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German Pages 368 Year 2022
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1474
Vulnerabilität und Resilienz der freiheitlichen Demokratie Volkssouveränität, Marktplatz der Meinungen und andere Probleme der deutschen Verfassungsrechtsdogmatik aus Sicht der freiheitlich demokratischen Grundordnung
Von
Matthias Fahrner
Duncker & Humblot · Berlin
MATTHIAS FAHRNER
Vulnerabilität und Resilienz der freiheitlichen Demokratie
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1474
Vulnerabilität und Resilienz der freiheitlichen Demokratie Volkssouveränität, Marktplatz der Meinungen und andere Probleme der deutschen Verfassungsrechtsdogmatik aus Sicht der freiheitlich demokratischen Grundordnung
Von
Matthias Fahrner
Duncker & Humblot · Berlin
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© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18550-4 (Print) ISBN 978-3-428-58550-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Für Margaretha und Emanuel si linguis hominum loquar (et) angelorum caritatem autem non habeam factus sum velut aes sonans aut cymbalum tinniens
Vorwort Die freiheitlich demokratische Grundordnung ist die Essenz jenes Testaments, als die sich das Grundgesetz, in der Verantwortung der sozialen Zivilisation aus der Barbarei zuvor, versteht. Dieses Vermächtnis scheint, wie in der weiten Welt, auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts vielfältig herausgefordert. Zu fragen, wie sehr die altgeprägte Wohlstands-Bundesrepublik von 1949 bis 1990 in ernsthaften Krisenzeiten in diesem, ihrem Erbe ernsthaft bedroht werden kann, erweist sich als durchaus drängend. Gleiches gilt dafür, wie die Gradwanderung bewerkstelligt, gesichert, befördert werden kann, sie durch den Staat – aber auch gerade vor ihm als vor einem Leviathan mit Beschützerambition oder -propaganda – zu schützen. Die Hilferufe von Kolleginnen und Kollegen aus europäischen Nachbarstaaten im Rahmen der Europäischen Richterinnen- und Richtervereinigung MEDEL, aus Lateinamerika, zuvor Kontakte nach Afrika, in den arabischen Raum und nach Asien – alle konfrontiert mit Erosion von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, wenn nicht persönlichen Angriffen und Verfolgung – haben die Recherchen zu diesem Werk begleitet. Die persönliche solidarische Betroffenheit hat die wissenschaftlichen Kriterien bisweilen herausgefordert. Da jede personelle Objektivität – gerade wiewohl oft behauptet – Fiktion, wenn nicht Täuschung scheint, ist vielmehr zur Kritik und Nachvollziehbarkeit der hermeneutische Ausgangspunkt transparent zu machen: Die vorliegende Analyse möchte nach den bereits vorgelegten Arbeiten zum Staatsschutz- und sog. Sicherheitsrecht eine Ebene tiefer vorstoßen. Sie greift dabei eng ineinander mit einer weiteren Studie zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung (FDGO) im Strafrecht und einer zusätzlichen Ausgliederung zu Begriff, Funktion und Funktionsweise der FDGO im Sinn einer Grundsatz- als spezifischer Prinzipientheorie generell. Alle diese Analysen verstehen sich als Ausdruck der intensiven Beschäftigung mit den Problemen der Bewahrung des demokratischen Rechtsstaats gegen vielfältige Bedrohungen von außen und aus seinem Inneren heraus, namentlich auch von Eliten in Machtpositionen. Damit soll die persönliche Lehre vorläufig abgeschlossen werden aus den beruflichen Erfahrungen einerseits in den drei deutschen Staatsgewalten auf Landes- und (mit Ausnahme der Gerichtsbarkeit) Bundesebene, auf jener der EU und bei den Vereinten Nationen – andererseits im persönlichen beruflichen Kontakt, zuletzt mit Angehörigen u. a. der „Stuttgart 21-“ und „Querdenker-Szene“ und dabei namentlich den Möglichkeiten und Ausfällen von Befriedungswirkungen. Weiter Pate standen die Bande zu Freundinnen und Freunden, zwischen den Menschen über Staaten und Völker hinweg, die ihr Leben täglich dem Kampf widmen, die res publica populi als friedliche, menschenwürdige, freie, wenn nicht gerechte und solidarisch-sinnvolle rechtsstaatliche Demokratie zu erhalten.
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Vorwort
In den letzten Dekaden liegt das juristische Augenmerk weit überwiegend auf den steigenden Herausforderungen durch immer einfacher verbreiteten und wenig erkennbaren Extremismus und Terrorismus, lone wolves und vielfältigste Radikalisierungen aus den unterschiedlichsten Ecken, während soziale Kohärenz wie tradierte soziale Ausgleichs- und Kontrollmechanismen jenseits des Rechts verkümmern. Mit ersterem sind die strafrechtlichen Kategorien angesprochen, mit denen sich der Autor u. a. im Zuge der parlamentarischen Aufklärung des sogenannten „NSU“ in der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus und zur Reform der deutschen Sicherheitsarchitektur, als Dozent an einer Polizeihochschule und in Vorlesungen zum Staatsschutzstrafrecht, ebenso wie im reichhaltigen Kontakt zu den Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden sowie Staatsschutzgerichten befasst hat. Gleichzeitig legt die vorliegende Arbeit den Schwerpunkt auf die Verbindung mit Verfassungsfragen, der Demokratietheorie sowie den historischen, wirtschaftlichen, psychologischen und soziologischen Fragestellungen, die den Autor bereits seit seinem Studium und Tätigkeit in verschiedenen politiknahen Funktionen in der Legislative und Exekutive begleitet haben. Um das vor allem friedliche freiheitlich demokratische Gemeinwesen nachhaltig gegen jede immer rücksichtslosere Kurzsichtigkeit (des politischen Gefangenendilemmas1) verteidigen zu können, müssen andere gesellschaftliche Verantwortliche, die sich in diese Rolle geworfen sehen, sich auf eine widerstandsfähige Verfassung und wirksame Institutionen des Rechts berufen können. Wie diese zu gewährleisten sind, muss sich zwar nicht, wie etwa zukünftig die ökologische und die freiheitlichsoziale, zwangsläufig zur Überlebensfrage des Gemeinwesens aufwerfen. Dies liegt jedoch mit zunehmenden Konflikten aus ersterer und zunehmend dauerhafter Ohnmacht und politischer Taktik des Ausblendens aus letzterer überaus nahe. Es gehört zudem zu ihrem Wesen, dass sich diese Frage völlig plötzlich stellen kann, während die Antworten der Reflexion und Rationalität bedürfen. Ein Recht auf Ignoranz, Wegschauen und „ent-sorgender“ Delegation bleibt – trotz aller Versuchung der Irrationalität – das einzige, welches Bürgerinnen und Bürger in einer Demokratie sich nie selbst schaffen und nie beanspruchen können.2 Nur das Streben nach Aufklärung kann Freiheit erhalten. Dazu soll ein kleiner Beitrag aus Lebens-, Dienst- und Berufserfahrung, aber vor allem objektiver und als solcher prüf-, kritisier- und fortentwickelbarer Forschung geleistet werden. Aus all dem heraus schuldet der Autor großen Dank all jenen, die ihm diese Erfahrungen ermöglicht, ihn begleitet und sein Blickfeld durch Austausch und Kritik erweitert haben. Besonders hervorgehoben seien hier nur unter meinen lieben Kolleginnen und Kollegen Christoph Strecker, Ruben Franzen, Ingrid Heinlein und Thomas Guddat, wie stets VRiBayObLG a.D. Prof. Dr. Bernd von HeintschelHeinegg, Prof. Dr. Marco Mansdörfer, Senator und Ministerialdirektor a.D. 1 Vgl. Fahrner, Bündnis, S. 54 ff. m.w.N.; im Übrigen z. B. erinnernd an einen mittlerweile zurückgetretenen „jugendlich-schwiegersöhnlichen“ österreichischen Bundeskanzler. 2 Erinnert sei an jenes „right to ignorance“ von Sir Humphrey Appleby.
