken des § 170 Abs. 1 kann eine Zustimmungspflicht des VR 417 nicht hergeleitet werden. Nach dieser Bestimmung kann ein Bezugsberechtigter oder ein enger Verwandter des VN in den Versicherungsvertrag eintreten, wenn eine Zwangsvollstreckung usw. in die Versicherungsforderung erfolgen soll.497 § 170 dient damit dem Schutz des mit dem VN nicht identischen Bezugsberechtigten und nicht dem Schutz des

495 496

Zuletzt Böhm 58 Fn. 237. Böhm 55, 56.

497

Vgl. dazu im Einzelnen die Erläuterungen zu § 170.

Gerrit Winter

437

§ 159

418

419

420

421

Kapitel 5: Lebensversicherung

VN vor sich selbst, weil er die laufenden Prämien nicht mehr aufbringen kann oder will und mit dem Verkauf der Versicherung auf dem Zweitmarkt ein höheres Entgelt als die ihm vom VR gewährte Rückvergütung erzielen möchte.498 Wie Wernicke ausführlich diskutiert hat, kann die Verweigerung der Zustimmung auch nicht als Verletzung einer vertraglichen Rücksichtspflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB durch den VR gesehen werden.499 So bleibt schließlich die Überlegung, ob die Verweigerung der Zustimmung als unzulässige Rechtsausübung des VR nach § 242 BGB anzusehen ist. Ein Verstoß gegen § 242 BGB wäre gegeben, wenn der VR mit der Verweigerung der Genehmigung kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt. Zumal da Sinn und Zweck des § 415 BGB auf dem Gedanken beruht, dass die Bonität des Schuldners für den Wert einer Forderung eine maßgebende Bedeutung hat, kann davon ausgegangen werden, dass der VR ein Interesse daran hat, durch die Vertragsübernahme keinen neuen Schuldner mit geringerer Bonität zu erhalten. Dass ein institutioneller oder ein sonstiger Investor über eine geringere Zahlungsfähigkeit verfügt als der VN, der sich aus der Prämienzahlungspflicht lösen möchte, dürfte zwar grundsätzlich nicht zutreffen, ist aber letztlich auch nicht auszuschließen. Ob es für den VR finanziell interessanter ist, den Stornogewinn zu verbuchen, als den Versicherungsvertrag fortzuführen, möglichst bis zum Eintritt des Versicherungsfalles, kann nicht beurteilt werden.500 Angesichts der – für den VN positiven, für den VR aber negativen – Verbesserung der Rückvergütung durch die Reform des VVG dürften sich auch die Stornogewinne weiterhin verringern und für den VR zunehmend weniger attraktiv sein. Ob die eventuelle Befürchtung des VR berechtigt sein kann, dass die Lebensversicherungspolicen zum Spekulationsobjekt von Zweitmarktunternehmen und der VR von einem Wohlverhalten solcher Unternehmen abhängig zu werden droht, ist gleichfalls schwer zu beurteilen, kann jedoch nicht von der Hand gewiesen werden. Als Interesse des VN ist demgegenüber insbes. das Bemühen um eine möglichst optimale Verwertung seines Versicherungsvertrages in Betracht zu ziehen. Ein Verkauf des Vertrages an einen Investor aber ist für den VN finanziell deutlich vorteilhafter als auf die Rückvergütung des VR angewiesen zu sein. Bei der Interessenabwägung geht Wernicke davon aus, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Vertragsübernahme durch den Investor – trotz der Reform des § 169 – für den VN im Einzelfall ungleich höher zu bewerten ist als das Interesse des VR an der versicherungsmäßigen Auflösung des Vertrages und dass sich daher die Verweigerung der Zustimmung zur Vertragsübernahme als rechtsmissbräuchlich darstellt.501 Dem kann nicht beigepflichtet werden. Von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten kann nur ausgegangen werden, wenn sich die Verweigerung der Zustimmung als untragbar erweist. Angesichts dessen, dass weder die Lebensversicherungsbedingungen, das VVG, noch die Vorschrift des § 415 BGB eine Pflicht zur Zustimmung durch den VR statuieren und es nicht rechtmissbräuchlich sein kann, wenn ein Vertragsteil eigene Interessen verfolgt, kann davon jedoch keine Rede sein. Dabei dürften auch Kostengesichtspunkte für den VR zu berücksichtigen sein. Eine Zustimmungspflicht des VR würde sich zudem als Kontrahierungszwang auswirken, eine Einschränkung der Vertragsfreiheit jedoch nur zu rechtfertigen sein, wenn der VN erhebliche Nachteile auch deswegen erfährt, weil er auf einem anderen Wege seine Interessen nicht wahren kann. Das aber ist nicht der Fall, der

498

Sieprath 91; Wernicke 131 Fn. 609; Böhm 56, 57; zweifelnd König VersR 1996 1328, 1331.

438

499 500 501

Wernicke 131 ff. Vgl. dazu Wernicke 138 ff., 140. Wernicke 142 ff.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

VN kann seine Ziele über eine Abtretung fast ebenso gut verwirklichen, wenn man an die Möglichkeit einer analogen Anwendung der Vorschrift des § 34 bei Zahlungen des Zweitmarkterwerbers denkt.502 Abtretung und Beitragszahlungsabrede sind einer Vertragsübernahme im Wesentlichen gleichwertig. Aus Treu und Glauben lässt sich daher keine Zustimmungspflicht des VR begründen. 4. Kein Einwilligungserfordernis für die Gefahrsperson Verkauft der VN die Forderungen aus einer kapitalbildenden Todesfallversicherung 422 an einen Zweitmarktinvestor und ist er selbst die Gefahrsperson, so liegt im Verkauf zugleich die Zustimmung zur Vertragsfortführung. Ist nicht der VN, sondern ein anderer versichert, so hat die fremde Gefahrsperson bereits bei Abschluss der Versicherung die erforderliche Einwilligung nach § 159 Abs. 2 erklärt. Einer erneuten Einwilligung bei einer Abtretung oder bei einer Vertragsübernahme durch einen Dritten bedarf es nicht. Mit ihrer Einwilligung bei Vertragsschluss hat die Gefahrsperson dem VN einen Vertrauensvorschuss entgegengebracht, der sich auch auf Verfügungen über die Versicherung erstreckt.503 Verbleibt die Todesfallsumme (abzüglich der vom Käufer bezahlten Prämie usw.) beim bisherigen VN, so erhöht sich die Gefahrenlage für die versicherte Person ohnehin nicht. Wird das Risiko, das die Gefahrsperson läuft, bei einer Vertragsübernahme im Zweitmarkt – was bei institutionellen Investoren nicht vorstellbar ist – wesentlich erhöht, kann nach Treu und Glauben an ein erneutes Einwilligungserfordernis gedacht werden.504 5. Abtretungsverbote Die Abtretungsverbote nach §§ 400, 399 BGB gelten nicht nur bei einer Zession, 423 sondern analog auch für die Vertragsübernahme, soweit sie sich auf kapitalbildende Lebensversicherungen und Kapitalleistungen beziehen.505 Da die Pfändungsverbote im Wesentlichen reine Rentenversicherungen (und nicht Kapitalversicherungen) bzw. die Todesfallversicherung (und nicht die gemischte Lebensversicherung) betreffen, haben sie für die Übernahme durch Zweitmarktinvestoren kaum eine Bedeutung. Auch Abtretungshindernisse wie das Bestehen eines unwiderruflichen Bezugsrechts sind bei der Vertragsübernahme zu berücksichtigen. 6. Ergebnis Wenn der VR seine Zustimmung zur Vertragsübernahme durch den Zweitmarktinves- 424 tor erteilt, wird den Interessen von Verkäufer und Käufer in optimaler Weise entsprochen: Der Verkäufer wird von seiner Prämienzahlungsverpflichtung befreit, er erhält einen höheren Kaufpreis als die vom VR zu leistende Rückvergütung, der Käufer tritt in sämtliche Rechte und Pflichten des VN ein. Zu beachten ist, dass die Vorschriften der §§ 398-413, 415 BGB analoge Anwendung finden, die Erklärungen des VR (Erklärung zum Vertragsinhalt der Lebensversicherung, Zustimmung zur Übernahme) können dabei u.U. die Rechtswirkungen des § 405 BGB auslösen oder auch einen generellen Verzicht 502 503 504

Vgl. § 159 Rn. 429. Vgl. zur Zession § 159 Rn. 315 f. Honsel in Liber amicorum für Gerrit Winter 511 empfiehlt dem VN, eine erneute Zustimmungserklärung einzuholen.

505

Zu den Abtretungsverboten vgl. oben § 159 Rn. 310 f.

Gerrit Winter

439

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

auf Einwendungen i.S.d. § 404 BGB zur Folge haben.506 Stimmt der VR der Vertragsübernahme nicht zu, kann der Verkauf der Lebensversicherung im Zweitmarkt nur mit Hilfe einer Abtretung und der Freistellung des Verkäufers von der Zahlung der Versicherungsprämie vorgenommen werden.

IV. Abtretung und Beitragszahlungsabrede 1. Treuhandmodell

425

Bei diesem Modell (das wenig treffend auch als Treuhandmodell bezeichnet wird) tritt der VN nach den dabei üblichen Abtretungsvereinbarungen zunächst sämtliche gegenwärtigen und künftigen Forderungen und Rechte, die ihm gegenüber dem VR zustehen, an den Zweitmarktinvestor ab. Das ist im Wesentlichen der Anspruch auf Leistungen aus der Kapitallebensversicherung, das Recht, den Versicherungsvertrag zu kündigen oder beitragsfrei zu stellen, und das Recht, ein Bezugsrecht einzuräumen. Der Investor verpflichtet sich andererseits dem VN gegenüber, sämtliche nach der Veräußerung fällig werdenden Versicherungsprämien an den VR zu zahlen. In der sog. Treuhandvereinbarung (mit dem VN als Treuhänder und dem Erwerber als Treugeber) wird darüber hinaus bestimmt, dass der VN die ihm verbleibenden Rechte und Pflichten nach der Veräußerung lediglich treuhänderisch für den Zweitmarktinvestor wahrnimmt und verpflichtet ist, vor der Ausübung dieser Rechte und Pflichten aus dem Lebensversicherungsvertrag jeweils die Weisungen des Erwerbers einzuholen und sie zu befolgen. Sollten dem VN Zahlungen oder sonstige Leistungen des VR – trotz der Abtretung – zufließen, hat er sie unverzüglich an den Zweitmarktkäufer zu überweisen. Der Veräußerer bleibt Vertragspartner und damit auch Schuldner des VR, dem die 426 Abtretung nach § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke in der erforderlichen Weise angezeigt wird. Ebenso einer Anzeige bedarf die Einsetzung des Erwerbers als unwiderruflich Bezugsberechtigter. Der VR lässt sich die Abtretung in aller Regel durch den Erwerber bestätigen. Eine zuvor bestehende widerrufliche Bezugsberechtigung wird durch die Abtretung – die als uneingeschränkte Zession und nicht als Sicherungszession zu sehen ist – konkludent widerrufen. Hatte der VN zuvor ein unwiderrufliches Bezugsrecht verfügt, so bedarf es zur Aufhebung des Bezugsrechts der Zustimmung des Begünstigten und gleichfalls der Anzeige an den VR. Nach der Zession setzt sich der Zweitmarkterwerber in aller Regel selbst als unwiderruflich Bezugsberechtigten ein, soweit das nicht schon durch den VN geschehen ist.507 Der Zweitmarkterwerber, der nach dem Kaufvertrag verpflichtet ist, einen die mög427 liche Rückvergütung deutlich übersteigenden Betrag als Kaufpreis an den VN zu zahlen und ab dem Erwerbszeitpunkt die weiteren Versicherungsbeiträge zu übernehmen, erhält bei Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherungsleistung einschließlich der Schlussüberschussanteile. Damit partizipiert der Erwerber auch am Risikoverlauf der einzelnen Lebensversicherung, also an der Lebenserwartung des VN. Die Übernahme der Versicherung kann unterschiedlich ausgestaltet sein, was die Teilhabe der Erben und sonstiger Bezugsberechtigter z.B. an der Todesfallsumme anbelangt.508

506 507

Zu den Rechtswirkungen des § 407 BGB vgl. Winter FS Sieg 563 ff. Zu allem Böhm 59 f.

440

508

Honsel Liber amicorum für Gerrit Winter 513, 514.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

Ob die Bezeichnung Treuhandmodell der rechtlichen Ausgestaltung der Zweitmarkt- 428 vereinbarung (Abtretung sämtlicher Rechte und Beitragszahlungsübernahme) gerecht wird, muss allerdings bezweifelt werden. Faktisch bleiben dem VN keine oder kaum Rechte, die er gegenüber dem VR ausüben könnte und auf die sich eine Treuhandabrede sinnvollerweise beziehen könnte.509 Das Abtretungsmodell als Treuhandmodell zu bezeichnen, wird der rechtlichen Konstruktion und Funktion des Zweitmarktverkaufs nicht genügend gerecht. 2. Zahlung der Versicherungsbeiträge analog § 34 VVG Wenn der Erwerber den VN von den Pflichten aus dem Versicherungsvertrag – insbes. 429 der Prämienzahlungspflicht – freistellt, so wird zwischen den Vertragsparteien eine Erfüllungsübernahme i.S.d. § 329 BGB vereinbart. Wie grundsätzlich beim Zessionar findet auch beim Zweitmarkterwerber die Vorschrift des § 34 Abs. 1 analoge Anwendung:510 Der VR muss die Zahlung fälliger Prämien durch den Investor auch dann annehmen, wenn er sie nach den Vorschriften des BGB zurückweisen könnte. Insofern wird die Übernahme der Beitragszahlung durch den Erwerber – eines der beiden Hauptanliegen des VN – nicht so unbefriedigend umgesetzt, wie es im Schrifttum beklagt wird.511 Obwohl die Zahlungsübernahme allein auf einer Vereinbarung zwischen dem VN und dem Erwerber beruht, kann sich der VR gegen die Beitragszahlung durch den Investor nicht wehren. Zutreffend ist allerdings das Argument, dass dem VN nicht geholfen ist, wenn das 430 Zweitmarktunternehmen seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, weil es insolvent ist. In diesem Falle kann sich der VR wegen der Prämien an den VN wenden. Dagegen kann sich der VN nicht wehren, weil das Kündigungsrecht auf den Erwerber übergegangen ist. Der VN ist damit durch das Treuhandmodell insoweit nicht so gut geschützt wie bei einer Vertragsübernahme. Hiervon einmal abgesehen, sind beide Möglichkeiten des Zweitmarktverkaufes einer Lebensversicherung für den VN gleichwertig.

V. Verbleib der Versicherungsleistung beim Erwerber Fällt die Versicherungssumme einschließlich der Überschussbeteiligung gänzlich dem 431 Zweitmarktinvestor zu, so kann sich bei einer ungünstigen Überlebensprognose der Gefahrsperson die Gefahr ergeben, dass der Erwerber auf ein frühes Versterben des Versicherten spekuliert. Für den VN brächte das den Vorteil mit sich, dass der Käufer bei einer schweren Erkrankung und einem absehbaren Tod einen Kaufpreis bieten könnte, der weit über der zu erwartenden Rückvergütung liegt und der dem VN die Möglichkeit bietet, die Zahlung beispielsweise für eine intensivierte medizinische Behandlung oder zur Abdeckung von Pflegekosten Verwendung finden zu lassen. Ein solches Verfahren ist unter ethischen Gesichtspunkten nicht unproblematisch, 432 wenn es geschäftsmäßig wie durch einen institutionellen Zweitmarkterwerber genutzt wird. Zu Recht wird daher der Zugang zu den Gesundheitsinformationen des VR – nicht nur zu den prädiktiven – sehr restriktiv gehandhabt.512

509 510 511

Wernicke 129, 130. § 159 Rn. 363. So beispielsweise Wernicke 127.

512

Zu allem Honsel Liber amicorum für Gerrit Winter 514, 515.

Gerrit Winter

441

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

VI. Informationspflicht des VR über den Zweitmarkt 433

Im Rahmen der Reform des VVG ist die Frage erörtert worden, ob eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu einer Informationspflicht des VR über den Zweitmarkt geschaffen werden soll, wenn der VN die Lebensversicherung nicht fortführen, sondern kündigen möchte.513 Dazu ist es nicht gekommen. Daher stellt sich die Frage, ob eine derartige Hinweis- und Belehrungspflicht514 auf der Grundlage des geltenden Rechts gleichwohl anzuerkennen ist. In der Begründung zur VVG-Reform findet sich dazu kein Hinweis, insbes. aber auch keine Ablehnung einer solchen Pflicht (wie überhaupt die Hinweis- und Belehrungspflichten eher unzureichend behandelt worden sind). Das Informationsbedürfnis des VN in einer solchen Situation dürfte erheblich sein. Ausführliche und verlässliche Hinweise des VR – beispielsweise im Falle der Arbeitslosigkeit – über Alternativen zur Weiterführung des Versicherungsvertrages, und dabei insbes. auf die Möglichkeit, den Zweitmarkt in Anspruch zu nehmen, wären sinnvoll. Sie wären dem VR auch zumutbar.515

E. Vollstreckungsgläubiger I. Übersicht 434

Die Gläubiger des VN bzw. des Bezugsberechtigten sind grundsätzlich daran interessiert, jederzeit in die geldwerten Ansprüche des Schuldners aus Lebensversicherungsverträgen vollstrecken zu können. Ihrem Interesse steht das Versorgungsinteresse des VN bzw. des Bezugsberechtigten gegenüber. Die Vollstreckung der Gläubiger erfolgt dabei entweder im Rahmen einer Einzelzwangsvollstreckung oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Dabei ist danach zu differenzieren, ob es sich um eine Lebensversicherung ohne Bezugsberechtigten, um eine Versicherung mit unwiderruflicher Bezugsberechtigung, eine Versicherung mit widerruflicher Bezugsberechtigung oder mit geteilter Begünstigung handelt. 435 Die Abwägung zwischen den Befriedigungsinteressen der Gläubiger und den Versorgungsinteressen des VN und seiner Familie hat Rspr. und Schrifttum zunehmend beschäftigt, wobei die Privilegierung der Familie des VN seit den sechziger Jahren leicht zurückgedrängt wurde (Argument: auch Gläubiger haben Kinder). Andererseits hat der Gesetzgeber 2007 die Vollstreckungsmöglichkeiten – angesichts der Notwendigkeit einer privaten Alters- und Hinterbliebenenvorsorge – stark eingeschränkt. Er hatte dabei im Wesentlichen die kapitalbildende Rentenversicherung im Auge und die Einschränkung der Gläubigerrechte ausdrücklich mit der Alters- und Hinterbliebenenvorsorge der VN begründet. Den Neuregelungsvorschlägen von v. Gleichenstein,516 der einen breiten Pfändungsschutz für jedes der Altersversorgung dienende Vermögen des Schuldners einschließlich Lebensversicherungen vorgeschlagen hatte, und Hasse,517 der ein allgemeines Vollstreckungsprivileg für Forderungen aus Lebensversicherungsverträgen unter den Gesichtspunkten der Alters- und Hinterbliebenenversorgung gefordert hatte, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Der dadurch eingeführte Pfändungsschutz wird in § 167

513 514

Ehler VW 2006 1582. Dazu Messerschmidt Hinweis- und Belehrungspflichten des VR (1986).

442

515 516 517

Vgl. dazu im Einzelnen unter § 168 Rn. 86. von Gleichenstein ZIV 2004 149. Hasse VersR 2004 258.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

Rn. 12–64 erörtert, nur soweit dieser Pfändungsschutz nicht reicht, kann der Gläubiger auf Lebensversicherungsansprüche Zugriff nehmen. Allein auf diese Lebensversicherungsformen und -verträge beziehen sich die folgenden Ausführungen. Grundsätzlich sind dabei sämtliche Forderungsrechte aus einem Lebensversicherungs- 436 vertrage pfändbar, die Pfändung ist nicht nach § 150 Abs. 2 Satz 1 von der Zustimmung der Gefahrsperson abhängig.518 Dabei ist vor allem auch der Anspruch auf die Versicherungssumme pfändbar, soweit sie mit dem Tode des VN in den Nachlass des VN fällt.519 Aber auch der Anspruch auf die Überschussbeteiligung und die Rückvergütung ist grundsätzlich für den Gläubiger pfändbar.520 Im Einzelnen hängt die Pfändbarkeit davon ab, ob und welche Form der Bezugsberechtigung verfügt ist. Ebenso können die Gestaltungsrechte wie das Kündigungs- und das Widerrufsrecht des VN gepfändet werden, wenn die Pfändung dieser Rechte zusammen mit der Pfändung der Forderungsrechte, deren Geltendmachung die Gestaltungsrechte dienen, erfolgt.521

II. Zwangsvollstreckung bei fehlender Bezugsberechtigung 1. Einzelzwangsvollstreckung a) Umfang der Pfändung. Neben der vereinbarten bzw. garantierten Versicherungs- 437 summe, die bei fehlender Begünstigung mit Eintritt des Versicherungsfalles in den Nachlass fällt und mit Eintritt des Erlebensfalles an den VN geht, sind auch die Ansprüche auf die Überschussbeteiligung pfändbar. Dabei handelt es sich im Einzelnen um das Recht auf die bar auszuzahlenden Jahresanteile, auf den Schlussanteil, das Recht auf eine eventuelle Summenerhöhung, verzinsliche Ansammlung usw. Falls der Jahresanteil mit den Prämien verrechnet werden oder für eine verzinsliche Ansammlung Verwendung finden soll, wird er von der Pfändung nicht erfasst, soweit er vor der Zustellung des Pfändungsbeschlusses bereits entstanden war. Er ist bei seiner Entstehung gemäß § 389 BGB erloschen oder hat sich in einen Anspruch aus § 607 BGB umgewandelt. Der noch nicht entstandene Anspruch wird durch die Pfändung jedoch grundsätzlich erfasst. Am wertvollsten für den Gläubiger ist in der Regel der Zugriff auf den Rückkaufswert, der vor Eintritt des Versicherungsfalles, und zwar sogleich realisiert werden kann.522 Der Anspruch auf Aushändigung eines Versicherungsscheins aus § 3 ist nur zusammen mit dem Versicherungsanspruch pfändbar, da der Versicherungsschein kein Inhaber-, sondern bloßes Legitimationspapier ist. Pfändet der Gläubiger „sämtliche Rechte des VN“ bzw. „die Rechte des VN“ aus der 438 Lebensversicherung, so bezieht sich die Pfändung auf die vereinbarte Versicherungssumme, die Überschussbeteiligung und eine eventuelle Rückvergütung. Sind in dem Pfändungsbeschluss nur einzelne Rechte aufgeführt, so bezieht sich die Pfändung grundsätzlich nur auf diese bzw. auf den Anspruch auf den Rückkaufswert. Dabei sind mit der Pfändung der Forderungsrechte die ihrer Geltendmachung dienenden oder ihren Inhalt unmittelbar

518 519 520

Hasse VersR 2005 15, 18. BGH 8.2.1960 BGHZ 32 46, 47; Sieg FS Klingmüller 453, 454. Vgl. im Einzelnen Hasse 96, 97; zu allem auch BGH 17.2.1966 BGHZ 45 168. Überschussanteile usw. sind dabei auch gesondert

521

522

pfändbar (OLG Hamburg 24.1.2000 VersR 2000 1218, 1219). BGH 17.2.1966 BGHZ 45 168; Hasse VersR 2005 15, 17, 18; Heilmann VersR 1972 1000. Zu allem Hasse VersR 2005 15, 16, 17.

Gerrit Winter

443

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

beeinflussenden Gestaltungsrechte grundsätzlich mitgepfändet.523 Gleichwohl empfiehlt Hasse der Klarheit wegen die Auflistung aller zu pfändenden Ansprüche und Gestaltungsrechte.524 Mit der Pfändung des Versicherungsanspruchs erhält der Vollstreckungsgläubiger ein Pfandrecht am Versicherungsschein, § 952 Abs. 1 BGB.

439

b) Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Durch den Pfändungsbeschluss muss der Drittschuldner, also der VR, mit genügender Deutlichkeit benannt werden, auch die gepfändete Forderung muss genau bezeichnet werden. Durch den Pfändungsbeschluss wird dem VR verboten, an den VN Zahlungen zu leisten, und dem VN geboten, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten, § 829 Abs. 1 ZPO. Wenn der Gläubiger aus dem Pfandobjekt Befriedigung finden will, so muss er zudem 440 einen Überweisungsbeschluss herbeiführen, der in der Regel zugleich mit dem Pfändungsbeschluss beantragt wird. Dabei kann der Vollstreckungsgläubiger stets verlangen, dass ihm die bestehende Versicherungsforderung zur Einziehung überwiesen wird, er kann u.U. jedoch stattdessen die Überweisung an Zahlungs statt fordern. Für das Verfahren und die Form beim Überweisungsbeschluss gilt das gleiche wie beim Pfändungsbeschluss, vgl. § 835 Abs. 3 ZPO.525

441

c) Pfändungswirkungen. Wird ein Pfändungsbeschluss erlassen, so gleicht die Rechtsstellung des Vollstreckungsgläubigers der eines Pfandgläubigers vor Eintritt der Pfandreife, vgl. § 804 ZPO. Der Vollstreckungsgläubiger kann die Zahlung der Versicherungssumme, der Rückvergütung usw. gemeinsam an sich und den VN verlangen. Er erhält an dem eingezogenen Betrag ein Pfandrecht. Allerdings ist ihm die Ausübung der Gestaltungsrechte versagt.526 Dagegen besitzt der Gläubiger das Ablösungsrecht des § 34 und hat einen Anspruch auf Information über eine dem VN übersandte Mahnung gegen den VR.527 Durch die Pfändung ist der VN in der Verfügung über die gepfändeten Rechte, vor 442 allem in der Ausübung der Gestaltungsrechte, insoweit beschränkt, wie das Pfändungspfandrecht dadurch negativ tangiert würde. Der VN darf den Versicherungsvertrag nur in einem Falle kündigen, in dem die Rückvergütung für die Befriedigung des Pfändungspfandgläubigers ausreicht. Denn da das Pfandrecht nicht nur den Zeitwert der Versicherung in Höhe der Rückvergütung, sondern auch den Zukunftswert (bis zur Höhe der Versicherungssumme und einschließlich Überschussbeteiligung) umfasst, hat der VN auf den Vollstreckungsgläubiger insoweit Rücksicht zu nehmen.528 Eine Bezugsberechtigung kann nach der Pfändung nur im Range nach dem Vollstreckungsgläubiger bzw. überhaupt nicht mehr begründet werden.529

523

524 525

526 527

RG 25.2.1930 RGZ 127 271; BGH 16.2.1966 BGHZ 45 168; BGH 2.12.2009 VersR 2010 517, 519; OLG Celle 2.4.2009 VersR 2009 1102, 1103. Hasse VersR 2005 15, 18. Zu allem Heilmann NJW 1950 135, 136; Oswald VersPrax 1984 101, 102; Hasse VersR 2005 15, 19. Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Anm. 62. Hasse VersR 2005 15, 19; vgl. zur Informationspflicht des VR gegenüber dem unwider-

444

528 529

ruflich Bezugsberechtigten oben § 159 Rn. 183 f.; a.A. zum Informationsanspruch Bruck/Möller/Beckmann § 34 Rn. 17; vgl. auch OLG Köln 7.12.1989 VersR 1990 1261. Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Anm. 62; Hasse VersR 2005 15, 19. Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Anm. 62; Decker 47, 48; Hasse 99; ders. VersR 2005 15, 19.

Gerrit Winter

Bezugsberechtigung

§ 159

d) Überweisungswirkungen. Durch die Überweisung der gepfändeten Rechte wird 443 die Rechtsstellung des Vollstreckungsgläubigers erweitert. Dabei ist nach der Überweisung zur Einziehung und der Überweisung an Zahlungs statt zu differenzieren. aa) Überweisung zur Einziehung. Bei der Überweisung zur Einziehung erlangt der 444 Vollstreckungsgläubiger die Befugnis, die gepfändete Forderung im eigenen Namen einzuziehen und sich auf diese Weise zu befriedigen. Dabei kann er jede fällige Versicherungsleistung (Rückvergütung, Überschussanteile, Versicherungssumme) geltend machen, allerdings nur bis zur Höhe der betitelten Forderung zuzüglich Kosten der Zwangsvollstreckung und nach § 34 gezahlte Prämien, § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO.530 Darüber hinaus kann der Vollstreckungsgläubiger die ihm überwiesenen Gestaltungsrechte ausüben, soweit das für die Geltendmachung der Leistung des VR erforderlich ist (Beispiel: Kündigung des Versicherungsvertrages bei Forderung des Rückkaufswerts). Der Gläubiger kann daher weder einen Bezugsberechtigten einsetzen noch das Umwandlungsrecht des § 165 ausüben. Ist der zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers erforderliche Betrag niedriger als die Rückvergütung, so kann nur eine Teilkündigung ausgesprochen werden. bb) Überweisung an Zahlungs statt. Lässt sich der Vollstreckungsgläubiger den Ver- 445 sicherungsanspruch an Zahlungs statt überweisen, so richtet sich der Nennwert der einziehbaren Versicherungsforderung nach der Höhe der Rückvergütung, des Überschussanteils oder auch – nach Eintritt des Versicherungsfalles – der Versicherungssumme. Die Überweisung an Zahlungs statt hat die Wirkung einer Abtretung.531 cc) Andere Verwertungsart. Weil es sich bei dem Anspruch auf die Versicherungs- 446 summe vor dem Eintritt des Versicherungsfalles um einen betagten Anspruch handelt, kann das Vollstreckungsgericht auch eine andere Verwertungsform anordnen.532 2. Insolvenz a) Grundsatz. Unabhängig davon, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, gehören 447 sämtliche Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich zur Insolvenzmasse, §§ 35, 36 InsO. Der VN kann die Versicherungsleistung nach Insolvenzeröffnung nicht mehr geltend machen und auch keine Gestaltungsrechte mehr ausüben, § 81 InsO. Das Verfügungsrecht über die Lebensversicherung hat der Insolvenzverwalter, nur an ihn darf der VR leisten, § 80 InsO.533 Die Rechte aus einem Lebensversicherungsvertrag unterliegen nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters, sie sind unpfändbares Vermögen im Sinne von § 36 Abs. 1 InsO i.V.m. § 851c ZPO, wenn die Voraussetzungen des Pfändungsschutzes gegeben sind. Die Umwandlung eines Lebensversicherungsvertrages nach § 167 ist nicht nach den Vorschriften der InsO anfechtbar.534 b) Vollständig beglichene Prämienschuld. Handelt es sich um eine Lebensversiche- 448 rung gegen Einmalprämie oder hat der VN die Versicherung in eine prämienfreie Ver-

530 531 532

Hasse VersR 2005 15, 19; Heilmann NJW 1950 135. Hasse VersR 2005 15, 19, 20. RG 18.5.1917 JW 1917 812, 813; Bruck/ Dörstling § 15 ALB a.F. Anm. 61.

533

534

Bork FS Kollhosser I 57, 58. Grundsätzlich zur Insolvenz des VN in der Lebensversicherung BGH 1.12.2011 VersR 2012 299 ff. OLG Stuttgart 15.12.2011 VersR 2012 1021, 1023.

Gerrit Winter

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

sicherung umgewandelt und damit die Prämienschuld bei Insolvenzeröffnung vollständig beglichen, so kann der Insolvenzverwalter über die Lebensversicherung ohne weiteres verfügen. Da er sämtliche Befugnisse ausüben kann, die dem VN als Vertragspartei zustehen, kann er das Versicherungsverhältnis beispielsweise aufkündigen, er kann ein Policendarlehen aufnehmen oder einen Dritten als Bezugsberechtigten einsetzen.535

449

c) Noch nicht vollständig beglichene Prämienschuld. Sind vom VN – auch künftige – Prämien noch zu begleichen, so erhält der Insolvenzverwalter das Wahlrecht nach § 103 InsO. Dieses Wahlrecht hat der Insolvenzverwalter also grundsätzlich in sämtlichen Fällen, in denen keine Einmalprämie vereinbart worden ist oder aus anderen Gründen künftig keine Prämien mehr anfallen. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter für Erfüllung (weil beispielsweise der Eintritt des Versicherungsfalles bald zu erwarten ist), so tritt der Verwalter in sämtliche Rechte und Pflichten des VN ein. Das bedeutet, dass er z.B. auch sämtliche Gestaltungsrechte ausüben kann.536 Die Beitragsforderungen des VR sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.537 Entscheidet sich der Insolvenzverwalter jedoch für Nichterfüllung oder verlangt er 450 vom VR die Auszahlung des Rückkaufswerts, so liegt darin eine konkludente Kündigung des Versicherungsvertrages.538 Der Anspruch auf Leistung des Rückkaufswerts setzt eine Kündigung des Insolvenzverwalters voraus. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlieren die Ansprüche der Parteien eines Lebensversicherungsvertrages nur ihre Durchsetzbarkeit, aber bleiben als solche erhalten. Die Verfahrenseröffnung bewirkt keine materiellrechtliche Umgestaltung des Versicherungsvertrages.539 Dabei steht ein vereinbarter Kündigungsausschluss im Sinne des § 168 Abs. 3 einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter nicht entgegen. Das ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 851 Abs. 2 ZPO.540

451

d) Auskunftsanspruch gegenüber dem Versicherer. Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 97 InsO einen gegen den Schuldner/VN gerichteten umfassenden Auskunftsanspruch, der Nachlassinsolvenzverwalter hat den Anspruch gegenüber den Erben des VN, die in die Versicherungsverträge mit dem Tode des VN eingetreten sind. Endgültig abgewickelt ist der Lebensversicherungsvertrag erst mit der vollständigen Erfüllung der sich aus ihm ergebenden Ansprüche, darüber hinaus kann es noch zu nachträglichen Verpflichtungen des VR kommen, beispielsweise zur Überprüfung der Abwicklung des Versicherungsvertrages (Unklarheit über Bezugsberechtigungen, Wirksamkeit des Valutaverhältnisses, Insolvenzanfechtung). Bis dahin ist der VR schon nach § 3 Abs. 4 zu Auskünften und Abschriften gegenüber dem VN und seinen Erben verpflichtet.541 Insbesondere, aber nicht nur, wenn die Erben nicht zu ermitteln sind, hat der Nachlassinsolvenzverwalter daher einen Auskunftsanspruch gegen den VR, auch über Bezugsrechte und bereits geleistete Zahlungen. Der VR wird durch eine solche Auskunftserteilung nicht unbillig belastet.542

535 536 537 538

Gilbert DR 1941 A 2366, 2367; Hasse VersR 2005 15, 20. Gilbert DR 1941 A 2368. Hasse VersR 2005 15, 20. Elfring BB 2004 617, 619; Armbrüster/Pilz KTS 2004 481, 485; a.M. Hasse VersR 2005 1176, 1187 Fn. 177 (mit Blick auf die Umgestaltung des Versicherungsvertrages in

446

539 540 541 542

ein Abwicklungsverhältnis – BGH 4.3.1993 VersR 1993 689). Der Rückkaufswert ist an den Insolvenzverwalter zu zahlen. BGH 1.12.2011 VersR 2012 299, 300. BGH 1.12.2011 VersR 2012 299, 301, 302. OLG Köln 23.2.1989 RuS 1989 17. LG Saarbrücken 27.4.2009 VersR 2010 377, 378.

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Bezugsberechtigung

§ 159

II. Zwangsvollstreckung bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung 1. Einzelzwangsvollstreckung a) Unmittelbarer Zugriff. Wenn ein unwiderruflich Bezugsberechtigter eingesetzt 452 wird, gehen die Vermögenswerte und pfändbaren Rechte aus dem Versicherungsvertrag auf den Bezugsberechtigten über. Dieser erhält grundsätzlich den Anspruch auf die Versicherungsleistung (Rückvergütung, Überschussbeteiligung, Versicherungssumme). Zwar behält der VN das Kündigungsrecht und weitere Gestaltungsrechte;543 da sie jedoch nur mit dem Versicherungsanspruch pfändbar sind, bleiben auch sie dem Zugriff der Gläubiger des VN entzogen.544 Nur wenn der VN vor oder bei der Bezeichnung des Bezugsberechtigten erklärt, dass er die jährlichen Überschussanteile an sich selbst in bar ausgezahlt wünscht oder dass die Überschussanteile mit der Prämie verrechnet werden sollen,545 besteht insoweit die Möglichkeit einer Pfändung des Anspruchs des VN. Im Übrigen ist eine Pfändung für den Gläubiger des VN nur für den Fall sinnvoll, dass der Bezugsberechtigte das Recht nach § 162 Abs. 2 oder aus anderen Gründen wieder verliert, so dass der Versicherungsanspruch wieder dem VN bzw. seinen Erben zufällt. Weil der Anspruch auf die Versicherungsleistung bei der unwiderruflichen Bezugs- 453 berechtigung sofort und damit bereits zu Lebzeiten des VN aus dessen Vermögen ausscheidet, kann die Versicherungsleistung auch nicht in den Nachlass des VN fallen.546 Ein Zugriff der Gläubiger des VN ist daher grundsätzlich weder vor noch nach dem Eintritt des Versicherungsfalles möglich.547 b) Zugriff über Gläubigeranfechtung aa) Begriff, Zweck und Umfang der Schenkungsanfechtung. Die Gläubiger des VN 454 können die Versicherung jedoch ihrem Zugriff unterwerfen, soweit eine Anfechtung nach §§ 3, 4 AnfG infrage kommt. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich bei der relevanten Rechtshandlung des VN – Bezugsrechtseinräumung und Prämienzahlung – tatsächlich um eine unentgeltliche Verfügung i.S.d. § 4 Abs. 1 AnfG handelt, die früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen wurde.548 Die Probleme der Schenkungsanfechtung waren und sind umstritten, auf eine Darstellung des Meinungsstandes wird jedoch verzichtet und stattdessen auf Hasse549, Winter550 sowie Scherer551 verwiesen.

543 544 545 546

547

BGH 17.2.1966 VersR 1966 359; BGH 2.12.2009 VersR 2010 517, 519. BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022. Vgl. oben § 159 Rn. 68. St. Rspr., vgl. BGHG 8.2.1960 BGHZ 32 44, 47; BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94. BGH 8.5.1954 BGHZ 13 232; BGH 8.2.1960 BGHZ 32 44, 47; BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167; Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 56; Fromm 23; Hasse VersR 2005 15, 21; Knoch Die Stellung des begünstigten Dritten im Lebensversicherungsvertrag auf den Todesfall des Versicherungsnehmers, Diss. Heidelberg 1934, 53; Koerner Grundlagen der Bezugsberechtigung Dritter bei der Kapitalversicherung auf den Todesfall,

548

549 550 551

ungedr. Diss. Marburg 1957, 40, 83–85; Niewisch 43; Sieg in Festschrift Klingmüller 460 f.; Thiele 20 ff. Der von Kipp/Coing 13 § 81 V 3a S. 360 und Zehner AcP 153 (1954) 432–435 geäußerten gegenteiligen Auffassung kann aus den unter § 159 Rn. 188 ff. dargelegten Gründen nicht beigepflichtet werden. Auf die Problematik einer theoretisch möglichen „Absichtsanfechtung“ wird nicht eingegangen, da sie in Zusammenhang mit Lebensversicherungsverträgen nicht relevant ist, vgl. Scherer 42. Hasse VersR 2005 15, 22 ff. Bruck/Möller/Winter 8 H 218 ff. Scherer 43 ff.

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§ 159 455

Kapitel 5: Lebensversicherung

Mit der Gläubigeranfechtung soll die Beeinträchtigung einer zuvor bestehenden Zugriffssituation rückgängig gemacht werden. Die dem Bezugsberechtigten durch die Zwischenschaltung des VR mittelbar gewährte Leistung soll wie eine unmittelbare Zuwendung behandelt werden, also so, als habe der VR an den VN/Schuldner geleistet und dieser sodann den Gläubiger befriedigt.552 Damit „kommt es anfechtungsrechtlich grundsätzlich nicht darauf an, welche Mittel der Versprechensempfänger (Schuldner) aufgebracht, sondern welche Leistungen der Versprechende nach dem Inhalt seiner Vertragsbeziehung zum Schuldner bei Eintritt der Fälligkeit zu erbringen hatte, mit anderen Worten, welche Zuwendung an den Dritten der Versprechensempfänger mit den von ihm aufgewendeten Vermögenswerten „erkauft“ hat. Übertragen auf den Lebensversicherungsvertrag bedeutet dies, dass die anfechtbare Leistung nicht in der Summe der vom VN aufgebrachten Prämien, sondern in der dem Dritten ausbezahlten Versicherungssumme zu sehen ist.“553 Dabei darf die Zugriffsmöglichkeit des Vollstreckungsgläubigers nicht auf Gegenstände und Summen erweitert werden, die niemals dem Zugriff unterworfen waren oder gewesen wären.554 Die Rückgewährleistung beschränkt sich also nicht nur auf den Rückkaufswert.555 Unerheblich ist, ob die Einräumung der Bezugsberechtigung mit Abschluss oder erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages erfolgt.556

456

bb) Anfechtung von Bezugsrechtseinräumung und Prämienzahlung. Für die Anfechtung einer Bezugsrechtseinräumung ist entscheidend, ob die Verfügung in den Anfechtungszeitraum fällt, § 4 Abs. 1 AnfG. Ist die Rechtshandlung in Gestalt der Einsetzung eines Bezugsberechtigten früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden, sind nur die im Anfechtungszeitraum erfolgten Beitragsleistungen anfechtbar.557 Ist bei Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung der Versicherungsfall bereits einge457 treten, so ist der Anspruch auf die garantierte Versicherungsleistung und die etwaige Überschussbeteiligung zurückzugewähren. Das gilt für jede Bezugsberechtigung. Unerheblich ist, dass die Versicherungssumme bei Eintritt des Versicherungsfalles lediglich bis zur Höhe des Deckungskapitals durch die vom VN geleisteten Beiträge gebildet worden ist und dass der Zuschuss der Versichertengemeinschaft, der benötigt wird, um die Ver-

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BGH 19.3.1998 WM 1998 968; BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94. BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94; dass damit die Privilegierung der Altersvorsorge mit Hilfe der privaten Lebensversicherung im Vergleich zur früheren Praxis eingeschränkt, die Position der Gläubiger des VN verbessert und die Vorsorge für nahe Angehörige erschwert wird, liegt auf der Hand. Vgl. im Übrigen Hasse VersR 2005 15, 23; MünchKomm/Kirchhof InsO § 134 Rn. 14; Hassold Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis 308 ff.; zuvor schon RG 10.11.1905 RGZ 62 46–49; RG 24.5.1907 RGZ 66 158; RG 25.3.1930 RGZ 128 191; RG 12.01.1937 RGZ 153 277, 230; BGH 10.6.1965 NJW 1965 1914; Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 74, 75; Bruck/Möller/ Winter 8 H 220; Hasse 124 ff.; Knoch 72 f.;

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Kühlmorgen 151 f.; Kuhnle 57 f.; Thiele 45 ff.; Heilmann VersR 1972 997, 1001. Hasse VersR 2005 15, 23. Wie von Scherer 140 vorgeschlagen. Bayer 307 ff. vertritt die Auffassung, bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung sei der Rückkaufswert im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Unwiderruflichkeit zurückzugewähren, zudem seien im Anschluss daran erfolgte Beitragszahlungen anfechtbar; bei der widerruflichen Begünstigung sei der Rückkaufswert bei Eintritt des Versicherungsfalles zurückzugewähren. BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94. Vgl. BGH 10.6.1965 NJW 1965 1914; Hasse 124 ff.; Thiele 45 ff.; vgl. auch Bork FS Kollhosser I 66 f. für den Fall der – parallel zu sehenden – Insolvenzanfechtung.

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Bezugsberechtigung

§ 159

sicherungsleistung bis zur Höhe der vertraglich festgelegten Auszahlung aufzustocken, den Gläubigern niemals zur Verfügung gestanden hat. Die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger werden somit durch den Tod des VN verbessert, die Versicherungssumme einschließlich Überschussbeteiligung hätte den Erben des VN jedoch auch gänzlich zur Verfügung gestanden und wäre dem Zugriff der Nachlassgläubiger unterworfen gewesen, wenn es nicht zur Bezugsrechtsverfügung gekommen wäre. Darauf allein kommt es an. Ist es bei Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung noch nicht zum Versicherungsfall 458 gekommen, so hätte den Erben lediglich der Rückkaufswert der Versicherung einschließlich einer etwaigen Überschussbeteiligung zur Verfügung gestanden, wenn es nicht zu einer Bezugsrechtseinräumung gekommen wäre. Daher beschränkt sich die Rückgewähr infolge einer Anfechtung gleichfalls auf die Rückvergütung zuzüglich Überschussbeteiligung. Die anfechtungsrechtliche Gleichbehandlung von unmittelbaren und mittelbaren Zuwendungen erfordert es, auf den Versicherungsanspruch abzustellen und nicht auf den Prämienaufwand des Schuldners.558 Anders verhält es sich bei der Anfechtung nur der Prämienzahlungen. Vor Eintritt des 459 Versicherungsfalles ist der Betrag zurückzugewähren, um den sich die Rückvergütung aufgrund der anfechtbar geleisteten Beitragszahlungen erhöht hat. Verglichen mit der Summe der gezahlten Beiträge handelt es sich dabei um einen niedrigeren Betrag, da die Beiträge nur teilweise zur Erhöhung der Rückvergütung Verwendung finden und im Übrigen der Gefahrtragung gedient haben. Ist der Versicherungsfall eingetreten, so geht der Rückgewähranspruch auf die Zahlung der Differenz zwischen der Versicherungssumme und der Rückvergütung zu Beginn der anfechtbaren Beitragszahlungen.559 cc) Keine Anfechtung bei Bezugsberechtigungen in Erfüllung familienrechtlicher 460 Unterhalts- und Vorsorgepflichten. Die Anfechtung kann nur erfolgen, soweit die Bezugsberechtigung in Ausführung einer Schenkung erfolgt ist. Ist die Bezugsberechtigung eingeräumt worden, weil der Bezugsberechtigte in einem Arbeitsverhältnis zum VN steht und der Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zugunsten des VN eine Direktversicherung i.S.d. § 1 Abs. 2 BetrAVG abgeschlossen hat oder weil die Bezugsberechtigung zur Sicherung eines Darlehens dienen soll, so ist eine Anfechtung nicht gegeben. Sie kann auch nicht erfolgen, wenn die Zuwendung in der Erfüllung familienrechtlicher Unterhalts- und Vorsorgepflichten besteht.560 Wie oben bereits erörtert,561 liegt bei sämtlichen Versicherungsverträgen, die den Ehe- 461 partner, die Kinder und sonstige Unterhaltsberechtigte begünstigen, der Rechtsgrund in der Unterhaltspflicht. Für den bezugsberechtigten Ehepartner ist angesichts der auf Lebenszeit angelegten ehelichen Gemeinschaft von einer ebenso auf Lebenszeit angelegten gegenseitigen Unterhalts- und Vorsorgepflicht auszugehen. Die beim Tode des Ehepartners und Vaters bzw. der Mutter fälligen Versicherungssummen sind dazu bestimmt, der Unterhaltssicherung und der Altersversorgung des anderen Ehepartners und der Kinder zu dienen. In all diesen Fällen den Gläubigern den Zugriff auf die nach dem Willen des VN der späteren Versorgung der Angehörigen dienenden Versicherungssumme zu eröffnen,562

558 559 560

BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94; Hasse 126; Bruck/Möller/Winter 8 H 228. Einschränkend Hasse VersR 2005 15, 25; Bruck/Dörstling § 15 Anm. 75; Thiele 50. Vgl. Bork FS Kollhosser I 59 in Zusammenhang mit der Stellung des VN in der Insolvenz.

561 562

§ 159 Rn. 190 ff., 254. Wie es in der Entscheidung BGH 23.10. 2003 VersR 2004 93, 95 und weiteren Urteilen geschieht.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

nur weil eine Kapital- und nicht eine Rentenversicherung abgeschlossen wird, ist mit der heutigen Sicht von Ehe und Partnerschaft, der Förderung des Aufbaus einer durch die private Lebensversicherung erfolgenden Alters- und Hinterbliebenenvorsorge563 und der seit langem bestehenden Privilegierung der unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht zu vereinbaren. Gegenstand der Lebensversicherungsverträge sind insoweit auch nicht Pflicht- und Anstandsschenkungen, die Verfügung der Bezugsrechte geschieht in Erfüllung der Vorsorgepflicht des VN.

462

dd) Keine Anfechtung bei Bezugsberechtigungen nach § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. Bei einer Direktversicherung des Arbeitgebers/VN zugunsten des Arbeitnehmers und seiner Angehörigen wird ein unwiderrufliches Bezugsrecht in der Regel erst für den Fall des Eintritts der Unverfallbarkeit verfügt, denn der Arbeitgeber ist sodann arbeitsrechtlich verpflichtet, das Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen. Verbreitet ist in der Praxis die Vereinbarung eines eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechts: Hier wird in dem Vertrag ein unwiderrufliches Bezugsrecht festgesetzt, der Arbeitgeber behält sich jedoch für den Fall die Leistungen aus der Direktversicherung vor, dass der Arbeitnehmer vor Erreichen der Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft aus seinem Arbeitsverhältnis ausscheidet.564 Das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht verschafft bei der Zwangsvollstreckung dem Bezugsberechtigten die gleiche rechtliche Sicherheit wie das uneingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht. Zu einer Anfechtung kommt es in diesen Fällen nicht. 2. Insolvenz

463

a) Unmittelbarer Zugriff. Bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung gehört die dem Bezugsberechtigtem zustehende Versicherungsforderung nicht zur Insolvenzmasse.565 Daher kann der Insolvenzverwalter die Versicherungssumme bzw. den Rückkaufswert nicht zur Masse einziehen, es sei denn, Überschussanteile gehen an den VN.566 Dem unwiderruflich Bezugsberechtigten steht ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu.567 Der unwiderruflich Bezugsberechtigte hat das Eintrittsrecht des § 170.

563 564

565

Vgl. das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26.3.2007. Auf die Behandlung eines eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechts wie ein uneingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht beziehen sich BAG 26.6.1990 VersR 1991 211, 212; BGH 19.6.1996 VersR 1996 1089, 1090; BGH 8.6.2005 VersR 2005 1134, 1135; BGH 22.9.2005 ZIP 2005 1836; BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059. BAG 26.6.1990 VersR 1991 942, 943; Hasse S. 137; Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Anm. 66; Bork FS Kollhosser I 57 ff. Die Problematik der unwiderruflichen Bezugsberechtigung in der Insolvenz findet sich insbes. im Bereich der Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 26.6.1990 VersR 1991 211, 212; BGH 19.6.1996 VersR 1996 1089, 1090; BGH

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8.6.2005 VersR 2005 1134; BGH 22.9.2005 ZIP 2006 1836; BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059; OLG Bamberg 9.2.2006 VersR 2006 1389; OLG Düsseldorf 30.1.2001 RuS 2002 214; OLG Hamm 21.4.1995 VersR 1996 360, 361; OLG Hamm 19.12.1997 RuS 1998 168, 169; OLG Karlsruhe 15.3.2001 VersR 2001 1501; LG Berlin 23.3.2011 VersR 2012 1023, 1124. Grundlegend Bork FS Kollhosser I 57 ff. OLG Hamm 13.7.1992 VersR 1993 172; OLG Düsseldorf 17.4.1998 VersR 1998 1559. BAG 26.6.1990 VersR 1991 211, 212; BGH 8.6.2005 VersR 2005 1134, 1136; BGH 3.5.2006 VersR 2006 1059; OLG Bamberg 9.2.2006 VersR 2006 1389, 1390; OLG Hamm 24.1.2006 VersR 2006 915, 916; Bork FS Kollhosser 61.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Bei vollständiger Erfüllung der Prämienschuld hat der Insolvenzverwalter kein Kündi- 464 gungsrecht, da die Masse durch Prämienzahlungen nicht belastet wird und der anfallende Rückkaufswert allein dem Bezugsberechtigten zusteht.568 Auch bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung hat der Insolvenzverwalter das 465 Wahlrecht nach § 103 InsO. Wenn dazu die Ansicht vertreten wird, dass die Bezugsberechtigung vom Insolvenzverwalter durch Ablehnung der Erfüllung nicht mehr beeinträchtigt werden kann,569 so kann dem nicht gefolgt werden. Denn durch das unwiderrufliche Bezugsrecht wird die Position des Schuldners als Vertragspartner und VN nicht tangiert.570 Entscheidet sich der Insolvenzverwalter für die Erfüllung des Versicherungsvertrages, so kann er sämtliche Gestaltungsrechte ausüben. In der Regel lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages jedoch ab, um die Masse nicht mit Prämienzahlungen zu belasten. In diesem Fall ist der VR zur Auskehrung der Rückvergütung an den unwiderruflich Bezugsberechtigten verpflichtet, § 169 Abs. 1 analog. Ist vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Versicherungsfall bereits eingetreten, so 466 fällt das unwiderrufliche Bezugsrecht gleichfalls nicht in die Insolvenzmasse des VN. Der Bezugsberechtigte hat bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalles einen Zahlungsanspruch gegen den VR erhalten.571 b) Zugriff über eine Anfechtung. Nach § 134 InsO besitzt der Insolvenzverwalter die 467 Möglichkeit einer Schenkungsanfechtung, deren Voraussetzungen denen der Anfechtung nach § 4 AnfG entsprechen.572 Zuwendungszeitpunkt für den „Ehegatten im Zeitpunkt des Todes“ ist der Zeitpunkt der Eheschließung zwischen dem VN und der unwiderruflich Bezugsberechtigten, wenn die Ehe zum Zeitpunkt der Bezugsrechteeinräumung noch nicht bestand.573 Nach erfolgter Anfechtung kann der Insolvenzverwalter den Versicherungsanspruch gänzlich oder teilweise zur Masse einziehen, die Ausführungen zum Leistungsumfang bei der Einzelzwangsvollstreckung gelten auch hier.

III. Zwangsvollstreckung bei widerruflicher Bezugsberechtigung 1. Übersicht Gänzlich anders als bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung, bei der ein Gläubi- 468 ger des VN – vorbehaltlich einer recht schwierigen und eng begrenzten Gläubigeranfechtung – keinen Zugriff auf die Versicherungsleistung hat, verhält es sich bei der widerruflichen Bezugsberechtigung. Hier kann der Gläubiger die Rechte des VN pfänden und sich überweisen lassen. Anschließend wird er die Bezugsberechtigung widerrufen, die Versicherung kündigen und die Rückvergütung einziehen. Erst wenn der VN stirbt, erhält der Bezugsberechtigte eine rechtlich abgesicherte Position, dem Nachlassgläubiger ist der Zugriff auf die Versicherungssumme grundsätzlich verwehrt, ihm verbleibt nur ein schwer durchsetzbares Anfechtungsrecht. Ähnlich verhält es sich bei der Insolvenz des

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Hasse VersR 2005 15, 27; Bayer 267 f. Fn. 339; a.A. OLG Karlsruhe 15.3.2001 VersR 2001 1561. Z.B. Uhlenbruck InsO § 103 Rn. 20. Bork FS Kollhosser I 57, 67, 68. Bork FS Kollhosser I 62. Auf die Berechtigung zur Anfechtung nach

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§§ 133, 130–132 InsO sei nur hingewiesen. Ein Bezugsrecht ist nicht schenkweise erlangt, wenn es im Zusammenhang mit einer zweckgebundenen Kreditgewährung eingeräumt wurde, LG Berlin 23.3.2011 VersR 2012 1023, 1025. BGH 27.9.2012 VersR 2013 438, 439.

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§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

VN, die Ansprüche des VN fallen grundsätzlich in die Insolvenzmasse.574 Sie unterliegen in der Nachlassinsolvenz jedoch nicht mehr dem unmittelbaren Zugriff des Insolvenzverwalters, da das Bezugsrecht mit dem Tode des VN unwiderruflich geworden ist und die Versicherungssumme nicht zum Nachlass gehört.575 2. Einzelzwangsvollstreckung a) Vor Eintritt des Versicherungsfalles aa) Unmittelbarer Zugriff

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(1) Widerruf der Bezugsberechtigung. Auch ohne dass die Bezugsberechtigung widerrufen ist, unterliegen die vor dem Eintritt des Versicherungsfalles fällig werdenden und dem VN zustehenden Versicherungsleistungen wie Rückvergütung und jährliche Überschussanteile ohne weiteres dem Zugriff des Gläubigers des VN. Der Gläubiger läuft jedoch Gefahr, das gepfändete Befriedigungsobjekt wieder zu verlieren, wenn der Versicherungsfall eintritt: Der Bezugsberechtigte erlangt in diesem Falle den Anspruch auf die fällige Versicherungsleistung, ohne dass er durch das Pfändungspfandrecht des Gläubigers in irgendeiner Weise beeinträchtigt wäre.576 Dabei kann nicht schon in dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein konkludenter Widerruf der Bezugsberechtigung gesehen werden.577 Es fehlt hier an einer Erklärung des an der Zwangsvollstreckung nur passiv beteiligten VN, die im Sinne eines Widerrufs ausgelegt werden könnte, der Vollstreckungsgläubiger muss die Bezugsberechtigung daher selbst widerrufen.578 Eine Pfändung des Versicherungsanspruchs erfasst dabei grundsätzlich auch das Wider470 rufsrecht. Da es sich um ein Gestaltungsrecht handelt, das der Realisierung der gepfändeten Forderung dient, braucht das Widerrufsrecht nicht ausdrücklich im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwähnt zu werden.579 Dabei kann das Widerrufsrecht durch den Vollstreckungsgläubiger erst ausgeübt wer471 den, nachdem die Überweisung erfolgt ist.580 Der Widerruf, der nicht etwa lediglich eine Sicherungsmaßnahme ist, hat zur Folge, dass die gepfändete Forderung unter Aufhebung der Anwartschaft des Bezugsberechtigten inhaltlich geändert wird und der VR die nach Eintritt des Versicherungsfalles fällige Versicherungsleistung nicht mehr an den begünstigten Dritten, sondern an den VN bzw. seine Erben auszukehren hat. Aufgrund einer bloßen Pfändung ist es dem Vollstreckungsgläubiger nicht gestattet, anstelle seines Schuldners rechtsgestaltende Erklärungen abzugeben und eine Änderung der Rechtslage zu seinem Vorteil vorzunehmen. 574

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BGH 4.3.1993 RuS 1993 354, 355; BGH 18.7.2002 NVersZ 2002 495, 496; BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94; OLG Hamm 24.1.2006 VersR 2006 915, 916. BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94. RG 25.2.1930 RGZ 127 271, 272; OLG München 28.2.1964 BB 1964 990; Hasse VersR 2005 15, 29. Vgl. aber den Sonderfall OLG Köln 1.10.2001 VersR 2002 1544, 1545 zur Pfändungsverfügung bei einer steuerrechtlichen Problematik. RG 25.2.1930 RGZ 127 271, 272; RG 12.1.1937 RGZ 153 223–225; Gittermann

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82; Hasse VersR 2005 15, 19 m.w.N.; Kühlmorgen 141; a.A. Prölss/Kollhosser 27 § 13 ALB 86 Rn. 14. RG 15.2.1930 RGZ 127 271; Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 63; Gittermann 68; Hasse VersR 2005 15, 29; Heilmann NJW 1950 135; Koerner 145 f.; Niewisch 39, 43. RG 12.7.1934 JW 1934 2763, 2764; RG 12.1.1937 RGZ 153 223–225; Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 62; Hasse VersR 2005 15, 29; ders. 146; Kuhnle 27; Niewisch 46; a.M. Gittermann 78 ff.; Heilmann NJW 1950 135, 136; Koerner 147, 148.

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Bezugsberechtigung

§ 159

Nachdem die Überweisung zur Einziehung oder an Zahlungs statt erfolgt ist, kann 472 der Vollstreckungsgläubiger das Widerrufsrecht bis zur Höhe des zu seiner Befriedigung und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlichen Betrags ausüben.581 (2) Verwertung des Anspruchs. Soweit der Widerruf durch den Vollstreckungsgläubi- 473 ger erfolgt, hat der Gläubiger die gleichen Verwertungsmöglichkeiten wie bei fehlender Bezugsberechtigung. Ist es bei der Verwertung des Anspruchs vor Eintritt des Versicherungsfalles zu einem Überschuss gekommen, so steht dieser dem VN zu. Ist der Versicherungsfall dagegen bereits eingetreten, so gebührt der für den Vollstreckungsgläubiger nicht benötigte Teil der Versicherungssumme dem bezugsberechtigten Dritten.582 bb) Zugriff über Schenkungsanfechtung. Für eine Anfechtung der Bezugsrechtseinräu- 474 mung oder der Prämienzahlung ist kein Raum, da der Gläubiger trotz der widerruflichen Bezugsberechtigung unmittelbar in den Versicherungsanspruch vollstrecken kann.583 b) Nach Eintritt des Versicherungsfalles aa) Kein unmittelbarer Zugriff. Da die Versicherungssumme – ebenso wie bei der un- 475 widerruflichen Bezugsberechtigung – auch bei der widerruflichen Begünstigung nicht in den Nachlass fällt,584 hat der Gläubiger nach Eintritt des Versicherungsfalles keine Möglichkeit, sich unmittelbar aus der Versicherungssumme zu befriedigen.585 bb) Zugriff über Schenkungsanfechtung (1) Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung. Auch für die widerrufliche Bezugsbe- 476 rechtigung ist davon auszugehen, dass der Nachlassgläubiger hinsichtlich der Bezugsrechtseinräumung die Möglichkeit der Schenkungsanfechtung nach § 4 Abs. 1 AnfG besitzt, auch hier ist nicht zwischen nachträglicher und ursprünglicher Bezugsrechtseinräumung zu unterscheiden.586 Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung fehlt es an jedem Anlass, nach den unterschiedlichen Bezugrechtsverfügungen zu differenzieren, weil die Versicherungsforderung in beiden Fällen erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles dem Gläubiger des VN entzogen wird. (2) Anfechtungsfrist. Maßgeblich für den Beginn der Anfechtungsfrist ist nicht der 477 Zeitpunkt der Bezugsrechtseinräumung, sondern der Eintritt des Versicherungsfalles.587 Wäre auf den Zeitpunkt der Begünstigung abzustellen, so begänne die Anfechtungsfrist zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Anfechtung wegen der direkten Vollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers noch gar nicht zulässig ist. Kommt es aber sodann mit dem Eintritt des Versicherungsfalles zu der erforderlichen Gläubigerbenachteiligung, wäre die Bezugsrechtseinräumung wegen Fristablaufs regelmäßig nicht mehr anfechtbar – ein widersinniges Ergebnis.

581 582 583 584

Decker 57; Hasse VersR 2005 15, 29. Hasse VersR 2005 15, 29. Hasse VersR 2005 15, 23; Thiele 64. BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94; dazu im Einzelnen oben § 159 Rn. 188 ff., 193 mit ausführlichen Nachweisen.

585 586 587

Im Ergebnis ebenso Hasse VersR 2005 15, 30. BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94. BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94.

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Anfechtungsvoraussetzung ist stets eine Gläubigerbenachteiligung. Dabei ist in der Regel davon auszugehen, dass die auf die Vermögensverschiebung gerichtete Rechtshandlung – wie z.B. eine Abtretung – sogleich zu einer Vermögensminderung beim Schuldner führt. Anders verhält es sich jedoch bei der Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts: Hier fallen die Willenserklärung des VN und die Vermögensminderung auseinander. Zunächst ist die Bezugsrechtseinräumung gläubigerneutral, und erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles – wenn der Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung erwirbt – wirkt sie gläubigerschädigend. Vollendet ist die Benachteiligungshandlung erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Bei einem zweigliedrigen Benachteiligungsvorgang kann für den Fristablauf aber nur der Ablauf des Gesamtvorganges, also der Eintritt des Versicherungsfalles entscheidend sein. Bestätigt wird diese Auffassung durch § 8 Abs. 1 AnfG, wonach eine Rechtshandlung in dem Zeitpunkt als vorgenommen gilt, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten, sie also die Gläubigerbenachteiligung bewirkt. Weil der widerruflich Bezugsberechtigte auch kein bedingtes oder befristetes Recht besitzt, greift auch § 8 Abs. 3 AnfG nicht.588

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(3) Umfang der Rückgewährleistung. Auch bei der widerruflichen Bezugsberechtigung geht der Rückgewähranspruch auf die gesamte vereinbarte bzw. garantierte Versicherungsleistung und die etwaige Überschussbeteiligung. Unerheblich ist, auf welche Höhe sich das Deckungskapital der Versicherung bei Eintritt des Versicherungsfalles beläuft. Wenn es nicht zur Verfügung eines widerruflichen Bezugsrechts gekommen wäre, hätte den Erben – und damit auch den Gläubigern – des VN die gesamte Versicherungsleistung zur Verfügung gestanden.589

480

(4) Unentgeltlichkeit im Valutaverhältnis. Auch für die widerrufliche Bezugsberechtigung gilt, dass eine Schenkungsanfechtung nicht greift, wenn die Einräumung des Bezugsrechts aus Gründen familienrechtlicher Unterhalts- und Vorsorgepflichten oder zum Zwecke einer betrieblichen Altersversorgung erfolgt.

481

(5) Keine Anfechtung der Prämienzahlungen. Die Prämienzahlungen können bei der widerruflichen Bezugsberechtigung nicht angefochten werden. Denn sie haben keine unmittelbar gläubigerschädigende Wirkung und sind auch keine unmittelbare unentgeltliche Zuwendung an den Bezugsberechtigten. Der Gegenwert – der in der Werterhöhung des Versicherungsschutzes zu sehen ist – fließt zunächst dem Vermögen des VN zu und unterliegt dem unmittelbaren Zugriff seiner Gläubiger. Zu einer Gläubigerbenachteiligung kommt es erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles, hier aber greift die Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung.590 3. Insolvenz a) Vor dem Eintritt des Versicherungsfalles

482

aa) Unmittelbarer Zugriff. Die Rechte des VN aus dem Lebensversicherungsvertrag einschließlich der Gestaltungsrechte – also auch des Widerrufsrechts – fallen in die Insolvenzmasse. Ebenso wenig wie mit dem Pfändungsbeschluss wird mit der Insolvenzeröffnung zugleich ein Widerruf ausgesprochen. Den Widerruf hat vielmehr der Insolvenzverwalter selbst zu erklären, wenn der Bezugsberechtigte mit dem Eintritt des Versiche588 589

Hasse VersR 2005 15, 31; Thiele 113. BGH 23.10.2003 VersR 2004 93, 94.

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590

Hasse VersR 2005 15, 32; ders. 169; Thiele 114.

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rungsfalles nicht ein eigenes insolvenzfreies Recht erwerben soll.591 Dem widerruflich Bezugsberechtigten steht in der Insolvenz kein Aussonderungsrecht an den Rechten aus dem Versicherungsvertrag zu.592 Bei vollständiger Erfüllung der Prämienschuld kann der Insolvenzverwalter das 483 Widerrufsrecht ohne weiteres ausüben. Die Versicherungsforderung fällt sodann ebenso wie bei fehlender Bezugsberechtigung in die Masse. Ist der Versicherungsvertrag noch nicht erfüllt, schuldet der VN also noch rückstän- 484 dige oder künftige Prämien, so kann der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht nur widerrufen, falls er nach § 103 InsO die weitere Erfüllung des Versicherungsvertrages wählt. Widerruft der Insolvenzverwalter die Einräumung der Bezugsberechtigung vor Ausübung des Wahlrechts, so kann das als Erfüllungsverlangen nach § 103 InsO zu verstehen sein. Kündigt der Insolvenzverwalter später die Versicherung, so liegt darin in aller Regel ein gleichzeitiger Widerruf der Bezugsberechtigung.593 Wird die Erfüllung des Versicherungsvertrages dagegen vom Insolvenzverwalter abge- 485 lehnt, so hat er auch kein Widerrufsrecht. Auf den Widerruf kommt es dabei aber auch nicht an, weil der dem VN zustehende Anspruch auf die Rückvergütung bereits mit dem Zugang der Ablehnungserklärung fällig wird und in die Insolvenzmasse fällt.594 bb) Kein Zugriff über eine Anfechtung. Weil die Rückvergütung trotz der widerruf- 486 lichen Bezugsberechtigung in die Masse fällt, ist eine Anfechtung nach §§ 133, 134 InsO nicht gegeben. b) Nach dem Eintritt des Versicherungsfalles. Weil bei einer widerruflichen Bezugs- 487 berechtigung die Versicherungssumme nicht in den Nachlass fällt, hat der Insolvenzverwalter in der Nachlassinsolvenz nach §§ 315 ff. InsO auf sie keinen unmittelbaren Zugriff. Der Nachlassinsolvenzverwalter kann die Bezugsrechtseinräumung jedoch nach 488 §§ 133, 134 InsO anfechten und den Versicherungsanspruch sodann zur Masse einziehen.595

IV. Zwangsvollstreckung bei geteilter Bezugsberechtigung 1. Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts a) Todesfallbegünstigung aa) Vor Eintritt des Versicherungsfalles (1) Unmittelbarer Zugriff. Eine Pfändung des Versicherungsanspruchs bei einer ge- 489 mischten Versicherung durch die Vollstreckungsgläubiger ist wegen des sofortigen Rechtserwerbs des Bezugsberechtigten nicht möglich, auch wenn dieser Rechtserwerb durch den Eintritt des Erlebensfalles auflösend bedingt ist. Der Versicherungsanspruch fällt auch nicht in die Insolvenzmasse des VN. Gepfändet und überwiesen werden kann allein

591 592 593

Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 13; Gittermann 86 f.; Hasse VersR 2005 15, 32. BGH 18.7.2002 NVersZ 2002 495, 496. LG Stade 24.10.1953 VersR 1954 457; Hasse 177.

594 595

Hasse 177; ders. VersR 2005 15, 32; vgl. zu allem auch Mueller VW 1971 524–526. Hasse 177; ders. VersR 2005 15, 33.

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das dem VN zustehende und durch den Eintritt des Erlebensfalles aufschiebend bedingte Recht auf die Versicherungssumme, eine Einziehung ist aber erst möglich, wenn der Erlebensfall auch wirklich eingetreten ist.596 Allein wenn der VN bei der Bezugsrechtseinräumung erklärt, dass er die jährlichen Überschussanteile an sich selbst in bar ausgezahlt wünscht oder dass die Überschussanteile mit der Prämie verrechnet werden sollen, besteht stets die Möglichkeit einer Pfändung für die Gläubiger des VN. Die Gläubiger können grundsätzlich nicht allein das dem VN noch zustehende Kündi490 gungsrecht pfänden und sich überweisen lassen, weil dieses Recht nur zusammen mit dem Anspruch auf die Rückvergütung gepfändet werden kann.597 Der Rückkaufswert steht jedoch dem Todesfallbegünstigten zu.

491

(2) Zugriff über eine Anfechtung. Die Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung kann nach §§ 3, 4 AnfG, §§ 133, 134 InsO angefochten werden, zurückzugewähren ist der auflösend bedingt zugewandte Versicherungsanspruch. Scheidet eine Anfechtung der Einsetzung des Bezugsberechtigten aus, weil die gesetz492 lichen Fristen verstrichen sind, so können die Prämienzahlungen angefochten werden. Die Besonderheit liegt dabei darin, dass bei der geteilten Bezugsberechtigung eben nicht feststeht, ob der Begünstigte die Versicherungsleistung auch wirklich erhält. Der Begriff der unentgeltlichen Leistung im Sinne des AnfG und der InsO verlangt jedoch nicht eine Bereicherung des Bezugsberechtigten in endgültiger Form, es genügt, dass dem Bezugsberechtigten ein Vorteil daraus erwächst, dass der VN durch die Prämienzahlungen Vermögenswerte in dieser Form aufgibt. Die Prämienzahlungen sind gläubigerschädigend, weil ihr Gegenwert nicht in das dem Zugriff der Gläubiger unterliegende Vermögen des VN fließt. Da sie eine allmähliche Erhöhung der Rückvergütung bewirken, kommen sie dem Bezugsberechtigten mittelbar zugute. Werden die Prämienzahlungen angefochten und kommt der Bezugsberechtigte seiner Rückgewährpflicht nach, so hat er gegenüber dem VN nach §§ 683, 677 BGB einen Ausgleichsanspruch in Höhe des an die Gläubiger gezahlten Prämienbetrages.598

493

bb) Nach Eintritt des Versicherungsfalles. Hier ist zu differenzieren: Im Erlebensfall können die Gläubiger in den Versicherungsanspruch ohne weiteres vollstrecken; tritt der Tod des VN ein, so haben weder die Nachlassgläubiger noch der Nachlassinsolvenzverwalter einen unmittelbaren Zugriff auf den Versicherungsanspruch. In diesem Falle kann nur die Bezugsrechtseinräumung oder die Prämienzahlung angefochten werden.599

494

b) Erlebensfallbegünstigung. Das zur unwiderruflichen Todesfallbegünstigung Gesagte gilt grundsätzlich auch für die unwiderrufliche Erlebensfallbegünstigung. Vor Eintritt des Erlebensfalles erstrecken sich die direkten Zugriffsmöglichkeiten der Vollstreckungsgläubiger des VN auf die dem VN zustehende, durch den Eintritt des Todesfalles bedingte Versicherungsleistung einschließlich einer etwaigen Überschussbeteiligung. Weder der Anspruch auf den Rückkaufswert noch das Kündigungsrecht können durch die Gläubi-

596

597

BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167, 168; LG Frankfurt 7.11.1956 VersR 1957 211; Hasse 185; ders. VersR 2005 1176, 1185; Niewisch HansRGZ 1938 A Sp. 50; Sieg FS Klingmüller 458. BGH 17.2.1966 BGHZ 45 167, 168;

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598 599

LG Frankfurt 7.11.1956 VersR 1957 211; Hasse 185. Ausführlich Hasse 186; ders. VersR 2005 1176, 1186 ff. Hasse 187; ders. VersR 2005 1176, 1188.

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ger gepfändet werden.600 Wollen die Gläubiger auf die Erlebensfallleistung zugreifen, so bedarf es der Gläubiger-/Insolvenzanfechtung der Bezugsrechtseinräumung oder der Prämienzahlungen. Nach Eintritt des Erlebensfalles hat der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die 495 gesamte Erlebensfallleistung einschließlich Überschussbeteiligung, der Gläubiger ist insoweit auf die Anfechtung verwiesen.601 c) Abweichende Ausgestaltungen des Bezugsrechts. Bei der gemischten Lebensver- 496 sicherung mit geteilter Bezugsberechtigung können sich auch abweichende Ausgestaltungen der unwiderruflichen Begünstigung finden. So kann sich der VN bei einer unwiderruflichen Todesfallbegünstigung den Anspruch auf den Rückkaufswert selbst vorbehalten, in einem solchen Falle wäre das Bezugsrecht sowohl durch den Eintritt des Erlebensfalles als auch die vorzeitige Beendigung des Versicherungsvertrages durch Kündigung auflösend bedingt und die Gläubiger des VN könnten mit Blick auf die Rückvergütung die Zwangsvollstreckung betreiben. Da der Gläubiger auch im Erlebensfall auf die Versicherungsleistung zugreifen könnte, bestehen für ihn weitreichende Vollstreckungsmöglichkeiten. Nur hinsichtlich der Todesfallleistung wäre auf die Anfechtungsmöglichkeiten zurückzugreifen.602 2. Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts Bei einer widerruflichen Todesfallbegünstigung haben die Gläubiger des VN vor Ein- 497 tritt des Todesfalles einen unmittelbaren Zugriff auf die Versicherungsforderung einschließlich Überschussbeteiligung, eine Anfechtung scheidet daher aus. Tritt der Erlebensfall ein, so unterliegt der Anspruch auf die Versicherungsleistung uneingeschränkt dem Zugriff der Gläubiger; tritt der Todesfall ein, so entsteht das Bezugsrecht und ein Zugriff kann nur über eine Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung erfolgen. Die Anfechtungsfrist beginnt mit Eintritt des Todesfalles. Ebenso haben die Gläubiger bei einer widerruflichen Erlebensfallbegünstigung vor 498 Eintritt des Erlebensfalles einen unmittelbaren Zugriff auf die Versicherungsforderung einschließlich Überschussbeteiligung. Tritt der Todesfall ein, so gilt dasselbe; tritt der Erlebensfall ein, so bedarf es der Anfechtung durch den Gläubiger. Beginn der Anfechtungsfrist ist der Erlebensfall.603 3. Gespaltenes Bezugsrecht a) Widerrufliche Bezugsberechtigungen sowohl im Todes- als auch im Erlebensfall. 499 Vor Eintritt des Versicherungsfalls können die Gläubiger des VN auf die Versicherungsansprüche zugreifen, wie beispielsweise auf den Anspruch auf den Rückkaufswert. Nach Eintritt des Todes- oder Erlebensfalls steht die Versicherungsleistung dem jeweils Begünstigten zu, insoweit können die Gläubiger nur den Weg der Anfechtung gehen. Beginn der Anfechtungsfrist ist der Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalls. b) Unwiderrufliche und widerrufliche Bezugsberechtigung im Todes- bzw. Erlebens- 500 fall. Beim Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Bezugsrechte haben die Gläubiger des VN vor dem Eintritt des Versicherungsfalles keinen unmittelbaren Zugriff, allerdings

600 601

BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022. Zu allem Hasse VersR 2005 1176, 1188.

602 603

Im Einzelnen Hasse VersR 2005 1176, 1188. Zu allem Hasse VersR 2005 1176, 1185.

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mit Ausnahme solcher Überschussanteile, die dem VN zustehen. Die vor dem Versicherungsfall fällig werdenden Leistungen wie der Rückkaufswert gebühren dem unwiderruflich Bezugsberechtigen, insoweit kann der Gläubiger nur im Wege der Anfechtung vorgehen. Nach Eintritt eines Versicherungsfalls kann der Gläubiger nur im Wege der Anfech501 tung auf den Versicherungsanspruch zugreifen. c) Unwiderrufliche Bezugsberechtigungen sowohl im Todes- als auch im Erlebensfall

502

aa) Anfechtung vor Eintritt des Versicherungsfalles. Will sich der Gläubiger Zugriff auf die Rückvergütung verschaffen, so bedarf es bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung der Anfechtung. Sind die Bezugsrechtseinsetzungen zeitversetzt erfolgt, ist der zunächst benannte Bezugsberechtigte (entweder für den Todesfall oder für den Erlebensfall) hinsichtlich vorzeitiger Versicherungsleistungen (wie der Rückvergütung) anspruchsberechtigt. Denn hat der VN zunächst für einen der beiden Versicherungsfälle einen unwiderruflich Bezugsberechtigten eingesetzt, so bleibt er für den Versicherungsfall, für den er zunächst keinen Bezugsberechtigten eingesetzt hat, aufschiebend bedingt anspruchsberechtigt. Setzt nun der VN für den Versicherungsfall, für den er selbst anspruchsberechtigt geblieben ist, einen weiteren Bezugsberechtigten ein, so kann er diesen Bezugsberechtigten nur in dem rechtlichen Umfang eine Begünstigung einräumen, über den er selbst noch verfügt. Daher umfasst das unwiderrufliche Bezugsrecht, das als zweites eingeräumt worden ist, grundsätzlich nicht einen vor Eintritt des Versicherungsfalles zu leistenden Rückkaufswert. Der VN kann nicht das zuerst verfügte Bezugsrecht nachträglich auf ein aufschiebend bedingtes Recht reduzieren, es gilt das Prioritätsprinzip.604 Die Anfechtung muss also gegenüber dem zunächst Benannten erfolgen. Der später benannte Bezugsberechtigte besitzt lediglich eine aufschiebend bedingte Rechtsposition, die die vorzeitig fällig werdende Versicherungsleistung wie die Rückvergütung nicht umfasst, daher bedarf es auch keiner Anfechtung. Die Einräumung der Bezugsberechtigungen zu gleicher Zeit muss in dem Sinne ver503 standen werden, dass die vorzeitig fällig werdenden Versicherungsleistungen wie die Rückvergütung den Begünstigten je zur Hälfte zustehen sollen, § 160 Abs. 1 Satz 1 analog.605 Die Anfechtung ist auf beide Bezugsrechtsverfügungen zu beziehen, die Anfechtungsfrist beginnt mit der Vornahme der Bezugsrechtseinräumung, §§ 8 Abs. 3 AnfG, 140 Abs. 3 InsO. Ist die Frist für die Begünstigungsanfechtung abgelaufen, so können die Prämienzah504 lungen angefochten werden, bei zeitversetzter Vornahme der Bezugsrechtseinräumung ist die Anfechtung gegenüber dem zunächst eingesetzten Begünstigten vorzunehmen. Bei gleichzeitig verfügten Bezugsrechtseinräumungen muss die Anfechtung gegenüber beiden Bezugsberechtigten erfolgen, auch hier kann es zu einem Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 677 BGB kommen.606

505

bb) Anfechtung nach Eintritt des Versicherungsfalles. Ist es zu dem Versicherungsfall gekommen, für den der ersteingesetzte Bezugsberechtigte anspruchsberechtigt ist, beginnt

604

OLG Frankfurt 14.9.2000 VersR 2002 219, 220; überzeugend Hasse VersR 2005 1176, 1180; vgl. auch BGH 9.6.1960 BGHZ 32 367, 370; a.A. Baroch Castellví VersR 1988 410, 415 und Brömmelmeyer § 42 Rn. 150.

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605 606

Hasse VersR 2005 1176, 1180, 1181. Im Einzelnen Hasse VersR 2005 1176, 1190.

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Bezugsberechtigung

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die Anfechtungsfrist mit Einräumung des Bezugsrechts. Ist dagegen der Versicherungsfall eingetreten, für den der an zweiter Stelle Benannte anspruchsberechtigt ist, beginnt die Anfechtungsfrist erst mit Eintritt des Versicherungsfalles. Bei gleichzeitiger Bezugsrechtseinräumung ergeben sich keine Besonderheiten.607

F. Pfandgläubiger I. Vorkommen in der Praxis Die Verpfändung der Versicherungsforderung ist die auf die Einräumung eines Pfand- 506 rechts gerichtete Willenseinigung zwischen VN und Pfandgläubiger, wobei es der Verpfändungsanzeige an den VR bedarf, um ein rechtswirksames Pfandrecht zu schaffen. Der VN bleibt bei der Verpfändung – anders als bei der Abtretung – Gläubiger der Versicherungsforderung. Verglichen mit der starken Verbreitung der Sicherungsabtretung trat die Verpfändung 507 von Ansprüchen und Rechten aus einem Lebensversicherungsvertrag lange Zeit gänzlich in den Hintergrund. Die Verpfändung fand im Wesentlichen als zusätzliche Sicherung eines dem VN vom VR gewährten Hypothekendarlehens Anwendung, da in diesen Fällen eine Sicherungszession an den VR rechtlich nicht möglich ist.608 Gleichwohl ist die Verpfändung von Lebensversicherungsansprüchen Gegenstand der Bedingungsregelungen geblieben, wie sich aus § 13 (3), (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke ergibt. Seit Ende des 20. Jahrhunderts hat die Verpfändung jedoch bei Rückdeckungsversicherungen in der betrieblichen Altersversorgung eine Renaissance erlebt. Insbesondere (unmittelbare) Versorgungszusagen des Arbeitgebers, für die kein oder nur ein unzureichender gesetzlicher Insolvenzschutz besteht, oder Unterstützungskassenversorgungszusagen werden durch Rückdeckungsversicherungen abgesichert und die Versicherungsleistungen den Versorgungsanwärtern verpfändet.609 Bei dieser Konstruktion, die in § 4 Abs. 3, 4 BetrAVG 1999 auch ihre gesetzliche Anerkennung gefunden hat, kommt es zu drei unterschiedlichen vertraglichen Vereinbarungen: Der Arbeitgeber sagt einer für sein Unternehmen tätigen Person eine Alters- und Hinterbliebenen- sowie Invaliditätsversorgung für einen bestimmten Versorgungsfall – beispielsweise den Erlebensfallzeitpunkt – zu. Er schließt zu gleicher Zeit einen Lebensversicherungsvertrag mit dem VR in einer kongruenten Höhe ab und setzt sich selbst als Bezugsberechtigten ein. Der Versorgungsempfänger wird durch die Verpfändung abgesichert, ihm soll eine möglichst unangreifbare Rechtsposition gewährt werden,610 aber auch steuerrechtliche und insolvenzrechtliche Gründe sprechen für diese Konstruktion.

607 608 609

Zu allem Hasse VersR 2005 1176, 1180, 1181. Asmus ZVersWiss 1970 52; vgl. auch RG 7.3.1904 RGZ 57 363. Beispiele: BGH 10.7.1997 VersR 1998 329, 330; BGH 7.4.2005 VersR 2005 929, 930; OLG Hamburg 27.8.2002 VersR 2003 630, 631; OLG Hamm 12.5.1995 VersR 1996

610

878, 879. OLG Hamm 16.6.2011 VersR 2012 975, 976 ff. behandelt den Fall einer Falschbezeichnung bei der Pfandrechtsbestellung. Im Einzelnen dazu Blomeyer VersR 1999 653 ff.; BGH 10.7.1997 VersR 1998 329, 330.

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§ 159

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II. Akzessorietät des Pfandrechts 508

Erforderlich für eine wirksame Entstehung des Pfandrechts ist wegen der Akzessorietät des Pfandrechts eine dem Pfandgläubiger zustehende Forderung, deren Sicherung das Pfandrecht an dem Versicherungsanspruch dient, §§ 1273 Abs. 2, 1204 BGB. Dabei braucht sich die Forderung des Pfandgläubigers nicht gegen den VN selbst zu richten, sie kann auch gegenüber einem Dritten bestehen. In diesem Falle verpfändet der VN seinen Versicherungsanspruch für eine Forderung, die der Pfandgläubiger gegen einen Dritten hat. Das Pfandrecht wird dabei erst wirksam, wenn die zu sichernde Forderung besteht, bei der Pfandrechtsbestellung für eine künftige Forderung also erst mit der Entstehung der künftigen Forderung selbst.611

III. Pfandrechtsbestellung, Anzeige an den Versicherer 509

Die Pfandrechtsbestellung erfolgt nach den Vorschriften der §§ 1274–1275 BGB, also durch Vertrag zwischen Gläubiger und VN,612 erforderlich ist nach § 1280 BGB zudem, dass der VN die Verpfändung dem VR anzeigt.613 Diese Anzeige – eine empfangsbedürftige Willenserklärung – hat konstitutiven Charakter. Durch § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke ist der zwingende Charakter des § 1280 BGB noch dadurch verschärft worden, dass eine schriftliche Anzeige an den VR für erforderlich gehalten wird. Fehlt es an der Anzeige, so ist die Pfandrechtsbestellung absolut unwirksam.614 Die Anzeige ist auch erforderlich, wenn der VR von der Verpfändung bereits auf andere Weise Kenntnis erlangt hat; auch die Übergabe der Police genügt alleine nicht.615 Die Verpfändungsanzeige ist nur entbehrlich, wenn der Anspruch aus der Versicherung an den VR selbst verpfändet wird.616 Von dem Schriftformerfordernis der Bedingungswerke können die Vertragsparteien durch eine vertragliche Vereinbarung absehen, denn nach § 1280 BGB ist die Schriftform nicht erforderlich; daher kann die Anzeige auch konkludent erfolgen. Der VR soll durch die Anzeige die Gewissheit erhalten, dass der Verpfänder die Verpfändungserklärung gegen sich gelten lässt.617 510 Wird mit Hilfe der Verpfändung von Rückdeckungsversicherungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung neben einer Alters- auch eine Hinterbliebenenversorgung abgesichert, müssen die in Betracht kommenden Personen persönlich an dem Vertragswerk beteiligt werden. Es ist daher für jeden u.U. versorgungsberechtigten Hinterbliebenen ein eigenes Pfandrecht zu bestellen. Wenn sich das Pfandrecht auf mehrere Forderungen bezieht, richtet sich das Rangverhältnis gemäß § 1209 BGB zwingend nach dem Zeitpunkt der Pfandrechtsbestellung, bei gleichzeitig bestellten Pfandrechten kann jedoch das gewünschte Rangverhältnis festgesetzt werden.618

611 612

613 614

Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 24. ÖOGH 7.5.1969 VersR 1970 96; BGH 7.4.2005 VersR 2005 923; OLG Hamburg VersR 2003 630, 631. RG 14.3.1902 RGZ 51 86; KG 23.9.1918 JW 1919 117 f. BGH 31.10.1990 VersR 1991 89.

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615 616 617 618

ÖOGH 7.5.1969 VersR 1970 96. Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 29. OLG Hamburg 27.8.2002 VersR 2003 630, 631. Vgl. dazu Blomeyer VersR 1999 653, 656.

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IV. Umfang der Verpfändung Die Verpfändung bezieht sich auf die gleichen Ansprüche wie die Abtretung, sie 511 erstreckt sich also auf den Anspruch auf die Versicherungssumme, die Überschussbeteiligung und die Rückvergütung. Die Verpfändung von Rückdeckungsversicherungen muss sich konkret auf das Be- 512 zugsrecht des Arbeitgebers beziehen. Da es sich bei dem verpfändeten Recht um eine bedingte oder künftige Forderung handeln kann,619 die nur bestimmbar sein muss, ist auch die Verpfändung eines stetig im Wert wachsenden Bezugsrechts zulässig.620

V. Pfandreife Gegenstand der Verpfändungsvereinbarung ist auch die Pfandreife, also der Zeit- 513 punkt, zu dem der Pfandnehmer das Pfand verwerten oder bei der Rückdeckungsversicherung das Bezugsrecht in Anspruch nehmen kann. Nach §§ 1273 Abs. 2 Satz 1, 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB tritt die Pfandreife mit der gänzlichen oder teilweisen Fälligkeit der Forderung des Pfandgläubigers gegen den Verpfänder ein. Wenn das Gesetz dabei davon ausgeht, dass die Verpfändung dem Pfandrechtsgläubiger bei Nichtzahlung der zu sichernden Forderung Schutz gewähren soll, so steht bei dem Verpfändungsmodell im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung die Sicherheit im Insolvenzfall im Vordergrund, daher wird hier die Pfandreife häufig auch auf diesen Fall bezogen. Bei Bestimmung der Pfandreife ist es zulässig, sie von weiteren erschwerenden Bedingungen abhängig zu machen, wie vom Zahlungsverzug des Arbeitgebers, von einer erfolglosen Einzelvollstreckung in sein Vermögen oder von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegenüber dem Arbeitgeber. Unzulässig ist jedoch die Vereinbarung erleichterter Bedingungen, also die Bestimmung der Pfandreife schon vor Fälligkeit der zu sichernden Forderung.621

VI. Verpfändungswirkungen 1. Vor dem Eintritt der Pfandreife a) Rechtsstellung des Versicherungsnehmers. Der VN ist nach wie vor der Gläubiger 514 der verpfändeten Forderung gegen den VR. Die Rechte des VN gegen den VR werden nur belastet, es tritt anders als bei der Abtretung kein vermögensrechtlicher Übergang auf den Pfandgläubiger ein. Obschon der VN in seiner Verfügungsbefugnis insoweit beschränkt ist, als er zur Aufhebung des Rechts gegen den VR sowie zu sämtlichen Verfügungen, durch die das Pfandrecht beeinträchtigt wird, der Zustimmung des Pfandgläubigers bedarf (§ 1276 BGB), bleibt er doch verfügungsberechtigt.622 Zu den Verfügungen, für die es einer Zustimmung des Pfandgläubigers bedarf, zählen auch die Umwandlung oder die Kündigung der Versicherung gemäß §§ 165, 168.623 Der VN kann

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Wie sich aus §§ 1273 Abs. 2, 1204 Abs. 2 BGB ergibt. A.A. Blomeyer VersR 1999 653, 657, soweit es sich um in Zukunft anfallende Überschussanteile handelt.

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Im Einzelnen Blomeyer VersR 1999 653, 657, 658. Vgl. OLG Hamburg 7.8.2002 VersR 2003 630, 631. Hasse 46.

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auch die Zahlung einer fällig werdenden Versicherungsleistung nur an sich und den Pfandgläubiger gemeinsam fordern, § 1281 BGB. Bei der Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung bedarf es dabei grundsätzlich, aber auch nur der Zustimmung, sofern durch die Umwandlung eine Beeinträchtigung des Pfandrechts eintritt. Eine derartige Beeinträchtigung ist nicht gegeben, wenn die Rückvergütung höher ist als die Forderung, die durch das Pfandrecht gesichert wird, einschließlich Nebenkosten. Es bedarf ebenfalls keiner Zustimmung des Pfandgläubigers, wenn nach der Vereinbarung zwischen dem VN und dem Pfandgläubiger die Versicherungsforderung nur mit dem Werte zur Zeit der Pfandrechtsbestellung Sicherheit bieten soll: Der VN hat bei einer derartigen Abrede keine Verpflichtung zur Weiterzahlung der Prämie übernommen. Mit der Umwandlung aber wird zwar die Höhe der Versicherungssumme geändert, es wird jedoch nicht der Sicherungswert des Vertrages gemindert, so dass auch das Pfandrecht an der Versicherung nicht beeinträchtigt wird. Auch bei der Kündigung der Versicherung wird der Anspruch aus der Lebensversiche515 rung geändert, so dass hier grundsätzlich die Zustimmung des Pfandgläubigers erforderlich ist. Auch hier bedarf es jedoch keiner Zustimmung, wenn die Rückvergütung höher als die gesicherte Forderung ist. Da die Zustimmung zugunsten des VN wirkt, ist sie ihm gegenüber zu erklären. Sie ist unwiderruflich, § 1276 Abs. 1 Satz 2 BGB. Erfolgt die Kündigung – oder Umwandlung – ohne die erforderliche Zustimmung des Pfandgläubigers, so ist sie unwirksam. Der VN bedarf jedoch nicht der Mitwirkung des Pfandgläubigers, wenn er den ver516 pfändeten Versicherungsanspruch abtreten oder eine weitere Verpfändung vornehmen will, denn diese Rechtsgeschäfte lassen das Pfandrecht unberührt. Der Zessionar erwirbt nur einen Anspruch, der mit dem ihm im Range vorgehenden Pfandrecht belastet ist, ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Pfandrecht.624 Hinsichtlich des Verpfändungsmodells bei einer Rückdeckungsversicherung finden 517 sich Sonderregelungen, deren Vereinbarung nach § 1284 BGB zulässig ist. So kann dem Arbeitnehmer bereits vor Eintritt der Pfandreife das alleinige Recht zur Einziehung der Versicherungssumme usw. eingeräumt werden. Eine Anzeige an den VR ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung, wenn es zu einer solchen Vereinbarung kommt. Der VR ist durch die Vorschriften der §§ 1275, 409 BGB, § 94 ZPO geschützt, wenn er über die Vereinbarung nicht unterrichtet ist. Solange die Versicherungsleistung noch nicht fällig ist und der Arbeitgeber die Versicherung mit Zustimmung des Arbeitnehmers kündigt, so bedeutet das, dass der Arbeitnehmer im Ergebnis auf sein Pfandrecht verzichtet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können das Bezugsrecht auf diese Weise gemeinschaftlich verwerten und dem Arbeitgeber die Rückvergütung auszahlen lassen. Für den Arbeitnehmer kann es sich dabei um eine Teil- oder Vollabfindung handeln, die nach § 3 BetrAVG zu beurteilen ist. Bei Fälligkeit der Versicherungsleistung sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 1285 Abs. 1 BGB verpflichtet, bei der Einziehung der Forderung mitzuwirken.625

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b) Rechtsstellung des Pfandgläubigers. Der Pfandgläubiger ist im Hinblick auf den Versicherungsanspruch nicht verfügungsberechtigt, er kann die Versicherung also auch nicht kündigen oder die Umwandlung beantragen. Er kann lediglich bei den Rechtsgeschäften des VN im Rahmen der §§ 1276, 1281 BGB mitwirken. Die Auffassung, die

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Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 31. Im Einzelnen kritisch Blomeyer VersR 1999 653, 657, 658.

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dem Pfandgläubiger ein Kündigungsrecht zugestehen will, wenn seine Forderung zwar noch nicht fällig ist, der Verpfänder aber weder den Pfandgläubiger zu befriedigen noch die Prämie weiterzuzahlen vermag, ist abzulehnen, da sie in den gesetzlichen Vorschriften zum Pfandrecht keine Stütze findet.626 Der Pfandgläubiger ist nicht Erklärungsgegner des VR, er hat grundsätzlich auch 519 keine Pflichten aus dem Versicherungsvertrage zu erfüllen. Ihm steht nach § 34 das Recht zu, fällige Prämien auch gegen den Willen des VR zahlen zu dürfen. Soweit die Zahlung der Prämien und sonstiger dem VR aufgrund des Versicherungsvertrages gebührender Beträge durch den Pfandgläubiger erfolgt, geht die Forderung des VR gegen den VN auf ihn über.627 Auf diese Forderung erstreckt sich dann nach § 34 auch das Pfandrecht. Der VR muss den Pfandgläubiger – ebenso wie den Zessionar, den Zweitmarktkäufer und den Vollstreckungsgläubiger – über den Prämienverzug des VN informieren.628 Der Pfandgläubiger kann der Verrechnung der jährlichen Überschussanteile mit der Prämienschuld des VN nicht widersprechen.629 c) Rechtsstellung des Versicherers. Da der VN der alleinige Träger der Rechte und 520 Pflichten aus dem Versicherungsvertrage bleibt, braucht der VR Willenserklärungen, die er im Rahmen des Versicherungsverhältnisse abgibt, nur dem VN gegenüber abzugeben. Insbesondere ist auch § 1283 BGB insoweit nicht anwendbar.630 Wird die Versicherungsleistung fällig, so kann der VN nur an beide gemeinschaftlich leisten, soweit der Pfandgläubiger und der VN nicht ein anderes vereinbart haben, §§ 1281 Satz 1, 1284 BGB. Leistet der VR nur an einen der beiden Berechtigten, obwohl keine abweichende Vereinbarung vorliegt, so ist seine Leistung dem anderen gegenüber unwirksam.631 2. Nach dem Eintritt der Pfandreife. Ist die Pfandreife eingetreten, dient der verpfän- 521 dete Anspruch zur Befriedigung des Pfandgläubigers. Der Pfandgläubiger kann die fällige Versicherungsleistung nunmehr ohne Mitwirkung des VN einziehen, soweit dies zu seiner Befriedigung erforderlich ist, also zur Deckung seiner Forderung zuzüglich Zinsen, Ersatz von Aufwendungen (d.h. vom Pfandgläubiger übernommene Prämienzahlungen), Kosten der Rechtsverfolgung usw. (vgl. § 1282 BGB). Der VN oder sein Rechtsnachfolger ist verpflichtet, den Pfandgläubiger durch Beschaffung der erforderlichen Belege in der Einziehung der Versicherungsleistung zu unterstützen. Mit Einziehung der Leistung gilt die Forderung des Pfandgläubigers als vom Verpfänder insoweit getilgt, als der eingezogene Betrag zur Befriedigung des Pfandgläubigers dient, § 1288 Abs. 2 BGB. Das Recht, den Anspruch auf die Versicherungsleistung geltend zu machen, ist für 522 den Pfandgläubiger in der Regel jedoch nur von Interesse, wenn der Anspruch fällig ist

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Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 32. Asmus ZVersWiss 1970 53. A.M. Bruck/Möller/Beckmann § 34 Rn. 17; RG 23.6.1908 VA 1908 77–78 Nr. 397; vgl. auch ÖOGH 4.2.1970 VersR 1970 1068; OLG Köln 7.12.1989 VersR 1990 1261; Frels VersR 1970 987 ff.; für den Prämienverzug im Rahmen des Verpfändungsmodells bei der betrieblichen Altersversorgung stößt ein Informationsrecht des Pfandgläubigers gegenüber dem VR ohnehin auf breite Zustimmung (OLG Düssel-

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dorf 17.12.2002 VersR 2003 627, 628; BAG 17.12.1992 NJW 1994 276; Prahl VuR 2004 170 ff.; Bruck/Möller/Beckmann § 34 Rn. 18). RG 18.10.1935 VA 1935 265–266 Nr. 2832. Vgl. im Übrigen Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 32. RG 23.6.1908 VA 1908 77; Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 33; Mueller ZVersWiss 1912 202. Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 32.

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oder in der nahen Zukunft fällig werden wird. Da es sich in der Lebensversicherung zum Großteil um langfristige Verträge handelt, ist die Kündigung des Vertrages und die sodann mögliche Einziehung des Rückkaufswerts für den Pfandgläubiger von besonderer Bedeutung. Dabei ist davon auszugehen, dass der Pfandgläubiger die Versicherung grundsätzlich nicht durch eine Kündigung zur Fälligkeit bringen kann. Anders verhält es sich, wenn sich der Pfandgläubiger das Kündigungsrecht dadurch verschafft, dass er sich – wozu der Verpfänder nach Eintritt der Pfandreife gemäß § 1282 Abs. 1 Satz 3 BGB verpflichtet ist – den Versicherungsanspruch von dem Verpfänder an Zahlungs statt abtreten lässt. Mit dieser Abtretung rückt der Pfandgläubiger in die Gläubigerstellung des VN ein, und er darf die Versicherung nunmehr kündigen oder andere Gestaltungsrechte ausüben.632 Ist die Forderung des Pfandgläubigers geringer als der Betrag der Versicherungsforderung, so kann der Pfandgläubiger die Abtretung der Versicherungsforderung nur in solcher Höhe an sich fordern, dass die Rückvergütung aus der abgetretenen Teilforderung zu seiner Befriedigung ausreicht.633 Andere Verfügungen über die Forderung darf der Pfandgläubiger nicht vornehmen, § 1282 Abs. 2 BGB. Das heißt jedoch nicht, dass er den VR nicht mahnen, in Verzug setzen und auf Leistung an sich klagen kann, wenn der VR seiner Leistungspflicht nicht nachkommt. Er darf die verpfändete Forderung jedoch nicht abtreten, erlassen oder sich über sie vergleichen. Wenn der Pfandgläubiger den Versicherungsanspruch nicht an Zahlungs statt übernehmen will, so kann er seine Befriedigung nur nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften aufgrund eines vollstreckbaren Titels suchen (vgl. § 1227 BGB). Auch bei dem Verpfändungsmodell bei der Rückdeckungsversicherung kann der Pfandgläubiger eine Weiterführung der Lebensversicherung auf den eigenen Namen vereinbaren.634 Nach Eintritt der Pfandreife erbringt der VN keine unmittelbaren Versorgungsleistungen mehr, anderenfalls erlischt insoweit das Pfandrecht, § 1252 BGB. Der VR kann mit befreiender Wirkung nur an den Pfandgläubiger leisten, mit der Leistung erlischt das Pfandrecht, § 1252 BGB. Auch bei der betrieblichen Altersversorgung bedeutet das, dass der Teil der Versorgungsansprüche, welcher durch die Rückdeckungsversicherung nicht abgesichert ist, keine Absicherung mehr durch das Pfandrecht besitzt.635

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Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 35; Hasse 46; a.A. von Gierke 76 f.; Kühlmorgen 135; Lücke 50 f. und Blomeyer VersR 1999 653, 659, die unzutreffend aus § 1283 Abs. 3 BGB folgern, dass der Pfandgläubiger nach Eintritt der Pfandreife das Kündigungsrecht in jedem Fall habe. Bruck/Dörstling § 15 ALB a.F. Rn. 3; Bürkner 30; Lederle 75.

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Blomeyer VersR 1999 653, 660, was allerdings zu steuerlichen Konsequenzen führt. Im Einzelnen Blomeyer VersR 1999 653, 660; zum Pfandrecht in der Insolvenz des versorgungsverpflichteten Arbeitgebers 660 ff.

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VII. Verpfändung bei einer Bezugsberechtigung 1. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung Ist ein unwiderruflich Bezugsberechtigter eingesetzt, so kann grundsätzlich nicht der 529 VN, sondern nur der unwiderruflich Bezugsberechtigte seine Ansprüche gegen den VR verpfänden. 2. Widerrufliche Bezugsberechtigung Ebenso wie in der Abtretung ist auch in der Verpfändung der Rechte aus dem Ver- 530 sicherungsvertrag in aller Regel ein Widerruf der Bezugsberechtigung enthalten.636 Der Widerruf erfolgt dabei nur soweit, wie das zur Sicherung und zur Befriedigung des Pfandgläubigers notwendig ist. Die Rechte aus der Bezugsberechtigung treten insoweit hinter das Pfandrecht zurück. 3. Geteilte Bezugsberechtigung Auch bei der geteilten Bezugsberechtigung ist eine durch den VN vorgenommene Ver- 531 pfändung des Versicherungsanspruchs nur soweit möglich, wie kein oder nur ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden ist. Wie bei der reinen Todesfallversicherung enthält die Verpfändung auch hier einen konkludenten Widerruf der Bezugsberechtigung. Eine sich auf die Erlebensfallleistung beschränkende Verpfändung kann dabei nur beim Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden, da der Pfandgläubiger in der Regel insbes. auch für den Fall des vorzeitigen Todes des VN abgesichert sein will.637

VIII. Zurückbehaltungsrecht am Versicherungsschein nach Verpfändung Am Versicherungsschein kann kein dingliches Zurückbehaltungsrecht begründet wer- 532 den, es kann lediglich die Übereinkunft getroffen werden, dass der Pfandgläubiger den Versicherungsschein solange, wie er noch nicht befriedigt worden ist, in Besitz behalten darf.

G. Erbrechtlich Ausgleichsberechtigte I. Pflichtteilsberechtigter 1. Übersicht Ist in dem Lebensversicherungsvertrag kein Bezugsberechtigter eingesetzt, so fällt der 533 Versicherungsanspruch nach allgemeiner Ansicht in den Nachlass des VN und steht damit den Erben des VN zu.638 Kommt es zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen, so ist bei der gemäß § 2311 BGB erfolgenden Berechnung des Nachlasswerts der Versicherungsanspruch mit zu berücksichtigen.

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Dazu ausführlich oben § 159 Rn. 233 ff. Hasse 79.

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BGH 8.2.1960 BGHZ 32 46 f.

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Wenn der VN dagegen einen Bezugsberechtigten eingesetzt hat, ist die Ausgleichspflicht des § 2316 BGB, die Anrechnungspflicht des § 2315 BGB und insbes. auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 BGB639 zu beachten. Der Pflichtteilergänzungsanspruch dient dem Schutze der Familienangehörigen gegen Schenkungen, die zu Lebzeiten des Erblassers an Dritte – also auch an Bezugsberechtigte – erbracht werden. Er ist darauf gerichtet, solche Vermögensminderungen beim Erblasser so auszugleichen, dass die Pflichtteilsberechtigten so gestellt werden, wie sie stehen würden, wenn die lebzeitige Schenkung nicht gemacht worden wäre. Voraussetzung für den Pflichtteilsergänzungsanspruch ist, dass es sich um eine Schenkung i.S.d. §§ 516–534 BGB handelt.640 Auch hier ergibt sich die Problematik der Differenzierung nach einer Lebensversicherung, die ihren Rechtsgrund in der Unterhalts- und Vorsorgepflicht des VN findet, und den Versicherungen, die sich als Geschenk darstellen. Eine Ausstattung gilt gemäß § 1624 Abs. 1 BGB nur insoweit als Schenkung, als sie beim Empfang dem elterlichen Vermögen nicht angemessen war. Ausgeschlossen vom Pflichtteilsergänzungsanspruch sind zudem die Anstands- bzw. Pflichtschenkungen i.S.d. § 2330 BGB. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gelangt im Wesentlichen bei der Todesfall- und bei der gemischten Lebensversicherung zur Anwendung. Im Einzelnen ist hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs danach zu differen535 zieren, ob es sich bei der Schenkung um die Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung, einer widerruflichen Bezugsberechtigung oder einer geteilten Bezugsberechtigung bei der gemischten Lebensversicherung handelt. Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflicht536 teilsberechtigte nach §§ 818 ff., 2329 BGB von dem Beschenkten die Herausgabe der Zuwendung fordern. Entsprechendes gilt, wenn die Schenkung im Wege der Abtretung des Versicherungs537 anspruchs vorgenommen wird. 2. Pflichtteilsergänzungsanspruch bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung

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Zum Umfang des Pflichtteilsergänzungsanspruchs finden sich im Wesentlichen drei unterschiedliche Auffassungen: Nach der h.M. ist eine Schenkung aus dem Vermögen des VN nur in Höhe der Gesamtsumme der gezahlten Prämien gegeben, der Versicherungsanspruch werde von dem Bezugsberechtigten originär aus dem Lebensversicherungsvertrag erworben, nicht aber aus dem Vermögen des VN.641 Die Gegenauffassung geht dahin, dass bei der Pflichtteilsergänzung stets der Versicherungsanspruch im vollen Umfange einschließlich Überschussbeteiligung maßgeblich sei.642 Eine dritte Auffassung

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Zu allem Hasse Ausgleichsansprüche 5 ff. § 159 Rn. 256 ff., 190 ff.; grundlegend auch Armbrüster Liber amicorum für Gerrit Winter 519, 527 ff. RG 25.3.1930 RGZ 128 187, 190 f.; BGH 14.7.1952 BGHZ 7 134, 142 f.; BGH 10.6.1965 NJW 1965 1914 (Bausparvertrag); BGH 4.2.1976 FamRZ 1976 616 f.; vgl. ferner BGH 20.9.1995 VersR 1995 1429, 1430 und die Vorinstanz OLG Hamm 30.11.1993 FamRZ 1994 1255, 1256; Heilmann VersR 1992 1001; Schindel 62 f.;

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Sieg FS Klingmüller 462; Staudinger/Olshausen § 2325 Rn. 38; MüKo-BGB/Lange § 2325 Rn. 70; Leipold Erbrecht, 19. Aufl., Rn. 581; Blum ZEV 2008 146; Frömgen Das Verhältnis zwischen Lebensversicherung und Pflichtteil (2004) 105; weitere Nachweise bei Harder FamRZ 1976 617 Fn. 4. Harder FamRZ 1976 616–617; Josef ArchBürgR 42 323–324; Reinicke NJW 1956 1053; Thiele 104 ff., 115 f.; Finger 63 ff.; Staudinger/Jagmann § 330 BGB Rn. 51 f.; Fuchs JuS 1989 179, 182; Natter ZBIFG

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Bezugsberechtigung

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stellt auf den Wert ab, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung – wenn es nicht zur Einsetzung eines Bezugsberechtigten gekommen wäre – in der letzten (juristischen) Sekunde seines Lebens für sein Vermögen hätte ansetzen können, also auf den Rückkaufswert bzw. den im Zweitmarkt zu erzielenden Wert.643 Mit dem BGH ist davon auszugehen, dass sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch auf 539 den Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung bzw. auf den entsprechenden Zweitmarktwert beläuft. Die Vorschrift des § 2325 BGB soll verhindern, dass das Pflichtteilsrecht durch lebzeitige Rechtsgeschäfte des Erblassers ausgehöhlt wird, dass also „der Erblasser die für den Todesfall festgeschriebene Beteiligung von Pflichtteilsberechtigten an seinem Vermögen der letzten zehn Jahre nicht durch unentgeltliche Weggabe von Vermögenswerten schmälert“. Gegenstand der Pflichtteilergänzung kann also nicht die Versicherungssumme einschließlich Überschussbeteiligung sein, da der Anspruch aus dem Lebensversicherungsvertrag erst mit dem Tode entsteht und nicht schon vor dem Tode geltend gemacht werden kann. Der Anspruch aus § 2325 BGB geht nicht auf eine Teilhabe an Zugewinnmöglichkeiten im Zeitpunkt des Todes, die der Erblasser durch eine unentgeltliche Zuwendung seinen Erben genommen hat. Vielmehr muss „die Bereicherung des Beschenkten … auf einer entsprechenden Entreicherung des Schenkers“ beruhen, eine „ausgebliebene Mehrung des Nachlasses reicht hierfür nicht“.644 Der Pflichtteilsberechtigte hat – anders als z.B. der Insolvenzgläubiger – gegen den Erblasser keine konkrete Forderung, sondern hat allein wegen seiner familiären Nähe zum Erblasser ein Recht auf Teilhabe an den Vermögenswerten des Erblassers, sobald es zum Erbfall kommt. Er soll einen Anteil an dem bekommen, was vom Vermögen des Erblassers übrig bleibt. Konsequenterweise wird die Schenkung auch nicht real rückgängig gemacht. Nicht primär der Beschenkte, sondern der Erbe hat einen entsprechenden Teil von dem hinterlassenen Vermögen an den Pflichtteilsberechtigten abzugeben. Vor diesem Hintergrund bezieht sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht auf die Versicherungssumme, wie sie erst mit dem Tode des VN fällig wird. Der Pflichtteilsberechtigte hat auch keinen Ergänzungsanspruch in Höhe der vom 540 Erblasser für die Versicherung insgesamt gezahlten Prämien. Nach Ansicht der früher h.M. werden die Prämienzahlungen aus der ex-post-Perspektive so behandelt, als habe der Erblasser die als VN an den VR gezahlten Prämien den Bezugsberechtigten schenkweise überlassen – eine kühne Konstruktion, bei der zudem unberücksichtigt bleibt, dass „Teile der Prämien für die Zahlung von Versicherungsleistungen an andere VN in den – tatsächlich vom Erblasser überlebten – Versicherungsjahren sowie für die Deckung von Verwaltungskosten verbraucht werden und die Prämienzahlungen insofern nicht zwangsläufig zu einer Wertsteigerung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag führen“.645 Beitragsanteile für die erbrachte Gefahrtragung usw. müssen außer Betracht bleiben. Den Pflichtteilsergänzungsanspruch an der Gesamtheit der Prämienzahlung zu orientieren

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1907/1908 303, 305 ff.; Elfring 144 ff., 152 ff., 156; Westhelle/Micksch ZIP 2003 2054, 2057 f.; Armbrüster/Pilz KTS 2004 481, 499 f.; Lorenz FS Farny 361; insbes. auch Bayer 307 ff. und ausführlich im Grundsatz auch Hasse Ausgleichsansprüche 50 ff., der bei der ursprünglichen Begünstigtenbezeichnung nur den Prämienaufwand für anfechtbar und ausgleichspflichtig hält. BGH 28.4.2010 VersR 2010 895, 896 ff. für

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den Fall einer widerruflichen Bezugsberechtigung. BGH 28.4.2010 VersR 2010 895, 897. Für eine solche Auslegung spricht auch der Wortlaut des § 2325 Abs. 1 BGB, der von einem „verschenkten“ Gegenstand spricht, den Blick also auf die Maßgeblichkeit des Vermögensabflusses, nicht des Vermögenszuflusses lenkt. BGH 28.4.2010 VersR 2010 895, 899.

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und nicht an der Wertentwicklung der Versicherung, wie sie sich in der letzten juristischen Sekunde, die der Erblasser erlebt, darstellt, wäre nicht sachgerecht. Daher ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB nach dem Wert zu berechnen, den der Erblasser durch eine Verwertung seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag – hätte er nicht ein unwiderrufliches Bezugsrecht verfügt – zuletzt selbst noch hätte geltend machen können. Dieser Liquidationswert ist in erster Linie der Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung, lässt sich auf dem Zweitmarkt für gebrauchte Lebensversicherungen ein höherer Wert erzielen, so ist dieser Marktwert zugrunde zu legen. Maßgeblich ist stets der höchste erzielbare Wert.646 Was den maßgeblichen Bewertungszeitpunkt für den anzusetzenden Rückkaufs- oder Verkaufswert anbelangt, so ist bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung – anders als bei der widerruflichen – zu bedenken, dass dem unwiderruflich Bezugsberechtigten seine Rechte bereits bei Begründung der Bezugsberechtigung eingeräumt werden, wobei das Recht auf den Rückkaufswert aufschiebend bedingt durch die Kündigung, den Todesfall der Gefahrsperson usw. ist. Der Rückkaufswert bzw. der Veräußerungswert liegt zu diesem Zeitpunkt erheblich niedriger als unmittelbar vor dem Eintritt des Todes des VN, also des Erbfalls. Denn beginnt der VN nach Begründung des unwiderruflichen Bezugsrechts seine Prämienzahlung – wie in der Regel beabsichtigt – oder führt er sie fort, so kommt es zu einer entsprechenden, laufenden Wertsteigerung der Ansprüche. Ist in der Bezugsrechtsverfügung und der Prämienzahlung ein einheitlicher Vorgang zu sehen, der erst mit der letzten Beitragszahlung abgeschlossen ist, wird die Schenkung bei einer Todesfallversicherung erst unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles vollzogen. Das ist entscheidend auch für das Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB, das nicht dazu führt, dass auf den Zeitwert der Schenkung bei Begründung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung abzustellen ist.647 Ist der Abschluss der Lebensversicherung sowie die Bezugsrechtsverfügung vor mehr als zehn Jahren erfolgt und sind auch die Prämienzahlungen teilweise vor mehr als zehn Jahren vor dem Erbfall geleistet worden, so bezieht sich der Ergänzungsanspruch nur auf den Teil der Rückvergütung einschließlich Überschussbeteiligung, um den sich der Rückkaufswert aufgrund der Zahlungen innerhalb der Zehn-Jahresfrist erhöht hat. Dafür sprechen Sinn und Zweck der Regelung des § 2325 Abs. 3 BGB. Kommt es zu einer vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages und ist die Rückvergütung dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zugefallen, so richtet sich der Ergänzungsanspruch auf den Betrag, um den sich die Rückvergütung aufgrund geleisteter Beitragszahlungen während der Zehn-Jahresfrist erhöht hat. Verglichen mit der Summe der anfechtbaren Beitragszahlungen handelt es sich dabei um einen reduzierten Betrag, weil die Prämienzahlungen nur partiell zur Erhöhung der Rückvergütung verwandt werden und zum anderen Teil der Gefahrtragung usw. gedient haben. 3. Pflichtteilsergänzungsanspruch bei widerruflicher Bezugsberechtigung

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Auch hier ist der ergänzungspflichtige Schenkungsgegenstand die Rückvergütung einschließlich Überschussbeteiligung.648 Ebenso wie bei der unwiderruflichen Bezugs-

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BGH 28.4.2010 VersR 2010 895, 899 f. Zu allem Rudy VersR 2010 1395, 1401 ff. BGH 28.4.2010 VersR 2010 895. Zuvor h.M. (Prämienaufwand): RG 25.3.1930

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RGZ 128 187, 190 f.; BGH 14.7.1952 BGHZ 7 134, 142 f.; BGH 10.6.1965 NJW 1965 1913, 1914; BGH 4.2.1976 FamRZ 1976 616, 617; BGH 1.4.1987 Versr 1987

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Bezugsberechtigung

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berechtigung werden auf den widerruflich Bezugsberechtigten „keine Vermögenswerte unmittelbar übertragen. Unmittelbare Vermögensverschiebungen finden zu Lebzeiten des Erblassers nur im Deckungsverhältnis statt, wenn dieser – zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag – die einzelnen Prämienzahlungen an den Versicherer leistet. Der Bezugsberechtigte hingegen hat vor dem Eintritt des Todes keinen Anspruch, nicht einmal eine Anwartschaft, sondern lediglich eine Erwerbshoffnung, die der Erblasser jederzeit durch eine Änderung der Bezugsberechtigung vernichten kann. In der juristischen Sekunde des Eintritts des Todes erwirbt der Bezugsberechtigte originär einen Anspruch auf die Versicherungssumme gegen den Versicherer, während die eigenen Rechte des Erblassers untergehen. Dieser(Anspruch) gehörte nie zum Erblasservermögen. Er entsteht mit dem Todesfall unmittelbar im Vermögen des Bezugsberechtigten und kann daher weder dem Vermögen des Erblassers – das in dieser juristischen Sekunde ohnehin nicht mehr existiert – noch dem Nachlass zugeordnet werden. … Der Gegenstand, um den das Vermögen des Bezugsberechtigten vermehrt wird (Bereicherungsgegenstand), gelangt somit erst zu einem Zeitpunkt zur Entstehung, in dem das Vermögen des Erblassers und dieser selbst nicht mehr existieren. Daher ist kein Gegenstand denkbar, um den das Vermögen des Erblassers vermindert wird (Entreicherungsgegenstand), der mit dem Bereicherungsgegenstand identisch sein könnte. Eine unmittelbare Zuwendung aus dem Vermögen des Erblassers in das Vermögen des Begünstigten scheidet mithin aus. Entreicherung und Bereicherung werden jedoch vermittelt durch die Einschaltung des Versicherers und die vertraglichen Absprachen im Deckungsverhältnis.“649 Auch für die widerrufliche Bezugsberechtigung gilt, dass der Pflichtteilsberechtigte 546 einen Teilhabeanspruch nur insoweit hat, „als der Beschenkte ‚aus dem Vermögen des Schenkers heraus‘ bereichert ist, die Bereicherung des Beschenkten also auf einer entsprechenden Entreicherung des Schenkers beruht.“650 Dabei ist der für die Bereicherung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs maßgebliche Entreicherungsgegenstand „das Bündel an Rechten aus dem Lebensversicherungsvertrag, das dem Erblasser in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens zustand. Hat der Erblasser lediglich ein widerrufliches Bezugsrecht auf den Todesfall eingeräumt und auch nicht anderweitig über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügt, stehen ihm – je nach Vereinbarung – in der letzten Sekunde seines Lebens der – durch eine Kündigung des Versicherungsvertrages aufschiebend bedingte – Anspruch auf den Rückkaufswert, der – durch den Tod des Erblassers aufschiebend bedingte – Anspruch auf die Todesfallleistung sowie der – auf das Erleben des Ablaufdatums aufschiebend bedingte – Anspruch auf die Erlebensfallleistung zu. Durch die Einräumung des widerruflichen Bezugsrechts hat der Erblasser eine auf den Todesfall aufschiebend bedingte und jederzeit widerrufliche Verfügung getroffen, indem er – aufschiebend bedingt – von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, durch einseitige Erklärung den Lebensversicherungsvertrag in einen Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328, 659, 661; BGH 20.9.1995 VersR 1995 1429, 1430; OLG Hamm 30.11.1993 FamRZ 1974 1255, 1256; Staudinger/Kanzleiter § 2301 BGB Rn. 49; Erman/Schmidt § 2301 BGB Rn. 14; Jauernig/Stürmer § 2301 Rn. 7; Soergel/Wolf § 2301 Rn. 27; Lange/ Kuchink § 33 V 2e S. 722; MüKo-BGB/ Gottwald § 330 Rn. 21; Soergel/Hadding § 330 Rn. 17. Eine Orientierung an der vollen Versicherungssumme befürworten: Hellwig 387; Josef ArchBürgR 42 319, 323,

649

650

324; Thiele 104 ff., 115 f.; Hasse 249 ff.; ders. Ausgleichsansprüche 35 ff.; Lorenz FS Farny 356 ff.; Bayer 312, 314 ff.; Elfring 98 ff., 107; wohl auch BK/Schwintowski § 166 Rn. 23. BGH 28.4.2010 VersR 2010 895, 896 sowie mit Feststellungen zur Entstehungsgeschichte des § 2325 BGB unter Rn. 28 S. 897. BGH 28.4.2010 VersR 2010 895, 896.

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469

§ 159

Kapitel 5: Lebensversicherung

331 BGB) umzuwandeln. Mit dem Tod des Erblassers wird diese Verfügung wirksam und unwiderruflich, wodurch der Erblasser um seine bisherigen Ansprüche entreichert und der Bezugsberechtigte um seinen hierdurch neu entstehenden Anspruch bereichert wird. Durch die Aufgabe seiner eigenen Rechte ‚erkauft‘ … der Erblasser somit den originären Anspruch des Bezugsberechtigten auf die Versicherungsleistung.“651 Zu Lebzeiten steht dem Erblasser also insbes. auch der Anspruch auf den Rückkaufs547 wert zu, der „nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Todesfallleistung ist“. Kommt es zum Eintritt des Todes des VN, so erwirbt der Bezugsberechtigte einen unbedingten Leistungsanspruch, und gleichzeitig entfällt der Anspruch des Erblassers auf die Rückvergütung: So sind die weggefallenen Ansprüche des Erblassers als Gegenstand der Entreicherung anzusehen, auf dem die Bereicherung des Begünstigten beruht. Auch hier ist der Bewertungszeitpunkt die letzte juristische Sekunde des Lebens des Erblassers, der Ergänzungsanspruch besteht in Höhe der Rückvergütung zu diesem Zeitpunkt einschließlich Überschussbeteiligung bzw. in Höhe des Zweitmarktwerts.652 4. Pflichtteilsanspruch bei der gemischten Lebensversicherung und geteilter Bezugsberechtigung

548

Wenn der VN bei einer gemischten Versicherung eine Todesfallbegünstigung vorgenommen hat und er den vereinbarten Stichtag (Erlebensfall) erlebt, so hat er den Anspruch auf die Versicherungsleistung. Bei seinem Tode findet eine Pflichtteilsergänzung daher nicht mehr statt. Stirbt der VN vor dem für die Erlebensfallleistung vereinbarten Stichtage, so kann ein Ergänzungsanspruch in Betracht kommen. Erlebt der VN den Stichtag bei einer Erlebensfallbegünstigung, kommt es nach seinem Tode zu einem erbrechtlichen Ausgleich. Erlebt er den Erlebensstichtag nicht, ist keine Pflichtteilsergänzung vorzunehmen, weil der Versicherungsanspruch – mangels Bezugsberechtigung – in den Nachlass fällt. Steht die Versicherungsleistung stets einem Begünstigten zu – bei entweder einheitlichem oder gespaltenem Bezugsrecht – so kommt es grundsätzlich zu einem Ergänzungsanspruch. Dabei finden die oben zur unwiderruflichen und widerruflichen Bezugsberechtigung gewonnenen Ergebnisse Anwendung, auf die verwiesen wird.653 5. Auskunftsanspruch des Pflichtteilsergänzungsberechtigten gegen den Erben

549

Nach § 2314 BGB hat der Pflichtteilergänzungsberechtigte gegen den Erben auch einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe der aus einer Lebensversicherung zugeflossenen Versicherungsleistung, falls die Kenntnis dieses Werts benötigt wird, um den Wert der Rechte des Erblassers in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens berechnen zu können.654 6. Exkurs: Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Abtretung

550

Hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist die Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag wie die unwiderrufliche Bezugsberechtigung zu behandeln. Gegenstand der Schenkung sind nicht die vom VN gezahlten Prämien, sondern ist der 651 652 653

BGH 28.4.2010 VersR 2010 895, 898. BGH 28.4.2010 VersR 2010 895, 898 ff. § 159 Rn. 538 ff.; eine ausführliche Erörterung bei den denkbaren Fallgestaltungen findet sich vor dem Hintergrund der Ent-

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654

scheidung BGH 28.4.1010 VersR 2010 895 bei Rudy VersR 2010 1395, 1398 ff. BGH 28.4.2010 (IV ZR 230/08) VersR 2010 1067.

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Bezugsberechtigung

§ 159

dem VN zustehende Anspruch auf die Rückvergütung bzw. den Zweitmarktwert. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch bezieht sich somit gleichfalls auf die Rückvergütung bzw. den Zweitmarktwert.

II. Vertragserbe 1. Grundsätzliches Das Recht des Erblassers, durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden über sein Vermögen 551 zu verfügen, wird beim Abschluss eines Erbvertrages nach §§ 1941, 2274 ff. BGB durch die Vorschrift des § 2286 BGB zwar grundsätzlich nicht beschränkt. Macht der Erblasser jedoch eine Schenkung in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, kann der Vertragserbe nach Anfall der Erbschaft gemäß § 2287 Abs. 1 BGB von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Nur wenn sich der Erblasser im Erbvertrag vorbehalten hat, beliebig Schenkungen zu machen, ist ein Anspruch nach § 2287 Abs. 1 BGB ausgeschlossen; das gleiche gilt bei der Erteilung der Zustimmung durch den Vertragserben. Gegenstand der Zuwendung kann auch ein Lebensversicherungsanspruch sein, und zwar unabhängig davon, ob die Übertragung infolge einer Drittbegünstigung oder durch Abtretung erfolgt. Der Ausgleichsanspruch des Vertragserben dient der Wiederherstellung der zuvor be- 552 standenen Vermögenslage und ist auf die Rückgängigmachung der Schenkung gerichtet. Ausgleichsschuldner ist der Beschenkte. 2. Todesfallversicherung a) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung. Die unentgeltliche Verfügung einer unwider- 553 ruflichen Bezugsberechtigung in Beeinträchtigungsabsicht ist dem Vertragserben gegenüber ausgleichspflichtig. Anspruchsgegner ist der Begünstigte, der Anspruch nach §§ 2287, 818 ff. BGB geht – wie beim Pflichtteilsergänzungsanspruch – grundsätzlich auf Herausgabe der Rückvergütung usw.655 b) Widerrufliche Bezugsberechtigung. Auch bei der Verfügung einer widerruflichen 554 Bezugsberechtigung kommt es zu einer Ausgleichspflicht des Begünstigten gegenüber dem Vertragserben, die sich auch insoweit nach den Grundsätzen richtet, wie sie zur Pflichtteilsergänzung dargestellt sind.656 Auch hier hat die Ausgleichspflicht den gleichen Umfang wie die Herausgabepflicht 555 des Begünstigten nach §§ 2329, 818 ff. BGB. c) Gemischte Lebensversicherung mit geteilter Bezugsberechtigung. Eine Ausgleichs- 556 pflicht ergibt sich auch hier, wenn der Versicherungsfall eintritt, für den eine Bezugsberechtigung verfügt ist. Dabei erfolgt der Ausgleich gegenüber dem Vertragserben nach den gleichen Grundsätzen wie beim Pflichtteilsergänzungsanspruch.657

655

Auf die Erörterungen oben unter § 159 Rn. 533 ff., 538 wird verwiesen.

656 657

Oben § 159 Rn. 545 ff. Oben § 159 Rn. 548.

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§ 160

Kapitel 5: Lebensversicherung

III. Miterbe 557

Ist der Empfänger der Versicherungsleistung ein Abkömmling des Erblassers und gemeinsam mit anderen Abkömmlingen als gesetzlicher Erbe zur Erbfolge gelangt, so ist er nach §§ 2050 ff. BGB u.U. den anderen Abkömmlingen zur Ausgleichung verpflichtet. Das gilt auch, wenn der Erblasser seine Abkömmlinge auf dasjenige als Erben eingesetzt hat, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden. 558 Die Durchführung der Ausgleichung richtet sich nach § 2055 BGB, sie führt zu einer entsprechenden Modifizierung der Teilungsquote. Ein Geld- oder Herausgabeanspruch gegen den Ausgleichsverpflichteten wird dabei nicht gewährt. 559 Für die Grundsätze, nach denen die Ausgleichung zu erfolgen hat, wird auf die Darstellung beim Vertragserben und beim Pflichtteilsberechtigten verwiesen. Auch hier richtet sich der Umfang des Ausgleichungsanspruchs grundsätzlich nach der Rückvergütung einschließlich Überschussbeteiligung bzw. den Zweitmarktwert.658

H. Abdingbarkeit 560

Die Vorschrift des § 159 ist dispositiv, § 171.

§ 160 Auslegung der Bezugsberechtigung (1) 1Sind mehrere Personen ohne Bestimmung ihrer Anteile als Bezugsberechtigte bezeichnet, sind sie zu gleichen Teilen bezugsberechtigt. 2 Der von einem Bezugsberechtigten nicht erworbene Anteil wächst den übrigen Bezugsberechtigten zu. (2) 1Soll die Leistung des Versicherers nach dem Tod des Versicherungsnehmers an dessen Erben erfolgen, sind im Zweifel diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen sind, nach dem Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt. 2 Eine Ausschlagung der Erbschaft hat auf die Berechtigung keinen Einfluss. (3) Wird das Recht auf die Leistung des Versicherers von dem bezugsberechtigten Dritten nicht erworben, steht es dem Versicherungsnehmer zu. (4) Ist der Fiskus als Erbe berufen, steht ihm ein Bezugsrecht im Sinn des Absatzes 2 Satz 1 nicht zu. Schrifttum App Formulierung der Zurückweisung von Versicherungsleistungen nach dem Tod des Versicherungsnehmers, FamRZ 1991 38; Armbrüster Die Lebensversicherung in der zivilrechtlichen Nachfolgeplanung, in: Liber amicorum Gerrit Winter (2007) 519; Damrau Neuere Probleme zu § 167 II VVG, FamRZ 1984 443; Finger Lebensversicherung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe und § 2077 BGB, VersR 1990 229; Frels Zur Auslegung des § 167 Abs. 1 VVG, VersR 1968 524; Gutdeutsch Die Begünstigten einer befreienden Lebensversicherung bei Bezugnahme auf die §§ 40 bis 44 AVG, VersR 1992 1444; Harder/Belter Drittbegünstigung im Todesfall durch Insichgeschäft?, NJW 1977 1139; Hasse Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Dritter (1989);

658

Vgl. § 159 Rn. 533 ff.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

ders. Ausgleichspflichten bei der Kapitalversicherung (2012); ders. Drittbeteiligung in der Lebensversicherung (2012); Horn Kapitalversicherungsverträge in der familienrechtlichen Praxis, in: Liber amicorum Gerrit Winter (2007) 119; Hülsmann Befreiende Lebensversicherung: Eine Begünstigung nach Kopfteilen oder analog der Gesetzlichen Rentenversicherung? – Zugleich eine kritische Erwiderung auf den Beitrag von Gutdeutsch VersR 1992 1444, VersR 1993 1188; Kühlmorgen Die Lebensversicherungsverträge zugunsten Dritter (1927); Liebl-Wachsmuth Das Schicksal der EhegattenBezugsberechtigung gemäß § 166 VVG nach Ehescheidung, VersR 1983 1004; Lorenz Zur Anwendbarkeit erbrechtlicher Vorschriften auf Drittbegünstigungen durch eine Kapitallebensversicherung auf den Todesfall, in: Dieter Farny und die Versicherungswissenschaft (1994) 335; Muscheler Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall und Erbenwiderruf, WM 1994 921; Schmalz-Brüggemann Die Rechtsstellung des Bezugsberechtigten aus einem Lebensversicherungsvertrag, ZEV 1996 84; Theda Das Bezugsrecht der Ehefrau in der Lebensversicherung, VW 1970 260; Völkel Bereicherungsanspruch gegen einen bezugsberechtigten Ehegatten aus einer Kapitallebensversicherung nach Scheidung und Tod des Versicherungsnehmers unter Berücksichtigung der Probleme des Widerrufs durch Testament und der Wirkung der §§ 12, 13 ALB, VersR 1992 539; Winter Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger (1989); ders. Ausgewählte Fragen der Lebensversicherung, ZVersWiss 1991 203.1

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Auslegungsgrundsätze und -regeln . . . Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . 1. Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . 2. Ausgrenzung zu allgemeinen Bezeichnungen, Grenzfälle . . . . . . . . . . II. Mehrheit von Begünstigten (§ 160 Abs. 1) 1. Auslegungsregel zur Höhe der Bezugsberechtigung (Satz 1) . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . b) „Kinder“ als Bezugsberechtigte . . c) „Hinterbliebene“, „Angehörige“ und die „Familie“ als Bezugsberechtigte d) „Hinterbliebene im Sinne von §§ 40–45 AVG“ als Bezugsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . e) „Verwandte“ als Bezugsberechtigte 2. Anwachsungsregel bei Ausfall eines von mehreren Bezugsberechtigten (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fälle des Nichterwerbs der Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . b) Konstellation zur Anwachsungsregelung . . . . . . . . . . . . . . III. „Erben“ als Bezugsberechtigte (§ 160 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Gesetzliche Erben“ als Bezugsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einsetzung der „nächsten Erben“ als Bezugsberechtigte . . . . . . . . . . .

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1 1 6 9 10 10 10 14 16 16 16 17 18

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Rn. 4. Einsetzung eines „Vor-“ bzw. „Nacherben“ als Bezugsberechtigten . . . . 5. Keine analoge Anwendung des § 160 Abs. 2 VVG bei fehlender Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . 6. Sonstige Einsetzungsmodalitäten bei „Erben“ als Bezugsberechtigten . . . . 7. Ausschlagung der Erbschaft (Satz 2) . IV. Bezeichnung des Ehegatten als Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegung der Bezugsberechtigung . . 3. Ehescheidung nicht als auflösende Bedingung . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine analoge Anwendung des § 2077 BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausdrücklicher und konkludenter Widerruf der Bezugsberechtigung – Scheidung der Ehe und Wiederverheiratung als Widerruf? . . . . . . . . . 6. Herausgabe aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Valutaverhältnis . 7. Einsetzung eines Verlobten, eines Lebensgefährten, eines eingetragenen Lebenspartners . . . . . . . . . . . . V. Nichterwerb des Rechts auf die Versicherungsleistung im Falle nur eines Begünstigten (Abs. 3) . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung zu § 160 Abs. 1 . . . . . 2. Fälle des Nichterwerbs der Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . . C. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

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39 40 42 44 44 46 49 51

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37

Zu weiterer älterer Literatur vgl. Bruck/Möller/Winter 8 Anm. H 67.

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§ 160

Kapitel 5: Lebensversicherung

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

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3

4

5

Vorläufer von § 160 sind die bisherigen Vorschriften §§ 167 und 168, die im Grundsatz übernommen wurden; § 168 a.F. ist als Abs. 3 in § 160 integriert worden. Anders als die Vorläufernormen bezieht sich § 160 auf sämtliche Lebensversicherungsformen. Die Vorläufernorm des § 167 Abs. 1 ist 1939 aus dem österreichischen Versicherungsvertragsrecht von 1917 in das deutsche VVG übernommen worden.2 Die dazu geschaffene VO übernahm „zur Vereinheitlichung von Zweifeln aus dem österreichischen Recht (§ 133 Abs. 1 ÖVVG) die Vermutung, dass bei einer Kapitalversicherung mehrere als bezugsberechtigt bezeichnete Personen zu gleichen Teilen bezugsberechtigt sind.“ Ferner wurde in Abänderung des Grundsatzes des § 168 a.F. bestimmt, „dass bei Nichterwerb des bezugsberechtigten Dritten das Recht auf die Leistung dann nicht dem VN zusteht, wenn mehrere Bezugsberechtigte vorhanden sind und einer oder mehrere von ihnen ihren Anteil nicht erwerben.“ In diesem Falle solle eine Anwachsung zugunsten der verbliebenen Bezugsberechtigten eintreten.3 Diese Vorschrift, die gleichfalls dem österreichischen Recht entstammt, orientiert sich an §§ 560, 689 AGBG. Zur Vorläufernorm des § 167 Abs. 2, die sich im Wesentlichen auf die Todesfallversicherung beziehen sollte, wird in den Motiven u.a. betont, dass der Anspruch aus der Versicherung auch dann nicht einen Bestandteil des Nachlasses bilden soll, wenn der VN – wie es häufig geschehe – im Lebensversicherungsvertrag oder aber auch in einem Testament seine Erben ohne nähere Bestimmung als bezugsberechtigt bezeichnet. Der Anspruch solle den Bezugsberechtigten „unmittelbar aufgrund des Versicherungsvertrages zustehen“ und dem Zugriffe der Nachlassgläubiger entzogen“ sein. Im Übrigen orientierte sich die Norm des § 167 a.F. – und damit jetzt auch § 160 Abs. 2 – an den erbrechtlichen Bestimmungen des BGB. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Erbrecht auch später eintretenden Vorgängen eine rückwirkende Kraft beimesse, wie z.B. in Zusammenhang mit § 1923 Abs. 2 BGB (nasciturus, Erbfähigkeit bereits Gezeugter), § 2344 BGB (Wirkung der Erbunwürdigkeitserklärung). Mit Rücksicht auf § 1953 BGB (Wirkung der Ausschlagung der Erbschaft) hätte der Anfall der Bezugsberechtigung an den Ausschlagenden als nicht erfolgt gelten müssen; das schien dem Gesetzgeber aber mit dem mutmaßlichen Willen des VN nicht in Einklang zu stehen, die Versicherungssumme wäre solchen Personen zugute gekommen, denen sie nicht zugewandt werden sollte. Daher entschied der Gesetzgeber, dass eine Ausschlagung der Erbschaft auf die Bezugsberechtigung keinen Einfluss hat (nunmehr § 160 Abs. 2 Satz 2).4 Für den Fall, dass der Bezugsberechtigte die Leistung des VR zurückweist (§ 333 BGB) oder aus einem anderen Grunde nicht erwirbt, sollte die Leistung nach § 168 a.F. dem VN zustehen, da eine Lebensversicherung auch mit Bezugsberechtigung zugleich auch den eigenen Interessen des VN diene (nunmehr § 160 Abs. 3). Bei einer Todesfallversicherung gehöre die Leistung des VR damit zum Nachlass.5 Ist der Fiskus zum Erbe berufen, so würde es nicht dem Interesse des VN entsprechen, die Versicherungsleistung dem Zugriff der Nachlassgläubiger zu entziehen. In Einklang

2

Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939 (RGBl I 2443).

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3 4 5

Motive 646. Motive 227, 228. Motive 228, 168.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

mit §§ 2104, 2149 BGB hat der Gesetzgeber bestimmt, dass dem Fiskus ein Bezugsrecht i.S.d. § 167 Abs. 2 a.F. nicht zusteht: Der Fiskus kann die Versicherungssumme nur „als Bestandteil des Nachlasses erwerben“ (nunmehr § 160 Abs. 3).6

II. Inhalt und Zweck der Regelung Die Vorschrift des § 160 enthält einzelne Auslegungsregelungen zu bestimmten Kons- 6 tellationen (Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 4), ähnlich wie die erbrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 2066 ff. BGB. Darüber hinaus beinhaltet sie zwei unterschiedliche Regelungen – aber letztlich auch 7 Auslegungsnormen – dazu, welche Rechtsfolgen bei einem Nichterwerb des Bezugsrechts eintreten. Die Ausgangsnorm ist insoweit § 160 Abs. 3, wonach die Versicherungssumme bei z.B. einer Zurückweisung der Bezugsberechtigung in den Nachlass fällt. Hat der VN nicht nur einen, sondern mehrere Begünstigte eingesetzt und fällt ein Bezugsberechtigter aus, so greift die Ausnahmevorschrift des § 160 Abs. 1 Satz 2, wonach das nicht erworbene Bezugsrecht den übrigen Bezugsberechtigten zuwächst. Beide Absätze hätten klarer formuliert werden können, auch hätte die Ausgangsnorm des Absatzes 3 vor die Ausnahmevorschrift des Abs. 1 Satz 2 gestellt werden können. Da § 160 nur einzelne Auslegungsregelungen enthält, sich in der Praxis jedoch da- 8 rüber hinausgehend Auslegungsprobleme – insbes. in Zusammenhang mit Ehepartnern und Ehesheidungen ergeben, werden der Kommentierung der einzelnen Auslegungsregelungen allgemeine Auslegungsgrundsätze vorangestellt und weitere Auslegungskonstellationen erörtert.

III. Anwendungsbereich Die Norm bezieht sich auf sämtliche Formen der Lebensversicherung. Sie kann auch 9 analoge Anwendung auf Kapitalisierungsgeschäfte finden.

B. Auslegungsgrundsätze und -regeln I. Grundlegung 1. Auslegungsgrundsätze Da der Versicherungsfall, bei dem die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten akut 10 wird, häufig erst Jahrzehnte nach Abschluss der Versicherung und der Einräumung des Bezugsrechts eintritt, und sich in der Zwischenzeit bei dem Personenkreis, dem die Versicherung zugute kommen soll, Änderungen ergeben haben können, kann es leicht zu Zweifeln kommen, wer Bezugsberechtigter ist. Das gilt umso mehr, als der VN dazu neigen wird, allgemeine Bezeichnungen zu wählen, solange z.B. die Zahl der Kinder noch nicht feststeht. Diese Zweifel lassen sich nur durch Auslegung der Bezugsberechtigung beheben. Die Auslegung richtet sich primär nach §§ 133, 157 BGB, ergänzend ist auf § 160 11 sowie – wegen der Nähe der Einräumung einer Bezugsberechtigung zur Verfügung von

6

Motive 228.

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§ 160

Kapitel 5: Lebensversicherung

Todes wegen – auf die erbrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 2066–2073 BGB zurückzugreifen. Bei der Auslegung ist also der wirkliche Wille des VN, der den Bezugsberechtigten bestimmt hat, zu erforschen und die Bezugsberechtigung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Dabei ist auf den von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Kanon von Auslegungsgrundsätzen zurückzugreifen. Bei der Erforschung des mutmaßlichen Willens sind alle Umstände heranzuziehen, aus denen überhaupt ein Schluss auf den Willen des VN möglich ist, insbes. auch Erklärungen, die der VN dem Versicherungsvertreter gegenüber abgegeben hat, der beim Abschluss des Versicherungsvertrages und der Einsetzung des Bezugsberechtigten mitgewirkt hat.7 Dasselbe gilt für Äußerungen gegenüber anderen Personen, insbes. auch Verwandten. Da es sich bei der Benennung des Bezugsberechtigten um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt (vgl. oben § 159 Rn. 94, 95), ist sie so auszulegen, wie sie der VR verstehen musste, es ist auf den objektiven Erklärungswert der Bezugsrechtsbestimmung abzustellen. So betont der BGH zu Recht, entscheidend sei „der bei der Festlegung des Bezugsberechtigten vorhandene und der Versicherung gegenüber auch zum Ausdruck gekommene Wille des Versicherungsnehmers“.8 Nur wenn die Auslegung auf anderem Wege nicht mehr möglich ist, ist auf die speziellen gesetzlichen Auslegungsregeln zurückzugreifen. Um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, im Interesse der Ver12 tragsparteien – also des VN und des VR – den Bezugsberechtigten möglichst konkret zu identifizieren, auch beispielsweise mit Hilfe des Geburtsdatums. Ist es dazu nicht gekommen und ist der Bezugsberechtigte allein mit Zunamen und Vornamen bezeichnet, so ist eine derartige Benennung nicht schon deshalb unwirksam, weil danach theoretisch mehrere Personen als Bezugsberechtigte in Frage kommen; vielmehr ist der wirkliche Wille des VN anhand aller zum Zeitpunkt der Bezeichnung vorhandenen Umstände zu erforschen.9 Bestehen Zweifel über die Auslegung der Bezugsrechtsbezeichnung, so ist der VR zur 13 Hinterlegung der geschuldeten Versicherungsleistung befugt (§§ 372–382 BGB), zumal wenn der Ausgang eines etwaigen gerichtlichen Verfahrens zwischen den Prätendenten ungewiss ist. 2. Ausgrenzung zu allgemeinen Bezeichnungen, Grenzfälle

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Hat der VN eine allgemeine Bezeichnung gewählt, so ist zunächst zu prüfen, ob die Bezeichnung genügend bestimmt und auf diese Weise geeignet ist, den Vertrag überhaupt zu einem Vertrag zugunsten Dritter zu machen. Ist es wegen einer zu allgemeinen Benennung des Begünstigten nicht zu einer Bezugsberechtigung gekommen, so fällt die Versicherungsleistung in den Nachlass.10 Als ausreichend bestimmt sind jene Bezeichnungen aufzufassen, bei denen sich bei Fälligkeit der Leistung des VR feststellen lässt, wer gemeint ist. Genügend bestimmte Bezeichnungen sind: die Erben, die Hinterbliebenen, die Angehörigen, die Ehefrau, die Kinder, die Abkömmlinge usw.

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Vgl. schon RG 11.5.1900 JW 1900 496. BGH 17.9.1975 VersR 1975 1020; BGH 4.12.1980 VersR 1981 372; BGH 29.1.1981 VersR 1981 237; BGH 1.7.1987 VersR 1987 659, 660; BGH 14.2.2007 VersR 2007 874, 785; OLG Frankfurt/M. 21.11.1996 VersR

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9 10

1997 1216; OLG Köln 20.1.1999 NVersZ 1999 320; a.A. anscheinend Damrau FamRZ 1984 445. OLG Köln 20.1.1999 NVersZ 1999 320, 321. OLG Köln 20.1.1999 NVersZ 1999 320.

Gerrit Winter

Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

Eine allgemeine Bezeichnung, bei der zweifelhaft sein könnte, ob sie genügend be- 15 stimmt ist, ist die Benennung der Rechtsnachfolger als Bezugsberechtigte.11 Ebenso wie bei den Erben steht der Kreis der Rechtsnachfolger beim Tode des VN jedoch fest, so dass auch diese Bezeichnung als bestimmt genug anzusehen ist. Hier ergibt sich jedoch als weiteres Problem, dass in der Regel gleichwohl keine Versicherung zugunsten Dritter vorliegt, da der Wille des VN in einem derartigen Falle durchweg nicht darauf gerichtet ist, den Rechtsnachfolgern die Stellung eines Begünstigten zu verschaffen.12 Nur wenn besondere Umstände darauf hindeuten, dass nach dem Willen des VN die Versicherungsleistung den Rechtsnachfolgern als Bezugsberechtigten erbracht werden soll, ist ein Vertrag zugunsten Dritter anzunehmen, sonst handelt es sich um eine Versicherung zu eigenen Gunsten. In den Nachlass fällt die Versicherungssumme auch, wenn der VN seine „Erbschaft“, seinen „Nachlass“13 als empfangs- und bezugsberechtigt eingesetzt hat. Wird der „Inhaber des Versicherungsscheins“ als bezugsberechtigt bezeichnet, so ist auch diese Bezeichnung bestimmt genug, gleichwohl ist hier jedoch davon auszugehen, dass es sich um eine Versicherung zu eigenen Gunsten handelt. Denn sonst würde der Versicherungsschein zu einem echten Inhaberpapier. Übergibt der VN den Versicherungsschein einem Dritten, so handelt es sich in der Regel nicht um die Einräumung eines Bezugsrechts, sondern um eine Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag.14 Anders kann es sich verhalten, wenn der VN bei der Einsetzung des Inhabers des Versicherungsscheins als Bezugsberechtigten erkennen lässt, dass er von Anfang an die Absicht hat, einen zur Zeit noch unbestimmten Dritten als Begünstigten zu bezeichnen, und sich die Möglichkeit offen lassen will, diese Bezeichnung durch einfache Übergabe des Versicherungsscheins vorzunehmen. Gibt der VN den Versicherungsschein sodann an einen Dritten weiter, so wandelt sich die zunächst zu eigenen Gunsten bestehende Versicherung in eine Versicherung zugunsten Dritter.15

II. Mehrheit von Begünstigten (§ 160 Abs. 1) 1. Auslegungsregel zur Höhe der Bezugsberechtigung (Satz 1) a) Grundsatz. Kommt es zu einer Benennung von mehreren Bezugsberechtigten, so 16 kann es sich um eine kumulative oder alternative Begünstigung handeln. Bezeichnet der VN zwei Personen oder Personengruppen alternativ als Bezugsberechtigte (z.B. „Ehefrau oder Kinder“), so ist nicht genügend deutlich, wer als Bezugsberechtigter bezeichnet sein soll. Auszuschließen ist, dass darin in Einklang mit der gesetzlichen Fiktion des § 2073 BGB eine kopfteilige Begünstigung der in der Bezugsberechtigung Genannten gesehen werden kann. Denn eine Alternativbegünstigung zeichnet sich dadurch aus, dass zwei Personen oder Personengruppen in der Weise begünstigt werden, dass entweder der eine oder der andere die Versicherungsleistung erhalten soll. Dem wird durch § 2073 BGB gerade nicht Rechnung getragen. Lässt sich die Bezugsberechtigung „Ehefrau oder Kinder“ so auslegen, dass zunächst allein die Ehefrau bezugsberechtigt ist und es zu einer 11

OLG Hamburg 22.6.1906 VA 1906 Anh. 89 Nr. 237; RG 15.6.1911 VA 1911 Anh. 92 Nr. 618; ObLG München 8.1.1915 und OLG Darmstadt 22.12.1915 Rechtsprechung der OLG 33 232; BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021 – „Rechtsnachfolger“ als widerrufene Bezugsberechtigung.

12 13 14 15

Kühlmorgen 39, 23; ebenso Prölss/Martin/ Kollhosser 27 § 167 VVG Anm. 3 Vgl. BGH 24.3.1982 VersR 1982 665. Vgl. Kühlmorgen 24. Kühlmorgen 24, 25; vgl. auch OLG Düsseldorf 12.12.1961 VersR 1962 655; OLG Hamm 28.7.1992 VersR 1993 173.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Bezugsberechtigung der Kinder erst nach dem Tode der Ehefrau kommt,16 so ist die Bezugsberechtigung trotz der unklaren Bezeichnung wirksam. Ist eine derartige oder ähnliche Auslegung nicht möglich, so ist die Bezugsberechtigung unwirksam. Nicht anwendbar bei einer alternativen Begünstigung (Beispiel: Festlegung einer Reihenfolge im Falle des Vorversterbens des erstgenannten Bezugsberechtigten oder der Zurückweisung nach § 333 BGB durch den zunächst Genannten) ist auch § 160 Abs. 1 Satz 1. Diese Vorschrift bezieht sich allein auf die kumulative Bezugsberechtigung und auch nur dann, wenn der Umfang der Beteiligung am Bezugsrecht nicht bestimmt wird – was beispielsweise durch die Festlegung von Bruchteilen oder der exakten Versicherungssumme für den einzelnen Begünstigten geschehen kann. Hat der VN zumindest zwei Bezugsberechtigte nebeneinander eingesetzt, ohne bei der Aufteilung der Versicherungssumme für eine entsprechende Klarheit zu sorgen, so ist die Versicherungsleistung nach Köpfen aufzuteilen.

17

b) „Kinder“ als Bezugsberechtigte. Häufig ist die Einsetzung von Kindern oder „meinen Kindern“ als Bezugsberechtigte, und zwar auch in der Weise, dass den Kindern die Bezugsberechtigung für den Fall eingeräumt wird, dass der Ehegatte beim Tode des VN bereits verstorben ist.17 Unter den Kindern sind grundsätzlich sämtliche zur Zeit des Todes des VN vorhandene Kinder zu verstehen. Sie brauchen nicht näher gekennzeichnet zu werden, es ist ausreichend, wenn der VR im Zeitpunkt des Versicherungsfalls feststellen kann, wem das Recht auf die Versicherungsleistung zusteht.18 Ist ein Kind unter Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben, so treten die Abkömmlinge an die Stelle des verstorbenen Kindes, und zwar soweit, wie sie bei der gesetzlichen Erbfolge dazu berechtigt sind, § 2068 BGB. Dabei ist unerheblich, ob der Tod vor oder nach dem Zeitpunkt der Bezeichnung als Bezugsberechtigter eintrat. Auch hier greift § 160 Abs. 1 Satz 1. Zu den anspruchsberechtigten Kindern gehören nach dem OLG Nürnberg19 nicht die Abkömmlinge auch ferneren Grades.

18

c) „Hinterbliebene“, „Angehörige“ und die „Familie“ als Bezugsberechtigte. Unter diesen Bezeichnungen sind in der Regel die Witwe und die Kinder des VN zu verstehen, und zwar unter Ausschluss etwaiger sonstiger verwandtschaftlich entfernterer Erben.20 Sind als Hinterbliebene mehrere Personen bezugsberechtigt, so sind sie nicht Gesamtgläubiger, sondern jeweils Einzelgläubiger in Höhe ihres Anteils.21 Das gilt grundsätzlich auch, wenn andere Personenmehrheiten als Bezugsberechtigte eingesetzt sind (z.B. Kinder, Angehörige, Familie, Verwandte). Kann ein Bezugsrecht nach den Besonderen Bedingungen für die Direktversicherung 19 im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nur für Hinterbliebene bestellt werden, so 16 17

18 19

LG Saarbrücken 30.4.1982 NJW 1983 180–181. BGH 8.5.1954 VerBAV 1955 136; OLG Nürnberg 3.10.1930 VA 1930 251; OLG Hamm 18.3.1983 1567; LG Saarbrücken 30.4.1982 NJW 1983 180. OLG Frankfurt/M. 21.11.1996 VersR 1997 1216, 1217. OLG Nürnberg 3.10.1930 VA 1930 251. Die Einsetzung waisenrentenberechtigter Kinder behandelt LG Berlin 30.10.1958 VersR 1959 329.

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21

Familie: RG 29.2.1904 Recht 1904 601 Nr. 2594; OLG Stuttgart 17.3.1908 Rechtsprechung der OLG 16 371 f.; Hinterbliebene: OLG München 11.6.1901 ZVersWiss 1902 191; OLG Düsseldorf 24.6.1975 VersR 1975 1020; LG Mönchengladbach 15.2.1996 VersR 1997 478, 479. OLG Düsseldorf 24.6.1975 VersR 1975 1020.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

kann als Hinterbliebener im Sinne dieser Bestimmung nicht nur ein naher Angehöriger oder Verwandter, sondern jede Person angesehen werden, die nach dem Tode des VN zurückbleibt. Weder aus dem Wort „Hinterbliebener“ noch aus dem Bedingungszweck ergibt sich, dass es sich bei dem Bezugsberechtigten um einen nahen Angehörigen oder Verwandten des verstorbenen VN handeln muss. Ein Hinterbliebener ist eine Person, die nach dem Tode des Versicherten zurückbleibt, soweit auf ein besonderes Näheverhältnis abgestellt wird, ist eine enge Freundschaft als ausreichend anzusehen. Insbesondere sind auch nicht nur solche Personen als Hinterbliebene zu betrachten, die gesetzliche Unterhaltsansprüche gegen den Versicherten hatten. In der Lebensversicherung gilt insoweit ein anderer Hinterbliebenenbegriff als im Sozialversicherungsrecht.22 Dass auch bei Angehörigen, Familienmitgliedern und auch Hinterbliebenen in diesem 20 weiten Sinne § 160 Abs. 1 Satz 1 greift, bedarf keiner Betonung. d) „Hinterbliebene im Sinne von §§ 40–45 AVG a.F.“ als Bezugsberechtigte. Befrei- 21 ende Lebensversicherungen wurden in der Regel so abgeschlossen, dass für den Erlebensfall der VN selbst und für den Todesfall seine „Hinterbliebenen nach den §§ 40–44 AVG“ (das bis zum 31.12.1991 galt) als bezugsberechtigt eingesetzt wurden. Die Bezugsrechtsbeziehung beruhte auf einer Vereinbarung zwischen den LebensVR und der BfA. Damit sollten auf eine zweifelsfreie Weise die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht geschaffen und die befreiende Lebensversicherung als funktionales Surrogat für die gesetzliche Rentenversicherung anerkannt werden. Dementsprechend wurden nach allgemeiner Auffassung nur diejenigen als Hinterbliebene nach den §§ 40– 44 AVG a.F. angesehen, die zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles – dem Grunde nach – tatsächlich rentenberechtigt wären.23 Denn den nicht oder nicht mehr berechtigten Hinterbliebenen fehlt typischerweise die vorausgesetzte Bedürftigkeit, sie sind von der Bezugsberechtigung nicht erfasst. Gutdeutsch leitet aus der Surrogatfunktion der befreienden Lebensversicherung 22 jedoch auch darüber hinaus ab, dass § 160 Abs. 1 Satz 1 auf eine solche Bezugsberechtigung keine Anwendung finden dürfe. Die begünstigten Hinterbliebenen seien vielmehr parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Verhältnis der versicherungsmathematischen Barwerte hypothetischer Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung leistungsberechtigt. Bei der Berechnung dieser fiktiven Barwerte sei auf den Todeszeitpunkt des VN abzustellen und neben der daher erforderlichen Abzinsung im Hinblick auf Witwen, Waisen und Halbwaisen sowohl die unterschiedliche Rentenzahlungsdauer als auch die unterschiedliche Rentenhöhe zu berücksichtigen. Gutdeutsch kann jedoch nicht gefolgt werden: Aus der Bezugsrechtsverfügung mit ihrer Bezugnahme auf die §§ 40–45 AVG a.F. kann nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnommen werden, dass sich auch die Höhe der Versicherungsleistung nicht nach dem VVG, sondern nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung richtet. Die Begünstigtenbezeichnung ist nach ihrem objektiven Erklärungswert aus der Sicht des VR auszulegen. Verbleiben – was die Höhe der Anteile an der Versicherungsleistung anbelangt – Zweifel an der Auslegung der Bezugsverfügung, so ist auf die Auslegungsregel des § 160 Abs. 1 Satz 1 zurückzugreifen.24 Insbesondere der BGH hat in seiner Entscheidung zur befreienden

22 23

LG Mönchengladbach 15.2.1996 VersR 1997 478, 479. Gutdeutsch VersR 1992 1444, 1445; BGH 24.9.1959 VersR 1959 845–846; BGH 4.12.1980 VersR 1981 371–372; OLG Düs-

24

seldorf 24.6.1975 VersR 1975 1220; OLG Frankfurt/M. 12.10.1994 VersR 1996 358, 359; LG Berlin 30.10.1958 VersR 1959 329; LG Mainz 9.11.1978 VersR 1979 662, 663. Hülsmann VersR 1993 1188, 1189.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Lebensversicherung klargestellt, ihre Surrogatsfunktion ändere nichts daran, dass sie eine private Lebensversicherung sei, für die allein die Vorschriften und Grundsätze des Privatversicherungsrechts maßgebend seien. Ihre Leistungen brauchten den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu entsprechen, dem VN sollte bei der befreienden Lebensversicherung die Möglichkeit gewährt sein, die Sorge für den Fall des Alters oder des Todes in eigener Verantwortung zu gestalten, solange nur die Versicherungsleistung im Falle des Todes an die Hinterbliebenen im Sinne des AVG ginge.25 § 160 Abs. 1 Satz 1 gilt daher auch für die befreiende Lebensversicherung.

23

e) „Verwandte“ als Bezugsberechtigte. Hat der VN seine Verwandten oder seine nächsten Verwandten als Bezugsberechtigte bezeichnet, so sind darunter nach § 2067 BGB die Verwandten zu rechnen, die beim Tode des VN als gesetzliche Erben in Frage kommen. Dazu zählt also nicht seine Ehefrau. Auch insoweit findet § 160 Abs. 1 Halbsatz 1 Anwendung. 2. Anwachsungsregel bei Ausfall eines von mehreren Bezugsberechtigten (Satz 2)

24

a) Fälle des Nichterwerbs der Bezugsberechtigung. Das Recht auf die Leistung des VR wird von dem Bezugsberechtigten in den folgenden Konstellationen nicht erworben: (1) der Begünstigte weist das Bezugsrecht nach § 333 BGB zurück – vgl. hierzu im 25 Einzelnen § 159 Rn. 197 ff. Zumal für die Zurückweisungserklärung kein Schriftformerfordernis gegeben ist, können sich dabei Auslegungsschwierigkeiten ergeben: Wird durch den Bezugsberechtigten dem VR gegenüber beispielsweise nach dem Versicherungsfall auf die Leistung des VR zugunsten anderer Erben verzichtet, so kann darin die unbedingte Zurückweisung des Anspruchs nach § 333 BGB (bei nur einem Bezugsberechtigtem mit der Folge der Zurechnung zu dem Nachlass, bei mehreren Bezugsberechtigten mit der Folge der Anwachsung) oder aber auch ein Angebot zur Übertragung des Anspruchs an die anderen Erben nach § 398 BGB gesehen werden (wird das Übertragungsangebot durch die Erben angenommen, bleibt der Bezugsberechtigte der Ersterwerber des Versicherungsanspruchs: Die Versicherungssumme fällt nicht in den Nachlass). Die Auslegung ist dabei nicht nur für den Anteil der Nachlassbeteiligten, die Vollstreckungsmöglichkeiten der Nachlassgläubiger, sondern auch für die steuerliche Erfassung von Bedeutung. (2) Die nach dem Willen des VN vorausgesetzten Umstände liegen beim Eintritt des Todes der Gefahrsperson usw. nicht mehr vor, hinsichtlich der Person des Bezugsberechtigten tritt eine auflösenden Bedingung ein (Fortdauer der Ehe, Getrenntleben, Scheidung). (3) Der Bezugsberechtigte stirbt vor dem Versicherungsfall oder gleichzeitig mit dem VN (§ 11 VerschollenheitsG). Ein derartiger Sachverhalt ist Gegenstand der Entscheidung des OLG Saarbrücken,26 hier war der VN und seine – zusammen mit seinem Bruder bezugsberechtigte – Lebensgefährtin bei der Tsunami-Katastrophe in Thailand ums Leben gekommen, so dass sich die Frage der Anwachsung nach § 160 Abs. 1 Satz 2 stellte.27 (4) Die Bezugsberechtigung ist nichtig (Fälle der Nichtigkeit: § 159 Rn. 109–122). (5) Das Bezugsrecht gilt als nicht verfügt, wenn der Tatbestand des § 162 Abs. 2 erfüllt ist.

25 26

BGH 27.10.1976 VersR 1977 53. OLG Saarbrücken 7.2.2007 VersR 2007 1638, 1639.

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27

Vgl. auch BGH 8.6.1967 VersR 1967 795, 796, eine Entscheidung zu § 160 Abs. 3.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

b) Konstellation zur Anwachsungsregelung. In welchen Fallgruppen die Anwach- 26 sungsregel des § 160 Abs. 1 Satz 2 greift, ist teilweise umstritten. Wenn bei einer Lebensversicherung mehrere Personen als Bezugsberechtigte eingesetzt sind, ohne dass dabei ihre Anteile bestimmt sind (so dass also § 160 Abs. 1 Satz 1 greift), und ein Begünstigter seinen Anteil nicht erwirbt, so kommt es unproblematisch zu einer Anwachsung nach Satz 2.28 Einigkeit herrscht auch für die Konstellation, dass der VN beispielsweise drei Bezugsberechtigte ausdrücklich allgemein „zu gleichen Teilen“ begünstigt hat: Auch hier kommt es zu einer Anwachsung i.S.v. § 160 Abs. 1 Satz 2, dafür spricht auch die ursprüngliche Orientierung der Norm an §§ 560, 689 ABGB, die den Fall einer ausdrücklichen Bestimmung „zu gleichen Teilen“ in die erbrechtliche Anwachsungsregel mit einbeziehen.29 Auch wenn der VN die zwei Bezugsberechtigten nicht allgemein „zu gleichen Teilen“, 27 sondern „zu je 50 %“ einsetzt, muss von einer Anwachsung ausgegangen werden. Eine unterschiedliche Behandlung der beiden Konstellationen mit der Folge, dass es im ersten Fall zu einer Anwachsung kommt, im zweiten Fall jedoch nicht, so dass die Versicherungssumme insoweit in den Nachlass fällt, dürfte mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren sein. Verteilt der VN die Versicherungssumme aber auf mehrere Bezugsberechtigte und 28 bestimmt er für die einzelnen Begünstigten konkrete unterschiedliche Anteile (für seine Lebensgefährtin 1/2, für die beiden gemeinsamen Kinder je 1/4), so könnte an eine Anwachsung im Verhältnis der unterschiedlichen Anteile zueinander gedacht werden, wenn beispielsweise eines der Kinder fortfällt. Zwar würde eine Anwachsung bei unterschiedlichen Anteilen im Verhältnis zu den Anteilen auf den ersten Blick § 160 Abs. 1 widersprechen, andererseits vermag sie sich über einen eindeutig geäußerten Willen des VN nicht hinwegzusetzen. Die unterschiedliche Bezugsrechtseinsetzung kann in der Weise verstanden werden, dass die Anwachsung im Verhältnis zu den Anteilen an der Versicherungsleistung erfolgen soll, sie kann aber auch so auszulegen sein, dass der VN jeden einzelnen der Bezugsberechtigten nur den ihm zugeteilten Anteil zuteil werden lassen wollte, so dass im Übrigen § 160 Abs. 3 zur Anwendung gelangt. Angesichts ihres Ausnahmecharakters ist bei unterschiedlicher Begünstigung und dem Fortfall eines Bezugsberechtigten die Bestimmung des § 160 Abs. 1 Satz 2 nicht anwendbar,30 der freigewordene Anteil fällt in den Nachlass (§ 160 Abs. 3). U.U. ergeben sich jedoch Anhaltspunkte, aus denen auf eine Anwachsung des ausgefallenen Anteils nach dem Verhältnis der übrigen Anteile geschlossen werden kann. Eine solche Anwachsung würde auch den erbrechtlichen Anwachsungsregelungen entsprechen, wie sie in §§ 2094 Abs. 1, 2158 BGB zum Ausdruck gelangen.31

28 29

OLG Saarbrücken 7.2.2007 VersR 2007 1638, 1639. OLG Saarbrücken 7.2.2007 VersR 2007 1638, 1639; Frels VersR 1968 524, 526; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 160 Rn. 22; Looschelders/Pohlmann/Peters § 160 Rn. 6.

30 31

So wohl auch Frels VersR 1968 524, 527. Zu derartigen Erwägungen OLG Saarbrücken 7.2.2007 VersR 2007 1638, 1640.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

III. „Erben“ als Bezugsberechtigte (§ 160 Abs. 2) 1. Grundsatz

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Hat der VN seine „Erben“ als Begünstigte eingesetzt, so bestimmt § 160 Abs. 2, dass im Zweifel die Versicherungssumme von dem Erben als Bezugsberechtigten erworben wird, bei einer Mehrheit von Erben im Verhältnis ihrer Erbteile.32 Eine Einsetzung der „Erben“ bedeutet nicht, dass die Versicherungssumme in den Nachlass fällt und dass sie den Nachlassgläubigern zur Verfügung steht.33 30 Welche Personen im Einzelfall die bezugsberechtigten Erben des VN sind, regelt sich nach dem BGB. Maßgebend ist die Sachlage, wie sie zur Zeit des Todes des VN gegeben ist, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass das BGB später eintretenden Vorgängen u.U. rückwirkende Kraft beilegt. So kann jemand bezugsberechtigt sein, der zur Zeit des Todes des VN noch nicht lebte: Nach § 1923 Abs. 2 BGB gilt jemand, der zur Zeit des Todes des VN noch nicht geboren, aber gezeugt war, als vor dem Erbfalle geboren und damit er ist er auch bezugsberechtigt. Wird ein Erbe für erbunwürdig erklärt, so ist unter Berücksichtigung des § 2344 BGB derjenige bezugsberechtigt, der Erbe wäre, wenn der Erbunwürdige zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte. Ebenso wäre nach § 1933 BGB zu entscheiden, wenn ein beim Tode des VN vorhandener Erbe die Erbschaft ausschlüge. Da das jedoch mit dem mutmaßlichen Willen des VN nicht zu vereinbaren wäre und die Versicherungssumme denjenigen zugute kommen würde, denen sie nicht zugedacht war, ist in § 160 Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass eine Ausschlagung der Erbschaft auf die Bezugsberechtigung keinen Einfluss hat.34 Will der VN das Bezugsrecht mit der Erbenstellung koppeln, so muss er anordnen, dass der Versicherungsanspruch in den Nachlass fällt oder dass nur diejenigen, die die Erbschaft auch behalten wollen, die Versicherungssumme erhalten sollen.35 31 Die Vorschrift des § 160 Abs. 2 entspricht weitgehend § 2066 BGB, der sich allerdings nur auf die gesetzlichen Erben bezieht. Das hat zur Folge, dass eine analoge Anwendung des § 2066 BGB – wegen des weiteren Anwendungsbereichs der versicherungsrechtlichen Vorschrift – nicht in all jenen Fällen in Betracht kommt, in denen § 160 Abs. 2 anwendbar ist.36 32 Die Herausnahme der Versicherungssumme aus dem Nachlass hat zur Folge, dass die bezugsberechtigten Erben im Hinblick auf die Versicherungssumme nicht Gesamtgläubiger werden, jeder einzelne hat nach § 420 als Einzelgläubiger nach Bruchteilen von dem VR seinen Anteil zu beanspruchen.37

32

33

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Vgl. LG Karlsruhe 16.2.1956 VersR 1956 313; Schleswig-Holsteinisches OLG 10.5.1994 ZEV 1995 415; SchleswigHolsteinisches OLG 9.6.1998 ZEV 1999 107. Zur Rechtslage vor Schaffung des VVG 1908 Bruck/Möller/Winter 8 Anm. H 60. Motive 227–228; BGH 4.12.1980 VersR 1981 371; KG 30.11.1939 JRPV 1940 93; LG Hamburg 5.8.1957 VersR 1957 678 f.

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36 37

RG 30.11.1939 JRPV 1940 93 f.; Beispiel: OLG Düsseldorf 23.6.1965 VersR 1965 869 f. Damrau FamRZ 1984 443. RG 5.1.1906 JW 1906 144–145; BGH 8.5.1954 BGHZ 13 240; BGH 10.1.1955 VersR 1955 99; BGH 4.12.1980 VersR 1981 372; OLG Celle 12.6.1931 JRPV 1932 92; OLG Köln 22.10.1974 VersR 1975 221; LG Karlsruhe 16.2.1956 VersR 1956 313.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

Die Auslegungsregel des § 160 Abs. 2 ist eng auszulegen,38 sie gilt nur für den Aus- 33 nahmefall, dass als Begünstigte ohne nähere Bestimmung die Erben des Erblassers bezeichnet werden. Sie gilt jedoch nicht, wenn z.B. „meine Kinder“ – die als Erben allein in Frage kommen – als bezugsberechtigt bezeichnet worden sind. 2. „Gesetzliche Erben“ als Bezugsberechtigte Unter den gesetzlichen Erben sind die nach dem Gesetz zur Erbschaft berufenen 34 Erben zu verstehen (§§ 1924–1936 BGB). Werden die gesetzlichen Erben als Bezugsberechtigte benannt, so sind sie nach dem gesetzlichen Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt (vgl. § 2066 BGB), auf eine testamentarische Regelung der Erbfolge kommt es nicht an.39 Der Widerruf aller früheren letztwilligen Anordnungen durch den VN gilt dabei grundsätzlich nicht auch zugleich für die Begünstigungsklausel eines Lebensversicherungsvertrages.40 Werden die gesetzlichen Erben als Bezugsberechtigte eingesetzt, so können sich im 35 Laufe der Jahre die Anteile der Erben ändern, entscheidend ist die Situation und die Rechtslage bei Eintritt de Todes des VN. Es können nicht nur weitere Personen als Erben auftreten oder Personen, die bei Einräumung der Bezugsberechtigung als Erben in Frage kamen, wegfallen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Änderung des Erbrechts, in der Vergangenheit also Vergrößerung der Erbquote des Ehegatten bei der Zugewinnehe (§ 1371 BGB) und bei der Gütertrennungsehe (§ 1331 Abs. 4 BGB), ferner die Änderungen des Erbrechts durch das Adoptionsgesetz. Wird bei der Bezeichnung der Bezugsberechtigung durch den VN der Begriff „gesetz- 36 liche Erbfolge“ gewählt, so sind damit mangels anderer Anhaltspunkte die gesetzlichen Erben (und nicht Testamentserben) gemeint. Im BGB findet zwar der Begriff „gesetzliche Erbfolge“ ebenso wenig Verwendung wie der Begriff „gewillkürte Erbfolge“, beides wird unter dem Oberbegriff „Erbfolge“ zusammengefasst. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, ein gesetzlicher Erbe sei auch, wer durch ein Testament zum Erben berufen worden ist. Die Unterscheidung zwischen gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge gelangt inhaltlich auch im Gesetz zum Ausdruck (§§ 1924 ff. BGB im Gegensatz zu §§ 1937 ff. BGB), sie ist für Rechtsprechung und Schrifttum ebenso selbstverständlich wie für die Praxis und insbes. auch den VR.41 3. Einsetzung der „nächsten Erben“ als Bezugsberechtigte Der Begriff der „nächsten Erben“ ist dem Begriff der gesetzlichen Erben nicht gleich- 37 zusetzen, er beschränkt sich vielmehr auf die Witwe und die Kinder des Erblassers.42 4. Einsetzung eines „Vor-“ bzw. „Nacherben“ als Bezugsberechtigten Hat der VN bestimmt, dass zunächst der Vorerbe und sodann der Nacherbe bezugs- 38 berechtigt sein soll, bedeutet das gleichfalls nicht, dass die Versicherungssumme damit

38 39

OLG Frankfurt/M. 12.10.1994 VersR 1996 358, 360. RG 22.4.1942 JRPV 1942 130; ÖOGH 19.6.1963 JBl 1964 39 f.; KG 30.11.1939 JRPV 1940 f.; LG Waldshut 24.12.1953 VersR 1954 76; vgl. im Übrigen zu den

40 41 42

gesetzlichen Erben nach schweizerischem Recht OLG Köln 22.10.1974 VersR 1975 221 ff. ÖOGH 19.6.1963 JBl 1964 39 f. OLG Köln 16.6.2004 VersR 2004 1032. RG 19.11.1909 VA 1910 Anh. 9 Nr. 495.

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§ 160

Kapitel 5: Lebensversicherung

zum Nachlass gehört.43 Bei der Einsetzung eines Vorerben ist dieser der alleinige Bezugsberechtigte. Der Nacherbe ist nicht als Bezugsberechtigter anzusehen; er ist zwar gleichfalls Erbe, da sich sein Recht – ebenso wie bei dem Vorerben – direkt vom Erblasser als dessen Erbe und Rechtsnachfolger ableitet. Gleichwohl kann der Nacherbe – etwa mit einer Quote von der Hälfte der Versicherungssumme – nicht als bezugsberechtigt angesehen werden. Der Vorerbe ist zum Zeitpunkt des Erbfalls und des Todes des VN der alleinige Erbe des VN. Denn Vorerben und Nacherben sind zeitlich aufeinander folgende Erben desselben Erblassers und derselben Erbschaft. Vorerben und Nacherben haben „nacheinander ein ungeteiltes, zeitlich beschränktes Erbrecht, so dass von einer Erbengemeinschaft zwischen ihnen keine Rede sein kann, da nicht der Gegenstand ihrer Berechtigung, sondern nur deren Zeitraum geteilt ist.“44 Der Auffassung von Muscheler,45 der den Versicherungsanspruch in dem Verhältnis zwischen dem Vorerben und dem Nacherben aufteilen möchte, „in dem der auf den Vorerbfall ermittelte Wert eines lebenslänglichen Nießbrauchs an der Versicherungssumme zu dem ebenfalls auf den Vorerbfall ermittelten Wert des mit einem Nießbrauch belasteten Anspruchs auf die Versicherungssumme stünde“, kann nicht gefolgt werden. Hätte der VN die bei seinem Tode fällige Versicherungssumme mit sofortiger Wirkung in dieser Weise unter seinen Erben aufteilen wollen, so hätte er das in der Bezugsberechtigung deutlicher zum Ausdruck bringen müssen. 5. Keine analoge Anwendung des § 160 Abs. 2 VVG bei fehlender Bezugsberechtigung

39

§ 160 Abs. 2 kann auf den Fall, dass kein Bezugsrecht eingeräumt worden ist, nicht analog angewandt werden. Das deutsche Recht kennt keine stillschweigende Begünstigung, die Erben des VN haben nur dann einen eigenen Anspruch gegen den VR, wenn sie als Bezugsberechtigte eingesetzt sind. Sinn und Zweck des § 160 Abs. 2 sind nicht darauf gerichtet, zu bestimmen, dass die Erben – wenn Bezugsberechtigte nicht eingesetzt sind – ein gesetzliches Bezugsrecht erwerben. Er umgrenzt nur den Kreis der als bezugsberechtigt in Frage kommenden Erben für den Fall, dass die Erben ohne nähere Bezeichnung als Bezugsberechtigte eingesetzt sind.46 6. Sonstige Einsetzungsmodalitäten bei „Erben“ als Bezugsberechtigten

40

Da die Vorschrift des § 160 Abs. 2 abänderlich ist kann auch auf sonstige Weise in der Bezugsberechtigung zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht sämtliche Erben begünstigt sein sollen; es kann ferner bestimmt werden, dass nicht die Erben zur Zeit des Todes des VN, sondern die Erben zur Zeit der Einräumung der Bezugsberechtigung bedacht werden sollen. Eine andere Möglichkeit ist es, nur die bekannten Erben und nicht auch die unbekannten Erben als Begünstigte einzusetzen. Verwendet der VN die Bezeichnung „Erbe laut Testament“, so bezeichnet er damit 41 allein die Person des Bezugsberechtigten. Die Begünstigung wird damit nicht an die Erbeinsetzung geknüpft, so dass auch damit die Versicherungssumme nicht in den Nachlass fällt.47

43

44

Vgl. BGH 4.12.180 VersR 1981 371 f.; LG Hagen 14.6.1947 VA 1947 24, a.A. OLG München 8.1.1915 LZ 1915 Sp. 557. Schleswig-Holsteinisches OLG 10.5.1994 ZEV 1995 415.

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45 46 47

Muscheler ZEV 1999 229, 230. BGH 8.2.1960 VersR 1960 339–341 mit zust. Anm. E. Prölss VersR 1960 341 f. BayObLG 2.11.1994 VersR 1995 649.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

7. Ausschlagung der Erbschaft (Satz 2) Für den Fall, dass ein Bezugsberechtigter sein Erbe gemäß §§ 1946 ff. BGB aus- 42 schlägt, verliert er nicht seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung. In einem vom OLG Frankfurt/M.48 entschiedenen Fall fiel der Abkömmling des VN 43 nicht unter die Bezugrechtsbezeichnung „Hinterbliebene i.S.v. §§ 40 bis 44 AVG a.F.“, so dass die Versicherungsleistung in den Nachlass fiel. Da der Abkömmling wegen des krankheitsbedingten Vermögensverfalls des Erblassers die Erbschaft ausgeschlagen hatte, wurde auch die Versicherungsleistung voll von der Ausschlagung erfasst. Der Anspruch des Abkömmlings auf die Versicherungssumme beruhte nicht auf seiner Bezugsberechtigung, sondern nur auf seiner Eigenschaft als Erbe des VN.

IV. Bezeichnung des Ehegatten als Bezugsberechtigten 1. Übersicht Benennt der VN seinen Ehegatten als Bezugsberechtigten, wird die Ehe sodann 44 geschieden und geht der VN eine neue Ehe ein, so stellt sich die – nicht in der Kapitalversicherung, sondern allein in der Rentenversicherung wegen des Versorgungsausgleichs in den Hintergrund getretene – Frage, ob beim Tode des VN die geschiedene oder die zweite Ehefrau des VN einen Anspruch auf die Versicherungssumme geltend machen kann. Zu unterscheiden ist dabei, ob der VN in der Bezugsrechtsbezeichnung seinen Ehegatten auch namentlich genannt („Ehefrau XY“) oder auf eine Namensnennung verzichtet hat und lediglich seine „Ehefrau“ eingesetzt hat. Ferner ist danach zu differenzieren, ob es sich um eine widerrufliche oder um eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung handelt. Nach Auslegung der Bezugsberechtigung (Rn. 47 ff.) ist zu prüfen, ob sie unter der 45 auflösenden Bedingung der Ehescheidung ausgesprochen worden ist (Rn. 50 f.), ob eine analoge Anwendung des § 2077 BGB geboten (Rn. 52 ff.), ob in der Scheidung oder in der erneuten Heirat des VN ein Widerruf der Bezugsberechtigung zu sehen ist (Rn. 55) und ob die Bezugsberechtigung kondiktionsfest ist und hier an einen Wegfall der Geschäftsgrundlage für das Valutaverhältnis zu denken ist (Rn. 56 f.).49

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OLG Frankfurt/M. 12.10.1994 VersR 1996 358, 360. Es finden sich zu diesem Fragenkreis folgende Urteile, wobei die Urteile, die zugunsten der geschiedenen Ehefrau ergangen sind, mit (I) gekennzeichnet werden und diejenigen, die die zweite Ehefrau begünstigen mit (II) versehen werden. RG 4.11.1942 RGZ 170 78 (II); BGH 12.3.1959 VersR 1959 691 (I); BGH 17.9.1975 VersR 1975 1020 (I); BGH 29.1.1981 VersR 1981 326–238 (II); BGH 1.4.1987 VersR 1987 659 ff. (II); BGH 20.5.1992 VersR 1992 1382, 1384; BGH 30.11.1994 VersR 1995 282; BGH 14.2.2007 VersR 2007 784 (I); OLG Bremen 11.11.1958 VersR 1959 689 ff. (I) mit Anm. Haidinger VersR 1959 691; OLG Breslau 4.5.1934 JRPV 1935

ZusatzNr. 1 9–11 (II); OLG Düsseldorf 13.5.1975 VersR 1975 918 f. (I); OLG Frankfurt/M. 16.9.1971 VersR 1973 413 ff. (I); OLG Frankfurt/M. 21.11.1996 VersR 1997 1216 (II); OLG Hamburg 27.5.1936 JRPV 1936 253 ff. (II); OLG Hamm 29.1.1975 VersR 1976 142 ff. (I); OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 228 f. (I); OLG Hamm 13.2.2002 VersR 2002 1409 (I); OLG Karlsruhe 20.3.1997 VersR 1998 219; OLG Köln 17.2.1983 VersR 1983 1181 ff. (I); OLG Köln 14.6.1993 VersR 1993 1133 (I); OLG Stuttgart 29.5.1987 VersR 1987 1130 (Unfallversicherung: II); LG Berlin 11.12. 1962 VersR 1963 570 f. (I); LG Düsseldorf 18.5.1965 NJW 1966 205 f. (II); LG Hildesheim 5.5.1964 VersR 1964 937 f. (I); LG Itzehoe 22.11.1963 VersR 1964 581 (I);

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§ 160

Kapitel 5: Lebensversicherung

2. Auslegung der Bezugsberechtigung

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Ist der VN bei Abschluss der Versicherung verheiratet und will er seinen Ehepartner als Bezugsberechtigten einsetzen, so wird in der Praxis häufig lediglich die Bezeichnung „meine Ehefrau“ gewählt. In einer größeren Zahl der entschiedenen Fälle war es allerdings so, dass der VN die bezugsberechtigte Ehefrau bei Abschluss des Vertrages oder bei einer späteren Einsetzung als Bezugsberechtigte mit vollem Namen bezeichnete (z.B. „meine Ehefrau XY geb. Y“ oder „XZ geb. Y, Ehefrau“). In dem Fall einer namentlichen Einsetzung bestehen kaum Zweifel, dass die geschiedene Ehefrau als Bezugsberechtigte benannt worden ist. Hier kann der Scheidung nur dadurch Rechnung getragen werden, dass die Bezugsberechtigung auf eine mögliche auflösende Bedingung untersucht, § 2077 BGB herangezogen oder von einem Widerruf der Bezugsberechtigung ausgegangen wird.50 Wenn ein namentlich bezeichneter Ehegatte als widerruflich bezugsberechtigt eingesetzt war und der VN über eine längere Zeit – hier: 16 Jahre nach der Scheidung – das Bezugsrecht nicht widerrufen hat, so verdeutlicht das, dass die Begünstigung nicht vom Fortbestand der Ehe abhängig sein sollte.51 Ist die Ehefrau nicht namentlich benannt worden, hat also der VN bei Abschluss des 47 Vertrages oder bei einer späteren Einsetzung lediglich die Bezeichnung „meine Ehefrau“ oder auch nur „Ehefrau“ gewählt, so spricht mehr dafür, dass damit die zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles mit dem VN – oder der fremden Gefahrsperson – in gültiger Ehe lebende Ehefrau gemeint ist, zumal der VN regelmäßig nicht bereit sein dürfte, seine geschiedene Ehefrau finanziell besser zu stellen als die Frau, die er nach der Scheidung geheiratet hat. Die Auslegung hängt jedoch letztlich vom Einzelfall ab, wobei z.B. auch die Versorgungsfrage von Bedeutung sein kann. Berücksichtigt werden können dabei allerdings nur Gesichtspunkte, die bei der Einsetzung des Bezugsberechtigten in irgendeiner Weise zum Ausdruck gelangt sind.52 Im Fall eines Versorgungswerks des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer, den der 48 BGH zu entscheiden hatte,53 bestand die Besonderheit darin, dass der VR zugleich der Arbeitgeber des Versicherten war. In den Sonderbedingungen zu diesem Vertrag hieß es: „1. Aus dem Versicherungsvertrag sind unwiderruflich bezugsberechtigt: a) im Erlebensfall der Arbeitnehmer selbst, b) im Todesfall die Ehefrau, nach deren Tod die minderjährigen Kinder …“. Der BGH betont zu Recht, dass der VN bei Abschluss des Vertrages gewöhnlich darin frei ist, wen er als Bezugsberechtigten einsetzt, bei einem Versorgungswerk ist das jedoch anders. Der Arbeitgeber bestimmt den Kreis und die Reihenfolge der Bezugsberechtigten; der Arbeitnehmer hat keine Möglichkeit, die vorgesehenen Bezugs-

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LG Saarbrücken 30.4.1982 NJW 1983 180–181 (I) mit Anm. Liebl-Wachsmuth VersR 1983 1004 ff. Entscheidungen mit einer namentlichen Bezugsrechtseinräumung: BGH 1.4.1987 VersR 1987 659, 660; OLG Düsseldorf 13.5.1975 VersR 1975 918 f. (I); OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 228 f. (I); OLG Hamm 13.2.2002 VersR 2002 1409, 1410. OLG Hamm 13.3.2002 VersR 2002 1409, 1411. Zutreffend Theda VW 1970 260; Entscheidungen ohne namentliche Bezugsrechtseinräumung: BGH 30.11.1994 VersR 1995 282,

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283; BGH 14.2.2007 VersR 2007 784, 785; OLG Breslau 4.5.1934 JRPV 1935 ZusatzNr. 1 9–11 (II); OLG Düsseldorf 24.6.1975 VersR 1975 918 f. (I); OLG Frankfurt/M. 21.11.1996 VersR 1997 1216, 1217; OLG Hamm 29.1.1975 VersR 1976 142 ff. (I); OLG Karlsruhe 20.3.1997 VersR 1998 219; OLG Köln 17.2.1983 VersR 1983 1181 ff. (I); OLG Köln 14.6.1993 VersR 1993 1133; LG Düsseldorf 18.5.1965 NJW 1966 205 f. (II); LG Saarbrücken 30.45.1986 NJW 1983 180–181 (I) mit Anm. Liebl-Wachsmuth VersR 1983 1004 ff. BGH 29.1.1981 VersR 1981 326 ff.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

berechtigungen abzuändern, sie zu widerrufen, es ist ihm auch nicht möglich, die Versicherung zu beleihen, seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrage abzutreten und zu verpfänden. Der Zweck des Versorgungswerks ist auch bei der Auslegung der Bezugsberechtigung zu berücksichtigen, die nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen hat. „Dann kann aber mit der Ehefrau … nicht eine bestimmte Person als Bezugsberechtigte gemeint sein, der nach dem Willen des VN die Versicherungsleistung zugute kommen sollte, und zwar möglicherweise auch nach Scheidung der Ehe. Bezeichnet ist erkennbar allein die hinterbliebene Ehefrau, also die Frau, mit der der VN z.Z. des Eintritts des Versicherungsfalles verheiratet sein würde. Dass die Klägerin (die geschiedene Ehefrau) nicht unter den Begriff der Hinterbliebenen fällt, hat auch das Berufungsgericht ausgeführt. Dass die Beklagte (der VR und zugleich Arbeitgeber) nicht diesen engeren Begriff der Hinterbliebenen, sondern eine – eventuell – unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau gemeint haben könnte, kann jedoch … nicht angenommen werden. Dem würde schon das erkennbare Interesse der Beklagten an der Klarheit über die Person des Bezugsberechtigten entgegenstehen. Wäre nämlich der Versicherungsfall eingetreten, bevor der VN eine neue Ehe einging, so hätte er keine Ehefrau „hinterlassen“. Bezugsberechtigt wären … die minderjährigen Kinder gewesen. Hätte auch die geschiedene Ehefrau berücksichtigt werden müssen, so hätte wohl auch der Fall von deren Wiederheirat, eventuell auch die Frage eines Unterhaltsanspruchs gegen den VN z.Z. seines Todes in den Bestimmungen geregelt werden müssen. Es kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte durch die von ihr aufgestellten Versicherungsbedingungen im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitarbeiter etwa auch deren geschiedene Ehefrauen selbst dann begünstigen wollte, wenn sie ihrerseits wieder verheiratet sein sollten und keine Unterhaltsansprüche gegen den VN hätten, und zwar zulasten hinterbliebener minderjähriger Kinder.“54 3. Ehescheidung nicht als auflösende Bedingung Die Bezeichnung des Ehegatten als Bezugsberechtigten – mit oder ohne Namensnen- 49 nung – ist nicht ohne weiteres auflösend bedingt durch eine Scheidung der Ehe vor Eintritt des Versicherungsfalles. Die Annahme einer solchen auflösenden Bedingung entspräche kaum der Lebenserfahrung. Der seinen Ehegatten begünstigende VN wird im Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts in aller Regel eine Scheidung gar nicht erwägen. Aber selbst wenn der VN bereits Erwägungen in dieser Richtung angestellt haben sollte, so kann er auch durchaus daran gedacht haben, bei einer Scheidung eine Sicherung seiner geschiedenen Frau durch den Fortbestand der Bezugsberechtigung aufrecht zu erhalten. Ob eine derartige auflösende Bedingung anzunehmen ist, hängt weitgehend vom Einzelfall ab. Man würde den vielfältigen Möglichkeiten, die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den beiden Ehegatten zu gestalten, nicht gerecht werden, wenn von vornherein unterstellt wird, der VN habe die Bezugsberechtigung bei einer Scheidung der Ehe nicht fortbestehen lassen wollen. Eine auflösende Bedingung allein aus der Verwendung der Bezeichnung Ehefrau ableiten zu wollen, bedeutet, dem Willen des VN Gewalt anzutun. Nach dem BGH55 ist bei der Bezugsberechtigung zumindest des nicht namentlich bezeichneten Ehegatten „nach der Lebenserfahrung regelmäßig nicht anzunehmen, dass das Bezugsrecht nur für den Fall eingeräumt sein soll, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles noch besteht.“ Die Scheidung kann nur dann

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BGH 29.1.1981 VersR 1981 327

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BGH 14.2.2007 VersR 2007 784, 785.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

als auflösende Bedingung angesehen werden, wenn der entsprechende Wille des VN auch zum Ausdruck gelangt und dem VR erkennbar ist.56 Ist im Einzelfall davon auszugehen, dass die Einräumung eines Bezugsrechts für den 50 Ehepartner unter der auflösenden Bedingung der Ehescheidung steht, so ist es unerheblich, ob es sich um eine widerrufliche oder unwiderrufliche Bezugsberechtigung handelt: Die auflösende Bedingung ist auch bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung denkbar. Eine Bezugsberechtigung kann dabei auch so ausgelegt werden, dass sie auflösend bedingt ist durch die Scheidung von dem ursprünglich bezeichneten Ehegatten und aufschiebend bedingt ist durch die Heirat mit dem Ehegatten zur Zeit des Versicherungsfalles, also des Todes des VN. Damit würde die Bezugsberechtigung so ausgelegt, dass allein der zur Zeit des Todes des VN mit ihm verheiratete Ehegatte begünstigt ist.57 Nach Auffassung des BGH würde das Recht auf die Versicherungsleistung nach Scheidung von dem ursprünglich Bezugsberechtigten nach § 160 Abs. 3 in das Vermögen des VN fallen,58 so dass der VN freie Hand hätte, bei einer Wiederheirat dem neuen Ehegatten das Bezugsrecht einzuräumen. 4. Keine analoge Anwendung des § 2077 BGH

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Angesichts der Nähe des Lebensversicherungsvertrages auf den Todesfall zum Erbrecht – wie sie auch z.B. in § 160 Abs. 2 zum Ausdruck gelangt und wie sie zur Diskussion des § 2301 BGB für Lebensversicherungsverträge geführt hat – sowie der funktionalen Ähnlichkeit der Tatbestände hat die Rechtsprechung früher die Vorschrift des § 2077 BGB – die gleichsam die gesetzliche Vermutung eines Fortfalls der Geschäftsgrundlage im Erbrecht darstellt und nach der eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehepartner bedacht hat, unwirksam ist, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist – auf die Einsetzung eines bezugsberechtigten Ehegatten grundsätzlich analoge Anwendung finden lassen.59 Für diese Auffassung spricht, dass die Interessenlage bei der Einsetzung des Ehepartners als Bezugsberechtigten in der Todesfallversicherung und die Einsetzung des Ehepartners in einer letztwilligen Verfügung materiell eine erhebliche Ähnlichkeit aufweisen. Ebenso wie das Bezugsrecht wird auch die letztwillige Verfügung mit dem Tode des VN bzw. Erblassers praktisch wirksam. Die Zuwendung an den Ehegatten wird angeordnet, ohne dass der VN oder der Erblasser an eine spätere Scheidung denkt. Das in der Vorschrift des § 2077 BGB zum Ausdruck

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BGH 17.9.1975 VersR 1975 1020; BGH 29.1.1981 VersR 1981 327; BGH 1.4.1987 VersR 1987 660; BGH 20.5.1992 VersR 1992 1382, 1384; OLG Bremen 11.11.1958 VersR 1959 690; OLG Düsseldorf 13.5.1975 VersR 1975 919; OLG Frankfurt 16.9.1971 VersR 1973 413; OLG Hamm 29.1.1975 VersR 1976 142-143; OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 228; OLG Köln 17.2.1983 VersR 1983 1182; OLG Köln 14.6.1993 VersR 1993 1133; LG Hildesheim 5.5.1964 VersR 1964 937; LG Saarbrücken 30.4.1982 NJW 1983 181; Eberhardt ZfV 1959 721; Haidinger VersR 1959 692; Oswald VersPrax 1971 146; ders. VersPrax 1981 114; Schulz ZfV 1959 692; ders. DB 1967 1307; a.M. OLG Celle

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25.9.1934 JRPV 1935 89; OLG Hamburg 27.5.1936 JRPV 1936 254; OLG Karlsruhe 20.3.1997 VersR 1998 219; LG Düsseldorf 18.5.1965 NJW 1966 206; Robrecht DB 1967 455; vgl. auch Römer/Langheid/Römer § 159 Rn. 32. OLG Frankfurt/M. 21.11.1996 VersR 1997 1216, 1217. BGH 14.2.2007 VersR 2007 784, 785, ohne Begründung. RG 24.11.1933 RGZ 142 414; OLG Breslau 4.5.1934 JRPV 1935 ZusatzNr. 1 10; Eichler Versicherungsrecht 2 306; Liebl-Wachsmuth VersR 1983 1005 ff.; Prölss ZVersWiss 1936 284; Robrecht DB 1967 455; Bruck/Möller/ Winter 8 Anm. H 71.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

gelangende Verständnis von der Ehe als einer auf Lebenszeit angelegten umfassenden Lebens-, Wirtschafts- und Schicksalsgemeinschaft führt dort zu der gesetzgeberischen Vermutung, dass die Zuwendung an den Ehegatten in seiner Eigenschaft als Ehepartner auf Lebenszeit erfolgt. Mit der Beendigung der rechtlichen Verbundenheit zwischen Erblasser und Ehegatten soll auch die in der Verfügung zugunsten des Ehegatten zum Ausdruck gelangende Wirtschafts- und Schicksalsgemeinschaft nicht weitergeführt werden. Das aber ist ein Prinzip, das ebenso auch in der Todesfallversicherung als sinnvoll erscheint. Sowohl bei der letztwilligen Verfügung als auch in der Todesfallversicherung findet sich die grundsätzlich widerrufliche Begünstigung des Ehegatten durch eine einseitige Willenserklärung für den Zeitpunkt des Todes des Verfügenden. Auch in der Lebensversicherung beruht die Begünstigung des Ehepartners auf der familienrechtlichen Verbundenheit, sowohl die letztwillige Verfügung zugunsten des Ehepartners als auch die Einsetzung des Ehepartners als Bezugsberechtigten bedeutet in der Regel Vorsorge zugunsten naher Angehöriger. Die Einräumung des Bezugsrechts in der Todesfallversicherung steht – funktional gesehen – einer letztwilligen Verfügung gleich.60 Eine Ablehnung der Analogie zu § 2077 BGB würde zu der folgenden wenig überzeu- 52 genden Differenzierung führen: Hätte der VN die Bezugsberechtigung nach § 332 BGB im Wege einer Verfügung von Todes wegen begründet, so wäre die Begünstigung der geschiedenen Ehefrau nach § 2077 BGG als unwirksam anzusehen, hätte derselbe VN die Einsetzung der Bezugsberechtigten unabhängig von einem Testament durch eine weniger formstrenge einseitige Willenserklärung vorgenommen, so wäre sie auch weiterhin gültig. Da die Einsetzung eines Bezugsberechtigten durch Testament oder durch eine bloße einseitige Willenserklärung unabhängig von einem Testament funktional nicht zu unterscheiden sind, werden durch die Zulassung einer Analogie zu § 2077 BGB im Lebensversicherungsrecht verwandte, wenn nicht gleiche Tatbestände auch als gleich behandelt.61 Die Rechtsprechung hat sich jedoch seit 1975 gegen derartige Überlegungen gewandt 53 und lehnt nunmehr eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 2077 BGB ebenso ab wie die h.M. im Schrifttum.62 Dabei wird argumentiert, eine Analogie setze eine konkrete Vergleichbarkeit der Interessenlagen voraus – davon könne jedoch nicht ausgegangen werden: Ein testamentarisches Erbrecht des geschiedenen Ehepartners widerspricht dem familienrechtlichen Leitbild des BGB, denn nach der Scheidung fehle dem Ehepartner die innere Berechtigung, dieses Erbe zu erhalten – einer Einsetzung eines Ehegatten aber könnten vielfältige Erwägungen zugrunde liegen, die mit der Scheidung nicht stets entfallen müssen. Bei einer analogen Anwendung des § 2077 BGB bestehe die Gefahr, dass ein entgegenstehender Wille des VN keine Berücksichtigung findet. Auch wenn man den Argumenten einer mangelnden Analogiefähigkeit und einer Einschränkung des Wil-

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Liebl-Wachsmuth VersR 1983 1006. Zu weiteren Argumenten Bruck/Möller/ Winter 8 Anm. H 71. BGH 17.9.1875 VersR 1975 1020; BGH 1.4.1987 VersR 1987 660; BGH 30.11.1994 VersR 1995 282; BGH 14.2.2007 VersR 2007 784, 785; OLG Düsseldorf 13.5.1975 VersR 1975 919; OLG Hamm 29.1.1975 VersR 1976 143; OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 229; OLG Köln 17.2.1983 VersR 1983 118; OLG Köln 14.6.1993 VersR 1993

1133; LG Saarbrücken 30.4.1982 NJW 1983 181; Finger VersR 1990 229, 230; Gitter JR 1976 464; Haidinger VersR 1959 692; Hoffmann FamRZ 1977 222 ff.; Oswald WM 1969 906; ders. FamRZ 1971 618; ders. VersPrax 1971 146; ders. BWNotZ 1980 135; ders. VersPrax 1980 113; Prölss/Kollhosser 27 § 167 VVG Rn. 3; Schulz DB 1967 1307–1308; Soergel/Loritz 13 (2003) § 2077 Rn. 22; Völkel VersR 1992 540, 541.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

lens des VN angesichts der Möglichkeit des § 2077 Abs. 3 BGB nicht folgen will, überzeugender ist der Hinweis auf die Rechtssicherheit des VR und seiner Vertragspartner: Der Bezugsberechtigte sollte leicht identifizierbar sein, die an die Stelle des Bezugsberechtigten tretenden Erben wäre u.U. nur schwer zu ermitteln, insbes. wenn es zu erbrechtlichen Auseinandersetzungen kommt. Aus der Empfangsbedürftigkeit der Bezugsrechtsverfügung ergibt sich – anders als bei der nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung eines Erblassers –, dass der VR einen gewissen Vertrauensschutz genießen soll und zu informieren ist (auch i.S.v. § 13 (4) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke). Eine solche Information des VR wäre bei einem Rückgriff auf § 2077 BGB nicht gewährleistet. Angesichts dessen, dass die Geschäftsgrundlage für die Bezugsrechtsverfügung auch nicht stets mit dem Scheitern der Ehe entfällt und die Begünstigung vielleicht auch nach der Scheidung den Unterhalt und die Versorgung des früheren Ehepartners sichern soll, kann der nunmehr ständigen Rechtsprechung63 – wenn auch unter Zurückstellung von Bedenken – gefolgt werden. Der VN hat andere und flexiblere Möglichkeiten, ein Bezugsrecht nach einer Scheidung an die neue Situation anzupassen. 5. Ausdrücklicher und konkludenter Widerruf der Bezugsberechtigung – Scheidung der Ehe und Wiederverheiratung als Widerruf?

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Bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung seines Ehepartners kann der VN die Begünstigung ausdrücklich widerrufen, wobei allerdings das Valutaverhältnis zu beachten ist. Kommt es nicht – wie in all jenen Fällen, die Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen geworden sind – zu einem ausdrücklichen Widerruf, so fragt sich, ob in dem Verhalten des VN ein konkludenter Widerruf zu erblicken ist, auch beispielsweise in der Scheidung der Ehe oder in der Eingehung einer neuen Ehe mit einem anderen Partner. Voraussetzung für das Wirksamwerden auch eines konkludenten Widerrufs ist es jedoch, dass der Widerruf dem VR vor dem Tode des VN zugeht.64 Auch wenn die Eheleute im Scheidungsverfahren gegenseitig auf Unterhalt einschließlich des Notbedarfs verzichtet und den Zugewinnausgleich geregelt haben, muss der Widerrufswille dem VR erklärt werden.65 6. Herausgabe aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Valutaverhältnis

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Gelangt man im Einzelfall bei der Begünstigung eines Ehegatten zu dem Ergebnis, dass die Bezugsberechtigung fortbesteht, so bleibt zu fragen, ob der Bezugsberechtigte den erworbenen Anspruch oder die ausgekehrte Versicherungssumme auch behalten darf oder das Erlangte als ungerechtfertigte Bereicherung an die Erben des VN herauszugeben hat. Soweit das Valutaverhältnis in der ehelichen Vorsorge gesehen wird, bestimmt sich der Herausgabeanspruch unter Berücksichtigung der Reichweite einer derartigen Verpflichtung. Basiert die Bezugsberechtigung auf einer Schenkung oder einer unbenannten

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Zuletzt BGH 14.2.2007 VersR 2007 784, 785. BGH 29.1.1981 VersR 1981 327; OLG Bremen 11.11.1958 VersR 1959 690; OLG Breslau 4.5.1934 JRPV 1935 ZusatzNr. 1 10; OLG Frankfurt 16.9.1971

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VersR 1973 413; OLG Hamm 29.1.1975 VersR 1976 143 f.; OLG Hamm 24.9.1980 VersR 1981 229; OLG Köln 17.2.1983 VersR 1983 1182; LG Hildesheim 5.5.1964 VersR 1964 938. OLG Frankfurt 16.9.1971 VersR 1973 413.

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Auslegung der Bezugsberechtigung

§ 160

Zuwendung,66 kann „im Scheitern der Ehe ein Wegfall der Geschäftsgrundlage des Kausalgeschäfts liegen“, und zwar „regelmäßig“ und sowohl für die widerrufliche als auch für die unwiderrufliche Bezugsberechtigung.67 Die Beweislast für den Fortfall der Geschäftsgrundlage trägt derjenige, der sich auf den Wegfall beruft: Er hat zu beweisen, dass dem Vertragsschluss die Vorstellungen zugrunde gelegen haben, deren Wegfall er geltend macht.68 Die Bezeichnung des Bezugsberechtigten als Ehefrau oder Ehemann allein ist nicht 56 ausreichend, um eine Abhängigkeit der Bezugsberechtigung von dem Fortbestande der Ehe anzunehmen.69 7. Einsetzung eines Verlobten, eines Lebensgefährten, eines eingetragenen Lebenspartners Hat der VN seine Verlobte mit vollem Namen und der Zusatzbezeichnung Ehefrau 57 eingesetzt, so ist sie auch dann bezugsberechtigt, wenn der VN vor der Eheschließung stirbt.70 Hat der VN seiner Lebensgefährtin bzw. seinem Lebensgefährten ein Bezugsrecht ein- 58 geräumt, so ergeben sich vergleichbare Fragestellungen mit Blick auf eine Trennung der Lebensgefährten (Auslegung, auflösende Bedingung, Widerruf der Bezugsberechtigung, Wegfall der Geschäftsgrundlage). Dasselbe gilt für eingetragene Lebenspartner.

V. Nichterwerb des Rechts auf die Versicherungsleistung im Falle nur eines Begünstigten (Abs. 3) 1. Abgrenzung zu § 160 Abs. 1 Die Absätze 3 und 1 widersprechen sich für den Fall des Nichterwerbs des Bezugs- 59 rechts bei der Rechtsfolge, sind hinsichtlich ihres Tatbestandes teilweise unklar formuliert und wären besser in umgekehrter Reihenfolge in die Vorschrift des § 160 aufgenommen worden. Nach der Grundsatznorm des § 160 Abs. 3 fällt die Versicherungsleistung bei einer Todesfallversicherung in den Nachlass, wenn der von dem VN bezeichnete Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung nicht erwirbt. Das überrascht nicht, denn wenn kein Vertrag zugunsten Dritter gegeben ist, kann die Versicherungsleistung nur in den Nachlass fallen. Das gilt unstreitig für den Fall, dass der VN nur einen Bezugsberechtigten eingesetzt 60 hat. Nach diesem Prinzip könnte jedoch auch verfahren werden, wenn der VN nicht nur

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Zum Valutaverhältnis im Einzelnen § 159 Rn. 252 ff. BGH 1.4.1987 VersR 1987 659, 660; BGH 20.5.1992 VersR 1992 1383, 1384; BGH 30.11.1994 VersR 1995 282, 284; OLG Hamm 13.3.2002 VersR 2002 1409, 1411; OLG Karlsruhe 20.3.1997 VersR 1998 219, 220. BGH 30.11.1994 1994 VersR 1995 284; OLG Hamm 13.3.2002 VersR 2002 1411. A.A. Liebl-Wachsmuth VersR 1983 1005;

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vgl. auch BGH 29.1.1981 VersR 1981 327; LG Berlin 11.12.1962 VersR 1963 571. Zu den Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage vgl. im Übrigen § 313 BGB. Ob mit dem Institut der Geschäftsgrundlage ein Weg begangen wird, der gegenüber einer analogen Anwendung des § 2077 BGB den Vorzug verdient, wird im Schrifttum bezweifelt (Finger VersR 1990 229, 233 ff.). LG Bremen 19.01.1962 VersR 1962 413.

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§ 160

Kapitel 5: Lebensversicherung

einen, sondern beispielsweise drei – also mehrere – Bezugsberechtigte einsetzt, von denen einer das Bezugsrecht nach der – zwingenden – Norm des § 333 BGB zurückweist. Auch in diesem Falle könnte der Teil der Versicherungssumme, der auf das nicht erworbene Bezugsrecht entfällt, gleichfalls in den Nachlass fallen. Dem würde der Wortlaut des § 160 Abs. 3 nicht entgegenstehen. Dagegen spricht allerdings die Ausnahmevorschrift71 des § 160 Abs. 1 Satz 2, wonach bei einer Benennung von mehreren Bezugsberechtigten der nicht erworbene Anteil eines ausgefallenen Bezugsberechtigten den übrigen Begünstigten zuwächst. Dieser Anteil würde damit dem Nachlass und eventuellen Nachlassgläubigern entzogen. Beschränkt man die Ausnahmevorschrift des Abs. 1 Satz 2 angesichts der systematischen Stellung im Anschluss an Abs. 1 Satz 1 auf die Konstellation gleicher Anteile sämtlicher Bezugsberechtigter, so ist problemlos von einem Anwachsen des nicht erworbenen Anteils auszugehen. Weniger eindeutig lassen sich die Fälle beurteilen, in denen Bezugsberechtigte für nur einen Teil der Versicherungssumme benannt sind oder in denen die Bezugsberechtigten zu unterschiedlichen Anteilen eingesetzt sind. Da beide Absätze des § 160 dispositiv sind, ist entscheidend die Auslegung der Bezugsberechtigung. Sollte eine Auslegung nicht zu einem Ergebnis führen, will Kollhosser die Vorschrift des § 160 Abs. 1 Satz 2 analoge Anwendung finden lassen.72 Dem kann angesichts des Ausnahmecharakters der Bestimmung des § 160 Abs. 1 Satz 2 nicht gefolgt werden. 2. Fälle des Nichterwerbs der Bezugsberechtigung

61

Die oben unter Rn. 26 in Zusammenhang mit § 160 Abs. 1 genannten Konstellationen für einen Nichterwerb des Rechts auf die Leistung des VR sind auch bei der Anwendung des § 160 Abs. 3 zugrunde zu legen. Gerichtliche Entscheidungen haben sich in diesem Zusammenhang insbes. mit der auflösenden Bedingung einer Scheidung bei der Begünstigung eines Ehepartners beschäftigt:73 Tritt die auflösende Bedingung ein, so greift § 160 Abs. 3 und das Recht auf die Leistung des VR geht auf den VN über. Soll eine neue Partnerin den Anspruch auf die Versicherungssumme erlangen, so hat der VN ihr ein neues Bezugsrecht einzuräumen. Das ist allerdings nicht erforderlich, wenn die ursprüngliche Bezugsberechtigungseinräumung so formuliert ist, dass ihr eine aufschiebende Bedingung zu entnehmen ist, die mit der Bindung an eine neue Partnerin eintritt.74

C. Abdingbarkeit Die Vorschrift des § 160 ist dispositiv.75

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71 72 73

Zu Recht Frels VersR 1968 524, 525. Prölss/Martin/Kollhosser 27 § 168 Rn. 2. BGH 14.2.2007 VersR 2007 784, 785; OLG Frankfurt/M. 21.11.1996 VersR 1997 1216, 1217; OLG Köln 14.6.1993 VersR 1993 1133.

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74 75

A.A. BGH 14.2.2007 VersR 2007 784, 785; vgl. dazu oben Rn. 49 f. Vgl. im Übrigen Langheid/Wandt/Heiss § 160 Rn. 24 f.

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Selbsttötung

§ 161

§ 161 Selbsttötung (1) 1 Bei einer Versicherung für den Todesfall ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die versicherte Person sich vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versicherungsvertrages vorsätzlich selbst getötet hat. 2 Dies gilt nicht, wenn die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. (2) Die Frist nach Absatz 1 Satz 1 kann durch Einzelvereinbarung erhöht werden. (3) Ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, hat er den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen.

Schrifttum Bender Die Rechtsproblematik der Wartezeiten in der Privatversicherung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsschutzversicherung, Diss. Hamburg (1988); Bresser Die Problematik des Selbstmordes ZVersWiss 1979 411; ders. Ist Spielsucht eine Erkrankung im Sinne des § 169 VVG? VersMed 1989 186; Emminghaus Die Behandlung des Selbstmordes in der Lebensversicherung (1875); Ghysbrecht Der Doppelselbstmord (1967); Guyer Die Wirkungen der Selbsttötung auf den Lebensversicherungsvertrag, Diss. Zürich (1890); Harbort Bemerkungen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung des Autofahrer-Suizides aus kriminalistischer Sicht VersR 1994 1400; Harrer/ Mitterauer Der Selbstmord in der Lebensversicherung im Lichte neuerer neuropsychiatrischer Forschungen VersR 2007 579; Henke Die Ausschlüsse und Grenzfälle in der Unfallversicherung (1950); Hiestand Schadenersatzanspruch des Versicherers gegen den Urheber der Körperverletzung oder Tötung des Versicherten (1896); Humbert/Hartmann Lebensversicherung und Suizid ZVersWiss 1979 399; Lange Der misslungene erweiterte Suizid (1964); Lötsch Die Risikobeschränkungen (1935); Mallach Wann sind Alkoholvergiftungen eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit im Sinne des § 169 VVG? ZVersWiss 1980 357; Masaryk Der Selbstmord als sociale Massenerscheinung der modernen Civilisation (1888); Philip Gewaltdelinquenz und Suicidalität (1968); J. Prölss Beweiserleichterungen im Schadenersatzprozeß (1966); v. Rabenau Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles in der Lebensversicherung, Diss. Straßburg (1911); Rasch Erscheinungsbild, Dynamik und Beurteilung des erweiterten Selbstmords ZVersWiss 1979 417; Ringel Der Selbstmord – Abschluß einer krankhaften psychischen Entwicklung (1953); ders. Neue Untersuchungen zum Selbstmordproblem (1961); Sowade Steht der Lebensversicherungs-Gesellschaft ein selbständiger Schadenersatzanspruch gegen denjenigen zu, welcher den Tod des Versicherten schuldhaft verursacht hat? Diss. Rostock (1902); Tiefenthal Besteht nach geltendem Reichsrechte ein selbständiger Schadenersatzanspruch der Lebensversicherungsgesellschaft gegen den Urheber der schuldhaften Tötung des Versicherten? Diss. Leipzig (1905); Unger Der Selbstmord, Diss. Berlin (1913); Wagner Grenzfälle und Ausschlüsse in der privaten Unfallversicherung ZVersWiss 1975 619–645; West Murder followed by Suicide (1965); Zehner Zur Anwendung des § 170 Abs. 1 VVG bei Selbstmord des Versicherungsnehmers nach Tötung des Versicherten VersR 1984 1119.1

1

Ein ausführliches Verzeichnis der älteren Literatur findet sich bei Bruck/Möller/Winter 8 Anm. G 114.

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§ 161

Kapitel 5: Lebensversicherung Übersicht Rn.

A. I. II. III. IV. B. I.

II.

III.

IV. C. D.

I.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Bedingungsregelungen . . . . . . . . . . Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Selbsttötung der Gefahrsperson . . . . . . . . Vorsätzliche Selbsttötung der Gefahrsperson (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . Krankhafte Störung der Geistestätigkeit (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegung . . . . . . . . . . . . b) Tatbestandselemente und Grenzfragen im Lichte der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderfall: Selbsttötung unter dem Druck schwerer körperlicher Leiden . Karenzzeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sinn und Zweck der Regelung . . . . 2. Beginn der Karenzzeit . . . . . . . . . a) Grundsatz: Abschluss des Versicherungsvertrages . . . . . . . . . . . b) Keine Verkürzung der Karenzzeit durch Rückdatierung des Versicherungsvertrages . . . . . . . . . . . c) Verkürzung der Wartezeit durch Bedingungswerke bzw. individuelle Vertragsabrede . . . . . . . . . . . d) Verlängerung der Wartezeit über den Zeitraum von drei Jahren hinaus . . 3. Karenzzeit bei der Wiederherstellung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . 4. Karenzzeit bei einer sonstigen Änderung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . Leistungsfreiheit/Rückvergütung (Abs. 3) Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . Anhang: Anzeige- und Nachweispflichten nach dem Tode des Versicherten und Duldung eigener Erhebungen des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . Grundsätzlich zu erbringende Nachweise bei der Geltendmachung einer Leistung des Versicherers – z.B. § 11 (1) GDVMusterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung . . . . . . 1. Rechtsnatur der Nachweispflicht . . . 2. Voraussetzungen der Nachweispflicht 3. Person des Nachweispflichtigen . . . . 4. Gegenstände der Nachweispflicht . . . a) Versicherungsschein . . . . . . . . aa) Aushändigungspflicht . . . . . bb) Rechtslage bei Verlust des Versicherungsscheines . . . . . . .

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1 1 4 8 11 13 16 16 19 21 27 27 27

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Rn. cc) Vorlage des Versicherungsscheins durch einen Dritten . . dd) Keine Verpflichtung des Versicherers, die Aushändigung des Versicherungsscheines zu verlangen . . . . . . . . . . . . . b) Amtliches Zeugnis über den Tag der Geburt des Versicherten . . . . . . aa) Tag der Geburt . . . . . . . . . bb) Amtliches Zeugnis . . . . . . . 5. Führung der Nachweise, Rückgabe von Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verzicht des Versicherers auf Nachweise II. Obliegenheiten nach dem Tode des Versicherten (Versicherungsfall) – z.B. § 11 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung . . . . . . 1. Zweck der Obliegenheiten . . . . . . 2. Anzeige des Todes des Versicherten . . a) Voraussetzungen der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tod des Versicherten . . . . . . bb) Kenntnis des Todes beim Anzeigepflichtigen . . . . . . . . . b) Person des Anzeigepflichtigen . . . c) Erfüllung der Anzeigepflicht . . . . aa) Wissenserklärung . . . . . . . bb) Inhaltliche Erfordernisse . . . . cc) Empfänger der Anzeige . . . . dd) Zeitpunkt der Erfüllung der Anzeigepflicht . . . . . . . . . ee) Beweislast . . . . . . . . . . . d) Rechtslage bei Verletzung der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . 3. Belegpflicht . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Gegenstände der Belegpflicht . . . aa) Nachweise bei Verlangen einer Leistung des Versicherers . . . . bb) Amtliche, Alter und Geburtsort enthaltende Sterbeurkunde . . . cc) Nachweis der Todesursache . . c) Beschränkungen nach § 213 Abs. 1 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erfüllung der Belegpflicht . . . . . e) Zumutbarkeit der Belegbeschaffung . . . . . . . . . . . . . f) Ersatznachweise als Erfüllung der Belegpflicht . . . . . . . . . . . . g) Rechtsfolgen bei Verletzung der Belegpflicht . . . . . . . . . . . . aa) Keine geregelten Rechtsfolgen . bb) Zurückbehaltungsrecht . . . . cc) Schadenersatzansprüche des Versicherers . . . . . . . . . . dd) Leistungsfreiheit wegen schuldhafter Beweisvereitelung . . . . h) Kosten für Belege, weitere Nachweise und Erhebungen des Versicherers . . . . . . . . . . . . . .

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Selbsttötung

§ 161

Rn. III. Weitere Nachweise auf Verlangen des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzung für die Pflicht zu weiteren Nachweisen . . . . . . b) Sinn und Zweck . . . . . . . . . c) Verpflichteter . . . . . . . . . . d) Rechtsvorschriften . . . . . . . . 2. Gegenstand und Grenzen der Pflicht zu weiteren Nachweisen . . . . . . a) Sachlicher Umfang der Pflicht zu weiteren Nachweisen . . . . . . b) Bezugszeitraum für weitere Nachweise . . . . . . . . . . . . c) Beschränkungen des Rechts des Versicherers auf weitere Nachweise aa) Notwendigkeit . . . . . . . . bb) Zumutbarkeit . . . . . . . . (1) Bedeutung und Anwendungsbereich dieser Begrenzung . . (2) Ermittlung der Zumutbarkeit 3. Nachweisverlangen . . . . . . . . . 4. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . IV. Duldung eigener Erhebungen des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . .

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Rn. 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . 2. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Rechts des Versicherers zu eigenen Erhebungen . . b) Verpflichteter . . . . . . . . . . . c) Voraussetzungen des Rechts des Versicherers zu eigenen Erhebungen d) Geltung des § 31 Abs. 1 Satz 2 . . . 3. Gegenstand der Erhebungen . . . . . a) Allgemeine Grenzen des Erhebungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . b) Befragung von Ärzten und anderen mit dem Gesundheitszustand des Versicherten oder dessen Todesursache befassten Personen oder Stellen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entbindung von der gesetzlichen Schweigepflicht und die Beschränkungen aus § 213 . . . . bb) Pflicht zur Veranlassung eines Arztberichts . . . . . . . . . . c) Leichenöffnung nach Exhumierung 4. Einsicht des Versicherungsnehmers bzw. sonstiger Interessierter in Untersuchungsberichte . . . . . . . . . . .

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A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Vorläufer von § 161 ist die bisherige Vorschrift des § 169 VVG a.F., die dem Grund- 1 satze nach übernommen wurde, § 161 Abs. 3 stimmt inhaltlich mit der bisherigen Norm des § 176 Abs. 2 Satz 1 überein. Allerdings sind mehrere Änderungen vorgenommen worden, die – unter Berücksichtigung von Bedingungspraxis und Rspr. – zu einer Verbesserung der Position des Leistungsberechtigten geführt haben. Während § 169 VVG a.F. noch von einer zeitlich unbegrenzten Leistungsfreiheit des VR ausging, ist die Ausschlussfrist nunmehr auf drei Jahre – den in den Bedingungswerken schon zuvor üblichen Zeitraum – verkürzt worden. Dabei soll es allerdings zulässig bleiben, durch individuelle Vereinbarung die Ausschlussfrist über drei Jahre hinaus zu verlängern, so dass dem VR in Sonderfällen – wie z.B. besonders hohen Versicherungssummen – ein gewisser Gestaltungsfreiraum verbleibt. Bestehen bleibt auch – und zwar weithin wörtlich – die Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 a.F., wonach der VR zur Leistung verpflichtet bleibt, „wenn die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen wurde“. Der Klarstellung dient, dass der Begriff des Selbstmordes, wie er sich in § 169 Abs. 1 2 a.F. fand und wie er von den Bedingungswerken nicht aufgenommen, sondern dort durch „Selbsttötung“ ersetzt und damit erweitert worden war, durch die Worte „vorsätzliche Selbsttötung“ abgelöst wurde. Dieser Begriff ist nunmehr auch von den Bedingungswerken übernommen worden. Die Vorschrift des § 161 Abs. 3 stimmt inhaltlich mit § 176 Abs. 2 Satz 1 a.F. über- 3 ein. Darüber hinaus wird jedoch klargestellt, dass dem VN neben der Rückvergütung auch Ansprüche auf Überschussbeteiligung nach § 169 Abs. 7 zustehen.

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§ 161

Kapitel 5: Lebensversicherung

II. Inhalt und Zweck der Regelung In der Lebensversicherung kamen und kommen immer wieder Fälle vor, in denen jemand, um z.B. einer hoffnungslosen finanziellen Situation zu entkommen, einen Selbstmord herbeizuführen versucht. Um seine Angehörigen aus ihren finanziellen Schwierigkeiten zu befreien, schließt er zuvor eine Lebensversicherung zu deren Gunsten ab. Damit kommt es zu einer Selbstauslese durch Selbstmordkandidaten, die die der Beitragskalkulation zugrunde liegenden Daten negativ verändert. Das Gleichgewicht zwischen Versicherungsleistungen und Beiträgen wird zulasten der VR gestört. Die VR haben daher ein Interesse daran, dass eine solche Gefahr der Selbstauslese im Lebensversicherungsvertrag ausgeschlossen wird. Dabei hat die Erfahrung gezeigt, dass es als absolute Ausnahme gelten muss, wenn an dem ursprünglichen Plan, Selbstmord zu begehen, nach Ablauf einer längeren Zeit noch festgehalten wird. Wenn mehrere Jahre seit Abschluss der Versicherung vergangen sind, kann vielmehr vermutet werden, dass die Versicherung nicht mit Blick auf einen Selbstmord abgeschlossen wurde.2 Daher hielten es die VR für ausreichend, die Leistungsfreiheit bei Selbstmord schon in ihren frühen Bedingungswerken zur Todesfallversicherung zeitlich zu begrenzen. Der objektive Risikoausschluss des § 161 Abs. 1 bildet eine Ausnahme von dem Prin5 zip, dass die Todesursache in der Lebensversicherung ohne Belang ist. Als Gegenausnahme ist der VR zur Leistung verpflichtet, wenn der Fall des § 161 Abs. 1 Satz 2 gegeben ist. Schon bei Schaffung der Vorschrift des § 169 a.F. hat sich der Gesetzgeber bemüht, einen weiteren Interessenausgleich mit Blick auf die Beweislage vorzunehmen. Eine Verwirkung des Versicherungsanspruchs lasse sich weder durch die Zwecke der Lebensversicherung noch durch sonstige Erwägungen rechtfertigen, wenn feststeht, dass der Versicherungsfall nicht mit zumutbarem Vorsatz herbeigeführt ist. Dabei war sich der Gesetzgeber der Schwierigkeiten bewusst, die mit dem Nachweis der völligen Willensunfreiheit verbunden sind. Gleichwohl habe der VR lediglich darzutun, dass sich die Gefahrsperson selbst getötet hat, während derjenige, der den Anspruch auf die Leistung erhebt, den Beweis zu erbringen hat, dass die Tat im Ausnahmezustand des § 169 Satz 2 a.F. begangen worden sei. „Durch diese Verteilung der Beweislast wird das berechtigte Interesse des VR ausreichend gewahrt und insbesondere der erforderliche Schutz gegen Versicherungen geboten, die von vornherein mit der Absicht des Selbstmordes genommen werden.“3 Gegen eine solche Beweislastverteilung sind von medizinischer Seite zunehmend Be6 denken erhoben worden. Von einer freien Willensbildung könne weithin nicht gesprochen werden, weil der Selbstmörder sehr häufig unter psychobiologischen Störungen leide, die Krankheitswert aufweisen. Für den Selbstmörder sei der Verlust von Wahlmöglichkeiten charakteristisch. „Er muss die unerträglich gewordene Wirklichkeit gleichsam durch Selbstmord überwinden“. Vor diesem Hintergrund könne die Beweislastverteilung des § 161 Abs. 1 nicht akzeptiert werden, denn angesichts der Probleme bei der Rekonstruktion des Handlungsablaufs kann das Gericht häufig nicht feststellen, dass der Ausnahmetatbestand des § 161 Abs. 1 Satz 2 erfüllt ist. Die Verteilung der Beweislast, wie sie gegenwärtig besteht, führe daher zu einer Fallbeurteilung, die der Lebenswirklichkeit in der Regel nicht entspricht. Die „freie willentliche Entscheidung ist die Ausnahme“. Die

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2 3

OLG Düsseldorf 23.4.1963 VersR 1963 1041, 1042. Motive 229.

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Selbsttötung

§ 161

empirische Forschung darf in einem solchen Falle nicht unberücksichtigt bleiben. Sachgerecht sei es, die Beweislast in Bezug auf das Fehlen psychologischer Störungen dem VR zuzuweisen.4 Leider haben die Reformkommission und der Gesetzgeber die Kritik zu § 161 Abs. 1 Satz 2 nicht aufgegriffen. Die auf drei Absätze erweiterte Vorschrift hat durch die Einführung der Ausschluss- 7 frist von drei Jahren zu einer Verbesserung des Schutzes der Hinterbliebenen geführt, mit der Regelung des Absatzes 2 sollte der Handlungsspielraum des VR bei der Prämiengestaltung verbessert werden. Mit der Bestimmung des Absatzes 3 zur Rückvergütung und Überschussbeteiligung sollte § 169 von untypischen Fällen entlastet werden.

III. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 161 ist auch anwendbar, wenn der Vertrag nicht nur für den 8 Todesfall Versicherungsleistungen vorsieht.5 Nicht erfasst wird nur die reine Erlebensfallversicherung. Die Vorschrift gilt auch nicht für die Unfallzusatzversicherung. 9 Auf Kapitalisierungsgeschäfte findet § 161 keine Anwendung, da diese Geschäfte kein 10 einer Todesfallversicherung vergleichbares biometrisches Risiko aufweisen.

IV. Bedingungsregelungen Die Bestimmung des § 161 wird durch die Bedingungswerke der Lebensversicherung 11 ergänzt. Die Bedingungsregelung geht der gesetzlichen Regelung vor, soweit vom Gesetz zugunsten des VN abgewichen wird. In der Kommentierung wird auf die Bedingungsregelung regelmäßig mit eingegangen; die in erster Linie Verwendung findende Bestimmung des § 5 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung bzw. GDVMusterbedingungen Risikolebensversicherung lautet: Was gilt bei Selbsttötung der versicherten Person? (1) Bei vorsätzlicher Selbsttötung leisten wir, wenn seit Abschluss des Versicherungsvertrages drei Jahre vergangen sind. (2) Bei vorsätzlicher Selbsttötung vor Ablauf der Dreijahresfrist besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn uns nachgewiesen wird, dass die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. Anderenfalls zahlen wir den für den Todestag berechneten Rückkaufswertes der Versicherung (§ 9 Abs. 3 bis 5). (3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend bei einer unsere Leistungspflicht erweiternden Änderung oder bei einer Wiederherstellung der Versicherung. Die Frist nach Absatz 1 beginnt mit der Änderung oder Wiederherstellung der Versicherung bezüglich des geänderten oder wiederhergestellten Teils neu zu laufen.

Ist die Auszahlung eines Rückkaufswerts nicht vorgesehen, so lautet Abs. 2 wie folgt: „(2) Bei Selbsttötung vor Ablauf der Dreijahresfrist besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn uns nachgewiesen wird, dass die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. Anderenfalls sind wir von der Leistung frei.“

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Harrer/Mitterauer VersR 2007 579, 582.

5

Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 99.

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§ 161 12

Kapitel 5: Lebensversicherung

Von erheblicher praktischer Bedeutung – gerade auch für die Beweisführung bei Selbstmord – ist auch die Bestimmung des § 11 (1)–(3) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung bzw. GDV-Musterbedingungen für die Risikolebensversicherung, die die Vorschriften der §§ 30, 31 ergänzt bzw. modifiziert. Die Bestimmung lautet insoweit: Was ist zu beachten, wenn eine Versicherungsleistung verlangt wird? (1) Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erbringen wir gegen Vorlage des Versicherungsscheins. (2) Der Tod der versicherten Person ist uns unverzüglich anzuzeigen. Außer dem Versicherungsschein sind uns einzureichen – eine amtliche, Alter und Geburtsort enthaltene Sterbeurkunde, – ein ausführliches ärztliches oder amtliches Zeugnis über die Todesursache sowie über Beginn und Verlauf der Krankheit, die zum Tode der versicherten Person geführt hat. (3) Zur Klärung unserer Leistungspflicht können wir notwendige weitere Nachweise und Auskünfte verlangen. Die mit den Nachweisen verbundenen Kosten trägt derjenige, der die Versicherungsleistung beansprucht.

Die Obliegenheiten, die nach dem Tode der Gefahrsperson zu erfüllen sind, werden unter D Rn. 60 bis Rn. 154 erörtert.

B. Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Selbsttötung der Gefahrsperson 13

Für die Leistungspflicht des VR in der Todesfallversicherung ist es grundsätzlich unerheblich, aus welchen Gründen es zum Todesfall kommt (Unfall, Krankheit usw.). Eine Ausnahme gilt für die Vorschrift des § 161. Sie beinhaltet einen objektiven Gefahrumstandsausschluss, sie schränkt also die Leistungspflicht des VR bei Selbsttötung der Gefahrsperson ein und gilt dabei allein für die Konstellationen, dass der VN zugleich die Gefahrsperson ist oder dass sich bei einer Fremdversicherung die Gefahrsperson tötet. Sie darf nicht weiter ausgelegt werden als der Zweck es erfordert, im Zweifel ist sie eng auszulegen. Bei einer Tötung der Gefahrsperson durch den VN greift § 162. Die Vorschrift des § 161 differenziert danach, ob es sich um eine vorsätzliche Selbsttötung handelt, die Tat in einem Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen ist oder ob die Selbsttötung während der Karenzzeit erfolgte. Insbesondere hinsichtlicht der Beweislastregelung findet sich eine umfangreiche Rechtsprechung.6

6

Ausgewählte Rspr. zur Selbsttötung in der Lebensversicherung: BGH 8.5.1954 VerBAV 1955 136, 137; BGH 10.1.1955 VersR 1955 99, 100; BGH 28.3.1955 VersR 1955 265, 266; BGH 10.10.1957 NJW 1958 266; BGH 17.4.1958 NJW 1958 2123; BGH 12.7.1965 VersR 1965 946, 947; BGH 1.7.1970 VersR 1970 947, 948; BGH 19.2.1981 VersR 1981 452, 453 (mit Anm. Händel 875); BGH 19.11.1985 VersR 1986 281; BGH 18.3.1987 NJW 1987 1944, 1945 (zur Unfallvers.); BGH 26.4.1989 VersR 1989, 729, 730; BGH 5.12.1990VersR 1991 289; BGH 10.4.1991

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VersR 1991 870; BGH 6.5.1992 VersR 1992 861; BGH 13.10.1993 VersR 1994 162, 163; BGH 5.2.1997 VersR 1997 687, 688; OLG Celle 20.6.1955 VersR 1957 772; OLG Celle 8.6.1984 VersR 1985 1134, 1135; OLG Celle 15.1.1996, wiedergegeben bei Winter VersR 2004 8, 9 f.; OLG Düsseldorf 3.1.1953 VersR 1953 58, 59; OLG Düsseldorf 12.3.1954 VersR 1954 426; OLG Düsseldorf 23.4.1963 VersR 1963 1041, 1042; OLG Düsseldorf 12.5.1975 VersR 1975 896; OLG Düsseldorf 22.9.1998 NVersZ 1999 321; OLG Frankfurt 15.6.1962 VersR 1962 821, 822; OLG Ham-

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Selbsttötung

§ 161

Die Problematik des § 161 liegt insbes. in der Verteilung der Beweislast zwischen VR 14 und VN-Seite. Ebenso wie bei der Regelung des § 81 zur Herbeiführung des Versicherungsfalles in der Schadensversicherung – bei der der VR die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Ausschlusses darzulegen und zu beweisen hat – trifft den VR auch im Rahmen des § 161 grundsätzlich die Beweislast für eine vorsätzliche Selbsttötung. Nur für den Fall, dass die Selbsttötung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen ist, trifft den Anspruchsteller die Beweislast dafür, dass die freie Willensbestimmung bei der Tat ausgeschlossen war. Mit dieser Beweislastregelung sollte der VR entlastet werden. Ein Blick auf die Rspr. zur Beweislast in Zusammenhang mit § 161 Abs. 2 Satz 2 zeigt deutlich, dass sich die Vorstellungen des Gesetzgebers bewahrheitet haben: Fast sämtliche Entscheidungen kommen zu dem Ergebnis, dass der Ausnahmezustand nicht bewiesen werden konnte, so dass der VR von der Verpflichtung zur Leistung frei ist. Da im Falle eines Selbstmordes nach empirischen Erkenntnissen in der Mehrzahl der Fälle die freie Willensbestimmung ausgeschlossen ist,7 dürften fast immer die Versicherungsleistungen nicht erbracht werden müssen, obwohl der VR – lässt man einmal die Beweislastregelung beiseite – zur Leistung verpflichtet wäre. Das ist nicht sachgerecht. Daher stellt sich die Frage, ob im Wege der teleologischen Reduktion der Vorschrift 15 des § 161 die Leistungsfreiheit des VR nicht immer schon dann zu entfallen hat, wenn die Lebensversicherung nicht mit dem Ziel abgeschlossen wurde, die finanzielle Situation

burg 13.4.1984 VersR 1986 378, 379; OLG Hamburg 19.6.1986 VersR 1986 1201, 1202; OLG Hamm 23.6.1939 JRPV 1939 312; OLG Hamm 27.4.1977 VersR 1977 928–930; OLG Hamm 28.4.1978 VersR 1978 1063, 1064; OLG Hamm 31.5.1978 VersR 1978 1110, 1111; OLG Hamm 26.9.1984 VersR 1985 752; OLG Hamm 9.6.1986 NJW-RR 1987 15; OLG Hamm 8.8.1986 RuS 1986 247; OLG Hamm 9.12.1988 VersR 1989 690; OLG Hamm 27.4.1994 VersR 1995 33; KG 13.2.1998 VersR 2000 86; OLG Karlsruhe 9.3.1977 VersR 1978 657; OLG Karlsruhe 16.12.1993 VersR 1995 521; OLG Karlsruhe 20.2.2003 VersR 2003 977; OLG Koblenz 5.3.1999 VersR 2001 445; OLG Köln 12.1.1998 RuS 1998 301; OLG Köln 21.2.2001 VersR 2002 341; OLG München 16.6.1955 VersR 1955 610, 611; OLG Nürnberg 25.9.1968 VersR 1969 149, 150; OLG Nürnberg 25.3.1993 VersR 1994 295, 296; OLG Oldenburg 9.7.1952 VerBAV 1952 142–144; OLG Oldenburg 28.11.1990 VersR 1991 985; OLG Saarbrücken 2.9.1998 VersR 1999 85, 86; OLG Saarbrücken 30.5.2007 VersR 2008 57; LG Bielefeld 9.10.1962 VersR 1963 153; LG Bonn 12.11.2004 VersR 2005 965; LG Braunschweig 8.7.1960 VersR 1961 169; LG Detmold 21.10.1966 VersR 1968 1136, 1137; LG Flensburg 27.8.1963 VersR

7

1963 1213, 1214; LG Hamburg 9.7.1954 VerBAV 1955 139, 140; LG Hamburg 27.10.1955 VerBAV 1956 240, 242; LG Hamburg 23.4.1980 VersR 1980 916; LG Hamburg 15.4.1984 VersR 1984 116; LG Hamburg 27.8.1996 RuS 1997 259, 260; LG Hechingen 19.7.1955 VersR 1956 282; LG Heidelberg 6.10.1988 VersR 1989 1033; LG Kassel 4.5.1955 VersR 1955 546; LG Köln 4.4.1956 VersR 1956 653; LG Köln 22.6.1956 VersR 1956 569, 570; LG Köln 26.9.1989 VersR 1990 34-36; LG Köln 3.3.1993 VersR 1993 869-871; LG Köln 21.4.1993 RuS 1995 355; LG Köln 28.7.1993 RuS 1994 195, 196; LG Lübeck 11.6.1969 VersR 1971 710, 711; LG Memmingen 16.4.1958 VersR 1958 557; LG Mönchengladbach 28.10.1952 VersR 1953 22; LG Mönchengladbach 14.6.1973 VersR 1974 795, 796; LG München 2.3.1953 VersR 1953 253; LG Osnabrück 19.12.1979 VersR 1980 474; LG Saarbrücken 7.11.1978 VersR 1979 1050; LG Saarbrücken 17.9.1982 VersR 1983 723; LG Ulm 26.11.1952 VersR 1953 21; LG Wiesbaden 9.1.1963 VersR 1963 865; LG Wiesbaden 22.3.1984 VersR 1985 233, 234; AG Oelde 2.6.1959 VersR 1964 1013; AG Wetter 10.4.1957 VersR 1957 729; ÖOGH 13.2.1963 VersR 1964 761, 762. Harrer/Mitterauer VersR 2007 579 ff.

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der Hinterbliebenen durch einen geplanten Selbstmord zu verbessern, der Versorgungsgedanke beim Selbstmordentschluss also keine Rolle gespielt hat. Eine solche Beschränkung des Gesetzeszwecks beim Selbstmordausschluss lässt sich aus den Gesetzesmaterialien jedoch nicht erkennen,8 zumal der Selbstmord aus ethischer und kirchlicher Sicht 1908 eine andere Bewertung erfuhr als heute. Lässt sich der Selbstmordausschluss des § 161 im Anwendungsbereich nicht in dieser Weise begrenzen, muss daraus die Konsequenz in der Weise gezogen werden, dass bei der Frage des Ausschlusses der freien Willensbestimmung die Beweisanforderungen nur vergleichsweise niedrig angesetzt werden: Der Ausschluss der freien Willensbestimmung ist nicht als seltene Ausnahme, sondern eher als Regel zu verstehen. Insbesondere die Entscheidungen des OLG München9 und des OLG Karlsruhe10 sind in diesem Sinne zu sehen.

I. Vorsätzliche Selbsttötung der Gefahrsperson (Abs. 1 Satz 1) 1. Tatbestand

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Vorsätzliche Selbsttötung ist jede Handlung der zivilrechtlich verantwortlichen Gefahrsperson, die in der Absicht ausgeführt wird, sich den Tod zu geben. Erforderlich ist vorsätzliches Handeln, das auf die Herbeiführung des Todes gerichtet ist. Die Tatherrschaft bei dem Geschehen, das zum Tode führt, muss bei der verstorbenen Person liegen. Dabei ist nicht ausreichend, dass sich der Versicherte von einem anderen – also mit seiner Einwilligung – töten lässt oder wenn nach einem gemeinsamen Tatentschluss mehrere Personen zu Tode kommen, von denen nur eine Person der Täter ist (der Ehemann tötet zunächst die versicherte Ehefrau und sodann sich selbst). Es reicht gleichfalls nicht aus, dass die Gefahrsperson mit der bloßen Möglichkeit der Todesfolge gerechnet hat, der Tod muss vielmehr das Handlungsziel darstellen; dolus eventualis genügt nicht.11 Ebenso wenig ist die schließlich erfolgte Hinrichtung als Selbstmord anzusehen.12 Da Vorsatz erforderlich ist, reicht grobe oder – erst recht nicht – leichte Fahrlässigkeit nicht aus, um einen Selbstmord anzunehmen.13

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12 13

OLG Karlsruhe 20.2.2003 VersR 2003 977, 978. OLG München 16.6.1955 VersR 1955 610, 611. OLG Karlsruhe 20.2.2003 VersR 2003 977, 978. KG 5.3.1930 JRPV 1930 206: Fluchtversuch eines Untersuchungshäftlings durch Sprung aus dem Fenster mit Todesfolge; vgl. auch LG Memmingen 16.4.1958 VersR 1958 537. Gegen eine Ausweitung des Vorsatzes auf dolus eventualis bei der Selbsttötung auch Langheid/Wandt/Heiss § 161 Rn. 6 f. und Römer/Langheid/Römer § 161 Rn. 5. RG 11.1.1938 RGZ 157 6. Vgl. RG 4.5.1887 RGZ 18 142; vgl. auch BGH 19.2.1981 VersR 1981 452 f. für einen Fall, in dem der Versicherte in einem alkoholisierten – und offenbar unberechenbaren –

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Zustand sich mit einer Pistole durch einen Schuss in den Kopf tötete, nachdem es bei anderen Zielen zu Fehlzündungen gekommen war und der Versicherte möglicherweise vergessen hatte, dass noch weitere Patronen in der Trommel waren, oder – wenn auch in objektiv unverständlich erscheinendem Leichtsinn – glaubte, auch die weiteren Schüsse würden nicht zünden: nach OLG Hamm 9.12.1988 VersR 1989 690 handelt die Gefahrsperson nur bewusst fahrlässig, wenn sie lediglich eine Demonstration vornehmen und nicht sterben, sondern von Dritten an der Ausführung gehindert oder gerettet werden wollte; nach LG Memmingen 16.4.1958 VersR 1958 537 kann Selbstmord nicht angenommen werden, wenn jemand einen Selbstmordversuch nur vortäuschen wollte, indem er Schlaftabletten einnahm

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Selbsttötung

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Nicht absichtlich handelt auch, wer die Selbsttötung in einem die freie Willensbestim- 17 mung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit begeht.14 Wenn der Vertrag das Selbstmordrisiko einschließt, kann der VR nicht wegen Ver- 18 tragsverletzung vom Lebensversicherungsvertrage zurücktreten, wenn der Versicherte ihm droht, er werde Selbstmord begehen, falls nicht ein Teil der Versicherungssumme gezahlt würde.15 In Frage kommt jedoch eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB. 2. Rechtsfolgen Vorsätzliche Selbsttötung ist die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch die 19 Gefahrsperson mit der grundsätzlichen Rechtsfolge der Leistungsfreiheit, § 161 Abs. 1 Satz 1. Der VR hat jedoch die Rückvergütung zu erstatten, hinzutreten die Überschussanteile nach § 169 Abs. 7, § 161 Abs. 3. Das gilt sowohl für die kapitalbildende als auch für die Risikolebensversicherung, sofern sich ein entsprechendes Deckungskapital gebildet hat. Die Regelung ist auch in die Bedingungswerke der Lebensversicherung übernommen worden, hier findet sich häufig der Hinweis auf den für den Todestag berechneten Zeitwert der Lebensversicherung, vgl. § 5 (2) 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung mit einem Verweis auf § 9 (3)–(5) des Bedingungswerks. Nach § 5 (2) 2, 3 GDV-Bedingungen aufgeschobene Rentenzahlung wird die für den Todesfall vereinbarte Kapitalleistung gezahlt, im Übrigen der Rückkaufswert; für den Todesfall versicherte Rentenleistungen vermindern sich auf den Betrag, der aus dem für den Todestag berechneten Rückkaufswert erbracht werden kann. § 1 (8), 10 (4) GDV-Musterbedingungen für die fondsgebundene Lebensversicherung stellt klar, dass der Rückkaufswert grundsätzlich in Geld erbracht wird, aber auch in Anteileinheiten des Anlagestocks verlangt werden kann. Die vorsätzliche Selbsttötung führt nicht zur Leistungsfreiheit des VR, wenn beim 20 Ableben der Gefahrsperson seit Abschluss des Versicherungsvertrages oder der Wiederherstellung der Versicherung drei Jahre verstrichen sind, § 161 Abs. 1 Satz 1, § 5 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bedingungen der übrigen Bedingungswerke.16

und sich direkt neben einen Weg legte, wo er bei besserem Wetter alsbald entdeckt worden wäre, der Tod also allenfalls durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt war; vgl. auch LG Kassel 4.5.1955 VersR 1955 545; unklar LG Bielefeld 9.10.1962 VersR 1963 153 f.; vgl. aber auch LG Hamburg 15.5.1984 VersR 1984 1167 f.; zur Frage einer lediglich vorgetäuschten Selbstmordabsicht bzw. eines versehentlichen Erhängens aus Leichtsinn LG Heidelberg 6.10.1988 VersR 1989 1033; nach LG Hamburg 23.4.1980 VersR 1980 916 stellt die unkontrollierte Einnahme von Drogen, die den Tod der Gefahrsperson her-

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beiführten, dagegen eine vorsätzliche Förderung des Todes dar – nicht überzeugend! Fährt der VN zu einer entfernten 130 m hohen Autobahnbrücke, überquert er sie teilweise zu Fuß und stellt er sich auf die unterste Strebe des Geländers, wobei er in die Tiefe stürzt, so kann von einer vorsätzlichen Tötung ausgegangen werden – OLG Saarbrücken RuS 2005 120. Vgl. unten § 161 Rn. 27 ff. Prölss/Martin/Schneider § 161 Rn. 4; a.A. LG Mannheim 8.2.1934 JW 1934 3080. Unten § 161 Rn. 49 ff.

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3. Beweislast

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Ist zweifelhaft, ob der Versicherte durch Selbstmord oder durch einen Unfall umgekommen bzw. eines natürlichen Todes gestorben ist, hat der VR die vorsätzliche Tötung von eigener Hand vor Ablauf der Ausschlussfrist zu beweisen, der Beweis muss sich dabei auch auf den Selbstmordvorsatz erstrecken.17 Bewiesen werden muss gegebenenfalls auch die Verlängerung der Ausschlussfrist durch Einzelvereinbarung. Hinsichtlich der vorsätzlichen Selbsttötung kann nicht auf den Beweis des ersten 22 Anscheins zurückgegriffen werden. Denn dafür erforderlich wäre ein typischer Geschehensablauf, von dem bei vorsätzlicher Selbsttötung nicht gesprochen werden kann oder der zumindest sehr problematisch ist. Der Selbstmord ist in der Regel und in hohem Maße von dem individuellen Zuschnitt, der Persönlichkeitsstruktur des Täters, seinem subjektiven Befinden zur Tatzeit, den besonderen Lebensumständen und insbes. auch der individuellen und subjektiven Beurteilung durch den Täter – mit sicherlich auch irrationalen Momenten – abhängig.18 Dem ist beizupflichten. Ein Anscheinsbeweis für die subjektive Komponente ist nicht nur für die Konstellation der Herbeiführung des Versicherungsfalles in der Sachversicherung abzulehnen, sondern erst recht für den Selbstmord bei der Lebensversicherung: Hier wird die Tat in vielen Fällen aufgrund von psychobiologischen Störungen mit Krankheitswert begangen, so dass von einer freien Willensbildung und Vorsatz nicht mehr die Rede sein kann.19 Sicherlich gibt es recht eindeutige Todesumstände wie etwa das Erhängen ohne Fremdeinwirkung, von denen aus gesehen eine vorsätzliche Selbsttötung zwingend oder zumindest außerordentlich naheliegend ist. Davon kann sich der Richter auch ohne die Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis die notwendige Überzeugung mit dem erforderlichen Grad von Gewissheit verschaffen. Dabei kann ein Selbstmord auch durch den Ausschluss des versicherten Tötungsgeschehens (z.B. Ausschluss eines Mordes) und durch Indizien (z.B. Verbrennung im Auto nach Selbstmordversuch) bewiesen werden.20 Es kann auch so eindeutige Todesumstände geben, dass ein Schluss auf einen Freitod zwingend ist. Dazu bedarf es nicht einmal einer unumstößlichen Gewissheit, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, „der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“.21 Beispiele der Rechtsprechung zur Beweislast des VR beim Selbstmord des Versicher23 ten: BGH 10.1.195522 zum Tode eines Fleischermeisters durch den Schuss aus einem Bolzenschussapparat: War „der Bolzenschussapparat bei seiner Auslösung auf die Stirn des Verletzten aufgesetzt …, so spricht der erste Anschein dafür, dass F. den Apparat in

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Vgl. nur BGH 10.1.1955 VersR 1955 99 f.; BGH 12.7.1965 VersR 1965 947; BGH 19.2.1981 VersR 1981 453; BGH 26.4.1989 VersR 1989 729; BGH 10.4.1991 VersR 1991 870; BGH 6.5.1992 VersR 1992 861; OLG Düsseldorf 22.9.1998 VersR 1999 1007; OLG Hamm 27.4.1994 VersR 1995 33, 34; OLG Karlsruhe 20.2.2003 VersR 2003 177, 178; OLG Saarbrücken 30.5.2007 VersR 2008 57, 59; LG Köln 3.3.1993 VersR 1993 869, 870. BGH 8.7.1965 VersR 1965 797; BGH 19.1.1967 VersR 1967 269; wegweisend BGH 18.3.1987 VersR 1987 503–504 (zur

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Unfallvers.); vgl. auch BGH 26.4.1989 VersR 1989 729; BGH 10.4.1991 VersR 1991 870; BGH 6.5.1992 VersR 1992 861; OLG Düsseldorf 22.9.1998 NVersZ 1999 321, 322; OLG Hamm 27.4.1994 VersR 1995 33; OLG Oldenburg 28.11.1990 VersR 1991 985; a.M. noch BGH 10.1.1955 VersR 1955 99. Harrer/Mitterauer VersR 2007 579, 582. LG Köln 3.3.1993 VersR 1993 869 ff. OLG Düsseldorf 22.9.1998 NVersZ 1999 321, 322. BGH 10.1.1955 VersR 1955 99 f.

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Selbstmordabsicht ausgelöst hat; denn nach der Lebenserfahrung pflegen so geartete Schüsse mit solchen Bolzenschussapparaten nicht versehentlich, sondern in der Absicht abgegeben zu werden, sich selbst zu töten. Sie lassen sich geradezu als typische Selbstmordschüsse bezeichnen. In diesem Fall kann also durchaus von einem typischen Geschehensablauf gesprochen werden.“ – BGH 28.3.195523 erörtert die Führung des Beweises, wenn der Versicherte im Kühlraum seiner Fleischerei, durch dessen Guckloch ein langer am Gashahn angeschlossener Gasschlauch steckt, tot aufgefunden wird. – Nach BGH 12.7.196524 ist der Beweis des Selbstmordes nicht geführt, wenn der Versicherte mit seinem PKW auf der Autobahn gegen den auf dem Grünstreifen stehenden Betonmittelpfeiler einer Autobahnbrücke gefahren und nicht auszuschließen war, dass die gradlinig auf den Pfeiler hinführende Fahrspur ohne bewusstes Eingreifen des Versicherten in die Lenkung des Fahrzeugs entstanden war, zumal auch die übrigen für einen Freitod sprechenden Umstände nicht für erwiesen erachtet werden konnten. – Nach BGH 19.2.198125 würde ein etwa zulässiger Anscheinsbeweis versagen, wenn sich der alkoholisierte Versicherte mit Hilfe einer am Kopf aufgesetzten Pistole, aus der sich mehrere Male kein Schuss gelöst hatte, tötet, weil er z.B. vergessen haben könnte, dass noch weitere Patronen in der Trommel waren.26 – BGH 18.3.1987 27 zum Freitod in der Unfallversicherung: Ablehnung des Anscheinsbeweises, die Gefahrsperson starb an den Folgen eines aufgesetzten Schusses in Herz. – BGH 26.4.198928: Beweis geführt bei Vergiftung mit Autoabgasen in einer Garage. – BGH 10.4.199129: Beweisanforderungen bei Alkohol- und Schlaftablettenabusus. – BGH 6.5.199230: selbstgebastelter Schussapparat und Unfallmöglichkeit. – Nach OLG Celle 8.6.198431 ist ausgeschlossen, das der Versicherte als erfahrener Jäger die Mündung einer geladenen, entsicherten und eingestochenen Waffe in die Nähe seines Kopfes geführt und dann auch noch so grob unvorsichtig und kraftvoll im Bereich des Abzugs hantiert hätte, wie es zur Auslösung des Schusses erforderlich gewesen wäre – dass alles hätte nur vorsätzlich geschehen können. – OLG Düsseldorf 3.1.195332 äußert sich im Armenrechtsverfahren zu dem Fall eines Versicherten, der sich in geldlichen Schwierigkeiten befand und in der Küche seiner Wohnung gestorben war, nachdem er drei Gashähne geöffnet hatte. – OLG Düsseldorf 22.9.199833: Selbsttötung eines an Depressionen schwer erkrankten Mannes durch erheblichen Alkoholkonsum in Verbindung mit der Einnahme von 70 Tabletten eines in dieser Dosis tödlich wirkenden Medikaments. – OLG Düsseldorf 31.8.199934: Selbsterschießung eines stark alkoholisierten VN. – Nach OLG Hamburg 13.4.198435 steht dem Anscheinsbeweis für einen Selbstmord durch Autoabgase in einer verschlossenen Garage nicht entgegen, dass der Versicherte in der Nacht vor der Tat ausgelassen feierte und anscheinend in geordneten finanziellen Verhältnissen lebte.36 – OLG Hamburg 19.6.198637: Anforderungen an den Nachweis der Selbsttötungsabsicht beim Tode der Gefahrsperson infolge Berührens einer Hochspannungsleitung. – OLG Hamm 27.4.199438: Hat die rechte Hals23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

BGH 28.3.1955 VersR 1955 265. BGH 12.7.1965 VersR 1965 947. BGH 19.2.1981 VersR 1981 452 f. Vgl. hierzu Händel VersR 1981 875. BGH 18.3.1987 VersR 1987 503, 504. BGH 26.4.1989 VersR 1989 729. BGH 10.4.1991 VersR 1991 870. BGH 6.5.1992 VersR 1992 861, 862. OLG Celle 8.6.1984 VersR 1985 1134, 1135. OLG Düsseldorf 3.1.1953 VersR 1953 58, 59.

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OLG Düsseldorf 22.9.1998 NVersZ 1999 321, 322. OLG Düsseldorf 31.8.1999 VersR 2000 833. OLG Hamburg 13.4.1984 VersR 1986 378, 379. Zum Selbstmord durch Autoabgase in der Garage vgl. auch OLG Frankfurt 2.12.1977 VersR 1978 1110. OLG Hamburg 19.6.1986 VersR 1986 1201, 1202. OLG Hamm 27.4.1994 VersR 1995 33, 34.

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seite des Versicherten zum Zeitpunkt der Kollision mit dem herannahenden Zug unmittelbar auf einem Gleisstrang aufgelegen, so ist der Nachweis einer vorsätzlichen Selbsttötung auch nach den Regeln eines Strengbeweises erbracht. – OLG Hamm 9.12.199839: Bei einem Tod durch Erhängen kann es sich um das Fehlschlagen der Demonstration einer Selbsttötung gehandelt haben, bei der der subjektive Todeswunsch nicht gegeben ist. – OLG Karsruhe 16.12.199340: Leitung der Autoabgase in das Wageninnere. – OLG Köln 21.2.200141: VN wurde von Tochter am Türrahmen erhängt aufgefunden (Simulation einer Selbsttötung?). – OLG München 16.6.195542 stellte für den Fall einer Schlafmittelvergiftung fest, dass die tödliche Dosis von Schlafmitteln so bemessen sei, dass sie niemand aus einem Irrtum oder einem Versehen einnehmen würde; der Beweis, dass Selbstmord vorliegt, ist erbracht, wenn der Selbstmord sich als höchstwahrscheinlich nachweisen lässt. – OLG Oldenburg 9.7.195243 verneinte für den Fall eines Todes durch Gasvergiftung die Zulassung eines Anscheinsbeweises, weil ein typischer Geschehensablauf nicht gegeben sei. – OLG Oldenburg 28.11.199044: Vorsätzliche Selbsttötung durch Erschießen: Die auf der Couch liegende Gefahrsperson hielt mit angewinkelten Armen das geladene und entsicherte Gewehr, wobei die linke Hand den Lauf, die rechte den Abzugsbereich der Waffe umspannte – einen Unfall erachtete das Gericht als undenkbar, die nur theoretische Möglichkeit einer Drittverletzung konnte offen bleiben. – KG 13.2.1998 45: Selbsttötung eines früheren Alkoholikers (seit 12 Jahren kein Alkoholkonsum), indem er sich auf einem Friedhof mit Benzin übergießt und entzündet, nachdem er zuvor eines Ladendiebstahls verdächtigt wurde. – Nach LG Detmold 21.10.196646 spricht für einen Selbstmord, wenn bei Tötung des Versicherten durch einen Gewehrschuss feststeht, dass die Waffe aufgesetzt und auf das Herz gerichtet war, und wenn ein Anhalt für das Eingreifen einer anderen Person nicht gegeben ist. – Zu den Anforderungen an den Beweis eines Selbstmordes des Versicherten im Falle tödlicher Mundverletzungen durch den Schuss einer Gaspistole vgl. LG Hamburg 15.5.1984.47 – LG Heidelberg 6.10.198848: Keine lediglich vorgetäuschte Selbstmordabsicht oder Selbstmorddemonstration bei Strangulationstod ohne Fremdeinwirkung durch Wegziehen der Füße. – LG Kassel 4.5.195549 verneint für den konkreten Fall einer Gasvergiftung die Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises. – LG Köln 3.3.199350: Verbrennen im Auto durch ausgeschüttetes und angezündetes Benzin. – LG Köln 27.7.199351: Tod durch Autoabgase. Nach LG Lübeck 11.6.196952 liegt im Falle einer Vergiftung durch Rattengift ein Beweis des Selbstmords nicht vor, wenn eine zweite Möglichkeit für den Hergang des Todes nachgewiesen wird, die nicht geringer als die erste zu werten ist und das Vorliegen eines Selbstmordes ausschließen würde (hier: Vergiftung durch eine dritte Person). – LG Memmingen 27.5.195353 zu einem Fall, in dem der Versicherte durch die Einnahme von Schlaftabletten und das Einnehmen von Leuchtgas zu Tode kam.

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OLG Hamm 9.12.1998 VersR 1989 690. OLG Karlsruhe 16.12.1993 VersR 1995 521. OLG Köln 21.2.2001 VersR 2002 341. OLG München 16.6.1955 VersR 1955 610, 611. OLG Oldenburg 9.7.1952 VerBAV 1952 142 ff. OLG Oldenburg 28.11.1990 VersR 1991 985, 986. KG 13.2.1998 VersR 2000 86. LG Detmold 21.10.1966 VersR 1968 1136, 1137.

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LG Hamburg 15.5.1984 VersR 1984 1667, 1168. LG Heidelberg 6.10.1988 VersR 1989 1033. LG Kassel 4.5.1955 VersR 1955 545. LG Köln 3.3.1993 VersR 1993 869. LG Köln 27.7.1993 RuS 1994 195. LG Lübeck 11.6.1969 VersR 1971 710, 711. LG Memmingen 27.5.1953 VersR 1953 364.

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Wiederholt hat sich die Rspr. in Verbindung mit dem Selbstmord mit der Leichenöff- 24 nung und Exhumierung der Leiche des VN bzw. der Gefahrsperson befasst. Der VR kann beides nur in sehr seltenen Fällen im Rahmen seines Rechts zu eigenen Erhebungen verlangen. Von sich aus hat der VR jedoch kein Recht, eine Leichenöffnung oder Exhumierung zu veranlassen. Die Befugnis hierzu steht nur staatlichen Stellen und den Angehörigen des Versicherten zu. Die Angehörigen können diese Befugnis zwar durch eine ausdrückliche Vereinbarung auf Dritte, also auch den VR, übertragen. Auch kann der Versicherte selbst zu seinen Lebzeiten eine solche Genehmigung erteilen. Aus der allgemein gehaltenen Fassung des § 11 (3) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke ist die Erteilung einer solchen Genehmigung jedoch nicht zu entnehmen.54 Darüber hinaus kann sie als Ausübung eines höchstpersönlichen Rechtes nicht ohne weiteres durch Mitvereinbarung in AVB-Bestimmungen erteilt werden.55 Eine Leichenöffnung oder Leichenausgrabung kommt mithin nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der VR als berechtigt erscheint, aus seinem Recht zu eigenen Erhebungen heraus von den Hinterbliebenen des Versicherten die erforderliche Einwilligung zu fordern. Doch sind dem VR auch hier enge Grenzen gesetzt. Der Gesetzgeber hat im Gesetz über die Feuerbestattung vom 15.5.1934 56 nach h.M. eine Grundwertung für alle eine Verfügung über den Leichnam betreffenden Fragen geschaffen. Diese gilt auch für die Möglichkeit einer Einwilligung zu einer Leichenöffnung oder -ausgrabung. Aus § 2 Gesetz über die Feuerbestattung folgt danach eine Rangfolge für die Befugnis zur Erteilung einer Einwilligung für eine Verfügung über den Leichnam. Vorrangig gilt eine vom verstorbenen Versicherten zu Lebzeiten getroffene Anordnung. Nur bei Fehlen einer solchen Anordnung können Angehörige eine Erlaubnis zur Leichenöffnung usw. erteilen.57 Hat der Versicherte ausdrücklich – z.B. durch eine letztwillige Verfügung – eine Leichenöffnung usw. untersagt, so kann – außer auf behördliche Anordnung – eine Leichenöffnung nicht stattfinden. Gleiches gilt, wenn der Versicherte ähnliche Maßnahmen, wie z.B. eine Organentnahme, untersagt hat, da hieraus der Wille zum Schutze seines Leichnams vor Zerschneidung deutlich wird. Entsprechendes gilt für die Exhumierung. Ist die Erteilung einer Einwilligung zur Leichenöffnung an den VR möglich, so muss 25 jedoch in besonderem Maße geprüft werden, ob dem Pflichtigen die Erteilung der Einwilligung billigerweise zugemutet werden kann, vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 in entsprechender Anwendung. Auch religiöse Anschauungen und Pietätsgefühle sind im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu beachten. Dabei sind diese Gesichtspunkte und die Interessen des VR gegeneinander abzuwägen. Im Normalfalle sind dabei religiöse Ansichten und Pietätsgefühle Hinterbliebener stärker zu bewerten. Nur dann, wenn eine Leichenöffnung notwendig ist, um z.B. die äußerlich nicht klar erkennbare und auch durch sonstige Nachforschungen nicht zu ermittelnde Todesursache feststellen zu können, und ferner eine konkrete Vermutung besteht, dass die Leichenöffnung einen Grund zur Leistungsfreiheit zeitigen werde, kann ein Anspruch auf Erteilung der Einwilligung zur Leichenöffnung gegeben sein. Doch darf die Versicherungssumme in einem solchen Falle nicht zu niedrig sein, da bei niedrigen Versicherungssummen das Verlangen einer Leichenöffnung – allein schon mit Blick auf die dabei entstehenden u.U. vom Anspruchsteller zu tragenden

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BGH 10.4.1991 VersR 1991 870, 871. Offengelassen von BGH 6.5.1992 VersR 1992 861, 862 zur Feststellung eines Selbstmordes. RGBl. I S. 380.

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Vgl. RG 5.4.1937 RGZ 154 269. Zur Exhumierung in Zusammenhang mit der Frage eines Selbstmordes vgl. im Einzelnen BGH 10.4.1991 VersR 1991 870, 871.

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Kosten – stets unzumutbar ist.58 Der Ansicht von Wagner 59, der die Beachtlichkeit von z.B. Pietätsgefühlen ablehnt, da diese als immaterielle Größen im Verhältnis zur messbaren Größe des Aufklärungsinteresses des VR (= Versicherungssumme) nicht abwägbar seien, kann nicht beigepflichtet werden. Wagner berücksichtigt die Beachtlichkeit von Pietätsgefühlen nur unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei einer Obliegenheitsverletzung, hier ist jedoch § 31 Abs. 1 Satz 2 – Billigkeit, Zumutbarkeit – auf die Frage einer Leichenöffnung bzw. Exhumierung anzuwenden. Ob ein derartiges Verlangen des VR billigerweise zumutbar ist, ist jedoch eine Frage, die sich auch auf immaterielle Gesichtspunkte wie Pietätsgefühle und religiöse Anschauungen beziehen kann. Die Prüfung eines Anspruchs des VR auf Leichenöffnung im Hinblick auf § 31 Abs. 1 Satz 2 ist aber eine Frage des Tatbestandes der betreffenden Obliegenheit, nicht eine Frage des Verschuldens. Kann der VR nur in seltenen Ausnahmefällen die Einwilligung zu einer Leichenöff26 nung verlangen, so gilt dies erst recht für eine Exhumierung.60 Abzulehnen ist die Ansicht, dass sich die Berechtigung, eine Leichenöffnung zu verlangen, im Falle einer Bestattung als Recht, eine Exhumierung zu verlangen, fortsetze. Vielmehr ist eine Exhumierung immer dann ausgeschlossen, wenn der VR eine Gelegenheit zur Vornahme einer Leichenöffnung vor der Bestattung schuldhaft versäumt hat.61 Bei einem vertraglichen Anspruch auf Leichenöffnung hat die Rspr. ein Recht, infolgedessen auch eine Ausgrabung zu verlangen, versagt.62 Eine Obduktion oder Exhumierung darf im Übrigen nur vorgenommen werden, wenn sie zu einem entscheidungserheblichen Beweisergebnis führen kann. Ist es von vornherein unwahrscheinlich, dass sich bei einer Exhumierung nach der relativ langen Zeit nach der Beerdigung noch feststellen lässt, ob der Verstorbene Selbstmord begangen hat, so kann dem Antrag nicht nachgegangen werden.63 Ist in einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem VR und dem VN dem Bezugsberechtigten die sanktionsbewehrte Obliegenheit aufgegeben worden, erforderlichenfalls einer Obduktion oder zusätzlich einer Exhumierung des zu Tode gekommenen Versicherten zuzustimmen, steht es nicht im Belieben des VR, aus der Verweigerung seine Leistungsfreiheit herzuleiten. Dies wäre nur möglich, wenn er auf die Obduktion oder Exhumierung angewiesen ist, wenn sie also das letzte noch fehlende Glied in dem vom VR zu führenden Beweis der vorsätzlichen Selbsttötung liefern soll.64

II. Krankhafte Störung der Geistestätigkeit (Abs. 1 Satz 2) 1. Tatbestand

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a) Grundlegung. Hat die Gefahrsperson die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen, so liegt keine vorsätzliche Selbsttötung vor, der VR ist nicht leistungsfrei. Begrifflich stimmt der Ausschluss der freien Willensbestimmung im Sinne der Lebensversicherung in seinen Elementen weitgehend und insoweit wörtlich mit der Geschäftsunfähigkeit i.S.d. § 104

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Bruck/Dörstling § 11 ALB a.F. Rn. 29. Bruck/Möller/Wagner 8, Bd. VI Anm. 44. Bruck/Dörstling § 11 ALB a.F. Rn. 29. Vgl. RG 10.3.1903 RGZ 54 119; Meyer-Classen JRPV 1929 58, 59; H.P. JRPV 1938 5. RG 19.1.1906 VA 1906 Anh. 12 Nr. 181;

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anders RG 10.3.1903 RGZ 54 117; RG 13.12.1910 VA 1911 Anh. 56 Nr. 599. BGH 10.4.1991 VersR 1991 870, 871; LG Köln 26.9.1989 VersR 1990 34, 35. BGH 6.5.1992 VersR 1992 861, 862.

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Selbsttötung

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Nr. 2 BGB überein. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass der Ausschluss der freien Willensbestimmung im Sinne der Lebensversicherung mit der Geschäftsunfähigkeit i.S.d. § 104 Nr. 2 BGB gleichzusetzen ist. Das folgt schon aus dem Wortlaut des § 161 Abs. 1, aus § 5 (2) Satz 1 GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke, wonach es anders als in § 104 Nr. 2 BGB nicht erforderlich ist, dass der krankhafte Zustand ein nicht nur vorübergehender Zustand ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es geistige Erkrankungen gibt, bei denen eine Selbstmordanfälligkeit besteht, obwohl die Kranken voll geschäftsfähig sind. Geschäftsunfähigkeit und Selbstmordanfälligkeit können zwar zusammentreffen, sie müssen es aber nicht. Die vorsätzliche Selbsttötung der Gefahrsperson ist ausschließlich nach § 161 Abs. 1 Satz 2 und den entsprechenden Bestimmungen der Bedingungswerke zu beurteilen und nicht aus der Sicht der Geschäftsunfähigkeit i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB. Die unfreiwillige Selbsttötung setzt keine Intelligenzerkrankung voraus, es kommt nicht darauf an, dass der Selbstmörder die Sinnlosigkeit seines Tuns erkennt. Allein „entscheidend ist, dass er nicht anders hat wollen können, als er gehandelt hat.“65 Soweit die einzelnen Tatbestandselemente in § 161 Abs. 1 Satz 2 und den entsprechenden Bestimmungen der Bedingungswerke einerseits und in der Vorschrift des § 104 Nr. 2 BGB andererseits identisch sind, kann im Rahmen der hier vertretenen Grenzziehung zwischen Geschäftsunfähigkeit und Selbstmordanfälligkeit auf die Kommentierungen und die Rspr. zu § 104 Nr. 2 BGB zurückgegriffen werden. b) Tatbestandselemente und Grenzfragen im Lichte der Rechtsprechung. Ein Zustand 28 krankhafter Störung der Geistestätigkeit liegt im Allgemeinen vor, wenn wegen einer psychischen Erkrankung, einer abnormen seelischen Veranlagung oder auch einer Schädigung der Gehirnzellen die Willensbildung und -bestimmung so erheblich gestört sind, dass mit einer normalen Motivation und Urteilsbildung nicht gerechnet werden kann. Die Bestimmbarkeit der Person durch vernünftige Erwägungen muss ausgeschlossen sein. Die freie Willensbestimmung ist dabei im Sinne der normalen Willensbestimmung aufzufassen, die frei von pathologischen Einflüssen aufgrund vernünftiger Erfassung des Umfeldes, der Außenwelt und aufgrund vernünftiger Überlegungen erfolgt. Eine freie Willensbestimmung liegt dann nicht vor, „wenn der Wille nicht vom Intellekt, sondern von außerhalb des Intellekts liegenden emotionellen Regungen bestimmt wird, die so stark sind, dass der Handelnde außerstande ist, vernünftigen Erwägungen zu folgen.“ Diese besonders klare Definition, die vom ÖOGH 66 aufgestellt wurde, ist von der deutschen Rechtsprechung aufgenommen worden.67 Als krankhafte Störung der Geistestätigkeit i.S.v. § 161 kommen sämtliche „Störungen der Verstandestätigkeit sowie des Willens, des Gefühls und des Trieblebens in Betracht.“68 Die Gefahrsperson „muss von unkontrollierbaren Trieben und Vorstellungen – ähnlich einer mechanischen Verknüpfung von Ursache und Wirkung – so sehr beherrscht sein, dass eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung von für und wider ausgeschlossen ist. Bloße Willensschwäche, Erschöpfungszustände oder bloße depressive Verstimmungen schließen die Möglichkeit der freien Willensbestimmung nicht aus, solange der von Motiven gelenkte Wille noch Einfluss auf die

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Wähle Anm. zu ÖOGH 13.2.1963 VersR 1964 762 ff. ÖOGH 13.2.1963 VersR 1964 762. Vgl. nur OLG Hamm 27.4.1977 VersR 1977 929 m.w.N.

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OLG Karlsruhe 20.2.2003 VersR 2003 977, 978.

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Entscheidung des Versicherten hat und ihn insoweit verständlich macht … Solange noch ein nachfühlbares Motiv, insbesondere ein sog. ‚Bilanzselbstmord‘ nicht auszuschließen ist, ist der erforderliche Nachweis nicht geführt.“69 Auch mit dem Hinweis auf eine Alkoholerkrankung, eine reaktive Depression oder häufige Selbsttötung im Familienverband ist nach LG Köln70 nicht hinreichend dargetan, dass sich der Versicherte im Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit getötet hat – ein wenig überzeugendes Urteil. Die Indiztatsachen, auf die der krankhafte Zustand gestützt wird, sind substantiiert vorzutragen.71 Der Tatrichter hat sich mit Einwendungen einer Partei gegen ein ärztliches Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen auseinanderzusetzen. Das gilt erst recht, wenn die Partei ihre Einwendungen auf ein ärztliches Privatgutachten stützt. Der Streit der Sachverständigen darf nicht dadurch entschieden werden, dass der Tatrichter ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen folgt. Dabei müssen auch weitere Aufklärungsmöglichkeiten genutzt werden, wenn sie sich anbieten und Erfolg versprechen. Dazu gehört auch – wenn die Partei ihre Einwände aus einem Privatgutachten herleitet – die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen nach § 411 Abs. 3 ZPO.72 Das Gericht kann allerdings auch die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens über das Vorliegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit ablehnen, wenn es die vorgetragenen Anknüpfungstatsachen als nicht ausreichend erachtet.73 Die freie Willensbestimmung ist insbes. ausgeschlossen, wenn die Gefahrsperson den 29 Selbstmord unter der Einwirkung einer langsam fortschreitenden endogenen – d.h. anlagebedingten – oder psychogenen Depression begangen hat.74 Das gleiche gilt für eine tiefgreifende, durch Umstände und Persönlichkeitscharakter hervorgerufene geistige Verwirrung.75 Eine schwere depressive Verstimmung, die auch in einem Nervenzusammenbruch zum Ausdruck gelangt, kann gleichfalls eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit darstellen, auch wenn der Versicherte seine berufliche Tätigkeit ordnungsgemäß fortgesetzt hat und eine krankhafte Veränderung seines Verhaltens weder von den Berufskollegen noch von den nächsten Angehörigen bemerkt wurde.76 Dasselbe gilt für eine starke Gemütsdepression, deretwegen der Versicherte in einer Heilanstalt behandelt wurde, und zwar auch für den Fall, dass der Versicherte 36 Stunden vor dem Selbstmord aus der Heilanstalt als gebessert entlassen wurde.77 Vgl. auch LG Braunschweig78 für den Fall, das jemand von einer „abnormen Verzweiflung gepackt und zur Tat gedrängt wurde.“ Auch bei einem Vollrausch fehlt die Fähigkeit der freien Willensbestimmung, der 30 Ansicht von Mallach 79, der für den Ausschluss der freien Willensbestimmung nur krankhafte Alkoholabhängigkeit genügen lassen will, kann nicht gefolgt werden, da der Selbst-

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OLG Nürnberg 25.3.1993 VersR 1994 295, 296. LG Köln 28.12.1988 – 240/97/88. OLG Düsseldorf 12.5.1975 VersR 1975 896, 897. BGH 13.10.1993 VersR 1994 162, 163 m.w.N.: Zurückverweisung; vgl. auch LG Bonn 12.11.2004 VersR 2005 965: Verneinung des Abs. 1 Satz 2. OLG Koblenz 5.3.1999 VersR 2001 445, 446. OLG Nürnberg 25.3.1993 VersR 1994 295,

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296; LG Ulm 26.11.1952 VersR 1953 21, 22; vgl. auch LG Mönchengladbach 14.6.1973 VersR 1974 795, 796; LG Wiesbaden 22.3.1984 VersR 1985 233, 234. Vgl. OLG Hamm 27.4.1977 VersR 1977 929, 930. LG Hamburg 27.10.1955 VerBAV 1956 240–242. LG Hechingen 19.7.1955 VerBAV 1955 343. LG Braunschweig 8.7.1960 VersR 1961 169. Mallach ZVersWiss 1980 373.

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mordausschluss damit unzulässig ausgeweitet würde. Wird bei der Leiche eine Blutalkoholkonzentration von 2,38 ‰ festgestellt, so kann ein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit zum Zeitpunkt der Tat allerdings nicht angenommen werden, da nach dem Tode der Alkohol im Blut nicht mehr abgebaut werden kann und erst von einer Blutalkoholkonzentration von 3,0 ‰ an aufwärts ein Vollrausch vorliegen kann.80 Es genügt, dass die Bewusstseinsstörung zur Zeit der Tat vorliegt,81 was sich aus 31 einem sinnlosen Verhalten kurz vor der Tat ergeben kann.82 Solange der von vernünftigen Erwägungen gelenkte Wille des Versicherten noch Ein- 32 fluss auf seine Entscheidungen hat, ist ein Ausschluss der freien Willensbestimmung noch nicht gegeben.83 Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung kann daher nicht schon angenommen werden, wenn lediglich eine emotionale Psychose gegeben ist, wie sie bei einem Selbstmord im Allgemeinen besteht.84 Ebenso bietet ein psychopathisches Persönlichkeitsbild, das sich aufgrund von Selbstmordversuchen, einer offensichtlichen sozialen Lebensschwäche, der Unfähigkeit zur Einordnung in ein Arbeitsverhältnis, der Ausnutzung der Arbeitskraft der Ehefrau und der Neigung zu kriminellem Verhalten ergibt, allein noch keine Grundlage, eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit anzunehmen.85 Ähnliches gilt für eine bloße Willensschwäche und depressive Zustände, solange der Versicherte von seinen unkontrollierbaren Trieben und Vorstellungen nicht so beherrscht wird, dass eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung des Für und Wider ausgeschlossen ist.86 Zu demselben Ergebnis gelangt das LG Köln87 für den Fall einer bloßen Willensschwäche – verbunden mit Apathie und depressiver Stimmungslage – und der daraus resultierenden leichten Beeinflussbarkeit. Das OLG München88 verneint den Ausschluss der freien Selbstbestimmung bei einem Versicherten, der lediglich leichte manisch-depressive Züge aufwies, der Versicherte sei lediglich ein eigenartiger Mensch und Sonderling gewesen, der in einer „ungeheuren Spannung“ lebte und mehrfach mit Selbstmord gedroht hatte. Das LG Hamburg 89 verneint den Ausschluss bei einem sensiblen Versicherten, der schweren familiären und beruflichen Belastungen ausgesetzt war, denen er sich nicht gewachsen fühlte, so dass sich bei ihm Erschöpfungszustände und depressive Veränderungen zeigten. Nicht ausreichend sind auch eine bloße Verstimmung bei lebenssituativen Belastungen90 oder bloße depressive Verstimmungen.91 Vgl. im Übrigen das LG Saarbrücken92 zu den Tatbeständen einer endogenen Psychose, einer exoge-

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OLG Hamburg 13.4.1984 VersR 1986 378, 379; ebenso OLG Köln 21.2.2001 VersR 2002 341, 342 für einen Blutalkoholwert von 2,2 ‰; vgl. auch LG Saarbrücken 7.11.1978 VersR 1979 1050 für eine Blutalkoholkonzentration von 1,18 ‰ und OLG Hamm 19.12.1984 VersR 1985 941 ff. zum Nachweis einer unfallursächlichen Bewusstseinstrübung durch Alkoholbeeinflussung bei einem tödlichen Verkehrsunfall im Ausland. Vgl. OLG Düsseldorf 30.12.1940 JRPV 1941 192; KG 4.5.1929 JRPV 1929 246; KG 6.7.1929 JRPV 1929 330. Vgl. OLG Hamm 27.4.1977 VersR 1977 929. Vgl. ÖOGH 13.2.1963 VersR 1964 761, 762; OLG Hamm 27.4.1977 VersR 1977 929; OLG Frankfurt 15.6.1962 VersR 1962 821;

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LG Wiesbaden 9.1.1963 VersR 1963 865; vgl. auch Schau ZfV 1961 120. OLG Karlsruhe 9.3.1977 VersR 1978 657. OLG Nürnberg 25.9.1968 VersR 1969 149, 150; vgl. auch AG Wetter 10.4.1957 VersR 1957 729. OLG Frankfurt 15.6.1962 VersR 1962 821, 822. LG Köln 4.4.1956 VersR 1956 653, 654. OLG München 16.6.1955 VersR 1955 610. LG Hamburg 9.7.1954 VerBAV 1955 139, 140. LG Wiesbaden 22.3.1984 VersR 1985 233 f. OLG Nürnberg 25.3.1993 VersR 1994 295, 296. LG Saarbrücken 9.11.1978 VersR 1979 1050.

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nen Psychose und einer Intoxikation durch Alkohol oder Psychopharmaka. Lag bei einem VN eine narzistische Persönlichkeitsstörung mit Impulskontrollverlusten vor, so lässt das noch nicht den Schluss zu, dass dieser sein von einem Zustand emotionaler Anspannung geprägtes Handeln nicht mehr von vernünftigen Erwägungen abhängig machen konnte. Störungen aus dem Spektrum der „kleinen Psychiatrie“-Diagnose können nur bei extrem schwerer, einer Psychose nahekommenden Ausprägung zu dem Ausschluss nach § 161 Abs. 1 Satz 2 führen.93 Ist kein ausreichender Beweggrund für den Selbstmord erkennbar, so lässt das nicht den Schluss zu, dass der Versicherte sich in einem Zustand geistiger Umnachtung selbst getötet hat. Bestand bei der Gefahrsperson eine latent vorhandene Selbstmordgefahr aufgrund seiner Lebenssituation (berufliche Probleme und Überforderung, Lebensangst, früherer Alkoholismus), zu deren Umsetzung in die Tat es nur eines relativ geringen Auslösers bedarf (Bilanzselbstmord), so ist dessen Entscheidung noch von einem Abwägen des „Für und Wider“ geprägt und damit die freie Willensbestimmung nicht ausgeschlossen.94 Da der Ausschluss der freien Willensbestimmung auf einen Zustand krankhafter Stö33 rung der Geistestätigkeit zurückzuführen sein muss, scheiden jene Fälle aus, in denen die Geistesgestörtheit nur für einen kurzen, schnell vorübergehenden Zeitraum gegeben ist. Eine Kurzschlusshandlung z.B. infolge finanzieller oder familiärer Schwierigkeiten bleibt außer Betracht.95 Eine übersteigerte Reaktion auf Eheprobleme, insbes. die zweifelhafte Untreue eines Ehepartners, vermag für sich allein noch nicht den Schluss auf den Ausschluss nach § 161 Abs. 1 Satz 2 zu rechtfertigen.96 Vgl. im Übrigen auch das LG Osnabrück 97 zu dem Fall eines Versicherten, der auf der Flucht bei einem Schusswechsel mit Polizeibeamten Selbstmord verübt hatte: Der Versicherte habe im Rahmen der in der damaligen Situation „auf ein äußerstes Minimum eingeschränkter Handlungsalternativen“ eine Entscheidung getroffen, die zwar nicht nach einer Abwägung aller Möglichkeiten zustande gekommen sein dürfte, die aber auch nicht „mit einer naturgesetzlichen Determinationskraft“ zustande gekommen sein kann, ein Ausschluss der freien Willensbestimmung komme daher nicht in Betracht. Vgl. im Übrigen auch das LG Saarbrücken98: Ein kurzfristiges äußerst intensives Schmerzerlebnis führte nicht zu einer auf gewisse Dauer angelegten Störung der Geistestätigkeit des Versicherten. Es ist nicht erforderlich, dass der die freie Willensbildung ausschließende Zustand der 34 Störung der Geistestätigkeit auf einer Krankheit im medizinischen Sinne beruht. § 161 Abs. 1 Satz 2 und die entsprechenden Bestimmungen der Bedingungswerke gehen vielmehr davon aus, dass eine Störung der Geistestätigkeit, die zu einem Zustand des Ausschlusses der freien Willensbestimmung geführt hat, regelmäßig als krankhaft anzusehen ist.99 Ein kurzfristiges, intensives Schmerzerlebnis braucht jedoch nicht eine krankhafte Störung zur Folge haben.100 Liegt ein Ausschluss der freien Willensbildung vor und ist es zu der Selbsttötung kurz 35 nach Vertragsschluss gekommen, so kann der Versicherungsvertrag angesichts der Vorschriften des § 104 Nr. BGB unwirksam sein.

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OLG Jena 3.3.1999 RuS 2002 169, 170; vgl. auch LG Köln 28.7.1993 RuS 1994 195, 196. KG Berlin 13.2.1998 VersR 2000 86, 87. LG Köln 22.6.1956 VersR 1956 569. OLG Karlsruhe 16.12.1993 VersR 1995 521, 522; OLG Köln 21.2.2001 VersR 2002 341, 342.

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LG Osnabrück 19.12.1979 VersR 1980 474. LG Saarbrücken 17.9.1982 VersR 1983 723. OLG Hamm 27.4.1977 930. Vgl. LG Saarbrücken 17.9.1982 VersR 1983 723.

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Selbsttötung

§ 161

2. Rechtsfolgen Die Leistungspflicht des VR kann nach §§ 161 Abs. 1 Satz 2, 171 für die Selbsttötung 36 in diesem Sinne nicht ausgeschlossen werden. So bestimmen auch § 5 (2) 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke der Lebensversicherung, dass die Leistungspflicht des VR bestehen bleibt, wenn die Selbsttötung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande erfolgt. Trifft der Tatbestand der vorsätzlichen Selbsttötung mit einem anderen Gefahren- 37 umstandsausschlusstatbestand zusammen, so gelten die allgemeinen Regeln (Prinzip der sog. Übermacht des Ausschlusses). 3. Beweislast Den Ausschluss der freien Willensbestimmung hat der Anspruchserhebende darzu- 38 legen und zu beweisen.101 Das ergibt sich im Übrigen auch aus der Formulierung der Bedingungswerke, wenn es dort heißt, dass der VR zur Leistung verpflichtet ist, „wenn nachgewiesen wird“, dass die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande begangen ist, vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Dabei kann auch hier nicht auf den Beweis des ersten Anscheins zurückgegriffen wer- 39 den. Der Anspruchserhebende muss substantiiert Indiztatsachen vortragen und unter Beweis stellen, die geeignet sind, für den Ausschluss der freien Willensbestimmung im Zeitpunkte der Selbsttötung zu sprechen.102 Ist jedoch der Ausschluss der freien Willensbildung bei dem Kranken ganz allgemein dargetan und bewiesen worden, so braucht der Nachweis, dass auch die Selbsttötung in einem solchen Zustande erfolgte, nicht mehr geführt zu werden. Wenn das LG Köln103 bei einen Vorliegen von Alkoholeinfluss in Verbindung mit einem kontraindizierten Antiepileptikum fordert, der Tatsachenstoff müsse notwendigerweise umfangreich sein und ein abschließendes Bild der gesamten geistigen Betätigung der versicherten Person ergeben, so erscheint das als zu weitgehend. Nach dem BGH werden die Anforderungen an die Substantiierungslast überspannt, wenn eine von vornherein umfassende und in sich stimmige Schilderung aller in Betracht kommenden Indiztatsachen verlangt wird.104 Hat der an einer schweren Depression leidende VN Selbstmord begangen und lässt sich nicht mehr aufklären, ob der Selbstmord sich als Symptom der Depression darstellt oder als Reaktion auf eine schwere eheliche Beziehungskrise erfolgt ist, so ist nach Auffassung des LG Hamburg105 nicht bewiesen, dass von

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BGH 13.10.1993 VersR 1994 162, 163; OLG Düsseldorf 12.5.1975 VersR 1975 896; OLG Hamm 26.9.1984 VersR 1985 752; OLG München 16.6.1955 VersR 1955 610; OLG Nürnberg 25.9.1968 VersR 1969 149; LG Bielefeld 9.10.1962 VersR 1963 153; LG Braunschweig 8.7.1960 VersR 1961 169; LG Flensburg 27.8.1963 VersR 1963 1213; LG Memmingen 27.5.1953 VersR 1953 364; LG Saarbrücken 7.11.1978 VersR 1979 1050; LG Wiesbaden 9.1.1963 VersR 1963 865. OLG Düsseldorf 12.5.1975 VersR 1975 896:

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Der allgemein gehaltene, summarische Bericht des Hausarztes, dass sich bei dem Versicherten plötzlich neuro-vegetative Dysregulationen mit Depressionen und geistiger Unzurechnungsfähigkeit eingestellt hätten und dass der Patient in einem Moment der geistigen Unzurechnungsfähigkeit Selbstmord begangen habe, reicht nicht aus. LG Köln 26.9.1989 VersR 1990 34, 35. BGH 5.2.1997 VersR 1997 687, 688: Zurückweisung. LG Hamburg 27.8.1996 RuS 1997 259, 260.

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§ 161

Kapitel 5: Lebensversicherung

einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit auszugehen ist. Das LG Köln106 hält den Hinweis auf Alkoholkonsum und die Mitführung von „Lexotamil“-Tabletten“ nicht für ausreichend. Der Beweis für den Ausschluss der freien Willensbildung ist in der Regel schwierig, da 40 die Selbsttötung nur selten in Zeugengegenwart begangen wird. Der volle Beweis, dass bei dem Versicherten im Zeitpunkte des Selbstmordes die freie Willensbestimmung ausgeschlossen war, wird sich nur selten bis in alle Einzelheiten erbringen lassen. Mit OLG München107 und dem OLG Karlsruhe108 kann die Ausnahmebestimmung des § 161 Abs. 1 Satz 2 nur dann einen Sinn haben, wenn an die Beweisführung keine zu strengen Anforderungen gestellt werden und der Beweis eines Tatsachenkomplexes für ausreichend erachtet wird, aus dem nach aller menschlicher und ärztlicher Erfahrung der Ausschluss der freien Willensbestimmung bei der Begehung des Selbstmordes gefolgert werden kann.109 Für den Ausschluss der freien Willensbestimmung muss eine hohe Wahrscheinlichkeit, ein „brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet“ sprechen, eine bloße Möglichkeit genügt nicht.110 Der Auffassung des LG Flensburg,111 das ohne Begründung an den Nachweis des Ausschlusses der freien Willensbestimmung strenge Anforderungen stellen will und fordert, dass höchste oder an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit für einen derartigen Zustand bestehen muss,112 kann nicht gefolgt werden. Andererseits kann auch der von medizinischer Seite zuweilen vertretenen Auffassung, dass ein Selbstmord an sich schon auf den Ausschluss der freien Willensbestimmung des Versicherten schließen lasse, nicht beigepflichtet werden.113 Sachgerecht wäre es jedoch, die Anforderungen an den Beweis des Ausschlusses der freien Willensbildung noch stärker abzusenken, so dass der VR möglichst in all jenen Fällen zur Leistung verpflichtet wäre, in denen entscheidende Indizien auf einen Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit hindeuten. Nicht jede seelische Erschütterung, Zermürbung oder emotionale Psychose, wie sie 41 dem Selbstmord fast stets vorausgeht, schließt die freie Willensbestimmung aus und ist daher auch nicht als Beweis für eine krankhafte Störung zu werten. Gegen einen Ausschluss der freien Willensbestimmung kann sprechen, dass die sonstigen kurz vor der Tat begangenen Handlungen des Versicherten offensichtlich auf der Grundlage vernünftiger Erwägungen ausgeführt worden sind (verständige Abschiedsbriefe, letztwillige Verfügungen). Andererseits spricht jedoch nicht gegen den Ausschluss der freien Willensbestimmung, dass dem Versicherten eine „formale Intelligenz“ erhalten geblieben ist, dass er vor dem Selbstmord seine berufliche Tätigkeit ordnungsgemäß fortsetzte und eine krankhafte Veränderung seines Verhaltens weder von seinen Berufskollegen noch von den nächsten Angehörigen bemerkt wurde114 und dass er in seinem Verhalten auch sonst keine Besonderheiten gezeigt hat.115 Gegen den Ausschluss der freien Willensbestimmung

106 107 108 109

110

LG Köln 21.4.1993 RuS 1995 355. OLG München 16.6.1955 VersR 1955 610, 611. OLG Karlsruhe 20.2.2003 VersR 2003 977, 978. Vgl. auch OLG Hamm 16.10.1933 VA 1934 11, 12 Nr. 2668; OLG Düsseldorf 30.12.1940 JRPV 1941 141 Nr. 112. OLG München 16.6.1955 VersR 1955 610, 611; OLG Karlstruhe 20.3.2003 VersR 2003 977, 978; vgl. auch KG

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111 112 113 114

115

6.7.1929 JRPV 1929 330; LG Köln 22.6.1956 VersR 1956 569. LG Flensburg 27.8.1963 VersR 1963 1213. So auch LG Saarbrücken 7.11.1978 VersR 1979 1050. Vgl. auch OLG Karlsruhe 9.3.1977 VersR 1978 657. Vgl. LG Hamburg 27.10.1955 VerBAV 1956 242; KG 4.5.1929 JRPV 1929 246; OLG Hamm 26.9.1984 VersR 1985 752. LG Köln 4.5.1956 VersR 1956 653.

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Selbsttötung

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spricht auch nicht, dass der Versicherte bei einer endogenen Depression seine Selbsttötung genau geplant und vorbereitet hat, denn die Fähigkeit zur Planung und zum logischen Denken ist bei einem endogendepressiven Kranken gerade nicht aufgehoben; seine Willensbestimmung wird dadurch ausgeschlossen, dass er von seinen depressiven Gedankengängen ganz durchdrungen ist und sich ihrer nicht mehr erwehren kann.116 Ob eine zielgerichtete Ausführung des Selbstmordes in anderen Fällen so verstanden werden kann, dass bei der Gefahrsperson der entscheidende Verlust der Wahlmöglichkeit zu verneinen ist, erscheint als höchst zweifelhaft. Der Beweis eines Ausschlusses der freien Willensbestimmung ist nicht dadurch ge- 42 führt, dass erkennbare, ausreichende Beweggründe für die Handlungsweise des Versicherten fehlen.117 Trägt der Anspruchserhebende im Zusammenhang mit dem Selbstmord des Versicher- 43 ten eine Reihe von Einzelumständen vor, die auf eine Selbsttötung im Zustande einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit hindeuten können (langjähriger Alkoholmissbrauch, Bedrohung von Familienangehörigen, nur scheinbar vernünftiges Vorgehen bei der Planung des Selbstmordes), so kann der Ausschluss der freien Willensbestimmung dabei nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilt werden.118 Da der Gutachter den Menschen, um dessen freie Willensbestimmung es geht, nicht mehr sehen und untersuchen kann, ist er dabei allein auf die Schlussfolgerungen angewiesen, die sich aus einer Summe von bewiesenen Tatsachen hinsichtlich des Verhaltens des durch Selbstmord geendeten Versicherten möglicherweise ziehen lassen.119 Bleibt es im Ungewissen, ob der Versicherte die Selbsttötung schon tagelang beabsich- 44 tigt hatte und sie dann so, wie sie geplant war, auch ausgeführt hatte, oder ob er von einer „abnormen Verzweiflung gepackt und zur Tat gedrängt wurde“, so ist das Krankheitsbild zu unbestimmt, um feststellen zu können, ob der Selbstmord in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande begangen wurde.120 4. Sonderfall: Selbsttötung unter dem Druck schwerer körperlicher Leiden In den Versicherungsbedingungen kann der Selbsttötung im Zustande krankhafter 45 Störung der Geistestätigkeit die Selbsttötung „unter dem Drucke schwerer körperlicher Leiden“ gleichgestellt werden,121 in den GDV-Musterbedingungen ist eine solche Gleichstellung jedoch nicht enthalten. Bei der Voraussetzung des schweren körperlichen Leidens handelt es sich um eine 46 „physische Anomalie …, die entweder ohnehin zum Tode oder zu langem Siechtum oder zu einer Arbeitsunfähigkeit oder die Lebensfreude sehr beträchtlich einschränkenden Invalidität geführt haben würde; noch so intensive Schmerzen erfüllen den Tatbestand nicht, wenn sie nicht auf eine Krankheit zurückgehen, die diese Folgen gehabt hätte.“122

116 117

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LG Mönchengladbach 14.6.1973 VersR 1974 795. KG 6.7.1929 JRPV 1929 330; OLG München 16.6.1955 VersR 1955 611; LG Braunschweig 8.7.1960 VersR 1961 169; LG Flensburg 27.8.1963 VersR 1963 1213; LG Wiesbaden 9.1.1963 VersR 1963 865. OLG Hamm 26.9.1984 VersR 1985 762. OLG Nürnberg 25.9.1968 VersR 1969 150.

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LG Braunschweig 8.7.1960 VersR 1961 169. BGH 1.7.1970 VersR 1970 947, 948; OLG Celle 20.6.1955 VersR 1957 772; LG Hannover 12.4.1956 VersR 1957 772; LG Köln 4.4.1956 VersR 1956, 653; LG Memmingen 27.5.1953 VersR 1953 364; LG Memmingen 14.4.1958 VersR 1958 557. LG Memmingen 16.4.1958 VersR 1958 557.

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Der VR ist dabei nur zur Leistung verpflichtet, wenn die Selbsttötung „unter dem Drucke“ eines solchen Leidens begangen worden ist, es muss also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Leiden und der Selbsttötung gegeben sein.123 Der ursächliche Zusammenhang ist dabei nicht dadurch ausgeschlossen, dass neben dem schweren körperlichen Leiden auch andere Umstände zum Selbstmord beigetragen haben.124 Das Leiden der Gefahrsperson „braucht nur einen entscheidenden Anstoß, einen wesentlichen Impuls“ zur Selbsttötung gegeben zu haben.125 Auch für eine Selbsttötung unter dem Drucke schwerer körperlicher Leiden liegt die 48 Darlegungs- und Beweislast insoweit beim Ansprucherhebenden.

III. Karenzzeit 1. Sinn und Zweck der Regelung

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Scheidet der Versicherte aus dem Leben, ohne dass die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit erfolgt, so ist der VR nach § 161 Abs. 1 Satz 1 und den Bedingungswerken von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Selbstmord innerhalb der sog. Karenzzeit oder Wartezeit von drei Jahren stattfindet. Innerhalb der Karenzzeit besteht also kein Versicherungsschutz für das Selbstmordrisiko, der VR bleibt lediglich zur Auskehrung einer etwaigen Rückvergütung verpflichtet. Sinn und Zweck der Karenzzeit ist es, während der ersten Zeit nach dem Abschluss 50 des Vertrages das subjektive Risiko beim Versicherten zu begrenzen.126 Die Praxis und die zum Selbstmord und zur Selbsttötung ergangenen gerichtlichen Entscheidungen lassen erkennen, dass es immer wieder vorkommt, dass Personen – insbes. um in einer hoffnungslosen finanziellen Lage einen Ausweg zu finden – einen Lebensversicherungsvertrag mit dem Ziel abschließen, mit Hilfe eines Selbstmordes die finanzielle Situation der Hinterbliebenen zu verbessern.127 Es findet eine Selbstauslese durch Selbstmordkandidaten statt,128 dem VR wird ein erhöhtes Risiko aufgebürdet. Er hat damit ein berechtigtes Interesse daran, diese Gefahr der Selbstauslese auszuschließen. Dabei hat jedoch die Erfahrung gezeigt, dass es eines zeitlich unbegrenzten Ausschlusses der Selbstmordfälle, wie das früher von § 169 a.F. vorgesehen war, nicht bedarf. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein Versicherter an dem bei Vertragsabschluss bestehenden Plan, Selbstmord zu begehen, auch nach Ablauf von einigen Jahren noch festhält. Nach Ablauf dieser Zeitspanne ist vielmehr von der Vermutung auszugehen, dass die Versicherung nicht mit Selbstmordvorsatz abgeschlossen wurde.129 Die Dauer dieser Karenzzeit wurde in den Bedingungswerken dabei mehrfach geändert.130 In aller Regel gelangt auch in den Bedingungswerken die Dreijahresfrist zur Anwendung.131

123 124 125 126 127

BGH 1.7.1970 VersR 1970 948. OLG Celle 20.6.1955 VersR 1957 772; BGH 1.7.1970 VersR 1970 948. BGH 1.7.1970 VersR 1970 948. Im Einzelnen Bender 1 ff., 42 ff. Ausführlich BGH 8.5.1954 BGHZ 13 237, 238.

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128 129 130 131

Dörstling VersR 1953 99. Bender S. 60; OLG Düsseldorf 23.4.1963 VersR 1963 1042. Vgl. nur VA 1921 Anh. 15; VA 1931 99. Vgl. zu allem Bender 59, 60.

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Selbsttötung

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2. Beginn der Karenzzeit a) Grundsatz: Abschluss des Versicherungsvertrages. Die Karenzzeit beginnt mit Ab- 51 schluss des Versicherungsvertrages, also mit Zugang der Annahmeerklärung des VR beim VN. Soweit in den Bedingungswerken – wie es vor 2008 üblich war – auf das Einlösungsprinzip abgestellt wird, kann das zu einer für den VN nachteiligen Fristverlängerung führen, die angesichts des § 171 Satz 1 unzulässig ist: Die Klausel ist unwirksam. Nur im Wege der Einzelvereinbarung nach § 161 Abs. 2 kann dem Lebensversicherungsvertrag das Einlösungsprinzip als Beginn der Karenzzeit zugrunde gelegt werden. Wird die Zahlung des Einlösungsbeitrages als Beginn der Karenzzeit individuell ver- 52 einbart, so beginnt die Ausschlussfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem nach dem Einlösungsprinzip nach § 37 Abs. 2 Satz 1 auch der materielle Versicherungsschutz seinen Anfang nimmt. Dabei beginnt die Wartefrist auch dann mit Zahlung der ersten Prämie zu laufen, wenn der Lebensversicherungsvertrag erst später zustande kommt.132 Denn wird in der Vereinbarung allein auf die Zahlung des Einlösungsbeitrages abgestellt, so ergibt sich daraus nicht, dass für den Beginn der Wartefrist noch andere Voraussetzungen gegeben sein müssen, insbes. auch nicht der Abschluss des Versicherungsvertrages und der Beginn des materiellen Versicherungsschutzes. Die Zahlung der Erstprämie dürfte zwar in der Regel in zeitlicher Nähe zu dem Abschluss des Vertrages und zum Beginn des materiellen Versicherungsschutzes erfolgen. Der materielle Versicherungsschutz – und der formelle Versicherungsbeginn – können jedoch früher gegeben sein als die Karenzzeit, wenn die Vertragsparteien das vereinbart haben. Zum Beginn des materiellen Versicherungsschutzes und zum formellen Vertragsschluss kann es jedoch auch erst nach Zahlung der Erstprämie kommen: Auch in diesem Fall ist nach der eindeutigen Fassung einer solchen Vereinbarung nicht der Vertragsschluss oder der Beginn des materiellen Versicherungsschutzes für den Beginn der Karenzfrist entscheidend, sondern allein die Zahlung der Einlösungsprämie.133 b) Keine Verkürzung der Karenzzeit durch Rückdatierung des Versicherungsvertra- 53 ges. Die in der Lebensversicherung häufiger vorkommende Rückdatierung führt gleichfalls nicht zu einer faktischen Verkürzung der Wartezeit.134 Eine Rückdatierung bedeutet nicht die Vorverlegung des materiellen Versicherungsbeginns, sondern allein die Vorverlegung des technischen Versicherungsbeginns. Schon deshalb kann eine Rückdatierung nicht zur Verkürzung der Selbstmordwartezeit führen, denn der Abschlusszeitpunkt und Beginn des materiellen Versicherungsschutzes bleiben unverändert. Einer Verkürzung der Karenzzeit durch eine Rückdatierung stehen schon der Wortlaut des § 161 Abs. 1 Satz 1 und die entsprechenden Bestimmungen der Bedingungswerke entgegen, wo für den Beginn der Karenzzeit ausdrücklich auf den Vertragsabschluss oder den Zahlungszeitpunkt des Einlösungsbeitrages abgestellt wird.135 Insbesondere aber würde die Verkürzung der Wartezeit durch eine Rückdatierung auch nicht Sinn und Zweck der Selbsttötungsbestimmungen entsprechen. Denn die Karenzzeit bezweckt ja gerade den Schutz des VR vor Leistungsverpflichtungen, die aufgrund eines Selbstmordes der Gefahrsperson entstehen könnten. 132 133 134

OLG Saarbrücken 2.9.1998 VersR 1999 85, 86. OLG Saarbrücken 2.9.1998 VersR 1999 85, 86. OLG Düsseldorf 23.4.1963 VersR 1963 1041, 1042; OLG Hamburg 6.10.1920 VA

135

1921 Anh. 14–15; OLG Hamm 28.2.1936 HansRGZ 1936 A Sp. 462, 463; OLG Hamm 28.4.1978 VersR 1978 1063; Bender 61 f. Bender 61.

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c) Verkürzung der Wartezeit durch Bedingungswerke bzw. individuelle Vertragsabrede. Die Abkürzung der Karenzfrist oder ein gänzlicher Verzicht auf die Ausschlussfrist in den Bedingungswerken oder durch individuelle Vereinbarung ist ohne weiteres möglich; § 171 Satz 1 verbietet keine Abweichungen zugunsten des VN. Selbstverständlich steht es den Vertragsparteien auch frei, die dreijährige Karenzzeit der Bedingungswerke dadurch zu verkürzen, dass sie für den Beginn des Ablaufs der Karenzfrist ein zurückliegendes Datum vereinbaren. Eine derartige individuelle Vereinbarung ist jedoch nicht in einer bloßen Rückdatierung zu sehen: Dass die Parteien mit einer Rückdatierung auch die Schutzfrist der Selbstmordklausel verkürzen wollen, lässt sich aus der bloßen Rückdatierung nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen.136

55

d) Verlängerung der Wartezeit über den Zeitraum von drei Jahren hinaus. Im Wege der individuellen Vereinbarung – und nicht durch eine Regelung in den Bedingungswerken – ist die Erhöhung der Karenzfrist auf über drei Jahre zulässig, § 161 Abs. 2. Das soll insbes. in Fällen mit sehr hohen Versicherungssummen – wenn also ein besonderer Anreiz zum Selbstmord gegeben sein könnte möglich sein.137 3. Karenzzeit bei der Wiederherstellung des Vertrages

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Nach § 5 (3) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke besteht die Karenzzeit nicht nur beim Neuabschluss eines Lebensversicherungsvertrages, sondern auch bei seiner Wiederherstellung. Das gilt jedoch nicht für jede Form der Wiederherstellung: So beginnt die Selbstmordwartefrist bei der Wiederinkraftsetzung bzw. Reaktivierung nach § 38 Abs. 3 nicht erneut wieder anzulaufen. Die erneute Selbstmordwartefrist findet sich nur in den Fällen, in denen eine Versicherung erloschen und die erloschene Versicherung wiederhergestellt werden soll. Ein solcher Fall der Wiederherstellung ist insbes. gegeben, wenn eine Lebensversicherung nicht gänzlich erloschen, sondern wegen Nichtzahlung der Prämie gekündigt, die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt worden und die Sechsmonatsfrist ungenutzt verstrichen ist. Die mit der Umwandlung eintretende Umgestaltung des Versicherungsverhältnisses besteht darin, dass sich die Leistungspflicht des VR auf die prämienfreie Versicherungssumme ermäßigt. Soll die Versicherung wieder auf die alte Versicherungssumme erhöht werden, so bedeutet das, dass der erloschene Teil der Versicherung wiederhergestellt wird. Damit ist eine Situation gegeben, die dem Neuabschluss oder der gänzlichen Wiederherstellung vergleichbar ist. Der VR muss sich auch in diesem Falle vor der Gefahr schützen, dass die Wiederherstellung von dem Versicherten in der Absicht beantragt wird, demnächst Selbstmord zu begehen und damit seinen Hinterbliebenen die volle Versicherungssumme zukommen zu lassen. Dass die alte Versicherung noch zu einem mehr oder weniger geringen Teil – nämlich in Höhe der prämienfreien Versicherungssumme – noch in Kraft war, bedeutet nur, dass sich die Selbstmordwartefrist nicht auf den weiter bestehenden, sondern allein auf den wiederhergestellten Teil der Versicherung bezieht. Soweit der VR bei der Wiederherstellung der Versicherung erneut Versicherungsschutz übernimmt, besteht damit eine Karenzfrist, § 5 (3) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung

136 137

Vgl. OLG Hamm 28.4.1978 VersR 1978 1064. Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 99.

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und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Die Bedingungsregelung entspricht der höchstrichterlichen Rspr.138 Begeht der Versicherte innerhalb dieser Frist Selbstmord, so hat der VR die beitragsfreie Summe voll zu zahlen, hinsichtlich der Differenz zwischen der wieder erhöhten vollen Versicherungssumme und der prämienfreien Summe ist der VR nicht zur Leistung der Rückvergütung einschließlich Überschussbeteiligung verpflichtet. 4. Karenzzeit bei einer sonstigen Änderung des Vertrages Auch wenn es sich nicht um die Wiederherstellung des Versicherungsvertrages, son- 57 dern um eine sonstige Vertragsänderung handelt, durch die sich die Leistungspflicht des VR erhöht, beginnt eine neue Wartezeit zu laufen, § 5 (3) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen für die übrigen Bedingungswerke. Auch hier entspricht die Bedingungsregelung der obergerichtlichen Rspr.139 Denn wird eine wesentliche Vertragsänderung – wie die Erhöhung der Versicherungssumme oder die Verlängerung der Laufzeit – vorgenommen, so hat der VR ein erkennbares und anerkennenswertes Interesse an der Prüfung der nunmehr bestehenden Gefahrenlage. Schon dadurch, dass die Vertragsänderung in einem (verglichen mit dem Erstabschluss) fortgeschrittenen Alter erfolgt und so der Vertragszeitraum gegenüber dem ursprünglichen Vertrag u.U. verlängert wird, kann eine Neukalkulation der Beiträge erforderlich werden. Auch hinsichtlich des Risikos einer vorsätzlichen Selbsttötung kann nicht ausgeschlossen werden, dass der VN damit rechnet, dass sich in den nächsten Jahren seine finanzielle Lage in einer Weise verschlechtern wird, dass ihm ein Selbstmord mit dem Ziel der Versorgung der Angehörigen aus dem Vertrag als unabweisbar erscheint.140 Allerdings muss es sich um eine wesentliche Vertragsänderung handeln: Wird der Vertrag lediglich durch Einbeziehung einer weiteren Person umgestellt und die Versicherungssumme und Laufzeit nicht erhöht, entsteht keine erneute Selbstmordwartefrist.141 Soweit die ursprüngliche Leistungsverpflichtung des VR in dem geänderten Vertrag weiter enthalten ist, kommt es nicht zu einer erneuten Selbstmordwartezeit.

IV. Leistungsfreiheit/Rückvergütung (Abs. 3) Zu den Rechtsfolgen in Zusammenhang mit der vorsätzlichen Selbsttötung vgl. schon 58 oben Rn. 37 f. Soweit der VR leistungsfrei ist, hat er gemäß Abs. 3 den bereits entstandenen Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 auszuzahlen. Zur Bemessung des Rückkaufswerts wird auf die Erörterungen zu § 169 verwiesen.

138

139

BGH 8.5.1954 BGHZ 13 227–241; a.M. zuvor OLG Schleswig 30.10.1952 VersR 1953 19, 20. OLG Hamm 28.4.1978 VersR 1978 1063, 1064 für einen Fall, in dem die Versicherungssumme um das Vierzehnfache erhöht wurde; OLG Saarbrücken 30.5.2007 VersR

140 141

2008 57, 58 f.: Verdoppelung der Laufzeit einer Risikolebensversicherung, Änderung des Bezugsberechtigten. Vgl. OLG Saarbrücken 30.5.2007 VersR 2008 57, 60. OLG Düsseldorf 23.4.1963 VersR 1963 1041.

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C. Abdingbarkeit 59

Die Bestimmung des § 161 ist nach § 171 halbzwingend, zum Nachteil des VN darf von der Regelung daher nicht abgewichen werden. Ein vertraglicher Risikoausschluss in Zusammenhang mit Geisteskrankheiten wäre unwirksam, soweit Abs. 1 Satz 2 zur Anwendung gelangen würde.

D. Anhang: Anzeige- und Nachweispflichten nach dem Tode des Versicherten und Duldung eigener Erhebungen des Versicherers Vorbemerkung

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Wird eine Geldleistung aus dem Lebensversicherungsvertrage verlangt, so sind als Obliegenheiten die Nachweise zu erbringen, die für die Pflicht des VR zur Erbringung der geltend gemachten Leistung erforderlich sind. Zu unterscheiden sind dabei mehrere Fallgruppen: Generell zu erbringende Nachweise (Rn. 61–82), Nachweise beim Tode des Versicherten (Rn. 83–121), weitere Nachweise auf Verlangen des VR (Rn. 122–139) und Duldung eigener Erhebungen des VR (Rn. 140–152).142

142

Bach Zu den Folgen unrichtiger Angaben im Prozeß nach endgültiger Deckungsablehnung durch den Versicherer, VersR 1992 302; Cremer Die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten und Pflichten (1935); Eberle Die Auskunftspflichten des Versicherungsnehmers (1913); Eule Die Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalles, Diss. Jena (1912); Fernbach Die Anzeige des Versicherungsnehmers vom Eintritt des Versicherungsfalles, Diss. Erlangen (1914); Fricke Die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten, VersR 2009 297; Gottschalk Arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer bei der Schadensermittlung, HansRZ 1925 Sp. 577–592; Heerbach Die Haftung des Versicherungsnehmers für fremdes Verschulden bei Verletzung der Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalles, Diss. Jena (1930); Heukeshoven Die Haftung des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter, Diss. Köln (1938); Hillebrecht Die Verletzung der Anzeigepflicht, Diss. Gießen (1910); Hylla Die Anzeigepflicht bei Binnenversicherungen, Diss. Erlangen (1901); Kalka Die Nebenpflichten im Lebensversicherungsvertrage, Diss. Freiburg/Brsg. (1964); Knappmann Versicherungsschutz bei arglistiger Täuschung durch unglaubwürdigen Versiche-

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rungsnehmer, NVersZ 2000 68; Lederle Die Lebensversicherung (1913); Lücke Zu der Frage, ob eine im Verlauf eines Prozesses versuchte arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann VersR 1992 182; Neuhaus/Kloth Gesundheitsdaten(schutz) im Versicherungsrecht – Der aktuelle Stand, NJW 2009 1707; Niewerth/ Vespermann Beweislastverteilung bei der Verletzung von Anzeigeobliegenheiten, VersR 1995 1290; Prölss Zu Aufklärungsobliegenheiten, die eine vom Versicherer zu beweisende Kenntnis des Versicherungsnehmers voraussetzen, VersR 2008 674; Petri Datenschutzrechtliche Einwilligung im Massengeschäftsverkehr, RDV 2007 153; Präve Das Gendiagnostikgesetz aus versicherungsrechtlicher Sicht, VersR 2009 857; Ripke Wann führt die Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten zur Leistungsfreiheit des Versicherers?, VersR 2006 774; Rühl Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, Diss. Hamburg (2003); Süßmann Der Lebensversicherungsvertrag im deutschen und im schweizerischen Privatversicherungsrecht, Diss. Erlangen (1919); Sackhoff Die Anzeige-, Auskunfts- und Belegpflicht des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Versicherungsfalles (1994); Schimikowski Über-

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I. Grundsätzlich zu erbringende Nachweise bei der Geltendmachung einer Leistung des Versicherers – z.B. § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung § 11 (1) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung, § 11 61 (1) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung, § 11 (1) GDV-Musterbedingungen Risikoversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke befassen sich mit den Nachweisen, die dem VR eingereicht werden müssen, wenn eine Geldleistung begehrt wird, gleich aus welchem Anlass. Einzureichen sind: (1) der Versicherungsschein, (2) gegebenenfalls ein amtliches Zeugnis über den Tag der Geburt des Versicherten. Die darüber hinaus erforderlichen Nachweise differieren bei den einzelnen Versicherungsformen. 1. Rechtsnatur der Nachweispflicht Die von § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und 62 den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke aufgestellte Nachweispflicht bei Verlangen einer Leistung des VR ist eine vertraglich vereinbarte Obliegenheit mit dem rechtlichen Gehalt einer Nebenpflicht.143 Diese Pflicht kann im Versicherungsfalle, vor dem Versicherungsfalle (z.B. bei Rückkauf) oder außerhalb des Versicherungsfalles (z.B. bei Ablauf der Versicherung ohne Eintritt des Versicherungsfalles) zu erfüllen sein. Nur im Versicherungsfalle entspricht dieser vertraglichen Pflicht auch eine gesetzlich in den §§ 30, 31 geregelte Pflicht, die dann durch die Bedingungswerke der Lebensversicherung näher ausgeformt wird. Für den VR ist es regelmäßig nicht von Belang, wer die einzureichenden Nachweise 63 beibringt. Lässt ein Dritter dem VR die Nachweise zukommen, so hat der Nachweispflichtige seine Verpflichtung damit möglicherweise formal noch nicht erfüllt. Eine Verweigerung der verlangten Geldleistung nur aus diesem Grunde wäre aber angesichts der Befriedigung des Nachweisinteresses des VR rechtsmissbräuchlich und daher eine nach § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung. Folgt man der Obliegenheitslehre, so ist es ohnehin nicht von Belang, wer die notwendigen Nachweise dem VR zukommen lässt. 2. Voraussetzungen der Nachweispflicht Die Nachweise – Versicherungsschein und gegebenenfalls ein amtliches Zeugnis über 64 den Tag der Geburt des Versicherten (§ 11 (1) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung) – müssen nur dann eingereicht werden, wenn eine Leistung des VR verlangt wird. Leistung in diesem Sinne ist aber nicht umfassend im Sinne von Gefahrtragung zu verstehen, vielmehr sind nur reine Geldleistungen gemeint, auch solche, die nicht im Rahmen der akuten Gefahrtragung fällig werden. Zu nennen sind hier: Zahlung der Versicherungssumme, der Rückvergütung144, ein Darlehn oder eine Vorauszahlung,

legungen zu einer Reform des Versicherungsvertragsgesetzes, RuS 2000 353; Schleifenbaum Datenschutz und Tatenschutz in der Versicherungswirtschaft (2009); Schmitt Die Rechtsnatur der Obliegenheiten im Privatversicherungsrecht, Diss. Würzburg (1939); Weichelt Die Krux mit der ärztlichen

143

144

Schweigepflichtentbindung für Versicherungen, NJW 2004 1695. Vgl. im Einzelnen Bruck/Möller/Winter 8 Anm. F 1–F 5, auch mit dogmatischer Begründung. LG Köln 30.6.1976 RuS 1977 45.

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die Rückvergütung bei Selbstmord des Versicherten, Rückerstattung gezahlter Beiträge, wenn vereinbart ist, dass der VR zur Risikotragung erst nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne verpflichtet ist und die gezahlten Beiträge rückerstattet werden, wenn der Versicherte vor Beginn der Risikotragung verstirbt; ferner Sicherheitszuschläge, wenn diese mit der Versicherungssumme zurückgezahlt werden sollen, falls der Versicherte den Erlebenstag bei einer gemischten Versicherung erlebt (es handelt sich bei dieser „Rückzahlung“ um eine „Erlebensfallkapitalzusatzversicherung“), ferner Kapitalabfindungen in der Rentenversicherung, Rückerstattungen, wenn der Versicherte infolge Verwirklichung einer vertraglich ausgeschlossenen sonstigen Gefahr verstorben ist usw. Keine Leistung i.S.d. § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversi65 cherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke ist insbes. die latente Gefahrtragung sowie alle übrigen sonstigen Leistungen des VR, wie Ausfertigung des Versicherungsscheins, Erteilung von Kopien mit Bezug auf im Vertrag abgegebene Erklärungen, Ausstellung und Aushändigung von Ersatzurkunden. Das letztere folgt aus dem Sinnzusammenhange der Regelung in § 11 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke sowie aus dem Sinn und Zweck weiterer Nachweise, deren Verlangen sinnlos wäre, wenn auch andere als Geldleistungen von diesen bedingungsmäßigen Bestimmungen erfasst werden sollten. Keine Leistung im Sinne dieser Bestimmungen ist ferner die Beitragsfreistellung einer noch beitragspflichtigen Versicherung, da ein solcher Vorgang nur eine Umgestaltung des Versicherungsverhältnisses betrifft, und zwar mit dem Inhalt, dass der VR nur noch in dem Umfange zur Gefahrtragung verpflichtet bleibt, den die im vorhandenen Deckungskapital verzinslich angesammelten, noch nicht durch Gefahrtragung aufgezehrten Beiträge (als Einmalbeitrag) ermöglichen können. 3. Person des Nachweispflichtigen

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Die Pflicht zur Einreichung der entsprechenden Nachweise obliegt demjenigen, der eine Leistung vom VR verlangt. Dass diese Pflicht den VN und seine Erben trifft, folgt ohne weiteres aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Aber auch Dritte, die eine Leistung vom VR begehren, trifft diese Obliegenheit. Man könnte daher leicht auf den Gedanken verfallen, in § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke eine unzulässige vertragliche Vereinbarung zu Lasten Dritter für den Fall zu sehen, dass ein Dritter leistungsberechtigt ist. Eine solche Sichtweise ist jedoch unrichtig: Die Nachweispflichten sind als Obliegenheiten an das Verlangen einer Leistung des VR angebunden, also an die Forderung und ihre Erhebung im weiteren Sinne gebunden. Mit der Erhebung des Anspruchs gegen den VR unterwirft sich damit der Dritte den Vertragsbestimmungen und erkennt die hierin niedergelegten Obliegenheiten auch als für ihn verbindlich an, er nimmt sie aus freiem Willensentschluss auf sich. Er ist dann also aus dem Versicherungsvertrage zur Erbringung der geschuldeten Nachweise verpflichtet.145 Eine isolierte Ablehnung dieser Pflichten durch den Dritten wäre ein widersprüchliches Verhalten, da der Dritte die Vorteile aus dem Versicherungsvertrage zwar beanspruchen würde, die der Natur der Sache nach und vertraglich damit verbundenen Nachteile (Pflichten und Obliegenheiten) aber nicht mitübernehmen wollte. Als venire contra factum proprium wäre ein solches Verhalten nach § 242 BGB unzulässig. Will der Dritte die an die Versicherungsforderung ge-

145

Kalka 167.

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bundenen Obliegenheiten nicht auf sich nehmen, so steht es ihm frei, auf die Geltendmachung des Anspruchs gegen den VR zu verzichten. Gerade diese Möglichkeit erweist, dass die Nachweispflichten keine den Dritten gegen seinen Willen bindenden Vertragspflichten, sondern freiwillig eingegangene eigene Pflichten in dem Augenblicke sind, zu dem der berechtigte Dritte seinen Anspruch gegen den VR geltend macht. So bezieht sich bei einem Bezugsberechtigten die Rechtsverschaffung folgerichtig auch auf die an das zugewendete Recht angebundenen Nebenpflichten bzw. Obliegenheiten. Darüber hinaus folgen die auch einen Dritten verpflichtenden Nachweispflichten teilweise auch aus dem Gesetz, z.B. aus §§ 371 und 808 BGB für den Versicherungsschein. Diese Pflichten können letzterenfalls also die Frage nach einem möglicherweise vorhandenen unzulässigen Vertrage zu Lasten Dritter nicht bedeutsam werden lassen. Folgt man der Obliegenheitslehre, so ist ohnehin eine Obliegenheitsbelastung Dritter möglich. Dies folgt daraus, dass nach dieser Lehre Obliegenheiten Risikobegrenzungen im weitesten Sinne darstellen, und daraus, dass sich die Stellung des VR durch Einschaltung von Drittpersonen in der VNSphäre nicht verschlechtern darf – also muss auch ein Dritter mit Obliegenheiten belastet werden können. 4. Gegenstände der Nachweispflicht Die Nachweispflicht aus § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebens- 67 versicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke bezieht sich auf den Versicherungsschein und nach § 11 (1) Musterbedingungen Rentenversicherung in ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung auch auf ein amtliches Zeugnis über den Tag der Geburt des Versicherten. a) Versicherungsschein aa) Aushändigungspflicht. Neben der vertraglichen Pflicht zur Vorlage des Versiche- 68 rungsscheins aus § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw. besteht auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Aushändigung des Versicherungsscheins bei Verlangen einer Leistung aus §§ 371, 808 Abs. 2 BGB sowie § 4 Abs. 1. Da § 12 Abs. 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und 69 die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke den VR befugt, an den Inhaber des Versicherungsscheines mit befreiender Wirkung seine Leistung zu erbringen (Inhaberklausel), ist der Versicherungsschein fernerhin ein qualifiziertes Ausweislegitimationspapier i.S.d. §§ 808 BGB, 4.146 Nach § 808 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 4 Abs. 1 ist der VR nur zur Leistung gegen Aushändigung des Versicherungsscheines verpflichtet. Auch die Rückvergütung ist gegen Vorlage des Versicherungsscheins zu leisten.147 Dem Versicherungsschein steht eine bei Verlust ausgestellte Ersatzurkunde oder ein Hinterlegungsschein gleich. Bis zur Vorlage und Aushändigung des Versicherungsscheines, der Ersatzurkunde oder des Hinterlegungsscheines kann der VR mithin seine Zahlung verweigern, ihm steht eine rechtsaufschiebende Einrede aus § 4 Abs. 1, § 808 Abs. 2 Satz 1 BGB jeweils i.V.m. § 12 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung

146

BGH 7.10.1965 VersR 1965 1143; BGH 22.3.2000 VersR 2000 709; BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061, 1062; OLG Bremen 19.2.2008 VersR 2008 1056; OLG Hamm 24.2.1995 VersR 1996 615; KG 23.3.2007

147

RuS 2008 253; OLG Koblenz 4.1.2002 NVersZ 2002 212; OLG Köln 29.3.1990 VersR 1990 1338; vgl. im Übrigen Bruck/ Möller/Knops § 4 Rn. 2, 3. BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061, 1062.

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und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke sowie aus § 273 Abs. 1 BGB i.V.m. § 371 BGB oder § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw. zu.

70

bb) Rechtslage bei Verlust des Versicherungsscheines. Behauptet der Ansprucherhebende, zur Rückgabe des Versicherungsscheines, der Ersatzurkunde bzw. des Hinterlegungsscheines nicht in der Lage zu sein, so muss grundsätzlich eine Kraftloserklärung erfolgen, vgl. § 808 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 4 Abs. 2 Satz 2. Die VR sehen von dem Kraftloserklärungsverfahren in der Praxis häufig ab und begnügen sich mit der Abgabe einer Verlusterklärung, die mit einem abstrakten Schuldversprechen für den Fall verbunden ist, dass sich nachträglich herausstellt, dass der Empfänger die Leistung unberechtigterweise erlangt hat.148

71

cc) Vorlage des Versicherungsscheins durch einen Dritten. Bei Vorlage des Versicherungsscheines durch einen Dritten, der nach den Unterlagen des VR in Ansehung der Leistung nicht empfangsberechtigt ist, ist zu prüfen, ob der Dritte den Versicherungsschein für die nach den Unterlagen des VR berechtigte Person vorlegt oder eine Leistung an sich begehrt. Da der VR gemäß § 12 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke berechtigt ist, den Inhaber des Versicherungsscheines als Berechtigten anzusehen, kann er die Leistung an den Dritten grundsätzlich mit befreiender Wirkung erbringen. Er kann jedoch auch die sachliche Berechtigung des Dritten zuvor prüfen,149 dies steht in seinem Ermessen.150 Auch nach anfänglicher Prüfung der sachlichen Berechtigung des Anspruchstellers kann der VR von der Inhaberklausel Gebrauch machen und die begehrte Leistung ohne weitere Prüfung auszahlen. Wird mit der Kündigung eines Versicherungsvertrages zugleich der Originalversicherungsschein vorgelegt, der den Kündigenden als VN ausweist, und ist die Kündigung mit dessen Namen unterzeichnet, darf der VR grundsätzlich mit befreiender Wirkung auf das angegebene Konto leisten, selbst wenn die Unterschrift unter der Kündigungserklärung – wie sich später herausstellt – gefälscht war.151 In einem derartigen Falle „hat der VR grundsätzlich keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Kündigungserklärung vom VN herrührt. Anderenfalls wäre der VR gerade auch in Fällen, in denen der VN selbst unter Vorlage des Versicherungsscheins kündigt, stets gezwungen, sich der Echtheit der Unterschrift des Kündigenden zu vergewissern, um die befreiende Wirkung seiner Leistung abzusichern. Damit aber würde die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins, die gerade den Schutz des Schuldners bezweckt und bewirken soll, entscheidend eingeschränkt, letztlich sogar ausgehöhlt.“152 Zur Frage, ob der VR von seiner Leistungspflicht auch dann befreit wird, wenn er die fehlende sachliche Berechtigung des Dritten kennt oder sie kennen müsste.153 Ein unwiderruflich Bezugsberechtigter kann vom VN schon vor Eintritt des Versicherungsfalles die Übergabe des Versicherungsscheins verlangen.

72

dd) Keine Verpflichtung des Versicherers, die Aushändigung des Versicherungsscheines zu verlangen. Der VR kann davon absehen, die Zahlung der Versicherungsleistung von der vorherigen Vorlage des Versicherungsscheines abhängig zu machen. Er kann auf

148 149 150 151

Kalka 168. BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061. AG Bremen 10.5.1949 VersR 1950 49. BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061.

522

152

153

BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061, 1062; a.M. KG 24.3.2007 RuS 2008 253; Bruck/Möller/Knops § 4 Rn. 4. Vgl. Bruck/Möller/Knops § 4 Rn. 4.

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die Rückgabe gänzlich oder teilweise verzichten. Ein solcher Verzicht ist auch möglich, wenn der VR weiß, dass sich der Versicherungsschein bei einem Dritten befindet. Weder die Eigenschaft des Versicherungsscheines als Schuldschein noch als Ausweispapier verpflichtet den VR, die verlangte Geldleistung von der vorherigen Rückgabe des Versicherungsscheines abhängig zu machen. Der VR kann sich auch mit einer nachträglichen Rückgabe des Versicherungsscheines begnügen. Den Rückgewähranspruch hat er auch noch nach Auszahlung der Versicherungsleistung.154 In der Lebensversicherung ist der Versicherungsschein kein sog. qualifizierter Schuldschein, bei dem der VR nach der Vereinbarung nur gegen Vorlage und Rückgabe leisten darf. b) Amtliches Zeugnis über den Tag der Geburt des Versicherten. Nach den GDV- 73 Musterbedingungen die kapitalbildende Lebensversicherung und weiteren Bedingungswerke für die Todesfallversicherung wird im Rahmen der erforderlichen Nachweise im Leistungsfalle ein amtliches Zeugnis über den Tag der Geburt des Versicherten nicht mehr verlangt. Nur § 11 GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung und weitere Rentenversicherungsbedingungen sehen eine solche Verpflichtung des Anspruchstellers nach wie vor. Die Höhe des vom VN zu zahlenden Beitrages ist bei Lebensversicherungen 74 grundsätzlich vom Alter des Versicherten abhängig. Folgerichtig müsste der VR daher bei der Antragstellung einen genauen Altersnachweis fordern, also das im Antrage angegebene Alter des Versicherten überprüfen. Zur Vereinfachung der Antragsaufnahme wird hierauf jedoch meistens verzichtet. Stattdessen beschränken sich viele VR darauf, den Altersnachweis erst bei Zahlung der Versicherungsleistung zu fordern. Ergibt sich dabei zwischen dem im Antrage angegebenen und dem nachgewiesenen Alter des Versicherten eine Differenz, die auf die Beitragshöhe Einfluss hat, so wird eine versicherungstechnische Leistungsberichtigung vorgenommen.155 Der Altersnachweis dient mithin der Überprüfung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine versicherungstechnische Leistungsberichtigung erforderlich ist. Folglich darf der VR einen Altersnachweis nur dann verlangen, wenn eine solche Überprüfung notwendig ist, weil die zu erbringende Versicherungsleistung in ihrer Höhe durch eine unrichtige Altersangabe beeinflusst werden könnte. Dies ist z.B. bei einer Todesfallversicherung mit Wartezeit und vereinbarter Rückerstattung der gezahlten Beiträge beim Tode des Versicherten in der Wartezeit nicht der Fall, wenn der Tod des Versicherten in der Wartezeit eintrat und nunmehr die Beitragsrückerstattung verlangt wird. Der Grund, weshalb die modernen Bedingungswerke – mit Ausnahme der Rentenver- 75 sicherung – den Altersnachweis nicht mehr vorsehen, liegt darin, dass der Altersnachweis und die damit verbundenen Überprüfungen für den VR und damit die Versichertengemeinschaft größere Unkosten verursacht hat als sich Vorteile durch versicherungstechnische Leistungsberichtigungen ergaben. Zudem waren bei den falschen Altersangaben die Unrichtigkeiten so geringfügig, dass sich keine Auswirkung auf die Beitragshöhe ergab. Anders verhält es sich jedoch in der Leibrentenversicherung oder in der Pflegerentenversicherung. In der Rentenversicherung ist das Alter des Versicherten sehr bedeutsam für die Dauer des Rentenbezuges und mithin für die Gesamtsumme aller mutmaßlich fällig werdenden Rentenbeträge. Auch verhältnismäßig geringe Falschangaben können hier zu Lasten der Versichertengemeinschaft erhebliche Folgen zeitigen. Man denke beispielsweise an eine versicherte Monatsrente von € 1000 und die Angabe eines

154

Bruck/Dörstling § 11 ALB a.F. Rn. 5.

155

Vgl. Bruck/Möller/Winter § 157 Rn. 8.

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um 1/2 Jahr zu hohen Lebensalters. Nach dem wahren Lebensalter wird der Versicherte dann mutmaßlich 1/2 Jahr länger leben und Rente beziehen (= insgesamt € 6 000), als nach dem im Versicherungsantrage genannten Alter zu erwarten ist, auf das die Beitragsberechnung hin ausgerichtet ist. Daraus erklärt sich ein Festhalten am Altersnachweiserfordernis in den GDV-Musterbedingungen Rentenversicherung. Angesichts des Zusammenhanges des Altersnachweises mit der Möglichkeit einer ver76 sicherungstechnischen Leistungsberichtigung könnte man zu der Ansicht verleitet werden, den Altersnachweis auch zu den Belegen i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 zu zählen, die zur Feststellung des Umfanges der Leistungspflicht des VR dienen. Eine solche Einordnung der Pflicht zur Erbringung des Altersnachweises wäre jedoch nicht richtig. § 31 behandelt nur solche Obliegenheiten, die typischerweise nach dem Eintritte des Versicherungsfalles zu erfüllen sind. Beim Altersnachweis ist dies jedoch nicht notwendigerweise der Fall, da dieser grundsätzlich bei Zahlung jeder Versicherungsleistung zu erbringen ist, bei der das Alter des Versicherten von Bedeutung sein kann, also auch vor dem Versicherungsfall. Andererseits ist der Altersnachweis nach Eintritt des Versicherungsfalles dann nicht erforderlich, wenn er bereits früher erbracht worden ist. So kann die Verpflichtung zum Altersnachweis zwar eine nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit sein, braucht aber nicht an diesen Zeitpunkt gebunden zu sein.

77

aa) Tag der Geburt. Sofern ein Altersnachweis zu erbringen ist, ist der Tag der Geburt des Versicherten nachzuweisen, und zwar durch ein amtliches Zeugnis. Aus dem Zeugnis muss der genaue Geburtstag ersichtlich sein, also z.B. durch Angabe des Geburtsdatums, oder es muss sich das genaue Geburtsdatum errechnen lassen, z.B. durch die Angabe 55 Jahre, 9 Monate und elf Tage alt. Nicht ausreichend ist allein die Angabe des Lebensjahres, etwa 55 Jahre alt. Dies aus dem Grunde, weil für die Beitragsbemessung ein pauschaliertes Alter des Versicherten, das sog. versicherungstechnische Lebensalter, zugrunde gelegt wird, welches sich nicht mit dem kalendermäßigen Lebensalter des Versicherten zu decken braucht.

78

bb) Amtliches Zeugnis. Als amtliches Zeugnis über den Tag der Geburt kommt grundsätzlich nur ein Zeugnis in Betracht, das die Bescheinigung des Geburtstages mit zum wesentlichen Inhalte hat und das von einer zur Ausfertigung solcher Bescheinigungen zuständigen Behörde ausgestellt ist. Dazu zählt vor allem ein standesamtlicher Geburtsschein oder eine mit Unterschrift und Siegel des Standesbeamten versehene Eintragung in ein Familienbuch (§ 12 PStG). Da nach § 63 Nr. 1 PStG der Heiratsschein und nach § 64 Nr. 1 PStG die Sterbeurkunde das Geburtsdatum erhalten müssen, können diese Urkunden grundsätzlich als taugliche amtliche Zeugnisse zum Nachweis des genauen Geburtstages des Versicherten herangezogen werden, jedoch nicht bei berechtigten Zweifeln an die Richtigkeit des hier beurkundeten Geburtstages (z.B. bei eindeutigen Schreibfehlern). Viele VR begnügen sich in der Praxis mit anderen Urkunden wie Personalausweis, 79 Reisepass, Taufschein usw. Sie sind hierzu jedoch nicht von vornherein verpflichtet. Nur dann, wenn die Vorlage eines standesamtlichen Zeugnisses über den Tag der Geburt des Versicherten nicht möglich ist, ist der VR gehalten, sich mit Bescheinigungen anderer für die Eintragung einer Geburt zuständigen Stellen zu begnügen, z.B. mit dem Auszug aus einem Kirchenbuch. Zu denken ist hier an die Fälle von Immigranten und Ausländern aus der Dritten Welt, bei denen die Beschaffung einer Abschrift aus dem entsprechenden Register unmöglich oder mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden ist. Zu denken ist ferner auch an Fälle, wo zur Zeit der Geburt kein Standesamt oder eine ähnliche Behörde vorhanden war. Kann ein amtliches Zeugnis nicht beigebracht werden und muss

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sich der VR mit anderweitigen Bescheinigungen begnügen, so kann dies jedoch nicht aus § 31 Abs. 1 Satz 1 gefolgert werden, da diese Vorschrift hier nicht anwendbar ist. Der VR kann den Altersnachweis nicht verlangen, wenn der VN bereits bei der 80 Antragstellung erklärt hat, zur Führung eines Altersnachweises außerstande zu sein, und der VR den Versicherungsantrag gleichwohl angenommen hat. In einem solchen Falle auf einem Altersnachweise zu bestehen, wäre ein gegen § 242 BGB verstoßendes widersprüchliches Verhalten. 5. Führung der Nachweise, Rückgabe von Urkunden Zur Führung des Nachweises der Leistungspflicht wie der Leistungsempfangsberech- 81 tigung sind die erforderlichen Urkunden nach den Bedingungswerken dem VR einzureichen oder vorzulegen. Vorlage bedeutet insofern grundsätzlich, dass dem VR die Möglichkeit einer eigenen Kenntnisnahme vom Inhalte der Urkunden verschafft wird. Der Vorlegende kann die Urkunden grundsätzlich zurückverlangen. Anders bei der Einreichung, hier verbleiben dem VR die Urkunden, Einreichung bedeutet mithin grundsätzlich Übereignung.156 Tatsächlich können eingereichte oder vorgelegte Urkunden nur eingeschränkt zurückgefordert werden. Erlischt das Versicherungsverhältnis mit Vornahme der verlangten Zahlung, so kann der VR den Versicherungsschein stets behalten, da dieser Schuldschein ist, vgl. § 371 BGB. In anderen Fällen, z.B. bei Teilrückkauf oder Beleihung, werden Versicherungsscheine auf Verlangen hin zurückgegeben (bei Beleihung erst nach Rückzahlung der Summe an den VR). Vorgelegte Altersnachweise kann der Anspruchsteller stets zurückfordern, es fehlt an einem berechtigten Interesse des VR, diese Urkunden zu behalten. 6. Verzicht des Versicherers auf Nachweise Der VR ist nicht gehalten, die Nachweise des § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapi- 82 talbildende Lebensversicherung usw. zu verlangen. Er kann auf sie gänzlich oder teilweise verzichten.157 Die Vorlage oder Einreichung der Urkunden muss unterbleiben, wenn der VR bereits im Besitze dieser Unterlagen ist.

II. Obliegenheiten nach dem Tode des Versicherten (Versicherungsfall) – z.B. § 11 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung 1. Zweck der Obliegenheiten Die Anzeige- und Belegpflicht dient dazu, dem VR rechtzeitig die Prüfung zu ermög- 83 lichen, ob der Versicherungsfall eingetreten ist und er nun zur Erbringung der vereinbarten Leistung verpflichtet ist. Eine solche Prüfung ist vor allem im Hinblick auf die in den ersten Versicherungsjahren ausgeschlossene Selbstmordgefahr bedeutsam. Ferner kann der VR oft erst bei Eintritt des Versicherungsfalles die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht feststellen. Eine rasche Erfüllung vor allem der Anzeigepflicht ist für den VR daher besonders wichtig, da es für ihn mit dem Zeitablauf immer schwieriger wird,

156

Vgl. auch BGH 7.10.1965 VersR 1965 1141, 1143.

157

OLG Hamburg 16.1.1952 VersR 1952 112, 113.

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eigene Erkundigungen über den Tod des Versicherten, insbes. über die Umstände des Todes einzuziehen. Durch eine Beerdigung etwa wird die Prüfungsmöglichkeit fast stets verhindert, dies gilt erst recht bei einer Einäscherung des Versicherten. Nur eine schnelle, möglichst vor der Beerdigung des Versicherten erfolgende Erfüllung der Anzeige- und Belegpflicht ermöglicht dem VR eine umfassende Prüfung der Rechtslage. 2. Anzeige des Todes des Versicherten

84

Nach Streichung des § 171 a.F. ergibt sich die Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalles in der Todesfallversicherung aus § 11 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke sowie aus § 30 Abs. 1.158 a) Voraussetzungen der Anzeigepflicht

85

aa) Tod des Versicherten. Erste Voraussetzung der Anzeigepflicht ist der Tod der Gefahrsperson. Dabei ist Gewissheit erforderlich. Die Anzeigepflicht wird durch Ungewissheit über das Schicksal des Versicherten, Verschollenheit oder subjektive Vermutung des Todes159 nicht ausgelöst. Zu beachten ist, dass der Tod des Versicherten als solcher die Anzeigepflicht auslöst, auch wenn er ausnahmsweise aufgrund des Eingreifens einer Gefahrausschlussbestimmung (z.B. vorsätzliche Selbsttötung) nicht Versicherungsfall ist. Ist der Versicherte verschollen, so stellt sich die Frage, ob der in Ansehung der Ver86 sicherungsleistung Berechtigte nicht das Recht hat, den Tod des Versicherten als Versicherungsfall anzuzeigen. Mit Blick auf den Zweck einer Todesfallversicherung, die Hinterbliebenen vor Not zu schützen, muss es bei Verschollenheit des Versicherten für die Annahme des Todes des Versicherten ausreichen, wenn ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit für den Tod des Versicherten spricht.160 In diesem Falle kann der Berechtigte den Tod des Versicherten dem VR als Versicherungsfall anzeigen. Ein ausreichend hoher Grad von Wahrscheinlichkeit bezüglich des Todes des Versicherten ist stets gegeben, wenn der Versicherte nach dem Verschollenheitsgesetz für tot erklärt worden ist (vgl. § 9 VerschG) und die Todeserklärung rechtskräftig geworden ist, vgl. § 29 VerschG. Aufgabe der Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz ist es, im Interesse der Rechtssicherheit die Voraussetzung zu schaffen, dass der Verschollene für rechtliche Belange als verstorben gilt.