Vorwort
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Dr. Herbert Zinell, weiterhin gleichermaßen Freundinnen und Freunde, wie namentlich etwa Maik Banach, Felix Henn, Simon Letsche, Johanna Molitor, Marco Pilic, Roland Otte, Sabine Sprywald, Michael Weller und die Crews meiner verschiedenen Stationen namentlich im BMJV und der Landesvertretung. Weiterhin gilt für das Lektorat und die intensive kritische Durchsicht der vorliegenden Arbeit ganz besonderer Dank Arne Hartig, Hans Jörg Fahrner und dem Verlag Duncker und Humblot. Vor allen anderen aber möchte ich mich bei „meiner Triple-M“ und „Projekt M.“ sowie meinen Eltern für ihre dauernde Unterstützung, Nachsicht und so viel mehr bedanken. Gleiches gilt für unsere beiden Familien und Freunde. Einige wesentliche Teile sind in der Zurückgezogenheit am Rande von Familienfeiern und im sommerlichen Klimaasyl im Schwarzwald entstanden, und wären daher ohne viel Verständnis und Unterstützung nicht möglich gewesen. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand vom 30. November 2021. Alleine aus Gründen der Lesbarkeit wurde das generische Maskulinum gewählt; es sollen, sowie im Zusammenhang ersichtlich, Akteurinnen und Akteure aller Geschlechter und Orientierungen jeweils damit mit umfasst sein. Stuttgart, den 30. November 2021
Matthias Fahrner
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Einführung in die Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Fragestellung und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Vorgehen, Methodik und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Die freiheitlich demokratische Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Funktionsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Pluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 c) Fortschrittlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 d) Friedlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Ein pluralistisch-subjektivistisches Strukturmodell der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Regulatorische Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Ressourcenmäßige Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Rationale Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. Informationelle Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5. Sittliche Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 C. Freiheitliche Demokratie in der Verfassungsrechtsdogmatik als Grundproblem der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Ausgangspunkte der demokratischen Autonomie und Souveränität . . . . . . . . . . . . 53 II. Das Konzept der Volkswillenssouveränität nach der Staatslehre von Schmitt und Böckenförde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. „Leerstelle des Volkswillens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Identität von Volk(-swille) und Staat(-sgewalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Absolutheit des Volkswillens, Rechtsstaat und pouvoir constituant . . . . . . . . . . 59 III. Auslegung von Artikel 20 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Grammatikalische und systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
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Inhaltsverzeichnis 2. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Aufnahme in das Grundgesetz und Vorläuferdiskussionen zur Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Identitärer Volkswillensabsolutismus in der historischen politischen und verfassungsrechtlichen Realität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Tradition der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Ungeeignetheit eines Konzepts absoluter Volkswillenssouveränität aus Art. 20 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Widersprüche der Theorien der Volkswillenssouveränität in sich und mit dem Normbestand des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Unvereinbarkeit der neo-identitären und neo-absoluten Demokratielehre mit der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4. Folgerungen für die Auslegung von Art. 20 II GG im Einklang mit der FDGO
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Demokratie als prozedurale Rationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Legitimierung der Demokratie, Volk und Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Prozedurale Rationalisierung und Strukturierung demokratischer Prozesse . . . 97 3. Folgerung: Willensbildung und Meinungsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Rationalitätsprobleme der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Marketplace of Ideas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Psychologie der Massen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Ansatz der rationalen Freiheit und subjektiven Rationalität . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4. Hauptangriffspunkte extremistischer Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5. Aktuelle Anfälligkeiten der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Demokratischer Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Horizontale Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Entscheidungsregeln, Mehrheit und Einstimmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Allgemeinheit, Offenheit und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Demokratische Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4. Demokratische Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Vertikale Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Notwendigkeit und Grundlagen vertikaler Delegation und Rückbindung staatlicher Herrschaftsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Rückkopplungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
Inhaltsverzeichnis
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3. Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4. Rolle des Parlaments und ergänzende formale plebiszitäre Elemente . . . . . . . . 178 5. Mittelbare formale Rückkopplung und Legitimationskette . . . . . . . . . . . . . . . . 181 6. Demokratische Rückkopplung und Legitimation der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Kernproblem aus Sicht der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Außenpluralität und Modelle politischer Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4. Ergänzungen, namentlich Binnenpluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Grundrechtlicher Schutz demokratischer Meinungsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Überblick und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Ausprägungen des Schutzes – einzelne Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) Zugangsregulierung und Zensur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Hoheitliche Eingriffe in die demokratische Meinungsbildung . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Rahmen zur Beschränkung der Kommunikationsgrundrechte . . . . . . . . . . . . 233 b) Funktionale Schranken-Schranken-Dogmatik des BVerfG namentlich zur Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 d) Diskussion in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 e) Eigenes Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Staatliche Beiträge in der demokratischen Meinungsbildung . . . . . . . . . . . . . . . 283 F. Schluss: Strukturierung von Vulnerabilitäten und Schutzbedarf der freiheitlichen Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 I. Methodische Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 II. Vulnerabilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 1. Ausgangspunkt des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Festgestellte Vulnerabilitäten und ihre Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 III. Resilienzen und Lösungen der Vulnerabilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 I. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Abgekürzt zitierte Kommentare und Handbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
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Inhaltsverzeichnis III. Weitere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
A. Einleitung I. Einführung in die Problemlage 1. Die freiheitliche Demokratie ist bedroht, weltweit ebenso wie bei uns. Selten seit 1945 musste die Brisanz der im vorliegenden Kontext untersuchten Fragestellung, letztlich nach ihrer Überlebensfähigkeit, aus der globalen Alltagswahrnehmung so wenig begründet werden. Resilienz und Vulnerabilität, Widerstandsfähigkeit und Verletzbarkeit, auch gerade des freien demokratischen Gemeinwesens werden immer stärker thematisiert – Tagungen und Einzelveröffentlichungen beschäftigen sich mit ihnen jedenfalls in der Sache, wenn nicht entsprechend tituliert.1 Meist sind sie fokussiert auf Aspekte gesellschaftlicher Sicherheit,2 mittlerweile jedoch auch jenseits von („Natur-“) Katastrophen.3 Die freiheitliche Demokratie, als die sich unser staatlich verfasstes Gemeinwesen der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union und der Welt betrachtet, erweckt jedoch mit Blicken auf die Vergangenheit den Eindruck, ebenfalls – wenn nicht aktuell vorrangig – in politischer Hinsicht verletzbar und bedroht zu sein, namentlich durch Unfrieden, Populismus und Extremismus. Zusätzlich wird im globalen Maßstab ein „Sterben der Demokratien“,4 eine Rückkehr autoritärer, wenn nicht totalitärer Regime von vielen beobachtet.5 Indem die Wahrnehmungen in vielem jene weitsichtigen Analysen vor allem von Löwenstein in den 1930er Jahren ins Gedächtnis rufen,6 schaffen sie weitere Grundlagen der Befürchtungen, Ge1 Vgl. auch etwa die BKA-Herbsttagung 2021: Stabilität statt Spaltung: Was trägt und erträgt die Innere Sicherheit?. 2 Vgl. etwa die 6. KatNet Tagung 2012: „Resilienz und Vulnerabilität – Welchen Nutzen haben die Konzepte für das Katastrophenmanagement?“ mit zahlreichen grundlegenden Beiträgen zur theoretischen Klärung; weitergehend zur allgemeinen Sicherheit gegen vielfältige Bedrohungen etwa den Konferenzbericht der Gründungskonferenz des Freiburger Centre for Security and Society von 2010 von Gander u. a. (Hg), Resilienz. 3 Vgl. etwa Edler, Haltung; Kahrs/Falkner, Corona, S. 13 ff.; Roose/Sommer/Scholl, Zivilgesellschaft; Zettl, Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 12 (2020), 429 ff. 4 Levitsky/Ziblatt, Democracies. 5 Aus Gründen der Lesbarkeit wird vorliegend weiterhin einheitlich die generische maskuline Form verwendet und umfasst sämtliche Geschlechter gleichermaßen. 6 Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 ff.; 638 ff.; ColLRev 38 (1938), 591 ff.; 725 ff.; vgl. dazu etwa Boventer, Grenzen, S. 26 ff., 60 ff. m. w. N.; Papier/Durner, AöR 128 (2003), 340 (346); wie sehr diese Analyse weiterführend war, zeigt etwa die gewisse Hilfslosigkeit wohl vor der Rezeption z. B. von Leibholz, DV 1 (1948), 73 ff. gegenüber der gemutmaßten Bereitschaft der Mehrheit des Volkes „Selbstmord zu vollziehen und sich im Namen von Freiheit und
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A. Einleitung
schichte könne sich doch in der einen oder anderen Form wiederholen, jedenfalls für jene, die sich ihrer nicht erinnern: „And when experience is not retained, as among savages, infancy is perpetual. Those who cannot remember the past are condemned to repeat it.“7 Sucht man nach derartigen Vergleichbarkeiten, scheint man ebenfalls leicht fündig zu werden: Erneut erlebt die Zeit anscheinend in mehreren Dimensionen „kollektive Depressionen“. Die letzte globale Euphorie einer positiven neuen Weltgemeinschaft um die friedlichen Revolutionen 1989/1990 (trotz etwa der Auflösungskriege im früheren Jugoslawien und des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens) und der damit verbundene positive Idealismus stürzte 2001 jäh in sich zusammen und begrub viele Hoffnungen unter kollektiven Ängsten bis hin zu psychotischen Bildern neuer globaler Kriege und Freund-Feind-Denkens. Nicht anders scheint es den Verheißungen eines „Gier-Kapitalismus“ mit jenen Glaspalästen der Finanzinstitute, aus deren Chefetagen zwar wenige selbst abstürzten, wie dies noch 1929 der Fall war. Umso mehr bleiben bei vielen die Aufnahmen jener neuen „Hütten“, die Subprime und Währungs- und Finanzunion verursachten, als Boten der rücksichtslosen Wirtschaft und ihrer Verbindung mit der Politik haften, auch gerade in der Wahrnehmung Deutschlands unter seinen europäischen Partnern. Ein „Frieden dieser Hütten“ gegenüber den sie überragenden Palästen scheint auch in einer hessischen Metropole vielen ferner denn je. Mediale Wahrnehmung erfahren diese nicht oder kaum – hingegen jene, für das Wirtschafts- und Sozialsystem mutmaßlich harmlosere, gar vermeintlich pittoreskere Ventile eines Zorns von selbsternannten „Wutbürgern“: in bereits „folkloristisch traditionalisierten“ Aufbegehren gegen längst zuvor verfahrensmäßig geplante und alsbald vollendete Bahnprojekten „per se“ (statt deren aktuelle wirtschaftliche Umverteilungs- und sozialen Wirkungen), als „Reichsbürger“ oder gar noch aggressiver gegenüber angeblicher „Überfremdung“ vor allem in Gebieten geringster Zuzugsanteile.8 Aktuell auf der Agenda steht jedoch vor allem eine Spaltung der Gesellschaft durch die Folgen der Sars II-Covid 19-Pandemie, die ihrerseits Parallelen mit der Spanischen Grippe als letzter größerer Seuche aufzuweisen scheint. Wie damals, scheint „Corona“ zu weiter, psychologisch erklärbaren Verdrängung der überall, in jeder Begegnung lauernden tödlichen Gefahr und teils Verleumdung des so vielfachen Sterbens zu führen9 und darin ein nicht zu unterschätzendes Einfallstor der Manipulierbarkeit und Massenpsychologie darzustellen.10 In den deswegen zeitweise Vernunft eben diesen zu begeben“; vgl. auch für das Folgende zu den Problem- und Diskussionslagen aktuell zusammenfassend Hacke, Existenzkrise, 11 ff., 40 ff. m. w. N. und passim. 7 Santayana, Reason, S. 284, letztere Satz als Inschrift unter anderem am Besucherzentrum des Konzentrationslagers Auschwitz. 8 Vgl. auch Roose/Sommer/Scholl, Zivilgesellschaft, S. 1 ff., 9 ff. 9 Vgl. zum Bezug zur demokratischen Resilienz etwa jüngst Kahrs/Falkner, Corona sowie zahllose Veröffentlichungen unter politik- und rechtswissenschaftlichen Gesichtspunkten aus den Jahren 2020/2021. 10 Vgl. auch unten D. II. 2.
I. Einführung in die Problemlage
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höchst symbolhaft (und) real geschlossenen Grenzen, aber auch mediengetriebenen nationalen, wenn nicht chauvinistischen und fremdenfeindlichen Abschottungen treten alleine jene Nationalinteressen gegen die paneuropäische und kosmopolitische Idee hervor, wie etwa im Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Wertvorstellung der Menschenwürde scheint erneut auf dem Rückzug gegenüber unbarmherzigem biologischem und sozialem Darwinismus sowie Utilitarismus, dem Ausblenden von Endlichkeit wie dem Wert individuellen Lebens, verbunden mit einem herrschenden und um sich greifenden technischen Bürokratismus. Dagegen und angesichts einer als gefährlich überfordernd wahrgenommenen Umwelt wird – trotz und wegen manchen ausschreitenden Protests – von staatstragenden Schichten ein restaurativ gesichertes Biedermeier gelebt, abgesichert durch das Wegschauen gegenüber den Problemen und den Gefahren gerade in der Art, wie sie einfachen „Lösungen“ zugeführt werden sollen. Die warnende Erinnerung der vorangehenden großen Katastrophen – zuvor jener des europäischen Blutzolls der napoleonischen Eroberungs- und der bismarckschen Einigungskriege, heute zusätzlich der beiden Weltkriege und des Unfassbaren bis Auschwitz – wird verklärt und verdrängt, oder aber zunehmend in „Judensternen für Ungeimpfte“ relativiert und verharmlost. 2. Weit über diese in Teilen spezifisch deutsche Wahrnehmung wirkt weltweit die friedliche, liberale, plurale und rechtsstaatliche Demokratie auf dem Rückzug, jedenfalls – wie im Bild der „militant democracy“ – in erzwungener und bedrängter Verteidigungsstellung. Global wird beobachtet, wie sich die Gesellschaften – ungeachtet der Errungenschaften der Gemeinsamkeiten – immer unüberbrückbarer politisch zerteilen lassen, in (nicht selten medial hochgespielte) Grundfragen wie Brexit oder „the big lie“, wie zuvor in religiösen und weltanschaulichen Gegensätzen, oder auf der Suche nach neuen Heilsbringern gegen Not, Armut oder Angst. Unter ihren Bürgerinnen und Bürgern können sich anscheinend die zentrifugalen Kräfte der Extreme immer weiter ausbreiten; sie können die unabdingbare Vergewisserung des notwendig Einigenden im politischen Kampf, populistisch mit jener Irrationalität überwinden, die wiederum auf Löwensteins klassische Faschismustechniken zurückführt. Jener „Trumpismus“, welchen dessen offizielle und inoffizielle Botschafter in Europa und sonst in der Welt verbreitet haben, setzt nur jene westliche Leitkultur der USA fort, verschleiert jedoch auch ganz eigene jeweils nationale Bestrebungen. Unterschiedlichste irrational-esoterische Gruppen mit extremen politischen Zielen, gedacht international nur exemplarisch an Q-Anon, finden auch im heutigen Deutschland wieder starken Zulauf, ebenso wie rassistisch-nationalistische neuheidnische Bewegungen. Einzelne Ausleger erzeugen mit zunehmender Eskalation Potential bis zur letzten Station des mordenden Terrorismus (wie in so zahllosen etwa rechtsterroristischen Taten – seit dem sog. „NSU“, nur exemplarisch als Täter von Halle und Hanau, des Münchener Olympiaeinkaufszentrums wie des Oktoberfests, international wie etwa Ausonius, Breivik, Copeland, Davison oder Duke der Öffentlichkeit bewusst) durch anfällige Überzeugungs- bzw. pathologisierte eigenständig ausführende Werkzeuge (etwa der Wehrsportgruppe Hoffmann, der Soldiers