87

bb) Kenntnis des Todes beim Anzeigepflichtigen. Zweite Voraussetzung der Anzeigepflicht ist, dass der Anzeigepflichtige vom Tode des Versicherten Kenntnis erlangt hat, vgl. § 30 Abs. 1.161 Kennenmüssen reicht nicht aus, positive Kenntnis ist erforderlich. Die Kenntnis muss sich ferner auch auf das Vorhandensein eines Versicherungsvertrages und auf die eigene Anspruchsberechtigung erstrecken.162 Nicht erforderlich hingegen ist

158 159 160

Dazu die Kommentierung bei Bruck/Möller/ Brömmelmeyer § 30 Rn. 11 ff. OLG Celle 17.12.1920 VA 1921 Anh. S. 17 Nr. 1182. RG 13.3.1908 LZ 1908 Sp. 37; OLG Celle 17.12.1920 VA 1921 Anh. S. 17 Nr. 1182 – Gefahrsperson befand sich auf einem vermutlich nach einer Minenexplosion gesunkenen Dampfer, der nach dem Spruch des

526

161

162

Seeamtes für verloren erklärt wurde, dazu vgl. bestätigend RG 7.10.1921 VA 1922 Anh. S. 16–17 Nr. 1243. Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 30 Rn. 17 ff.; BGH 12.12.2007 VersR 2008 484. ROHG 24.11.1870 1 111; RG 30.12.1901 JW 1902 152, 153.

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die positive Kenntnis der nach den Bedingungswerken bestehenden Anzeigepflicht, da derjenige, der von seiner Anspruchsberechtigung aus dem Versicherungsvertrage weiß, verpflichtet ist, sich nach dem Tode des Versicherten vom Inhalte des Versicherungsvertrages, insbes. seinen Bedingungen und den für den Anspruchsberechtigten bestehenden Pflichten Kenntnis zu verschaffen.163 Vor dem Tode des Versicherten – etwa bei Erkrankung des Versicherten – besteht hingegen keine Pflicht für den Anspruchsberechtigten, sich nach dem Inhalte und den Bedingungen des Versicherungsvertrages zu erkundigen. b) Person des Anzeigepflichtigen. Die Anzeigepflicht obliegt in erster Linie dem VN, 88 vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1. Dies kommt jedoch nur bei Versicherungen mit fremder Gefahrsperson in Betracht. Ferner sind die Erben des VN als Rechtsnachfolger anzeigepflichtig. § 30 Abs. 1 Satz 2 erstreckt die Anzeigepflicht ferner auf alle Personen, denen die im Versicherungsfalle fällige Leistung ganz oder zum Teile zusteht, also auf jeden Anspruchserhebenden: Bezugsberechtigte, Abtretungs-, Pfand-, Vollstreckungsgläubiger und Zweitmarktinvestor sowie deren Rechtsnachfolger. Drittberechtigte sind dabei neben dem VN oder seinem Rechtsnachfolger anzeigepflichtig, nicht etwa an seiner Stelle. Dem VR muss der Versicherungsfall möglichst schnell angezeigt werden, was oft nicht erreicht würde, wäre nur der u.U. erst hinsichtlich seines Aufenthaltsortes zu ermittelnde Drittberechtigte anzeigepflichtig. Man denke auch an die Folgen einer engen Auslegung im Falle des § 160 Abs. 3. Dem Drittberechtigten schadet dabei eine eigene Nachlässigkeit nicht, wenn ein anderer Anzeigepflichtiger die Anzeige rechtzeitig erstattet hat. Auch die Anzeige einer nicht anzeigepflichtigen Person wirkt zugunsten des Anzeigepflichtigen, da auf diese Weise der VR vom Tode des Versicherten in Kenntnis gesetzt wird, vgl. § 30 Abs. 2. In der Rspr. wurde dabei die Frage aufgeworfen, ob der VN verpflichtet ist, den im 89 Versicherungsfalle Berechtigten über seine aus dem Versicherungsvertrage sich ergebenden Pflichten aufzuklären, also auch über die Anzeigepflicht nach dem Tode des Versicherten. Mit Blick auf Treu und Glauben wurde dies teilweise bejaht und bei Unterlassen der Aufklärung eine schuldhafte, letztlich durch den VN verursachte Verletzung der Anzeigepflicht als gegeben angenommen.164 Das ist jedoch abzulehnen. Mangels Erwähnung einer solchen Aufklärungspflicht im Versicherungsvertrage kann eine derartige, theoretisch möglicherweise aus § 242 BGB begründbare Aufklärungspflicht hier nicht anerkannt werden. Es wäre nämlich unverständlich, warum eine solche Pflicht nicht ausdrücklich im Versicherungsvertrage bzw. in den Bedingungswerken verankert ist. Dass eine entsprechende ausdrückliche Regelung nicht existiert, deutet vielmehr darauf hin, dass eine solche Pflicht nicht dem Parteiwillen entspricht. Auch ist der VR in diesem Punkte nicht schutzbedürftig. Es liegt an ihm, eine entsprechende Vertragsbestimmung zu schaffen. c) Erfüllung der Anzeigepflicht aa) Wissenserklärung. Die zu erstattende Anzeige ist eine Wissenserklärung. Sie wird 90 erst mit Zugang beim VR wirksam. Bei der Erfüllung der Anzeigepflicht darf der Anzeigepflichtige sich anderer Personen bedienen. Sind mehrere Personen anzeigepflichtig, so genügt die Anzeige einer von ihnen, da der Zweck der Anzeige dem VR Kenntnis vom Tode des Versicherten zu verschaffen, damit erfüllt ist. Ist die Anzeige inhaltlich richtig

163

OLG Hamm 19.2.1997 RuS 1997 391; OLG Braunschweig 13.7.1920 LZ 1921 Sp. 274).

164

Vgl. RG 11.4.1919 VA 1919 Anh. S. 58 Nr. 1098; OLG Breslau 21.5.1908 VA 1908 Anh. S. 80 Nr. 400.

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erstattet worden und dem VR zur Kenntnis gelangt, so kann weder ein Willensmangel noch ein Mangel in der Geschäftsfähigkeit schaden.

91

bb) Inhaltliche Erfordernisse. Aus der Anzeige muss inhaltlich zweifelsfrei hervorgehen, dass der Absender dem VR den Tod des Versicherten auf diese Weise mitteilen will. Einzelheiten über den Tod des Versicherten, wie Ort, Stunde, Todesart usw. braucht die Anzeige nicht zu beinhalten. Der VR muss jedoch über die Person des verstorbenen Versicherten eindeutig und zweifelsfrei unterrichtet werden. Eine zu allgemein gehaltene Anzeige, auf die hin der VR nicht die Möglichkeit hat, festzustellen, welcher Versicherungsvertrag betroffen ist, kommt einer Nichtanzeige gleich und ist entsprechend zu behandeln. Die zu erstattende Anzeige muss also so viele Persönlichkeitsdaten des Verstorbenen enthalten, dass der VR ohne Schwierigkeiten den betroffenen Versicherungsvertrag ermitteln kann.

92

cc) Empfänger der Anzeige. Empfänger der Anzeige ist der VR, d.h. die Hauptverwaltung. In den Musterbedingungswerken zur Lebensversicherung findet sich teilweise noch die Klausel, dass der Versicherungsvertreter zur Entgegennahme der Anzeige nicht befugt ist. Eine solche formularmäßige Beschränkung der Empfangsvollmacht des Versicherungsvertreters ist jedoch unwirksam, §§ 69 Abs. 1 Nr. 2, 72. Nun kann es zweifelhaft erscheinen, ob auch eine Todesanzeige von dieser Vollmacht 93 gedeckt ist, da ja das Versicherungsverhältnis zu diesem Zeitpunkte möglicherweise bereits beendet ist (Tod als Ende der materiellen Versicherungsdauer und als Ende des Versicherungsverhältnisses). Man muss das aber bejahen, und zwar auch aus dem Grunde, dass es Versicherungen gibt, bei denen der Tod des Versicherten zweifelsfrei nicht die Beendigung der Versicherung bedeutet (z.B. bei der Versicherung auf einen festen Zeitpunkt).

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dd) Zeitpunkt der Erfüllung der Anzeigepflicht. Nach § 11 (2) Satz 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der in Frage kommenden weiteren Bedingungswerke ist die Todesanzeige unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zu erstatten. Damit knüpft die Bedingungsregelung nunmehr an § 30 Abs. 1 Satz 1 an. Eine derartig zügige Benachrichtigung des VR kann in der Lebensversicherung problematisch sein. Denn bei einem Todesfalle kann die sofortige Erfüllung von formalen Dingen leicht übersehen werden, zumal beim Tode eines nahen Angehörigen. Zudem sind oftmals auch Dritte, vor allem behandelnde Ärzte, über die Umstände und Ursachen des Todes des Versicherten unterrichtet. Diese Personen könnten genaue Auskünfte über die Todesursache auch noch nach dem Verstreichen einer kurzen Frist geben. Dass die Anzeige so schnell zu erstatten ist, folgt aus der Erwägung, dass vor allem bei Selbstmordverdacht ein längerer Zeitraum den Verlust von Beweismitteln für den VR mit sich bringen kann, so vor allem, wenn die Leiche vor der Anzeigeerstattung bereits beerdigt oder gar eingeäschert ist. Hat der VN den Tod der Gefahrsperson erst nach acht Tagen am Tage nach ihrer Beerdigung angezeigt, so ist eine Obliegenheitsverletzung gegeben.165

95

ee) Beweislast. Dem VR obliegt der Beweis, dass der VN bzw. der sonst Anzeigepflichtige die Anzeige trotz Kenntnis des Todes des Versicherten und seiner Anspruchsbe165

Vgl. OLG Köln 21.12.2007 VersR 2008 528.

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§ 161

rechtigung nicht fristgerecht erstattet hat. Dem VN bzw. Anzeigepflichtigen hingegen obliegt der Nachweis fehlenden Verschuldens oder dass der VR vom Tode des Versicherten bereits anderweitig Kenntnis erhalten hatte, vgl. § 30 Abs. 2. d) Rechtslage bei Verletzung der Anzeigepflicht. Zur Rechtslage bei Nichterfüllung 96 oder nicht rechtzeitiger Erfüllung der Anzeigepflicht sei auf die entsprechenden Ausführungen zur Nichterfüllung oder verzögerlichen Erfüllung der Belegpflicht verwiesen, wo diese Frage umfassend für alle nach dem Versicherungsfalle zu erfüllenden Obliegenheiten behandelt wird.166 3. Belegpflicht a) Allgemeines. Die bloße Anzeige des Todes des Versicherten verpflichtet den VR 97 noch nicht zur Erbringung der versicherten Todesfallleistung. Vielmehr muss der Tod noch als solcher und als Versicherungsfall eindeutig nachgewiesen werden. Der Tod des Versicherten muss nicht in jedem Falle Versicherungsfall sein, so etwa bei Selbstmord vor Ablauf der Karenzzeit. Der VR benötigt daher genaue Belege über den Tod des Versicherten, um seine Leistungspflicht feststellen zu können. Gesetzliche Grundlage für die Belegpflicht ist die Vorschrift des § 31 Abs. 1, die durch § 11 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke näher ausgeformt wird. Die Belegpflicht ist gleichfalls als Obliegenheit zu qualifizieren, zu ihren Vorausset- 98 zungen und der Person des Verpflichteten vgl. die entsprechenden Ausführungen zur Anzeigepflicht, die – soweit relevant – hier entsprechend gelten. b) Gegenstände der Belegpflicht. Gemäß § 11 (2) GDV-Musterbedingungen kapital- 99 bildende Lebensversicherung usw. sind insbes. neben dem Versicherungsschein und der Geburtsurkunde dem VR einzureichen: (1) eine amtliche, Alter und Geburtsort enthaltene Sterbeurkunde sowie (2) ein ausführliches, ärztliches oder amtliches Zeugnis über die Todesursache sowie über den Beginn und den Verlauf der Krankheit, die zum Tode des Versicherten geführt hat. aa) Nachweise bei Verlangen einer Leistung des Versicherers. In der Regel wird die 100 Anzeige des Todes des Versicherten zugleich mit der Forderung auf Zahlung der nun fälligen Versicherungssumme verbunden, da bei den meisten Todesfallversicherungen die Versicherungsleistung sogleich im Anschluss an den Versicherungsfall zur Auszahlung gelangt. Ausnahmen sind Versicherungen auf einen festen Zeitpunkt. § 11 (2) usw. der Bedingungswerke tragen dem Rechnung, indem hier die Pflicht auferlegt wird, die Urkunden, die bei Verlangen einer Leistung stets einzureichen sind, dem VR mit auszuhändigen. In Ansehung dieser Urkunden handelt es sich aber an sich um keine Belege i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2. Insbesondere ist der Versicherungsschein kein Beleg,167 da Belege in diesem Sinne nur solche Urkunden sind, die dem VR Beweise für die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalles, für die Frage der Leistungspflicht und deren Umfang liefern können. Dies folgt sinngemäß aus der Bezugnahme des § 31 Abs. 1 Satz 2 auf Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift.168

166 167

§ 161 Rn. 97 ff. LG Göttingen 25.1.1951 VersR 1952 315.

168

Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 31 Rn. 82.

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§ 161 101

Kapitel 5: Lebensversicherung

bb) Amtliche, Alter und Geburtsort enthaltende Sterbeurkunde. Als Belege, die eine amtliche, Alter und Geburtsort des Versicherten enthaltende Sterbeurkunde im Sinne der Bedingungswerke darstellen, kommen in Betracht: Das Familienbuch (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 PStG), das Sterbebuch (§ 37 Abs. 1 PStG), ferner die Sterbeurkunde (§ 64 PStG). Der VR kann diese Urkunden nicht als unzureichend zurückweisen, da die Einrichtungen der deutschen Personalregister eine hinreichende Gewähr für die Richtigkeit der eingetragenen Personalien bieten.169 Bei Sterbefällen im Ausland gilt als amtliche Urkunde die von der dort nach den jeweiligen Gesetzen zuständigen Behörde ausgestellte Sterbeurkunde, vgl. auch § 69e PStG. Ist in diesen Fällen auch eine Urkunde i.S.d. § 41 PStG angefertigt worden, so reicht die Einreichung einer der beiden Urkunden.170

102

cc) Nachweis der Todesursache. Dem VR ist nach den Bedingungswerken zur Todesfallversicherung ferner ein ausführliches ärztliches oder amtliches Zeugnis über die Todesursache sowie über Beginn und Verlauf der Krankheit, die zum Tode des Versicherten geführt hat, einzureichen. Ein solches Zeugnis ist der schriftliche Bericht des Arztes, der den Tod der Versicherten festgestellt hat, oder ein entsprechendes behördlicherseits aufgenommenes Protokoll. Das Zeugnis muss die Todesursache nennen und dabei nähere Einzelheiten angeben, da es sonst kein ausführliches Zeugnis ist. Ein Zeugnis über den Beginn und Verlauf einer Krankheit, die zum Tode des Ver103 sicherten geführt hat, kann selbstverständlich nur dann eingereicht und vom VR verlangt werden, wenn der Versicherte an einer lebensgefährlichen Krankheit litt und deswegen ärztlich behandelt wurde. Zudem muss gerade diese ärztlich behandelte Krankheit zum Tode des Versicherten geführt haben. Da bundesrechtliche Vorschriften, wonach der Tod und die Todesursache eines Men104 schen durch einen Arzt festgestellt werden muss, fehlen, ist der Belegpflichtige mithin gehalten, beim Tode des Versicherten eine ärztliche Feststellung zu veranlassen, soweit ihm dies möglich ist. Ein ausführliches ärztliches oder sonstiges Zeugnis über den Tod und die Todesursache wird in der Regel nur dann erbracht werden können, wenn die Angehörigen des Versicherten das versicherungsrechtliche Erfordernis kannten oder ein amtliches Zeugnis angefertigt wurde, weil der Versicherte z.B. bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam oder weil der Verdacht auf eine Straftat, deren Opfer der Versicherte wurde, gegeben war. Als einzureichendes Zeugnis kommt in einem solchen Fall ein Protokollauszug in Betracht, vorausgesetzt, dass die zuständige Behörde einen Protokollauszug erteilt. Kann ein solcher Protokollauszug nicht beschafft werden, so sind andere amtliche Bescheinigungen über den Tod und die Todesursache des Versicherten einzureichen. Soweit ein Arzt verpflichtet ist, der Witwe eines Verstorbenen Auskunft über die 105 vorausgegangene ärztliche Behandlung und die zum Tode führenden Krankheiten des Ehemannes zu erteilen, äußert das bestehende Auskunftsverhältnis nicht ohne weiteres auch Schutzwirkungen zugunsten eines LebensVR.171 Der Arzt haftet dem VR aus einem stillschweigend zustande gekommenen Auskunftsverhältnis jedoch in dem Falle für unrichtige Auskünfte in einem vom VR angeforderten ärztlichen Bericht, dass für ihn erkennbar war, dass der VR hiervon wesentliche Leistungsentscheidungen abhängig machen werde.

169 170

Vgl. RAA VA 1912 102, 103. Zur Rechtslage bei Verschollenheit und Todeserklärung vgl. Rn. 86, 113 sowie Bruck/Möller/Winter § 150 Rn. 136–142.

530

171

OLG Karlsruhe 3.11.1971 VersR 1972 203, 205.

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Selbsttötung

§ 161

c) Beschränkungen nach § 213 Abs. 1 VVG. Die neu in das VVG aufgenommene 106 Vorschrift des § 213 enthält die Anforderungen, die bei der Erhebung von Gesundheitsdaten durch den VR bei Dritten – also bei anderen als der von der Erhebung betroffenen Person – zu berücksichtigen sind. Hierzu wird im Einzelnen auf die Kommentierung zu § 213 verwiesen. Eine solche – insbes. auch bei Selbstmord erforderliche – Erhebung bedarf einer Einwilligung der betroffenen Person, bei der die Voraussetzungen und Möglichkeiten der Absätze 2 und 3 zu beachten sind. Wurde eine solche Einwilligung nicht erteilt, ist eine Datenerhebung nicht zulässig; das Recht zur Freigabe von Gesundheitsdaten geht nicht auf die Erben oder Angehörige über, da die Verfügung über höchstpersönliche Rechte – wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – allein dem Betroffenen vorbehalten ist.172 Unter Verstoß gegen eine zeitlich begrenzte Schweigepflichtentbindung erhobene Gesundheitsdaten dürfen dabei nicht schon deshalb verwertet werden, weil sie unstreitig sind. Ihre Verwertbarkeit ergibt sich jedoch im Wege einer Güterabwägung jedenfalls dann, wenn der VN Vorerkrankungen arglistig verschwiegen hat. In solchen Fällen ist das Schutzbedürfnis des VN an der Geheimhaltung seiner Daten regelmäßig aufgehoben. Wer sich unter Verstoß gegen „vertragliche Kardinalpflichten Ansprüche zu erschleichen versucht, soll sich nicht darauf berufen können, dass der Vertragspartner sich die Kenntnisse über diese Umstände seinerseits auf rechtswidrige Weise verschafft hat.“173 Der Wille zur Täuschung kann nur dann unter Berufung auf Scham erfolgreich in Zweifel gezogen werden, wenn mit ihm zugleich die Annahme einhergeht, der verschwiegene Umstand sei für die Vertragsabschlussbereitschaft des VR nicht wirklich maßgeblich (davon kann bei einem verschwiegenen Suizidversuch mit anschließender stationärer Behandlung nicht die Rede sein).174 d) Erfüllung der Belegpflicht. Gemäß § 11 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbil- 107 dende Lebensversicherung usw. sind die Belege dem VR einzureichen. Einreichen bedeutet dabei übereignen, d.h. der VR darf die Belege grundsätzlich behalten.175 Besteht nun aber für den VR über die bloße Feststellung des Vorhandenseins und des Inhalts der Belege hinaus kein rechtlich bedeutsames Interesse daran, die Belege zu behalten, und besteht andererseits für den Belegpflichtigen ein rechtlich bedeutsames Interesse an der Wiedererlangung der eingereichten Belege, so ist der VR gemäß § 242 BGB zur Rückgabe verpflichtet. Zu denken ist hier an den Fall, dass der Belegpflichtige als Sterbeurkunde ein Familienbuch eingereicht hat. e) Zumutbarkeit der Belegbeschaffung. Die Einreichung der Belege muss für den 108 Belegpflichtigen billigerweise zumutbar sein, vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2. Das ist bei den in den Bedingungswerken genannten Belegen grundsätzlich der Fall. Behauptet der Belegpflichtige jedoch, zur Beschaffung der Belege außerstande zu sein oder dass die Beschaffung der Belege nur mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten möglich und daher billigerweise nicht zugemutet werden könne, so muss der Belegpflichtige dies beweisen. Die Begriffe billig und zumutbar i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 sind objektiv und unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten auszulegen. Ist die Frage der Zumutbarkeit streitig, so

172 173

OLG Saarbrücken 9.9.2009 VersR 2009 1478, 1479 f. OLG Saarbrücken 9.9.2009 VersR 2009 1478, 1481; vgl. auch BGH 24.11.1981 VersR 1982 191, 192; OLG Nürnberg 7.12.2000 VersR 2002 179.

174 175

OLG Saarbrücken 9.9.2009 VersR 2009 1478, 1481. LG Stade 23.1.1953 VersR 1953 154.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

kann eine gerichtliche Klärung erfolgen. Der Anspruchsberechtigte kann die Leistungsklage, der VR eine Feststellungsklage erheben. Nach den Bedingungswerken der Lebensversicherung ist die Belegpflicht nicht von 109 der Zumutbarkeit abhängig. § 31 Abs. 1 Satz 2 ist insoweit jedoch eine Vorschrift, von der zuungunsten der VN-Seite nicht abgewichen werden kann, § 32.

110

f) Ersatznachweise als Erfüllung der Belegpflicht. Ist die Erfüllung der Belegpflicht im Hinblick auf die in den Bedingungswerken genannten Belege für den Belegpflichtigen objektiv oder subjektiv unmöglich oder ihm billigerweise nicht zuzumuten, so darf der VR aus diesem Grunde die Erbringung seiner Leistung nicht wegen Nichterfüllung der Belegpflicht verweigern. Der Belegpflichtige muss sich in einem solchen Falle auf jede erdenkliche, billigerweise zumutbare Art bemühen, andere Belege zu beschaffen, die jene Tatsachen nachweisen können, für die die Belegpflicht besteht. Zumindest muss der Nachweispflichtige dem VR eine Einreichung von Ersatzbelegen anbieten. Gleiches gilt entsprechend für solche Belege und Auskünfte, die der VR im Rahmen seines Rechtes auf weitere Nachweise gemäß § 11 (3) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke verlangen kann.176 Ist festgestellt, dass eine Sterbeurkunde oder ein anderer amtlicher Nachweis des 111 Todes des Versicherten nicht beigebracht werden kann, so muss sich der VR mit einem anderen hinreichend zuverlässigen Nachweis begnügen, z.B. mit einem kirchlichen Nachweis über die Beerdigung, einer Zeugenaussage über einen tödlichen Unfall auf einer gefährlichen Reise in entlegene Gegenden usw. Kann auch durch Ersatzbelege der Tod des Versicherten nicht als sehr wahrscheinlich nachgewiesen werden, so ist der VR noch nicht leistungspflichtig. Der VR muss sich insoweit auch mit einer Todeserklärung gemäß § 9 VerschG bei Verschollenheit des Versicherten begnügen. Zwar ist eine solche Erklärung kein Beweis für den Tod des Versicherten wie eine Sterbeurkunde, sondern begründet nur eine gesetzliche Vermutung, dass der Verschollene in einem bestimmten Zeitpunkte (vgl. § 9 Abs. 2–4 VerschG) verstorben ist. Jedoch muss bei einer Todeserklärung die Vorlage eines rechtskräftigen Todeserklärungsbeschlusses ausreichen, obwohl nach den Bedingungswerken der Todesnachweis erforderlich ist. Denn in einem solchen Falle ist es dem Belegpflichtigen regelmäßig unmöglich und also auch unzumutbar, einen amtlichen Todesnachweis einzureichen. Hat der Belegpflichtige nachgewiesen oder hinreichend glaubhaft gemacht, dass ein 112 ärztliches oder amtliches Zeugnis über die Todesursache nicht beigebracht werden kann, so ist zu prüfen, ob ein anderweitiges Zeugnis eingereicht werden kann, z.B. eine Zeugenaussage über einen tödlichen Unfall des Versicherten. Ist keinerlei Zeugnis über die Todesursache vorhanden oder zumutbar zu beschaffen, so ersetzt diese Feststellung das Zeugnis. Das gilt u.U. aber dann nicht, wenn der Belegpflichtige die Unmöglichkeit der Beschaffung eines solchen Zeugnisses schuldhaft verursacht hat.177

113

g) Rechtsfolgen bei Verletzung der Belegpflicht. Die Frage, welche Folgen eine Verletzung der Belegpflicht auslöst, stellt sich in gleicher Weise bei der Verletzung der Pflicht zu weiteren Nachweisen und bei der Pflicht zur Duldung und gegebenenfalls Förderung eigener Erhebungen des VR, sie stellt sich ferner aber auch – eingeschränkt – bei der Verletzung der Pflicht zur Anzeige des Todes des Versicherten. Die Frage der Rechtsfolgen

176

Vgl. Rn. 122 ff.

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177

Vgl. dazu unten Rn. 117 ff.

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§ 161

einer verzögerlichen Erfüllung oder einer Nichterfüllung dieser Nebenpflichten sei an dieser Stelle zusammenfassend behandelt. aa) Keine geregelten Rechtsfolgen. Die Bedingungswerke der Lebensversicherung 114 beinhalten keine Rechtsfolgen für den Fall einer verspäteten Erfüllung oder einer Nichterfüllung der Anzeige-, Beleg- und sonstigen Obliegenheiten in diesem Zusammenhang. Soweit diese Obliegenheiten nach dem Eintritte des Versicherungsfalles zu erfüllen sind, wird der VR nur – im Rahmen des § 28 – von der Verpflichtung zur Leistung ganz oder teilweise frei, wenn diese Rechtsfolge ausdrücklich vereinbart ist. Dazu ist es in keinem der Bedingungswerke gekommen, eine solche Voraussetzung ist in der Lebensversicherung nicht üblich. Mithin kann sich der VR nur auf die allgemeinen Folgen der Nichterfüllung einer Pflicht berufen und diese geltend machen (Schadenersatzanspruch, Leistungsfreiheit wegen schuldhafter Beweisvereitelung).178 bb) Zurückbehaltungsrecht. Solange der Anzeige- und Nachweispflichtige die Todes- 115 anzeige nicht erstattet hat, die von sich aus dem VR einzureichenden Belege nicht beigebracht hat, verlangte weitere Belege und begehrte Auskünfte nicht erteilt usw., kann der VR die von ihm geschuldete Leistung gemäß § 273 Abs. 1 BGB i.V.m. § 11 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke verweigern. Jedoch darf der VR dabei nicht schikanös verfahren, so reicht es für die Belange des VR aus, wenn er die Anzeige vom Tode des Versicherten nicht vom Anzeigepflichtigen, sondern z.B. vom Arzt des Verstorbenen zusammen mit dem Arztbericht über die Todesursache, die zum Tode führende Krankheit usw. erhalten hat und ihm auch alle weiteren Belege mit dem Leistungsverlangen zugegangen sind. Er kann dann nicht auf der formalen Pflichterfüllung durch den an sich Pflichtigen bestehen. Das folgt aus allgemeinen Rechtsgedanken, vgl. auch § 30 Abs. 2. Trotz eigener Kenntnis vom Tode des Versicherten kann der VR jedoch dann auf einer Anzeige durch den Verpflichteten bestehen, wenn dies zur Beseitigung von Ungewissheiten erforderlich ist, z.B. bei zwei namensgleichen Versicherten. cc) Schadenersatzansprüche des Versicherers. Entsteht dem VR durch die Verletzung 116 der Anzeige-, Auskunfts-, Belegpflicht oder der Pflicht, eigene Erhebungen des VR zu dulden und gegebenenfalls zu fördern, ein adäquat kausaler Schaden, so kann der VR nach allgemeinen Grundsätzen Schadenersatz verlangen. So kann ein Schaden bei Verletzung der Anzeigepflicht z.B. darin liegen, dass dem VR Unkosten entstehen, weil er in Unkenntnis des Versicherungsfalles in Wahrheit nicht mehr zu entrichtende Beiträge nach § 38 angemahnt hat oder ein Kündigungsverfahren eingeleitet hat. Durch eine verspätete oder unterlassene Anzeige oder durch ein Unterlassen der rechtzeitigen Einreichung von Belegen usw. können dem VR bei der Prüfung seiner Leistungspflicht Mehrkosten entstehen, wenn er deshalb eigene, u.U. besonders aufwendige Maßnahmen zur Feststellung des Versicherungsfalles treffen muss, die an sich nicht notwendig wären. Soweit hier kein Ersatz der Mehrkosten aufgrund einer Kostenvereinbarung im jeweiligen Versicherungsvertrage möglich ist, sind diese Mehrkosten ein Schaden. Das gilt vor allem bei Verursachung an sich nicht notwendiger Kosten.179 Hier kommt vor allem ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht, soweit ein Verschulden bei der Pflicht-

178

Vgl. im Einzelnen Bruck/Möller/Brömmelmeyer zu §§ 30, 31, insbes. § 30 Rn. 38 ff.; § 31 Rn. 92 ff.

179

Vgl. zu den nach den Versicherungsbedingungen ersatzfähigen Kosten Rn. 120.

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§ 161

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verletzung gegeben ist. Insbesondere bei der Anzeigepflicht sind die Verzugsregeln wesensmäßig nicht anwendbar, da ein umständliches Verfahren bei einer solchen spontan zu erfüllenden Pflicht nicht denkbar ist. Gleiches dürfte – von Ausnahmefällen abgesehen – wegen der dabei gebotenen Eile auch für die anderen in Rede stehenden Obliegenheiten als Mitwirkungspflichten bei der Aufklärung des Versicherungsfalles gelten. Soweit ein Schadenersatzanspruch des VR durchgreift, kann ihn der VR gegen die auszuzahlende Summe aufrechnen, d.h. von der Summe abziehen.180 Man beachte aber auch die Möglichkeit für den VR u.U. objektiv erforderliche Kosten nach § 11 (4) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke zu fordern.

117

dd) Leistungsfreiheit wegen schuldhafter Beweisvereitelung. Eine unterlassene oder verspätete Anzeige des Todes des Versicherten kann für den VR bedeuten, dass es ihm unmöglich wird, zu untersuchen, ob er etwa wegen einer vorsätzlichen Selbsttötung des Versicherten in der Karenzzeit leistungsfrei ist, und diese Leistungsfreiheit auch zu beweisen. Man denke an den Fall, dass die Anzeige vom Tode des Versicherten absichtlich so lange hinausgezögert wird, bis der verstorbene Versicherte eingeäschert ist, so dass eine Untersuchung des Leichnams durch den VR wegen bestehenden Selbstmordverdachts unmöglich gemacht ist. Beweisvereitelungen können darüber hinaus auch in der Beseitigung von Urkunden – z.B. von Untersuchungsberichten der Ärzte des Versicherten – liegen oder darin, dass der mit dem Gesundheitszustand und mit der Todesursache des Versicherten vertraute Arzt veranlasst wird, einen falschen Untersuchungsbefund zu liefern oder eine Auskunft an den VR zu verweigern. In solchen Fällen wird dem VR der für die Leistungsfreiheit zu erbringende Nachweis unmöglich gemacht, selbst wenn alles nach objektiver Tatsachenlage eindeutig ist. Solche Beweisvereitelungen können auch einen etwaigen Rücktritt oder eine mögliche Arglistanfechtung betreffen. Eine Beweisvereitelung kann im Falle ihres Nachweises zugunsten des VR im 118 Gerichtsverfahren bewirken, dass eine – nicht gänzlich unbegründete – Behauptung von Umständen, die zur Leistungsfreiheit des VR führen, im Ergebnis als nachgewiesen gelten muss, und zwar mit der Folge, dass der VR leistungsfrei ist, z.B. nach §§ 123, 142 BGB, §§ 19 ff., 161. Der VR muss in einem solchen Falle nur eine vorhandene Rückvergütung bzw. Überschussbeteiligung abzüglich aller entstandener Kosten usw. auszahlen. Voraussetzungen einer Leistungsfreiheit wegen schuldhafter Beweisvereitelung sind: 119 (1) Es muss Anhaltspunkte für eine Leistungsfreiheit des VR geben, (2) es liegt eine nachgewiesene Beweisvereitelung vor, die schuldhaft begangen wurde. (3) Dadurch wird dem VR die Möglichkeit des Nachweises der eine materielle Leistungsfreiheit begründenden Umstände genommen. Zwar reicht nach prozessualen Grundsätzen zur Beweisvereitelung jede Verschuldensform aus. Im Versicherungsrecht bedarf es hier jedoch einer Einschränkung aus dem Grundgedanken des § 28. Diese Vorschrift enthält die auch sonst zum Ausdruck gelangende grundsätzliche Wertung, dass ein bloß leicht fahrlässiges Verhalten des Pflichtigen nach dem Versicherungsfalle keine Leistungsfreiheit bzw. -verkürzung des VR nach sich ziehen darf. Das gilt nicht nur für eine vertraglich vereinbarte Leistungspflicht bzw. -verkürzung, sondern ganz grundsätzlich auch darüber hinaus. Nur eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Beweisvereitelung kann somit bedeutsam sein. Im Übrigen sei für solche Konstellationen auch auf die schon vor einem Gerichtsverfahren bestehende Beweissicherungs- und -auslieferungspflicht auf der VN-Seite verwiesen.181 180

Vgl. dazu im Einzelnen Bruck/Möller/Brömmelmeyer § 30 Rn. 47 ff., § 31 Rn. 101.

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181

Zur Täuschung des VN bei der Leistungsermittlung und zum Regulierungsbetrug

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§ 161

h) Kosten für Belege, weitere Nachweise und Erhebungen des Versicherers. Nach 120 § 11 (3) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke hat die Kosten für einzureichende Belege, vom VR geforderte weitere Nachweise und eigene Erhebungen derjenige zu tragen, der vom VR eine Leistung verlangt. Soweit der VR entstandene Kosten verauslagt hat, was bei einzuholenden ärztlichen Gutachten, behördlichen Protokollauszügen usw. häufig der Fall sein wird, kann er sie mit dem auszuzahlenden Geldbetrage verrechnen, also aufrechnen. Die Regelung des § 11 (3) Satz 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebens- 121 versicherung gewährt dem VR jedoch nur das Recht zu notwendigen weiteren Nachweisen und zu erforderlichen eigenen Erhebungen. Das gilt logischerweise auch für die Möglichkeit der Anrechnung entstehender Kosten. Auch diese kann der VR nur abwälzen, soweit sie für erforderliche Maßnahmen angefallen sind.

III. Weitere Nachweise auf Verlangen des Versicherers 1. Allgemeines a) Voraussetzung für die Pflicht zu weiteren Nachweisen. Der VR kann „außerdem 122 notwendige weitere Nachweise“ verlangen, § 11 (3) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Aus dem Wortlaut der Bestimmungen könnte man folgern, dass die Pflicht zur Erbringung weiterer Nachweise lediglich eine Erweiterung der in § 11 (2) des Bedingungswerks usw. bestimmten Belegpflicht sei. Doch geht das vertragliche Recht des VR weitere erforderliche Nachweise zu verlangen, weit über den Anwendungsbereich der Belegpflicht im Sinne dieser Bestimmungen hinaus. Es bezieht sich nämlich auch auf § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw., gilt also bei der Geltendmachung einer Versicherungsleistung schlechthin, nicht nur beim Tode des Versicherten. Der weite Anwendungsbereich dieses Rechts folgt aus der Fassung des Rechts in einem eigenständigen Absatz und nicht als zusätzlicher Satz in § 11 (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw., wo es sachlich hätte geregelt werden müssen, sollte es nur nach dem Tode des Versicherten bestehen. Das Recht, weitere erforderliche Nachweise zu verlangen, steht dem VR also zu, wenn entweder irgendeine Geldleistung aus dem Versicherungsvertrage verlangt wird – handele es sich um den Versicherungsfall oder nicht – oder wenn der Tod des Versicherten eingetreten ist. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, so kann der VR keine Nachweise verlangen. Der VN ist also nicht verpflichtet, dem VR Auskünfte oder Belege dann zu erteilen, wenn der VR nach Vertragsschluss z.B. von einer schweren Erkrankung des Versicherten erfährt und nun eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vermutet, der Versicherungsfall aber noch nicht eingetreten ist und auch sonst keine Leistung vom VR verlangt wird. Bedeutsam wird das Recht des VR auf weitere Nachweisungen in den Fällen des § 11 (1) GDV-Musterbedingungen usw. dann, wenn die für den Versicherungsfall vereinbarte Leistung des VR erst zu einem späteren Zeitpunkte oder während eines späteren Zeitraumes fällig wird und der VR erst nach dem Tode des Versicherten den Verdacht auf

vgl. ausführlich Sackhoff Die Anzeige-, Auskunfts- und Belegpflicht des VN nach Eintritt des Versicherungsfalles (1994) 298 ff.

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eine etwaige Leistungsfreiheit geschöpft hat, also z.B. bei Versicherungen auf einen festen Zeitpunkt, auch als Rentenversicherungen, Überlebensrentenversicherungen usw.

123

b) Sinn und Zweck. Hinter dem Recht des VR, weitere notwendige Nachweise zu verlangen, steht, wie auch hinter dem Recht zu eigenen Erhebungen des VR, folgender Gedanke: In der Lebensversicherung macht sich mehr als in anderen Versicherungszweigen eine Lücke im VVG bemerkbar. Es fehlt eine die Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflicht ergänzende Bestimmung, die dem VR das Recht zur Nachprüfung der im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemachten Angaben einräumt, vor allem auch eine Nachprüfung ermöglicht, ob gefahrerhebliche Umstände verschwiegen worden sind. Damit hat sich auch der Reformgesetzgeber – soweit ersichtlich – nicht beschäftigt. Die Rückfrageobliegenheit des VR führt insoweit nicht weiter. Erfährt der VR z.B., dass der Versicherte bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht ein schweres Herzleiden verschwiegen hat, so dass die Möglichkeit einer Arglistanfechtung zu erwägen ist, so kann der VR nach den Vorschriften des VVG dann keine Auskünfte oder Belege zu diesem Herzleiden verlangen, wenn der Versicherte z.B. an den Folgen eines von ihm keinesfalls verursachten Unfalls gestorben ist – auch der Rücktritt ist für den VR dann angesichts der Vorschrift des § 21 Abs. 1 bedeutungslos. Das Recht des VR auf weitere Nachweise schließt diese Lücke teilweise, indem es dem VR auch ein Recht auf solche Nachweise einräumt, die keinen Bezug zur Todesursache aufweisen. Es genügt vielmehr, dass die Leistungspflicht des VR durch die weiteren Nachweise (und/oder die eigenen Erhebungen des VR) möglicherweise beeinflusst wird.

124

c) Verpflichteter. Die Obliegenheit zur Erbringung weiterer Nachweise trifft wie die allgemeine Nachweispflicht und die Belegpflicht gemäß § 11 (1) und (2) GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung und den übrigen Bedingungswerken nur den Anspruchsteller. Es gelten insoweit die Ausführungen unter Rn. 66, 68 sinngemäß. Ist der Anspruchsteller nicht VN, so gelten hinsichtlich des Umfanges der Pflicht zu weiteren Nachweisen unter dem Gesichtspunkte der Zumutbarkeit jedoch Einschränkungen, vgl. Rn. 132 ff.

125

d) Rechtsvorschriften. Soweit die Nachweispflicht nach dem Tode des Versicherten zu erfüllen ist und zudem nur weitere Nachweise zum Tode des Versicherten als Versicherungsfall verlangt werden (also nicht z.B. bei Prüfung einer Anfechtungsmöglichkeit!), kann die Pflicht zu weiteren Nachweisen auch auf § 31 gestützt werden. 2. Gegenstand und Grenzen der Pflicht zu weiteren Nachweisen

126

Gegenstand der Pflicht zur Erbringung weiterer Nachweise können Belege und Auskünfte sein.

127

a) Sachlicher Umfang der Pflicht zu weiteren Nachweisen. Der sachliche Umfang der Pflicht zu weiteren Nachweisen lässt sich nur im Einzelfalle ermitteln. Maßgebend dafür ist der Inhalt des Nachweisverlangens des VR. Außer ärztlichen Zeugnissen und amtlichen Protokollauszügen können auch beliebige andere Urkunden Gegenstand der weiteren Nachweispflicht sein. Man denke etwa an Abschiedsbriefe des verstorbenen Versicherten, die eine Selbstmordabsicht beweisen oder aus denen bei klar erwiesenem Selbstmord Rückschlüsse auf die Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit möglich sind. Weitere Gegenstände sind etwa Röntgenaufnahmen, die den Zustand der Lunge des Versicherten zur Zeit der Aufnahme erkennen lassen, frühere ärztliche Untersuchungsbefunde usw.

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§ 161

Soweit der VR weitere Auskünfte verlangt, erstreckt sich die Pflicht nicht nur auf die 128 Abgabe reiner Wissenserklärungen. Vielmehr kann der Verpflichtete auch gehalten sein, tätig zu werden und dafür zu sorgen, dass er die zur Erteilung der Auskunft notwendigen Kenntnisse erlangt. Der Verpflichtete muss daher u.U. auch Hilfspersonen in Anspruch nehmen usw. Nicht in den Rahmen dieser weiteren Nachweispflicht fallen die Urkunden, die die 129 sachliche Berechtigung des Anspruchstellers beweisen, wie etwa ein Erbschein, Abtretungsurkunden usw. Das Recht des VR auf Vorlage dieser Urkunden ist teilweise gesondert geregelt, vgl. § 12 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. b) Bezugszeitraum für weitere Nachweise. Für das Recht zu weiteren Nachweisen be- 130 steht – anders als für das Recht des VR zu eigenen Erhebungen – in zeitlicher Hinsicht keine Begrenzung. Die angeforderten weiteren Nachweise können sich also auf die Zeit vor Schließung des Versicherungsvertrages wie auf die Zeit zwischen Vertragsschluss und Versicherungsfall oder die Anspruchserhebung beziehen. c) Beschränkungen des Rechts des Versicherers auf weitere Nachweise aa) Notwendigkeit. Der Anspruchsteller ist nur zur Erbringung solcher weiterer 131 Nachweise verpflichtet, die für den VR zur Prüfung seiner Leistungspflicht notwendig sind. Die Notwendigkeit ist dabei vom Standpunkt der Wahrung der Geschäftsinteressen des VR zu prüfen. Dabei ist jedoch nicht die subjektive Auffassung maßgebend, sondern vielmehr ein objektiver Maßstab. Nur solche Nachweise, die man im konkreten Falle als für den VR zur Prüfung seiner Leistungspflicht in irgendeiner Weise bedeutsam bezeichnen kann, sind notwendig. Sind die bereits im Rahmen der allgemeinen Nachweispflicht und der Belegpflicht eingereichten Unterlagen aus sich heraus eindeutig und fehlt es an jedem Anzeichen, dass der VR sich auf eine Leistungsfreiheit oder -kürzung berufen kann, z.B. wegen wirksamer Anfechtung, Rücktritt, Selbstmord des Versicherten in der Karenzzeit, so besteht keine Notwendigkeit zu weiteren Erhebungen. Notwendig sind Erhebungen nur dann, wenn in irgendeiner Hinsicht ein Zweifel, eine Ungewissheit hinsichtlich der Leistungspflicht des VR besteht. Die theoretische Möglichkeit, dass erst aus weiteren Nachweisen ein Recht des VR zum Rücktritt, zur Anfechtung usw. ersichtlich wird, reicht nicht aus.182 Das Nachweisverlangen darf dem VR vor allem nicht dazu dienen, Zeit zu gewinnen und auf diese Weise die Leistung hinauszuzögern und damit letztendlich in sein Belieben zu stellen.183 Den VR trifft die Beweislast dafür, dass von ihm verlangte weitere Nachweise objektiv notwendig sind. bb) Zumutbarkeit (1) Bedeutung und Anwendungsbereich dieser Begrenzung. Verlangt der VR die Be- 132 schaffung weiterer Belege nach dem Tode des Versicherten, so muss die Beschaffung der Belege dem Pflichtigen zumutbar sein, vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2. Zu beachten ist, dass diese Einschränkung normalerweise nicht für Auskünfte und auch nicht dann gilt, wenn der VR Belege bei einem Leistungsverlangen fordert, welches nicht die als Versicherungsleistung im Versicherungsfall fällige Leistung zum Gegenstand hat, also bei allen sons-

182

OLG München 22.10.1924 VA 1924 119 Nr. 1412.

183

Vgl. Eberle Die Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers (1913) 35.

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§ 161

Kapitel 5: Lebensversicherung

tigen Geldleistungen i.S.d. § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Zwar erwähnen § 11 (3) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw. den Zumutbarkeitsgesichtspunkt nicht, jedoch folgt diese Einschränkung der Nachweispflicht aus § 31 Abs. 1 Satz 2, von dem zu Lasten der VN-Seite nicht abgewichen werden kann, § 32.

133

(2) Ermittlung der Zumutbarkeit. Ob die Beschaffung vom VR verlangter weiterer Belege billigerweise zumutbar ist, ist eine im Einzelfalle zu ermittelnde Tatsachenfrage. Zu prüfen ist, ob und mit welchem Aufwande der Pflichtige imstande ist, den vom VR verlangten Beleg zu beschaffen. Verlangt der VR z.B. ein Protokoll über eine Obduktion, so ist dieses Verlangen dann zweifellos zumutbar, wenn eine Sektion nicht vorgesehen ist, es sei denn, der VR kann im Rahmen seines Rechts zu eigenen Erhebungen eine Leichenöffnung verlangen.184 Für die Frage der Zumutbarkeit ist des Weiteren die Person des Pflichtigen zu berück134 sichtigen. So entspricht es der Billigkeit, von einem Anspruchsteller, der nicht VN oder Hinterbliebener des Versicherten, sondern beispielsweise Zessionar ist, nicht in gleicher Weise wie von einem Hinterbliebenen des Versicherten die Beschaffung ärztlicher Zeugnisse zu verlangen, vor allem aus zurückliegender Zeit.185 Stets unzumutbar ist das Verlangen, die Richtigkeit von Auskünften und Belegen 135 durch Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung zu bekräftigen. Die Verwendung entsprechender Formblätter wurde bereits vom RAA untersagt.186 Verlangt ein VR gleichwohl die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung und kommt der Nachweispflichtige dem nach, so kommt einer solchen Erklärung keine besondere Bedeutung zu. Es handelt sich um eine gewöhnliche Erklärung, der ein strafrechtlicher Schutz nicht zukommt. Der VR kann jedoch darauf hinweisen, dass eine falsche Auskunftserteilung oder die Einreichung unechter oder gefälschter Belege strafrechtliche Folgen haben kann. Die Zumutbarkeit entfällt keineswegs deshalb, weil die Verschaffung der vom VR 136 verlangten Belege dazu führt, dass der VR damit seine Leistungsfreiheit nachweisen kann, also weil praktisch der Anspruchsberechtigte dem Forderungsgegner das Material liefern soll, mit dem sich dieser von seiner Leistungspflicht befreien kann. Denn die Pflicht zu weiteren Nachweisen besteht ja gerade zugunsten des VR und soll ihm die Möglichkeit erleichtern, die eigene Leistungspflicht – mithin auch die Möglichkeit einer Leistungsfreiheit – zu überprüfen. 3. Nachweisverlangen

137

Der Anspruchsteller ist nur dann zur Einreichung weiterer Nachweise verpflichtet, wenn der VR ein entsprechendes ausdrückliches Verlangen an ihn gerichtet hat.187 Ein solches Verlangen des VR ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die an den Nachweisverpflichteten zu richten ist. Mit Zugang der Erklärung des VR beim Nachweispflichtigen ist die Nachweispflicht insoweit gegeben, als es der VR zulässigerweise verlangt.

184 185 186

Vgl. § 161 Rn. 24 ff. OLG München 22.10.1924 VA 1924 119 Nr. 1412 = JW 1925 656, 657. VA 1912 99, Entscheidung des Rekurs-

538

187

Senates VA 1926 68; VA 1930 155; VA 1931 154. KG 3.10.1928 JRPV 1928 349.

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Selbsttötung

§ 161

Fordert der VR weitere Nachweise an, so kann hieraus allein nicht geschlossen wer- 138 den, dass der VR damit seine Zahlungspflicht grundsätzlich anerkennt. Denn der VR will mit der Anforderung weiterer Nachweise gerade seine Leistungspflicht prüfen. Wusste der VR bei Beginn der Prüfung des ihm angezeigten Versicherungsfalles jedoch, dass er im eingetretenen Versicherungsfall nicht leistungspflichtig ist, z.B. wegen Zahlungsverzuges des VN mit Beiträgen, so kann man in der vorbehaltlosen Anforderung weiterer Nachweise aber möglicherweise einen Verzicht auf die Geltendmachung der Leistungsfreiheit aus diesem Grunde erblicken. In Betracht kommen dürfte das jedoch nur in seltenen Einzelfällen, da im Allgemeinen ein solcher Verzicht unwahrscheinlich ist. Aber auch dann, wenn aus der vorbehaltlosen Anforderung ein Verzicht des VR deutlich wird, steht es dem VR frei, nachzuweisen, dass die Anforderung der weiteren Nachweise irrtümlich erfolgte.188 Der VR kann im Rahmen seines Rechtes auf weitere Nachweise jeden Beleg und jede Auskunft nur einmal verlangen. Kommt der angeforderte und vom Verpflichteten gelieferte Beleg oder eine dem VR in diesem Rahmen erteilte Auskunft beim VR abhanden, so ist der Nachweispflichtige nicht gehalten, einen neuen Beleg zu liefern oder die gewünschte Auskunft nochmals zu erteilen. Es ist dann ausschließlich Sache des VR, sich den Beleg bzw. das gewünschte Wissen zu verschaffen. Den Nachweispflichtigen trifft jedoch die Beweislast dafür, dass er dem VR den verlangten Beleg bzw. die gewünschte Auskunft erteilt hat. 4. Sonstiges Zu den Kosten vgl. § 161 Rn. 120 f. Bei Nichterfüllung oder verzögerter Erfüllung ist 139 die Rechtslage ebenso wie bei der Verletzung der Belegpflicht, vgl. dazu Rn. 107 ff., 113 ff.

IV. Duldung eigener Erhebungen des Versicherers 1. Rechtsgrundlage Aus den GDV-Musterbedingungen zur Lebensversicherung ergibt sich nicht mehr, 140 dass der VR zu eigenen Erhebungen berechtigt ist. Eine Berechtigung und Verpflichtung des VR zur Durchführung notwendiger Erhebungen ergibt sich jedoch aus der Natur des Lebensversicherungsvertrages, vgl. auch § 14 Abs. 1 und Abs. 2.189 2. Allgemeines a) Rechtsnatur des Rechts des Versicherers zu eigenen Erhebungen. Das Recht des 141 VR zu eigenen Erhebungen ist kein Recht gegen denjenigen, von dem er Auskünfte usw. begehrt, da diese Personen normalerweise in keinem Rechtsverhältnisse zum VR stehen, aufgrund dessen sie dem Verlangen des VR nachkommen müssen. Das Recht des VR besteht vielmehr dem VN, dessen Erben und Hinterbliebenen, dem Versicherten und dessen Hinterbliebenen, eventuell auch sonstigen, aus dem Versicherungsvertrag materiell Berechtigten gegenüber und ist ein Duldungsanspruch. Aus diesem Duldungsanspruch wird der jeweilige Duldungspflichtige verpflichtet, den VR bei seinen Erhebungen in keiner Weise zu behindern, insbes. den Erhebungen nicht zu widersprechen. Gegebenenfalls

188

RG 12.11.1909 Gerhard Prax. 3 135; RG 11.1.1910 Recht 1910 Nr. 783.

189

Dazu im Einzelnen Bruck/Möller/K. Johannsen § 14 Rn. 5 ff.

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539

§ 161

Kapitel 5: Lebensversicherung

muss der Duldungspflichtige den VR auch – soweit erforderlich – bei seinen Erhebungen unterstützen, z.B. durch Erteilung von Auskunftsgenehmigungen an vom VR befragte Stellen oder Personen. Das Recht des VR zu eigenen Erhebungen ist mithin ein Anspruch i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB, gerichtet in erster Linie auf Duldung der im Rahmen von Erhebungen erforderlichen Maßnahmen, in zweiter Linie auf eine erforderliche tätige Unterstützung der Erhebungen durch den Duldungspflichtigen.190

142

b) Verpflichteter. Die Duldungspflicht obliegt in erster Linie dem VN und dessen Rechtsnachfolgern, bei Versicherungen mit fremder Gefahrsperson u.U. auch den Rechtsnachfolgern des Versicherten. Das gilt auch, wenn eine dritte Person in Ansehung der Versicherungsleistung berech143 tigt ist. Die Tatsachen, über die der VR Erhebungen durchführt, betreffen nämlich ausschließlich die Rechtssphären des VN und des Versicherten. Insoweit kann ein in Ansehung der Versicherungssumme berechtigter Dritter nur in Ausnahmefällen duldungspflichtig sein – anders als bei der Anzeigepflicht und den Nachweispflichten, wo er in erster Linie der Pflichtige ist. Ein solcher Ausnahmefall wäre z.B. bei dem Verdacht gegen einen Bezugsberechtigten wegen vorsätzlicher, rechtswidriger Tötung des Versicherten gegeben, vgl. § 162 Abs. 2. Hier würde durch entsprechende Nachforschungen die Sphäre des Bezugsberechtigten betroffen.

144

c) Voraussetzungen des Rechts des Versicherers zu eigenen Erhebungen. Zu eigenen Erhebungen ist der VR unter denselben Voraussetzungen befugt wie zum Verlangen weiterer Nachweise, vgl. dazu oben Rn. 122 ff. Der VR ist nicht verpflichtet, vor der Durchführung eigener Erhebungen zuvor erst weitere Nachweise zu verlangen. Reichen die ohnehin einzureichenden Unterlagen nicht aus, um die Leistungspflicht zweifelsfrei feststellen zu können, so kann der VR also sogleich eigene Erhebungen anstellen. Meist wird der VR auch in dieser Weise verfahren, insbes. auch bei der Befragung von Ärzten des Versicherten und anderer mit dem Gesundheitszustande oder der Todesursache des Versicherten vertrauten Personen oder Stellen. Wenn auch der gedankliche Gehalt des Rechts des VR zu eigenen Erhebungen in 145 erster Linie an den Tod des Versicherten als Versicherungsfall anknüpft, so ergänzt dieses Recht keineswegs nur die beim Tode des Versicherten bestehenden Rechte des VR auf Erstattung der Todesanzeige, Beibringung von Urkunden und Erteilung von Auskünften. Der VR kann eigene Erhebungen vielmehr bei jedem Leistungsverlangen i.S.d. § 11 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw. anstellen.

146

d) Geltung des § 31 Abs. 1 Satz 2. Das Recht des VR zu eigenen Erhebungen folgt nur aus dem Versicherungsvertrage, es entspricht ihm keine Bestimmung des VVG. Von seinem Sinngehalt her muss jedoch § 31 Abs. 1 Satz 2 entsprechend angewendet werden.191 Denn die Duldungspflicht lehnt sich trotz des Unterschiedes im Verhalten des Pflichtigen stark an die Belegpflichten an, vor allem im Hinblick auf Sinn und Zweck der Duldungspflicht und der Belegpflicht. In beiden Fällen wird dem Pflichtigen im Interesse des VR ein bestimmtes Verhalten abverlangt, in beiden Fällen kann die Erfüllung der Forderung des VR auch billigerweise unzumutbar sein.

190

Vgl. Kalka 194.

540

191

Kalka 195; Ehrenzweig 160.

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Selbsttötung

§ 161

3. Gegenstand der Erhebungen a) Allgemeine Grenzen des Erhebungsrechts. Das Recht des VR zu eigenen Erhebun- 147 gen ist mehrfach begrenzt. Die in § 9 Nr. 3 Satz 2 ALB 86 enthaltenen und auch in anderen Lebensversicherungsbedingungen früher üblichen Begrenzungen des Erhebungsrechts in zeitlicher Hinsicht – Beschränkung der Erhebungen auf die Zeit vor Stellung des Versicherungsantrages, die drei auf den Vertragsschluss folgenden Jahre und auf das Jahr vor dem Tode der Gefahrsperson – finden sich in den Bedingungswerken nicht mehr. Aus einer solchen Begrenzung kann jedoch auch heute noch darauf geschlossen werden, was i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 als für den Pflichtigen billigerweise zumutbar anzusehen ist.192 Eine Antragstellung in diesem Sinne kann dabei auch ein Antrag auf Änderung eines bestehenden Versicherungsvertrages oder auf Wiederherstellung einer erloschenen oder beitragsfrei gestellten Versicherung bedeuten, im Sinne des Erhebungsrechts des VR jedoch nur insoweit, als eine erneute vorvertragliche Anzeigepflicht zu erfüllen war oder die Karenzzeit i.S.d. § 161 Abs. 1 Satz 1 erneut zu laufen begann. Beschränkungen des Rechts des VR zu eigenen Erhebungen folgen auch aus weiteren 148 sachlichen Gründen. So kann der VR die gesundheitlichen Verhältnisse von Angehörigen (Erbkrankheiten) nicht nachprüfen, es sei denn, die betroffenen Personen erteilen dem VR ihre Einwilligung, geben dem VR freiwillig eine gewünschte Auskunft oder entbinden ihre Ärzte von der Schweigepflicht usw. Das gilt auch dann, wenn die Angehörigen im Übrigen zur Duldung von Erhebungen verpflichtet sind. Denn die Duldungspflicht umschließt nicht die Verpflichtung, Vorgänge aus der eigenen Sphäre offenzulegen oder die Offenlegung zu dulden. b) Befragung von Ärzten und anderen mit dem Gesundheitszustand des Versicherten oder dessen Todesursache befassten Personen oder Stellen aa) Entbindung von der gesetzlichen Schweigepflicht und die Beschränkungen aus 149 § 213. Von Ausnahmen abgesehen werden sich die eigenen Nachforschungen des VR auf die Befragung von Ärzten, Krankenhäusern und sonstigen Krankenanstalten, Pflegeheimen und Pflegepersonen, anderen Personen-VR, Versicherungsträgern usw. beschränken, die mit den Gesundheitsverhältnissen des verstorbenen Versicherten vertraut waren oder Auskunft über Todesursache und Todesart des Versicherten geben können. Der VR ist zur Einholung solcher Auskünfte regelmäßig befugt. Die befragten Stellen dürfen dem VR die gewünschte Auskunft auch regelmäßig erteilen, da der VN bzw. die Gefahrsperson bei Antragstellung eine ausdrückliche und deutlich gekennzeichnete Klausel mitunterschreibt, die den VR zu solchen Maßnahmen ausdrücklich ermächtigt und die befragten Ärzte, Behörden, Krankenhäuser usw. von ihrer gesetzlichen Schweigepflicht entbindet.193 Darüber hinaus unterliegt die Erhebung der Daten den Beschränkungen aus § 213 Abs. 1.194 Die danach erforderliche Einwilligung in die Datenerhebung kann durch eine Einzeleinwilligung oder durch eine – auch vor Vertragsabschluss gegebene – Generaleinwilligung erteilt werden.195 bb) Pflicht zur Veranlassung eines Arztberichts. Auch wenn Ärzte, Krankenhäuser, 150 Behörden usw. von ihrer gesetzlichen Schweigepflicht entbunden sind oder zur Erteilung einer Auskunft trotz fehlender Entbindung von der Schweigepflicht berechtigt sind und

192 193

Kalka 195. Vgl. dazu ausführlich Bruck/Möller/Winter § 151 Rn. 21 ff.

194 195

Vgl. die Kommentierung zu § 213. Zur vor Abgabe der Vertragserklärung erteilten Einwilligung vgl. § 213 Abs. 2.

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§ 161

Kapitel 5: Lebensversicherung

auch die erforderliche Einwilligung nach § 213 gegeben ist, so hat der VR hieraus noch keinen Rechtsanspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft gegen den Arzt, das Krankenhaus usw. Es fehlt an einem entsprechenden Rechtsverhältnis der befragten Stellen zum VR. Der VR muss sich vielmehr an den für seine Erhebungen Duldungspflichtigen wenden, damit dieser die Erteilung der Auskunft veranlasst. Doch auch hier trifft die um Auskunft ersuchten Stellen nicht immer eine Verpflichtung, dem Auskunftsersuchen Folge zu leisten. Ein ärztlicher Behandlungsvertrag ist ein Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 ff. BGB. Er ist jedoch kein Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB. Bei einem einfachen Dienstvertrage fehlt aber eine Auskunftserteilungspflicht als Nebenpflicht, wie sie bei einem Geschäftsbesorgungsvertrage aus §§ 675, 666 BGB besteht. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Versicherte mit seinem Arzte eine Auskunftserteilung vereinbart hatte, insoweit liegt dann ein Auftrag vor, aus dem der Arzt auch nach dem Tode des Versicherten verpflichtet sein kann.

151

c) Leichenöffnung nach Exhumierung. Eine Leichenöffnung und Exhumierung kann der VR nur in sehr seltenen Fällen im Rahmen seines Rechts zu eigenen Erhebungen verlangen. Von sich aus hat der VR kein Recht, eine Leichenöffnung oder Exhumierung zu veranlassen. Die Befugnis hierzu steht nur staatlichen Stellen und den Angehörigen des Versicherten zu.196 4. Einsicht des Versicherungsnehmers bzw. sonstiger Interessierter in Untersuchungsberichte

152

Der VN, seine Erben oder die des Versicherten sowie der Bezugsberechtigte können ein Interesse daran haben, Einblick in ärztliche Unterlagen zu erhalten, die dem VR im Rahmen seiner Erhebungen zugegangen sind. Ein Recht, in diese Berichte Einblick zu nehmen, ist den Lebensversicherungsbedingungen nicht zu entnehmen.197 In Frage kommt zunächst ein Anspruch aus § 202 analog. Die in dieser Vorschrift 153 geregelten Interessenlage findet sich in vergleichbarer Weise auch in der Lebensversicherung, aus der knappen Begründung zu § 202 lässt sich nicht entnehmen, dass der Auskunftsanspruch auf die Krankenversicherung beschränkt bleiben sollte. Es spricht daher einiges für die entsprechende Anwendung der Vorschrift. § 202 gewährt dabei allerdings nur einen eingeschränkten Schutz, nur der Betroffene kann sich auf § 202 berufen, nicht jeder Anspruchsteller. Gerade in den häufigen Fällen einer vorsätzlichen Selbsttötung im Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit vermag die Anspruchsgrundlage kaum zu helfen. Darüber hinaus ist ein Recht des VN, seiner Erben und Angehörigen, aber u.U. auch 154 weiterer Personen – soweit sie ein rechtliches Interesse daran haben – die im Besitz des VR befindlichen Gutachten und Berichte einzusehen, aus dem Grundgedanken des § 810 BGB heraus zu bejahen. Wollte man ihnen den Einblick verwehren, wäre der VN usw. u.U. nicht in der Lage, Einwände gegen z.B. ein psychiatrisches Gutachten vorzubringen – mag auch der Kreis der Berechtigten umstritten bleiben. Schließlich lässt sich auch eine nebenvertragliche Pflicht des VR aus § 242 BGB bejahen, der versicherten Person und sonstigen Beteiligten zur Klärung der Rechtslage zwischen dem VN und dem VR Einblick in Gutachten bzw. ärztliche Berichte zu gewähren.198

196 197

Vgl. dazu im Einzelnen § 161 Rn. 24 ff. Vgl. dazu OLG Karlsruhe 19.7.2001 VersR 2002 1549.

542

198

Bruck/Möller/Leverenz § 189 Anh. Rn. 2 ff.

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Tötung durch Leistungsberechtigten

§ 162

§ 162 Tötung durch Leistungsberechtigten (1) Ist die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen als des Versicherungsnehmers genommen, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod des anderen herbeiführt. (2) Ist ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt, wenn der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod der versicherten Person herbeiführt. Schrifttum West Murder followed by Suicide (1965); Zehner Zur Anwendung des § 170 Abs. 1 VVG bei Selbstmord des Versicherungsnehmers nach Tötung des Versicherten VersR 1984 1119.

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Tötung durch den Leistungsberechtigten Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer . . . . . 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderfall: Selbstmord des Versicherungsnehmers nach Tötung des Versicherten bei einer Versicherung auf verbundene Leben . . . . . . . . . . a) Problem . . . . . . . . . . . . . . b) Tod des Versicherungsnehmers geht dem Tode des anderen Versicherten voraus . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 4 5 5 5 9

Rn.

II.

III.

IV. 11 11

V. C.

c) Tod des Versicherten geht dem Tode des Versicherungsnehmers voraus . . . . . . . . . . . . . . Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Bezugsberechtigten . . . . . 1. Rechtlicher Ansatz . . . . . . . . . 2. Tatbestand und Rechtsfolge . . . . . Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Zessionar, Pfandgläubiger, Pfändungsgläubiger . . . . . . . . . . Schadenersatzanspruch des Versicherers gegen den Täter . . . . . . . . . . . . Beweislastverteilung . . . . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .

.

13

. . .

15 15 16

.

19

. . .

20 21 22

12

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte Vorgänger von § 162 ist die Vorschrift des § 170 a.F., die nicht nur inhaltlich, son- 1 dern fast wortgetreu übernommen wurde. Dabei konnte eine Regelung wie § 176 Abs. 2 Satz 2 a.F. mit ihrer Bezugnahme auf § 170 a.F. entfallen, weil in § 169 eine allgemeine Verpflichtung des VR zur Zahlung der Rückvergütung bei Leistungsfreiheit nicht mehr enthalten ist und das Gesetz diese Rechtsfolge nunmehr in jedem Fall im Einzelnen festlegen muss (Beispiel: § 161 Abs. 3).

II. Inhalt und Zweck der Regelung § 170 Abs. 1 a.F. ist geschaffen worden, da in der Lebensfremdversicherung – die als 2 Todesfallversicherung auf das Leben nicht des VN, sondern einer fremden Gefahrsperson läuft – die „Gefahr eines Missbrauchs zu unerlaubten Zwecken“ nicht ausgeschlossen

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§ 162

Kapitel 5: Lebensversicherung

werden kann.1 Daher ist nach § 162 Abs. 1 der VR in der Todesfallversicherung von der Verpflichtung zur Leistung befreit, wenn der VN den Tod der Gefahrsperson vorsätzlich und widerrechtlich herbeiführt. § 170 Abs. 2 a.F. beruhte auf ganz ähnlichen Erwägungen und bezweckte – ebenso wie nunmehr die Nachfolgenorm des § 162 Abs. 2 – „den Schutz des VN oder des anderen, auf dessen Person eine Versicherung für den Todesfall genommen ist, gegen eine Lebensgefährdung durch den Bezugsberechtigten“:2 Wenn der Begünstigte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod der Gefahrsperson herbeiführt, so soll „die Bezeichnung als nicht erfolgt gelten. Die Rechtslage ist dann dieselbe, als wenn ein Bezugsberechtigter überhaupt nicht bezeichnet wäre“. Nicht geregelt ist die Konstellation, wenn der Tod von einem Dritten herbeigeführt wird, der nicht Bezugsberechtigter ist (wie beispielsweise ein Zessionar). Ist der Täter Erbe oder Vermächtnisnehmer, so kann der Erwerb nach den Vorschriften zur Erbunwürdigkeit (§§ 2339 Abs. 1 Nr. 1, 2340 ff., 2345 BGB) im Wege der Anfechtungsklage rückgängig gemacht werden. In den Motiven wird darauf verwiesen, dass es dem VR freisteht, in den Bedingungswerken die Leistungsfreiheit auch für weitere Drittbeteiligte anzuordnen.3 Das ist jedoch nicht geschehen, die gesamte gesetzliche Regelung hat in den Bedingungswerken der Todesfallversicherung keine Berücksichtigung gefunden. Es handelt sich bei der Vorschrift des § 162 – ähnlich wie beim Selbstmord – um 3 einen Gefahrenumstandsausschluss, dem in der Schadensversicherung die Vorschrift des § 81 entspricht. § 162 soll das subjektive Risiko in der Todesfallversicherung eingrenzen, vgl. auch § 150 Abs. 2. Der VN bzw. der Bezugsberechtigte ist nicht schutzwürdig.

III. Anwendungsbereich 4

Die Vorschrift des § 162 ist auch anwendbar, wenn der Lebensversicherungsvertrag nicht nur für den Todesfall Versicherungsleistungen vorsieht. Erfasst werden also nicht nur lebenslängliche oder abgekürzte Todesfallversicherungen, sondern auch gemischte Versicherungen, Versicherungen auf einen festen Zeitpunkt, Überlebensrentenversicherungen (hier stellt der VR im Versicherungsfall – Tod des Versicherten bei gleichzeitigem Erleben des Nebenversicherten – das Deckungskapital für die nun auf das Leben des Nebenversicherten wirksam werdende Leibrentenversicherung bzw. für die anlaufende Zeitrente zur Verfügung) und partiell – im Hinblick auf die Todesfallleistung – die Pflegerentenversicherung. § 162 findet auch Anwendung, wenn ein VN bei einer Versicherung auf verbundene Leben den MitVN ermordet.4 Tötet ein Zessionar 5, ein Zweitmarktinvestor, ein Vollstreckungsgläubiger oder ein Pfandgläubiger den VN, so ist § 162 Abs. 2 analog anzuwenden – dazu wird es höchst selten kommen, zumal der Zessionar häufig ein Kreditinstitut, der Zweitmarktinvestor eine Ankaufgesellschaft ist.

1 2 3

Motive 230. Motive 230. Motive a.a.O.

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4 5

OLG Hamm 11.3.1987 VersR 1988 32, 33. Joseph Lebensversicherung und Abtretung (1990) 172, 173.

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Tötung durch Leistungsberechtigten

§ 162

B. Tötung durch den Leistungsberechtigten I. Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer 1. Tatbestand Die Tötung der Gefahrsperson muss vorsätzlich erfolgt sein, der Vorsatz muss sich also auf den Todeserfolg beziehen, es muss der Tatbestand der §§ 211, 212, 213 oder 216 StGB gegeben sein. Ausreichend ist dabei, dass der Täter den Erfolg seines Handelns billigend in Kauf genommen hat (dolus eventualis). Eine vorsätzliche Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 226 StGB) erfüllt den Tatbestand jedoch nicht, ebenso wenig die bloß fahrlässige Tötung (§ 222 StGB). Die Handlung muss ferner widerrechtlich erfolgt sein, bei Notwehr und Selbsthilfe ist der Tatbestand des § 162 also nicht gegeben. Hiervon kann durch vertragliche Vereinbarung nicht abgewichen werden. Der Tatbestand des § 162 ist auch nicht gegeben, wenn ein Schuldausschließungsgrund vorliegt. Herbeiführen bedeutet jede ursächliche, auf den Erfolg gerichtete Handlung. Es genügt, wenn der VN Mittäter, Anstifter oder Gehilfe ist.

5

6 7 8

2. Rechtsfolge Ist der Tatbestand des § 162 Abs. 1 gegeben, so ist jeder Anspruch gegen den VR 9 erloschen. Der VR ist auch zur Herausgabe der Rückvergütung nicht verpflichtet. Sinn und Zweck des § 162 Abs. 1 verlangen, dass der habgierig handelnde VN nicht in irgendeiner Weise begünstigt wird. Steht dem Täter die Forderung nur teilweise zu – z.B. weil sie zum Teil abgetreten 10 oder verpfändet ist – , so ist der VR auch insoweit nicht leistungspflichtig. Wäre der VR zur Leistung z.B. an den Zessionar verpflichtet, so würde der VN von einer Verbindlichkeit befreit – das aber widerspräche dem Gesetzeszweck.6 3. Sonderfall: Selbstmord des Versicherungsnehmers nach Tötung des Versicherten bei einer Versicherung auf verbundene Leben a) Problem. Bei einer Versicherung auf verbundene Leben, bei der die Versicherten 11 häufig Eheleute sind und bei der die Versicherungssumme beim Ableben des zuerst sterbenden Versicherten fällig wird, kann problematisch sein, ob ein Anspruch auf die Versicherungssumme besteht, wenn der VN (der zugleich Gefahrsperson ist) den anderen Versicherten tötet7 und zudem Selbstmord begeht, ohne dass eine gemeinschaftliche Tötungsabsicht besteht. Entscheidend ist dabei, wer von den beiden Versicherten zuerst verstirbt.8 b) Tod des Versicherungsnehmers geht dem Tode des anderen Versicherten voraus. 12 Führen die sich selbst und sodann dem Versicherten beigebrachten Verletzungen zunächst zum Tode des VN und sodann zum Tode des Versicherten, liegt zunächst ein Selbstmord 6 7

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 162 Rn. 10. OLG Hamm 11.3.1987 VersR 1988 32, 33.

8

Vgl. hierzu im Einzelnen Zehner VersR 1984 1119 f.; a.M. OLG Köln 12.1.1998 VersR 1998 301.

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§ 162

Kapitel 5: Lebensversicherung

des VN vor. Die Leistungspflicht des VR bestimmt sich nach den Grundsätzen des § 161. § 162 findet in diesem Fall keine Anwendung.

13

c) Tod des Versicherten geht dem Tode des Versicherungsnehmers voraus. Stirbt der Versicherte als erster, gelangt – dem Wortlaut der Vorschrift nach – § 162 Abs. 1 zum Zuge. Der VR wird von der Verpflichtung zur Leistung frei, auf den später eintretenden Selbstmord kommt es nicht an. Die Anwendung des § 162 Abs. 1 ist bei einer solchen Konstellation allerdings höchst 14 bedenklich. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 162 Abs. 1 ist es zu verhindern, dass ein VN die versicherte Person tötet, um in den Genuss der Versicherungssumme zu gelangen. Begeht der VN – wenn auch mit einem kurzen zeitlichen Abstand – zugleich Selbstmord, verliert § 162 Abs. 1 in aller Regel seinen Sinn: Der Missbrauch, den § 162 Abs. 1 verhindern will, ist unmöglich, der VN kann nicht mehr in den Besitz der Versicherungssumme gelangen. Ist aber § 162 Abs. 1 in einem derartigen Fall nicht anwendbar, so ist die Versicherungssumme auszuzahlen. Auf den kurz nach dem Tode des Versicherten erfolgenden Selbstmord des VN kommt es nicht mehr an. Im Ergebnis ebenso, wenn es im Zuge eines einheitlichen Tatgeschehens zum Tode des Versicherten und zum Selbstmord kommt und wenn § 161 wegen Ablaufs der Karenzfrist nicht einschlägig ist, das OLG Köln9: Der Ablauf der Karenzfrist darf in einem solchen Falle auch mit Blick auf § 162 Abs. 1 nicht unbeachtet bleiben. Es ist „nicht recht einzusehen, warum der Versicherer, der die Leistung auch für den Fall des Selbstmordes verspricht, davon frei werden soll, wenn und soweit der Selbstmord im Rahmen einer Tathandlung vollzogen wird, die unter den Tatbestand des § 170 (nunmehr: § 162) Abs. 1 VVG subsumiert werden kann, weil der mitversicherte Dritte (zufällig) vorverstirbt. Der Senat verkennt dabei durchaus nicht, dass der Selbstmord bei strikter Beachtung des versicherten Risikos im Falle des Vorversterbens des Dritten nicht mehr in der Lage ist, den Versicherungsfall auszulösen, eben weil er bereits zuvor eingetreten war; diese rechtsdogmatische Schwäche aber muss hingenommen werden, um unbillige, von bloßen Zufälligkeiten abhängende Ergebnisse zu vermeiden.“10

II. Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Bezugsberechtigten 1. Rechtlicher Ansatz

15

Das Versicherungsrecht hat ein der Erbunwürdigkeit der §§ 2339–2345 BGB entsprechendes Institut nicht ausgebildet, ein Ansatz dazu findet sich lediglich in § 162 Abs. 2 (bzw. § 183 Abs. 2). 2. Tatbestand und Rechtsfolge

16

Wenn bei einer Todesfallversicherung ein Dritter widerruflich oder unwiderruflich als Bezugsberechtigter bezeichnet ist, so soll mit Hilfe des § 162 Abs. 2 der VN oder die sonstige Gefahrsperson gegen eine Lebensgefährdung durch den Bezugsberechtigten geschützt werden. Tötet der Bezugsberechtigte die Gefahrsperson vorsätzlich und widerrechtlich, bleibt der Anspruch gegen den VR zwar bestehen, steht aber nicht mehr dem

9 10

OLG Köln 12.1.1998 VersR 1998 301. OLG Köln 12.1.1998 VersR 1998 301;

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ebenso Langheid/Wandt/Mönnich § 162 Rn. 6.

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Tötung durch Leistungsberechtigten

§ 162

Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zu. Der verwirkte Anspruch fällt vielmehr dem VN bzw. seinem Rechtsnachfolger zu (sofern nicht der VN eine andere Verfügung getroffen haben sollte).11 Es tritt dieselbe Rechtslage ein, wie wenn der Bezugsberechtigte überhaupt nicht bezeichnet worden wäre.12 Ist der Bezugsberechtigte zugleich Erbe, so gelangen die §§ 2339 Nr. 1, 2341 BGB zur 17 Anwendung.13 Die Anfechtungsklage kann vom VR jedoch nicht erhoben werden. Zur Anwendung des § 162 Abs. 1 reicht es nicht aus, dass die begünstigte Ehefrau 18 sich über ihren Mann beklagt und dadurch einen anderen veranlasst, ihn zu ermorden.14

III. Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Zessionar, Pfandgläubiger, Pfändungsgläubiger Eine analoge Anwendung des § 162 Abs. 1 ist geboten, wenn der VN die Rechte aus 19 einer auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Versicherung abtritt, verkauft, verpfändet oder die Rechte gepfändet werden und der Zessionar, der Zweitmarktinvestor, Pfandgläubiger oder Vollstreckungsgläubiger den VN vorsätzlich und widerrechtlich tötet. Die VR haben eine Klausel für diese Fälle in die Bedingungswerke nicht aufgenommen, da es nur ganz selten zu solchen Konstellationen kommt. Die Analogiebildung zu § 162 Abs. 2 führt zu einem angemessenen Interessenausgleich, wenn der Rechtsnachfolger als Anspruchsberechtigter ausscheidet, der VR jedoch nicht gänzlich von der Verpflichtung zur Leistung frei wird: Die Versicherungsleistung, mit Blick auf die der VN während der Vertragsdauer die Beitragsleistungen erbracht hat, geht an den VN bzw. seinen Rechtsnachfolger oder an andere vom VN vertraglich eingesetzte Drittbeteiligte, sofern sie an der Herbeiführung des Versicherungsfalles nicht beteiligt waren. Der Rechtserwerb des Dritten, der den Versicherungsfall (mit)herbeigeführt hat, gilt als nicht erfolgt. Anspruchsberechtigter ist derjenige, der einen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, wenn es z.B. zu der Zession bzw. Verpfändung nicht gekommen wäre. Handelt es sich um eine Fremdversicherung für eigene Rechnung, so geht die Versicherungsleistung an den VN.

IV. Schadenersatzanspruch des Versicherers gegen den Täter Ist der VR verpflichtet, bei Tötung des Versicherten durch einen anderen als den VN 20 die vereinbarte Versicherungssumme auszuzahlen, so kann der VR u.U. nach § 826 BGB von dem Täter Schadenersatz verlangen, wenn dieser den VR bewusst schädigen wollte, so beispielsweise, wenn der Mord nur vorgenommen wird, um die Versicherungsleistung zur Auszahlung zu bringen.15

11 12 13 14 15

KG 25.5.1927 JRPV 1927 226; Römer/Langheid/Römer § 162 Rn. 4. OLG Hamm 27.5.1987 RuS 1987 237. OLG Hamm 27.5.1987 RuS 1987 237. OLG Breslau 8.2.1937 JRPV 1938 91. Sowade Steht der LebensversicherungsGesellschaft ein selbständiger Schadenersatzanspruch gegen denjenigen zu, welcher den Tod des Versicherten schuldhaft verursacht hat?, Diss. Rostock (1902) 74; Tiefenthal

Besteht nach geltendem Reichsrechte ein selbständiger Schadenersatzanspruch der Lebensversicherungsgesellschaft gegen den Urheber der schuldhaften Tötung des Versicherten?, Diss. Leipzig (1905) 40; vgl. auch Hiestand Schadenersatzanspruch des Versicherers gegen den Urheber der Körperverletzung oder Tötung des Versicherten (1896); Stadthagen Stellung der Versicherungsgesellschaft gegenüber demjenigen, der den Tod

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§ 163

Kapitel 5: Lebensversicherung

V. Beweislastverteilung 21

Hierzu gelten keine Besonderheiten. Will sich der VR auf die Leistungsfreiheit berufen, muss er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 162 Abs. 1 oder Abs. 2 darlegen und beweisen. Für eine Unzurechnungsfähigkeit des Täters liegt die Beweislast beim Anspruchsberechtigten.

C. Abdingbarkeit 22

§ 162 ist absolut zwingend, die Vorschrift dient dem Schutze der Gefahrsperson, und eine Nichtberücksichtigung des § 162 wäre sittenwidrig.16

§ 163 Prämien- und Leistungsänderung (1) 1Der Versicherer ist zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt, wenn 1. sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat, 2. die nach den berichtigten Rechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie angemessen und erforderlich ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten, und 3. ein unabhängiger Treuhänder die Rechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 überprüft und bestätigt hat. 2 Eine Neufestsetzung der Prämie ist insoweit ausgeschlossen, als die Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt der Erst- oder Neukalkulation unzureichend kalkuliert waren und ein ordentlicher und gewissenhafter Aktuar dies insbesondere anhand der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren statistischen Kalkulationsgrundlagen hätte erkennen müssen. (2) 1Der Versicherungsnehmer kann verlangen, dass an Stelle einer Erhöhung der Prämie nach Absatz 1 die Versicherungsleistung entsprechend herabgesetzt wird. 2 Bei einer prämienfreien Versicherung ist der Versicherer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zur Herabsetzung der Versicherungsleistung berechtigt. (3) Die Neufestsetzung der Prämie und die Herabsetzung der Versicherungsleistung werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Herabsetzung und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. (4) Die Mitwirkung des Treuhänders nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 entfällt, wenn die Neufestsetzung oder die Herabsetzung der Versicherungsleistung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. Schrifttum Buchholz Die Unabhängigkeit des juristischen Treuhänders in der Lebens- und Krankenversicherung, VersR 2005 866; Buchholz-Schuster Gesetzliches Korsett oder wegweisende Prinzipien zur

des Versicherten schuldhaft verursacht hat unter bes. Berücksichtigung des Duells, Diss. Heidelberg (1912).

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16

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 162 Rn. 15.

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Prämien- und Leistungsänderung

§ 163

Bedeutung und Reichweite des § 172 Abs. 1 Satz 1 VVG in der Lebensversicherung, NVersZ 1999 297; Döring Probleme der Prämienanpassungsklauseln, Diss. Berlin (1981); Engeländer Untersuchung des § 172 Abs. 1 Satz 1 VVG aus aktuarieller Sicht, VersR 2000 274; Fricke Quomodo pacta sunt servanda, VersR 2000 257; Gerwins Zur Rechtsgrundlage einer Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung, NVersZ 1999 55; Grote Die Rechtsstellung der Prämien-, Bedingungs- und Deckungsstocktreuhänder nach dem VVG und dem VAG, ZVersWiss 2002 621; Held Optionen in Lebensversicherungsverträgen (1999); Jaeger Anmerkungen zur gesetzlichen Anpassungsmöglichkeit für Lebensversicherungsverträge, VersR 1999 26; Kollhosser Auslegung des § 172 VVG, VersR 2003 807; Präve Versicherungsaufsicht, Treuhänder und verantwortlicher Aktuar, VersR 1995 733; Reinhard Zu den Voraussetzungen und den Berechnungsmaßstäben für eine Prämienanpassung durch den Krankenversicherer, VersR 2005 489; Renger Über den Treuhänder in der Krankenversicherung, VersR 1994 1257; ders. Die Lebens- und Krankenversicherung im Spannungsfeld zwischen Versicherungsvertragsrecht und Versicherungsaufsichtsrecht, VersR 1995 866; Römer Für eine gesetzliche Regelung zur Anpassung Allgemeiner Versicherungsbedingungen, VersR 1994 125; Wandt Änderungsklauseln in Versicherungsverträgen (2000); Wedler Für eine vertragsrechtliche Möglichkeit zur Prämien- und Bedingungsanpassung in der privaten Rentenversicherung – Das Änderungsrisiko steigender Lebenserwartung als Herausforderung, VW 1996 369.

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I. II.

III. IV. V. VI.

VII. C. D.

I. II. III. IV. V. E. I. II.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Änderungsvoraussetzungen und Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Qualifikation der Anpassung Voraussetzungen der Anpassung . . . . 1. Änderung des Leistungsbedarfs . . . . 2. Keine vorübergehende Veränderung . 3. Keine vorhersehbaren Veränderungen 4. Angemessenheit und Erforderlichkeit der neu festgesetzten Prämie . . . . . Beteiligung eines Treuhänders . . . . . . Keine Anpassung bei ursprünglich unzureichender Prämienkalkulation . . . . . Anpassung der Bestimmungen zur Überschussbeteiligung . . . . . . . . . . . . Anpassung durch Neufestsetzung der Prämie und Herabsetzung der Versicherungsleistung . . . . . . . . . . . . . . Wirksamwerden der Prämienneufestsetzung und der Leistungsverkürzung . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . Anhang I: Vertraglich begründete einseitige Anpassungsmöglichkeiten außerhalb von § 163 VVG . . . . . . . . . . Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . Beispiel: Veränderung externer Umstände Eingriffsgrenze . . . . . . . . . . . . . Bezugsgröße . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers, Leistungsherabsetzungsrecht . Anhang II: Ausgewählte sonstige Änderungen des Lebensversicherungsvertrages Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten der Wertsicherung bei Geldwertschwankungen . . . . . . . . . 1. Geldwertschwankungen . . . . . . .

1 1 5 9 11 11 15 15 17 18 19 20 24 25

26 28 31

32 32 34 36 37 38 39 39 40 40

Rn. 2. Möglichkeiten der Wertsicherung . . . a) Indexversicherung . . . . . . . . . b) Fondsgebundene Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überschussbeteiligung . . . . . . . III. Anpassungsversicherungen . . . . . . . 1. Begriffliches – Keine Anpassung wegen einer Veränderung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung . . . 2. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . 3. Anpassungsvarianten . . . . . . . . . a) Prämienprimat . . . . . . . . . . . b) Leistungsprimat . . . . . . . . . . c) Vorkommen und Mischformen . . d) Sonderformen . . . . . . . . . . . e) Rechtliche Ausgestaltung . . . . . 4. Anwendungsbereich, Zusatzversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einmalige Erhöhungsaktion mit vereinfachter Gesundheitsprüfung . . . . . . IV. Sonstige Vertragsänderungen . . . . . . 1. Änderungsbegriff und Abgrenzungen . 2. Beratungs-, Informations- und Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers . 3. Änderungen des Lebensversicherungsvertrages wegen verschlechterter wirtschaftlicher Lage des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlegung von Beginn und Ablauf der Versicherung . . . . . . . . . . b) Stundung der Versicherungsprämien c) Risikoversicherung statt kapitalbildender Versicherung . . . . . . . d) Übergang von jährlicher auf monatliche Prämienzahlung . . . . . . . . e) Verlängerung der Versicherungsdauer f) Herabsetzung der Versicherungssumme . . . . . . . . . . . . . . . g) Ruhensvereinbarung . . . . . . . .

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44 45 47 49 50

50 51 55 56 58 59 60 62 64 65 66 66 69

71 72 74 75 76 77 78 79

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§ 163

Kapitel 5: Lebensversicherung Rn.

4. Umtausch bei einer Risikoumtauschversicherung . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Umtauschrecht . . . . . . . . . . . c) Anschlussversicherung . . . . . . . d) Höchstalter für den Umtausch . . . e) Beginn und Dauer der Anschlussversicherung . . . . . . . . . . . . f) Umtauschtermin als maßgebender Zeitpunkt für die Wahl der Versicherungsbedingungen, der Tarife und die Festsetzung des versicherungstechnischen Alters für die Anschlussversicherung . . . . . . . . . . . . g) Risikozuschläge . . . . . . . . . . .

Rn. h) Beginn der Wartezeiten und der anderen Fristen bei der Anschlussversicherung . . . . . . . . . . . . i) Teilumtausch . . . . . . . . . . . . 5. Ruhen des Lebensversicherungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur der Ruhensvereinbarung b) Ruhenszeitraum und Vertragsdauer . c) Leistungspflichten . . . . . . . . . . d) Weiterlaufen der Versicherung nach Beendigung der Ruhenszeit . . . . . e) Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vertragsänderung durch den Versicherer wegen nachträglicher Kostensteigerungen

81 82 84 88 91 92

94 96

97 99 100 100 104 106 107 108 109

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

Die Vorschrift des § 163 übernimmt im Wesentlichen die Regelungen des § 172 Abs. 1 und 3 Satz 1 a.F. Zur Schaffung der Bestimmung des § 172 a.F. war es erst 1994 gekommen. In der Zeit vor 1994 unterlagen die Versicherungsbedingungen der Vorabkontrolle durch die Aufsichtsbehörde. Auch Klauseln, nach denen eine Anpassung der Prämien in der Lebensversicherung vorgenommen werden konnte, unterfielen der Genehmigungspflicht. Da gem. Art. 34 Abs. 1 Gesamtrichtlinie Leben seit 1994 die Vorabgenehmigung der Bedingungen und Tarife durch die Aufsichtsbehörde entfiel, war auch keine Kontrolle von Anpassungsklauseln mehr zulässig.1 Das führte zur Schaffung des § 172 a.F. Nach dieser Vorschrift waren Prämienanpassungsklauseln, wie sie nach den Vorgaben des Absatzes 1 auszugestalten waren, möglich, allerdings nur in der Risikolebensversicherung. In der kapitalbildenden Versicherung hatte der VR die Möglichkeit der Querverrechnung von Überschüssen und Verlusten, wie sie seit 2008 (§ 4 Abs. 1 Satz 2 MindZVO) nicht mehr gegeben sind und wie sie eine Neufestsetzung der Prämie nicht als erforderlich erscheinen ließen. Die Vorschrift des § 163 bezieht sich daher nunmehr auch auf die kapitalbildenden Lebensversicherungsformen, also auf die gesamte Lebensversicherung. § 172 Abs. 2 a.F. wurde durch § 164 übernommen. Nach dem neuen Satz 2 des Absatzes 1 ist eine Neufestsetzung der Prämie nicht zu2 lässig, wenn die bisherige Prämie in erkennbarer Weise unzureichend kalkuliert worden ist. Damit wird die Regelung des § 12b Abs. 2 Satz 4 VAG, wie sie für die Krankenversicherung geschaffen wurde, für die Lebensversicherung übernommen.2 Durch die gleichfalls neue Vorschrift des § 163 Abs. 2 wird dem VN die Möglichkeit 3 gewährt, anstelle der Prämienerhöhung eine Herabsetzung der Versicherungsleistung zu verlangen. Damit wird eine Lücke in der bisherigen Regelung geschlossen.3 Absätze 3 und 4 stimmen im Wesentlichen mit § 172 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 Satz 3 4 a.F. überein.4

1 2

Begr. RegE BTDrucks. 12/6959 S. 102. BTDrucks. 16/3945 S. 99.

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3 4

BTDrucks. 16/3945 S. 99. BTDrucks. 16/3945.

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Prämien- und Leistungsänderung

§ 163

II. Inhalt und Zweck der Regelung Angesichts der Langfristigkeit der Lebensversicherungsverträge – mit Laufzeiten teilweise bis über 40 Jahre5 – können Risiko- und Kostenänderungen bei Vertragsschluss nicht genügend genau vorausgesagt werden. Auch wenn die Prämienkalkulation so vorsichtig erfolgt, wie § 11 Abs. 1 VAG es voraussetzt, können nachträgliche Äquivalenzstörungen nicht ausreichend abgedeckt werden. Das gilt insbes. für Abweichungen gegenüber den ursprünglichen Kalkulationsannahmen. Zumal der VR kein ordentliches Kündigungsrecht besitzt, sieht § 163 daher ein Recht des VR auf Neufestsetzung der Prämie vor, eine Abweichung gegenüber dem auch im Versicherungsrecht geltenden Grundsatz pacta sunt servanda. Die Neufestsetzung der Prämie wäre im allgemeinen Zivilrecht nur nach § 313 BGB möglich. Die Regelung des § 163 unterscheidet sich davon nach ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen, sie greift insbes. schon, wenn die Opfergrenze noch nicht erreicht ist. Dem VR ist daran gelegen, schon bei einer vergleichsweise geringen Äquivalenzstörung zu einer Prämienheraufsetzung zu gelangen. Das Anpassungsrecht des § 163 liegt jedoch nicht nur im Interesse des VR, sondern auch im Interesse der VN.6 Wäre eine Anpassung nicht möglich, bestände die Gefahr, dass der VR seine Verpflichtungen den VN gegenüber nicht mehr erfüllen könnte. Es handelt sich also auch um eine für die VN vorteilhafte Bestimmung, welche sie „um den Preis einer möglichen Korrekturmaßnahme des Versicherers in den Genuss einer dauerhaft erfüllbaren Versicherungsleistung bringen soll“.7 Dabei hat sich der Gesetzgeber bemüht, mit der Ausgestaltung des § 163 zu einer sachgerechten Abwägung zwischen den Interessen der VN an dauerhaft konstanten Prämien und Leistungen und den Interessen der VR an der ordnungsgemäßen versicherungstechnischen Abwicklung ihres Bestandes zu gelangen. Das Gesetz bezweckt einen vertretbaren Interessenausgleich. Mit der zum Schutze der VN vorgesehenen Treuhänderbeteiligung nach § 163 Abs. 1 Nr. 3 soll die Umsetzung der durch das Gesetz aufgestellten Anforderungen an eine Prämienerhöhung gewährleistet werden. Der unabhängige Treuhänder soll insbes. die Angemessenheit und Erforderlichkeit der Neufestsetzung, wie sie in § 163 Abs. 1 Nr. 2 vorgesehen ist, überprüfen. Damit soll möglichen Fehlern des VR bei der Beurteilung einer unverzichtbaren Beitrags- und Leistungsanpassung entgegengewirkt werden. Mit § 163 Abs. 2 wird eine Lücke geschlossen, die die Vorgängerregelung enthielt: Fällt es einem VN schwer, die Versicherung angesichts der Erhöhung der Prämie fortzusetzen, hat er die Möglichkeit, den Beitragsanstieg durch eine entsprechende Herabsetzung der Versicherungsleistung ersetzen zu lassen.8 Eine solche Herabsetzung ist auch gegeben, wenn der VN nicht mehr zur Prämienzahlung verpflichtet ist (Einmalprämie, Eintritt der Beitragsfreiheit9).

5

Zu Recht hat schon Jaeger VersR 1999 26 darauf hingewiesen, dass die herkömmliche Laufzeitermittlung anhand der gemischten Kapitalversicherung ein falsches Bild vermittelt: Schließt eine heute 20jährige Frau einen aufgeschobenen Rententarif ab, so kann mit einer wesentlich höheren Vertragsdauer gerechnet werden (auch 60, 80 Jahre oder mehr).

6

7 8 9

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 163 Rn. 1; Buchholz-Schuster NVersZ 1999 297, 299. Buchholz-Schuster NVersZ 1999 297, 299 BTDrucks. 16/3945 S. 99. Vgl. BTDrucks. 16/3945 S. 99.

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5

6

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8

§ 163

Kapitel 5: Lebensversicherung

III. Anwendungsbereich 9

Die Vorschrift des § 163 ist auf sämtliche Lebensversicherungsformen anwendbar, eine Einschränkung wie nach § 172 Abs. 1 Satz 1 a.F. ist im Gesetz nicht mehr enthalten. Nach § 176 findet § 163 analoge Anwendung auf die Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei Kapitalisierungsgeschäften gilt die Bestimmung nicht. Auf Altverträge findet sie ab 1.1.2009 Anwendung. Hier greift als Sonderregelung für 10 den Altbestand § 163 Abs. 4, wonach für diese Verträge wie auch zuvor (§ 172 Abs. 1 Satz 3 a.F.) die Mitwirkung eines Treuhänders entfällt, wenn die Änderungen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen (wie diejenigen Altverträge, die bis zum 28.7.199410 bzw. zwischen dem 28.7.1994 und dem 1.1.1995 geschlossen wurden).11 Denn durch die Zustimmung des Treuhänders soll die dem Schutz des VN gleichfalls dienende Genehmigung der Aufsichtsbehörde ersetzt werden.

B. Änderungsvoraussetzungen und Anpassung I. Rechtliche Qualifikation der Anpassung 11

§ 163 Abs. 1 Satz 1 gewährt dem VR ein einseitiges, gesetzliches Gestaltungsrecht zur Anpassung der vereinbarten Lebensversicherungsprämie.12 Die Aufnahme einer entsprechenden Neufestsetzungsklausel in die Bedingungswerke der Lebensversicherung ist nicht erforderlich, sie kann auch nicht aus § 10 Abs. 1 Nr. 4 VAG abgeleitet werden, weil sich diese Bestimmung auf vertragliche und nicht – wie hier – gesetzliche Gestaltungsrechte bezieht. Das Recht zur Neufestsetzung der Prämie gilt nicht nur für Lebensversicherungsver12 träge, bei denen laufende Prämien noch zu zahlen sind. Es findet auch bei Verträgen Anwendung, bei denen eine Einmalprämie gezahlt worden ist, die beitragsfrei gestellt worden sind oder bei denen die Beitragszahlungsdauer abgelaufen ist und die Versicherungen sich im Leistungsbezug befinden. Wollte der VR diese Verträge in die Regelung des § 163 nicht mit einbeziehen, so läge darin ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 11 Abs. 2 VAG. Eine Neufestsetzung kann nicht unzulässig sein, nur weil die Prämienleistung unterschiedlich vereinbart worden ist. Eine Änderung bei der Berechnung der Beitragshöhe ist beispielsweise bei einer Rentenversicherung auch im Leistungsbezug möglich, und zwar zumindest im Hinblick auf eine Leistungsherabsetzung i.S.d. § 163 Abs. 2: So geht Satz 2 dieser Bestimmung davon aus, dass (beispielsweise) bei einer prämienfreien Versicherung der VR unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zur Leistungsanpassung berechtigt ist.13 Auch diese Leistungsherabsetzung ist durch eine einseitige Erklärung des VR möglich. Sinn macht jedoch auch eine Prämiennachforderung des VR für den Fall, dass der VN sich mit einer niedrigeren Versicherungsleistung nicht zufrieden geben möchte.14 Prämiennachschüsse können jedoch nicht erzwungen werden. Alternativ kann

10 11 12

Vgl. § 11c VAG. Kollhosser VersR 2003 807, 808. Kollhosser VersR 2003 807; Jaeger VersR 1999 26; Buchholz-Schuster NVersZ 1999 297, 302; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 163 Rn. 2; Prölss/Martin/Schneider § 163 Rn. 5.

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13

14

Vgl. auch BTDrucks. 16/3945 S. 99 zu § 163 Abs. 2. Zum Verhältnis der Vorschrift des § 163 zu anderen Bestimmungen vgl. Langheid/Wandt/Wandt § 163 Rn. 12 ff. Vgl. Kollhosser VersR 2003 807, während Jaeger VersR 1999 26, 27 und BuchholzSchuster NVersZ 1999 295, 302 bei § 172

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Prämien- und Leistungsänderung

§ 163

nach einer einseitigen Leistungsherabsetzung des VR zwischen den Vertragsparteien individuell vereinbart werden, dass die Prämienzahlung neu aufgenommen wird.15 Die Vorschrift ist lex specialis für die Lebensversicherung im Verhältnis zu den allge- 13 meinen schuldrechtlichen Vorschriften und insbes. auch § 313 BGB. Prämienanpassungen sind insoweit allein an § 163 zu messen und nicht an §§ 305 ff. BGB.16 Sie ist auch – ebenso wie § 203 für die Krankenversicherung – lex specialis zur Regelung des § 40 hinsichtlich eines Kündigungsrechts bei einer Prämienanpassungsklausel.17 Durch die Vorschrift des § 163 werden die Vertragsparteien jedoch gehindert, weitere 14 Anpassungsmöglichkeiten zu vereinbaren.18 Das wird durch die Gesetzesbegründung klargestellt.19 Der Auffassung von Krause 20 kann daher nicht gefolgt werden. Eine Anpassungsklausel, die nicht von § 163 erfasst wird und in die AVB aufgenommen wird, unterliegt der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB.

II. Voraussetzungen der Anpassung 1. Änderung des Leistungsbedarfs Was unter Änderung des „Leistungsbedarfs“ gegenüber den „Rechtsgrundlagen der 15 vereinbarten Prämie“ zu verstehen ist, erweist sich sowohl aus aktuarieller als auch juristischer Sicht als verständlich und klar formuliert.21 Der Hinweis auf § 11 Abs. 1 VAG, wonach die Prämien unter Zugrundelegung angemessener versicherungsmathematischer Annahmen kalkuliert und so hoch sein müssen, dass der VR seinen Verpflichtungen nachkommen kann, hilft hinsichtlich der Einzelheiten allerdings ebenso wenig weiter wie der Hinweis auf die Rechnungsgrundlagen.22 Zu ihnen gehören insbes. die Verwendung findenden Wahrscheinlichkeits- und Sterbetafeln, aus denen sich die versicherungstechnischen Risiken in Form von biometrischen Rechnungsgrundlagen ergeben, aber auch der Rechnungszins, die Kostenzuschläge usw. Der Leistungsbedarf bezieht sich dabei nach fast allgemeiner – insbes. auch aktuarieller – Auffassung nur auf die biometrischen Rechnungsgrundlagen, so dass es in der Rentenversicherung beispielsweise zu einer Änderung des Leistungsbedarfs kommen kann, wenn die Krebskämpfung erhebliche Fortschritte erkennen lässt und sich die Lebensdauer der Bevölkerung deutlich verlängert.23 Nicht erstrecken würde sich § 163 bei einer solchen Auslegung auf die Änderung des Leistungsbedarfs wegen einer länger andauernden geringeren Kapitalmarktrendite oder der Entstehung höherer Kosten. Das ergibt sich allerdings weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Bestimmung. Angesichts der erheblichen Reduzierung der Kapitalmarktergebnisse während des letzten Jahrzehnts kann sich auf die Dauer für die LebensVR ein erheblicher Nachreservierungsbedarf und darüber hinaus die Notwendigkeit einer Prämienerhöhung ergeben. Daher muss eine Prämienänderung – wenn die übrigen Voraussetzungen einer Prämienanpassung gegeben sind – auch auf solche Faktoren und

15 16 17 18

Abs. 1 VVG a.F. zu einer alleinigen Leistungsverkürzung tendieren. Begr. BTDrucks. 16/3945 S. 99. Präve VersR 1995 733, 737 zu § 172 VVG a.F. Vgl. dazu Bruck/Möller/Beckmann zu § 40. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 163 Rn. 3; Prölss/Martin/Schneider § 163 Rn. 2.

19 20 21 22 23

BTDrucks. 16/3945 S. 99 zu § 163 Abs. 1. Looschelders/Pohlmann/Krause § 163 Rn. 18. Zu Recht Engeländer VersR 2000 274, 278 ff. Vgl. dazu im Einzelnen § 153 Rn. 29 ff. Für die Beschränkung der gesetzlichen Anpassung auf eine Veränderung der biometrischen Risiken z.B. Engeländer VersR

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Kapitel 5: Lebensversicherung

nicht nur auf die biometrischen erstreckt werden können, um die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen des VR zu ermöglichen.24 Da es sich bei § 163 um eine halbzwingende Bestimmung handelt, kann diese Vorschrift allerdings zum Nachteil des VN keine analoge Anwendung finden. Dessen bedarf es aber auch nicht. Ein Irrtum des VR allein über den Leistungsbedarf als Grundlage der Prämienkalku16 lation hat keine Veränderung zur Folge, das Irrtumsrisiko ist daher nicht Gegenstand der Vorschrift des § 163. Soweit in der Begründung zu der Anpassungsregelung auf die hohe Gefahr des Irrtumsrisikos für neue Risiken abgestellt wird und damit die Veränderung des pflichtgemäßen Wissenstandes über den Leistungsbedarf bei Abschluss des Versicherungsvertrages angesprochen wird, sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift für eine erweiternde Anwendung. Das gilt allerdings nur insoweit, als die Veränderungen nicht vorhersehbar waren.25 2. Keine vorübergehende Veränderung

17

§ 163 greift nicht, soweit es sich um eine nicht dauerhafte Veränderung handelt. Eine vorübergehende Änderung liegt auf der Hand, wenn sich die für die Berechnung erforderlichen neuen Wahrscheinlichkeiten nicht ermitteln lassen.26 Als vorübergehende Änderungen sind auch zufällige Abweichungen von dem Erfahrungswert zu sehen.27 Zufallsabweichungen (wie bei schweren Grippeepidemien) sind vom VR im Wege des Risikoausgleichs im Kollektiv grundsätzlich zu übernehmen. Die Tragung des Zufallrisikos ist eine zentrale Funktion des VR, eine Übertragung des Zufallrisikos auf den VN wäre „systemwidrig“.28 Häufen sich die Zufallsrisiken über einen längeren Zeitraum, kann die Grenze zur dauerhaften Veränderung allerdings überschritten werden. 3. Keine vorhersehbaren Veränderungen

18

Die Änderung ist nur Gegenstand der Anpassungsregelung, wenn sie nicht voraussehbar ist. Voraussehbar sind solche Umstände, die auf der Grundlage der gegebenen Möglichkeiten und Erfahrungen des VR bei einer sorgfältigen Risikoanalyse erkennbar sind, Maßstab ist somit das Verhalten eines sorgfältigen VR.29 Der VR hat im Rahmen des § 11 Abs. 1 VAG sämtliche Risiken zu berücksichtigen, die auf der Grundlage „ausreichender Vergangenheitserfahrungen über genügend große Bestände“ zu erkennen sind und die „den erforderlichen statistischen Prüfungen standhalten“.30 In diesem Sinne bei Vertragsschluss oder der letzten Prämienheraufsetzung vorhersehbare Risiken sind bei einer Beitragsanpassung nicht zu berücksichtigen. Bei einer fahrlässigen Fehlkalkulation hat der VR das höhere Risiko selbst zu tragen.31

24

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2000 274, 279; Jaeger VersR 1999 26, 28; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 163 Rn. 6; offengelassen von Prölss/Martin/Schneider § 163 Rn. 7. Überzeugend Looschelders/Pohlmann/Krause § 163 Rn. 9. Zur Veränderung des Leistungsbedarfs im Übrigen vgl. im Übrigen Engeländer VersR 2000 274, 278 ff. Zurückhaltend Engeländer VersR 2000 274, 279; Buchholz-Schuster NVersZ 1999 297, 302.

554

26 27 28 29

30 31

Jaeger VersR 1999 26, 29. Engeländer VersR 2000 274, 280. Zutreffend Engeländer VersR 2000 275, 280. Looschelders/Pohlmann/Krause § 163 Rn. 10; Prölss/Martin/Schneider § 163 Rn. 8; Engeländer VersR 2000 274, 280. Engeländer VersR 2000 275, 280. Zu den Anforderungen an den VR vgl. Looschelders/Pohlmann/Krause § 163 Rn. 11.

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4. Angemessenheit und Erforderlichkeit der neu festgesetzten Prämie Der VR darf bei der Berichtigung der Rechnungsgrundlagen grundsätzlich keine Ver- 19 besserung seiner Ertragslage herbeiführen.32 Beschränkt sich die Veränderung der Rechnungsgrundlagen auf das biometrische Risiko, so dürfen die ursprünglichen Sicherheitsmargen insoweit nicht verändert werden. Es soll lediglich das ursprüngliche durch § 11 Abs. 1 VAG vorgegebene Sicherheitsniveau wieder hergestellt werden.33 Will man die Reichweite des § 163 nicht nur auf die biometrischen Rechnungsgrundlagen, sondern beispielsweise auch auf den Rechnungszinsfuß, die Rendite – wie es Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht – erstrecken, so gilt die Änderungseingrenzung insoweit gleichfalls, nur bezogen auf die Anpassungsursache.

III. Beteiligung eines Treuhänders Nach § 163 Abs. 1 Nr. 3 ist es für die Neufestsetzung der Prämie erforderlich, dass 20 ein unabhängiger Treuhänder seine Zustimmung erklärt hat. Der Treuhänder hat durch seine Überprüfung die Belange und Interessen der VN zu wahren. Die rechtlichen Grundlagen für die Bestellung und die Anforderungen an die Person 21 des Treuhänders finden sich in §§ 11b Satz 2, 12b Abs. 3 und 4 VAG.34 Der Aufsichtsbehörde obliegt die Überprüfung der Zuverlässigkeit, der fachlichen Eignung und der Unabhängigkeit des Treuhänders. Der allgemeinen Versicherungsaufsicht unterliegt jedoch grundsätzlich nicht der Treuhänder, sondern weiterhin das VU. Der Treuhänder tritt in seinem Aufgabenbereich teilweise an die Stelle der Aufsichtsbehörde. Der Treuhänder hat daher auch die Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens mit zu berücksichtigen. Der Maßstab der Treuhänderentscheidung darf dem Grundsatze nach nicht ein anderer sein als es der der Aufsichtsbehörde bis 1994 war.35 Auch wenn der Treuhänder nicht in die Behördenstruktur der BaFin integriert ist, erfüllt er gleichwohl öffentliche Aufgaben. Der Staat bedient sich seiner Kenntnisse und Fähigkeiten. Der Aufsichtsbehörde obliegt die Kontrolle der Kontrolleure.36 Sie kann die ordnungsgemäße Amtsausübung der Treuhänder nur teilweise überwachen und kann in bestimmten Fällen ihre Abberufung verlangen.37 Die Versicherungsaufsicht besitzt insoweit eine lediglich gewährleistende Funktion.38 Der Treuhänder hat u.a. eine Überprüfung der ursprünglichen Rechnungsgrundlagen, 22 eine Nachprüfung ihrer Angemessenheit i.S.d. § 11 Abs. 1 VAG zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der tatsächlichen Veränderung des Leistungsbedarfs unter Berücksichtigung der in § 163 Abs. 1 Nr. 1 genannten sonstigen Voraussetzungen, eine Überprüfung des Umstandes, dass angesichts dieser Veränderung die dauernde Erfüllbarkeit der Verträge nicht mehr gewährleistet ist, sowie eine Begutachtung der Angemessenheit und Erforderlichkeit der neuen Berechnungsgrundlagen vorzunehmen.39 Unter Angemessenheit ist auch die rechtliche Angemessenheit in dem Sinne zu verstehen, dass sämtliche rechtlichen Voraussetzungen beachtet worden sind.40 Die Bestätigung des Treuhänders

32

33 34

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 163 Rn. 7; Looschelders/Pohlmann/Krause § 163 Rn. 12; Prölss/Martin/Schneider § 163 Rn. 9; Engeländer a.a.O. 281. Prölss/Martin/Schneider § 163 Rn. 9. Vgl. dazu die Kommentierung Fahr/Kaulbach/Bähr/Kaulbach VAG, 4. Aufl. (2007).

35 36 37 38 39 40

Präve VersR 1995 733, 739. Grote 710 Fn. 2715. Vgl. §§ 11b, 12b Abs. 4, 71 Abs. 3 VAG. Vgl. zu allem Winter Versicherungsaufsichtsrecht 90 ff. Engeländer VersR 2000 282, 283. Kollhosser VersR 2003 807.

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ist Voraussetzung der Wirksamkeit der Prämienanpassung. Die Einschaltung eines Treuhänders dient damit der Richtigkeitsüberprüfung, eine gerichtliche Kontrolle der Prämienfestsetzung wird damit nicht ersetzt oder eingeschränkt.41 Die Mitwirkung des Treuhänders entfällt nach § 163 Abs. 4, falls die Anpassung der 23 Prämie bzw. Versicherungsleistung der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedarf. Das gilt in erster Linie für Altverträge, die bis 1994 auf der Grundlage eines Geschäftsplans geschlossen wurden, der von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden war und nur mit ihrer Genehmigung geändert werden kann. Die Mitwirkung eines Treuhänders ist erst erforderlich geworden, seitdem und soweit eine aufsichtsbehördliche Genehmigung für Neuverträge nicht mehr zulässig war. Aber auch bei Verträgen mit Pensions- und Sterbekassen, bei denen die Lebensversicherungsbedingungen nach §§ 5 Abs. 2 Nr. 3, 118b Abs. 1 Satz 2 VAG nach wie vor zum Geschäftsplan gehören, der allein mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde geändert werden kann,42 bedarf es nicht der Mitwirkung eines Treuhänders.

IV. Keine Anpassung bei ursprünglich unzureichender Prämienkalkulation 24

Nach § 163 Abs. 1 Satz 2 wird die einseitige Anpassung des Lebensversicherungsvertrages soweit ausgeschlossen, wie die bisherige Prämie zuvor unzureichend kalkuliert und das für den Aktuar erkennbar war. Die Regelung kann nicht nur zu einem gänzlichen, sondern auch zu einem partiellen Anpassungsausschluss führen. Mit der Bestimmung des Absatzes 1 Satz 2 wird die für die Krankenversicherung schon zuvor geltende Regelung des § 12b Abs. 2 Satz 4 VAG – die durch § 203 Abs. 2 Satz 4 in Bezug genommen wird – auch für die Lebensversicherung eingeführt. War eine ungünstige Vertragsentwicklung schon bei Vertragsbeginn zu erkennen, so soll der VR diese von ihm zu vertretende Berechnung nicht auf den VN abwälzen können. Entscheidend soll dabei sein, ob der Aktuar die unzureichende Kalkulation erkennen konnte.43 Schneider weist darauf hin, dass ein solcher Ausschluss des Prämienanpassungsrechts nicht unbedenklich sei, wenn durch ein solches Verhalten die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Lebensversicherungsverträgen gefährdet ist;44 er spricht sich daher für eine entsprechend enge Auslegung der Bestimmung aus. Dem kann nicht beigepflichtet werden, die Folgen eines Fehlverhaltens des VR – der sich u.U. zunächst einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffen wollte – können nicht ohne weiteres allein dem VN auferlegt werden. Dem VR stehen auch andere unternehmerische Maßnahmen offen, die sich nicht allein zu Lasten seiner VN auswirken.

V. Anpassung der Bestimmungen zur Überschussbeteiligung 25

Verzichtet hat der Reformgesetzgeber auf eine Einbeziehung der Überschussbeteiligung in die Anpassungsregelung, wie sie sich in § 172 Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. fand. Die damalige Regelung bezog sich allein auf vertragliche Bestimmungen zur Überschussbeteiligung,45 41

42 43

BVerfG 28.12.1999 VersR 2000 214, 215, 216 m. Anm. Reinhard 216 zur Krankenversicherung. § 13 Abs. 1 Satz 1 VAG. BTDrucks. 16/3945 S. 99 zu § 163 Abs. 1; Beispiele bei Schwintowski/Brömmelmeyer/

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44 45

Ortmann § 163 Rn. 13; zu weiteren Einzelheiten Looschelders/Pohlmann/Krause § 163 Rn. 11; vgl. auch Römer/Langheid/Römer § 163 Rn. 12 f. Prölss/Martin/Schneider § 163 Rn. 12. Kollhosser VersR 2003 807, 808.

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eine gesetzliche Regelung, in der die Überschussbeteiligung im Einzelnen und halbzwingend geregelt ist, gab es nicht. Seit § 153 geschaffen wurde, fehlt es nach Auffassung des Gesetzgebers an einem entsprechenden Bedürfnis für eine Anpassungsregelung für die Überschussbeteiligung.46 Der VR kann auf die Höhe der Überschussbeteiligung im Rahmen des § 153 schon bei der Ermittlung des Überschusses Einfluss nehmen, sie also – u.U. allerdings mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde – absenken. Er kann auf die Überschüsse aber auch Zugriff nehmen und kann z.B. nach § 56a Abs. 3 VAG mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde in Ausnahmefällen die RfB im Interesse der Versicherten zur Abwendung eines drohenden Notstandes heranziehen.47 Einer Anpassung der Überschussbeteiligung nach § 163 bedurfte es unter diesen Umständen nach Ansicht des Gesetzgebers nicht. Dabei kann allerdings nicht übersehen werden, dass auch in Zusammenhang mit § 163 der Gesetzgeber – wie bei der Regelung des § 153 – offenbar davon ausgegangen ist, dass Überschüsse grundsätzlich verfügbar sein und eine anhaltende Niedrigzinsphase, Bankenund Staatsschuldenkrisen es auch über drei, vier oder fünf Jahrzehnte hin nicht erforderlich machen werden, die Überschussbildung durch eine Vorschrift wie § 163 anzuheben. Hätte der Gesetzgeber die Vorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 2 a.F. in die Bestimmung des § 163 gleichfalls übernommen, wäre dem VR eine vielleicht doch erforderliche Anpassungsmöglichkeit – soweit er sich nicht schon mit der weiter bestehenden Prämienanpassung helfen kann – erhalten geblieben. Geschlossen wurde die Lücke weithin, nachdem die zusätzlichen Zugriffsmöglichkeiten nach § 56b Abs. 1 VAG Gesetz geworden sind: Heranziehen der RfB zur Ausgleichung von unvorhersehbaren Verlusten aus den überschussberechtigten Verträgen und zur Erhöhung der Deckungsrückstellung bei einer unvorhersehbaren und nicht nur vorrübergehenden Änderung der Verhältnisse.48

VI. Anpassung durch Neufestsetzung der Prämie und Herabsetzung der Versicherungsleistung Die Anpassung erfolgt nach § 163 Abs. 1 durch Neufestsetzung der Prämie durch den 26 VR, sie kann jedoch auch nach Absatz 2 durch Herabsetzung der Versicherungsleistung vorgenommen werden. Die Möglichkeit der Absenkung der Versicherungsleistung ist sowohl für den VN als auch für den VR gegeben. Der VN kann sie verlangen, wenn der Vertrag bei einer Prämienerhöhung durch den VN nicht weitergeführt werden kann oder soll (Abs. 2 Satz 1). Damit soll insbes. den Interessen solcher VN entsprochen werden, für die eine Erhöhung der Prämie wirtschaftlich nicht tragbar ist.49 Satz 1 ist jedoch so formuliert, dass der VN von einer Herabsetzung der Leistung auch Gebrauch machen kann, wenn er die Prämienerhöhung aus anderen Gründen nicht akzeptieren will. Der VN soll nicht verpflichtet sein, den Versicherungsvertrag zu einer höheren Prämie weiterzuführen, als durch VR und VN bei Abschluss des Vertrages vereinbart worden ist. Der VN kann zwar am zuvor vereinbarten Vertrag festgehalten werden, den Vertrag auch bei einer Prämienerhöhung weiterzuführen ist er nicht verpflichtet. Der VN kann die Herabsetzung der Versicherungsleistung nach Absatz 2 Satz 1 nur verlangen, nachdem der VR dem VN gegenüber erklärt hat, dass er von seinem Erhöhungsrecht nach Absatz 1 Gebrauch macht. Das Herabsetzungsverlangen des VN ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung mit rechtsgestaltender Wirkung, einer Annahme des Herabsetzungsverlan-

46 47

BTDrucks. 16/3945 S. 99 zu § 163 Abs. 1. Im Einzelnen dazu Looschelders/Pohlmann/ Krause § 163 Rn. 5.

48 49

Vgl. Bruck/Möller/Winter § 153 Rn. 193. BTDrucks. 16/3945 S. 99 zu § 163 Abs. 2.

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gens durch den VR bedarf es nicht. Eine Frist zur Ausübung des Anpassungsverlangens ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Der VR, der den VN im Rahmen seiner Beratungspflicht nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 über dessen Herabsetzungsrecht aufzuklären hat, kann ihm eine angemessene Frist zur Erklärung über das Herabsetzungsverlangen setzen. Das Herabsetzungsrecht des VR nach Absatz 2 Satz 2 bezieht sich auf den Fall 27 der prämienfreien Lebensversicherung, da bei dieser Versicherungsform „eine Prämienerhöhung durch einseitige Erklärung des Versicherers nicht möglich“ sei.50 Auch wenn sich die Vorschrift nur auf die prämienfreie Versicherung – also einschließlich der in der Lebensversicherung häufig zu findenden Festsetzung einer Einmalprämie bei Vertragsbeginn – bezieht, sie ist (auch erweiternd oder entsprechend) stets anzuwenden, wenn Prämienzahlungen nicht mehr zu erbringen sind.51 Ist dem VN daran gelegen, anstelle einer Leistungsverkürzung weitere Prämienzahlungen zu leisten, um in den Genuss der Versicherungssumme in der ursprünglich festgesetzten Höhe zu gelangen, so können VR und VN eine entsprechende individuelle Vereinbarung dazu treffen.52

VII. Wirksamwerden der Prämienneufestsetzung und der Leistungsverkürzung 28

Macht der VR von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch, so hat er sowohl die Neufestsetzung wie die Leistungsherabsetzung so zu begründen, dass die Entscheidung für den VN nachvollziehbar und für ihn erkennbar ist, dass die maßgeblichen Anpassungsvoraussetzungen gegeben sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass schon bei der Anpassungserklärung dem VN die gesamte Prämienkalkulation und ihre versicherungsmathematischen Zusammenhänge offen zu legen sind. Der VN kann vorprozessual insbes. nicht die Überlassung sämtlicher dem Treuhänder zur Verfügung gestellten Unterlagen verlangen. Der VR hat dem VN auf Nachfrage jedoch den Treuhänder namhaft zu machen. Die Begründung des VR unterliegt der ins Einzelne gehenden rechtlichen und tatsächlichen Prüfung durch die Gerichte. Außerhalb eines Gerichtsverfahrens überwiegt das schutzwürdige Interesse des VR an der Geheimhaltung der Berechnungsunterlagen.53 Die Beweislast für die Anpassungsmitteilung trägt der VR, die Beweislast für das 29 Herabsetzungsverlangen nach § 163 Abs. 2 Satz 1 der VN. Das Wirksamwerden der Anpassung nach § 163 Abs. 3 erfolgt ex nunc. 30

C. Abdingbarkeit 31

Die Bestimmung des § 163 ist halbzwingend, § 171 Satz 1. Zur Zulässigkeit von Prämienanpassungsklauseln, deren Tatbestand durch § 163 nicht abgedeckt wird, vgl. Rn. 16, 32 ff.

50 51

BTDrucks. 16/3945 S. 99 zu § 163 Abs. 2. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 163 Rn. 15; Prölss/Martin/Schneider § 163 Rn. 15; vgl. auch schon Buchholz-Schuster NVersZ 1999 297, 302.

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52 53

BTDrucks. 16/3945 S. 99 zu § 163 Abs. 2. Zum Umfang des Begründungserfordernisses vgl. BVerfG 28.12.1999 VersR 2000 214, 215 f.; OLG Stuttgart 18.1.2007 VersR 2007 639, 640 zur Krankenversicherung.

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D. Anhang I: Vertraglich begründete einseitige Anpassungsmöglichkeiten außerhalb von § 163 VVG I. Rechtlicher Rahmen Wird eine Anpassungsklausel in der Lebensversicherung außerhalb des Rahmens von 32 § 163 VVG vereinbart, so stellt sich insbes. die Frage eines Klauselverbots nach § 308 Nr. 4 BGB, vielleicht auch nach § 307 BGB; gedacht werden kann u.U. auch an § 305c BGB. Nach § 308 Nr. 4 BGB ist – ebenso wie für § 307 BGB – die Aufnahme eines Änderungsrechts des VR unwirksam, wenn es für den VN unzumutbar ist. Die Feststellung der Zumutbarkeit erfolgt vor dem Hintergrund einer Interessenabwägung, bei der dem Interesse des anderen Teils – also des VN – der Vorrang gebührt. Der VN muss sich bei der von ihm zu erbringenden Leistung auf die vertraglich ursprünglich festgesetzte Höhe der Prämie einrichten und verlassen können. Das gilt in besonderem Maße für die Lebensversicherung, zumindest bei der kapitalbildenden Lebensversicherung, bei der die Prämienhöhe im privaten Haushalt weithin sehr belastend wirken kann. Daher können als berechtigte Änderungsinteressen des VR insbes. nur solche Umstände angesehen werden, die bei Vertragsschluss nicht voraussehbar waren. Damit wird auf ein Kriterium verwiesen, das auch in § 163 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 als Änderungsvoraussetzung genannt ist. In solchen Fällen hat das Interesse des VN an einer gleichbleibenden Prämienzahlung zurückzutreten, wenn sonst die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen des VR nicht gewährleistet ist. Dabei ist in Zusammenhang mit der Zumutbarkeit zu berücksichtigen, dass nach der für sämtliche Versicherungszweige geltenden Vorschrift des § 40 dem VN bei einer einseitigen Prämienerhöhung ein Kündigungsrecht zu gewähren ist, dessen Ausübung bei der kapitalbildenden Lebensversicherung für den VN allerdings problematisch ist.54 Deshalb ist § 163 einen anderen Weg gegangen und hat dem VN die Möglichkeit eingeräumt, eine Leistungsverkürzung zu verlangen, zumal ihm ein jederzeitiges Kündigungsrecht ohnehin zur Verfügung steht. Orientiert sich die Anpassungsklausel an § 163, kann sie den VN nicht unangemessen benachteiligen. Die Charakterisierung einer Anpassungsklausel als überraschend dürfte in aller Regel nicht in Frage kommen. Ein Anpassungsrecht des VR lässt sich nach den gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu berück- 33 sichtigenden Interessen beider Vertragspartner dabei nur rechtfertigen, „wenn durch unvorhergesehene Änderungen, die der Versicherer nicht veranlasst und auf die er auch keinen Einfluss hat, das bei Vertragsschluss vorhandene Äquivalenzverhältnis in nicht unbedeutendem Maße gestört wurde“.55 In der Lebensversicherung – in der der VR kein Recht zur ordentlichen Kündigung des Vertrages besitzt – besteht zudem die Gefahr, dass sich der VR mit Hilfe einer Anpassungsklausel berechtigten Leistungserwartungen der VN entzieht.56

II. Beispiel: Veränderung externer Umstände Die Gewährung eines einseitigen Erhöhungsrechts des VR in Zusammenhang mit 34 langfristig instabilen Finanzmärkten oder für den Fall eines langfristigen Rückgangs des Renditeniveaus dürfte nicht auf Bedenken vor dem Hintergrund des § 308 Nr. 4 oder von § 307 BGB stoßen. Anders verhält es sich bei der Einräumung eines Anpassungs-

54 55

Vgl. im Einzelnen § 163 Rn. 38. BGH 17.3.1999 VersR 1999 697, 698 zur Rechtsschutzversicherung.

56

Vgl. Wandt Änderungsklauseln, Rn. 369.

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rechts in Zusammenhang mit Zufalls- bzw. Irrtumsrisiken.57 Die Übernahme des Zufallsrisikos durch den VR entspricht dem „ureigensten“ Unternehmenszweck des Versicherungsunternehmens,58 fahrlässige Fehlkalkulationen sind für den VR in der Regel vermeidbar, auch ihre Abwälzung auf den VN ist höchst problematisch und im Zweifel als unwirksam anzusehen.59 Auch die Rspr. hat seit jeher die Notwendigkeit der Veränderung externer Umstände 35 als Änderungsanlass betont: „Durch den Versicherungsvertrag wird ein spezifisches Risiko gegen Entgelt versichert. Der Versicherer übernimmt damit gemäß dem Grundsatz der Risikospezialität nur die Gefahr, die Gegenstand seines vertraglichen Leistungsversprechens ist. Er trägt dagegen nicht – darüber hinaus – auch noch das Risiko einer nicht durch den Eintritt gerade der vertraglich übernommenen spezifischen Gefahren bewirkten, sondern auf sonstige Umstände zurückzuführenden grundlegenden Äquivalenzstörung. Es widerspricht den wesentlichen Grundgedanken des Versicherungsvertragsrechts deshalb nicht, wenn eine Preisänderungsklausel eine außerhalb des versicherten Risikos auftretende Änderung der für die Preisgestaltung wesentlichen Umstände vorsorglich berücksichtigt. Der Versicherungsvertrag, durch den Versicherungsschutz gegen Entgelt gewährt wird, unterscheidet sich … in diesem Punkt nicht von anderen gegenseitigen Schuldverhältnissen, bei denen nachträgliche Einwirkungen auf die im Vertrag vorausgesetzte Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung zulässigerweise in Preisänderungsklauseln aufgefangen werden.“60

III. Eingriffsgrenze 36

Wenn eine Prämienanpassungsklausel auch schon in einem Stadium der Veränderung greift, bei dem die Opfergrenze im Sinne einer Erschütterung der Geschäftsgrundlage noch nicht erreicht ist, darf andererseits aber nicht schon jede deutliche Änderung eines für die Prämienberechnung relevanten Umstandes zu einer Anpassung berechtigen. Die Änderung muss vielmehr ein gewisses Ausmaß erreicht haben; der BGH spricht von einer Störung „in nicht unbedeutendem Maße“.61 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die VR die Prämie mit einem Risikozuschlag kalkulieren, der in der Regel zumindest 10 % beträgt. Die Prämie darf erst dann erhöht werden, wenn auch der Sicherheitszuschlag beispielsweise die gestiegenen Kosten nicht mehr deckt. Weil der Sicherheitszuschlag aber auch zum Ausgleich zufalls- und irrtumsbedingter Verluste, die nicht im Wege der Prämienerhöhung abgefangen werden können, dient, ist es erforderlich, die Eingriffsgrenze niedriger anzusetzen.62 Diese Eingriffsgrenze, die angesichts der Opfergrenze bei der Erschütterung der Geschäftsgrundlage auffällig niedrig ist, dürfte auch in der Lebensversicherung Verwendung finden können.

IV. Bezugsgröße 37

Die Problematik der Bezugsgröße, an die die Prämienanpassungsklausel anknüpft, hat eine besondere Bedeutung erlangt. Sie muss gewährleisten, dass die Klausel tatsächlich nur bei Verwirklichung des Änderungsrisikos die Möglichkeit einer Anpassung eröffnet

57 58 59 60

Vgl. dazu schon § 163 Rn. 16, 17. Buchholz-Schuster NVersZ 1999 297, 302. Buchholz-Schuster NVersZ 1999 297, 302. BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 221–227.

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61 62

BGH 17.3.1999 VersR 1999 697, 698. Vgl. Döring 69; BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 226.

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und sich der VR nicht über ungerechtfertigte Prämienerhöhungen seines spezifischen Risikos entledigt und damit den Vertragsinhalt qualitativ verändert. Die Bezugsgröße einer Anpassungsklausel muss andererseits geeignet sein, Verwirklichungen des Änderungsrisikos möglichst umfassend und eindeutig erkennen zu lassen. Darüber hinaus muss sie praktikabel sein. Als sachgerechte Bezugsgröße wurde in der Schadensversicherung zunächst die branchenbezogene Schadensquote eines Geschäftsjahres verwandt, da sie einen präzisen Aufschluss über den allgemeinen Schadensverlauf gibt. Gegenwärtig hat sich in der Praxis eine Kombination aus durchschnittlicher Schadenshöhe und Schadensfrequenz durchgesetzt, weil auf diese Weise noch aktualitätsbezogener die letzten Schadensentwicklungen unmittelbar zu berücksichtigen sind. Dabei ist aber auch die Situation des einzelnen VR einzubeziehen, so dass der VR sich nicht auf die schlechten Ergebnisse der Branche berufen kann, wenn er selbst günstige Ergebnisse aufzuweisen hat. Darüber hinaus ist auch ausreichend nach Risikogruppen zu differenzieren, wenn sich die Risikogruppen in ihrem Ergebnisverlauf unterschiedlich entwickeln. Diese Differenzierung findet ihre Grenze darin, „dass ein mittlerer Erwartungswert nur aufgrund einer hinreichend großen Anzahl von Risiken kalkuliert werden kann – dass also bei einer zu speziellen Abgrenzung der Risiken und Einbeziehung einer dementsprechend geringen Anzahl von Versicherungsnehmern in den Risikoausgleich die Prämie zu ‚teuer‘ werden könnte – und dass dementsprechend im Rahmen einer Prämienanpassungsklausel jede der zu gesonderter Durchführung der Prämienanpassung gebildete Risikogruppe so abgegrenzt werden muss, dass einerseits der unterschiedlichen Schadenentwicklung innerhalb des gesamten Bestands hinreichend Rechnung getragen wird und andererseits ein versicherungstechnisch vertretbarer mittlerer Erfahrungswert gewährleistet bleibt“.63

V. Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers, Leistungsherabsetzungsrecht Nach der halbzwingenden Norm des § 40 kann sich der VN – soweit diese Vorschrift 38 nicht durch § 163 als lex specialis verdrängt wird – bei Prämienerhöhungen aufgrund einer Prämienanpassungsklausel der berechtigten Vertragsanpassung durch eine Kündigung entziehen.64 Während nach der Geschäftsgrundlagenlehre des BGB, wie sie in § 313 BGB zum Ausdruck gelangt ist und die nicht so schnell greift wie eine Prämienanpassungsklausel im Versicherungsrecht, das Veränderungsrisiko auf beide Vertragsparteien zu verteilen ist, wird es nach den Verwendung findenden Anpassungsklauseln gänzlich auf den VN abgewälzt. Die Anerkennung einer solchen Klausel ohne ein entsprechendes Kündigungsrecht würde zu einer allmählichen Steigerung der Prämienleistungen führen, wie sie mit dem Grundsatz der Vertragstreue nicht zu vereinbaren ist. Mit Recht ist dem VN bei einer Beitragsanpassung daher grundsätzlich ein Lösungsrecht i.S.d. § 40 zu gewähren. Soweit es sich um eine Risikolebensversicherung handelt, könnte der VN daher die Versicherung nach § 40 kündigen oder sein ihm ohnehin zustehendes unabdingbares, jederzeitiges Kündigungsrecht nach § 168 ausüben. Anders verhält es sich allerdings bei der kapitalbildenden Lebensversicherung: Hier würde die Kündigung nach wie vor dazu führen, dass dem VN aufgrund der Kündigung wegen Beitragsanpassung deutliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Das Kündigungsrecht des VN ist in diesem

63 64

BVerwG 14.10.1980 VersR 1981 225. Vgl. im Einzelnen die Kommentierung bei Bruck/Möller/Beckmann zu § 40.

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Fall kein geeignetes Äquivalent für eine gänzliche Verlagerung des Änderungsrisikos auf den VN. Solange in der kapitalbildenden Versicherung die Zinsgewinne ausreichend sind, ein etwaiges Änderungsrisiko abzufangen, mag sich die Problematik nicht stellen. In Zeiten, in denen es zu einem nachhaltigen Rückgang der Renditen gekommen ist und das Änderungsrisiko auf diese Weise nicht ausgeglichen werden kann, vermag die Gewährung eines Kündigungsrechts nicht als gleichwertig im Verhältnis zu einer einseitigen Prämienerhöhung empfunden werden. Es liegt daher nahe, sich auch mit Blick auf die Änderungsklauseln an § 163 zu orientieren, der in der Lebensversicherung dem VN keine Kündigungsmöglichkeit gewährt, sondern nur ein Recht auf Herabsetzung der Versicherungsleistung anstelle einer Prämienerhöhung. Wenn der Gesetzgeber in Zusammenhang mit § 163 die Gewährung eines Rechts auf Herabsetzung der Versicherungsleistung in solchen Fällen als dem VN zumutbar angesehen hat, muss das auch für Anpassungsklauseln in der Lebensversicherung gelten, die nicht unter § 163 fallen. Ein Kündigungsrecht steht dem VN nach § 168 ohnehin zu.

E. Anhang II: Ausgewählte sonstige Änderungen des Lebensversicherungsvertrages I. Übersicht 39

Neben der Bedingungsanpassung, wie sie in § 164 geregelt ist, und der Prämien- und Leistungsänderung i.S.d. § 163 aufgrund einer nachträglichen Äquivalenzstörung finden sich auch weitere Änderungsmöglichkeiten in der Lebensversicherung (Beispiele: Verlängerung einer Risikolebensversicherung, Aufnahme einer weiteren Gefahrsperson in den Vertrag, Umwandlung einer kapitalbildenden Lebensversicherung in eine Risikolebensversicherung, Herabsetzung der Versicherungssumme, Umwandlung in eine prämienfreie Lebensversicherung, Umwandlung in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung, Eintritt in eine Lebensversicherung, Fortsetzungserklärung in der Gruppenlebensversicherung). Die hierbei zu berücksichtigenden wesentlichen Grundsätze werden unter IV. erörtert. Ihnen vorweg gestellt werden die Problematik von Geldwertschwankungen in der Lebensversicherung (unter II.) sowie die sog. Anpassungsversicherungen (unter III.), zu deren Entwicklung die im Laufe des Lebens naturgemäß steigenden Einkommen der VN und früher – insbes. in den siebziger Jahren – stärkere inflationäre Tendenzen geführt haben.

II. Möglichkeiten der Wertsicherung bei Geldwertschwankungen 1. Geldwertschwankungen

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Wie die Vergangenheit in Deutschland gezeigt hat, können Geldwertschwankungen den Hauptzweck der Lebensversicherung – ein bestimmtes Spar- oder Versorgungsziel unabhängig vom möglichen vorzeitigen Tod des VN zu erreichen – erheblich beeinträchtigen oder ihn vereiteln. In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg entwerteten sich für die VN der Versicherungsschutz und die früher in besserem Geld eingezahlten Ersparnisse in einem zuvor nicht gekannten Ausmaß: Während der US-Dollar Ende 1914 einen Wert von 4,54 Mark und Ende 1918 einen Wert von 8,67 Mark hatte, stieg der Dollarkurs von 292 Mark im April 1922 auf 7589 Mark im Dezember 1922 und auf 25 Milliarden Mark im Monatsdurchschnitt des Oktober 1923. Das führte nicht nur zu einer tiefgreifenden Enttäuschung der Lebensversicherungssparer, sondern auch zu Problemen für die Lebensver-

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sicherung, deren Personalkosten sich durch die ständigen Gehaltsanpassungen an den Lebenshaltungsindex erhöhten und die für die aus Inlandsanlagen zu deckenden Versicherungsleistungen in ausländischer Währung immer größere Beträge aufzuwenden hatten. Infolge der Stabilisierung der Währung im Jahre 1924 entstand eine neue Lage. Das 41 Misstrauen der VN hielt an, und noch längere Zeit hindurch wurden Lebensversicherungsverträge abgeschlossen, bei denen Leistung und Gegenleistung zwar in Inlandswährung ausgedrückt, aber an spezielle Wertmaßstäbe gebunden waren, so beispielsweise an die Preise von Sachgütern, an den Goldpreis oder die Wechselkurse ausländischer Währungen. Diese Wertsicherungsversuche scheiterten jedoch in den Folgejahren an der Desintegration der Weltwirtschaft und der ihr folgenden Devisenbewirtschaftung. Sie wurden durch die Verordnung über wertbeständige Rechte vom 16.9.1940 65 beseitigt und hätten auch in der Währungsgesetzgebung von 1948 keinen Bestand mehr gehabt. In den Jahrzehnten nach der Währungsreform von 1948 standen einer zunächst nied- 42 rigen (nicht mehr als 2–3 %) und später höheren Inflationsrate (aber nicht mehr als 9 %) unterschiedlich wachsende Arbeitnehmereinkommen gegenüber. Während die Zunahme der Arbeitnehmereinkommen zunächst 6–8 % jährlich betrug, später auch höher ausfiel, ging sie sodann jedoch zumindest teilweise zurück, so dass die Arbeitseinkommen die Inflationsrate nicht immer und nicht in allen Bereichen überstiegen. Im Vordergrund des Interesses standen und stehen dabei in der Lebensversicherung die immer wieder notwendige Anpassung des Versicherungsschutzes an das gestiegene Einkommen, die Furcht vor dem Geldwertschwund tritt demgegenüber zurück. Dabei zeigte sich bei höheren Inflationsraten wie z.B. bei einer Inflationsrate von 8%, zumal wenn sie mit einer Wachstums- und Beschäftigungskrise einhergeht, dass sie die Geldvermögensbildung und damit auch die Weiterentwicklung der Lebensversicherung zu beeinträchtigen vermögen. Wie die geschichtliche Entwicklung zeigt, bedeutet die Inflation für die Lebensversicherung ein sehr ernstes Problem, da die Lebensversicherungsverträge grundsätzlich über einen langen Zeitraum laufen und der VR die mit der Inflation verbundene Kostenentwicklung nur bei gleichzeitigem Wachstum und Ausschöpfung aller Rationalisierungsmöglichkeiten abfangen kann. Die Inflation ist in der Lebensversicherung – insbes. auch, wenn sie sich vor dem Hintergrund von Rezession und Arbeitslosigkeit entwickelt – ein nicht nur betriebswirtschaftliches und mathematisches, sondern auch rechtliches Problem. Darüber darf nicht hinwegtäuschen, dass sich die Inflation in Deutschland während 43 der letzten beiden Jahrzehnte zurückgebildet und die Diskussion nicht mehr so deutlich beherrscht hat wie zuvor. Angesichts der jüngsten Finanzkrisen bei einzelnen Staaten und im Bankenbereich deutet sich jedoch an, dass inflationäre Tendenzen im 21. Jahrhundert wieder an Bedeutung gewinnen können. 2. Möglichkeiten der Wertsicherung Im Hinblick auf den Lebensversicherungsvertrag ergeben sich im Wesentlichen drei 44 unterschiedliche Ansätze, um dem Problem der Inflation zu begegnen und eine Wertsicherung zu ermöglichen: Versicherungsprämien und -leistungen können regelmäßig an die Veränderungen eines Indexes angepasst werden, der die Geldwertveränderungen möglichst präzise zum Ausdruck gelangen lässt (sogleich unter Rn. 45 f.). Es kann ferner die Verpflichtung eingegangen werden, den Sparanteil der Prämie in bestimmten Vermögenswerten anzulegen, die als wertbeständig angesehen werden, und die Versicherungsleistung, 65

RGBl I 1521.

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soweit sie aus dem Deckungskapital erbracht wird, nach der Wertentwicklung dieser Anlagen zu bemessen (sodann unter Rn. 47). Schließlich kann dem VN eine so umfassende Beteiligung an den Überschüssen des VR gewährt werden, dass durch die Überschüsse, die durch eine entsprechende Anlage des Vermögens erzielt werden, die Geldentwertung ausgeglichen werden kann (unter Rn. 49). Bei den ersten beiden Möglichkeiten trifft der VN eine bewusste Entscheidung über die Vertragsform und übernimmt dadurch auch insoweit die Verantwortung für die Vorsorge gegen die Geldentwertung.

45

a) Indexversicherung. Das Grundprinzip der Indexversicherung – seit den zwanziger Jahren in mehreren Varianten zum Ausdruck gelangt – geht dahin, dass Prämie und Versicherungsleistung in regelmäßigen Zeitabständen einem geeigneten Wertmesser wie z.B. dem Lebenshaltungskostenindex angepasst wird.66 Die Indexanpassungsversicherung bietet dem VN dabei grundsätzlich – abgesehen vom Verzicht auf eine erneute Risikoprüfung und eine gewisse Einsparung von Abschlusskosten – nichts, was er nicht auch durch Abschluss eines neuen Lebensversicherungsvertrages erreichen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass schon die Überschussbeteiligung des VN zu einer partiellen oder sogar gänzlichen Anpassung der Versicherungsleistung führen kann. Zu unterscheiden sind von einer solchen Indexversicherung Lebensversicherungsver46 träge, die dem VN durch regelmäßige Prämienerhöhungen innerhalb eines bestimmten Rahmens eine einfache und kostengünstige Anpassung des Versicherungsvertrages und damit des Versicherungsschutzes an das gestiegene Einkommen ermöglichen. Auch sie gewähren zugleich Schutz gegen inflationäre Tendenzen.67

47

b) Fondsgebundene Lebensversicherung. Um das Versorgungsziel der Lebensversicherung zu gewährleisten, ist die Vermögensanlage in der Lebensversicherung seit jeher möglichst risikolos gestaltet worden. Es lag und liegt grundsätzlich im Interesse der VN, gegenüber Sachwertanlagen, die ihrer Natur nach schwankungsbehaftet sind, Zurückhaltung zu üben. Dieses Prinzip ist, um das Geldwertrisiko auszuschalten bzw. zu mindern, durch die Einführung der Fondsgebundenen Lebensversicherung durchbrochen worden. Die Idee der Fondsgebundenen Lebensversicherung ist es, breite Bevölkerungskreise 48 durch allmähliches Heranführen an die Anlage in Sachwerten, insbes. in Aktien, unmittelbar am Produktivvermögen und am Wirtschaftswachstum zu beteiligen. Die Fondsgebundene Lebensversicherung wird betrieben, indem ein oder mehrere VR zusammen ein Sondervermögen, den Fonds bilden, in den Werte wie Aktien, Grundbesitz usw. (auch festverzinsliche Wertpapiere und sonstige Werte) aufgenommen werden.68 Bei einer länger dauernden ungünstigen Entwicklung des Anlagemarktes findet die Fondsgebundene Versicherung naturgemäß nur wenig Verbreitung. Eine gesetzliche Regelung hat die Fondsgebundene Lebensversicherung in § 54b VAG gefunden.

49

c) Überschussbeteiligung. Die Überschussbeteiligung ist nicht nur eine Korrektur des notwendigerweise vorsichtig berechneten Beitrags, sondern auch eine Möglichkeit des Ausgleichs für eine Geldentwertung. Die Verbesserung der Überschussbeteiligung auf der Grundlage der seit 2008 geltenden Vorschrift des § 15369 hat dazu geführt, dass es nunmehr möglich ist, die Folgen einer Geldentwertung effektiver auszugleichen oder zumindest zu mindern. 66 67 68

Zur Wirksamkeit vgl. das Preisklauselgesetz. Vgl. dazu Rn. 50 ff. Vgl. im Einzelnen Einf. vor §§ 150–171 Rn. 71 ff.

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69

Vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 153.

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Prämien- und Leistungsänderung

§ 163

III. Anpassungsversicherungen 1. Begriffliches – Keine Anpassung wegen einer Veränderung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung Die Anpassungsversicherung – auch als Dynamische Lebensversicherung als Wachs- 50 tums- oder als Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Versicherungsleistungen bezeichnet – ist eine Lebensversicherungsform mit quasi institutionalisierter Vertragsänderung, bei der eine regelmäßige Erhöhung des Beitrages und der Versicherungsleistungen vorgesehen ist.70 Das Charakteristische der Anpassungsversicherung ist es, dass die Änderung des Vertrages nicht auf einer Veränderung des Verhältnisses von Leistung (Gefahrtragung) und Gegenleistung (Prämienzahlung) beruht. Dabei handelt es sich insofern um eine automatische Anpassung der Beiträge und der Versicherungsleistungen, als diese dem Grunde nach bei Vertragsbeginn fest vereinbart wird. Die Vereinbarung bezieht sich dabei primär auf die Erhöhung des jeweiligen Beitrages, wobei sodann jede Beitragserhöhung zu einer bestimmten Erhöhung der Versicherungsleistungen führt. Der Umfang der einzelnen Beitragserhöhung kann dabei im Voraus, also schon bei Vertragsschluss fest vereinbart werden. Verbreitet ist auch die Vertragsform, bei der sich die Anpassung nach der Steigerung des Höchstbeitrages in der Gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten richtet. Die Anpassungsversicherung zeichnet sich dabei insbes. dadurch aus, dass sich die Gefahrsperson nicht – wie bei sonstigen Vertragserhöhungen – einer erneuten Gesundheitsprüfung unterziehen muss. Versicherungstechnisch ist der Verzicht auf eine Gesundheitsprüfung möglich, weil sich angesichts der Automatik der Anpassungen eine Antiselektion nicht auswirken kann. 2. Entwicklung Die Anpassungsversicherung hat eine erhebliche Bedeutung gewonnen, weil gerade 51 die Lebensversicherung grundsätzlich ein Vertrag ist, bei dem Beitragserhöhungen zulasten des VN oder Leistungsherabsetzungen durch den VR aufgrund sich ändernder Rechnungsgrundlagen selbst bei oft über Jahrzehnte laufenden Verträgen nicht möglich waren. Das gilt auch für sog. Garantiewerte (Rückkaufswert oder beitragsfreie Versicherungssumme), die bei Kündigung des Vertrages vom VR ermittelt werden. Eine Modifikation erfolgte – ohne Anpassung – grundsätzlich nur im Hinblick auf die Überschussbeteiligung, die zu einer in der Regel progressiven Versicherungsleistung führt und durch die vorsichtige Beitragskalkulation begründet ist. Angesichts des in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhundert zu kon- 52 statierenden Produktionszuwachses in der gesamten Volkswirtschaft mit dem Ergebnis eines weitgehend kontinuierlich wachsenden Lebensstandards breiter Bevölkerungskreise, was andererseits mit einer schwächer werdenden Geldwertstabilität der Währung einherging, zeigte sich ein starkes Bedürfnis nach Anpassungsversicherungen. Die Vorreiter dieser Versicherungsformen waren die Versicherungen zur Befreiung von der Angestelltenversicherungspflicht, die der Entwicklung des Höchstbeitrages in der Angestelltenversicherung folgen, sowie die Firmengruppenversicherungen, die eine regelmäßige Erhöhung – ver-

70

OLG Saarbrücken 4.4.2001 VersR 2001 1405, 1406. Schrifttum: von Bargen u.a. Die Versicherung und die Währungsschwankungen, Teil Lebensversicherung, ZVersWiss 1970 73; Döring Probleme der Prämien-

anpassungsklauseln (1980); Claus Der Geschäftsplan für Lebensversicherungen mit planmäßiger Erhöhung des Versicherungsschutzes, VerBAV 1974 11, 25.

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§ 163

Kapitel 5: Lebensversicherung

sicherungstechnisch in der Regel über eine Nachversicherung – nach einem bestimmten, teilweise sehr individuell geregelten Versorgungsplan vorsehen. Diese zunächst auf Spezialangebote für bestimmte VN-Kreise ausgerichteten Gestaltungsformen haben nach entsprechenden Abwandlungen einen großen Einfluss auf das Massengeschäft der LebensVR gewonnen. Die Anpassungsversicherungen wurden von nahezu sämtlichen LebensVR angeboten und stellen einen deutlichen Anteil am Lebensversicherungsgeschäft dar. Die aufsichtsbehördlichen Grundsätze, die bei der Aufnahme einer Anpassungsver53 sicherung zu beachten waren, hatte das BAV 1972 veröffentlicht.71 Sie finden in den Bedingungswerken noch immer ihren Niederschlag: Das gilt z.B. für die Regelung, dass spätere Anpassungen nur nach einer weiteren Gesundheitsprüfung vorgenommen werden können, wenn der VN hintereinander mehr als zwei Erhöhungen widerspricht. Da es sich um die veränderte Fortsetzung des ursprünglichen Versicherungsvertrages handelt, tritt die Erhöhung des Versicherungsschutzes automatisch am Beginn des neuen Versicherungsjahres in Kraft, unabhängig von einer evtl. noch laufenden Widerspruchs- oder Widerrufsfrist. Es muss gewährleistet sein, „dass der VN rechtzeitig über die Beitragserhöhung unter54 richtet wird und dass ihm eine angemessene Frist zum Widerspruch (falls ein solcher vorgesehen ist) eingeräumt wird“. Dabei darf „die Widerspruchsfrist nicht zu knapp bemessen sein, damit der VN auch in Ausnahmesituationen die Möglichkeit hat, rechtzeitig den Erhöhungsbeitrag zu zahlen“. 3. Anpassungsvarianten

55

Die Anpassung des Versicherungsschutzes wird im Allgemeinen durch eine Anhebung der Versicherungsprämie mit der daraus resultierenden Leistungssteigerung (sog. Prämienprimat) oder durch eine Anhebung der versicherten Leistung selbst (sog. Leistungsprimat) mit danach bemessener Prämienanpassung erreicht. Dabei ist zwischen einem an allgemeinen volkswirtschaftlichen Daten sich orientierenden äußeren und einem auf das einzelne Versicherungsverhältnis bezogenen inneren Maßstab zu unterscheiden.

56

a) Prämienprimat. Die Prämiensteigerung richtet sich beispielsweise nach der allgemeinen Einkommensentwicklung, wie sie sich in der Sozialversicherung in der Steigerung des Angestelltenversicherungshöchstbeitrages niederschlägt (äußerer Maßstab, Anpassungsmodus A). Die Prämie kann aber auch z.B. um einen bestimmten Prozentsatz der Anfangsprämie 57 oder der bisher erreichten Prämie erhöht werden (innerer Maßstab). Bei einer Steigerung mit einem festen Prozentsatz, der auf die Anfangsprämie bezogen wird, sind die Prämienerhöhungen gleich groß (arithmetische Prämiensteigerung, Anpassungsmodus L). Bei einer Steigerung der jeweils erreichten Prämie werden dagegen die Prämienerhöhungen immer größer (geometrische Prämiensteigerung, Anpassungsmodus P). Der Steigerungsprozentsatz kann in unterschiedlicher Höhe vereinbart werden.

58

b) Leistungsprimat. Als äußerer Maßstab kann beispielsweise die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Angestelltenversicherung oder das Gehalt eines Beamten des höheren Dienstes (z.B. eines Regierungsrats) herangezogen werden. Die versicherte Leistung steht hier immer in einem bestimmten Verhältnis zum Maßstab (wie

71

BAV GB 1972 46.

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Prämien- und Leistungsänderung

§ 163

Beitragsbemessungsgrenze oder Beamtengehalt). Die Summe – und damit auch die Prämie – kann aber auch um einen bestimmten Prozentsatz der Anfangsversicherungssumme bzw. der erreichten Versicherungssumme erhöht werden (innerer Maßstab). c) Vorkommen und Mischformen. In der Praxis findet sich ganz vorherrschend eine 59 Anpassung mit Prämienprimat, wobei die Anpassung an den Höchstbeitrag in der Gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten am stärksten verbreitet ist. Dabei kann allerdings auch eine Mischung mehrerer Methoden vorkommen. Ist eine Anpassungsversicherung mit Prämienprimat gegeben, so fällt die Erhöhung der Versicherungsleistung im Verhältnis zur Prämienerhöhung umso niedriger aus, je kürzer die Restlaufzeit des Lebensversicherungsvertrages ist. Daher bewirken derartige Prämienerhöhungen zunächst nur eine begrenzte Anpassung des Versicherungsschutzes. Eine proportional gleich hohe Anpassung der Versicherungsleistungen wäre nur bei einer entsprechenden Deckungskapitalauffüllung möglich, die von dem VN im Allgemeinen jedoch finanziell nicht zu realisieren ist. Diese Lücke kann in der Praxis u.U. durch die Überschussbeteiligung ausgeglichen werden. d) Sonderformen. Bei der Aufstockungsversicherung (andere Bezeichnungen: Auf- 60 bau-Wandelversicherung) hat der VN die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen Zuzahlungen zu der Einmalprämie bzw. den laufenden Prämien zu leisten und die Versicherungssumme bzw. die Versicherungsrente entsprechend aufzustocken. Bei dieser Versicherung, die insbes. von VN gewählt wird, deren Einkünfte nicht regelmäßig sind, wird die Zuzahlung versicherungstechnisch jeweils wie eine Einmalprämie behandelt. Die mit der Anpassungsversicherung typischerweise verbundenen rechtlichen Prob- 61 leme finden sich nicht bei den Versicherungsformen mit mittelbarer Dynamisierung, wo es beispielsweise zu einer Prämienanpassung nicht kommt. e) Rechtliche Ausgestaltung. Der Erhöhungsnachtrag ist ein Antrag i.S.v. § 145 BGB; 62 er wird vom VN stillschweigend angenommen, denn der VR hat nach § 151 Satz 1 BGB auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet. Die Rückkaufswerte und die beitragsfreien Versicherungssummen hat der VR dem VN jeweils mitzuteilen. Näheres zu dem gewählten Maßstab der Erhöhung, zum Zeitpunkt der Erhöhung, zur Errechnung der erhöhten Versicherungsleistungen, zur Einbeziehung der Bezugsberechtigten und zur Aussetzung der Erhöhungen ergibt sich aus §§ 1–5 GDV-Musterbedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung (Besondere Bedingungen). Wenn nach § 5 (4) Besondere Bedingungen nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine 63 Erhöhungen erfolgen, solange wegen Berufsunfähigkeit die Beitragszahlungspflicht ganz oder teilweise entfällt, so verstößt diese Regelung – die eine objektive Risikobegrenzung darstellt – nicht gegen §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.72 4. Anwendungsbereich, Zusatzversicherungen Häufig findet sich eine automatische Anpassung bei der gemischten Versicherung, 64 also der Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall; aber auch in anderen Versicherungsformen wie der Rentenversicherung und Zusatzversicherungen wird die An-

72

OLG Saarbrücken 25.11.2009 VersR 2010 519, 521; vgl. auch OLG Koblenz 16.4.1999 VersR 1999 876, 877.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

passungsversicherung angeboten. Erhöhungen sind dabei grundsätzlich nur solange möglich, wie die Gefahrsperson das für Neuabschlüsse geltende Höchsteintrittsalter noch nicht überschritten hat. Darüber hinaus zu gehen, verbietet sich u.a. wegen des Ausscheidens des VN aus dem beruflichen Leben, so dass weitere Anpassungen aus finanziellen Gründen kaum in Betracht kommen dürften. 5. Einmalige Erhöhungsaktion mit vereinfachter Gesundheitsprüfung

65

Keine Anpassung im Rahmen einer Anpassungsversicherung stellen die sog. einmaligen Erhöhungsaktionen mit vereinfachter Gesundheitsprüfung dar. Es handelt sich dabei um eine einverständliche Erhöhung der Versicherungssumme, die der Anpassung des Versicherungsschutzes an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse dienen soll.

IV. Sonstige Vertragsänderungen 1. Änderungsbegriff und Abgrenzungen

66

Der für ein Versicherungsverhältnis maßgebliche Inhalt des Versicherungsvertrages kann unter Wahrung der Identität des Versicherungsverhältnisses geändert werden. Das ist nicht der Fall, wenn ein bestehendes Versicherungsverhältnis aufgehoben und ein neues begründet wird. Von der Neubegründung eines Versicherungsverhältnisses ist auszugehen, wenn z.B. die Versicherungssumme, die Prämienzahlung und die Versicherungsdauer gänzlich neu vereinbart werden.73 Hat ein Versicherungsverhältnis sein formelles Ende gefunden, so liegt die Annahme nahe, dass nur ein neues begründet werden kann, doch kann der Wille der Vertragspartner dahin gehen, dass das neue Versicherungsverhältnis so behandelt wird, als ob Identität besteht. Eine Neubegründung des Versicherungsverhältnisses ist in der Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsverhältnisses zu sehen.74 Keine Änderungsfälle im Sinne einer Änderung des Lebensversicherungsvertrages sind 67 bloße Wohnungsänderungen des VN, die Einsetzung von Bezugsberechtigten und die Änderung von Bezugsberechtigungen75 sowie Abtretungen, Zweitmarktverkäufe, Verpfändungen und Pfändungen der Ansprüche des VN bzw. des Bezugsberechtigten. Die Änderung des Versicherungsvertrages kann durch Erklärungen beider Vertragsteile, 68 kraft einseitiger Willenserklärung, kraft Gesetzes, Verwaltungsakts und kraft Satzungsänderung erfolgen. 2. Beratungs-, Informations- und Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers

69

Die Änderung des Lebensversicherungsvertrages ist hinsichtlich der Beratungs-, Informations- und Widerspruchrechte des VN grundsätzlich wie der Neuabschluss eines Vertrages zu behandeln, vgl. §§ 6 Abs. 4, 7, 8, 152 Abs. 1 sowie die VVG-InfoV.76 Für das

73

74 75

Zur Frage, wann eine Änderung des Lebensversicherungsvertrages und wann ein neuer Abschluss vorliegt, OLG München 31.1.1961 VersR 1961 338 f. Vgl. Bruck/Möller/Winter § 165 Rn. 49 ff. Vgl. § 13, § 14 GDV-Musterbedingungen

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aufgeschobene Rentenzahlung und entsprechende Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Auch eine Änderungserklärung ist eine „Vertragserklärung“, auf die Kommentierung dieser Vorschriften durch Bruck/Möller/

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§ 163

Widerrufsrecht des § 152 Abs. 1 gilt das allerdings nur, soweit es sich um reine Erweiterung des Lebensversicherungsvertrages handelt. Da die Vorschriften der §§ 6 ff. und die VVG-InfoV keinen abschließenden Charak- 70 ter besitzen,77 werden durch sie ungeschriebene, aus Treu und Glauben sich ergebende Hinweispflichten nicht ausgeschlossen: Da die Änderung eines Lebensversicherungsvertrages einen bereits bestehenden Vertrag voraussetzt, untersteht sie im Vergleich zum Abschluss des Erstvertrages in gesteigertem Maße dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Die durch den Erstvertrag begründeten Treuepflichten können gerade auch bei der Änderung des Vertrages Bedeutung erlangen. Das gilt insbes. auch für die Hinweisund Belehrungspflichten des VR im Zusammenhang mit der beabsichtigten Vertragsänderung.78 3. Änderungen des Lebensversicherungsvertrages wegen verschlechterter wirtschaftlicher Lage des Versicherungsnehmers Immer wieder, insbes. in Zeiten einer mit Arbeitslosigkeit einhergehenden wirtschaft- 71 lichen Rezession, kommt es vor, dass der VN die Prämienlast bei einer kapitalbildenden Renten- oder Kapitallebensversicherung nicht mehr zu tragen vermag. Angesichts der mit einer Kündigung des Lebensversicherungsvertrages verbundenen wirtschaftlichen Nachteile bietet sich hier die Vereinbarung einer Änderung des Vertrages an, um dem VN über seine wirtschaftliche Lage hinwegzuhelfen. Hierzu sind eine Reihe von Alternativen entwickelt worden: a) Verlegung von Beginn und Ablauf der Versicherung. Hat der VN die Lebensver- 72 sicherung erst kürzlich abgeschlossen und gelangt er sodann in eine vorübergehende wirtschaftliche Zwangslage, so liegt es nahe, vertraglich den Versicherungsbeginn zu verschieben und auch den Ablauf der Versicherung entsprechend zu verändern. Sind dagegen schon für eine gewisse Zeit Beiträge – wenigstens für ein bis zwei Jahre – 73 geleistet worden, so kann vereinbart werden, dass der Vertrag (z.B. bis zur Dauer eines Jahres) ruht. Wird der Vertrag wieder in Kraft gesetzt, geschieht das in Form einer Beginnverlegung, Beiträge sind nicht nachzuentrichten. b) Stundung der Versicherungsprämien. VN und VR können während der Lebensver- 74 sicherung vereinbaren, dass die Entrichtung der Prämien für einige Monate gestundet wird. Die gestundete Prämie ist nach Ablauf der vereinbarten Stundungszeit zuzüglich Zinsen nachzuzahlen oder auf die folgenden Prämien umzulegen. Der ursprünglich vereinbarte Versicherungsschutz bleibt in vollem Umfange bestehen. c) Risikoversicherung statt kapitalbildender Versicherung. Der VN kann mit dem VR 75 vereinbaren, dass er vorübergehend den entsprechend geringeren Beitrag einer Risikoversicherung zu entrichten hat und der Restbetrag gestundet wird. Auch hier ist die gestundete Prämie nach Ablauf der Frist zuzüglich Zinsen nachzuzahlen. Während der Stundungszeit besteht nur Anspruch auf eine Leistung im Todesfall, der Sparvorgang der Lebensversicherung wird unterbrochen.

77

Schwintowski, Hermann und Knops wird verwiesen, ebenso auf Bruck/Möller/Winter zu § 152. Prölss/Martin/Prölss § 7 Rn. 35, § 6 Rn. 74 f.

78

Vgl. BGH 24.11.1972 VersR 1973 177 zur Änderung eines Krankenversicherungsvertrages.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

76

d) Übergang von jährlicher auf monatliche Prämienzahlung. Bei Zahlungsschwierigkeiten von längerer Dauer kann zunächst der Übergang von beispielsweise jährlicher Prämienzahlung auf monatliche Zahlungsweise vereinbart werden. Dabei wird ein Ratenzuschlag erhoben, der Umfang des Versicherungsschutzes bleibt unverändert. – Eine weitere Umstellung ist die Verrechnung von Überschuss- bzw. Gewinnanteilen mit den laufenden Beiträgen. Eine solche Möglichkeit scheidet jedoch aus, wenn es sich um eine Versicherung handelt, deren Laufzeit vereinbarungsgemäß mit Hilfe der Gewinnanteile verkürzt wird.

77

e) Verlängerung der Versicherungsdauer. Durch eine Verlängerung der Versicherungsdauer wird vereinbart, dass bei einer gemischten Lebensversicherung die Versicherungsleistung im Erlebensfall erst zu einem späteren Termin fällig wird, die Höhe der Versicherungsprämien wird entsprechend gesenkt. An der Verpflichtung des VR zur Leistung im Todesfalle ändert sich nichts.

78

f) Herabsetzung der Versicherungssumme. Auch durch die einverständliche Herabsetzung der Versicherungssumme wird die Beitragslast gesenkt. In ihrem wirtschaftlichen Ergebnis kommt sie jedoch einer Teilkündigung gleich.79

79

g) Ruhensvereinbarung. Um eine Kündigung des Versicherungsvertrages durch den VN mit ihren für den VN noch immer nachteiligen Rechtsfolgen zu umgehen, kann auch an eine Vertragsänderung in Gestalt einer Ruhensvereinbarung gedacht werden. Dazu wird auf die Kommentierung unten unter Rn. 100 ff. verwiesen. Für Riesterverträge ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 10a AltZertG eine Vereinbarung ausdrück80 lich für zulässig erklärt worden, die dem VN während der Ansparphase einen Anspruch gewährt, den Lebensversicherungsvertrag ruhen zu lassen.80 4. Umtausch bei einer Risikoumtauschversicherung

81

Nach § 18 GDV-Musterbedingungen Risikoversicherung kann eine solche Lebensversicherung mit gleich bleibender Versicherungssumme ohne erneute Gesundheitsprüfung in eine kapitalbildende Versicherung über dieselbe oder eine niedrigere Versicherungssumme umgetauscht werden. Macht der VN von seinem Umtauschrecht Gebrauch, so hat er häufig die erhöhte Prämie für eine kapitalbildende Lebensversicherung – die sog. Anschlussversicherung – zu entrichten.

82

a) Allgemeines. Die Risikoversicherung ist als reiner, zudem zeitlich begrenzter Todesfallschutz erheblich billiger als eine kapitalbildende Versicherung auf den Todesund Erlebensfall. Mit dem Abschluss einer Risikoversicherung kann also gegen eine relativ niedrige Prämie sofort ein hoher Todesfallschutz erworben werden. Die Risikoumtauschversicherung ist insbes. für einen solchen VN von Interesse, der für sich einen sofortigen hohen Todesfallschutz wünscht, aber noch nicht in der finanziellen Lage oder willens ist, die relativ hohen Prämien für eine kapitalbildende Lebensversicherung aufzubringen, sondern erst später, wenn er über ein höheres Einkommen verfügt, zu einer kapitalbildenden Versicherung übergehen möchte. Die Möglichkeit, die Risikoversiche79

Keine Änderung des Lebensversicherungsvertrages bedeutet die Zahlung der Prämien mit Hilfe eines auf eine bestimmte Zeit – z.B. zwei Jahre – begrenzten Policendarlehens, dass dem VN durch den VR gewährt wird.

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Vgl. im Einzelnen § 7 GDV-Musterbedingungen Riester-Rente.

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§ 163

rung später in eine kapitalbildende Versicherung umzutauschen, ohne sich erneut einer Gesundheitsprüfung unterziehen zu müssen, kann sich für den VN als ins Gewicht fallender Vorteil darstellen.81 Die Anschlussversicherung ist dabei versicherungstechnisch eine Mischform zwischen 83 einer Fortführung der ursprünglichen Versicherung mit bloßer Änderung ihres Inhalts einerseits und einer neu abgeschlossenen Versicherung andererseits. Versicherungsvertragsrechtlich bildet sie mit der ursprünglichen Versicherung eine Einheit und ist als Fortführung des ursprünglichen Versicherungsvertrages mit bloßer Inhaltsänderung einschließlich Prämienerhöhung anzusehen. b) Umtauschrecht. Der VN hat ein Recht, also einen klagbaren Anspruch auf Umtausch der Versicherung. Wenn es in Bedingungswerken für die Risikoversicherung heißt, der Versicherungsnehmer könne eine Risikoversicherung umtauschen, so bedeutet das nicht, dass es in das Ermessen des VR gestellt ist, ob er die Versicherung umtauscht oder nicht.82 Zum Umtauschtermin bestimmt § 18 GDV-Musterbedingungen Risikoversicherung, dass der Umtausch „jederzeit“ während der Laufzeit der Versicherung erfolgen kann. Der Umtausch findet also nicht nur z.B. zum Beginn einer neuen Versicherungsperiode statt. Der Umtauschtermin ist der Zeitpunkt, an dem die Risikoversicherung nicht mehr weitergeführt wird. Wird der technische Beginn der Anschlussversicherung dabei rückdatiert, so fallen Umtauschtermin und technischer Beginn der Anschlussversicherung auseinander. Auch in diesem Falle ist davon auszugehen, dass die ursprüngliche Risikoversicherung vom Umtauschtermin ab und nicht vom technischen Beginn der Anschlussversicherung ab nicht mehr weitergeführt wird. Da es sich bei der Ausübung des Umtauschrechts um eine Vertragserklärung handelt, besitzt der VN ein Widerrufsrecht nach §§ 8, 152. Zur Dauer des Umtauschrechts sind risikotechnische Gesichtspunkte zu beachten. Denn mit zunehmenden Alter verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Gefahrsperson, so dass es als sinnvoll erscheint, eine zeitliche Grenze für das ohne erneute Gesundheitsprüfung eingeräumte Umtauschrecht anzusetzen.

84

85

86 87

c) Anschlussversicherung. Das Umtauschrecht bezieht sich nicht nur auf die Kapital- 88 versicherung auf den Todes- und Erlebensfall, sondern auch auf weitere Formen der kapitalbildenden Lebensversicherung einschließlich Rentenversicherungen. Besonders auch Termfixversicherungen und Versicherungen auf den Ausbildungsfall werden in der Praxis gerne als Anschlussversicherung vorgesehen. Die Wahl der Anschlussversicherung unterliegt dabei jedoch einer Begrenzung. Sie 89 muss risikotechnisch bereits durch die bei Abschluss der Risikoversicherung durchgeführte Gesundheitsprüfung gedeckt sein. Sie darf also kein weiteres oder höheres Todesfallrisiko und – angesichts der Gefahr der Gegenauslese – kein Berufsunfähigkeitsrisiko einschließen. Das Umtauschrecht darf – weil es ja eben ein Recht auf Umtausch ohne Gesundheitsprüfung ist – auf Versicherungen mit erweitertem Risiko nicht erstreckt werden. Beabsichtigt ein VR, das Umtauschrecht auf Fälle zu erweitern, bei denen die Versicherungssumme erhöht oder ein Berufsunfähigkeitsrisiko eingeschlossen wird, so bedarf es dafür einer erneuten Gesundheitsprüfung.

81

Harlandt VW 1974 342, 343.

82

Harlandt VW 1974 342, 345.

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§ 163

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Im Einklang damit ist in den Bedingungswerken für die Risikoversicherung bestimmt, dass die Risikoversicherung nur bis zur Höhe ihrer Versicherungssumme umgetauscht werden kann.