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A. Einleitung
of Odin, des „Heimatschutzes“, wie in den 1920er Jahren der Einfluss auf etwa die rechtsextremen Organisationen Consul, Wikingbund, Wehrwölfe, Stahlhelm u. v. m. als Verbindungsglied der extremen völkischen, antisemitischen, großdeutschen und neuheidnischen Bewegungen des ausgehenden Kaiserreichs zur NSDAP mit ihren zahllosen Morden und Anschlägen). Der Autoritarismus gewinnt – von einer Entwicklungs- bis zur Sicherheitsdiktatur – ähnliche Faszination wie in der Zwischenkriegszeit. Damals stürzten die Demokratien in Europa und der Welt wie Dominosteine nach und nach – heute wirken selbst in der Europäischen Union nicht wenige Mitgliedsstaaten zumindest nachhaltig und stark gefährdet. Der Gedanke des devided we fall und die historische Lehre treiben allem Anschein nach die nationalen demokratischen Führungseliten auch in Europa jedoch vor allem global, bei weitem (noch?) anscheinend zu wenig, um die nach dem zweiten Weltkrieg genau dazu gebildeten Abwehr- und Gegenmechanismen rückhaltlos einzusetzen und zu verstärken. Manche Gegentrends, wo zumindest noch freie, wenn nicht faire Wahlen stattfinden, bleiben so zu erhoffen und lediglich von der jeweiligen nationalen und von der globalen Zivilgesellschaft zu betreiben. 3. Demokratien sterben heute nicht mehr in blutigen Revolutionen. Trotz großer Anfälligkeit für chaotische Entwicklung erwecken die komplexen, bürokratischen Großgemeinwesen bisher den Eindruck, sich nicht – zurückfallend hinter Hobbes – bis zu einem finalen Bürgerkrieg destabilisieren zu lassen. Praktisch erfolglos11 haben sich die Wege des gewaltsamen Umsturzes durch Aufruhr wohl seit dem 9. 11. 1923 erwiesen (bestätigt im US-amerikanischen Sturm auf das Kapitol am 6. 1. 2021), obwohl auf ihn noch immer viele dieser Gruppen hoffen und abzielen.12 Stattdessen werden Demokratien erfolgreich heute vergiftet, gemeinsam mit den Grundlagen der Rationalität, der Wahrheit und Rechts bzw. Rechtsstaats, die sie notwendig tragen müssen. Die Mittel haben sich in Feinheit und Subtilität meist weit fortentwickelt – fort von der alleinigen stumpfen Militarisierung und Hass-Emotionalisierung des klassischen Faschismus, die Löwenstein schon schilderte. Aber ebenso auch in der Technik entfernt von der offeneren Propaganda eines ebenso demokratiefeindlichen leninistisch-stalinistischen Kommunismus. In ihrem Kern bleiben sie gleichwohl identisch. Unübersehbare Bevölkerungskreise scheinen verschiedenen Strömungen, etwa zuletzt in vielen Staaten der Corona-PandemieLeugner, zuvor in Deutschland der „Reichsbürger“, als selbsternannte „Wutbürger“ anfällig gegenüberzustehen. Nicht wenige darunter sind für einen Entwicklungstrichter immer weiterer Radikalisierung bereit, die zuvor vor allem aus den klassi11 Mit Ausnahme in Europa vor allem der Errichtung der faschistischen Diktatur Francisco Francos. 12 Die Rechtsextreme darunter vor allem seit dem Ku Klux Klan und etwa nach den TurnerTagebüchern, darunter nur besonders auffallend der „NSU“ und viele „lone wolves“ ganz unbekannter Radikalisierung, wie zuvor etwa des Links- und Rechtsextremismus, etwa auch der RAF, der Revolutionären Zellen oder der Bewegung 2. Juni, der Organisation Hoffman u. v. m., was hier im Einzelnen nicht ausgeführt werden kann.
I. Einführung in die Problemlage
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schen Extremismus-Bereichen kommunistisch-anarchistisch, nationalistisch-rassistisch und religiös bekannt waren. Hinzu kommen die Einflussnahmen ausländischer Regierungen mit den Zielen, die westliche Demokratie sowohl nach Kräften zu manipulieren und zu delegitimieren, als auch im Vergleich zu ihren unfreien und undemokratischen Herrschaften zu nivellieren. Getrieben scheinen alle diese Gruppen, die sich in den in ihnen stattfindenden Radikalisierungsprozessen in dessen Stadien, kaum Richtung unterscheiden, vom Gefühl der Ohnmacht und der Desintegration, auf die unten weiter einzugehen ist.13 Die geschilderten weitergehenden inneren Faktoren der aktuellen Demokratiekrise wirken bei historischer Reflexion ebenfalls nicht neu. Institutioneller Rahmen und Personenverbandsbeziehungen von Familiendynastien, pluto-kleptokratischer Korruption, karrieristisch-beflissener Gefolgschaft und emotionaler Feindschaft ergänzen sich, seitdem politische Gemeinwesen historisch greifbar werden. Einem kurzsichtigen unbedingten Streben vom Politiknachwuchs bis zu Staats- und Regierungschefs nach Macht zu Selbsterhalt und Selbstverwirklichung um jeden anderen Preis begegnet als eine weitere Konstante, ebenso wie die im Sinnspruch ausgedrückte Beobachtung, dass nicht nur die Lüge um die Welt gelaufen ist, bevor die Wahrheit ihre Rüstung angezogen hat. Vielmehr wirkt der Vorsprung der Skrupellosen und auf den Machtgewinn Spezialisierten gegenüber den nach Politik als Mittel zur Durchsetzung sachlicher Zwecke, nach sozialer Substanz Strebenden im Normalfall uneinholbar. Die Risiken der Informationsgesellschaft vor Skandalisierung bringen aber heute nicht selten besondere Formen jener Catilinas hervor, während „normale“ Bürger von hervorgehobener Partizipation durch Mandat und Regierungsamt erfolgreich und folgenreich abgeschreckt werden. So mag sich der erhoffte homo novus auch nur immer als neu angelegter, noch hungrigerer Principe erweisen, vor allem wenn er antritt, um „die Korruption auszutrocknen“ oder begleitet von der ständigen Forderung, Jüngere, Unverbrauchte (und damit noch Unerfahrenere, Abhängige und Formbare) müssten doch jetzt in die Politik. Mit jeder Generation hat allerdings anscheinend die Professionalisierung von Politik und Parteien und die Bedeutung auf das Machtmanagement spezialisierter Beratung und dadurch Beeinflussung wirkungsmächtiger Interessen signifikant zugenommen. Dagegen waren, seit es Medien gibt, diese primär von Eigeninteressen geleitet, nicht prägend etwa verantwortungs- und nur sekundär wahrheitsorientiert.14 Die vierte Gewalt stellt sich von der kleinen Lokalzeitung vor Ort bis zum global agierenden Nachrichtenimperium und mit jeder Meinungs-, wenn nicht Willensfeststellung „des Volkes“ als Faktor der Eigenmacht dar. Zur neuen Gefahr wird dies vor allem vor dem Hintergrund nicht nur eines medialen Wandels durch das Internet, der jenem zum Buchdruck in Komplexität und Ausmaß gleichkommt. Mutmaßlich zentral entfallen dazu einerseits Formen einhegender und gegensteuernder realer Kommunikation institutioneller und personeller Autoritäten, wie etwa Kirchen oder 13 14
Vgl. unten B. I. 2. d). Vgl. ausführlich zum Ganzen unten D. II. 5. und E. III.
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A. Einleitung
Honoratioren vor Ort, nicht zuletzt ebenfalls stark medial befördert. Andererseits dominieren als Alternative asymmetrische Informations-, Kommunikations- und Propagandaformen immer stärker. Den tradierten Medienformen mit intensivierter ökonomisch geprägter Selbstbeobachtung und inhaltlicher Kongruenz gegenüber treten neue Multiplikations- und Verstärkungsformen. Die Komplexität der topics, Meinungen und Probleme sowie deren Geschwindigkeit droht die Demokratie dauerhaft ebenso wie Segregationen der Öffentlichkeit zu überfordern. Das Dilemma verschärft sich, einerseits die notwendige Freiheit von Kommunikation und Medienformen gegen direkten Missbrauch durch die den Staat Beherrschenden zu bewahren, anderseits wirksame staatliche Eingriffe nicht zu versperren, wo diese erforderlich sind, weil eine Selbstregulierung erkennbar scheitert. Das Gegenbild heute zur Demokratie – außer in einzelnen asiatischen Systemen mit kommunistischer Tradition in unterschiedlichen Wellen – ist nur selten der total kontrollierende Staat, sondern die autoritäre Herrschaft in einer kontrollierten formalen Scheindemokratie. Sie toleriert die kaum beherrschbare Komplexität der individuellen Freiheit in Bereichen, die ihrer Macht nicht gefährlich werden. Gleichzeitig verhindert sie eine ernsthafte Gefährdung dieser Herrschaft durch verschiedenste Mechanismen, durch konstitutionelle (und andere) Mittel. Mit dem Vorwand der Sicherheit anderer Güter und Werte – etwa der Ordnung im Staate, dessen Überleben oder des Wohlstands des Volkes – immunisiert sie sich zusätzlich ideologisch-propagandistisch gegen jenen friedlichen Wandel, welcher der Demokratie eigen ist, wie Popper ihn so treffend beschrieben hat.15 Allerdings sind damit die Grenzen zu den Absicherungstaktiken demokratischer Politiker gegen Abwahl fließend, es handelt sich um eine kaum eingrenzbare Skala, die etwa die Diskreditierung von inner- und außerparteilichen Konkurrenten, die Einschüchterung damit, die Manipulation von Medienberichterstattung und Demoskopie usw. mit umfasst.
II. Fragestellung und Forschungsstand 1. Aus diesen im Weiteren eingehender zu analysierenden Problemen stellen sich die Fragen nach jener der Vulnerabilität und Resilienz der freiheitlichen Demokratie am Beispiel der bestehenden politischen und konstitutionellen Ordnung in Deutschland. a) Beide Begriffe können als Gegenpaar verstanden werden: Unter den Begriff der Resilienz fassen zunächst vor allem die Psychologie und benachbarte Humanwissenschaften die Widerstandskraft, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende 15
Popper, Gesellschaft, S. 149; ders., Society, S. 118: „consists of governments of which we can get rid without bloodshed – for example, by way of general elections; that is to say, the social institutions provide means by which the rulers may be dismissed by the ruled, and the social traditions ensure that these institutions will not easily be destroyed by those who are in power.“
II. Fragestellung und Forschungsstand
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Beeinträchtigung zu überstehen.16 Sie birgt auch Komponenten der Elastizität, also flexibel ggf. aus einem festen Kern heraus reagieren zu können und dadurch nicht zerbrochen zu werden. Sozialwissenschaftlich stellt sie die Frage, wie weit Gesellschaften gegen Katastrophen, grundlegende Störungen und Bedrohungen, seien sie unmittelbar aus der Natur oder von Menschen verursacht, Widerstand leisten und sich von Beeinträchtigungen regenerieren können.17 Aus den Ingenieurwissenschaften tritt der Aspekt hinzu, wieweit ein Gesamtsystem beim Ausfall von Teilen selbst nicht versagt.18 Die Vulnerabilität fragt demgegenüber empirisch nach Schwachstellen, die ein System beeinträchtigen können, sowie nach dem Maß, das die Beeinträchtigung annehmen kann und mit welchen Wahrscheinlichkeit solche schweren Schäden eintreten können.19 Normativ kann ihre Konkretisierung als Vorarbeit zur Stärkung der Resilienz auf ein zum Systemerhalt gebotenes Maß dienen. b) Als eine weltweite Besonderheit sieht die deutsche Verfassungsordnung seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht nur den Schutz einzelner Verfassungsbestimmungen vor einer legalen Änderung und Aufhebung, sondern ein komplexes, umfassend gezieltes Instrumentarium vor, um einen Rückfall in eine Gewalt- und Willkürherrschaft zu verhindern. Durch die freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) wurde mit dem Grundgesetz ein besonderer Kern und Anker als „ewiges Erbe“ mitgegeben, der maßgeblich die Resilienz der Verfassung gewährleisten soll gegen alle wiederkehrenden und neuen Formen jener Willkür und Gewalt des nationalsozialistischen Regimes, Massenmord und nie erahntem Tiefpunkt der Menschlichkeit. Vorbehaltlich weiterer Klärung auch gegenüber den hier mit Bedacht nicht allgemein verwendeten Begriffen der streitbaren und wehrhaften Demokratie20 kann die FDGO als direkte Lehre aus der „militant democracy“ von Löwenstein und den Erfahrungen mit dem einstweiligen Sterben der deutschen Demokratie im Jahr 1933 verstanden werden. Durch die drei mit einander verschränkten Komponenten der Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ergeben sich wiederum Wechselbezüge zu ähnlichen Ansätzen im Rahmen der Europäischen Union in Art. 2 EUV sowie mit dem Völkerrecht. 2. Vorliegend soll ein Beitrag zu den konkreten verfassungsrechtlichen und -politischen Leitfragen geleistet werden, ob, an welchen Punkten und in welchem 16
Vgl. etwa Rutter, Adversity, S. 13 ff. Gunderson/Holling, Panarchy, S. 4, 28. 18 Vgl. etwa Wink, Resilienzforschung mit den enthaltenen Beiträgen, namentlich von Scharte/Thoma, Resilienz, S. 123 ff. zur ingenieurwissenschaftlichen Perspektive. 19 Vgl. etwa Chambers, IDS Bulletin 20 (1989), 1 ff.; Zirfas, Vulnerabilität. 20 Siehe unten B. I. sowie die anstehende weitere Publikation spezifisch hierzu; dabei kann soweit dem BVerfG gefolgt werden, dass es sich bei der streitbaren Demokratie weithin nur um einen topos, kein eigenes Rechtsprinzip oder Rechtssatz mit eigenem normativem Gehalt handelt, auf die Besonderheiten der wehrhaften Demokratie im Dienstrecht staatlicher Amtsträger und besonderer Vertragspartner muss und kann hier ebenfalls nicht eingegangen werden; vgl. illustrativ etwa Dettling, Demokratie. 17
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A. Einleitung
Ausmaß die freiheitliche Demokratie der Bundesrepublik Deutschland nach den Funktionsanforderungen der FDGO im Rahmen der bestehenden Verfassungsrechtsordnung und -dogmatik gefährdet ist. Weiterhin soll betrachtet werden, welche Sicherungen und Gegenmechanismen gegen diese Gefahren bestehen und durch Korrekturen in der Verfassungsdogmatik und Recht gestärkt werden können und ggf. müssen. Ausgespart werden allerdings im vorliegenden Beitrag gerade jene formalen Mechanismen, die hier wohl erwartet würden, welche den (formalen) Kern des Schutzes der FDGO bilden:21 Einerseits jene Eingriffsmöglichkeiten des Verfassungsrechts und unmittelbar anknüpfenden Rechts der Gefahrenabwehr etwa des Nachrichtendienst- und Dienst- sowie allgemeinen Polizeirechts. Dazu zählen auch der Änderungsschutz des Verfassungskerns nach Art. 79 III GG, sowie die mehrfach vorgelagerten verfassungsunmittelbaren Sicherungs- und Abwehrmechanismen, namentlich nach Art. 9 II, 18, 21 II – IV GG. Die genannten Instrumente sollen anderweitig als eigentlicher Schutzbereich der FDGO konzentriert untersucht werden, um vorliegend den Rahmen der Untersuchung nicht gänzlich zu sprengen.22 Dies ist vertretbar, da viele der genannten Mittel ohnehin nur in besonderen Krisensituationen zur Rettung als letzte Anker eingreifen können, bzw. diese z. B. durch ein Parteiverbot oder im Rahmen des Staatsschutzstrafrechts, vorbereiten. Ob sie dann allerdings überhaupt noch politisch und rechtlich eingesetzt und wirksam werden könnten, oder die rechtsstaatliche Demokratie bereits zu schwach wäre, sind wiederum die zentralen Fragen der allgemeinen Vulnerabilität und Resilienz, um die es vorliegend im Kern geht. Aufgenommen werden die Schutzmechanismen der FDGO 21 Bereits seit seinem Inkrafttreten nennt das Grundgesetz sie als materielles Tatbestandsmerkmal bei der Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG) beim Verbot und nunmehr weiterer Sanktionierung widerstreitender Parteien (Art. 21 II, III GG) sowie den interterritorialen Einsatz landesfremder Polizei (Art. 91 I GG). An Stelle des Begriffs verwendet Art. 98 II 1, Alt. 1 GG – singulär im Verfassungstext – den Ausdruck der „Grundsätze des Grundgesetzes“. In Art. 9 II GG schließlich findet sich demgegenüber das Merkmal der verfassungsmäßigen Ordnung, welches an anderen Stellen, namentlich Art. 2 I Var. 3, 20 III, 20a, 28 I 1, III, 98 II 1 Alt. 2 GG genannt ist. Das Verhältnis zur FDGO ist bei beiden klärungsbedürftig, erst recht der Bezug in Art. 20 IV GG auf „diese Ordnung“. Später ergänzt, dient die Bezeichnung der FDGO als ein Bestandteil zur Definition des materiellen Verfassungsschutzes, der als Schutz eben der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes im Kontext der Begründung der Gesetzgebungskompetenz für die dazu dienende föderale Zusammenarbeit (Art. 73 I Nr. 10 b) GG und folgend Art. 87 I 2 Var. 4 GG) legaldefiniert ist. Ferner eröffnet er erweitert den Einsatz bundeseigener Polizei- und als ultima ratio der Streitkräfte zur Abwehr einer drohenden Gefahr (Art. 87a IV 1, 91 I GG). Wie letzteres seit der „Notstandsgesetzgebung“ von 1968, legitimiert und legalisiert der Schutz der FDGO zudem die Einschränkung von bestimmten Grundrechten bzw. deren Verfahrensdimension alternativ zur Bedrohung des Bestandes des Bundes oder eines Landes: Dazu zählt einmal die Einschränkung der rechtsstaatlichen Transparenz und gerichtlichen Rechtswegs zur unmittelbaren Nachprüfung von Beschränkungsmaßnahmen der Telekommunikationsgeheimnisse (Art. 10 II 2; 19 IV 3 GG) sowie des Rechts auf Freizügigkeit zur Abwehr einer drohenden Gefahr für das Schutzgut (Art. 11 II Var. 4 GG). 22 Fahrner, Grundordnung, im Erscheinen.