91

d) Höchstalter für den Umtausch. Hat die Gefahrsperson am Umtauschtermin das Alter überschritten, nach dessen Erreichen der Abschluss einer Versicherung in der betreffenden Lebensversicherungsform durch den VR ausgeschlossen ist, so kann die Risikoversicherung in eine Lebensversicherung dieser Art grundsätzlich nicht mehr umgetauscht werden. Allerdings kann hier mit einer Rückdatierung geholfen werden.

92

e) Beginn und Dauer der Anschlussversicherung. Der Beginn der Anschlussversicherung ist mit dem Umtauschtermin identisch. Für den technischen Versicherungsbeginn ergibt sich eine Ausnahme jedoch für die Rückdatierung. Ihr Zweck ist es, das versicherungstechnische Alter und damit die zu zahlende Prämie herabzusetzen oder die Anschlussversicherung überhaupt zu ermöglichen, wenn das geschäftsplanmäßige Höchstalter überschritten wird. In der Praxis hat der VN dabei für den Zeitraum der Rückdatierung keine Deckungskapitaleinzahlung vorzunehmen, sondern die Differenz zwischen der Risikoversicherungsprämie und der für die Anschlussversicherung zu zahlenden Prämie einschließlich Verzinsung nachzuentrichten. Der VN hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Rückdatierung. Die Vertragsdauer der Anschlussversicherung wird durch die Ablaufzeit der Risiko93 versicherung nicht begrenzt. Das ergibt sich mittelbar schon aus der Umtauschbestimmung des § 5 Satz 2 GDV-Musterbedingungen Risikoversicherung, wonach bei Versicherungsdauern (der Risikoversicherung) bis zu zehn Jahren der Umtausch spätestens drei Monate vor Ablauf der Risikoversicherung in die Wege geleitet werden muss. Der VR kann zwar für die Vertragsdauer der Anschlussversicherung in seinen Bedingungen oder in seinem Geschäftsplan theoretisch Mindest- und Höchstgrenzen festlegen, davon wird in der Praxis jedoch in der Regel kein Gebrauch gemacht. Der VN kann somit die Vertragsdauer der Anschlussversicherung frei wählen, das gehört zu dem Inhalt seines Umtauschrechts. Zu beachten sind natürlich die Begrenzungen, die der Geschäftsplan für die Anschlussversicherung festlegt, insbes. auch die Grenze, die sich durch die Festsetzung eines Höchstendalters der Gefahrsperson ergibt.83

94

f) Umtauschtermin als maßgebender Zeitpunkt für die Wahl der Versicherungsbedingungen, der Tarife und die Festsetzung des versicherungstechnischen Alters für die Anschlussversicherung. Für die Versicherungsbedingungen und die gegenüber der Risikoversicherung höheren Tarife, die der Anschlussversicherung zugrunde gelegt werden, gelten jeweils die Bedingungen bzw. die Tarife, die zur Zeit des Umtausches in Kraft sind. Es gelten nicht etwa die Bedingungen bzw. Tarife, wie sie zur Zeit des Abschlusses der Risikoversicherung Verwendung fanden. Derselbe Grundsatz gilt für die Ermittlung des versicherungstechnischen Alters der 95 Gefahrsperson. Auch hier ist auf den Beginn – genauer: den technischen Beginn – der Anschlussversicherung und nicht etwa auf den Beginn der Risikoversicherung abzustellen.

96

g) Risikozuschläge. Anders verhält es sich mit den Risikozuschlägen oder sonstigen Erschwerungen, die aufgrund der Gesundheitsprüfung beim Abschluss der Risikoversicherung festgesetzt wurden. Da eine erneute Gesundheitsprüfung beim Umtausch nicht

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Harlandt VW 1974 342, 402, 403 f.

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§ 163

stattfindet, wird für die Anschlussversicherung an den Risikozuschlägen festgehalten. Weist der VN im Zusammenhang mit dem Umtausch darauf hin, dass die risikoerschwerenden Umstände in der Zwischenzeit entfallen sind oder sich gebessert haben, so kann eine erneute Gesundheitsprüfung vorgenommen und bei einem positiven Verlauf der Risikozuschlag gestrichen bzw. herabgesetzt werden.84 h) Beginn der Wartezeiten und der anderen Fristen bei der Anschlussversicherung. 97 Hier ist zu differenzieren. Fristen der Anschlussversicherung für die Prämienfreistellung und eine Beleihungsmöglichkeit beginnen – da sie im Zusammenhang mit der erfolgten Prämienzahlung zu sehen sind – mit dem technischen Beginn der Anschlussversicherung. Das gilt auch für den Fall, dass bei der Anschlussversicherung eine Rückdatierung vorgenommen ist. Denn Sinn und Zweck dieser Fristen ist es, die Prämienfreistellung usw. erst beginnen zu lassen, wenn die Voraussetzungen für die Bildung eines Deckungskapitals gegeben sind. Das aber hängt von der Prämienzahlung ab. Anders verhält es sich bei den Fristen, die mit der Risikoprüfung in Zusammenhang 98 stehen. Diese Fristen laufen auch für die Anschlussversicherung grundsätzlich vom Abschluss der Risikoversicherung ab. So beginnt die Wartezeit bei der Selbsttötung mit dem Abschluss der Risikolebensversicherung. i) Teilumtausch. Der VN kann dem Umtausch auf einen Teil der Risikoversicherung 99 beschränken. Wenn der VN ein Recht auf einen Gesamtumtausch hat, ist auch ein Teilumtauschrecht anzuerkennen. Das ist mittelbar auch aus der Umtauschbestimmung des § 18 GDV-Musterbedingungen Risikoversicherung zu entnehmen, da hier die Möglichkeit gewährt wird, den Umtausch nicht nur auf die volle, sondern auch auf eine niedrigere Versicherungssumme vorzunehmen.85 5. Ruhen des Lebensversicherungsvertrages a) Rechtsnatur der Ruhensvereinbarung. Da der Lebensversicherungsvertrag als 100 Dauerschuldverhältnis – oftmals über eine längere Zeit – laufend beiderseitige Leistungspflichten erzeugt, kann das für den VN aus den unterschiedlichsten Gründen u.U. lästig oder problematisch werden. In solchen Fällen86 ist auch an eine Vertragsänderung in Gestalt einer Ruhensvereinbarung zu denken, um eine Kündigung des Vertrages mit ihren unerwünschten Folgen zu umgehen. Eine solche Ruhensvereinbarung ist nach § 311 Abs. 1 BGB ohne weiteres zulässig. Sie bedeutet, dass der Lebensversicherungsvertrag als solcher fortbesteht, dass er in dem Zeitraum, in dem er ruht, aber keine Leistungspflichten erzeugt. Die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag gehen also nicht gänzlich unter, sie sind gleichsam eingefroren und können wieder aufleben. Bei der Ruhensvereinbarung handelt es sich zunächst um eine gegenseitige wechsel- 101 bezügliche Stundung. Denn die Stundung bedeutet nur die einstweilige Befreiung des Schuldners von der fälligen Verpflichtung; sie schiebt die Leistungspflicht auf, ohne endgültig davon zu befreien. Der VN aber will in der Regel beim Ruhen des Vertrages die auf diese Zeit entfallenden Leistungsverpflichtungen – die Prämienzahlungen – gerade nicht nachholen. Daher bedeutet die Ruhensvereinbarung zugleich für einen bestimmten Zeitraum einen Erlass der während dieses Zeitraums entstehenden beiderseitigen Leistungsverpflichtungen i.S.v. § 397 BGB.87 84 85

Harlandt VW 1974 342, 402, 404. Vgl. auch Harlandt VW 1974 342, 402, 406 mit dem Schluss a maiore ad minus.

86 87

Vgl. dazu auch oben Rn. 71 ff. LG Hamburg 14.12.1950 VersR 1951 75.

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Die Ruhensvereinbarung ist technisch sowohl für die Risikolebensversicherung als auch für die kapitalbildende Lebensversicherung möglich, für die Rentenversicherung ebenso wie für die Kapitalversicherung. Ein Beispiel findet sich in § 7 GDV-Musterbedingungen Riester-Rente. Problematisch ist bei der kapitalbildenden Lebensversicherung lediglich der Ausfall der Sparprämienanteile. Wird die Sparprämie nicht – auch nicht z.B. durch eine Verlängerung des Vertrages – nachentrichtet, so ist die Ablaufleistung entsprechend zu korrigieren. Ohne eine dahingehende Regelung im ursprünglichen Vertrage hat der VN keinen 103 Anspruch auf Abschluss einer Ruhensvereinbarung.

104

b) Ruhenszeitraum und Vertragsdauer. In der Ruhensvereinbarung kann kalendermäßig festgelegt werden, für welchen Zeitraum das Ruhen des Vertrages bestimmt ist, es kann aber auch vereinbart werden, dass beispielsweise mit der Wiederaufnahme der Prämienzahlung durch den VN oder mit der Zahlung eines gestundeten Prämienrückstandes aus der Zeit vor Inkrafttreten der Ruhensvereinbarung das Ruhen des Vertrages enden soll.88 Die ursprünglich festgelegte Versicherungsdauer wird durch die Ruhensvereinbarung 105 grundsätzlich nicht geändert, wobei für die kapitalbildende Versicherung eine Ausnahme zu machen ist, wenn es dem VN nicht möglich ist, die Sparprämie bis zum ursprünglichen Ablaufdatum zu erbringen, und er mit einer Kürzung der Ablaufsumme nicht einverstanden ist. Für die Risikolebensversicherung gilt ohne Einschränkung, dass sich der Vertrag nicht etwa um den Zeitpunkt des Ruhens verlängert, denn anderenfalls wäre insoweit ein wirklicher Erlass der beiderseitigen Leistungsverpflichtungen nicht gegeben.89

106

c) Leistungspflichten. In der Ruhensvereinbarung ist eindeutig zu bestimmen, dass der VR bei Eintritt des Versicherungsfalles während des Ruhens des Vertrages von der Verpflichtung zur Leistung frei ist bzw. dass er lediglich die prämienfreie Leistung nach § 165 zu entrichten hat (soweit ein Rückkaufswert entstanden ist). Als Beispiel wird auf § 7 GDV-Musterbedingungen Riester-Rente verwiesen.

107

d) Weiterlaufen der Versicherung nach Beendigung der Ruhenszeit. Der Lebensversicherungsvertrag wird nach der Ruhenszeit nicht erneut geschlossen, er lebt ebenso wieder auf wie beispielsweise bei der Zurückumwandlung einer prämienfreigestellten Lebensversicherung. Besteht ein Anspruch auf Rückumwandlung (wie er sich beispielsweise aus § 7 (3) GDV-Musterbedingungen Riester-Rente oder aus einer individuellen Ruhensvereinbarung ergibt), so besteht eine erneute vorvertragliche Anzeigepflicht grundsätzlich nicht.90 Besteht kein Anspruch auf Zurückumwandlung, so kann das Wiederaufleben des Vertrages wie ein Neuabschluss zu behandeln sein.91

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e) Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers. Insbesondere auch bei der Rückumwandlung hat der VN ein Widerrufsrecht nach §§ 8, 152 Abs. 1. 6. Vertragsänderung durch den Versicherer wegen nachträglicher Kostensteigerungen

109

Ist § 163 nicht anwendbar und ist eine Beitragsänderungsklausel nicht vereinbart worden, so kann der VR auf § 313 BGB zurückgreifen, wenn ihm beispielsweise wegen 88 89

Klauser VersR 1951 97; Starke VersR 1951 91. Starke VW 1949 355, 356.

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90 91

Im Einzelnen § 165 Rn. 53. Vgl. § 165 Rn. 48 ff.

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Bedingungsanpassung

§ 164

Kostensteigerungen ein Festhalten am unveränderten Versicherungsvertrag schlechterdings nicht zugemutet werden kann. Voraussetzung für eine solche Anpassung des Vertrages ist, dass eine Opfergrenze überschritten sein muss.92 Dazu kommt es höchst selten. Darüber hinaus ist eine Anpassung in diesem Sinne nicht etwa eine linear festzuschreibende Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände, sondern eine Verteilung des verwirklichten Änderungsrisikos auf die beiden Vertragsparteien nach Treu und Glauben.93 Wie weit der VR dabei zur Offenlegung seiner internen Kalkulationsgrundlagen – auch wenn Vorsorge getroffen wird, dass ein Missbrauch ausgeschlossen ist – gezwungen ist, erscheint zweifelhaft und kann hier offen bleiben.

§ 164 Bedingungsanpassung (1) 1Ist eine Bestimmung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt worden, kann sie der Versicherer durch eine neue Regelung ersetzen, wenn dies zur Fortführung des Vertrags notwendig ist oder wenn das Festhalten an dem Vertrag ohne neue Regelung für eine Vertragspartei auch unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. 2Die neue Regelung ist nur wirksam, wenn sie unter Wahrung des Vertragsziels die Belange der Versicherungsnehmer angemessen berücksichtigt. (2) Die neue Regelung nach Absatz 1 wird zwei Wochen, nachdem die neue Regelung und die hierfür maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer mitgeteilt worden sind, Vertragsbestandteil. Schrifttum Armbrüster Kehrtwende des BGH bei der AGB-Kontrolle in der Lebensversicherung, NJW 2012 3001; Bäuerle/Schünemann Ersetzung unwirksamer Klauseln in der kapitalbildenden Lebensversicherung aus verfassungs- und zivilrechtlicher Sicht, VersWissStud Bd. 20 (2002) 65 ff.; Baroch Castellví Reichweite von § 172 Abs. 2 VVG, VersR 2000 1199; Bartmuß AVB-Anpassung durch Bedingungsanpassungsklauseln und Bedingungstreuhänder, VuR 2000 299; Beckmann/MatuscheBeckmann Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. (2009); Drews Gefahr für die Gültigkeit von Treuhänderverfahren, VW 2002 450; Fricke Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt Verständnis – Was meint § 172 II VVG wirklich?, NVersZ 2000 310; ders. Quomodo pacta sunt servanda, VersR 2000 257; v. Fürstenwerth Die Einbeziehung neuer Allgemeiner Versicherungsbedingungen in bestehende Versicherungsverträge, RuS 2009 221; Jaeger Anmerkungen zur gesetzlichen Anpassungsmöglichkeit für Lebensversicherungsverträge, VersR 1999 26; Kirscht Das Treuhänderverfahren zur Bedingungsänderung in der Lebensversicherung, VersR 2003 1072; Kollhosser Auslegung des § 172 VVG, VersR 2003 807; Krösch Das Treuhänderverfahren zur Bedingungsänderung in der Lebensversicherung, VersR 2003 1072; Langheid/Grote Bedingungsanspassung nach Rechtsprechungswechsel, VersR 2003 1469; Lorenz Urteilsanmerkung, VersR 2001 1146; ders. Nochmals: Notwendigkeit des Klauselersetzungsverfahrens nach § 172 Abs. 2 VVG, VersR 2002 410; Oktay Transparency in Life Insurance and Private Pension, in: AIDA Transparency in Insurance Law (2012) 114; Präve Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz (1998); Schünemann „Notwendigkeit“ des Klauselersetzungsverfahrens nach § 172 Abs. 2 VVG,

92 93

Vgl. BGH 25.5.1977 NJW 1977 2262, 2263. Weitere Fälle der Änderung eines Lebens-

versicherungsvertrages finden sich bei Bruck/Möller/Winter 8 C 188–263.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

VersR 2002 393; ders. Klauselersetzungsverfahren nach § 172 Abs. 2 VVG auch bei der Kapitallebensversicherung?, NVersZ 2002 145; ders. Gesetzliche Ermächtigung zur einseitigen Vertragsänderung?, JZ 2002 134; Schwintowski Lebensversicherung – quo vadis?, DStR 2006 429; Sijanski Ersetzung unwirksamer Klauseln und Mindestrückkaufswert in der kapitalbildenden Lebensversicherung, VersR 2006 469; Wandt Änderungsklauseln in Versicherungsverträgen (2000); ders. Ersetzung unwirksamer AVB der Lebensversicherung im Treuhänderverfahren gemäß § 172 VVG (2001); ders. Ersetzung unwirksamer ALB im Treuhänderverfahren gemäß § 172 VVG, VersR 2001 1449.

Übersicht Rn. A. I. II. III. B. I. II.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Ersetzungsbefugnis des Versicherers . . . Rechtliche Klassifikation . . . . . . . . Voraussetzungen der Klauselersetzung . . 1. Unwirksamkeit einer Lebensversicherungsklausel . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendigkeit der Klauselersetzung zur Vertragsfortführung . . . . . . . . 3. Intransparente Klauseln: Rückvergütung bei gezillmerten Verträgen . . . . 4. Festhalten am Vertrag als unzumutbare Härte . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Durchführung der Klauselersetzung: Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn.

1 1 2 8 10 10 13 IV. 13 17

V. VI.

19 21

C.

1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückgriff auf das Versicherungsaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . 3. Belange der Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wiederherstellung des Äquivalenzverhältnisses . . . . . . . . . . . . Pflicht des Versicherers zur ordnungsgemäßen Klauselersetzung nach § 164 VVG . . . . . . . . . . . . . . Wirksamwerden der neuen Klausel . . Verhältnis der Klauselersetzung nach § 164 VVG zur individuellen Ersetzung nach § 306 Abs. 2 BGB . . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .

.

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23

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

Die Bestimmung des § 164 tritt an die Stelle des § 172 Abs. 2 a.F. Ebenso wie bei § 172 Abs. 1 a.F. – der von § 163 übernommen wurde – war die Schaffung des § 172 Abs. 2 a.F. wegen des Wegfalls der Vorabkontrolle der Versicherungsbedingungen durch die Aufsichtsbehörde und der genehmigungspflichtigen Bedingungsanpassung notwendig geworden. Es war befürchtet worden, dass durch die Aufhebung der Genehmigungspflicht die Zahl unwirksamer Bedingungsklauseln deutlich ansteigen werde. Mit der Vorschrift des § 172 Abs. 2 a.F. sollte in erster Linie die Position des LebensVR gestärkt werden, für den der ersatzlose Wegfall einer unwirksamen Klausel eine unzumutbare Härte bedeuten würde, da er trotz der langen Laufzeiten der Lebensversicherungsverträge kein ordentliches Kündigungsrecht besitzt und auf rechtliche Veränderungen reagieren können muss.1 Da § 172 Abs. 2 a.F. einige Fragen offenließ und zu Auslegungsschwierigkeiten – die durch die Rechtsprechung weithin korrigiert wurden – führte, wurde § 164 teilweise neu gefasst.2

1 2

BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164 Abs. 1. Kritisch gegenüber der Neufassung Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 164 Rn. 3.

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Bedingungsanpassung

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II. Inhalt und Zweck der Regelung Wenn die Klausel eines Bedingungswerkes der Lebensversicherung mit dem Gesetz in Widerspruch steht und z.B. durch eine höchstrichterliche Entscheidung für unwirksam erklärt worden ist, hätte das nach der grundlegenden Norm des § 306 BGB zur Folge, dass die entsprechende gesetzliche Regelung an ihre Stelle tritt, es sei denn, die beiden Vertragsparteien verständigen sich auf eine neue Regelung. Handelt es sich um umfassende Verträge, die häufig langfristig – also über mehrere Jahrzehnte hin – abgeschlossen werden und bei denen der Verwender sich aus dem Vertragsverhältnis nicht zu lösen vermag, so kann es zu Unklarheiten für beide Parteien und zu Belastungen insbes. für den VR kommen. Daher räumt § 164 dem VR in der Lebensversicherung die Möglichkeit ein, die unwirksame Klausel unter Beachtung enger Voraussetzungen und einseitig durch eine neue wirksame Bestimmung zu ersetzen. Ohne die gesetzliche Ersetzungsmöglichkeit nach § 164 Abs. 1 „bleiben alle Verträge lückenhaft, bei denen die VN der Ergänzung nicht zugestimmt haben“.3 Der VR kann damit nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse der VN – die sich bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile aus dem Vertrage lösen können – zügig für eine angemessene und klare neue Regelung sorgen. Sie soll dabei nicht nur für einzelne Lebensversicherungsverträge, sondern einheitlich bei sämtlichen VN gelten.4 Sinn und Zweck des § 164 ist es, dem VR als Verwender der für sein Unternehmen geschaffenen Lebensversicherungsbedingungen die gesetzliche Befugnis zu gewähren, zügig eine transparente, sachgerechte und einheitliche Verwendung findende Klausel zu entwickeln, die an die Stelle der unwirksamen Klausel tritt. Damit soll rasch und unkompliziert bei der weiteren Verwendung der Bedingungswerke die erforderliche Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wieder hergestellt werden.5 Der Gesetzgeber hat dabei von der Aufnahme einer allgemeinen Ersetzungsbefugnis für sämtliche Versicherungsverträge abgesehen.6 Das wäre nur vertretbar gewesen, falls sich in der Praxis unzumutbare Probleme ergeben hätten, wenn nicht in allen Versicherungszweigen eine Anpassungsmöglichkeit geschaffen würde. Zu solchen Problemen ist es nicht gekommen. Daher erschien es dem Gesetzgeber sachgerecht, „außerhalb der Lebensversicherung und der Krankenversicherung das Risiko der Unwirksamkeit einer vom Versicherer verwendeten Bedingung dem Versicherer aufzuerlegen“, zumal sich der damit verbundene, breitflächig ermöglichte Eingriff in bestehende Verträge „zum Nachteil der Versicherungsnehmer auswirken“ könne.7 Voraussetzung für die Ersetzung einer unwirksamen Klausel ist es, dass die Bedingungsanpassung notwendig ist oder das Festhalten an dem Vertrag für den VR, aber vielleicht auch für den VN eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die dem VR als dem Verwender der Versicherungsbedingungen gewährte Ersetzungsbefugnis muss dabei so ausgeübt werden, dass sie nicht nur das Vertragsziel, sondern auch die sonstigen Belange der VN angemessen berücksichtigt.8 Die Belange der Versicherten wären nicht gewahrt, wenn sie durch die neue Klausel schlechter gestellt werden, als sie es bei Ver-

3 4

BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1567. Vgl. dazu im Einzelnen BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1567; BGH 18.7.2007 VersR 2007 1211, 1212; OLG Braunschweig 8.10.2003 VersR 2003 1520, 1521; OLG Celle 25.1.2005 VersR 2005 535, 536; OLG Köln 18.9.2002 VersR 2002 448; OLG Nürn-

5 6 7 8

berg 11.7.2005 VersR 2005 1375; OLG Stuttgart 6.4.2001 VersR 2001 1141, 1143. Kollhosser VersR 2003 807, 809. Offengelassen für § 172 Abs. 2 a.F. von BGH 16.10.2002 RuS 2003 25, 26. BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164. BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

tragsschluss waren. Auch wenn es unerheblich ist, aus welchem Grunde die Bestimmung eines Bedingungswerkes unwirksam ist, dürfte es sich in erster Linie um einen Verstoß gegen die §§ 307 bis 309 BGB handeln. Dabei kann die Unwirksamkeit der Klausel – und zwar mit Wirkung für sämtliche VR – durch die Entscheidung des BGH oder eines Oberlandesgerichts (dessen Entscheidung nicht anfechtbar ist) oder einen bestandskräftigen Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde oder der Kartellbehörde festgestellt werden.9 Abweichend von der Vorgängernorm des § 172 Abs. 2 a.F.10 – bei der die Vorschrift 6 zur Prämienanpassung für entsprechend anwendbar erklärt worden war – sind die Voraussetzungen der Klauselersetzung in § 164 nunmehr ausdrücklich niedergelegt. Damit hat die Rechtsprechung, zu der es seit Schaffung der Vorschrift des § 172 Abs. 2 a.F. gekommen war, in § 164 Berücksichtigung gefunden. Anders als bei der Ersetzungsbefugnis nach § 172 VVG a.F. ist die Mitwirkung eines 7 unabhängigen Treuhänders nicht mehr erforderlich. Aufgabe des Treuhänders war die Überprüfung der ersetzten – also der neuen – Klauseln auf ihre Vereinbarkeit mit dem bis 31.12.2007 geltenden Recht.11 Eine solche Filterfunktion hat der Gesetzgeber für überflüssig erachtet, zumal er davon ausging, dass die Treuhänder nicht so strenge Anforderungen an den Schutz der VN gestellt hatten wie erhofft. Der VN ist nunmehr sogleich auf die gerichtliche Kontrolle verwiesen.12

III. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 164 ist auf sämtliche Lebensversicherungsformen anwendbar,13 sie gilt insbes. auch für die kapitalbildende Lebensversicherung. Sie kann auf Kapitalisierungsgeschäfte analoge Anwendung finden, ebenso auf die Krankenversicherung (§ 203 Abs. 4) und die Berufsunfähigkeitsversicherung, wie sich aus § 176 ergibt.14 Für Altverträge gilt sie ab 1.1.2009. 9

8

B. Ersetzungsbefugnis des Versicherers I. Rechtliche Klassifikation 10

Gäbe es die Vorschrift des § 164 nicht, so würden bei Unwirksamkeit einer AVBKlausel nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften gelten, soweit sie zur Lückenfüllung geeignet sind. Zu dem dispositiven Gesetzesrecht gehört nach ständiger Rspr. auch die ergänzende Vertragsauslegung entsprechend §§ 157, 133 BGB.15 Dabei ist 9 10

BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164. Zur Erstreckung der Norm auch auf die kapitalbildende Lebensversicherung OLG Braunschweig 8.10.2003 VersR 2003 1520, 1521; OLG München 1.7.2003 VersR 2003 1024, 1026; OLG Nürnberg 11.7.2005 VersR 2005 1375, 1376; ausführlich OLG Stuttgart 6.4.2001 VersR 2001 1141, 1143 ff.; LG Aachen 10.7.2003 VersR 2003 1022, 1023; LG Hamburg 27.1.2005 VersR 2005 537; LG Leipzig 17.1.2005 VersR 2005 1378, 1379; LG Traunstein 6.2.2003 VersR 2003 1024; LG Würzburg 29.12.2004 VersR 2005 538, 539.

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Vgl. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127 ff. BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164 Abs. 1. Ausführlich Langheid/Wandt/Wandt § 164 Rn. 14. Das gilt auch, wenn es sich bei dem VR um einen VVaG handelt (BGH 18.7.2007 VersR 2007 1211, 1212). Das gilt jedoch nur für Neuverträge, Art. 4 Abs. 3 EGVVG. BGH 22.1.1992 VersR 1992 477, 478 f.; BGH 13.11.1997 BGHZ 137 153, 157; OLG Braunschweig 8.10.2003 VersR 2003 1520, 1521; OLG Stuttgart 6.4.2001 VersR 2001 1141, 1143; Kollhosser VersR 2003 807, 808.

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Bedingungsanpassung

§ 164

die Streitfrage, ob es sich bei diesen Vorschriften um „gesetzliche Bestimmungen“ i.S.v. § 306 Abs. 2 BGB handelt oder um eine sonstige anerkannte Methode der Lückenfüllung, im Ergebnis nicht von Bedeutung.16 Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Klausel ist nicht zulässig. Ist eine Klausel des lebensversicherungsrechtlichen Bedingungswerks unwirksam, so muss nach § 306 Abs. 2 BGB zunächst festgestellt werden, ob eine versicherungsrechtliche Vorschrift gegeben ist, auf die zurückgegriffen werden kann. In der Regel ist eine solche Regelung im Gesetz weder vorgesehen noch ausgeschlossen worden, über das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung besteht häufig keine Einigkeit. Eine solche Auslegung wäre im Übrigen auch nur in einem Individualprozess, nicht jedoch in einem Verbandsklageverfahren zulässig.17 Die Urteile in den Individualverfahren sind rechtskräftig nur im Verhältnis der Parteien zueinander. Kommt es zu mehreren Verfahren und Urteilen, so ist in keiner Weise gewährleistet, dass die Vertragsergänzungen auch im Detail übereinstimmen. Um diese Nachteile einer richterlichen ergänzenden Vertragsauslegung im Lebensversicherungsrecht angesichts der langfristigen und vom VR im Wege der ordentlichen Kündigung nicht zu beendenden Verträge zu vermeiden, ist der Weg der Ersetzungsbefugnis nach § 164 Abs. 1 gewählt worden, zumal durch die Feststellung der Unwirksamkeit einer Klausel hunderttausende von Verträgen betroffen sein können. Die Klauselersetzung nach § 164 verdrängt daher die richterliche ergänzende Ver- 11 tragsauslegung in den Individualprozessen. Die Individualkontrolle ist nur solange möglich, wie eine Ersetzung der Klausel noch nicht wirksam erfolgt ist.18 Das bedeutet nicht, dass die Klauselersetzung nicht anhand der Methoden vorgenommen wird, die § 306 Abs. 2 BGB vorgibt. Die Bedingungsersetzung erfolgt somit in aller Regel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung.19 § 164 konkretisiert dabei das nach § 306 Abs. 2 BGB gebotene Vorgehen.20 § 164 ist im Lebensversicherungsrecht selbstständig an die Stelle der §§ 306 Abs. 2, 307 ff. BGB getreten, die Vorschrift verdrängt insoweit § 306 Abs. 2 BGB und ist nicht etwa nur subsidiär heranzuziehen. Die durch den VR erfolgende einseitige Bedingungsergänzung beinhaltet auch keinen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG,21 die Vertragsfreiheit des VN wird in dem engen Rahmen der Klauselersetzungsmöglichkeit des VR nicht unverhältnismäßig eingeschränkt.22 Zwar wird der Lebensversicherungsvertrag ohne Zustimmung des VN ergänzt, der VR ist dabei jedoch an strikte Voraussetzungen gebunden: Die Bedingungsergänzung muss notwendig sein oder das Festhalten am Vertrag muss eine unzumutbare Härte für den VR bedeuten; die Klauselersetzung ist nur wirksam, wenn die Belange der VN angemessen berücksichtigt werden (§ 164 Abs. 1 Satz 2). Selbstverständlich ist, dass die VN durch eine ersetzte neue Klausel nicht schlechter gestellt werden dürfen, als sie bei der Wirksamkeit der unwirksamen Klausel gestanden hätten.23 Auch die ersetzte Bedingungsklausel unterliegt – wie sämtliche AVB – der Kontrolle durch die ordentlichen Gerichte.24

16 17 18 19 20 21 22

BGH 8.10.2005 VersR 2005 1565, 1568. Römer VersR 1994 125, 126; Wandt VersR 2001 1449, 1451. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1567. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1568. Vgl. OLG Celle 25.1.2005 VersR 2005 535, 536. Anders aber Schünemann JZ 2002 134, 137. OLG Braunschweig 8.10.2003 VersR 2003 1520; OLG Celle 25.1.2005 Versr 2005 535,

23 24

536; LG Hamburg 28.1.2005 VersR 2005 537, 538; LG Leipzig 17.1.2005 VersR 2005 1378, 1380; LG Würzburg 29.12.2004 VersR 2005 538, 540; wohl auch BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1568 – anders aber Schünemann JZ 2002 134, 137. Wandt Änderungsklauseln Rn. 318 ff: Verschlechterungsverbot. Zutreffend Lorenz VersR 2002 410, 411 f.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Eine schuldhafte Pflichtverletzung kann in Zusammenhang mit der Klauselersetzung zu Schadenersatzansprüchen des VN gegen den VR aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB führen.25

II. Voraussetzungen der Klauselersetzung 1. Unwirksamkeit einer Lebensversicherungsklausel

13

Eine Klauselersetzung durch den VR kann vorgenommen werden, wenn eine Bestimmung in AVB für unwirksam erklärt worden ist. Dabei ist es laut Gesetzesbegründung „unerheblich, aus welchem Grund eine Bestimmung … unwirksam“ ist.26 Auch wenn sich die Unwirksamkeit in erster Linie aus einem Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB ergeben dürfte, aus sonstigen Gründen unwirksame oder nichtige Lebensversicherungsklauseln fallen ebenfalls unter § 164. Man denke nur an §§ 134, 138 BGB. Dazu dürfte es nach Auffassung des Gesetzgebers jedoch kaum kommen.27 Die Unwirksamkeit einer AVB-Klausel muss durch eine höchstrichterliche Entschei14 dung oder einen bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellt worden sein. Es braucht sich dabei nicht um eine Entscheidung zu handeln, die sich auf ein Bedingungswerk desjenigen VR bezieht, der von der Ersetzungsbefugnis Gebrauch macht. Die Klausel, die für unwirksam erklärt worden ist, braucht auch nicht in derselben Weise formuliert worden zu sein wie die Klausel, die ersetzt werden soll. Der Inhalt der für unwirksam erklärten Klausel muss im Wesentlichen identisch mit oder auch gleichartig bzw. vergleichbar mit der zu ersetzenden Klausel sein.28 Aus Gründen der Rechtssicherheit muss es sich dabei um die bindende Entscheidung 15 eines Gerichts oder einer Behörde handeln. Als höchstrichterliche Entscheidung i.S.d. § 164 gilt ohne Zweifel eine Entscheidung des BGH, nach der Gesetzesbegründung ist damit aber auch die Entscheidung eines Oberlandesgerichts gemeint, die nicht mehr anfechtbar ist. Dasselbe gilt für den bestandskräftigen Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde oder aber auch der Kartellbehörde, gegen den ein Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden kann. Die Anerkennung unanfechtbarer Entscheidungen der Oberlandesgerichte als Ersetzungsvoraussetzung ist nicht unproblematisch, da die Entscheidungen von Oberlandesgerichten zu im Schrifttum zuvor diskutierten rechtlichen Fragen trotz allem unterschiedlich ausfallen können und sich die Frage stellt, ob der VR in einem solchen Fall eine Klauselersetzung vornehmen kann, sollte oder muss und welche Wahlmöglichkeit er besitzt. Sinn und Zweck des § 164 sprechen für eine weite Auslegung der Vorschrift: Bestehen 16 rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit einer Bedingungsklausel, spricht manches für die Befugnis des VR, die Klausel aus Gründen der Rechtsklarheit und eines besseren Verbraucherschutzes durch eine sachgerechtere Klausel zu ersetzen, auch ohne dass die engen Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind. Denn anderenfalls müsste der VR die Erhebung einer Klage durch einen VN abwarten, den Instanzenzug ausschöpfen und

25 26 27

Lorenz VersR 2001 1146. BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164 Abs. 1. BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164 Abs. 1; ablehnend hinsichtlich einer Erstreckung der Vorschrift auch auf sonstige Unwirksamkeitsgründe Langheid/Grote NVersZ 2002 49.

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Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brambach § 164 Rn. 2; Terbille/Hörau/Fitzau § 25 Rn. 211; Prölss/Martin/Schneider § 164 Rn. 7; Kollhosser VersR 2003 807, 809.

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die Klausel weiter verwenden, auch wenn er sie inzwischen als unwirksam eingestuft hat. Dass der VR seine Ersetzungsbefugnis missbraucht und auf die Benutzung einer anderen Klausel hinarbeitet, die den VN ungünstiger stellt, erscheint als wenig wahrscheinlich.29 Gleichwohl hält die h.M. an der engen Auffassung fest und verwehrt dem VR auch die Wahlmöglichkeit bei Entscheidungen der Oberlandesgerichte, sie widerspreche der Neuregelung des § 164.30 Ihr ist zu folgen, weil anderenfalls die Gefahr besteht, dass der VR zu leicht in die Vertragsparität eingreifen könnte – will er bei Vertragsklauseln sonstige Änderungen vornehmen, genügt eine einseitige Klauselersetzung nicht, er ist in der Regel auf die Zustimmung des VN angewiesen. Anderenfalls würde die Vertragsfreiheit des VN „in nicht hinnehmbarer Weise“ eingeschränkt.31 2. Notwendigkeit der Klauselersetzung zur Vertragsfortführung Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 ist die Ersetzung einer Klausel zulässig, wenn sie 17 zur Fortführung des Vertrages der Sache nach und auch zeitlich notwendig ist. Inhaltlich notwendig ist die Klauselersetzung, wenn infolge der Unwirksamkeit der Klausel in dem Vertrag eine Regelungslücke entsteht, welche von den Vertragsparteien zu schließen ist.32 Die Ersetzung der AVB-Bestimmung ist sachlich nicht erforderlich, wenn es interessengerecht ist, dass der Vertrag im Übrigen ohne Einfügung einer neuen Klausel fortgeführt wird. Sie ist als sachlich notwendig anzusehen, wenn ein unabweisbarer Bedarf an einer Klauselersetzung gegeben ist33 oder wenn mit der Klausel „zentrale“ Elemente des Lebensversicherungsvertrages angesprochen werden und es „unvertretbar“ wäre, auf eine Neuregelung zu verzichten.34 Notwendig ist die Klauselergänzung schließlich auch, wenn die Belange der VN sie aus anderen Gründen erforderlich machen.35 Auch die Notwendigkeit eines Klauselersatzes ist aus der Sicht des durchschnittlichen verständigen VN zu beurteilen, insbes. wenn Transparenzfragen eine Rolle spielen. Daher kann der VR auch eine deklaratorische Klausel einfügen, die den Gesetzestext im Wesentlichen wiederholt.36 Die Klauselergänzung muss auch zeitlich notwendig sein. Auch wenn der Lebens- 18 versicherungsvertrag schon gekündigt, aber noch nicht abgewickelt ist oder wenn er nach § 165 in eine prämienfreie Lebensversicherung umgewandelt ist, dürfte eine Klauselersetzung erforderlich sein.37 Das gilt auch mit Blick auf die Transparenz29 30

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33 34

Zu allem Kollhosser VersR 2003 807, 809. BTDrucks. 16/3945 S. 100; BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1568; Prölss/Martin/ Schneider § 164 Rn. 7; Langheid/Grote NVersZ 2002 49, 51; ausführlich auch Römer/Langheid/Römer § 164 Rn. 8 zum Verständnis des BGH, dessen Zeitlinien für den Gesetzgeber maßgeblich waren. Vgl. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1568. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1568; OLG Braunschweig 8.10.2003 VersR 2003 1520, 1521; OLG Celle 25.1.2005 VersR 2005 535, 536; Lorenz VersR 2001 1146, 1147. Kollhosser VersR 2003 807, 810; Fricke NVersZ 2000 310, 313. OLG Stuttgart 6.4.2001 VersR 2001 1141, 1144; Kollhosser a.a.O.

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Kollhosser a.a.O.; BK/Schwintowski § 172 a.F. Rn. 25. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 164 Rn. 13; Lorenz VersR 2001 1146, 1148; Wandt VersR 2001 1449, 1452; a.A. Schünemann VersR 2002 393, 394. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1568; ebenso OLG München 1.7.2003 VersR 2003 1024, 1025; LG Hamburg 27.1.2005 VersR 2005 537, 538; LG Landshut 3.9.2002 VersR 2002 1362, 1364; LG Leipzig 17.1.2005 VersR 2005 1378, 1380 (analoge Anwendung); LG Stuttgart 11.12.2002 VersR 2003 313, 314; AG Kamenz 23.10.2002 VersR 2003 315; AG Kiel 21.11.2002 VersR 2003 317 (analoge Anwendung); AG Stuttgart 24.10.2002 VersR 2003 318, 319; Kollhosser VersR 2003 807, 810; a.M. LG Hannover 12.6.2003 VersR 2003 1289, 1290; AG Han-

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problematik.38 Da Unwirksamkeit und Klauselersetzung bis auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirken, ist für die ordnungsgemäße Weiterführung des Vertrages ebenso wie für seine Abwicklung allein die an die Stelle der alten getretene neue Regelung maßgebend.39 3. Intransparente Klauseln: Rückvergütung bei gezillmerten Verträgen In Zusammenhang mit der Rechtsprechung zur Intransparenz von Rückkaufsregelungen bei Lebensversicherungsverträgen40 und der Ersetzung der Klauseln durch den VR sind die Grundsätze eines solchen Verfahrens intensiv erörtert worden.41 Durch die Entscheidungen von 2001 waren bis dahin von den VR verwandte Klauseln über die Verrechnung von Abschlusskosten, den Stornoabzug und über die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und der Rückvergütung für intransparent erklärt worden, weil sie den VN die erheblichen wirtschaftlichen Nachteile, die den VN nach diesen Klauseln treffen sollten, bei Abschluss des Vertrages nicht genügend deutlich beschrieben hatten. Die von den VR nach 2001 ersetzten Klauseln – in denen den VN die wirtschaftlichen Nachteile stärker vor Augen geführt worden waren – wurden 2005 ebenfalls für unwirksam erklärt, in diesem Zusammenhang wurden vom BGH 42 zum besseren Verständnis jedoch Richtlinien für den Umgang mit vorzeitig gekündigten Lebensversicherungen aufgestellt, die sich hinsichtlich des Mindestbetrages von Rückkaufswert und beitragsfreier Versicherungssumme an dem ursprünglichen Vorschlag der VVG-Reformkommission43 orientierten, der vom Gesetzgeber allerdings nicht aufgegriffen und durch eine für den VN günstigere Regelung ersetzt worden ist.44 Die Problematik der vom BGH erneut für unwirksam erklärten Klauseln liegt darin, 20 dass die VR – und häufig auch die Treuhänder – die 2001 für intransparent erklärten Klauseln als inhaltlich angemessen und als allein aus Gründen formeller Intransparenz unwirksam verstanden hatten.45 Daher legt der BGH in seiner Urteilsbegründung 2005 besonderes Gewicht auf die Klärung der Frage, worin bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot in diesen Fällen die unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu erblicken war: „Die inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klauseln unterläuft die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit. … Dies gilt auch, wenn die Unwirksamkeit auf einem Verstoß gegen das Transparenzgebot beruht. … Dass dies gerade dann gilt, wenn durch die Intransparenz ein … wirtschaftlicher Nachteil des VN von erheblichem Gewicht verdeckt wird, versteht sich von selbst. … Bei der inhalts-

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nover 12.11.2002 VersR 2003 314, 315; AG Karlsruhe 13.9.2002 VersR 2003 316; AG Köln 21.2.2003 VersR 2003 1026 (differenzierend); AG Stuttgart 18.10.2002 VersR 2003 317, 318. 38 Vgl. unten § 164 Rn. 19 f. 39 BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1569 Abs. 32. 40 BGH 9.5.2001 VersR 2001 841; BGH 9.5.2001 VersR 2001 839. 41 Vgl. die Übersicht bei BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1566 Abs. 11–14. 42 BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1569 f. Abs. 41–49. 43 Abschlussbericht Nr. 1.3.2.1.4 S. 107 ff.

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Vgl. dazu im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 5, 90 ff. mit weiteren Hin- und Nachweisen. Die vom BGH 2005 aufgestellten Grundsätze gelten – wie durch weitere Entscheidungen festgestellt – auch für die fondsgebundene Lebensversicherung (BGH 26.9.2007 VersR 2007 1547, 1548), die Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht (BGH 24.10.2007 VersR 2008 244) und bei einem Gegenseitigkeitsverein (BGH 18.7.2007 VersR 2007 1211). Sie gelten mit anderen Worten ganz generell. Kirscht VersR 2003 1072, 1075 f.; Sˇijanski VersR 2006 469, 472; Beispiel: LG Gießen 23.6.2005 VersR 2005 1377, 1378.

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Bedingungsanpassung

§ 164

gleichen Ersetzung der Klausel hätte dieser Nachteil Bestand, obwohl der Vertrag durch den Transparenzmangel unter Verdeckung dieses Nachteils zustande gekommen ist. Der Eingriff in die Entschließungs- und Auswahlfreiheit bleibt unbeseitigt und bestünde – bei Einstellung der Prämienzahlung – in seinen Auswirkungen fort. Das führte im Ergebnis dazu, dass die wegen Intransparenz unwirksame Klausel mit den verdeckten Nachteilen für den VN letztlich doch verbindlich bliebe“.46 Der BGH forderte daher zu Recht, dass der wirtschaftliche Nachteil des VN bei Kündigung und Beitragsfreistellung bei der Ersetzung der Klausel zu beseitigen sei (auch wenn diese Regelungen bei der nötigen Transparenz inhaltlich nicht als unwirksam zu betrachten seien) – eine Rechtsfortbildung, die sich an den Ergebnissen der Reform des VVG orientierte. Das geschah als Ausgleich für den rückwirkend nicht mehr behebbaren Transparenzmangel. Damit geht es nicht mehr allein um Transparenz, sondern vielmehr um einen zusätzlichen Schutz für den überforderten VN.47 Weitergeführt und erneut verschärft hat der BGH seine Rechtsprechung 2012 48: Er betont zunächst auch ausdrücklich, dass eine nicht nur teilweise und sich nicht am neuen Recht orientierende Verrechnung insbes. der Vermittlungsprovisionen mit den ersten Prämienzahlungen eine unangemessene Benachteiligung für den VN darstellt 49 – auch wenn die den Lebensversicherungsvertrag planmäßig weiterführenden VN „wirtschaftlich in erheblichem Umfang mit Abschlusskosten belastet werden, die sie nicht verursacht haben“.50 Der BGH verwirft zu Recht ferner Klauseln als intransparent, wenn in ihnen und der Garantiewerttabelle nicht zwischen den nach den Regeln der Versicherungsmathematik ermittelten Rückkaufswerten und dem eine Vereinbarung erfordernden Stornoabzug differenziert wird.51 Hinsichtlich der Beweislast zur Höhe des Stornoabzuges hält der BGH die Regelung des § 309 Nr. 5b BGB zu Recht zumindest für analog anwendbar, und zwar mit der Folge, dass zunächst der Verwender die generelle Angemessenheit des abgezogenen Betrages beweisen muss und den VN erst in einem weiteren Schritt die Beweislast trifft, dass in der konkreten Konstellation der Abzug überhöht ist.52 Schließlich betont der BGH – gleichfalls zu Recht –, dass die sog. 10-Euro-Klausel als Verfallklausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB ebenfalls unwirksam sei.53 Soweit die Klauseln unwirksam sind, greift eine ergänzende Bedingungsauslegung, der das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht entgegensteht und die sich an der seit 2008 geltenden Regelung orientiert (also keine analoge Anwendung des § 169 bedeutet). Auch diese Urteile des BGH beziehen sich auf die Rechtslage bei bis 2008 geschlossenen gemischten Lebensversicherungsverträgen, bei aufgeschobenen und bei fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen. Auf nach 2007 abgeschlossene Verträge sind diese Grundsätze nur anwendbar, wenn die AVB nicht der seit 2008 geltenden Rechtslage entsprechen und sich in ihnen vor 2008 übliche unangemessene Klauseln finden. Insbesondere auch die Urteile von 2012 bieten bei bereits stornierten sowie abgewickelten Altverträgen eine Grundlage für Nachforderungsansprüche der VN (wobei die Verjährungsfristen nach §§ 195, 199 BGB zu beachten sind).54 46 47 48 49

BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1570 Abs. 43–44. Präve Anm. zu BGH 25.07.2012 VersR 2012 1149, 1159, 1163. BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149 ff.; BGH 17.10.2012 VersR 2013 2013, 2014 ff. BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1152 (Rn. 15 ff., 24); der BGH bezieht sich dabei auch auf BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 494.

50 51 52 53 54

Armbrüster NJW 2012 3001. BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1156 ff. (Rn. 46 ff.). BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1157 (Rn. 63 ff.). BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1157 f. (Rn. 67 ff.). Armbrüster NJW 2012 3001, 3004; vgl. auch BGH 18.4.2012 VersR 2012 1110, 1112; nach BGH 19.12.2012 VersR 2013 565, 566 ff.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

4. Festhalten am Vertrag als unzumutbare Härte

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Die Ersetzung einer Klausel ist darüber hinaus möglich, falls die Fortführung des Vertrages ohne eine neue Regelung für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Damit greift der Gesetzgeber auf die Formulierung des § 306 Abs. 3 BGB zurück.55 Während dabei nach dem BGB der gesamte Vertrag unwirksam ist, kann nach § 164 der Vertrag als ganzer aufrechterhalten bleiben, allerdings unter Ersetzung der unwirksamen Klausel. Mit der Vorschrift des § 164 soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Fortführung des Vertrages von einer Partei als untragbar empfunden werden muss, weil sich beispielsweise das vertragliche Gleichgewicht zulasten dieser Partei deutlich verschiebt und damit – auch mit Blick auf die langen Vertragslaufzeiten und die Problematik einer Lösung vom Vertrage – eine schwerwiegende Äquivalenzstörung entsteht. Die Aufrechterhaltung des Vertrages, ohne dass es zu einer Ersetzung der Klausel kommt, ist unzumutbar, wenn eine Vertragspartei den Vertrag ohne die unwirksame Klausel nicht geschlossen hätte. Dabei sind die Umstände des konkreten Lebensversicherungsvertrages in Betracht zu ziehen, das Gesetz spricht die beiden Vertragsparteien an und bezieht sich nicht nur abstrahierend auf die „Belange der Versicherungsnehmer“.56 Schon bei der Frage der unzumutbaren Härte für den VR sind auch die Interessen der VN mit zu berücksichtigen.57 Fast stets führt der Wegfall einer Klausel des Lebensversicherungsvertrages zu einer 22 Verschlechterung der Stellung des VR (Beispiel: Klauseln zur Berechnung des Rückkaufswerts – Stornoabzüge, § 169 Abs. 5). Der VR kann jedoch nicht bei jedem Wegfall einer Klausel von einer unzumutbaren Härte ausgehen, es müssen erhebliche Auswirkungen gegeben sein. Angesichts der ausführlichen gesetzlichen Regelung zur Überschussbeteiligung und zur Rückvergütung, auf die zurückzugreifen ist, wenn es nicht zu einer Ersetzung der Klausel kommt, dürften sich in diesen Bereichen nur wenige Beispiele finden. Aus dem Blickwinkel des VN betrachtet, dürfte der Wegfall einer Klausel in der Regel eine Stärkung seiner rechtlichen Position bedeuten. Zu einer unzumutbaren Härte für den VN kann es kommen, wenn der Wegfall einer Klausel zu Rechtsunsicherheit führt.58 Hinsichtlich der Beweislast zur Höhe des Stornoabzuges hält der BGH die Regelung des § 309 Nr. 5b BGB zu Recht zumindest für analog anwendbar, und zwar mit der Folge, dass zunächst der Verwender die generelle Angemessenheit des abgezogenen Betrages beweisen muss und den VN erst in einem weiteren Schritt die Beweislast trifft, dass in der konkreten Konstellation der Abzug überhöht ist.59 Schließlich betont der der BGH – gleichfalls zu Recht –, dass sie sog. 10-Euro-Klausel als Verfallsklausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB ebenfalls unwirksam sei.60 Soweit die Klauseln unwirksam sind, greift eine ergänzende Bedingungsauslegung, der das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht entgegensteht und die sich an der seit 2008 geltenden Regelung orientiert (also keine analoge Anwendung der § 169 bedeutet). Auch diese Urteile des BGH beziehen sich auf die Rechtslage bei bis 2008 abgeschlossenen gemischten Lebensversicherungsverträgen, bei angeschlossenen und bei fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen. Auf nach 2007 abgeschlossene Verträge sind diese Grund-

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gelten die Grundsätze der Entscheidungen BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1152 f. usw. auch für Versicherungsverträge mit einem Gegenseitigkeitsverein. BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164 Abs. 1. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 164 Rn. 20.

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BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164 Abs. 1. Looschelders/Pohlmann/Krause § 164 Rn. 11. BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1157 (Rn. 63 ff.). BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1157 (Rn. 67 ff.).

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sätze nur anwendbar, wenn die AVB nicht der seit 2008 geltenden Rechtslage entsprechen und sich in ihnen vor 2008 übliche unangemessene Klauseln finden. Insbes. auch die Urteile von 2012 bieten bei bereits stornierten sowie abgewickelten Altverträge eine Grundlage für Nachforderungsansprüche des VN (wobei die Verjährungsfristen nach §§ 195, 199 BGB zu beachten sind).61

III. Durchführung der Klauselersetzung: Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer 1. Grundsatz Bei der inhaltlichen Ersetzung der unwirksamen Klausel sind die gesetzlichen Vor- 23 schriften des VVG in Betracht zu ziehen,62 wie sie seit 2008 insbes. auch für die Überschussbeteiligung und die Rückvergütungsregelung ausführlicher und eindeutiger zur Verfügung stehen; im Übrigen ist zu berücksichtigen, ob die Belange der VN unter Wahrung des Vertragsziels angemessen gewahrt sind. 2. Rückgriff auf das Versicherungsaufsichtsrecht § 164 Abs. 1 Satz 2 greift damit auf ein Kriterium zurück, das sich als „Belange der 24 Versicherten“ im Versicherungsaufsichtsrecht findet,63 wobei unter den Versicherten der VN, versicherte Personen (in der Schadensversicherung usw.) und Bezugsberechtigte zu verstehen sind.64 Wenn § 164 auf die Belange der VN abstellt, so geschieht das, weil unter dem Versicherten im VVG im Wesentlichen die Gefahrspersonen bzw. der Anspruchsberechtigte i.S.v. §§ 43 ff. verstanden wird und in Schrifttum und Rechtsprechung zur Lebensversicherung insbes. auch die Gefahrsperson i.S.d. § 150. Nicht erfasst würde mit dem Begriff des Versicherten der VN (und weithin auch der Bezugsberechtigte). Das aber wäre nicht sachgerecht. Unter dem in § 164 genannten VN sind dabei auch solche Personen zu verstehen, die am Vertrag auf der VN-Seite beteiligt sind (Gefahrsperson, Versicherter, Bezugsberechtigter, Eintrittsberechtigter), auch wenn die Belange dieser Personen „nicht mit den Belangen der Versicherungsnehmer gleichlautend sein sollten“.65 Der Begriff des VN ist im Versicherungsvertragsrecht genauso weit zu sehen wie der des Versicherten im Versicherungsaufsichtsrecht. 3. Belange der Versicherungsnehmer Die angemessene Wahrung der Belange der VN/Versicherten ist ein Verhaltensgebot, 25 das durch Auslegung zu ermitteln ist. Dabei sind die rechtsstaatlichen Bedenken, die im Versicherungsaufsichtsrecht gegen den damit verwandten unbestimmten Rechtsbegriff geäußert werden,66 für das Versicherungsvertragsrecht ohne Belang. Bei der Auslegung ist nicht auf die aktuellen Interessen der einzelnen VN abzustellen, sondern auf den

61 62 63

Armbrüster NJW 2012 3001, 3004; vgl. auch BGH 18.4. 2012 VersR 2012 1110, 1112. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1569 Rn. 34 ff. Z.B. in §§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 12b Abs. 1a Satz 2, 81 Abs. 1 Satz 2, 81c Abs. 1 Satz 1, 81e Abs. 3, 85 Abs. 1 Nr. 3 VAG.

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Fahr/Kaulbach/Bähr/Kaulbach § 8 VAG Rn. 17. BTDrucks. 16/3945 S. 100. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 611.

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Interessenmaßstab der Gesamtheit der Versicherten, und zwar auf das typische Durchschnittsinteresse. Ferner hat Berücksichtigung zu finden, dass eine solche Generalklausel im Laufe der Zeit einem mehr oder weniger ausgeprägten Funktionswandel unterliegen kann. Drittens sind die Belange der VN nur angemessen – im Sinne von: nicht unangemessen – zu wahren. Dabei ist eine floskelhafte Orientierung, wie sie Urteilen des BVerwG zugrunde liegt, 26 im konkreten Fall wenig zielführend: Die Belange der Versicherten/VN seien nicht gewahrt, wenn schutzwürdige Interessen beeinträchtigt werden und die Beeinträchtigung „unter Berücksichtigung der Gesamtheit der beteiligten Interessen und der Besonderheiten der betreffenden Versicherungszweige als unangemessen anzusehen ist und so schwer wiegt“, dass sie nicht akzeptiert werden kann.67 Stattdessen bedarf es einer juristisch abgesicherten Konkretisierung der jeweiligen Problematik (beispielhaft Kagelmacher zur zeitnahen Überschussbeteiligung68). Die Belange der VN lassen sich nicht durch eine feststehende Merkmalsreihe ausdrücken, die Merkmale sind vielmehr variabel, für die allerdings bei einer Klauselersetzung nicht die aktuellen Interessen der einzelnen konkreten VN als maßgeblich erachtet werden dürfen, sondern die Interessen der Gesamtheit sämtlicher gegenwärtigen wie künftigen VN, also das typische Durchschnittsinteresse dieser Gesamtheit.69 Ebenso wie im Aufsichtsrecht – das auf eine „ausreichende“ Wahrung der Belange 27 der Versicherten abstellt – ist auch bei der Versicherungsvertragsrechtsgestaltung eine optimale Wahrung der Belange der VN nicht erforderlich: Notwendig ist nach § 164 eine nur „angemessene“ Wahrung der Belange der VN. Aus dem Versicherungsrecht lässt sich eine Optimierungspflicht des VR nicht herleiten.70 Mit der „angemessenen“ Wahrung besteht eine Parallele nicht nur zu § 307 BGB, sondern auch zum Versicherungsaufsichtsrecht.71 4. Wiederherstellung des Äquivalenzverhältnisses

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Ähnlich wie in Zusammenhang mit § 163, wo die Prämienheraufsetzung der Behebung der Äquivalenzstörung dient, sind bei § 164 die Belange der VN gewahrt, wenn durch die Klauselersetzung das bei Vertragsschluss vorhandene Äquivalenzverhältnis wiederhergestellt wird.72 Sie sind „in aller Regel“ nicht gewahrt, wenn die VN durch die Klauselersetzung schlechter gestellt werden als sie bei Vertragsschluss standen.73 Die neue Klausel muss auch im Übrigen der AVB-Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhalten. Führt die Unwirksamkeit der Klausel bei den ab 2008 geschlossenen Lebensversiche29 rungsverträgen zu einer Klauselersetzung gleichen Inhalts, so werden auch bei einer solchen Klausel die Belange der VN nicht angemessen gewahrt. Denn auf diese Weise würde

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BVerwG 12.9.1989 VersR 1990 73; BVerwG 11.1.1994 VersR 1994 541, 542 (st. Rspr.); kritisch Winter Versicherungsaufsichtsrecht 61; Kagelmacher VersR 1990 805–808. Kagelmacher a.a.O. Bähr Generalklausel- und Aufsichtssystem des VAG im Strukturwandel (2000) 216, 217; zutreffend auch insoweit die st. Rspr., wie sie in den Entscheidungen des BVerwG a.a.O. ihren Ausdruck gefunden hat.

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Z.B. Bähr a.a.O. 102; Winter Versicherungsaufsichtsrecht 71; a.A. Prölss FS Larenz 487 ff., 491. Vgl. dazu Römer Der Prüfungsmaßstab bei der Mißstandsaufsicht nach § 81 VAG und der AVB-Kontrolle nach § 9 AGBG (1996). BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164 Abs. 1. BTDrucks. 16/3945 S. 100 zu § 164 Abs. 1; Wandt VersR 2002 1449, 1452.

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die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit gemäß § 307 Abs. 1 BGB unterlaufen; es wäre nicht sichergestellt, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind.74 Das gilt auch, wenn ein Verstoß gegen das Transparenzgebot zur Unwirksamkeit geführt hat. „Wenn AVB Rechte und Pflichten des Vertragspartners – des VN – nicht klar und durchschaubar darstellen, insbesondere die wirtschaftlichen Nachteile nicht insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann, wird er unangemessen benachteiligt. … Der VN wird durch die fehlende Transparenz gehindert, seine Entschließungsfreiheit bei Eingehung des Vertrages in voller Kenntnis des Inhalts des Vertrages, insbesondere der wirtschaftlichen Nachteile, auszuüben. … Diese Folgen des Transparenzmangels lassen sich nicht rückwirkend damit beseitigen, dass die unwirksame intransparente Klausel durch eine materiell inhaltsgleiche transparente Klausel ersetzt wird“.75 Es bedarf keiner Betonung, dass bei Neuabschlüssen eine transparent formulierte Klausel, die inhaltsgleich ist, Verwendung finden kann und nicht unwirksam ist.76

IV. Pflicht des Versicherers zur ordnungsgemäßen Klauselersetzung nach § 164 VVG Nach dem Wortlaut des § 164 hat der VR lediglich ein Recht zur Klauselersetzung, es 30 steht also in seinem Ermessen, ob er die unwirksame Bestimmung ersetzen will oder ob er es bei den Rechtsfolgen des § 306 BGB (ergänzende Vertragsauslegung bezogen auf den konkreten Lebensversicherungsvertrag) belassen will. Schneider 77 ist dabei darin zuzustimmen, dass sich das Ermessen des VR mit Blick auf Sinn und Zweck des § 164 auf Null reduzieren kann, wenn das aus Gründen der Rechtssicherheit zwingend erforderlich ist. Auch aus der vertraglichen Treuepflicht kann sich ergeben, dass der VR von seinem Recht auf Klauselersetzung zeitnah Gebrauch machen muss, wenn die Unwirksamkeit der AVB-Bestimmung festgestellt worden ist.78 Ob die Aufsichtsbehörde einschreiten und dem VR gegenüber durchsetzen kann, eine 31 Klauselersetzung vorzunehmen, kann angesichts des Subsidiaritätsprinzips, das seinen Ausdruck auch in § 81 Abs. 1 Satz 3 VAG findet,79 zweifelhaft sein. Eine Pflicht des VR zur Durchführung der Klauselersetzung kann aus dem Aufsichtsrecht nicht hergeleitet werden.80

V. Wirksamwerden der neuen Klausel Aus § 164 Abs. 2 ergibt sich, wann die neue Regelung Vertragsbestandteil wird, näm- 32 lich zwei Wochen nach ihrer Mitteilung an den VN und der Mitteilung der hierfür maßgeblichen Gründe. Mit der Wendung „wird Vertragsbestandteil“ knüpft das Gesetz an § 305 Abs. 2 BGB an, wobei auch deutlich gemacht werden soll, dass eine gerichtliche Inhaltskontrolle noch nicht vorgenommen worden ist.81 Die Berechnung der Frist erfolgt nach

74 75 76

BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1570 unter Rn. 43. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1570 unter Rn. 43, 44. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 164 Rn. 25.

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Prölss/Martin/Schneider § 164 Rn. 21. Kollhosser VersR 2003 807, 811. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 647 ff. A.A. Lorenz VersR 2001 1146, 1148; Prölss/Martin/Schneider § 164 Rn. 21. BTDrucks. 16/3945 S. 100.

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§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, die Frist beginnt nach Erhalt der Mitteilung durch den VN. Nach der Gesetzesbegründung soll die Anpassung jeweils nur für die Zukunft (ex nunc) wirken, wobei die Vertragsparteien allerdings auch einen anderen Zeitpunkt für das Wirksamwerden wie die Rückwirkung zum Vertragsschluss vereinbaren können, sofern das für den VN nicht nachteilig ist.82 Dieser Auffassung des Gesetzgebers kann nicht gefolgt werden. Aus dem – ausschlaggebenden – Sinn und Zweck des § 164 ergibt sich, dass die Klauselersetzung auf den Vertragsschluss zurückwirken muss (ex-tunc-Wirkung). Denn auch die Feststellung der Unwirksamkeit der ursprünglichen Klausel wirkt auf den Vertragsschluss zurück. Würde die Klauselersetzung nur ex nunc wirken, so ließe sich die seit Vertragsschluss bestehende Lücke für die Zeit bis zur Klauselersetzung nur nach § 306 Abs. 2 BGB ausfüllen. Für diese Zeitdauer – die sich über mehrere Jahre hin erstrecken kann – bestände eine Rechtslage, die der Gesetzgeber mit § 164 gerade vermeiden wollte.83 Dass auch die neue Regelung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, bedarf keiner Betonung.84

VI. Verhältnis der Klauselersetzung nach § 164 VVG zur individuellen Ersetzung nach § 306 Abs. 2 BGB 33

Die Ersetzung der Klausel im Wege des § 164 ist vorrangig gegenüber der sich aus § 306 Abs. 2 BGB ergebenden Möglichkeit eines individuellen Vorgehens. Um im Interesse von VN und VR die erforderliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Falle der Unwirksamkeit einer Lebensversicherungsklausel möglichst zeitnah wiederherzustellen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der einheitlichen Klauselersetzung nach § 164 unter besonderer Berücksichtigung der Belange der VN geschaffen. § 164 verdrängt in seinem sachlichen Anwendungsbereich die Möglichkeit von Individualprozessen, wie sie sich auf § 306 Abs. 2 BGB stützen können. Die Möglichkeit einer Individualklage bringt die Gefahr einer Vielzahl u.U. länger andauernder Prozesse mit sich, die zu sich unterscheidenden Urteilen führen können – eine Situation, die durch das Vorgehen des VR nach § 164 in der Lebensversicherung gerade vermieden werden soll.85

C. Abdingbarkeit 34

Die Bestimmung des § 164 ist halbzwingend, § 171.

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BTDrucks. 16/3945 S. 100/101 zu § 164 Abs. 2. Kollhosser VersR 2003 807, 812; Prölss/Martin/Schneider § 164 Rn. 22; Schwintowski DStR 2006 429, 431 und Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ortmann § 164 Rn. 33 plädieren für eine Beschränkung der Rück-

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wirkung auf fortgeführte Lebensversicherungsverträge. Vgl. mit Blick auf § 172 Abs. 2 a.F. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565 ff. Kollhosser VersR 2003 807, 812; Langheid/Wandt/Wandt § 164 Rn. 23–25.

Gerrit Winter

Prämienfreie Versicherung

§ 165

§ 165 Prämienfreie Versicherung (1) 1 Der Versicherungsnehmer kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungsleistung erreicht wird. 2 Wird diese nicht erreicht, hat der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen. (2) Die prämienfreie Leistung ist nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation unter Zugrundelegung des Rückkaufswertes nach § 169 Abs. 3 bis 5 zu berechnen und im Vertrag für jedes Versicherungsjahr anzugeben. (3) 1 Die prämienfreie Leistung ist für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode unter Berücksichtigung von Prämienrückständen zu berechnen. 2 Die Ansprüche des Versicherungsnehmers aus der Überschussbeteiligung bleiben unberührt.

Schrifttum Engeländer Die Neuregelung des Rückkaufs durch das VVG 2008, VersR 2007 1297.

Übersicht Rn. A. I. II. III. IV. B. I. II. III.

IV.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . Bedingungsregelungen . . . . . . . . . Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Lebensversicherung . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . Umwandlungsberechtigter . . . . . . . Voraussetzungen der Umwandlung . . . 1. Bestehende Prämienzahlungspflicht . 2. Vorhandensein eines Deckungskapitals und Vereinbarung einer Mindestversicherungsleistung . . . . . . . . 3. Belastung der Lebensversicherung mit Rechten Dritter und Einwilligungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . Umwandlungsverfahren . . . . . . . . 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens und Fristen . . . . . . . . 3. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . .

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Rn. V. Teilumwandlung . . . . . . . . . . . . VI. Durchführung der Umwandlung . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 2. Rückkaufswert als einmalige Prämie . 3. Weitere Abzüge . . . . . . . . . . . 4. Tabelle der Umwandlungswerte . . . 5. Berichtigung des Versicherungsscheins 6. Ansprüche aus der Überschussbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . 7. Rückkaufswert bei Nichterreichung des vereinbarten Mindestbetrages . . 8. Keine sonstigen Rechtsfolgen der Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . VII. Andere Umwandlungsarten . . . . . . VIII. Zurückumwandlung . . . . . . . . . . 1. Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch auf Rückumwandlung . . . IX. Umwandlung in der Gruppenlebensversicherung und in der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . X. Frage-, Informations-, Beratungspflichten nach § 6 Abs. 4, Schadenersatzpflicht nach § 6 Abs. 5 VVG . . . . . . . . . . C. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .

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§ 165

Kapitel 5: Lebensversicherung

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

Die Vorschrift übernimmt weitgehend § 174 a.F. Änderungen resultieren jedoch aus dem Verweis auf die deutlich geänderten Regelungen des § 169 Abs. 3–5. Das geschah, um den „Gleichlauf der Berechnung mit dem Rückkaufswert im Falle der Kündigung sicherzustellen“.1 Auf diese Weise konnte § 174 Abs. 4 a.F. entfallen.

II. Inhalt und Zweck der Regelung 2

Die Umwandlung einer Lebensversicherung in eine prämienfreie Lebensversicherung ist in Zusammenhang mit der Möglichkeit einer jederzeitigen Kündigung der Versicherung durch den VN nach § 168 und mit weiteren Optionen wie z.B. auch dem Verkauf der Versicherung an einen Zweitmarkt-Investor zu sehen. Angesichts der häufig langen Laufzeiten von Lebensversicherungsverträgen kann dem VN – wie schon der Gesetzgeber 1908 erkannt hatte – ein Festhalten an dem Vertrag nicht immer zugemutet werden. Der VN muss die Möglichkeit besitzen, sich von dem Vertrag zu lösen, wenn sich die Umstände seit Vertragsschluss verändert haben (geänderte familiäre Einbindung, Absinken der finanziellen Leistungsfähigkeit) oder weil er aus anderen Gründen ein Aufrechterhalten der Versicherung für nicht wünschenswert hält. § 165 bietet ihm die Möglichkeit, die Versicherung und damit den Versicherungsschutz auf einem niedrigeren Niveau und ohne weitere Prämienverpflichtung weiter bestehen zu lassen, statt sich nach der Kündigung den Rückkaufswert oder bei einem Verkauf den Kaufpreis auszahlen zu lassen. Der VN soll dabei bereits bei Vertragsschluss wissen, welche genauen Beträge ihm in den einzelnen Vertragsjahren nach den Berechnungen des VR zustehen; das kann allerdings nicht für die Überschussbeteiligung gelten, die bei Vertragsschluss nicht feststehen kann, sondern allein für die garantierten Werte. Dass die bereits begründeten Ansprüche des VN auf die Überschussbeteiligung durch die Umwandlung nicht verloren gehen, wird in Abs. 3 Satz 1 klargestellt.

III. Anwendungsbereich 3

Die Vorschrift des § 165 ist auf sämtliche Lebensversicherungsformen anwendbar, die rückkaufsfähig sind und für die daher eine Umwandlung in Frage kommt. Eine Ausnahme gilt auch nicht für die Termfixversicherung. Bei ihr ist der Zeitpunkt der Leistung der Versicherungssumme nicht vom Tode der Gefahrsperson abhängig; die Leistung des VR erfolgt vielmehr ohne Rücksicht auf den Tod der Gefahrsperson zu einem von vornherein fest bestimmten Termin. Das für den Versicherungsvertrag erforderliche Merkmal der Ungewissheit liegt dabei darin, dass die Prämienzahlung nur bis zum Tode der Gefahrsperson geschuldet wird. Wenn nun ein solcher Lebensversicherungsvertrag in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wird, so fällt zwar die Ungewissheit über die Dauer der Prämienzahlung weg. Damit verliert der Vertrag jedoch nicht seinen versicherungsrechtlichen Charakter mit der Folge, dass der Versicherungsanspruch in eine gewöhnliche befristete Geldforderung umgestaltet wird. Wie der BGH zu einem Term-

1

BTDrucks. 16/3945 S. 101 zu § 165 Abs. 2.

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Prämienfreie Versicherung

§ 165

fixversicherungsvertrag ausführt, haftet diesem seine „versicherungsrechtliche Struktur … weiter an. Der Vertrag erfuhr lediglich hinsichtlich der Prämienzahlung und der Versicherungssumme eine Veränderung, blieb aber nach wie vor ein Lebensversicherungsvertrag und war weiter den für diese Vertragsart bestehenden besonderen Vorschriften unterworfen … Das zeigt sich schon darin, dass der Versicherungsnehmer ihn, anders als bei einer befristeten Geldforderung, nach § 165 VVG (nunmehr: § 168) jederzeit kündigen und dann nach § 176 VVG (nunmehr: § 169) die Auszahlung des Rückkaufswertes verlangen konnte“. Ebenso wie eine Termfixversicherung zu einer Einmalprämie abgeschlossen werden kann, muss auch eine Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung möglich sein, bei der der vorhandene Rückkaufswert als Einmalprämie Verwendung findet, ohne dass dadurch der versicherungsrechtliche Charakter des Vertrages tangiert wird.2 Die Vorschrift des § 165 gilt analog auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung, nicht jedoch für die Unfallversicherung.3 Soweit die Bestimmung des § 169 analog auch auf Kapitalisierungsgeschäfte anwendbar ist, kann das auch für § 165 gelten. In der Regel dürfte es dazu jedoch nicht kommen. Die Vorschrift des § 165 gilt nicht bei sog. regulierten Pensionskassen, kleineren Gegenseitigkeitsvereinen und Versicherungen mit kleineren Beträgen. § 165 gilt grundsätzlich auch für Altverträge; soweit § 165 allerdings auf § 169 ver- 4 weist, gilt für nach 1994 und vor 2008 geschlossene Lebensversicherungsverträge jedoch § 176 a.F. in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung.4 Für vor dem 29.7.1994 bzw. bis zum 31.12.1994 unter Verwendung von vor dem 29.7.1994 genehmigten ALB geschlossene Verträge gelten die §§ 173 f. a.F. in der jeweiligen Fassung von vor 1994.

IV. Bedingungsregelungen In den Bedingungswerken der Lebensversicherung finden sich geringfügige Ergänzun- 5 gen und Abänderungen der Vorschrift des § 165. Sie gehen der gesetzlichen Regelung vor, soweit vom Gesetz zugunsten des VN abgewichen wird. In der Kommentierung wird auf die Bedingungsregelungen regelmäßig mit eingegangen 5; die besonders häufig Verwendung findenden Bestimmungen des § 9 (7) bis (9) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung lauten: Umwandlung der Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung (7) Anstelle einer Kündigung nach Absatz 1 können Sie zu dem dort genannten Termin schriftlich verlangen, ganz oder teilweise von der Beitragszahlungspflicht befreit zu werden. In diesem Fall setzen wir die Versicherungssumme ganz oder teilweise auf eine beitragsfreie Summe herab, die nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode unter Zugrundelegung des Rückkaufswertes nach Abs. 3 Satz 1 bis 3 errechnet wird. Der aus Ihrer Versicherung für die Bildung der beitragsfreien Summe zur Verfügung stehende Betrag mindert sich um einen als angemessen angesehenen Abzug in Höhe von … sowie um rückständige Beiträge. Mit dem Abzug wird die Veränderung der Risikolage des verbleibenden Versichertenbestandes aus-

2 3 4 5

BGH 11.2.1953 BGHZ 9 48, 49. A.A. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 165 Rn. 3. Vgl. dazu Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 173 ff. Die Entscheidung OLG Stuttgart 18.08.2011

VersR 2012 706, 707 ff. ist auf die hier abgedruckten Klauseln nicht anwendbar. Die durch das Gericht gerügten intransparenten Klauseln finden seit 2008 keine Anwendung in den neugeschaffenen AVB.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

geglichen; zudem wird damit ein Ausgleich für kollektiv gestelltes Risikokapital vorgenommen.6 Weitere Erläuterungen sowie versicherungsmathematische Hinweise zum Abzug finden Sie im Anhang zu den Versicherungsbedingungen. Sofern Sie uns nachweisen, dass die dem Abzug zugrunde liegenden Annahmen in Ihrem Fall entweder dem Grunde nach nicht zutreffen oder der Abzug wesentlich niedriger zu beziffern ist, entfällt der Abzug bzw. wird – im letzteren Falle – entsprechend herabgesetzt. (8) Die Beitragsfreistellung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der Anfangzeit Ihrer Versicherung sind wegen der Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten (vgl. § 10) nur geringe Beträge zur Bildung einer beitragsfreien Versicherungssumme vorhanden. Auch in den Folgejahren stehen nicht unbedingt Mittel in Höhe der eingezahlten Beiträge für die Bildung einer beitragsfreien Versicherungssumme zur Verfügung. Nähere Informationen zur beitragsfreien Versicherungssumme und ihrer Höhe können Sie der beigefügten Tabelle entnehmen. (9) Haben Sie die vollständige Befreiung von der Beitragszahlungspflicht beantragt und erreicht die nach Absatz 7 zu berechnende beitragsfreie Versicherungssumme den Mindestbetrag von … nicht, erhalten Sie den Rückkaufswert nach Absatz 3 bis 5. Eine teilweise Befreiung von der Beitragszahlungspflicht können Sie nur verlangen, wenn die verbleibende beitragspflichtige Versicherungssumme mindestens … beträgt.

B. Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Lebensversicherung I. Begriffliches 6

Der Begriff der als Folge einer Umwandlung entstehenden beitragsfreien Versicherung kann weiter oder enger gefasst werden. Eine prämienfreie Versicherung im weiteren Sinne ist eine Versicherung, für die keine Prämien mehr zu entrichten sind, also z.B. auch eine Versicherung gegen Einmalprämie oder Versicherungen mit Jahresprämien, bei denen sämtliche Jahresprämien im Voraus geleistet sind. An solche Fälle ist hier jedoch nicht gedacht. Eine prämienfreie Versicherung im hier gemeinten engeren Sinne ist eine durch die Umgestaltung des Versicherungsverhältnisses von der Zahlung weiterer Jahresprämien befreite Versicherung.7 Neben diese auf einer Willenserklärung des VN beruhende Umwandlung tritt die gesetzliche Umwandlung, die bei der Kündigung der Versicherung durch den VR beispielsweise beim Zahlungsverzug hinsichtlich der Folgeprämie erfolgt. Wird vom VN die Umwandlung verlangt, so tritt mit dem Umwandlungszeitpunkt an die Stelle der ursprünglich vereinbarten Versicherungssumme oder -rente der Betrag, der sich für das Alter der Gefahrsperson als Leistung des VR ergibt, wenn der auf die Versicherung entfallende Rückkaufswert als einmalige Prämie angesehen wird.

6 7

Vgl. Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 114 ff. Ausgewählte Rspr.: RG 5.3.1935 VA 1935 222–223; BGH 11.2.1953 BGHZ 9 34–53; BGH 8.5.1954 BGHZ 13 226–241; BGH 7.7.1955 VersR 1955 481–483; BGH 31.10.1973 VersR 1974 127–129; BGH 24.9.1975 VersR 1975 1089, 1090; BGH 23.6.1993 VersR 1994 39, 40; OLG Hamm 11.12.1933 VA 1934 13 Nr. 2670; OLG Düsseldorf 11.7.1934 JRPV 1935 31, 32; OLG Hamm 25.6.1951 VerBAV 1951 192–195; OLG Nürnberg 21.12.1951 VersR

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1952 121–123; OLG Schleswig 30.10.1952 VersR 1953 19, 20; OLG Köln 15.7.1953 VersR 1953 407, 408; OLG Nürnberg 28.9.1971 VersR 1973 413–415; OLG Köln 16.6.1991 r+s 1992 138, 139; OLG Karlsruhe 29.8.1991 VersR 1992 1250, 1251; OLG Stuttgart 26.7.2001 VersR 2002 301; OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165; LG Köln 5.11.1953 VerBAV 1955 50, 51; LG Tübingen 7.5.1996 VersR 1996 1233; vgl. auch RFH 26.8.1943 RFHE 54 552–555.

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Prämienfreie Versicherung

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Durch die Umwandlung der prämienpflichtigen in eine prämienfreie Versicherung wird dem VN die Möglichkeit eröffnet, sich von weiteren Beitragszahlungen, die er nicht mehr aufbringen kann oder will, zu befreien, ohne dass das Versicherungsverhältnis wie bei der Kündigung nach § 168 gelöst wird. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine rückkaufsfähige Versicherung i.S.d. § 1698 handelt. Für die Umwandlung und die Kündigung gilt gleichermaßen, dass die Verpflichtung zur Prämienzahlung endet. Bei der Umwandlung bleibt die Gefahrtragung des VR, allerdings quantitativ gemindert, aber weiter bestehen und die – herabgesetzte – Versicherungssumme wird erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles ausgezahlt, während bei der Kündigung der Vertrag aufgelöst und, sofern die Voraussetzungen des § 169 gegeben sind, auf die gekündigte Versicherung sogleich eine Rückvergütung gewährt wird. Dabei ist unerheblich, ob die Umwandlung auf einer Willenserklärung des VN beruht oder infolge der Kündigung des VR gemäß § 166 eintritt. Die Kündigung bewirkt auch hier nicht das Erlöschen des bisherigen Versicherungsvertrages. Der Berechtigte erhält mit der Umwandlung nicht anstelle des Versicherungsanspruchs „einen durch den Wegfall des Versicherungsvertrages entstandenen, aber gestundeten Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung“. Darin liege „eine Verkennung der versicherungsrechtlichen Eigenart der durch die Kündigung nach den §§ 39, 175 VVG (nunmehr: §§ 38, 166) ausgelösten Rechtsfolge der Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung. Die Kündigung führt in diesem Fall nicht, wie sonst regelmäßig im Schuldrecht, eine Beendigung des Vertragsverhältnisses herbei, noch bewirkt sie gar die Entstehung eines Bereicherungsanspruchs. Die Leistungspflicht des VR geht auch bei der infolge der Umwandlung entstehenden prämienfreien Versicherung weder auf die Gewährung der Rückvergütung noch gar auf die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung, sondern bestimmt sich nach den in § 174 Abs. 2 VVG (nunmehr: § 165 Abs. 2) … festgelegten Grundsätzen. Die mit der Umwandlung eintretende Umgestaltung des Versicherungsverhältnisses besteht darin, dass eine weitere Beitragszahlung entfällt und dass sich die Leistungspflicht des Versicherers auf die beitragsfreie Versicherungssumme ermäßigt. … Das bedeutet rechtlich, dass sich die Gefahrtragung des Versicherers und damit der Versicherungsschutz der Berechtigten auf die beitragsfreie Versicherungssumme vermindern, dass sie also in Höhe des darüber hinausgehenden Betrages erlöschen, während sie in Höhe dieses Betrages bestehen bleiben. Wird dann eine solche umgewandelte Versicherung später auf die alte Versicherungssumme wieder erhöht, so wird damit die Versicherung in voller Höhe wieder in Kraft gesetzt. Das bedeutet rechtlich, dass der erloschene Teil der Versicherung wieder hergestellt wird“.9 Sämtliche Rechte und Pflichten des Lebensversicherungsvertrages, die von der Umwandlung nicht betroffen sind, bleiben bestehen. Auch Rücktritt und Anfechtung bleiben möglich, ebenso die Kündigung nach § 168. Die Überschussbeteiligung bezieht sich nur noch auf die herabgesetzte Versicherungssumme. Aus dem Fortbestehen einer prämienfreien Versicherung ergeben sich dabei für den VR wie für den VN entsprechende Treuepflichten, die in ihrer Intensität denen vergleichbar sind, die vor der Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung zwischen den Vertragsparteien bestanden haben.10

8 9

Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 13 ff., 36 ff. BGH 8.5.1954 BGHZ 13 234, 235.

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OLG Nürnberg 28.9.1971 VersR 1973 414; vgl. auch OLG Köln 16.5.1991 RuS 1992 138, 139.

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In den Bedingungswerken der Lebensversicherung findet sich häufig eine Erleichterung der Umwandlungsmöglichkeit durch den VN.

II. Umwandlungsberechtigter 12

Zur Umwandlung berechtigt ist nach § 165 Abs. 1 Satz 1 der VN, nicht der Prämienschuldner, wenn er mit den VN nicht identisch ist. Sind mehrere VN an dem Vertrage beteiligt, so ist im Zweifel jeder von ihnen hinsichtlich seines Anteils zur Umwandlung berechtigt, sofern die vereinbarten Mindestsummen nicht unterschritten werden. Ist eine Gesamtgläubigerschaft – z.B. eine Erbengemeinschaft – gegeben, so steht das Umwandlungsrecht den Gesamtgläubigern gemeinschaftlich zu. Mit dem Tode des VN geht das Umwandlungsrecht auf die Rechtsnachfolger über. 13 Sind die Rechte aus der Versicherung abgetreten, so ist grundsätzlich der Zessionar zur Umwandlung berechtigt, auch wenn die Pflicht zur Prämienzahlung beim VN als Zedenten geblieben ist.11 Das gilt dem Prinzip nach auch für den Fall der Sicherungsabtretung. Verlangt ein Zessionar die Umwandlung, so kann sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, dass er dazu nicht berechtigt ist. Eine abredewidrige Umwandlung kann zu einem Schadenersatzanspruch führen. Dabei ist im Übrigen ein anerkanntes Interesse des Zessionars an der Umwandlung (anders als bei der Kündigung, die zu einem Rückkaufsanspruch führt) nicht erkennbar, will man das Argument zurückstellen, dass für den VN/Schuldner die Prämienbelastung künftig entfällt. Eine Umwandlung kann jedoch dazu führen, dass der VR später angesichts gesundheitlicher Bedenken nicht bereit ist, den ursprünglichen, prämienpflichtigen Vertrag wieder aufleben zu lassen. Verlangt der Arbeitgeber die Umwandlung des Kollektivlebensversicherungsvertrages, 14 so kann er sich den versicherten Arbeitnehmern gegenüber schadenersatzpflichtig machen; vgl. im Übrigen auch § 212, wenn die Versicherung während der Elternzeit umgewandelt wird.12 Verlangen kann die Umwandlung auch der Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) und 15 der Vollstreckungsgläubiger, nachdem er einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erhalten hat.

III. Voraussetzungen der Umwandlung 16

Der VN hat nur insoweit ein Recht auf Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie, als folgende Voraussetzungen gegeben sind: 1. Bestehende Prämienzahlungspflicht

17

Zunächst muss für den VN noch die Verpflichtung zur Zahlung von mindestens einer Prämie oder einer Prämienrate bestehen. Der Prämie steht dabei die Zinsverpflichtung des VN bei der Einräumung eines Policendarlehens gleich. Obwohl die Umwandlung bei einer Versicherung gegen Einmalprämie naturgemäß grundsätzlich nicht in Frage kommt, sind somit Versicherungen mit einmaliger Prämienzahlung, auf die der VN ein Darlehen

11

OLG Hamm 6.1.1971 VersR 1971 246, 247; Joseph 159, 160.

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Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 165 Rn. 5.

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Prämienfreie Versicherung

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erhalten hat, umwandlungsfähig. Denkbar ist auch der Fall, dass eine bereits in eine prämienfreie Versicherung umgewandelte Versicherung, auf die der VN ein Policendarlehen erhalten hat, ein zweites Mal umgewandelt wird, um der Verpflichtung zur Zahlung weiterer Darlehenszinsen nicht mehr nachkommen zu müssen.13 2. Vorhandensein eines Deckungskapitals und Vereinbarung einer Mindestversicherungsleistung Es muss weiter ein Deckungskapital vorhanden sein.14 Falls das Deckungskapital 18 gleich null oder negativ ist, finden die Vorschriften der §§ 165, 166 und die entsprechenden Bestimmungen der Bedingungswerke keine Anwendung; die Versicherung erlischt, wenn die Umwandlung verlangt wird. Das gilt auch, wenn das Deckungskapital durch Verrechnung von Prämienrückständen, Zinsen und Kosten sowie durch Darlehen oder Vorauszahlungen gänzlich aufgezehrt ist. In der Regel wird auch eine Mindestversicherungsleistung i.S.v. § 165 Abs. 1 verein- 19 bart. Denn Versicherungen mit zu kleinen Versicherungssummen oder Renten können angesichts der sodann überproportional hohen Verwaltungskosten nicht wirtschaftlich betrieben werden. Die Umwandlung kann daher nur durchgeführt werden, wenn die vereinbarte Mindestversicherungsleistung im Sinne von beispielsweise § 9 (9) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung erreicht wird. Wird die Mindestversicherungsleistung bei dem Lebensversicherungsvertrag unterschritten, erlischt die Versicherung und nach § 165 Abs. 1 Satz 2 wird der Rückkaufswert ausgezahlt, vgl. auch § 9 (9) Satz 1 GDV-Musterbedingungen. Der VR darf das Recht des VN zur Umwandlung nicht durch zu hoch angesetzte Mindestversicherungsleistungen beschränken, da es sich bei § 165 um eine halbzwingende Norm handelt; zu hohe Mindestversicherungsleistungen sind daher unwirksam, bei AVB auch nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.15 3. Belastung der Lebensversicherung mit Rechten Dritter und Einwilligungserfordernis Der VN kann die Umwandlung in eine prämienfreie Lebensversicherung von dem VR 20 nicht verlangen, wenn der Umwandlung Rechte Dritter entgegenstehen. Denn da eine Umwandlung – nach wie vor, wenn auch in geringerem Ausmaß – mit wirtschaftlichen Nachteilen für den Umwandlungsberechtigten verbunden ist, bedarf es der Zustimmung des Dritten. Das ergibt sich bei einer Verpfändung des Versicherungsanspruchs aus § 1276 BGB; soweit der Zedent zur Umwandlung berechtigt ist, bedarf es der Einwilligung des Zessionars, wie es sich aus der Sicherungsabrede – ausdrücklich oder auch mit Hilfe einer ergänzenden Vertragsauslegung – ergeben kann. Für die Zession ist in der Regel davon auszugehen, dass derjenige als Zedent oder Zessionar, der das Kündigungsrecht des § 168 ausüben kann,16 auch berechtigt ist, die Umwandlung zu verlangen. Ist ein unwiderruflich Bezugsberechtigter eingesetzt worden, so bedarf es der Prüfung, ob bei einem Umwandlungsverlangen des VN (z.B. des Arbeitgebers) die Zustimmung des Begünstigten (des Arbeitnehmers) erforderlich ist.

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Bruck/Dörstling § 5 ALB Rn. 4. Vgl. zum Deckungskapital im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 3, 69 ff. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 165 Rn. 10.

16

Vgl. zur Kündigungsberechtigung des Zessionars und allgemein Bruck/Möller/Winter § 168 Rn. 30, 23 ff. mit Hinweisen zur Rspr.

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IV. Umwandlungsverfahren 1. Rechtsnatur

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Das Umwandlungsverlangen ist kein Antrag i.S.d. §§ 145 ff. BGB auf Änderung des bestehenden Versicherungsvertrages, sondern eine einseitige, allerdings empfangsbedürftige rechtsgestaltende Willenserklärung, einer Annahmeerklärung durch den VR bedarf es zur Umwandlung nicht; die Erklärung wird mit dem Zugang beim VR automatisch wirksam.17 Die Formulierung des Gesetzes und der Bedingungswerke sowie der allgemeine Sprachgebrauch in der Praxis, wo entweder von einem Umwandlungsverlangen oder einem Umwandlungsantrag des VN gesprochen wird, ist daher wenig glücklich, da die Umwandlung durch die Willenserklärung des VN eben nicht verlangt oder beantragt wird, sondern kraft des Gestaltungsrechts durch die Abgabe der einseitigen Willenserklärung unmittelbar eintritt.18 Der VR hat nicht etwa die Umwandlung vorzunehmen, sondern lediglich die rechnungsmäßige Wirkung der bereits durch die Willenserklärung eingetretenen Umwandlung des Vertragsverhältnisses festzustellen. Eine Klage auf Durchführung der Umwandlung ist somit nicht erforderlich, ja nicht einmal möglich. Bestehen allerdings Meinungsverschiedenheiten über die Rechtswirksamkeit eines Umwandlungsverlangens, so kann die Möglichkeit einer Feststellungsklage i.S.d. § 256 ZPO in Betracht kommen. 2. Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens und Fristen

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Das Umwandlungsverlangen kann nach § 165 Abs. 1 und den entsprechenden Vorschriften der Bedingungswerke jederzeit gestellt werden. Das bedeutet aber nicht, dass das Umwandlungsverlangen auch jederzeit wirksam wird. Die Umwandlung kann nach § 165 Abs. 1 für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode, also angesichts der Regelung des § 12 zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres erfolgen. Sie kann jedoch beispielsweise auch „bei Vereinbarung von Ratenzahlungen auch innerhalb des Versicherungsjahres mit Frist von einem Monat zum Schluss eines jeden Ratenzahlungsabschnitts, frühestens jedoch zum Schluss des ersten Versicherungsjahres“ vorgenommen werden. Die Umwandlung entfaltet ihre Wirkung in diesem Falle zum Schluss des Ratenzahlungsabschnitts. Eine solche Besserstellung des VN in den Bedingungen verträgt sich mit dem halbzwingenden Charakter des § 165 Abs. 1,19 die in den Bedingungswerken genannte Monatsfrist bezieht sich nur auf das Umwandlungsverlangen zum Schluss eines Ratenzahlungsabschnitts und nicht auch auf die Unwandlung zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres. Das ist zulässig.20 Wird die Umwandlung – weil eine Ratenzahlung nicht vereinbart wurde – zum Ende des Versicherungsjahres verlangt, so ist es auch zulässig, wenn die Umwandlungserklärung dem VR gegenüber unmittelbar vor Ende des Versicherungsjahres erfolgt. Denn die in den Bedingungswerken statuierte Monatsfrist bezieht sich nur auf die Vereinbarung von Ratenzahlungen, die Festsetzung einer Monatsfrist auch für die Umwandlung am Ende des Versicherungsjahres würde gegen § 171 Satz 1 verstoßen.

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Vgl. BGH 24.9.1975 VersR 1975 1089; OLG Hamm 11.12.1933 VA 1934 13; OLG Hamm 25.6.1951 VerBAV 1951 194, OLG Köln 15.7.1953 VersR 1953 408; OLG Hamm 17.8.2011 VersR 2012 347, 349. Allgemeine Auffassung: Bruck/Dörstling § 5 Rn. 10; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brambach § 165 Rn. 2; Schwintowski/Brömmel-

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meyer/Ortmann § 165 Rn. 8; Looschelders/ Pohlmann/Krause § 165 Rn. 4; Prölss/Martin/Reiff § 165 Rn. 6; Hasse VersR 2005 15, 17; Specker VersR 2011 958, 960; Langheid/Wandt/Mönnich § 165 Rn. 11. BGH 7.7.1955 VersR 1955 483. Zur Berechnung der Monatsfrist vgl. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, Abs. 3 BGB.

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Es kann zweifelhaft sein, ob ein während des Versicherungsjahres gestelltes Umwand- 23 lungsverlangen, das über den Zeitpunkt der Umwandlung keine Angaben enthält, zum Schluss des Versicherungsjahres oder zum frühestmöglichen Termin wirksam werden soll. Hier ist vom frühestmöglichen Umwandlungstermin auszugehen, da dem VN in aller Regel daran gelegen sein wird, die Umwandlung mit der Folge des Wegfalls der Prämienzahlung möglichst bald wirksam werden zu lassen. Auch nach dem Zugang des Umwandlungsverlangens bei dem VR besteht der Ver- 24 sicherungsvertrag bis zu der Umwandlung mit seinem ursprünglichen Inhalt weiter. Bis dahin hat der VR auch seinen Prämienanspruch. 3. Form Nach § 165 ist eine Form für das Umwandlungsverlangen nicht vorgeschrieben. Die 25 Bestimmungen des § 9 (7) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Klauseln der übrigen Bedingungswerke, nach denen das Umwandlungsverlangen schriftlich gestellt werden muss, weichen daher von der gesetzlichen Vorschrift ab und beinhalten eine Schlechterstellung des VN gegenüber der Gesetzeslage. Die Wirksamkeit des Schriftformerfordernisses wurde früher abgelehnt,21 ist seit 2008 jedoch nicht mehr problematisch, da nach § 171 Satz 2 für die Umwandlung die Schriftoder die Textform vereinbart werden kann. 4. Inhalt Aus dem Umwandlungsverlangen muss inhaltlich hervorgehen, dass, inwieweit und 26 zu welchem Zeitpunkt die Lebensversicherung in eine prämienfreie umgewandelt werden soll. Das muss unzweideutig geschehen, wobei allerdings nicht ein ausdrückliches Umwandlungsverlangen zu fordern ist, es muss nur der Sinn der Willensäußerung des VN eindeutig auf eine Umwandlung gerichtet sein.22 In einem Fall, in dem ein nicht genügender Formulartext Verwendung fand und bei dem es unklar war, ob der VN eine Umwandlung der Versicherung in eine beitragsfreie oder ein Erlöschen des Versicherungsvertrages gewollt hatte, stellt der BGH zu Recht fest: „Da die zur Verminderung des Versicherungsschutzes führende Umwandlung bei wirksamem Antrag automatisch eintritt … und im Interesse aller Beteiligten (Versicherer, VN, Zessionar, Vollstreckungsgläubiger usw.) stets Klarheit über Bestand und Umfang des Versicherungsschutzes bestehen muss, kann das Umwandlungsverlangen nur dann als wirksam gestellt angesehen werden, wenn sich aus der Erklärung klar und eindeutig der Wille ergibt, dass die Versicherung in eine prämienfreie umgewandelt werden soll“.23 Insbesondere kann auch aus der bloßen Einstellung der Prämienzahlung nicht entnommen werden, dass der VN die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung begehrt; die Nichtzahlung der Prämie gibt dem VR jedoch die Möglichkeit, die Versicherung nach Durchführung des Mahnverfahrens in eine prämienfreie Versicherung umzuwandeln. Bei nicht ausreichend klarem Umwandlungsverlangen besteht der Lebensversicherungsvertrag unverändert fort.24 Dabei reicht es nicht aus, wenn VN und VR im Wege der Stundung für zwei Jahre eine

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Bruck/Möller/Winter 8 Anm. G 101. OLG Köln 16.5.1991 RuS 1992 138, 139; OLG Hamm 17.8 2011 VersR 2012 347, 348 f.; zu weitgehend Prölss/Martin/Reiff § 165 Rn. 6.

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BGH 24.9.1975 VersR 1975 1089, 1090; BGH 23.6.1993 VersR 1994 39, 40; vgl. auch OLG Hamm 17.8.2011 VersR 2012 347, 348. OLG Stuttgart 26.7.2001 VersR 2002 301.

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Absenkung der Beiträge vereinbaren, der VR in der Folgezeit eine Umwandlung anbietet, der VN darauf jedoch nicht reagiert, auch wenn er damit einverstanden gewesen sein mag: Erforderlich ist die Abgabe einer Willenserklärung, aus der sich der Wille zur Umwandlung in der nötigen Klarheit ergibt.25 Will der VN – der angesichts der schlechten Konjunktur in der Bauwirtschaft nicht in der Lage war, die Beiträge für seine Lebensversicherung zu zahlen – die Versicherung für zwei Jahre beitragsfrei setzen und es beim Ablauftermin belassen, so kann in der Formulierung „setzen Sie die Versicherung so bald als möglich beitragsfrei“ nicht ein Umwandlungsverlangen gesehen werden; der VN will die Versicherung nach Ablauf der Zweijahresfrist fortsetzen.26 Erst recht kann der Wunsch, eine Lebensversicherung mit BUZ wegen vorübergehender Einkommenslosigkeit auf zehn Monate beitragsfrei zu stellen, nicht als Umwandlungsverlangen, sondern allein als Antrag auf Abschluss einer Ruhensvereinbarung verstanden werden.27 Hat der VR Zweifel, wie er eine Willenserklärung seines VN, der eine Ruhensvereinbarung anstrebt, zu verstehen hat, so trifft ihn die Obliegenheit, beim VN nachzufragen, ihn über die unterschiedlichen Modalitäten aufzuklären und ihn insbes. darauf hinzuweisen, dass aus seiner Sicht eine Ruhensvereinbarung nicht in Frage komme. Er hätte dem VN deutlich machen müssen, dass nur eine Umwandlung möglich sei und dass damit der Verlust der Absicherung gegen Berufsunfähigkeit verbunden sei. Dem VR „sind die vielfältigen Möglichkeiten einer Gestaltung des Versicherungsvertrages und der Überbrückung eines vorübergehenden Engpasses beim VN bekannt. Wenn, abgesehen von einer Ruhensvereinbarung, auch ein Policendarlehen … oder eine Stundung der Beiträge nicht in Betracht kam, wäre daran zu denken gewesen, sich … die aufzubringenden Beiträge … über ein Darlehen“ zu besorgen. Stellt der VR ohne weitere Nachfrage beim VN usw. den Vertrag auf eine beitragsfreie Versicherung um, so haftet er dem VN nach § 6 Abs. 5 bzw. nach § 280 BGB auf Schadenersatz.28 Die Aufklärungspflicht des VR gegenüber dem VN ergibt sich dabei aus § 6 Abs. 4 sowie aus der vertraglichen Treuepflicht auch, wenn der VN zu einer tiefgreifenden Umgestaltung seines Vertrages eine eindeutige Willenserklärung abgibt.29 5. Wirkung

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Die Umwandlungserklärung hat zur Folge, dass der Vertrag zwischen VR und VN als Lebensversicherungsvertrag bestehen bleibt, es ist nur an die Stelle der ursprünglichen Versicherungssumme die bei der Umwandlung errechnete Versicherungsleistung getreten. Der VN braucht keine Prämien mehr zu zahlen, die die Prämienzahlung betreffenden Bestimmungen der Bedingungswerke entfallen für diesen Vertrag, sämtliche anderen Bestimmungen bleiben jedoch in Geltung.30 Der VN wird so gestellt, als wenn für den Rest der Laufzeit eine Einmalprämie in Höhe des Rückkaufswerts einschließlich der Überschussanteile unter Abzug von Prämienrückständen zugrunde gelegt wird. Die Orientierung am Rückkaufswert ergibt sich aus § 165 Abs. 2 i.V.m. § 9 (7) Satz 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmun-

25 26 27

BGH 23.6.1993 VersR 1994 39, 40. OLG Stuttgart 26.7.2001 VersR 2002 301. OLG Köln 16.5.1991 RuS 1992 138, 139 f.; ebenso im Ergebnis OLG Hamm 17.8.2011 VersR 2012 237, 348, das im Einzelnen auch zur Beweislast Stellung nimmt, die in der Regel den VR trifft.

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OLG Köln 16.5.1991 RuS 1992 138, 139. Vgl. unten § 165 Rn. 58 ff. BGH 11.2.1953 BGHZ 9 48, 49; BGH 8.5.1954 BGHZ 13 226, 234. Zu den rechtlichen Vorgängen bei der Umwandlung im Einzelnen RFH 26.8.1943 RFHE 54 552 ff.

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gen der übrigen Bedingungswerke. Die Begründung für die Angemessenheit des Stornoabzuges ergibt sich aus § 9 (7) Satz 4. Die Bestimmung des 9 (7) Satz verweist darüber hinaus auf Erläuterungen im Anhang, in Satz 6 wird dem VN die Möglichkeit eingeräumt, nachzuweisen, dass in seinem Fall der Stornoabzug nicht angemessen ist. Der Versicherungsschutz vermindert sich entsprechend, in Höhe des darüber hinausgehenden Betrages erlischt die Lebensversicherung.31 Eine mit der Lebensversicherung verbundene BUZ-Versicherung entfällt in der 28 Regel.32 Beinhaltet die BUZ-Versicherung jedoch nicht nur die Befreiung von der Beitragsleistungspflicht, sondern auch eine eigene Berufsunfähigkeitsrente, so wird die BUZVersicherung gleichfalls beitragsfrei fortgeführt.

V. Teilumwandlung Nach § 9 (8) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung, § 9 (7) GDV- 29 Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke ist eine Teilumwandlung, zu der das Gesetz schweigt, zulässig. Da in der Eröffnung der Teilumwandlungsmöglichkeit in den Bedingungen ein Entgegenkommen für den VN zu sehen ist, ist es trotz der Vorschrift des § 171 Satz 1 zulässig, wenn in den Bedingungswerken der Lebensversicherung die Teilumwandlung nur soweit ermöglicht wird, wie die verbleibende prämienpflichtige Versicherungssumme nicht unter die vereinbarte Mindestversicherungsleistung sinkt. Für die Festsetzung der vereinbarten Mindestversicherungsleistung im Hinblick auf 30 die Umwandlung gilt, dass sie niedriger festgelegt werden kann als die gewöhnliche Mindestversicherungsleistung, da die Bearbeitung prämienpflichtiger Versicherungen höhere Kosten verursacht als eine prämienfreie Versicherung.

VI. Durchführung der Umwandlung 1. Allgemeines Die Umwandlung ist ein versicherungstechnischer Vorgang und vollzieht sich gemäß 31 § 165 Abs. 2 dem Grundsatze nach so, dass sich mit der Umwandlung die Versicherungssumme auf den Betrag ermäßigt, der sich ergibt, wenn der Rückkaufswert als einmalige Prämie für eine mit der Umwandlung beginnende Versicherung auf das Leben der Gefahrsperson angesehen wird.33 Was die Fälligkeit der Versicherungsleistung anbelangt, so bleibt das bisherige Versicherungsverhältnis unverändert. Während es bei der Lebensversicherung im Allgemeinen üblich ist, bei dem Abschluss des Vertrages zuerst die Höhe der Versicherungssumme oder der Rente ins Auge zu fassen und sodann die für diese Versicherungsleistung zu entrichtende Prämie festzustellen, wird bei der Umwandlung umgekehrt vorgegangen: Es wird von der Prämie – also dem Rückkaufswert – ausgegangen und sodann berechnet, welche Versicherungsleistung für diese Prämie angesetzt werden kann. Die Versicherungssumme oder -rente ist die prämienfreie Versicherungsleistung.

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OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165. OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165; ebenso schon OLG Karlsruhe 29.8.1991 VersR 1992 1250, 1251.

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RFH 26.8.1943 RFHE 54 552 ff.; BGH 11.2.1953 BGHZ 9 48, 49; LG Köln 5.11.1953 VerBAV 1955 51.

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2. Rückkaufswert als einmalige Prämie

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Zur Ermittlung der beitragsfreien Summe nach § 165 Abs. 2, 3 bedarf es zunächst der Bestimmung des Rückkaufswert nach § 169 Abs. 3–5. Die Berechnung der prämienfreien Leistung ist dabei nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik und in Übereinstimmung mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation vorzunehmen. Der VR ist zudem verpflichtet, bei der Umwandlung die Berechnung der beitragsfreien Leistung wie eine technische Vertragsänderung vorzunehmen, so dass aus der Deckungsrückstellung keine Mittel abfließen.34 33 Dabei haben die Rechnungsgrundlagen der bisherigen Beitragskalkulation Anwendung zu finden, nicht die Rechnungsgrundlagen, die der VR benutzt hätte, wenn VN und VR schon bei Abschluss des ursprünglichen Lebensversicherungsvertrages einen Einmalbeitrag vereinbart hätten. Auch die Schaffung und Verwendung spezieller Rechnungsgrundlagen für den Fall der Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung ist unzulässig. Das gilt insbes. auch für die Ansetzung der Verwaltungs- und Abschlusskosten in Euro.35 34 Bei der Berücksichtigung der Abschlusskosten besteht Einigkeit bei der Frage, dass sie bei der Umwandlung der Versicherung – ebenso wie bei der Kündigung – gleichmäßig auf die ersten fünf Jahre zu verteilen sind. Wird der Lebensversicherungsvertrag bereits nach drei Jahren durch den VN gekündigt, so sind bei dem Versicherungswert nur die bis dahin im Rückkaufswert zu berücksichtigenden Vertriebskosten anzusetzen. Wird die Versicherung nach drei Jahren nicht gekündigt, sondern nur beitragsfrei gestellt, so möchte Engeländer auch den noch nicht getilgten Rest, also die gesamten Abschlusskosten bei der Ermittlung des Rückkaufswerts ansetzen.36 Dem kann nicht beigepflichtet werden. Denn dem Gesetzgeber war daran gelegen, die Umwandlung hinsichtlich des Rückkaufswerts nicht anders zu behandeln als eine Kündigung, und er hat deshalb die Regelung des § 169 Abs. 3–9 auch für die Umwandlung in Bezug genommen.37 Dem VN sind bei einer Umwandlung nach drei Jahren auch die Vertriebskosten nur für drei Jahre anzulasten. Das ist auch sachgerecht, weil die Abschlussleistung des Versicherungsvertreters bei einer Kündigung bzw. Umwandlung bereits nach drei Jahren nicht so eingeschätzt werden kann, wie wenn er einen beispielsweise über 30 Jahre unverändert laufenden Vertrag vermittelt hätte.38 Darüber hinaus kann der VN bei einer Kündigung nicht finanziell besser dastehen als bei einer Umwandlung, bei der die Versicherung noch teilweise fortgeführt wird. 35 Nach § 169 Abs. 5 wird dem VR darüber hinaus das Recht eingeräumt, einen angemessenen Abzug von dem Deckungskapital vorzunehmen und nur den verbliebenen Rest als Einmalprämie für die prämienfreie Versicherung zu verwenden. Ein solcher Abzug wird damit begründet, dass bei einer vorzeitigen Einstellung der Prämienzahlung – insbes. wenn nur wenige Jahresprämien entrichtet worden sind – der VR Verluste erleiden kann, weil ihm eine gänzliche Begleichung der Abschlusskosten aus den bis dahin zu zah-

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BTDrucks. 12/6959 S. 102. Engeländer VersR 2007 1297, 1309; aus der Begründung der Reformkommission bzw. im Gesetzgebungsverfahren ergibt sich dabei nicht, warum der VN bei der Ermittlung des Rückkaufswerts nicht deswegen besser zu stellen ist, weil die Versicherung anders als

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bei der Vollkündigung partiell weitergeführt wird, im wirtschaftlichen Ergebnis eigentlich nur eine Teilkündigung vorliegt. Engeländer VersR 2007 1297, 1309. BTDrucks. 16/3945 S. 101. Im Ergebnis ebenso Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 165 Rn. 16.

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lenden Prämien noch nicht möglich war. Hinzu kommt, dass in aller Regel nur bei gesunden Gefahrspersonen die Umwandlung beantragt wird, während bei kranken Gefahrspersonen die Versicherung in voller Höhe fortgesetzt zu werden pflegt. Der VR muss daher mit der Gefahr rechnen, dass der verbleibende Bestand in seiner risikomäßigen Zusammensetzung eine Verschlechterung erfährt, also eine für den VR nachteilige Selbstauslese stattfindet. Das damit entstehende höhere Sterblichkeitsrisiko bedarf eines geldlichen Ausgleiches. Zur Höhe des Abzugs von dem Deckungskapital vgl. Bruck/Möller/ Winter § 169 Rn. 120 ff. Zulässig ist nach § 169 Abs. 5 auch ein Abzug angesichts von Verwaltungskosten für Geschäftsvorfälle, wie er sich in unternehmensindividuellen Lebensversicherungsbedingungen findet. Ein Abzug ist jedoch nur zulässig, wenn er angemessen und zuvor vereinbart und beziffert ist. Die prämienfreie Leistung ist dabei für den Termin zu berechnen, in dem sich die Ver- 36 sicherung in eine prämienfreie umwandelt. Wird die Umwandlung zum Schluss der Versicherungsperiode verlangt, so ergibt sich das aus der Vorschrift des § 165 Abs. 3. Für den Fall einer Umwandlung auf den Schluss eines Ratenzahlungsabschnitts ist § 165 Abs. 3 analog anzuwenden, denn Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist die vorzeitige Entlastung des VN von der Prämienzahlung, wobei dem VN durch die Eröffnung der Umwandlungsmöglichkeit auch auf den Schluss des Ratenzahlungsabschnitts entgegenzukommen ist. 3. Weitere Abzüge Befindet sich der VN mit der Prämienzahlung im Rückstand, so werden die rückständigen Prämien, Zinsen und Kosten von der prämienfreien Leistung abgezogen, vgl. § 165 Abs. 3 Satz 1. Den Prämien stehen Zinsen für das Policendarlehen gleich. Die Auswirkungen einer solchen Kürzung des Deckungskapitals und der Einmalprämie können erheblich sein. Die in dem Zeitpunkt noch zu zahlenden Prämien werden mit ihrem Nennbetrage vom Deckungskapital abgezogen. Werden Prämienraten geschuldet, so kann der VR auch das Aufgeld abziehen. Unter Prämie ist dabei – wie üblich – die Bruttoprämie zu verstehen. Der VN hat davon auszugehen, dass der VR das Deckungskapital nicht etwa als Nettoprämie anlegt, da ihm auch aus der Verwaltung der prämienfreien Versicherung Kosten erwachsen. Der VN ist berechtigt, diese Kosten durch einen Verwaltungskostenzuschlag abzudecken. Ist der VN zur Zahlung eines Risikozuschlages verpflichtet, so wird auch die Einmalprämie unter Berücksichtigung dieses Risikozuschlages ermittelt. Das – durch die erwähnten Abzüge verminderte – Deckungskapital wird somit zur Bestreitung der einmaligen Nettoprämie, des Verwaltungskostenzuschlages und des gleichfalls für die gesamte restliche Versicherungsdauer zu bemessenden Risikozuschlages verwandt. Die Ermittlung der konkreten Einmalprämie erfolgt auch bei der Umwandlung auf der Grundlage des Alters der Gefahrperson. Wird die Umwandlung zum Schluss des Versicherungsjahres verlangt, so ist das auf den Schluss des Versicherungsjahres berechnete Alter maßgebend. Erfolgt die Umwandlung zum Schluss eines Ratenzahlungsabschnitts, so ist dieser Zeitpunkt auch für die Altersberechnung entscheiden. Zinsen sind bis zum Tage der Umwandlung zu berechnen. Unter den rückständigen Kosten sind nur solche Kosten zu verstehen, deren Ersatz der VR fordern kann, vgl. hierzu § 15 GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung, § 15 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die gleichlautenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke.

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4. Tabelle der Umwandlungswerte

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Schon frühzeitig hat die Aufsichtsbehörde verlangt, dass dem Versicherungsschein eine Tabelle der Umwandlungswerte beigefügt wird,39 so dass sich der VN eine Vorstellung darüber machen kann, wie sich sein Versicherungsschutz vermindert, wenn er von seinem Umwandlungsrecht Gebrauch macht oder es zulässt, dass die Umwandlung der Versicherung infolge der Kündigung des VR eintritt. Das Erfordernis der Übersicht über die Höhe der prämienfreien Leistung ergibt sich seit 2008 aus der Vorschrift des § 165 Abs. 2. Darüber hinaus hat der VR nach § 2 Abs. 1 Ziff. 5, 6 VVG-InfoV dem VN rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung Angaben über den Mindestversicherungsbetrag für eine Umwandlung in eine prämienfreie oder prämienreduzierte Versicherung und über die Leistungen aus einer prämienfreien oder prämienreduzierten Versicherung zu machen. Die Berechnungen in der Tabelle können sich grundsätzlich nur auf die vertraglich festgesetzten Versicherungsleistungen beziehen, denn die Überschussbeteiligung kann noch nicht feststehen. § 165 Abs. 2 Halbsatz 2 ist daher mit Blick auf § 169 Abs. 3 so auszulegen, dass unter der Höhe der prämienfreien Leistungen nur die garantierten und die sonst vertraglich zu nennenden Beträge anzugeben sind. Für die Angaben nach der VVG-InfoV ergibt sich das aus § 2 Abs. 1 Ziff. 6, wonach anzugeben ist, in welchem Ausmaß die Leistungen garantiert sind. Will der VR die Angaben auch auf die Überschussbeteiligung beziehen, so müssen die Leistungen mit dem deutlichen Hinweis versehen werden, dass sie insoweit nicht garantiert sind, sondern sich im Vertragsverlauf ändern können.40 5. Berichtigung des Versicherungsscheins

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Angesichts der durch die Umwandlung herbeigeführten Verminderung der Leistungsverpflichtung des VR ist dieser berechtigt, wegen der Eigenschaft des Versicherungsscheins als Schuldurkunde dessen Vorlegung zu verlangen, um ihn gegen einen neu ausgestellten Versicherungsschein über die herabgesetzte Versicherungssumme auszuwechseln. 6. Ansprüche aus der Überschussbeteiligung

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Unberührt durch die Umwandlung bleiben nach § 165 Abs. 3 Satz 2 die Ansprüche des VN aus der Überschussbeteiligung nach § 169 Abs. 7. Sie werden bei der Berechnung der prämienfreien Leistung nicht berücksichtigt und an den VN bei Vertragsablauf mit der sodann auszuzahlenden Versicherungsleistung ausgekehrt. 7. Rückkaufswert bei Nichterreichung des vereinbarten Mindestbetrages

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Wird die Mindestversicherungsleistung, wie sie zwischen VR und VN vereinbart worden ist, nicht erreicht, so endet die Versicherung, wenn der VN die Umwandlung verlangt. Der VR hat nach § 165 Abs. 1 Satz 2 den Rückkaufswert der Versicherung einschließlich Überschussbeteiligung an den VN auszukehren.

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VA 1933 123. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 165 Rn. 18; vgl. im Übrigen auch §§ 154, 155. Zur partiellen Garantie der Rückkaufs-

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werte und beitragsfreien Leistungen im Einzelnen vgl. Bruck/Möller/Winter § 169 Rn. 103, 100 ff.

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8. Keine sonstigen Rechtsfolgen der Umwandlung Wird das ursprüngliche Versicherungsverhältnis im Wege der Umwandlung umgestal- 46 tet, so ändert sich der Vertrag nur im Hinblick auf die Prämienzahlung und die Höhe der Versicherungsleistung. Die Fälligkeit der Versicherungssumme, die verwandten Lebensversicherungsbedingungen, die Währung ändern sich nicht.41 Sämtliche Ansprüche Drittbeteiligter wie des Zessionars, des Pfandgläubigers und des Bezugsberechtigten bleiben in ihrem grundsätzlichen Bestande unberührt und erfahren durch die Umwandlung nur die entsprechende Herabsetzung. Ebenso wird ein Anfechtungs- und Rücktrittsrecht des VR nicht tangiert.

VII. Andere Umwandlungsarten Der VN hat keinen Anspruch auf eine andere Art der Umwandlung als die in den Ver- 47 sicherungsbedingungen geregelte Umwandlung. Gleichwohl bemühen sich die VR in der Praxis, einem derartigen Wunsche – soweit sie es ohne Nachteil für sich zu tun vermögen – zu entsprechen, beispielsweise also sich mit einer Abkürzung der Versicherungsdauer einverstanden zu erklären. Solche Umwandlungen sind angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit ohne weiteres zulässig. Zu beachten sind jedoch die halbzwingenden Regelungen zur Umwandlung. Dabei hängt es vom Einzelfall ab, ob eine solche Umwandlung lediglich die Fortsetzung der ursprünglichen Versicherung oder den Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages darstellt.

VIII. Zurückumwandlung 1. Regelfall Wird das ursprüngliche Versicherungsverhältnis im Wege der Umwandlung umge- 48 staltet, steht es grundsätzlich nicht im alleinigen Ermessen des VN, den Vertrag wieder zurückumzuwandeln. Ein Recht des VN auf die Rückumwandlung ergibt sich nicht aus dem VVG noch – grundsätzlich – aus den Bedingungswerken der Lebensversicherung. Eine Rückumwandlung kann nur durch eine erneute Vereinbarung der Vertragsparteien erfolgen. Ob der VR dem Wunsche des VN entsprechen will, steht in seinem Ermessen.42 Zu einem Fall der Umwandlung, bei dem sich der VR so verhält, als ob die Umwandlung nicht vollzogen ist, und der VN sich auf denselben Standpunkt stellt und entsprechend handelt, vgl. eine Entscheidung des OLG Hamm von 1951.43 Durch die erneute Einigung kommt es zum Abschluss eines neuen Versicherungsver- 49 trages. Die Rückumwandlung ist daher wie ein Neuabschluss zu behandeln, allerdings nur insoweit, wie die Versicherungsleistung wieder erhöht werden soll.44 Der VR kann also grundsätzlich die Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigepflicht verlangen, eine erneute vertrauensärztliche Untersuchung kann erforderlich sein, der VR kann dem neuen Vertrage andere Beitragssätze und andere Versicherungsbedingungen als bei der

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BGH 8.5.1954 BGHZ 13 234. BGH 8.5.1954 BGHZ 13 227; BGH 23.6.1993 VersR 1994 39, 40; OLG Schleswig 30.10.1952 VersR 1953 20; OLG Frankfurt 16.9.1971 VersR 1973 414; OLG Karlsruhe 29.8.1991 VersR 1992 1250, 1251;

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OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1166; Langheid/Wandt/Mönnich § 165 Rn. 24. OLG Hamm 29.6.1951 VA 1951 192 ff. BGH 23.6.1993 VersR 1994 33, 40.

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alten Versicherung zugrunde legen. Ebenso beginnt die Wartezeit für den Einschluss des Selbstmordrisikos erneut zu laufen, eine bei Abschluss der erloschenen Versicherung gegebene Einwilligung gemäß § 150 Abs. 2 hat für den neuen Vertrag keine Gültigkeit.45 Der erste nach der Zurückumwandlung zu zahlende Beitrag ist Erstbeitrag i.S.d. § 37. Zur Zurückumwandlung ist eine ausdrückliche Vereinbarung nicht unbedingt erfor50 derlich, dürfte aber wohl stets getroffen werden. Eine vorbehaltlose Annahme der ursprünglich zu zahlenden Beiträge trotz Umwandlung der Versicherung kann jedenfalls dann als konkludente Rückumwandlungsvereinbarung gewertet werden, wenn darin unzweideutig der Wille des VR deutlich wird, das Versicherungsverhältnis wieder voll in Gang zu setzen. Mahnt der VR trotz Beitragsfreistellung einer Lebensversicherung weitere Beiträge an, so ist daraus u.U. auf eine konkludente Erklärung des VR zu schließen, dass er den Vertrag in der ursprünglichen Form als wieder fortbestehend ansieht und rechtlich als fortbestehend behandeln will. Geht der VN ohne Arglist darauf ein, so muss sich der VR seiner Erklärung gemäß behandeln lassen.46 Es wird dabei von Zurückumwandlung der Lebensversicherung statt von Neuabschluss gesprochen, weil ein Versicherungsvertrag abgeschlossen wird, der dem alten, erloschenen ebenbürtig ist und den beitragsfreien Restanteil des alten Versicherungsvertrages mit umfassen soll,47 oder weil an einen alten erloschenen Vertrag angeknüpft wird, auch wenn der rückumgewandelte Versicherungsvertrag nicht den Umfang des erloschenen Vertrages haben soll.48 Zur vorvertraglichen Anzeigepflicht kommt es dabei nur insoweit, als der VR bei der 51 Wiederherstellung ein neues Risiko übernimmt, welches er zuvor nicht getragen hat. Ein solches neues Risiko übernimmt der VR nur in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Rückkaufswert der umgewandelten Versicherung und der Versicherungssumme der rückumgewandelten Versicherung, nicht aber in Ansehung des rückkaufsfähigen Deckungskapitals der alten Versicherung. Dies ist für den VN in jedem Falle unverlierbar, auch wenn es wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht bei der Rückumwandlung oder wegen eines anderen Pflichtenverstoßes zur Leistungsfreiheit oder -reduktion des VR kommt.49 Wartefristen für den Einschluss des Selbstmordrisikos laufen dementsprechend nur in Ansehung des sich neu bildenden Deckungskapitals; dasselbe gilt für das Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2. Die Bestimmung des § 6 (15) Satz 1 GDVMusterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung – wonach die Absätze 1 bis 14 der Bestimmung entsprechend anzuwenden sind – ist bei der Regelung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ebenso wie § 5 (3) des Bedingungswerks für die Karenzzeit bei Selbstmord insoweit einschränkend auszulegen (zumal nur eine entsprechende Anwendung angeordnet wird). Wenn das OLG Oldenburg50 davon ausgeht, dass sich die Anzeigepflicht für den 52 Regelfall nur auf den Zeitraum nach erfolgter Umwandlung bezieht (und es dafür eines besonderen Hinweises nicht bedarf), so ist dem beizupflichten. Der VN kann nicht erwarten, dass der VR eine Erweiterung der Versicherung ohne eine erneute Gesundheitsprüfung vornimmt. Das Gericht ist allerdings auch der Auffassung, dass der VR bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht auch solche Erkrankungen oder Unfälle mit einbeziehen darf, zu denen es vor der Beitragsfreistellung gekommen ist. Denn solche gefahrerheblichen Umstände unterlagen vor der Beitragsfreistellung – also beim Vertrag in dem 45

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BGH 8.5.1954 BGHZ 13 226, 227; BGH 23.6.1993 VersR 1994 39, 40; OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165. OLG Hamm 25.6.1951 VersR 1953 32. OLG Hamburg 4.3.1954 VerBAV 1954 84, 85.

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Vgl. RG 18.12.1931 VA 1935 8 Nr. 2758. BGH 8.5.1954 BGHZ 13 226, 233 ff. OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165.

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ursprünglichen und durch die Rückumwandlung wieder aufgelebten weiten Umfang – der Gefahrerhöhungsregelung, aber nur wenn sie nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung anzusehen sind und bei ihnen die Frist des § 158 Abs. 2 nicht abgelaufen ist. Eine Ausdehnung der vorvertraglichen Anzeigepflicht auf die Zeit vor Beitragsfreistellung ist daher nicht möglich (es sei denn, sie wird als Fragerecht im Rahmen der Gefahrerhöhungsregelung verstanden) und würde gegen § 32 Satz 1 verstoßen. Würde sich eine solche in die Laufzeit des ursprünglichen Vertrages hineinreichende Anzeigepflicht in den Bedingungswerken finden, wäre sie zudem überraschend i.S.d. § 305c BGB.51 Das OLG Oldenburg begnügt sich mit einer ausdrücklichen Hinweispflicht des VR auf eine derartige Anzeigepflicht schon zur Zeit der Umwandlung (und nicht erst bei der Rückumwandlung), so dass der VN anstelle der Umwandlung eine Vertragsgestaltung wählen kann, bei der er einer derartigen Anzeigepflicht nicht ausgesetzt ist.52 2. Anspruch auf Rückumwandlung Anders ist die Rechtslage, wenn dem VN ein Anspruch auf Rückumwandlung der 53 erloschenen Lebensversicherung zusteht. Ein solcher Anspruch kann sich auf der Grundlage des erloschenen Versicherungsvertrages, aber auch aus dem Bedingungswerk ergeben. In diesen Fällen wird das alte Versicherungsverhältnis fortgeführt. Dessen Bedingungen, Beitragssätze usw. gelten fort, die Einwilligung nach § 150 Abs. 2 ist nicht erneut erforderlich, und dementsprechend besteht auch eine erneute vorvertragliche Anzeigepflicht grundsätzlich nicht. Der VN braucht keine neuen Antragsformulare auszufüllen. Möglicherweise ergibt sich in besonders gelagerten Fällen jedoch eine Anzeigepflicht aus § 242 BGB. Die Wartezeiten für den Einschluss des Selbstmordrisikos und sonstige Fristen beginnen nicht erneut zu laufen.53 Alle Fristen sind vielmehr vom Zeitpunkt des Abschlusses des alten Lebensversicherungsvertrages an zu rechnen, wobei die Zeit, in der der Versicherungsvertrag außer Kraft war, voll mitzählt.

IX. Umwandlung in der Gruppenlebensversicherung und in der betrieblichen Altersversorgung In der Gruppenlebensversicherung – und zwar sowohl in der echten als auch in der 54 unechten Gruppenversicherung – ist die Umwandlung insbes. auch beim Ausscheiden eines Risikoträgers aus der Gruppe von Bedeutung. Für diesen Fall kann die Abrede getroffen werden, dass sich die Mitversicherung des Ausgeschiedenen mit dem Ausscheiden oder zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode automatisch in eine prämienfreie Versicherung umwandelt und nicht erlischt. Dabei findet sich auch die Modifikation, dass der VN statt der Umwandlung auch kündigen darf, also bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen den Rückkaufswert verlangen kann. Soll dem ausgeschiedenen Gruppenmitglied ein Recht zur Fortsetzung seiner Mitver- 55 sicherung außerhalb des Gruppenversicherungsvertrages zustehen, findet sich die Regelung, dass die Umwandlung von der Nichtabgabe der Fortsetzungserklärung innerhalb der festgesetzten Frist abhängig gemacht wird. In einem solchen Falle ist das Erlöschen der Prämienschuld unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbart. 51 52

Vgl. OLG Hamm 29.9.1998 NJW-RR 1999 1120 zur BU-Versicherung. OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165.

53

OLG Schleswig 30.10.1952 VersR 1953 19.

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§ 165 56

Kapitel 5: Lebensversicherung

Hat ein Arbeitnehmer eine unverfallbare Anwartschaft aus einer Direktversicherung durch den Arbeitgeber erlangt und scheidet er durch Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus (z.B. zur Vermeidung der Insolvenzeröffnung bei einer massearmen Insolvenz), so kann er auch den Versicherungsvertrag kündigen. Eine solche Kündigung führt jedoch nicht zur Auskehrung der Rückvergütung und der Überschussbeteiligung. Denn nach § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG darf der Rückkaufswert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrages nicht in Anspruch genommen werden; die Versicherung wird in eine prämienfreie umgewandelt, unter die Verfügungsbeschränkung fällt dabei auch die Überschussbeteiligung. Darüber hinaus würde eine Auszahlung unter das Abfindungsverbot nach § 3 BetrAVG fallen, eine dennoch erfolgte Abfindung wäre nach § 134 BGB nichtig. Hintergrund der Regelung der §§ 2, 3 BetrAVG ist die Gefahr einer Zweckentfremdung der zur Altersversorgung vorgesehenen finanziellen Mittel. Die Regelung verstößt nicht gegen die Vorschrift des Art. 2 Abs. 1 GG, die durch eine Rechtsnorm beschränkbar ist, zumal sie dem Allgemeinwohl dient, nämlich der Verhinderung von Sozialfällen, und angesichts dessen, dass die Leistungen des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung steuerlich gefördert und von der Allgemeinheit mitfinanziert werden.54

X. Frage-, Informations-, Beratungspflichten nach § 6 Abs. 4, Schadenersatzpflicht nach § 6 Abs. 5 VVG 57

Schon die Informationspflichten des VR vor Abgabe der Vertragserklärungen nach § 7 i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 6 VVG-InfoV beziehen sich auf den Mindestversicherungsbetrag für den Fall der Umwandlung in eine prämienfreie bzw. prämienreduzierte Lebensversicherung, auf die in Betracht kommenden Rückkaufswerte und auf die Leistungen einer prämienfreien Versicherung; darüber hinaus hat der VR den VN darauf hinzuweisen, welche dieser Leistungen garantiert sind. Ferner ist der VR nach § 6 Abs. 4 zu – anlassbedingten – Frage- und Beratungspflich58 ten in Zusammenhang mit einer Umwandlung einschließlich Rückumwandlung verpflichtet.55 So hat der VR die Verpflichtung, den VN über die Folgen einer Umwandlung im Einzelnen aufzuklären (einschließlich des Entfallens einer BUZ-Versicherung) sowie darüber, dass der VN – z.B. nach Beendigung eines finanziellen Engpasses während einer Scheidung – keinen Anspruch auf Rückumwandlung, sondern die Möglichkeit einer Wiederherstellung der Versicherung besitzt, dass er sich einer erneuten Gesundheitsprüfung zu unterziehen hat, dass die Karenzzeit bei vorsätzlicher Selbsttötung neu zu laufen beginnt, dass die Einwilligung der Gefahrsperson nach § 150 Abs. 2 erneut beizubringen ist usw.56 Die Aufklärung muss ausreichend verständlich sein.57 Der VR hat den VN bei der Umwandlung auch auf die sonstigen Möglichkeiten wie eine Herabsetzung der Versicherungsleistung, eine zeitlich begrenzte Stundung der Beiträge, eine Ruhenslebensversicherung mit BUZ wegen Einkommenslosigkeit, eine Kündigung oder auch einen Verkauf der Versicherung auf dem Zweitmarkt hinzuweisen, einschließlich der damit verbundenen

54 55 56

LG Tübingen 7.5.1996 VersR 1996 1223, 1224. Im Einzelnen Bruck/Möller/Schwintowski § 6 Rn. 36 ff. OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165: In diesem Fall argumentierte der VN, er hätte sich gegen die Umwandlung

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57

entschieden, hätte er von der erneuten weitgehenden Gesundheitsprüfung Kenntnis gehabt, von der der VR bei der Rückumwandlung ausging. OLG Hamm 17.8.2011 VersR 2012 247, 349, das die Anforderungen an die Verständlichkeit herausarbeitet.

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Kündigung des Versicherers

§ 166

jeweiligen Rechtsfolgen.58 Ist die Umwandlungserklärung des VN nicht in ausreichendem Maße eindeutig, hat der VR die Pflicht beim VN nachzufragen, ob damit eine Umwandlung oder eine andere Vertragsänderung gemeint sei.59 Voraussetzung für eine Nachfrage- und Beratungspflicht des VR nach § 6 Abs. 4 ist 59 allerdings, dass für den VR aus den Akten oder in sonstiger Weise ein Anlass für eine Beratung erkennbar ist.60 Ist die Umwandlungserklärung unzweideutig erfolgt und ist für den VR – auf welche Weise auch immer – nicht erkennbar, dass für den VN Aufklärungsbedarf gegeben ist, so bestehen nach Krause 61 keine Frage- und Aufklärungspflichten.62 Das kann jedoch auch angesichts der umfassenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 nicht gelten, wenn es zu einer tiefgreifenden Umgestaltung eines Vertrages mit mehreren Umgestaltungsmöglichkeiten wie bei einer Umwandlung oder Rückumwandlung des Lebensversicherungsvertrages kommt.63 Verletzt der VR seine Beratungspflichten nach Vertragsschluss, so trifft ihn eine Scha- 60 denersatzpflicht aus § 6 Abs. 5.64

C. Abdingbarkeit § 165 ist halbzwingend, § 171 Satz 1. Die Umwandlung kann somit nicht von weite- 61 ren Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die sich nicht aus § 165 ergeben. Eine BUZ-Versicherung kann daher auch umgewandelt werden, wenn sich die Umwandlung nicht auch auf die Hauptversicherung bezieht. Nach § 171 Satz 2 kann für das Umwandlungsverlangen das Schrift- oder Textformerfordernis vereinbart werden.

§ 166 Kündigung des Versicherers (1) 1 Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. 2Auf die Umwandlung ist § 165 anzuwenden. (2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte. (3) Bei der Bestimmung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hat der Versicherer auf die eintretende Umwandlung der Versicherung hinzuweisen.

58 59 60

61 62

OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165. Vgl. OLG Köln 16.5.1991 RuS 1992 138, 139. Bruck/Möller/Schwintowski § 6 Rn. 36 ff.; vgl. auch Römer/Langheid/Römer § 165 Rn. 12. Looschelders/Pohlmann/Krause § 165 Rn. 19. Zurückhaltend: OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165.

63 64

Im Ergebnis ebenso Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 165 Rn. 13. Vgl. dazu im Einzelnen Bruck/Möller/ Schwintowski § 6 Rn. 41 ff.; zur Haftung des VR nach altem Recht aus positiver Forderungsverletzung OLG Köln 16.5.1991 RuS 1992 138, 140.

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§ 166

Kapitel 5: Lebensversicherung

(4) Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen worden ist, hat der Versicherer die versicherte Person über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 und die eintretende Umwandlung der Versicherung in Textform zu informieren und ihnen eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einzuräumen. Schrifttum Fenyves Ordentliche Kündigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch den Versicherer? In: Festschrift für Willibald Posch (2011), S. 135; Schalk Die fondsgebundene Lebensversicherung (2009); Tietze Zertifizierung von Finanzdienstleistungen für die Altersvorsorge (2002).

Übersicht Rn. A. I. II. III. B.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Kündigung, Umwandlung, Rückumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kündigung des Versicherers . . . . . . . 1. Umfeld und Funktion der Kündigung: Keine ordentliche Kündigung des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Ausnahme für die fondsgebundene Lebensversicherung . . . . . . . 3. Außerordentliche Kündigung des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . 4. Hinweis auf die Rechtsfolge der Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolge: Umwandlung der Lebensversicherung in eine beitragsfreie Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn.

1 1 2 6 8 8

8 12

III. C.

13 15

I. II.

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D.

1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . 2. Vorgezogener verminderter Versicherungsschutz bei der Kündigung wegen Zahlungsverzuges . . . . . . . . . . . 3. Sonderfall: Kündigung bei Nichtzahlung von Zinsen für ein Policendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kündigung des Versicherers aus anderen Gründen als Zahlungsverzug des VN . . . . . . . . . . . . . . . . Zurückumwandlung . . . . . . . . . . Informationspflicht des Versicherers gegenüber dem bezugsberechtigten Arbeitnehmer in der betrieblichen Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfassungsrechtlicher Hintergrund . . . Ausgestaltung der betrieblichen Lebensversicherungen . . . . . . . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

16

19

21

22 23

25 25 27 31

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

§ 166 Abs. 1–3 übernimmt inhaltlich im Wesentlichen unverändert die Regelung des § 175 a.F., erweitert sie jedoch auf weitere Kündigungsrechte des VR. Die Bestimmung des Absatzes 4 ist neu und schafft für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung eine Informationspflicht des VR gegenüber den bezugsberechtigten Arbeitnehmern für den Fall, dass der VN/Arbeitgeber seiner Prämienzahlungspflicht nicht nachkommt.

II. Inhalt und Zweck der Regelung 2

Anders als der VN – mit § 168 – hat der VR in der Lebensversicherung kein jederzeitiges, voraussetzungsloses ordentliches Kündigungsrecht. Denn zunächst einmal gehört es zu der vom VR übernommenen Gefahr, dass die Gefahrsperson älter wird und Krankheiten oder sonstige lebensverkürzend wirkende Umstände eintreten können. Dem VR soll nicht die Möglichkeit geboten werden, sich von dem Risiko zu trennen, wenn es

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im Laufe der Jahre naturgemäß und erwartungsgemäß schwerer wird und der VN einen neuen Lebensversicherungsvertrag zu der ursprünglich vereinbarten Prämie nicht mehr abschließen kann. Darüber hinaus entspräche es nicht der Funktion der Lebensversicherung als verlässliche Alters- und Hinterbliebenenvorsorge, wenn der VR die Versorgungsvorhaben des VN mit Hilfe eines ordentlichen Kündigungsrechts durchkreuzen könnte. Daher hat der VR nur die außerordentlichen Kündigungsrechte wie z.B. das am häufigsten praktizierte Lösungsrecht nach § 38 Abs. 3 bei einem Zahlungsverzug des VN mit einer Folgeprämie. Bei Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten braucht der VN nicht zu fürchten, dass der Lebensversicherungsvertrag vorzeitig beendet wird. Schon mit der Regelung des § 175 a.F. wurde dabei die Kündigung des VR dadurch 3 entschärft, dass der Lebensversicherungsvertrag nicht beendet, sondern dass stattdessen die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wurde. Für den VN hat das zur Folge, dass die Versicherungssumme herabgesetzt wird, die Versicherung in abgesenkter Höhe weiterläuft und es einer künftigen weiteren Prämienzahlung durch den VN nicht bedarf. Eine solche Umwandlung, auf die die Regelung des § 165 Anwendung findet, entspricht den Interessen eines in finanzielle Schwierigkeiten geratenen VN, der seine Versicherung soweit möglich weiterführen möchte, ohne zugleich zu einer weiteren Prämienzahlung verpflichtet zu sein. Sie kommt auch den Interessen des VR entgegen, der der Herabsetzung der Versicherungssumme im Vergleich zu einer Beendigung der Versicherung den Vorzug geben dürfte. Die Umwandlung wird dabei nicht erst mit dem Schlusse der Versicherungsperiode, sondern schon mit dem Zeitpunkt der Kündigung wirksam, „weil die Haftung des Versicherers für die ursprüngliche Versicherungssumme … durch die Kündigung sofort erlischt“.1 Die Regelung gilt für sämtliche Fälle einer Kündigung durch den VR.2 Ob sie beispielsweise für Fälle einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung eine sachgerechte Lösung darstellt, wird bezweifelt;3 für sie spricht, dass die beitragsfreie Versicherung mit den Sparbeiträgen des VN und der bereits gebildeten Überschussbeteiligung finanziert wird. Nach § 166 Abs. 2 hat der VN einen Anspruch auf die herabgesetzte Summe auch, 4 „wenn nach dem Ablaufe der ihm von VR zur Nachholung der Zahlung bestimmten Frist, aber vor Kündigung der Versicherungsfall eintritt“. Er erhält damit die Versicherungssumme, die gegeben wäre, „wenn sich mit dem Eintritte des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte“.4 Gemäß § 166 Abs. 3 hat der VR bei der Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 auch auf die Rechte der Umwandlung hinzuweisen.5 Bei der betrieblichen Altersversorgung trifft den VR eine Informationspflicht gegen- 5 über dem Bezugsberechtigten (der zugleich Gefahrsperson ist), wenn der Arbeitgeber als VN seiner Prämienzahlungsverpflichtung nicht nachkommt. Eine solche Informationspflicht des VR gegenüber Drittbeteiligten ist umstritten, angesichts der existentiellen Bedeutung der Versicherung für den Arbeitnehmer besteht damit die Möglichkeit für ihn, den Versicherungsschutz mit eigenen Mitteln aufrechtzuerhalten.6

1 2

Motive 235. BTDrucks. 16/3945 S. 101. Der Reformgesetzgeber distanziert sich damit von dem Gesetzgeber von 1908; in den Motiven 236 heißt es ausdrücklich, dass das Umwandlungsrecht nicht auch gewährt werden könne, wenn der VR von dem Vertrage wegen Verlet-

3 4 5 6

zung der Anzeigepflicht zurücktreten oder den Vertrag wegen Erhöhung der Gefahr kündigen wolle. Prölss/Martin/Reiff § 166 Rn. 1. Motive 225, 226. Motive 226. BTDrucks. 16/3945 S. 101.

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III. Anwendungsbereich 6

Die Vorschrift des § 166 ist auf sämtliche Lebensversicherungen anwendbar, die rückkaufsfähig sind und bei denen es zu einer beitragsfreien Versicherung kommen kann, auch auf die Risikolebens- und die Termfixversicherung.7 Nach § 176 gilt sie analog auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung, nicht jedoch für die Unfallversicherung und Kapitalisierungsgeschäfte. Sie ist ferner nicht anwendbar bei sog. regulierten Pensionskassen, kleineren Gegenseitigkeitsvereinen und Lebensversicherungen mit kleineren Beiträgen. 7 § 166 gilt grundsätzlich auch für Altverträge; soweit § 165 allerdings auf § 169 verweist, gilt für Lebensversicherungsverträge, die zwischen 1994 und vor 2008 geschlossen sind, § 176 a.F. in seiner Ausgestaltung durch die Rechtsprechung.8 Für vor dem 29.7.1994 bzw. bis zum 31.12.1994 unter Verwendung von vor dem 29.7.1994 genehmigten AVB gelten die §§ 173 f. a.F. in der jeweiligen Ausgestaltung von vor 1994. Für Berufsunfähigkeitsversicherungs-Altverträge, welche vor dem 1.8.2008 geschlossen wurden, ist nach Art. 4 Abs. 3 EGVVG die Vorschrift des § 176 nicht anzuwenden. Die Funktion des § 176 ist es nur klarzustellen, dass die entsprechende Anwendung der Vorschriften zur Lebensversicherung auf die Berufsunfähigkeitsversicherung, wie sie schon zuvor gängige Praxis war, nicht geändert werden soll, nur weil in §§ 172 ff. einzelne Fragen nunmehr ausdrücklich geregelt sind.9 Daraus kann daher nicht geschlossen werden, dass § 166 auf Altverträge in diesem Bereich keine Anwendung finden kann.10

B. Kündigung, Umwandlung, Rückumwandlung I. Kündigung des Versicherers 1. Umfeld und Funktion der Kündigung: Keine ordentliche Kündigung des Versicherers

8

§ 166 ist vor dem Hintergrund des § 11 Abs. 2 zu sehen: Bei einem auf unbestimmte Zeit eingegangenen Versicherungsvertrag haben beide Vertragsparteien, also auch der VR ein ordentliches Kündigungsrecht. Dem VN gewährt § 168 ein jederzeitiges, also ordentliches Kündigungsrecht. Für den VR enthält das Lebensversicherungsrecht eine derartige Kündigungsmöglichkeit jedoch nicht, in dem vergleichbaren Fall der Krankenversicherung ist sowohl für die substitutive als auch für die nach Art der Lebensversicherung betriebene Krankenversicherung ein ordentliches Kündigungsrecht des VR – aus auf der Hand liegenden Gründen – ausgeschlossen. Daher könnte argumentiert werden, dass dem VR in der Lebensversicherung ein ordentliches Kündigungsrecht zur Verfügung stehe, wenn es sich um einen i.S.d. § 11 Abs. 2 auf unbestimmte Zeit eingegangenen Versicherungsvertrag handelt. Als eine auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Lebensversicherung wird von K. Johannsen auch die lebenslängliche Versicherung – und damit gerade auch die auf Lebenszeit angelegten kapitalbildenden Renten- und Kapitalversicherungen – angesehen;11 ebenso geht Gruber, der sich darüber hinaus zu einem ordentlichen Kündi-

7 8 9 10

Vgl. § 165 Rn. 3. Vgl. dazu § 169 Rn. 173 ff. Vgl. BTDrucks. 16/3945 S. 107. Prölss/Martin/Reiff § 166 Rn. 3; a.A.

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11

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 166 Rn. 3. Bruck/Möller/K. Johannsen § 11 Rn. 12.

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gungsrecht des VR in der Lebensversicherung bekennt, für die lebenslange Lebensversicherung von einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrage aus.12 Dem kann nicht beigepflichtet werden. Die lebenslange Lebensversicherung ist kein Vertrag, der auf unbestimmte Zeit einge- 9 gangen ist.13 Denn die Versicherung läuft nur bis zum Tode des VN oder bis zu einem Ablauftermin wie der Erreichung des 65. oder 68. Lebensjahres, bei dem die versicherungsrechtliche Erlebensfallleistung zu erbringen ist, entweder in Gestalt einer Kapitalleistung oder in Form einer häufig lebenslangen Rente. Auch die lebenslängliche Lebensversicherung hat einen – bestimmbaren – Endtermin, sie ist eine Zeitversicherung im Sinne Ehrenzweigs.14 Die Lebensversicherung wird in aller Regel mit gleichbleibenden laufenden Prämien kalkuliert, obwohl das Risiko der Gefahrsperson mit zunehmendem Alter steigt. Da für die VR-Leistung garantierte Beträge vereinbart werden, bedarf es für die Kalkulation – trotz vorsichtiger Ansätze bei den Risiko-, Rendite- und Kostenanteilen der Prämie und der Möglichkeiten einer Prämienanpassung – eines zuvor festgelegten Zeitraumes. Bei einem nicht nur für den VN, sondern auch für den VR gegebenen ordentlichen Kündigungsrecht, wie es bei Versicherungsverträgen i.S.d. § 11 Abs. 2 systemgerecht wäre, ließe sich eine derartige Kalkulation nicht vornehmen. Die kapitalbildende gemischte Lebensversicherung wird ganz bewusst in der Regel auf Lebenszeit abgeschlossen, der VR soll nicht die Möglichkeit erhalten, sie abzubrechen. Der VN muss die Gelegenheit wahrnehmen können, sich ungestört vom VR eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung aufzubauen. Daher und angesichts der unter § 166 Rn. 2 genannten Gesichtspunkte sprechen sich insbes. Fenyves mit überzeugender Begründung,15 aber auch Schalk16 und Tietze 17 zu Recht dahingehend aus, dass § 11 Abs. 2 bei der lebenslangen Lebensversicherung nicht anwendbar sei, weil es sich nicht um eine auf unbestimmte Zeit eingegangene Versicherung handele. Soweit die lebenslängliche Versicherung nicht als befristete Lebensversicherung angesehen wird, weil auch der Reformgesetzgeber in § 195 die lebenslange substitutive Krankenversicherung als unbefristet bezeichnet hat,18 so zeigt das nur, dass der Gesetzgeber seine Wortwahl nicht genügend durchdacht hat oder sie anders verstanden wissen will, als es in der Literatur geschieht. Wenn Lebensversicherungen nicht auf Lebenszeit, sondern – wie es sich insbes. auch bei Risikolebensversicherungen findet – auf eine nur kurze, bestimmte Zeitdauer geschlossen werden, bedarf es keiner Betonung, dass § 11 Abs. 2 ohnehin nicht greift. Auch wenn der Argumentation mit dem Ergebnis, dass lebenslange Lebensversiche- 10 rungen nicht unter § 11 Abs. 2 subsumiert werden können, nicht gefolgt wird, ist es fast allgemeine Ansicht, dass ein ordentliches Kündigungsrecht des VR auch bei lebenslangen Lebensversicherungen nicht gegeben ist.19 Dem VR ist nur ein außerordentliches Kündi-

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14

15 16 17

BK/Gruber § 8 Rn. 17. Überzeugend, mit ausführlicher Begründung: ÖOGH 29.6.2011 GZ 5 R 161/09x-27 RIS-70b251/10b S. 4. Ehrenzweig Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht 101, worauf Fenyves Fn. 15 zu Recht hingewiesen hat. Fenyves S. 13 ff. Schalk 121 ff. Tietze Zertifizierung von Finanzdienstleistungen für die Altersvorsorge (2002) 15 für die Riester-Rente.

18 19

So der Hinweis von Bruck/Möller/K. Johannsen § 11 Rn. 12. Z.B. Bruck/Möller/K. Johannsen § 11 Rn. 12; Prölss/Martin/Reiff § 166 Rn. 1; Wandt Rn. 1219; Römer/Langheid/Römer § 175 VVG a.F. Rn. 3; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 166 Rn. 5; OLG Köln 30.9.1998 VersR 2000 619; Berliner Kommentar/Gruber § 8 Rn. 17; Langheid/Wandt/ Mönnich §166 Rn. 15. Zu Recht zieht Fenyves einen Vergleich zum Zivilrecht: Ebenso wenig wie beim Lebensversicherungs-

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gungsrecht gegeben. Aus § 11 Abs. 4 kann ein ordentliches Kündigungsrecht des VR für langfristige Verträge nicht hergeleitet werden, diese Vorschrift gewährt nur dem VN ein Lösungsrecht, wie es für die Lebensversicherung in der speziellen Bestimmung des § 168 geregelt ist. Ist eine Lebensversicherung ausdrücklich oder konkludent auf eine unbestimmte Zeit – 11 was höchstens theoretisch vorkommen dürfte – abgeschlossen, so wird § 11 Abs. 2 mit seinem Kündigungsrecht gleichfalls durch die lebensversicherungsrechtliche Spezialregelung zum Kündigungsrecht verdrängt. Die bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung typischerweise bezweckte Funktion (Alters-, Hinterbliebenenversorgung, Tilgung eines Baudarlehens) kann nicht erreicht werden, wenn der VR ein jederzeitiges Kündigungsrecht hätte.20 2. Keine Ausnahme für die fondsgebundene Lebensversicherung

12

Der Ausschluss einer ordentlichen Kündigung des VR gilt dabei auch für die fondsgebundene Versicherung auf Lebenszeit. Der Auffassung von Schalk,21 der auf die anders vorgenommene Be- und Verrechnung der Prämie bei der fondsgebundenen Lebensversicherung verweist, kann nicht gefolgt werden: Schalk argumentiert, dass dort die Risikoprämie jährlich neu berechnet werde und von dem Deckungskapital abgezogen werde, zudem trete das versicherungstechnische Risiko bei dieser Versicherungsform in den Hintergrund, der wirtschaftliche Schwerpunkt sei in der Form der Vermögensanlage unter Ausnutzung von Steuervorteilen zu sehen. Auch bei der fondsgebundenen Lebensversicherung treffen den VN jedoch finanzielle Nachteile bei einer Kündigung durch den VR, der VN kann steuerliche Vorteile verlieren, er hat in der Regel eine besonders hohe Abschlussprovision zu zahlen. Gerade, wenn der VN mit der fondsgebundenen Lebensversicherung eine Hinterbliebenen- und Altersversorgung beabsichtigt, wie es bei dieser Versicherungsform zumeist geschieht, darf er nicht einem jederzeitigen Kündigungsrecht des VR ausgesetzt sein. Aus diesen Gründen lehnt Fenyves zu Recht eine Ausnahme von dem Kündigungsausschluss für die fondsgebundene Lebensversicherung überzeugend ab.22 Auch bei der fondsgebundenen Lebensversicherung kann § 11 Abs. 2 keine Anwendung finden, auch hier ist das Kündigungsrecht des VR auf die außerordentliche Kündigung zu beschränken. 3. Außerordentliche Kündigung des Versicherers

13

Um die Lebensversicherung mit der Rechtsfolge der Umwandlung durch den VR kündigen zu kündigen, müssen die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung durch den VR gegeben sein. In Betracht kommen dabei die Kündigungsrechte des VR bei schuldloser oder fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung des VN (§ 19 Abs. 3 Satz 2), bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Gefahrerhöhung (§§ 24, 158), bei schuldloser oder leicht fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit (§ 28 Abs. 1) und insbes. bei Zahlungsverzug mit einer Folgeprämie (§ 38 Abs. 3). Gerichtlich entschiedene Fälle

20

vertrag könne jemand auf den Gedanken kommen, einen lebenslangen Mietvertrag durch eine ordentliche Kündigung zu beenden (Fenyves FS Posch 140). Fenyves FS Posch 137 ff. Vgl. im Übrigen ÖOGH 29.6.2011 a.a.O.

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21 22

Schalk 121 ff. Fenyves FS Posch 142 ff.; ebenso ÖOGH 29.6.2011 a.a.O. S. 4 ff. (mit ausführlicher Begründung).

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bis 2008 beziehen sich nur auf den Zahlungsverzug des VN mit einer Folgeprämie, da der Anwendungsbereich der Vorschrift erst mit der Reform des Lebensversicherungsrechts erweitert wurde.23 Zu den Voraussetzungen der einzelnen Kündigungsvorschriften wird auf die Kommentierungen zu §§ 19, 24, 158, 28 und 38 verwiesen. Die Vorschrift des § 166 ist bei einem Rücktritt bzw. einer Anfechtung des VR nicht 14 anwendbar, auch nicht analog. 4. Hinweis auf die Rechtsfolge der Umwandlung § 166 Abs. 3 gilt nur für die Fälle der nicht rechtzeitigen Entrichtung einer Folge- 15 prämie nach § 38 Abs. 1. Bei der qualifizierten Mahnung sind sämtliche Rechtsfolgen nach § 38 Abs. 2, 3 anzugeben,24 dazu gehört in der Lebensversicherung auch die Rechtsfolge der Umwandlung. Eine solche Belehrung ist formelle Wirksamkeitsvoraussetzung einer ausreichenden Mahnung. Der VR hat dabei auf die „eintretende Umwandlung der Versicherung“ in eine prämienfreie Versicherung hinzuweisen, wie es sich aus § 166 Abs. 3 ergibt. Dazu reicht es nicht aus, wenn dem VN mitgeteilt wird, „dass der Versicherungsschutz in Höhe der beitragsfreien Versicherung fortbesteht … Dem VN muss schon konkret mitgeteilt werden, ob eine solche Umwandlung eintritt oder nicht. Anderenfalls ist der Zweck der vorgeschriebenen Belehrung, dem VN eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, nicht erreicht“.25 Umstritten ist, ob damit auch die konkrete Angabe der Höhe der beitragsfreien Summe verbunden ist. Das kann aus dem Wortlaut des § 166 Abs. 3 nicht zwingend entnommen werden, wohl aber aus Sinn und Zweck der Regelung. Damit hat der VR bei jeder Folgebeitragsmahnung festzustellen, ob eine beitragsfreie Versicherungssumme gegeben ist und auf welchen Betrag sie sich genau beläuft. Dem VN muss die finanzielle Bedeutung seiner Entscheidung unmissverständlich vor Augen geführt werden.

II. Rechtsfolge: Umwandlung der Lebensversicherung in eine beitragsfreie Versicherung 1. Grundsätzliches Mit der Kündigung wandelt sich die Lebensversicherung in eine beitragsfreie Ver- 16 sicherung um. Die Kündigung hat somit nicht die Beendigung der bisherigen Versicherung zur Folge, sondern ihre Umwandlung in einer Weise, als hätte der VN von seinem Umwandlungsrecht nach § 165 Gebrauch gemacht.26 Zum Begriff der Umwandlung, zur Durchführung der Umwandlung, zu den Abzügen usw. wird auf Bruck/Möller/Winter § 165 Rn. 7 ff. verwiesen. Wird bei dem Lebensversicherungsvertrag die vertraglich vereinbarte Mindestversicherungsleistung nicht erreicht, kommt es auch hier nicht zur Umwandlung, der Vertrag wird durch die Kündigung beendet und der VR ist zur Zahlung der Rückvergütung verpflichtet.27

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24 25

Beispiele: BGH 23.6.1993 VersR 1994 39, 40; OLG München 15.2.2000 VersR 2000 1095, 1096. Dazu im Einzelnen Bruck/Möller/Beckmann § 38 Rn. 41 ff. OLG München 15.2.2000 VersR 2000 1094, 1095; vgl. auch BGH 6.10.1999 VersR 1999

26 27

1525; vgl. auch Römer/Langheid/Römer §166 Rn. 7; kritisch Reinhard VersR 2000 1095, 1096. § 166 Abs. 1 Satz 2; vgl. BGH 23.6.1993 VersR 1994 39, 40. Vgl. § 165 Rn. 19.

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§ 166

Kapitel 5: Lebensversicherung

17

Anders als bei der Umwandlung nach § 165 erfolgt sie nicht erst auf den Schluss der Versicherungsperiode oder auf den Schluss des Ratenzahlungsabschnitts, sondern mit sofortiger Wirkung. Denn da sich die Versicherung nach § 166 Abs. 1 Satz 1 „mit der Kündigung“ umwandelt, kann die Umwandlung nur auf den Tag vorgenommen, in dem die Kündigungserklärung dem Kündigungsempfänger zugegangen ist. Will der VN die Umwandlung nicht nach § 165 auf den Schluss der Versicherungsperiode vornehmen, sondern bereits auf einen früheren Zeitpunkt, so braucht er nur die Folgeprämie nicht zu zahlen und die Kündigungserklärung des VR abzuwarten.28 Die Umwandlung aufgrund einer Kündigung des VR wegen Zahlungsverzuges ist 18 dabei nach § 38 Abs. 3 Satz 3 auflösend bedingt: Wenn der VN die Zahlung der rückständigen Prämie innerhalb eines Monats nachholt, ohne dass der Versicherungsfall inzwischen eingetreten ist, so wird die Lebensversicherung wie zuvor weitergeführt. 2. Vorgezogener verminderter Versicherungsschutz bei der Kündigung wegen Zahlungsverzuges

19

Die Sonderregelung des § 166 Abs. 2 ist nur für die Konstellation einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges geschaffen worden. Bei Nichtzahlung einer Folgeprämie ist der VR nach § 38 Abs. 2 grundsätzlich leistungsfrei, falls der Versicherungsfall nach Ablauf der Zahlungsfrist eintritt, die Kündigungserklärung des VR jedoch noch nicht erfolgt ist. Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des VR ist, dass der VN nach dem Fristablauf bis zum Eintritt des Versicherungsfalles den geschuldeten Prämienbetrag nicht entrichtet hat. Darüber hinaus ist der VR nur leistungsfrei, wenn der VN zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles im Verzuge ist. Dabei kommt es nicht auf den Verzug im Zeitpunkt des Ablaufs der Zahlungsfrist an, sondern allein auf einen Verzug im Zeitpunkt des Versicherungsfalles. Das kann in der Praxis der Lebensversicherung zu Problemen führen: Hat sich der VN zunächst im Verzug befunden und war er dann – wie es gerade in der Todesfallversicherung vorkommt – vor dem Versicherungsfall einige Tage so erkrankt, dass er entschuldigt ist, so entfällt damit die Leistungsfreiheit des VR.29 Sind die Voraussetzungen einer Leistungsfreiheit nach § 38 Abs. 2 gegeben, so ist der 20 VR auch in der Lebensversicherung leistungsfrei, wenn zum Zeitpunkte des Fristablaufs kein oder nur ein geringfügiges Deckungskapital vorhanden ist. Das kann insbes. bei kurzfristigen Risikoversicherungen gegeben sein. Bei den übrigen Lebensversicherungen, bei denen sich ein ausreichendes Deckungskapital angesammelt hat, greift jedoch § 166 Abs. 2, wonach dem VN schon nach Ablauf der Zahlungsfrist ein verminderter Deckungsschutz in Höhe der beitragsfreien Summe erhalten bleibt. § 38 Abs. 2 ist durch § 166 Abs. 2 entsprechend abgeändert worden. Dem VN wird die Versicherungssumme ausgezahlt, die er bekommen würde, wenn sich die Versicherung bereits mit dem Eintritt

28 29

Vgl. Reinhard VersR 2000 1095, 1097. KG 12.7.1930 JRPV 1930 429, 430; OLG Hamm 7.7.1952 VersR 1952 421. ÖOGH 4.2.1970 VersR 1970 VersR 1970 1068 und Wahle VersR 1962 195, 196 versuchen für diese Fälle einen anderen Weg zu gehen: Für die Leistungsfreiheit des VR nach § 39 Abs. 2 a.F. (nunmehr § 38 Abs. 2) komme es nur auf den „objektiven“ Verzug bei der

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Zahlung der Folgeprämie an. Diese Ansicht ist jedoch mit dem allgemeinen Verständnis vom Begriff des Verzuges nicht zu vereinbaren. Will sich der VR der Gefahr nicht aussetzen, dass seine Leistungspflicht wegen Erkrankung des VN entfällt, so muss er von der Möglichkeit Gebrauch machen, mit der Mahnung zugleich eine Kündigung zu verbinden.

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Kündigung des Versicherers

§ 166

des Versicherungsfalls in eine beitragsfreie Lebensversicherung umgewandelt hätte.30 Abgesehen davon kann die Leistungsfreiheit wegen Erkrankung des VN im Versicherungsfall sogar gänzlich entfallen, der VR ist zur Leistung der garantierten Versicherungssumme verpflichtet. Ist dieser Fall nicht gegeben, so kommt es nicht erst bei Kündigung, sondern schon zuvor lediglich zu einer Absenkung des Versicherungsschutzes. Unterschreitet das Deckungskapital die vereinbarte Mindestversicherungssumme, so hat der VR nach § 165 Abs. 1 Satz 2 lediglich den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert einschließlich Überschussanteile auszukehren.31 3. Sonderfall: Kündigung bei Nichtzahlung von Zinsen für ein Policendarlehen Das Policendarlehen kann zu den unterschiedlichen Zwecken verwandt werden. Ge- 21 rade in Zeiten einer wirtschaftlichen Rezension kommt es vor, dass ein VN ein Policendarlehen aufnimmt, um seiner Prämienverpflichtung nachkommen zu können und den Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten. Dabei erhebt sich die Frage, ob der VR das Kündigungsrecht nach § 38 Abs. 3 auch ausüben kann, wenn der VN mit der Zahlung der Zinsen für das Policendarlehen in Verzug gerät. Das wird allgemein bejaht.32 Gegen die Anwendung des § 38 Abs. 3 auch auf diese Fälle kann eingewandt werden, dass diese Vorschrift ein Kündigungsrecht nur für den Fall gewährt, dass die Gegenleistung für die Gefahrtragung des VR nicht erbracht wird. Vom Sinn und Zweck der Vorschrift her ist jedoch der allgemeinen Ansicht beizupflichten. 4. Kündigung des Versicherers aus anderen Gründen als Zahlungsverzug des VN Erfolgt die Kündigung durch den VN aus anderen Gründen (wie z.B. wegen Verlet- 22 zung der vorvertraglichen Anzeigepflicht), so greift die Vorschrift des § 166 Abs. 2 nicht. Sie ist z.B. bei einer Kündigung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 auch nicht erforderlich, weil der Lebensversicherungsvertrag bis zum Wirksamwerden der Kündigung mit seinen Rechten und Pflichten fortbesteht. Der VR ist bei Eintritt eines Versicherungsfalles noch vor der Kündigung zur Zahlung der vereinbarten Versicherungssumme verpflichtet. Ebenso verhält es sich bei einer Kündigung nach §§ 24, 158; anders kann es bei der Konstellation einer Kündigung nach § 28 aussehen, hier könnte daher an eine Analogie zu § 166 Abs. 2 gedacht werden.

III. Zurückumwandlung Der VN hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen 23 Lebensversicherungsvertrages. Eine Rückgängigmachung der Umwandlung kann nur durch einen Änderungsvertrag zwischen den Vertragsparteien erfolgen. Es steht dabei im Ermessen des VR, ob er sich auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Vertrages einlässt. Dazu mag es bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges kommen können, bei einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und einer Kündigung nach § 19 Abs. 3, §§ 24, 158 und § 28 Abs. 1 dürfte eine Bereitschaft des VR, den ursprünglichen

30 31 32

Bruck/Möller/Winter § 165 Rn. 31 ff. Bruck/Möller/Winter § 165 Rn. 45. VA 1909 161; RG 9.1.1917 RGZ 89 309; OLG Dresden 12.2.1915 VA 1915 Anh.

40–41; OLG Hamm 26.3.1934 VA 1934 215; OLG Hamm 26.10.1935 VA 1936 173f.; Bruck/Dörstling § 7 ALB Rn. 18.

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§ 166

Kapitel 5: Lebensversicherung

Vertrag wiederherzustellen, wenig wahrscheinlich sein. Wird eine Rückumwandlung vereinbart, so ist sie wie ein Neuabschluss zu behandeln, allerdings nur insoweit, wie die Versicherungsleistung wieder erhöht wird. Der VN hat beispielsweise das Widerrufsrecht nach § 8, ihm obliegt die vorvertragliche Anzeigepflicht, die Wartefrist für den Einschluss des Selbstmordrisikos beginnt erneut zu laufen, das gleiche gilt für das Einwilligungserfordernis nach § 150 Abs. 2. All diese Rechte und Pflichten des VN einschließlich der Ausschlüsse beziehen sich dabei nur auf das neue Risiko, das der VR zu Zeiten der Beitragsfreistellung nicht getragen hat und nunmehr wieder übernimmt.33 Eine Sondervorschrift zur Fortsetzung einer Lebensversicherung nach Ablauf der 24 Elternzeit, während der der Arbeitgeber nicht zur Entgeltzahlung verpflichtet ist, der Arbeitnehmer die Prämienzahlung jedoch übernehmen kann, stellt § 212 dar.34 Auf diese Weise sollen Arbeitnehmer – die in der Regel als Bezugsberechtigte eingesetzt sind – vor Nachteilen zumindest teilweise geschützt werden, wenn während der Elternzeit eine Lebensversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nach § 166 in eine beitragsfreie Versicherung umgewandelt wird, weil der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die Prämienzahlung zu übernehmen und der VR die Lebensversicherung wegen Zahlungsverzuges kündigt. Dem versicherten Arbeitnehmer soll auf diese Weise insbes. eine erneute Gesundheitsprüfung erspart bleiben. Er hat nach § 212 das Recht, innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten nach Beendigung der Elternzeit zu verlangen, dass die Lebensversicherung zu den früher vereinbarten Bedingungen, insbes. auch im vereinbarten Tarif, fortgeführt wird. Das Fortsetzungsverlangen des Arbeitnehmers ist – vergleichbar dem Umwandlungsverlangen nach § 165 – eine einseitige, empfangsbedürftige und rechtsgestaltende Willenserklärung, die Fortsetzung erfolgt unmittelbar mit dem Zugang des Schreibens des bezugsberechtigten Arbeitnehmers beim VR. Sie wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung der Elternzeit zurück35 und erst recht nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung. Die Vorschrift des § 212 gilt analog, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit zunächst die Prämien aus eigenen Mitteln zahlt, die Weiterzahlung sodann jedoch einzustellen hat und die Kündigung erfolgt.36 Der beitragsfreie Zeitraum führt zu einer Ermäßigung der Versicherungsleistung; will sich der Arbeitnehmer damit nicht zufrieden geben, so bedarf es auch insoweit einer einverständlichen Rückumwandlung, auf die der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat. In einem solchen Fall wären die Prämien für die Zwischenzeit nachzuentrichten, soweit nicht schon die Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 3 greift.

C. Informationspflicht des Versicherers gegenüber dem bezugsberechtigten Arbeitnehmer in der betrieblichen Altersvorsorge I. Verfassungsrechtlicher Hintergrund 25

Nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist die Befugnis auch des VN gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden. „Die Tatsache eines Verzugs der Zahlung vertraglich vereinbarter Versicherungsprämien rechnet grundsätzlich zum Be33

34

Dazu Bruck/Möller/Winter § 165 Rn. 48 ff.; vgl. auch OLG Oldenburg 28.4.2004 VersR 2004 1164, 1165. Vgl. die Kommentierung Bruck/Möller/ Winter zu § 212.

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35 36

Prölss/Martin/Klinke § 212 Rn. 6. Prölss/Martin/Reiff § 166 Rn. 9.

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Kündigung des Versicherers

§ 166

reich der durch das informationelle Selbstbestimmungsrecht geschützte Daten, weil daraus gegebenenfalls Rückschlüsse auf die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Zahlungsfähigkeit des VN gezogen werden können“.37 Will der VR Bezugsberechtigte, Pfandgläubiger usw. über einen Beitragsrückstand des VN unterrichten, so dass sie nach § 34 – damit ihr Versicherungsschutz weiterlaufen kann – die nicht erfolgte Prämienzahlung nachholen können, so bedarf es zuvor der Einwilligung bzw. der mutmaßlichen Einwilligung des VN. Dabei wäre das Recht des VN auf Selbstbestimmung verletzt, wenn der VR die Prämienrückstände des VN Dritten mitteilt, obwohl Anhaltspunkte bestehen, die gegen eine mutmaßliche Einwilligung des VN sprechen. Eine mutmaßliche Einwilligung setzt darüber hinaus grundsätzlich auch voraus, „dass der Betroffene nicht rechtzeitig einwilligen kann“.38 Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund ist eine Berechtigung oder sogar eine Verpflichtung des VR, Bezugsberechtigte usw. über einen Prämienrückstand des VN zu unterrichten, nach wie vor umstritten.39 Für die betriebliche Altersversorgung ist dabei 2002 entschieden worden, dass der 26 LebensVR verpflichtet ist, einen unwiderruflich bezugsberechtigten Arbeitnehmer bei einer durch den Prämienverzug des VN/Arbeitgebers gefährdeten Direktversicherung vor Erklärung der Kündigung zu unterrichten.40 „In einem solchen Fall ergeben sich aus dem Versicherungsvertrag besondere Schutz- und Obhutspflichten zugunsten des Arbeitnehmers, dem im Falle einer Kündigung wegen Prämienrückstandes erhebliche finanzielle Nachteile drohen. Solche Nachteile sind nach Sinn und Zweck einer durch Steuervergünstigungen staatlich geförderten Direktversicherung zur Altersversorgung nicht hinzunehmen. Dies liegt für den Versicherer auf der Hand, dem der soziale Zweck der Direktversicherung ebenso bekannt ist, wie der Umstand, dass die durch Prämienverzug bedingte Kündigung des Versicherungsvertrages mit erheblichen Nachteilen für den unwiderruflich Bezugsberechtigten verbunden ist“.41 Dieses Urteil ist durch den Reformgesetzgeber durch Neueinführung der Vorschrift des § 166 Abs. 4 bestätigt worden.

II. Ausgestaltung der betrieblichen Lebensversicherungen Der VR ist nunmehr verpflichtet, bei einer vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeit- 27 nehmer geschlossenen Lebensversicherung die Versicherten über die Bestimmung der Zahlungsfrist und die Umwandlung der Versicherung zuvor zu informieren. Die Benachrichtigung hat dabei die rückständigen Prämien, Zinsen und Kosten konkret und im Einzelnen zu beziffern. Da der VR dem versicherten Arbeitnehmer eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten gewähren muss, um die Prämienzahlung nachzuholen, bedeutet das, dass sich die Kündigungsfrist entsprechend verlängert. Das Gesetz unterscheidet nicht danach, ob es sich um unwiderruflich oder widerruf- 28 lich bezugsberechtigte Arbeitnehmer handelt, obwohl sich die Regelung des § 34 nur auf solche Bezugsberechtigte bezieht, die (wie der unwiderruflich Begünstigte oder wie der widerruflich Bezugsberechtigte nach Eintritt des Versicherungsfalles 42) ein Recht auf die Leistung des VR erworben haben. Wenn das Gesetz von versicherten Personen spricht, so

37 38 39 40

BVerfG 14.12.2001 VersR 2002 1405, 1406. BVerfG 14.12.2001 VersR 2002 1405, 1407. Vgl. dazu Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 150, 182 f. OLG Düsseldorf 17.12.2002 VersR 2003 627, 628.

41

42

OLG Düsseldorf 17.13.2002 VersR 2003 627, 628; zur Kritik an der Entscheidung insbes. Langohr-Plato VersR 2003 628 ff. Bruck/Möller/Beckmann § 34 Rn. 9.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

bezieht es sich damit auch auf Versicherte im Sinne einer Versicherung für fremde Rechnung, wie sie seit 2008 auch für die Lebensversicherung möglich ist.43 Als Lebensversicherungen im Sinne der Vorschrift kommen sämtliche Versicherungen 29 im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in Frage, also Versicherungen, die der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenabsicherung dienen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Direktversicherungen, Versicherungen zur Rückdeckung von Unterstützungskassenleistungen und Leistungen aus Pensionszusagen, Pensionskassenverträge sowie Pensionsfondsverträge handelt.44 In der Regel handelt es sich um kapitalbildende Versicherungen, in Betracht kommen aber auch Risikoversicherungen, nicht nur in Gestalt von Berufsunfähigkeitsversicherungen, soweit sie umwandlungsfähig sind. Die Erfüllung der Informationspflicht kann für den VR problematisch sein, wenn er 30 nicht über die Adressen der bei ihm Versicherten verfügt,45 zumal seit 2008 die schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers bei der Kollektivlebensversicherung nach § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz nicht mehr erforderlich ist.46 Der VR hat darauf zu achten, dass ihm die Anschriften seiner Versicherten von Seiten des Arbeitgebers/VN mitgeteilt werden.