II. Fragestellung und Forschungsstand
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allerdings, soweit sie auf die allgemeinen, hier betrachteten Normgefüge und Prozesse im Alltag einwirken. Andererseits wird das Staatsschutzstrafrecht nach grundlegenden Einführungen nochmals an anderem Ort gezielt auf seine rechtliche Dogmatik, Legalität und Legitimität zu prüfen sein.23 Hierfür kann die vorliegende Untersuchung eine wichtige Grundlage und Bezug liefern, ohne dies weitgehend vorwegnehmen zu müssen. 3. In der Literatur werden die aus den genannten anderen Zusammenhängen entnommenen Bewertungen der Resilienz und Vulnerabilität in der rechtspolitischen Diskussion zunehmend auch mit internationalem und europäischem Bezug wahrgenommen.24 Gleichwohl wird man zu diagnostizieren haben, dass eine gründliche deutsche rechtswissenschaftliche Bearbeitung gerade erst begonnen hat. Neben den zahllosen Studien zu einzelnen Verfassungsstrukturprinzipien und Erscheinungsformen namentlich der Demokratie, des Rechtsstaats, der Menschenwürde und der Änderbarkeit der Verfassung25 hat diese Perspektive bislang allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt.26 Vor allem im Bereich der Demokratie hat die Theorie von Böckenförde,27 festgesetzt auch in der Dogmatik des BVerfG in der Zeit seiner Berichterstattung dort, paradigmatischen Charakter weithin behalten, auch wenn sie bereits bei ihrer Abfassung weit von den politik- und sozialwissenschaftlichen, wenn nicht diese aufnehmenden verfassungsrechtlichen Diskussionsständen entfernt war.28 Diese Entfremdung scheint, trotz (beschränkter) Kontakt- und Anschlussversuche, grundsätzlich geblieben. Jenseits der Rechtswissenschaft haben nicht erst seit dem zweiten Weltkrieg zahllose Modelle, Theorien und empirische Studien die Erkenntnisse über die Demokratie weit im Grundsätzlichen wie in den Details vorangetrieben, ohne eine herrschende Auffassung zu erzeugen.29 Allerdings sind das Rechtssystem und normative Institutionen wie die Menschenwürde dort wiederum eher randständig geblieben.
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Hierzu u. a. nach Fahrner, Staatsschutzstrafrecht die anstehende Habilitationsschrift. Siehe hier bereits oben die Nachweise oben unter 1. 25 Vgl. etwa Ehmke, Verfassungsänderung; Polzin, Verfassungsidentität; Kirchhof, HdbStR (1. Aufl.) I, § 19; MD-Herdegen, Art. 79 GG Rn. 76; v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 79 GG Rn. 64. 26 Vgl. zur FDGO immer noch wohl am aktuellsten die Literaturberichte in den Beiträgen bei Thiel, Demokratie. 27 Vor allem Böckenförde, HdbStR II, § 24. 28 Vgl. etwa Kielmansegg, Volkssouveränität; Erbentraut, Souveränität, S. 161 ff.; Sattler, Bedeutung, S. 23 ff.; Boventer, Grenzen, S. 16 ff.; die weiteren Beiträge bei Matz, Demokratie; dazu Lameyer, Demokratie; Meier, Parteiverbote; Ridder, Rechtsfragen; Ruland, Grundordnung; Stollberg, Grundlagen. 29 Zusammenfassend sei alleine als Einstieg verwiesen auf den weiterhin aktuellen Standard und umfassenden Überblick von Schmidt, Demokratietheorien; zu den zentralen politik- und sonstigen sozialwissenschaftlichen Bereichen mit jeweils für sich kaum überschaubarer Literatur vgl. im Einzelnen unten D. II. 24
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A. Einleitung
III. Vorgehen, Methodik und Gliederung 1. Zu den vorgenannten Zielen will die vorliegende Arbeit die gängige Verfassungsdogmatik der Demokratie auf ihre Vulnerabilität und Resilienz im Hinblick auf die Vorgaben der FDGO, ausgehend von der maßgeblichen Judikatur des BVerfG und unter Einschluss der zentralen juristischen Wissenschaft untersuchen. Insgesamt sollen dabei Einfallstore möglicher Überwindungen der FDGO offengelegt und danach eingeordnet werden, inwieweit diese z. B. im normativen Verfassungsgehalt, in der dogmatischen Grundanlage des heutigen Verfassungsrechts oder politischen Mechanismen selbst wurzeln. Gleichzeitig sollen damit mögliche Ansatzpunkte zur Reduktion der Vulnerabilität und „Härtung des Betriebssystems“ der Verfassungsordnung aufgezeigt und nach Möglichkeit weiterentwickelt werden. 2. Gegenstand sind die politischen Prozesse, wie sie sich aus dem Verfassungsrecht ergeben und ausgebildet haben. Dazu wird versucht, das System der freiheitlichen Demokratie im Detail zu erfassen, um Wirkungs- und Schutzzusammenhänge zu entwickeln. Es sollen so die Leistungsfähigkeit und die verfassungsmäßig (unterschiedlich) gewährleisteten und geschützten Voraussetzungen für eine wirksame freiheitliche Demokratie und FDGO transparent gemacht werden. Als Rahmen werden darin die Anforderungen der FDGO, die Rechtsnormen des Grundgesetzes und des zentralen ausführenden einfachen Rechts, die Dogmatik des BVerfG sowie anderer zentraler Stimmen sowie normative und empirische sozial-, v. a. politikwissenschaftliche Erkenntnisse miteinander konfrontiert. 3. a) In diesem Programm sind zunächst Rahmen und Basis der angestrebten Beurteilung zu klären (Kapitel B.). Dazu gehört einerseits die Vorstellung der FDGO in den gängigen Definitionsansätzen, vor allem aber in noch grundlegenderen Funktionalitäten, welche den Bezugspunkt und Maßstab der gesamten weiteren Untersuchung bilden (dort Abschnitt I.). Andererseits können Phänomen und Begriff der Freiheit nicht im vagen bleiben, wie sie verfassungsrechtlich seit dem ElfesUrteil nur um- und nicht inhaltlich beschrieben werden (Abschnitt II.).30 Demgegenüber liefern die weiteren Rechtsbereiche, vor allem aber die außerrechtliche Wissenschaft, Erkenntnisse, die ein spezifisches strukturalistisches Modell individueller Freiheit begründen können, welches wiederum mit der FDGO und ihren Funktionen sowie dem geltenden Recht in Einklang zu bringen ist. Dieses kann und muss – wie anderweitig entwickelt und näher ausgeführt – auch hier zur Präzisierung des Inhalts der Freiheit als zentralem Bestandteil und einem ebensolchen Maßstab in der liberalen Demokratie beitragen. b) In der eigentlichen Untersuchung muss als erster Schritt die grundsätzliche dogmatische Begründung der Demokratie unter dem Begriff der Volkssouveränität aus Art. 20 II GG kritisch hinterfragt werden, welche die Verfassungsdogmatik seit spätestens dem Wirken von Böckenförde in dessen Verständnis bis heute weitgehend prägt (Kapitel C.). Nach allgemeinem Ausgangspunkt (Abschnitt I.) werden dessen 30
BVerfGE 6, 32 (36 ff.): als das Recht für jeden, zu „tun und lassen, was er will“.