D. Abdingbarkeit 31

Die Vorschrift des § 166 ist gemäß § 171 halbzwingend. Das gilt jedoch nicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung.47

§ 167 Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 der Zivilprozessordnung entspricht. Die Kosten der Umwandlung hat der Versicherungsnehmer zu tragen. Schrifttum Boewes/Bommermann Lohnpfändung und Lohnabtretung (1987); Boll Fragen der Zwangsvollstreckung und Schenkungsanfechtung bei Lebensversicherungsverträgen, Diss. Freiburg i.Br. (1981); Dieker/Remmert Der Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfandgläubigerschutzes, NZI 2009 708; Dietzel Pfändungsschutz von Berufsunfähigkeitsrenten Selbstständiger, Verbraucherschutz aktuell 2009 6; Elfring Das System der drittbezogenen Ansprüche bei der Lebensversicherung, NJW 2004 483; Engeländer Die Neuregelung des Rückkaufs durch das VVG 2008, VersR 2007 1297; Fenyves Ordentliche Kündigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch den Versicherer? In: Festschrift Willibald Posch (2011) 135; Flitsch Lebensversicherungsverträge und Altersvorsorge als Teil der Insolvenzmasse, ZVI 2007 161; Foerste/Ising Reform

43 44 45

Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 267 ff. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 166 Rn. 11. Dazu schon Langohr-Platow VersR 2003 628, 629.

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46 47

Prölss/Martin/Reiff § 166 Rn. 14. BTDrucks. 16/3945 S. 107.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

des Pfändungsschutzes für Selbständige – wirklich durchdacht?, ZRP 2005 129; von Gleichenstein Die Altersvorsorge Selbständiger in der Insolvenz, ZVI 2004 149-; Goebel Reform des Kontopfändungsschutzes, ZVI 2007 294; Graf-Schlicker/Linder Die Reform des Kontopfändungsschutzes – ein Gewinn für alle Beteiligten, ZIP 2009 989; Gutzeit Sicherungsabtretung von Ansprüchen aus Lebens- und Berufunfähigkeitsversicherungen, NJW 2010 1644; Hasse Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Dritter (1981); ders. Zur gesetzlichen Neuregelung der Zwangsvollstreckung in Kapitallebensversicherungen, VersR 2004 958; ders. Zwangsvollstreckung in Kapitallebensversicherungen, VersR 2005 15; ders. Zur gemischten Lebensversicherung zugunsten Dritter, VersR 2005 1176; ders. Lebensversicherung und erbrechtliche Ausgleichsansprüche, VersR-Schriften 32 (2005); ders. Zum Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts in der Insolvenzordnung, VersR 2006 145; ders. Änderungen für Altersvorsorgeverträge durch das Jahressteuergesetz 2007, VersR 2007 277; ders. Der neue Pfändungsschutz der Altersvorsorge und Hinterbliebenenabsicherung, VersR 2007 870; Hauß Lebensversicherungen im Versorgungs- und Zugewinnausgleich, FÜR 2007 190; Henning Anfechtbarkeit der Bildung einer nach § 851c ZPO geschützten Altersvorsorge, Verbraucherinsolvenz aktuell 2009 17; Herrmann Sicherungsabtretung und Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Versicherungsnehmer – Ein Vergleich der Verfügungen und ihrer Wirkungen (2003); Hoffmann Basis-Renten pfändbar oder nicht?, VW 2008 1458; Holzer Der Hinterbliebenenbegriff im Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge, ZVI 2007 113; ders. Das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge, DStR 2007 767; Jäger Der Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes (GNeuMoP) – ein Trojanisches Pferd? ZVI 2008 409; Kemperdick Altersvorsorge als strafbarer Bankrott? Stellt die Umwandlung einer Lebensversicherung kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei drohender Zwangsvollstreckung eine strafbare Beiseiteschaffung von Vermögenswerten dar? ZInsO 2009 2099; Kogel Die Einführung der §§ 851c ZPO, 173 VVG – teilweise ein gesetzgeberischer Fehlgriff? FamRZ 2007 870; Marotzke Die Anfechtbarkeit von Vollstreckungsmaßnahmen wegen Benachteiligung konkurrierender Gläubiger, ZInsO 2006 7; Müller Die Lebensversicherung in der Zwangsvollstreckung (2005); Neuhaus/Köther Pfändungsschutz bei umgewandelten Lebensversicherungen – Neue Vorschriften, neue Streitpunkte, ZfV 2009 248; Ponath Vermögensschutz durch Lebensversicherungen, ZEV 2006 242; ders. Pfändungsschutz in der Altersvorsorge unter Einbeziehung der „Riester“- und „Rürup“-Rente sowie sozialrechtlicher Anrechnungsschutz unter besonderer Berücksichtigung der Lebensversicherung, RV 2007 121; Roth Private Altersvorsorge: Betriebsrentenrecht und individuelle Vorsorge (2009); Schumacher Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes, ZVI 2007 455; Smid Pfändungsschutz bei Altersrenten, FPR 2007 443; Specker Der Anspruch des § 167 VVG auf Umwandlung einer Lebensversicherung in eine „pfändungsgeschützte“ Versicherung, VersR 2011 958; Stöber Das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge, NJW 2007 1242; Thomas Zur Pfändung von privaten Vorsorgeverträgen, VW 2008 1459; Uhlenbruck/Hirte/Vallender (Hrsg.) Insolvenzordnung, Kommentar, 13. Aufl. (2010) (zitiert: Uhlenbruck/Bearbeiter); Wimmer Das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge unter besonderer Berücksichtigung der Hinterbliebenenversorgung, ZinsO 2007 281; Winkel Altersvorsorge-Kapital bis zu 238.000 Euro kann unpfändbar sein, SozSich 2008 205; Wollmann Private Altersvorsorge und Gläubigerschutz (2010).

Übersicht Rn. A. I. II. III. B.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . Grenzen der Pfändbarkeit bei Lebensversicherungsleistungen . . . . . . . . I. Rentenzahlungen aus staatlich geförderten Altersvorsorgeverträgen (Riesterund Rürup-Verträge) . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen des Pfändungsschutzes . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 9 11

11 11 12

Rn. 3. Beschränkungen des Anspruchsinhalts . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonstige Rentenzahlungen . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . 3. Beschränkung des Anspruchsinhalts – Bedarfsgerechtigkeit . . . . . . . . a) § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO . . . . aa) Verrentungserfordernis . . . bb) Pfändungsgeschützte Rentenformen . . . . . . . . . . . . b) § 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO . . . .

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13 17 17 18 19 20 20 21 25

619

§ 167

III.

IV. C.

I.

II. III.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

c) § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO . . . . aa) Grundlegung . . . . . . . . bb) Drittbegünstigung von Hinterbliebenen . . . . . . . . . . cc) Pfändungsschutz gegenüber Gläubigern des Versicherungsnehmers bei der Hinterbliebenenabsicherung . . . . . . . dd) Verhältnis der Hinterbliebenenbegünstigung zum Verfügungsverbot nach § 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO . . . . . . d) § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO . . . . e) Unvererbbarkeit . . . . . . . . . 4. Pfändungsgeschützte Versicherungsleistungen und Vermögensbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Laufende Renten . . . . . . . . b) Künftig entstehende Rentenansprüche . . . . . . . . . . . . c) Pfändungsschutz beim Deckungskapital . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliches . . . . . . . bb) Voraussetzungen des Pfändungsschutzes . . . . . . . . 5. Zusammenrechnung von Versorgungsansprüchen . . . . . . . . . . 6. Kein Pfändungsschutz bei Kapitalleistungen . . . . . . . . . . . . . Pfändungsgrenzen bei nicht der Altersvorsorge dienenden Lebensversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unpfändbarkeit gemäß § 850 Abs. 3b ZPO . . . . . . . . . . . . 2. Bedingte Pfändbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO . . . . . 3. Pfändungsbeschränkung . . . . . . a) Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO . . . . . . . . . . . b) Kein Vollstreckungsschutz nach § 850i Abs. 1 ZPO . . . . . . . 4. Pfändungsschutz bei Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsschutz für Kapitalisierungsgeschäfte mit Vorsorgecharakter . Umwandlung bestehender Lebensversicherungen zur Erlangung eines Pfändungsschutzes . . . . . . . . . . . Gegenstand der Umwandlung . . . . . 1. Keine Beschränkung auf Altverträge 2. Lebensversicherungsverträge und Kapitalisierungsgeschäfte . . . . . . Versicherungsnehmer als Umwandlungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Umwandlung . . . 1. Umwandlungsfähiger Lebensversicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . 2. Keine Belastung mit Rechten Dritter 3. Gesundheitsprüfung und vorvertragliche Anzeigepflicht . . . . . . . . .

Rn.

Rn.

28 28

a) Umwandlung einer Erlebensfallkapitalversicherung in eine reine Erlebensfallrentenversicherung . 73 b) Umwandlung einer Todesfall- oder gemischten Kapitalversicherung in eine Erlebensfallrentenversicherung mit Hinterbliebenenabsicherung . 74 c) Umwandlung einer Rentenversicherung ohne Todesfallleistungen in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung ohne Todesfallleistungen nach § 851c ZPO . . . 75 d) Umwandlung von Rentenversicherungen mit Todesfallleistungen in eine Rentenversicherung mit Todesfallleistungen, die den Anforderungen des § 851c ZPO entspricht 76 IV. Umwandlungsverlangen . . . . . . . . 81 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . 81 2. Inhalt des Umwandlungsverlangens 82 3. Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens und Beginn des Pfändungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . 83 4. Form . . . . . . . . . . . . . . . . 85 V. Rechtsfolge des Umwandlungsverlangens 86 1. Versicherungen mit dem Eintritt des Erlebensfalles als Versicherungsfall . 87 a) Begriffliches . . . . . . . . . . . 87 b) Lebensversicherungsformen mit dem Erlebensfallrisiko . . . . . . 90 c) Todesfall als Auslöser einer Rentenversicherung für Hinterbliebene auf der Grundlage einer Erlebensfallversicherung . . . . . 91 2. Zweck der Alters- und Hinterbliebenenversorgung als Maßstab des Pfändungsschutzes . . . . . . . . . 92 a) Grundsatz und Grenzfälle . . . . 92 b) Überschussanteile und Versorgungszweck . . . . . . . . . . . 94 3. Teilweiser Pfändungsschutz bei nicht gänzlich der Alters- und Hinterbliebenenvorsorge dienenden Renten . . 95 4. Auswahl der Lebensversicherungsformen, die für eine Umwandlung in Frage kommen . . . . . . . . . . 98 5. Formen der Umwandlungsrentenversicherung unter Berücksichtigung des § 851c ZPO . . . . . . . . 99 a) Leibrentenversicherung . . . . . 99 aa) Rechtliche Qualifikation und Grundlagen . . . . . . . . . 99 bb) Sofort beginnende Leibrenten gegen Einmalprämie . . . . . 103 cc) Leibrentenversicherung mit aufgeschobenen Leibrenten . 104 dd) Leibrentenversicherung mit Beitragsrückgewähr und Rentengarantie bei einem vorzeitigen Tode der Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . 106

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38 39 40

41 41 42 43 43 44 49 51

52 52 53 58 58 59

60 63

65 65 66 67 68 69 69 70 73

Gerrit Winter

Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

Rn. (1) (2) (3) ee)

Grundatz . . . . . . . . . . Beitragsrückgewähr . . . . . Garantierte Rentenlaufzeit . . Leibrentenversicherung auf verbundene Leben . . . . . . (1) Versicherung einer Verbindungsrente . . . . . . . . . . (2) Versicherung einer Verbindungsrente mit zweiseitigem Rentenübergange . . . . . . (3) Versicherung einer Verbindungsrente mit einseitigem Rentenübergange . . . . . . ff) Überlebensleibrentenversicherung . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliches . . . . . . . (2) Einseitige Überlebensleibrentenversicherung . . . . . . (3) Wechselseitige oder zweiseitige Überlebensleibrentenversicherung . . . . . . . . . . . . . (4) Überlebensleibrentenversicherung in der Form einer Zusatzversicherung . . . . . . . . . (5) Praxis und § 851c ZPO . . . gg) Pensionsrentenversicherung . hh) Fondsgebundene Rentenversicherung . . . . . . . . . ii) Leibrentenversicherung mit Berechtigung zur Erhöhung der Rentenanwartschaft . . . (1) Grundsatz . . . . . . . . . . (2) Dynamische Versicherungsformen . . . . . . . . . . . . (3) Stetig steigende und stetig fallende Renten . . . . . . . (4) Aufstockungsversicherung . . (5) Leibrentenversicherung mit unbestimmter Verfallzeit . . . . . . . . . . . . . b) Zeitrentenversicherung . . . . . aa) Rechtliche Einordnung und Grundlagen . . . . . . . . . (1) Begriff der Zeitrente . . . . . (2) Versicherungsfall in der Zeitrentenversicherung . . . . . . (3) Rechnungsgrundlagen . . . . (4) Arten der Zeitrentenversicherung . . . . . . . . . . . . . bb) Zeitrentenversicherung auf den Erlebensfall . . . . . . . cc) Gemischte Zeitrentenversicherung . . . . . . . . . . . . . dd) Termfixzeitrentenversicherung . . . . . . . . . . . . . ee) Überlebenszeitrentenversicherung . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliches . . . . . . . (2) Überlebenszeitrentenversicherung mit gleich bleibender Versicherungsleistung . . . .

Rn.

106 107 111 115 117

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VI. VII. VIII. IX. D. E. I.

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(3) Überlebenszeitrentenversicherung mit fallender Versicherungsleistung . . . . . . . . ff) Kombinationen und sonstige Erscheinungsformen der Zeitrentenversicherung . . . . . . (1) Familienvorsorgeversicherung (2) Familienversicherung mit einer Termfixzeitrentenversicherung . . . . . . . . . . (3) Ausbildungs-, Studienfinanzierungs- und Aussteuerversicherung . . . . . . . . . . . . . (4) Zeitrentenversicherung als Beitragsrückgewähr . . . . . 6. Umtauschrentenversicherung . . . . a) Umtauschleibrentenversicherung aa) Rechtliche Einordnung . . . bb) Umtauschleibrentenversicherung mit sofortigem Rentenbeginn . . . . . . . . . . . . cc) Umtauschleibrentenversicherung mit Todesfallleistungen . dd) Umtauschleibrentenversicherung mit Aufschubzeit . . . . b) Umtauschzeitrentenversicherung Keine Anfechtung nach §§ 130 ff. InsO Keine Umwandlung nach Beginn der Vollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . Umfang des Pfändungsschutzes . . . . Kostentragung . . . . . . . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . Anhang: Riester- und Rürup-Verträge . Altersvorsorgeverträge nach dem AltZertG (Riester-Verträge in Gestalt einer klassischen Rentenversicherung, einer fondsgebundenen Rentenversicherung und von Kapitalisierungsgeschäften) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . 2. Zertifizierung . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Vergünstigungen, zulageberechtigte Personen . . . . . . . . 4. Altersvorsorgevertrag . . . . . . . 5. Geschlechtsunabhängige Prämiengestaltung . . . . . . . . . . . . . 6. Ansatz der Abschluss- und Vertriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kein ordentliches Kündigungsrecht des Versicherers, Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers . 8. Ruhen des Vertrages, Versichererwechsel, Verwendung für eine selbst genutzte Wohnung . . . . . . . . . 9. Besondere Informationspflichten des Versicherers . . . . . . . . . . . . 10. Leistungsberechtigte . . . . . . . . 11. Änderungen zertifizierter RiesterVerträge . . . . . . . . . . . . . . 12. Anwendbarkeit der Riester-Förderung . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung Rn.

II. Altersvorsorgeverträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG/Basisversorgung (Rürup-Verträge in Gestalt einer klassischen Rentenversicherung, einer Fondsgebundenen Rentenversicherung und von Kapitalisierungsgeschäften) . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . 2. Begünstigte . . . . . . . . . . . . .

Rn. 3. Sonderausgabenabzug . . . . . . 4. Zertifizierung . . . . . . . . . . . 5. Leistungen aus dem Rürup-RentenVertrag . . . . . . . . . . . . . . 6. Keine Kündigung durch den Versicherungsnehmer . . . . . . . . 7. Anwendbarkeit . . . . . . . . . .

203 203 205

. .

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.

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. .

214 216

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1

Vorgänger von § 167 ist die bisherige Vorschrift des § 173 VVG a.F. Diese Bestimmung wurde erst durch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26.3.2007 (AltvPfSchG) in das VVG aufgenommen1 und unverändert als § 167 in das VVG 2008 einbezogen. Mit dem AltvPfSchG wurde der Pfändungsschutz von Altersrenten deutlich erweitert. Vor allem das Existenzminimum von Selbstständigen ohne gesetzliche Rentenansprüche sollte gewährleistet werden und eine Gleichbehandlung der privaten Lebensversicherung mit den öffentlich-rechtlichen Rentenleistungen erfolgen, die schon zuvor in demselben Umfange wie Arbeitseinkommen vor Pfändung geschützt wurden.2 Das geschah, indem nunmehr nach § 851c ZPO Altersrenten aus privaten Versicherungsverträgen gleichfalls nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können, wenn die Voraussetzungen von Absatz 1 dieser Vorschrift gegeben sind. Um auch diejenigen am Pfändungsschutz zu beteiligen, deren private Versicherungsverträge die Voraussetzungen des § 851c ZPO – weil beispielsweise bei der privaten Rentenversicherung ein Kapitalwahlrecht besteht – nicht erfüllen, war die damalige Vorschrift des § 173 (nunmehr § 167) geschaffen worden, durch die dem VN auch bei schon bestehenden Verträgen ein Anspruch eingeräumt wird, von dem VR die Umwandlung der Versicherung in der Weise zu verlangen, dass sie den Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht.

II. Inhalt und Zweck der Regelung 2

Früher waren Vermögenswerte, die der Sicherung der Altersvorsorge dienen, bei der Einzelzwangsvollstreckung und bei der Insolvenz des Schuldners weithin dem Zugriff der Gläubiger ausgesetzt. Damit stellte sich für Selbstständige das Problem, am Ende ihres Lebens – obwohl sie für ihr Alter zunächst vorgesorgt hatten – auf von der Allgemeinheit finanzierte Transferleistungen angewiesen zu sein. Daher sollten zunächst insbes. die Lebens- und die private Rentenversicherung – soweit das noch nicht geschehen war – gegen einen „schrankenlosen Vollstreckungszugriff“ abgesichert werden, ohne dabei die Zugriffsrechte der Gläubiger über das erforderliche Maß hinaus zu beschneiden.3 Dabei hat sich der Gesetzgeber von der Entscheidung des BVerfG vom 29.5.19904 leiten lassen,

1 2 3

BGBl I 2007 368. Hasse VersR 2006 145, 146 ff. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur

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4

Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung, BTDrucks. 16/886S. 5 ff. BVerfG 29.5.1990 BverfGE 82 60, 85 f.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

wonach das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder bei der Besteuerung einer Familie steuerfrei bleiben muss. Das aber hat auch – übertragen – im Verhältnis des Schuldners zu seinen Gläubigern zu gelten, wobei allerdings auch die Belange des Gläubigers mit zu berücksichtigen sind. Mit dem AltvPfSchG sollte somit das Existenzminimum des Schuldners gesichert, der Staat von Sozialkosten entlastet, Arbeitnehmer und Selbstständige gleichbehandelt, für die Hinterbliebenenversorgung gleichfalls ein Vollstreckungsschutz geschaffen und die private Altersvorsorge als „dritte Säule“ gestärkt werden. Das zentrale Probleme der gesetzlichen Neuregelung ist die Frage, zu wessen Lasten das Existenzminimum des Schuldners gewährleistet werden soll – zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers (gegebenenfalls gleichfalls mit Familie) oder zu Lasten der Allgemeinheit über Sozialleistungen. Die durch das AltvPfSchG insbes. geschaffenen zwei neuen Vorschriften zum Pfändungsschutz bei der Altersvorsorge beziehen sich auf die private Rentenversicherung, soweit die in § 851c Abs. 1 ZPO niedergelegten Anforderungen an den Lebensversicherungsvertrag erfüllt werden, und zweitens auf die monatlichen Leistungen in Form einer lebenslangen Rente usw. im Rahmen eines Auszahlungsplans (z.B. auf der Grundlage eines Kapitalisierungsgeschäfts) nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AltZertG. Die Neuregelung ist in Zusammenhang mit dem 2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 zu sehen. Durch das (zurzeit erst geplante) Gesetz zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes wird die Regelung des § 851c ZPO – soweit absehbar – im Wesentlichen unverändert bleiben. Um auch solche VN, die schon seit längerem für eine private Lebensversicherung zur Sicherstellung der Altersversorgung und Hinterbliebenenabsicherung Beiträge gezahlt und eine Versicherungsform wie z.B. die gemischte Lebensversicherung gewählt haben, die die Voraussetzungen des § 851c ZPO nicht erfüllt haben, in den Genuss des neuen Pfändungsschutzes gelangen zu lassen, wurde die Vorschrift des § 167 geschaffen. Der VN hat nach dieser Bestimmung einen Anspruch gegen den VR, die Umwandlung der bestehenden Versicherung in eine Versicherung vorzunehmen, die den Anforderungen des § 851c ZPO entspricht.5 Diese Umwandlungsmöglichkeit ergänzt die Vorschrift des § 851c ZPO für die Lebensversicherung und ist nicht darauf beschränkt, nur die Umwandlung von Altverträgen zu ermöglichen. Sie bezieht sich ganz generell auf solche Verträge, bei denen dem VN eine Umwandlung mit der Folge des Pfändungsschutzes als ratsam erscheint. Insbesondere auch Selbstständigen – die in der Regel von gesetzlichen Altersrentensystemen nicht erfasst sind – wird damit die Möglichkeit geboten, durch eine Umwandlung die mit Hilfe der Lebensversicherung angesparten Vermögenswerte vor dem Zugriff von Gläubigern zu schützen. Die Vorschrift führt damit in der Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu einer Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern und Freiberuflern, die zumeist berufsständisch organisiert sind und über Versorgungseinrichtungen verfügen, bei denen die Renten entsprechend § 54 Abs. 4 SGB I einen Pfändungsschutz genießen, §§ 850 Abs. 1, 850a–850i ZPO. Ähnliches gilt nach § 850 Abs. 2, 3 ZPO für Renten aus der betrieblichen Altersversorgung und Altersvorsorgeverträgen wie Rürupund Riester-Verträgen. Da sich der Pfändungsschutz des § 851c ZPO nicht nur auf fällige und künftige, noch nicht fällige Renten und das bereits angesparte Deckungskapital bezieht, durfte nicht nur Pfändungsschutz gewährt, sondern musste geregelt werden, dass dem VN – soweit der

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BTDrucks. 16/886 S. 14.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Vorsorgeschutz reicht – die Möglichkeit genommen wird, von seinem in der Regel bestehenden jederzeitigen Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Das ist durch die Regelung des § 168 Abs. 3 geschehen, die in Zusammenhang mit der Umwandlung nach § 167 zu sehen ist. Nur wenn die Vermögenswerte, die dem Pfändungsschutz unterliegen, für die Altersvorsorge auch erhalten bleiben und nicht für andere Zwecke – wie der Kreditabsicherung – bestimmt werden, können Gläubigerrechte in diesem beträchtlichen Umfange eingeschränkt werden.6 Bei dem Spannungsfeld zwischen dem VN/Schuldner und dem Gläubiger, dessen den 7 Grundrechtsschutz nach Art. 14 GG genießende Zugriffsrechte durch den Pfändungsschutz begrenzt werden, bedarf es der sorgfältigen Abwägung. Der Pfändungsschutz ist nicht eingeführt worden, um das Risiko der Selbstständigkeit vom VN auf den Gläubiger zu übertragen. Da die Massezugehörigkeit eines Vermögenswerts nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO von ihrer Pfändbarkeit abhängig ist, wird die Problematik der § 851c ZPO, § 167 ein bedeutsamer Faktor im Insolvenzverfahren. Im Folgenden wird unter B der unübersichtlich gewordene Pfändungsschutz für die 8 Lebensversicherung dargestellt, unter C wird die Regelung des § 167 kommentiert. Unter D schließt sich eine Übersicht über die Riester- und Rürup-Verträge an.

III. Anwendbarkeit 9

Die Regelung des § 167 ist dem Grundsatze nach auf sämtliche Formen der Kapitallebens- und Rentenversicherung anwendbar. Das gilt ausnahmslos für kapitalbildende Lebensversicherungen, aber auch bei Risikolebensversicherungen kann die Vorschrift Anwendung finden.7 Zumal nach § 851c ZPO auch Kapitalisierungsgeschäfte Pfändungsschutz genießen, 10 fallen auch Kapitalisierungsgeschäfte unter die Vorschrift des § 167, und zwar in analoger Anwendung.

B. Grenzen der Pfändbarkeit bei Lebensversicherungsleistungen I. Rentenzahlungen aus staatlich geförderten Altersvorsorgeverträgen (Riester- und Rürup-Verträge) 1. Rechtsgrundlagen

11

Der Vollstreckungsschutz für staatlich geförderte Altersvorsorgeverträge ergibt sich aus § 851d ZPO. Darüber hinaus zählen die insoweit vollstreckungsgeschützten Verträge nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht zur Insolvenzmasse des Schuldners.

6

Ist ein Verwertungsverbot im Sinne von § 168 Abs. 3 vereinbart worden, ist aber eine Unpfändbarkeit nicht hergestellt worden, so bleibt die Versicherung dem Zugriff des Gläubigers bzw. des Insolvenzverwalters

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nicht entzogen, vgl. OLG Frankfurt 22.6.2011 VersR 2012 169, 170. Looschelders/Pohlmann/Krause § 167 Rn. 5; a.M. Prölss/Martin/Reiff § 167 Rn. 2.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

2. Voraussetzungen des Pfändungsschutzes Die Vorschrift des § 851d ZPO beinhaltet keine gesonderten Pfändungsschutzvoraus- 12 setzungen, Riester-Verträge müssen jedoch die Förderungskriterien des AltZertG, RürupVerträge die Förderungsbedingungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG erfüllen.8 Dasselbe gilt für Ratenzahlungen aus Auszahlungsplänen, auch aus Kapitalisierungsgeschäften. 3. Beschränkungen des Anspruchsinhalts Altersrentenzahlungen dürfen dabei nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres des VN beginnen, darüber hinaus können der Ehepartner und die Kinder des VN abgesichert werden. Die Hinterbliebenenvorsorge kann dabei mit Hilfe von Begünstigungen nach §§ 328 ff. BGB, 159 f. bei Leibrentenversicherungen oder auf dem Wege einer ZusatzHinterbliebenenversicherung nach §§ 43 ff. vorgenommen werden. Dabei wird in der Regel eine unwiderrufliche Anspruchszuwendung an die Hinterbliebenen vorgenommen, es kommt also zu einem sofortigen Anspruchserwerb der Hinterbliebenen, der beim Ehe-/ Lebenspartner durch den Tod des VN aufschiebend sowie durch das Vorversterben des Berechtigten auflösend bedingt und bei den Kindern durch die Überschreitung der Altersgrenzen beim Tod des VN auflösend bedingt ist.9 Hat sich der VN beim Hinterbliebenenschutz eine Abwahl-Option vorbehalten, so haben die Hinterbliebenen – ähnlich wie bei der widerruflichen Bezugsberechtigung – lediglich eine schwache Forderung. Sie ist nicht nur durch den Tod des VN und das Vorversterben des Hinterbliebenen, sondern auch durch die Ausübung des Optionsrechts des VN bedingt.10 Der Pfändungsschutz besteht dabei lediglich für monatliche Leistungen11 in Form einer lebenslangen Rente bei einem Altersvorsorgevertrag, der im Pfändungszeitpunkt die Voraussetzungen der steuerlichen Förderung erfüllt und bei dem die Leistungen auf steuerlich geförderten Beiträgen beruhen. Da Zeitrenten (wie eine Dienstunfähigkeitsbzw. Erwerbsminderungsrente) und Waisenrenten keine lebenslangen Renten darstellen, ist § 851d ZPO dem Wortlaut nach nicht anwendbar, die Vorschrift hat jedoch analoge Anwendung zu finden, soweit sie nicht unter sonstige Pfändungsschutznormen (wie §§ 850 Abs. 3b, 850b Abs. 1 ZPO) fallen.12 Eine analoge Anwendung rechtfertigt sich auch deswegen, weil Ratenzahlungen an Waisen aus Auszahlungsplänen dem Pfändungsschutz unterliegen. Der Pfändungsschutz bezieht sich nicht nur auf Riester-, sondern auch auf Rürup-Verträge, auch wenn die Formulierung des § 851d ZPO nur auf Riester-Verträge hinzuweisen scheint,13 auch bei Rürup-Verträgen sind Waisen- und sonstige Zeitrenten in den Pfändungsschutz mit einzubeziehen. Da die Renten „wie Arbeitseinkommen“ pfändbar sind, besteht ein nur eingeschränkter Pfändungsschutz, wie er sich aus §§ 850 Abs. 1, 850c, 850a ff., 850f, 850g ZPO ergibt.

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Zu Rürup-Verträgen OLG Köln 1.10.2010 VersR 2011 101 ff. (Reichweite des Kündigungsausschlusses). Hasse VersR 2007 870, 873. Hasse VersR 2007 870, 874. Sie gibt nicht mehr als eine ungesicherte Hoffnung auf den Erwerb eines künftigen Anspruchs wie bei der widerruflichen Bezugsberechtigung, die

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12 13

von BGH 27.4.2010 VersR 2010 1021 als rechtliches „Nullum“ bezeichnet wird. Dazu gehören auch Leistungen, bei denen bis zu 12 Monatsleistungen zu einer Auszahlung zusammengefasst werden (BTDrucks. 16/886 S. 10). A.M. Hasse VersR 2007 870, 875. Hasse VersR 2007 870, 875.

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II. Sonstige Rentenzahlungen 1. Rechtsgrundlagen

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Soweit es sich nicht um Riester- und Rüruprenten handelt, finden sich grundsätzlich keine Beschränkungen des Anspruchsinhalts und der Verfügungsbefugnis für den VN, so dass der Altersvorsorgezweck bei den Rentenversicherungen nicht ohne weiteres gesichert ist. Um einen Vollstreckungsschutz auf Altersvorsorgeversicherungen zu begrenzen, ergeben sich aus der für diese Fälle geschaffenen Vorschrift des § 851c Abs. 1 ZPO eine Reihe von Voraussetzungen, die kummulativ im Zeitpunkt der Pfändung gegeben sein müssen14, wenn die Versicherungsleistungen Pfändungsschutz genießen sollen. Er soll nur gegeben sein, wenn bei der Rentenversicherung eine „Bedarfsgerechtigkeit“ gewährleistet ist, ferner wird der Vollstreckungsschutz der Höhe nach wie bei Arbeitseinkommen beschränkt. Darüber hinaus regelt § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, dass die nach § 851c ZPO vollstreckungsgeschützten Ansprüche nicht zur Insolvenzmasse des Schuldners, also des VN oder seiner unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen gehören, denen eine Hinterbliebenenabsicherung vom VN zugedacht worden ist. 2. Persönlicher Anwendungsbereich

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Der Wortlaut des § 851c ZPO lässt keine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs wie z.B. auf Selbstständige oder nicht Berufstätige erkennen. Denn § 851c ZPO soll auch Anreize für die private Altersversorgung als „dritte Säule“ schaffen.15 Wenn das LG Bonn16 den Pfändungsschutz dabei nicht auf pensionsberechtigte Berufssoldaten anwenden will, die wie die Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit einer Absenkung der Altersbezüge rechnen müssen, so kann dem nicht gefolgt werden.17 Im Übrigen dient die Absicherung auch nicht ausschließlich dem Schutze des VN, sie erstreckt sich auch auf die Hinterbliebenen.18 3. Beschränkung des Anspruchsinhalts – Bedarfsgerechtigkeit a) § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO

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aa) Verrentungserfordernis. Leistungen aus der allgemeinen Lebensversicherung unterfallen dem Pfändungsschutz nur, wenn die Zahlungen des VR „in regelmäßigen Zeitabständen“ erfolgen. Damit wird berücksichtigt, dass der pfändungsgeschützte Versicherungsvertrag teilweise oder vollständig an die Stelle der gesetzlichen Rentenversicherung tritt und den laufenden Lebensunterhalt des Versicherten im Alter abdecken soll.19 In der Praxis werden in der Regel monatliche Renten gewährt. Allerdings ist das nicht zwingend, die „Regelmäßigkeit“ ist unabhängig von den zwischen den Leistungen liegenden

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15

BGH 25.11.2010 VersR 2011 1287, 1288. Enthält der Vertrag, aus dem sich die gepfändeten Ansprüche ergeben, jedoch Regelungen, die einen späteren Eintritt der Voraussetzungen gewährleisten, wirkt „der Pfändungsschatz ab diesem späteren Zeitpunkt.“ (BGH 25.11.2010 VersR 2011 287, 288) Neuhaus/Köther ZfV 2009 248.

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LG Bonn 3.4.2009 ZVI 2009 214 f. Wollmann 35 f., der darauf hinweist, dass der Gesetzgeber Beamte ausdrücklich als Förderberechtigte bei der Riesterrente aufgenommen hat. Begründung des Rechtsausschusses, BTDrucks. 16/3844 S. 12. Stöber NJW 2007 1242, 1244.

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Zeiträumen, sie müssen nur gleich groß sein. Da bei Kapitalleistungen – die nicht in den Pfändungsschutz nach § 851c ZPO mit einbezogen sind – die Gefahr besteht, dass sie in erheblichem Umfange für größere Anschaffungen oder sonstige Konsumzwecke verwandt werden20 und für den laufenden Lebensunterhalt nicht zur Verfügung stehen, dürfen die Zeitabstände zwischen den Rentenzahlungen nicht zu groß sein. Während auch eine jährliche Auszahlung einer zweckwidrigen Verwendung entgegenstehen könnte,21 spricht sich Wollmann22 für einen Gleichlauf mit der gesetzlichen Rente aus, regt aber eine Festlegung durch den Gesetzgeber an. Dem ist beizupflichten. Das Verrentungserfordernis gilt dabei auch für die Absicherung von Hinterbliebenen, 20 auch insoweit sollte sich der Pfändungsschutz an der gesetzlichen Rentenversicherung orientieren.23 bb) Pfändungsgeschützte Rentenformen. Soweit der Lebensversicherungsvertrag die Zahlung einer lebenslangen Altersrente nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres vorsieht, ist der Pfändungsschutz unproblematisch.24 Auch Waisenrenten sind von der Norm des § 851c Abs. 1 ZPO erfasst, obwohl sie in den seltensten Fällen lebenslang gewährt werden. In der Praxis werden Waisenrenten in aller Regel nur für einen begrenzten Zeitraum gewährt, in der Regel kann davon ausgegangen werden, dass ein Hinterbliebener, der die Berufsausbildung abgeschlossen hat, der Rente nicht mehr bedarf. Die Waisenrente ist keine Altersrente. Daher bietet es sich an, sich für die Dauer des Pfändungsschutzes an der Waisenrente des gesetzlich Versicherten gemäß § 48 SGB VI i.V.m. § 54 Abs. 4 SGB VI zu orientieren und sich über das Wort „lebenslang“ bei der Waisenrente hinwegzusetzen. Der gesetzgeberische Wille auch bei § 851c ZPO ging dahin, den Pfändungsschutz für die private Altersvorsorge dem der gesetzlichen Rentenversicherung anzupassen.25 Das wird bestätigt durch § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO, der von einem Schutz von Waisenrenten ausgeht und sich nur auf die allgemein übliche Form der Waisenrente beziehen kann. Ebenso fallen auch die Witwen- bzw. Witwerrenten als Hinterbliebenenrenten unter den Schutz des § 851c Abs. 1 ZPO, und zwar in ihrer Ausgestaltung als lebenslange Renten (Regelfall bei der privatversicherungsrechtlichen Witwenrente). Der Auffassung von Wollmann, der im Wege einer teleologischen Reduktion angesichts der Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz SGB VI den Schutz im Regelfall nur über höchsten zwei Jahre gewähren will, kann nicht beigepflichtet werden. Eine solche Verkürzung des Pfändungsschutzes hätte in § 851c ZPO zum Ausdruck gelangen müssen. Die Hinterbliebenenrenten genießen dabei Pfändungsschutz sowohl bei unwiderruflicher als auch bei widerruflicher Bezugsberechtigung für den Hinterbliebenen. Eine Differenzierung hätte in § 851c Abs. 1 ZPO gleichfalls zum Ausdruck gelangen müssen.

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b) § 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Um Pfändungsschutz zu genießen, muss der Lebensver- 25 sicherungsvertrag vorsehen, dass „über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf“. Da diese Vorschrift die den Pfändungsschutz rechtfertigende Altersvor-

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BFH 31.7.2007 VersR 2008 1279; Hasse VersR 2004 958, 962. Hasse VersR 2007 277, 283 Fn. 58. Wollmann 42. Hasse VersR 2007 870, 884. Wollmann ist darin zuzustimmen, dass eine

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Berufsunfähigkeitsrente den Schutz des § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO genießt, auch wenn sie vor dem 60. Lebensjahr gewährt wird, und mit einer Altersrente nach § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO kombiniert werden kann. Wollmann 56 f.

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sorgefunktion sicherstellen und einen Missbrauch durch den Schuldner verhindern soll, handelt es sich hierbei um einen dinglich wirkenden Verfügungsausschluss.26 Er kann auch durch einen unwiderruflichen Verzicht des VN auf Verfügungen über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag erklärt werden, bei einem solchen Verzicht handelt es sich um eine „lediglich empfangsbedürftige Willlenserklärung.“27 Mit dem allgemeinen Verfügungsverbot wird eine Abtretung, Verpfändung oder sonstige Übertragung nicht nur von den Rentenansprüchen, sondern auch von dem Anspruch auf den Rückkaufswert ausgeschlossen.28 Dabei ist der Verfügungsausschluss des Absatzes 1 Nr. 2 nicht unbeschränkt (wie es 26 der Wortlaut vermuten lässt), die Vorschrift ist insoweit einschränkend auszulegen, als er sich nur auf Ansprüche bezieht, die auch unter den Pfändungsschutz fallen.29 Das hat zur Folge, dass von dem Verfügungsverbot Rentenansprüche ausgeschlossen sind, die die Pfändungsfreigrenze überschreiten, die Grundbeträge des § 851c Abs. 2 Satz 1, 2 ZPO und die teilweise pfändungsgeschützten Beträge nach § 851c Abs. 2 Satz 3 ZPO beim Deckungskapital übersteigen.30 Darüber hinaus unterliegen in den Nachlass fallende Ansprüche für den Todesfall nicht dem Verfügungsausschluss. Denn muss eine Nachlasszugehörigkeit gewährleistet sein, ist eine Abtretbarkeit ohnehin ausgeschlossen. Dafür spricht auch Absatz 1 Nr. 3, wenn dort die Einräumung eines Bezugsrechts nur für Hinterbliebene zulässig ist, so ist sie für sonstige Dritte ausgeschlossen. Solche Todesfallleistungen dürfen nicht anderweitig als Sicherungsmittel auf Dritte – wie einen Zessionar – übertragen werden,31 sie sollen dem Zugriff der Nachlassgläubiger ausgesetzt bleiben. Die Gläubiger des VN können damit die die Pfändungsgrenzen übersteigenden Teile des Deckungskapitals und auch die in den Nachlass fallenden – durch den Tod des VN bedingten – Todesfallansprüche pfänden. Damit der VN den Lebensversicherungsvertrag nicht kündigen und die Rückvergü27 tung verlangen kann, kann das Kündigungsrecht nach § 168 Abs. 3 Satz 2 VVG aufgehoben werden, soweit die Versicherungsleistungen Pfändungsschutz genießen. Dabei kann das Kündigungsrecht des VN vollständig ausgeschlossen oder dahingehend begrenzt werden, dass Rechtsfolge einer Kündigung eine Beitragsfreistellung ist.32 Anderenfalls bestände die Gefahr, dass die Rückvergütung zweckentfremdet und nicht zur Altersvorsorge verwandt wird.33 c) § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO

28

aa) Grundlegung Der Lebensversicherungsvertrag unterliegt nur dem Pfändungsschutz nach § 851c ZPO, falls „die Bestimmung von Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigte ausgeschlossen ist“. Die Altersvorsorgefunktion eines Lebensversicherungsvertrages kann nicht gewahrt bleiben, wenn nicht nur eine Verfügung im Sinne der Nr. 2 (wie eine Abtretung), sondern auch die Einräumung einer Bezugsberechtigung – die im Übrigen auch als Verfügung zu sehen ist – grundsätzlich ausgeschlossen wird. Zu denken ist dabei an Bezugsberechtigungen bei einer Rentenversicherung, weniger an eine Todesfallbegünstigung, da der VN die Altersvorsorge nur benötigt, solange er lebt, aber nicht im Fall seines Todes. Die Einbeziehung einer Todesfallversiche-

26 27 28

Wollmann 59 f. OLG Stuttgart 15.12.2011 VersR 2012 1021, 1022. Hasse VersR 2007 870, 886; Langheid/ Wandt/Mönnich § 167 Rn 30.

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Wollmann 67. Hasse VersR 2007 870, 886; Wollmann 68. Wollmann 68. OLG Köln 1.10.2010 VersR 2011 102 f. Im Einzelnen § 168 Rn. 69 ff.

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rung in den Bezugsrechtsausschluss lässt sich allerdings damit begründen, dass bei einer widerruflichen oder unwiderruflichen Bezugsberechtigung der Nachlassgläubiger an die Lebensversicherungssumme nicht herankommt.34 Sie ist den Nachlassgläubigern entzogen, zu Lebzeiten des VN kann der Gläubiger bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung auf die Rückvergütung allerdings Zugriff nehmen. Mit dem Ausschluss einer Bezugsrechtseinräumung soll erreicht werden, dass die Gläubiger für den Fall, dass die Altersvorsorgefunktion durch den vorzeitigen Tod des VN entfällt, auf die Versicherung zugreifen können, nicht nur mit Blick auf die Rückvergütung, sondern auch hinsichtlich der Versicherungssumme. Überraschend ist allerdings, dass der Gesetzgeber bei § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO die klare versicherungstechnische Diktion (Einräumung einer Bezugsberechtigung) vermieden und unbestimmter und umfassender formuliert. Es ist zwar nicht notwendig, dass auch die Zession unter Nr. 3 gefasst wird,35 die weite Formulierung hat jedoch den Vorzug, auch die Lebensversicherung für fremde Rechnung, auch in Gestalt z.B. einer Zusatz-Hinterbliebenenversicherung nach §§ 43 ff. mit einzuschließen. Bei der Einräumung einer Bezugsberechtigung ist zwischen unwiderruflicher und wider- 29 ruflicher Begünstigung zu unterscheiden. Der Auffassung Wollmanns, der die widerrufliche Bezugsberechtigung im Wege der teleologischen Reduktion nicht als durch die Vorschrift des § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfasst sehen will, ist nicht zu folgen: Er berücksichtigt nicht genügend, dass die Versicherungssumme mit Erstarken der Anwartschaft mit dem Tode des VN dem Bezugsberechtigten zusteht und eine Anfechtung keineswegs im Regelfall möglich ist.36 Richtig ist allerdings die Auffassung Wollmanns, dass es des Ausschlusses im Sinne der Nr. 3 nicht bedarf, da diese Fälle schon unter Nr. 2 fallen und die Ausnahme für Hinterbliebene auch in die Bestimmung des § 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO hätte integriert werden können.37 bb) Drittbegünstigung von Hinterbliebenen. Der Ausschluss einer Bezugsrechtsverfü- 30 gung beim Pfändungsschutz erfährt in § 850c Abs. 1 Nr. 3 ZPO eine Ausnahme für die Einsetzung von Hinterbliebenen. Die Privilegierung auch der unterhalts- und versorgungsberechtigten Hinterbliebenen war in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung noch nicht enthalten, in der öffentlichen Anhörung am 27.9.2006 38 wurde die Einbeziehung der Hinterbliebenen jedoch fast allgemein gefordert39 und erwies sich als die wichtigste Änderung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens.40 Dem Hinterbliebenenbegriff des § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO unterfallen Ehegatten, Kin- 31 der und Pflegekinder,41 dabei gilt allerdings eine Einschränkung: Kinder und Pflegekinder müssen zum Zeitpunkt ihrer Begünstigung die Voraussetzungen des § 48 SGB VI erfüllen. Denn die Beschränkung des Gläubigerzugriffs lässt sich nur rechtfertigen, wenn insoweit ein Versorgungsbedürfnis gegeben ist. Zu den Hinterbliebenen gehört auch der

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Das übersieht offensichtlich Wollmann 90. Sie ist schon durch Nr. 2 ausgeschlossen. Wollmann 100, 101. Wollmann 101. Zu dem ungeklärten Verhältnis zwischen § 851c und § 850i ZPO in der Rentenbezugsphase vgl. Wollmann 118 ff. Der Pfändungsschutz der Lebensversicherung sollte allein durch §§ 851c, d ZPO gewährleistet werden, da nur auf diese Weise die Altersversorgung auch im Ansparvorgang Pfändungsschutz genießt.

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BTDrucks. 16/3844 S. 11. Insbes. auch von Hasse in: BTDrucks. 16/886, Pfändungsschutz der Altersvorsorge (Teil I), Zusammenstellung der Stellungnahmen, S. 12 ff., 21 ff. Wimmer ZInsO 2007 281, 282 f. Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 16/3844 S. 12.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

eingetragene Lebenspartner, denn nach § 11 Abs. 1 LPartG gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.42 Interessant ist die Auffassung von Wollmann, die Privilegierung – im Sinne einer Neuausrichtung des Familienrechts weg von der Ehe hin zum Kindeswohl 43 – künftig von der Entscheidung für Kinder abhängig zu machen.44 Nicht zu den Hinterbliebenen i.S.d. § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO gehören Lebensgefährten45 und Eltern,46 dasselbe gilt für Enkel und Geschwister, denn Enkel werden von ihren Eltern unterhalten und Geschwister sind gleichfalls nicht unterhalts- und versorgungsberechtigt. Waren sie allerdings in den Haushalt des verstorbenen VN aufgenommen und werden sie von ihm überwiegend unterhalten, so bestünde ein besonderes Schutzbedürfnis, das eine analoge Anwendung der Vorschrift als gerechtfertigt erscheinen lässt.47

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cc) Pfändungsschutz gegenüber Gläubigern des Versicherungsnehmers bei der Hinterbliebenenabsicherung. Die Hinterbliebenenabsicherung genießt Pfändungsschutz sowohl bei einer Zuwendung mittels unwiderruflicher als auch widerruflicher Bezugsberechtigung. Bei einer unwiderruflichen Begünstigung ist schon wegen des sofortigen – obzwar 33 durch den Tod des VN aufschiebend bedingten – Anspruchserwerbs der Hinterbliebenen ein unmittelbarer Zugriff der Gläubiger des VN auf die Hinterbliebenenrente nicht möglich.48 Der Argumentation von Prahl 49 kann nicht gefolgt werden: Prahl geht davon aus, dass das auch mit Blick auf eine Hinterbliebenenbegünstigung angesammelte Vermögen nicht (mehr) der Altersversorgung des VN diene und übersieht dabei, dass es zur Begünstigung der Hinterbliebenen nur beim Tode des VN kommt, im Erlebensfall erhält der VN die Rentenleistung selbst. Stirbt der VN vorzeitig, tritt an die Stelle der eigenen Altersvorsorge der Hinterbliebenenschutz, es handelt sich um eine geteilte Anspruchsberechtigung. Trotz des sofortigen – aber aufschiebend bedingten – Anspruchserwerbs durch den Hinterbliebenen dient das Vorsorgevermögen zunächst (bis zum Tode des VN) der Altersversorgung, die Altersvorsorgefunktion des Lebensversicherungsvertrages wird durch die Hinterbliebenenbegünstigung nicht beeinträchtigt. Bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung können die Gläubiger des VN im Wege 34 des unmittelbaren Zugriffs das Widerrufsrecht – zusammen mit den pfändbaren, künftigen Rentenansprüchen – pfänden und sich überweisen lassen, insoweit gelten jedoch die Vorschriften zum Pfändungsschutz. Ist der VN gestorben, so haben die Hinterbliebenen einen grundsätzlich unentziehbaren Anspruch auf die Hinterbliebenenrenten erworben, und ein unmittelbarer Zugriff der Gläubiger des VN auf die Hinterbliebenenrente ist nicht mehr möglich. Um bei der unwiderruflichen Anspruchszuwendung einen effektiven Pfändungsschutz 35 zu gewährleisten, muss – bis zur Höhe der pfändungsfreien Beträge – auch eine Gläubi-

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Ausführliche Auseinandersetzung bei Wollmann 131 ff. Grziwotz Anm. zu BVerfG 7.7.2009 FamRZ 2009 1982, 1983. Da in eingetragenen, in der Regel kinderlosen Lebenspartnerschaften beide Partner berufstätig sein dürften, bestehe – ebenso wenig wie in kinderlosen Ehen, bei denen beide Ehegatten berufstätig sind – kein vergleichbares Bedürfnis nach Pfändungsschutz

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wie bei Familien mit Kindern (Wollmann 142, 143). BGH 25.11.2010 VersR 2011 1287, 1288. Hasse VersR 2004 958, 961 hält den Pfändungsschutz bei Eltern zumindest für überlegenswert. Vgl. § 48 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI. Hasse VersR 2007 870, 887. Prahl RV 2007 121, 122.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

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ger- und Insolvenzanfechtung (§§ 4 AnfG, 134 InsO) ausgeschlossen sein; dabei ist es auch für den mittelbaren Zugriff der Gläubiger des VN dem Grundsatze nach unerheblich, ob die Zuwendung der Rentenansprüche sogleich beim Vertragsschluss oder später erfolgt. Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung kann es zunächst nicht zu einer Gläubi- 36 geranfechtung kommen, da der VN die Versicherung vor seinem Tode nicht definitiv als Hinterbliebenenversicherung ausgestaltet hat. Eine Gläubigeranfechtung wird erst mit dem Tode des VN möglich, dabei greift der Pfändungsschutz und darüber hinaus kann der Hinterbliebene die Anfechtung durch das Eintrittsrecht des § 170 abwenden. Den Eigengläubigern der Hinterbliebenen ist ein Zugriff auf die Hinterbliebenenrente 37 auch nur im Rahmen des § 851c Abs. 1 ZPO möglich.50 dd) Verhältnis der Hinterbliebenenbegünstigung zum Verfügungsverbot nach § 851c 38 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die Privilegierung der Hinterbliebenen gemäß § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist lex specialis gegenüber Nr. 2. Sie stellt auch eine Ausnahme vom Verfügungsverbot der Nr. 2 dar, denn sonst könnte eine widerrufliche Anspruchszuwendung von einem Pfändungsgläubiger des VN widerrufen werden.51 d) § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Nach dieser Vorschrift genießen Lebensversicherungs- 39 verträge nur Pfändungsschutz, wenn eine Kapitalleistung (auch nicht neben einer Rentenzahlung) nicht vereinbart worden ist, „ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall“. Diese Ausnahme beschränkt sich auf solche Konstellationen, in denen auch ein Bezugsrecht auf eine Kapitalleistung auch für Hinterbliebene völlig ausgeschlossen ist. Das Kapitalisierungsverbot gilt auch für Hinterbliebene. Mit der „Zahlung für den Todesfall“ ist allein eine in den Nachlass fallende Leistung gemeint, die Gläubiger können in den bedingten Todesfallanspruch vollstrecken, weil er in den Nachlass fällt und nicht an einen Hinterbliebenen geht. Die Befriedigungschance der Nachlassgläubiger ist damit gewahrt, sie ist in erster Linie bei VN ohne versorgungsbedürftige Hinterbliebene gegeben.52 e) Unvererbbarkeit. Eine Regelung zur Unvererbbarkeit der Versicherungsleistungen 40 enthält § 851c ZPO nicht. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Leibrentenansprüche grundsätzlich nicht vererbbar sind, weil sie mit dem Tode des Rentenberechtigten – also des VN oder seiner Hinterbliebenen – erlöschen. Kapitalansprüche, die nur nach Nr. 4 vereinbart werden dürfen, sind frei vererbbar, sie unterfallen jedoch nicht dem Pfändungsschutz.53 4. Pfändungsgeschützte Versicherungsleistungen und Vermögensbestandteile a) Laufende Renten. Unter den Pfändungsschutz des § 851c ZPO fallen in erster 41 Linie laufende Bezüge. Die näheren Pfändungsfreigrenzen ergeben sich, soweit noch keine spezielle gesetzliche Regelung geschaffen worden ist, aus § 850c Abs. 1–3 ZPO. Mit dem

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Zu allem Hasse VersR 2007 870, 887. Wollmann 154. Wollmann 159, 160. – Wird hinsichtlich einer Altersrente ein Kapitalwahlrecht gewährt, lässt das nach § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO den Pfändungsschutz auch hinsichtlich einer von der Altersrente gewährten Berufs-

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unfähigkeitsrente, die zusammen mit der Altersrente der Existenzsicherung dienen soll, entfallen (BGH 15.7.2010 VersR 2011 1252, 1254); zum Kapitalwahlrecht auch BGH 1.12.2011 VersR 2012 299, 300. Hasse VersR 2007 870, 886.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

Kontopfändungsschutz wird das Prinzip der Fortsetzung des Quellenpfändungsschutzes bei Gutschrift der geschützten Forderungen auf dem Konto eines Kreditinstituts umgesetzt.54

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b) Künftig entstehende Rentenansprüche. Der Pfändungsschutz des § 851c Abs. 1 ZPO bezieht sich grundsätzlich auch auf noch nicht fällige Rentenansprüche aus dem Versicherungsvertrag.55 Auch bei Renten nach dem SGB darf der Begriff „Ansprüche auf laufende Geldleistungen“ nicht mit auszahlungsreifen oder fälligen Leistungen gleichgesetzt werden.56 Würde § 851c Abs. 1 ZPO auf künftige Forderungen keine Anwendung finden, würde der Pfändungsschutz für die Altersversorgung des VN und seiner Hinterbliebenen leerlaufen, weil die Gläubiger noch nicht fällige Ansprüche vollständig pfänden können. c) Pfändungsschutz beim Deckungskapital

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aa) Grundsätzliches. Anders als bei der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung wird bei der privaten Rentenversicherung Kapital – das Deckungskapital – angesammelt, aus dem die später zu zahlenden Renten mit beglichen werden.57 Während früher bei einer noch nicht fälligen Lebensversicherung der Gläubiger sämtliche Rechte aus dem Versicherungsvertrag pfänden und sich überweisen lassen, die Versicherung kündigen und in die Rückvergütung vollstrecken konnte, ist nunmehr mit den Vorschriften der §§ 851c Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 168 Abs. 3 Satz 2, 167 ein Pfändungsschutz auch für das Deckungskapital geschaffen worden.58 Dabei bezieht sich der Pfändungsschutz auf das genannte Deckungskapital, nicht nur auf die nach der Umwandlung neu angesparten Teile des Kapitalstocks.59 Darüber hinaus regelt § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, dass die nach § 851c ZPO pfändungsgeschützten Ansprüche nicht in die Insolvenzmasse des Schuldners (also des VN oder seiner Hinterbliebenen) fallen.

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bb) Voraussetzungen des Pfändungsschutzes. Der Pfändungsschutz bezieht sich nur auf das Deckungskapitals eines Lebensversicherungsvertrages, bei dem die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO gegeben sind. Ferner sorgt § 168 Abs. 3 Satz 2 – i.V.m. § 851c ZPO – dafür, dass eine zweckwidrige Verwendung des für die Altersversorgung angesammelten Deckungskapitals nicht mehr möglich ist, indem das jederzeitige Kündigungsrecht des § 168 Abs. 1 bei Lebensversicherungen, die Pfändungsschutz genießen, ausgeschlossen wird. Der VN kann die Versicherung lediglich nach § 165 Abs. 1 in eine prämienfreie Versicherung umwandeln. Dadurch wird das für die Altersvorsorge vorgesehene Deckungskapital in den Pfändungsschutz mit einbezogen. Der Pfändungsschutz des Deckungskapitals erstreckt sich nur auf die Vertragslaufzeit 45 bis zum Eintritt des Versicherungsfalles, bei der Rentenversicherung also bis zum Eintritt des Erlebensfalles. Nach Eintritt des Versicherungsfalles kann eine Vertragskündigung nach § 168 nicht mehr vorgenommen und eine Auszahlung der Rückvergütung nicht verlangt werden, es gilt nunmehr § 851c ZPO mit dem Verrentungserfordernis und dem Kapitalisierungsverbot.60 54 55

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Schumacher ZVI 2009 313, 316. Vgl. BGH 21.11.2002 VersR 2004 220; vgl. auch BGH 10.10.2003 VersR 2005 426 m.w.N.; Wollmann 169 ff. Zu § 54 Abs. 4 SGB I BGH 21.11.2002 VersR 2004 220. Zum Begriff des Deckungskapitals § 169 Rn. 75 ff.

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OLG Stuttgart 15.12.2011, VersR 2012 1021, 1022. OLG Stuttgart 15.12.2011 VersR 2012 1021, 1022. Hasse VersR 2007 870, 888; ders. VersR 2006 145, 151 ff.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

Der Umfang des Pfändungsschutzes beim Deckungskapital ergibt sich aus § 851c 46 Abs. 2 ZPO, dabei ist bei der Ermittlung des pfändungsfreien Betrages nicht das Deckungskapital, sondern der Rückkaufswert als der Betrag zugrunde zu legen, der sich nach Vornahme der Abzüge ergibt, wie sie bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung vorzunehmen wären.61 Darüber hinaus sind bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrages die in § 851c Abs. 2 ZPO genannten, nach dem Lebensalter des VN sich richtenden Beträge zum Aufbau des Rückkaufswerts zu berücksichtigen. Nur insoweit genießt das Deckungskapital Pfändungsschutz. Übersteigt der Rückkaufswert die in § 851c Abs. 2 ZPO genannte Pfändungsschutz- 47 grenze, sind drei Zehntel des überschießenden Betrages unpfändbar, allerdings nur bis zum dreifachen Wert des in Absatz 2 Satz 1 genannten Betrages. Damit soll für den VN ein Anreiz geschaffen werden, einen Rückkaufswert anzusparen, der über den Betrag hinausgeht, der erforderlich ist, um die später pfändungsgeschützten Rentenzahlungen zu erbringen.62 Der Pfändungsschutz besteht auch mit Blick auf eine Hinterbliebenenabsicherung. Übersteigt der Rückkaufswert die Freigrenzen, können die Gläubiger des VN in den 48 nicht pfändungsgeschützten Teil der Versicherung vollstrecken. 5. Zusammenrechnung von Versorgungsansprüchen Verfügt der VN – als Folge auch des zunehmenden Arbeitgeberwechsels – über Ver- 49 sicherungsansprüche aus mehreren Verträgen, die dem Pfändungsschutz unterliegen können, müssen bei der Zusammenrechnung die Pfändungsfreigrenzen nach § 851c Abs. 1, 2 ZPO berücksichtigt werden. Ein weitergehender Pfändungsschutz würde gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen. In § 851c Abs. 3 ZPO wird dazu auf § 850e Nr. 2, 2a ZPO verwiesen; dabei ist davon auszugehen, dass sich der Verweis nicht nur auf laufende Geldleistungen, sondern auch auf die den laufenden Leistungen zugrunde liegenden Deckungskapitalien bezieht. Der Gesetzgeber hat das Deckungskapital in die Zusammenrechnung mit einbeziehen wollen.63 Ferner besteht Einigkeit darüber, dass dem Schuldner, der eine Reihe von Versorgungsansprüchen besitzt, insgesamt nur eine Absicherung in Höhe der Pfändungsfreigrenzen zugestanden werden kann. Nur wenn in § 851c Abs. 3 ZPO eine Rechtsfolgeverweisung gesehen wird, ergibt sich ein widerspruchsfreies Zusammenspiel der einzelnen Absätze der Vorschrift.64 Bei der Zusammenrechnung von Vorsorgeansprüchen sind unterschiedliche Konstella- 50 tionen denkbar: Es können nicht nur mehrere Rentenzahlungen oder mehrere Deckungskapitalien gegeben sein, es können die unterschiedlichsten Produkte vorkommen, darunter auch Forderungen aus noch nicht auszahlungsreifen Verträgen, die sich sehr unterschiedlich entwickeln können. Da die künftige Werthaltigkeit nicht mit ausreichender Sicherheit vorausgesagt werden kann, kommt es für die Bewertung auf den Zeitpunkt des Pfändungsversuchs an. Zu diesem Zeitpunkt muss eine pfändungsfreie Rente gesichert sein, in der Aufbauphase des Deckungskapitals kann dabei auch nur auf die vorsichtig angesetzte Garantieleistung abgestellt werden, eine künftige, erhoffte Überschussbeteiligung muss aus grundsätzlichen Erwägungen außer Betracht bleiben.65

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Hasse VersR 2007 870, 888. BTDrucks. 16/886 S. 10. BTDrucks. 16/886 S. 19, 16. Stöber NJW 2007 1242, 1245; Wollmann

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261 ff. m.w.N.; a.M. Hasse VersR 2007 870, 890. Zu allem ausführlich Wollmann 265 ff.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

6. Kein Pfändungsschutz bei Kapitalleistungen

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Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen genießen grundsätzlich keinen Pfändungsschutz. Bei Versicherungen, die gemäß § 851c ZPO nicht pfändbar sind, unterliegt der Rückkaufswert der Pfändung, soweit die Pfändungsfreigrenzen überschritten werden. Die Kapitalleistungen im Todesfall, die den Pfändungsschutz der Versicherung gemäß § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht beeinträchtigen, sind in den Nachlass fallende Leistungen, die den Nachlassgläubigern insoweit einen Zugriff ermöglichen. Sie genießen ebenso wenig einen Pfändungsschutz wie Leistungen aus Versicherungen, die nicht unter § 851c ZPO fallen, wobei unerheblich ist, ob es sich um Kapital- oder Rentenleistungen handelt. Von diesem Grundsatz finden sich nur wenige Ausnahmen:

III. Pfändungsgrenzen bei nicht der Altersvorsorge dienenden Lebensversicherungen 1. Unpfändbarkeit gemäß § 850 Abs. 3b ZPO

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Nach dieser Vorschrift sind Renten, die aufgrund von Versicherungsverträgen gewährt werden, unpfändbar, wenn der VN Arbeitnehmer ist, die Versicherungsverträge zur Versorgung des VN oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen eingegangen sind und die Rentenbeträge unterhalb der Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO liegen. Eine Ausnahme besteht nur für die Vollstreckung wegen privilegierter Unterhaltsforderungen, § 850d ZPO. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass ein Rentenversicherungsvertrag grundsätzlich der Versorgung des VN oder seiner Angehörigen dient (Ausnahme: z.B. eine Darlehns- und Hypothekentilgungsversicherung). Der Versorgung dient grundsätzlich auch die Rente aus einer Berufsunfähigkeits- bzw. Pflegerentenversicherung, wie sich bereits aus dem Anlass der Rentenzahlung ergibt. Soweit die Renten unpfändbar sind, sind sie auch nicht abtretbar oder verpfändbar, §§ 400, 1274 Abs. 2 BGB. Voraussetzung für die Unpfändbarkeit ist die Zahlung einer Rente, die ein Ruhe- oder Hinterbliebenengeld ersetzt; eine Kapitalversicherung ist nach dieser Vorschrift nicht unpfändbar.66 2. Bedingte Pfändbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO

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Nach dieser Vorschrift sind Ansprüche aus Lebensversicherungen, die jemand nur auf den Todesfall des VN und mit einer Versicherungssumme nicht über dem in Nr. 4 genannten Betrag abgeschlossen hat, wie Arbeitseinkommen – also nur hinsichtlich des die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO übersteigenden Betrages – pfändbar, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners fruchtlos gewesen oder aussichtslos ist und die Pfändung nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht; der Versicherungsvertrag muss zur Versorgung des VN oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen eingegangen sein.67 Unpfändbar sind dabei der Anspruch auf

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Auch der Pfändungsschutz für sog. Handwerker-Lebensversicherungen (vgl. dazu Bruck/Möller/Winter 8 Anm. H 247) bleibt unberührt. Er hat jedoch keine praktische Bedeutung mehr. Vgl. insoweit § 850c ZPO; dazu ausführlich

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BGH 12.12.2007 VersR 2007 1376, 1377; Kellner VersR 1979 117 und das Gutachten des Bundesministers der Justiz vom 31.7.1954 betreffend die Unpfändbarkeit von Ansprüchen aus Todesfallversicherungen gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO in VA 1954 154 f.;

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

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die Versicherungssumme, aber auch der Anspruch auf den Rückkaufswert bzw. die Überschussbeteiligung.68 Der Vertrag ist nicht (mehr) zur Versorgung des VN oder seiner Angehörigen abgeschlossen, wenn der VN die Bezugsberechtigung zugunsten seiner Ehefrau widerrufen hat und die Versicherung zur Kreditsicherung verwandt hat.69 Der Pfändungsschutz wirkt dabei sowohl zugunsten des VN als auch zugunsten eines Bezugsberechtigten, auch wenn es sich bei dem begünstigten Dritten nicht um einen Angehörigen des VN handelt.70 Hat ein Schuldner mehrere Sterbegeldversicherungen mit Versicherungssummen unter dem Grenzbetrag abgeschlossen, so werden die Versicherungssummen nicht zusammengerechnet.71 Die Vorschrift des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO findet keine Anwendung auf die gemischte Lebensversicherung, und sie hat auch bei der der Versorgung der Angehörigen dienenden Todesfallversicherung mit in der Regel wesentlich höheren Versicherungssummen keine Bedeutung.72 Sie dient vielmehr im Wesentlichen der Sicherstellung der Bestattungskosten.73 Die Pfändungsschutzbestimmungen der Rentenversicherungsgesetze sind in der privaten Rentenversicherung nicht entsprechend anwendbar.74 Die Rente aus einer Berufsunfähigkeits- oder Pflegerentenversicherung kann im Übrigen auch unter § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO fallen.

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3. Pfändungsbeschränkung a) Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO. Nach der allgemeinen Vorschrift des 58 § 765a ZPO genießt der Schuldner nur in Extremfällen Schutz: Auf Antrag des Schuldners sind Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben, „wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.“75 b) Kein Vollstreckungsschutz nach § 850i Abs. 1 ZPO. Für die Kapitallebensversiche- 59 rung ergibt sich nach dem Vorschlag von Sieg 76 ein weiterer Vollstreckungsschutz aus § 850i Abs. 1 ZPO. Zwar ist hier die Kapitallebensversicherung nicht erwähnt, die Vorschrift bestimmt vielmehr, dass bei der Pfändung einer nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung für persönlich geleistete Arbeit oder Dienste dem Schuldner auf Antrag so viel zu belassen ist, wie er während eines angemessenen Zeitraums für seinen notwendigen

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ferner LG Kiel 19.11.1970 VersR 1971 617; LG Koblenz 18.10.1968 VersR 1969 790; LG Mainz 5.11.1971 VersR 1972 142f.; AG Kiel 1.10.1970 VersR 1971 617. OLG Düsseldorf 17.11.1960, davon geht offensichtlich auch BGH 12.12.2007 VersR 2007 1376 aus. OLG Frankfurt 22.2.1995 VersR 1996 614. Hasse S. 194; ebenso Prölss/Martin/Prölss § 17 Rn. 5; zum Pfändungsschutz bei Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen vgl. Bruck/Möller/K. Johannsen § 17 Rn. 9. A.M. AG Kirchheimbolanden 16.6.1970 VersR 1970 897.

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BGH 3.7.1961 BGHZ 35 263; vgl. auch AG Kiel 1.10.1970 VersR 1971 617; LG Kiel 19.11.1970 VersR 1971 617. Hasse 194; Sieg, FS Klingmüller, 450. VG Arnsberg 23.5.1969 VersR 1969 920 f. Hasse 194; zu der Entscheidung AG Lemgo 17.1.2007 und das Verhältnis der Vorschrift zu §§ 851c, 851d ZPO vgl. Hasse VersR 2007 870, 887, Fn. 172, 891. Sieg FS Klingmüller, S. 448–450, 452–453 und 454.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Unterhalt bedarf. Der Argumentation, dass § 850i Abs. 1 ZPO eine dem § 850 Abs. 3b ZPO entsprechende Vorschrift gerade nicht enthalte und deshalb auf die Kapitallebensversicherung nicht anwendbar sei,77 kann nicht beigepflichtet werden. Nach Sieg 78 ist § 851i Abs. 1 ZPO seinem Schutzzweck entsprechend – Sicherstellung des Unterhalts und der Versorgung – auch auf die Kapitallebensversicherung anzuwenden, zumal § 850 Abs. 3b ZPO nicht zwischen reinen Renten- und verrenteten Kapitalforderungen unterscheidet. Allerdings soll der Pfändungsschutz nur für den Anspruch auf die Versicherungssumme und nicht auch für die vorzeitig geleistete Rückvergütung gelten, denn bei der Auszahlung der Rückvergütung aufgrund eines Rückkaufs der Versicherung sei das Versorgungsziel der Versicherung noch nicht erreicht, der Schutzzweck des § 850i Abs. 1 ZPO ist noch nicht berührt.79 Sieg hatte damit die Notwendigkeit eines Vollstreckungsschutzes schon früh erkannt, wenn durch einen Lebensversicherungsvertrag Unterhalt und Versorgung sichergestellt werden sollen. Nach Schaffung der §§ 851c, 851d ZPO, § 168 ist das Bedürfnis nach einem Schutz gemäß § 850i Abs. 1 ZPO jedoch entfallen, der von Sieg beabsichtigte Pfändungsschutz bei einer Kapitallebensversicherung würde dem nunmehr bestehenden System des Pfändungsschutzes bei Versorgungsverträgen nicht mehr entsprechen. 4. Pfändungsschutz bei Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung

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Hat der VN bei einer Kapitallebensversicherung oder einer Rentenversicherung, die die Voraussetzungen des § 851c ZPO nicht erfüllen, einen unwiderruflich Bezugsberechtigten eingesetzt, so besteht für den Gläubiger des VN – vorbehaltlich einer etwaigen Gläubiger- und Insolvenzanfechtung – keine Möglichkeit, in die Lebensversicherung zu vollstrecken. Denn der Versicherungsanspruch gehört angesichts des sofortigen Rechtserwerbs durch den Bezugsberechtigten nicht mehr zum Vermögen des Schuldners; vollstrecken kann allein der Eigengläubiger des Bezugsberechtigten.80 Die Umwandlung einer Lebensversicherung zur Erlangung des Pfändungsschutzes vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach §§ 129 ff. InsO nicht anfechtbar.81 Bei der üblichen gemischten Lebensversicherung – bei der für den Todesfall eine un61 widerrufliche Bezugsberechtigung gegeben ist, für den Erlebensfall jedoch kein Bezugsrecht verfügt worden ist – können die Gläubiger nur bei Eintritt des Erlebensfalles, die Eigengläubiger des Bezugsberechtigten nur bei Eintritt des Todesfalles in den Versicherungsanspruch vollstrecken.82 Hat der VN bei einer Todesfallversicherung einen widerruflich Bezugsberechtigten 62 eingesetzt, so ist der Versicherungsanspruch den Gläubigern des VN mit dem Eintritt des Todes gleichfalls entzogen, der Anspruch gehört nunmehr zum Vermögen des Bezugsberechtigten. Dem Gläubiger des VN verbleibt nur die Möglichkeit einer Gläubiger- oder Insolvenzanfechtung.

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Hasse 195–196 m.w.N. Sieg FS Klingmüller, 448–450, 452–453 und 454; a.M. Hasse VersR 2007 870, 882. Sieg FS Klingmüller, 448–450, 452–453 und 454.

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OLG Stuttgart 15.12.2011 VersR 2012 1021. OLG Stuttgart 15.12.2011 VersR 2012 1121, 1122. Dazu Hasse VersR 2007 870, 891, 892.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

IV. Vollstreckungsschutz für Kapitalisierungsgeschäfte mit Vorsorgecharakter Der neue Vollstreckungsschutz des § 851c ZPO gilt nicht nur für Lebensversiche- 63 rungsverträge, sondern auch für sonstige Verträge, die Ansprüche auf Leistungen in vergleichbarer Weise wie Rentenversicherungen und unter den dort genannten Voraussetzungen gewähren. Dazu können Kapitalisierungsgeschäfte und sonstige Auszahlungspläne – Banksparverträge, Fondssparpläne – gehören, die nicht nach dem AltZertG zertifiziert sind oder die Förderungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG nicht erfüllen. Auch bei diesen Verträgen – insbes. auch bei den Kapitalisierungsgeschäften – bietet 64 sich eine analoge Anwendung der §§ 167, 168 Abs. 3 Satz 2 an.83

C. Umwandlung bestehender Lebensversicherungen zur Erlangung eines Pfändungsschutzes I. Gegenstand der Umwandlung Nach § 167 Satz 1 hat der VN gegenüber dem VR ein Recht auf Umwandlung einer 65 Lebensversicherung in der Weise, dass sie künftig die Voraussetzungen des § 851c ZPO erfüllt und ihr damit Pfändungsschutz zuteil wird. Die Umwandlung kann durch eine insolvenzrechtliche Anfechtung nicht aufgehoben werden, die Anfechtungstatbestände der §§ 130, 131 InsO greifen ebenso wenig wie die Tatbestände des § 134 InsO und der §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO.84 Dasselbe gilt für die Gläubigeranfechtung im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung. 1. Keine Beschränkung auf Altverträge Die Vorschrift ist dabei nicht auf Altverträge zu begrenzen. Zwar spricht die Begrün- 66 dung zu § 167 von „bestehenden Verträgen“,85 daraus allein kann auf eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Bestimmung jedoch nicht geschlossen werden. Der Wortlaut der Norm ist wesentlich weiter und lässt keinen Anhalt dafür erkennen, dass die Umwandlungsmöglichkeit auf Altverträge zu beschränken ist. Der VN kann „jederzeit“ wählen, wozu er den Lebensversicherungsvertrag verwenden möchte und kann jederzeit aus pfändbaren Versicherungsansprüchen unpfändbare machen. Zu recht wird davor gewarnt, beim Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages sogleich einen pfändungsgeschützten Vertrag zu wählen, denn eine pfändungsgeschützte Lebensversicherung scheidet als Beleihungsobjekt aus.86 Andererseits führt die Verwendung einer Lebensversicherung als Sicherungsmittel zumindest teilweise dazu, dass der Vertrag für eine Altersversorgung nicht mehr zur Verfügung steht. Denn um eine Umwandlung vornehmen zu können, müsste der VN dem Sicherungsnehmer eine anderweitige Absicherung – beispielsweise durch den Abschluss einer Risikoversicherung – anbieten, sofern er die Mittel für die Beitragsentrichtung aufbringen kann. Andererseits muss die Endgültigkeit der Vorsorgefunktion erst bei drohender Pfändung feststehen. Der VN ist also darin frei, wann er von einer Umwandlung Gebrauch macht.

83 84

Vgl. Hasse VersR 2007 870, 892. Ausdrücklich dazu OLG Stuttgart 15.12.2011 VersR 2012 1021, 1023.

85 86

BTDrucks. 16/886 S. 14. Winkler SozSich 2008 205, 208.

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2. Lebensversicherungsverträge und Kapitalisierungsgeschäfte

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Die Umwandlung kann sich auf Lebensversicherungsverträge jeder Art beziehen. In Frage kommen grundsätzlich aber nur kapitalbildende Lebensversicherungsverträge, denn sie müssen der Altersvorsorge dienen. Dabei ist unerheblich, ob es sich um Rentenoder Kapitalversicherungsverträge handelt. Die Lebensversicherungsverträge, deren Umwandlung Gegenstand des § 167 Satz 1 ist, zeichnen sich dadurch aus, dass die Voraussetzungen für einen Pfändungsschutz nach § 851c ZPO gänzlich oder teilweise zunächst nicht gegeben sind. Zutreffend weist Krause darauf hin, dass eine Risikolebensversicherung in eine Rentenversicherung mit Pfändungsschutz umgewandelt werden kann.87 Das typische Beispiel ist eine Risikotodesfallversicherung, deren Beitragshöhe relativ niedrig ist und die nach dem Versicherungsfall in eine Witwenrentenversicherung umgewandelt wird. Das kann beispielsweise in der Weise geschehen, dass die Risikolebensversicherung in eine kapitalbildende Lebensversicherung unter Wahrung der Voraussetzungen des § 851c ZPO umgewandelt wird, es kann jedoch auch eine Risikorentenversicherung nach Eintritt des Erlebensfalles in eine Versicherung i.S.d. § 851c ZPO umgewandelt werden, so dass der VN – angesichts unvorhergesehener finanzieller Schwierigkeiten – nunmehr Pfändungsschutz genießen kann. Hat der VN ein Kapitalisierungsgeschäft mit dem VR vereinbart, so kann § 167 analoge Anwendung finden.

II. Versicherungsnehmer als Umwandlungsberechtigter 68

Nur der VN kann die Umwandlung verlangen, der Bezugsberechtigte kann eine solche Erklärung nicht abgeben, auch nicht der unwiderrufliche Bezugsberechtigte. Sind mehrere VN an dem Lebensversicherungsvertrag beteiligt, müssen sämtliche VN bis auf einen aus dem Vertrag ausscheiden, damit der verbliebene VN die Umwandlung durchführen kann.88 Der VN muss im Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens mit Blick auf den Lebensversicherungsvertrag verfügungsbefugt sein.

III. Voraussetzungen der Umwandlung 1. Umwandlungsfähiger Lebensversicherungsvertrag

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Ein umwandlungsfähiger Vertrag muss so ausgestaltet sein, dass er in einen Lebensversicherungsvertrag umgewandelt werden kann, der die Voraussetzungen eines pfändungsgeschützten Lebensversicherungsvertrages i.S.d. § 851c ZPO aufweist. Dazu bedarf es eines ungekündigten Lebensversicherungsvertrages, der auf das Leben des VN – und nicht auf das Leben eines Dritten – läuft, dessen Laufzeit nicht begrenzt oder verlängerbar ist und bei dem die Versicherungsleistungen erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. bei Berufsunfähigkeit erbracht werden. Der Vertrag muss so umgestaltet werden können, dass er der Altersvorsorge dienen kann. Es muss sich um einen kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag oder einen Vertrag handeln, bei dem ein Deckungskapital – gebildet beispielsweise durch Zahlung einer Einmalprämie – zur Auszahlung einer Rente zur Verfügung steht. Soweit die Erfüllung der Voraussetzungen eines pfändungsgeschütz-

87 88

Looschelders/Pohlmann/Krause § 167 Rn. 5. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 167 Rn. 3.

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ten Vertrages in Zusammenhang mit der Umwandlung geschaffen werden können, brauchen sie zum Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens nicht vorzuliegen. Soweit es zur Umwandlung des bestehenden Vertrages in eine pfändungsgeschützte Lebensversicherung der Zustimmung Drittbeteiligter bedarf, haben sie vorzuliegen, wenn das Umwandlungsverlangen erklärt wird.89 2. Keine Belastung mit Rechten Dritter Die Verfügungsbefugnis des VN ist nicht gegeben, wenn der Umwandlung Rechte 70 Dritter entgegenstehen.90 Dazu gehören insbes. die Rechte des Zessionars bei der häufig anzutreffenden Sicherungszession, wenn der VN die Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an den Kreditgeber abgetreten hat, um beispielsweise die Forderungen aus einem Baudarlehn abzusichern. Bei einer Sicherungszession sind dem VN im Übrigen auch solche Verfügungen untersagt, die dem Sicherungszweck entgegenstehen wie beispielsweise die Umwandlung der Versicherung in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung. Entgegenstehende Rechte eines Dritten finden sich aber auch bei der Vollabtretung, beim Verkauf der Lebensversicherung auf dem Zweitmarkt an einen Investor, bei einer Verpfändung und bei einer Pfändung. Nicht zulässig ist vor allem aber auch grundsätzlich die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts, während die Verfügung eines widerruflichen Bezugsrechts unerheblich ist, solange es widerrufbar und nicht durch den Eintritt des Versicherungsfalles zu einem Vollrecht erstarkt ist. Eine Ausnahme scheint bei der Einsetzung eines Hinterbliebenen als unwiderruflich 71 Bezugsberechtigter gegeben zu sein, weil eine derartige Verfügung auch bei einer pfändungsgeschützten Lebensversicherung zulässig ist, § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Hier ist jedoch zu bedenken, dass der unwiderruflich Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung bereits erworben hat, und zwar in der Ausgestaltung, wie sie dem abgeschlossenen Vertrage zugrunde gelegen hat. Soll der Vertrag eine Änderung erfahren (wie z.B. bei der Umwandlung einer Kapitalleistung in Rentenleistungen), so bedarf es dazu der Zustimmung des Bezugsberechtigten. Steht das Recht eines Dritten der Umwandlung entgegen, so kann der VN versuchen, 72 die Einwilligung des Dritten zur Aufhebung des Rechts bzw. zur Umwandlung zu erlangen, und zwar bevor die Umwandlung verlangt wird. Dass ein Sicherungszessionar vor Rückführung des Darlehens der Aufhebung der Absicherung oder der beabsichtigten Umwandlung zustimmt, dürfte allerdings sehr fraglich sein.91 3. Gesundheitsprüfung und vorvertragliche Anzeigepflicht a) Umwandlung einer Erlebensfallkapitalversicherung in eine reine Erlebensfallrenten- 73 versicherung. Soll eine Erlebensfallkapitalversicherung in eine Rentenversicherung nach § 851c ZPO umgewandelt werden, um auf diese Weise die zunächst als Kapitalversicherung abgeschlossene Lebensversicherung dem Pfändungsschutz zu unterstellen, spielt eine Gesundheitsprüfung keine Rolle. Denn bei der Erlebensfallkapitalversicherung muss der VR leisten, wenn der VN den im Voraus bestimmten Zeitpunkt, den Erlebensfall, erlebt. 89

90

Zum Kündigungsausschluss bzw. der Begrenzung der Rechtsfolgen einer Kündigung (Beitragsfreistellung) vgl. OLG Köln 1.10.2010 VersR 2011 101 ff. (Rürup-Vertrag). BTDrucks. 16/886 S. 14.

91

Was Wollmann 287 meint, wenn allein eine Zustimmung des Dritten erforderlich sein soll, um einen Pfändungsschutz zu ermöglichen, bleibt unklar.

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Auf diesen Zeitpunkt hin stellt der VR seine Beitragsberechnung ab. Das Risiko für den VR besteht darin, dass er überhaupt irgendwann die Versicherungsleistung erbringen muss, ohne dass er die Versicherungssumme aus von dem VN zu zahlenden Beiträgen abdecken kann. Mithin ist die dieser Lebensversicherungsart innewohnende Ungewissheit im Erlebensfalle beseitigt, der Erlebensfall ist der Versicherungsfall. Für den VR kann es daher nur günstig sein, wenn der VN vorzeitig verstirbt, da er dann seinerseits die Versicherungsleistung nicht mehr zu erbringen hat, u.U. aber alle gezahlten Beiträge behalten kann. Stellt der VN daher bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht seine gesundheitlichen Verhältnisse zu gut dar, so schließt der VR bei der Risikoeinschätzung auf eine hohe Lebenserwartung und stuft die Wahrscheinlichkeit des Versicherungsfalles hoch ein, u.U. bedeutet dies für den VN eine höhere Beitragsbelastung als es der wahren Lebenserwartung des VN angemessen ist. Eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht könnte bei der reinen Erlebensfallversicherung nur darin liegen, dass der VN seinen Gesundheitszustand schlechter darstellt, als es der Wirklichkeit entspricht, und dadurch den VR veranlasst, das Risiko für ihn zu günstig einzustufen. Wird der Vertrag in eine Rentenversicherung umgewandelt, bedarf es keiner Gesundheitsprüfung, die Rentenversicherungsbedingungen sehen auch keine Gesundheitsprüfung bzw. vorvertragliche Anzeigepflicht vor.

74

b) Umwandlung einer Todesfall- oder gemischten Kapitalversicherung in eine Erlebensfallrentenversicherung mit Hinterbliebenenabsicherung. Beim Abschluss einer solchen Versicherung mit Todesfallleistungen spielt die Gesundheitsprüfung und damit die vorvertragliche Anzeigepflicht eine erhebliche Rolle. Der VR trägt das Risiko, aufgrund des Todes des VN leistungspflichtig zu sein, bevor er vom VN so viele Beiträge erhalten hat, dass er daraus die Versicherungsleistungen erbringen kann. Einer neuen Gesundheitsprüfung bei Umwandlung in eine Rentenversicherung mit Hinterbliebenenabsicherung bedarf es nicht, da der VR das Todesfallrisiko bereits geprüft hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Bezugsrecht für die Hinterbliebenen bereits bei Abschluss oder erst in Zusammenhang mit der Umwandlung verfügt worden ist. Da sich die Hinterbliebenenabsicherung in Gestalt von Rentenleistungen nach der Langlebigkeit der Hinterbliebenen beurteilt, hat der VR das bei der Festlegung der Renten zu berücksichtigen.

75

c) Umwandlung einer Rentenversicherung ohne Todesfallleistungen in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung ohne Todesfallleistungen nach § 851c ZPO. Bei der einfachen Rentenversicherung – wobei es unerheblich ist, ob es sich um eine Rentenversicherung gegen Zahlung eines Einmalbetrages oder um eine aufgeschobene Rentenversicherung mit laufender Beitragszahlung und erst späterem Rentenzahlungsbeginn handelt – muss der VR dem VN oder der Bezugsperson bis zum Ableben des Versicherten Renten zahlen. Versicherungsfall ist jeder Fälligkeitszeitpunkt für eine Rentenzahlung. Das Risiko für den VR besteht darin, dass der Versicherte erst sehr spät verstirbt und der VR für die Rentenzahlungen insgesamt höhere Aufwendungen tätigen muss, als es sich rechnungsmäßig nach dem angesammelten Deckungskapital ergäbe. Für die vorvertragliche Anzeigepflicht bedeutet dies, dass sie in Bezug auf den Gesundheitszustand des Versicherten bedeutungslos ist, da ein schlechter Gesundheitszustand des Versicherten für den VR niemals nachteilig sein kann. Vielmehr ist es mit den das Versicherungsrisiko ausmachenden Gefahrumständen gerade umgekehrt wie in der Todesfallkapitallebensversicherung. Daher findet bei den Rentenversicherungen ohne Todesfallleistung auch keine vertrauensärztliche Untersuchung statt. Das Verschweigen von Umständen, die auf eine verkürzte Lebenserwartung hinweisen, ist keine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, da hieraus nur für den VN Nachteile erwachsen können. Für die

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Umwandlung dieser Versicherung in eine Rentenversicherung unter Berücksichtigung des § 851c ZPO ist eine Gesundheitsprüfung bzw. vorvertragliche Anzeigepflicht bedeutungslos. d) Umwandlung von Rentenversicherungen mit Todesfallleistungen in eine Renten- 76 versicherung mit Todesfallleistungen, die den Anforderungen des § 851c ZPO entspricht. Bei Rentenversicherungen, die auch nach dem Tode des Versicherten Versicherungsleistungen vorsehen, kommt der vorvertraglichen Anzeigepflicht teilweise auch in Ansehung des Gesundheitszustandes des Versicherten durchaus Bedeutung zu. Todesfallleistungen bei Rentenversicherungen sind: Beitragsrückgewähr bei Tod des Versicherten während der Aufschubzeit, garantierte Mindestrentenzahlung, auch bei Tod des Versicherten (u.U. Abfindung), und insbes. Überlebensrenten an Hinterbliebene (Witwen-, Witwer-, Waisenrenten). Sieht der Rentenversicherungsvertrag vor, dass beim Tode des Versicherten der VR zur Rentenzahlung an Hinterbliebene verpflichtet bleibt, die Beitragszahlungspflicht aber erlischt, so trägt der VR ebenso wie bei der Todesfallkapitallebensversicherung die Gefahr, zur Versicherungsleistung verpflichtet zu sein, ohne mit Sicherheit diese Versicherungsleistung aus den vom VN zu zahlenden Beiträgen abdecken zu können, das Risiko liegt also im vorzeitigen Versterben des Versicherten. Daneben trägt er wie bei der einfachen Rentenversicherung das Risiko, u.U. sehr lange Versicherungsleistungen an die Hinterbliebenen (Nebenversicherte) erbringen zu müssen, weil die/ der Hinterbliebene sehr lange lebt. Eine genaue Berechnung der Lebenserwartung des (Haupt-)Versicherten ist hier für den VR bedeutsam für die Frage, ob und zu welchen Bedingungen er den Rentenversicherungsvertrag abschließen kann. Daher ist bei diesen Formen der Rentenversicherung eine Gesundheitsüberprüfung durch Fragen und eine vertrauensärztliche Untersuchung in demselben Maße nötig wie bei Kapitaltodesfallversicherungen.92 Die Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist mithin ebenso groß wie bei der Todesfallkapitallebensversicherung. Anders ist es, wenn der Versicherungsbeitrag unabhängig vom Tode des (Haupt-)Ver- 77 sicherten bis zu einem festgesetzten Zeitpunkte zu zahlen ist. Hier entfällt für den VR das Risiko des vorzeitigen Todes des Versicherten und des Erlöschens der Beitragspflicht. Die vom VR zu tragende Gefahr liegt ebenso wie bei der Rentenversicherung ohne Todesfallleistung nur in der Dauer der Rentenzahlung an den (Haupt-)Versicherten und dessen Hinterbliebene (Nebenversicherte). Folglich ist eine Gesundheitsprüfung im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht überflüssig. Hauptfall ist die Hinterbliebenenzusatzrentenversicherung zur Rentenversicherung gegen Zahlung eines Einmalbeitrages, wenn der Barwert der Überlebensrenten nicht größer ist als der dafür gezahlte Einmalbeitrag.93 Bei Rentenversicherungen mit garantierter Rentenzahlungsdauer und Beitragsrück- 78 erstattung bei Tod des Versicherten in der Aufschubzeit liegt ebenfalls eine Todesfallleistung des VR vor. Der VR muss bei Tod des Versicherten während der Aufschubzeit die bereits gezahlten Beiträge ohne Zinsen und ohne Unkostenabzüge zurückerstatten, bei Tod des Versicherten nach Rentenzahlungsbeginn hat der VR eine Mindestanzahl von Renten, z.B. in Gestalt eines Abschlages, zu zahlen. In diesen Todesfallleistungen liegt für den VR aber kein Risiko. Er zahlt an die Berechtigten höchstens das aus, was er vom VN erhalten hat, die Zinsen verbleiben ihm. Eine Gesundheitsprüfung im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht erübrigt sich daher. Es liegt insoweit keine Versicherung mit echtem Todesfallcharakter vor.94 92 93

Braa VerBAV 1979 84, 127, 129. Braa VerBAV 1979 86 f., 130.

94

Braa VerBAV 1979 130.

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Kann die mit der ursprünglichen Rentenversicherung verbundene Todesfallleistung zugunsten der Hinterbliebenen auf die umgewandelte Versicherung übertragen werden, so wäre eine vorvertragliche Anzeigepflicht in Zusammenhang mit der Umwandlung bedeutungslos. Der VR hat das Risiko eines vorzeitigen Versterbens des VN bereits bei Abschluss des Rentenversicherungsvertrages bei der Bemessung der Beitragshöhe mit berücksichtigt. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Todesfallleistung in Gestalt der Hinterbliebe80 nenabsicherung zunächst nicht in der Rentenversicherung enthalten, sondern erst in Zusammenhang mit der Umwandlung in eine pfändungsgeschützte Lebensversicherung integriert wird. In einem solchen Falle ist eine Gesundheitsprüfung erforderlich, und der VN muss der vorvertraglichen Anzeigepflicht nachkommen.95

IV. Umwandlungsverlangen 1. Rechtsnatur

81

Anders als das Umwandlungsverlangen des VN nach § 165, das allgemein als einseitige, empfangsbedürftige rechtsgestaltende Willenserklärung verstanden wird,96 ist das Umwandlungsverlangen nach § 167 – trotz weithin identischer Formulierung – als gesetzlicher Anspruch auf Abschluss eines Änderungsvertrages zu sehen.97 Es kommt auf diese Weise ein Rentenversicherungsvertrag gegen Einmalbeitrag zustande. Ebenso wie in § 165 ist die Formulierung des Gesetzes in § 167 wenig glücklich. Der Wortlaut der Vorschrift mag eher für einen schuldrechtlichen Anspruch auf Umwandlung sprechen, das gilt auch für die Begründung der beiden Referentenentwürfe und des Regierungsentwurfs;98 Sinn und Zweck der Vorschrift, einen sicheren und baldigen Pfändungsschutz zu gewährleisten, sprechen nicht zwingend für die Auslegung des Umwandlungsverlangens als Ausübung eines Gestaltungsrechts. Entscheidend ist, dass die Rechtsfolge bei § 167 nicht so eindeutig ist wie bei § 165, wenn eine Umwandlung verlangt wird: Während der VN im Rahmen des § 165 nicht die Möglichkeit hat, zwischen mehreren Modalitäten der umgestalteten Versicherung zu wählen, ist das bei einer Umwandlung gemäß § 167 nicht der Fall. Will der VN eine Kapitallebensversicherung in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung umwandeln, so stehen ihm dafür eine Vielzahl von Rentenversicherungsmodellen zur Verfügung, zwischen denen er sich entscheiden kann, auch unter Einschluss einer Hinterbliebenenabsicherung.99 Voraussetzung ist allein, dass die Versicherung dem Versorgungszweck dient und dass die übrigen Modalitäten der Rentenversicherung den Erfordernissen des § 851c ZPO entsprechen. Das hat insbes. Wollmann 100 übersehen, wenn er sich nach längerer Diskussion für die Annahme eines Gestaltungsrechts entscheidet. Von einem Gestaltungsrecht kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn die Aus-

95 96

97

Hasse VersR 2007 870, 889. Bruck/Dörstling § 5 Rn. 10; Brambach in Rüffer/Halbach/Schimikowski § 165 Rn. 2; Beckmann/Matusche-Beckmann/Brömmelmeyer § 42 Rn. 188; Bruck/Möller/Winter § 165 Rn. 21; Bohn, FS Schiedermair, 33, 36; Hasse VersR 2005 15, 17. Brambach in Rüffer/Halbach/Schimikowski § 167 Rn. 17; Abschlussbericht 117; van Bühren/Teslau/Prang § 14 Rn. 586; Neu-

642

98 99

100

haus/Köther ZfV 2009 248, 249; Prölss/ Martin/Reiff § 167 Rn. 5; Specker VersR 2011 958, 959 ff.; a.M. Wollmann 311 und wohl auch Hasse VersR 2007 870, 889. BTDrucks. 16/886 S. 14, S. 8; ZIV 2004 Beilage 3 S. 38. § 167 Rn. 96, 97. Ebenso im Ergebnis und mit ausführlicher Begründung Specker VersR 2011 958, 960. Wollmann 311.

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übung des Rechts zu einer klaren und eindeutigen Rechtslage führt. Im Rahmen des Umwandlungsverlangens nach § 167 ist das nicht der Fall, die Ausgestaltung im Detail hat unter Berücksichtigung der Vorstellungen und Wünsche des VN zu erfolgen, wobei der VR allerdings nicht verpflichtet, wohl aber berechtigt ist, das bislang übernommene Risiko – beispielsweise durch eine Hinterbliebenenversorgung – gegen eine Aufprämie zu erweitern. Nach § 167 tritt die Umwandlung nicht durch die Abgabe der einseitigen Willenserklärung selbst unmittelbar ein, das Umwandlungsverlangen ist hier ein Antrag i.S.d. §§ 145 ff. auf Änderung eines bestehenden Versicherungsvertrages, über dessen Modalitäten der VR und der VN verhandeln können und dessen Annahme der VR zu erklären hat. Die Umwandlung ist von dem VR sodann vorzunehmen, reagiert der VR nicht, kann der VN auf Durchführung der Umwandlung klagen. In der Praxis herrscht teilweise Ungewissheit, die dort verwandten Formulare, nach denen die erforderlichen Vertragsänderungen vom VN beantragt werden, lassen allerdings erkennen, dass auch die VR weithin nicht von einem Gestaltungsrecht ausgehen. 2. Inhalt des Umwandlungsverlangens Die Erklärung des Umwandlungsverlangens muss unzweideutig und unwiderruflich 82 sein.101 Der Sinn der Willenserklärung des VN muss eindeutig auf eine Umwandlung gerichtet sein. Soweit das Vorsorgekapital pfändungsgeschützt sein soll, muss es unwiderruflich für die Altersvorsorge zur Verfügung stehen. Sonst wäre die Gefahr eines Missbrauchs des Kapitals durch die Gläubiger zu groß.102 Die von vornherein unwiderrufliche Festlegung des Vorsorgekapitals ändert jedoch nichts daran, dass die sonstige Ausgestaltung des Rentenversicherungsvertrages noch Gegenstand der Einflussnahme durch den VN sein kann. 3. Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens und Beginn des Pfändungsschutzes Das Umwandlungsverlangen kann nach § 167 Satz 1 jederzeit gestellt werden. Das 83 bedeutet aber nicht, dass das Umwandlungsverlangen auch jederzeit wirksam wird. Die Umwandlung wird nach § 167 Satz 1 für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode wirksam. Damit sollen dem VR Zwischenabrechnungen erspart bleiben. Soll die Umwandlung nach den Bedingungswerken mit Frist von einem Monat auf den Schluss eines jeden Ratenzahlungsabschnitts wirksam werden, so ist das zulässig. Die damit vorgenommene Besserstellung des VN verträgt sich mit dem halbzwingenden Charakter des § 167 Satz 1. Wenn zweifelhaft ist, ob ein während des Versicherungsjahres gestelltes Umwandlungsverlangen, das über den Zeitpunkt der Umwandlung keine Angaben enthält, zum Schluss des Versicherungsjahres oder zum frühestmöglichen Termin wirksam werden soll, ist vom frühestmöglichen Umwandlungstermin auszugehen, da dem VN in aller Regel daran gelegen sein wird, den Pfändungsschutz möglichst bald wirksam werden zu lassen. Auch nach dem Zugang des Umwandlungsverlangens bei dem VR besteht der Versicherungsvertrag bis zu der Umwandlung mit seinem ursprünglichen Inhalt weiter. Bis dahin hat der VR auch den ursprünglichen Prämienanspruch. Ein Wirksamwerden der Umwandlung zum Ende der laufenden Versicherungsperiode 84 wird mit Blick auf den Pfändungsschutz jedoch als unbefriedigend empfunden.103 Eine teleologische Auslegung gelangt zu dem Ergebnis, den Pfändungsschutz bereits ab Zu101 102

Begr. BTDrucks. 16/886 S. 6. BTDrucks. 16/886 S. 8.

103

Wollmann 291 ff.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

gang des Änderungsantrags beim VR greifen zu lassen.104 Der VN hat sich mit der Abgabe der Umwandlungserklärung darauf festgelegt, auf eine Verfügung über die Versicherung endgültig zu verzichten und von dem Pfändungsschutz des § 851c ZPO Gebrauch zu machen. Dem VN darf nicht angelastet werden, dass der Gesetzgeber aus Rücksicht auf die VR-Seite die Wirksamkeit der Umwandlung auf das Ende der Versicherungsperiode verlegt hat. 4. Form

85

Nach § 167 ist eine Form für das Umwandlungsverlangen nicht vorgeschrieben. Von der Vorschrift darf nicht zum Nachteil des VN abgewichen und für die Umwandlungserklärung Schrift- oder Textform bindend festgelegt werden. § 171 Satz 2 kann nicht teleologisch in der Weise erweitert werden, dass nicht nur für eine Umwandlung nach § 165 und für eine Kündigung nach § 168, sondern auch für die Umwandlung i.S.d. § 167 Schrift- oder Textform vereinbart werden kann. Das Erfordernis einer Schriftform ist eine Schlechterstellung des VN, wie schon aus § 171 Satz 2 zu folgern ist. Auch wenn mit Blick auf die durch den Pfändungsschutz betroffenen Gläubiger des VN aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die Beachtung der Schrift- bzw. Textform sinnvoll ist, die Interessen des VN würden dadurch zu wenig gewahrt. Wie schon in Zusammenhang mit dem Beginn des Pfändungsschutzes mit Zugang der Umwandlungserklärung beim VR deutlich geworden ist, kann es auf nur kurze Zeiträume ankommen, wenn sich der VN bei drohender Pfändung entschließt, die von ihm bislang aufgebrachte Altersvorsorgung schützen zu lassen. In dieser für den durchschnittlichen VN schwierigen Situation sollten nicht noch formale Anforderungen gestellt werden, die ihm die Abgabe der Umwandlungserklärung gegenüber dem VR erschweren. Hinzu kommt, dass §§ 165, 167 und 168 durchaus unterschiedliche Funktionen besitzen: Bei §§ 165, 168 wird die Weiterführung des Vertrages mit Konsequenzen für das in den Verträgen angesparte Deckungskapital zu Lasten des VN abgebrochen (in einem solchen Falle kann der Aufbau einer formalen Hürde den VN dazu veranlassen, seinen Schritt noch einmal zu überdenken), im Falle des § 167 erlangt der VN durch schnelles Handeln Schutz gegen eine Beeinträchtigung seiner Altersvorsorge. Insoweit lässt sich die unterschiedliche Behandlung der Gestaltungsrechte nach §§ 165, 168 einerseits und des Umwandlungsverlangens nach § 167 andererseits – wenn auch nicht völlig zufriedenstellend – erklären.

V. Rechtsfolge des Umwandlungsverlangens 86

Infolge des Umwandlungsantrages des VN wird die bestehende Versicherung – insbes. auch eine Kapitalversicherung – in eine Rentenversicherung umgewandelt, bei der es sich ganz grundsätzlich um eine Erlebensfallversicherung (Ausnahme: Hinterbliebenenversicherung) handelt. Die Rentenversicherung muss so ausgestaltet werden, dass sie dem Zweck der Altersvorsorge – sowie der Hinterbliebenenvorsorge – dienen kann und dass bei ihr die Anforderungen erfüllt sein müssen, wie sie in § 851c Abs. 1 ZPO normiert sind: Die Versicherungsleistung muss in regelmäßigen Abständen erbracht werden, und zwar lebenslang und grundsätzlich nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres (erstens). Die Verfügung des VN über die Forderungen aus dem Vertrag muss ausgeschlossen sein

104

Hasse VersR 2007 870, 889; Rüffer/Halbach/Schimikowski/ Brambach § 167

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Rn. 14 f.; Stöber NJW 2007 1242, 1247. A.A. Specker VersR 2011 958, 961.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

(zweitens). Als Begünstigte können nur Hinterbliebene eingesetzt werden (drittens) und die Leistung einer Kapitalsumme muss grundsätzlich ausgeschlossen sein (viertens). Soweit es sich um die näheren Anforderungen nach § 851c Abs. 1 ZPO handelt, wird auf die Ausführungen unter Rn. 20–52 verwiesen. Im Folgenden wird zunächst geklärt, was unter einer Erlebensfallversicherung zu verstehen ist (sogleich unter 1), wie der Versorgungszweck (Alters- und Hinterbliebenenvorsorge) einzugrenzen ist (sodann unter 2), wann ein nur teilweiser Pfändungsschutz geboten ist (unter 3) und welche Rentenversicherungsformen Gegenstand einer Versicherung nach § 851c Abs. 1 ZPO sein können (schließlich unter 4). 1. Versicherungen mit dem Eintritt des Erlebensfalles als Versicherungsfall a) Begriffliches. Die Gefahr des Erlebens eines bestimmten Zeitpunkts – auf die in 87 der Rentenversicherung beim Versicherungsfall abgestellt wird – beinhaltet das Merkmal der Ungewissheit, wie es für den Versicherungsbegriff erforderlich ist. Angesichts der Ungewissheit über die Dauer des menschlichen Lebens kann nicht im Voraus gesagt werden, ob die Gefahrsperson einen bestimmten Zeitpunkt erlebt oder – bei der Rentenversicherung – wie viele Rentenzahltage der Versicherte erleben wird. Das Erlebensrisiko nimmt jedoch insofern eine Sonderstellung ein, als die versicherte 88 Person im Allgemeinen von dem Eintritt des Ereignisses nicht unmittelbar tangiert wird. Nur in jenen Fällen, in denen gleichzeitig mit dem Erleben eines bestimmten Alters – z.B. mit dem Erreichen des 65. oder 70. Lebensjahres – beispielsweise eine Minderung der Arbeitskraft befürchtet wird, kann in dem Erleben eines bestimmten Zeitpunkts eine Gefahr – also die Möglichkeit der Entstehung eines bestimmten Bedarfs – für den Versicherten gesehen werden. In aller Regel ist jedoch mit dem Erleben eines bestimmten Alters das Eintreffen eines weiteren Ereignisses verbunden, das für den Versicherten einen bestimmten Bedarf entstehen lässt: Man denke nur an das Erwachsenwerden eines Kindes und die damit verbundenen erhöhten Ausbildungskosten oder auch einen Einnahmenausfall oder zumindest eine Einnahmenminderung wegen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben. Das Ereignis des Erlebens eines bestimmten Zeitpunkts ist hier nur der Anknüpfungspunkt für den sich einstellenden wirtschaftlichen Bedarf, der aber ursächlich auf das gleichzeitig eintretende andere Ereignis – wie z.B. eine Einnahmenminderung – zurückzuführen ist. Die Erlebensgefahr stellt sich daher grundsätzlich nicht als unmittelbare – als biometrische – Gefahr für die Person des Versicherten, sondern als eine Gefahr für die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Versicherten, unter Umständen als eine Gefahr für seine Vermögensverhältnisse dar. In der Leibrentenversicherung ist dabei allein entscheidend, ob die Gefahrsperson einen 89 bestimmten Zeitpunkt erlebt, dann wird die Rentenzahlung für den gesamten Zahlungsabschnitt fällig. Es ist dafür unerheblich, ob die Gefahrsperson während des Zahlungsabschnitts stirbt.105 b) Lebensversicherungsformen mit dem Erlebensfallrisiko. Das Erlebensfallrisiko 90 spielt – entweder allein oder in Zusammenhang mit anderen Risiken – eine Rolle in der Kapitalversicherung auf den Erlebensfall (Erlebensfallversicherung), der Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall (gemischte Versicherung), der Termfixversicherung (Ausbildungs-, Studienfinanzierungs-, Aussteuerversicherung), Familienversorgungsversiche-

105

Vgl. für die Leibrente § 760 Abs. 2 BGB.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

rung, Kleinlebensversicherung, Leibrentenversicherung mit aufgeschobenen Leibrenten, Leibrentenversicherung mit Beitragsrückgewähr und/oder Rentengarantie, Leibrentenversicherung auf verbundene Leben, Überlebensleibrentenversicherung, Pensionsversicherung, Zeitrentenversicherung, in der Fondsgebundenen Lebensversicherung, in den dynamischen Versicherungsformen, der Fremdwährungsversicherung, in den Formen der Gruppenlebensversicherung und der Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung und weiteren Versicherungsarten. Nicht alle dieser Versicherungsformen können so ausgestaltet werden, dass sie allein der Altersvorsorge bzw. Hinterbliebenenvorsorge dienen.

91

c) Todesfall als Auslöser einer Rentenversicherung für Hinterbliebene auf der Grundlage einer Erlebensfallversicherung. Soweit die der Vorschrift des § 851c Abs. 1 ZPO unterfallende Rentenversicherung eine Hinterbliebenenabsicherung enthält, löst der Todesfall die Rentenversicherung aus, die Rentenzahlung erfolgt, solange der Erlebensfall bei der Witwe bzw. dem Witwer oder auch bei den hinterbliebenen Kindern (hier allerdings zeitlich begrenzt) eintritt. 2. Zweck der Alters- und Hinterbliebenenversorgung als Maßstab des Pfändungsschutzes

92

a) Grundsatz und Grenzfälle. Wenn ein Rentenversicherungsvertrag die in § 851c Abs. 1 ZPO genannten Anforderungen erfüllt, ist davon auszugehen, dass er dem Zweck der Alters- und Hinterbliebenenversorgung dient. Allerdings kann angesichts der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten in der privaten Rentenversicherung zuweilen zweifelhaft sein, inwieweit der einzelne Vertrag vom Versorgungszweck geprägt ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Versicherungsleistung der Alters- und Hinterbliebenenversorgung unmittelbar dienen muss, eine nur mittelbare Versorgungsleistung wie eine Beitragsfreistellung aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist nicht als Versorgung anzusehen. Keinen Versorgungszweck weisen z.B. Darlehenstilgungs-, Hypothekentilgungs-, Kaufpreisrentenversicherungen oder sonstige Restschuldrentenversicherungen auf, deren Ziel die Absicherung eines Vermögenswerts ist. Andererseits ist ein Versorgungszweck (im Sinne einer Teilversorgung) bei einer Mietrentenversicherung zu bejahen, durch die der Rentenempfänger in die Lage versetzt werden soll, auch nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben Mietzinsforderungen erfüllen und die Fortmietung seiner Wohnung ermöglichen zu können. Ob eine Rentenversicherung der Altersversorgung dienen soll, hängt dabei auch 93 davon ab, von welchem Lebensalter des Versicherten ab der Beginn der Rentenzahlung vorgesehen ist. Maßgebend ist dabei der vom Versicherten ausgeübte Beruf und die danach übliche Grenze für das Erreichen des Ruhestandsalters, wobei in aller Regel die Vollendung des 62., 65. oder 67. Lebensjahres in Frage kommt. Angesichts der Funktion der privaten Rentenversicherung als Ergänzung und Alternative zu den im Übrigen bestehenden Versorgungsformen ist die Frage des Lebensalters allerdings flexibel zu sehen. So ist der Versorgungszweck zu bejahen, wenn die private Rentenversicherung z.B. dazu verwandt werden soll, einen – auch schon früher beginnenden – schrittweisen Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen. Nach der Vollendung des 65. Lebensjahres beginnende Renten weisen nur in solchen Fällen keinen Versorgungscharakter auf, in denen die Rente erst im hohen Alter (z.B. nach Vollendung des 85. Lebensjahres) beginnen soll. Bei freien Berufen ist es weit verbreitet, sich nicht schon nach Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern z.B. erst nach Vollendung des 70. Lebensjahres vom beruflichen Leben zurückzuziehen. Eine solche Rente wird der Versicherte angesichts der gegenwärtig

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gegebenen durchschnittlichen Lebenserwartung aller Wahrscheinlichkeit nach noch mehrere Jahre beziehen können, die Versicherung hat somit grundsätzlich Versorgungscharakter. b) Überschussanteile und Versorgungszweck. Bei der Überschussbeteiligung werden 94 die in aller Regel anfallenden Risiko- bzw. Sterblichkeitsgewinne, Zinsgewinne und Kostengewinne an die Versicherten als Überschüsse zurückerstattet. Ob die Überschussanteile dabei Pfändungsschutz genießen können, richtet sich nach der Methode, die für die Ausschüttung der Überschussanteile verwandt wird. Daher empfiehlt es sich, eine Ausschüttungsmethode zu wählen, die einem Pfändungsschutz nicht entgegensteht. Beim Barausschüttungssystem handelt sich um die einfachste Form der Überschussbeteiligung. Soweit die Barausschüttung vor Rentenzahlungsbeginn erfolgt, fehlt ihr jede Zweckbestimmung, sie ist bei § 851c Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Anderes kann gelten, wenn die Ausschüttung nach dem Rentenzahlungsbeginn stattfindet und die anfallenden Überschüsse rentenerhöhend verwandt werden. Der Rentenbezieher erhält die Überschüsse in diesem Falle in einem Gesamtbetrage mit der jeweiligen Rentenleistung ausgezahlt, so dass die Ansicht vertreten werden kann, dass die Überschussanteile den Zweck der Rente grundsätzlich teilen und somit Pfändungsschutz genießen, wobei sich allerdings Berechnungsschwierigkeiten u.a. deshalb ergeben, weil die anfallenden Überschüsse bei laufenden Renten im Wesentlichen aus Zinsüberschüssen bestehen, die während der Auszahlungszeit entsprechend dem abnehmenden Deckungskapital gleichfalls zurückgehen. Erfolgt die Ausschüttung der Überschussanteile durch Anrechnung auf laufende Beiträge – was naturgemäß nur bei Versicherungen mit laufender Beitragspflicht und während der technischen Versicherungsdauer möglich ist –, so führen die Überschussanteile beim VN nur zur Ersparnis von Aufwendungen für die laufende Beitragszahlung. Die Ausschüttung der Überschussanteile dient bei diesem System nicht unmittelbar der Altersversorgung und fällt damit nicht unter § 851c Abs. 1 ZPO. Eine weitere Möglichkeit für die Verwendung der Überschussanteile ist ihre verzinsliche Ansammlung auf einem Sonderkonto, das neben der Versicherung geführt wird. Seiner rechtlichen Ausgestaltung nach handelt es sich hier um einen die Lebensversicherung begleitenden Sparvorgang. Kann der VN oder der sonstige Verfügungsberechtigte frei über den Sparbetrag verfügen (und sei es auch erst nach Rentenzahlungsbeginn), so dient die verzinsliche Ansammlung der Überschussanteile keinem unmittelbaren Versorgungszweck, die Überschussbeteiligung findet daher insoweit keine Berücksichtigung beim Pfändungsschutz. Die Überschussbeteiligung kann auch in der Weise erfolgen, dass der Versicherte aus den Überschussanteilen ab Rentenzahlungsbeginn der Hauptversicherung eine Zusatzrente (Zinsrente) erhält. Es wird dabei aus den anfallenden Überschussanteilen eine Leibrentenversicherung als Zusatzversicherung gebildet. Die Zusatzversicherung teilt dabei die Zweckbestimmung der Hauptversicherung und wird beim Pfändungsschutz in derselben Weise wie die Hauptversicherung behandelt. Bei der Überschussbeteiligung in Form des Summenzuwachs- oder Bonussystems wird das Deckungskapital der Rentenversicherung durch die jährlich anfallenden Überschussanteile aufgestockt, die dabei jeweils als Einmalbeitrag verbucht werden. Dadurch erhöhen sich die Altersrenten, die Verwendung der Überschussanteile verfolgt denselben Zweck wie die zugrunde liegende Versicherung, so dass die Überschussanteile genauso wie sie in den Pfändungsschutz einzubeziehen sind. Wenn der Lebensversicherungsvertrag ein Wahlrecht des VN zwischen mehreren Möglichkeiten der Überschussbeteiligung einräumt, so gelten für die Einbeziehung in den Pfändungsschutz dieselben Grundsätze wie bei einer Lebensversicherung mit Kapitaloder Rentenwahlrecht. Entscheidend für die rechtliche Qualifikation ist der Zeitpunkt des Pfändungsversuchs.

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3. Teilweiser Pfändungsschutz bei nicht gänzlich der Alters- und Hinterbliebenenvorsorge dienenden Renten Sind die Anforderungen, die § 851c Abs. 1 ZPO an den Pfändungsschutz stellt, erfüllt, gilt das aber nur für einen Teil der Gesamtrente, weil sie auf einen höheren Betrag geht, als in § 850c ZPO vorgesehen, oder eine längere Zeitdauer umfasst, als in § 851c Abs. 1 ZPO vorausgesetzt, so erstreckt sich der Pfändungsschutz nur auf einen Teil der Rente. Ist die Rente höher als das pfändungsgeschützte Arbeitseinkommen, so ergibt sich diese Rechtsfolge aus § 850c ZPO; beginnt die Rente beispielsweise früher zu laufen als ab der Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. als mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit, so ist auch insoweit ein Teil der Rentenzahlung nicht pfändungsgeschützt. Büßt die Rente durch einen zu frühen Beginn oder eine zu lange Laufzeit den Charakter einer Altersoder Hinterbliebenenrente insgesamt ein, unterliegt sie insgesamt nicht dem Pfändungsschutz. Setzt die Rente des VN vor dem Ruhestandsalter ein, so ist der nicht der Altersversorgung dienende Teil der Rente nicht pfändungsgeschützt. Oder wird dem VN oder der Witwe/dem Witwer eine Zeitrente gewährt, die die wahrscheinliche Lebensdauer erheblich überschreitet, so ist die Zeitrente nach dem Tode der Bezugsperson nicht mehr pfändungsgeschützt. Wird dem VN keine lebenslange Rente, sondern nur eine Zeitrente kurzer Laufzeit gewährt, so kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO erfüllt sind. Auch an Hinterbliebene (Witwe/Witwer, gleichgeschlechtlichen Lebenspartner, Kinder) 96 darf keine Kapitalleistung vereinbart werden, wenn die Leistung dem Pfändungsschutz unterliegen soll.106 Die Waisenrenten werden in aller Regel nur für einen bestimmten Zeitraum gewährt, sie enden mit Ablauf des vereinbarten Zeitraumes oder mit Erreichen der vereinbarten Altersgrenze. Anders als beim VN und seinem Ehepartner wird bei Waisen nicht die Altersversorgung beabsichtigt, sie sollen lediglich so lange versorgt werden, bis sie – mit Abschluss einer Berufsausbildung – für sich selber sorgen können. Eine lebenslange Waisenrente würde keinen Pfändungsschutz genießen. Angesichts des Willens des Gesetzgebers, den Pfändungsschutz für die private Altersvorsorge dem der gesetzlichen Rentenversicherung anzupassen, und angesichts des Umstandes, dass die dort gewährte Waisenrente nur den Zeitraum bis zum Abschluss der Berufsausbildung umfasst,107 liegt es nahe, die Dauer des Pfändungsschutzes entweder an der gesetzlichen Rentenversicherung oder an den Altersbegrenzungen bei Riester- und Rürup-Verträgen zu orientieren. Nur unter Berücksichtigung auch dort maßgeblicher Gesichtspunkte genießen Waisenrenten Pfändungsschutz.108 Die Witwen-/Witwerrente hat die Funktion der Alterssicherung des überlebenden Part97 ners und kann deswegen lebenslangen Pfändungsschutz genießen. Wenn dabei vorgeschlagen wird, die Pfändungsschutzgrenzen in Anlehnung an § 46 SGB VI (Witwen-/Witwerrenten nach der Gesetzlichen Rentenversicherung) zu bestimmen,109 so kann dem nicht gefolgt werden. Bei §§ 48 Abs. 4, 46 SGB VI handelt es sich um eine Begrenzung des Anspruchsinhalts, bei § 851c ZPO aber um einen Pfändungsschutz, um dem Schuldner und seiner Familie ein Existenzminimum zu gewährleisten. Hätte der Gesetzgeber eine derartige Beschränkung des Pfändungsschutzes gewollt, so hätte er die sozialversicherungsrechtliche Regelung zu Zwecken der Grenzziehung bei den Pfändungsschutzvorschriften in Bezug nehmen müssen. Bei der Bestimmung der Pfändungsschutzgrenzen

95

106

Hasse VersR 2007 870, 886; a.M. Holzer DStR 2007 767, 770; Prölss/Martin/Reiff § 167 Rn. 12.

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107 108 109

§ 48 Abs. 4 SGB VI. Zu eng Wollmann 56 f. Wollmann 57, 58.

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in zeitlicher Hinsicht sind allerdings im Wege der Billigkeitsprüfung (vgl. § 850c Abs. 4 ZPO) bei der Witwenrente Gesichtspunkte wie erneute Heirat oder vorgerücktes Alter zu berücksichtigen, bei der Waisenrente die Aufnahme der eigenen Berufstätigkeit, die noch nicht erfolgte Beendigung eines Studiums usw. Eine strikte Ausrichtung des Pfändungsschutzes an den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung ist vom Gesetzgeber weder gewollt noch geboten. 4. Auswahl der Lebensversicherungsformen, die für eine Umwandlung in Frage kommen Angesichts der Gestaltungsvielfalt, die sich gerade auch bei den Lebensversicherungs- 98 formen seit 1994 entwickelt hat, sind die möglichen Rentenversicherungen, die sich für eine Umwandlung anbieten, nicht im Einzelnen zu überblicken.110 Da durch die umgewandelte Versicherung im Wesentlichen eine Versorgungsrente, die nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder vor Eintritt der Berufsunfähigkeit zu beginnen hat und nicht für einen im Voraus festsetzbaren Zeitraum, sondern lebenslang zu gewähren ist, ist in erster Linie an eine Leibrentenversicherung zu denken, für die Waisenrente bietet sich eine Zeitrentenversicherung an: 5. Formen der Umwandlungsrentenversicherung unter Berücksichtigung des § 851c ZPO a) Leibrentenversicherung aa) Rechtliche Qualifikation und Grundlagen Schon aus dem Begriffe der Leibrente 99 als einer nur bei Erleben der jeweiligen Rentenzahltage durch die Gefahrsperson zahlbaren Rente ist zu folgern, dass die Leibrentenversicherung eine Lebensversicherung auf den Erlebensfall ist. Dabei liegt das die Lebensversicherung kennzeichnende Merkmal der Ungewissheit über die Dauer des menschlichen Lebens darin, dass ungewiss ist, wie viele Rentenzahltage die Gefahrsperson erleben wird. Jeder Rentenzahltag ist ein Erlebensfall und ungewiss, die dem Lebensversicherungsvertrage innewohnende Ungewissheit ist erst dann beendet, wenn keine Leibrente mehr zu zahlen ist. Jeder einzelne Rentenzahl-

110

Zu den Grundstrukturen insbes. der Rentenversicherung: Braa Der Geschäftsplan für die Risikolebensversicherung, VerBAV 1973 116–126, 156–162; ders. Der Geschäftsplan für die Rentenversicherung, VerBAV 1979 84–95, 157–164; Claus Der Geschäftsplan für die Lebensversicherungen mit planmäßiger Erhöhung des Versicherungsschutzes, VerBAV 1974 11–15, 25–28; Eisenecker Versorgungsausgleich und Privatversicherungsrecht (1983); Guski Formen der Lebensversicherung, VersPrax. 1954 120–123; Keller Versicherung auf verbundene Leben, Diss. Bern (1943); Kraußmüller Versicherung verbundener Leben, Diss. Frankfurt (1932); Lauenerr Untersuchung über den Begriff der Erlebensfall- und Rentenversicherung, Diss. Zürich (1949); Reuter

Die Versicherung auf verbundene Leben, Diss. Köln (1939); Rueff Ableitung von Sterbetafeln für die Rentenversicherung und sonstige Versicherungen mit Erlebensfallcharakter (1955); Seyfried Geldentwertung als Problem für die private Lebensversicherung, Diss. Tübingen (1960); Soergel/Winter Bürgerliches Gesetzbuch, Bd VI, 13. Aufl., § 1587a Rn. 216–245; Sutter Darlehnsversicherung bei freier Tilgung (1951); Schellwien Die Erlebensfallversicherung (1905); Traber Neuere Formen der Lebensversicherung in der Schweiz (1958); von Wartburg Lebensversicherung, 3. Aufl. (1958); Zollinger Der Rentenversicherungsvertrag nach schweizerischem Privatrecht, Diss. Zürich (1948).

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Kapitel 5: Lebensversicherung

tag ist ein Versicherungsfall, die Leibrentenversicherung besteht somit aus einer regelmäßigen Aufeinanderfolge von Erlebensfallversicherungen. Bei einer Leibrentenversicherung steht dabei anders als bei der Todesfallversicherung – sieht man einmal von einer Erhöhung der Versicherungssumme mittels Überschussbeteiligung ab – nicht fest, wie hoch schließlich die Gesamtleistung sein wird, die mit den Rentenzahlungen zu erbringen ist. Das Risiko des VR besteht darin, dass die Gefahrsperson überdurchschnittlich lange lebt und entsprechend viele Rentenzahltage erlebt. Bei der abgekürzten Leibrentenversicherung ändert sich an dem Prinzip nichts, hier steht lediglich die Obergrenze des Gesamtumfanges der Versicherungsleistung insoweit fest.111 In der Leibrentenversicherung werden andere Sterbetafeln verwendet als in der Kapital100 versicherung. Denn im Allgemeinen schlossen früher nur solche Personen einen Lebensversicherungsvertrag ab, die wegen ihres guten Gesundheitszustandes, ihrer Lebensführung und ihrer familiären Veranlagung mit der Erreichung eines hohen Lebensalters rechnen können.112 Ein erhebliches Problem für die VR ist die deutlich zunehmende Lebenserwartung. Aus den gezahlten Prämien bildet der VR das Deckungskapital, aus dem die Renten 101 später auszuzahlen sind. Falls der Rentner verstirbt, bevor sein Deckungskapital durch die Rentenzahlungen aufgebraucht ist, fällt sein Deckungskapital der Versichertengemeinschaft zu (Heimfall des Deckungskapitals). Im Einzelnen besteht der zur Auszahlung gelangende Rentenbetrag aus drei Bestandteilen, nämlich dem Zins des Deckungskapitals, ferner aus dem Heimfall und schließlich aus dem Kapitalverzehr an dem Deckungskapital.113 Wird nicht nur eine reine Leibrentenversicherung abgeschlossen, sondern werden auch Todesfallleistungen in Form einer Prämienrückgewähr oder einer Mindestrentengarantie mitversichert, so finden insoweit abgeänderte Rechnungsgrundlagen Anwendung. Da ein zusätzliches Todesfallrisiko mit abzudecken ist, ist in einem solchen Falle der vom VN zu entrichtende Beitrag entsprechend höher. Während die Leibrentenversicherung als solche grundsätzlich Pfändungsschutz genießt, werden die Todesfallleistungen davon nicht erfasst, sie fallen in den Nachlass.114 In der Praxis der Versicherungswirtschaft finden sich für die Leibrentenversicherung 102 vielfältige Kombinationen, so dass für jeden Bedarf die sachgerechteste und wirtschaftlich günstigste Versicherung abgeschlossen werden kann. Eine Reihe der möglichen Tarife und Zusatztarife werden von den VR dabei häufig nur auf Anfrage angeboten.

103

bb) Sofort beginnende Leibrenten gegen Einmalprämie. Bei dieser Form der Leibrentenversicherung entrichtet der VN nach Abschluss des Versicherungsvertrages einen Einmalbeitrag. Aus der Prämie wird das Deckungskapital gebildet, aus dem der VR die fällig werdenden Renten an den Berechtigten auszahlt. Die Rentenzahlung muss dabei in regelmäßigen Zeitabständen erfolgen, die erste Rentenzahlung wird in aller Regel nicht bei Versicherungsbeginn, sondern erst nach Ablauf des ersten Rentenzahlungsabschnitts geleistet (nachschüssige Zahlweise). Maßgebend für die Zahlungsverpflichtung des VR ist das Erleben der Rentenzahltage durch die Gefahrsperson. Die Höhe der Leibrente richtet

111

112

Zur Abgrenzung der Leibrentenversicherung von der Leibrente i.S.d. §§ 759 ff. BGB Bruck/Möller/Winter 8 Anm. G 249. Zollinger Der Rentenversicherungsvertrag nach schweizerischem Privatrecht, Diss. Zürich (1948), 24.

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113 114

Eisenecker 24 m.w.N. Vgl. § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO und die Kommentierung unter § 167 Rn. 40 ff.

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sich nach der Höhe des Einmalbeitrages und nach dem Rentenalter der Gefahrsperson. Die Versicherung nimmt grundsätzlich an der Überschussbeteiligung teil. Die Ausgestaltung als pfändungsgeschützte Versicherung nach § 851c Abs. 1 ZPO bietet keine Schwierigkeiten. cc) Leibrentenversicherung mit aufgeschobenen Leibrenten. Bei dieser Versicherungs- 104 form setzt die Rentenzahlung erst später ein, der VN leistet entweder laufende Beiträge (längstens bis zum Tode des VN) oder einen Einmalbeitrag. Diese Versicherung wird gewählt, wenn der VN die Rentenzahlung erst z.B. bei Erreichen der Altersgrenze, also zu einem späteren Zeitpunkt wünscht und die Versicherung auf diese Weise ansparen will, er kann aber auch einen größeren ihm zur Verfügung stehenden Kapitalbetrag verwenden, um mit Hilfe eines Einmalbeitrages für seine Altersversorgung Vorsorge zu treffen. Der Zeitraum zwischen dem Versicherungsbeginn und der ersten Rentenzahlung ist 105 die sog. Aufschubzeit. Stirbt die Gefahrsperson innerhalb der Aufschubzeit, so erlischt die Versicherung, ohne dass der VR zu einer Leistung verpflichtet ist. Mit dem Ende der Aufschubzeit beginnt die Rentenleistung des VR, und zwar in der Weise, dass an den Berechtigten vorschüssige Renten, also bereits am ersten Erlebensfalltage fällige Rentenbeträge ausgezahlt werden, solange die Gefahrsperson die Rentenzahltage erlebt.115 Die Versicherung kann problemlos dem Pfändungsschutz nach § 851c ZPO unterliegen. dd) Leibrentenversicherung mit Beitragsrückgewähr und Rentengarantie bei einem vorzeitigen Tode der Gefahrsperson (1) Grundatz. Es ist charakteristisch für die Leibrentenversicherung, dass die Leis- 106 tungspflicht des VR beim Tode der Gefahrsperson entfällt, und zwar auch, wenn der Tod während der Aufschubzeit eintritt, oder schon, nachdem erst wenige Raten gezahlt worden sind. Die vom VN bis dahin gezahlten Prämien verfallen, ein früher Tod der Gefahrsperson kann daher für den VN u.U. zu einem erheblichen Verlust führen. Um hier – im Ergebnis – einen Ausgleich zu schaffen, sind Tarife mit Beitragsrückgewähr und/oder einer Garantie für die Zahlung einer bestimmten Anzahl von Rentenbeträgen eingeführt worden. Es handelt sich insoweit um Todesfallleistungen.116 (2) Beitragsrückgewähr. Bei der Vereinbarung einer Beitragsrückgewähr leistet der 107 VR beim Tode der Gefahrsperson während der Aufschubzeit eine Zahlung in Höhe der entrichteten Prämien, wobei die Möglichkeit besteht, diese Leistung in Höhe der Rechnungszinsen und einer Überschussbeteiligung aufzustocken. Darüber hinaus kann die Beitragsrückgewähr auch für den Fall vereinbart werden, dass die Gefahrsperson während des Rentenzahlungszeitraums vorzeitig stirbt, so dass dem Berechtigten die Differenz zwischen den gezahlten Prämien und der Summe der Rentenbeträge gutgebracht wird. Die Beitragsrückgewähr ist nicht etwa die tatsächliche Rückgewähr der vom VN ge- 108 zahlten Prämien. Es handelt sich bei der Vereinbarung einer Beitragsrückgewähr für den Fall des Todes während der Aufschubzeit vielmehr um eine mit der Leibrentenversicherung verbundene Risikotodesfallversicherung mit steigender Versicherungssumme; die Versicherungssumme bemisst sich dabei nach den gezahlten Prämien und u.U. nach der angefallenen Überschussbeteiligung usw. Bei der Vereinbarung einer Beitragsrückgewähr

115

Eisenecker 26; Lauener 46 f.; Reiners 82 f.; Zollinger 31.

116

Eisenecker 27; vgl. Zollinger 26.

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für den Fall des Todes während des Rentenbezugszeitraums handelt es sich dagegen um eine Risikotodesfallversicherung mit fallender Versicherungssumme.117 Für die Übernahme des zusätzlichen Todesfallrisikos durch den VR hat der VN eine 109 entsprechende Prämie zu zahlen. Viele VR, die die Leibrentenversicherung betreiben, bieten auch die Beitragsrückge110 währ an. Versicherungen ohne Vereinbarung einer Beitragsrückgewähr beim Tode der Gefahrsperson während der Aufschubzeit werden selten abgeschlossen. Die Todesfallleistung entfällt jedoch gewöhnlich, wenn Witwen-, Witwer- und Waisenüberlebensleibrenten mitversichert sind.118 Ist eine solche Möglichkeit nicht gewollt, unterliegt die Beitragsrückgewähr nicht dem Pfändungsschutz. Da der VN gestorben ist, handelt es sich nicht um die Auszahlung einer Altersrente, es ist eine Todesleistung, die nach § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO in den Nachlass fallen muss.

111

(3) Garantierte Rentenlaufzeit. Bei Vereinbarung einer garantierten Rentenlaufzeit bei der Leibrentenversicherung kehrt der VR die Raten für die garantierte Zeit aus, wenn die Gefahrsperson den Fälligkeitstag der ersten Rentenzahlung erlebt. Das geschieht innerhalb der garantierten Rentenlaufzeit unabhängig vom Erleben der einzelnen späteren Rentenzahltage durch die Gefahrsperson.119 Die Rentenlaufzeiten betragen gewöhnlich 5, 10, 15 oder 20 Jahre, die auszuzahlenden Renten sind keine Altersrenten, da der VN bereits gestorben ist. Als Todesfallleistung fallen sie in den Nachlass des Versicherten und unterliegen nicht dem Pfändungsschutz des § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Darüber hinaus ist es möglich, dass sich der Berechtigte durch einen Kapitalbetrag in Höhe der noch ausstehenden garantierten Renten – nämlich in Höhe der um den Rechnungszinsfuß abgezinsten Rentensumme, verbunden mit einem Abzug – abfinden lässt. Auch die Rentengarantie ist nur bei einem vorzeitigen Tode der Gefahrsperson bedeutsam, also in den Fällen, in denen der VR die garantierte Mindestzahl der Renten noch nicht ausgezahlt hat. Die Rentengarantie wird dabei zumeist anstelle einer Beitragsrückgewähr vereinbart. Bei der rechtlichen Zuordnung ist zwischen der Leibrentenversicherung mit soforti112 gem Rentenbeginn und der Versicherung mit Aufschubzeit zu differenzieren. Die Versicherung mit sofortigem Rentenbeginn und garantierter Rentenlaufzeit stellt die Verbindung einer Zeitrentenversicherung120 in Höhe der Rentengarantie mit einer daran anschließenden einfachen Leibrentenversicherung dar.121 Die Leibrentenversicherung ist als Versicherung mit einer Aufschubzeit, die der Laufzeit der Zeitrentenversicherung entspricht, ausgestaltet. Eine Leibrentenversicherung mit Aufschubzeit, Beitragsrückgewähr bei Tod der Gefahrsperson in der Aufschubzeit und Rentengarantie ist demnach also eine doppelt aufgeschobene Leibrentenversicherung. Die Leibrentenversicherung mit Aufschubzeit und Rentengarantie lässt die Rentengarantie nur zum Tragen kommen, wenn die Gefahrsperson den ersten Fälligkeitstag für die Zeitrente erlebt. Der Zahlungsbeginn bei der Zeitrente ist somit vom Erleben der Gefahrsperson abhängig, die Versicherung ist insoweit als reine Erlebensfallzeitrentenversicherung einzuordnen.

117 118 119

Eisenecker 27 f.; vgl. auch Landré 204; Zollinger 24. Braa VerBAV 1979 126 f. Braa VerBAV 1979 126 f.; Eisenecker S. 28; Soergel/Winter 13 § 1587a BGB Rn. 222; Zollinger 32.

652

120 121

Vgl. dazu unten Rn. 153 ff. Eisenecker S. 29; Soergel/Winter 13 § 1587a BGB Rn. 222; Zollinger 12.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

Für den Fall, dass neben einer Rentengarantie als Zusatzversicherung eine Überlebens- 113 rente mitversichert ist, beginnt die Leistung der Überlebensrente erst nach dem Ablaufe der Rentengarantie.122 Von der Leibrentenversicherung mit Rentengarantie zu unterscheiden, aber gleich- 114 wohl ähnlich ist eine Leibrentenversicherung mit der Vereinbarung, dass beim Tode der Gefahrsperson nach dem Ende der Aufschubzeit die Rente weitergezahlt wird, bis die Gesamtsumme sämtlicher gezahlten Rentenbeträge die Gesamtsumme sämtlicher gezahlten Prämien erreicht.123 Auch hier ist die Verbindung einer Leibrente mit einer Zeitrente gegeben. Ähnlich auch wie bei der Beitragsrückgewähr beim Tode der Gefahrsperson im Rentenbezugszeitraum handelt es sich hier bei der Weiterzahlung der Rente trotz Todes der Gefahrsperson um eine Risikotodesfallversicherung mit fallender Versicherungssumme. Die Höhe der Versicherungssumme ergibt sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der schon ausgezahlten Renten und der Summe der gezahlten Prämien.124 ee) Leibrentenversicherung auf verbundene Leben. Bei dieser Versicherungsform hän- 115 gen die einzelnen Rentenleistungen vom Leben mehrerer Personen (wie beispielsweise vom Erleben des jeweiligen Rentenzahltages durch beide Ehepartner) ab, es gibt also zwei oder mehrere Gefahrspersonen. Dabei verhält es sich hier aber anders als bei den sog. Überlebensleibrenten- oder Anschlussleibrentenversicherungen, bei denen mehrere Personen für hintereinandergestaffelte Versicherungen Gefahrspersonen sind, bei der Leibrentenversicherung auf verbundene Leben sind zugleich und nebeneinander mehrere Personen versichert. Die Leibrentenversicherung auf verbundene Leben ist stets reine Erlebensfallversicherung, die Überlebensrentenversicherungen sind auch Todesfallversicherungen. Die Versicherung auf verbundene Leben genießt daher Pfändungsschutz nach § 851c ZPO. Bei der Leibrentenversicherung auf verbundene Leben beider Ehepartner sind beide 116 zugleich VN und Gefahrspersonen. Es findet sich allerdings auch die Form, dass nur ein Ehepartner VN ist, so dass die Versicherung im Hinblick auf den anderen Ehepartner eine Leibrentenversicherung mit fremder Gefahrsperson ist. Ist der Ehepartner in einem solchen Falle nicht auch zugleich VN, hat er nur dann einen anteiligen Rentenanspruch gegen den VR, wenn er insoweit als Bezugsberechtigter eingesetzt ist, hier greift § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Im Einzelnen finden sich hier mehrere Variationen: (1) Versicherung einer Verbindungsrente. Die Grundform der Leibrentenversicherung 117 auf verbundene Leben ist die Versicherung einer Verbindungsrente, hier sind mehrere Personen – wie beispielsweise Ehepartner – hinsichtlich der Leibrente Gefahrspersonen, und die Zahlung der Leibrente erfolgt solange, wie die verbundenen Personen sämtlich leben. Die Zahlung der Leibrente endet also mit dem Tode des Erstversterbenden der verbundenen Personen. Die Gefahrspersonen sind in der Regel auch VN und Rentenempfangsberechtigte.125 Sie unterliegen dem Pfändungsschutz nach § 851c ZPO. (2) Versicherung einer Verbindungsrente mit zweiseitigem Rentenübergang. Die Ver- 118 bindungsrente mit zweiseitigem Rentenübergang ist die am häufigsten gewählte Form der Leibrentenversicherung auf verbundene Leben und liegt vor, wenn der VR zur Weiter-

122 123 124

Braa VerBAV 1979 127. Schwartz 129. Eisenecker 30.

125

Dazu Eisenecker 32; Soergel/Winter 13 § 1587c BGB Rn. 223; Zollinger 33.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

zahlung der Rente an den überlebenden Ehepartner nach dem Tode des Erstversterbenden verpflichtet ist. Dabei kann die Fortzahlung der Leibrente in unverminderter oder herabgesetzter Höhe vorgesehen sein. Im wirtschaftlichen Ergebnis stellt die Versicherung einer Verbindungsrente mit zwei119 seitigem Rentenübergang den überlebenden Ehepartner ebenso wie eine Überlebensleibrentenversicherung. Rechtlich unterscheiden sich beide Versicherungsformen jedoch deutlich: Die Verbindungsrente mit zweiseitigem Rentenübergang ist eine reine Erlebensfallversicherung, beim Tode des erstversterbenden Ehepartners fällt lediglich eine Gefahrsperson fort, während der weiterlebende Ehepartner grundsätzlich auch rentenempfangsberechtigt ist, und zwar entweder als VN oder als Bezugsberechtigter. Auch die Rente des weiterlebenden Ehepartners unterfällt dem Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 ZPO, wenn er als Bezugsberechtigter eingesetzt wird, nach Abs. 1 Nr. 3. Demgegenüber ist die Überlebensleibrentenversicherung auch Todesfallversicherung.126

120

(3) Versicherung einer Verbindungsrente mit einseitigem Rentenübergang. Bei dieser Versicherungsform wird die Verbindungsrente nur an einen im Voraus bestimmten Ehepartner weitergezahlt und erlischt, wenn dieser zuerst verstirbt. Im Übrigen gleicht diese Ausgestaltung der Rentenversicherung der Verbindungsrente mit zweiseitigem Rentenübergange,127 sie genießt auch den Pfändungsschutz nach § 851c ZPO. ff) Überlebensleibrentenversicherung

121

(1) Grundsätzliches. Bei Überlebensleibrentenversicherungen wird vom VR nach dem Tode einer bestimmten Person, nämlich des Hauptversicherten, eine Leibrente auf das Leben einer bestimmten überlebenden Person des Nebenversicherten gezahlt. Die Überlebensleibrentenversicherung ist in gewisser Weise das Pendant zur Kapitalversicherung auf den Todesfall, der Versicherungsfall ist hier zum einen der Tod des Hauptversicherten und zum anderen das gleichzeitige und weitere Überleben des Nebenversicherten. Anders als bei der Leibrentenversicherung auf verbundene Leben sind Haupt- und Nebenversicherter hinsichtlich unterschiedlicher Risiken versichert. Stirbt der Nebenversicherte vor dem Hauptversicherten, so erlischt die Überlebensrentenversicherung. Die Person, auf deren Tod die Versicherung genommen ist, wird als Hauptversicherter 122 bezeichnet, da der Tod dieser Gefahrsperson die Voraussetzung dafür ist, dass die Leibrentenversicherung überhaupt wirksam werden kann. Die Gefahrsperson der nach dem Tode des Hauptversicherten einsetzenden Leibrentenversicherung wird als Nebenversicherter oder auch als Mitversicherter bezeichnet.128 Rechtlich ist die Überlebensleibrentenversicherung die Verbindung einer Todesfallver123 sicherung auf das Leben des Hauptversicherten mit einer Erlebensfallversicherung in Form einer Leibrentenversicherung auf das Leben des Nebenversicherten. Der VR schuldet aus der Todesfallversicherung – in Form einer Todesfallkapitalversicherung – beim Tode des Hauptversicherten die Bereitstellung des Barwertes für das Deckungskapital der Leibrentenversicherung auf des Leben des Nebenversicherten.129 Dabei steht die Todesfallversicherung unter der auflösenden Bedingung des Vorversterbens des Nebenversicherten, auf dessen Leben die mit der Todesfallversicherung begründete Leibrentenver-

126 127

Dazu Braa VerBAV 1979 127; Lauener 47; Zollinger 33. Eisenecker 33; Soergel/Winter 13 § 1587a BGB Rn. 223.

654

128 129

Braa VerBAV 1979 127, 129. Eisenecker 35; Traber 93 f.; Zollinger 33.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

sicherung läuft. Tritt nun der Versicherungsfall bei der Todesfallversicherung ein, so wird die Versicherungssumme nicht an einen Versicherten ausgezahlt, sondern sie wird als Einmalbeitrag für die verbundene, zu diesem Zeitpunkt rechtlich wirksam werdende Leibrentenversicherung auf das Leben des Nebenversicherten verwandt. Die Leibrentenversicherung steht dabei wiederum unter der aufschiebenden Bedingung des Todes des Hauptversicherten und insoweit des Überlebens des Nebenversicherten.130 Die Überlebensleibrentenversicherung gehört im weiteren Sinne zu den Lebensver- 124 sicherungen auf verbundene Leben, da die im Versicherungsfalle fällige Leistung durch das Leben oder Sterben mehrerer Personen bedingt ist. Es wird dabei auf den Tod einer und das Erleben einer anderen Person Bezug genommen, nur beide Ereignisse zusammengenommen lösen die Leistungspflicht des VR aus. Der VR kann aus den Prämien ein Deckungskapital für die beim Tode des Hauptver- 125 sicherten fällige Leistung (nämlich die Überlebensleibrente) bilden. Weil der Versicherungsfall in der Überlebensleibrentenversicherung aber dadurch bedingt ist, dass der Nebenversicherte noch lebt, wenn der Hauptversicherte stirbt, handelt es sich nicht um einen Versicherungsfall, der gewiss ist i.S.d. § 169 Abs. 1. Somit kann die Überlebensleibrentenversicherung auch als Risikoversicherung auf den Tod des Hauptversicherten betrieben werden, wie es beispielsweise bei Waisenleibrentenversicherungen geschieht.131 Eine Überlebensleibrentenversicherung findet sich dabei in mehreren Unterformen: (2) Einseitige Überlebensleibrentenversicherung. Hier ist der VR zur Zahlung der Über- 126 lebensleibrente nur verpflichtet, wenn eine bestimmte Person den Hauptversicherten überlebt, so muss bei Ehegatten z.B. die Ehefrau den Ehemann überleben. Wird eine derartige Versicherung von Ehegatten abgeschlossen, so soll damit nur ein bestimmter Ehepartner versorgt werden, überlebt in dem Beispiel also der Ehemann die Ehefrau, so besteht für den VR keine Leistungspflicht. Rechtlich kann die einseitige Überlebensleibrentenversicherung in zwei Ausgestaltun- 127 gen möglich sein. Bei der ersten Unterform ist der Hauptversicherte zugleich der VN, der Nebenversicherte erhält ein Bezugsrechts auf die beim Tode des Hauptversicherten fällige Versicherungsleistung, also auf die Renten aus der Überlebensleibrentenversicherung. Gefahrsperson hinsichtlich der erst nach dem Tode des Hauptversicherten wirksam werdenden Leibrentenversicherung ist der Nebenversicherte, es handelt sich insoweit also um eine Versicherung mit fremder Gefahrsperson.132 Das dem Nebenversicherten eingeräumte Bezugsrecht kann widerruflich oder unwiderruflich sein. Erhält der Nebenversicherte beim Vertragsschluss oder später kein unwiderrufliches Bezugsrecht auf die Leibrente eingeräumt, so wird das widerrufliche Bezugsrecht erst mit dem Tode des Hauptversicherten unwiderruflich. Das Bezugsrecht des Nebenversicherten ist bei einseitigen Überlebensleibrentenversicherungen nicht etwa der Natur der Sache nach unwiderruflich.133 Bei dieser Ausgestaltung der Überlebensleibrentenversicherung handelt es sich recht- 128 lich zunächst um eine Todeskapitalversicherung auf das Leben des VN, die hinsichtlich des Vorversterbens des Nebenversicherten auflösend bedingt ist. Verbunden ist die Todesfallversicherung mit einer durch den Eintritt des Versicherungsfalles in der Todesfallversicherung aufschiebend bedingten Leibrentenversicherung, die auf eine fremde Gefahrsperson, den Nebenversicherten läuft. Die Leibrentenversicherung wird durch einen Einmalbeitrag begründet, der aus der Versicherungssumme der Todesfallversicherung

130 131

Vgl. Lauener 47 f.; Reimers 85. Braa VerBAV 1979 91, 127; Traber 95 f.

132 133

Keller 11. Eisenecker 36 f.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

herrührt. Das Bezugsrecht des Nebenversicherten ist durch den Tod des Hauptversicherten und das damit verbundene Wirksamwerden der Leibrentenversicherung aufschiebend bedingt. Eine andere rechtliche Ausformung kann die einseitige Überlebensleibrentenversiche129 rung dadurch erfahren, dass der Nebenversicherte zugleich der VN ist. Das bedeutet, dass es sich bei der Todesfallversicherung auf das Leben des Hauptversicherten um eine Versicherung mit fremder Gefahrsperson handelt, nach § 150 Abs. 2 ist somit die schriftliche Einwilligung des Hauptversicherten erforderlich. Es bedarf hier nicht der Einräumung eines Bezugsrechts an den Nebenversicherten, im Übrigen gleicht die Versicherung in ihrer rechtlichen Konstruktion der zuvor erörterten Ausformung. Die einseitige Überlebensleibrentenversicherung in Gestalt der ersten Unterform emp130 fiehlt sich dabei nicht, um einer Überlebensleibrente Pfändungsschutz zuteil werden zu lassen. Als zunächst bestehende Kapitalversicherung unterfällt sie nicht § 851c ZPO, der bezugsberechtigte Nebenversicherte, der nicht VN ist, erfüllt später nicht die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO. Auch bei der zweiten Unterform ist die Hauptversicherung eine Kapitalversicherung und unterfällt damit nicht § 851c ZPO und es erscheint zweifelhaft, dass der Nebenversicherte, obwohl er zugleich VN ist, Pfändungsschutz nach Abs. 1 genießt. Hier empfiehlt sich, beide Versicherungen getrennt abzuschließen.

131

(3) Wechselseitige oder zweiseitige Überlebensleibrentenversicherung. Vor allem bei Ehegatten, aber auch sonst findet sich eine wechselseitige Überlebensleibrentenversicherung. Es handelt sich hierbei in aller Regel um eine Todesfallkapitalversicherung auf zwei verbundene Leben, aus der der VR im Versicherungsfalle die Leistung des Barwerts für das Deckungskapital einer mit dem Tode des Erstversterbenden wirksam werdenden Leibrentenversicherung auf die Person des überlebenden Ehepartners schuldet. Häufig sind die beiden Ehegatten zugleich VN, Hauptversicherte und alternativ Nebenversicherte, dabei handelt es sich in der Regel um einen einzigen Versicherungsvertrag, der in dieser Form ausgestaltet ist, und nicht etwa um zwei miteinander verbundene Versicherungsverträge.134 Rechtlich entspricht die wechselseitige Überlebensleibrentenversicherung damit der 132 einseitigen Überlebensleibrentenversicherung mit dem Hauptversicherten als VN. Allerdings ist hier das Bezugsrecht der Ehegatten der Natur der Sache nach unwiderruflich. Das ergibt sich zum einen aus dem Innenverhältnis der Eheleute, zum anderen aber auch aus der Wechselseitigkeit der Bezugsberechtigung, die einen Widerruf nur eines Bezugsrechts nicht zulässt.135 Die wechselseitige Überlebensleibrentenversicherung unter Eheleuten lässt sich aber 133 nicht nur mit beiden Eheleuten als VN, sondern auch mit einem Ehegatten allein als VN konstruieren. Der andere Ehepartner ist sodann für die Todesfallversicherung auf verbundene Leben und für die sich nach dem Tode des VN daran anschließende Leibrentenversicherung fremde Gefahrsperson. Im Hinblick auf die Todesfallversicherung bedeutet das, dass nach § 150 Abs. 2 eine schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson erforderlich ist. Die wechselseitige Überlebensleibrentenversicherung mit nur einem VN gleicht dabei in rechtlicher Sicht im Übrigen der einseitigen Überlebensleibrentenversicherung mit dem

134 135

Keller 19 ff. Eisenecker 38, zum Innenverhältnis im Einzelnen 103 ff.

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§ 167

Hauptversicherten als VN. Der andere Ehegatte – der also nicht als VN auftritt – hat einen Anspruch auf die nach dem Tode des VN fällig werdende Leibrente nur, wenn ihm ein entsprechendes Bezugsrecht eingeräumt worden ist. Nicht in der rechtlichen Ausgestaltung durch einen einheitlichen Vertrag, sondern nur 134 im praktischen Ergebnis eine wechselseitige Überlebensleibrentenversicherung ist folgende Konstellation: Beide Eheleute schließen einseitige Überlebensleibrentenversicherungen als VN und Hauptversicherte mit jeweils dem anderen Ehepartner als Nebenversichertem und Bezugsberechtigtem ab. Hier handelt es sich um zwei selbstständige Versicherungsverträge, die durch die Benennung des anderen Ehegatten als Nebenversicherten und Bezugsberechtigten aufeinander Bezug nehmen. Werden beide Verträge in dieser Form wechselseitig miteinander verknüpft, ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die wechselseitigen Benennungen als Nebenversicherter und Bezugsberechtigter miteinander in einem synallagmatischen Verhältnis stehen.136 Auch bei diesen Vertragskonstellationen kann Pfändungsschutz hinsichtlich der Über- 135 lebensleibrentenversicherung nicht erlangt werden, die Todesfallkapitalversicherung kann nicht unter § 851c ZPO fallen. Um Pfändungsschutz erlangen zu können, sind die einzelnen Verträge auch hier zu trennen. (4) Überlebensleibrentenversicherung in der Form einer Zusatzversicherung. Häufig 136 findet sich die Überlebensleibrentenversicherung nicht als eigenständiger Versicherungsvertrag, sondern als Zusatzversicherung zu einer Leibrentenversicherung auf das Leben des Hauptversicherten. Für den Fall, dass die Leibrentenversicherung auf das Leben des Hauptversicherten eine Rentengarantie enthält, beginnt die Überlebensleibrente an den überlebenden Ehegatten grundsätzlich erst mit dem Ablauf der Rentengarantiezeit. Hier verhält es sich mit dem Pfändungsschutz anders: Die Leibrentenversicherung auf 137 das Leben des Hauptversicherten kann dem Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO unterstellt werden, die Rentengarantie als Todesfallleistung wäre – auch angesichts ihrer beschränkten Dauer – vom Pfändungsschutz ausgeschlossen, die Überlebensleibrente an den überlebenden Ehegatten kann unter Abs. 1 Nr. 3 fallen. Da eine Überlebensleibrente erst nach dem Tode eines Ehepartners einsetzen soll, ist es allerdings durchaus denkbar, dass sie erst im hohen Alter ausgezahlt wird, so dass es als zweifelhaft erscheinen kann, ob der Schutzbereich des § 851c Abs. 1 ZPO noch betroffen ist. Das ist für eine Hinterbliebenenrente jedoch zu bejahen. Auch insoweit empfehlen sich aber Änderungen der vertraglichen Konstruktion. (5) Praxis und § 851c ZPO. In der Praxis kommen Überlebensleibrentenversicherun- 138 gen bislang vor allem in Form der Witwen- und Waisenzusatzversicherungen vor. Witwen- und Witwerrenten sind dabei lebenslängliche Leibrenten, Waisenrenten sind abgekürzte, bis zu einem bestimmten Lebensalter der Waisen zahlbare Leibrenten.137 Die Leibrente in Gestalt der Witwen- oder Witwerrente endet abredegemäß in den meisten Fällen bei der Wiederheirat des Nebenversicherten, hier gelangt dann eine einmalige Rentenabfindung beispielsweise in Höhe von drei Jahresrenten zur Auszahlung. Bei einer Witwenrentenversicherung als Zusatzversicherung zu einer Leibrentenver- 139 sicherung des Ehemannes wird häufig auf die der Person nach bekannte Ehefrau Bezug genommen, mitunter findet sich aber – insbes. dann, wenn der VN noch ledig ist – auch

136 137

Eisenecker 38 f. Braa VerBAV 1979 127; Eisenecker 39.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

eine bloße Bezugnahme auf die jeweilige beim Tode vorhandene Witwe. Hier ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Witwe nur als widerruflich Bezugsberechtigte eingesetzt ist. Es bedarf keiner Betonung, dass die Überlebensleibrentenversicherungen nicht nur bei 140 Ehegatten und im sonstigen familiären Umfeld, sondern auch darüber hinaus Verwendung finden können. In Zukunft dürfte auf die Pfändungsschutzvorschrift des § 851c ZPO stärker Rücksicht genommen werden.

141

gg) Pensionsrentenversicherung. Diese Versicherungsform ist eine umfassende Rentenversicherung, die eine Altersversorgung, eine Versorgung bei Berufsunfähigkeit und eine Hinterbliebenenversorgung beinhalten kann. Rechtlich handelt es sich hierbei um die Verbindung einer Altersleibrentenversicherung mit Zusatzversicherungen zur Versorgung für den Fall der Berufsunfähigkeit und von Hinterbliebenen.138 Eine einfache Form der Pensionsrentenversicherung ist die Leibrentenversicherung in Verbindung mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Der Versicherte erhält vom Erreichen der Altersgrenze ab eine Leibrente, kommt es zuvor zur Berufsunfähigkeit, so zahlt der VR eine entsprechende Rente und übernimmt die laufenden Prämien für die Leibrentenversicherung. Die Leibrente des VN ebenso wie Witwen- und Waisenzusatzversicherungen bei der Pensionsversicherung können Pfändungsschutz genießen.

142

hh) Fondsgebundene Rentenversicherung. Ebenso wie bei der Kapitalversicherung kann auch eine fondsgebundene Rentenversicherung angeboten werden. Hier hat der Versicherte keine Anwartschaft auf eine auf einen festen Geldbetrag laufende Rente, der VN erwirbt vielmehr Anteilseinheiten, die sich auf einen Anteil an einem aus bestimmten Investmentanteilen usw. bestehenden Fonds zum jeweiligen Kurswert beziehen. Die Höhe der Rente entspricht dem jeweiligen Kurswert der Anteilseinheiten. Hinsichtlich des Pfändungsschutzes ergeben sich für die fondsgebundene Rentenversicherung keine Besonderheiten. ii) Leibrentenversicherung mit Berechtigung zur Erhöhung der Rentenanwartschaft

143

(1) Grundsatz. Auch in der Leibrentenversicherung besteht die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag an die veränderte wirtschaftliche Entwicklung, die veränderte persönliche Einkommensentwicklung im Einzelfalle und z.B. auch eine etwaige Geldentwertung anzupassen. Die für die dynamischen Versicherungsformen usw. bei der Kapitalversicherung geltenden Grundsätze finden sich grundsätzlich auch in der Rentenversicherung.

144

(2) Dynamische Versicherungsformen. Leibrentenversicherungen mit Aufschubzeit und laufender Prämienzahlung können ohne weiteres als dynamische Versicherungen ausgestaltet werden, das gilt grundsätzlich auch für sämtliche hier gebräuchliche Zusatzversicherungen. Keine Dynamisierung kann naturgemäß bei der sofort beginnenden Leibrente gegen Einmalbeitrag erfolgen. In der Regel wird die laufende Anpassung bei Vertragsschluss vereinbart. Zulässig ist 145 jedoch auch eine nachträgliche Anpassungsvereinbarung, die sich dabei jedoch nur auf die künftige Aufschubzeit beziehen kann.

138

Vgl. zu allem Herde VerBAV 1975 342; Reiners 85.

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§ 167

Die im Rahmen der Anpassungsregelung entrichteten zusätzlichen Prämienanteile 146 werden versicherungstechnisch wie selbstständige Nachversicherungen gegen Einmalprämie behandelt. Somit besteht das Gesamtdeckungskapital einer dynamischen Rentenversicherung aus der Summe des Deckungskapitals der versicherten Anfangsrente und der Deckungskapitale der Erhöhungsrenten. Die Dynamisierung der Versicherung bezieht sich in ihrem Umfange zunächst und 147 unmittelbar nur auf die Beitragserhöhung, sie führt nicht auch zu einer entsprechend gleichen und parallelen Steigerung der Rentenanwartschaften in demselben Prozentsatz wie bei der Beitragssteigerung. Die Erhöhung der Rentenanwartschaften ist vielmehr umso niedriger, je kürzer die noch ausstehende Aufschubzeit ist. Auch dynamische Versicherungsformen können so ausgestaltet werden, dass die Pfändungsschutzvorschrift des § 851c ZPO anwendbar ist. (3) Stetig steigende und stetig fallende Renten. Unabhängig von einer Prämiensteige- 148 rung kann eine Leibrentenversicherung gleichwohl mit einer während des Rentenauszahlungszeitraums stetig steigenden Rente – z.B. um 5 % jährlich – abgeschlossen werden. Die Prämie für diese Rentenversicherung ist von vornherein in die zu zahlende Prämie eingerechnet. Es handelt sich bei der steigenden Rente um eine garantierte Versicherungsleistung, nicht etwa um eine Zahlung aus einer – notwendigerweise nicht garantierten – Überschussbeteiligung. Der VN kann sich durch die Vereinbarung einer derartigen steigenden Rente ein steigendes Einkommen verschaffen, beispielsweise um einer befürchteten inflationären Entwicklung vorzubeugen. Ebenso wie eine steigende Rente kann in der Leibrentenversicherung auch eine fallende Rente vereinbart werden, auch hier kann die Prämie während der Versicherungszeit gleich bleiben. Um den Pfändungsschutz nicht zu verlieren, müssen die Voraussetzungen des § 851c ZPO auch bei dieser Rentenversicherung gegeben sein. (4) Aufstockungsversicherung. Dem VN kann bei Leibrentenversicherungen mit Auf- 149 schubzeit die Möglichkeit eingeräumt werden, nach seinem Ermessen Zuzahlungen zu den laufenden Prämien bzw. zu der Einmalprämie zu leisten. Durch derartige Zuzahlungen wird auch die Rentenanwartschaft erhöht, die Zuzahlungen werden versicherungstechnisch wie Einmalbeiträge behandelt. Eine Versicherung mit dem Recht auf unregelmäßige Zuzahlungen wird als Auf- 150 stockungs-, Aufbau- oder Wandelversicherung bezeichnet. Sie ist insbes. für VN mit variierenden Einkünften bestimmt, die sich zu einer andauernd und gleich bleibend hohen Prämienzahlung nicht verpflichten können.139 Die Aufstockungsversicherung kann gleichfalls Pfändungsschutz genießen. (5) Leibrentenversicherung mit unbestimmter Verfallzeit. Bei dieser Versicherungs- 151 form wird bei Abschluss des Versicherungsvertrages kein fester Zeitpunkt für den Rentenbeginn bestimmt, der VN kann den Rentenbeginn nach seinem Belieben vielmehr erst während der Aufschubzeit festsetzen. Diese Modifikation findet sich insbes. auch bei Aufstockungsversicherungen. Bei Leibrentenversicherungen mit Beitragsrückgewähr findet sich auch die Möglichkeit, einen bei Vertragsschluss festgesetzten Zeitpunkt für den

139

Z.B. Künstler, Schausteller, Kleingewerbetreibende; vgl. auch Braa VerBAV 1979 128; Eisenecker 47, Reiners 85; Schwartz 128.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

Rentenbeginn abzuändern und ihn vorzuverlegen oder hinauszuschieben. Da von der Vorverlegung des Rentenbeginns insbes. Personen mit herabgesetzter Lebenserwartung Gebrauch machen dürften, besteht hier die Gefahr der Gegenauslese, der entsprechend entgegenzuwirken ist. Wird der Rentenbeginn bei der Leibrentenversicherung erst später festgesetzt, wird auch die Höhe der auszuzahlenden Rente anhand des gebildeten Deckungskapitals und der Rechnungsgrundlagen erst später bestimmt. Hinsichtlich des Pfändungsschutzes ist zu beachten, dass der Rentenbeginn nicht zu früh, aber auch nicht zu spät festgesetzt wird. b) Zeitrentenversicherung aa) Rechtliche Einordnung und Grundlagen

152

(1) Begriff der Zeitrente. Bei einer Zeitrente werden in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Geldleistungen erbracht, wobei die Dauer der Zahlung nicht vom Erleben des jeweiligen Rentenzahltages durch die Gefahrsperson, sondern allein vom Zeitablauf abhängt. Der Beginn der Zeitrentenzahlung ist ein bestimmtes ungewisses Ereignis (z.B. der Tod der vorversterbenden Person) oder ein bestimmter feststehender Tag, die Rente läuft sodann über einen vertraglich festgelegten Zeitraum hinweg. Anders als die Leibrente ist die Zeitrente unbedingt, also unabhängig von der Lebensdauer des Rentenberechtigten oder der Gefahrsperson zu leisten. Wenn der Rentenberechtigte vor dem Ablaufe dieses Zeitraums verstirbt, so geht die Rentenzahlung an den für diesen Fall eingesetzten Bezugsberechtigten oder an die Erben. Die Zeitrente ist also nicht erlebensfallabhängig und wird nicht lebenslang gewährt, ist also nicht geeignet als Rente i.S.d. § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO, wohl aber als Waisenrente i.S.v. Nr. 3.

153

(2) Versicherungsfall in der Zeitrentenversicherung. Da der Zeitraum der Rentenzahlung feststeht und die Zeitrente ohne Rücksicht darauf zu zahlen ist, ob die Gefahrsperson die einzelnen Rentenzahltage auch erlebt, steht spätestens ab Rentenbeginn fest, wie hoch die vom VR zu erbringende Leistung insgesamt sein wird. Insoweit besteht für den VR keine Ungewissheit mehr, die Fälligkeitstage der Rente sind daher für die Zeitrentenversicherung – anders als bei der Leibrentenversicherung – keine Versicherungsfälle. Der Versicherungsfall in der Zeitrentenversicherung ist allein das Ereignis, welches die dem Versicherungsvertrage immanente Ungewissheit beseitigt und für den Beginn der Rentenzahlung entscheidend ist: Das kann entweder der Tod einer vorversterbenden Person (z.B. des VN), das Erleben eines bestimmten Tages durch die Gefahrsperson oder beides sein. Anders als in der Leibrentenversicherung findet sich daher bei der Zeitrentenversicherung nur ein Versicherungsfall. Die Zeitrentenversicherung entspricht damit insoweit der Kapitalversicherung, die 154 gleichfalls nur einen Versicherungsfall kennt. Nur die Art der Leistungserbringung durch den VR macht diese Versicherung zur Rentenversicherung, die feststehende Versicherungssumme wird nicht in einem einmaligen Kapitalbetrage, sondern in Raten geleistet, der Kapitalbetrag wird bei der Zeitrentenversicherung mit anderen Worten verrentet.140

155

(3) Rechnungsgrundlagen. Die einzelnen Rentenbeträge, die der VR in der Zeitrentenversicherung leistet, bestehen aus dem Kapitalverzehr, dem Zins und den Überschussanteilen. Einen Heimfall wie bei der Leibrentenversicherung findet sich hier nicht, nachdem der Versicherungsfall eingetreten und mit der Rentenauszahlung begonnen ist. 140

Traber 34.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

(4) Arten der Zeitrentenversicherung. Auch die Zeitrentenversicherung findet sich in 156 mannigfaltigen Variationen, dabei finden sich – der Natur der Zeitrentenversicherung entsprechend – insbes. auch die bei der Kapitalversicherung existierenden Grundformen. Häufig werden Zeitrentenversicherungen auch in Verbindung mit anderen Formen der Rentenversicherung abgeschlossen, selbstständige Zeitrentenversicherungen sind weniger oft anzutreffen. Im Wesentlichen haben sich folgende Unterformen herausgebildet: bb) Zeitrentenversicherung auf den Erlebensfall. Als Erlebensfallversicherungen haben 157 die Zeitrentenversicherungen durchaus eine Bedeutung. Dabei wird die Zeitrente fällig, wenn die Gefahrsperson einen bestimmten Zeitpunkt, z.B. den Ablauf des 65. oder 60. Lebensjahres erlebt. Diese Form der Zeitrentenversicherung wird häufig als sog. Rentengarantie mit einer Leibrentenversicherung mit oder ohne Aufschubzeit verbunden.141 cc) Gemischte Zeitrentenversicherung. Die auch als Staffel- und Einkommensversiche- 158 rung bezeichnete gemischte Zeitrentenversicherung ist eine gemischte Lebensversicherung, bei der im Versicherungsfall – also entweder beim Erleben des Ablauftages (Eintritt in den Ruhestand, Aufnahme des Studiums durch ein Kind) oder beim zuvor eintretenden Tod der Gefahrsperson – eine Zeitrente gezahlt wird, deren Dauer und Höhe beim Vertragsschluss festgesetzt werden. Übliche Laufzeiten sind fünf Jahre oder mehr. Der Abschluss einer Zeitrentenversicherung anstelle einer gemischten Kapitallebensversicherung hat für den Versicherten den Vorteil, dass der VR mit dem noch nicht verrenteten Kapital weiterarbeitet und Zinsen usw. erwirtschaftet, die dem Versicherten u.a. auch im Wege der Überschussbeteiligung zugute kommen. dd) Termfixzeitrentenversicherung. Diese Versicherungsform entspricht weitgehend der 159 gemischten Zeitrentenversicherung, ein Unterschied besteht nur insoweit, als die Zeitrente in jedem Falle erst am Ablauftage (als festem Zeitpunkt) zu laufen beginnt. Wie bei der Termfixversicherung als Kapitalversicherung ist auch hier der Versicherungsfall entweder der Tod der Gefahrsperson oder das Erleben des vereinbarten Ablauftages. Wenn die Gefahrsperson stirbt und der Versicherungsfall damit eingetreten ist, so läuft die Versicherung bis zu dem festgesetzten Ablauftage prämienfrei weiter.142 ee) Überlebenszeitrentenversicherung (1) Grundsätzliches. Diese Versicherungsform findet sich insbes. als Witwen- und 160 Waisenrentenversicherung. Dabei handelt es sich in aller Regel um Risikotodesfallversicherungen, so dass die Beitragshöhe im Vergleich zu den zuvor erörterten kapitalbildenden Versicherungen relativ niedrig ist. Zur Bildung eines Deckungskapitals durch den VR kommt es also erst, wenn der Versicherungsfall (Tod des VN) eintritt und damit die Zahlungsverpflichtung des VR feststeht. Im Übrigen wird ein Deckungskapital bei der Überlebenszeitrentenversicherung als Risikoversicherung nur gebildet, wenn es sich um eine Versicherung gegen Einmalbeitrag handelt oder wenn die Prämienzahlungsdauer gegenüber der materiellen Versicherungsdauer abgekürzt ist. Hier findet das aus den gezahlten Prämien gebildete Deckungskapital jedoch nicht zur Zahlung der Renten, sondern zur Finanzierung der laufend benötigten Risikoprämien Verwendung. Die Überlebenszeitrentenversicherung wird zumeist auf eine nur begrenzte Versicherungsdauer von fünf, zehn oder fünfzehn Jahren abgeschlossen. Versicherungsfall ist stets der Tod der Gefahrsper-

141

Eisenecker 53.

142

Vgl. BGH 11.2.1953 BGHZ 9 34, 48.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

son. Als Waisenrente kann sie i.S.v. § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingesetzt werden, nicht aber als Witwenrente, bei der es sich um eine Leibrente handeln muss. In der Praxis kommt die Überlebenszeitrentenversicherung insbes. in zwei Arten vor:

161

(2) Überlebenszeitrentenversicherung mit gleich bleibender Versicherungsleistung. Bei dieser Versicherungsform zahlt der VR vom Tode der Gefahrsperson ab eine Zeitrente, deren Dauer und Höhe bei Vertragsschluss festgesetzt worden sind. Die Höhe der Leistungsverpflichtung des VR ist für die gesamte Vertragssumme konstant, wobei unerheblich ist, wann der Versicherungsfall während der Laufzeit des Vertrages eintritt: Auch wenn sich der Versicherungsfall am letzten Tage der Laufzeit ereignet, bleibt die Rentenzahlungsdauer gleich. Das wäre für eine Waisenrente nicht erforderlich. Die Versicherung basiert also auf einer Risikotodesfallversicherung mit gleich bleibender Versicherungssumme.143

162

(3) Überlebenszeitrentenversicherung mit fallender Versicherungsleistung. Bei dieser Unterform der Überlebenszeitrentenversicherung ist nicht nur entscheidend, ob der Versicherungsfall während der Versicherungszeit eintritt, denn mit dem Ende der Versicherungszeit endet auch die Rentenzahlung. Die Anzahl der möglicherweise zu erbringenden Rentenzahlungen richtet sich somit nach dem bis zum Ende der Versicherung noch verbleibenden Zeitraum – das wäre für eine Waisenrente typisch. Der Versicherung liegt also eine Risikotodesfallversicherung mit fallender Versicherungssumme zugrunde.144 ff) Kombinationen und sonstige Erscheinungsformen der Zeitrentenversicherung

163

(1) Familienvorsorgeversicherung. Diese Versicherungsform ist eine Kombination von mehreren Todesfall- oder Erlebensfallkapitalversicherungen mit einer Zeitrentenversicherung. Grundlage der Versicherung ist eine Termfixkapitalversicherung, mit der eine Überlebenszeitrentenversicherung verbunden wird, hinzutreten kann auch eine Risikotodesfallkapitalversicherung oder eine gemischte Kapitalversicherung. Stirbt die Gefahrsperson, der Versorger der Familie vor dem Erlebensfalltage der Kapitalversicherung, erhalten die Hinterbliebenen jährlich bis zur Fälligkeit der Termfixversicherung eine Zeitrente in Höhe von 10–15 % der für diese Versicherung vereinbarten Versicherungssumme. Wird eine Risikotodesfallversicherung usw. eingeschlossen, erfolgt beim Eintritt des Versicherungsfalles zusätzlich die Auszahlung des bei dieser Versicherung vereinbarten Kapitalbetrages.145 Eine solche Zeitrente kann unter den Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO fallen, wenn die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind.

164

(2) Familienversicherung mit einer Termfixzeitrentenversicherung. Hier erfolgt im Unterschied zu der Familienvorsorgeversicherung die Zahlung der Zeitrente ab einem festgesetzten Zeitpunkt, und zwar unabhängig davon, ob es zum Tode des Ernährers kommt oder nicht. Die Zahlung der Zeitrente erfolgt also in jedem Fall. Im Übrigen entspricht diese Versicherungskombination der Familienvorsorgeversicherung.146

165

(3) Ausbildungs-, Studienfinanzierungs- und Aussteuerversicherung. Bei dieser Versicherung handelt es sich um eine Terminfixversicherung mit Zahlung eines Kapitalbetrages am Ablauftage oder einer Zeitrente vom Ablauftage an. Diese Versicherung soll ins-

143 144

Eisenecker 56. Traber 80 f.

662

145 146

Eisenecker 57 f. Traber 83.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

bes. zur Finanzierung eines Studiums usw. dienen, die Versicherungsleistung ist jedoch nicht zweckgebunden.147 Auch hier ist an eine Waisenrente i.S.d. § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu denken. (4) Zeitrentenversicherung als Beitragsrückgewähr. In Verbindung mit anderen Ver- 166 sicherungen, z.B. bei der Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr, kann eine Beitragsrückgewähr in Gestalt einer Zeitrente vereinbart werden.148 6. Umtauschrentenversicherung Schon seit langem sind Kapitalversicherungen mit einem Rentenwahlrecht ausgestat- 167 tet, von dem der Berechtigte Gebrauch machen kann, wenn es ihm nicht darauf ankommt, für seine Rentenversicherung Pfändungsschutz zu erlangen und den Weg über § 167 zu wählen. Eine solche Umtauschrentenversicherung entsteht also aus einer vorangegangenen Kapitalversicherung, während die Umwandlung nach § 167 Satz 1 auch möglich ist, wenn ihr schon eine Rentenversicherung zugrunde liegt. Bei der Umtauschrentenversicherung ist es gleichfalls unerheblich, welche Form der Kapitalversicherung mit einem Rentenwahlrecht ausgestattet wurde, eine Todesfallversicherung, eine Erlebensfallversicherung kommt ebenso in Betracht wie eine gemischte Lebensversicherung oder eine Termfixversicherung. Übt der Berechtigte sein Rentenwahlrecht aus, so kommt auch hier rechtlich ein Rentenversicherungsvertrag gegen Einmalbeitrag zustande. Zu unterscheiden ist dabei zwischen einer Umtauschleibrentenversicherung und einer Umtauschzeitrentenversicherung; da sich die Parteien nicht an § 851c Abs. 1 ZPO orientieren müssen, kann die nähere Ausgestaltung der Rentenversicherung noch variantenreicher sein als bei der Umwandlung nach § 167 Satz 1. Die individuelle Situation des VN kann noch besser Berücksichtigung finden. a) Umtauschleibrentenversicherung aa) Rechtliche Einordnung. Das Leibrentenwahlrecht ist Bestandteil des Kapitalver- 168 sicherungsvertrages, die Ausübung des Wahlrechts steht dem VN, dem unwiderruflich Bezugsberechtigten, dem Erben oder einem sonst aus der Kapitalversicherung Berechtigten zu. Bei dem Leibrentenwahlrecht handelt es sich jedoch nicht um das Recht, i.S.d. §§ 262, 263 BGB wahlweise die Auskehrung der Versicherungsleistung als Kapitalbetrag oder als Rente zu verlangen. Durch die Ausübung des Rentenwahlrechts kommt vielmehr ein an die Kapitalversicherung anschließender neuer Lebensversicherungsvertrag in der Form einer Leibrentenversicherung gegen Einmalprämie zustande. Rechtlich ist die Wahlrechtsklausel ein den VR bindendes Angebot i.S.v. § 145 BGB auf Abschluss eines sich an die Kapitalversicherung anschließenden Leibrentenversicherungsvertrages, wobei die Versicherungssumme aus der Kapitalversicherung als Einmalbeitrag für den Rentenversicherungsvertrag Verwendung finden soll. Durch die Ausübung des Wahlrechts wird das Angebot angenommen, Versicherungsbeginn für die Leibrentenversicherung ist der Versicherungsfall in der Kapitalversicherung.149 Dieser Art des Zustandekommens der Leibrentenversicherung entspricht es, dass in 169 aller Regel für den Rentenversicherungsvertrag der zur Zeit der Umwandlung gültige Tarif maßgebend ist und nicht etwa der Tarif, der zur Zeit des Abschlusses der Kapital-

147 148

Traber 84. Eisenecker 59.

149

Vgl. zu allem Braa VerBAV 1979 85 f.

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663

§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

versicherung galt. Der Leibrentenversicherungsvertrag hat häufig – das hängt im Einzelnen von der Form der zugrunde liegenden Kapitalversicherung ab – eine andere Gefahrsperson als der Kapitalversicherungsvertrag, es ändert sich auch im Übrigen das von dem VR zu tragende Risiko, denn es ist nunmehr ungewiss, wie viele Ratenzahlungen die Gefahrsperson erleben wird.150 Die Kapitalversicherung und die sich anschließende Umtauschleibrentenversicherung 170 sind aber keine rechtlich gänzlich voneinander getrennten Verträge, sie beziehen sich aufeinander, was insbes. auch in der Wahlrechtsbestimmung zum Ausdruck gelangt. Die Umtauschleibrentenversicherung ist zu unterscheiden von der Verrentung eines 171 zur Auszahlung bereitgestellten Kapitalbetrages aus einer Kapitalversicherung. Denn eine Verrentung ist erlebensunabhängig und hat nur die ratenweise Auszahlung eines bestimmten Kapitalbetrages bis zu dessen Aufzehrung zum Gegenstand. Im Einzelnen finden sich folgende Formen der Umtauschleibrentenversicherung:

172

bb) Umtauschleibrentenversicherung mit sofortigem Rentenbeginn. Angesichts der Entstehungsweise der Umtauschleibrentenversicherung ist die Versicherung mit Rentenbeginn ab Fälligkeit der Versicherungssumme aus der Kapitalversicherung naturgemäß am stärksten verbreitet. Sie entspricht der Leibrentenversicherung gegen Einmalbeitrag mit sofortigem Rentenbeginn, zwischen beiden Versicherungsformen besteht im Wesentlichen nur ein geringfügiger Unterschied: Bei der Leibrentenversicherung gegen Einmalbeitrag mit sofortigem Rentenbeginn fallen der Versicherungsbeginn und die erste Rentenzahlung um eine Rentenzahlungsperiode auseinander, während der Versicherungsbeginn und die erste Rentenzahlung bei der Umtauschleibrentenversicherung, bei der der Rentenberechtigte die Zahlung der ersten Rente zu dem Zeitpunkt erwartet, an dem die Kapitalsumme fällig gewesen wäre, zusammenfallen.151

173

cc) Umtauschleibrentenversicherung mit Todesfallleistungen. Nicht anders als bei eigenständigen Leibrentenversicherungen findet sich auch bei der Umtauschleibrentenversicherung die Mitversicherung von Todesfallleistungen (Beitragsrückgewähr, garantierte Rentenlaufzeit, u.U. Rentenabfindung).152

174

dd) Umtauschleibrentenversicherung mit Aufschubzeit. Bei dieser Form der Umtauschleibrentenversicherung wird zwar die Leibrentenversicherung ab Fälligkeit des Kapitalbetrages aus der Kapitallebensversicherung wirksam, die Versicherung führt jedoch erst von einem späteren Zeitpunkte ab zur Rentenzahlung. Eine derartige Vereinbarung findet sich beispielsweise bei einer Ausbildungsversicherung, bei der dem VN die Möglichkeit eingeräumt worden ist, die Kapitalversicherung in eine Leibrentenversicherung in der Weise umzuwandeln, dass die Leibrente gestreckt und über einen längeren Lebensabschnitt hin zur Auszahlung gelangen soll.

175

b) Umtauschzeitrentenversicherung. Eine Kapitalversicherung kann nicht nur mit einem Leibrentenwahlrecht, sondern auch mit einem Zeitrentenwahlrecht versehen sein. Anders als beim Leibrentenwahlrecht erfolgt bei der Ausübung des Zeitrentenwahlrechts jedoch keine gänzliche Umgestaltung des Versicherungsvertrages. Die Umwandlung der Kapitalversicherung in eine Zeitrentenversicherung ist wegen der Nähe der Zeitrenten-

150 151

Eisenecker S. 93; Reiners 80. Eisenecker 94.

664

152

Näheres bei Eisenecker 94; vgl. auch Braa VerBAV 1979 85.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

versicherung zur Kapitalversicherung ohne tiefgreifende Veränderungen des Versicherungsvertrages möglich, da sich die Zeitrentenversicherung von der Kapitalversicherung nur durch ratenweise Leistungserbringung unterscheidet. Macht der Berechtigte von seinem Zeitrentenwahlrecht Gebrauch, so ändert sich lediglich die Art der Leistungserbringung, der VR leistet die feststehende Versicherungssumme lediglich in Raten. Dabei hat der VR den jeweils noch nicht verrenteten Teil der Versicherungssumme entsprechend zu verzinsen. Sämtliche sonstigen Modalitäten der Kapitalversicherung bleiben bei der Ausübung des Wahlrechts unverändert, der Berechtigte kann für den Rentenbeginn jedoch einen späteren Zeitpunkt festsetzen als den der Fälligkeit des Kapitalbetrages.153

VI. Keine Anfechtung nach §§ 130 ff. InsO Mit Hilfe einer Umwandlung kann der VN seine Altersvorsorgeversicherung in Höhe 176 des sich aus § 851c ZPO ergebenden Betrages vor einem unmittelbaren Zugriff seiner Gläubiger schützen. Das kann – insbes. auch im Falle einer Insolvenz – für den VN, aber auch seine Gläubiger von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Die Möglichkeit einer Anfechtung nach §§ 130 ff. InsO ist jedoch abzulehnen. Das Umwandlungsrecht des VN ist in der Absicht geschaffen worden, den VN beim Aufbau seiner Altersversorgung zu schützen. Indem er die Umwandlung verlangt, macht er von der Möglichkeit des § 167 in einer Weise Gebrauch, wie es vom Gesetzgeber beabsichtigt und wie es durch die Vorschrift des §167 abgedeckt ist. Mit Hilfe dieser gesetzlichen Regelung soll der VN als Schuldner die Möglichkeit besitzen, das für die Altersvorsorge gedachte Vermögen dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Altersvorsorge und Gemeinwohlinteresse haben damit Vorrang vor den Gläubigerinteressen. Problematisch ist allerdings, ob ein über viele Jahre hinweg angespartes Deckungs- 177 kapital dem Deckungskapital, das aufgrund einer Einmalprämie geschaffen worden ist, gleichzustellen ist. Das gilt insbes. auch für die Fälle, in denen der VN/Schuldner die Jahre zuvor keine Anstalten gemacht hat, eine Altersvorsorge anzustreben, die zur Verfügung stehenden Mittel auch als Kreditsicherungsmittel eingesetzt hat und erst, als sich eine drohende Zahlungsunfähigkeit abzeichnete, einen kapitalbildenden Rentenversicherungsvertrag schloss, die höchstmögliche Einmalprämie zahlte und diesen Betrag seinen Gläubigern entzog. Ein Vertragsschluss kurz vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mag darauf hindeuten, dass der VN insbes. beabsichtigt, seine finanziellen Mittel seinen Gläubigern vorzuenthalten. Andererseits hat der Schuldner seine finanziellen Mittel vielleicht gänzlich für seine geschäftlichen Aktivitäten nutzen wollen, er kann daher bewusst auf den Aufbau einer Altersversorgung verzichtet haben, um sie später – legal – nachholen zu können. In solchen Fällen kann es schwerfallen, in dem kurzfristigen Aufbau einer Altersversorgung eine nicht hinzunehmende Vermögensverschiebung zu sehen. Der kurzfristige Abschluss einer Lebensversicherung, die Schaffung des Deckungskapitals durch Zahlung einer Einmalprämie und die sich daran anschließende Umwandlung der Versicherung kann jedenfalls nicht ohne weiteres und in aller Regel zu einer Anfechtung beispielsweise nach §§ 132, 133 InsO führen. Eine Anfechtung kann nur zulässig sein, wenn von einem sittenwidrigen Verhalten des VN/Schuldners auszugehen ist.154

153

154

Eisenecker 98f; Traber S. 71. Näheres zur Umtauschversicherung bei Bruck/Möller/ Winter § 163 Rn. 81 ff. Zu allem Flitsch ZVI 2007 161, 165; Hen-

ning Verbraucherinsolvenz aktuell 2009 17 ff.; Kemperdick ZInsO 2009 20099, 2100; Smid FPR 2007 443, 446; Wimmer ZInsO 2007 281, 285; Wollmann S. 319 ff.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

VII. Keine Umwandlung nach Beginn der Vollstreckungsmaßnahmen 178

Könnte der VN auch nach Beginn der Vollstreckungsmaßnahmen die Umwandlung verlangen, könnte er den Lebensversicherungsvertrag länger zu anderen Zwecken – u.a. auch zur Kreditbesicherung – nutzen und auf diese Weise einer finanziellen Notlage begegnen.155 Ein solches Vorgehen wollte der Gesetzgeber nicht ermöglichen. Ist die Lebensversicherung gepfändet, so ist die volle Verfügungsbefugnis des VN nicht mehr gegeben und er kann keine Umwandlung mehr beantragen. Das Befriedigungsinteresse des Gläubigers darf durch den Pfändungsschutz nur beschränkt werden, wenn der Lebensversicherungsvertrag nur zur Altersvorsorge und nicht auch hinsichtlich anderer Zwecke Verwendung findet.156

VIII. Umfang des Pfändungsschutzes 179

Zur Reichweite des Pfändungsschutzes vgl. im Einzelnen oben Rn. 12–52, problematisch ist auch hier der Pfändungsschutz, den das Deckungskapital genießt, wenn es im Wesentlichen auf der Zahlung einer Einmalprämie beruht. Der Schutz des Deckungskapitals richtet sich nach § 851c Abs. 2 ZPO, wonach ein VN/Schuldner – gestaffelt nach seinem Lebensalter – „jährlich einen bestimmten Betrag unpfändbar“ bis zu einer bestimmten Gesamtsumme ansammeln darf. Wollte man diese Formulierung wörtlich nehmen, würden neu abgeschlossene Lebensversicherungsverträge gegen Einmalprämie im ersten Jahr lediglich in Höhe des Jahresbeitrages geschützt. Erst in den darauf folgenden Jahren würde sich der pfändungsgeschützte Betrag allmählich erhöhen.157 Das würde zugleich bedeuten, dass die Beiträge, die der VN beispielsweise in den 15 Jahren vor Vertragsschluss mit Hilfe eines Lebensversicherungsvertrages hätte ansparen können, jedoch nicht angespart hat, bei der pfändungsgeschützten Altersvorsorge nicht mehr berücksichtigt werden können. Das erscheint mit Blick auf Sinn und Zweck der Normen der §§ 851c ZPO, 167 Satz 1 als nicht sachgerecht, insbes. mit Blick darauf, dass es für Altverträge vor 2007 noch nicht möglich war, eine pfändungsgeschützte Altersversorgung aufzubauen. Gerade auch hinsichtlich der Altverträge kann nicht davon ausgegangen werden, dass der VN sich bewusst zunächst keine ausreichende Altersvorsorge aufbauen wollte, zumal der Anreiz des Pfändungsschutzes noch nicht bestand.158 Daher ist der Praxis der Lebensversicherung beizupflichten, von einem Pfändungsschutz in Höhe des maximal nach § 851c Abs. 2 ZPO möglichen Betrages auszugehen, wobei als unerheblich angesehen wird, ob der Betrag zuvor jährlich angespart oder im Wege einer Einmalprämie geleistet wird.159

IX. Kostentragung 180

Nach § 167 Satz 2 hat der VN die Kosten der Umwandlung zu tragen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der VR die Kosten für die einzelne Umwandlung ermittelt und festsetzt. Es genügt die Berechnung einer angemessenen Pauschale.

155 156 157

Hasse VersR 2004 958, 964. Wollmann 317 f. Z.B. Flitsch ZVI 2007 161, 165.

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158 159

A.M. Wollmann 318 ff. Henning Verbraucherinsolvenz aktuell 2009 17, 19.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

D. Abdingbarkeit § 167 ist halbzwingend (vgl. § 171 Satz 1). Zur Problematik eines Schrift- oder Text- 181 formerfordernisses vgl. § 167 Rn. 86.

E. Anhang: Riester- und Rürup-Verträge I. Altersvorsorgeverträge nach dem AltZertG (Riester-Verträge in Gestalt einer klassischen Rentenversicherung, einer fondsgebundenen Rentenversicherung und von Kapitalisierungsgeschäften)160 1. Grundsätzliches Ein Überblick findet sich in Bruck/Möller/Winter Einführung Rn. 67 vor §§ 150–171 182 sowie oben in § 167 Rn. 12 ff., auch zum Pfändungsschutz nach § 851d ZPO. Die RiesterVerträge zeichnen sich – ebenso wie die Rürup-Verträge – dadurch aus, dass die Versicherungsleistungen im Alter auf vorheriger Ersparnisbildung beruhen, dass der Abschluss der Verträge freiwillig ist und dass sie ein möglichst sicheres lebenslanges Einkommen gewährleisten sollen. Der VR muss zum Beginn des Auszahlungszeitpunkts zumindest die Summe der geleisteten Beiträge garantieren. Das Kapital, das sich in einem Riester-Vertrag angesammelt hat, bleibt bei längerer Arbeitslosigkeit bei der Anrechnung von Vermögen unberücksichtigt. Es bleibt auch pfändungssicher, § 851d ZPO. Die staatlichen Zulagen und steuerlichen Begünstigungen als Anreiz für die Ersparnisbildung sollen nur für solche Produkte gewährt werden, bei denen sicher ist, dass sie diesem Zweck auch wirklich dienen. Bei dem AltZertG handelt es sich nicht um eine Produktregulierung, sondern vielmehr eine gesetzliche Regelung, mit der die Möglichkeiten einer Steuervergünstigung geschaffen und begrenzt werden. Bei der Ausgestaltung der steuerlichen Vergünstigungen steht dem Gesetzgeber ein größerer Spielraum zur Verfügung als bei Eingriffen in die unternehmerische Freiheit bei der Produktgestaltung. Die Zertifizierung erfolgt durch die BaFin, die Zertifizierungsstelle ist damit keine selbstständige Behörde, sondern Teil der BaFin. Die GDV-Musterbedingungen Riester-Rente sind an die inzwischen erfolgten Novel- 183 lierungen des AltZertG ebenso angepasst worden wie an die VVG-Reform.

160

Schrifttum: Blomeyer Die „Riester-Rente“ nach dem Altersvermögensgesetz (AVmG), NZA 2001 913; Baroch Castellví VVG und AltZertG – eine gelungene Symbiose oder rechtssystematischer Sündenfall? Eine Analyse der vertragsrechtlichen Konkurrenzen von VVG und AltZertG, FSWälder (2009), S. 3; Datz Private Altersvorsorge am Beispiel der „Riester-Rente“ – Darstellung und kritische Würdigung aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive (2003); Dautzenberg/ Rinker Europarechtliche Bedenken bei der „Riester-Rente“? BB 2002 1945; Furtmeyer Das neue Altersvermögensgesetz (2002); Hasse Zur Lebensversicherung für fremde Rechnung – Rechtliche Zulässigkeit und „versichertes Interesse“ im Bereich der

Lebensversicherung, VersR 2010 837; Lauth/Präve/Schwark/Wagner/Landwehr/ Schlingloff Altersvermögensgesetz – Materialien und Erläuterungen zur neuen Förderung (2002); Präve Das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG), VW 2001 796; Prahl Zum Altersvorsorgevertrag im Recht der Lebensversicherung, NVersZ 2002 541; Risthaus Schlussanträge des Generalanwalts in dem Vertragsverletzungsverfahren zur „Riesterrente“, DB 2009 931; Tietze Zertifizierung von Finanzdienstleistungen für die Altersvorsorge (2002); Wellisch/Nath Die Nachteile der Riestergeförderten betrieblichen Altersvorsorge – Oder: Warum werden Riester-Verträge nicht angenommen? BB 2003 333.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

2. Zertifizierung

184

Die Altersvorsorgeverträge in Gestalt der Riester-Rente haben nach den AltZertG bestimmten inhaltlichen Anforderungen zu genügen, um als förderungsfähig anerkannt zu werden. Bei der Überprüfung im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens ist es unerheblich, ob der Altersvorsorgevertrag „wirtschaftlich tragfähig“ ist und die Ausgestaltung des Vertrages den versicherungs- und bürgerlichrechtlichen zwingenden oder halbzwingenden Normen entspricht.161 Eine solche Überprüfung außerhalb des Zertifizierungsverfahrens kann Aufgabe der BaFin sein, die ihre Kompetenzen, wie sie sich aus dem VAG ergeben, allerdings nicht überschreiten darf und das Subsidiaritätsprinzip zu beachten hat.162 Auch insoweit darf es zu keiner Vorabgenehmigung der Versicherungsbedingungen kommen. 3. Steuerliche Vergünstigungen, zulageberechtigte Personen

185 186

187 188 189

Die steuerliche Förderung besteht zum einem aus der Altersvorsorgezulage nach Abschnitt XI EStG, zum anderen aus dem Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG (finanzbehördliche Günstigerprüfung). Zu den zulageberechtigten Personen nach § 10a Abs. 1 Satz1 EStG gehören rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer, rentenversicherungspflichtige Selbstständige, Kindererziehende (maximal für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes), Bezieher von Arbeitslosengeld, Bezieher von Krankengeld, geringfügig Beschäftigte bei Verzicht auf die die Versicherungsfreiheit, Bezieher von Vorruhestandsgeld (sofern sie zuvor pflichtversichert waren), Beamte, Richter und Amtsträger, Ehepartner sämtlicher Zulageberechtigten. Nicht anspruchsberechtigt sind u.a. nicht rentenversicherungspflichtige Selbstständige, Pflichtversicherte in Einrichtungen der berufsständischen Versorgung, Altersrentner, Studenten, die nicht rentenversicherungspflichtig sind.163 Die ab 2009 für Einkünfte aus Kapitalvermögen zu zahlende Abgeltungssteuer in Höhe von 25 % ist bei der Riester-Rente nicht anwendbar. Bei dem Empfänger einer RiesterRente erfolgt die Besteuerung nach dem individuellen Steuersatz, § 20 Nr. 5 EStG. Nach § 232 Nr. 5 Satz 5 EStG hat der VR dem Steuerpflichtigen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck den Gesamtbetrag der im abgelaufenen Jahr ausgezahlten Rentenleistungen gesondert mitzuteilen. Soweit die Ausgestaltung der Riester-Rente gegen das Freizügigkeitsrecht im Rahmen der EU verstößt,164 ist darauf Rücksicht zu nehmen. 4. Altersvorsorgevertrag

190

Der Altersvorsorgevertrag ist ein Vertrag über eine kapitalgedeckte Altersvorsorge. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus § 1 AltZertG. Danach liegt ein solcher Vertrag vor, wenn zwischen dem VR und dem VN eine Vereinbarung geschlossen wird, die monatliche Leistungen in Gestalt einer lebenslangen Rente – die nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres gezahlt werden darf – oder Rentenzahlungen im Rahmen eines Auszahlungsplans mit einer anschließenden Teilkapitalverrentung ab dem 85. Lebensjahr vor-

161 162 163

Prahl NVersZ 2002 541. Winter Versicherungsaufsichtsrecht, 647 ff. Sie sind teilweise im Rahmen der Rürup-

668

164

Rente anspruchsberechtigt, vgl. unten § 167 Rn. 205. EuGH 10.9.2009 EuZW 2009 743.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

sieht. Dabei müssen die Rentenleistungen während der gesamten Auszahlungsphase gleich bleiben oder steigen. Bis zu 30 % des zu Beginn der Auszahlungsphase zur Verfügung stehenden Kapitals können dem VN außerhalb der monatlichen Leistungen gezahlt werden. Auch wenn der Altersvorsorgevertrag verschiedene Teilleistungen aufweist, dürfen sie grundsätzlich nicht durch Dritte erbracht werden. Denn der Altersvorsorgevertrag ist nur als einheitlicher Vertrag denkbar, der die Leistungen und die Gegenleistungen abschließend regelt.165 Angesichts der weiten Auslegung, die § 7 Abs. 2 VAG erfährt, ergeben sich insoweit keine Bedenken.166 5. Geschlechtsunabhängige Prämiengestaltung Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AltZertG muss die Altersversorgung – seit 2006 – unab- 191 hängig vom Geschlecht berechnet sein. 6. Ansatz der Abschluss- und Vertriebskosten Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AltZertG sind – seit 2004 – die in Ansatz gebrachten 192 Abschluss- und Vertriebskosten über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren in gleichmäßigen Jahresbeiträgen zu verteilen, soweit sie nicht als Vomhundertsatz von den Altersvorsorgebeiträgen abgezogen werden. Damit setzt sich das Gesetz über das aufsichtsrechtlich zulässige Zillmerverfahren hinweg. Anders als nach § 169 Abs. 3 Satz 1 gilt die Verteilung der Kosten auf die ersten fünf Jahre nicht nur für den Fall der Kündigung eines kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrages, sondern generell für RiesterVerträge, auch wenn sie nicht innerhalb der ersten fünf Jahre storniert werden. 7. Kein ordentliches Kündigungsrecht des Versicherers, Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers Das AltZertG geht davon aus, dass der Riester-Vertrag bis zum Tode des VN an- 193 dauert und eine „lebenslange“ Rentenzahlung sicherstellt.167 Damit handelt es sich um einen Lebensversicherungsvertrag, der auf einen bestimmten Endtermin eingegangen ist, eine Zeitversicherung.168 § 11 Abs. 2 ist bei einer lebenslangen Rentenversicherung daher nicht anwendbar.169 Da für die VR-Leistung garantierte Beträge vereinbart werden und die laufenden Prämien gleichbleibend sein sollen, bedarf es für die Kalkulation – trotz der vorsichtigen Ansätze – eines zuvor festgelegten Zeitraums. Könnte sich der VR während der Vertragslaufzeit ohne weiteres von dem Altersvorsorgevertrag lösen, würde zudem der Zweck des Riester-Vertrages vereitelt, dem VN eine lebenslange Rente zu gewährleisten. Darüber hinaus könnte sich der VR jederzeit von den vertraglichen Pflichten befreien, die er nach dem AltZertG eingehen muss. Daher kann dem VR kein ordentliches Kündigungsrecht zugebilligt werden, die nicht gegebene Kündigungsmöglichkeit ist Voraussetzung für die Zertifizierung. Das Kündigungsrecht des VN nach § 168 Abs. 1 ist nach Absatz 3 eingeschränkt 194 worden, das gilt auch mit Blick auf den Pfändungsschutz nach § 851d ZPO, § 168

165 166 167 168

Tietze 14. Zu § 7 Abs. 2 VAG vgl. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 291 ff. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AltZertG. Bruck/Möller/Winter § 166 Rn. 9; Tietze 15.

169

Fenyves Ordentliche Kündigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch den Versicherer?, FS Posch 135, 139 f. für die Lebensversicherung allgemein; Schalk Die fondsgebundene Lebensversicherung (2009), 121 ff.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

Abs. 3 Satz 2. Will der VN den Riester-Vertrag nicht fortführen und kündigt er nach § 168 Abs. 1, § 9 (1)–(5) GDV-Musterbedingungen Riester-Rente, so entfallen die steuerlichen Vergünstigungen und die steuerliche Förderung ist zurückzuzahlen. 8. Ruhen des Vertrages, Versichererwechsel, Verwendung für eine selbst genutzte Wohnung

195

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10a AltZertG, § 7 (1) GDV-Musterbedingungen RiesterRente hat der VN einen Anspruch darauf, den Riester-Vertrag steuerunschädlich ruhen zu lassen. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10b AltZertG, § 9 (6)–(10) GDV-Musterbedingungen Riester-Rente besteht die Möglichkeit für den VN, den Vertrag mit einer Frist drei Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres zu kündigen, um das gebildete Kapital auf einen anderen auf seinen Namen lautenden Altersvorsorgevertrag desselben oder eines anderen VR/sonstigen Anbieters zu übertragen. Der VN kann nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10c AltZertG, § 8 GDV-Musterbedingungen 196 Riester-Rente schließlich die teilweise oder vollständige Auszahlung des gebildeten Kapitals für eine selbst genutzte Wohnung verwenden, vgl. dazu im Einzelnen § 92a EStG (z.B. Anschaffung, Herstellung, Entschuldung).170 9. Besondere Informationspflichten des Versicherers

197

Der VR hat dem VN gegenüber nach § 7 AltZertG besondere Informationspflichten (zur Höhe der Abschluss- und Vertriebskosten, zu den Kosten für die Verwaltung des gebildeten Kapitals, zu den Kosten eines VR-Wechsels, zum bislang entstandenen Guthaben des VN, zu den Anlagemöglichkeiten und der Struktur des Anlageportfolios usw.), vgl. auch § 14 GDV-Musterbedingungen Riester-Rente. 10. Leistungsberechtigte

198

Die Leistungen des VR erfolgen nach § 12 GDV-Musterbedingungen Riester-Rente grundsätzlich an den VN, die Ansprüche sind nicht übertragbar, § 97 Satz 1 EStG. Todesfallleistungen – § 1 (2) GDV-Musterbedingungen Riester-Rente – gehen an den Bezugsberechtigten bzw. die Erben, stirbt der VN vor Beginn der Auszahlungsphase, geht das Deckungskapital an den Bezugsberechtigten bzw. die Erben, § 1 (3) GDV-Musterbedingungen Riester-Rente. Stirbt der VN, so fällt das für ihn gebildete Deckungskapital im Übrigen grundsätzlich dem VR, der Versichertengemeinschaft zu. Ein überlebender Ehegatte kann das Deckungskapital des Verstorbenen auf seinen eigenen Altersvorsorgevertrag übertragen lassen, § 96 Abs. 1 Satz 4 EStG. 11. Änderungen zertifizierter Riester-Verträge

199

Die Zertifizierung eines Altersvorsorgevertrages ist nach § 1 Abs. 3 AltZertG die „Feststellung, dass die Vertragsbedingungen des Altersvorsorgevertrages des Anbieters …“ den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Damit umfasst die Zertifizierung den gesamten Versicherungsvertrag mit dem Inhalt, wie er der Zertifizierungsstelle vorgelegt wurde. Wird der Vertrag durch den VR später geändert, so handelt es sich nicht mehr um den zertifizierten Vertrag. Der geänderte Vertrag muss dem Zertifizierungsverfahren erneut unterzogen werden. 170

Datz 64 ff.

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

Das gilt nicht für Abänderungen, die sich nur auf die äußere Form beziehen, auch 200 nicht für redaktionelle Änderungen. Nicht zulässig ist es jedoch, den Vertrag mit Hilfe von Vertragsbausteinen zu ändern, 201 für die sich der VN bei der Vertragsgestaltung entscheidet. Für die Verwendung unterschiedlicher Vertragsbausteine bedarf es einer weiteren entsprechenden Zertifizierung.171 12. Anwendbarkeit der Riester-Förderung Im Versicherungsbereich gefördert werden nicht nur die klassische Rentenversiche- 202 rung, sondern auch die Fondsgebundene Rentenversicherung sowie Kapitalisierungsgeschäfte.

II. Altersvorsorgeverträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG/Basisversorgung (Rürup-Verträge in Gestalt einer klassischen Rentenversicherung, einer Fondsgebundenen Rentenversicherung und von Kapitalisierungsgeschäften)172 1. Grundsätzliches Die Rürup- oder Basis-Rente ist eine kapitalgedeckte Leibrentenversicherung, die ins- 203 bes. für Selbstständige und weitere Personen gedacht ist, welche von der Riester-Rente ausgeschlossen worden sind. Als Rürup-Rentenversicherungen werden nur solche Versicherungen anerkannt, deren Laufzeit frühesten am 1.1.2005 begonnen hat. 2009 sind die Musterbedingungen angesichts der durch das Jahresteuergesetz 2009 eingeführten Zertifizierung für die Rürup-Rente modifiziert worden, nachdem sie schon zuvor an die VVG-Reform angepasst worden waren. Dem VN soll mit der Rürup-Rente die Möglichkeit geboten werden, sich eine Alters- 204 versorgung mit Hilfe staatlicher Förderung in Gestalt eines Sonderausgabenabzuges aufzubauen. Rürup-Renten dürfen – soweit sie nach dem 31.12.2011 vereinbart werden – nicht vor Vollendung des 62. Lebensjahres beginnen. Die Ansprüche aus dem RürupRenten-Vertrag können nicht vererbt, nicht beliehen, nicht kapitalisiert und nicht verkauft werden. Dem Grundsatze nach verfällt beim Tode des VN das gesamte eingezahlte Kapital, es kann jedoch eine Hinterbliebenenrente, eine Rentengarantiezeit bzw. eine

171 172

Tietze 9 f. Schrifttum: Birk Altersvorsorge, 2. Aufl. (2002); Hasse Änderungen für Altersvorsorgeverträge durch das Jahressteuergesetz 2007 – Fortbestehen eines grundlegenden Reformbedürfnisses bei sogenannten „Rürup-Verträgen“, VersR 2007 277; Heidemann Die Rürup-Rente – Für wen ist sie interessant? VersPrax 2005 167; Heubeck/Seybold Zur Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung nach dem Alterseinkünftegesetz – Übergang vom DreiSäulen- zum Drei-Schichten-Modell nur halbwegs gelungen, DB 2007 592; Hügel-

schäffer/Jung Handbuch der Alterssicherung (2006); Prahl Zum Altersvorsorgevertrag im Recht der Lebensversicherung, NVersZ 2002 541; Reich/Rutzmoser Versicherungsmathematiker und Gesetzgeber sollten noch mal ran – Steuergeförderte Altersversorgungsprodukte noch mit großem Effizienzpotential, VW 2008 1801; Risthaus Die Änderungen in der privaten Altersversorgung durch das Alterseinkünftegesetz, DB 2004 1383; Thomas Zur Pfändung von privaten Vorsorgeverträgen, VW 2008 1459.

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§ 167

Kapitel 5: Lebensversicherung

steuerlich nicht geförderte Beitragsrückgewähr vereinbart werden. Die Rürup-Rente bleibt im Falle längerer Arbeitslosigkeit bei der Anrechnung von Vermögen unberücksichtigt, die Rente genießt Pfändungsschutz nach § 851d ZPO. 2. Begünstigte

205

Die Rürup-Rente ist insbes. für Selbstständige mit einer überdurchschnittlichen Steuerbelastung gedacht, da sie bei der Riester-Rente und bei der betrieblichen Altersversorgung nicht zu den Berechtigten zählen und Beiträge zur konventionellen Rentenversicherung seit 2005 nicht mehr als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Die Rürup-Rente ist jedoch auch für Angestellte und Beamte nutzbar (wobei es zu Beitragskürzungen hinsichtlich des Sonderausgabenabzuges kommt). 3. Sonderausgabenabzug

Der Sonderausgabenabzug (Höchstbetrag: 20.000 € pro Jahr und Person, bei verheirateten gemeinsam veranlagten Ehepaaren: 40.000 € pro Jahr) erfolgt nur, wenn es sich um Rentenversicherungsverträge i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG handelt. Das ist nicht der Fall, wenn ein Recht auf Kapitalisierung des Rentenanspruchs vorgesehen ist (Ausnahme: Abfindung einer Kleinbetragsrente, § 93 Abs. 3 Satz 2, 3 EStG), wenn ein Sterbegeld gezahlt werden soll, wenn Abfindungsansprüche und Beitragsrückerstattungen für den Fall einer Kündigung vorgesehen sind, wenn die Ansprüche sicherungshalber abgetreten oder verpfändet werden können, wenn die Ansprüche an einen Dritten verkauft werden können (Zweitmarktinvestor). Insbesondere darf es nach dem Rürup-Vertrag nicht zu einer Auszahlung an die Erben 207 kommen, stirbt die Gefahrsperson, geht das Deckungskapital an die Versichertengemeinschaft (Ausnahme: die nach § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG zugelassenen Hinterbliebenenrenten zugunsten des Ehegatten und der Kinder des VN).173 Sinn und Zweck der Regelung ist es, das Versorgungsniveau der Rentenberechtigten auf diese Weise anheben zu können.174 Die Nichtübertragbarkeit der Ansprüche durch den Rentenberechtigten auf andere 208 Personen erfährt eine Ausnahme dadurch, dass das Deckungskapital auf einen anderen Rentenversicherungsvertrag bei einem anderen VR übertragen wird, soweit es beim Rentenberechtigten bleibt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG auch beim neu abgeschlossenen Vertrag gegeben sind.

206

4. Zertifizierung

209

Da die Finanzämter mit der Überprüfung der Rentenversicherungsverträge überfordert waren, ob die Voraussetzungen einer Rürup-Rente im konkreten Fall gegeben seien, sind seit 2010 Beiträge für eine Rürup-Rente nur als Sonderausgaben abzugsfähig, wenn sie im Rahmen eines zertifizierten Vertrages gezahlt worden sind.175 Zur Zertifizierung im Übrigen und zu den Grenzen der Überprüfung vgl. oben § 167 Rn. 184.

173 174

Reich/Rutzmoser VW 2008 1801, 1805. Näheres dazu bei Holzner Erben und Schenken mit Lebensversicherungen, 2. Aufl. (2007), 65 f.

672

175

BMF-Schreiben 24.6.2009 (DOK 2009/0 407 509).

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Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes

§ 167

5. Leistungen aus dem Rürup-Renten-Vertrag Die zentrale Leistung ist die Zahlung einer lebenslangen Leibrente. Sie ist gegeben, wenn der Rürup-Vertrag eine monatliche, grundsätzlich gleichbleibende oder steigende Rentenzahlung vorsieht, und zwar auf Lebenszeit.176 Dabei können sich geringfügige Schwankungen in der Rentenhöhe dadurch ergeben, dass die Überschusszuteilung in den einzelnen Jahren unterschiedlich ist. Sieht die vereinbarte Rürup-Rente nicht nur eine Alterssicherung für die Gefahrsperson, sondern nach seinem Tode für den überlebenden Ehegatten seinerseits eine lebenslange Leibrente i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG vor, so sind die in der Ansparphase aufgebrachten Prämien im vollem Umfange auch der Leibrente des Ehegatten zuzurechnen.177 Erfüllt die Leibrente des Hinterbliebenen nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG (insbes. auch hinsichtlich des Mindestalters), so handelt es sich um eine ergänzende Hinterbliebenenversorgung, für die eine andere Berechnung gilt.178 Sonstige Todesfallleistungen an andere Hinterbliebene können nur in engen Voraussetzungen für eine steuerliche Förderung Berücksichtigung finden.179 Die Altersversorgung in Gestalt einer Rürup-Rente kann auch mit einer BU-Versicherung verbunden werden.180

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212 213

6. Keine Kündigung durch den Versicherungsnehmer Der Ausschluss des Kündigungsrechts nach § 168 Abs. 3 ist nicht nur bei der Riester- 214 Rente, sondern auch bei der Rürup-Rente zwingende Voraussetzung für die Gewährung einer staatlichen Förderung.181 Die steuerliche Förderung bezweckt, Anreize für den Aufbau einer kapitalgedeckten privaten Altersversorgung zu schaffen. Fühlt sich der VN an den Kündigungs- und Verwertungsausschluss nicht gebunden, so entfällt die staatliche Förderung, der Rentenversicherungsvertrag erfüllt nicht mehr die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG und die Förderung ist gegebenenfalls zurückzuerstatten. Der Kündigungsausschluss ist der Höhe nach allerdings nur begrenzt möglich, er orientiert sich an § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB II. § 7 GDV-Musterbedingungen Rürup-Rente, der die Möglichkeit einer Kündigung mit 215 der Folge einer Beitragsfreistellung regelt, ist nicht nach §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 305c, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Die Regelung erweckt keine Fehlvorstellungen dahingehend, dass das Kündigungsrecht mit einer Auszahlung des Rückkaufswerts verbunden sei.182 7. Anwendbarkeit Die Rürup-Renten-Versicherung kann als klassische Rentenversicherung, als Fonds- 216 gebundene Rentenversicherung oder als Kapitalisierungsgeschäft ausgestaltet sein.

176 177 178 179

BMF-Schreiben 5.7.2005 IV C 4 – S 2221-65/05, S. 1. BMF-Schreiben 5.7.2005 IV C 4 – S 2221-65/05, S. 2. BMF-Schreiben 5.7.2005 IV C 4 – S 2221-65/05, S. 3. Vgl. BMF-Schreiben 30.1.2008 B StBl I 2008 390.

180 181 182

BMF-Schreiben 5.7.2005 IV C 4 – S 2221-65/05, S. 2. Vgl. BTDrucks. 16/3077 S. 23. BGH 20.9.2011 VersR 2012 302, 303; LG Hamburg 28.8.2009, 324 O 1004/08 (juris).

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§ 168

Kapitel 5: Lebensversicherung

§ 168 Kündigung des Versicherungsnehmers (1) Sind laufende Prämien zu zahlen, kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen. (2) Bei einer Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, steht das Kündigungsrecht dem Versicherungsnehmer auch dann zu, wenn die Prämie in einer einmaligen Zahlung besteht. (3) 1 Die Absätze 1 und 2 sind nicht auf einen für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungsvertrag anzuwenden, bei dem der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand unwiderruflich ausgeschlossen hat; der Wert der vom Ausschluss der Verwertbarkeit betroffenen Ansprüche darf die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bestimmten Beträge nicht übersteigen. 2 Entsprechendes gilt, soweit die Ansprüche nach § 851c oder § 851d der Zivilprozessordnung nicht gepfändet werden dürfen.

Schrifttum Armbrüster/Pilz Schicksal des Lebensversicherungsvertrages in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, KTS 2004 481; Eberhardt/Baroch Castellví Rechtsfragen zum Beitragsdepot in der Lebensversicherung, VersR 2002 261; Elfring Versicherungsverträge im Insolvenzrecht, BB 2004 617; Fenyves Ordentliche Kündigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch den Versicherer?, FS für Willibald Posch (2011) 135; ders. Die Informationspflichten des Versicherers, VersRdsch 2009 16; Herdter Der Gruppenversicherungsvertrag – Grundlagen und ausgewählte Probleme (2010), 172; Hülsmann Zur Abtretung aller Ansprüche aus einer Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, VersR 1996 308; Prahl Zur Pfändung des Kündigungsrechts des Versicherungsnehmers bei der gemischten Kapitallebensversicherung, NVersZ 2001 151; Stegmann/Lind Der Lebensversicherungsvertrag in der Insolvenz, NVersZ 2002 193.

Übersicht Rn. A. I. II. III.

B. I. II. III. IV.

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Einleiung . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . . Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich des Absatzes 1 bei Lebensversicherungsverträgen . . 2. Anwendungsbereich des Absatzes 2 . 3. Anwendungsbereich des Absatzes 3 . 4. Sonstige Anwendungsfragen . . . . . Tatbestand und Rechtsfolgen der Kündigung des Versicherungsnehmers . . . . Gesetzliches und bedingungsmäßiges Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . Jederzeitiges Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . Kündigungsvoraussetzungen . . . . . . Kündigungsberechtigung . . . . . . . . 1. Versicherungsnehmer, Inhaber des Versicherungsscheins . . . . . . . . . 2. Bezugsberechtigter . . . . . . . . . . 3. Zessionar . . . . . . . . . . . . . . 4. Zweitmarktinvestor . . . . . . . . .

Rn.

1 1 4 6 6 8 10 11

V.

14 14 16 21 22 22 27 29 32

VI. VII. VIII. IX. X.

XI.

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5. Vollstreckungsgläubiger in der Einzelzwangsvollstreckung . . . . . . . . . 6. Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . 7. Pfandgläubiger . . . . . . . . . . . . 8. Testamentsvollstrecker . . . . . . . . Kündigungserklärung, Form und Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kündigungserklärung . . . . . . . . 2. Zugang der Kündigungserklärung . . 3. Form der Erklärung . . . . . . . . . 4. Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen der Kündigung . . . . . . Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . Kündigung gemäß § 314 BGB . . . . . Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung durch den Versicherer und den Versicherungsnehmer (doppelte Kündigung) . . . . . . . . . . . . . . Aufhebungsvertrag, Sonderregelungen bei flexibler Altersgrenze, Vorruhestand usw. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 38 42 43 44 44 49 50 51 53 56 57 58

59

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

Rn. XII. Gefahrenwegfall durch den Tod der Gefahrsperson . . . . . . . . . . . . . XIII. Besonderheiten beim Prämiendepot . . C. Kündigungsausschluss für Altersvorsorgeverträge . . . . . . . . . . . . . . I. Zweck der Regelung . . . . . . . . . . II. Rechtliche Einordnung und Verhältnis zu §§ 314, 313 Abs. 3 Satz 2 BGB . . . III. Reichweite des Kündigungsausschlusses mit Blick auf den Verwertungsausschluss nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II . . . . . IV. Reichweite des Kündigungsausschlusses bei pfändungsgeschützten Lebensversicherungsverträgen . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2. „Betrag“ im Sinne des § 851c Abs. 2 Satz 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . 3. Addition der Sockelbeträge, insbesondere bei einer Einmalprämie . . . . 4. Gestaffelte Sockelbeträge . . . . . . 5. 3/10-Regelung nach § 851c Abs. 2 Satz 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . 6. Pfändbarkeit des Deckungskapitals bei Übersteigen des dreifachen Werts des Höchstgesamtbetrags . . . . . . 7. Überschussbeteiligung . . . . . . . 8. Kein Pfändungsschutz für noch einzuzahlende Beträge . . . . . . . . . 9. Verfassungsrechtliche Bedenken . . 10. Pfändungsschutz nach § 851d ZPO . V. Informationspflicht des Versicherers über die Möglichkeiten einer Veränderung des Versicherungsvertrages und über die Existenz eines Zweitmarktes . . . . . . D. Beendigung der Lebensversicherung beim Gruppenversicherungsvertrag . . . . .

63 65 68 68 69

72

75 73 75 76 77 79

80 81 82 83 84

85 86

Rn. I. Echte Gruppenlebensversicherung . . . 1. Ausscheiden der Gefahrsperson aus der Gruppe . . . . . . . . . . . . . a) Zwangsgruppenversicherung . . b) Gruppenversicherung mit rechtsbegründender Anmeldung . . . . 2. Auflösung der Gruppe . . . . . . . 3. Exkurs: Fortsetzung der Versicherung des bisherigen Gruppenmitgliedes außerhalb der Gruppenversicherung 4. Beendigung des Gruppenversicherungsvertrages . . . . . . . . . . . a) Beendigung des Gesamtvertrages b) Beschränkte Beendigung . . . . . aa) Zugangssperre . . . . . . . . bb) Separate Beendigung der Mitversicherung einzelner Risiken II. Unechte Gruppenlebensversicherung . . 1. Ausscheiden der Gefahrsperson aus der Gruppe und deren Auflösung . . 2. Beendigung der unechten Gruppenversicherung . . . . . . . . . . . . a) Beendigung des Gesamtvertrages 3. Teilweise Beendigung . . . . . . . . III. Nur im Ausnahmefall Beendigung des Versicherungsvertrages im Rahmen der Betrieblichen Altersversorgung durch Ausscheiden von versicherten Arbeitnehmern aus dem Betrieb . . . . . . . 1. Ausscheiden des Arbeitnehmers nach Erfüllung der Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit . . . . . . . . . . 2. Ausscheiden des Arbeitnehmers vor Erfüllung der Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit . . . . . . . . . . E. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .

86 86 86 87 90

91 94 94 98 98 99 100 100 101 101 103

106

108

110 111

A. Einleitung I. Entstehungsgeschichte § 168 unterscheidet sich von der Vorgängernorm des § 165 a.F. nur unwesentlich, 1 wobei § 165 Abs. 3 a.F. allerdings erst 2005/2006 in Kraft getreten ist. Die Absätze 1 und 2 der Vorschrift fanden sich bereits im VVG 1908. Der Gesetz- 2 geber ging damals davon aus, dass es einem „in der Natur der Lebensversicherung begründeten Bedürfnisse entspricht“, wenn „dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit offengehalten wird, die Versicherung aufzuheben. Denn auf Seiten des Versicherungsnehmers sind für den Abschluss und die Fortsetzung einer Lebensversicherung stets Umstände ausschlaggebend, die einem Wechsel in besonderen Maße unterliegen, nämlich die eigene Leistungsfähigkeit und die persönlichen Beziehungen zu anderen“. Angesichts dessen erhielt der VN in § 165 a.F. für Lebensversicherungen, für die laufende Prämien zu entrichten sind, ein jederzeitiges Kündigungsrecht zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode.1 Absatz 2 gewährte dem VN ein solches Kündigungsrecht auch für den 1

Motive 224.

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§ 168

Kapitel 5: Lebensversicherung

Fall, dass eine Einmalprämie zu zahlen ist und es sich um eine kapitalbildende Lebensversicherung auf den Todesfall handelt.2 Der Reformgesetzgeber hat die Vorschrift des § 165 Abs. 2 a.F. dahingehend erweitert, dass sie sich nunmehr nicht nur auf Kapitalversicherungen auf den Todesfall bezieht, sondern auf sämtliche Lebensversicherungen, bei denen der Eintritt der Leistungspflicht des VR gewiss ist. Sie bezieht sich seitdem auch auf kapitalbildende Erlebensfallversicherungen, auch wenn die Versicherungsleistung in Rentenzahlungen erfolgt. Der VN erhält in diesen Fällen den Anspruch auf die Rückvergütung einschließlich Überschussbeteiligung. Die Vorschrift des § 168 Abs. 3, die 2005/2006 geschaffen wurde, um den Pfändungs3 schutz von Altersrenten nicht zu entwerten, ist im Wesentlichen unverändert in § 168 übernommen worden.3 Darüber hinaus wurde der Ausschluss des Kündigungsrechts des VN auf die Rechtslage nach Inkrafttreten des AltVPfSchG erstreckt,4 zusätzlich wird nun auch ausdrücklich auf § 851d ZPO Bezug genommen.5

II. Inhalt und Zweck der Regelung 4

Die Bestimmung des § 168 sieht für Lebensversicherungen, die auf unbestimmte Zeit eingegangen sind, ein ordentliches Kündigungsrecht des VN vor, welches die allgemeinen Regelungen des § 11 Abs. 2–4 verdrängt. Denn Lebensversicherungen laufen, nicht nur, wenn sie mit Blick auf eine Altersversorgung abgeschlossen werden, ungewöhnlich lange (durchschnittlich fast 30 Jahre), insbes. wenn sie der Kapitalbildung dienen sollen. Die Motive für den Abschluss einer Lebensversicherung und die Lebensumstände des VN können sich während einer solchen Zeitdauer entscheidend ändern, was das Einkommen und das persönliche Umfeld des VN anbelangt (Absinken der Verdienstmöglichkeiten, Arbeitslosigkeit, Geburt weiterer Kinder, Partnerwechsel). Auf derartige Veränderungen soll der VN reagieren können, und zwar im Wege einer Umwandlung der Versicherung nach § 165 oder durch Kündigung gemäß § 168. Beide Vorschriften stehen in einem engen Zusammenhang miteinander. Der VN soll nicht nur die Möglichkeit erhalten, sich vom Zwang der Prämienzahlung zu befreien. Das Kündigungsrecht soll ihm zugleich dazu dienen, die Rückvergütung (unter Inkaufnahme finanzieller Verluste) zur freien Verfügung zu erhalten und die angesparten Mittel einer anderen Verwendung zuzuführen (Erwerb eines Hauses, berufliche Neuorientierung).6 Das ergibt sich schon aus der Existenz des Kündigungsrechts auch bei Lebensversicherungen mit Einmalprämie. Ausgeschlossen wird das Kündigungsrecht bis zum Eintritt in den Ruhestand nach 5 § 168 Abs. 3 bei einem für die Altersvorsorge bestimmten Vertrag im Rahmen gesetzlich festgelegter Höchstgrenzen. So kann der VN z.B. die Vergünstigungen in Anspruch nehmen, die der Staat für bestimmte Altersvorsorgeverträge gewährt, wenn bei ihnen entsprechende Verwertungseinschränkungen erfolgt sind. Damit soll einem Missbrauch der staatlichen Anreize entgegenwirkt werden. Die Höchstgrenzen für den Kündigungsausschluss ergeben sich aus § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bzw. §§ 851c, 851d ZPO.

2 3 4

Motive 224. BTDrucks. 16/3945 zu § 168 S. 101. Art. 3 Nr. 5 PflVGuaÄndG vom 10.12.2007.

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5 6

BTDrucks. 16/6627 S. 8. Motive 224.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

III. Anwendbarkeit 1. Anwendungsbereich des Absatzes 1 bei Lebensversicherungsverträgen Die Vorschrift des § 168 Abs. 1 ist anwendbar bei sämtlichen Lebensversicherungs- 6 verträgen, bei denen der VN laufende Prämien zu entrichten hat. Die Zahlung laufender Prämien entfällt, wenn die Lebensversicherung bereits in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt wurde oder wenn die letzte Prämienrate bereits beglichen wurde. In diesen Fällen ebenso wie bei der Vereinbarung einer Einmalprämie greift Absatz 1 nicht. Ist mit der Lebensversicherung – um eine stärkere Anlage- und Renditeorientierung 7 zu ermöglichen – die Errichtung eines Prämiendepots verbunden worden, so handelt es sich gleichwohl um eine Versicherung mit laufender Prämienzahlung und Absatz 1 ist anwendbar. Ein solches Prämiendepot kann bei sämtlichen Versicherungen mit laufender Prämienzahlung eingerichtet werden, es kann entweder beim VR oder bei einem Kreditinstitut eröffnet werden, auch das sich bei der Bank befindende Depot wird in der Regel vom VR verwaltet. Bei der Anlegung eines Prämiendepots werden sämtliche zukünftig fällig werden Beiträge des VN – zumindest aber ein Jahresbeitrag – dem Depot sogleich gutgeschrieben. Die einzelnen Prämien werden bei Fälligkeit vom Depot abgebucht, dessen aktuelles Guthaben wird jeweils verzinst und die Zinsen werden dem Depot gleichfalls gutgeschrieben. Bei Beendigung der Versicherung wird ein eventuell vorhandenes Restdepotguthaben an den VN bzw. den sonst Berechtigten ausgezahlt. Durch die Dazwischenschaltung eines Prämiendepots wird die Lebensversicherung nicht zu einer Versicherung mit Einmalprämie.7 Die Lebensversicherung wird mit Elementen eines Bankbzw. Kapitalisierungsgeschäfts verbunden. 2. Anwendungsbereich des Absatzes 2 Wenn die Kündigung nach dieser Vorschrift auch auf Versicherungsverträge erstreckt 8 wird, bei denen die Prämie mit einer einmaligen Zahlung entrichtet wird, so gilt das nur für solche Lebensversicherungen, bei denen der Eintritt der Verpflichtung des VR gewiss ist, also nur bei kapitalbildenden Versicherungen. Das bezieht sich auf sämtliche Lebensversicherungsformen, auch auf die Rentenversicherung.8 Dabei gilt das Kündigungsrecht bei Rentenversicherungen allerdings nur, falls der Versicherungsfall, also der Rentenauszahlungsbeginn noch nicht eingetreten ist. Angesichts der Gefahr der Antiselektion ist eine Kündigung nach Rentenbeginn nicht mehr zulässig: Stellt sich in der Auszahlungsphase heraus, dass die Gefahrsperson lebensgefährlich erkrankt ist, so soll sich der VN mit Hilfe der Kündigung nicht noch den Rückkaufswert sichern können. Denn bei der Rentenversicherung ist die Langlebigkeit das versicherte Risiko und die Kalkulation des VR kann nicht aufgehen, wenn sich Versicherte aus der Rentenversicherung schon bald nach Versicherungsbeginn herauskündigen können.9 Im Übrigen greift nach Reiff das Kündigungsrecht bei Rentenversicherungen nach § 168 Abs. 2 nicht, wenn beim Tode der Gefahrsperson vor Beginn der Rentenzahlung vertragliche Leistungen nicht erfolgen.10 Hier stellt sich die Frage einer analogen Anwendung von Absatz 2 oder einer Kündigung nach § 314 BGB.

7 8

Im Einzelnen Eberhardt/Baroch Castellví VersR 2002 261 ff. BTDrucks. 16/3945 S. 101.

9 10

Prölss/Martin/Reiff § 168 Rn. 4; Halm/ Krahe/Engelbrecht/Kirscht Kap. 21 Rn. 49. Prölss/Martin/Reiff § 168 Rn. 3.

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§ 168 9

Kapitel 5: Lebensversicherung

Da § 168 Abs. 2 nicht ein Kündigungsrecht mit Blick darauf gewährt, dass sich der VN seiner Beitragszahlungspflicht entziehen will, sondern weil aus anderen Gründen kein Interesse an der Fortführung der Versicherung (z.B. aus Gründen einer Scheidung) besteht, ist die Vorschrift weit auszulegen, so dass der VN über die Rückvergütung nunmehr in anderer Weise verfügen kann.11 Das gilt z.B. für die Kündigung einer beitragsfrei gestellten Versicherung nach § 165, es gilt aber auch für Versicherungen mit Beitragsdepot (bei denen auch § 168 Abs. 1 greift). 3. Anwendungsbereich des Absatzes 3

10

§ 168 Abs. 3 bezieht sich auf sämtliche Lebensversicherungen, die den Anforderungen nach §§ 851c und 851d ZPO entsprechen und die zur Altersvorsorge bestimmt sind. Das gilt in erster Linie für kapitalbildende Lebensversicherungen, die Vorschrift kann jedoch – ebenso wie § 167 – auch auf Risikolebensversicherungen Anwendung finden. 4. Sonstige Anwendungsfragen

11

Nach § 176 findet § 168 auf Berufsunfähigkeitsversicherungen analoge Anwendung, die Vorschrift gilt jedoch nicht bei Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr. Darüber hinaus ist sie nach § 211 Abs. 1 nicht anwendbar auf Lebensversicherungen bei regulierten Pensionskassen i.S.d. § 118b Abs. 3 und 4 VAG sowie auf Lebensversicherungen bei kleineren Gegenseitigkeitsvereinen und auf Lebensversicherungen mit kleineren Beiträgen. Die Vorschrift findet analoge Anwendung bei Kapitalisierungsgeschäften, hier kann es 12 für den Vertragspartner des VR zu einem Interessenwandel in ähnlicher Weise wie bei der Lebensversicherung kommen. Für die Behandlung der Altverträge gilt die allgemeine Regelung. 13

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Kündigung des Versicherungsnehmers I. Gesetzliches und bedingungsmäßiges Umfeld 14

In den Bedingungswerken der Lebensversicherung wird ein Kündigungsrecht nur an einer Stelle ausdrücklich erwähnt: Nach § 9 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den gleichlautenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke hat der VN – in Übereinstimmung mit der Norm des § 168 – ein jederzeitiges Kündigungsrecht, in der Rentenversicherung nur vor dem vereinbarten Rentenbeginn, § 9 GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung. Ein jederzeitiges, allgemeines Kündigungsrecht des VR wird in den Bedingungswerken ebenso wenig angesprochen wie im Gesetz, denn es widerspräche der grundsätzlichen Funktion insbes. der kapitalbildenden Lebensversicherung z.B. als Altersvorsorge. Es gehört zu der vom VR bei Vertragsschluss übernommenen Gefahr, dass die Gefahrsperson älter wird und Krankheiten oder sonstige lebensverkürzende Umstände eintreten können. Dem VR soll nicht die Möglichkeit geboten werden, sich von dem Risiko zu trennen, wenn es im Laufe der Jahre naturgemäß und erwartungsgemäß schwerer wird und der VN einen neuen Lebens-

11

Prölss/Martin/Reiff § 168 Rn. 4.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

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versicherungsvertrag zu der ursprünglich vereinbarten Prämie nicht mehr abschließen kann. So erklärt es sich auch, dass das Lösungsrecht des VR auch bei einer Gefahrerhöhung im Bereiche der Lebensversicherung nach § 158 eingeschränkt wird, nur das Kündigungsrecht des § 38 ist auch für die Lebensversicherung von Bedeutung; es ist auch nicht modifiziert worden. Von Relevanz – auch im Verhältnis zu § 168 – kann die für beide Vertragsparteien bei allen Dauerschuldverhältnissen nach § 314 BGB eröffnete Möglichkeit sein, aus wichtigem Grund zu kündigen. In Ausnahmefällen kann auch eine Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen. Das Kündigungsrecht des § 168 verdrängt das in § 11 geregelte allgemeine Kündigungsrecht. Gleichwohl ist die Kündigung auch in der Lebensversicherung die bei weitem wich- 15 tigste und häufigste Form der einseitigen Vertragsbeendigung. Sie wird – ihre Berechtigung vorausgesetzt – wirksam mit Zugang der Erklärung beim Vertragsgegner, §§ 130– 132 BGB. Die aufgrund einer Kündigung herbeigeführte Vertragsbeendigung oder Teilbeendigung kann nicht durch einseitige Erklärung rückgängig gemacht werden, doch kann in der Zustimmung des Vertragspartners zu dem Widerruf der Kündigung die Vereinbarung der Fortsetzung des alten Vertrages gesehen werden. Die Zustimmung kann dabei auch konkludent erfolgen, z.B. durch die Entgegennahme der weiteren Prämien.12

II. Jederzeitiges Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers Von jeher ist der VN in der Lebensversicherung nicht gehalten gewesen, den ganz 16 überwiegend langfristig abgeschlossenen Vertrag auch durchzuhalten. Die Rücksichtnahme auf die möglicherweise schwankende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des VN und auch die mögliche Änderung seiner persönlichen Beziehungen zu anderen Personen, die bei langfristigen Verträgen das Interesse des VN an der Aufrechterhaltung des Lebensversicherungsvertrages abschwächen oder sogar in Fortfall geraten lassen können, war der Grund für das unabdingbare Kündigungsrecht des VN nach § 168. Im Lebensversicherungsrecht ist damit schon frühzeitig eine Forderung verwirklicht worden, wie sie später aus Gründen des Verbraucherschutzes auch für andere Versicherungszweige erhoben wurde, nämlich dem VN die Möglichkeit zu eröffnen, sich nicht zu langfristig binden zu müssen. In den Bedingungswerken wird dem VN regelmäßig eine weitergehende, von der Versicherungsperiode abweichende Kündigungsmöglichkeit eingeräumt: Nach § 9 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den ihm gleichlautenden Bestimmungen kann der VN eine Versicherung mit einjähriger Versicherungsperiode nicht nur auf den Schluss des laufenden Versicherungsjahres, sondern auch innerhalb des Versicherungsjahres mit einer Frist von einem Monat auf den Schluss eines jeden Ratenzahlungsabschnitts, frühestens jedoch auf den Schluss des ersten Versicherungsjahres, ganz oder teilweise schriftlich kündigen. Darüber hinaus findet sich in den Bedingungswerken die mit § 169 in Einklang stehende Bestimmung, dass dem VN bei einer Kündigung der Rückkaufswert der Versicherung auszukehren ist. Das Kündigungsrecht bezieht sich dem Wortlaut nach auf sämtliche Lebensversicherun- 17 gen, wobei es unerheblich ist, ob sie auf bestimmte oder unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Wie zu § 166 nachgewiesen wurde,13 handelt es sich auch bei den lebenslangen Kapitallebensversicherungen um auf bestimmte Zeit eingegangene Versicherungen. Gerade auf sie, die sich häufig über eine lange Zeitdauer erstrecken, ist § 168 zugeschnitten wor-

12

ÖOGH 14.11.1963 VersR 1964 599.

13

Bruck/Möller/Winter § 166 Rn. 8 f.

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den. Das Kündigungsrecht des § 168 bezieht sich nicht nur auf auf unbestimmte Zeit geschlossene Versicherungen. Der Anwendungsbereich des § 168 wäre in einem solchen Falle außerordentlich begrenzt. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift würde es entsprechen, sie auf sämtliche Lebensversicherungen Anwendung finden zu lassen. Die bedingungsmäßige Regelung hält sich dabei im Rahmen der §§ 168, 171. Soweit 18 von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird, handelt es sich um eine Abänderung zugunsten des VN. Er kann sich nach den AVB früher als gesetzlich vorgesehen von den für ihn lästigen Verpflichtungen aus dem Lebensversicherungsvertrage lossagen.14 Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass der für den VN bestehende Versicherungsschutz erst mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist endet, wenn er nach Maßgabe der Bedingungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt und damit den Versicherungsvertrag beendet hat. Tritt nach Wirksamwerden der Kündigung, aber vor Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist der Versicherungsfall ein, so besteht kein Versicherungsschutz mehr.15 Die Erschwerung der Kündigungsmöglichkeit des VN nach § 168 durch Forderung 19 der Schriftform für die Kündigung (§ 9 (1) 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die gleichlautenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke) ist nach § 171 Satz 2 zulässig. In den Lebensversicherungsbedingungen früher enthaltene weitere Erschwerungen der Kündigungsmöglichkeiten sind inzwischen fortgefallen. Das Kündigungsrecht des VN kann auch nicht ausgeschlossen werden, wenn der VR 20 zugleich Darlehensgeber ist und der Kündigungsausschluss seiner Absicherung dienen soll. Hier muss sich der VR auf andere Weise sichern; es ist grundsätzlich unerheblich, aus welchem Grunde die Kündigung des VN erschwert oder ausgeschlossen werden soll.16

III. Kündigungsvoraussetzungen 21

Besondere Kündigungsvoraussetzungen sind nicht geschaffen worden. Grundsätzlich ist jeder Lebensversicherungsvertrag innerhalb der Grenzen der §§ 168, § 9 (1) GDVMusterbedingungen kapitalbildenden Lebensversicherung usw. kündbar. Insbesondere braucht auch keine mehrjährige Vertragsdauer gegeben zu sein, bevor dem VN das Kündigungsrecht gewährt wird. Da sich in der Lebensversicherung die Versicherungsperiode17 grundsätzlich auf ein Jahr beläuft, kann nach der Bestimmung des § 168 Abs. 1 der Vertrag frühestens auf den Schluss des ersten Versicherungsjahres gekündigt werden. Weil § 9 (1) Satz 1 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die übrigen gleichlautenden Bestimmungen auch eine Kündigung auf den Schluss eines jeden Ratenzahlungsabschlusses zulassen, könnte auch eine Kündigung beispielsweise zum Schluss des ersten Halbjahres erfolgen. Wenn das dadurch verhindert werden soll, dass in dieser Vorschrift die früheste Kündigungsmöglichkeit auf den Schluss des ersten Versicherungsjahres vorgesehen wird, so befindet sich auch diese Regelung in Einklang mit der Bestimmung des § 168. Nur soweit es um die Auskehrung des Rückkaufswerts geht, kommt es darauf an, wie lange der Vertrag vor Ausübung des Kündigungsrechts bereits bestanden hat und welche Einzahlungen vorgenommen worden sind.

14 15

Vgl. BGH 19.1.1956 VersR 1956 121, 122. OLG Celle 1.12.1949 VersR 1950 33 mit Anm. von Rebsamen.

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Dörstling HansRGZ 1930 Sp. 77. Vgl. dazu § 7 (1) 2 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung usw.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

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IV. Kündigungsberechtigung 1. Versicherungsnehmer, Inhaber des Versicherungsscheins Nicht der Prämienschuldner, sondern der VN ist kündigungsberechtigt. Sind mehrere VN an dem Vertrage beteiligt, so ist im Zweifel jeder von ihnen hinsichtlich seines Anteils zu der Kündigung berechtigt (§ 420 BGB), soweit dem nicht § 9 (2) GDVMusterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die gleichlautenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke entgegenstehen. Bei Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB, also z.B. bei einer Erbengemeinschaft) steht den Gläubigern das Kündigungsrecht gemeinsam zu. Nicht kündigungsberechtigt ist die Gefahrsperson. Mit dem Tode des VN geht das Kündigungsrecht auf die Erben über, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Das Recht zur Kündigung ist kein höchstpersönliches Recht. Da es jedoch keinen Vermögenswert besitzt, kann über das Recht nicht selbstständig durch den VN verfügt werden, sondern nur in Verbindung mit dem Recht auf Rückvergütung. Weil der Versicherungsschein als Urkunde auf den Inhaber ausgestellt werden kann18 und damit § 808 BGB Anwendung findet, kann der Inhaber des Versicherungsscheins als berechtigt angesehen werden, „über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen, insbesondere Leistungen in Empfang zu nehmen“. Eine solche Klausel hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.19 Die Legitimationswirkung des § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB erstreckt sich auf die vertraglich versprochenen Leistungen. Vertraglich versprochen ist in der kapitalbildenden Lebensversicherung „auch die Leistung des Rückkaufswerts nach Kündigung des Vertrages … Denn das Recht auf den Rückkaufswert ist nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme … Demgemäß erstreckt sich die Legitimationswirkung eines Versicherungsscheins als Urkunde i.S.d. § 808 BGB auch auf das Kündigungsrecht, um den Rückkaufswert zu erlangen. Der Versicherer kann den Inhaber des Versicherungsscheins deshalb schon nach § 808 BGB als zur Kündigung berechtigt ansehen, wenn dieser die Auszahlung des Rückkaufswerts erstrebt“.20 Ein VN, der den Versicherungsschein aus der Hand gibt, trägt insoweit auch das Missbrauchsrisiko, und zwar auch dann, wenn die Unterschrift des VN unter die Kündigung gefälscht war.21

22

23 24 25 26

2. Bezugsberechtigter Setzt der VN einen Dritten als widerruflich Bezugsberechtigten ein, so verliert er 27 dadurch nicht sein Kündigungsrecht. Denn da der Dritte mit dem Bezugsrecht noch kein Recht besitzt, kann er über ein solches Recht auch nicht verfügen.22 Der VN bleibt der Träger sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag. Hat der VN einen unwiderruflich Bezugsberechtigten eingesetzt, so verbleibt ihm 28 gleichwohl das Gestaltungsrecht der Kündigung. Obwohl der Bezugsberechtigte im Übri-

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§ 12 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung, § 12 (1) GDVMusterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung usw. BGH 22.3.2000 VersR 2000 709, 710, st. Rspr.

20 21

22

BGH 22.3.2000 VersR 2000 709, 710. BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061, 1062; vgl. OLG Koblenz 4.1.2002 VersR 2002 873, 874. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 139, 211.

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§ 168

Kapitel 5: Lebensversicherung

gen die volle Verfügungsmacht über den Anspruch hat, er ihn grundsätzlich abtreten und verpfänden kann und der Anspruch in seine Insolvenzmasse gehört, bleibt der VN der Vertragspartner des VR. Der unwiderruflich Bezugsberechtigte bleibt damit in hohem Maße abhängig von dem VN hinsichtlich der Fälligkeit und Höhe des Versicherungsanspruchs und der sonstigen Entwicklung des Versicherungsverhältnisses.23 3. Zessionar

29

Durch die Abtretung tritt der Zessionar nach § 398 Satz 2 BGB an die Stelle des bisherigen Gläubigers, also des VN. Das gilt sowohl für die Vollabtretung als auch für die Sicherungszession. Daher ist von dem Grundsatz auszugehen, dass mit der Zession sämtliche Rechte aus dem Versicherungsvertrag – und damit auch das Kündigungsrecht nach § 168 – auf den Zessionar übertragen werden. Als unselbstständiges Gestaltungsrecht vermag das Kündigungsrecht allein jedoch keinen selbstständigen Übertragungsgegenstand zu bilden, es besitzt keinen finanziellen Wert und es kann nur zugleich mit der Forderung auf den Rückkaufswert auf den neuen Gläubiger übergehen.24 Ebenso wie andere Gestaltungsrechte soll der Zessionar nach der Forderungsabtretung das Kündigungsrecht auch nicht mehr allein ausüben, soweit sich aus der Abtretungsvereinbarung nichts anderes ergibt. Es soll ihm nicht gestattet sein, die nunmehr dem Zessionar zustehenden Forderungen gegen den VR zu beeinträchtigen. Ist das Kündigungsrecht zusammen mit dem Anspruch auf die Rückvergütung auf den neuen Gläubiger übergegangen, so kann die Ausübung des Kündigungsrechts durch den Neugläubiger allerdings gleichfalls den Interessen des Zedenten und u.U. – im Falle einer Sicherungszession – der Sicherungsabrede widersprechen. Der Zessionar – in der Regel ein Kreditinstitut – ist daher grundsätzlich gehalten, den Zedenten über die Kündigungsabsicht zu informieren. Stimmt der Zedent der Kündigung nicht zu, so kann der Zessionar dem Altgläubiger aus § 280 BGB auf Schadenersatz haften. Schweigt die Abtretungsvereinbarung zu dem Übergang des Kündigungsrechts auf den Zessionar, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, ob es zum Übergang des Kündigungsrechts gekommen ist.25 Hat der VN zusammen mit einer Kapitallebensversicherung eine Berufsunfähigkeits30 zusatzversicherung abgeschlossen, so können die Ansprüche aus der Lebensversicherung und das Kündigungsrecht gleichwohl abgetreten werden. § 850 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezieht sich nur auf die Rentenansprüche aus der Zusatzversicherung. Kündigt der Zessionar die Lebensversicherung und erlangt er die Rückvergütung, so wird dadurch eine rechtlich erworbene Position des VN aus der BUZ nicht beeinträchtigt. Wird die Lebensversicherung gekündigt, so verliert der VN nur die Möglichkeit, seinen BU-Versicherungsschutz durch Weiterführung der Lebensversicherung aufrecht zu erhalten. Vor diesem Nachteil wird der VN durch das Pfändungsverbot nicht geschützt.26 Bei einer Restschuldversicherung als Risikoversicherung bildet sich grundsätzlich 31 keine Rückvergütung, dem Kreditgeber des Zessionars der Versicherung kommt es allein darauf an, dass beim Tode des VN die noch offene Darlehenssumme von dem VR beglichen wird und dass die Versicherung nicht vor dem Ablauftermin gekündigt wird.

23 24

25

Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 164 ff. Einhellige Auffassung in Rspr. (z.B. BGH 18.11.2009 VersR 2010 237, 238) und Schrifttum (Joseph 152 ff.). Vgl. im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 344 ff.

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26

BGH 18.11.2009 VersR 2010 237, 239; BGH 18.11.2009 VersR 2010 375, 376 sowie im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 348 ff.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

Deswegen werden an den Kreditgeber nur Ansprüche, nicht aber das Kündigungsrecht abgetreten, wobei das Kündigungsrecht von dem VN jedoch nicht vorzeitig ausgeübt werden darf. Das ist in der Regel in der Abtretungsvereinbarung festgelegt.27 4. Zweitmarktinvestor Übernimmt der Investor den gesamten Lebensversicherungsvertrag, indem der VN 32 ausgewechselt wird, so tritt der Erwerber in sämtliche Rechte und Pflichten des VN im Wege der Sondernachfolge ein. Eine solche Vertragsübernahme bedarf der Mitwirkung sämtlicher Beteiligter, in der Regel in Form einer Vereinbarung zwischen dem ausscheidenden VN und dem Erwerber unter Zustimmung des VR, §§ 398 ff., 415 BGB in analoger Anwendung. Dabei geht auch das Kündigungsrecht auf den Zweitmarktinvestor über.28 Erfolgt der Verkauf der Versicherung im Wege des Treuhandmodells – weil der VR 33 die erforderliche Zustimmung nicht erteilt hat – , so gehen sämtliche gegenwärtigen und künftigen Forderungen und Rechte vom VN auf den Investor über. Dazu gehört in der Regel auch das Kündigungsrecht. Soweit dem VN Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verbleiben, nimmt er sie treuhänderisch für den Erwerber wahr.29 5. Vollstreckungsgläubiger in der Einzelzwangsvollstreckung Soweit der Pfändungsschutz nicht reicht, sind sämtliche Forderungs- und Gestaltungs- 34 rechte des VN aus einem Lebensversicherungsvertrag pfändbar. Pfändet der Gläubiger bei fehlender Bezugsberechtigung „sämtliche Rechte des VN“ bzw. „die Rechte des VN“ aus der Lebensversicherung, so bezieht sich die Pfändung auf die vereinbarte Versicherungssumme, die Überschussbeteiligung und eine eventuelle Rückvergütung. Dabei sind die der Geltendmachung dienenden oder ihren Inhalt unmittelbar beeinflussenden Gestaltungsrechte grundsätzlich mitgepfändet.30 Aufgrund des Überweisungsbeschlusses kann der Vollstreckungsgläubiger dabei auch das Kündigungsrecht ausüben, soweit das für die Geltendmachung der Leistung des VR erforderlich ist. Ist ein unwiderruflich Bezugsberechtigter eingesetzt, so erhält er grundsätzlich den 35 Anspruch auf die Versicherungsleistung. Das Kündigungsrecht verbleibt zwar beim VN. Da es jedoch nur mit dem Versicherungsanspruch pfändbar ist, bleibt es dem Zugriff des Gläubigers entzogen.31 Die Versicherungsleistung fällt auch nicht in den Nachlass des VN. Ein Zugriff kann nur über eine Gläubigeranfechtung erfolgen.32 Ist ein widerruflich Bezugsberechtigter eingesetzt worden, so kann der Gläubiger die 36 Rechte des VN pfänden und sich überweisen lassen. Da eine Pfändung und Überweisung grundsätzlich auch das Widerrufsrecht erfasst, kann der Vollstreckungsgläubiger – solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist – das Widerrufsrecht bis zur Höhe des zu seiner Befriedigung und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlichen Betrages ausüben. Er hat sodann die gleichen Verwertungsmöglichkeiten wie bei fehlender Bezugsberechtigung.

27 28 29 30 31

Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 354. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 406 ff. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 425. OLG Celle 2.4.2009 VersR 2009 1102, 1103. BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022;

32

a.M. LG Darmstadt 1.10.1999 NVersZ 2000 221; zu allem Prahl NVersZ 2001 151, 153 ff. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 452 ff.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

Nach Eintritt des Versicherungsfalles hat der Gläubiger keine Möglichkeit, sich unmittelbar aus der Versicherungssumme zu befriedigen. Er kann nur im Wege der Gläubigeranfechtung vorgehen.33 6. Insolvenzverwalter

38

Bei fehlender Bezugsberechtigung gehören sämtliche Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich zur Insolvenzmasse, §§ 35, 36 InsO. Das Verfügungsrecht über die Lebensversicherung hat der Insolvenzverwalter, nur an ihn darf der VR leisten, § 80 InsO. Handelt es sich um eine Lebensversicherung gegen Einmalprämie oder fallen aus anderen Gründen keine Prämien mehr an, so kann der Insolvenzverwalter über die Lebensversicherung ohne weiteres verfügen und die Versicherung kündigen. Sind vom VN – auch künftige – Prämien noch zu begleichen, so verlieren die noch offenen Ansprüche mit Insolvenzeröffnung ihre Durchsetzbarkeit, so dass der Insolvenzverwalter den Lebensversicherungsvertrag nach § 168 kündigen muss, um die Rückvergütung zur Masse einzuziehen.34 Eine solche Kündigung kann auch konkludent erfolgen, indem der Insolvenzverwalter die Auskehrung der Rückvergütung verlangt oder die Erfüllung des Vertrages nach § 103 Abs. 2 InsO ablehnt.35 Bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung gehört die dem Bezugsberechtigten zu39 stehende Versicherungsforderung nicht zur Insolvenzmasse. Daher können die Versicherungssumme oder die Rückvergütung vom Insolvenzverwalter nicht zur Masse eingezogen werden, es sei denn, Überschussanteile gehen an den VN. Der Insolvenzverwalter hat auch insoweit das Wahlrecht nach § 103 InsO; kündigt er die Versicherung, so ist der VR zur Auskehrung der Rückvergütung an den unwiderruflich Bezugsberechtigten verpflichtet. Um die Rückvergütung zur Masse einziehen zu können, hat der Insolvenzverwalter nur die Möglichkeit einer Schenkungsanfechtung, §§ 133, 130–132 InsO. Bei Einsetzung eines widerruflich Bezugsberechtigten hat der Insolvenzverwalter vor 40 Eintritt des Versicherungsfalles zunächst den Widerruf zu erklären. Bei vollständiger Erfüllung der Prämienschuld kann das Widerrufsrecht dabei ohne weiteres ausgeübt werden. Ist der Versicherungsvertrag noch nicht erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht nur widerrufen, wenn er nach § 103 InsO die weitere Erfüllung des Versicherungsvertrages wählt. Widerruft er die Einräumung der Bezugsberechtigung vor Ausübung des Wahlrechts, so ist das als Erfüllungsverlangen nach § 103 InsO zu verstehen. Wird die Versicherung später gekündigt, so liegt darin in aller Regel ein gleichzeitiger Widerruf der Bezugsberechtigung.36 Wird die Erfüllung des Lebensversicherungsvertrages dagegen vom Insolvenzverwalter abgelehnt, so hat er kein Widerrufsrecht. Auf den Widerruf und eine Kündigung kommt es dabei jedoch nicht an, weil der dem VN zustehende Anspruch auf die Rückvergütung bereits mit dem Zugang der Ablehnungserklärung fällig wird und in die Insolvenzmasse fällt.37 Ist der Versicherungsfall bereits eingetreten, so hat der Insolvenzverwalter in der 41 Nachlassinsolvenz nach §§ 315 ff. InsO keinen Zugriff auf die Versicherungsleistung, da die Versicherungssumme bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung nicht in den Nach-

33 34

Zu allem Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 468 ff. Elfring BB 2004 617, 619; Armbrüster/Pilz KTS 2004 481, 485; BGH 7.5.2005 VersR 2005 923; BGH 4.3.1993 VersR 1993 689, 690; Prölss/Martin/Reiff § 168 Rn. 13.

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35 36 37

Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 447 ff; vgl. auch Römer/Langheid/Römer §168 Rn. 13. Vgl. zu allem Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 482 ff. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 482.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

lass fällt. Der Nachlassinsolvenzverwalter kann die Bezugsrechtseinräumung nach §§ 133, 134 InsO anfechten und den Versicherungsanspruch sodann zur Masse einziehen.38 Einer Kündigung des Nachlassinsolvenzverwalters bedarf es nicht.39 7. Pfandgläubiger Bei der Verpfändung der Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag40 kann 42 der VN – der nach wie vor der Gläubiger der verpfändeten Forderung gegen den VR und Verfügungsberechtigter geblieben ist – vor Eintritt der Pfandreife die Lebensversicherung nach § 1276 BGB nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers kündigen. Es bedarf keiner Zustimmung, soweit die Rückvergütung höher als die gesicherte Forderung ist. Erfolgt die Kündigung ohne die erforderliche Zustimmung des Pfandgläubigers, ist sie unwirksam.41 Inwieweit der Gläubiger nach Eintritt der Pfandreife ein eigenes Kündigungsrecht besitzt, ist umstritten und dürfte abzulehnen sein.42 Anders verhält es sich, wenn sich der Pfandgläubiger den Versicherungsanspruch von dem Verpfänder an Zahlungsstatt abtreten lässt. Dazu ist der Verpfänder nach § 1282 Abs. 1 Satz 3 BGB verpflichtet. Mit der Abtretung rückt der Pfandgläubiger in die Gläubigerstellung des VN ein und darf die Lebensversicherung auch kündigen. 8. Testamentsvollstrecker Ist ein Testamentsvollstrecker eingesetzt worden, kann das Kündigungsrecht bei 43 einem zum Nachlass gehörenden Lebensversicherungsvertrag allein von dem Testamentsvollstrecker ausgeübt werden.43

V. Kündigungserklärung, Form und Fristen 1. Kündigungserklärung Die Kündigung kann jederzeit, also auch vor dem materiellen Versicherungsbeginn 44 und während des Laufes des letzten Versicherungsjahres erfolgen. Eine Kündigungserklärung, die dem VN vor und gleichzeitig mit dem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages zugeht, ist als Widerruf des Antrags anzusehen. Bei Versicherungen mit festem Auszahlungstermin kann die Kündigung auch zwischen dem Tode der Gefahrsperson und dem Fälligkeitstag der Versicherungssumme erfolgen.44 Aus der Kündigungserklärung muss eindeutig zu ersehen sein, dass der Lebensver- 45 sicherungsvertrag nicht weitergeführt werden soll. Bringt der VN oder sonstige Kündigungsberechtigte in seiner Mitteilung den unbedingten Willen zum Ausdruck, dass er sich von dem Vertrag – z.B. um nicht weiter zur Prämienzahlung verpflichtet zu sein – so

38 39

40 41

Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 487. Zur Kündigung in Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung bei einer geteilten Bezugsberechtigung vgl. im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 493 ff. Vgl. dazu im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 506 ff. Zu Einzelheiten vgl. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 514 ff.

42 43

44

Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 521 Fn. 598; a.A. Langheid/Wandt/Mönnich § 168 Rn. 22. Benkel ALB 1986 § 4 Rn. 28; OLG Koblenz 28.5.2001 – 10 W 337/01 S. 3 (unveröffentlicht). VA 1932 102; Bruck/Dörstling § 8 ALB a.F. Rz. 7.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

schnell wie möglich lösen will, ist der Vertrag zum nächstmöglichen Termin zu beenden. Um den Kündigungswillen zum Ausdruck zu bringen, ist es nicht ausreichend, die Kündigung lediglich anzudrohen oder die Beitragszahlung ohne weitere Erklärung einzustellen. Ob eine Kündigung zum Ausdruck gelangt ist, muss nach den allgemeinen Ausle46 gungsgrundsätzen ermittelt werden. Die Kündigung eines Insolvenzverwalters beinhaltet – wenn für die Lebensversicherung ein widerruflich Bezugsberechtigter eingesetzt ist – zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung, da es dem Verwalter darauf ankommen dürfte, die Rückvergütung im Interesse der Insolvenzmasse zu verwenden, zumal die Bezugsberechtigung mit dem Ende des Lebensversicherungsvertrages ohnehin entfällt.45 In der Regel dürfte davon auszugehen sein, dass eine Kündigung zugleich als Widerruf einer Bezugsberechtigung zu verstehen ist, wenn bei dem Lebensversicherungsvertrag ein widerruflich Bezugsberechtigter eingesetzt ist. Eine Anfechtung, eine Rücktrittserklärung oder eine außerordentliche Kündigung 47 sind in eine Kündigung nach § 168 umzudeuten, wenn sich der VN von dem Lebensversicherungsvertrag lösen will, § 140 BGB. Notfalls kann eine unwirksame Kündigung des VN als Angebot zur einvernehmlichen vorzeitigen Aufhebung des Lebensversicherungsvertrages zu verstehen sein, das der Annahme durch den VR bedarf. Eine Umdeutung der unwirksamen Kündigungserklärung kann dabei allerdings nur erfolgen, wenn der entsprechende Wille des VN für den VR zweifelsfrei erkennbar ist und wenn der VN bei Kenntnis der Unwirksamkeit mit einer solchen Lösung einverstanden gewesen wäre.46 Wird nach einer wirksamen Kündigung die Prämienabbuchung durch den VR fortge48 setzt, so kann das nicht als Festhaltenwollen des VR am Vertrag gewertet werden, wenn nicht weitere hinzutretende Umstände dafür sprechen. Die Kündigung als einseitig auszuübendes Gestaltungsrecht ist auch bei einer längeren Kündigungsfrist nicht einseitig abänderbar. Eine Rücknahme der Kündigungserklärung ist nach Zugang der Erklärung nur durch einen Vertrag mit dem Kündigungsempfänger möglich.47 2. Zugang der Kündigungserklärung

49

Die vom VN ausgesprochene Kündigung muss dem VR rechtzeitig zugehen; endet die Versicherungsperiode am 30. September, so ist es ausreichend, wenn die Erklärung dem VR an diesem Tag zugeht. Dabei genügt der Zugang beim Versicherungsvertreter, § 69 Abs. 1 Nr. 2. 3. Form der Erklärung

50

Die Kündigung kann nach dem Gesetz formfrei ausgesprochen werden. Nach § 171 Satz 2 kann jedoch die Schrift- oder Textform vereinbart werden. Das geschieht in aller Regel. Ist eine formgerecht erfolgende Kündigungserklärung nicht echt, so fehlt es an einer entsprechenden Erklärung.48 Wird mit der Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages zugleich der Originalversicherungsschein vorgelegt, der den Kündigenden als VN ausweist und ist die Kündigung mit dessen Namen unterzeichnet, kann der VR mit befreiender Wirkung an die angegebene Zahlstelle leisten. Stellt sich später heraus, dass

45 46

BGH 14.12.2001 RuS 2002 302; OLG Köln 20.12.2000 RuS 2002 302. Vgl. BGH 12.1.1981 NJW 1981 976.

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47 48

OLG Köln 30.9.1998 VersR 1999 619, 620. KG 23.3.2007 RuS 2008 253.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

der die Versicherung betreuende Makler die Unterschrift unter der Kündigungserklärung gefälscht hatte und die Versicherungsleistung nicht auf ein Konto des VN gebucht wurde, so ist das grundsätzlich unerheblich. Voraussetzung ist, dass der VR im Hinblick auf die Legitimationswirkung der Inhaberklausel im Versicherungsschein keine Zweifel hatte, dass die Kündigungserklärung von dem VR selbst herrührte.49 Dem BGH ist darin zuzustimmen, dass mit Blick auf die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins keine Überdeckung des Schuldnerschutzes gegeben ist. Denn zur Leistung an einen materiell Nichtberechtigten kann es nur kommen, wenn sich der VN der Kontrolle über den Versicherungsschein begeben hat und die Police in die falschen Hände geraten ist. 4. Kündigungsfrist Eine Kündigungsfrist findet sich in § 168 nicht, die Kündigungserklärung erfolgt 51 grundsätzlich auf den Schluss der Versicherungsperiode. Eine nicht fristgemäß vorgelegte Kündigungserklärung ist nicht wirksam, sie wirkt grundsätzlich automatisch auf den nächsten zulässigen Termin.50 Hat eine verspätete Kündigung zu rechtlichen Unsicherheiten geführt, ist der VR verpflichtet, dem VN gegenüber dazu ausdrücklich Stellung zu nehmen und ihn auf den Mangel der Erklärung hinzuweisen.51 Wird die Kündigung erst mehrere Tage später zurückgewiesen, weil die erforderliche Vollmacht nicht vorgelegt sei, so ist das nicht unverzüglich i.S.v. § 174 Satz 1 BGB.52 Der Kündigungsberechtigte kann das Erlöschen der Versicherung zu einem anderen 52 Zeitpunkt als dem Ende der Versicherungsperiode nicht verlangen. Doch steht einer individuellen Vereinbarung, nach der die Kündigung zu einem beliebigen sonstigen Zeitpunkt wirksam werden soll, nichts entgegen.

VI. Rechtsfolgen der Kündigung Die Kündigung hat zur Folge, dass das Versicherungsverhältnis zu dem in der Kündi- 53 gung vorgesehenen Zeitpunkt endet. Das bezieht sich nicht nur auf die formelle und materielle Versicherungsdauer, sondern auch auf die Verpflichtung zur Prämienzahlung. Sind Prämien für einen späteren Zeitraum vorausgezahlt worden, so hat der VN einen Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, §§ 812, 818 BGB; dasselbe gilt für zu viel entrichtete Teile einer einmaligen Prämie. Ein Anspruch des VN auf Rückzahlung der entrichteten besonderen Risikozuschläge 54 besteht grundsätzlich nicht, sie sind durch die Gefahrtragung des VR abgegolten.53 Zur Wirkung der Kündigung im Verhältnis zum Bezugsberechtigten, Sicherungszessionar usw. vgl. oben unter Rn. 29 ff. einschließlich der Verweise auf Bruck/Möller/Winter § 159. Bei fehlendem oder widerruflichem Bezugsrecht steht der Rückkaufswert dem VN zu, wobei in der Kündigung des Versicherungsverhältnisses zugleich der Widerruf des Bezugsrechts liegen kann.54 Im Insolvenzverfahren erhält den Rückkaufswert der Insol-

49 50 51 52 53

BGH 20.5.2009 VersR 2009 1061, 1062. BGH 1.7.1987 VersR 1987 923; a.A. OLG Celle 18.4.1929 VA 1931 3 Nr. 2097. BGH 1.7.1987 VersR 1987 923, 924; OLG Karlsruhe 18.10.2001 VersR 2002 1497. LG Berlin 6.8.2002 NVersZ 2002 552, 553. Vgl. KG 17.12.1965 VersR 1966 259, 261.

54

Zurückhaltend OLG Köln 20.12.2000 VersR 2002 299, 300, das einen Widerruf verneint, weil zweifelhaft sei, dass der VN überhaupt in dem Bewusstsein handelte, neben der Kündigung eine weitere Willenserklärung abzugeben. Unbefriedigend AG Hechingen 8.5.1998 VersR 1999 569, 570, das in einem

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venzverwalter bzw. die Insolvenzmasse. Bei unwiderruflichem Bezugsrecht erhält den Rückkaufswert der Begünstigte, das gilt auch im Insolvenzverfahren. Nach § 9 Abs. 3 GDV-Musterbedingungen für die kapitalbildende Lebensversiche55 rung und den gleichlautenden Bestimmungen der anderen Bedingungswerke ist der VR – im Einklang mit der unabdingbaren Bestimmung des § 169 – verpflichtet, den Rückkaufswert zu gewähren. Der VR ist zu einem angemessenen Abzuge berechtigt, der den Rückkaufswert – insbes. wenn die Kündigung in den ersten Jahren erfolgt – deutlich mindern kann.55

VII. Teilkündigung 56

In der Vorschrift des § 168 ist die Möglichkeit einer Teilkündigung nicht erwähnt, sie ergibt sich jedoch regelmäßig aus den Bedingungswerken.56 Bei einer Teilkündigung darf die verbleibende beitragspflichtige Versicherungssumme gleichfalls nicht unter den im Geschäftsplan festgelegten Mindestbetrag sinken.

VIII. Kündigung gemäß § 314 BGB 57

Das dem VN auch insoweit nach § 314 BGB zu gewährende Lösungsrecht hat in der Lebensversicherung angesichts der jederzeitigen Kündigungsrechts nach § 168 kaum praktische Bedeutung. § 314 BGB wird durch die Kündigung nach § 168 jedoch nicht verdrängt. Eine vom VN „mit sofortiger Wirkung“ ausgesprochene, jedoch unwirksame Kündigung kann in eine Kündigung nach § 168 umgedeutet werden.57

IX. Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB 58

Auch das Kündigungsrecht bei Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage ist nur von geringer Bedeutung in der Praxis. So lässt z.B. das Ausbleiben einer erwarteten steuerlichen Absetzbarkeit von Lebensversicherungsprämien als Betriebsausgaben die Geschäftsgrundlage nicht entfallen: Hinsichtlich steuerlicher Vorteile hat sich für die Lebensversicherung ein typisches Vertragsrisiko entwickelt, das vom VN allein zu tragen ist.58

X. Kündigung durch den Versicherer und den Versicherungsnehmer (doppelte Kündigung) 59

Die Kündigung des VR – beispielsweise nach § 38 Abs. 2 Satz 1 – und die Kündigung des VN können miteinander kollidieren, sei es, dass sie sich unbeabsichtigt kreuzen, oder dass nach Kündigung des einen Vertragspartners der andere Vertragspartner seinerseits kündigt. Hier ist nach verschiedenen Fallgestaltungen zu differenzieren:59 Kündigt der

55 56

Fall geteilter Bezugsberechtigungen zur Frage des Widerrufs nicht Stellung nimmt. Zum Rückkaufswert im Einzelnen Bruck/ Möller/Winter § 169 Rn. 68 ff. Z.B. § 9 (1) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung, § 9 (1) GDV-

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57 58 59

Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung. Vgl. OLG Hamm 7.5.1984 VersR 1984 958. OLG Karlsruhe 19.1.1995 VersR 1996 1001, 1002. Dörstling VersR 1950 26, 27.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

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VN nach § 168, ohne die Prämie für die laufende Versicherungsperiode gezahlt zu haben, so hat seine Kündigung zur Folge, dass die Versicherung zunächst noch bis zum Schluss der Versicherungsperiode weiterläuft. Weil die Prämie nicht entrichtet wurde, kann dem VR daran gelegen sein, sich schon vor dem Schluss der Versicherungsperiode von seiner Leistungspflicht zu befreien. Er kündigt also gleichfalls, was zur Folge hat, dass die Versicherung schon mit Fristablauf oder mit Zugang der Kündigung erlischt bzw. sich in eine prämienfreie Versicherung umwandelt.60 Dörstling 61 führt diese Konstellation weiter, indem er davon ausgeht, dass der VN 60 nunmehr lebensgefährlich erkrankt und daran interessiert sei, die Versicherung wiederherzustellen. Ist die Wiederherstellungsfrist noch nicht verstrichen, so kann er die Wirkungen der Kündigung des VR durch Nachzahlung der Prämienrückstände beseitigen, seine eigene Kündigung kann er jedoch nicht mehr widerrufen. Wird nun der Versicherungsschutz durch die Prämiennachzahlung zunächst wiederhergestellt und stirbt jetzt der VN, dann besteht ein Anspruch auf die Versicherungssumme in derselben Weise, wie wenn die Versicherung überhaupt nicht gekündigt worden wäre. Die Wirkungen der vom VN ausgesprochenen Kündigung können nicht mehr eintreten, weil der Versicherungsvertrag bereits durch den Tod des VN sein Ende gefunden hat. Denkbar ist aber auch der Fall, dass zunächst der VR gemäß § 38 Abs. 3 gekündigt 61 hat. Will der VN bewirken, dass die infolge der Kündigung des VR prämienfrei gewordene Versicherung zum Rückkauf gebracht werden soll, so kann er gleichfalls kündigen. Auch hier ist entscheidend, mit welchem Zeitpunkt die einzelnen Kündigungen wirksam werden bzw. werden können. Kann die Kündigung des VR erst nach dem Ablauf der Versicherungsperiode wirksam werden, zu der die Kündigung des VN erfolgt ist, dann wird die Kündigung des VR gegenstandslos.62

XI. Aufhebungsvertrag, Sonderregelungen bei flexibler Altersgrenze, Vorruhestand usw. Die Beendigung eines Lebensversicherungsvertrages durch einen Aufhebungsvertrag 62 ist möglich. Die Rechtsfolgen sind erster Linie durch Auslegung des Aufhebungsvertrages zu ermitteln. Führt die Auslegung zu keinem Ergebnis, sind die gesetzlichen Bestimmungen – insbes. auch § 169 – bzw. das jeweilige Bedingungswerk entsprechend anzuwenden. Ein Aufhebungsvertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden.63 Sonderregelungen finden sich im Hinblick auf die flexible Altersgrenze, den Vorruhestand usw. Dem Arbeitnehmer wird es beispielsweise ermöglicht, in Anpassung an die Regelungen zur flexiblen Altersgrenze in der Gesetzlichen Rentenversicherung die Leistungen vorzeitig abzurufen, ohne dass eine solche Vertragsauflösung als Storno bewertet wird und ohne dass Gewinnanteile verloren gehen.

60

61

Ähnlich der vom OLG Braunschweig 6.4.1954 VersR 1954 313, 314 entschiedene Fall. Dörstling VersR 1950 26, 27.

62 63

Vgl. Dörstling VersR 1950 26, 27; im Übrigen auch Arnold ZfV 1953 547, 548. LG Lüneburg 9.2.1950 MDR 1950 425; Prölss MDR 1947 216, 217.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

XII. Gefahrenwegfall durch den Tod der Gefahrsperson 63

Unabhängig davon, ob der VN mit der Gefahrsperson identisch ist, wird durch ihren Tod die Gefahrtragung des VR unmöglich. Es gilt in der Lebensversicherung sodann die Regelung des § 80 analog, so dass insoweit ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften des BGB und ein außerordentliches Kündigungsrecht überflüssig werden. Zur Frage, inwieweit die Vorschrift des § 80 den Tatbestand des dauernden Gefahrmangels mit einschließt oder nur analog anzuwenden ist, vgl. Bruck/Möller/Schnepp § 80 Rn. 13, 14. Die Streitfrage, ob § 80 beim Gefahrmangel direkt oder analog anzuwenden ist, hat für die Lebensversicherung keine Bedeutung, da die Vorschriften der Schadensversicherung bei einer Versicherung mit abstrakter Bedarfsdeckung ohnehin nur analoge Anwendung finden können. 64 Nach dem der Vorschrift des § 80 zugrunde liegenden Grundprinzip erlischt die Versicherung, wenn ein Gefahrmangel eintritt. Für die Frage der Prämienzahlung ist dabei zu differenzieren: Kommt es zu einem Gefahrmangel, weil die Gefahrsperson stirbt, und tritt nicht auch zugleich der Versicherungsfall ein, so gilt die Regelung des § 80 Abs. 2 (Beispiel: Berufsunfähigkeitszusatzversicherung): Dem VR gebührt die Prämie, die er hätte erheben können, wenn die Versicherung nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, in dem der VR von dem Tode der Gefahrsperson Kenntnis erhalten hat. Der VN hat die Prämie also insoweit pro rata temporis zu zahlen.

XIII. Besonderheiten beim Prämiendepot Wird die Lebensversicherung, auf die sich das Beitragsdepot bezieht,64 gekündigt, so wird das Depot in aller Regel aufgelöst. Eine Weiterführung des Depots wäre nur als Kapitalisierungsgeschäft möglich. Haben VR und VN die Auflösung des Depots bei Kündigung ausdrücklich vereinbart, so wird das vertragliche Verhältnis auch insoweit beendet. Fehlt es – wie es häufig der Fall ist – an einer solchen Vereinbarung, so wird durch die Kündigung auch die Prämienzahlungspflicht beendet, damit entfällt der Grund für die Existenz des Depots, so dass der VR nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB zur Herausgabe des Depots an den VN verpflichtet ist.65 Hatte der VN einen widerruflich Bezugsberechtigten eingesetzt, so wird das Bezugsrecht mit der Kündigung widerrufen bzw. gegenstandslos. Eine Herausgabe an den Bezugsberechtigten käme nicht in Frage. Hatte der VN ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, so würde zwar die Rückvergütung dem Bezugsberechtigten zufließen, nicht jedoch das noch bestehende Beitragsdepot, das noch nicht Bestandteil der Versicherung geworden ist. Lebensversicherung und Beitragsdepot sind unterschiedliche, nebeneinander bestehende vertragliche Rechtsverhältnisse, die nur über die Prämienzahlung miteinander verbunden sind. 66 Stellt der VN die Lebensversicherung beitragsfrei, so könnte das Restdepot zwar als Kapitalisierungsgeschäft gleichfalls weitergeführt werden. Das liegt jedoch nicht im Sinne der Vertragsparteien. Da mit der Umwandlung der Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung keine Beiträge mehr zu entrichten sind, entfällt die Funktion und der rechtliche Grund für das Beitragsdepot. Das Restdepot ist in einem derartigen Falle – wenn insoweit keine vertraglich begründete Pflicht des VR besteht – nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB an den VN herauszugeben.

65

64 65

Vgl. oben § 168 Rn. 7. Eberhardt/Baroch Castellví VersR 2002 261, 262.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

Wird das Beitragsdepot isoliert gekündigt und soll sich die Kündigung auf die 67 Lebensversicherung nicht beziehen, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass zugleich mit der Kündigung des Restdepots auch die Lebensversicherung entfällt. Der VN verfügt nur über das Depot, nicht aber die Lebensversicherung. Aus der Verknüpfung von Depot und Versicherung die Folgerung zu ziehen, dass eine isolierte Kündigung des Restdepots nicht möglich sei, kann einem Lebensversicherungsvertrag mit Beitragsdepot in der Regel nicht entnommen werden. Der VN müsste mit einer zugleich erfolgenden Kündigung der Lebensversicherung mit der Folge einer Auskehrung der Rückvergütung eine finanzielle Einbuße hinnehmen, die er bewusst nicht in Kauf nehmen wollte. Ist der VN nunmehr bereit, die Beitragszahlung unabhängig von einem Beitragsdepot aufzunehmen und akzeptiert der VR die Zahlungen, so kommt konkludent eine entsprechende Vereinbarung zwischen VN und VR zustande. In der Kündigung des Beitragsdepots ein Umwandlungsverlangen des VN auf Beitragsfreistellung zu sehen, dürfte nur in Ausnahmefällen möglich sein.66

C. Kündigungsausschluss für Altersvorsorgeverträge I. Zweck der Regelung Ein Pfändungs- und Insolvenzschutz für Altersrenten, die auf einem Lebensversiche- 68 rungsvertrag basieren, ist nach §§ 851d, 851c ZPO nur gegeben, wenn über die Ansprüche durch den VN nicht verfügt werden darf. Eine solche Verfügung wäre die Ausübung des jederzeitigen Kündigungsrechts nach § 168, das nicht abdingbar ist. Ein Lebensversicherungsvertrag i.S.d. § 168 darf also einen Ausschluss des Kündigungsrechts nicht enthalten. Soll aber der Pfändungsschutz für Altersrenten erhalten bleiben, so muss das Kündigungsrecht ausgeschlossen werden, insbes. auch um einen Missbrauch des Pfändungsschutzes zu vermeiden. Dem VN soll es nicht möglich sein, das für die Altersrente angesparte Deckungskapital in zweckfremder Weise zu verwerten. Daher ist die Sonderregelung des § 168 Abs. 3 geschaffen worden, die den Ausschluss des jederzeitigen Kündigungsrechts vor dem Eintritt in den Ruhestand ermöglicht. In Frage kommt der vollständige Ausschluss des Kündigungsrechts, es kann aber auch dahin begrenzt werden, dass Rechtsfolge einer Kündigung eine Beitragsfreistellung ist.67 Dem VN soll auf diese Weise die Gelegenheit gegeben werden, von der steuerlichen Förderung, dem Pfändungsschutz und dem sozialrechtlichen Verwertungsausschluss bei Altersrenten Gebrauch zu machen. Jederzeitiges Kündigungsrecht und Förderung bzw. Absicherung von privaten Altersrenten schließen sich aus, allerdings nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen wie §§ 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 851c, 851d ZPO. Ein darüber hinausgehender Kündigungsausschluss wäre nach § 171 VVG unwirksam. Haben VR und VN einen Kündigungsausschluss vereinbart, unterliegt die Lebensversicherung jedoch weiterhin der Einzel- und Gesamtvollstreckung, so kann der Insolvenzverwalter gleichwohl eine Kündigung aussprechen, um den Rückkaufswert einzuziehen. Denn sonst könnten sich die Vertragsparteien allein durch Vereinbarung eines Kündigungsausschlusses die Verwertung einer Lebensversicherung verhindern.68

66

Zu weiteren rechtlichen Fragen in Zusammenhang mit einem Beitragsdepot wie die Abtretung usw. der Lebensversicherung oder nur des Restdepots, die Pfändung des Depots vgl. Eberhardt/Baroch Castellví VersR 2002 261 ff.

67 68

OLG Köln 1.10.2010 VersR 2011 101, 102 f. für Rürup-Verträge. BGH 1.12.2011 VersR 2012 299, 302.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

II. Rechtliche Einordnung und Verhältnis zu §§ 314, 313 Abs. 3 Satz 2 BGB 69

§ 168 Abs. 3 enthält keinen gesetzlichen Verfügungsausschluss, er ermöglicht nur eine vertragliche Vereinbarung, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt.69 70 Soweit die gesetzlich festgelegte Höhe des Verwertungsausschlusses und des Pfändungsschutzes durch den Lebensversicherungsvertrag überschritten wird, greift die Vorschrift des § 168 Abs. 3 nicht und die Versicherung ist jederzeit kündbar. Darüber hinaus werden die außerordentlichen Kündigungsrechte nach §§ 313 Abs. 3, 314 BGB nicht ausgeschlossen, denn Absatz 3 bezieht sich allein auf § 168 Abs. 1 und 2. Schließlich bleibt auch die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung möglich. Wird dabei die Mindestversicherungsleistung nach § 165 Abs. 1 nicht erreicht, so kommt es allerdings trotz des Ausschlusses zur Auszahlung der Rückvergütung an den VN.70 Was die außerordentlichen Kündigungsrechte anbelangt, so dürften sie allerdings kaum von Bedeutung sein.71 71 Beim Teilkündigungsausschluss – der sich an der wertmäßigen Begrenzung des Pfändungsschutzes bzw. Verwertungsausschlusses orientiert – ist die jeweilige Regelung maßgebend. Denn der Kündigungsausschluss bei einer § 851c ZPO unterfallenden Lebensversicherung kann sich nicht etwa an der sozialrechtlichen Verwertungsgrenze orientieren.72 Für die sozialrechtliche Verwertung von Ansprüchen, die der Altersversorgung dienen, sind somit andere – und zwar erheblich niedrigere – Grenzen zu beachten als beim Pfändungsschutz. Die Folge ist, dass mit Blick auf das Schonvermögen der Staat nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II erheblich stärker auf die der Altersvorsorge dienenden Ansprüche zugreifen kann als solche Gläubiger, für die die Pfändungsschutzgrenzen des § 851c ZPO greifen.

III. Reichweite des Kündigungsausschlusses mit Blick auf den Verwertungsausschluss nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II 72

Für die pfändungsgeschützte Altersvorsorge ist die sozialrechtliche Verwertungsfestigkeit – also die Hartz-IV-Festigkeit – von erheblicher Bedeutung. Dem VN kann es nicht gleichgültig sein, ob sein Altersvorsorgevermögen, wie es nach § 851c ZPO geschützt ist, ihm im Alter nicht mehr zur Verfügung steht, weil die niedrigeren Grenzen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II nach wie vor eine ganz weitgehende Verwertung zugunsten des Staates ermöglichen. Es liegt nahe und entspricht Sinn und Zweck der Regelung, bei einem pfändungsgeschützten Lebensversicherungsvertrag davon auszugehen, dass es sich in derselben Höhe um sozialhilferechtlich unverwertbares Altersvorsorgevermögen handelt. Das gilt insbes. auch vor dem Hintergrund, dass mit diesen Vorschriften die Erleichterung einer privaten Absicherung der Altersvorsorge bezweckt wird, um die Versorgungslücken zu schließen, die durch die Reduktion der Leistungen der Gesetzlichen Rentenver-

69

70

Wollmann 70; BSG 16.12.2008 FEVS 2009 297, 302. Beispiele eines Kündigungsausschlusses: OLG Hamm 17.8.2007 VersR 2008 383; OLG Koblenz 4.6.2007 VersR 2007 1640, 1641 bei Rentenversicherungen gegen Einmalzahlung (Sofortrenten). BTDrucks. 16/3007 S. 23; BTDrucks. 16/886 S. 14.

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71

72

Der weiten Auslegung von Fiala/Schramm VW 2009 1290, 1291 kann nicht beigepflichtet werden. Wollmann 74, 75; nicht eindeutig Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 68 Rn. 29.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

sicherung entstanden sind und sich verstärken werden. Dem dient es nicht, wenn das angesparte Altersvorsorgevermögen zu einem größeren Teil – vor seiner Inanspruchnahme durch den VN – zum Bestreiten des Lebensunterhalts eingesetzt werden muss. Nicht zuletzt der Gedanke der Rechtseinheit spricht dafür, dass das Altersvorsorgevermögen, das Pfändungsschutz genießt, in gleicher Höhe auch einem Verwertungsausschluss unterliegt. Das dem Pfändungsschutz unterfallende Vermögen kann nicht verwertbares Vermögen i.S.d. § 12 SGB II sein. Davon gehen das Gesetz und die staatliche Verwaltung jedoch nicht aus: Nach herrschender Auffassung bezieht sich der Kündigungsausschluss nach § 168 Abs. 3 Satz 2 auf die Pfändungsgrenzen der §§ 851c und 851d ZPO, der Kündigungsausschluss nach § 168 Abs. 3 Satz 1 orientiert sich nach wie vor an den niedriger angesetzten Verwertungsgrenzen des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II.73 Eine Entlastung des Staates bei der Sozialhilfe auf Kosten des steuerlich geförderten und dringend für den Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung benötigten Sparvermögens ist nicht nachvollziehbar. Die ohnehin unglücklich formulierte Bestimmung des § 168 Abs. 3 bedarf der Revision.

IV. Reichweite des Kündigungsausschlusses bei pfändungsgeschützten Lebensversicherungsverträgen 1. Übersicht Zu den pfändungsgeschützten Leistungen und Vermögensbestandteilen vgl. schon 73 § 167 Rn. 12–52, 180. Nur grundsätzlicher Art ist die Erörterung des Pfändungsschutzes beim bereits angesparten Deckungskapital (§ 167 Rn. 43–48, 179), sie bedarf der Ergänzung. Ist ein Verwertungsvorbehalt nach § 168 Abs. 3 vereinbart worden, ist damit aber eine Unpfändbarkeit nach §§ 851c, 851d ZPO nicht erreicht worden, so bleibt der Rückkaufswert dem Zugriff des Insolvenzverwalters nicht entzogen.74 Allein auf das angesparte Deckungskapital bzw. den Rückkaufswert i.S.d. § 851c 74 Abs. 2 ZPO bezieht sich der Kündigungsausschluss. Wenn § 168 Abs. 3 Satz 2 dabei auf die „Ansprüche“ verweist, die nicht Gegenstand einer Pfändung sein dürfen, so sind damit nicht die Leistungsansprüche nach § 168 Abs. 1 gemeint, da nach Eintritt des Versicherungsfalles in der Todes- bzw. Erlebensfallversicherung kein gesetzliches Kündigungsrecht mehr besteht.75 Denn mit Eintritt des Versicherungsfalles hat der VN keine laufenden Beiträge mehr zu zahlen, so dass eine Kündigung nach § 168 Abs. 1 nicht mehr in Frage käme. Es bedarf jedoch der Kündigung, um einen Rückkaufswert nach § 169 geltend machen zu können. 2. „Betrag“ im Sinne des § 851c Abs. 2 Satz 1 ZPO Der unpfändbare Betrag im Sinne dieser Vorschrift kann sich nicht auf die vom VN 75 bereits gezahlten Bruttobeiträge beziehen, denn für die Rentenzahlungen stehen im Wesentlichen die Sparanteile zur Verfügung. Obwohl in Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift

73 74 75

Im Einzelnen dazu Wollmann 75 ff., 86. OLG Frankfurt 22.6.2011 VersR 2012 169, 170. Dazu ausführlich Wollmann 175, 176, der einen „schwerwiegenden Irrtum des Gesetz-

gebers“ hinsichtlich dieser Zusammenhänge nicht ausschließt und zutreffend die unpräzisen Formulierungen der Vorschrift des § 851c Abs. 2 ZPO beklagt.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

kein Hinweis dazu enthalten ist, wie der maßgebliche Betrag bei einer Lebensversicherung zu verstehen ist (der Anwendungsbereich des § 851c Abs. 2 ZPO ist nicht auf Lebensversicherungsverträge beschränkt, sondern umfasst auch sonstige Vorsorgeverträge), fällt doch auf, dass sich die Sätze 3 und 4 ausdrücklich auf den Rückkaufswert beziehen. Pfändungsfreier Grundbetrag und der Rückkaufswert werden dadurch miteinander verbunden und in Bezug gesetzt. Daher liegt es nahe, unter dem in Satz 1 genannten Betrag gleichfalls den Rückkaufswert zu verstehen. Die Definition des Rückkaufswerts ergibt sich zunächst aus § 169 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1, es handelt sich also um das nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung. Das Deckungskapital aber ist derjenige Teil der bezahlten Prämien, den der LebensVR in einem bestimmten Zeitpunkt angesammelt und zurückgelegt haben muss, um zusammen mit den künftig fällig werdenden Prämien die noch zu erwartenden Verpflichtungen erfüllen zu können.76 Der Rückkaufswert kann sodann nach § 169 Abs. 5 reduziert werden, wenn ein solcher Abzug vereinbart, beziffert und angemessen ist. Der Abzug erfolgt also nicht automatisch und stets und wird in den Bedingungswerken mit einer „Veränderung der Risikolage des verbleibenden Versichertenbestandes“ und einem „Ausgleich für kollektiv gestelltes Risikokapital“ begründet. Wenn der Gesetzgeber in § 851c Abs. 2 ZPO an den Rückkaufswert und nicht an das Deckungskapital anknüpft, so hat das den Vorteil, dass die Rückkaufswerte dem VN mitzuteilen sind und damit ein Ansatz gewählt wird, der die Werthaltigkeit eines Versicherungsvertrages kennzeichnet und auch für den VN erkennbar ist. Orientiert sich § 851c Abs. 2 ZPO nicht am Deckungskapital, sondern an dem Rückkaufswert, so reicht der Pfändungsschutz für den VN weiter, als wenn sich der Gesamtbetrag nach dem Deckungskapital bestimmen würde. Wenn Wollmann darauf abhebt, dass der VN den der Altersvorsorge dienenden Vertrag weiterführt und ein Rückkaufswert insoweit nicht anfällt, so dass es sachgerechter sei, auf das Deckungskapital abzustellen,77 so kann dem nicht gefolgt werden. Die Argumentation ist nicht zwingend, der Gesetzgeber hat die Wahl zwischen zwei fiktiven Größen und hat diejenige gewählt, die sich leichter realisieren lässt und mit der der Außenstehende mehr verbinden kann. Bei der Abgrenzung von VN- und Gläubigerinteressen ist allein entscheidend, dass ein überzeugender oder zumindest vertretbarer Ausgleich vorgenommen wird.78 Das ist mit dem Bezug auf den Rückkaufswert geschehen. 3. Addition der Sockelbeträge, insbesondere bei einer Einmalprämie

76

Bei der Ermittlung der Gesamtsumme der Sockelbeträge nach § 851c Abs. 2 ZPO richtet sich die Praxis in der Lebensversicherung nicht danach, ob der Betrag zuvor auch jährlich tatsächlich angespart worden ist. Sie geht vielmehr unabhängig vom Zahlungszeitpunkt von der Höchstgesamtsumme aus, wenn die Sparbeiträge diesen Betrag übersteigen. Hiergegen wendet sich teilweise das Schrifttum, das den Wortlaut der Bestimmung betont und eine engere Auslegung mit der Folge vornimmt, dass der Pfändungsschutz des Schuldners zugunsten der Gläubiger deutlich eingeschränkt wird, wie sich insbes. auch bei der Subsumtion einer Einmalprämie zeigt.79 Nimmt man die Vorschrift des Absatzes 2 wörtlich, so wären lediglich die jährlich auch tatsächlich angesam-

76 77 78

Bruck/Möller/Winter 8 G 406. Wollmann 191, 198. Im Ergebnis ebenso Hasse VersR 2007 870, 888.

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Insbes. Wollmann S. 198 ff.

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melten Beträge bis zur Höhe des jeweiligen – vom Lebensalter des VN abhängigen – Sockelbetrages für den Pfändungsschutz zu berücksichtigen. Es müsste für jedes einzelne Jahr seit Vertragsbeginn gefragt werden, wie hoch der Sockelbetrag war und wie weit von ihm mit der Bildung neuen Deckungskapitals auch Gebrauch macht wurde.80 Das würde z.B. bedeuten, dass VN aus akademischen Berufen, die eine lange Ausbildung voraussetzen, niemals die volle Gesamtsumme erreichen könnten, weil vom 18. bis 29. Lebensjahr keine ausreichenden Verdienstmöglichkeiten gegeben sind und Lebensversicherungsprämien, die der Kapitalbildung dienen, nicht entrichtet werden können. Auch ein VN, der im höheren Alter eine – erwartete – Erbschaft antritt und damit im Wege der Einmalprämie eine private Altersversorgung aufbauen will, könnte den Höchstbetrag des Pfändungsschutzes nicht erreichen. Berücksichtigt man Sinn und Zweck des Pfändungsschutzes, wie er seit 2007 besteht, so kann der von Wollmann vertretenen Auffassung nicht gefolgt werden.81 Sie ist auch angesichts der Gesetzesbegründung nicht zu rechtfertigen, wonach ein VN, der einen Versicherungsvertrag erst spät abgeschlossen hat oder die zur Abdeckung der pfändungsgeschützten Sockelbeträge zunächst nicht aufbringen konnte, durch Einmalzahlungen das fehlende Deckungskapital ausgleichen kann.82 Sicherlich kann es bei einer solchen Sicht des § 851c ZPO zu Missbrauchsfällen kommen, sie dürften in der Praxis allerdings keine große Rolle spielen, da es dem Schuldner nicht leicht fallen dürfte, im Stadium finanzieller Schwierigkeiten die erforderlichen Prämienbeträge aufzubringen. 4. Gestaffelte Sockelbeträge Mit der Schaffung progressiver Sockelbeträge in § 851c Abs. 2 ZPO soll auf die Wert- 77 entwicklung des Deckungskapitals (mit seinen jährlichen Erträgen und Ausschüttungen) Rücksicht genommen werden, sicherlich auch auf die zunehmende finanzielle Leistungsfähigkeit des VN,83 insbes. aber soll damit verhindert werden, dass junge VN/Schuldner ihre anfänglich geringen finanziellen Mittel durch unverhältnismäßige Prämienleistungen dem Zugriff ihrer Gläubiger entziehen.84 Da § 851c Abs. 2 Satz 2 ZPO Sockelbeiträge nur bis zum 65. Lebensjahr vorsieht, 78 kann sich die Frage stellen, ob VN, die über diesen Zeitpunkt hinaus Einkünfte erzielen (was gerade auch bei den hier in Frage kommenden Personengruppen zunehmend vorkommt), diese Mittel benutzen können, um ungenutzte Sockelbeträge nachträglich aufzufüllen. Es entspricht Sinn und Zweck der Vorschrift, dass auch ein derartiges Vorgehen erfasst wird, sofern der Erlebensfall noch nicht eingetreten und der Gesamthöchstbetrag der pfändungsgeschützten Beträge noch nicht erreicht ist. Insbesondere steht dem auch Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift nicht entgegen, mit dem allein der Beginn der Rentenzahlung nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres vorgegeben wird, nicht aber ein späterer Zeitpunkt des Auszahlungsbeginns untersagt wird.85 Es ist im Sinne der gesetzlichen Regelung, wenn sich der VN noch über das 65. Lebensjahr hinaus bemüht, eine spätere Rente anzusparen, die nicht durch Sozialleistungen aufgestockt werden muss.

80 81 82

Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, 4. Aufl. (2010) § 36 Rn. 16a. Henning Verbraucherinsolvenz aktuell 2009 17, 19. Begr. BTDrucks. 16/886 S. 10.

83 84 85

Holzer DStR 2007 767, 770; zweifelnd Wollmann 208. BTDrucks. 16/886 S. 10; Wollmann 207. Im Ergebnis ebenso Wollmann 209.

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5. 3/10-Regelung nach § 851c Abs. 2 Satz 3 ZPO

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Nach dieser Vorschrift sind die Teile des fiktiven Rückkaufswerts, die über den pfändungsgeschützten Gesamtbetrag hinausgehen, zu 3/10 unpfändbar, während 7/10 pfändbar sind. Damit soll dem VN ein Anreiz geboten werden, auch über den in Absatz 3 Satz 1 genannten Gesamtbetrag hinaus Deckungskapital zur Altersvorsorge anzusparen. Die Regelung war und ist umstritten, auch in ihrer inhaltlichen Reichweite.86 Kritisiert wurde schon im Gesetzgebungsverfahren, dass der Pfändungsschutz zu Lasten der Gläubiger auf Vermögen erstreckt wird, das zur Sicherung des Existenzminimums nicht erforderlich sei,87 anderen ging die gesetzliche Regelung nicht weit genug. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der Vollstreckungsgläubiger die nicht pfändungsgeschützten 7/10 verwerten können soll, das Kündigungsrecht des § 168 insoweit daher nicht ausgeschlossen wird. Das ergibt sich eindeutig aus der Fassung des § 851c Abs. 2 Satz 3 ZPO: Wenn 3/10 unpfändbar sein sollen, hat das für die verbleibenden 7/10 offenbar nicht zu gelten.88 6. Pfändbarkeit des Deckungskapitals bei Übersteigen des dreifachen Werts des Höchstgesamtbetrags

80

Nach § 851c Abs. 2 Satz 4 ZPO ist der Teil des Deckungskapitals, der den dreifachen Wert des in Absatz 2 Satz 1 genannten Betrages übersteigt, im ganzen Umfange pfändbar und unterliegt damit nicht dem Kündigungsausschluss. Die ganz herrschende Meinung geht – zutreffend – davon aus, dass es sich bei diesem Betrag um den in Satz 1 genannten Höchstgesamtbetrag handelt.89 7. Überschussbeteiligung

81

Die Überschussbeteiligung ist in gleicher Weise wie die Prämienleistung in das pfändungsgeschützte Deckungskapital mit einzubeziehen, soweit sie dem VN bereits zugeteilt ist und nach § 169 Abs. 7 einen Teil der Rückvergütung bildet. Das gilt auch für die Bewertungsreserven. 8. Kein Pfändungsschutz für noch einzuzahlende Beträge

82

Sinn und Zweck der Vorschrift des § 851c Abs. 2 ZPO gehen dahin, allein angesammeltes, also bereits eingezahltes Deckungskapital vor einer Pfändung zu schützen. In der Vorschrift selbst gelangt das nicht genügend eindeutig zum Ausdruck, wohl aber in der Gesetzesbegründung, die sich allein auf „angesammeltes“ Deckungskapital bezieht.90

86 87 88

Eingehend Wollmann 211 ff. Wimmer jurisPR-InsR 21/2006 Anm. 7 II 2e. Zu den Konstruktionsmöglichkeiten, die teilweise von einer Unpfändbarkeit auch der 7/10 des Deckungskapitals ausgehen, Wollmann 218 ff., der eine Gesetzesergänzung empfiehlt, um hier die erforderliche Rechtsklarheit zu schaffen.

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89

90

Statt vieler Römer Die kapitalbildende Lebensversicherung nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz, DB 2007 2523, 2526; Stöber, NJW 2007 1242, 1245; a.A. Wollmann 229 f., der den Betrag von der tatsächlichen Deckungskapitalansammlung abhängig machen will. BTDrucks. 16/886 S. 10.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

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9. Verfassungsrechtliche Bedenken Mit Blick auf die Regelung des § 851c Abs. 2 ZPO werden verfassungsrechtliche 83 Bedenken geäußert, da nach Art. 14 Abs. 1 GG eine derartige Begrenzung der Verwertungsinteressen der Gläubiger lediglich in Höhe einer Sicherung des Existenzminimums des Schuldners gestattet ist. Dabei ist im Grenzbereich der Höchstbeträge eine zu weit gehende Gläubigerzugriffsbeschränkung „im Interesse der Praktikabilität und der Rechtssicherheit hinzunehmen“.91 10. Pfändungsschutz nach § 851d ZPO Bei steuerlich gefördertem Altersvorsorgevermögen (Riester-, Rürupverträge) sind 84 nach § 851d ZPO monatliche Leistungen in Form einer lebenslangen Rente oder monatliche Ratenzahlungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AltZertG gleichfalls wie Arbeitseinkommen pfändbar.92

V. Informationspflicht des Versicherers über die Möglichkeiten einer Veränderung des Versicherungsvertrages und über die Existenz eines Zweitmarktes Den VR treffen gegenüber dem kündigungswilligen VN umfassende Informations- 85 pflichten. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Höhe der Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen,93 sondern auch in Hinblick auf die Änderungsmöglichkeiten beim Versicherungsvertrag, wenn der VN z.B. angesichts persönlicher finanzieller Schwierigkeiten oder Veränderungen der familiären Verhältnisse eine Kündigung des Vertrages in Erwägung zieht (z.B. Verlegung von Beginn und Ablauf der Versicherung, Stundung der Versicherungsprämien, monatliche Prämienzahlung, Verlängerung der Versicherungsdauer, Umwandlung in eine reine Risikoversicherung, Herabsetzung der Versicherungssumme). Hinsichtlich der Beratungs- und Informationspflichten des VR vgl. insoweit Bruck/Möller/Winter § 163 Rn. 69 f.94 In Zusammenhang mit der Reform des Lebensversicherungsrechts wurde darüber diskutiert, ob den VR auch eine Informationspflicht über den Zweitmarkt trifft.95 Auch wenn der Gesetzgeber von der Einführung einer solchen Informationspflicht abgesehen hat,96 sie ist grundsätzlich zu bejahen. Zum einen kann angesichts der Differenz zwischen dem Rückkaufswert und den auf dem Zweitmarkt zu erzielenden Erlösen97 von einem Informationsbedürfnis des VN ausgegangen werden. Zum anderen haben die Vorschriften des VVG und der VVG-InfoV zu den Informationspflichten des VR keinen abschließenden Charakter. Ungeschriebene, aus 91

92

93 94

Wollmann 231, der allerdings für die Praxis von geringeren Höchstsummen zugunsten des VN ausgeht als es hier geschieht. Vgl. dazu auch Wollmann 267 ff. Beispiel aus der Rspr.: Bei Rürup-Verträgen kann der VR das Kündigungsrecht sowohl ausschließen als auch auf eine Beitragsbefreiung begrenzen, OLG Köln 1.10.2010 VersR 2011 101, 102. § 169 Abs. 3 Satz 2, § 165 Abs. 2. Grundsätzlich dazu Fenyves , VersRdsch 2009 16, 21 ff.

95

96 97

Vgl. Ehler Gesetzliche Hinweispflicht auf den Zweitmarkt eher unwahrscheinlich, VW 2006 1582; Wernicke Der Zweitmarkt für Lebensversicherungen in der Bundesrepublik Deutschland (2009), S. 159 ff. Vgl. Präve Die VVG-Informationspflichtenverordnung, VersR 2008 151, 154. Zum Zweitmarkt vgl. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 406 ff.

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Treu und Glauben sich ergebende Hinweispflichten, die dem VR – wie hier – zumutbar sind, werden nicht ausgeschlossen. Das gilt in besonderem Maße, wenn der Lebensversicherungsvertrag bereits vor längerer Zeit abgeschlossen ist und sich nunmehr ergibt, dass der VN ihn nicht fortführen kann und ihm daher deutliche Verluste drohen. Man kann darüber streiten, ob der VR – und damit auch der Versicherungsvertreter und der Versicherungsmakler – den VN schon vor Abschluss des Vertrages auf die Möglichkeit einer Veräußerung über den Zweitmarkt hinweisen muss. Gibt der VN seinen Wunsch zu erkennen, den Lebensversicherungsvertrag kündigen zu wollen, so besteht die Pflicht des VR, ihn über die Möglichkeit eines Zweitmarktverkaufs zu informieren. Hat der VN bereits eine Kündigung ausgesprochen, hat der VR dem VN die vertragliche Rücknahme der Kündigung möglich zu machen.98

D. Beendigung der Lebensversicherung beim Gruppenversicherungsvertrag I. Echte Gruppenlebensversicherung 1. Ausscheiden der Gefahrsperson aus der Gruppe

86

a) Zwangsgruppenversicherung. Scheidet das Gruppenmitglied aus der Gruppe aus, so erlischt damit auch der materielle Versicherungsschutz. Die Fortdauer der Gruppenzugehörigkeit der einzelnen Gefahrsperson ist Voraussetzung seiner Weiterversicherung, sein Ausscheiden also auflösende Bedingung.99 Soll die ausgeschiedene Gefahrsperson auch ferner Versicherungsschutz genießen, so muss ihr die Möglichkeit einer Fortsetzung außerhalb der Gruppenversicherung eingeräumt werden. Eine solche Anschlussversicherung wäre aber eine Einzelversicherung.

87

b) Gruppenversicherung mit rechtsbegründender Anmeldung. Auch hier ist die Fortdauer der Gruppenzugehörigkeit der einzelnen Gefahrsperson nicht nur Grundlage, sondern Voraussetzung ihrer Weiterversicherung, ihr Ausscheiden somit auflösende Bedingung. Die Teilversicherung erlischt also grundsätzlich unmittelbar mit dem rechtlich wirksamen Ausscheiden der Gefahrsperson aus der Gruppe.100 Das entspricht auch der gewöhnlichen Interessenlage der Vertragsparteien, denn grundsätzlich will die Gruppe nur ihren jeweiligen Mitgliedern Versicherungsschutz verschaffen. Wenn die Gruppenspitze vertraglich verpflichtet ist, das ausgeschiedene Mitglied „umgehend abzumelden“, so ist das nicht als Teilkündigung, sondern lediglich als Anzeige des bereits eingetretenen Endes des Versicherungsschutzes anzusehen. Der VN schuldet für die ausgeschiedene Gefahrsperson für die Zeit nach Eintritt der 88 auflösenden Bedingung keine Prämie mehr. Andererseits hat der VR dem ausgeschiedenen Gruppenmitglied auch hier den etwaigen Rückkaufswert zu erstatten, § 169 Abs. 1 – der lediglich die Kündigung des VN, Rücktritt und Anfechtung des VR erwähnt – ist hier analog anwendbar.101

98

Wernicke 165 ff.; gegen eine Informationspflicht des VR Römer/Langheid/Römer Vor § 150 Rn. 41. Im Vereinigten Königreich ist die Informationspflicht des VR über den Zweitmarkt im Jahre 2000 eingeführt worden, Bird’s Modern Insurance Law, 8. Aufl. (2010), S. 351.

698

99

100 101

Millauer Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl. (1966), S. 50; ihm folgend Herdter, 172. Millauer 51–53; ebenso Herdter 173 f.; a.A. Kook, 59; Möller Neum. 1939 733. Millauer 53 Fn. 123.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

Im Übrigen kann natürlich auch vereinbart werden, dass die Mitversicherung des 89 Risikos trotz des Ausscheidens der Gefahrsperson vorläufig in Kraft bleibt und nur dann erlöschen soll, wenn der Ausgeschiedene nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erklärt, dass er die Versicherung als Einzelversicherung fortsetzen will. Eine weitere Möglichkeit ist die automatische Umwandlung der Teilversicherung in eine prämienfreie Versicherung.102 2. Auflösung der Gruppe Die Rechtsfolgen bei der Auflösung der Gruppe entsprechen hinsichtlich des einzel- 90 nen Gruppenmitgliedes den Folgen beim Ausscheiden eines Risikoträgers aus der Gruppe. Die Auflösung entspricht im Ergebnis insgesamt dem Ausscheiden aller Mitglieder aus der Gruppe. In der Praxis wird den Gruppenmitgliedern vertraglich ein Fortsetzungsrecht eingeräumt.103 3. Exkurs: Fortsetzung der Versicherung des bisherigen Gruppenmitgliedes außerhalb der Gruppenversicherung Für den Fall des Ausscheidens aus der Gruppe und der damit verbundenen Beendi- 91 gung der Teilversicherung wird dem einzelnen Risikoträger regelmäßig das Recht eingeräumt, die Lebensversicherung als selbstständige Einzelversicherung fortzusetzen. Das gilt allerdings nur insoweit, als er einen – auch nur einen teilweisen – Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, wobei unerheblich ist, ob er den Versicherungsanspruch aufgrund unwiderruflicher Bezugsberechtigung oder aufgrund Abtretung hat. Das Fortsetzungsrecht wird durch eine einseitige Erklärung des ausgeschiedenen 92 Gruppenmitgliedes gegenüber dem VR ausgeübt, die regelmäßig während einer dreimonatigen Frist abzugeben ist. Damit wandelt sich die bisher unselbstständige Teilversicherung in einen selbstständigen Einzelvertrag um, der Ausgeschiedene wird der VN. Es erfolgt keine Gesundheitsprüfung, bereits abgelaufene Wartezeiten werden angerechnet. Ist der Risikoträger aus der Gruppe ausgeschieden, so ist, solange ihm das Fort- 93 setzungsrecht zusteht, rechtlich ein Schwebezustand eingetreten. Erst nach Ablauf dieses Schwebezustandes wird das Erlöschen der Teilversicherung endgültig, wenn nicht der Ausgeschiedene bis dahin eine Fortsetzungserklärung abgegeben hat. Das Wiederaufleben der Teilversicherung in der Einzelversicherung ist aufschiebend bedingt durch die Fortsetzungserklärung.104 4. Beendigung des Gruppenversicherungsvertrages a) Beendigung des Gesamtvertrages. Im Übrigen endet die Gruppenversicherung durch 94 die allgemeinen Vertragsauflösungsgründe, die auch für den Gruppenversicherungsvertrag uneingeschränkt gelten: Zeitablauf, Rücktritt, Kündigung, insbes. auch des VN, vertragliche Aufhebung.

102 103

Vgl. hierzu und zu weiteren Varianten Millauer S. 54 f. Millauer 55; ebenso Herdter 177 f.

104

Zur Rechtslage im Einzelnen Millauer 56 ff.; teilweise a.A. Herdter 174 f.

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§ 168

Kapitel 5: Lebensversicherung

95

Der VN – also die Gruppenspitze – hat auch beim Gruppenversicherungsvertrag das unabdingbare Kündigungsrecht des § 168.105 Dieses Kündigungsrecht gilt nicht etwa nur für die Mitversicherung des einzelnen Risikos. Auch der Gruppenversicherungsvertrag ist ein Lebensversicherungsvertrag i.S.d. § 168, wollte man eine Kündigungsmöglichkeit im Hinblick auf den Gesamtvertrag nicht anerkennen, so wäre das ein Verstoß gegen § 171.106 Unabhängig von diesem Kündigungsrecht hat der VN das Kündigungsrecht aus § 29 Abs. 2, wenn der VR den Teilrücktritt oder eine Teilkündigung erklärt. Durch die Auflösung des Gruppenversicherungsvertrages erlischt die Versicherung 96 sämtlicher Einzelrisiken. Hierbei ergibt sich jedoch eine Besonderheit für solche Verträge, bei denen das einzelne Risiko hinsichtlich der Prämie ganz oder überwiegend selbstständig behandelt wird, so dass es keine einheitliche Versicherungsperiode für den Gesamtvertrag gibt. Beginn, Dauer und Ende der Versicherung der Einzelrisiken können daher differieren, der Vertrag braucht nicht einheitlich zu enden. Anders als beim Ausscheiden aus der Gruppe oder bei der Auflösung der Gruppe 97 kommt eine Fortsetzung der Versicherung als Einzelversicherung bei der Vertragsbeendigung aus allgemeinen Vertragsauflösungsgründen nicht in Betracht.107 b) Beschränkte Beendigung

98

aa) Zugangssperre. Der Gruppenversicherungsvertrag kann die Regelung enthalten, dass seine Beendigung durch Zeitablauf oder durch die Ausübung eines Lösungsrechts durch den VR nur insoweit wirksam wird, als neue Risiken in den Vertrag nicht mehr einbezogen werden können, die bisherigen Risiken jedoch versichert bleiben.108

99

bb) Separate Beendigung der Mitversicherung einzelner Risiken. Sie findet sich einmal im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 29 Abs. 1, insbes. beim Rücktritt des VR wegen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Darüber hinaus kann sich auch die Kündigung des VN nach § 168 lediglich auf ein Einzelrisiko beziehen.109 Das ergibt sich schon aus Sinn und Zweck des Kündigungsrechts, das dem Betroffenen die Möglichkeit gewähren soll, sich vom Vertrage zu lösen, beispielsweise wenn ihm die Prämienzahlung bzw. die interne Beteiligung an der Prämienzahlung lästig wird oder er aus anderen Gründen – z.B. bei der Änderung familiärer Verhältnisse – keinen Sinn in der Weiterführung der Versicherung sieht. Der durch § 168 gebotene Entscheidungsfreiraum darf auch im Hinblick auf das Gruppenmitglied nicht entzogen werden. Daher muss auf der VN-Seite auch eine Teilkündigung möglich sein. Die Zulässigkeit der Teilkündigung als solcher folgt dabei schon aus § 9 (1) und (2) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und den gleichlautenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke.110

105 106 107

Millauer 60; Möller Neum. 1939 733; Herdter 183. Im Einzelnen Millauer S. 60 f.; ebenso Herdter 183. Millauer 62.

700

108 109

110

Vgl. dazu im Einzelnen Millauer 62. Möller Neum. 1939 733; Millauer 63 f. und ihm folgend Herdter 183 ist nicht beizupflichten. Dazu Millauer S. 63 ff.

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Kündigung des Versicherungsnehmers

§ 168

II. Unechte Gruppenlebensversicherung 1. Ausscheiden der Gefahrsperson aus der Gruppe und deren Auflösung Auch bei der unechten Gruppenversicherung ist die Fortdauer der Gruppenzugehörig- 100 keit des einzelnen VN Voraussetzung der Weiterversicherung. Scheidet er aus der Gruppe aus oder löst sich die Gruppe auf, so endet seine Versicherung. Macht das ausgeschiedene Gruppenmitglied von seinem Fortsetzungsrecht Gebrauch, so wandelt sich die Versicherung insoweit in einen selbstständigen Einzelvertrag um.111 2. Beendigung der unechten Gruppenversicherung a) Beendigung des Gesamtvertrages. Sieht man von der vertragsgemäßen Beendigung 101 des Gesamtvertrages wie z.B. durch Zeitablauf ab, so gilt hier gegenüber der echten Gruppenversicherung die Besonderheit, dass sich die Vertragsauflösungsgründe in der Regel nur auf das einzelne Versicherungsverhältnis auswirken. Nur ausnahmsweise wird der Gesamtvertrag von einem Rücktritt usw. erfasst, nämlich nur dann, wenn die die Beendigung auslösenden Tatsachen die Grundlagen der gesamten unechten Gruppenversicherung berühren. Das ist bei einem vertragswidrigen Verhalten des VR oder der Gruppenspitze gegeben, die Gruppenmitglieder müssen sich ein solches Verhalten der Gruppenspitze zurechnen lassen, da die Gruppenspitze teilweise ihre Erfüllungsgehilfin und teilweise ihre Repräsentantin ist. Eine Kündigung nach § 29 Abs. 2 ist nicht möglich, da hier wegen der mangelnden 102 rechtlichen Einheitlichkeit der Versicherung die Anwendung von § 29 Abs. 1 zu verneinen ist. Das Kündigungsrecht aus § 168 als solches hat die Gruppenspitze ebenfalls nicht, wohl aber insoweit, als es für alle einzelnen Versicherungsverhältnisse gleichzeitig ausgeübt werden kann. Auch hier kommt es für die Beendigung des Versicherungsverhältnisses auf die einzel- 103 nen Versicherungsperioden an. Nur soweit die Perioden aller Versicherungen zeitlich parallel laufen, können sie auch zur gleichen Zeit enden.112 3. Teilweise Beendigung Eine Zugangssperre ist bei der unechten Gruppenversicherung ebenso möglich wie bei 104 der echten Gruppenversicherung. Im Übrigen ist die quantitativ beschränkte Beendigung der Gruppenversicherung hier 105 die Regel, da sich die Kündigung des VN nach § 168, aber auch die Vertragsauflösungsrechte des VR grundsätzlich nur auf das Einzelversicherungsverhältnis beziehen.113

111 112 113

Vgl. dazu im Einzelnen Millauer 110. Vgl. zu allem Millauer 111 f. Millauer 112, 113.

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§ 168

Kapitel 5: Lebensversicherung

III. Nur im Ausnahmefall Beendigung des Versicherungsvertrages im Rahmen der Betrieblichen Altersversorgung durch Ausscheiden von versicherten Arbeitnehmern aus dem Betrieb Für die Beendigung des Versicherungsvertrages im Rahmen der Betrieblichen Altersversorgung gilt grundsätzlich nichts Besonderes. Eine Ausnahme besteht für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens des versicherten Arbeitnehmers aus dem Betrieb, wobei es für diese Frage unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer im Rahmen eines Gruppenvertrages – wie es die Regel ist – oder eines Einzelvertrages versichert ist. Es ist eine wesentliche Aufgabe der Betrieblichen Altersversorgung und des BetrAVG, 107 für diesen Fall eine für den Arbeitnehmer wie für den Arbeitgeber befriedigende Lösung zu finden. Dabei ist danach zu unterscheiden, ob die Versorgungsanwartschaft beim Ausscheiden des Arbeitnehmers unverfallbar geworden ist oder nicht.

106

1. Ausscheiden des Arbeitnehmers nach Erfüllung der Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit

108

Ist die Versorgungsanwartschaft bereits unverfallbar, so kann der Arbeitgeber bei einer Direktversicherung nach § 2 Abs. 2 BetrAVG die unverfallbaren Ansprüche des Arbeitnehmers auf die bis zu dessen Ausscheiden finanzierten Versicherungsleistungen begrenzen und dem Versicherten die Versicherung „mitgeben“, wenn (1) spätestens nach drei Monaten seit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers das Bezugsrecht unwiderruflich ist und eine Abtretung oder Beleihung des Rechts aus dem Versicherungsvertrag durch den Arbeitgeber und Beitragsrückstände nicht vorhanden sind. (2) vom Beginn der Versicherung an, frühestens jedoch vom Beginn der Betriebszugehörigkeit an, nach dem Versicherungsvertrag die Überschussanteile nur zur Verbesserung der Versicherungsleistung zu verwenden sind und (3) der ausgeschiedene Arbeitnehmer nach dem Versicherungsvertrag das Recht zur Fortsetzung der Versicherung mit eigenen Beiträgen hat.

109

Der ausgeschiedene Arbeitnehmer darf die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch die Prämienzahlungen des Arbeitgebers gebildeten Deckungskapitals weder abtreten noch beleihen oder zurückkaufen (§ 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG). 2. Ausscheiden des Arbeitnehmers vor Erfüllung der Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit

110

Auch in diesem Falle führt das Ausscheiden des Arbeitnehmers nur selten zur Beendigung des Versicherungsvertrages. Hat der Arbeitgeber kein unwiderrufliches Bezugsrecht bestellt, so sind folgende Möglichkeiten gegeben: Erstens: Will der Arbeitgeber, dass die Versicherung dem Ausscheidenden erhalten bleibt, so lässt er sie unter Zahlung der bisherigen Prämien weiterlaufen. Zweitens: Soll dem Arbeitnehmer die bis zu seinem Ausscheiden erworbene Versicherungsanwartschaft erhalten bleiben, wird die Versicherung auf den Ausscheidenden übertragen, der sie in voller oder herabgesetzter Höhe durch Weiterzahlen entsprechender Prämien aufrecht erhalten kann. Die Fortsetzung der Versicherung erfolgt als Einzelversicherung zu dem dafür gültigen Tarif; kann der Ausgeschiedene die Prämien nicht weiterzahlen, so kann die Versicherung in eine beitragsfreie umgewandelt werden.

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Gerrit Winter

Rückkaufswert

§ 169

Drittens: Wenn der Arbeitgeber dem Ausscheidenden die Versicherung nicht mitgeben will, kann er sie auf einen neu in das Versorgungswerk aufzunehmenden Arbeitnehmer übertragen. Anderenfalls kann er sie kündigen und sich den Rückkaufswert auszahlen lassen.

E. Abdingbarkeit Die Vorschrift des § 168 ist nach § 171 Satz 1 halbzwingend. Das Erfordernis der 111 Schrift- oder Textform für die Kündigung des VN ist nach § 171 Satz 2 zulässig. Vermittelt der Versicherungsmakler dem VN eine Lebensversicherung mit Netto- 112 police, so entfällt die vereinbarungsgemäß vom VN in Raten zu zahlende Abschlussprovision nicht dadurch, dass dieser die Versicherung vorzeitig kündigt.114 Dadurch wird die vorzeitige Kündigung wirtschaftlich erschwert, weil die Kündigung keine Auswirkungen auf die Weiterzahlung der Maklerprovision besitzt. Dagegen wendet sich Ortmann115 mit dem Hinweis, eine solche Handhabung widerspreche der Wertung der §§ 168, 169, nach denen dem VN ein jederzeitiges Kündigungsrecht, verbunden mit einem im Einzelnen geregelten Rückkaufswert, zusteht. Ortmann sieht in einer solchen Regelung eine Erschwerung der Kündigungsmöglichkeit, während die überwiegende Meinung unter Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung von einer Zulässigkeit der Regelung ausgeht,116 zumal die sonst üblichen Abschlusskosten nicht anfallen und damit bei der Berechnung des Rückkaufswerts außer Betracht bleiben.

§ 169 Rückkaufswert (1) Wird eine Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, durch Kündigung des Versicherungsnehmers oder durch Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers aufgehoben, hat der Versicherer den Rückkaufswert zu zahlen. (2) 1Der Rückkaufswert ist nur insoweit zu zahlen, als dieser die Leistung bei einem Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht übersteigt. 2Der danach nicht gezahlte Teil des Rückkaufswertes ist für eine prämienfreie Versicherung zu verwenden. 3Im Fall des Rücktritts oder der Anfechtung ist der volle Rückkaufswert zu zahlen. (3) 1Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt; die aufsichtsrechtlichen Regelungen über Höchstzillmersätze bleiben unberührt. 2Der Rückkaufswert und das Ausmaß, in dem er garantiert ist, sind dem Versicherungsnehmer vor Abgabe von dessen Vertragserklärung mitzuteilen;

114 115

BGH 20.1.2005 VersR 2005 406, 407. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 168 Rn. 34.

116

Prölss/Martin/Reiff § 168 Rn. 21 m.w.N.

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§ 169

Kapitel 5: Lebensversicherung

das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2. 3Hat der Versicherer seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, kann er für die Berechnung des Rückkaufswertes an Stelle des Deckungskapitals den in diesem Staat vergleichbaren anderen Bezugswert zu Grunde legen. (4) 1Bei fondsgebundenen Versicherungen und anderen Versicherungen, die Leistungen der in § 54b des Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen, ist der Rückkaufswert nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Zeitwert der Versicherung zu berechnen, soweit nicht der Versicherer eine bestimmte Leistung garantiert; im Übrigen gilt Absatz 3. 2Die Grundsätze der Berechnung sind im Vertrag anzugeben. (5) 1Der Versicherer ist zu einem Abzug von dem nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag nur berechtigt, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist. 2Die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam. (6) 1Der Versicherer kann den nach Absatz 3 berechneten Betrag angemessen herabsetzen, soweit dies erforderlich ist, um eine Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer, insbesondere durch eine Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden Verpflichtungen, auszuschließen. 2Die Herabsetzung ist jeweils auf ein Jahr befristet. (7) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem nach den Absätzen 3 bis 6 berechneten Betrag die diesem bereits zugeteilten Überschussanteile, soweit sie nicht bereits in dem Betrag nach den Absätzen 3 bis 6 enthalten sind, sowie den nach den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehenen Schlussüberschussanteil zu zahlen; § 153 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

Schrifttum Alder Begriff und Bezeichnung des Deckungskapitals in der Lebensversicherung, Festgabe Moser (1931) 103; Armbrüster Die Lebensversicherung in der zivilrechtlichen Nachfolgeplanung, Liber amicorum Gerrit Winter (2007) 519; ders. Kehrtwende des BGH bei der AGB-Kontrolle in der Lebensversicherung NJW 2012 3001; Baroch Castellví Zuordnung des Anspruchs auf den Rückkaufswert bei geteiltem Bezugsrecht in der gemischten Lebensversicherung, VersR 1998 410; ders. Unwirksamkeit der Regelungen zu Abschlußkosten, Rückkaufswert und Beitragsfreistellung – Ende der Unklarheiten, NVersZ 2001 529; Baumann Plädoyer für einen gespaltenen Rückkaufswert in der Lebensversicherung FS Schirmer (2005) 15; Bergmann Muss die Zillmerung in den allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbart werden?, VersR 2004 549; Bischoff Die rechtliche Bedeutung der Prämienreserve eines Lebensversicherungsbetriebes (1891); Bosshart Rückkauf und Umwandlung einer Lebensversicherung, Diss. Zürich (1927); Bürkle Nationalstaatliche Produktregulierung im Europäischen Binnenmarkt für Lebensversicherungen, VersR 2006 1042; Dreher/Lange Variable Annuities – Rechtliche Konstruktion und aufsichtsrechtliche Zulässigkeit in Deutschland, VersR 2010 1109; Ehrenberg Wichtige Probleme des Lebensversicherungsrechts, insbesondere der Anspruch auf die Lebensversicherungssumme, mit Rücksicht auf das BGB erörtert, JhJhb 41 (1900) 341; Engeländer Die Neuregelung des Rückkaufswertes durch das VVG 2008, VersR 2007 1297; ders. Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG zu Rückkaufswerten, VersR 2009 1308; ders. Das Zillmerverfahren in der Lebensversicherung, VersR 1999 1325; ders. Nochmals: „Zillmerung“ ohne Kostenverrechnungsklausel? VersR 2005 1031; Fenyves Die Secondhand-Polizze in der Haftpflichtversicherung des Versicherungsmaklers, RdW 2008/94, 137; ders. Analoge Anwendung des § 176 Abs. 5 und 6 VersVG auf die Vermittlerprovision im System der „Nettopolizze“? VersRdsch 10/08 18; Gatschke Die Neuregelungen zu den Rückkaufswerten in der Lebensversicherung – Teil 1, VuR 2007 447; Goldschmidt Die Abgangsvergütung in der Lebensversicherung, Veröffentlichungen des

704

Gerrit Winter

Rückkaufswert

§ 169

Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft, Heft 1, 1903, 80; Hekker Die rechtliche Natur der Prämienreserve bei der Lebensversicherung, Diss. München (1890); Herrmann Zillmerungsregeln in der Lebensversicherung und kein Ende – Bedeutung des informationsrechtlichen Verbraucherschutzes nach dem EU-Recht, VersR 2009 7; Höckner Das Deckungskapital im Lebensversicherungsvertrag und die Abfindungswerte bei vorzeitiger Vertragslösung mit Berücksichtigung der modernen Gesetzgebung (1909); Holler/Klinge Variable Annuities und ihre Garantien in den USA, VW 2006 792; Jacob Der Rückkaufswert im Spannungsfeld von AGB-, Verfassungs- und Gesetzgebungsrecht VersR 2011 325; Jaeger Der Zeitwert eines Lebensversicherungsvertrags – ein ungelöstes Rätsel?, VersR 2002 133; ders. Zillmerung und Entgeltumwandlung, VersR 2006 1033; Kleinlein Die Neuregelung zu den Rückkaufswerten in der Lebensversicherung – Teil 2, VuR 2008 13; Lang Am Verbraucher vorbei, VW 2007 176; Loritz Provisionen beim Abschluß von Lebensversicherungsverträgen, VersR 2004 405; Meyer Der Rückkaufswert in der Lebensversicherung (1989); Neuburger Bemerkungen zu den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik, in: Basedow/ Meyer/Schwintowski (Hrsg), Lebensversicherung, Internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutz, Versicherungsvertrieb (1996) 37; Nöbel Das Deckungskapital in der Lebensversicherung, insbesondere sein Rechtsverhältnis zum Versicherungsnehmer (1930); Nolte Ergibt sich aus der Natur des Lebensversicherungsvertrages nach heutigem Rechte ein Anspruch des Versicherten auf die Prämienreserve, Diss. Erlangen 1899; Peukert Der Rückkauf in der Lebensversicherung, Diss. Breslau (1938); Präve Lebensversicherung im Umbruch, Festschrift Lorenz (2004) 517; Prahl Der Anspruch auf den Rückkaufswert einer gemischten Kapitallebensversicherung – Rechtliche Zuordnung und selbständige Abtretbarkeit, NVersZ 2000 502; Reiff Die Vermittlung von Nettopolicen durch Versicherungsvertreter VersR 2012 645; Renger Die Lebens- und Krankenversicherung im Spannungsfeld zwischen Versicherungsvertragsrecht und Versicherungsaufsichtsrecht, VersR 1995, 866; Römer Was bringt das neue VVG Neues zur Lebensversicherung?, RuS 2008 405; ders. Die kapitalbildende Lebensversicherung nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz, DB 2007 2523; Schick/Franz Die Rückkaufswerte in der Reform des VVG, VW 2007 764; Schuhmacher Der Rückkaufswert von Lebensversicherungen 2012; Schünemann Der „Rückkaufswert“ zwischen Gesetz und Vertrag, VersR 2009 442; ders. „Zillmerung“ ohne Kostenverrechnungsklausel?, VersR 2005 323; Schwintowski Der Rückkaufswert als Zeitwert – Eine (scheinbar) überwundene Debatte, VersR 2008 1425; ders. Der kapitalmarktindizierte Stornoabzug bei Einmalzahlungen in der Lebensversicherung, VersR 2010 1126; Seiffert Neuere Entscheidungen des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Lebensversicherung und Anmerkungen zu „Nichtentscheidungen“, in: Homburger Tage 2009, Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV (Bonn 2010) 27; Tremmel Was ist Zillmerung – Die Behandlung der Abschlusskosten nach der VVG-Reform – Der Vorschlag des GDV zur Änderung der Deckungsrückstellungsverordnung, VW 2007 778; Veit Zulässigkeit der Zillmerung bei Entgeltumwandlung, VersR 2006 324; Vieweg Anerkannte Grundsätze der Versicherungsmathematik aus der Sicht der Rechtswissenschaft, in: Basedow/Schwark/Schwintowski, Informationspflicht, Europäisierung des Versicherungswesens, Anerkannte Grundsätze der Versicherungsmathematik (1995) 163; Ziegler Der Prämienrückkauf in der Lebensversicherung (1964); Zillmer Beiträge zur Theorie der Prämienreserve bei Lebensversicherungsanstalten (1863); ders. Mathematische Rechnungen bei der Lebens- und Rentenversicherung, 2. Aufl. (1887); Zwiesler Was sind „anerkannte versicherungsmathematische Grundsätze“? Die Sicht des Versicherungsmathematikers, in: Basedow/Schwark/Schwintowski (Hrsg) a.a.O. 155.

Übersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . 1. Rückkaufswert als Prämienreserve 2. Rückkaufswert als Zeitwert . . . 3. Rückkaufswert als Deckungskapital . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt und Zweck der Regelung – eine Übersicht . . . . . . . . . . . .

. . . .

1 1 1 2

.

3

.

5

Rn. III. Anwendungsbereich . . . . . . . . . IV. Altverträge . . . . . . . . . . . . . . B. Umfang und Durchführung der Rückkaufsregelung . . . . . . . . . . . . I. Begriffliches: Rückkaufswert und Deckungskapital der Versicherung . . 1. Rückkaufswert . . . . . . . . . . 2. Deckungskapital . . . . . . . . .

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. .

13 20

.

21

. . .

21 21 22

705

§ 169

Kapitel 5: Lebensversicherung Rn.

a) Begriffsbestimmung . . . . . . . b) Arten des Deckungskapitals . . . aa) Gesamtdeckungskapital . . bb) Einzeldeckungskapital . . . cc) Zusammenfassung . . . . . c) Versicherungsvertragliche Einordnung von Rückkaufswert und Deckungskapital . . . . . . . . d) Verhältnis des Deckungskapitals zur Prämie und zur Versicherungssumme bzw. -rente . . . . e) Anspruch des Versicherungsnehmers auf das Deckungskapital II. Lebensversicherungsformen mit Rückkaufswert . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemischte Lebensversicherung . . . 2. Risikolebensversicherung . . . . . 3. Lebenslängliche Todesfallversicherung 4. Reine Erlebensfallversicherung . . . 5. Zeitrentenversicherung . . . . . . . 6. Leibrentenversicherung . . . . . . 7. Rentenversicherung im Sinne des AltZertG . . . . . . . . . . . . . . 8. Basisrentenversicherung . . . . . . 9. Sonstige Lebensversicherungsformen 10. Versicherung unterschiedlicher Risiken in unterschiedlichen Lebensversicherungsverträgen . . . . . . . 11. Abweichung von den engen Voraussetzungen des § 169 VVG zugunsten des Versicherungsnehmers . . . . . III. Die Ausübung des Rückkaufsrechts – Kündigung, Umwandlung, Rücktritt, Anfechtung – als Voraussetzung für den Anspruch auf den Rückkaufswert . . . 1. Rückkauf im weiteren und im engeren Sinne . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur des Rückkaufs . . . . 3. Kündigung, Umwandlungsverlangen, Widerruf, Anfechtung und Rücktritt des Versicherungsnehmers . . . . . 4. Anfechtung und Rücktritt sowie Kündigung des Versicherers . . . . 5. Einverständliche Aufhebung des Versicherungsvertrages . . . . . . . 6. Selbsttötung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . IV. Ermittlung des Rückkaufswerts . . . . 1. Berechnung des Deckungskapitals nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechtsgrundlagen der Prämienkalkulation a) Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation . . . . . . . b) Besonderheiten der Prämienberechnung . . . . . . . . . . . aa) Gleichbleibende Prämie . . . bb) Sparanteil . . . . . . . . . . cc) Zillmerung . . . . . . . . . c) Anerkannte Regeln der Versicherungsmathematik . . . . . . . .

706

Rn.

22 23 24 25 31

32

33 35

V.

36 36 38 40 41 42 43

VI. VII.

VIII.

46 47 48

51

52

IX. 53 53 55

58 60 66 67 68

69 69 70 71 75 76 80

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2. Begrenzung des Rückkaufswerts nach § 169 Abs. 2 VVG . . . . . . 3. Mindestrückkaufswert im Falle eines Frühstornos . . . . . . . . . . . . a) Fiktion einer Ausnahme von der Zillmerung . . . . . . . . . . . b) Beschränkung auf den Fall der Kündigung . . . . . . . . . . . c) Europarechtliche Bedenken hinsichtlich der Regelung des § 169 Abs. 3 Satz 1, 2 VVG . . . . . . d) Sonderfälle . . . . . . . . . . . Angabe der Rückkaufswerte nach § 169 Abs. 3 Satz 2 VVG . . . . . . . . . . . Partielle Garantie der Rückkaufswerte . Lebensversicherungsvertrag mit EU-/EWR-Versicherer, § 169 Abs. 3 Satz 3 VVG . . . . . . . . . . . . . . . Rückkaufswert bei fondsgebundenen und vergleichbaren Lebensversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Orientierung am Zeitwert, § 169 Abs. 4 VVG . . . . . . . . . . . . 2. Kapital- und Höchststandsgarantie bei klassischen fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen 3. Rückkaufswert bei Variable Annuities . . . . . . . . . . . . . . . a) Einsatz derivativer Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . b) Weitgehende Zulässigkeit nach deutschem Aufsichtsrecht . . . . c) Rückkaufswert . . . . . . . . . Angemessener Abzug vom Deckungskapital – § 169 Abs. 5 VVG . . . . . . 1. Rechtfertigung der Abzugsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prohibitiver Charakter des Stornoabzugs . . . . . . . . . . b) Schutz der sog. „vertragstreuen“ Versicherungsnehmer . . . . . . c) Bedeutung des Kapitalmarktrisikos . . . . . . . . . . . . . . d) Entstehung weiterer Verwaltungskosten durch den Rückkauf . . . e) Noch nicht getilgte Abschlusskosten . . . . . . . . . . . . . . f) Anstieg der Fixkosten bei den verbleibenden Versicherungsverträgen . . . . . . . . . . . . g) Ersatz eines entgangenen Gewinns . . . . . . . . . . . . h) Begrenzung langfristiger Vermögensanlagen angesichts der Rückkaufsmöglichkeit . . . . . i) Antiselektion . . . . . . . . . . j) Ausgleich für kollektiv gestelltes Risikokapital . . . . . . . . . . k) Zusammenfassung . . . . . . . 2. Vereinbarung des Stornoabzugs und Bezifferung . . . . . . . . . . . . .

81 85 85 91

93 96 100 103

104

106 106

107 110 110 111 113 114 114 117 119 120 121 122

123 124

125 126 127 128 129

Rückkaufswert

§ 169

Rn. 3. Angemessenheit des vereinbarten Stornoabzuges . . . . . . . . . . . 4. Reichweite der Regelung zum Stornoabzug . . . . . . . . . . . . X. Herabsetzung des Rückkaufswerts . . . 1. Ausgleich für höhere und teilweise garantierte Rückkaufswerte . . . . 2. Voraussetzungen des Herabsetzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . a) Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer . . . . . . b) Gefährdungsursachen . . . . . . 3. Angemessenheit der Herabsetzung . 4. Geltung für Teilbestände . . . . . . 5. Kein Vereinbarungserfordernis beim Herabsetzungsverfahren . . . . . . 6. Keine Herabsetzung nach § 169 Abs. 3 VVG bei nicht garantierten Rückkaufswerten . . . . . . . . . 7. Begrenzung der Herabsetzung auf ein Jahr, § 169 Abs. 6 Satz 2 VVG .

Rn. XI. Ansprüche auf Überschussbeteiligung . 1. Bereits zugeteilte laufende Überschussanteile . . . . . . . . . . . . 2. Schlussüberschussanteil . . . . . . 3. Anteil an den Bewertungsreserven . XII. Kein individueller Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers . . . . . . . XIII. Fälligkeit und Empfänger des Rückkaufswerts . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fälligkeit zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode . . . . . . . 2. Empfänger des Rückkaufswerts . . 3. Weitere Rückkaufswirkungen . . . 4. Wiederinkraftsetzung der Versicherung . . . . . . . . . . . . . . C. Rückkaufsregelung bei Altverträgen . . I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . II. Regulierter Altbestand . . . . . . . . . III. Altbestand ab 1994 . . . . . . . . . . D. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . .

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A. Einleitung I. Entstehungsgeschichte 1. Rückkaufswert als Prämienreserve Ein Rückkaufswert 1 wird dem VN bei der vorzeitigen Auflösung des Vertrages seit 1 1831 ausgezahlt, nachdem die statistischen Grundlagen der LebensVR und die geschäftlichen Erfahrungen der VR größer geworden waren. Der VN erhielt von jener Zeit an – zumindest teilweise – eine Entschädigung in Höhe von 50 % der auf seine Versicherung zur Deckung der zukünftigen Ansprüche zurückgestellten Prämienreserve. Darunter ist die Rückstellung zu verstehen, deren der VR bedarf, „um die verfügbaren Beträge der künftigen Prämieneinnahmen auf die Höhe der zu erwartenden Versicherungsansprüche zu ergänzen“.2 Eine solche Prämienreserve ist erforderlich, weil in der Lebensversicherung mit ihren langandauernden Verträgen nicht eine entsprechend dem Risiko von Jahr zu Jahr steigende, sondern eine gleichbleibende Prämie erhoben wird, die ebenso wie die gleichfalls verzinslich angesammelten Sparbeiträge bei der kapitalbildenden Lebensversicherung – soweit noch nicht verbraucht – zurückzulegen sind.3 Bei den Beratungen zur Verabschiedung des VVG 1908 setzte sich vor diesem Hintergrund die Vorstellung durch, dass es sachgerecht sei, dem VN bei der Auflösung des Vertrages den Teil der gezahlten

1

Für die Bezeichnung Rückkaufswert war der Gedanke maßgeblich, dass der VR bei der vorzeitigen Vertragsauflösung die Ansprüche von dem VN quasi zurückkauft. Dieser Ansatz ist zu Recht auf Kritik gestoßen, weil er beim VN zu irrigen Vorstellungen führen kann. Denn bei der Vertragsauflösung kommt es nicht zum Abschluss eines Kaufvertrages, sondern zur Rückabwicklung (Meyer 8 ff.,

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Näheres unter Rn. 61, 64). Die Bezeichnungen Abgangsentschädigung, Abfindungswert und Rückkaufspreis haben sich statt des Terminus Rückkaufswert nicht durchgesetzt, Verwendung findet jedoch noch immer die Bezeichnung Rückvergütung. Motive VAG, Neudr. (1963), 83. Meyer 13 ff.; Bruck/Möller/Winter8 G 387 ff.

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Prämien herauszugeben, der durch die Tragung des Risikos eines frühzeitigen Todes und die aus der Vertragsanbahnung und -abwicklung entstandenen Kosten noch nicht aufgebraucht war. „Der Versicherer macht … auf Kosten des Berechtigten einen wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Gewinn, wenn er in den Fällen, in denen er entgegen dem regelmäßigen Verlauf eines derartigen Versicherungsverhältnisses aus besonderen Gründen von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, die vermittels der Zahlungen des Versicherungsnehmers gebildete Prämienreserve einfach für sich behalten darf.“4 Dabei erschien es nicht sachgerecht, „dem Berechtigten den Betrag, wie er durch die im Abs. 3 vorgesehene Berechnung ermittelt wird, ohne jede Kürzung zugute kommen zu lassen. Durch die Gewährung der vollen Prämienreserve wird das Ausscheiden der Versicherungsnehmer wesentlich erleichtert, in gleichem Maße aber die Gefahr verstärkt, dass sich der Gesamtbestand der Versicherungen in einer die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigenden Weise verschlechtert. Die Gefahr dieser sogenannten Antiselektion darf nicht unterschätzt werden; sie bedarf nicht nur im Interesse des Versicherers, sondern auch zum Schutze der in der Versicherung verbleibenden Versicherungsnehmer einer Gegenwirkung“.5 Da jedoch noch keine Klarheit darüber herrschte, in welcher Höhe im Einzelnen dem VR durch die vorzeitige Vertragsbeendigung – auch angesichts der Vertragsanbahnungskosten usw. – Verluste entstehen würden, ist die Regelung des § 176 Abs. 4 VVG a.F. in das Gesetz aufgenommen worden, wonach der VR zu einem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Abzuge von der vorhandenen Prämienreserve berechtigt sein soll.6 In den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts hat die Regelung dabei in zunehmendem Maße Kritik erfahren, weil die Prämienreserve in der Anlaufphase des Vertrages mit der Abschlussprovision belastet wurde und daher bei einer Vertragsaufhebung in den ersten Jahren das Auseinanderklaffen zwischen der Summe der eingezahlten Prämie und dem zur Auszahlung gelangenden Betrag besonders deutlich war. Ein VN, der seinen Vertrag nach sehr kurzer Laufzeit (bis zu einem Zehntel der Versicherungszeit, längstens drei Jahre) kündigte, erhielt grundsätzlich sogar keinerlei Rückkaufswert. Seit 1987 wurde jedoch sichergestellt, dass auch in der Anfangsphase eines Lebensversicherungsvertrages eine Rückvergütung in Höhe eines Mindestwertes ausgekehrt wird. Im Einzelnen fanden dabei zwei Modelle Anwendung, nach denen entweder vom ersten Versicherungsjahr an zumindest 50 % der Beiträge (wie schon seit 1970 bei der Vermögensbildenden Lebensversicherung) oder zumindest 65 % der vom zweiten Versicherungsjahr an gezahlten Beiträge als Rückkaufswert gezahlt wurden. Je nach Versicherungsform, Prämienzahlungsperiode und Umfang der Zusatzversicherungen konnte es in der Praxis dabei zu Abweichungen kommen. Diese Verbesserung der Rückkaufswerte in den ersten Jahren ging insbes. zu Lasten der Überschussbeteiligung der vertragstreuen VN und der

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Motive zu § 176 VVG a.F. 236. Motive zu § 176 VVG a.F. 238. Zu allem Meyer 13 ff. Der Begriff der Prämienreserve wird ganz überwiegend mit dem Deckungskapital gleichgesetzt, und zwar mit dem Einzeldeckungskapital, also dem auf die einzelne Versicherung rechnungsmäßig entfallenden Deckungskapital (Bruck/Möller/Winter8 G 387, 408 ff.). Das Deckungskapital ist ein Betrag, der rechnerisch zu ermitteln war und auf der Grundlage des genehmigten Geschäftsplans des VR genau bestimmt wer-

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den konnte. Der Begriff des Deckungskapitals war dem VAG a.F. unbekannt, erst in der Neufassung des VAG von 1931 wird der – inzwischen veraltete und als unzutreffend angesehene – Begriff der Deckungsgrundlage eingeführt, an dessen Stelle nunmehr allgemein die Bezeichnung Deckungsrückstellung verwandt wird. Das Deckungskapital ist mit dem aufsichtsrechtlichen Begriff der Deckungsrückstellung dem Umfange nach identisch.