III. Vorgehen, Methodik und Gliederung
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Annahmen und Postulate zuerst in ihren Prämissen und Auswirkungen ausgebreitet und dabei der erkennbare engste Bezug zum Dezisionismus Carl Schmitts deutlich gemacht (Abschnitt II.). Sodann wird dieses – unter strikter Beachtung der hermeneutischen Auslegungstechniken – mit dem Grundgesetz und den rechtsstaatlichdemokratischen Auffassungen, welche ihm durch seine Verfasser mitgegeben wurden, konfrontiert (Abschnitt III.). Hierbei zeigt sich bereits, dass sie mit Schmitts letztlich prä-diktatorischen Vorstellungen in unvereinbaren Widersprüchen stehen. Dabei widersprechen sie ebenso diametral jenen der Verfassungsväter und herrschenden Meinungen der republikanischen Demokraten der Weimarer Republik selbst ebenso wie der ihnen zugrunde liegenden Tradition der Aufklärung und des Liberalismus und Republikanismus, aus welcher Schmitt sich anscheinend eklektisch bis verfälschend bedient. Darüber hinaus macht die teleologische Auslegung von Art. 20 II GG deutlich, dass die Forderungen Schmitts und seiner VolkswillensLehre zu Zielen der rechtsstaatlichen Demokratie bzw. liberalen Staatlichkeit, ebenso in unauflösbarer Spannung stehen, wie mit jenen der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können zum Abschluss des Untersuchungsteils genutzt werden, eine in sich kohärente Auslegung des Art. 20 II GG als Teil der FDGO und rechtliches Fundament für die weitere Analyse zu gewinnen. Im zweiten Schritt wird Demokratie funktionalistisch in ihrer Rolle als politisches Grundelement im Rahmen einer FDGO betrachtet (Kapitel D.). Zentral erweist sich dabei (namentlich im freien, subjektiven Pluralismus) ihre Wirkungen der Legitimierung und Rationalisierung von Entscheidungen (Abschnitt I.). Nachdem zudem klar herausgearbeitet ist, wie ungeeignet das Bild einer unidirektionalen Willensbildung des Volkes mit allen Folgerungen hieraus in empirischer wie normativer Sicht ist, wird das Problem der Rationalität in der fortschrittlich-freiheitlichen Demokratie eingehend betrachtet (Abschnitt II.). Dabei werden auf dieser Ebene die Anfälligkeiten der Demokratie im Hinblick auf den Fortbestand der FDGO im Einzelnen herausgearbeitet und mit dem Modell des „Marketplace of Ideas“, welches sich hoher Beliebtheit in der US-amerikanischen und auch neueren deutschen Verfassungsdogmatik erfreut, konfrontiert. Abschließend ist hier auf das Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit als komplementärer Komponente der FDGO einzugehen und die verbindenden, trennenden und ergänzenden Gesichtspunkte herauszuarbeiten (Abschnitt III.). Damit ist schließlich die Basis gelegt für den dritten, letzten Schritt vor einer Schlussbetrachtung (Kapitel F.). In diesem rechtsdogmatisch zentralen Kapitel (E.) werden im Einzelnen rechtlich die demokratischen Mechanismen und Prozesse der Demokratie betrachtet in ihrer konkreten normativen Ausgestaltung durch das Grundgesetz, verfassungsnahe weitere Normen und die Verfassungsdogmatik namentlich des BVerfG. Dabei ist analytisch zwischen den Abläufen und normativen Bedingungen in horizontaler (Abschnitt I.) und vertikaler (Abschnitt II.) Dimension zu trennen. Hinzutreten mediierende Akteure, welche in ihrer gesamten Rolle untersucht werden. Zu ihnen werden gezählt die politischen Parteien und Wählerver-
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A. Einleitung
einigung, Medien und andere politisch wirkende Organisationen und identifizierbare Gruppen, wie namentlich Interessenverbände und kollektive Lobbyismus-Formen (Abschnitt III.). Abschließend ist besonderes Augenmerk auf die Beurteilung der Einwirkung staatlicher Funktions- und Amtsträger auf die demokratischen Prozesse, namentlich in der Öffentlichkeit, zu legen (Abschnitt IV.).
B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung I. Die freiheitlich demokratische Grundordnung 1. Definitionen a) Die freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) begründet im Grundgesetz nicht nur als ein Tatbestandsmerkmal verfassungsrechtliche Kompetenzen und Eingriffsbefugnisse staatlicher Stellen. Seit ihrer Begriffsschöpfung in den Beratungen des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 19481 und des Parlamentarischen Rats identifiziert sie einen innersten Kern der Verfassung, welcher dauerhaft gegen Bedrohungen aller Art geschützt sein soll.2 Sie fügt die zuvor in den „präföderalen“ Länderverfassungen von 1948 – 1949 noch weitgehend getrennten und stark unterschiedlich ausgeprägten Schutzmechanismen zentraler Grundrechte und Freiheitsgewährleistungen sowie demokratisch-rechtsstaatlich elementarer Staatsstrukturprinzipien zusammen.3 Hinter diesen, die Nachkriegsverfassungen prägenden vereinten Bemühungen nahezu aller beteiligter Abgeordneten und Akteure steht das einhellige Bestreben der Überlebenden, jeden Rückfall in die unmenschlichen Entartungen der NS-Zeit von nun an auf alle Zeit zu verhindern. Allerdings war die FDGO auch im Verständnis der maßgeblichen parlamentarisch-demokratischen Parteien der großen politischen „Bonner“ Mehrheit von Beginn an auch ein Zeichen der Abgrenzung und ein Bollwerk zur Abwehr der stalinistischen Umgestaltung im sog. „Ostblock“ sowie namentlich in der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland bzw. der späteren DDR. Bereits weit vor deren Gründung waren dort die bescheidenen Ansätze einer freiheitlichen Demokratie mit der Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD zur SED und der Gründung der parteistaatlichen Massenvereinigungen, der Unterwerfung der Medien und bürgerlichen Parteien, der sich abzeichnenden Fiktion von „Wahlen“ mit Einheitsliste sowie der 1 Die exakte Paarung der freiheitlichen (und) demokratischen Grundordnung gelangte über den bayerischen Vorentwurf einer Ewigkeitsklausel in die Beratungen des im August 1948 tagenden Konvents, Art. 67 I 2: „Anträge auf Änderungen, die den freiheitlichen, demokratischen und bundesstaatlichen Grundgedanken des Grundgesetzes widersprechen, sind unzulässig.“, ParlRAkt II, Nr. 1 S. 1 (26, 43); vgl. HChBericht; ParlRAkt II, S. 505 f.; Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 106. 2 Art. 108 HChE. 3 Namentlich aus den vorangehenden „präföderalen“ Landesverfassungen, in einer Reihung, die sich von Württemberg-Baden, dann nahezu parallel Bayern und Hessen ebenfalls in der amerikanischen Besatzungszone, sodann Rheinland-Pfalz, Baden, Württemberg-Hohenzollern und das Saarland bis nach Bremen hinzog, vgl. im Einzelnen Scherb, Demokratieschutz, S. 24 ff.