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Versicherungsvermittler.7 Der Rückkaufswert wurde in der juristischen Literatur weithin retrospektiv, aber auch prospektiv gesehen.8 Einigkeit bestand darüber, dass der Anspruch auf die Prämienreserve nicht der Summe der eingezahlten Prämien entsprach. 2. Rückkaufswert als Zeitwert 1994 erfolgte vor dem Hintergrund der Dritten Richtlinie Leben9 eine Reform der 2 Rückkaufsregelung. Die Richtlinie will sicherstellen, dass die VR, die einen Rückkaufswert gewähren, dafür versicherungstechnische Rückstellungen in einem ausreichenden Maße zur Verfügung halten. Sie überlässt es dabei den Mitgliedstaaten, welche Vorgaben sie vertragsrechtlich zur Festsetzung und Höhe der Rückkaufswerte schaffen wollen.10 Da die VR angesichts des Fortfalls der Bedingungs- und Tarifgenehmigung seit 1994 in der Prämien- und sonstigen Vertragsgestaltung – mit Blick auf die Aufsichtsbehörde – grundsätzlich frei waren, bemühte sich der Gesetzgeber bei der Neugestaltung des § 176 VVG a.F. um eine Regelung, mit der der VN beim Rückkauf mit dem sog. Zeitwert den „echten Wert“ seiner Versicherung erhalten sollte.11 Zur Bemessung des Zeitwerts sind nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik alle künftigen Prämien und sämtliche zukünftigen Leistungen aus dem Lebensversicherungsvertrag, zu denen der VR verpflichtet ist, mit einzubeziehen, sowie alle Umstände mit zu berücksichtigen, die den Zeitwert beeinflussen, wie beispielsweise die Kapitalanlage, die Kapitalmarktsituation und das Sterblichkeitsrisiko.12 Insbesondere aber richtet sich der Zeitwert nach der Art der Vertragsgestaltung, soweit dem nicht zwingendes Recht entgegensteht. Zu Recht bezeichnet Engeländer die Ermittlung des Zeitwerts als prospektiv; seiner Auffassung, dass es angesichts des Gesetzeswortlauts (Bezugnahme auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik) keinen Spielraum für vertragliche Vereinbarungen geben könne,13 kann jedoch nicht gefolgt werden.14 3. Rückkaufswert als Deckungskapital Die Ausrichtung des Rückkaufswerts am Zeitwert der Versicherung hat die Erwartun- 3 gen des Gesetzgebers von 1994 enttäuscht und insbes. keine ausreichende Transparenz gebracht. Verspricht der VR die Erstattung – nach dem Vorbild des Gesetzes – eines unbezifferten Zeitwerts, ist es für den VN unklar, welchen Betrag er im Falle der Kündigung ausgezahlt bekommen wird. Nennt der VR im Rahmen einer Tabelle absolute Zahlen für den Rückkaufswert, hat der VN keine Möglichkeit, die Berechnungen des VR nachzuvollziehen. Noch zehn Jahre nach Einführung des Zeitwerts war teilweise unklar, wie der Zeitwert im Einzelnen zu berechnen war,15 auch wenn von Seiten der Versicherungsmathematik darauf hingewiesen wurde, dass den Berechnungen eine international übliche und identifizierbare mathematische Methode zugrunde liege.16 Insbesondere

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Im Einzelnen Bruck/Möller/Winter 8 G 388 ff. Bruck/Möller/Winter 8 G 406. Nunmehr Art. 20 Abs. 1 Gesamtrichtlinie Leben. Schwintowski VersR 2008 1425, 1426. BTDrucks. 12/6959 S. 103; vgl. im Einzelnen Langheid/Wandt/Mönnich §169 Rn. 20 ff. BTDrucks. 12/6959 S. 103.

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Engeländer VersR 2007 1297, 1298; ders. NVersZ 2002 436, 442. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1572 Rn. 62; Schwintowski VersR 2008 1425, 1429; vgl. auch Jaeger VersR 2002 133, 144. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1572 Rn. 62. Engeländer NVersZ 2002 436, 442.

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habe die Abschlusskostenklausel niemals „irgendetwas mit dem Rückkaufswert zu tun“ gehabt.17 Da sich die – offenbar nicht einheitliche – Berücksichtigung der Abschlusskosten bei der Höhe des Rückkaufswerts entscheidend bemerkbar macht, konnte die für den Verbraucher noch immer nicht nachvollziehbare Ermittlung des Zeitwerts allein nicht zur erforderlichen Transparenz beitragen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber 2008 an der bislang erfolgten Berechnung des Zeitwerts kritisiert, dass der Vertrag – zunächst ohne Berücksichtigung der häufigen Kündigungs- und Umwandlungsfälle – bis zum vereinbarten Vertragsablaufzeitpunkt abgebildet und sodann zum Kündigungszeitpunkt zurückgerechnet wurde, so dass es angesichts der weit erstreckten Abzinsungsdauern bei nicht eindeutig bestimmten Abkürzungsfaktoren zu einem Verfahren komme, das nicht geeignet sei, Manipulationen des VR (durch die Wahl ihm günstiger Berechnungsweisen) in der bestmöglichen Weise auszuschließen.18 Der Gesetzgeber bemühte sich, an die Stelle des Zeitwerts eine transparente und bes4 ser nachvollziehbare Ermittlung des Rückkaufswerts treten zu lassen, die den VN zudem besser stellen sollte, und wählte den Begriff des individuellen Deckungskapitals, das versicherungsmathematisch nach den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation unter Berücksichtigung der bilanz- und aufsichtsrechtlichen Regelungen der Deckungsrückstellung19 errechnet wird. Damit soll dem VN in stärkerer Weise als beim Zeitwert der mit Hilfe der Prämienzahlungen angesparte Wert des Lebensversicherungsvertrages erhalten bleiben; eine Sonderregelung für die Frühstornofälle in Gestalt eines Mindestrückkaufswerts orientiert sich darüber hinaus an § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AltZertG, wonach die Abschluss- und Vertriebskosten, wie sie vom VR in Ansatz gebracht werden, über einen Zeitraum von zumindest fünf Jahren in gleichmäßigen Jahresbeträgen bei der Rückkaufsberechnung angerechtet werden.20 Auf diese Weise soll auch verhindert werden, dass der VR Vorteile aus der Tatsache der Kündigung zieht. Um auszuschließen, dass vom VR auch der Teil der Abschlusskosten, der nach geltendem Aufsichtsrecht nicht gezillmert werden darf,21 geltend gemacht wird, dürfen diese Kosten nur im Rahmen des jeweils geltenden Höchstzillmersatzes angesetzt werden. Die Anknüpfung an das Riestermodell erschien dem Gesetzgeber transparenter als der Vorschlag der VVG-Kommission, der an das ungezillmerte Deckungskapital anknüpfte,22 und bedeutet für den VN eine leichte Besserstellung.

II. Inhalt und Zweck der Regelung – eine Übersicht 5

Die Regelung des § 169 ergänzt insbes. die Bestimmungen des § 168 zur Kündigung des VN in der Lebensversicherung und der §§ 165, 166 zur Umwandlung der Lebensversicherung in eine prämienfreie Versicherung. Sie bestimmt den Betrag, der dem VN bei Auflösung oder Umwandlung des Lebensversicherungsvertrages zur Verfügung steht, also den Rückkaufswert. Die Vorschrift bemüht sich um eine nachvollziehbare Berechnung des Betrages, der dem VN angesichts der Prämienzahlungen, insbes. auch der Leistung der Sparbeiträge, als Rückkaufswert zurückzugewähren ist. Zugunsten des VN sind dabei die Vermögenswerte angemessen zu berücksichtigen, die bei dem VR mit den

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Engeländer VersR 2007 1297, 1298. BTDrucks. 16/3945 S. 102 zu § 169 Abs. 3. §§ 341 f. HGB, 65 VAG. § 169 Abs. 3 Satz 1.

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§ 4 DeckungsrückstellungsVO auf der Grundlage von § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. VAG. Abschlussbericht 112 f.: zumindest die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals.

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Rückkaufswert

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gezahlten Beiträgen gebildet worden sind.23 Während die frühere Orientierung am Zeitwert mit „den umgekehrten Sicherungsmargen bei den Annahmen, … dem relativ hohen Diskontierungszins und der Maßgabe des Schutzes des verbleibenden Portefeuilles“ für den kündigenden VN wenig vorteilhaft war und der „Zeitwert … nur (als) eine Notbremse“ zu sehen gewesen war,24 bedeutet die Ausrichtung des Rückkaufswerts (wiederum) am Deckungskapital für den anspruchsberechtigten VN deutlich günstigere Eckwerte, die Rückkaufswerte sind auf ein höheres Niveau angehoben worden.25 Der VR soll dabei weder über seine bereits entstandenen Verpflichtungen hinaus belastet noch ihm gestattet werden, Vorteile aus der Tatsache der Kündigung zu ziehen. Hinsichtlich der Abschlussprovision, die als Einmalprovision vom VR an den Vermittler zu entrichten ist und die Gegenstand des Zillmerungsverfahrens ist, sind die Rspr. und – fast allgemein – das Schrifttum der Auffassung, dass sie nicht allein vom VR zu zahlen ist. „Da die Prämien in der Lebensversicherung nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Vernunft, sondern aufsichtsrechtlich nach § 11 VAG zwingend so kalkuliert werden müssen, dass das Versicherungsunternehmen allen seinen Verpflichtungen nachkommen und insbesondere eine ausreichende Deckungsrückstellung bilden kann, dürfte auch den vertragsrechtlichen Vorschriften eher die Vorstellung zugrunde liegen, dass die Abschlusskosten in die Prämienkalkulation einfließen.“26 Von ganz besonderer Bedeutung ist die Ermittlung des Rückkaufswerts beim Frühstorno, zu dem es in der Praxis zu deutlichen Problemen kam und bei dem nunmehr ein Mindestrückkaufswert vorgegeben ist.27 Gegenstand der Regelung des § 169 ist letztlich der – transparente – Interessenausgleich zwischen dem VN, der den langfristig abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag nicht mehr fortsetzen will oder kann, und der Mehrzahl der Versicherten, die ihre Verträge bis zum Vertragsablauf fortsetzen, sowie dem VR, der auch die Interessen der Vermittler zu berücksichtigen hat.28 Wenn der VN nunmehr bei einer Kündigung in den ersten zwei bis drei Jahren einen Teil seiner Beitragszahlungen zurückerhält, erhoffte sich der Gesetzgeber eine höhere Akzeptanz der Regelung auf der Versicherungsnehmerseite. Transparenter wird die Regelung angesichts der Informationspflichten des LebensVR nach § 2 Abs. 1, 2 VVG-InfoVO. Im Einzelnen wird zunächst der Anwendungsbereich der Regelung beschränkt: Nach 6 Abs. 1 gilt sie nur bei Versicherungen, bei der der Eintritt des Versicherungsfalles gewiss ist, also im Wesentlichen bei kapitalbildenden Versicherungen.29 Darüber hinaus werden die Fälle der Kündigung durch den VR ausgeklammert, für sie ist nach § 166 Abs. 1 allein die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung nach § 165 vorgesehen. Die Regelung bezieht sich auch nicht mehr auf die Fälle des Rücktritts und der Anfechtung des VN, für diese Fälle richtet sich die Abwicklung des Lebensversicherungsvertrages nach allgemeinen Recht, so dass der VN u.U. sämtliche bisher gezahlten Prämien einschließlich Zinsen herausverlangen kann.30 23

24 25

BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1230 zur Überschussbeteiligung, aufgenommen von BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1567 zum Rückkaufswert und vom BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 493 Rn. 54, 58, 65. Engeländer NVersZ 2002 436, 446. Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 48; Engeländer VersR 2007 1297, 1312; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 106.

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BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1569. Römer VersR 2006 865, 869; BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565 ff. Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 1. Zur Risikolebensversicherung vgl. unten § 169 Rn. 14, 15, 38, 39. BTDrucks. 16/3945 S. 101 zu § 169 Abs. 1.

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Nach Absatz 2 beschränkt sich der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts in den Ausnahmefällen, in denen der Rückkaufswert die Versicherungsleistung zum Zeitpunkt der Kündigung übersteigt, auf die Höhe der Versicherungsleistung.31 Nach Absatz 3 bestimmt sich die Höhe des Rückkaufswerts nicht mehr nach dem Zeitwert, sondern nach dem Einzeldeckungskapital, ergänzt durch die Vorschrift zum Mindestrückkaufswert im Falle der Kündigung.32 Der Mindestrückkaufswert wird sowohl bei einer Kündigung des VN als auch bei einer Kündigung des VR fällig, da beide Kündigungen häufig auf dem Umstand beruhen, dass der VN nicht mehr in der Lage ist, die weiteren Prämien zu entrichten. Die Höhe des Rückkaufswerts muss bereits bei Vertragsschluss für jedes Vertragsjahr angegeben werden, der Rückkaufswert ist insoweit teilweise und vorbehaltlich der Einschränkungen nach Absatz 5 und 6 garantiert.33 Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen bemisst sich der Rückkaufswert nicht nach dem Einzeldeckungskapital, sondern nach wie vor nach dem Zeitwert der Versicherung (Absatz 4). Im Übrigen verbleibt es bei der Regelung des Absatzes 3 der Vorschrift, so dass beispielsweise die Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten zur Sicherung eines Mindestrückkaufswerts auch für die Fälle einer fondsgebundenen Lebensversicherung gilt.34 Nach Absatz 5 darf der VR einen Abzug vom Rückkaufswert nur vornehmen, wenn eine solche Reduktion in Gestalt eines Stornoabzuges vereinbart, beziffert und angemessen ist.35 Gerät der VR in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so kann er unter bestimmten, eng begrenzten Voraussetzungen in Ausnahmefällen den nach Absatz 3 berechneten Rückkaufswert kürzen (Absatz 6). Zu einer solchen Herabsetzung der Rückkaufswerte kann es nur kommen, wenn sonst die Belange der VN gefährdet wären.36 In Absatz 7 der Vorschrift wird klargestellt, dass bereits erworbene Ansprüche des VN aus einer vereinbarten Überschussbeteiligung durch die Kündigung nicht in Frage gestellt werden.37

III. Anwendungsbereich 13

Anders als § 176 a.F., der sich allein auf Kapitalversicherungen bezog, erstreckt sich § 169 auf sämtliche Lebensversicherungsformen, bei denen „der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist“. Der entscheidende Faktor, durch den sich die Lebensversicherungen, bei denen es zu einem Rückkaufswert kommt, von anderen Lebensversicherungen abheben, ist damit die Gewissheit, dass der VR eine Versicherungsleistung im Rahmen der Lebensversicherung erbringen wird. Nach dem Wortlaut der Norm ist das maßgebliche Kriterium also nicht, dass es sich um eine kapitalbildende Lebensversicherung handelt, sondern dass die Zahlung der Versicherungsleistung gewiss ist. Beide Merkmale sind weithin identisch, teilweise jedoch auch nicht, und so kann sich die Frage erheben, ob bei einer kapitalbildenden oder auch sonstigen Versicherung, bei der der

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BTDrucks. 16/3945 S. 101/102 zu § 169 Abs. 2. Ausführlich BTDrucks. 16/3945 S. 102, 103 zu § 169 Abs. 3. BTDrucks. 16/3945 S. 103 zu § 169 Abs. 3. BTDrucks. 16/3945 S. 103 zu § 169 Abs. 4.

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BTDrucks. 16/3945 S. 103, 104 zu § 169 Abs. 5. Im Einzelnen BTDrucks.16/3945 S. 104 zu § 169 Abs. 6. BTDrucks. 16/3945 S. 104, 105 zu § 169 Abs. 7.

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Eintritt der Verpflichtung des VR nicht gewiss ist, gleichwohl von der Verpflichtung des VR zur Leistung eines Rückkaufswerts auszugehen ist.38 § 169 ist nach allgemeiner Auffassung insbes. auf die gemischte Kapitallebensversicherung anzuwenden, aber auch auf die fondsgebundene Lebensversicherung, wenn im Todes- und im Erlebensfall zu leisten ist, auch auf die kapitalbildende Rentenversicherung, wenn sie auch eine Leistung im Todesfall erbringt.39 Erfasst werden auch Sterbegeldversicherungen oder Termfixversicherungen.40 Hinsichtlich der Risikolebensversicherung – wie auch der Berufsunfähigkeitsversicherung – geht die h.M. davon aus, dass § 169 nicht auf sie anwendbar ist, wenn keinerlei Zahlung im Erlebensfall versichert ist, auch nicht im Wege einer Zusatzversicherung. Verlangt jedoch der VN die Umwandlung der Risikoversicherung in eine prämienfreie Versicherung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 und ist die vereinbarte Mindestversicherungsleistung nicht erreicht, hat der VR den Rückkaufswert nach § 169 auszuzahlen (§ 165 Abs. 1 Satz 2).41 Auch wenn der VR in den Fällen einer reinen Risikolebensversicherung nicht verpflichtet sein sollte, den Rückkaufswert zu erstatten, kann der VR darüber hinaus das gesamte Deckungskapital des Vertrages und damit auch das Deckungskapital hinsichtlich des Risikos auskehren, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des VR nicht gewiss ist.42 Entsprechende Anwendung findet die Vorschrift des § 169 nach § 176 auf die Berufsunfähigkeitsversicherung. Das soll jedoch nur gelten, wenn es sich um Versicherung mit Beitragsrückgewähr handelt.43 Ein Kapitalisierungsgeschäft kann so ausgestaltet sein, dass sich z.B. bei der vorzeitigen Kündigung eines lang andauernden Kapitalisierungsgeschäfts die Frage stellt, ob § 169 auch auf solche Geschäfte analoge Anwendung zu finden hat. Das ist ebenso zu bejahen wie die grundsätzliche Anwendung des § 153 auf Kapitalisierungsgeschäfte. Keine Anwendung findet §169 auf Lebensversicherungsverträge bei sog. regulierten Pensionskassen i.S.v. § 118b Abs. 3 und 4 VAG. Das gilt auch für Lebensversicherungen bei kleineren Gegenseitigkeitsvereinen i.S.v. § 53 Abs. 4 VAG und für Lebensversicherungen (und Unfallversicherungen) mit kleineren Beiträgen, soweit in den Bedingungswerken mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde die Anwendung des § 169 insoweit ausgeschlossen worden ist.44 Hiermit soll Besonderheiten der betrieblichen Altersversorgung Rechnung getragen werden. Erfasst von § 169 sind auch Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr, obwohl es sich hier nicht um Lebensversicherungen handelt. Das ergibt ein Umkehrschluss aus § 211 Abs. 1 Nr. 4.45

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Vgl. unten z.B. § 169 Rn. 14, 15, 44, 45. Schick/Franz VW 2007 764; vgl. auch § 7 GDV-Musterbedingungen Basisrentenversicherung. Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 9. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 10; Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 10; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 21. Zutreffend Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 11.

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BTDrucks. 16/3945 S. 107 zu § 176; Looschelders/Pohlmann/Klenk § 176 Rn. 6 (m.E. zweifelhaft, vgl. § 169 Rn. 44, 45, 51). Vgl. zu allem § 211. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 11; a.A. Engeländer VersR 2007 1297, 1299 Fn. 20; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 23.

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IV. Altverträge 20

Zur Problematik der Rückkaufsregelung bei vor dem 1.1.2008 abgeschlossenen Verträgen vgl. § 169 Rn. 173 ff., Bruck/Möller/Winter § 164 Rn. 19.

B. Umfang und Durchführung der Rückkaufsregelung I. Begriffliches: Rückkaufswert und Deckungskapital der Versicherung 1. Rückkaufswert

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Der Rückkaufswert ist derjenige Geldbetrag, der bei vorzeitiger Beendigung eines Lebensversicherungsvertrages mit unbedingter Leistungspflicht des VR nach § 169 Abs. 1 an den VN bzw. an den sonst materiell Berechtigten (z.B. an den unwiderruflich Bezugsberechtigten oder den Zessionar) zu erbringen ist. Er ergibt sich nach § 169 Abs. 3 aus dem Deckungskapital, das bei dem VR für diesen Vertrag – nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation – zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode entstanden und angelegt worden ist.46 Näheres zur Ermittlung des Deckungskapitals und damit des Rückkaufswerts ergibt sich aus Absatz 3 und 5 bis 7 der Vorschrift (z.B. Mindestrückkaufswert beim Frühstorno, zuvor vereinbarter Abzug). 2. Deckungskapital

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a) Begriffsbestimmung. Das Deckungskapital bildet für den VR die wirtschaftliche Grundlage zur Sicherstellung seiner zukünftigen Verpflichtungen. Eine Definition des Deckungskapitals findet sich weder im VVG – § 169 Abs. 3 enthält nur wenige Hinweise – noch in den Bedingungswerken, in denen die Hinweise des § 169 Abs. 3 häufig übernommen wurden. Für bilanzielle Zwecke finden sich weitere Hinweise (zur Deckungsrückstellung, also dem Deckungskapital für die HGB-Bilanz). In der Praxis wird das Deckungskapital als derjenige Teil der gezahlten Beiträge definiert, „den der LebensVR zu einem bestimmten Zeitpunkt angesammelt und zurückgelegt haben muss, um zusammen mit den künftig fällig werdenden Prämien die noch zu erwartenden Verpflichtungen erfüllen zu können“.47 Eine solche juristische Definition steht der mathematischen Definition gegenüber, wie z.B. derjenigen von Engeländer.48 Das Deckungskapital ist somit ein mathematisch in einer zahlungsmäßigen Größe zu ermittelnder Betrag. Die mathematische Formel für das Deckungskapital unterscheidet sich danach, ob sich die Berechnung auf die zukünftige oder die vergangene Versicherungsdauer bezieht: Für die Zukunft ist das prospektive Deckungskapital zu ermitteln, der Wert bemisst sich als Barwert der ver-

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Bruck/Möller/Winter8 G 387; Bruck/Dörstling § 6 ALB a.F. Anm. 14; Meyer 8. Meyer 53; vgl. auch ausführlich Schuhmacher 101 ff. Engeländer VersR 2007 1297, 1300: „Das Deckungskapital ist die versicherungsmathematische Bezeichnung für eine Familie von Formeln, die jeweils für einen Zeitpunkt ein Modell für die Unterschiede des Grades der

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Erfüllung von Leistungen und Gegenleistungen eines (Lebens)Versicherungsvertrages darstellen“ – eine Definition, mit der der Jurist – bei allem Respekt – nicht unerhebliche Schwierigkeiten hat und wie sie sich als Beispiel für die semantischen Verständnisschwierigkeiten zwischen Mathematik und Rechtswissenschaft darstellt.

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einbarten Versicherungsleistungen abzüglich des Barwerts der vereinbarten künftigen Prämieneinnahmen. Für die Vergangenheit ist das Deckungskapital retrospektiv zu ermitteln, es bemisst sich als Endwert der rechnungsmäßigen Prämieneinnahmen unter Abzug der in der Vergangenheit erbrachten Versicherungsleistungen.49 b) Arten des Deckungskapitals. Hier sind das Gesamtdeckungskapital und das Ein- 23 zeldeckungskapital zu unterscheiden. aa) Gesamtdeckungskapital. Das Gesamtdeckungskapital ist in der Bilanz eines 24 LebensVR als Passivposten ausgewiesen und ist das Deckungskapital eines ganzen Versicherungsbestandes. Seine Größe hängt von der Zusammensetzung und dem Alter des jeweiligen Bestandes ab. In seiner zahlungsmäßigen Größe steigt das Gesamtdeckungskapital zu Beginn der Versicherung immer mehr an, bis es nach einiger Zeit seinen Höhepunkt erreicht und wieder abnimmt. Mit der Auszahlung der letzten Versicherungssumme ist es schließlich voll aufgebraucht.50 Bei der Festlegung des Gesamtdeckungskapitals wird dabei vorausgesetzt, dass die Rechnungsgrundlagen mit der Wirklichkeit genau übereinstimmen. Da die Rechnungsgrundlagen jedoch auf Schätzungen beruhen, weil weder die Sterblichkeit noch die Zinserträge genau vorausbestimmbar sind, spielt das Deckungskapital im Versicherungsaufsichtsrecht eine bedeutsame Rolle.51 bb) Einzeldeckungskapital. Unter dem Einzel- oder individuellen Deckungskapital versteht man das auf die einzelne Versicherung rechnungsmäßig entfallende Deckungskapital. Versicherungstechnisch wird das Einzeldeckungskapital ermittelt, indem man zunächst das Deckungskapital errechnet, das sich für diese Altersgruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt ergibt. Indem dieser Wert durch die Anzahl der gemäß der Sterbetafel Überlebenden dividiert wird, gelangt man zu dem Anteil, der rechnungsmäßig jeder einzelnen Versicherung entspricht.52 Auf diese Weise erhält man jedoch nur einen Mittelwert, ein durchschnittliches Einzeldeckungskapital. Dieses durchschnittliche Einzeldeckungskapital würde mit dem tatsächlichen individuellen Deckungskapital nur dann übereinstimmen, wenn die Gefahr des Todes usw. innerhalb der Laufzeit des Vertrages bei sämtlichen Gefahrspersonen genau gleich wäre. Das aber ist gerade nicht der Fall, da auf jede einzelne Gefahrsperson die unterschiedlichsten lebensverkürzenden und lebensverlängernden Faktoren einwirken. Zwischen dem durchschnittlichen und dem individuellen Deckungskapital besteht daher in der Regel sogar ein erheblicher Unterschied.53 In der Praxis ist es unmöglich, für jeden VN das wirkliche, genau auf seine Person zugeschnittene Deckungskapital zu ermitteln. Denn der VR kann die genaue Lebensdauer einer jeden Gefahrsperson gerade nicht kennen. Diese Ungenauigkeit bei der Ermittlung des Deckungskapitals erscheint jedoch als tragbar, wenn man berücksichtigt, dass der VR ohnehin nach dem Gesetz der großen Zahl arbeitet. Die Differenz gleicht sich in der Gesamtheit aller Versicherten wieder aus.54 Man muss sich daher damit begnügen, als Rechnungsgrundlage für den Rückkaufswert immer nur das durchschnittliche Deckungskapital zur Verfügung zu haben. Selbst

49

50

Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 17; Engeländer VersR 1999 1325, 1326; ders. VersR 2007 1297, 1300. Vgl. Nöbel 10, 11; Ziegler 57.

51 52 53 54

Alder 104, 105, 122; Ziegler 57. Nöbel 11; Ziegler 57. Vgl. dazu im Einzelnen Höckner 53 ff. Vgl. Ziegler 60.

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wenn es versucht würde, möglichst den theoretisch exakten Wert des individuellen Deckungskapitals in der Praxis festzustellen, erhielte man immer nur einen Näherungswert; es entständen zudem hohe Kosten, die nicht im Interesse der Versicherten wären. Daher ist in der Praxis der Lebensversicherung, wenn vom individuellen oder Einzel29 deckungskapital die Rede ist, zu Recht immer nur das durchschnittliche Deckungskapital gemeint. Das Einzeldeckungskapital nimmt zunächst genau wie das Gesamtdeckungskapital in 30 den ersten Versicherungsjahren beständig zu. Da es jedoch rechnerisch durch einen Bruch gebildet wird, dessen Zähler – das Gesamtdeckungskapital einer bestimmten Altersgruppe – zwar später abnimmt, dessen Nenner – die Anzahl der jeweils Überlebenden – in noch stärkerem Maße abfällt, wächst es auch dann noch an, wenn das Gesamtdeckungskapital bereits wieder zurückgeht, und erreicht schließlich zu einem Zeitpunkt, zu dem nach der Sterbetafel die letzte Versicherungssumme auszuzahlen ist, genau den Betrag der Versicherungssumme.55

31

cc) Zusammenfassung. Um das Einzeldeckungskapital geht es bei den Rechtsbeziehungen zwischen dem einzelnen VN und dem VR, es ist in § 169 Abs. 3 gemeint und bildet so die Grundlage für den Rückkaufswert in der Lebensversicherung. Das Deckungskapital ist damit die Summe der verzinslich angesammelten Sparanteile eines konkreten Lebensversicherungsvertrages bzw. die Deckungsrückstellung für den einzelnen Vertrag i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 VAG. Die Summe der Deckungskapitale aller Versicherungsverträge eines VR entspricht ungefähr der bilanziellen Deckungsrückstellung nach § 341f HGB, § 65 VAG.

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c) Versicherungsvertragliche Einordnung von Rückkaufswert und Deckungskapital. Der Auffassung von der Doppelnatur der Lebensversicherung (mit dem Deckungskapital als Sparguthaben des einzelnen VN), die schon sehr früh verfochten wurde56 und sich im Wesentlichen auf die gemischte Lebensversicherung bezog, ist mit Recht entgegengehalten worden, dass sie im Gesetz und in den Lebensversicherungsbedingungen zu wenig zum Ausdruck gelangt sei. Gegen die sog. Antizipationstheorie (die das Deckungskapital als vorausbezahlte Prämie versteht57 und den gesamten Lebensversicherungsvertrag in eine Reihe von Verträgen mit einjähriger Dauer zerlegen wollte) spricht, dass sie in den Bedingungswerken gleichfalls keinen Niederschlag gefunden hat. Auch die Sicht des Lebensversicherungsvertrages als aleatorischer Darlehensvertrag mit einer verzinslichen Kapitalanleihe (und dem Einzeldeckungskapital als Durchschnittsanteil am Sparguthaben der Versicherten), die gleichfalls schon früher vertreten wurde58 und für die Überschussbeteiligung von Basedow 59 aufgenommen und von dem BVerfG als denkbar erwähnt worden ist,60 ist in den Bedingungswerken und im Gesetz nicht ausreichend deutlich geworden. Das gilt auch für die Theorie Zillmers,61 der bei der kapitalbildenden Versicherung auf den Todesfall die jährliche Nettoprämie als Summe zweier parallel laufender Prämien versteht – sie richtet sich allein an versicherungstechnisch-mathematischen Gegebenheiten aus. Die meiste Zustimmung fand die Identitätstheorie Koenigs:62 Er ging davon aus, dass das Recht auf das Deckungskapital nicht neben dem Recht auf

55 56 57 58 59

Bosshart 66; Nöbel 11; Ziegler 60. Z.B. von Bischoff 56. Hecker 27. Nöbel 95. Basedow ZVersWiss 1992 419, 437 ff.

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60 61 62

BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127. ZAssJhrb 1888 60. Koenig Schweizerisches Privatversicherungsrecht (1967) 412.

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Rückkaufswert

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die Versicherungssumme als selbstständiger Anspruch bestehe, sondern dass sich im Einzeldeckungskapital „die Versicherungssumme gleichsam im embryonalen Zustande“ verberge und umgekehrt, dass in jeder ausgezahlten Versicherungssumme das Deckungskapital mit enthalten sei. Die Theorien sind sämtlich überholt, seit der Anspruch auf den Rückkaufswert gesetzlich geregelt ist und nunmehr eine so ausführliche und abgewogene Regelung erfahren hat wie in § 169: Beim Lebensversicherungsvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, der vom Austauschverhältnis und nicht vom Geschäftsbesorgungsgedanken geprägt ist 63 und bei dem die Bildung eines Deckungskapitals auf der inhaltlichen Ausgestaltung des Lebensversicherungsrechts und des Lebensversicherungsvertrages beruht. Immer wenn die Prämie des VN nicht dem vom VR übernommenen Risiko entspricht, sondern darüber hinausgeht, kommt es zur Bildung eines Deckungskapitals.64 d) Verhältnis des Deckungskapitals zur Prämie und zur Versicherungssumme bzw. 33 -rente. Hinsichtlich der Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation wird auf § 153 Rn. 30 ff. sowie § 169 Rn. 75 verwiesen. Die der Leistungspflicht des VR – Versicherungssumme, Versicherungsrente, Rückkaufswert – gegenüberstehende Prämienzahlung des VN ist gleichfalls eine einheitliche Vertragsleistung. Auch wenn jede Beitragszahlung Teil einer Gesamtleistung ist, so erbringt der VN jedoch keine Ratenzahlung. Die Beitragszahlung kann z.B. beim Tode des VN enden; wie viele Beiträge bereits geleistet sind, ist ohne Belang. Das Deckungskapital steht nicht in Relation zu jeder einzelnen erfolgten Beitragszahlung, es ist der insgesamt zu sehenden Leistung des VN zuzurechnen und bildet – so gesehen – die Grundlage für die Berechnung des Rückkaufswerts. Im Verhältnis zur Versicherungssumme ist das Deckungskapital kein aliud, sondern 34 ein „wesensgleiches minus“. Kommt es in der Lebensversicherung zum Versicherungsfall (wie dem Tod des VN), so erfolgt die Leistung aus dem angesammelten Deckungskapital und den Risikobeitragsanteilen anderer VN. Kommt es zur Auflösung des Versicherungsverhältnisses nach § 169 Abs. 1, so hat der VN keinen Anspruch mehr auf Zahlung der vereinbarten Versicherungssumme oder Rente, ihm wird stattdessen das individuelle Deckungskapital seiner Versicherung ausgezahlt, modifiziert nach § 169 Abs. 3, 5–7. Das Recht auf das Deckungskapital schließt den Anspruch auf die Versicherungssumme aus und umgekehrt. Der Anspruch auf das Deckungskapital der Versicherung ist in dem Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung mit enthalten.65 e) Anspruch des Versicherungsnehmers auf das Deckungskapital. Angesichts der 35 grundsätzlichen Identität zwischen dem Anspruch auf die Versicherungssumme und den Anspruch auf den Rückkaufswert entsprechen einander auch die rechtliche Natur des Rechts auf das Deckungskapital und des Rechts auf die Versicherungssumme bzw. -rente. Da das Recht auf die Versicherungssumme auf einen Vermögenswert gerichtet ist, gilt das auch für das Recht auf das Deckungskapital. Beide Rechte sind abtretbar, verpfändbar und pfändbar. Der Anspruch auf das Deckungskapital ist dabei nach § 169 Abs. 1 zunächst ein bedingter und befristeter Anspruch auf Auszahlung einer bestimmten Geldsumme. Bedingung ist – im Sinne einer Potestativbedingung – die Kündigung usw. des Versicherungsvertrages, befristet ist die Leistung des Deckungskapitals durch den Ablauf der Versicherungsperiode nach der Kündigung.66 Der VN hat damit insoweit ein Anwart-

63 64

BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1131, 1132. Ausführlich Bruck/Möller/Winter8 G 409 ff.

65 66

Im Einzelnen zu allem Ziegler 64 ff. Ziegler 67.

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§ 169

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schaftsrecht. Die Höhe des Anwartschaftsrechts stellt den jeweiligen Wert des Lebensversicherungsvertrages dar und ist dem Vermögen des VN zuzurechnen.67 Der Qualifikation des Rechts auf das Deckungskapital als Anwartschaftsrecht ist allerdings seinerzeit Bosshart 68 mit der Begründung entgegengetreten, dass folglich auch das Recht auf die Versicherungssumme als Anwartschaftsrecht eingeordnet werden müsse, die Verknüpfung zweier Anwartschaftsrechte aber, die sich gegenseitig ausschließen, sobald sie zu Vollrechten erstarkt sind, als Teile eines Ganzen nicht vorstellbar sei. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Das Anwartschaftsrecht entsteht, sobald der erste Beitrag gezahlt ist, steigt während der Laufzeit des Vertrages bei laufender Beitragszahlung ständig an, bis schließlich die volle Höhe der Versicherungssumme erreicht ist. Damit ist das Anwartschaftsrecht auf das Deckungskapital stets auch ein Anwartschaftsrecht auf die Versicherungssumme selbst.69 Denn der VR kann durch eine einseitige Einklärung grundsätzlich nicht mehr verhindern, dass der VN die Prämien solange zahlt, bis er das Recht auf die volle Versicherungssumme erworben hat, es sei denn, der VR ist berechtigt, den Rücktritt oder die Anfechtung des Vertrags zu erklären.

II. Lebensversicherungsformen mit Rückkaufswert 1. Gemischte Lebensversicherung

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Eine der häufigsten Lebensversicherungsformen ist noch immer die sog. gemischte Lebensversicherung,70 bei ihr sind die Todes- und Erlebensfallversicherung kombiniert, so dass sie sowohl zur Absicherung der Hinterbliebenen als auch zur eigenen Alterssicherung Verwendung finden kann. Die Beitragsleistungen dienen zur Finanzierung nicht nur der vorzeitig fällig werdenden Todesfallleistungen, sondern auch der Erlebensfallleistungen. Zur Finanzierung der mit Gewissheit zu erbringenden Versicherungsleistung – Todesfall- oder Erlebensfallleistung – bedarf der VR der Bildung eines Deckungskapitals. Die gemischte Lebensversicherung ist somit rückkaufsfähig. Der zentrale Regelungszweck des § 169 ist die Erstattung des mit Hilfe der Prämien37 zahlungen angesparten Werts des Lebensversicherungsvertrages, wenn der Vertrag z.B. gekündigt wird. Der VR soll nicht berechtigt sein, die Vermögenswerte, die sich aufgrund der Prämienzahlungen bei dem VR gebildet haben und nicht zugunsten des VN – beispielsweise durch die Risikotragung – benötigt worden sind, ohne weiteres zu behalten. Ähnlich wie auch die Regelung zur Überschussbeteiligung bei allen Lebensversicherungen zur Anwendung gelangt, bei denen es zu Überschüssen gleich welcher Art kommt, erstreckt sich auch die Rückkaufsregelung über ihren Sinn und Zweck auf sämtliche Lebensversicherungsformen, bei denen es zu z.B. angesparten Vermögenswerten kommt, die bei Auflösung des Vertrages für die Zwecke der Versicherung noch keine Verwendung gefunden haben.71 Der wesentliche Regelungszweck des § 169 hat auch bei der Überlegung Berücksichtigung zu finden, wenn man mit Engeländer die Höhe des zu erstatten-

67 68 69 70

Nöbel 107. Bosshart 111. Ziegler 65. Die grundsätzliche Bedeutung und Reichweite des § 169 für die einzelnen Lebensversicherungsformen ist bereits unter § 169 Rn. 13 ff. angesprochen. Hierauf ist zu verweisen.

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71

Vgl. allgemein insbes. für die Überschussbeteiligung BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1130, aufgenommen in Zusammenhang mit der Rückkaufsregelung von BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1567 und BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 493.

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Rückkaufswert

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den Rückkaufswerts bei der gemischten Lebensversicherung davon abhängig machen will, ob die Höhe der Erlebensfallleistung der Höhe der Todesfallleistung genau entspricht.72 Kommt es zu Unterschieden in der vertraglich vereinbarten Leistungshöhe (z.B. 100.000 € als Todesfallsumme, 150.000 € als Erlebensfallsumme), so bestimmt sich der Rückkaufswert nach Engeländer allein nach der niedrigeren Versicherungssumme. Eine solche Auslegung kann dem Gesetz nicht entnommen werden, § 169 Abs. 1 – der ohne weiteres unter Berücksichtigung dieser Konstellation anders hätte formuliert werden können (unter Verwendung des Wortes „soweit“) – vermeidet eine derartige Aussage, zumal der Gesetzgeber für solche Fälle die Bestimmung des Absatzes 2 vorgesehen hat: Der VR kann auf diese Weise den Gedanken der Antiselektion bei der Vertragsgestaltung hinreichend berücksichtigen, er ist dazu jedoch nicht verpflichtet. Wollte man Engeländer folgen, so müsste der VN, der den ihm sonst gebührenden Teil des Deckungskapitals erhalten möchte, den Weg der Umwandlung wählen.73 Im Übrigen bestehen keine Zweifel, dass der VR auch das gesamte Deckungskapital eines Vertrages einschließlich des Deckungskapitals für das Risiko auskehren kann, bezüglich dessen der Eintritt der Verpflichtung des VR nicht gewiss ist. Eine solche Auskehrung ist zulässig, da von § 169 zugunsten des VN abgewichen werden kann. 2. Risikolebensversicherung Bei der reinen Todesfallversicherung wird die Versicherungsleistung allein mit dem 38 Tode der Gefahrsperson fällig. Handelt es sich um eine zeitlich begrenzte Risikolebensversicherung (z.B. eine Versicherung zur Absicherung der Rückzahlung eines kleineren Darlehens) und läuft sie lediglich über fünf oder zehn Jahre, so ist der Eintritt des Versicherungsfalles ungewiss, die vom VN gezahlten Beträge werden für die Risikotragung usw. benötigt, es bedarf zur Finanzierung der Versicherungssumme auch nicht der Ansammlung eines Deckungskapitals (sieht man bei einer nur über wenige Jahre laufenden Versicherung einmal von der Problematik einer gleichbleibend hohen Prämie ab). Bei kurzfristigen Lebensversicherungen werden die Beiträge – wie in der Sach- und Haftpflichtversicherung – jedes Jahr für Leistungsfälle ausgezahlt. Ein Deckungskapital, das an den VN z.B. bei einer Kündigung ausschütten wäre, bildet sich hier nicht. Wollte man auch bei dieser Versicherungsform an die Ausschüttung eines Deckungskapitals denken, so könnte der VN die Risikolebensversicherung kündigen, um den Rückkaufswert zu erhalten, wenn er bemerkt, dass sein Gesundheitszustand so gut ist, dass er den Ablauf der Versicherung überleben werde. Das aber wäre die Möglichkeit einer Antiselektion, die die Grundlagen der Risikolebensversicherung erschüttern würde.74 Handelt es sich dagegen um langfristige Risikolebensversicherungen – wie sie z.B. zur 39 Absicherung eines Grundschulddarlehens abgeschlossen werden und eine Laufzeit von 20, 30 oder mehr Jahren haben können – wird der Beitrag, um die Prämien über die gesamte Vertragsdauer hin konstant halten zu können – für die ersten Jahre deutlich zu hoch angesetzt. Die zunächst nicht benötigten Beitragsanteile werden zum Ausgleich der später rechnerisch nicht mehr ausreichenden Beiträge verwandt, die Deckungsrückstellungen gehen allmählich auf Null. Wird eine solche Risikolebensversicherung vorzeitig gekündigt, weil das zu sichernde Darlehen früher als gedacht zurückgezahlt werden kann (z.B. wegen einer Erbschaft), so würde eine solche Versicherung zwar nicht unter § 169 72 73

Engeländer VersR 2007 1297, 1299. Zu allem Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 11; Schwintowski/Brömmelmeyer/

74

Ortmann § 169 Rn. 13; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 36. Meyer 36.

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§ 169

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fallen – denn der Eintritt der Verpflichtung des VR ist keineswegs gewiss. Gleichwohl sind die gesparten Beitragsanteile an den VN als Rückkaufswert zurückzuerstatten, denn in solchen Fällen hat § 169 zumindest analoge Anwendung zu finden. Nicht ohne Grund enthält daher beispielsweise auch § 9 GDV-Musterbedingungen Risikolebensversicherung eine Regelung zur Auszahlung des Rückkaufswerts.75 3. Lebenslängliche Todesfallversicherung

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Gänzlich anders verhält es sich bei dieser Versicherungsform, hier ist der Eintritt des Versicherungsfalles gewiss. Diese Versicherung dient ausschließlich dem Schutz von Hinterbliebenen, der Aufbringung der Erbschaftssteuer oder der Erleichterung von Erbauseinandersetzungen. Die Versicherungsleistung wird – bei unbegrenzter Laufzeit des Vertrages – erst mit dem Tode der Gefahrsperson fällig. Sie ist also auf jeden Fall zu erbringen, offen ist allein, zu welchem Zeitpunkt der Versicherungsfall eintritt. Um die zukünftige Versicherungsleistung finanzieren zu können, bedarf der VR der Ansammlung eines Deckungskapitals; bei Kündigung der Versicherung durch den VN – der beispielsweise die Prämien nicht mehr aufbringen kann – greift § 169 und der Rückkaufswert wird fällig.76 4. Reine Erlebensfallversicherung

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Bei dieser Versicherungsform ist eine Leistung des VR nur vorgesehen, wenn die Gefahrsperson einen im Voraus vertraglich festgelegten Termin erlebt. Sie dient insbes. der Alterssicherung lediger Versicherter, nicht jedoch dem Schutz von Hinterbliebenen. Erlebt die Gefahrsperson den vereinbarten Termin nicht, so kommt es nicht zur Versicherungsleistung. Die zuvor eingenommenen Prämien dienen der Finanzierung der übrigen bei dem VR abgeschlossenen reinen Erlebensfallversicherungen. Wird die Versicherung gekündigt – weil der VN die Beitragszahlungen nicht mehr aufbringen kann, so kommt es grundsätzlich nicht zur Leistung eines Rückkaufswerts. Auch bei dieser Versicherung ist die Gefahr der Antiselektion gegeben: Registriert der VN, dass er den vereinbarten Zeitpunkt nicht erleben wird, so könnte er versucht sein, die Versicherung vorzeitig aufzulösen. 5. Zeitrentenversicherung

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Bei dieser Versicherungsform erbringt der VR für eine zuvor festgesetzte Zeitdauer vom Eintritt des Todes des VN oder von einem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt an Rentenzahlungen, wobei es unerheblich ist, ob der Rentenberechtigte die einzelnen Fälligkeitstage erlebt. Beispiel ist eine Studiengeldversicherung, durch die die Finanzierung eines Studiums abgesichert werden soll. Verstirbt der Rentenberechtigte und sind die Rentenleistungen noch nicht erbracht, so erfolgt die Zahlung an die Erben bzw. Bezugsberechtigten. Da bei der Zeitrentenversicherung der Eintritt der Verpflichtung des VR gewiss ist, ist für die Rentenzahlungen ein Deckungskapital zu bilden und § 169 findet Anwendung.

75

So schon Bruck/Möller/Winter8 G 433; a.M. Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 10; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 10, nach ihnen kommt es in diesen Fällen einer reinen Risikolebensversicherung

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nur beim Antrag auf Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung zur Zahlung eines Rückkaufswerts, wenn die vereinbarte Mindestversicherungsleistung nicht erreicht wird. Meyer 36, 37.

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6. Leibrentenversicherung Die Leibrentenversicherung ist auf die Lebensdauer des Berechtigten abgeschlossen, 43 bei ihr steht nicht fest, wie hoch die Gesamtleistung sein wird, die der VR in Form einer Rente zu zahlen hat. Der VR bildet aus den eingenommenen Beiträgen das Deckungskapital, das für die Rentenzahlungen Verwendung findet. Da es für den VR ungewiss ist, wie lange die Gefahrsperson lebt, besteht zwischen der Leistungszusage des VR und dem Deckungskapital kein festes Abhängigkeitsverhältnis. Stirbt die Gefahrsperson vorzeitig, wird das Einzeldeckungskapital der Versicherung in aller Regel zur Abdeckung der Risiken sämtlicher übrigen Verträge verwandt. Das hat zur Folge, dass die gezahlten Beiträge zugunsten der Gesamtheit der VN verfallen, es sei denn, der VN hat eine anderweitige Vereinbarung getroffen.77 In einem solchen Falle kann der VR beispielsweise einen Rückkaufswert oder die Auskehrung einer Mindestrente auch bei sehr zeitig erfolgendem Tod garantieren.78 Bei einer sofort beginnenden Leibrentenversicherung gegen Einmalbeitrag leistet 44 der VN nach Abschluss der Versicherung einen Einmalbeitrag, aus dem der VR das erforderliche Deckungskapital für die Versicherung bildet. Bei der Leibrentenversicherung mit aufgeschobener Leibrente geht der VR die Verpflichtung ein, eine Rente erst von einem späteren Zeitpunkt ab zu leisten. Bei beiden Versicherungsformen entfällt grundsätzlich diese Leistungspflicht des VR mit dem Tode des Versicherten. Stirbt die Gefahrsperson während der Aufschubzeit, so erlischt die Versicherung ohne jede Leistung des VR. Ein frühzeitiger Tod des Versicherten kann auf diese Weise zu einem ganz erheblichen finanziellen Verlust für den VN führen, wenn nicht Todesfallleistungen vereinbart sind. Todesfallleistungen können entweder eine Beitragsrückgewähr oder eine Renten- 45 garantie bei einem Frühtod des Versicherten sein. Solche Leistungen – die in Zusammenhang mit der Leibrentenversicherung zu sehen sind – sind teilweise Leistungen, die gewiss i.S.v. § 169 Abs. 1 sind und zur Auskehrung eines Rückkaufswerts führen. Bei einer Beitragsrückgewähr wird bei Tod der Gefahrsperson in der Aufschubzeit oder während des Rentenbezugsraums eine Zahlung in Höhe der vom VN für die Rentenversicherung aufgebrachten Beiträge geleistet, wenn der Versicherte während der Laufzeit der Versicherung stirbt. Es handelt sich dabei nicht um eine Rückzahlung der für die Leibrentenversicherung aufgebrachten Beiträge und damit eine Leistung aus dem Deckungskapital der Leibrentenversicherung, sondern um die Leistung einer mit der Leibrentenversicherung verbundenen Risikotodesfallversicherung mit steigender Versicherungssumme (vor Rentenbeginn) bzw. fallender Versicherungssumme für die Zeit nach Rentenbeginn. Die Versicherungssumme entspricht der jeweiligen Differenz zwischen der Gesamtsumme der Beitrags- und der Rentenzahlungen. Sieht man die Leistungen aus der Leibrentenversicherung und der zusätzlichen Todesfallversicherung – die miteinander verbunden und aufeinander abgestellt sind – als Einheit, so führt die Versicherung bei einer vorzeitigen Kündigung des VN zur Auskehrung eines Rückkaufswerts. Dazu muss es bei einer Rentengarantie nicht immer kommen, entscheidend ist die Ausgestaltung der Garantie: Eine Leibrentenversicherung in Verbindung mit garantierten Mindestrenten kann die Aufeinanderfolge zweier Lebensversicherungen sein, und zwar die Verbindung einer Zeitrentenversicherung im Umfange der Rentengarantie mit einer daran anschließenden Leibrentenversicherung in einer Weise, dass der Versicherte keine Leistungen erhält, wenn er

77

Soergel/Winter 12 § 1587a Rn. 219; Meyer 39.

78

Vgl. § 169 Rn. 51.

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den ersten Fälligkeitstag der Zeitrente nicht erlebt. Nur wenn der VN darauf achtet, dass es auf jeden Fall zu einer Versicherungsleistung kommt, kann der Tatbestand des § 169 gegeben sein, z.B. dadurch, dass die Zeitrente nicht an den Erlebensfall anknüpft.79 7. Rentenversicherung im Sinne des AltZertG

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Bei der Riesterrentenversicherung – einer kapitalbildenden Leibrentenversicherung – ist der Eintritt der Verpflichtung des VR gewiss, damit greift die Bestimmung des § 169. Daher führt die Kündigung des Vertrages zur Auszahlung des Rückkaufswerts.80 Eine solche Kündigung ist nur vor Beginn der Auszahlungsphase möglich. Denn stirbt der VN vor dem vereinbarten Rentenbeginn, zahlt der VR das bis dahin gebildete Deckungskapital, § 1 (3) GDV-Musterbedingungen Riesterrente. 8. Basisrentenversicherung

47

Bei der Rüruprentenversicherung handelt es sich gleichfalls um eine kapitalgedeckte Leibrentenversicherung, wobei in der Grundform allerdings keine Todesfallleistung vorgesehen wird. Daher ist der Eintritt der Verpflichtung des VR nicht gewiss und § 169 ist nicht anwendbar. Folgerichtig ist nach § 7 (3) Satz 2 GDV-Musterbedingungen Rüruprente bei einer Kündigung – die vor dem vereinbarten Rentenbeginn möglich ist – der Anspruch auf einen Rückkaufswert ausgeschlossen. Ist jedoch eine Hinterbliebenenleistung vereinbart worden (dabei kann es zu steuerlichen Konsequenzen kommen81), greift § 169 und es kommt zur Auszahlung eines Rückkaufswerts. 9. Sonstige Lebensversicherungsformen

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Grundsätzlich ist bei sämtlichen Versicherungsformen, bei denen sich ein Deckungskapital gebildet hat, bei der Kündigung usw. ein Rückkaufswert auszukehren: Weitere Beispiele sind die Termfixversicherung, die kapitalbildende Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Prämien und Versicherungsleistungen, die Vermögensbildungsversicherung, sonstige Zeitrenten- und Leibrentenversicherungen, die Pflegerentenversicherung usw. Wird bei einer Lebensversicherung ein Deckungskapital gebildet und greift § 169 49 nicht, weil der Eintritt der Verpflichtung des VR nicht gewiss ist, so stellt sich die Frage der analogen Anwendung der Vorschrift (Beispiel: Risikoversicherungen). Nur ein solches Vorgehen würde Sinn und Zweck des § 169 und der Sicht des BVerfG entsprechen, wie sie in den Urteilen von 2005 und 2006 zum Ausdruck gelangt ist.82 Der Rückkaufsregelung unterliegen grundsätzlich nicht z.B. die Berufsunfähigkeits50 versicherung und die BUZ-Versicherung.

79 80 81

Zur Beitragsrückgewähr und zur Rentengarantie vgl. ausführlich Eisenecker 26 ff. § 9 GDV-Musterbedingungen Riesterrente. Vgl. im Einzelnen Benkel/Hirschberg BasisRV 2008 Rn. 6.

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Vgl. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1130 sowie BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1567 sowie BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 493.

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10. Versicherung unterschiedlicher Risiken in unterschiedlichen Lebensversicherungsverträgen Hat der VN bei demselben VR mehrere Lebensversicherungsverträge abgeschlossen 51 (z.B. Hauptvertrag und Zusatzvertrag) und bilden die Verträge eine Einheit, so ist es unerheblich, wenn § 169 erst anwendbar wird, weil Zusatzverträge mit Berücksichtigung finden.83 11. Abweichung von den engen Voraussetzungen des § 169 VVG zugunsten des Versicherungsnehmers Der VR kann bei der Erstattung des Rückkaufswerts zugunsten des VN über die 52 Grenzen des § 169 hinausgehen. Er kann theoretisch auch das Deckungskapital bezüglich eines Vertragsteils auf den VN übertragen, der nicht rückkaufsfähig ist.84

III. Die Ausübung des Rückkaufsrechts – Kündigung, Umwandlung, Rücktritt, Anfechtung – als Voraussetzung für den Anspruch auf den Rückkaufswert 1. Rückkauf im weiteren und im engeren Sinne Das Erstarken des Anwartschaftsrechts an dem Deckungskapital zu einem fälligen 53 obligatorischen Anspruch auf den Rückkaufswert hat nach § 169 zur Voraussetzung, dass der Vertrag durch Kündigung, Rücktritt oder Anfechtung aufgehoben wird. Der Begriff des Rückkaufs kann dabei unterschiedlich verstanden werden: Der Rückkauf einer Lebensversicherung im weiteren Sinne liegt stets dann vor, wenn der VR unter Befreiung von seiner Pflicht zur Auskehrung der vereinbarten Versicherungsleistung dem VN allein einen Betrag in Höhe des niedrigeren Rückkaufswerts zu entrichten hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Lebensversicherungsvertrag bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles aufgehoben oder ob der VR erst nach Eintritt des Versicherungsfalles von der Pflicht befreit wird, die Versicherungsleistung voll zu erbringen. Hierzu gehören die Möglichkeiten des VR, auf den Lebensversicherungsvertrag durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung einzuwirken. Unter Rückkauf im engeren Sinne ist hingegen nur die Auflösung des Vertrages auf Verlangen des VN oder des sonst aus dem Versicherungsvertrag Berechtigten zu verstehen, wenn der VR seinerseits zur Fortsetzung des Vertrages bereit und verpflichtet ist und er dem VN keine Veranlassung zur Auflösung des Versicherungsverhältnisses gibt. Auch wenn in der Literatur und in der Praxis der Rückkauf im engeren Sinne als der 54 eigentliche Rückkauf verstanden wird,85 geht § 169 über den Rückkauf im engeren Sinne jedoch hinaus. Daher werden auch hier sämtliche Fälle erörtert, in denen es durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts seitens des VN oder VR (sodann 4.) zur Erstattung des Rückkaufswerts kommen kann. Nicht unter diese Gruppierungen fällt die Auskehrung des Rückkaufswerts bei einer einverständlichen Aufhebung des Versicherungsvertrages (unter 5.) und einer vorsätzlichen Tötung (schließlich unter 6.).

83

Engeländer VersR 2007 1297, 1299; Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 11.

84 85

Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 11; vgl. schon oben § 169 Rn. 43. Vgl. Bruck/Möller/Winter 8 G 437.

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2. Rechtsnatur des Rückkaufs

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Angesichts der gesetzlichen Regelung des § 169 erscheint die Bezeichnung Rückkauf als nur schwer verständlich. Schon im 19. Jahrhundert stellte die befristete Forderung aus dem Lebensversicherungsvertrag einen bestimmten Wert, den sog. Zeitwert der Police dar.86 Dieses Aktivum könne der VN jederzeit verkaufen und die Forderung abtreten. Ein solcher Verkauf – wie er nunmehr auf dem Zweitmarkt praktiziert wird – und eine derartige Abtretung könnten auch an den VR selbst erfolgen. Der VR würde dabei als Zessionar zugleich Gläubiger und Schuldner der Forderung sein, so dass die Forderung durch Konfusion erlöschen würde. Es könne also davon ausgegangen werden, dass der VR zunächst bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrages das Recht auf die Versicherungssumme gegen die Verpflichtung des VN zur Prämienzahlung verkauft. Gleichzeitig verpflichte sich der VR, dieses Recht unter gleichzeitiger Tilgung seines Anspruchs auf weitere Prämienzahlungen zurückzukaufen, sobald bestimmte, gesetzlich oder vertraglich festgelegte Bedingungen erfüllt sind. Daraus erklärt sich die Bezeichnung Rückkauf, wie z.B. auch durch Engeländer bestätigt wird.87 Der Rückkauf ist insoweit das gesetzlich gewährte Recht des VN, das Versicherungsverhältnis durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung aufzulösen. Der Rückkauf ist also ein Gestaltungsrecht des VN, durch welches dieser das Versicherungsverhältnis auflösen und damit nach § 169 den Rückkaufswert verlangen kann. Im 20. und erst recht im 21. Jahrhundert lässt der Rückkauf seine ursprüngliche 56 Rechtsnatur kaum noch erkennen. Verengt man ihn auf den Rückkauf im engeren Sinne, nämlich auf die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages durch den VN, so ist dazu eine Mitwirkung des Vertragspartners, also des VR, nicht erforderlich. Auch in den übrigen Fällen bedarf es grundsätzlich der Ausübung eines Gestaltungsrechts durch den VN oder den VR. Im Folgenden wird den Tatbeständen, die sich als Voraussetzung für die Auszahlung 57 des Rückkaufswerts darstellen, zusammengefasst nachgegangen: 3. Kündigung, Umwandlungsverlangen, Widerruf, Anfechtung und Rücktritt des Versicherungsnehmers

58

Die ordentliche Kündigung des Lebensversicherungsvertrages nach § 168 ist das wichtigste Kündigungsrecht des VN, hinzukommen die Kündigung des VN nach § 314 BGB (Dauerschuldverhältnis) und nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB (Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage).88 Sämtliche Kündigungsmöglichkeiten führen zu einer Beendigung des Lebensversicherungsvertrages für die Zukunft; er wird zu einem Rückabwicklungsverhältnis.89 Sind die weiteren Voraussetzungen des § 169 gegeben (z.B. bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung), so ist der VR verpflichtet, den Rückkaufswert zu leisten. Dasselbe gilt, wenn der Zessionar, der Zweitmarktinvestor, der Vollstreckungsgläubiger, der Insolvenzverwalter, der Testamentsvollstrecker das Kündigungsrecht ausübt (und dazu berechtigt ist). Ist ein unwiderruflich Bezugsberechtigter eingesetzt, so geht

86 87 88

Engelbrecht AssJhrb Bd. 29 (1908) 116. Engelbrecht a.a.O.; Engeländer VersR 2007 1297; ders. NVersZ 2002 436, 437. Vgl. § 168 Rn. 6 ff., 59, 60, 71. Der Vorschlag von Baumann 15, 21 ff., den Rückkaufswert bei der Kündigung des VN

724

89

unterschiedlich zu bemessen, ist vom Gesetzgeber, von der Rechtsprechung und vom Schrifttum – soweit ersichtlich – nicht aufgenommen worden. Vgl. Meyer 154.

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Rückkaufswert

§ 169

der Rückkaufswert an ihn.90 Bei pfändungsgeschützten Lebensversicherungen bezieht sich der Kündigungsausschluss auf den Rückkaufswert i.S.d. § 851c Abs. 2 ZPO.91 Der Umfang des Rückkaufswerts richtet sich bei sämtlichen Formen der Kündigung nach § 169 Abs. 1–7, es gilt auch die Regel über den Mindestrückkaufswert, § 169 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und 3. Verlangt der VN die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versiche- 59 rung nach § 165 Abs. 1 Satz 1, so kann das nach § 165 Abs. 1 Satz 2 gleichfalls zu einer vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages führen, wenn die vereinbarte Mindestversicherungsleistung nicht erreicht wird, und der VR hat den Rückkaufswert zu zahlen, und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 169 Abs. 1 nicht gegeben sind.92 Kommt es zu einer Umwandlung, so ist auch insoweit der Rückkaufswert von Belang, denn der sich nach § 169 Abs. 3–7 ergebende Betrag bildet die Einmalprämie, von der bei der Berechnung der prämienfreien Leistung auszugehen ist, § 165 Abs. 2. Wird der Lebensversicherungsvertrag nach §§ 8, 9, 152 durch den VN widerrufen, so 60 hat der VR (zusätzlich zu dem Prämienanteil nach § 9 Satz 1) auch den Rückkaufswert nach § 169 Abs. 3–7, also einschließlich der Überschussanteile zu leisten. Bei fehlender oder falscher Widerrufsbelehrung besitzt der VN nach § 152 Abs. 2 Satz 2 ein Wahlrecht zwischen dem Rückkaufswert und der Erstattung der für das erste Jahr entrichteten Prämien. Die Fälle der Anfechtung und des Rücktritts des VN werden – anders als bei § 176 61 Abs. 1 a.F. – von § 169 nicht erfasst, es gelten die allgemeinen Vorschriften. Erklärt der VN die Anfechtung nach §§ 119 bzw. 123, so kann der VN vom VR sämtliche von ihm gezahlten Prämien einschließlich Zinsen nach §§ 812 ff. BGB wieder herausverlangen. Das Privileg des VR, in einem derartigen Falle nur den Rückkaufswert leisten zu müssen, ist damit entfallen. Zu Recht wird in der Gesetzesbegründung betont, dass „der VR in diesen Fällen Anlass zum Rücktritt oder zur Anfechtung gegeben hat“.93 Ein gesetzliches Rücktrittsrecht für den VN findet sich im VVG nicht, es kann sich nur aus einer vertraglichen Vereinbarung bzw. den Bedingungswerken ergeben. Dazu dürfte es in der Regel jedoch nicht kommen. Für den theoretischen Fall, dass der VN den Rücktritt erklären kann, ergeben sich die Rechtsfolgen aus §§ 346 ff. BGB. 4. Anfechtung und Rücktritt sowie Kündigung des Versicherers Als durch den VR erklärte Anfechtung dürfte im Wesentlichen die Anfechtung wegen 62 arglistiger Täuschung in Frage kommen, die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ist bei einem Irrtum über einen gefahrerheblichen Umstand ausgeschlossen, das gilt im Prinzip auch für die Anfechtung wegen eines Erklärungs- oder Inhaltsirrtums.94 Kommt es zu einer wirksamen Anfechtung, ist der Lebensversicherungsvertrag nach § 142 Abs. 1 BGB als nichtig anzusehen und die Leistungen sind nach §§ 812 ff. BGB zurückzugewähren. Soweit nach § 39 Abs. 1 Satz 2 dem VR bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung die Prämie bis zur Wirksamkeit der Anfechtungserklärung zusteht, würde das auch für den Sparanteil gelten. Hier greift jedoch § 169 Abs. 1, wonach der VR im Falle der Anfechtung den Rückkaufswert zu erstatten hat. Da es sich um eine Anfechtung des

90 91 92

Bruck/Möller/Winter § 168 Rn. 28 ff. Bruck/Möller/Winter § 168 Rn. 75. Bruck/Möller/Winter § 165 Rn. 45; § 169 Rn. 82.

93 94

BTDrucks. 16/3945 S. 101 zu § 169 Abs. 1. Bruck/Möller/Rolfs § 19 Rn. 134.

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§ 169

Kapitel 5: Lebensversicherung

VR und nicht um eine Kündigung handelt, greift die Vorschrift über den Mindestrückkaufswert jedoch nicht. Bei einer Anfechtung wegen Irrtums hat der VR sämtliche Prämien zurückzuerstatten. Handelt es sich um einen Rücktritt des VR nach § 37 Abs. 1 wegen Nichtzahlung der 63 Erstprämie, so kann der VR nach § 39 Abs. 1 Satz 3 eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen. Da nur eine Geschäftsgebühr und nicht die vereinbarte Prämie an den VR zu leisten ist, erhält der VR auch keinen Sparanteil an einer Prämie. Es kann somit kein Rückkaufswert entstanden sein, der nach § 169 Abs. 1 zu erstatten wäre. Erklärt der VR den Rücktritt nach § 19 Abs. 2 wegen Verletzung der vorvertraglichen 64 Anzeigepflicht, so greift § 39 Abs. 1 Satz 2, es verhält sich hier wie bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Auch in diesem Falle hat der VR dem VN den Rückkaufswert zu zahlen, es gilt jedoch auch hier die Bestimmung über den Mindestrückkaufswert nicht. Eine außerordentliche Kündigung des VR hat nicht (mehr) die Beendigung des 65 Lebensversicherungsvertrages, sondern nur die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung zur Folge, § 166 Abs. 1 Satz 1. Da § 166 Abs. 1 Satz 2 auf § 165 und diese Vorschrift wiederum auf § 169 verweist, so ist der Rückkaufswert auch insoweit von Bedeutung, und zwar nicht nur für den Fall, dass die vereinbarte Mindestleistung nicht erreicht wird, sondern auch deswegen, weil der sich nach § 169 Abs. 3–7 ergebende Rückkaufswert für die Bemessung der Einmalprämie von Bedeutung ist.95 5. Einverständliche Aufhebung des Versicherungsvertrages

66

Kommt es nicht zur Ausübung des Kündigungs- oder eines anderen Gestaltungsrechts durch den VN oder den VR und wird der Lebensversicherungsvertrag einverständlich aufgehoben, so kann es zu einer direkten Anwendung des § 169 nicht kommen. Es würde jedoch Sinn und Zweck der Norm und zudem den grundlegenden Urteilen des BVerfG 96 widersprechen, wollte man dem VN den Sparanteil usw. der Prämie entziehen. Für solche Fälle bedarf es der analogen Anwendung des § 169.97 Möglich wäre es auch, die Erstattung des Rückkaufswerts oder eines Betrages in den Aufhebungsvertrag aufzunehmen, der den VN besser stellt als die Zahlung des Rückkaufswerts. 6. Selbsttötung des Versicherungsnehmers

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Bei einer vorsätzlichen Selbsttötung des VN kann der VR von der Verpflichtung zur Leistung frei sein, wenn sie vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Lebensversicherungsvertrages erfolgt, § 161 Abs. 1 Satz 1. Handelt es sich um eine Versicherung i.S.d. § 169, bei der der Eintritt der Verpflichtung des VR gewiss ist, so greift § 161 Abs. 3, und der VR ist zur Leistung des Rückkaufswerts einschließlich Überschussbeteiligung verpflichtet.98

95 96

97

Vgl. Bruck/Möller/Winter § 165 Rn. 45, 32. BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1130 sowie BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 493. Vgl. Bruck/Möller/Winter 8 G 445; vgl. auch

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98

Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 29; Schick/ Franz VW 2007 764; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 17. Vgl. BTDrucks. 16/3945 S. 99 zu § 161 Abs. 3.

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Rückkaufswert

§ 169

IV. Ermittlung des Rückkaufswerts Der Rückkaufswert ist das Deckungskapital der Lebensversicherung, das nach aner- 68 kannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechtsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode ermittelt wird (sogleich unter 1.). Eine Begrenzung des Rückkaufswerts ergibt sich aus § 169 Abs. 2 (sodann unter 2.). Für Fälle eines Frühstornos ist ein Mindestrückkaufswert geschaffen worden (unter 3.). Die Höhe der Rückkaufswerte ist dem VN vor Abschluss des Vertrages bekannt zu geben (sodann unter V.). Sie werden teilweise vom VR garantiert (unter VI.). Besonderheiten gelten bei einem Lebensversicherungsvertrag mit einem EU-/EWR-VR (VII.) und bei der fondsgebundenen Lebensversicherung (unter VIII.). Vereinbart werden kann ein angemessener Abzug vom Deckungskapital (IX.). Eine weitere Herabsetzung ist nach § 166 Abs. 6 möglich (X.). Erhöht wird der Rückkaufswert durch die angefallenen Überschüsse, an denen der VN bei einer Kündigung usw. zu beteiligen ist (schließlich unter XI.). 1. Berechnung des Deckungskapitals nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechtsgrundlagen der Prämienkalkulation a) Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation. Für die Rechtsgrundlagen der Prä- 69 mienkalkulation ist auf Bruck/Möller/Winter § 153 Rn. 30 ff. zu verweisen. Der Begriff der Rechnungsgrundlagen umfasst nach Engeländer „sämtliche Parameter“, die in eine versicherungsmathematische Formel eingesetzt werden.99 Rechnungsgrundlagen werden dabei grundsätzlich für den speziellen Zweck gewählt (wie die Rechnungsgrundlagen der Beitragskalkulation, der Deckungsrückstellung, der Überschussbeteiligung),100 mit dem Hinweis auf die Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation, die auch für das Deckungskapital gelten sollen, hat der Gesetzgeber also eine Ausnahme geschaffen, die Engeländer als systemwidrig ansieht.101 Denn seit 1994 werden Beiträge auch in der Lebensversicherung vom VR im Prinzip beliebig festgesetzt, erforderlich ist dafür nur eine mathematisch ausgerichtete Kalkulation. Es muss nur nachweisbar sein, dass die Beiträge nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VAG nicht zu niedrig sind. Konkrete Vorgaben können dem VR seit 1994 von der Aufsichtsbehörde nicht mehr gemacht werden.102 Die Rechnungsgrundlagen bedürfen als gesetzlicher Rahmen einer vertraglichen Ausfüllung; das kann nicht durch Aufführung der Rechnungsgrundlagen im Vertrag geschehen, was zudem angesichts der Menge und Komplexität der sodann erforderlichen Daten nicht möglich sei. Möglich ist jedoch beispielsweise die Beifügung einer Liste der Rückkaufswerte der beitragsfreien Summen zum Vertrag, die damit zum Vertragsinhalt gemacht werden kann.103 b) Besonderheiten der Prämienberechnung. Mit dem Verweis auf die Rechtsgrund- 70 lagen für die Beitragskalkulation spielen die Besonderheiten der Lebensversicherung auch für das Deckungskapital eine Rolle. Es handelt sich dabei zum einen um die Ermittlung

99 100 101

Engeländer VersR 2007 1297, 1302; ders. VersR 2000 274, 279. Engeländer VersR 2007 1297, 1302. Engeländer VersR 2007 1297, 1302., im Übrigen hält Engeländer den Verweis auf die Beitragskalkulation als wenig geeignet für

102

103

die Berechnung der Deckungskapitalien (Engeländer VersR 2007 1297, 1304). Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 30; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 32. Engeländer VersR 2007 1297, 1303.

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§ 169

Kapitel 5: Lebensversicherung

einer gleichbleibenden Risikoprämie104 und bei kapitalbildenden Versicherungsformen um die Einforderung einer Sparprämie, darüber hinaus ist die Einrechnung der Vermittlungsprovision in die laufende Prämie problematisch:

71

aa) Gleichbleibende Prämie. Die Gefahrengemeinschaft, an der sich die Prämienermittlung in der Lebensversicherung orientiert, ist eine Gruppe gleichaltriger Personen, sofern sie sich in einem gleichen Gesundheitszustand befinden, da sie dann sämtlich in derselben Weise vom Tode usw. bedroht sind. Wollte der VR nun bei der Prämienermittlung in gleicher Weise wie in der Sach- oder Haftpflichtversicherung vorgehen und würde er von einem Vertrag mit nur einjähriger Laufzeit ausgehen, so könnte er jeweils die Personen eines Alters zu einer Gefahrengemeinschaft zusammenführen. Er könnte anhand einer Sterbetafel ermitteln, wie viele Personen dieses Jahrganges das nächste Lebensjahr nicht mehr erleben werden und könnte damit die Summe der zur Auszahlung gelangenden Versicherungsleistungen berechnen. Dieser Betrag müsste von den sich in der Gefahrengemeinschaft befindlichen Personen aufgebracht werden, und zwar von denen, die das nächste Lebensjahr erreichen. Im darauf folgenden Jahr wäre die jeweilige Prämie nach derselben Methode erneut zu berechnen. Das würde sich für die folgenden Jahre wiederholen, und zwar bis sämtliche Vertragsverhältnisse beendet sind. Die auf diese Weise ermittelte Prämie wird als natürliche Prämie bezeichnet.105 Dieses in der Sach- und Haftpflichtversicherung bewährte Prinzip, in der einzelnen 72 Versicherungsperiode das Risikoentgelt allein für die jeweilige Versicherungsperiode einzufordern, lässt sich auf die Lebensversicherung jedoch nicht anwenden. Denn in der Lebensversicherung würde sodann eine zunehmend kleiner werdende Gefahrengemeinschaft für einen zunehmend größer werdenden Teil versterbender Mitglieder die Versicherungssummen aufbringen müssen. Das wäre nur möglich, wenn die Prämie mit fortschreitendem Alter des VN zunehmend steigen würde, bis das letzte in dieser Gefahrengemeinschaft verbliebene Mitglied einen Beitrag in Höhe der eigenen Versicherungssumme leisten müsste.106 Auf diese Weise kann der Zweck der Lebensversicherung jedoch nicht erreicht werden. Die Beitragsberechnung muss in der Lebensversicherung daher in anderer Weise erfolgen, wobei bei einem laufend erhobenen Beitrag von dem Grundprinzip der während der gesamten Laufzeit für den VN durchgehend gleichbleibenden Risikoprämie ausgegangen wird. Am einfachsten lässt sich dabei das in der Lebensversicherung im Unterschied zur 73 Sach- und Haftpflichtversicherung angewandte Verfahren der Prämienermittlung in seinen Grundlinien an einem Vertrag gegen Einmalprämie verdeutlichen. Ausgehend von einer Gefahrengemeinschaft nach dem Lebensalter der Gefahrspersonen ist anhand der Sterbetafeln zu ermitteln, wie viele Personen dieses Jahrgangs im folgenden, im darauf folgenden Lebensjahr usw. sterben werden. Die Summen der in jedem Jahre fällig werdenden Versicherungsleistungen werden dann jeweils auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einem festgelegten Rechnungszinsfuß abgezinst. Damit wird festgestellt, welcher Betrag bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrages gegeben sein muss, um die zur Auszahlung gelangenden Versicherungssummen abdecken zu können. Dieser auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses diskontierte Gesamtkapitalbetrag wird auf die zu diesem Zeitpunkt lebenden Angehörigen eines Jahrgangs gleichmäßig verteilt und ergibt so die von dem einzelnen VN zu zahlende Einmalprämie.107 104 105

Vgl. schon Bruck/Möller/Winter § 153 Rn. 33. Meyer 40 ff.; Nöbel 4 f.; Ziegler 49.

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106 107

Meyer 42; Ziegler 50. Meyer 42; Ziegler 51.

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Rückkaufswert

§ 169

Soll keine Einmalprämie, sondern eine laufende Prämie entrichtet werden, so wird die 74 Prämie nach demselben Grundsatz berechnet, wobei von einem die gesamte Versicherungsdauer über in gleichbleibender Höhe zu zahlenden Beitrag ausgegangen wird. Da der VR die Gegenleistung des VN nicht auf einmal bei Abschluss des Vertrages erhält, sondern verteilt auf die gesamte Laufzeit des Vertrages, bedarf es nicht nur der Feststellung des Barwerts sämtlicher Auszahlungen des VR, sondern auch des Barwerts sämtlicher Einnahmen zum Zeitpunkte des Vertragsschlusses. Zu berücksichtigen ist dabei, dass – was sich bei der bei Vertragsschluss zu zahlenden Einmalprämie naturgemäß nicht bemerkbar macht – jedes Jahr aus dem Jahrgang des VN Versicherte versterben und damit für die Zukunft als Beitragszahler ausfallen. Geht man davon aus, dass sämtliche VN eines bestimmten Jahrgangs jährlich die Summe X als Prämie leisten und werden sämtliche Zahlungen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses diskontiert, so ergibt sich der Barwert sämtlicher Einnahmen der Summe X. Daraus lässt sich leicht die für die Risikotragung des VR erforderliche, über die gesamte Versicherungszeit gleichbleibende Risikoprämie errechnen, die der VN jährlich aufzubringen hat.108 Hierbei handelt es sich um die sog. Nettoprämie, wobei die in den ersten Jahren im Verhältnis zur tatsächlichen Risikotragung nicht benötigten Prämienanteile vom VR zurückgestellt werden, um die später höhere Risikotragung ausgleichen zu können. bb) Sparanteil. Für die kapitalbildenden Lebensversicherungen ergibt sich zudem die 75 Besonderheit, dass der VN hier nicht nur ein Entgelt für die Risikotragung des VR, sondern darüber hinaus auch eine Sparrate leistet. Dieser Sparbeitrag, der – zusammengenommen – am Schluss der Laufzeit des Vertrages unter Einrechnung von Zins und Zinseszins die Summe der vereinbarten Versicherungsleistung erreicht, muss beim VR entsprechend angesammelt und verwaltet werden, um die dauernde Erfüllbarkeit aller Verträge für die Zukunft sicherzustellen. cc) Zillmerung. Über die Nettoprämie hinaus hat der VR auch Kostenzuschläge zu 76 erheben, so dass er auch die Abschluss- und Vertriebskosten bestreiten kann. Insbesondere die Abschlusskosten in Gestalt der Provision für die Vermittlung des Vertragsabschlusses stellen in ihrer absoluten Höhe einen erheblichen Faktor dar, die dem VN jedoch nicht gesondert in Rechnung gestellt und in die laufende Prämie mit eingerechnet werden.109 Zur rechnungsmäßigen Abdeckung dieser in der Anfangsphase eines Lebensversicherungsvertrages entstehenden Kosten hat der Versicherungsmathematiker Zillmer (1831–1893) ein besonderes Verfahren entwickelt, das die Tilgung der Abschlusskosten bei der Berechnung des Deckungskapitals berücksichtigt.110 Das Verfahren geht davon aus, dass im Laufe der Versicherungsdauer immer erst ein Teil der Abschlusskosten getilgt ist. Die jeweils noch nicht getilgten Teile der von dem VR verauslagten Abschluss-

108 109

Vgl. im Einzelnen Meyer 43, 44; Nöbel 7; Ziegler 52. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht von selbst versteht, dass der VN beim Abschluss des Vertrages die anfallende Provision tragen muss. Daher setzt eine wirksame Vereinbarung in den AVB „einen für den VN transparenten Hinweis voraus, mit dem ihm auch die Art und die Größenordnung der Abschlusskosten, mit denen er

110

belastet werden soll, offenzulegen sind“ (OLG Hamburg 27.7.2010 VersR 2010 1631); ausführlich zur Zillmerung Schuhmacher 51 ff. Inzwischen merkt Engeländer an, der Begriff der Zillmerung sei „zu einem Synonym für jede Form der Berücksichtigung vorab … von Beitragszuschlägen geworden“ (Engeländer VersR 2007 1297, 1306).

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Kapitel 5: Lebensversicherung

kosten sind eine Forderung des VR gegen den VN, die durch die künftig, im weiteren Verlauf des Vertrages noch fällig werdenden Prämien abgedeckt ist. Das bedeutet, dass die Forderung in der Bilanz des VR aktiviert werden darf. Eine solche Aktivierung erfolgt – in indirekter Form – dadurch, dass man sie mit dem Passivum Deckungsrückstellung verrechnet. Die sog. Zillmerung bedeutet also, dass die vom VN gezahlte Prämie nach Abzug der Risiko- und Verwaltungskostenanteile auch dazu verwandt wird, um die bei Vertragsschluss anfallenden Kosten zu decken. Sinn und Zweck dieser Methode – in ihrer reinen Form – ist es also, dem VR aus den ersten Jahresbeiträgen einen höheren Betrag zur Begleichung dieser Kosten zu verschaffen. Da dieser Mehrbedarf an Kosten im ersten Jahr sofort vom VR getragen werden soll, die Prämie aber nach dem Grundsatz der gleichbleibenden Prämie hier nur die gleiche absolute Höhe wie auch sonst haben darf, muss so als notwendige Folge die Nettoprämie dieses Jahres um diesen Mehrbetrag verringert werden. Soweit der Risikoanteil der Nettoprämie das Entgelt für die vom VR effektiv in diesem ersten Jahr getragene Gefahr und nicht willkürlich veränderbar ist, bleibt nichts anderes übrig, als auch den Sparanteil der Nettoprämie um den Betrag dieses Mehrbedarfs zu kürzen.111 Das gilt solange, bis der Mehrbedarf abgedeckt ist. Eine solche prospektive Berücksichtigung sei auch von Vorteil für den VN, denn das führe „im Ergebnis zu höheren Ablaufleistungen aufgrund eingesparter Finanzierungskosten für die anfänglich anfallenden Abschlussaufwendungen“.112 Das Deckungskapital, das um die noch nicht getilgte Abschlussprovision gemindert 77 ist, ist das gezillmerte Deckungskapital. Es nähert sich im Laufe der Versicherungsdauer zunehmend dem vollen Deckungskapital, also der vereinbarten Versicherungssumme bei der gemischten Lebensversicherung.113 Unerheblich ist, ob das Zillmerverfahren, wie es in der Praxis Verwendung findet, dem Verfahren nach § 4 Abs. 1 Satz 1 DeckRV in allen Einzelheiten genau entspricht. Dort ist formuliert, dass im Wege der Zillmerung „die Forderungen auf Ersatz der geleisteten, einmaligen Abschlusskosten einzelvertraglich bis zur Höhe des Zillmersatzes ab Versicherungsbeginn aus den höchstmöglichen Prämienteilen gedeckt (werden), die nach den verwendeten Berechnungsgrundsätzen in dem Zeitraum, für den die Prämie gezahlt wird, weder für Leistungen im Versicherungsfall noch zur Deckung von Kosten für den Versicherungsbetrieb bestimmt sind.“ Wie Engeländer zutreffend feststellt, ist diese Definition unverbindlich.114 Wenn sich die Beschreibung der Zillmerung in § 169 Abs. 3 Satz 1 – was Engeländer beanstandet115 – von der Definition in § 4 Abs. 1 DeckRV unterscheidet, so führt das weder dazu, dass der Höchstzillmersatz aus § 4 Abs. 1 Satz 2 DeckRV in Zusammenhang mit § 169 Abs.3 Satz 1 nicht zu berücksichtigen ist, noch dazu, dass sich Zweifel an der Anwendung des § 169 Abs. 3 ergeben. In der Vergangenheit führte das Zillmerverfahren dazu, dass die Interessen der VN, 78 die von ihrem gesetzlichen Kündigungsrecht frühzeitig Gebrauch machen, nicht genügend berücksichtigt wurden. Daher ist mit § 169 Abs. 3 Satz 1 für solche VN ein Mindestrückkaufswert eingeführt worden.116 Das Zillmerverfahren ist in der Lebensversicherung dem Grundsatze nach weiterhin 79 zulässig,117 eine Beschreibung der Zillmerung findet sich in § 4 Abs. 1 DeckRV, dabei 111 112 113

114

Vgl. Peukert 18–19. Engeländer VersR 2007 1297, 1306. Ein anschauliches Beispiel einer Zillmerung findet sich bei Looschelders/Pohlmann/ Krause § 169 Rn. 27. Engeländer VersR 2007 1297, 1309.

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115 116 117

Engeländer VersR 2007 1297, 1309. Vgl. unten § 169 Rn. 91 ff.; dazu auch BTDrucks. 16/3945 S. 102 zu § 169 Abs. 3. Vgl. §§ 65 Abs. 1 Nr. 2 VAG, § 25 Abs. 1 Satz 2 RechVersV, § 15 Abs. 1 RechVersV, § 4 DeckRV, auch wenn diese Vorschriften

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Rückkaufswert

§ 169

darf der Zillmersatz 40 ‰ der Prämien nicht überschreiten, § 4 Abs. 1 Satz 2 DeckRV. Diese sich auf die bilanzielle Deckungsrückstellung beziehende Norm ist zwar nicht ohne weiteres im Versicherungsvertragsrecht anwendbar.118 Haben die Parteien für die Anwendung des Zillmerverfahrens jedoch eine vertragliche Grundlage geschaffen und sich dabei sogar auf das Verrechnungsverfahren nach § 4 DeckRV, auf § 25 Abs. 2 RechVersV und § 169 Abs. 3 bezogen,119 so ist die Zillmerung zulässig.120 „Lebensversicherungsverträge mit ‚gezillmerter Prämie‘ weisen … die Grundstruktur auf, dass dem VN die von dem Versicherer berechneten Kosten nicht gesondert in Rechnung gestellt werden, sondern mit der insgesamt zu zahlenden Prämie verrechnet werden. Die Prämienhöhe wird so berechnet, dass sie über die Gesamtlaufzeit des Vertrages gleich bleibt und dass Prämienzahlungen nach Abzug der laufenden Verwaltungskosten und Risikoanteile zunächst dazu verwendet werden, die Abschlusskosten zu decken. Auf diese Weise gelingt es den Versicherungsunternehmen, die an die Vermittler zu zahlenden Provisionen einerseits rasch auszuzahlen, andererseits infolge der baldigen Verrechnung der Abschlusskosten mit der Prämie in den ersten Jahren nur begrenzte Mittel für die entsprechende Vorfinanzierung aufwenden zu müssen. Folge dieser Vorgehensweise ist allerdings, dass der Rückkaufswert des Lebensversicherungsvertrages in den ersten Jahren sehr niedrig ist …, so dass der Zweck, neben der Risikosicherung Vermögenswerte anzusparen, insoweit ganz oder weitgehend vereitelt wird … Bei der Art (der) Verrechnung muss berücksichtigt werden, dass der Versicherungsvertrag von Beginn an nicht nur auf die Abdeckung des Versicherungsrisikos, sondern auch auf die Bildung von Vermögenswerten gerichtet ist. Diese Zielsetzung darf nicht dadurch teilweise vereitelt werden, dass hohe Abschlusskosten, deren konstante Berechnung zudem den VN nicht bekannt ist und deren Höhe von ihnen auch nicht beeinflusst werden kann, in den ersten Jahren mit der Prämie so verrechnet werden, dass der Rückkaufswert in dieser Zeit unverhältnismäßig gering ist … .“121 c) Anerkannte Regeln der Versicherungsmathematik. Wenn der Rückkaufswert dabei 80 „nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik“ zu berechnen ist, so ist damit nicht nur ein einziges Verfahren in Bezug genommen. Es kann unter mehreren Verfahren eine Auswahl getroffen werden. Gäbe es nur ein Verfahren, das Anwendung zu finden zu hat, so hätte es nahegelegen, es konkreter zu kennzeichnen. Die Bedingungswerke übernehmen in der Regel jedoch insoweit die Formulierung des Gesetzes.122 2. Begrenzung des Rückkaufswerts nach § 169 Abs. 2 VVG Ist bei einer Kündigung der Anspruch auf den Rückkaufswert höher als die Versiche- 81 rungsleistung, die der VR bei Eintritt des Versicherungsfalles leisten müsste, so ist der Rückkaufswert nach § 169 Abs. 2 nur insoweit zu zahlen, als er die Versicherungssumme

118 119

sich ausdrücklich nur auf die bilanzielle Deckungsrückstellung beziehen (Engeländer NVersZ 2002 436, 445; ders. VersR 2005 1031, 1032; ders. VersR 2007 1297, 1308). BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 492 Rn. 41. Wie sich aus § 10 (2) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenversicherung, § 10 GDV-Musterbedingungen Riesterrente ergibt).

120

121 122

BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 492; Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 28; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 48; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 33. BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 494. Jaeger VersR 2002 133, 135.

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bzw. -rente nicht übersteigen würde. Dass der nach Absatz 3 bis 6 berechnete Rückkaufswert höher ist als die vereinbarte Versicherungsleistung, dürfte nur selten vorkommen. Nach der Begründung liegt ein „solcher Fall vor, wenn das Deckungskapital für eine vereinbarte lebenslange Rente höher ist als die vereinbarte Rückzahlung aller Prämien im Todesfall vor Beginn der Rentenzahlung.“123 Nach Engeländer soll der Gesetzgeber hier die Gefahr einer Antiselektion gesehen haben und wollte ihr entgegentreten124 – allerdings leuchtet nicht recht ein, warum der VN den höheren Rückkaufswert nicht erhalten soll, wenn er von seinem gesetzlichen ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch macht, zumal die Versicherung auch der Vermögensbildung dient. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erscheint eine solche Regelung als zweifelhaft.125 Zu nennenswerten Gefahren für die Kalkulationen des VR dürfte es kaum kommen, wenn das Deckungskapital höher ist als die vereinbarte Versicherungsleistung und der VN seine Auszahlung begehrt.126 Soweit der Rückkaufswert mit Blick auf § 169 Abs. 2 an den VN nicht ausgezahlt 82 wird, ist er gemäß Satz 2 für eine prämienfreie Versicherung verwendbar. Wenn dabei die vereinbarte Mindestversicherungsleistung unterschritten wird, ist der Rückkaufswert nach § 165 Abs. 1 und 2 nun doch zu zahlen. Käme es dazu nicht, wäre das angesichts der Rechtsprechung des BVerfG besonders problematisch.127 Nach Absatz 2 kommt es nicht zu einer Begrenzung des Rückkaufswerts, wenn die 83 Versicherung durch Anfechtung oder Rücktritt aufgelöst wird. In diesen Fällen – z.B. bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung – sei „eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als prämienfreie Versicherung für die Vertragsparteien nicht zumutbar.“128 Das gilt jedenfalls für die VR-Seite, dem VN wird durch Leistung des vollen Rückkaufswerts entgegengekommen. Das damit der arglistig handelnde VN bessergestellt wird als der sich nicht arglistig verhaltende VN, ist allerdings gleichfalls nicht zu verstehen. Da die Regelung des § 169 halbzwingend ist, kann der VR auf die Begrenzung des 84 Rückkaufswerts verzichten, auch bereits in den Bedingungswerken.129 3. Mindestrückkaufswert im Falle eines Frühstornos

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a) Fiktion einer Ausnahme von der Zillmerung. Da die VR früher die ersten Prämien eines Lebensversicherungsvertrages zur Deckung der Abschlusskosten mit der Folge verwandt hatten, dass zumindest in den ersten zwei Vertragsjahren kein Rückkaufswert entstand, hat der Gesetzgeber bei der Reform des § 169 dafür gesorgt, dass in Frühstornofällen dem VN nunmehr ein Mindestrückkaufswert zusteht. Nach § 169 Abs. 3 Satz 1 ist dafür – entsprechend der Vorgabe bei Riesterverträgen130 – der Betrag des Deckungskapitals maßgeblich, der sich errechnet, wenn die Abschluss- und Vertriebskosten gleichmäßig auf die ersten fünf Vertragsjahre verteilt werden.131 Dabei ist Vorsorge dagegen

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BTDrucks. 16/3945 S. 101 zu § 169 Abs. 2; vgl. auch Schuhmacher 96 ff. Engeländer VersR 2007 1297, 1300. BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 493. Zu weiteren Vermutungen, warum es überhaupt zu der Regelung des § 169 Abs. 2 gekommen ist, vgl. Engeländer VersR 2007 1297, 1300; Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 15. BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 493;

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Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 30; a.A. Gatschke VuR 2007 447, 449. BTDrucks. 16/3945 S. 102 zu Abs. 2. Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 15; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 25; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brambach § 169 Rn. 24. § 1 Abs. 1 Nr. 8 AltZertG. BTDrucks. 16/3945 S. 102 zu Abs. 3; ausführlich Schuhmacher 159 ff.

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Rückkaufswert

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getroffen worden, dass der VR nicht die gesamten ihm entstandenen Anschlusskosten in die Verrechnung einführt, also auch diejenigen, die nach dem Aufsichtsrecht nicht gezillmert werden dürfen: Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 DeckRV darf der Zillmersatz 4 ‰ aller Prämien nicht überschreiten. Wenn dabei moniert wird, dass sich diese aufsichtsrechtlichen Regelungen allein auf die Deckungsrückstellung und gerade nicht auf den Rückkaufswert beziehen,132 so darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die aufsichtsrechtlichen Normen zur Deckungsrückstellung als für den Rückkaufswert maßgeblich durch die Bedingungswerke in Bezug genommen werden.133 Von diesem Verweis konnte der Gesetzgeber ausgehen; unerheblich ist, ob der Höchstzillmersatz versicherungsmathematisch nur anwendbar ist, wenn die Deckungsrückstellung auch tatsächlich i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 DeckRV gezillmert ist und nicht i.S.v. § 169 Abs. 3 Satz 1, wie von Engeländer beanstandet wird.134 Die Regelung zum Mindestrückkaufswert einschließlich der Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 3 DeckRV ist bei jeder Form der Zillmerung zwingend anwendbar. Aufgrund der Regelung des § 169 Abs. 3 Satz 1 ist dabei für den einzelnen Lebensversicherungsvertrag bei einer Frühkündigung lediglich im Wege der Fiktion zu unterstellen, dass die Abschlusskosten in gleichen Beträgen auf die ersten fünf Jahre des Lebensversicherungsvertrages verteilt werden. Der so ermittelte Rückkaufswert ist sodann an den VN auszukehren. Nach Ablauf von fünf Jahren greift die Vorschrift des § 169 Abs. 3 Satz 1 nicht mehr, erfolgt die Kündigung erst später, so kommt es allein zum gezillmerten Rückkaufswert, wie er sich aus der vereinbarten Berücksichtigung der Abschlusskosten ergibt.135 Denn mit der Bestimmung des § 169 Abs. 3 Satz 1 soll allein die früher übliche finanzielle Schlechterstellung des VN in Frühstornofällen korrigiert werden. Die von § 169 Abs. 3 Satz 1 erfassten Abschluss- und Vertriebskosten sind sämtliche Kosten, die vom VR nicht als laufende Verwaltungskosten von der Prämie prozentual erhoben werden. Entscheidend ist die Frage der Erhebung der Kosten, unter § 169 Abs. 3 Satz 1 fällt nur die vorgezogene Erhebung, nicht eine Erhebung von jeder laufenden Prämie.136 Die Abschlusskosten, die Gegenstand der Neuregelung sind, müssen als Gesamtbetrag in Euro dem VN genannt werden. Bei der Verteilung der Abschlusskosten i.S.d. § 169 Abs. 3 Satz 1 auf die ersten fünf Jahre ergibt sich für den VN ein sehr viel höheres Deckungskapital als ohne diese Regelung.137 Bei vorzeitiger Kündigung während der ersten fünf Jahre beträgt der Rückkaufswert nicht Null, im Verhältnis zu den gezahlten Prämien beläuft sich der Rückkaufswert vielmehr auf knapp die Hälfte der durch den VN geleisteten Zahlungen.138 Für die verbleibenden, nicht während der ersten Jahre gekündigten Verträge bleibt es beim üblichen Zillmerverfahren. Dem VN kommen die üblicherweise damit verbundenen Vorteile hinsichtlich der Finanzierungslasten zugute. Beide Verfahren – die Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahre und die Zillmerung – existieren also auch inso-

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Z.B. Engeländer VersR 2007 1297, 1308, 1309. Vgl. § 10 (2) GDV-Musterbedingungen Kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Normen der übrigen Bedingungswerke. Engeländer VersR 2007 1297, 1309. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 56; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 35.

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Engeländer VersR 2007 1297, 1306; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 50. Anschaulich ist das Beispiel bei Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 34; vgl. auch Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 33. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 33.

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weit nebeneinander. Damit soll ein Interessenkonflikt vermieden werden, denn dem frühzeitig ausscheidenden VN liegt an einem hohen Rückkaufswert, den verbleibenden VN an einer hohen Ablaufleistung. § 169 Abs. 3 Satz 1 greift seinem Wortlaut nach nur, wenn VR und VN nicht verein90 bart haben, dass die Abschlusskosten gesondert und ohne Zillmerung entrichtet werden. Erfolgt keine Zillmerung, würde der Rückkaufswert durch eine Zillmerung nicht reduziert. Hinsichtlich der Zahlung der Abschlusskosten wäre auf die dazu getroffene Vereinbarung zurückzugreifen.139 Erforderlich für die Wirksamkeit einer separaten, nicht kündbaren Abschlusskostenvereinbarung – die auch in Zusammenhang mit §169 Abs. 5 Satz 2 von Bedeutung sein kann – ist die gebotene Transparenz des Verfahrens. Im Einzelnen sind dabei folgende Konstellationen zu unterscheiden: Vereinbart der VN mit einem Makler, dass die Zahlung der Courtage sofort nach Abschluss der Versicherung an den Makler zu erfolgen hat, so kann an der Transparenz eines solchen Verfahrens und seiner Wirksamkeit kein Zweifel bestehen.140 Ebenso verhält es sich, wenn der VN mit einem Versicherungsvertreter die sofortige Zahlung der Provision vereinbart hat; der VN kann hier auch auf die Festsetzung der Provision Einfluss nehmen. Den Transparenzanforderungen dürfte auch genüge getan sein, wenn der VN mit dem Makler oder dem Versicherungsvertreter eine ratenweise Tilgung der Abschlusskosten vereinbart, zugleich aber damit einverstanden ist, dass der Gesamtbetrag der vereinbarten Kosten von dem VN auch zu begleichen ist, wenn der Lebensversicherungsvertrag frühzeitig gekündigt ist. Versicherungsvertrag und Kostenvereinbarung sind nicht zwischen denselben Parteien geschlossen, sie sind in der Regel auf unterschiedlichen Formblättern unterschrieben worden. Die notwendige Transparenz des Verfahrens ist gegeben, von einer Umgehung der Regelung des § 169 kann nicht die Rede sein, auch wenn sich der VN im konkreten Fall finanziell schlechter stehen kann als nach der gesetzlichen Regelung und zur Leistung weiterer Abschlusskostenraten verpflichtet bleibt, obwohl die Versicherung schon bald wirksam gekündigt worden ist. Eingeschränkter ist die Transparenz allerdings, wenn schließlich VN und VR – und nicht der Vermittler – zusammen mit dem Lebensversicherungsvertrag eine separate Kostenvereinbarung treffen, aus der sich der Betrag der Abschlusskosten ergibt. Ob auch hier die gebotene Transparenz gegeben ist, wird unterschiedlich beurteilt.141 Eine Sondervereinbarung hinsichtlich Zillmerung und Mindestrückkaufswerten ist zwar nicht nur transparent, wenn sie zu einer Besser- oder zumindest Gleichstellung des VN bei den gesetzlichen Rückkaufswerten führt. Bei nicht so deutlicher Transparenz der getrennten Kostenvereinbarungen kann zwar gleichfalls nicht von einer Umgehung der gesetzlichen Regelung und ihrer Unwirksamkeit werden. Seit der sog. Oktoberrspr. des BGH aus dem Jahre 2005142 ist bei der Lebensversicherung jedoch nicht mehr allein auf das Leitbild des mündigen Verbrauchers143 abzustellen, sondern auch zu berücksichtigen, dass separate Kostenvereinbarungen nicht zu einer Schlechterstellung des VN in Verbindung mit Rückkaufswerten führen dürfen. Eine Schlechterstellung würde den Normzweck des § 169 Abs. 3 Abs. 5 widersprechen, die Vorschrift hat daher bei Nettopolicen und separaten Kostenvereinbarungen entsprechende Anwendung zu finden. Von der Vorschrift des § 169 darf auch bei analoger Anwendung zum Nachteil des VN nicht abgewichen werden.

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BTDrucks. 16/3945 S. 102 zu § 169 Abs. 3. Vgl. BGH 20.1.2005 VersR 2005 404 ff.; BGH 14.6.2007 1127, 1128; Bruck/Möller/ Schwintowski § 59 Rn. 91 ff., 97. Bejahend Schuhmacher 221, 222; Reiff VersR 2012 645, 654 ff.; LG Rostock 10.8.2012

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VersR 2013 41, 42, 43; a.A. LG Rostock 6.8.2010 NJW-RR 2010 1694, 1695; vgl. auch Römer/Langheid/Römer § 169 Rn. 36 BGH 12.12.2005 1565, 1571 f. Rn. 61, 43, 44. Vgl. Winter Versicherungsrecht 64 ff.

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b) Beschränkung auf den Fall der Kündigung. Der Gesetzgeber hat die Auskehrung 91 des Mindestrückkaufswerts auf die Fälle der Kündigung beschränkt, § 169 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2. Dabei ist unerheblich, ob es sich um eine Kündigung des VN oder des VR handelt. Beide Möglichkeiten der Kündigung sind in der Regel darauf zurückzuführen, dass sich während des langjährigen Vertrages die finanziellen Verhältnisse des VN geändert haben und der VN nicht mehr in der Lage ist, die Prämien zu entrichten.144 Bei dem VN handelt es sich im Regelfall um die ordentliche Kündigung nach § 168, bei dem VR um eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 166 Abs. 1, auf die § 165, insbes. auch Absatz 2 Anwendung findet. Bei einer solchen Umwandlung wird der beitragsfreien Versicherung somit der erhöhte Mindestrückkaufswert i.S.d. § 169 Abs. 3 zugrunde gelegt. Kündigt der VN die Versicherung nicht, sondern verlangt er in den ersten fünf Jahren nach § 165 ihre Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung, wird gleichfalls der erhöhte Mindestrückkaufswert berücksichtigt. Die Vorschrift des § 165 Abs. 2 ist geschaffen worden, „um den Gleichlauf der Berechnung mit dem Rückkaufswert im Falle der Kündigung sicherzustellen“.145 Wird bei der Umwandlung die vereinbarte Mindestversicherungsleistung nicht erreicht und ist daher nach § 165 Abs. 1 Satz 2 der Rückkaufswert auszuzahlen, so ist auch hier der erhöhte Mindestrückkaufswert zugrunde zu legen.146 Nicht zu berücksichtigen ist der Mindestrückkaufswert i.S.d. § 169 Abs. 3 Satz 1 bei 92 einer Anfechtung oder einem Rücktritt des VR, hier ist der gezillmerte Rückkaufswert auszuzahlen, „da hierbei immer ein Fehlverhalten des Versicherungsnehmers vorliegen wird“.147 Liegt der Anfechtung oder dem Rücktritt durch den VR ein vorwerfbares Fehlverhalten nicht zugrunde, so ist auch insoweit an die analoge Auskehrung oder Berücksichtigung des Mindestrückkaufswerts zu denken. c) Europarechtliche Bedenken hinsichtlich der Regelung des § 169 Abs. 3 Satz 1, 2 93 VVG. Die Normierung derartiger Mindestrückkaufswerte usw. ist verfassungsrechtlich unbedenklich.148 Das bedeutet jedoch nicht, dass sie zugleich auch europarechtlich nicht zu beanstanden ist. Problematisch wäre es insbes., wenn zu jedem Zeitpunkt – und nicht nur zum vereinbarten Vertragsende – ein Rückkaufswert in Höhe des Deckungskapitals garantiert wäre. Fraglich ist zunächst, ob solche Rückkaufsregelungen objektiv notwendig sind, wenn 94 bereits die hinreichend verständliche exakte Information zu einer sachgerechten Produktauswahl führt.149 Angesichts des deutlichen Interessengegensatzes zwischen den VN, die ihren Vertrag bis zum Ende laufen lassen, und denjenigen, die ihn frühzeitig stornieren, könnte eine ausreichende Information als geeigneteres Mittel erscheinen, dem Versichertenkollektiv in seiner Gesamtheit den erforderlichen Schutz zukommen zu lassen.150 So breite und gründliche Informationen durch den VR, wie sie nach dem VVG nunmehr zwingend erforderlich sind, können gegen die Notwendigkeit produkterhalten-

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BTDrucks. 16/3945 S. 103. BTDrucks. 16/3945 S. 101 zu § 165 Abs. 2; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 39. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 39. BTDrucks. 16/3945 S. 103 zu § 169 Abs. 3. BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 494 Rn. 76.

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Mitteilung der Kommission „Freier Dienstleistungsverkehr und Allgemeininteresse im Versicherungswesen“ vom 16.2.2000 – 2000/C 43/03 – AblEG 2000 C 43/5 vom 16.2.2000 Tz 23 f. Vgl. EFTA-Gerichtshof vom 25.11.2005 VersR 2006 249 Nr. 45.

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der zwingender Vorschriften sprechen.151 Eine solche Sicht widerspräche allerdings den Grundsätzen, auf denen das Urteil des BGH von 2005 und der Beschluss des BVerfG von 2006 beruhen.152 Gewichtiger ist die zweite Überlegung: Wollte man die Regelung des § 169 Abs. 3 95 Satz 1, 2 so verstehen, dass zu jedem Zeitpunkt ein Rückkaufswert in Höhe des Deckungskapitals garantiert sein muss, wären ausländische VR, die ein solches Produkt nicht anbieten, in ihren Rechten nach Art. 49 AEUV und Art. 56 AEUV beeinträchtigt. Denn in einer solchen Regelung wäre ein Verbot von Lebensversicherungsprodukten mit einer nur endfälligen Garantie zu sehen. Solche Lebensversicherungsverträge sind in vielen EU-Staaten üblich. Der Grund für die Beschränkung einer Garantie auf die Endfälligkeit liegt darin, dass der VR die eingezogenen Prämien „in Kapitalanlagen investiert, die die gleiche Laufzeit wie der Vertrag haben. Bei einem vorfälligen Verkauf solcher Kapitalanlagen erhält der VR aber nur den aktuellen Marktwert und nur dieser steht damit zur Auszahlung zur Verfügung, wenn der VR keinen Verlust erleiden soll; nur bei Ablauf kann mit Sicherheit die garantierte Verzinsung erzielt werden“.153 Daher geht die fast allgemeine Auffassung dahin, die Vorschrift des § 169 Abs. 3 gemeinschaftsrechtskonform so auszulegen, dass sie nur eine Berechnungsvorgabe für den Rückkaufswert enthält, die Rückkaufswerte aber nicht unbedingt in dieser Höhe garantiert werden.154

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d) Sonderfälle. Bei einer dynamischen Lebensversicherung dürfen die Abschlusskosten für die jeweilige Erhöhung nicht im Voraus bei Abschluss des Versicherungsvertrages geltend gemacht und verrechnet werden, sondern erst, wenn die Erhöhung realisiert wird und die Abschlusskosten damit angefallen sind.155 Bei einer Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung verstößt 97 die Zillmerung nach Auffassung des LAG München156 gegen das zwingende gesetzliche Gebot der Umwandlung in eine „wertgleiche Anwartschaft“ auf Versorgungsleistungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG. Damit sei der Entgeltumwandlungsvertrag nach § 134 BGB unwirksam, im Übrigen greife auch § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn die Zillmerung ist durch den Gesetzgeber grundsätzlich zugelassen worden, § 169 Abs. 3 enthält eine für die gesamte private Lebensversicherung geltende Regelung, auch für Lebensversicherungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. § 169 Abs. 3 geht dem Wertgleichheitsgebot nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG als speziellere gesetzliche Regelung vor. Damit genügt die Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Jahre dem Wertgleichheitsgebot.157

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Bürkle VersR 2006 1042, 1047 ff.; Präve FS Lorenz 517, 524 ff. BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 491 ff.; BGH 12.10.2005 VersR 2005 1665 ff. Engeländer VersR 2007 1297, 1304, 1305; vgl. auch Lang VW 2007 176. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 36; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 43; Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 43; Wandt Rn. 1229; a.A. Engeländer VersR 2007 1297, 1304 f., 1310. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 36; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 52; a.A. Engeländer VersR 2007 1297, 1306.

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LAG München 15.3.2007 VersR 2007 968, 970. Veit VersR 2009 1046, 1047; Schwintowski VuR 2007 272, 273; Kollroß/Frank DB 2007 1146, 1147; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 60; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 34. Vgl. dazu auch LAG Köln 13.8.2008 VersR 2009 851; bestätigt durch BAG 15.9.2009 NZA 2010 164; das allerdings nicht ausschließt, dass ein voll gezillmerter Tarif eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB darstellen kann; das könne u.U. einen Anspruch des Arbeitnehmers auf höhere Versorgungsleistungen begründen.

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Rückkaufswert

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Auf eine Lebensversicherung mit Einmalprämie ist § 169 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 98 nicht anzuwenden.158 Denn es besteht kein Bedarf, Vertriebs- und Abschlusskostenzuschläge langsamer zu verrechnen als beitragsproportional. Bei einer Einmalbeitragsversicherung bedarf es keiner Zillmerung, die sofortige Vereinnahmung des Einmalbeitrages erfolgt mit Blick auf die gesamte Versicherungsdauer. Der VN, der die Versicherung auflöst und den Rückkaufswert herausverlangt, bedarf keines besonderen Schutzes, da der Mindestrückkaufswert nur die Nachteile ausgleichen soll, die sich früher im Falle eines Frühstornos deswegen ergaben, weil die Rückkaufswerte so niedrig oder überhaupt nicht gegeben waren. Bei der Lebensversicherung gegen Einmalbeitrag gibt es sofort hohe Rückkaufswerte. Entsprechend sind Lebensversicherungen mit einer Beitragszahlungsdauer von unter 99 fünf Jahren zu behandeln; die Vorschrift des § 169 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz ist auf sie in der Form anzuwenden, dass die fällig gewordenen Abschluss- und Vertriebskosten gleichmäßig auf die gesamte Prämienzahlungsdauer verteilt werden, bei einer über drei Jahre sich erstreckenden Lebensversicherung mit gleichlanger Beitragszahlungsdauer also auf drei Jahre.

V. Angabe der Rückkaufswerte nach § 169 Abs. 3 Satz 2 VVG Der VN hat ein berechtigtes Interesse daran, bereits vor Vertragsschluss darüber im 100 Einzelnen informiert zu werden, mit welchen (insbes. garantierten) Rückkaufswerten er in den einzelnen Vertragsjahren rechnen kann.159 Daher müssen die einzelnen Rückkaufswerte für jedes Vertragsjahr nach Absatz 3 Satz 2 noch vor Abgabe der Vertragserklärung des VN vom VR mitgeteilt werden. Dabei wird in § 2 Abs. 1 Nr. 4 VVG-InfoV die gesetzliche Verpflichtung des VR näher dahingehend konkretisiert, dass dem VN die „in Betracht kommenden“ Rückkaufswerte bekannt zu geben sind.160 Auf diese Weise „soll klargestellt werden, dass dem VN für den Zeitraum der gesamten Vertragslaufzeit eine repräsentative Auswahl von Rückkaufswerten mitzuteilen ist. Bei der Wahl der Darstellung sollte berücksichtigt werden, dass der VN den Vertrag jederzeit kündigen kann und er daher eine anschauliche Darstellung der Entwicklung seiner Versicherung erwartet. Vor diesem Hintergrund kann sich insbes. eine Angabe in jährlichen Abständen empfehlen; in Betracht kommen aber auch kürzere Abstände, vor allem für die ersten Jahre der Laufzeit des Vertrages, in denen der Rückkaufswert wegen der üblichen Verrechnung der Abschluss- und Vertriebskosten größeren Schwankungen unterliegt“.161 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 VVG-InfoV ist vom VR darüber hinaus das Ausmaß, in dem die Rückkaufswerte garantiert sind, gleichfalls vor Vertragsschluss mitzuteilen. Die VVG-InfoV differenziert also nach nicht garantierten und garantierten Rückkaufswerten. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 VVG-InfoV sind diese Angaben vom VR in Euro zu beziffern. „Auch insoweit müssen dem Kunden aus Gründen der Verständlichkeit konkrete, der Vorstellungskraft

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BaFin Auslegungshinweis vom 28.5.2008 Az. VA 21-A-2008/0033; Engeländer VersR 2007 1297, 1307; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 83; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Nr. 51; Marlow/Spuhl Grote 241 f.; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brambach § 169 Rn. 14.

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BTDrucks. 16/3945 S. 103; Ausführlich Schuhmacher 187 ff. Begr. VVG-InfoV zu § 2 S. 7. Begr. VVG-InfoV zu § 2 S. 7; kritisch dazu Präve VersR 2008 151, 154.

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zugängliche Angaben zur Verfügung gestellt werden … Das bedeutet, dass soweit eine Garantie überhaupt nicht übernommen wird, eine Bezifferung in Höhe von ‚0 (Null) Euro‘ vorzunehmen ist.“162 Die den ausgewiesenen Rückkaufswert nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 6 zugrunde liegen101 den Berechnungen sind dabei nicht nur Ausdruck eines vereinbarten Berechnungsverfahrens, sie sind verbindlich vereinbart. Soweit sie darüber hinaus garantiert sind, kann sich der Anspruch des VN auf den genau genanten Eurobetrag stützen. Der VN kann die Rückkaufswerte auf der Grundlage einer vereinbarten Berechnungsmethode nicht selbst ausrechnen, seinem gerechtfertigten Bedürfnis auf Information entspricht nur die Angabe absoluter Zahlen. Aus einer Liste von Rückkaufswerte können von einem mathematischen Sachverständigen die verwandten Rechnungsgrundlagen eindeutig ermittelt werden.163 Auch wenn von den angegebenen Rückkaufswerten nicht ohne weiteres abgewichen werden kann, geltend gemacht werden von dem VN können sie nur, wenn und soweit sie garantiert sind. Auch garantierte Rückkaufswerte aber können nach § 163 Abs. 2 eine Änderung erfahren, allerdings nur im Einverständnis mit dem VN. Die Informationspflicht des VR bezieht sich – wie sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 VVG102 InfoV ergibt – nicht nur auf die Rückkaufswerte, sondern auch auf die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung und auf die Leistungen aus einer prämienfreien oder prämienreduzierten Versicherung.

VI. Partielle Garantie der Rückkaufswerte 103

Nach der Regierungsbegründung zu § 169 Abs. 3 Satz 2 waren die Rückkaufswerte, wie sie vom VR angegeben werden – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 5 bis 7 – „garantiert“.164 Das stimmte mit der Gesamtrichtlinie Leben165 Anhang III unter A a) 9 allerdings nicht überein, wonach dem VN vor Abschluss des Versicherungsvertrages die „Rückkaufswerte und beitragsfreien Leistungen und das Ausmaß, in dem diese Leistungen garantiert sind“, mitgeteilt werden müssen. Daher wurde § 169 Abs. 3 Satz 2 im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens entsprechend geändert.166 Auch wenn § 169 den Begriff des Rückkaufswerts der Höhe nach mit dem Deckungskapital gleichstellt, der Gesetzgeber Mindestrückkaufswerte für den Fall des Frühstornos festgesetzt hat und wenn von der Rückkaufsregelung zulasten des VN nicht abgewichen werden kann, darf gleichwohl nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Rückkaufswerte und beitragsfreien Leistungen garantiert werden. Das würde eindeutig dem Wortlaut des § 169 Abs. 3 Satz 2 und der VVG-InfoV widersprechen. Der VR kann sich – auch angesichts der europarechtlichen Problematik eines Verstoßes gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit – insbes. auf endfällige Garantien beschränken. Das ist für den VR deshalb von Bedeutung, weil eine Beschränkung der Garantie auf bestimmte Zeitpunkte es ermöglicht, stärker in volatilen Anlagemöglichkeiten zu investieren und höhere Renditen zu erzielen. § 169 Abs. 3 ist nur so zu verstehen, dass zwar zwischen Rückkaufswert und Deckungskapital ein enger Bezug besteht, dass bei einem Frühstorno die Mindestrückkaufswerte hinsichtlich des Verhältnisses bei den Abschluss- und Vertriebs-

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Begr. VVG-InfoV zu § 2 S. 10. Näheres bei Engeländer VersR 2007 1297, 1303 f. BTDrucks. 16/3945 S. 103. Gesamtrichtlinie Leben 2002/83/EG.

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BTDrucks. 16/5862 S. 100, die Textänderung in § 169 wurde dabei als „Abschaffung gesetzlich garantierter Rückkaufswerte“ verstanden, BTDrucks. 16/5862 S. 96.

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Rückkaufswert

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kosten gelten, dass aber die Rückkaufswerte insgesamt nicht für alle zeitlichen Abschnitte garantiert werden. § 169 Abs. 3 bezweckt allein – mit Blick auf die Abschlusskosten – ein Entgegenkommen gegenüber denjenigen VN, die einen Lebensversicherungsvertrag schon in den ersten Jahren wieder kündigen; die Vorschrift hat nicht zum Ziel, auch hinsichtlich Kapitalmarktschwankungen, einer Änderung der Wahrscheinlichkeitstafeln und unvorhergesehener Kostenbelastungen für die gesamte Laufzeit des Vertrages Garantien zu übernehmen.167 Soll eine Leistung vom VR garantiert werden, so hat das eindeutig zum Ausdruck zu kommen, nicht nur bei der Höhe endfälliger Versicherungsleistungen. Auch für andere vertragliche Fixpunkte kann der VR Leistungsgarantien übernehmen, auch für den Rückkaufswert, eine zwingende gesetzliche Regelung findet sich im VVG jedoch nicht.168 Zu Recht wird aus § 169 Abs. 3 Satz 1 darüber hinaus entnommen, dass VR und VN – in der erforderlichen Eindeutigkeit – vereinbaren können, die Abschlusskosten gesondert zu entrichten, z.B. im Wege einer Eintrittsgebühr, bei der es nicht zu einer Verrechnung mit den Beiträgen kommt.169 Reiff folgert daraus zu Recht, dass bei der notwendigen Aufklärung des VN Produktgestaltungen möglich sind, bei denen es zu keinen Garantien von Rückkaufswerten kommt.170 Gegen den Normzweck des § 169 dürfen sie jedoch nicht verstoßen.171

VII. Lebensversicherungsvertrag mit EU-/EWR-Versicherer, § 169 Abs. 3 Satz 3 VVG Hat der deutsche VN seinen Lebensversicherungsvertrag mit einem VR mit Sitz in 104 einem anderen EU-Staat bzw. in einem EWR-Staat geschlossen, so unterliegt der Vertrag in der Regel dem deutschen Versicherungsvertragsrecht, also den Maßgaben des § 169 einschließlich der Regelung über den Mindestrückkaufswert, wenn es zu einer Zillmerung kommt. Nur wenn es sich um einen Lebensversicherungsvertrag handelt, der online oder durch Vermittlung eines Maklers abgeschlossen wird, kann für den Versicherungsvertrag auch beispielsweise das englische Versicherungsvertragsrecht gewählt werden.172 Ist der Vertrag durch die deutsche Tochtergesellschaft des ausländischen VR abgeschlossen worden, so gilt für die Tochtergesellschaft als deutsche juristische Person insgesamt das deutsche Recht, auch das deutsche Versicherungsaufsichtsrecht. Ist die Lebensversicherung mit der Zweigniederlassung oder direkt mit dem Versicherungsunternehmen im Ausland abgeschlossen worden, so richtet sich die Finanzaufsicht – auch für die Zweigniederlassung in Deutschland – grundsätzlich nach dem Recht des Sitzlandes, also beispielsweise nach englischem Recht.173 Da das Deckungskapital und sein Aufbau dem Bereich des Finanzaufsichtsrechts und des Bilanzrechts zuzuordnen ist und daher dem ausländischen Aufsichtsrecht unterliegt, besteht die Gefahr einer Benachteiligung des VR, dessen Herkunftsland kein Deckungskapital kennt. Daher „kann“ der EU-/EWR-VR für die Berechnung des Rückkaufswerts anstelle des Deckungskapitals den in dem Sitzland des VR vergleichbaren Bezugswert zugrunde legen. Unter derartigen Bezugsrechten

167 168

169 170

Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 44. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 44; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 72, 73. BTDrucks. 16/3945 S. 53, 102; ausführlich dazu Engeländer VersR 2007 1297, 1310. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 44; im Ergeb-

171 172 173

nis ebenso Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 44. § 169 Rn. 90. Vgl. Winter Versicherungsaufsichtsrecht 515 ff. Ausführlich dazu Winter Versicherungsaufsichtsrecht 561 ff.

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sind solche Werte zu verstehen, bei denen es insbes. auch zu einem Sparprozess kommt.174 Nach Art. 20 Abs. 1 A i Gesamtrichtlinie Leben müssen die EU-/EWR-VR versicherungstechnische Rückstellungen – „nach einem ausreichend vorsichtigen prospektiven versicherungsmathematischen Verfahren“ – bilden, die allen künftigen Verpflichtungen, insbes. „garantierten Leistungen, einschließlich garantierter Rückkaufswerte“, Überschussanteilen, Optionen und Kosten einschließlich Provisionen Rechnung tragen. Sinn und Zweck des § 169 Abs. 3 Satz 3 ist die vergleichbare umfassende Beteiligung der VN an sämtlichen Vermögenswerten, wie sie dem VN bei einem Rückkauf nach § 169 Abs. 3 ff. zugestanden wird.175 Die Regelung des § 169 Abs. 3 Satz 3 kann nicht ohne weiteres analoge Anwendung 105 auf VR aus Drittstaaten finden. Ist es zu einer Zulassung des DrittlandsVR bzw. seiner Zweigniederlassung gekommen,176 so kann davon ausgegangen werden, dass dem eine positive gutachtliche Äußerung der BaFin vorausgegangen ist und z.B. eine vollständig ausgestattete Niederlassung in Deutschland errichtet worden ist. Die herausgehobene Position einer Zweigniederlassung des Drittlandsunternehmens, die der eines deutschen Versicherungsunternehmens fast vergleichbar ist, dessen gebundenes Vermögen in der EU bzw. dem EWR angelegt sein muss, während das die Kaution und den Garantiefonds bedeckende Vermögen sich in Deutschland befinden muss,177 lässt jedoch eine entsprechende Anwendung des § 169 Abs. 3 Satz 3 als sachgerecht erscheinen.178

VIII. Rückkaufswert bei fondsgebundenen und vergleichbaren Lebensversicherungen 1. Orientierung am Zeitwert, § 169 Abs. 4 VVG

106

Die fondsgebundene einschließlich der indexgebundenen Lebensversicherung und die anderen in § 54b VAG geregelten Verträge sind eine Unterform der kapitalbildenden Renten- und Todesfallversicherung. Sie ist als komplexes Produkt zu verstehen, in dem biometrischer Versicherungsschutz in besonderer Weise mit der Vermögensvorsorge des VN verbunden wird, bei dem – in seiner Grundform – der VN das Anlagerisiko trägt und dieses Risiko durch Ausübung vertraglicher Gestaltungsrechte während der Laufzeit des Vertrages (durch sog. Switch- bzw. Shift-Aufträge) steuern kann. Der VN ist an dem Wert des Sondervermögens beteiligt. Angesichts einer solchen Produktausgestaltung ergeben sich – verglichen mit den klassischen Todes- und Erlebensfallversicherungen – Unterschiede in der rechtlichen Sicht beispielsweise hinsichtlich der Informationspflichten des VR und der Behandlung des Rückkaufswerts. Nach § 169 Abs. 4 ist der Rückkaufswert dabei nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Zeitwert der Versicherung zu berechnen, wobei „einerseits alle künftigen Prämien, andererseits alle zukünftigen Leistungen aus dem Versicherungsvertrag, zu deren Erbringung der VR vertraglich verpflichtet ist, einzubeziehen und … alle Umstände zu berücksichtigen (sind), die den Zeitwert beeinflussen, wie etwa Kapitalmarktsituation und Sterblichkeits-

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Vgl. Schick/Franz VW 2007 764, 765; Engeländer VersR 2007 1297, 1308, 1309; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 45; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 69, 70; Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 44.

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175 176 177 178

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 77. Vgl. Art. 54, 59 Gesamtrichtlinie Leben. Vgl. im Einzelnen Winter Versicherungsaufsichtsrecht S. 601 ff. A.M. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 45.

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Rückkaufswert

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risiko“.179 Insoweit bleibt es für die fondsgebundenen Lebensversicherungen usw. bei der Regelung des § 176 Abs. 3 a.F. Die Bedenken, die gegenüber der Zeitwertregelung dieser Vorschrift geltend gemacht wurden, wie eine nicht ausreichende Transparenz,180 spielen bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung weniger eine Rolle, weil für die Kapitalanlagen der Investmentfonds usw. der Marktpreis regelmäßig, zuweilen täglich ermittelt wird.181 Nach § 169 Abs. 4 Satz 2 sind die Grundsätze der Berechnung im Vertrag anzugeben, wie z.B. in § 10 (3) Satz 2, 3 GDV-Musterbedingungen Fondsgebundene Rentenversicherung.182 Der Zeitwert wird häufig durch die Vereinbarung näher gekennzeichnet und z.B. als realer Barwert im Rückkaufszeitpunkt ermittelt.183 Sind auch Kosten in verständlicher Form vereinbart worden, handelt es sich bei dieser Art der Zeitwertberechnung um eine für den VN eindeutig nachvollziehbare Rückkaufswertermittlung. 2. Kapital- und Höchststandsgarantie bei klassischen fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen Das Kapitalanlagerisiko, das bei der klassischen fondsgebundenen Lebensversiche- 107 rung beim VN verblieben ist (so dass der VR nur das versicherungstechnische Risiko des Todes- und des Erlebensfalles übernimmt), kann durch Kapital- und Höchststandgarantien des VR begrenzt werden. Handelt es sich um eine externe Garantie, ist durch den VR in einer für den durchschnittlichen VN verständlichen Form im Einzelnen darzulegen, worauf sich die Garantie bezieht und wer die Garantiezusage übernimmt. Handelt es sich um eine interne Garantie, ist die Absicherung der Leistungen an den VN über die Bildung eines Sicherungsvermögens vorzunehmen. Dabei erfolgt die Absicherung der Leistungszusage im Kollektiv, der VR hat nach §§ 11 Abs. 1, 53c ff., 65 f. VAG für sämtliche vertraglichen Garantiepflichten Deckungsrückstellungen zu bilden, die er als Sondervermögen verwaltet. Dabei ist zu unterscheiden nach additiv oder alternativ anfallenden garantierten Zahlungen. Kommt es zu einer Leistungsgarantie durch den VR, so soll insoweit der Rückkaufs- 108 wert nach Absatz 3 zu berechnen sein, § 169 Abs. 4 Halbsatz 2. Soweit die garantierte Mindestleistung für die fondsgebundene Lebensversicherung nicht gilt, bemisst sich der Rückkaufswert nach Absatz 4. Der VN hat somit einen Anspruch auf einen zusammengefügten Rückkaufswert, partiell nach Absatz 3 (garantierter Teil) und partiell nach Absatz 4 (nicht garantierter Teil).184 Wenn es darüber hinaus in Absatz 4 Halbsatz 3 heißt, dass „im Übrigen“ Absatz 3 gilt, so wird dadurch insbes. klargestellt, dass die Regelung des Absatzes 3 Satz 1 Halbsatz 2 zum Mindestrückkaufswert durch die vorgegebene Aufteilung der Abschlusskosten auch für die fondsgebundene Lebensversicherung

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182

Schwintowski VersR 2008 1425, 1426; BTDrucks. 12/6959 S. 103; vgl. auch Schick/Franz VW 2007 764, 765. BTDrucks. 16/3945 S. 52. Grundsätzlich dazu OLG Hamburg 27.7.2010 VersR 2010 1631. Römer DB 2007 2523, 2528 f.; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 54; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 83; Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 45; Kleinlein VuR 2008 13, 15. „Der Rückkaufswert ist der nach anerkann-

183 184

ten Regeln der Versicherungsmathematik berechnete Zeitwert der Versicherung. Mindestens erstatten wir jedoch den Zeitwert, der sich bei gleichmäßiger Verteilung der unter Beachtung der aufsichtsrechtlichen Höchstzillmersätze … angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Jahre ergibt“, § 10 (3) Satz 2, 3 GDV-Musterbedingungen Fondsgebundene Rentenversicherung. Schick/Franz VW 2007 764, 765. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 55.

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gilt.185 Bei einer entsprechenden Verteilung auf die ersten fünf Jahren wären in den ersten Jahren mehr Fondsteile gekauft worden als nach altem Recht, so dass der VN auch in der fondsgebundenen Lebensversicherung besser gestellt wird. Kann die Umsetzung von § 169 Abs. 3 auf unterschiedliche Art möglich sein, weil es bei der fondsgebundenen Lebensversicherung kein Deckungskapital in Nominalwerten gibt, so ist die Vorgehensweise im Zweifel im Vertrag zu vereinbaren, § 169 Abs. 4 Satz 2.186 Engeländer weist auch zu Recht darauf hin, dass ein Rückkaufswert nach § 163 Abs. 3 109 nur berechnet werden kann, wenn z.B. fondsgebundene Rentenversicherungen eine Mindestleistung vorsehen, für die eine prospektive Deckungsrückstellung gebildet wird (Beispiel aus der Gesetzesbegründung187): Es müssen die von Absatz 3 vorausgesetzten Rechnungsgrundlagen der Beitragskalkulation auch existieren. Sind sie nicht gegeben, weil den Leistungsgarantien z.B. Sicherungsinstrumente zugrunde liegen, so scheidet eine Berechnung nach Absatz 3 aus, so dass der Zeitwert auch für die Mindestleistung maßgeblich ist.188 Ebenso verhält es sich, wenn bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung Todesfallleistungen garantiert sind. Nur wenn eine entsprechende Deckungsrückstellung gebildet worden ist, greift Absatz 3; sonst bemisst sich der Rückkaufswert nach Absatz 4. 3. Rückkaufswert bei Variable Annuities

110

a) Einsatz derivativer Finanzinstrumente. Variable Annuities sind Lebensversicherungsverträge mit dem Charakter eines Finanzanlageprodukts und individuellen Garantieversprechen,189 sie sollen die Vorteile einer klassischen fondsgebundenen Lebensversicherung mit garantierten Versicherungsleistungen in unterschiedlichen Formen, Flexibilität in der Vermögensanlage und hohen Renditen verbinden. Die Garantien (beispielsweise garantierte Mindesttodesfallleistung, garantierte Rückkaufswerte z.B. begrenzt auf jährlich 5–10 % des Fondsvermögens, garantierte Mindestrentenleistung) werden durch Einsatz derivativer Finanzinstrumente unter Zuhilfenahme finanzmathematischer HedgingModelle, durch Rückversicherungsverträge und die Einschaltung von Investmentbanken abgesichert. Der Einsatz insbes. von Termingeschäften soll eine präzisere Steuerung der Risiken als die klassischen Sicherungsmechanismen auf kollektiver Basis ermöglichen und die Kosten minimieren.190 Anders als bei der herkömmlichen fondsgebundenen Lebensversicherung trägt der VR dem Prinzip nach das volle Anlagerisiko und hat die garantierten Leistungen auch auszukehren, falls die Kapitalanlage das gewünschte Ergebnis nicht erbracht hat.

111

b) Weitgehende Zulässigkeit nach deutschem Aufsichtsrecht. Ebenso wie bei der Absicherung von Garantien bei der klassischen fondsgebundenen Lebensversicherung ist der Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten auch bei Variable Annuities grundsätzlich zulässig. Sie können nach der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Satz 2 VAG zum Einsatz gelangen. Die Aufzählung in der Anlage zu dem Rundschreiben R 3/2000 der Aufsichts-

185 186

187

BTDrucks. 16/3945 S. 103 zu § 169 Abs. 4. Engeländer VersR 2007 1297, 1311 f.; zu den Informationen, die der VR bei einer fondsgebundenen Rentenversicherung zu geben hat, vgl. LG Hamburg 20.11.2009 VersR 2010 329, 332; vgl. auch BGH 21.11.2007 VersR 2008 381. BTDrucks. 16/3945 S. 103 zu Abs. 4.

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Engeländer VersR 2007 1297, 1311; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 85; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 55; Schick/Franz VW 2007 764, 765. Näheres z.B. bei Holler/Klinge VW 2006 792 ff.; Dreher/Lange VersR 2010 1109 ff. Dreher/Lange VersR 2010 1109, 1111.

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Rückkaufswert

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behörde ist nicht abschließend, das folgt schon aus dem Zweck der Vorschrift. Auch die Aufsichtsbehörde formuliert vorsichtig, dass bei „nicht in der Übersicht aufgeführten derivativen Finanzinstrumenten … ihre Zulässigkeit im Einzelfall an den Regelungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 VAG … zu messen ist“.191 Grundsätzlich dürfte davon auszugehen sein, dass der Einsatz derartiger derivativer Finanzinstrumente bei Variable Annuities in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem vom VR betriebenen Lebensversicherungsgeschäft steht.192 Das gilt umso mehr, als das Verbot des § 7 Abs. 2 Satz 1 VAG angesichts des Normzwecks einer teleologischen Reduktion zu unterziehen ist.193 Nicht ohne Grund wird auch die Abschaffung der Vorschrift gefordert.194 Das Modell der kollektiven Absicherung auch bei Garantien im Bereich von Lebensversicherungsprodukten ausnahmslos Anwendung finden zu lassen, wäre unnötig teuer und ein Eingriff in die grundgesetzlich gesicherte unternehmerische Freiheit des VU.195 Auch Versicherungsunternehmen, die in EU-/EWR-Staaten ihren Sitz haben (wie z.B. 112 in Luxemburg und in Irland) und deren finanzaufsichtsrechtliche Vorschriften den Vertrieb von Variable Annuities nicht verbieten, können diese Lebensversicherungsprodukte ohne weiteres anbieten, nicht nur online oder durch Makler nach luxemburger oder irischem Recht, sondern durch eine Niederlassung in Deutschland auch nach deutschem Versicherungsvertragsrecht.196 c) Rückkaufswert. Der Rückkaufswert richtet sich bei Variable Annuities auch mit 113 entsprechenden Garantien nach § 169 Abs. 4; eine Ausnahme ist nur für den Fall gegeben, dass eine prospektive Deckungsrückstellung gebildet wird. In einem solchen Fall kann § 169 Abs. 3 zum Zuge kommen.

IX. Angemessener Abzug vom Deckungskapital – § 169 Abs. 5 VVG 1. Rechtfertigung der Abzugsregelung Nach der Norm des § 169 Abs. 5 ist der VR zu einem Abzug – in der Praxis häufig 114 als Stornoabzug bezeichnet – von dem nach Absatz 3 bzw. Absatz 4 berechneten Rückkaufswert berechtigt, wenn er vereinbart und beziffert (sogleich unter 2.) sowie angemessen (sodann unter 3.) ist. Die Handhabung des Abzugs war in der Versicherungspraxis nicht einheitlich, die rechtlichen Auseinandersetzungen bezogen sich insbes. auf die Frage, ob die Regelung des Abzugs in den Bedingungswerken als hinreichend transparent anzusehen war.197 Es gab stets und gibt VU, die auf den Stornoabzug verzichteten und 191 192 193 194 195

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VerBAV 2001 3, 4. Vgl. dazu ausführlich Winter Versicherungsaufsichtsrecht, 336 ff. Ausführlich Winter Versicherungsaufsichtsrecht, 291 ff. Meyer-Reim in: Liber amicorum für Gerrit Winter, 271 ff., 279. Der ablehnenden Auffassung von Dreher/ Lange VersR 2010 1109, 1113, die sich mit diesen Überlegungen nicht im Einzelnen auseinandergesetzt haben, kann nicht beigepflichtet werden. Ausführlich dazu Winter Versicherungsaufsichtsrecht, 515 ff. 559 ff.; Zeides Die

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rechtliche Behandlung der Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsunternehmen in Deutschland (2004), 38 ff.; vgl. auch Dreher/Lange VersR 2010 1113, 1114. Vgl. LG Hamburg 20.11.2009 VersR 2010 329, 332, wonach es für die wirksame Vereinbarung eines Stornoabzugs im Rahmen einer Klausel bei fondsgebundenen Rentenversicherungen erforderlich ist, dass der Stornoabzug innerhalb der Klauseln so dargestellt wird, dass er von dem durchschnittlichen VN ohne weitere Informationen ausgerechnet werden kann; Ausführlich Schuhmacher 211 ff.

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das gesamte Deckungskapital als Rückkaufswert auskehrten. Ganz weitgehend machten und machen die VR von dem Stornoabzug Gebrauch, allerdings in unterschiedlicher Höhe. Angesichts der Vorschrift des § 169 Abs. 4 Satz 4 – Verbot des Abzugs bestimmter Abschluss- und Vertriebskosten – sind die Abzugsmöglichkeiten für den VR entscheidend reduziert worden. Gerade auch angesichts der unterschiedlichen Praxis des Stornoabzugs stellt sich die 115 Frage nach der Berechtigung einer derartigen Abzugsregelung. Erweist sich ein Stornoabzug als gerechtfertigt, so geht die Auskehrung des vollen Deckungskapitals zulasten der sog. vertragstreuen VN, lässt sich der Abzug dagegen nicht rechtfertigen, wären die ausscheidenden VN geschädigt. Die Begründung zu § 169 Abs. 5 weist dabei darauf hin, dass einerseits „bisher regel116 mäßig nur drei einen Stornoabzug möglicherweise rechtfertigende Umstände (Bearbeitungskosten, Risikoverschlechterung, nicht bereits getilgte Abschlusskosten) geltend gemacht worden (sind); erst neuerdings wird der zunehmend diskutierte Stornoabzug mit weiteren Überlegungen gerechtfertigt“198 – das ist unrichtig, schon seit Ende des 19. Jahrhunderts werden auch eine Reihe weiterer Gründe diskutiert.199 In den Bedingungswerken wird dazu insbes. auf die Ausgleichung der „Veränderung der Risikolage des verbleibenden Versicherungsbestandes“ und den „Ausgleich für kollektiv gestelltes Risikokapital“ verwiesen.200 – zumindest unter dem Ausgleich für kollektiv gestelltes Risikokapital dürfte sich der durchschnittliche VN nichts vorstellen können, ebenso wenig wahrscheinlich auch unter der Antiselektion. Im Einzelnen finden sich im Schrifttum für die Rechtfertigung eines Abzuges die folgenden Argumente, die entweder alternativ, häufig aber kumulativ geltend gemacht werden: a) Prohibitiver Charakter des Stornoabzugs. Ehrenberg 201 und Goldschmidt 202 vertreten die Auffassung, dass der Abzug vom Deckungskapital im Wesentlichen prohibitiven Charakter habe. Der Stornoabzug verfolge vorrangig den Zweck, den Austritt aus der Gefahrengemeinschaft zu erschweren und die VN auf diese Weise zur „Vertragstreue“ anzuhalten. Auch die Höhe des Stornoabzuges müsse mit Blick auf dieses Ziel bemessen werden und dürfe nicht zu niedrig ausfallen. Der Abzug müsse geeignet sein, die Gesamtheit der verbleibenden VN vor dem Schaden zu bewahren, der ihnen durch einen übermäßigen vorzeitigen Abgang erwachsen könne. Der Stornoabzug müsse als Gegengewicht zu dem in § 168 dem VN gewährten Kündigungsrecht gesehen werden und müsse geeignet, den VN von einer grundlosen Ausübung des Kündigungsrechts abzuhalten.203 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich gerade aus der halbzwingenden Norm des 118 § 168 ergibt, dass ein Stornoabzug nicht zu rechtfertigen ist, wenn er allein die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts des VN, der – in der Regel aus guten Gründen – von seinen Rechten Gebrauch macht, erschweren soll oder wenn der Abzug gar zu einer Aushöhlung des Kündigungsrechts führt. Das Kündigungsrecht des VN ist angesichts der

117

198 199 200

BTDrucks. 16/3945 S. 103. Bruck/Möller/Winter8 G 423 ff. Z.B. § 9 (2) GDV-Musterbedingungen Riesterrente; § 9 (2) GDV-Musterbedingungen aufgeschobene Rentenzahlung; § 9 (3) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung.

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201 202

203

Ehrenberg JherJb 41 (1900) 349. Goldschmidt in: Die Abgangsvergütung in der Lebensversicherung, Veröffentlichungen des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft, H. 1, S. 80, 85. Vgl. auch Bosshart 94; Meyer 55; Ziegler 83.

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gerade in der kapitalbildenden Lebensversicherung üblichen langen Versicherungsdauer ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebensversicherungsvertrages und ein essentielles Recht des VN. b) Schutz der sog. „vertragstreuen“ Versicherungsnehmer. Ein angemessener Storno- 119 abzug wird ferner damit gerechtfertigt, dass die sog. vertragstreuen VN – also die Versichertengemeinschaft – vor Schäden aus der vorzeitigen Vertragsauflösung durch die „vertragsuntreuen“ VN zu schützen seien. Der Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung liege nicht etwa beim VR, der gewillt sei, den Vertrag fortzusetzen, die Kündigung i.S.d. § 168 beruhe vielmehr auf der freien Entscheidung des VN.204 Daher sei es nur sachgerecht, wenn die „vertragstreuen“ VN keinen Schaden erleiden. Bosshart 205 begründet den Stornoabzug ferner damit, dass eine starke Verminderung des Versicherungsbestandes die Stabilität eines Versicherungsunternehmens gefährde, weil die Rechnungsgrundlagen des Versicherungsbetriebes, die auf dem Gesetz der großen Zahl beruhen, erschüttert würden. Gegen eine solche Argumentation spricht, dass dem Ausscheiden von VN in der Regel die Aufnahme neuer Mitglieder in die Gefahrengemeinschaft gegenübersteht. Durch die Rückkaufsmöglichkeit vergrößert sich zwar das unternehmerische Risiko des VR, aber damit allein lässt sich noch kein Stornoabzug begründen, denn das Ausscheiden einzelner VN bedeutet nicht auch zugleich das Versagen der Rechnungsgrundlagen. Der VN nimmt ein Recht wahr, das der Gesetzgeber ihm zugestanden hat. Der VR ist daher verpflichtet, die Ausübung des Rechts durch den VN von vornherein mit einzukalkulieren.206 c) Bedeutung des Kapitalmarktrisikos. Steigen die Renditen auf dem Kapitalmarkt, 120 besteht für den VR das Risiko, dass die VN ihre Lebensversicherungsverträge kündigen, um den Rückkaufswert gewinnbringender anzulegen. Die VR müssten u.U. langfristige Anlagen mit Verlust verkaufen, nur ein hinreichend bemessener Stornoabzug – so ihre Argumentation – dürfte die VN veranlassen, den Lebensversicherungsvertrag nicht zu kündigen. Der VR kann einer solchen Entwicklung auch dadurch entgegenwirken, dass er besonders anlagebewusste VN schon bei Vertragsschluss auf die Switch-Möglichkeiten bei fondsgebundenen Lebensversicherungen hinweist. d) Entstehung weiterer Verwaltungskosten durch den Rückkauf. Das Argument der 121 Entstehung weiterer Verwaltungskosten durch den Rückkauf 207 rechtfertigt den üblichen Stornoabzug – allein gesehen – nicht. Auszugehen ist davon, dass dem VR an Kosten neben der Abschlussprovision und weiteren Abschlusskosten auch laufende Verwaltungskosten entstehen, die in die Prämie eingerechnet werden. Insoweit können dem VR durchaus Kosten verbleiben, die er von dem Vermittler nicht zurückzufordern vermag. Ein Anfall von mit dem Rückkauf verbundenen weiteren Verwaltungskosten, die über die laufenden Verwaltungskosten so beträchtlich hinausreichen, dass es allein deshalb zu einem nicht unerheblichen pauschalen Abzug vom Deckungskapital kommen muss, ist nicht vorstellbar. Höchstens wäre hier an einen den tatsächlich beim Rückkauf anfallenden Kosten entsprechenden Abzug vom Deckungskapital zu denken.208

204 205 206

Vgl. Ziegler 83. Bosshart 94. Meyer 55, 56; Ziegler 83, 84.

207 208

Vgl. Ziegler 84 f. Vgl. Meyer 56; Ziegler 85.

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e) Noch nicht getilgte Abschlusskosten. Der VR muss grundsätzlich die Möglichkeit haben, die Abschlusskosten, die er an den Vermittler zu zahlen hat, auch zu verdienen. Das gilt auch für die Kosten, die erst während der Prämienzahlung von den laufenden Beiträgen abgezogen werden sollen. Für ihre Geltendmachung im Rahmen eines Stornoabzugs könnten durchaus Gründe sprechen, denen der Reformgesetzgeber allerdings nicht gefolgt ist:209 Nach § 169 Abs. 5 Satz 2 ist die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten nunmehr unwirksam.210 Die Frage ist damit insoweit abschließend geklärt.

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f) Anstieg der Fixkosten bei den verbleibenden Versicherungsverträgen. Theoretisch könnte sich die Fixkostenbelastung für die einzelnen verbleibenden Versicherungsverträge erhöhen. Da der VR einer Ausdünnung des Bestandes jedoch durch eine verstärkte Akquise entgegenwirken kann, wenn sich der Bestand nicht trotz der Kündigungen ohnehin weiter vergrößert, dürfte dieser Gedanke einen Stornoabzug kaum rechtfertigen können. Im Übrigen dürften sich die Fixkosten bei einem zurückgehenden Bestand senken lassen.211

124

g) Ersatz eines entgangenen Gewinns. Insbesondere Bosshart 212 argumentiert, dass dem VR durch Rückkauf ein Gewinn entgehe, der ihm bei ordnungsmäßiger Durchführung des Vertrages entstanden wäre. Bosshart weist darauf hin, dass in die laufende Prämie des VN ein Gewinnanteil des VR mit eingerechnet sei. Zum anderen ergäben sich aber auch durch das vom Gesetzgeber angeordnete Vorsichtigkeitsprinzip bei der Ansetzung der Prämien Gewinne, die dem VR entgingen. Dieses Argument taugt allerdings nur begrenzt, da die Überschüsse, die aus der Anwendung des Vorsichtigkeitsprinzips herrühren, dem VN in Gestalt der Überschussbeteiligung wieder zufließen. Im Übrigen wird bei der Argumentation stillschweigend vorausgesetzt, dass der zurückkaufende VN den Vertragsablauf erlebt, sämtliche Prämien zahlt und nicht durch einen vorzeitigen Tod usw. die Fälligkeit der Versicherungsleistung herbeiführt.213

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h) Begrenzung langfristiger Vermögensanlagen angesichts der Rückkaufsmöglichkeit. Angesichts der Rückkaufsmöglichkeit kann der VR einen Teil des zur Verfügung stehenden Vermögens nur kurzfristig anlegen, so dass dem VR und damit der Versichertengemeinschaft die bei einer längerfristigen Anlage zu erzielende höhere Rendite entgeht. Zur Erstattung des hieraus entstehenden Schadens kann der von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machende VN – wenn überhaupt – nur verpflichtet sein, wenn dabei der Höchstrechnungszins unterschritten wird.214 Grundsätzlich kann jedoch für die Bundesrepublik Deutschland davon ausgegangen werden, dass auch für weniger langfristige Geldanlagen – für die durchaus Bedarf besteht – eine über dem Rechnungszinsfuß liegende Rendite zu erzielen ist.215 Zu einem Schaden, der in seiner Höhe dem Stornoabzug entspricht, dürfte es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht kommen.

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i) Antiselektion. Als weiteres Argument für die Rechtfertigung eines Stornoabzuges wird gerne auf die sog. Antiselektion verwiesen.216 Dabei wird davon ausgegangen, dass 209

210

Für den Zeitwert i.S.d. § 176 Abs. 3 a.F. stellt sich die Problematik nicht, weil dieser Wert als rein prospektiver Wert die Tilgungsbeträge für die Abschlusskosten berücksichtigt (Engeländer VersR 2007 1297, 1311). Vgl. § 169 Rn. 139.

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211 212 213 214 215 216

Schalk Die fondsgebundene Lebensversicherung (2009), 119. Bosshart 99 f. Meyer S. 57. Ziegler 87. Vgl. Meyer 57. Meyer 58; Nöbel S. 49; Ziegler 87 ff.

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Rückkaufswert

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bei einer Todesfallversicherung nur der gesunde VN willens sei, seinen Lebensversicherungsvertrag vorzeitig zu kündigen, während sich ein VN, der sich in einem schlechteren gesundheitlichen Zustand befindet, bemühen werde, seinen Lebensversicherungsvertrag aufrechtzuerhalten. Ob die Situation so einfach gelagert ist, kann bezweifelt werden, wenn man an die Gründe für eine vorzeitige Auflösung des Vertrages denkt, die nicht immer mit einem schlechten gesundheitlichen Zustand der Gefahrsperson einherzugehen brauchen (man denke z.B. an die Kündigung des Vertrages wegen länger anhaltender Arbeitslosigkeit in Zeiten einer hohen Arbeitslosenquote). Wenn auch nicht zu leugnen ist, dass der Versicherte in aller Regel seinen gesundheitlichen Zustand zutreffend einzuschätzen vermag und insoweit gewiss eine Antiselektion zu verzeichnen ist (die im Übrigen auch bei der Wahl der Versicherungsform bzw. des einzelnen Tarifs zum Ausdruck gelangt), so hat sich eine derartige Gegenauslese bei vorzeitig ausscheidenden VN statistisch doch nicht nachweisen lassen.217 Jedenfalls kann allein mit der Antiselektion der Stornoabzug nicht begründet werden. j) Ausgleich für kollektiv gestelltes Risikokapital. Einem neuen Lebensversicherungs- 127 vertrag kommt die Fähigkeit des Versichertenkollektivs zugute, bei der Kapitalanlage auch von höher rentierlichen, aber vielleicht auch riskanteren Anlageformen Gebrauch machen zu können. Zudem kann bei größeren Beträgen die Kapitalanlage kostengünstiger durchgeführt werden. Hieraus einen Vorteil des VN zu konstruieren, der z.B. bei einer ordentlichen Kündigung auszugleichen ist, erscheint als kaum nachvollziehbar. Der VR kennt die Stornoquoten, mit denen er jedes Jahr rechnen muss, und dürfte – wenn es sich nicht um einen sehr kleinen VR handelt – im Allgemeinen gleichwohl über genügend Anlagekapital verfügen, um sämtliche sinnvollen finanziellen Alternativen wahrnehmen zu können. k) Zusammenfassung. Wenn die im Schrifttum für den Abzug genannten Gründe 128 jeweils allein einen Stornoabzug nicht zu rechtfertigen vermögen, so besagt das jedoch nicht auch zugleich, dass sie auch zusammengenommen eine tragfähige Begründung für den Abzug nicht liefern können. Ein geringer, angemessener Stornoabzug könnte als sachgerecht erscheinen. Das gilt grundsätzlich für sämtliche Lebensversicherungsformen, auch wenn die einzelnen Argumente teilweise unterschiedlich gewichtet werden müssen. So ist beispielsweise das Kapitalmarktrisiko bei der fondsgebundenen Lebensversicherung geringer als bei der herkömmlichen Lebensversicherung: Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ist ein Wechsel bei der Vermögensanlage in der Regel leichter möglich als in der klassischen Lebensversicherung. 2. Vereinbarung des Stornoabzugs und Bezifferung Der VR kann einen Stornoabzug nur vornehmen, wenn er bereits bei Abschluss des 129 Lebensversicherungsvertrages vereinbart wird. Der VN ist bereits zu diesem Zeitpunkt über einen eventuellen Stornoabzug zu orientieren, für den Fall, dass er später eine Kündigung vornimmt. Bei der ordentlichen Kündigung handelt es sich – wie die hohe Stornoquote zeigt – um ein ganz wesentliches Recht des VN. Das bedeutet, dass die Auflösung des Vertrages den VN auch nicht zu stark finanziell belasten darf, insbes. auch nicht durch einen hohen Stornoabzug, zumal andere VR auf einen solchen Abzug gänzlich ver-

217

Meyer 58.

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zichten und die Kündigung in solchen Fällen mit geringeren Verlusten verbunden ist. Bei Unwirksamkeit der Klausel oder der Vereinbarung zum Stornoabzug (z.B. wegen nicht hinreichender sonstiger Transparenz) fehlt es an einer wirksamen Vereinbarung, sie kann jedoch nach § 164 Abs. 1 ersetzt werden. Wird eine Vereinbarung über einen Stornoabzug – in der Regel in den AVB wie z.B. 130 § 9 (3) Satz 3 und 4 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung – getroffen, so ist der Stornoabzug zu beziffern. Beziffert meint in erster Linie die Benennung eines konkreten Euro-Betrages. Der Stornoabzug kann nicht mehr als beziffert bezeichnet werden, falls durch den VR auf ein mathematisches Verfahren verwiesen wird, das für den VN nur schwer nachvollziehbar ist oder wenn der Abzug nur dem Grunde nach vereinbart wird, die Höhe des Abzugs in das Ermessen des VR gestellt wird oder von dem VR erst nach der Kündigung des VN beziffert wird.218 Andererseits lässt sich dem Gesetz oder der VGG-InfoV nicht entnehmen, dass der Abzug in absoluten Euro-Beträgen angegeben werden muss.219 Der Stornoabzug wird – anders als der Rückkaufswert – nicht von der Bestimmung des § 2 Abs. 2 VVG-InfoV erfasst, die für bestimmte Angaben die Bezifferung in Euro vorschreibt. Zulässig ist daher eine prozentuale Angabe, wenn sie ohne Mühe für den VN zu errechnen ist und – aber nicht zwingend – darüber hinaus mit einem Beispiel verbunden wird. Die Grenzziehung erfolgt danach, ob die Höhe des Stornoabzuges für den durchschnittlichen VN leicht zu ermitteln ist. Im Zweifel ist eine konkrete Angabe in Euro erforderlich. Ist die Ermittlung des Abzugs zu kompliziert, verstößt die Angabe gegen § 169 Abs. 5 bzw. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, der Abzug ist rückgängig zu machen. Nach dem LG Hamburg 20.11.2009 220 erfordert die wirksame Vereinbarung eines Stornoabzuges im Rahmen einer Klausel bei fondsgebundenen Rentenversicherungen, dass der Stornoabzug innerhalb der Klauseln so dargestellt wird, dass er von dem durchschnittlichen VN ohne weitere Informationen ausgerechnet werden kann. Der Abzug etwaiger Beitragsrückstände – wie er z.B. nach § 9 Abs. 3 letzter Satz 131 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung möglich ist – ist vom Stornoabzug unabhängig. 3. Angemessenheit des vereinbarten Stornoabzuges Angemessen – im Sinne eines unbestimmten Rechtsbegriffs221 – ist ein Stornoabzug nur, wenn er sachlich gerechtfertigt ist. Insbesondere die Gesichtspunkte der Antiselektion und der zusätzlichen Verwaltungskosten lassen die Geltendmachung eines Stornoabzuges als sachgerecht erscheinen. Noch nicht getilgte Abschlusskosten fallen nunmehr unter das Abzugsverbot nach 133 § 169 Abs. 5 Satz 2. Hierbei handelte es sich um den größten Teilbetrag der vor 2008 üblichen Stornoabzüge.222 Hintergrund eines solchen Abzuges war es, dass der VR „für den Vertrieb erhebliche Kosten (aufwenden muss), die er auf alle geschlossenen Verträge … umlegt; sie sind aber nur teilweise dem einzelnen Vertrag unmittelbar zurechenbar … Soweit die Abschlusskosten den Höchstzillmersatz übersteigen oder soweit nicht oder

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218 219

BTDrucks. 16/3945 S. 103 zu Abs. 5. Benkel/Hirschberg Benkel § 9 ALB 2008 Rn. 5; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 58; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 89; Looschelders/Pohlmann/ Krause § 169 Rn. 46; Schick/Franz VW

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2007 764, 766; a.A. Gatschke VuR 2007 447, 450. LG Hamburg 20.11.2009 VersR 2010 332. BTDrucks. 16/3945 S. 103. BTDrucks. 16/3945 S. 103.

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Rückkaufswert

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nur in geringem Umfang gezillmert wird, werden die nicht gedeckten Abschlusskosten als Amortisationsbeiträge in die laufenden Prämien einkalkuliert. Im Fall der Kündigung werden dann die wegen der fehlenden Amortisationsbeiträge der nicht mehr eingehenden Prämien noch nicht getilgten Kosten als Stornoabzug geltend gemacht“.223 Diese Auffassung, wie sie in der Gesetzesbegründung für die Zeit bis 2008 wiedergegeben wird, entspricht nicht mehr der Sicht des Gesetzgebers, wie sie nunmehr der Vorschrift des § 169 Abs. 5 zugrunde liegt. Angesichts des zwingenden ordentlichen Kündigungsrechts des VN nach § 168, der sich damit nicht vertragswidrig verhält und das der VR hinzunehmen hat, kann dem VR im Falle einer Kündigung nur ein Anspruch auf solche Prämien einschließlich Amortisationsbeiträgen zuerkannt werden, die bis zur Wirksamkeit der Kündigung fällig geworden sind.224 Hätte der VN auch einen Anspruch auf Abschlussund Vertriebskosten, die in den nicht mehr geschuldeten Prämien enthalten sind, so ist darin nach Auffassung des Gesetzgebers „eine Art unzulässiger Vertragsstrafe für vertragsgemäßes Verhalten“ zu sehen.225 Das Kriterium der Angemessenheit ist sehr sorgfältig zu prüfen, das gilt sowohl für 134 den Grund als auch für die Höhe des Abzugs. Nach der Gesetzesbegründung trägt der VR die Beweislast dafür, „dass der von ihm geltend gemachte Abzug den Voraussetzungen des Abs. 5 entspricht“.226 Der Stornoabzug ist nicht angemessen, wenn er als Vertragsstrafe anzusehen ist, die den VN von der Ausübung seines Rechts zur Kündigung abhalten soll.227 Wenn nach dem Vorbild des § 309 Nr. 5b BGB dem VN in den Bedingungswerken der Lebensversicherung die Möglichkeit eingeräumt wird, dem VR gegenüber den Nachweis zu erbringen, „dass die dem Abzug zugrunde liegenden Annahmen … entweder dem Grunde nach nicht zutreffend oder der Abzug wesentlich niedriger zu beziffern ist“, so dass der Abzug herabgesetzt werden kann,228 so kann darin nicht eine „Irreführung“ des VN gesehen werden.229 Dadurch erfolgt keine Änderung der grundsätzlichen Beweislast, wie sie dem VR aufgebürdet ist. Dem VN soll es unbenommen bleiben, in einem konkreten Fall individuelle Umstände geltend zu machen, aus denen sich in einem Ausnahmefall die Unangemessenheit ergibt. 4. Reichweite der Regelung zum Stornoabzug Nach Engeländer braucht sich der VR an die Rückkaufsregelung des § 169 Abs. 3 und 4 135 und damit an die Mindestrückkaufswerte nicht zu halten und kann dem VN höhere Rückkaufswerte zugestehen, indem er z.B. weniger Abschlusskosten als zulässig ansetzt oder sie über einen längeren Zeitraum als gefordert verteilt.230 Dem kann beigepflichtet werden, da es sich bei der Vorschrift des § 169 um eine Bestimmung handelt, von der zugunsten des VN abgewichen werden kann. Engeländer geht für diese Fälle jedoch davon aus, dass dementsprechend auch höhere Stornoabzüge als gesetzlich erlaubt geltend gemacht werden können, solange sich das Gesamtergebnis auf einer Rückkaufs-

223 224 225 226

BTDrucks. 16/3945 S. 103/104. BTDrucks. 16/3945 S. 104. BTDrucks. 16/3945. BTDrucks. 16/3945; vgl. auch Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 60 sowie OLG Hamburg 27.7.2010 VersR 2010 1631, 1633 („in AGB darf nicht der Eindruck vermittelt werden, es sei Sache des VN, eine etwa bestehende Unangemessenheit nachzuweisen“ – Leitsatz 5).

227 228 229 230

Vgl. Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 46. Vgl. § 9 Abs. 3 Satz 5 GDV-Musterbedingungen Kapitalbildende Lebensversicherung. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 60; a.A. Brömmelmeyer § 42 Rn. 179. Engeländer VersR 2007 1297, 1310 ff.

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werthöhe hält, die oberhalb der gesetzlichen Mindestrückkaufswerte liegt.231 Dem kann allerdings nicht zugestimmt werden. Sinn der Regelung des § 169 Abs. 3, 4 und 5 ist es nicht nur, für angemessene und nicht zu niedrige Rückkaufswerte zu sorgen. Die Berechnungen müssen sich auch durch die erforderliche Transparenz auszeichnen, jedenfalls soweit es sich um Stornoabzüge handelt.232

X. Herabsetzung des Rückkaufswerts 1. Ausgleich für höhere und teilweise garantierte Rückkaufswerte

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Da die Rückkaufswerte insbes. mit der Orientierung am Deckungskapital und der Neuverteilung der Vertriebs- und Abschlusskosten durch § 169 auf ein höheres Niveau angehoben sind und zudem teilweise garantiert werden, ist mit Absatz 6 ein Ausgleich dahingehend geschaffen worden, dass der nach Absatz 3 ermittelte Betrag durch den VR angemessen herabgesetzt werden kann, um eine Gefährdung der Belange der VN auszuschließen. Ohne eine solche Anpassungsmöglichkeit würden die ausscheidenden zulasten der verbleibenden VN bevorzugt und der VR bzw. das verbleibende Versicherungskollektiv u.U. in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Auch wenn man von den Korrekturmöglichkeiten nach § 313 BGB bei nicht garantierten und garantierten Rückkaufswerten einmal absieht, bietet § 169 Abs. 6 Anpassungsmöglichkeiten, die schneller greifen als die allgemein schuldrechtliche Geschäftsgrundlagenregelung. Sie sind zudem unabhängig von einem aufsichtsrechtlichen Eingreifen. In dem einseitigen Leistungsverkürzungsrecht des VR nach § 169 Abs. 6 will Engelän137 der das „Unbehagen des Gesetzgebers bezüglich der nicht wirklich absehbaren Folgen der Neuregelung“ ausgedrückt sehen. Denn die Kapitalmarktkrise zu Beginn des 21. Jahrhunderts habe deutlich werden lassen, dass eine „dauernde statt nur endfällige Garantie wesentliche, sogar gegebenenfalls die Existenz gefährdende Risiken“ für die VR bedeuten.233 Der Gesetzgeber hatte die Konstellation einer überraschenden Welle von Kündigungen vor Augen, die weit über die bisherigen Erfahrungen des VR hinausgeht. Die Versichertengemeinschaft könnte gezwungen sein, Vermögenswerte zur Unzeit, in einer „ungünstigen Marktlage unter Verlusten zu veräußern“. Die Neuregelung könnte „die wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Versicherers über eine kritische Grenze hinaus vergrößern, wenn seine Vermögenswerte bei marktgerechter Bewertung die Verbindlichkeiten nicht mehr decken. In diesem Falle würde die Auszahlung des Deckungskapitals, das wirtschaftlich schon nicht mehr voll vorhanden ist, die kündigenden Versicherungsnehmer im Verhältnis zu den bleibenden begünstigen“.234 Obwohl in der Begründung die Rede davon ist, dass dem VR das Kürzungsrecht 138 unter „eng begrenzten“ Voraussetzungen eingeräumt werde, ist Engeländer der Auffassung, dass die Kürzungsvoraussetzungen „außerordentlich weitgehend formuliert“ seien. Da „eine Gefährdung der Belange der VN theoretisch niemals ausgeschlossen werden kann“,235 ist der Hinweis Engeländers nicht von der Hand zu weisen, es sei denn, die Bestimmung wird eng ausgelegt. Auffällig ist auch, dass die Zustimmung der Aufsichtsbehörde – anders als bei §§ 56a Abs. 3 Satz 2, 89 Abs. 1 Satz 2 VAG (mit dem Hinweis auch auf den Rückkauf bei Lebensversicherungen) – oder eines Treuhänders nicht erfor-

231 232 233

Engeländer VersR 2007 1297, 1310 ff. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 62. Engeländer VersR 2007 1297, 1312.

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BTDrucks. 16/3945 S. 104 zu § 169 Abs. 6. Engeländer VersR 2007 1297, 1312.

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derlich ist. Nach Auffassung des Gesetzgebers „erscheint die Befürchtung, dass ein einseitiges Leistungsverkürzungsrecht des Versicherers zuungunsten der Versicherungsnehmer missbraucht werden kann, nicht begründet“.236 Wenig einleuchtend ist, dass eine aufsichtsrechtliche Sonderregelung, wie sie von der VVG-Kommission vorgeschlagen worden war,237 vom Gesetzgeber mit der Begründung abgelehnt wurde, dass eine solche Regelung im VAG „mit der Funktion und der Aufsichtsbehörde und deren Neutralität schwer zu vereinbaren“ sei.238 Der Gesetzgeber hat nicht gesehen, dass die Aufsichtsbehörde nicht nur die Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens, sondern gerade auch den Schutz der Versicherten zum Ziel hat.239 Auch das Subsidiaritätsprinzip würde einer aufsichtsrechtlichen Regelung nicht entgegenstehen.240 Die Herabsetzungsbefugnis des § 169 Abs. 6 ist unabhängig insbes. von dem aufsichts- 139 rechtlichen Instrumentarium nach §§ 56a, 89 VAG. Die dort vorgesehenen Maßnahmen sind nicht etwa vorrangig zu ergreifen. Nach § 56a Abs. 3 Satz 2 VAG kann die Aufsichtsbehörde es dem VR im Hinblick auf die Überschussbeteiligung gestatten, „in Ausnahmefällen die Rückstellung für Beitragsrückerstattung … im Interesse der Versicherten zur Abwendung eines drohendes Notstandes heranzuziehen“. Auf diese Weise können finanzielle Mittel – soweit sie nicht auf bereits festgelegte Überschussanteile entfallen – letztlich für die Auffüllung des Eigenkapitals des VR Verwendung finden. Nach der Vorschrift des § 89 Abs. 2 VAG kann die Aufsichtsbehörde die vertraglichen „Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinen Versicherungen dem Vermögensstand entsprechend herabsetzen“, um ein Insolvenzverfahren zu vermeiden. In beiden Fällen verliert der VN teilweise seine vertraglichen Ansprüche, soweit sie wegen eines finanziellen Notstandes des VR nicht mehr werthaltig sind. Beide Vorschriften beziehen sich auf andere Konstellationen als § 169 Abs. 6; § 56a Abs. 3 Satz 2 VAG bezieht sich nur auf die Überschussbeteiligung, § 89 Abs. 2 VAG greift erst bei einem drohenden Insolvenzverfahren, allerdings auch mit Blick auf Rückkaufswerte. Auch andere aufsichtsrechtliche Maßnahmen zur Abwendung finanzieller Schwierig- 140 keiten des VR wie beispielsweise die Anerkennung der Bewertungsreserven als Eigenmittel (§ 53c Abs. 3 Satz 1 Nr. 5c VAG), die Vorlage eines Solvabilitätsplans oder eines Finanzierungsplans nach § 81b Abs. 1, Abs. 2 VAG, die Vorlage eines finanziellen Sanierungsplans nach § 81b Abs. 2a VAG, die Anordnungen hinsichtlich des nicht gebundenen Vermögens nach § 81b Abs. 3 VAG, das Zahlungsverbot nach § 89 Abs. 1 Satz 2 VAG oder Maßnahmen im Rahmen eines auf eine selbstständige Abteilung des Sicherungsvermögens beschränkten Zahlungsverbots usw.241 sind nicht etwa vorrangig vorzunehmen. Zumal die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen – die weithin schon der Insolvenzvorbeugung dienen – über die Herabsetzungsbefugnis nach § 169 Abs. 6 erheblich hinausgehen und ausscheidende VN und das verbleibende Versichertenkollektiv stärker belasten, die versicherungsvertragliche Reduzierungsbefugnis des § 169 Abs. 6 ist ein eigenständiges vertragsrechtliches Instrument, das unabhängig von anderen Maßnahmen einzusetzen ist und nur im Rahmen einer aufsichtsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung Berücksichtigung finden muss.

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237 238

BTDrucks. 16/3945 S. 104 zu § 169 Abs. 6; kritisch auch Langheid/Wandt/Mönnich § 169 Rn. 127 ff. sowie Römer/Langheid/ Römer § 169 Rn. 52 ff. VVG-Kommission 115, 116. BTDrucks. 16/3945 S. 104 zu § 169 Abs. 6.

239 240 241

Ausführlich Winter Versicherungsaufsichtsrecht 80. Winter Versicherungsaufsichtsrecht S. 647 ff. Im Einzelnen Winter Versicherungsaufsichtsrecht 763 ff.

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2. Voraussetzungen des Herabsetzungsrechts

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a) Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmers. Die Herabsetzung der Rückkaufswerte ist – trotz der weiten Formulierung der gesetzlichen Voraussetzungen242 – nur „in Ausnahmefällen“ vorzunehmen,243 obwohl das im Gesetzestext nicht zum Ausdruck gelangt. Sie ist nur als vertragsrechtliche ultima ratio zu verstehen, dabei sind auch die aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten im Auge zu behalten, es ist also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Zu einer Reduktion der Rückkaufswerte darf es nur kommen, wenn die Belange der 142 VN gefährdet sind. Damit greift § 169 Abs. 6 – ebenso wie § 164 Abs. 1 Satz 2 – auf ein Kriterium zurück, das sich als „Belange der Versicherten“ in Versicherungsaufsichtsrecht z.B. in §§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 12b Abs. 1a Satz 2, 81 Abs. 1 Satz 2, 81c Abs. 1 Satz 1, 81e Abs. 3, 85 Abs. 1 Nr. 3 VAG findet (Versicherte sind aufsichtsrechtlich: VN, versicherte Person bei der Versicherung für fremde Rechnung, Bezugsberechtigter). Da versicherungsvertragsrechtlich unter einem Versicherten aber nicht der VN und weithin auch nicht der Bezugsberechtigte zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber bei § 169 Abs. 2 auf die Belange der VN abgestellt. Schrifttum und Rechtsprechung sind sich einig, dass unter einem VN sämtliche Personen zu verstehen sind, die sich auf der VN-Seite befinden (also nicht nur der VN, sondern auch die Gefahrsperson, der Versicherte, der Bezugsberechtigte, der Eintrittsberechtigte).244 Der unbestimmte Rechtsbegriff der Belange der VN ist durch Auslegung zu ermitteln, 143 wobei die rechtsstaatlichen Bedenken, die in diesem Zusammenhang im Versicherungsaufsichtsrecht geäußert werden, im Versicherungsvertrag nicht von Bedeutung sind. Bei der Auslegung ist nicht auf die aktuellen Interessen der einzelnen VN abzustellen, sondern auf den Interessenmaßstab der Gesamtheit der Versicherten, insbes. auch auf die Gewichtung der Interessen der ausscheidenden VN in ihrem Verhältnis zu den Interessen der Gesamtheit des verbleibenden Kollektivs. Vor diesem Hintergrund können sich Zweifel an der Feststellung ergeben, dass es sich bei der Herabsetzung wirklich nur um einen Ausnahmefall handeln darf. Andererseits könnte aus der systematischen Stellung des § 169 Abs. 6 und seiner Entstehung entnommen werden, dass der VR nur von seinem Herabsetzungsrecht Gebrauch machen kann, wenn die Verluste darauf zurückzuführen sind, dass die Rückkaufswerte durch die Neuregelung deutlich erhöht wurden.245 Ein unbestimmter Rechtsbegriff kann im Laufe der Zeit auch durchaus einem Funktionswandel unterliegen, es dürfte sich erst mit der Zeit herausstellen, wie häufig es zu solchen Herabsetzungen kommt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Reduktion in einer „angemessenen“ Art und Weise vorgenommen wird, also nur, soweit sie notwendig ist. In § 164 Rn. 27 ist schon darauf hingewiesen worden, dass floskelhafte Formulierun144 gen, wie sie sich in Urteilen des BVerwG finden,246 im konkreten Falle, wenn es um die Belange der VN geht, kaum weiterführen. Es bedarf einer juristisch abgesicherten Konkretisierung der jeweiligen Problematik.247 Die Belange der VN lassen sich gerade auch bei der Herabsetzung der Rückkaufswerte nicht durch eine Merkmals- oder Faktorenreihe ausdrücken, zumal solche Merkmale zumeist variabel sind und sich verändern.

242 243 244 245

Vgl. oben § 169 Nr. 144. BTDrucks. 16/3945 S. 104. Vgl. dazu § 164 Rn. 25 sowie BTDrucks. 16/39435 S. 104, 100. Vgl. Looschelders/Pohlmann/Krause § 169 Rn. 50.

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246 247

Z.B. BVerwG 12.9.1989 VersR 1990 73; BVerwG 11.1.1994 VersR 1994 541, 542. Zur Überschussbeteiligung z.B. Kagelmacher VersR 1990 805 ff.; Winter Versicherungsaufsichtsrecht 61.

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Ebenso wenig wie im Aufsichtsrecht ist eine optimale Wahrung der Belange der VN 145 erforderlich, notwendig ist eine ausreichende, eine angemessene Wahrung der Belange derjenigen VN, die nicht ausscheiden und im Versichertenkollektiv verbleiben. Im Hinblick auf diese Gruppe von VN ist der Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der vertraglichen Verpflichtungen entgegenzuwirken, soweit sie gerade durch die 2008 verbesserten Rückkaufswerte verursacht oder vertieft werden. Die beiden in der Gesetzesbegründung genannten Fälle – eine Welle von Kündigungen und eine Auszahlung des Deckungskapitals, das wirtschaftlich schon nicht mehr voll vorhanden ist – sind nur beispielhaft gemeint und nicht abschließend: Es soll vermieden werden, das die ausscheidenden VN gegenüber den verbleibenden VN begünstigt werden, die nur die Chance haben, auf eine spätere Erholung der Vermögenswerte zu hoffen und die Verträge in dem Bewusstsein weiterzuführen, dass ihre Versicherungsansprüche bei einer drohenden oder tatsächlichen Insolvenz eine Herabsetzung erfahren.248 Da die Reduzierung der Rückkaufswerte nur in Ausnahmefällen erfolgen soll, darf der VR sich nicht bei jeder Unterdeckung auf § 169 Abs. 6 berufen, es muss eine kritische Größe erreicht sein und andere weniger eingreifende Maßnahmen dürfen nicht mehr möglich sein: Insbesondere ist die Pufferfunktion der Überschussbeteiligung und die Abzugsmöglichkeit nach § 169 Abs. 5 auszuschöpfen.249 Auch wenn für das Versichertenkollektiv, die Gefahrengemeinschaft ein versiche- 146 rungsrechtliches allgemeines Gleichbehandlungsgebot nicht anzuerkennen ist,250 so ergibt sich ein solcher Grundsatz für die Lebensversicherung – angesichts der Ersatz- und Ergänzungsfunktion im sozialversicherungsrechtlichen Gesamtversorgungssystem, wo das Gleichbehandlungsgebot zu den tragenden Grundsätzen gehört – jedoch aus § 11 Abs. 2 VAG. Nach dieser Vorschrift dürfen nicht nur Prämien, sondern auch Leistungen „nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden“. Anders als vor 1994 – als sich die Genehmigung der Tarife durch die Aufsichtsbehörde gerade auch an der Gleichbehandlungspflicht ausrichtete – ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch auf die Leistungsseite hin ausgerichtet,251 so dass es nicht zweifelhaft sein kann, dass die ausscheidenden sowie die verbleibenden VN in gleicher Weise an den finanziellen Schwierigkeiten bzw. Verlusten zu beteiligen sind. b) Gefährdungsursachen. Es ist grundsätzlich unerheblich, aus welchen Gründen es 147 zu einer Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der vertraglichen Verpflichtungen des VR gekommen ist. Es kommt nicht darauf an, ob der VR den Grund der Gefährdung vorhergesehen hat, ob den VR ein Verschulden an der Entwicklung trifft, ob ihm eine Fehlkalkulation vorzuwerfen ist. Anwendung dürfte § 169 Abs. 6 jedoch nicht nur bei Finanzmarktkrisen finden, wenn es zu einem Verfall der Aktienkurse, zu einer Abwertung der Währung oder zu sonstigen Instabilitäten und damit verbunden zu verbreiteten Kündigungen kommt.252 In solchen Fällen dürfte die Reduzierung der Rückkaufswerte von sonstigen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen begleitet werden. 3. Angemessenheit der Herabsetzung Zulässig ist nach § 169 Abs. 6 nur, wenn die Angemessenheit – ein unbestimmter 148 Rechtsbegriff – bejaht werden kann. Angemessen ist die Reduzierung der Rückkaufswerte, wenn sie die Gefährdung der Belange der im Kollektiv verbliebenen VN aus248 249 250

BTDrucks. 16/3945 S. 104. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 65. Ausführlich dazu Winter Versicherungsaufsichtsrecht 158 ff.

251 252

Dazu Winter Versicherungsaufsichtsrecht 161. Vgl. aber Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 110.

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schließt. Zugleich ist darauf zu achten, dass die ausscheidenden mit den verbleibenden VN gleichgestellt werden. Normzweck des § 169 Abs. 6 ist die Schaffung eines ausgewogenen Verhältnisses bei der Behandlung der ausgeschiedenen und verbleibenden VN. Die Herabsetzung der Rückkaufswerte darf nicht allein vorgenommen werden, um die Finanzlage des VR zu stabilisieren. Ein solcher Eingriff wäre unangemessen.253 4. Geltung für Teilbestände

149

Die Regelung des § 169 Abs. 6 bezieht sich nur auf den Neubestand ab 1.1.2008 und wird erst allmählich größere Teilbestände erfassen. Das bedeutet auch, dass vorbeugend nicht auf die Pufferfunktion der Überschussbeteiligung für Altverträge zurückgegriffen werden kann.254 Die VN aus dem Altbestand müssen sich mit dem Zeitwert i.S.d. § 176 Abs. 3 a.F. zufrieden geben, sie kommen in den Genuss der Überschussbeteiligung wie sie sich für ihre Verträge aufgebaut hat und brauchen auch nicht zu befürchten, dass ihre ohnehin schon niedrigen Rückkaufswerte weiter abgesenkt werden. Auch im Übrigen kann es dazu kommen, dass bei manchen Teilbeständen die Voraus150 setzungen des § 169 Abs. 6 gegeben sind, bei anderen jedoch nicht. Die Herabsetzung kann sich in einem solchen Fall nur auf den entsprechenden Teilbestand, nicht aber auf den Gesamtbestand beziehen.255 5. Kein Vereinbarungserfordernis beim Herabsetzungsverfahren

151

Aus § 169 Abs. 6 ergibt sich nicht, dass es einer zuvor erfolgenden Vereinbarung zwischen VR und VN bedarf, wenn der VR von seinem Herabsetzungsrecht Gebrauch machen will. In den Bedingungswerken finden sich allerdings Bestimmungen, in denen im Wesentlichen die gesetzliche Regelung wiedergegeben ist, insbes. bedarf es auch keiner näheren Erklärung und Beschreibung des Herabsetzungsrechts in den Bedingungswerken.256 Kommt es zu einer Herabsetzung, so ist der VN über die Reduzierung der Rückkaufs152 werte zu informieren, so dass er die Möglichkeit erhält, die Kürzung auch rechtlich kontrollieren zu lassen. Bei einer Herabsetzung der Rückkaufswerte hat der VR einen konkreten Kürzungs153 stichtag festzulegen, um die Gefahr willkürlicher Reduzierungen auch insoweit auszuschließen.257 6. Keine Herabsetzung nach § 169 Abs. 3 VVG bei nicht garantierten Rückkaufswerten

154

Soweit die Rückkaufswerte nicht garantiert sind und endfällige Garantien vorgenommen wurden, braucht sich der VR an die angegebenen Rückkaufswerte nicht zu halten. Es bedarf insoweit keines Verfahrens nach § 169 Abs. 6. Der VR ist insbes. auch nicht verpflichtet, eine Herabsetzung der ursprünglich genannten Rückkaufswerte analog dem Verfahren nach § 169 Abs. 6 vorzunehmen.

253 254 255

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 117. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 65. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 114.

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256

257

Vgl. beispielhaft § 9 Abs. 4 GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 68.

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Rückkaufswert

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7. Begrenzung der Herabsetzung auf ein Jahr, § 169 Abs. 6 Satz 2 VVG Die Reduktion der Rückkaufswerte ist auf jeweils ein Jahr befristet, sie kann verlän- 155 gert oder später wiederholt werden, wenn die Voraussetzungen für die Herabsetzung auch weiterhin gegeben sind oder erneut eintreten. Die Wahl einer kürzeren Frist für die Herabsetzung ist möglich, es darf jedoch nicht zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots kommen.

XI. Ansprüche auf Überschussbeteiligung Mit der Vorschrift des § 169 Abs. 7 wird klargestellt, dass bereits erworbene An- 156 sprüche des VN aus einer Überschussbeteiligung ungeachtet der Kündigung dem VN verbleiben.258 Das ist so selbstverständlich, dass es einer Klarstellung nicht bedurft hätte. Unter einer Beendigung des Vertrages i.S.d. § 153 Abs. 3 ist auch die vorzeitige Vertragsbeendigung z.B. durch Kündigung zu verstehen. Dennoch sieht Engeländer Unklarheiten:259 1. Bereits zugeteilte laufende Überschussanteile Die jährlichen Überschussanteile können zum einen bei der Erhöhung der Versiche- 157 rungssumme und auf diese Weise auch des Deckungskapitals Verwendung gefunden haben, das gilt insbes. für die Direktgutschrift und für im Rahmen eines Bonussystems zugeteilte Überschüsse. Soweit sie als verzinsliche Ansammlung gewährt worden sind und keine Berücksichtigung im Deckungskapital gefunden haben, sind sie dem VN als zusätzlicher Anspruch zuzuweisen.260 Nach Auffassung Engeländers ist nicht klar, wie bereits zugeteilte Überschussanteile nicht im nach § 169 Abs. 3 ermittelten gesetzlichen Mindestrückkaufswerts enthalten sein sollen; er verweist dabei auf eine Differenzierung im Handelsrecht nach Deckungsrückstellung und verzinslicher Ansammlung, die nicht Gegenstand des Versicherungsvertragsrechts geworden sei.261 Sollte sich ein Versicherungsvertrag an dieser Differenzierung gleichwohl orientieren (was durchaus möglich wäre), so hat § 169 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 insoweit gleichfalls Klarheit geschaffen. Gesetzeswortlaut und Begründung sind eindeutig. Mathematische Unklarheiten darüber, inwieweit die Rechnungsgrundlagen der Beitragskalkulation bei der Überschussbeteiligung Anwendung finden können, sind für das Vertragsrecht unerheblich, soweit das Ergebnis durch den Gesetzgeber klargestellt worden ist. 2. Schlussüberschussanteil Sinn und Zweck der Überschussbeteiligung und der Rechtsprechung des BVerfG262 158 entspricht es, dass auch die Schlussüberschussbeteiligung dem VN bei Kündigung des Vertrages usw. zuzuweisen ist. Wenn § 169 Abs. 7 dabei nur die AVB in Bezug nimmt,263 so bedeutet das nicht, dass einzelvertragliche Vereinbarungen damit ausgeschlossen

258 259 260 261

BTDrucks. 16/3945 S. 104 zu § 169 Abs. 7. Engeländer VersR 2007 1297, 1312. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 121. Engeländer VersR 2007 1297, 1312.

262 263

BVerfG 26.7.2005 VersR 2005 1127, 1130 f.; BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 493 ff. Was Engeländer VersR 2007 1297, 1312 zu Recht kritisiert.

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sind.264 Soweit es in dem Lebensversicherungsvertrag zu einer entsprechenden Vereinbarung zur Auskehrung des Schlussüberschussanteils gekommen ist, sind die Anteile zum Zeitpunkt der Kündigung dem Schlussüberschussanteilfonds der RfB zu entnehmen, und zwar nach Maßgabe der letzten Deklaration.265 Auch eine auf den Kündigungszeitpunkt abgestellte Berechnung ist möglich; sie dürfte den VN in der Regel etwas günstiger stellen, bedarf jedoch der Vereinbarung. 3. Anteil an den Bewertungsreserven

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Wenn nach § 169 Abs. 7 die Vorschrift des § 153 Abs. 3 Satz 2 unberührt bleiben soll, so bedeutet das, dass die 50 %ige Beteiligung an den Bewertungsreserven auch bei Kündigung usw. an den VN auszukehren ist. Auch hier richtet sich die Höhe der anteilmäßigen Bewertungsreserven grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der letzten Deklaration.

XII. Kein individueller Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers 160

Ein Anspruch, der über den Informationsanspruch nach § 169 Abs. 3 Satz 2 und die Bestimmungen der VVG-InfoV hinausgeht, kann sich aus den Bedingungswerken, aus einer stillschweigenden Vereinbarung, aus § 242 BGB oder aus einer Analogie zu den gesetzlichen Auskunftspflichten des BGB ergeben. Die Bedingungswerke enthalten keinen entsprechenden Auskunftsanspruch, es gibt keinen Anhalt für eine stillschweigende Auskunftsvereinbarung und eine analoge Anwendung der speziellen Auskunftspflichten des BGB verbietet sich angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers, es bei der Regelung des § 169 Abs. 3 zu belassen. Auch auf einen Auskunftsanspruch, der sich auf die Vorschrift des § 242 BGB grün161 det, kann nicht zurückgegriffen werden.266 Der Anspruch würde der Vorbereitung der Erhebung eines konkreten Zahlungsanspruchs dienen müssen. Die erforderliche Sonderverbindung wäre mit Blick auf den Lebensversicherungsvertrag und seine Abwicklung zwar gegeben, der VN kann u.U. in entschuldbarer Weise über die Eckdaten seines Vertrages nicht informiert sein, während der VR in der Regel in der Lage sein dürfte, dem VN die nachgefragten Daten mitzuteilen. Aber die Voraussetzung, dass der VN keine Gewissheit über die Entstehung und den Umfang seines Anspruchs auf den Rückkaufswert hat, dürfte angesichts der Regelung des § 169 Abs. 3 Satz 2 und der Bestimmungen der VVG-InfoV zum Rückkaufswert regelmäßig zu verneinen sein. Darüber hinaus ist die Erteilung auch einer solchen individuellen Auskunft über die Höhe des Rückkaufswerts dem VR in der Regel nicht zumutbar.267 Soweit sich der Auskunftsanspruch auf zugeteilte Überschussanteile nach § 169 Abs. 7 162 beziehen würde, ist der Anspruch gleichfalls abzulehnen:268 Der VN hat grundsätzlich gegen den VR auch keinen Anspruch auf eine volle Offenlegung der Rechtsgrundlagen und Einzelauskünfte über die Höhe und die Art der Verteilung der Überschüsse.

264 265 266

267

Ebenso Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 70. BTDrucks. 16/3944 S. 105. Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 40; a.A. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 39; Schünemann VuR 2008 8, 11; AG Hamburg 14.6.2006 6C 676/05 Rn. 28. OLG München 17.2.2009 VersR 2009 770,

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268

771 mit der Begründung, dass dem individuellen Auskunftsanspruch die verfassungsrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des VR entgegenstehen. Im Einzelnen dazu Bruck/Möller/Winter § 155 Rn. 17 ff.; OLG Celle 19.7.2007 VersR 2007 1501, 1502.

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Rückkaufswert

§ 169

Die vom Gesetzgeber geschaffene Informationsverpflichtung des VR ist ein ausge- 163 wogener Kompromiss zwischen den Interessen der VN und des VR. Für einen darüber hinausgehenden Auskunftsanspruch dürfte in der Praxis in aller Regel auch kaum ein Bedürfnis entstehen. Er ist abzulehnen.

XIII. Fälligkeit und Empfänger des Rückkaufswerts 1. Fälligkeit zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode Der Rückkaufswert ist fällig zu dem Zeitpunkt, zu dem z.B. gekündigt worden ist, 164 also zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres oder innerhalb des Versicherungsjahres mit Frist von einem Monat auf den Schluss eines jeden Prämienzahlungsabschnitts, § 169 Abs. 3 Satz 1, § 12, § 19 (1) GDV-Musterbedingungen kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. Sondervereinbarungen über einen beliebigen anderen Zeitpunkt sind zulässig, soweit damit nicht zum Nachteil des VN von den gesetzlichen Vorschriften abgewichen wird.269 Der VR ist nicht verpflichtet, den Rückkaufswert bereits vor diesem Zeitpunkt auszuzahlen. Er bleibt befugt, von dem VN die Bezahlung sämtlicher bis zum Fälligkeitstage der Rückvergütung noch geschuldeten Prämien, Zinsen und Kosten zu verlangen. Der VN kann gegen diese Forderung nicht mit seinem noch nicht fälligen Rückkaufswertanspruch aufrechnen, § 387 BGB. Dagegen kann der VR die fällige Rückvergütung um etwaige Zahlungsrückstände des VN kürzen, denn zu diesem Zeitpunkt stehen sich beide Forderungen aufrechenbar gegenüber, § 9 (3) letzter Satz GDV-Musterbedingungen Kapitalbildende Lebensversicherung und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Bedingungswerke. 2. Empfänger des Rückkaufswerts Empfänger des Rückkaufswerts ist der VN, wenn der Rückkaufswert nicht anderen 165 am Lebensversicherungsvertrag Beteiligten zusteht. Ist das Kündigungs- und Rückkaufsrecht ausdrücklich den unwiderruflich Bezugsberechtigten, dem Zessionar, dem Pfandgläubiger übertragen worden oder von dem Pfändungspfandgläubiger gepfändet worden, so steht der Rückkaufswert gleichfalls diesen Personen zu. Wenn über das Rückkaufsrecht keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen worden ist, so ist von Folgendem auszugehen: Bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung hat allein der VN das Kündigungsrecht, den Anspruch auf den Rückkaufswert hat grundsätzlich der unwiderruflich Bezugsberechtigte. Denn anderenfalls könnte der VN die unwiderrufliche Bezugsberechtigung jederzeit aushöhlen oder gegenstandslos machen.270 Allerdings könnte der VN u.U. den Rückkaufswert vom unwiderruflichen Bezugsrecht auf den Erlebensfall ausnehmen und festlegen, dass der Rückkaufswert nach Kündigung vor Ablauf der Versicherung dem VN zukommen soll.271 Bei der widerruflichen Bezugsberechtigung steht das Kündigungsrecht gleichfalls dem VN zu.272 Darüber hinaus steht ihm aber auch der Rückkaufswert zu, da in der Kündigung des Lebensversicherungsvertrages zugleich ein

269 270 271

Vgl. auch BGH 19.1.1956 VersR 1956 121. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 40, 41, 133. BGH 18.6.2003 VersR 2003 1021, 1022. Das gilt jedoch nicht bei einer pfändungs-

272

geschützten Rentenversicherung i.S.d. § 850c ZPO. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 35.

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Widerruf des Bezugsrechts zu sehen ist.273 Zum Kündigungsrecht und zum Anspruch auf den Rückkaufswert bei der geteilten Bezugsberechtigung im Einzelnen vgl. Bruck/Möller/ Winter § 159 Rn. 51 ff. Bei der Abtretung kann das Kündigungsrecht und der Anspruch auf die Rückvergütung mit abgetreten sein, so dass der Rückkaufswert dem Zessionar zusteht. Entscheidend sind jedoch die Abtretungsvereinbarung, die Interessen von Zedent und Zessionar. Denn dem Rückkaufswert kann eine nicht zu unterschätzende finanzielle Bedeutung zukommen. Die Kreditinstitute legen im Allgemeinen Wert auf eine Abtretung auch des Rückkaufswerts und behalten sich eine Kündigung der Lebensversicherung für den Fall vor, dass der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt.274 Wird der Lebensversicherungsvertrag von einem Zweitmarktinvestor übernommen, so geht das Kündigungsrecht und der Anspruch auf den Rückkaufswert auf den Investor über.275 Geht ein Vollstreckungsgläubiger im Wege der Einzelzwangsvollstreckung gegen den VN vor, so wird er versuchen, die Versicherung zu kündigen und den Anspruch auf den Rückkaufswert zu pfänden. Entscheidend ist dabei, ob ein unwiderruflich Bezugsberechtigter eingesetzt worden ist. Nach Insolvenzeröffnung kann der VN kein Gestaltungsrecht mehr ausüben und keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung mehr geltend machen.276 Bei der Verpfändung ist im Zweifel davon auszugehen, dass auch das Kündigungsrecht und der Anspruch auf die Rückvergütung mit verpfändet werden soll.277 Zu dem Anspruch auf den Rückkaufswert bei erbrechtlich Ausgleichsberechtigten vgl. Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 534 ff. 3. Weitere Rückkaufswirkungen

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Es können an die Kündigung usw. weitere rechtliche Folgen angeknüpft werden, so z.B. die vorzeitige Fälligkeit einer von dem VR dem VN gewährten Hypothek. Die Vereinbarung einer derartigen vorzeitigen Fälligkeit des Kredits und der Hypothek ist rechtswirksam, wenn mit der Lebensversicherung die Absicherung des Kredits bezweckt wurde.278 Eine solche Abrede ist jedoch unwirksam, wenn die Vereinbarung allein darauf abzielt, die Versicherung im Bestande des VR zu erhalten.279 4. Wiederinkraftsetzung der Versicherung

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Nachdem die Kündigung usw. erfolgt ist, hat der VN keinen Anspruch auf Wiederaufnahme der Versicherung, und zwar auch dann nicht, wenn er diesen Antrag noch vor dem Zeitpunkt stellt, auf welchen seine Kündigung wirkt.280 Zur Wiederinkraftsetzung der Versicherung bedarf es einer Vereinbarung zwischen dem VR und dem VN. 273 274

275 276

Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 68. BGH 13.6.2007 VersR 2007 1065, 1067; BGH 18.11.2009 VersR 2010 237, 238; vgl. auch OLG Hamburg 8.11.2007 VersR 2008 767, 768. Ausführlich Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 73, 74, 76, 77 (Zession). Vgl. dazu Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 406 ff. Vgl. zu allem Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 434 ff.

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Vgl. dazu Bruck/Möller/Winter § 159 Rn. 506 ff. VA 1933 140. Bruck/Dörstling § 6 ALB a.F. Rn. 20; Dörstling HansRGZ 1930 Sp. 77; Bruck/Möller/ Winter 8 G 441. Bruck/Dörstling § 6 ALB a.F. Rn. 21.

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Rückkaufswert

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C. Rückkaufsregelung bei Altverträgen I. Übersicht Die Vorschrift des § 169 findet auf Lebensversicherungsverträge Anwendung, die ab 173 dem 1.1.2008 geschlossen wurden. Hinsichtlich der Altverträge, die bis zum 31.12.2007 geschlossen worden sind, regelt Art. 4 Abs. 2 EGVVG, dass an Stelle des § 169 VVG, auch soweit auf ihn verwiesen wird, § 176 a.F. weiter anzuwenden ist.281 Für Altverträge soll es also insoweit bei der Anwendung des alten Rechts in der Ausprägung bleiben, die es durch die Rechtsprechung gefunden hat.282 Damit sollte ein verfassungsrechtlich nicht unbedenklicher gravierender Eingriff in bestehende Verträge umgangen werden. Zu differenzieren ist dabei nach dem sog. regulierten Altbestand (sogleich unter II.) und dem sonstigen Altbestand (sodann unter III.):

II. Regulierter Altbestand Auf den regulierten Altbestand (Vertragsschluss bis 28.7. bzw. 31.12.1994) ist § 176 174 a.F. in der bis 1994 geltenden Fassung einschließlich der aufsichtsbehördlich genehmigten AVB anzuwenden.283 Die Anwendung des § 176 a.F. in seiner bis 1994 geltenden Fassung ist u.a. für die 175 Überschussbeteiligung beim Rückkauf von Bedeutung. Da nach Art. 4 Abs. 2 EGVVG die Vorschrift des § 169 nicht anwendbar ist, fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung zur Beteiligung des VN an der Überschussbeteiligung und insbes. an den Bewertungsreserven beim Rückkauf. Das entspricht der Regelung des Art. 1 Abs. 1 EGVVG. Andererseits ordnet Art. 4 Abs. 1 Satz 2 auch für den regulierten Altbestand bei Vereinbarung einer Überschussbeteiligung – von der weithin auszugehen ist – die Geltung des § 153 einschließlich Absatz 3 ab 1.1.2008 an. Da Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGVVG die speziellere Regelung ist,284 ist ab 1.1.2008 bei einem Rückkauf auch die Überschussbeteiligung (einschließlich der Beteiligung an den Bewertungsreserven) zu berücksichtigen; ab 1.1.2009 sind die Vorschriften zur Überschussbeteiligung auch auf den regulierten Altbestand anwendbar. Die VR hatten dabei zur Einführung 1987 zwei Modelle zur Verbesserung der Min- 176 destrückvergütung entwickelt, die die Forderung der Aufsichtsbehörde erfüllten, dass der Rückkaufswert im Einzelfall mindestens 80 % des nach dem ersten Jahr gebildeten (ungezillmerten) Deckungskapitals betrug.285 Nach dem Modell I war als Mindestrückkaufswert ein Rückkaufswert in Höhe von 65 % der eingezahlten Beiträge ab dem zweiten Versicherungsjahr vorgesehen (das entsprach näherungsweise etwa den geforderten 80 % des nach dem ersten Jahr gebildeten Nettodeckungskapital), während nach dem Modell II an die Regelung für die Vermögensbildungsversicherung angeknüpft wurde

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283

Vgl. Prölss/Martin/Armbrüster Art. 4 EGVVG Rn. 6 ff. BTDrucks. 16/5862 S. 101; damit ist insbes. die von BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565 vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung gemeint (BTDrucks. 16/3945 S. 119 zu Art. 4 Abs. 2 EGVVG). Marlow/Spuhl/Grote 221; Rüffer/Halbach/ Schimikowski/Muschner Art. 4 EGVVG

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Rn. 9; Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 49; a.A. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 40; Rüffer/Halbach/Schimikowski/ Brambach § 169 Rn. 4; Römer DB 2007 2523, 2529; Neuhaus RuS 2007 441, 443. Zutreffend Prölss/Martin/Armbrüster Art. 4 EGVVG Rn. 8 unter Hinweis auf die systematische Stellung. BAV VerBAV 1986 200, 201.

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und 50 % der ab Beginn gezahlten Beiträge als Mindestrückkaufswert gezahlt wurden. Beide Modelle funktionierten nur bei den sog. normalen Versicherungskombinationen; waren von der Prämie auch Risikozusatzversicherungen wie eine BU-Versicherung eingeschlossen, so konnte von einem festen Prozentsatz der Beitragssumme nicht mehr ausgegangen werden, weil bei derartigen Risikoversicherungen die Auskehrung eines Rückkaufswerts grundsätzlich nicht erfolgte. Daher sind Näherungslösungen entwickelt worden, die auf dem Nettodeckungskapital aufbauten. Neben den Modellen I und II genehmigte die Aufsichtsbehörde auch weitere Lösungen, die eine Verbesserung der Rückkaufswerte mindestens im Umfange des Modells I bewirkten. Insgesamt ist der Umfang der Rückvergütung in den ersten Jahren nach Vertragsschluss durch die Tarifreform teilweise erheblich angehoben worden.286 Mit der Deregulierung 1994 wurden die Modelle jedoch wieder abgeschafft.287 Für den regulierten Altbestand wird für die Rückkaufswerte im Einzelnen einschließlich Inhaltskontrolle auf die ausführliche Kommentierung bei Bruck/Möller/Winter 8 G 387–474 verwiesen (Stand 1988).

III. Altbestand ab 1994 177

Für den nicht regulierten Altbestand – also für Lebensversicherungsverträge, die ab 29.7.1994 bzw. ab 1.1.1995 abgeschlossen worden sind – ist § 176 a.F. in der seit 1994 geltenden Fassung anzuwenden, allerdings „in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung“.288 Damit ist insbes. die Transparenzrechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2001289, die Oktoberrechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2005 zur ergänzenden Vertragsauslegung und zur Schaffung eines Mindestbetrages für den Rückkaufswert sowie die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2012 zur Verrechnung der Abschlusskosten, zum Stornoabzug und zur 10-Euro-Klausel, gemeint.290 Dass diese Grundsätze nicht nur für die gemischte Lebensversicherung und die konventionelle Rentenversicherung, sondern auch für die fondsgebundene Renten- und fondsgebundene Kapitallebensversicherung gelten, bedarf keiner Betonung.291 Die Grundsätze zur ergänzenden Vertragsauslegung zu den Mindestrückkaufswerten 178 usw. gelten dabei nicht nur für das deregulierte Lebensversicherungsgeschäft bis 2001. Sie gelten für sämtliche Lebensversicherungsverträge, die bis zum 31.12.2007 abgeschlossen worden sind, auch wenn ihnen ab 2002 AVB zugrunde liegen, die die VR angesichts der Transparenzurteile von 2001 einer Änderung unterzogen haben. Soweit die AVB den Anforderungen nicht entsprechen, die in dem Oktoberurteil des BGH von 2005 herausgearbeitet und durch den BGH 2012 verschärft wurden, ist davon auszugehen, dass der BGH derartige Klauseln erneut für unwirksam erklärt.292 Auch der Nichtannahmebeschluss des BVerfG von 2006 293 musste so verstanden werden.

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Ausführlich dazu Bruck/Möller/Winter 8 G 388, 452. Claus ZfV 1994 139, 144. BTDrucks. 16/5862 S. 101. Dazu im Einzelnen Bruck/Möller/Winter § 164 Rn. 19, 20. BGH 12.10.2005 VersR 2005 1565, 1571 f. Rn. 61, 43, 44; BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1150 ff.; sowie ausführlich Bruck/ Möller/Winter § 164 Rn. 20.

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Vgl. BGH 26.9.2007 VersR 2007 1547, 1548; BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1150 ff. Ein Beispiel ist das Urteil BGH 25.7.2012 VersR 2012 1149, 1150 ff., vgl. im Übrigen Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 169 Rn. 43; Schwintowski VuR 2007 272; Gatschke VuR 2007 447, 448; im Ergebnis auch Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 51 ff. BVerfG 15.2.2006 VersR 2006 489, 494.

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Eintrittsrecht

§ 170

Die Verjährung von Ansprüchen auf den Rückkaufswert richtet sich bei Lebensver- 179 sicherungsverträgen, die vor dem 1.1.2008 geschlossen und gekündigt wurden, nach § 12 Abs. 1 VVG a.F. Danach beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre, die am Ende des Jahres begonnen hat, in dem der Lebensversicherungsvertrag gekündigt wurde und in dem der VR den Vertrag abgerechnet hat.294 Wird der Altvertrag nach dem 1.1.2008 gekündigt und abgewickelt, so gilt die dreijährige Verjährungsfrist.295

D. Abdingbarkeit Die Vorschrift des § 169 ist halbzwingend, § 171 Satz 1. Da § 169 nicht zum Nachteil, wohl aber zum Vorteil des VN abgewandelt werden kann, dürfen Rückkaufswerte auch bei Lebensversicherungsverträgen ausgekehrt werden, die nicht unter § 169 fallen. Die Vorschrift des § 169 setzt nicht voraus, dass die Rückkaufswerte über die gesamte Laufzeit des Vertrages garantiert werden,296 die Rückkaufsregelung ist z.B. auch bei Lebensversicherungsverträgen anwendbar, die allein eine endfällige Garantie der Versicherungsleistung aufweisen. Wenn der vereinbarte Rückkaufswert für den VN vorteilhafter ist als der gesetzlich berechnete, kann er auch anders als in § 169 Abs. 3 vorgesehen, ermittelt werden. Es wäre gleichfalls zulässig, den Rückkaufswert bei einer Kündigung nicht nach § 165 in eine prämienfreie Versicherung umzuwandeln, sondern ihn an den VN auszuzahlen, wenn der VN durch die sogleich erfolgende Auszahlung besser gestellt wird. Soweit die Zulässigkeit der Vereinbarung einer separaten Vergütung der Abschlusskosten zu einer Schlechterstellung des VN führt als bei der Zillmerung der Abschlusskosten unter Berücksichtigung von Mindestrückkaufswerten, widerspricht sie grundsätzlich dem Normzweck des § 169. Es sei denn, es ist die erforderliche Transparenz gegeben.297 Von Absätzen 5 bis 7 kann grundsätzlich nicht abgewichen werden. Das gilt auch für den Fall, dass höhere Rückkaufswerte als üblich vereinbart worden sind. Sie führen nicht dazu, dass in einem solchen Fall ein höherer Abzug vorgenommen werden kann, auch wenn dem VN insgesamt höhere Rückkaufswerte ausgekehrt werden.298

§ 170 Eintrittsrecht (1) 1Wird in die Versicherungsforderung ein Arrest vollzogen oder eine Zwangsvollstreckung vorgenommen oder wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers eröffnet, kann der namentlich bezeichnete Bezugsberechtigte mit Zustimmung des Versicherungsnehmers an seiner Stelle in den Versicherungsvertrag ein-

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Prölss/Martin/Reiff § 169 Rn. 53. Näheres bei Bruck/Möller/K. Johannsen § 15 Rn. 2; Römer/Langheid/Rixeler § 15 Rn. 17; vgl. auch BGH 18.4.2012 VersR 2012 1110, 112.

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§ 169 Rn. 103. § 169 Rn. 90. § 169 Rn. 135.

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treten. 2 Tritt der Bezugsberechtigte ein, hat er die Forderungen der betreibenden Gläubiger oder der Insolvenzmasse bis zur Höhe des Betrages zu befriedigen, dessen Zahlung der Versicherungsnehmer im Fall der Kündigung des Versicherungsverhältnisses vom Versicherer hätte verlangen können. (2) Ist ein Bezugsberechtigter nicht oder nicht namentlich bezeichnet, steht das gleiche Recht dem Ehegatten oder Lebenspartner und den Kindern des Versicherungsnehmers zu. (3) 1 Der Eintritt erfolgt durch Anzeige an den Versicherer. 2 Die Anzeige kann nur innerhalb eines Monats erfolgen, nachdem der Eintrittsberechtigte von der Pfändung Kenntnis erlangt hat oder das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Schrifttum Armbrüster Die Lebensversicherung in der zivilrechtlichen Nachfolgeplanung, Liber amicorum für Gerrit Winter (2007) 519; ders./Pilz Schicksal des Lebensversicherungsvertrages in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, KTS 2004 481; Bayer Der Vertrag zugunsten Dritter (1995); Behrend Lebensversicherung und Gläubiger, LZ 1908 125; Berliner Die Lebensversicherung zugunsten Dritter, LZ 1909 115; Binder Anmerkung zum Urteil des AG München 1.9.1959, VersR 1960 363 f.; Bühler Die Familienfürsorge nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (1917); Ehrenzweig Kleine Beiträge zum Deutschen Versicherungsvertragsrecht, VersR 1951 25 f.; Eitelberg Lebensversicherung und Drittrechte, Diss. Köln (2002); Hagemann Bemerkungen zur Versicherungsvertragsnovelle vom 19.12.1939, ZVersWiss 1940 19 ff.; Hasse Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Dritter (1981); ders. Zwangsvollstreckung in Kapitallebensversicherungen – Eine kritische Bestandsaufnahme de lege lata, VersR 2005 15; König Das Eintrittsrecht in den Lebensversicherungsvertrag (§ 177 öVVG/dVVG) im Konkurs des Versicherungsnehmers, NVersZ 2002 481; von Laun Das Eintrittsrecht in der Lebensversicherung (§ 177 VVG n.F.), Diss. Hamburg (1940); Mohr Verpfändung von Lebensversicherungsansprüchen VersR 1955 376 f.; Niewisch Die Zwangsvollstreckung in die Rechte aus einem Lebensversicherungsvertrag (1939); Prahl Eintrittsrecht und Anfechtung bei der Kapitalversicherung; VersR 2005 1036; E. R. Prölss Der Eintritt Dritter in den Lebensversicherungsvertrag, DR 1940 772 ff.; Scherer Die Gläubigeranfechtung der Bezugsberechtigung und der Prämienzahlung beim Lebensversicherungsvertrag zu Rechten Dritter, Diss. Mainz (1991); Sieg Kritische Betrachtungen zum Recht der Zwangsvollstreckung in Lebensversicherungsforderungen, in: Festschrift für Klingmüller (1974) 447 ff.; Stegmann/Lind Der Lebensversicherungsvertrag in der Insolvenz, NVersZ 2002 193.

Übersicht Rn. A. I. II. III. IV. B. I.

Einführung . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . Inhalt und Zweck der Regelung . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Regelung in Bedingungswerken . . . Eintrittsrecht . . . . . . . . . . . . Eintrittsvoraussetzungen und Eintritt 1. Rechtsnatur des Eintrittsrechts . . 2. Voraussetzungen des Eintrittsrechts a) Lebensversicherungsvertrag mit unbedingter Leistungspflicht . b) Lebensversicherungsvertrag und Rückvergütung . . . . . . . . c) Widerrufliche, unwiderrufliche Bezugsberechtigung oder Fehlen einer Bezugsberechtigung . . . d) Beschlag durch Arrest, Pfändung und Insolvenz . . . . . . . . .

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Rn. e) Noch nicht im Wege der Zwangs vollstreckung gekündigte Versicherung . . . . . . . . . . . . 3. Eintrittsberechtigter . . . . . . . . a) Namentlich bezeichneter Bezugsberechtigter . . . . . . . . . . . b) Ehegatte und Kinder des Versicherungsnehmers . . . . . . . c) Mehrheit von Eintrittsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausübung des Eintrittsrechts . . . . a) Zustimmung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . aa) Erfordernis der Zustimmung bb) Rechtsnatur und Form der Zustimmung . . . . . . . . cc) Inhalt der Zustimmungserklärung . . . . . . . . . .

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. .

28 28

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35

.

39

Eintrittsrecht

§ 170

Rn. b) Anzeige des Eintrittsberechtigten . c) Zahlung der Rückvergütung an den Gläubiger bzw. die Insolvenzmasse aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . bb) Zahlung bei mehreren Eintrittsberechtigten . . . . . . . . . . cc) Teileintritt . . . . . . . . . . . dd) Zahlung bei Pfändung mehrerer Gläubiger . . . . . . . . . . . d) Eintrittsfrist . . . . . . . . . . . . aa) Beginn der Eintrittsfrist für die Anzeige . . . . . . . . . . . . bb) Fristwahrung als Wirksamkeitserfordernis auch bei der Zustimmung des Versicherungsnehmers und der Zahlung der Rückvergütung . . . . . . . . cc) Verlängerung der Eintrittsfrist . II. Folgen des Eintritts . . . . . . . . . . . 1. Folgen für den Versicherungsnehmer . a) Ausscheiden des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . b) Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Eintrittsberechtigten . . . . . . . . 2. Folgen für den Eintrittsberechtigten . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . b) Eintritt trotz Kündigung des Versicherungsvertrages, Insolvenzeröffnung bzw. Zahlung der Rückvergütung . . . . . . . . . . . . . c) Eintritt bei mehreren Eintrittsberechtigten . . . . . . . . . . . .

Rn.

40 43 43 44 45

III.

46 47 47

48 49 50 50

50

IV. V.

51 52 52

53 54

C.

d) Gesetzlicher Schutz des Eintrittsberechtigten . . . . . . . . . . . . 3. Folgen für die Gläubiger des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . 4. Folgen für den Versicherer . . . . . . Verhältnis des Eintrittsrechts zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters und zur Gläubigeranfechtung im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrang des Eintrittsrechts gegenüber dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters 2. Vorrang des Eintrittsrechts gegenüber der Gläubiger-/Insolvenzanfechtung . a) Anfechtung der Zustimmungserklärung . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung . . . . . . . . . . . . aa) Anfechtung vor dem Versicherungsfall . . . . . . . . . bb) Anfechtung nach dem Versicherungsfall: analoge Anwendung des § 170 . . . . . Nachträgliche Änderungen in der Rechtsstellung des Eintrittsberechtigten . . . . Benachrichtigung des Eintrittsberechtigten vom Eintrittsfall . . . . . . . . . . . . . 1. Benachrichtigungspflicht des Versicherungsnehmers . . . . . . . . 2. Keine Benachrichtigungspflicht des Gläubigers und des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Partielle Benachrichtigungspflicht des Versicherers . . . . . . . . . . . . . Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

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63 63 64 64 65 65

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71 72 74

A. Einführung I. Entstehungsgeschichte 1 Die Bestimmung des § 170 übernimmt inhaltlich unverändert die Norm § 177 a.F. Die Vorläuferbestimmung ist dem österreichischen Recht zu verdanken und ist durch 2 die Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12. 1939 Teil des deutschen Rechts geworden. Anders als in Deutschland in Zusammenhang mit der Schaffung des VVG 1908 wurde in Österreich bereits 1907 vorgeschlagen, durch eine dem späteren § 177 entsprechende Regelung die „wirtschaftliche Funktion der Lebensversicherung auch im Falle … des Konkurses“ dadurch aufrecht zu erhalten, dass der Bezugsberechtigte in die Versicherung eintreten kann, wenn andererseits die Rechte der Gläubiger „in dem ihnen zukommenden Maße“ gewahrt bleiben.1 Damit wurden in Österreich Ideen aufgenommen, wie sie in der Schweiz von Roelli (1907) und zuvor

1

Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage des österreichischen Gesetzes über den Versicherungsvertrag von 1907, 30 Blg HH

(Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses), XVIII. Session (1907) S. 149 f.

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§ 170

Kapitel 5: Lebensversicherung

bereits in England und den USA geäußert worden waren.2 Sinn und Zweck der Bestimmung sollte es sein, „nicht nur für die Familie zu sorgen, sondern auch seine (des VN) Schulden zu bezahlen und damit den Gläubigern den Unterhalt ihrer Familien zu erleichtern.“3 Die Vorschrift des § 177 a.F. ist ab 1940 deutsches Recht geworden.

II. Inhalt und Zweck der Regelung 3

Die Vorschrift des § 170 schützt Bezugsberechtigte, Ehegatten, Lebenspartner und Kinder vor möglichen finanziellen Einbußen in Zusammenhang mit dem vom VN abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag. Das gilt vor allem für kapitalbildende Lebensversicherungen, bei denen angesichts der Abschlusskostenproblematik die Rückkaufswerte in den ersten Jahren geringer als die von dem VN gezahlten Prämien sind und bei denen die Versicherungssumme nicht an den VN, sondern an Bezugsberechtigte oder an sonstige Angehörige des VN gehen soll. Die gesetzliche Regelung bezieht sich dabei insbes. auch auf solche Lebensversicherungen, die der Familienvorsorge dienen und die der VN in diesem Bewusstsein abgeschlossen hat. Wollen Gläubiger in den Lebensversicherungsvertrag vollstrecken, besteht die Gefahr, dass die Bezugsberechtigungen widerrufen werden, der Versicherungsvertrag gekündigt wird und die zur Vorsorge für die Angehörigen bislang aufgewandten Mittel der Familie des VN verloren gehen. Ähnlich wie der Bezugsberechtigte mit der Prämienübernahme bei Nichtzahlung der Prämie durch den VN die Kündigung des VR und die Folgen des § 166 abwenden kann, soll ihm mit § 170 die Möglichkeit gegeben werden, den u.U. schon längere Zeit gelaufenen Vertrag mit dem VN als Gefahrsperson fortzuführen. Er soll die Chance erhalten, den mit den Abschlusskosten bereits belasteten Lebensversicherungsvertrag sicherstellen zu können. Ohne die Möglichkeit des § 170 müsste der Bezugsberechtigte einen neuen Lebensversicherungsvertrag abschließen, bei dem die Abschlusskosten erneut gezahlt werden müssten und bei dem – da der VN in der Zwischenzeit älter geworden ist und sich vielleicht zudem in einer deutlich schlechteren gesundheitlichen Verfassung befindet – die erneute Risikoeinschätzung zu einer höheren Prämie führen dürfte. Das Eintrittsrecht bezieht sich auf den engeren, insbes. familiären Umkreis des VN, 4 zu dem in der Regel auch die namentlich bezeichneten Bezugsberechtigten gehören dürften. Treten die Berechtigten in den Versicherungsvertrag ein und führen sie ihn weiter, kann der Gläubiger die Bezugsberechtigung und den Vertrag nicht auflösen, er bzw. der Insolvenzverwalter können nicht im Wege der Anfechtung nach dem AnfG und der InsO gegen den VN vorgehen und auf die im Vertrag angesammelten finanziellen Mittel Zugriff nehmen. Mit der Regelung des § 170 soll vermieden werden, dass durch die Verwertung des Versicherungsvertrages die für die nahen Angehörigen bestehende Risikoabsicherung und die bereits durchgeführten Maßnahmen einer Altersvorsorge aufgegeben (und vielleicht nicht im Rahmen einer erneuten Lebensversicherung wieder aufgenommen) werden, ohne dass diese Aufgabe aus Sicht und im Interesse der Gläubiger erforderlich ist. Denn den Gläubigern kann es gleich sein, ob ihnen der Rückkaufswert der Lebensver5 sicherung durch den VR oder durch den eintretenden Angehörigen in Zusammenhang mit dem Eintritt geleistet wird. Dabei entsteht für die Gläubiger auch kein Bonitätsrisiko, da die Zahlung der Rückvergütung Voraussetzung für die Wirksamkeit des Ein-

2

von Laun 13 f.

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3

König NVersZ 2002 481, 483.

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Eintrittsrecht

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tritts ist. Das Eintrittsrecht soll nicht zu einer Schlechterstellung der Gläubiger führen, zu Lebzeiten des VN ist nur der Rückkaufswert der Lebensversicherung zu realisieren, nur dieser Wert wird dem Vermögen des Schuldners – also des VN – entzogen, nur auf diesen Wert kann sich die Ausgleichsleistung des Eintretenden beziehen. Kommt es im zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintrittsverfahren zum Versicherungsfall, so bleibt es für die Ausgleichsleistung beim Betrag der Rückvergütung, sie erhöht sich nicht auf die Versicherungssumme. Die Differenz zwischen Rückvergütung und Versicherungssumme dient nicht der Gläubigerbefriedigung, sondern der Familienversorgung. Das Eintrittsverfahren des § 170 hat Vorrang gegenüber etwaigen Gestaltungsrechten 6 der Gläubiger (Widerruf der Bezugsberechtigung, Kündigung des Lebensversicherungsvertrages, Anfechtung nach dem AnfG bzw. der InsO). Das gilt auch für den Fall, dass die Anfechtung erst nach dem Versicherungsfall erfolgt. Insoweit findet § 170 analoge Anwendung, die Ausgleichsleistung ändert sich dadurch nicht.

III. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 170 bezieht sich auf sämtliche Lebensversicherungsformen, insbes. jedoch auf die kapitalbildende Lebensversicherung (vgl. im Einzelnen Rn. 13). Auch Kapitalisierungsgeschäfte können von der Regelung erfasst werden, sie findet insoweit analoge Anwendung. Das gilt auch für den Fall, dass eine Anfechtung nach dem AnfG und der InsO nach Eintritt des Versicherungsfalles erfolgt. Soweit ein namentlich bezeichneter Bezugsberechtigter i.S.d. § 170 Abs. 1 nicht zu dem Kreis der Angehörigen des VN gehört, sondern beispielsweise als Kreditgeber des VN fungiert, dem zur Besicherung seiner Darlehensforderung eine Bezugsberechtigung eingeräumt worden ist, erfährt § 170 keine Anwendung: Die Vorschrift ist im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend auszulegen.4

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IV. Regelung in Bedingungswerken Soweit ersichtlich, findet die Regelung in den Bedingungswerken der Lebensversiche- 11 rung keinen Niederschlag.

B. Eintrittsrecht I. Eintrittsvoraussetzungen und Eintritt 1. Rechtsnatur des Eintrittsrechts Bei dem Eintrittsrecht handelt es sich um eine vom Gesetzgeber verliehene Befugnis, 12 in den zwischen dem VR und dem VN – also dritten Personen – geschlossenen Vertrag anstelle des VN und mit allein dessen Zustimmung einzutreten. Das Eintrittsrecht ist somit ein Gestaltungsrecht.5

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Hasse VersR 2005 15, 36; ders. 301.

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Bosch AkadZ 1941 81.

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2. Voraussetzungen des Eintrittsrechts

13

a) Lebensversicherungsvertrag mit unbedingter Leistungspflicht. Erste Voraussetzung ist, dass ein rechtswirksamer Lebensversicherungsvertrag gegeben sein muss, und zwar ein Vertrag mit unbedingter Leistungspflicht. Dazu gehören insbes. die Todesfallversicherung, die gemischte Versicherung und die Ausbildungsversicherung, aber auch Formen der Rentenversicherung. Eine Versicherung auf den Erlebensfall allein ist für das Eintrittsrecht nicht geeignet, hier tritt die Vorsorge für die Hinterbliebenen völlig in den Hintergrund. Unerheblich ist, ob es sich um eine Kapital-, Renten- oder sonstige Form der Lebensversicherung (in Ausnahmefällen auch einer Risikoversicherung) handelt.

14

b) Lebensversicherungsvertrag und Rückvergütung. Es ist nicht Voraussetzung, dass es sich um einen rückkaufsfähigen Versicherungsvertrag handelt.6 Eine solche Beschränkung des Eintrittsrechts ergibt sich aus der Bestimmung des § 170 nicht; der Bezugsberechtigte, der in diesem Falle keine Möglichkeit hätte, seine Rechte durch den Eintritt in den Versicherungsvertrag zu wahren, wäre benachteiligt. Nach § 170 Abs. 3 Satz 2 muss der Begünstigte den Eintritt innerhalb eines Monats nach der Pfändung oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklären. Wäre ein Eintritt nur möglich, wenn die Versicherung auch rückkaufsfähig ist, so hätte der Begünstigte bei der Pfändung einer noch nicht rückkaufsfähigen Versicherung nach Ablauf der gesetzlichen Monatsfrist keine Möglichkeit, in einen erst später rückkaufsfähig werdenden Vertrag einzutreten.7 Durch die Neuordnung der Rückvergütung, die zu einer Vorziehung und Verbesserung der Rückkaufsfähigkeit geführt hat, dürfte diese Problematik in der Praxis weithin gegenstandslos geworden sein.

15

c) Widerrufliche, unwiderrufliche Bezugsberechtigung oder Fehlen einer Bezugsberechtigung. Das Eintrittsrecht ist gegeben, wenn eine widerrufliche Bezugsberechtigung vorliegt oder es an einer Bezugsberechtigung gänzlich fehlt. Denn die Vollziehung eines Arrests usw. in den Versicherungsanspruch setzt voraus, dass dem VN noch ein vermögensrechtlicher Anspruch zusteht. Das ist bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung grundsätzlich nicht der Fall, hier stehen die vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in der Regel nur dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zu. Gleichwohl aber kann es zu Konstellationen kommen, in denen das Eintrittsrecht auch bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung sinnvoll ist und damit dem unwiderruflich Begünstigten auch zuzugestehen ist.8 Der unwiderruflich Bezugsberechtigte kann an einem Eintritt u.U. interessiert sein, um sich gegen eine Gläubigeranfechtung der Bezugsrechtseinräumung bzw. der Prämienzahlungen zu wehren; in der Insolvenz des VN könnte er z.B. versuchen wollen, einer Beendigung der Lebensversicherung durch eine Erfüllungsablehnung nach § 103 InsO oder durch eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter entgegenzutreten.9 Das Eintrittsrecht steht dem Dritten somit nicht nur bei einer widerruflichen, sondern auch bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung zu.

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7

Ebenso Langheid/Wandt/Mönnich § 170 Rn. 3, 4; Römer/Langheid/Römer § 170 Rn. 2; a.A. Hasse VersR 2005 15, 33; ders. 196; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 170 Rn. 3. AG München 1.9.1959 VersR 1960 363 mit zust. Anm. Binder VersR 1960 363–364;

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8 9

von Laun 20–21; Römer/Langheid § 177 Rn. 1. OLG Düsseldorf 17.4.1998 VersR 1998 1559, 1560. Hasse VersR 2005 15, 36; ders. 197; OLG Düsseldorf 17.4.1997 VersR 1998 1559, 1560.

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Eintrittsrecht

§ 170

Sind Bezugsberechtigte namentlich bezeichnet, so schließen sie Ehegatten, Lebenspart- 16 ner und Kinder aus. Dieser Ausschluss bleibt dabei aufrechterhalten, wenn die namentlich benannten Bezugsberechtigten die Eintrittsfrist versäumen, die Zustimmung nicht erhalten oder überhaupt nicht eintreten wollen.10 Der unwiderruflich Bezugsberechtigte ist zwar Inhaber des Versicherungsanspruch, aber noch nicht VN. Wird die Bezugsberechtigung angefochten, so erlischt die Bezugsrechtseinräumung ex tunc. Ehegatte und Kinder können sodann ihr Eintrittsrecht ausüben, auch wenn sie zuvor als Bezugsberechtigte eingesetzt waren. d) Beschlag durch Arrest, Pfändung und Insolvenz. Das Eintrittsrecht ist nur ge- 17 geben, wenn in den Versicherungsanspruch ein Arrest vollzogen oder eine Zwangsvollstreckung vorgenommen wird oder über das Vermögen des VN das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Unter Versicherungsanspruch ist jede Forderung des VN zu verstehen, deren Geltendmachung dazu führt, dass sich der Gläubiger oder die Insolvenzgläubiger zu irgendeinem Zeitpunkt aus der Versicherung – also mit Hilfe der Versicherungssumme, der Überschussbeteiligung, der Rückvergütung – befriedigen können.11 Es reicht nicht aus, dass das Vermögen des VN durch eine Pfändungsankündigung 18 nach § 845 ZPO, eine einstweilige Verfügung usw. berührt wird.12 Kein Eintrittsrecht ist gegeben, wenn es sich um unpfändbare Versicherungsansprüche 19 handelt. e) Noch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung gekündigte Versicherung. Ein Eintritt 20 in den Lebensversicherungsvertrag ist nur möglich, solange der Lebensversicherungsvertrag noch besteht. Daher darf die Zwangsvollstreckung noch nicht so weit fortgeschritten sein, dass die Versicherung bereits gekündigt und die Rückvergütung fällig geworden ist, es sei denn, der VR ist zu einer Wiederinkraftsetzung der Versicherung verpflichtet oder bereit. Denn der Eintrittsberechtigte muss die Versicherung fortführen können. 3. Eintrittsberechtigter a) Namentlich bezeichneter Bezugsberechtigter. Nach § 170 Abs. 1 Satz 1 steht das 21 Eintrittsrecht dem „namentlich bezeichneten“ Bezugsberechtigten zu. Mit dem Formerfordernis der Namentlichkeit sollte nicht etwa der Kreis der Eintrittsberechtigten generell beschränkt werden, das Eintrittsrecht sollte vielmehr nur solchen Bezugsberechtigten gewährt werden, die auch während des Versicherungsverlaufs eindeutig identifizierbar sind.13 Es reicht nicht aus, dass der Bezugsberechtigte lediglich bestimmbar ist. Kein Eintrittsrecht besteht somit, wenn der VN „meine Angehörigen“, „meine Eltern“, „meine Hinterbliebenen“, „meine Erben“ als bezugsberechtigt bezeichnet hat. Diesen Personen kann das Eintrittsrecht nur nach § 170 Abs. 2 zustehen. Dabei ist davon auszugehen, dass das Eintrittsrecht im Zweifel auch dem namentlich 22 bezeichneten unwiderruflich Bezugsberechtigten zusteht (vgl. oben Rn. 16).

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11

Hagemann ZVersWiss 1940 34; Hasse VersR 2005 15, 33; a.M. von Laun 25; Sieg FS für Klingmüller S. 458. von Laun 37 ff.; a.M. Hasse VersR 2005 15, 33 für den Fall, dass eine Vollstreckungsmaß-

12 13

nahme nur den Anspruch auf die bar auszuzahlenden Überschussanteile erfasst. von Laun 37; a.M. Mohr VersR 1955 376. von Laun 41.

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Kapitel 5: Lebensversicherung

23

Handelt es sich bei der gemischten Versicherung um eine geteilte Bezugsberechtigung, treffen also mehrere Bezugsberechtigte zusammen, so handelt es sich grundsätzlich um eine gleichberechtigte Mehrheit von Eintrittsberechtigten (vgl. unten Rn. 26 f.).

24

b) Ehegatte und Kinder des Versicherungsnehmers. Ist ein Bezugsberechtigter nicht oder nicht namentlich bezeichnet, so haben der Ehegatte und die Kinder des VN das Eintrittsrecht, § 177 Abs. 2. In Frage kommt dabei nur der in einer gültigen Ehe mit dem VN lebende Ehegatte, aber auch der Lebenspartner. Als Kinder im Sinne dieser Vorschrift sind anzusehen: eheliche Kinder, adoptierte Kinder, durch nachfolgende Ehe legitimierte Kinder, für ehelich erklärte Kinder sowie uneheliche Kinder des VN. Nicht zu den nach § 177 Abs. 2 privilegierten Kindern gehören die Kinder des Ehegatten aus einer anderen Ehe.14 Ohne Belang ist das Alter der Kinder und unerheblich ist auch, ob sie versorgungsbedürftig sind.15

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c) Mehrheit von Eintrittsberechtigten. Sind mehrere Personen eintrittsberechtigt, so kann der VN bei der Zustimmung die verhältnismäßigen Anteile der Berechtigten festsetzen. Kommt es nicht zu einer solchen Anteilsbestimmung, findet für den Umfang der mehreren Anteile § 160 Abs. 1 Satz 1 sowie – für Ehegatten und Kinder – § 160 Abs. 2 Satz 1 entsprechende Anwendung. Treten von mehreren namentlich eingesetzten Bezugsberechtigten nicht alle zusam26 men ein, sondern übt nur einer das Eintrittsrecht aus, so bleiben die übrigen Bezugsberechtigungen bestehen und der Anteil des Eintretenden wächst den übrigen Bezugsberechtigten analog § 160 Abs. 1 Satz 2 zu. Treten von mehreren Bezugsberechtigten nur einige ein, so richtet sich der Umfang des Anteils der Eintretenden und der verbleibenden Begünstigungen gleichfalls nach § 160 Abs. 1. Handelt es sich um einen Fall des § 170 Abs. 2 und mehrere Eintrittsberechtigte, so gilt das für die Bezugsberechtigten Gesagte entsprechen. 4. Ausübung des Eintrittsrechts

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Der Eintritt erfolgt ohne Mitwirkung des VR, aber mit Zustimmung des VN16 nach § 170 Abs. 3 Satz 1 durch eine Anzeige des Eintrittsberechtigten17 und die Zahlung entsprechend § 170 Abs. 1 Satz 2.18 Dabei muss die Eintrittsfrist des § 170 Abs. 3 Satz 2 gewahrt sein.19 a) Zustimmung des Versicherungsnehmers

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aa) Erfordernis der Zustimmung. Der Bezugsberechtigte kann nach § 170 Abs. 1 nur mit Zustimmung des VN an seiner Stelle in den Versicherungsvertrag eintreten. Dem VN, der bei der den Hauptfall des § 170 Abs. 1 bildenden widerruflichen Bezugsberechtigung bis zur Pfändung bzw. bis zur Insolvenz die freie Verfügung über den Versicherungsanspruch hatte, soll diese Verfügungsbefugnis nicht gänzlich genommen werden, weil die Pfändung des Versicherungsanspruchs den VN nicht völlig seiner Rechtsstellung 14 15

Vgl. von Laun 43; Prölss/Martin/Kollhosser 27 § 177 Rn. 3. Vgl. dafür, dass ein Eintrittsrecht des Ehegatten und der Kinder nicht besteht, wenn ein namentlich bezeichneter Bezugsberechtigter vorhanden ist, das Eintrittsrecht jedoch nicht ausüben will oder daran durch Verwei-

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16 17 18 19

gerung der Zustimmung des VN gehindert wird, Rn. 16 f. Sogleich unter Rn. 28 ff. Sodann Rn. 40 ff. Rn. 43 ff. Schließlich unter Rn. 47.

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Eintrittsrecht

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beraubt und er zudem am besten zu beurteilen vermag, ob der Bezugsberechtigte des Schutzes durch die Weiterführung der Versicherung bedarf. Darüber hinaus ist die Zustimmung des VN auch aus dem Schutzgedanken des § 150 Abs. 2 gerechtfertigt, obwohl diese Vorschrift – die sich auf den Abschluss des Vertrages bezieht – hier direkt ebenso wenig anwendbar ist wie bei einer Zession oder Verpfändung des Versicherungsanspruchs. Die Zustimmung des VN ist auch für den Fall erforderlich, dass ein unwiderruflich Bezugsberechtigter sein Eintrittsrecht geltend macht.20 Ist über das Vermögen des VN die Insolvenz eröffnet, so hat gleichfalls der VN die Zustimmung zum Eintritt zu geben, nicht etwa der Insolvenzverwalter.21 Die Zustimmung des VN ist nicht nur beim Eintritt eines Bezugsberechtigten, sondern auch beim Eintritt des Ehegatten, des Lebenspartners und der Kinder des VN erforderlich. Die Zustimmungserklärung ist nicht einklagbar, und zwar auch in solchen Fällen nicht, in denen einem Eintrittsberechtigten Unterhalts- bzw. Vorsorgeansprüche gegen den VN zustehen.22 Der VN hat das Recht, seine Vorsorgepflicht und den Schutzgedanken des § 150 Abs. 2 gegen einander abzuwägen. Die Zustimmung des VN kann vielmehr ohne Grund verweigert werden, der VN kann damit also auch unter den Eintrittsberechtigten seine Wahl treffen. Die Verweigerung darf jedoch nicht rechtsmissbräuchlich sein. Nicht erforderlich ist dagegen eine Zustimmung des VR; es handelt sich hier um einen Fall einer befreienden Schuldübernahme im Versicherungsrecht, ohne dass die Schuldübernahme von einer Genehmigung des VR abhängt. bb) Rechtsnatur und Form der Zustimmung. Die Zustimmung des VN ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, sie bedarf nicht der Schriftform. § 150 Abs. 2 findet keine Anwendung, wenn der VN zugleich Gefahrsperson ist. Denn § 170 Abs. 1 Satz 1 ist i.V.m. § 171 Abs. 2 Satz 1 lex specialis gegenüber § 150 Abs. 2.23 Auch vertraglich kann eine Schriftform nicht vereinbart werden, da damit gegen die Schutzvorschrift des § 171 Abs. 2 Satz 1 verstoßen würde. Die Zustimmung ist grundsätzlich unwiderruflich und unbedingt, sie muss dem VR innerhalb der Frist des § 170 Abs. 3 Satz 2 zugehen. Das Recht auf Zustimmung kann nicht gepfändet werden und kann auch nicht vom Insolvenzverwalter ausgeübt werden. Die Gläubigerinteressen sind durch die Gesamtregelung des § 170 gewahrt.

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cc) Inhalt der Zustimmungserklärung. Die Erklärung des VN muss zum Inhalt 39 haben, dass der VN damit einverstanden ist, dass die nach § 170 Abs. 1 und 2 Eintrittsberechtigten in den Versicherungsvertrag eintreten. Sie kann sich in genereller Form auf sämtliche Eintrittsberechtigte beziehen, sie kann aber auch nur einzelne Eintrittsberechtigte betreffen und sich auf den Teil der Versicherungsleistung beschränken, der erforderlich ist, um den betreibenden Gläubiger im Wege des § 170 Abs. 1 Satz 2 zu befriedigen (Konstellation, bei der die Rückvergütungssumme höher ist als die Schuld des VN).24

20 21 22

Vgl. oben Rn. 15. von Laun 49 f.; Prölss DR 1940 773. Vgl. zu allem im Einzelnen von Laun S. 49 ff., 53.

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von Laun 51. Hasse VersR 2005 15, 33.

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b) Anzeige des Eintrittsberechtigten. Die Anzeige, durch die nach § 170 Abs. 3 Satz 1 der Eintritt erfolgt, ist nicht eine Wissens-, sondern eine Willenserklärung, die der Wahrung von Rechten dient. Es handelt sich dabei um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die Geschäftsfähigkeit voraussetzt.25 Bei minderjährigen Bezugsberechtigten bzw. Kindern wird die Anzeige durch den gesetzlichen Vertreter erstattet, der auch der VN sein kann. Die Anzeige ist nicht formgebunden. Da es sich bei § 170 um eine halbzwingende 41 Norm handelt, kann die Schriftform auch nicht in den Bedingungswerken oder durch individuelle Abrede bestimmt werden. Dem VR muss die Anzeige innerhalb der Frist des § 170 Abs. 3 Satz 2 zugehen.26 Ist die Anzeigefrist verstrichen, ohne dass es zu einer Anzeige gekommen ist, hat der 42 Insolvenzverwalter die Wahlbefugnis nach § 103 InsO.27 c) Zahlung der Rückvergütung an den Gläubiger bzw. die Insolvenzmasse

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aa) Grundsatz. Treten der Bezugsberechtigte, der Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder ein, so haben sie nach § 170 Abs. 1 Satz 2 die Forderungen des betreibenden Gläubigers oder der Insolvenzmasse bis zur Höhe der Rückvergütung zu befriedigen, die bei Kündigung des VN auf den nächsten nach der ersten Pfändung zulässigen Termin fällig geworden wäre.28

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bb) Zahlung bei mehreren Eintrittsberechtigten. Der Eintrittsberechtigte hat die Rückvergütung in der Höhe, in der er eintritt, zu zahlen. Falls zwei oder mehr Personen das Eintrittsrecht gänzlich für sich allein beanspruchen, so können sich Rechtsnachteile ergeben, wenn nicht beide bis zur Entscheidung über die Berechtigung auch die gesamte Rückvergütung an den Gläubiger leisten; einigen sie sich, so ist es ausreichend, dass sie den gesamten Betrag gemeinsam entrichten.

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cc) Teileintritt. Gegen einen Teileintritt des Eintrittsberechtigten bestehen keine Bedenken. Der Eintrittsberechtigte muss die Möglichkeit haben, unabhängig von den anderen Eintrittsberechtigten den Eintritt zu erklären, er braucht nicht auf die anderen Eintrittsberechtigten zu warten, um sodann mit ihnen gemeinsam einzutreten. Zum anderen würde es dem Schutzzweck des § 170 widersprechen, wenn dem Eintrittsberechtigten, der die gesamte Rückvergütung nicht aufzubringen vermag, die Möglichkeit verwehrt wäre, wenigstens in Höhe der ihm möglichen Rückvergütungsleistung in den Vertrag einzutreten.29

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dd) Zahlung bei Pfändung mehrerer Gläubiger. Wenn nicht nur ein, sondern mehrere Gläubiger gepfändet haben und wenn deren Forderungen die Rückvergütung übersteigen, sind nach Kollhosser 30 die Vorschriften der §§ 872–882 ZPO anzuwenden, so dass der Eintretende an das Vollstreckungsgericht zu leisten hätte, das die Verteilung vorzunehmen hätte. Dem kann nicht gefolgt werden. Vorschriften des Pfändungsrechts, die sich an den Drittschuldner richten, können nicht ohne weiteres auf einen Eintrittsberechtigten analog übertragen werden. Sie gelten nur für die aufgeführten Pfändungsfälle

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Vgl. zu allem von Laun 53 ff. Hasse VersR 2005 15, 33; a.M. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 170 Rn. 7. König NVersZ 2002 481, 483. Zur Berechnung der Rückvergütung bei Ein-

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tritt in den Vertrag vgl. im Übrigen von Laun 59 f. Ausführlich dazu von Laun 58. Prölss/Kollhosser 27 § 177 VVG Rn. 2.

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Eintrittsrecht

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selbst. Der Eintrittsberechtigte hat daher nur die Hinterlegungsmöglichkeit nach § 378 Satz 2 BGB. Dies setzt aber voraus, dass die Ungewissheit über die Person des Gläubigers nicht auf Fahrlässigkeit beruht. d) Eintrittsfrist aa) Beginn der Eintrittsfrist für die Anzeige. Nach § 170 Abs. 3 Satz 2 beginnt die 47 Anzeigefrist mit dem ersten Arrest, der ersten Pfändung bzw. mit der Insolvenzeröffnung. Dabei kommt es nur beim Arrest und der Pfändung auf die Kenntnis des Eintrittsberechtigten an, bei der Insolvenzeröffnung beginnt die Frist auch, wenn der Eintrittsberechtigte keine Kenntnis von der Insolvenz hat.31 Während der Eintrittsfrist des § 170 Abs. 3 kann der Gläubiger des VN das Bezugsrecht nicht widerrufen.32 bb) Fristwahrung als Wirksamkeitserfordernis auch bei der Zustimmung des Ver- 48 sicherungsnehmers und der Zahlung der Rückvergütung. Die in § 170 Abs. 3 Satz 1 genannte Monatsfrist gilt nicht nur für die Wirksamkeit der Anzeige, sondern auch für die Zustimmung des VN und die Zahlung der Rückvergütung. Hierfür spricht nicht nur die Entstehungsgeschichte des § 170, sondern auch Sinn und Zweck der Eintrittsfrist: Für die Gläubiger würde es eine Verschlechterung ihrer Position bedeuten, wenn der Eintritt schon vor der Zustimmung des VN bzw. der Zahlung der Rückvergütung rechtswirksam würde. Denn es würde ihnen ein Befriedigungsobjekt entzogen werden, ohne dass ein anderes vermögenswertes Recht an seine Stelle getreten wäre. cc) Verlängerung der Eintrittsfrist. Die Eintrittsfrist kann von dem erstpfändenden 49 Gläubiger oder dem Insolvenzverwalter verlängert werden. Wenn Kollhosser 33 der Auffassung zuneigt, eine Fristverlängerung im Interesse baldiger Klärung der Lage für alle Beteiligten zu verneinen, so kann dem nicht beigepflichtet werden, falls diejenigen, deren Schutz die Eintrittsfrist dienen soll, mit einer Fristverlängerung einverstanden sind.34 Eine Fristverkürzung würde dagegen nach § 171 Satz 1 unwirksam sein.

II. Folgen des Eintritts 1. Folgen für den Versicherungsnehmer a) Ausscheiden des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsverhältnis. Wenn es 50 zum Eintritt des Bezugsberechtigten, des Ehegatten, des Lebenspartners oder der Kinder in das Versicherungsverhältnis kommt, scheidet der VN aus dem Versicherungsverhältnis aus, er wird von sämtlichen sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Haupt- und Nebenpflichten sowie Obliegenheiten befreit und verliert seine Rechte aus dem Vertrag. Der VN wird nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt, als wenn das Versicherungsverhältnis durch Kündigung und Zahlung der Rückvergütung durch den VR an die Gläubiger beendet worden wäre. Der Eintrittsberechtigte tritt in den Versicherungsvertrag an die Stelle des ausscheidenden VN, ähnlich wie der Erwerber bei der Veräußerung der versicherten Sache im Rahmen des § 95; er kann eine Bezugsberechtigung widerrufen und neue Begünstigte einsetzen. Der VN ist nach dem Eintritt nur noch Gefahrsperson.

31 32

Näheres zum Beginn der Eintrittsfrist bei von Laun 60. BGH 12.10.2011 VersR 2012 425, 426.

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Prölss/Kollhosser 27 § 177 VVG Rn. 5. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 170 Rn. 13.

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§ 170 51

Kapitel 5: Lebensversicherung

b) Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Eintrittsberechtigten. Das Innenverhältnis zwischen dem VN und dem Eintrittsberechtigten richtet sich nach den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Vorschriften. Dem VN bleibt es unbenommen, beispielsweise im Rahmen der Zustimmungserklärung mit dem Eintrittsberechtigten vertragliche Abreden zu treffen, z.B. über seine Unterhaltsverpflichtung dem Eintrittsberechtigten gegenüber. 2. Folgen für den Eintrittsberechtigten

52

a) Grundsätzliches. Wenn der Eintrittsberechtigte sein Eintrittsrecht ausübt, übernimmt er die Rechte und Pflichten des VN aus dem Versicherungsvertrag. Der als VN Eingetretene kann die Bezugsberechtigung widerrufen, ändern oder neu begründen, er kann insbes. auch die übrigen Gestaltungsrechte aus dem Versicherungsvertrag ausüben und erhält damit eine Rechtsstellung, die ihm Rechte gewährt, die er auch als unwiderruflich Bezugsberechtigter nicht hätte.35

b) Eintritt trotz Kündigung des Versicherungsvertrages, Insolvenzeröffnung bzw. Zahlung der Rückvergütung. Der Eintritt kann nicht durch Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Gläubiger und ähnliche Maßnahmen verhindert werden. Da es Sinn und Zweck des § 170 ist zu verhindern, dass der Versicherungsvertrag vorzeitig aufgelöst wird, ist eine Kündigung, die vor dem Ablauf der Sperrfrist des § 170 Abs. 3 Satz 2 ausgesprochen wird, bis zum Ablauf der Sperrfrist unwirksam. Erst wenn der Eintrittsberechtigte nicht während der Sperrfrist in den Versicherungsvertrag eingetreten ist, wird sie mit dem Ablauf der Sperrfrist wirksam. Dasselbe gilt für den Widerruf der Bezugsberechtigung36 durch den Gläubiger. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss enthält nicht zugleich eine Erklärung des Widerrufs der Bezugsberechtigung; auch in der Zustellung des Beschlusses ist nicht zugleich ein konkludenter Widerruf zu sehen.37 Ebenso ist die Zahlung der Rückvergütung durch den VR dem Eintrittsberechtigten 54 gegenüber unwirksam, solange die Sperrfrist nicht ungenutzt verstrichen ist.38 Im Falle einer Insolvenz muss der Eintritt gleichfalls noch möglich sein, daher hat das 55 Eintrittsrecht den Vorrang vor dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters.39 Denn sonst würde es in einem Insolvenzfalle nicht zu einem Eintritt des Bezugsberechtigten usw. kommen können. Das aber wäre mit dem Sinn und Zweck des § 170 nicht zu vereinbaren. Die Rückvergütung darf erst nach Ablauf der Eintrittsfrist an den Insolvenzverwalter ausgezahlt werden.40

53

c) Eintritt bei mehreren Eintrittsberechtigten. Wenn mehrere Eintrittsberechtigte eintreten, so sind sie aus dem Versicherungsvertrag Gesamtgläubiger bzw. Gesamtschuldner, sie können nur gemeinsam über das Versicherungsverhältnis verfügen, vgl. § 432 BGB. Falls nur einer von mehreren Eintrittsberechtigten eintritt, so bleiben die anderen Be57 zugsberechtigungen bestehen. Der Eingetretene kann die übrigen widerruflichen Bezugsberechtigungen allerdings sogleich widerrufen.

56

35 36

37

Näheres bei von Laun 69 f. Vgl. auch Hasse VersR 2005 15, 35; BGH 12.10.2011 VersR 2012 425, 426; a.A. Jaeger/Henckel KO, 9. Aufl. (1997) § 1 Anm. 50. BGH 12.10.2011 VersR 2012 425, 426 f.

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38 39

40

Hagemann ZVersWiss 1940 36; zu allem im Einzelnen von Laun 71, 77. Armbrüster/Pilz KTS 2004 481, 502 f.; König NVersZ 2002 481, 483; OLG Düsseldorf 17.4.1998 VersR 1998 1559, 1560. Hasse VersR 2005 15, 34.

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Eintrittsrecht

§ 170

d) Gesetzlicher Schutz des Eintrittsberechtigten. Zugunsten des VN und des Eintritts- 58 berechtigten ist § 170 als halbzwingende Norm ausgestaltet, § 171 Satz 1. Der VR kann das Eintrittsrecht also nicht ausschließen, er kann nicht ein Formerfordernis für die Anzeige oder die Zustimmung fordern oder das gesetzliche Eintrittsrecht in sonstiger Weise zum Nachteil des Eintrittsberechtigten abändern. In der Praxis ist diese Problematik ohne Bedeutung, da die VR von einer Regelung des Eintrittsrechts in den Bedingungswerken abgesehen haben. 3. Folgen für die Gläubiger des Versicherungsnehmers Mit dem Eintritt, der nur mit Zahlung der Rückvergütung an die Gläubiger wirksam 59 ist,41 erlischt das Pfandrecht oder der Insolvenzbeschlag der Gläubiger. Das gilt auch dann, wenn die Rückvergütungssumme geringer ist als die Forderungen der Gläubiger.42 Werden die Gläubiger vor dem Eintrittsvollzug durch den VN bzw. von dritter Seite 60 befriedigt, so erlischt das Eintrittsrecht. 4. Folgen für den Versicherer Der VR ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, während der Eintrittsfrist 61 die Rückvergütung oder die sonstige Versicherungsleistung nicht auszuzahlen. Bei der Vollstreckung in den Versicherungsanspruch darf der VR erst nach Ablauf eines Monats von dem Zeitpunkt ab die Versicherungsleistung auszahlen, zu dem er erfährt, dass ein Begünstigter bzw. Ehegatte, Lebenspartner oder Kinder des VN vorhanden sind. Nur wenn der VR während eines Monats keine Kenntnis über einen Eintrittsberechtigten erlangt, wird er von seiner Wartepflicht befreit. Auf die Kenntnis des Eintrittsberechtigten von der Pfändung kann es für den VR nicht ankommen.43 Durch den Eintritt des Eintrittsberechtigten bleibt es für den VR auf der VN-Seite bei 62 einem Schuldner, denn es handelt sich hier um eine von der Zustimmung des VR unabhängige private Schuldübernahme.

III. Verhältnis des Eintrittsrechts zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters und zur Gläubigeranfechtung im Insolvenzverfahren 1. Vorrang des Eintrittsrechts gegenüber dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters Wie schon oben unter Rn. 56 zum Ausdruck gelangt, ist dem Eintrittsrecht Vorrang 63 im Verhältnis zur Ausübung von Rechten zuzubilligen, die dem Eintrittsrecht entgegenstehen können. Das gilt auch gegenüber dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO. Das Eintrittsrecht ist nicht etwa nur gegeben, wenn der Insolvenzverwalter nicht in den Versicherungsvertrag eintritt. Für den Vorrang des Eintrittsrechts sprechen zunächst einmal Sinn und Zweck des § 170, die Wahrung der Interessen der Gläubiger

41

Hasse VersR 2005 15, 33; a.A. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 170 Rn. 18, der die Zahlung des Rückkaufswerts nur als Folge des Eintritts sieht. Das hätte die Folge, dass der Gläubiger u.U. auf einen Anspruch gegen einen Schuldner (den Eintre-

42 43

tenden) mit ungewisser Bonität verwiesen ist, während der Anspruch gegen den VR von guter Bonität gewesen wäre – das entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 170. Hagemann ZVersWiss 1940 35. So zu Recht von Laun 77 f.

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§ 170

Kapitel 5: Lebensversicherung

durch die Erstattung der Rückvergütung und die enge zeitliche Terminierung des Eintrittsrechts. Ginge das Wahlrecht des Insolvenzverwalters dem Eintrittsrecht vor und könnte von dem Eintrittsrecht nur Gebrauch gemacht werden, wenn der Insolvenzverwalter den Versicherungsvertrag erfüllt, dürfte als fristauslösender Zeitpunkt für die Eintrittserklärung des Bezugsberechtigten usw. der Nichteintritt des Insolvenzverwalters festgesetzt worden sein. Angesichts des Vorrangs des Eintrittsrechts nach § 170 kann der Insolvenzverwalter von seiner Wahlbefugnis erst Gebrauch machen, wenn die Monatsfrist des Abs. 3 Satz 2 ungenutzt verstrichen ist.44 2. Vorrang des Eintrittsrechts gegenüber der Gläubiger-/Insolvenzanfechtung

64

a) Anfechtung der Zustimmungserklärung. Die Anfechtung der Zustimmung des VN – die für den Eintritt des Bezugsberechtigten usw. erforderlich ist – durch den Gläubiger ist unzulässig. Sie widerspricht dem Sinn und Zweck des § 170 und würde den Normzweck vereiteln; auf diese Weise darf der Eintritt des Begünstigten usw. nicht verhindert werden.45 b) Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung

65

aa) Anfechtung vor dem Versicherungsfall. Soweit der Bezugsberechtigte eintritt, geht § 170 den Anfechtungsvorschriften des AnfG und der InsO vor. Der Ausgleich durch den Eintretenden ist wirtschaftlich dem Anspruch des VN gegen den VR auf Rückvergütung gleichwertig. Dieser Argumentation kann nur dann nicht gefolgt werden, wenn man mit Ortmann46 davon ausgehen will, dass die Ausgleichsleistung durch den Eintretenden nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für den Eintritt, sondern Folge des Eintritts wäre – mit dem Ergebnis eines möglichen Bonitätsdefizits in der Person des Eintretenden. Anderer Auffassung zum Vorrang des Eintrittsrechts gegenüber den Anfechtungsmög66 lichkeiten ist König, der eine Anfechtung nur gegenüber dem Personenkreis des § 170 Abs. 2 ausschließen, im Übrigen aber gestatten will.47 Interessant wäre es z.B. für einen Gläubiger oder Insolvenzverwalter, auf einen baldigen Eintritt des Versicherungsfalles mit der Folge der Auszahlung einer höheren Versicherungssumme zu spekulieren. Der Auffassung von König kann jedoch nicht gefolgt werden: Nach Sinn und Zweck des § 170 soll vor Eintritt des Versicherungsfalles jeder Zugriff der Gläubiger des VN auf eine Lebensversicherung ausgeschlossen werden, wenn ein Eintrittsberechtigter – gegen eine Entschädigung in Höhe der Rückvergütung – in die Lebensversicherung eintritt. Bei Zulässigkeit einer Anfechtung bei Eintritt eines Bezugsberechtigten würde es u.U. zu einer lang andauernden Rechtsunsicherheit kommen können, die Sinn und Zweck des Eintrittsrechts mit seiner kurzen Fristsetzung widerspricht: Das Eintrittsrecht soll baldige Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ermöglichen.48

67

bb) Anfechtung nach dem Versicherungsfall: analoge Anwendung des § 170. § 170 bezieht sich nach seinem Wortlaut auf die Konstellation, dass der VN noch lebt, der Ver44

45

OLG Düsseldorf a.a.O.; von Laun S. 27; Lusowski in MünchKomm InsO § 35 Rn. 417; König NVersZ 2002 481, 483. Hasse VersR 2005 15, 35; Prahl VersR 2005 1036, 1038; König NVersZ 2002 481, 484; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 170 Rn. 7.

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46 47 48

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 170 Rn. 18. König NVersZ 2002 481, 484. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 170 Rn. 10; Hasse VersR 2005 15, 36; Prahl VersR 2005 1036, 1039.

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Eintrittsrecht

§ 170

sicherungsfall also nicht eingetreten ist. Kommt es zum Tode des VN, bevor eine Anfechtung erfolgt ist, liegt es nahe, § 170 analoge Anwendung finden zu lassen, um auch insoweit die Anfechtungsvorschriften nicht zum Zuge kommen zu lassen. Zweck des § 170 ist es, dem Eintrittsberechtigten den ihm vom VN zugedachten Versicherungsschutz zu erhalten. Mit dem Versicherungsfall ist die Gefahr nicht gebannt, dem Bezugsberechtigten soll die Versicherungsleistung zwar in voller Höhe zur Verfügung stehen, ohne (anders als bei den in Abs. 2 Genannten) in den Nachlass zu fallen, sie wäre jedoch nach wie vor durch die Gläubigeranfechtung bedroht. Die Zwecksetzung des § 170 greift über den Tod des VN hinaus, wenn die Vorsorgeleistung des VN durch die Anfechtung bedroht ist. Dabei macht es auch Sinn, sich bei der Ausgleichsleistung des Bezugsberechtigten nicht an der Versicherungssumme, sondern an dem Rückkaufswert der Versicherung unmittelbar vor dem Eintritt des Versicherungsfalles zu orientieren. Die Anfechtungsvorschriften sollen den Berechtigten nur so stellen wie er stehen würde, wenn er auf das Vermögen des VN hätte zugreifen können; vor dem Versicherungsfall wäre aber nur der Rückkaufswert zu erhalten gewesen. Die Differenz zwischen dem zum Vermögen des VN gehörenden und seiner Verfügung unterstehenden Rückkaufswert des Lebensversicherungsvertrages und der im Falle des Todes des VN vom VR zu zahlenden Versicherungssumme soll den Bezugsberechtigten zu ihrer Versorgung zur Verfügung stehen. Es ist nicht einzusehen, dass die Gläubiger des VN durch eine Anfechtung die Verfü- 68 gung über die Versicherungssumme erhalten sollen. Die Versicherungssumme kann ausgekehrt werden, weil sich ein Risiko der Versichertengemeinschaft verwirklicht hat, das der VN mit seiner Prämienzahlung abgedeckt hat. Es handelt sich nicht um Gewinne, die der VN durch seine berufliche Fähigkeit oder auf vergleichbare Art erzielt hat und auf die seine Gläubiger Zugriff haben müssen.49

IV. Nachträgliche Änderungen in der Rechtsstellung des Eintrittsberechtigten Ändert sich die Rechtsstellung des Eintrittsberechtigten nach dem Eintritt in der 69 Weise, dass er nunmehr nicht mehr zum Eintritt berechtigt wäre, so ändert sich dadurch nichts an dem bereits vollzogenen Eintritt, an der Umwandlung des Versicherungsverhältnisses und der Stellung gegenüber den Gläubigern (Beispiel: nachträgliche Scheidung der Ehe, so dass der Ehegatte nicht mehr nach § 170 Abs. 2 eintrittsberechtigt wäre). Für Vollstreckungsmaßnahmen ist auf den formellen Pfändungsakt abzustellen, die nachträgliche Aufhebung solcher Pfändungsmaßnahmen berührt den vorher erklärten Eintritt nicht. Im Übrigen ist zwischen dem Verhältnis Eintretender/früherer VN und dem Verhältnis VN/Gläubiger zu unterscheiden. Im Verhältnis zwischen dem Eintretenden und dem früheren VN ist angesichts der vom VN erklärten Zustimmung ein Rückforderungsrecht des VN gegen den Eintretenden grundsätzlich zu verneinen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn ein ausdrücklicher Vorbehalt hinsichtlich einer Rückübertragungspflicht für den Fall einer nachträglichen Aufhebung des Pfändungsaktes gemacht worden ist. Der Pfändungsgläubiger, dessen nur vorläufig vollstreckbarer Titel aufgehoben worden ist, ist Schadenersatzansprüchen des früheren VN aus § 717 Abs. 2 ZPO und damit teilweise in Anspruchskonkurrenz stehenden Bereicherungsansprüchen ausgesetzt.

49

Für eine analoge Anwendung des § 170 im Falle einer Anfechtung nach dem Tode des VN Bayer 309 ff.; Behrend LZ 1908 125,

128; Berliner LZ 1909 115 ff.; Prahl VersR 2005 1036, 1040 ff.; Scherer 140 ff.

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§ 170

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V. Benachrichtigung des Eintrittsberechtigten vom Eintrittsfall 1. Benachrichtigungspflicht des Versicherungsnehmers

70

Der VN, der die Eintrittsberechtigten am ehesten kennt und der ein Interesse daran hat, dass ihnen die Vermögenswerte aus dem Versicherungsvertrag zugute kommen, trifft die Pflicht, den Eintrittsberechtigten von der Pfändung bzw. der Insolvenzeröffnung zu benachrichtigen. Das gilt insbes. für die Fälle, in denen den VN eine Unterhalts- bzw. Vorsorgepflicht gegenüber den Bezugsberechtigten bzw. Angehörigen trifft. Ohne eine derartige Benachrichtigungspflicht wäre die Schutzfunktion des § 170 erheblich gemindert. Kommt der VN seiner Benachrichtigungspflicht nicht nach, so macht er sich schadenersatzpflichtig.50 2. Keine Benachrichtigungspflicht des Gläubigers und des Insolvenzverwalters

71

Auch wenn der Gläubiger für die Ingangsetzung des Vollstreckungs- bzw. Insolvenzverfahrens verantwortlich ist, so ist bei ihm ebenso wie beim Insolvenzverwalter eine Benachrichtigungspflicht zugunsten des Eintrittsberechtigten zu verneinen. Eine solche Benachrichtigungspflicht kann für den Gläubiger, der weder die eingesetzten Bezugsberechtigten noch die Familienangehörigen des VN zu kennen braucht, eine u.U. spürbare Belastung bedeuten, während sie vom VN in der Regel ohne weiteres erledigt werden kann. Die Auferlegung einer solchen Benachrichtigungspflicht würde auch der Maxime des § 170 widersprechen, nach der das Eintrittsrecht nicht zu einer Schlechterstellung des Gläubigers führen soll. 3. Partielle Benachrichtigungspflicht des Versicherers

72

Soweit der VR über die Anschrift des namentlich Bezugsberechtigten i.S.v. § 170 Abs. 1 verfügt, stellt sich die Frage einer Benachrichtigungspflicht des Bezugsberechtigten. Auch wenn Informationspflichten, die den VR gegenüber dem VN treffen, grundsätzlich nicht auch gegenüber dem Bezugsberechtigten zu erfüllen sind, ist zu erwägen, auf der Grundlage des § 242 BGB eine Pflicht des VR zu entwickeln, dem Bezugsberechtigten – nicht nur, wenn er Arbeitnehmer des VN ist – von seinem Eintrittsrecht zu unterrichten. Gerade auch angesichts der Neuregelung des § 166 Abs. 4 im Falle einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses durch den VR, spricht manches für eine Benachrichtigungspflicht des VR, da der Bezugsberechtigte in den Fällen des § 170 in ähnlicher Weise rechtliche Nachteile hinsichtlich seines möglichen Vorsorgeschutzes erleiden kann wie bei einer Kündigung. Das gilt nicht nur mit Blick auf den unwiderruflich Bezugsberechtigten,51 sondern auch für den widerruflich Bezugsberechtigten (auf den sich auch § 166 Abs. 4 bezieht), zumal es sich in beiden Fällen um den zukünftigen VN des VR handeln kann. Ist der Bezugsberechtigte als VN in den Lebensversicherungsvertrag eingetreten, ist es unerheblich, ob es sich zuvor um einen widerruflich oder unwiderruflich Bezugsberechtigten gehandelt hat. Für eine solche Benachrichtigungspflicht sprechen nicht nur die Interessen der Bezugsberechtigten, sie liegt auch im Interesse der Rechtssicherheit, denn der Eintrittsberechtigte kann u.U. auch noch Monate oder Jahre nach der Pfändung bzw. Insolvenzeröffnung in den Lebensversicherungsvertrag eintreten. Für eine Informations-

50

A.A. Stegemann/Lind NVersZ 2002 193, 196; Prölss/Martin/Reiff § 170 Rn. 18.

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51

Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann § 170 Rn. 14.

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Abweichende Vereinbarungen

§ 171

pflicht des VR gegenüber einem Bezugsberechtigten besteht nicht nur ein Bedarf, sie ist dem VR auch zumutbar und knüpft an die Zwangsvollstreckung bzw. die Insolvenzeröffnung an.52 Keine Informationspflicht des VR besteht gegenüber den Familienangehörigen nach § 170 Abs. 2, die Familienverhältnisse des VN sind dem VR in der Regel unbekannt. Ausgeschlossen ist eine Benachrichtigungspflicht im Übrigen, wenn also dem VR die 73 Familienverhältnisse des VN – wie es die Regel sein dürfte – nicht bekannt sind.

C. Abdingbarkeit 74

Die Vorschrift ist halbzwingend, § 171 Satz 1.

§ 171 Abweichende Vereinbarungen 1 Von

§ 152 Abs. 1 und 2 und den §§ 153 bis 155, 157, 158, 161 und 163 bis 170 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers, der versicherten Person oder des Eintrittsberechtigten abgewichen werden. 2 Für das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Umwandlung nach § 165 und für seine Kündigung nach § 168 kann die Schrift- oder die Textform vereinbart werden.

Schrifttum Werber Halbzwingende Vorschriften des neuen VVG und Inhaltskontrolle, VersR 2010 1253.

Übersicht Rn. A. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . B. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . C. Rechtsfolge einer nachteiligen Abweichung . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

Rn. D. § 171 Satz 2 VVG . . . . . . . . . . . . E. Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . F. Keine Abdingbarkeit . . . . . . . . . .

6 7 8

5

A. Entstehungsgeschichte § 171 stimmt im Wesentlichen mit der Vorgängernorm des § 178 a.F. überein. Aller- 1 dings ist der Katalog der halbzwingenden Bestimmungen ausgedehnt worden.

52

Zu den Voraussetzungen einer Informationspflicht des VR nach Vertragsabschluss vgl. Fenyves, FS Canaris 1367 ff., 1381 f.; ders.

Die Informationspflichten des Versicherers, VersRdsch 2009 16 ff.

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§ 171

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B. Inhalt und Zweck der Regelung 2

Die Vorschrift dient dem Schutz des VN; sie gewährleistet einen Mindestschutz der auf der VN-Seite an dem Lebensversicherungsvertrag Beteiligten (VN, Eintrittsberechtigter, versicherte Person), ermöglicht aber auch eine flexible Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarungen.1 Sie dient zugleich der Rechtssicherheit. 3 Im Vergleich zu § 178 a.F. ist der Katalog der halbzwingenden Vorschriften insbes. durch die Vorschriften zum Widerrufsrecht, zur Überschussbeteiligung und zur Prämienund Leistungsänderung erweitert worden. 4 Ob eine Vereinbarung zum Nachteil des VN usw. von der gesetzlichen Vorschrift abweicht, ergibt sich aus einer Abwägung der Vor- und Nachteile der Abweichung. Nur wenn die Nachteile überwiegen, ist die Vereinbarung nicht zulässig.2

C. Rechtsfolge einer nachteiligen Abweichung 5

Anders als in § 178 a.F. „kann“ nach § 171 von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des VN usw. „nicht abgewichen werden“. Das bedeutet nicht nur vom Wortlaut her, dass sowohl Individualvereinbarungen als auch Bedingungsklauseln unwirksam sind, wenn sie eine nachteilige Abweichung enthalten. Auch der VN kann sich nicht auf die unwirksame Vereinbarung berufen,3 an die Stelle der abweichenden tritt die gesetzliche Regelung.

D. § 171 Satz 2 VVG 6

Wenn für die Kündigung des VN nach § 168 usw. anstelle der Schriftform auch die Textform vereinbart werden kann, so soll damit neueren Verständigungswegen Rechnung getragen werden. Da damit Echtheits-, Authentifizierungsprobleme usw. verbunden sein können, wird zu beobachten sein, inwieweit derartige Defizite in der Praxis in Kauf genommen werden.

E. Ausnahme 7

Mit Blick auf Pensionskassen, kleinere VVaG und Lebensversicherungen mit kleineren Beiträgen finden sich in § 211 Ausnahmen zur Regelung des § 171.

F. Keine Abdingbarkeit 8

§ 171 ist zwingend.

1

2

Zum Verhältnis der halbzwingenden Normen zur AVB-Kontrolle nach § 307 BGB vgl. Werber VersR 2010 1253, 1256 ff. Werber VersR 2010 1253, 1254.

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3

Werber VersR 2010 1253, 1256; Bruck/Möller/K. Johannsen § 18 Rn. 5; a.A. Bruck/Möller/Beckmann § 42 Rn. 11.

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Sachregister Die fetten Zahlen verweisen auf die Paragraphen, die mageren auf die Randnummern.

Abgaben, öffentliche 153 52 Abrechnungsverband 153 93 ff., 232 Abschaffung der Genehmigungspflicht für Lebensversicherungsbedingungen Einf 28 Abschluss des Versicherungsvertrages s. auch Versicherungsbeginn 161 51 Abschlusskosten 153 50 f., 62; 165 33 ff.; 169 3, 76 ff., 86 ff., 122, 133, 184; 170 3 – Abzugsverbot 169 133 – Begrenzung 153 62; 169 85 ff. – Unterrichtung des VN 155 8 f., 10 – Verrechnung 164 19, 165 5; 169 79, 100, 177 – Zillmerungsverfahren 153 51; 169 76 ff., 79 Absonderungsrecht 159 341; 169 90 Absterbeordnung 153 42 abstrakte Bedarfsdeckung Einf 92, 140 ff., 182 ff., 219 ff., 273; 168 63 Abtretung – Abtretungsberechtigung 159 296 – Abtretungsbestätigung 159 332 – Abtretungsfähigkeit bei einzelnen Lebensversicherungsformen 159 280 ff. – Abtretungsklausel Einf 303 – Abtretungsmodalitäten 159 293 – Abtretungsregress Einf 283 – Abtretungsverbote 159 305 ff. – Abtretungswirkung 159 338 – Anzeige der Abtretung an den VR 159 317 – Anzeigeberechtigter 159 312, 324, 375 – Beitragszahlungsabrede 159 425 – nach Bezugsrechtseinräumung 159 379 – Einwendungen des VR 159 204 ff. – Form der Abtretung 159 101 ff. – Hinterlegung 159 66, 374 – Kündigungsrecht 159 301, 348 ff., 353 – Mehrfachabtretung 159 375 – Prioritätsgrundsatz 159 58, 295, 401, 502 – Rechtsstellung des Versicherers 159 369 ff. – Rechtsstellung des Zedenten 159 365 ff. – Rechtsstellung des Zessionars 159 338 ff. – Sicherungsabtretung Einf 327, 329; 159 83 ff., 383 – Treuhandmodell 159 425

– Versicherungsschein 159 333 – Voll- und Teilabtretung 159 293 f. – Wechsel der Gläubigerseite 159 274 – Widerruf des Bezugsrechts 159 51, 86, 233 – Wirksamkeitsvoraussetzungen 159 314 – Wirksamkeitszeitpunkt 159 272 ff., 328 Abtretungsberechtigung 159 296 ff. AGB-Kontrolle Einf 108; 156 29; 163 14 – Individualabrede 158 12 – Inhaltskontrolle 159 319 f.; 164 32; 168 26 Aktienindexgebundene Lebensversicherung Einf 78 aleatorische Verträge – Abgrenzung Einf 148 Alkoholabhängigkeit 161 30 Alkoholkonsum 161 23 Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung, kombinierte Einf 116 Altersangabe, unrichtige 157 1 ff. – Abdingbarkeit 157 23 – Anpassung der Versicherungsleistung 157 3 – arglistige Täuschung 157 17 – Beweislast 157 20 – durch Versicherungsnehmer 157 6 ff. – kein Kündigungsrecht 157 3 – Kündigung der Versicherung 157 13 – Leistungsberichtigung 157 8 – Rechtsfolgen 157 7 – Rücktritt des Versicherers 157 10 Alterseinkünftegesetz Einf 16 Altersgrenze, flexible 168 62 Altersversorgung Einf 14 ff. – Aufstockungsversicherung Einf 83 – Berufsständische Versorgungswerke Einf 116 – betriebliche Einf 93; 150 3, 60, 143; 152 36; 159 183, 507 ff.; 168 106 ff. – Direktversicherung Einf 93 – Dynamische Versicherungsformen Einf 81 – Erlebensfallversicherung Einf 36 – gemischte Versicherung Einf 37 – Gruppenlebensversicherung Einf 102 – Kollektivlebensversicherung Einf 102 – Pensionsversicherung Einf 54 – Riester- und Rürup-Renten Einf 67

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Alt

Sachregister

– Versicherung auf verbundene Leben Einf 38 – Zeitrentenversicherung Einf 57 Altersvorsorge Einf 16 ff.; 150 67 ff. – Altersvorsorgevermögen 168 72 – Altersvorsorgevertrag 167 190 – Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Einf 16 – betriebliche Einf 107; 150 67 ff.; 159 61; 166 25, 27 ff. – Drei-Schichten-Modell Einf 16 ff. – generationenübergreifende Altersvorsorgefunktion 153 174 – Informationspflicht des Versicherers 166 25 – Kündigungsausschluss für Altersvorsorgeverträge 168 68 – pfändungsgeschützte 168 72, 84 – Pflicht zur privaten 159 191 – Riester- und Rürup-Verträge 159 287; 167 11, 182 ff., 203 ff. Änderung der Lebensversicherung Einf 13, 26, 28 Anfechtung wegen arglistiger Täuschung 151 6; 157 3; 169 62, 64, 83 Anpassung von Verträgen s. auch Vertragsanpassung 157 5, 17 Anpassungsrecht 163 6 – Änderung des Leistungsbedarfs 163 15 – Anpassung durch Neufestsetzung der Prämie und Herabsetzung der Versicherungsleistung 163 26 ff. – Prämienanpassungsklausel 163 32 – unzureichende Prämienkalkulation 163 24 – Voraussetzungen 163 11, 15 Anpassungsversicherung Einf 82, 163 50 ff. Anrechnung der Prämienreserve auf den Schadenersatzanspruch Einf 301 Anrechnung von Versicherungsleistungen Einf 294 Ansprüche gegen mehrere Versicherer Einf 306 Anspruchskonkurrenz – Ansprüche gegen mehrere Versicherer Einf 306 – Zusammentreffen von Versicherungs- und Schadenersatzanspruch Einf 268 Antiselektion 169 119 Anwartschaftsdeckungsverfahren Einf 117 Anzeige des Versicherungsfalles 161 84 – Anzeigepflichtiger 161 88 – Beweislast 161 95 – Empfänger 161 92 – Frist 161 94 – Inhalt der Anzeige 161 91 – Kenntnis beim Anzeigepflichtigen 161 87 – Tod des Versicherten 161 85

780

– Verletzung der Anzeigepflicht 161 96 – Versicherungsfall 161 85 Anzeigepflicht 161 85 ff. Anzeigepflicht, vorvertragliche 151 6; 152 64; 156 16; 157 33; 161 123, 147 – Anzeigepflichtiger Personenkreis 157 24 – erneute 161 147; 163 107; 165 53 – Gesundheitsprüfung 167 73 – in der Gruppenlebensversicherung 157 26 ff. – Risikoauslese 157 33 – unechte Gruppenlebensversicherung 157 41 – Verletzung 157 36 Äquivalenzprinzip Einf 117; 153 29 ff. Äquivalenzstörungen 163 5 Äquivalenzverhältnis – Wiederherstellung 164 28 Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung 152 41 Arglistanfechtung 156 20 ff. – bei mehreren Gefahrspersonen 156 24 – Täuschungszurechnung 156 20 ärztliche Untersuchung s. Untersuchung, ärztliche Ärztliches Zeugnis 151 11; 153 50 Aufhebungsvertrag 168 60 Aufklärungs- und Hinweispflichten des VR 152 64; 161 89; 165 26, 52; 166 59; 168 85 Aufstockung – Aufstockungsversicherung Einf 83; 163 60; 167 149 ff. – der Versicherungssumme 157 18 Auskunftsanspruch – des Versicherungsnehmers 156 13 ff.; 169 153 ff. Auskunftsinteresse – des Versicherungsnehmers 155 13 Auslegung – der Bezugsberechtigung 160 46 ff. Auslegungsregeln – „Erben“ als Bezugsberechtigte 160 29 – „Gesetzliche Erben“ als Bezugsberechtigte 160 34 – „Hinterbliebene“, „Angehörige“ und die „Familie“ als Bezugsberechtigte 160 18 – „Kinder“ als Bezugsberechtigte 160 17 – „Verwandte“ als Bezugsberechtigte 160 23 – „Vor-“ bzw. „Nacherben“ als Bezugsberechtigte 160 38 – Abdingbarkeit 160 62 – Ehegatte als Bezugsberechtigter 160 44 – Ehescheidung 160 49 – Widerruf der Bezugsberechtigung 160 54 – zur Bezugsberechtigung 160 10 ff. Ausschüttungssperre 153 207 Aussonderungsrecht 159 143, 463, 482

Sachregister Ausspannung 152 33 Aussteuerversicherung Einf 2, 40; 167 90, 165 Austauschvertrag Einf 233 ff., 244 Basisrente Einf 19, 47, 68; 169 47 Bausparrisikoversicherung 152 37, 65, 74 Bedarfsdeckung, abstrakte Einf 92, 140 ff., 182 ff., 219 ff., 273; 168 63 Bedarfsdeckung, konkrete Einf 140, 144, 207, 219 Bedarfsgerechtigkeit 167 18 Bedeutung der Lebensversicherung Einf 21 Bedingungsanpassung 164 1 ff. – Belange der Versicherungsnehmer 164 25 – Ersetzungsbefugnis des Versicherers 164 10 – Notwendigkeit der Klauselersetzung 164 17 – Rückvergütung bei gezillmerten Verträgen 164 19 – Unwirksamkeit einer Klausel 164 5, 13 ff. – unzumutbare Härte 164 1, 5, 21 – Voraussetzungen der Klauselersetzung 164 13 – Wiederherstellung des Äquivalenzverhältnisses 164 28 – Wirksamwerden der neuen Klausel 164 32 Bedingungswerke Einf 26 ff., 240, 242 ff.; 153 5, 7, 21, 26 f., 67, 131, 155; 154 12; 168 16 – Abschaffung der Genehmigungspflicht Einf 28 ff. – Abschaffung der Vorabgenehmigung Einf 12 – Anpassung an AGB-Gesetz Einf 26 – Entwicklung Einf 22 ff. – Musterbedingungen für die Großlebensversicherung (ALB) Einf 25 – Normativbedingungen Einf 22 ff. Beendigung des Lebensversicherungsvertrages 153 15, 120; 169 58, 65 Befreiungsversicherung Einf 12, 94 Beginn der Versicherung s. Versicherungsbeginn Begünstigungsvertrag 150 127; 157 38 Beitragsdepot 152 20; 168 65 ff. Beitragsstundung 163 74 ff. – Auszahlung 163 74, 104 – Ruhensvereinbarung 163 79, 101 – Stundung der Beiträge 163 74; 165 26, 58 – vorläufige Deckungszusage 152 27 Belegpflicht – bei Selbsttötung 161 97 ff. – Erfüllung der Belegpflicht 161 107 – Ersatznachweise 161 111 – Gegenstände 161 99

Bez

– Rechtsfolgen bei Verletzung 161 114 – Zumutbarkeit 161 108 Berufsständische Versorgungswerke Einf 116 ff. Berufsunfähigkeit Einf 96, 227 – Erhöhung der Beiträge nach Eintritt 163 62 f. – teilweise Einf 96 Berufsunfähigkeitsgrade Einf 96 Berufsunfähigkeitsversicherung Einf 11, 95 ff., 225 ff.; 150 128; 152 8; 156 8; 158 6; 159 14, 347 ff.; 163 9; 164 8; 165 3; 166 6; 167 31; 168 11; 169 14, 16 Berufsunfähigkeitsversorgung Einf 116 Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Einf 97, 213; 153 49; 159 351 – Pensionsrentenversicherung 167 41 – Pfändungsschutz 159 347 Beschlag durch Arrest, Pfändung und Insolvenz 170 17 betriebliche Altersvorsorge – Ausgestaltung der betrieblichen Lebensversicherungen 166 27 – Direktversicherung Einf 93 f. – Informationspflicht des Versicherers gegenüber dem bezugsberechtigten Arbeitnehmer 166 25 Beweislast – bei Selbsttötung 161 5 f., 14, 21 ff., 38 – zur Höhe des Stornoabzuges 164 20 Bewertungsreserven 153 15, 96 ff., 141, 168, 210, 220, 228 ff.; 169 159 – Anspruch 153 141 – Anteil 169 159 – Ausgestaltung der Beteiligung 153 210 – Ausschluss 153 168 – Begriff 153 96 – Beteiligung 153 15 – Beteiligungsquote 153 220 – Ermittlung 153 102 – Feststellung 153 96 – Zuordnung 153 215 – Zuteilungszeitpunkt 153 224 Bezugsberechtigter 152 60; 159 17 ff., 298 ff.; 168 27 ff. – Ausübung des Eintrittsrechts 170 27 – Benachrichtigung des Eintrittsberechtigten 170 70 – Eintrittsfolgen 170 50 – Eintrittsfrist 170 47 – Eintrittsrecht 170 12 ff., 21 – Eintrittsvoraussetzungen 170 12 – Namentliche Bezeichnung 170 10, 21 – Unwiderrufliche Bezugsberechtigung 159 35, 57

781

Bez

Sachregister

– Wahlrecht des Insolvenzverwalters 170 63 – Widerrufliche Bezugsberechtigung 159 35 Bezugsberechtigung 159 1 ff. – Abdingbarkeit 159 560 – Anwartschaft des Bezugsberechtigten 159 39, 84, 141, 146, 242, 471 – Anwendbarkeit des § 130 Abs. 2 BGB 159 95, 107, 227, 260 – aufschiebende Bedingung 159 129 – aufschiebende Befristung 159 128 – Ausgestaltungen des Bezugsrechts 159 50 – Auslegungsregeln 160 10 ff. – Auskunftspflichten des VR 159 377, 409 – Aussonderungsrecht 159 143 – Benennung des Bezugsberechtigten 159 72 ff. – Berechtigung zur Prämienzahlung 159 149 – Bezeichnungsbefugnis 159 77 – Bezugsberechtigter 159 17 – Drittwiderspruchsklage 159 143 – Einsetzung des Bezugsberechtigten im Antragsformular 159 103 – Einsetzung des Bezugsberechtigten nach Vertragsschluss 159 104 – Einsetzung eines Bezugsberechtigten 153 144 – Einwendungen des Versicherers 159 204 – Empfangsbedürftigkeit 159 93 ff. – Erbenwettlauf 159 263 – Erlebensfallbezugsrecht 159 58, 61, 284, 401 ff., 494 – Form für Einräumung und Widerruf des Bezugsrechts 159 101 ff., 239, 489 ff. – Frist 159 107 – Gegenstand 159 85 – Gespaltenes Bezugsrecht 159 499 – Gestaltungsrecht 159 75, 90, 199, 219, 244 – geteilte 159 62, 185, 246 ff., 398, 531 – Inhaber des Versicherungsscheins 159 100, 137, 222, 353 – Interventionsklage des Bezugsberechtigten 159 174 – kein Durchgangserwerb 159 72 – Kreditsicherungsfunktion 159 38 – lebzeitiges Insichgeschäft 159 264 – Miterbe 159 557 – Nichtigkeit 159 108 ff. – Pflichtteilsberechtigter 159 533 – Rechtscharakter 159 5, 90 – Rechtserwerb durch den Bezugsberechtigten 159 123 ff. – Rechtsstellung des Versicherers 159 369 – Rechtsstellung des Zedenten 159 365 – Rechtsstellung des Zessionars 159 338 – Schriftform 159 101

782

– – – – –

schriftliche Anzeige 159 95 Schutz Dritter 159 16 Sittenwidrigkeit 159 112 ff. Terminologie 159 17 Tötung der Gefahrsperson durch den Bezugsberechtigten 159 153 184 – unwiderrufliche 154 148; 159 10 f., 19, 57 ff., 68, 164 ff., 243 ff., 300, 392, 529 – Valutaverhältnis 159 252 – Vererblichkeit 159 141 – Verfügungsbefugnis 159 142 – Verpfändung 159 529 – Versicherungsschein 159 175 – Vertragserbe 159 551 – Widerruf 159 468 – widerrufliche 153 145; 159 8, 19, 51 ff., 67, 139 ff., 211 ff., 246, 298, 379, 530 – Zeitpunkt des Rechtserwerbs 159 9, 125 – Zession s. Abtretung 159 272 – Zurückweisung durch Bezugsberechtigten 159 196 – Zurückweisungserklärung 159 199 – Zwangsvollstreckung 159 437 ff. – Zwangsvollstreckung bei fehlender 159 437 – Zwangsvollstreckung bei geteilter 159 489 – Zwangsvollstreckung bei unwiderruflicher 159 469 – Zwangsvollstreckung bei widerruflicher 159 452 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 153 207 biometrisches Risiko Einf 134 ff. Bonussystem 153 127; 167 94; 169 157 Datenschutzermächtigungsklausel 151 23 Deckungskapital Einf 49; 169 22 – angemessener Abzug 169 114 – Anspruch des Versicherungsnehmers 169 28, 35 – Einzeldeckungskapital 169 25 – Ermittlung des Rückkaufswerts 169 68 – Gesamtdeckungskapital 169 24, 26 – Herabsetzung des Rückkaufswerts 169 136 – Pfändungsschutz 167 43 – Rückkaufswert 169 3 – Stornoabzug 169 114 ff., 129 ff. – ungezillmertes 152 4, 14 – Vereinbarung einer Mindestversicherungsleistung 165 18 – Verhältnis zur Prämie und zur Versicherungssumme 169 22 ff., 26, 33 – voreheliches Einf 320 – Vorhandensein 165 18 Deckungsrückstellung, bilanzielle 169 79 – Erhöhung 153 115, 193; 163 25 – prospektive 169 109, 113

Fäl

Sachregister Deckungsschutz, vorläufiger 150 145 ff. Deckungszusage, vorläufige Einf 108, 150 145; 152 27, 31 demographischer Faktor Einf 15 demographischer Wandel Einf 15 ff. Direktversicherung Einf 93, 103 doppelte Kündigung 168 59 Dread-Desease-Versicherung Einf 100, 229 Drei-Schichten-Modell Einf 16 ff., 20 Dynamische Versicherungsformen Einf 81 ff. Ehezeitanteil – bei Rentenversicherungen Einf 319 Einmalprämie 152 20 ff. Eintrittsrecht 170 12 ff. – Abdingbarkeit 170 74 – Abschlusskosten 170 3 – Anfechtung der Zustimmungserklärung 170 64 f. – Anzeige des Eintrittsberechtigten 170 40 – Ausübung 170 27 – Benachrichtigung des Eintrittsberechtigten 170 70 ff. – Benachrichtigungspflicht 170 70 ff. – des VR 170 70 ff. – des VN 170 70 – partielle 170 72 – Benachrichtigungspflicht des Gläubigers/ Insolvenzverwalters 170 71 – Beschlag durch Arrest, Pfändung, Insolvenz 170 17 – Bezugsberechtigter 170 4, 10 – Bezugsberechtigung 170 15 – Eintrittsberechtigte 170 21 ff. – Eintrittsfolgen 170 50 – Eintrittsfolgen für den Eintrittsberechtigten 170 52 – Eintrittsfolgen für den Versicherer 170 61 – Eintrittsfolgen für den Versicherungsnehmer 170 50 – Eintrittsfolgen für die Gläubiger des Versicherungsnehmers 170 59 – Eintrittsfrist 170 47 – für nahe Angehörige 170 4 – Innenverhältnis 170 51 – Kündigung des Versicherungsvertrages 170 53 – mehrere Eintrittsberechtigte 170 25, 56 – nachträgliche Änderungen 170 69 – Rechtsnatur 170 12 – Teileintritt 170 45 – Voraussetzungen 170 13 ff. – Vorrang gegenüber Gläubigerrechten 170 6 – Vorrang gegenüber Insolvenzanfechtung 170 64

– Wahlrecht des Insolvenzverwalters 170 63 – Zahlung der Rückvergütung 170 43, 54 – Zustimmung des Versicherungsnehmers 170 28 Einwilligung des Versicherten – durch Bevollmächtigten 150 50 – Ermächtigung 150 35 – Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters 150 41 – Rechtsfolgen bei Fehlen 150 54 – Rechtsnatur und Zeitpunkt 150 38 – Warnfunktion 150 33 – Widerruf 150 37 Einwilligungserfordernis – analoge Anwendung 150 16f – bei Kinderversicherung 150 58 – bei Lebensfremdversicherung für Rechnung der Gefahrsperson 150 69 – bei sonstigen Gruppenlebensversicherungen 150 60 ff. – bei Zusatzversicherungen 150 71 – betriebliche Altersvorsorge 150 67 – gesetzliche Ausnahmen 150 56 – keine Anwendung auf Kapitalisierungseschäfte 150 25 ff. – Pensionskassen 150 70 – Todesfallfremdversicherungen 150 15 Einzelzwangsvollstreckung 159 434, 437, 452, 469; 167 2 – bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung 159 452 – Vollstreckungsgläubiger 159 469 – vor Eintritt des Versicherungsfalles 168 34 Entgeltumwandlung Einf 107; 169 97 Erbschaftsteuerversicherung Einf 87, 211 Erlebensfallkapitalversicherung Einf 64; 167 73, 163 Erlebensfallversicherung Einf 36; 159 284, 398; 167 73, 90 ff., 157 – Gemischte Lebensversicherung 169 36 – reine 169 41 Erstattung der Rückvergütung 170 63 Erstattung des Rückkaufswerts s. auch Rückkaufswert 152 14; 169 52, 54 Erstprämie 152 26 ff. – Einklagung 152 32 – Fälligkeit 152 29 Exhumierung 161 24 ff., 151 Fälligkeit – Einmalprämie 152 20 – Erstprämie 152 29 – Gruppenlebensversicherung 152 34 – Versicherungsleistung 159 59, 192, 248, 517; 169 124

783

Fam

Sachregister

Familienversorgungsversicherung Einf 41 flexible Tarife Einf 81; 159 292 Fondsgebundene Lebensversicherung Einf 71, 80; 163 47; 166 12 Fortsetzung der Lebensversicherung nach der Elternzeit 166 24 Fremdwährungsversicherung Einf 88 Frühstorno 169 5, 78 ff. Galilei, Galileo Einf 6 Gambling Act Einf 165 Gebrauchte Lebensversicherungen s. auch Zweitmarkt 159 406 Gefahränderung 158 1 ff., 7 – Abdingbarkeit 158 27 – Ausschlussfrist 158 17 – Form 158 13, 25 – Gefahrerhöhung 158 7 ff. – Gefahrminderung 158 20 ff. – Umwandlung in prämienfreie Versicherung 158 16 Gefahrengemeinschaft 156 20; 169 71 ff., 117, 146 Gefahrerhöhung, vereinbarte 158 7 ff. Gefahrminderung, vereinbarte 158 20 ff. Gefahrsperson – Begriff 150 30 – Bestimmung 150 31 – Einstandspflicht 150 73 – Eintrittsrecht 150 81 – fremde 156 4 ff., 11 – Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Selbsttötung 161 13, 19, 58 – Pflichten 150 75 ff. – Rechte 150 78 ff. – schriftliche Einwilligung 150 29 ff., 32 – Tötung durch Leistungsberechtigten 162 5 ff. – Verhaltensnormen 150 73 ff. – vorsätzliche Selbsttötung 161 16 Gefahrtragung Einf 226, 239, 300 Gefahrtragung, faktische 150 125 Gefahrtragung, latente 161 65 – Anfechtung der Prämienzahlungen 159 459 – Ausschlussfrist 158 17 – des VR Einf 300; 150 91, 98, 124; 165 7; 168 54, 63 – Entgelt 152 20 Gefahrtragungsleistung Einf 43 Gehaltsumwandlungsversicherung s. Entgeltumwandlung Generationenvertrag Einf 15 Gesamtschuldregress Einf 280 Geschäftsfähigkeit 150 86 – Anzeige des Eintrittsberechtigten 170 40

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– Mangel 161 90 – partielle 150 93 Geschichte der Lebensversicherung Einf 1 ff. – 19. Jahrhundert Einf 11 – 20. Jahrhundert und Gegenwart Einf 12 – Anfänge Einf 2 ff. – demographischer Wandel Einf 15 – Finanzprodukt Einf 14 – staatliche Rentenversicherung Einf 5 – Sterblichkeitsforschung Einf 7 – Tontinenversicherung Einf 5 – Wettversicherungen Einf 3 – Wurzeln Einf 1 Grenzen der Pfändbarkeit 167 11 ff. – Beschränkungen des Anspruchsinhalts 167 13, 19 – Drittbegünstigung von Hinterbliebenen 167 30 – Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung 167 60 – Hinterbliebenenrenten 167 23 – Kapitalisierungsgeschäfte mit Vorsorgecharakter 167 63 – Kein Pfändungsschutz bei Kapitalleistungen 167 51 – nicht der Altersvorsorge dienende Lebensversicherungen 167 52 – Pfändungsbeschränkungen 167 58 – Pfändungsgeschützte Rentenformen 167 21 – Pfändungsgeschützte Versicherungsleistungen 167 41 – Pfändungsschutz beim Deckungskapital 167 43 – Rechtsgrundlagen 167 11 – Riester- und Rürup-Verträge 167 11 – Sonstige Rentenzahlungen 167 17 – Verfügungsausschluss 167 26 – Voraussetzungen 167 12 – Zusammenrechnung von Versorgungsansprüchen 167 49 Gruppenlebensversicherung Einf 102 ff., 215 – Arglistanfechtung bei mehreren Gefahrspersonen 156 24 – Differenzierung 157 26 – echte Gruppenlebensversicherung 152 34; 157 27 ff.; 168 86 – Einwilligungserfordernis 150 60 – Fälligkeit von Erst- und Einmalprämie 152 34 – Umwandlung 165 54 – unechte Gruppenlebensversicherung 157 41; 168 100 – vorvertragliche Anzeigepflicht 157 26 ff. Gruppenlebensversicherung, echte 157 27; 168 86

Sachregister Gruppenlebensversicherung, unechte Einf 105; 157 41; 168 100 Gruppenversicherung Einf 102 ff., 215; 150 4, 61 ff.; 152 34; 157 33, 41; 165 54 f.; 168 86 ff. – Beendigung der Lebensversicherung 168 86 ff. – Beendigung des Gruppenversicherungsvertrages 168 94, 101 – Beschränkte Beendigung 168 98 – Echte Gruppenlebensversicherung 168 86 – Fortsetzung der Versicherung des bisherigen Gruppenmitgliedes 168 91 – Teilweise Beendigung 168 104 – Unechte Gruppenlebensversicherung 157 41; 168 100 – Zwangsgruppenversicherung 168 86 Gütertrennungsvertrag 159 83 Haftungsrecht – Anspruchskonkurrenz Einf 267 Harmonisierung der Bedingungswerke Einf 23 f. Heiratsfallversicherung 159 12 Hinweis- und Belehrungspflichten des Versicherers 159 433; 163 70; 168 85 Höchsteintrittsalter 163 64 Höchstzillmersatz 153 56, 62; 169 4, 77, 85, 133 Holzschuher, Berthold Einf 2 Hypothekentilgungsversicherung Einf 90, 210, 275; 150 143; 167 52 Identitätstheorie 169 32 Indexversicherung 163 45 informationelle Selbstbestimmung 151 3 Informationsansprüche – des Versicherungsnehmers 155 13 ff. Informationspflichten des Versicherers 153 206; 159 150, 182, 364; 167 197, 169 102 – bei fondsgebundenen Lebensversicherungen 154 35 – bei Riester-Verträgen 167 197 – gegenüber dem unwiderruflich Bezugsberechtigten 159 182 – gegenüber dem Zessionar 159 364 – in der betrieblichen Altersvorsorge 166 25 – Keine, gegenüber dem widerruflich Bezugsberechtigten 159 150 – über die Möglichkeiten einer Veränderung des Versicherungsvertrages und die Existenz eines Zweitmarktes 168 85 – über den Zweitmarkt 159 433 – zur Überschussbeteiligung nach der VVGInfoV 154 34

Kap

Inhaberklausel 159 100, 119, 175, 222, 314; 161 69, 71; 168 50 Insichgeschäft 159 264 Insolvenz 159 447 ff., 463 ff., 482 ff. – abgesonderte Befriedigung 159 341 – Absonderungsrecht 159 341 – Abwicklungsverhältnis 159 450 – Aussonderungsrecht 159 143, 463 – Bezugsrechte in der Insolvenz 159 143, 243, 482 ff. – Insolvenzmasse 159 144, 171, 447, 463, 468, 482; 167 11, 17, 43; 170 43 – Kündigung 159 450 – Pflichten des VR vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 159 450, 520 – Rechte des Pfandgläubigers 159 469, 518 – Rechte des Zessionars 159 516 – Sicherungsabtretung Einf 327; 159 357 – unwiderrufliches Bezugsrecht 159 305, 358, 401 ff., 463 – Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters 159 84, 145, 220, 447 ff. – Verwertung des Rückkaufswertes 159 437 ff., 463 ff.; 169 165 Insolvenzanfechtung 159 494; 167 35, 60; 170 64 Insurable Interest Einf 159 ff. Interessenkonflikt – bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung 159 40 – bei widerruflicher Bezugsberechtigung 159 39 – zwischen den bezugsberechtigten Angehörigen und den Gläubigern des Versicherungsnehmers 159 42 irreführende Werbung 154 16, 30, 33 Jahresabschluss – als Überschussermittlungsbilanz

153 67

Kapitalbildende Versicherung Einf 34 ff.; 153 20 ff., 216; 163 81 f., 105 Kapitalisierungsgeschäfte Einf 109, 246 ff.; 150 25; 151 4; 154 37; – (analoge) Anwendung 150 25 ff.; 152 8; 153 24; 154 9; 155 5; 156 9; 157 4; 158 6; 159 13; 160 9; 161 10; 163 9; 164 8; 165 3; 166 6; 168 12; 169 17; 170 8 – Anwendbarkeit der Riester-Förderung 167 202 – Anwendbarkeit der Rürup-Förderung 167 216 – Besonderheiten beim Prämiendepot 168 65 – Gleichstellung mit Lebensversicherungsverträgen Einf 246

785

Kap – – – – –

Sachregister

Riester-Verträge 167 182 ff. Rürup-Verträge 167 203 ff. Tatbestand Einf 250 Umwandlungsgegenstand 167 67 versicherungsvertragsrechtliche Einordnung Einf 263 – Vollstreckungsschutz 167 63 Kapitallebensversicherung – Sicherungsabtretung Einf 327 – Tilgungsersatz Einf 328 Kapitalversicherung Einf 11, 34 Kapitalwahlrecht Einf 69 Karenzzeit 161 7, 20, 49 ff. – Beginn 161 51 – bei Vertragsänderung 161 57 – bei Wiederherstellung des Vertrages 161 56 – Verkürzung 161 53f – Verlängerung 161 55 Kenntnis und Verhalten der versicherten Person – Auskunftsobliegenheiten 156 16 – der Gefahrsperson 156 1 ff. – Einschränkung der Zurechnung 156 33 – Kenntnis des Todes beim Anzeigepflichtigen 161 87 – Sicherungsinteresse des Versicherers 156 35 Kleinlebensversicherung Einf 42 Kommunale Versorgungskassen Einf 120 Kongruenzgrundsatz Einf 272 konkrete Bedarfsdeckung Einf 140, 144, 207, 219 Konnexgeschäft 150 95 Koppelung von Darlehens- und Lebensversicherungsverträgen 150 127 Kräfteverfall s. auch Berufsunfähigkeitsversicherung Einf 95, 227 Krankenversicherung Einf 228 Kumulation von Versicherungsleistung und Schadenersatzanspruch Einf 302 Kündigung – Altersvorsorgeverträge 168 66 – Aufhebungsvertrag 168 60 – aus wichtigem Grund 168 55 – außerordentliche Kündigung des Versicherers 166 13 – bei Nichtzahlung von Zinsen 166 21 – des Versicherers 166 8 ff. – des Versicherungsnehmers 168 1 ff. – doppelte 168 57, 59 – durch den Insolvenzverwalter 159 450; 170 15 – durch den Versicherer und den Versicherungsnehmer 168 59 – durch den Zessionar 159 348 – durch Versicherer 166 3, 13, 22; 169 6

786

– durch Versicherungsnehmer Einf 316; 159 405; 167 214 – fondsgebundene Lebensversicherung 166 12 – Gruppenversicherungsvertrag 168 84 ff. – Informationspflicht des Versicherers 168 83 – keine ordentliche Kündigung des Versicherers 166 8 – Kündigungsvoraussetzungen 168 19 – Prämiendepot 168 63 – Rechtsfolgen 166 16; 168 51 – Teilkündigung 168 54 – Tod der Gefahrsperson 168 61 – wegen Zahlungsverzuges 166 19 – Wegfall der Geschäftsgrundlage 168 56 Kündigungsausschluss – 3/10-Regelung 168 77 – Addition der Sockelbeträge 168 74 – für Altersvorsorgeverträge 168 66 ff. – gestaffelte Sockelbeträge 168 75 – Reichweite 168 70 Kündigungsberechtigung – Bezugsberechtigter 168 25 – Insolvenzverwalter 168 36 – Pfandgläubiger 168 40 – Testamentsvollstrecker 168 41 – Versicherungsnehmer 168 20 – Vollstreckungsgläubiger 168 32 – Zessionar 168 27 – Zweitmarktinvestor 168 20 ff., 30 Kündigungserklärung 168 42 ff. – Form 168 48 – Frist 168 49 – Zugang 168 47 Kündigungsrecht – Ausschluss 168 5, 66 ff. – Einmalzahlung 168 8 – jederzeitiges 168 2, 14 ff. – laufende Prämien 168 6 – ordentliches 168 4 Lebensfremdversicherung – Einwilligung als Wirksamkeitsvoraussetzung 150 13 – Zustimmungserfordernis 150 6 ff. Lebensversicherung – Abgrenzung von anderen Versicherungszweigen Einf 225 – aktienindexgebundene Einf 78 ff. – als Säule der privaten Altersvorsorge Einf 17; 167 3 – Anfänge Einf 2 – Aufklärung Einf 7 – Austauschvertrag Einf 233 ff. – Bedarfsdeckung Einf 140

Sachregister – Bedeutung Einf 21 – Beendigung des Versicherungsvertrages 150 85 – demographischer Wandel Einf 13, 15 ff. – Elemente der Schadensversicherung Einf 207 – fondsgebundene Einf 71 ff. – Formen Einf 33 ff. – Funktionen Einf 128 ff.; 159 32 ff. – für fremde Rechnung 159 267 ff. – Geschäftsbesorgungsverhältnis Einf 233 ff. – Grenzen der Pfändbarkeit 167 11 – Haftungsrecht Einf 267 ff. – Hinterbliebenenversorgung Einf 14, 159 33 – Kapitalanlagefunktion Einf 131 – Kreditsicherungsfunktion Einf 130 – Lloyds Einf 4 – mathematisch-technische Grundlagen Einf 188 – mit variablen Abläufen Einf 85 – Personenversicherung Einf 143 – Sparcharakter Einf 185 – Summenversicherung Einf 141 – Umwandlung in prämienfreie Versicherung 165 6; 166 16 – Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht 157 24 – versicherte Person 150 1 ff. – Wahrscheinlichkeitsrechnung Einf 6 – Wurzeln Einf 1 – zu eigenen Gunsten 159 21 – Zugewinn- und Versorgungsausgleich Einf 310 ff. – zugunsten Dritter 159 27 Lebensversicherungsbedingungen Einf 23, 27, 28 ff.; 159 5 Lebensversicherungstechnik – statistisch-mathematische Einf 9 ff. Lebensversicherungsvertrag – Abschlusskosten 170 3 – auf die eigene Person 150 1 ff. – auf die Person eines anderen 150 1 ff. – Nichtigkeit 150 126 – ohne ärztliche Untersuchung 151 7 – Risikoausschlüsse 151 10 – Ruhen 163 100 – Schwebende Unwirksamkeit 150 116 ff. Lebensversicherungsvertrag mit Überschussbeteiligung Einf 244; 153 152 – Jährliche Unterrichtung 155 1, 3, 10 – Rechtsnatur 153 158 Leibrentenkauf Einf 1, 48 – auf verbundene Leben Einf 52 – mit aufgeschobenen Leibrenten Einf 50

Mit

– mit Beitragsrückerstattung und/oder Rentengarantie Einf 51 Leibrentenversicherung Einf 48; 167 99 ff. – Aufstockungsversicherung 167 149 – auf verbundene Leben Einf 52; 167 115 – Beitragsrückgewähr 167 107 – Dynamische Versicherungsformen 167 144 – Fondsgebundene Rentenversicherung 167 142 – gegen Einmalprämie 167 103 – mit aufgeschobenen Leibrenten Einf 50; 167 104, 106 – mit Beitragsrückerstattung und/oder Rentengarantie Einf 51 – mit Beitragsrückgewähr und Rentengarantie bei einem vorzeitigen Tode der Gefahrsperson 167 104 ff. – mit Berechtigung zur Erhöhung der Rentenanwartschaft 167 143 – Pensionsrentenversicherung 167 141 – Pensionsversicherung Einf 54 – Überlebensleibrentenversicherung 167 121 Leibrentenversicherung mit unbestimmter Verfallzeit 167 151 Leichenöffnung 161 24 f., 151 Leistung des Versicherers 161 61 – Auslegung der Bezugsberechtigung 160 10 ff. – Bezugsberechtigung 159 17 ff. – Unrichtige Altersangabe 157 6 ff. – zu erbringende Nachweise 161 61, 100 Leistungsänderung 163 1 ff. – Herabsetzung der Versicherungsleistung 163 8, 26 – Rechte des Versicherungsnehmers 163 69 Leistungsberichtigung, versicherungstechnische 157 8 Leistungsfreiheit des VR – bei Selbsttötung 161 1, 15, 20 – Beweisvereitelung 161 118 f. – verminderter Versicherungsschutz bei der Kündigung wegen Zahlungsverzuges 166 19 Leistungsprimat 163 58 Lloyds Einf 4 Mahnung 159 370, 441; 166 15 Mindestversicherungssumme, garantierte Einf 80 Mindestversicherungssumme, Unterschreitung 166 20 Mindestzuführungsverordnung 153 86, 175 Mitteilungen des VN – Einsetzung des Bezugsberechtigten nach Vertragsschluss 159 104

787

Mit

Sachregister

– Informations- und Auskunftsobliegenheiten 156 16 ff. – Kündigungserklärung 168 44 – unrichtige Altersangabe 157 6 – Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den VN 159 371 Mitteilungen des VR s. auch Informationspflichten des Versicherers – Hinweis auf Modellrechnungen 154 4, 12 – Jährliche Unterrichtung über die Entwicklung des Lebensversicherungsvertrages 155 8 ff. – Wirksamwerden der neuen Klausel 164 32 Modellrechnung – Abdingbarkeit 154 41 – Bedingungswerke 154 12 – gesetzliche Vorgaben 154 14 – Informationspflichten bei fondsgebundenen Lebensversicherungen 154 35 – Informationspflichten beim Vertrieb von Investmentanteilen 154 38 – Irreführung 154 15 f. – keine Verpflichtung des Versicherers 154 18 – Kick-Backs 154 40 – normierte 154 26 – Sanktionen 154 29 – Überschussbeteiligung 154 1 ff. – Unverbindlichkeit 154 28 – Voraussetzungen 154 20 – zusätzliche Informationspflichten 154 34 Modellrechnungszinssatz 154 26 Neuabschluss eines Lebensversicherungsvertrages 152 30; 161 56 – Höchsteintrittsalter 163 64 – Zurückumwandlung 165 48 Neufestsetzung der Leistungen 163 26 ff. Neufestsetzung der Prämie 163 11 ff., 26 – Angemessenheit und Erforderlichkeit 163 19 – Beteiligung eines Treuhänders 163 20 Nichterwerb des Begünstigten 159 210; 160 24, 59, 61 Normativbedingungen Einf 22 ff. Obliegenheiten – Anzeige des Todes des Versicherten 161 84 – Anzeigeobliegenheit 157 235 – Anzeige- und Nachweispflichten nach dem Tode des Versicherten 161 60 ff. – Auskunftsobliegenheiten 156 16 – Belegpflicht 161 97 – Dogmatische Einordnung 156 10 – Duldung eigener Erhebungen des Versicherers 161 60 ff. – nach dem Tode des Versicherten 161 83 ff. – Nebenpflichtenobliegenheiten 159 147

788

– Obliegenheitsverletzungen 156 13 ff. – Obliegenheitsverletzungen in „mittelbarer Täterschaft“ 156 36 – Rückfrageobliegenheit 161 123 – Sinn und Zweck 156 4 – Übernahme durch Gefahrsperson 156 28 – Unterlassungsobliegenheit 156 35 – Verhaltensnormen 150 73 – Verhaltensobliegenheiten 156 25 – Zweck 161 83 Obliegenheitslehre 157 30 Obliegenheitsverletzungen – Außerordentliche Kündigung des Versicherers 166 13 – Kenntnis der Gefahrsperson 156 13 – mittelbare Täterschaft 156 36 – und Gefahrumstandsausschlüsse 156 13 – unrichtige Altersangabe 157 6 – vorsätzliche 166 3 Optimierungspflicht 153 156; 164 27 partielle Geschäftsfähigkeit 150 93 Pensionskassen, regulierte 150 70; 152 6 f.; 153 26; 166 6; 169 18 Pensionsrentenversicherung 167 141 Pensionsversicherung Einf 54 Persönlichkeitsrecht – allgemeines 151 22 – ärztliche Schweigepflicht 151 22 – ärztliche Untersuchung 151 2 – der Gefahrsperson 151 2 – Schweigepflichtentbindungsklausel 151 29 Pfändbarkeit – Akzessorietät 159 508 – bei Lebensversicherungsleistungen 167 11 – Pfandgläubiger 159 506 – Pfandrechtsbestellung 159 509 – Pfandreife 159 513 – Verpfändung der Versicherungsforderung 159 506 – Verpfändung einer Bezugsberechtigung 159 529 ff. – Verpfändungswirkungen 159 514 ff. Pfandgläubiger 159 303 Pfandreife 159 513 Pfändung 150 84 – als Abtretungshindernis 159 336 – Beschlag durch Arrest, Pfändung und Insolvenz 170 17 – Pfändungs- und Überweisungsbeschluss 159 439 – Pfändungswirkungen 159 441 – Umfang 159 437 – Zahlung bei Pfändung mehrerer Gläubiger 170 46

Sachregister Pfändungsbeschränkung 167 57 Pfändungsgrenzen 167 52 – bei nicht der Altersvorsorge dienenden Lebensversicherungen 167 51 Pfändungspfandgläubiger 159 303 Pfändungsschutz 167 1 ff. – Altersrenten 167 1 – Beginn des Pfändungsschutzes 167 83 – bei Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung 167 60 – bei Kapitalleistungen 167 51 – beim Deckungskapital 167 43 – eingeschränkter 167 15 – Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung 167 59 – Deckungskapital 167 42 – gegenüber Gläubigern des Versicherungsnehmers 167 31 – gegenüber Gläubigern des Versicherungsnehmers bei der Hinterbliebenenabsicherung 167 32 – Hinterbliebenenbegünstigung 167 29 ff. – Kapitalleistungen 167 50 – Kein Pfändungsschutz für noch einzuzahlende Beträge 168 82 – nach § 851d ZPO 168 84 – Pfändungsbeschränkung 167 58 – pfändungsgeschützte Rentenformen 167 20 f. – pfändungsgeschützte Versicherungsleistungen und Vermögensbestandteile 167 40 f. – Reichweite des Kündigungsausschlusses bei pfändungsgeschützten Lebensversicherungsverträgen 168 75 – teilweiser 167 94 – Umfang 167 178 – Umfang des Pfändungsschutzes 167 179 – Umwandlung bestehender Lebensversicherungen 167 64 ff. – umwandlungsfähiger Lebensversicherungsvertrag 167 68 – Versicherungsnehmer als Umwandlungsberechtigter 167 67 – Voraussetzungen 167 11, 43 – Voraussetzungen des Pfändungsschutzes 167 12 – Waisenrenten 167 21 – Witwenrenten 167 22 – Zusammenrechnung von Versorgungsansprüchen 167 48 Pfändungsverbot 159 352 Pflegerentenversicherung Einf 99 – sonstige Lebensversicherungsformen 169 48 – Unpfändbarkeit 167 52

Prä

Pflichtteilsrecht 159 533 ff. – Pflichtteilsanspruch bei geteilter Bezugsberechtigung 159 548 – Pflichtteilsberechtigter 159 533 – Pflichtteilsergänzungsanspruch – Pflichtteilsergänzungsanspruch – bei Abtretung 159 550 – Pflichtteilsergänzungsanspruch – bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung 159 538 – Pflichtteilsergänzungsanspruch – bei widerruflicher Bezugsberechtigung 159 545 Policendarlehen 159 61, 448; 165 17; 166 21 Prämie – Anfechtung von Bezugsrechtseinräumung und Prämienzahlung 159 456 – Angemessenheit und Erforderlichkeit der neu festgesetzten Prämie 163 19 – Anpassung durch Neufestsetzung der Prämie und Herabsetzung der Versicherungsleistung 163 26 – Berechnung des Deckungskapitals nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik 169 69 Prämie, Neufestsetzung 163 11, 26 Prämienanpassungsklausel 163 32 ff. Prämien- und Leistungsänderung 163 1 ff., 39 – Anpassungsversicherungen Einf 82; 163 50 Prämiendepot 168 7, 65 Prämienfreie Versicherung – Abdingbarkeit 169 180 ff. – Abtretungshindernis bei unwiderruflichem Bezugsrecht 159 305 – Anwendungsbereich 165 3 – außerordentliche Kündigung des VR 169 65 – Gegenstand der Bezugsberechtigung 159 89 – Herabsetzungsrecht des VR 163 27 – Hinweis auf die Rechtsfolge der Umwandlung 166 15 – Informationspflicht des VR 169 102 – Kündigung des VN 168 6, 59, 70 – Kündigung des VR 166 3 ff. – Kündigung der Versicherung 157 13; 159 205 – Mindestversicherungsleistung 165 18 – Pfändungsschutz 167 44 – Risikolebensversicherung 169 14 – Rückkaufswert 169 5 f. – Begrenzung 169 83 – Nichtauszahlung 169 82 – Überschussbeteiligung bei Umwandlung 153 139, 141

789

Prä

Sachregister

– Umwandlung in der Gruppenlebensversicherung und in der betrieblichen Altersversorgung 165 54 – Umwandlung in eine prämienfreie Lebensversicherung 158 16; 165 6 ff. – Umwandlungsverfahren 165 21 ff. – Durchführung der Umwandlung 165 31 – Form des Umwandlungsverlangens 165 25 – Inhalt des Umwandlungsverlangens 165 26 – Rechtsnatur 165 21 – Teilumwandlung 165 29 – Wirkung des Umwandlungsverlangens 165 27 – Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens 165 22 Prämienfreiheit 165 1 ff. Prämienkalkulation 169 69 – Berechtigung zur Prämienzahlung 159 149 – Besonderheiten der Prämienberechnung 169 70 – Einklagung 152 32 – Einmalprämie 152 20 – Einstellung der Prämienzahlung durch Minderjährigen 150 122 – Erstprämie 152 26 – Fälligkeit der Einmal- oder Erstprämien 152 20 – Genehmigung durch Prämienzahlung 150 101 – Gleichbleibende Prämie 169 71 – in der Gruppenlebensversicherung 152 34 – Jahresprämien 153 37 – keine Anfechtung der Prämienzahlungen 159 481 – keine Anpassung bei ursprünglich unzureichender Prämienkalkulation 163 24 – nicht vollständig beglichene Prämienschuld 159 449 – prämienfreie Leistung Einf 315 – Prämienkalkulation in der kapitalbildenden Lebensversicherung 153 29 – Prämienleistung durch den Bezugsberechtigten 159 178 – Prämienprimat 163 56 – Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation 169 69 – Recht des Zessionars auf Zahlung rückständiger Prämien 159 363 – Rückkaufswert als Prämienreserve 169 1 – Rückzahlung sämtlicher Prämien 150 123 – Sparprämie 153 35 – Stundung 163 74

790

– Übergang von jährlicher auf monatliche Prämienzahlung 163 76 – Verhältnis des Deckungskapitals zur Prämie und zur Versicherungssumme 169 33 – Verlängerung von Widerrufs- und Prämienzahlungsfrist 152 10 – Vollständig beglichene Prämienschuld 159 448 – Wirksamwerden der Prämienneufestsetzung und der Leistungsverkürzung 163 28 – Zillmerung 169 76 Prämienprimat 163 56 Prämienrückgewähr Einf 226; 150 23; 159 395; 167 101; 168 11; 169 19; Prämienzahlung – Anfechtung 159 456, 481 – Ansammlung Einf 188 – Anspruch auf Überschussbeteiligung 153 5 – Beitragszahlungsdauer von unter fünf Jahren 169 99 – Berechtigung 159 149 – durch Minderjährige nach Eintritt der Volljährigkeit 150 101 – Einmalprämie 152 20 – Einstellung durch Minderjährige 150 122 – Erstprämie 152 26 – Prämiendepot 168 65 – Prämienleistung durch den Bezugsberechtigten 159 178 – Rechtsfolgen der Kündigung 168 53 – Todesfallversicherung Einf 35 – Übergang von jährlicher auf monatliche 163 76 – Verlängerung von Widerrufs- und Prämienzahlungsfrist 152 10 – Verminderung 153 126 – Versicherung mit festem Auszahlungstermin Einf 39 – Versorgungsausgleich Einf 315 – Zillmerung 169 79 Probandenversicherung Einf 232 Provision – Abschlussprovision 153 50; 169 1, 77, 112 – Vermittlungsprovision 164 20, 70 – Verwaltungskosten durch den Rückkauf 169 121 – Zillmerung 169 76 Regressordnung Einf 277 ff. – Ausdehnung der schadensversicherungsrechtlichen Einf 275 – Versicherungsrechtliche Einf 277 Rentenversicherung Einf 47 ff. – Bestimmung des Ehezeitanteils Einf 319

Sachregister – einseitige Überlebensleibrentenversicherung 167 126 – Formen der Umwandlungsrentenversicherung 167 99 – gesetzliche Einf 19 – güterrechtlicher Ausgleich Einf 330 – Leibrentenversicherung Einf 48 ff.; 167 99 ff. – mit Kapitalwahlrecht Einf 311 – Pflegerentenversicherung Einf 99 ff. – Sicherungsabtretung Einf 329 – staatliche Einf 5 – Tilgungsersatz Einf 330 – Todesfall als Auslöser einer Rentenversicherung 167 90 – Überlebensleibrentenversicherung Einf 53, 62 – Umwandlung zur Erlangung eines Pfändungsschutzes 167 65 ff. – Versorgungsausgleich Einf 315 – Zeitrentenversicherung Einf 56 ff.; 167 152 ff. – Zuordnung der Anrechte Einf 310 – Zuteilungszeitpunkt der Bewertungsreserven 153 224 – zweiseitige Überlebensleibrentenversicherung 167 131 Rentenversicherung als Altersvorsorgevertrag Einf 19, 71, 171; 159 287; 167 11, 182, 190, 203 Rentenversicherung, gesetzliche – Anpassung mit Prämienprimat 163 59 – Anpassungsversicherungen 163 50 – Aufhebungsvertrag 168 62 – flexible Altersgrenze 168 62 – Hinterbliebenenversorgung 159 33 – Komplementärfunktion der privaten Lebensversicherung 159 193 – Kumulation der Leistungen Einf 306 – Mehrfachversicherung Einf 306 – Pfändungsschutz 167 19, 43 – Rürup-Verträge Einf 68 – Schichtenmodell Einf 19 – Überbrückung von Wartezeiten 152 36 f. – Verrentungserfordernis 167 19 f. – Vorruhestand 168 62 – Witwen-/Witwerrente 167 97 Rentenversicherung, private 167 2 ff., 43, 92 f. Restschuldversicherung Einf 46, 208, 152 38 ff. – Besonderheiten 152 50 – Beteiligte 152 53 ff. – fallende Versicherungssumme 152 42 – Kreditgeber 152 53, 56 ff. – Teilzahlungsgeschäft 152 41

Ris

– Verbindung mit Verbraucherdarlehen 152 41 – verbundene Verträge 152 68 Richterliche ergänzende Vertragsauslegung Einf 242; 164 10 f. Riester- und Rürup-Renten Einf 67 Riester- und Rürup-Verträge Einf 67; 167 11 ff., 182 ff. – Altersvorsorgeverträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG (Rürup-Verträge) 167 203 ff. – Altersvorsorgeverträge nach dem AltZertG (Riester-Verträge) 167 182 ff. – Anwendbarkeit der Riester-Förderung 167 202 – Besondere Informationspflichten des Versicherers 167 197 – Geschlechtsunabhängige Prämiengestaltung 167 191 – Kündigung durch Versicherungsnehmer 167 193, 214 – Kündigungsrecht 167 193 – Leistungen aus dem Rürup-Renten-Vertrag 167 210 – Ruhen des Vertrages 167 195 – Riester-Verträge Einf 67 – Rürup-Verträge Einf 68 – Schichtenmodell Einf 19 – Sonderausgabenabzug 167 206 – Steuerliche Vergünstigungen 167 185 – Zertifizierung 167 209 Riester-Rente Einf 16, 67 ff. Risikolebensversicherung 152 36 ff. – Anschlussversicherung 163 88 ff. – Bausparrisikoversicherung 152 65 ff., 74 – Kapitalversicherung Einf 34 – Restschuldversicherung Einf 46, 208; 168 31 – Risikoumtauschversicherung Einf 44, 86 – Risikoversicherung Einf 43 ff. – mit gleichbleibender Versicherungssumme Einf 43 ff., 86; 152 37; 163 81 – mit fallender oder variabler Versicherungssumme Einf 45; 152 37 – Risikozuschläge 163 96 – Teilumtausch 163 99 – Todesfallversicherung 150 28 f. – Umtauschrecht Einf 86; 163 84 – Unfallzusatzversicherungen Einf 98 – Veränderung des Versicherungsvertrages 168 85 – Wartezeiten und Fristen 163 97 f. Risikoprüfung 150 145; 152 51; 153 47, 50; 163 45, 98

791

Ris

Sachregister

Risikotodesfallkapitalversicherung Einf 64; 167 163 Risikoumtauschversicherung Einf 44; 159 289; 163 81 Risikoversicherung Einf 43 ff. R-Quote 153 176 Rückdeckungsversicherung Einf 104, 212 – betriebliche Altersvorsorge 150 68; 159 507 – Einräumung einer Bezugsberechtigung 159 55, 103, 305, 387, 542 – Verpfändung 159 512 Rückgewährquote 153 176 Rückkauf – Anfechtung 169 55 – Aufhebung des Versicherungsvertrages 169 59 – Ausübung des Rückkaufsrechts 169 46 ff. – Begriff 169 46 f. – Kündigung 169 51, 58 – Rechtsnatur 169 48 – Rücktritt 169 56 f. – Umwandlungsverlangen 169 52 Rückkaufswert Einf 315; 169 1 ff. – Abtretung 169 166 – Abzug vom Deckungskapital 169 107 – Altverträge 169 166 ff. – anerkannte Regeln der Versicherungsmathematik 169 73 – Auskehrung 152 17 – Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers 169 153 – Ausübung des Rückkaufsrechts 169 46 – Antiselektion 169 119 – Begrenzung 169 74 – bei Entgeltumwandlung 169 90 – bei fondsgebundenen und vergleichbaren Lebensversicherungen 169 99 – bei gezillmerten Verträgen 164 19 – Bekanntgabe 169 93 – Berechnung 152 14 – Berechnung des Deckungskapitals 169 62 – Deckungskapital 169 22, 3 – Empfänger 169 158 – Ermittlung 169 61 – Erstattung 152 14; 169 52 ff., 66 – Fälligkeit 169 157 – Frühstorno 169 5, 78 ff. – Herabsetzung 169 129 ff. – Intransparente Klauseln 164 19 – Kapital- und Höchststandsgarantie 169 100 – Lebensversicherungsformen 169 29 – Lebensversicherungsvertrag und Rückvergütung 170 14 ff. – Mindestrückkaufswert 169 4, 8 f., 78

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– – – – –

Nettopolicen 168 112; 169 90 partielle Garantie 169 96 Prämiendepot 168 65 Prämienreserve 169 1 Rückvergütung 150 21; 159 86, 345; 161 19, 49, 58; 162 1 – Stornoabzug 169 110 ff. – Variable Annuities 169 103 – verdeckte 154 40 – Verjährung 169 172 – Verpfändung 169 169 – verursachungsgerechte 153 91 – vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages 159 544 – Zahlung an den Gläubiger bzw. die Insolvenzmasse 170 43 – Zahlung der Rückvergütung durch den VR 170 54 – Zeitwert 169 2, 99 – Zillmerung 169 69 Rückstellung – Deckungsrückstellung Einf 40, 72; 153 21, 35, 48, 56, 115, 182, 193; 163 25; 169 22, 76 Rückstellung für Beitragsrückerstattung 153 109 ff.; 171 Rücktritt des Versicherers 157 10; 168 99; 169 63, 92 Rücktritt des Versicherungsnehmers 169 58 Rücktrittsrecht 152 19 Rürup-Rente s. auch Rürup-Verträge Einf 19, 67 ff. Rürup-Verträge Einf 68, 71, 171; 159 287 f.; 167 11 ff., 203 ff., 210 – Altersvorsorgeverträge 167 203 ff. – Ausgestaltung 167 216 – Auszahlung an die Erben 167 207 – Basisversorgung 167 203 ff.; 169 47 – Begünstigte 167 205 – Beschränkungen des Anspruchsinhalts 167 13 – BU-Versicherung 167 213 – Kündigung 167 214 – Leibrente 167 210 – Leistungen aus dem Rürup-Renten-Vertrag 167 210 – Pfändungsschutz 167 11 ff., 204; 168 84 – Selbstständige 167 205 – Vollstreckungsschutz 167 11, – Zertifizierung 167 209 Sachlebensversicherung Einf 127 Schadenersatzanspruch 159 146 – Anrechnung der Prämienreserve – des Versicherers 161 116 – gegen den Schädiger Einf 268

Einf 301

Sachregister – Zusammentreffen mit Versicherungsanspruch Einf 268 Schadenersatzpflicht 150 120 – Benachrichtigungspflicht des Versicherungsnehmers 170 70 – des Versicherers 159 262 – nach § 6 Abs. 5 VVG 165 57 Schadensereignis Einf 284; 150 128 Schadensversicherung Einf 141 ff., 207 ff., 218 – Summenversicherung Einf 275 – Versicherungsrechtliche Regressordnung Einf 277 Schuldübernahme – Wechsel der Gläubigerseite 159 274 Schuldübernahme, befreiende 170 34 Schuldübernahme durch Dritten 159 368 Schuldübernahme, private 170 62 Schweigepflicht – Beschränkungen 161 149 – des Arztes 151 21 Schweigepflichtentbindung 151 21, 26; 161 149 Selbstauslese 161 4 Selbsttötung 161 1 ff., 23 – Ablauf der Wartezeit 161 53 ff. – Anzeige- und Nachweispflichten 161 60 ff. – Arztbericht 161 150 – Ausschlussfrist s. Karenzzeit 161 7, 20 – bei schweren körperlichen Leiden 161 45 – Belegpflicht 161 97 ff. – Beweislast 161 5 f., 14, 21 ff., 38 – eigene Erhebungen des Versicherers 161 140 ff. – Einsicht in Untersuchungsberichte 161 152 – Exhumierung 161 24, 26, 151 – freie Willensbestimmung 161 1, 11, 14, 17, 27 ff., 38 ff. – Gemütserkrankung 161 27 ff., 29 – Karenzzeit 161 49 ff. – krankhafte Störung der Geistestätigkeit 161 27 ff. – Leistungsfreiheit 161 12 – Leistungsfreiheit wegen schuldhafter Beweisvereitelung 161 117 – Nachweisverlangen 161 137 – Neuabschluss 161 56 – Psychopathie, Sucht 161 32 – Rechtsfolgen 161 19 – Vertragsänderung 161 57 – Verwirkung des Versicherungsanspruchs 161 5 – Vollrausch 161 30 – vorsätzliche 161 16 Selektionssterbetafel 153 44

Tod

Solvabilität 153 215 Spartentrennung 152 41 staatlich geförderte Altersvorsorgeverträgen (Riester- und Rürup-Verträge) 167 11 ff. Sterbegeldversicherung Einf 42, 214; 150 56 Sterbekassen 153 26 Sterbetafeln Einf 7 ff., 153 42 ff. – Bevölkerungssterbetafeln 153 43 – Rentensterbetafel 153 45 – Versichertensterbetafeln 153 44 Sterblichkeitsforschung Einf 7 ff. Sterblichkeitsrisiko 153 20; 165 35; 169 2 Stornoabzug Einf 325; 169 110 ff. – Angemessenheit 169 125, 132 – Antiselektion 169 126 – Bezifferung 169 129 – Beweislast zur Höhe 164 20 – intransparente Klauseln 164 19 ff. – Prohibitiver Charakter 169 117 – Reichweite der Regelung 169 135 – Schutz der „vertragstreuen“ Versicherungsnehmer 169 119 – Vereinbarung 169 129 – Rechtfertigung 169 114 ff. Störung, krankhafte 161 27 ff. Stresstest 153 215 Studiengeldversicherung Einf 65 Stundung 168 85 – Ausgleichsforderung Einf 313 – Ratenstundung 152 48 – Ruhensvereinbarung 163 101 – Stundungszeit 163 75 – Versicherungsprämie 163 74 Summenleistungsprinzip – generelle Grenzen Einf 184, 192 Summenversicherung Einf 141 – Versicherungsrechtliche Regressordnung Einf 277 ff. Surrogatfunktion der befreienden Lebensversicherung 160 21 f. Tarife – flexible Einf 81; 159 292 – Genehmigungsfortfall 169 2 – Umtauschtermin 163 94 Tarifformen Einf 81 ff. Taschengeldparagraph 150 93 Teilhaberversicherung Einf 38; 150 143 Teilkündigung 168 54 Termfixversicherung Einf 64, 135; 150 143; 159 158; 169 48 Todesfallkapitalversicherung Einf 53, 64; 167 123, 131 Todesfallversicherung Einf 35; 150 128 ff. – Abtretungsfähigkeit 159 280 ff.

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Ton

Sachregister

– auf das Leben eines anderen 150 1 ff. – Eintritt des Todes 150 129 ff., 131; 159 497 – gerichtliche Todeserklärung 150 141 – Todeszeitpunkt 150 131 – Verschollenheit 150 136 – Versicherungsfall 150 129 – vorläufiger Versicherungsschutz 150 145 Tontinengeschäfte Einf 112 Tontinenversicherung Einf 5 Tötung durch Leistungsberechtigten 162 5 ff. – Beweislast 162 21 – Herbeiführung des Versicherungsfalles durch Bezugsberechtigten 162 15 – Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Zessionar oder Pfandgläubiger 162 19 – Rechtsfolge 162 9 – Schadenersatzanspruch des Versicherers 162 20 – Vorsatz 162 5 Treuhandverhältnis – Begriff Einf 237 – Ergänzende Auslegung des Versicherungsvertrages Einf 242 Überlebensleibrentenversicherung Einf 53, 167 120 ff. Überlebenszeitrentenversicherungen Einf 61 ff. Überschussbeteiligung 153 1 ff.; 168 79 – Abdingbarkeit 153 234 – Abrechnungsverbände 153 93 ff., 232 – Altverträge 153 28 – Analoge Anwendung auf Kapitalisierungsgeschäfte 153 24 – Anspruch 153 5 – Anspruchsberechtigung 153 143 – Anspruchsgrundlage 153 131 – aufsichtsrechtliche Eingriffsnorm 153 201 – aufsichtsrechtliche Mindestregelungen 153 175 – aufsichtsrechtliches Gleichbehandlungsgebot 153 200 – Ausschluss 153 165 ff., 231 – Ausschüttungssperre 153 207 – Auszahlungszeitpunkt 153 218 – Barauszahlung 159 85, 167, 452, 489 – Beispielsrechnung 154 1, 4, 14, 19, 26 f.; 155 4 – Beteiligungsquote an den Bewertungsreserven 153 220 – Bewertungsreserven 153 15 ff., 96 ff., 141, 168, 210, 220, 224, 228 ff. – Bewertungsstichtag 153 218 – Bezugsberechtigung 153 143 ff. – Bundesverfassungsgericht 153 2

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– Direktgutschrift 153 116 – Entstehung und Erfüllung des Anspruchs auf Überschussanteile 153 134 – Ermittlung 153 8 – EU-ausländisches Versicherungsunternehmen 153 25 – Gegenstand 153 86 – gerichtliche Überprüfung 153 208 – Höhe 153 10 – IAS/IFRS-Rechnungslegung 153 225 – Informationspflichten 153 206 – jährliche Unterrichtung 155 8 ff. – Kalkulationsgrundlagen 153 208; 155 13, 20 ff. – Kapitalbildende Versicherungen 153 20 – Kostenzuschläge 153 50 – Mindestzuführungsverordnung 153 86, 175 – Mitgliederverträge 153 160 – Modellrechnung 154 1 ff., 18, 20 ff., 26; 155 4 – Nachreservierung 153 232 – Optimierungspflicht 153 156 – partiarisches Rechtsverhältnis 153 152 – Pensionskassen 153 26 – Prämienkalkulation in der kapitalbildenden Lebensversicherung 153 29 ff. – Rechnungszinsfuß 153 30, 36 ff. – Rechtsnatur des Anspruchs 153 162 – Risiko- und Zusatzversicherungen 153 21 – Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) 153 109 ff. – Schlussüberschussanteil 153 141, 120; 169 158 – Schlussüberschussanteilsfonds 153 120 f. – Schlussüberschussbeteiligung 153 173; 169 158 – Sicherheitszuschläge 153 55 – Sterbekassen 153 27 – Sterblichkeit 153 42 – stille Reserven 153 2 ff. – Stresstest 153 215 – System 153 109 – Teilkollektivierung des RfB 153 10 ff., 77 ff., 171 ff., 190 – Überschussquellen 153 59 – Unterrichtung über die Überschussbeteiligung 155 8 ff. – Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 153 159 – verursachungsorientiertes Verfahren 153 4, 16, 103, 114, 120, 124, 171 ff., 190 ff., 227 ff. – Verwendung der jährlichen Überschussanteile 153 125 – Vorgaben des BVerfG 153 171 ff.

Sachregister – zeitnahe Überschussbeteiligung 153 80, 109, 123, 196; 164 26 – Zuteilungszeitpunkt der Bewertungsreserven 153 224 Überschussermittlung – Bewertungsreserven 153 96 ff. – Jahresabschluss 153 67 – nach Abrechnungsverbänden 153 93 – stille Reserven 153 77 – Vorsichtsprinzip 153 70 Umlagenfinanzierung Einf 15 Umlageverfahren Einf 117 – Ersetzung des Anwartschaftsdeckungsverfahrens Einf 117 – Versorgungskassen Einf 120 Umtausch 163 81 ff. – Anschlussversicherung 163 88 ff. – Höchstalter 163 91 – Risikoumtauschversicherung 163 81 – Risikozuschläge 163 96 Umtauschleibrentenversicherung 167 168, 175 Umtauschrecht Einf 86; 163 84 ff. – bei Risikolebensversicherung 159 289 Umtauschrentenversicherung 167 167 ff. Umwandlung – Auswahl der Lebensversicherungsformen 167 97 ff. – Beginn des Pfändungsschutzes 167 82 – Berichtigung des Versicherungsscheins 165 39 – einer Erlebensfallkapitalversicherung in Erlebensfallrentenversicherung 167 72 – einer Todesfall- oder gemischten Kapitalversicherung in eine Erlebensfallrentenversicherung 167 73 – Form 167 84 – Gesundheitsprüfung 167 72 ff. – in der Gruppenlebensversicherung und der betrieblichen Altersversorgung 165 50 – in prämienfreie Lebensversicherung 165 6 ff., 166 16 – keine Umwandlung nach Beginn der Vollstreckungsmaßnahme 167 177 – Leibrentenversicherung 167 142 ff. – Pfändungsschutz 167 12 ff., 32, 43 ff., 51, 60, 65, 83, 92, 95, 179 – Rechtsfolgen 167 85 – Rentenversicherung ohne Todesfallleistungen in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung 167 74 – teilweiser Pfändungsschutz 167 94 – Überlebenszeitrentenversicherung 167 159 ff. – Umtauschleibrentenversicherung 167 167 ff.

Unt

– – – – –

Umtauschrentenversicherung 167 166 Umwandlungsberechtigter 165 8 Umwandlungsverlangen 167 80 Umwandlungswerte 165 38 von Rentenversicherungen mit Todesfallleistungen in eine Rentenversicherung mit Todesfallleistungen 167 75 – Voraussetzungen 165 12; 167 68 – vorvertragliche Anzeigepflicht 167 72 ff. – Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens 167 82 – Zeitrentenversicherung 167 151 ff. Umwandlungsrentenversicherung, Formen 167 99 ff. Umwandlungsverfahren 165 17, 27 Umwandlungsverlangen – Form 165 21 – Inhalt 165 22 – Wirkung 165 23 – Zeitpunkt 165 18 Unechte Gruppenlebensversicherung 157 41; 168 100 Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung Einf 225 Unfallversicherung Einf 98, 219, 225 ff. Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr Einf 226 Unfallzusatzversicherung Einf 98, 227 unrichtige Altersangabe 157 1 ff. – Abdingbarkeit 157 23 – Anpassung der Versicherungsleistung 157 3 – arglistige Täuschung 157 17 – Beweislast 157 20 – durch Versicherungsnehmer 157 6 ff. – kein Kündigungsrecht 157 3 – Kündigung der Versicherung 157 13 – Leistungsberichtigung 157 8 – Rechtsfolgen 157 7 – Rücktritt des Versicherers 157 10 Unterhaltsverpflichtung 159 254 Unterrichtung über die Überschussbeteiligung, jährliche 155 1 ff. – Abweichungen 155 11 – Aufsichtsbehörde 155 22 – Informationsansprüche des Versicherungsnehmers 155 13 – Reichweite 155 10 – Textform 155 9 – über tatsächliche Entwicklung 155 8 Unterstützungskassen Einf 122 Unterstützungskassenversorgungszusagen 159 507 Untersuchung, ärztliche 151 1 ff. – Abdingbarkeit 151 31

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unv

Sachregister

– – – – –

ärztliches Berufsgeheimnis 151 21 Eventualklausel 151 8 Irrtümer 151 13 Persönlichkeitsrecht 151 2 Pflichtenkreis des beauftragten Arztes 151 14 ff. – Schweigepflicht 151 21 ff. – Schweigepflichtentbindung 151 23, 26 – Vereinbarung 151 3, 5 ff. – weitere ärztliche Aufklärung 151 17 unverfallbare Anwartschaft 165 56 Unverfallbarkeit – Ausscheiden des Arbeitnehmers nach Erfüllung der Voraussetzungen 168 108 – Ausscheiden des Arbeitnehmers vor Erfüllung der Voraussetzungen 168 110 Unwiderrufliche Bezugsberechtigung 159 35, 57 – Verpfändung 159 529 – Zwangsvollstreckung 159 452, 529 Valutaverhältnis 159 37, 252 ff. – Bedeutung 159 252 – Schenkung 159 190 ff. – Unentgeltlichkeit 159 480 – ungerechtfertigte Bereicherung 160 55 – Wegfall der Geschäftsgrundlage 160 55 variable Annuities Einf 71; 169 110 ff. – derivative Finanzinstrumente 169 110 – Rückkaufswert 169 110 ff., 113 – Zulässigkeit nach deutschem Aufsichtsrecht 169 111 Verbindungsleibrenten Einf 52 Verbraucherfreundliche Bedingungswerke Einf 26 verbundene Verträge – Bausparrisikolebensversicherung 152 74 – Kapitalbildende Lebensversicherung 152 76 – Restschuldversicherung und Darlehensvertrag 152 68 Vereinbarungen, abweichende – Rechtsfolge 171 5 – zum Nachteil des Versicherungsnehmers 171 4 Verhaltensobliegenheiten 156 25 Verkauf der Lebensversicherung 159 424; 167 70 Verrechnung der Abschlusskosten 169 79, 177 Vermögensbildungsversicherung 169 48, 176 Verrentungserfordernis 167 18 Verschollenheit 150 136 – Anzeigepflicht 161 85 – Begriff 150 137 – Todeserklärung 150 137

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Verschollenheitsgesetz 161 86 Verschulden – Beweisvereitelung 161 117 ff. – fehlendes 161 95 – Schadenersatzansprüche des Versicherers 161 116 – schweres Einf 302 Verschuldensunabhängigkeit 157 1, 8 versicherte Person 150 1 ff. Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall Einf 37 Versicherung auf verbundene Leben Einf 38 Versicherung mit festem Auszahlungstermin – Ausbildungsversicherung Einf 39 – Aussteuerversicherung Einf 40 – Termfixversicherung Einf 39 Versicherung ohne ärztliche Untersuchung 151 7, 10 ff., 157 18 Versicherungsbedingungen – Abschaffung der Genehmigungspflicht für Lebensversicherungsbedingungen Einf 28 – Amtliches Zeugnis über Geburtstag 161 73 – Bedingungsanpassung 164 1 ff. – der Kapitalversicherung auf den Todesfall Einf 24 ff. – Formfreiheit 159 106 – Grenzen des Erhebungsrechts 161 147 – Musterbedingungen für die Großlebensversicherung (ALB) Einf 25 – Normativbedingungen von 1909 Einf 22 – Selbsttötung 161 45 – Umtauschtermin als maßgebender Zeitpunkt 163 94 – Umwandlungsarten 165 47 – Zeitpunkt für die Wahl 163 94 Versicherungsbeginn 161 51 ff.; 163 72, 92; 167 103, 105, 167; 168 44 Versicherungsfall – Abtretungsanzeige 159 323 – Ausgestaltungen des Bezugsrechts 159 50 ff. – Beziehungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer 159 211 – Dread-Desease-Versicherung Einf 229 – geteilten Bezugsberechtigung 159 248 – Insolvenz 159 482 – Rechtserwerb beim Eintritt 159 127 – Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger Einf 267 – Tod 150 129 – Todesfallversicherung 150 128 ff. – Widerrufliche Bezugsberechtigung 159 139 – Zwangsvollstreckung 159 469 versicherungsfremde Geschäfte Einf 14, 109 f., 254, 262

Sachregister Versicherungsleistung, Anrechnung Einf 294 Versicherungsschein – Anspruch des Bezugsberechtigten auf den 159 175 – Berichtigung 165 43 – Inhaberurkunde 168 26 – Keine Aushändigung 161 72 – Keine Übergabe bei Abtretung 159 314 – Kündigungsberechtigung 168 22 – Legitimationswirkung 168 26 – Nachweispflicht 161 67 – Umwandlungswerttabelle 165 42 – und Abtretung 159 333 – Verlust 161 70 – Vorlage durch einen Dritten 161 71 – Widerrufsfrist 152 3 – Zurückbehaltungsrecht 159 532 Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit – Anspruch auf Überschussbeteiligung 153 159 – Rechtsnatur des Anspruchs auf Überschussbeteiligung 153 162 Versicherungsvertreter – Einräumung einer Bezugsberechtigung 159 103 – Empfänger der Todesanzeige 161 92 – mündliche Erklärung 159 103 – Vollmacht 159 105 f. – Zugang der Kündigungserklärung 168 49 Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost Einf 121 Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) Einf 119 Versorgungsausgleich – Bestimmung des Ehezeitanteils bei Rentenversicherungen Einf 319 – Bewertung der Anrechte aus Rentenversicherung Einf 315 – Rentenversicherung als Kreditsicherheit Einf 329 – Zuordnung der Anrechte aus Kapitallebensund Rentenversicherungen Einf 310 Versorgungskasse, Kommunale Einf 120 ff. Versorgungswerk des Arbeitgebers 160 48 Versorgungswerke, berufsständische Einf 116 ff. Versorgungszusage – Rückdeckungsversicherung Einf 104, 212 – unmittelbare 159 507 Vertrag mit Minderjährigen 150 86 – Genehmigung nach Eintritt der Volljährigkeit 150 101 – Genehmigungsmöglichkeit 150 96 – Geschäftsfähigkeit 150 87

Wid

– kapitalbildende Lebensversicherung 150 91 f. – Risikolebensversicherung 150 90 – Zustimmung gesetzlicher Vertreter 150 86, 88 Vertragsanpassung 157 5, 17; 163 38, 71 ff. – Herabsetzung der Versicherungssumme 163 78 – Stundung der Versicherungsprämien 163 74 – Verlängerung der Versicherungsdauer 163 77 – wegen Kostensteigerungen 163 109 Vertragsbeendigung 153 15, 120; 169 58, 65 Vertragsübernahme durch den Investor 159 411 Vertreter, gesetzlicher – als Versicherungsnehmer 150 47 – beschränkt geschäftsfähiger VN 159 80 – der Gefahrsperson 150 41 – Einwilligung durch Bevollmächtigten 150 50 – Genehmigung 150 96 – Geschäftsfähigkeit 150 87 – Informations- und Auskunftsobliegenheiten 156 16 – Zustimmungserfordernis 150 88 Volksversicherung Einf 11 Vollrausch 161 30 Vollstreckungsschutz – für Kapitalisierungsgeschäfte mit Vorsorgecharakter 167 62 Vorläufige Deckungszusage 150 145; 152 27, 31 Vorläufiger Versicherungsschutz 150 145 ff. Vorschlag des verantwortlichen Aktuars zur Überschussbeteiligung 153 132 Vorsichtsprinzip 153 70 ff. Vorteilsausgleichung, bürgerlichrechtliche Einf 285 ff. Vorvertragliche Anzeigepflicht 151 6; 152 64; 156 16 – erneute 165 53 – Gesundheitsprüfung 167 73 – in der Gruppenlebensversicherung 157 26 – Umwandlung 167 73 – Unechte Gruppenlebensversicherung 157 41 Wettversicherungen Einf 3 Widerruf – Abdingbarkeit 152 77 – des Versicherungsnehmers 152 1 ff. – Erstattungsgrundsatz 152 13 – Rechtsfolgen 152 13 ff. Widerrufliche Bezugsberechtigung 159 35, 298

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Sachregister

Widerrufsbelehrung 152 10, 17 Widerrufsfolgen – Erstattung des Rückkaufswerts 152 14 Widerrufsfrist – Verlängerung 152 10 Widerrufsrecht 152 12 Wiederaufleben – der Bezugsberechtigung 159 234 – der Teilversicherung 168 93 – des Vertrages 164 107 – Zurückumwandlung 154 23 Zahlungsfrist – Bestimmung und Kündigung nach § 38 VVG 159 369; 166 4, 19, 27 – Verlängerung von Widerrufs- und Prämienzahlungsfrist 152 10, 30 Zeitrentenversicherung Einf 56 f.; 167 152 ff. – auf den Erlebensfall Einf 58; 167 157 – gemischte Einf 59; 167 158 – Kombinationen 167 163 – Termfixzeitrentenversicherung 167 159 – Überlebenszeitrentenversicherung 167 160 Zeitwert der Versicherung – fondsgebundenen Lebensversicherung 169 9 – Orientierung am Zeitwert 169 106 – Pfandrecht 159 442 – Rückkaufswert 169 3, 106 Zession s. Abtretung Zessionsregress Einf 283 Zeugnis, amtliches 161 78 – über den Tag der Geburt des Versicherten 161 61, 64, 73 ff. – über die Todesursache 161 12, 102, 104 Zeugnis, anderweitiges 161 112 Zillmer 153 50; 169 76 Zillmer-Theorie 169 32 Zillmerquote 153 50

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Zillmerung 169 76 ff. – Abschlusskosten 169 90 – Ausnahmefiktion 169 85 – betriebliche Altersversorgung 169 97 – Höchstzillmersatz 153 56, 62; 169 4, 77, 85, 133 – Nettopolice 169 90 – ungezillmertes Deckungskapital 152 4, 14; 169 4, 176 Zugewinnausgleich – Bewertung der Anrechte aus Kapitallebensversicherung Einf 313 – Sicherungsabtretung einer Kapitallebensversicherung Einf 327 – Zuordnung der Anrechte aus Kapitallebensund Rentenversicherungen Einf 310 Zurückumwandlung 165 44; 166 23 Zurückweisung – der Bezugsberechtigung 159 196 ff. – Rechtsfolgen 159 203 – Zurückweisungserklärung 159 199 Zustimmungserfordernis 150 6 Zwangsgruppenversicherung 168 86 Zwangsvollstreckung – bei fehlender Bezugsberechtigung 159 437 ff. – bei geteilter Bezugsberechtigung 159 489 ff. – bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung 159 452 ff. – Insolvenz 159 447 ff. Zweckbestimmte Lebensversicherungen Einf 70 Zweitmarkt – Informationspflicht des Versicherers über die Existenz 169 85 – Verkauf gebrauchter Lebensversicherungen 159 406 ff. Zweitmarktinvestor 159 406 ff.; 168 32; 169 167