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
Kollektivierungen und Säuberungen nicht nur von NS-Aktivisten erkennbar beseitigt.4 Demgegenüber grenzte sich die westliche liberale Demokratie von den vorgeblichen „Volksdemokratien“ bewusst ab.5 Aus diesem Grund setzte im Parlamentarischen Rat etwa auch v. Mangold gemeinsam mit Heuss bei Verankerung der FDGO die Streichung des „und“ zwischen beiden Komponenten durch; es bestand nachdrücklich große Mehrheit, auf das Attribut „freiheitlich“ der Volksherrschaft keinesfalls zu verzichten, denn „Jean Jacques Rousseau, der die Demokratie erfunden hat, war zugleich der Erfinder des Totalitarismus“.6 So war und bleibt die Freiheit untrennbar mit der Demokratie verbunden, war und ist Gegengewicht zur Tyrannei der Mehrheit „des Volkswillens“ oder seiner Interpreten, aber auch Basis aller demokratischen Prozesse. b) Gegenüber diesem – durchaus auch transkonstitutionell, vor allem aber attributiv zu verstehenden – Begriff der FDGO hebt sich jener der bestehenden konkreten verfassungsmäßigen Ordnung ab. Diese ist als Schutzgut im Grundgesetz nach heute herrschendem Verständnis richtigerweise nicht einheitlich definiert, geht jedoch auch in der engsten Verwendung in Art. 9 II GG ebenso wie jene Grundsätze in Art. 79 III GG und in Art. 98 II 2 GG deutlich über den Garantiebereich der FDGO hinaus.7 Sie nehmen diese jedoch in sich auf. Solange sie ihr genügen, kann analytisch jenseits der Normtexte von der konkret vorliegenden freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung (fdVO) gesprochen werden.8 Sie wird eigentlich im Zusammenspiel der Abwehrmittel der unterschiedlichen Rechtsbereiche geschützt, und zwar gegen illegale Mittel der Überwindung ebenso wie gegen deren Zielpunkte, die mit der FDGO nicht im Einklang stehen. Zu unterscheiden sind weitere Begrifflichkeiten, welche seitdem von außen herangetragen wurden: So umschreibt die wehrhafte Demokratie das Sonderverhältnis des Staates zu seinen „Dienern“, namentlich Beamten und Arbeitnehmern, welche verpflichtet sind, (über die Verfassungsgrundsätze hinaus) für ihn einzustehen und ihn zu verteidigen, solange er selbst verfassungsmäßig agiert und die FDGO nicht verletzt. Die streitbare Demokratie gegenüber allen „Verfassungsfeinden“ wurde vor allem in einer frühen Phase der Verfassungsinterpretation als 4
Vgl. etwa Staritz, Gründung, S. 35 ff. Vgl. etwa Leibholz, DVBl. 1951, 554; zum Ganzen Kurtenacker, Verfassungskonvent, S. 159 ff., 247 ff., 334 ff. 6 So im Grundsatzausschuss am 30. 11. 1948 mit Begründung, ParlRAkt V.2, Nr. 33 S. 712 (759 f.) und 11. 1. 1949, ParlRAkt V.2, Nr. 42 (950 f.). 7 Vgl. etwa BVerfGE 6, 32 (38); m. w. N.; vgl. MD-Scholz, Art. 9 GG Rn. 127; a. A. etwa Schmitt Glaeser, DÖV 1965, 433 (438 ff.); ders., Missbrauch, S. 46 ff.: allen in Art. 20, 79 III GG genannten Staatsgrundprinzipien solle impliziert gleiche Bedeutung und Schutz zukommen, freilich bereits unter Verkennung der Diskussionen in HCh und ParlR; daran anschließend Thiel, Demokratie, S. 7; ders., Verwirkung, S. 136 auch unter Berufung auf Gallwas, Missbrauch, S. 118 f.; vgl. auch Gusy, AöR 105 (1980), 279; dagegen Thiel, Parteien, S. 198 nun Verweis nur auf FDGO in Definition des BVerfG. 8 Vgl. dazu im Einzelnen Fahrner, Grundordnung. 5
I. Die freiheitlich demokratische Grundordnung
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eigenes überspannendes Prinzip diskutiert.9 Ihr wird heute durch das BVerfG und die h. M. überzeugend ein eigener rechtlicher Gehalt abgesprochen; sie ist damit kaum mehr als rhetorischer Topos. In beiden Begriffen wird allerdings die zentrale historische Wurzel der FDGO deutlich: Es ist das martialische Bild der „militant democracy“, die Löwenstein als Antwort seiner Analyse 1937/38 gegen Autoritarismus und Totalitarismus und ihr Ausnutzen der Demokratie zu deren eigener Überwindung forderte.10 Es sollte den Überlebenden des (Ersten) Weltkriegs deutlich machen, dass die Demokratie sich erneut „im Verteidigungszustand“ befinde und unter schwersten Angriffen einige eigene Grundprinzipien zum Selbsterhalt vorläufig einschränken müsse. Darunter zählten insbesondere die unbeschränkt gewährte politische Kommunikation in Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit. Anders als in seinem Bild erkannten die Gründer der Bundesrepublik die Gefahr als andauernd, und versuchten, die Grenzen auszuloten, um eine erneute Ermordung der Demokratie (die von ihren Gegnern wiederum gezielt verfälschend als „Selbstmord“ bezeichnet, bzw „geframed“ wurde) zu verhindern. c) Bei der näheren Klärung des Begriffs haben sich die drei unten weiter ausgeführten Ansätze durchgesetzt, die das Bundesverfassungsgerichts vor allem in den von ihm nach Art. 21 GG zu entscheidenden Parteiverbotsverfahren verfolgt hat. In den frühen grundlegenden Entscheidungen zum Verbot der Sozialistische Reichspartei 195211 und der Kommunistischen Partei Deutschlands 195612 schloss sich die Auslegung des Gerichts an die vorangegangenen Entwicklungen an. Dazu zählen maßgeblich die Beratungen bis zur Verabschiedung des Grundgesetzes, dessen ersten Kommentierungen13 sowie namentlich den ausführlichen Verhandlungen zur Wiedereinführung des Staatsschutzes im 1. StrÄG.14 Es folgte damit einer doppelten
9 Vgl. dazu ausführlicher hier nur etwa Boventer, Grenzen, S. 19, 64 Fn. 134; Sattler, Bedeutung, S. 9; Schmidt, Freiheit, S. 219 ff.; Lameyer, JöR NF 30 (1981), 147 (149 Fn. 7) mit der Rückführung des Begriffs auf die deutsche Übersetzung von Mannheim, Diagnose, S. 17 auf, ob durch den Autor oder Übersetzer erscheint ungeklärt, jedenfalls ist sie dort in ihrem spezifischen Zusammenhang des 3. Weges anders zu deuten. 10 Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 ff.; 638 ff.; ColLRev 38 (1938), 591 ff.; 725 ff.; vgl. dazu etwa Boventer, Grenzen, S. 26 ff., 60 ff. m. w. N.; Papier/Durner, AöR 128 (2003), 340 (346); Leibholz, DV 1 (1948), 73 ff.; zur „systemkonformen Systemüberwindung“ vgl. namentlichen das berüchtigte Zitat von Goebbels, Was wollen wir im Reichstag, in: Der Angriff 30. 4. 1928, 1 f.; vgl. dazu auch Isensee, Das Parlament 17. 1. 1976, S. 1; den appellativen Gehalt von Löwenstein verkennen Simard, Erbe, S. 259 (264 f.) sowie darauf berufend Dreier/Wittreck, GG Art. 18 Rn. 4. 11 BVerfGE 2, 1 ff. 12 BVerfGE 5, 85 ff. 13 Vgl. MD-Dürig/Klein, Art. 18 GG Rn. 58 (i.Org.: Dürig, Art. 18 GG Rn. 48) „Gegensatz zum totalitären Staat“; vgl. dazu Stollberg, Grundlagen, S. 33 ff. 14 Nach dem Verfassungsbruch nur durch Amtsträger im SPD-Entwurf § 4 BT Drs. I/563 kann vor allem der Entwurf des BMJ mit der Verfassungsstörung in § 83 I als Ausgangspunkt der Gesetzgebungsdiskussion mit zum 1. StrÄG gelten, vgl. Text und Nachweise bei Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 106 ff., sowie S. 120 ff. mit Bedenken des Bundesrats, 130 ff. zu Bedenken
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
Konzeption: Die FDGO wird einerseits über einzelne enumerierte Elemente,15 andererseits als Gegenbild, mithin als „Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft“,16 definiert. aa) Das letztgenannte („negative“) Begriffspaar knüpfte unmittelbar vor allem an den NS-Unrechtsstaat und seine ungehemmte Machtausübung an, wenn auch mittlerweile durch Assoziationen des Verhaltens der DDR ergänzt.17 Folglich kann historisch durchaus ohne Einschränkung vom Nationalsozialismus als „prototypischem Gegner der Verfassungsordnung“ gesprochen werden.18 Die nationalsozialistische willkürliche und gewaltsame Unmenschlichkeit stand den Verfassungsgebern einend besonders plastisch und prägend vor Augen. Zwar muss nicht jede Ordnung, die selbst nicht als FDGO gelten kann, eine Gewalt- und Willkürherrschaft darstellen, der umgekehrte Schluss ist jedoch zwingend.19 Die Begriffe Gewalt und Willkür legen negatorische Verbindungen nahe zur Friedlichkeit20 und zur prozeduralen wie inhaltlich rationalen (formell plausiblen wie wertemäßigen) Nachvollziehbarkeit.21 Weiterhin hat der BGH früh auch in der DDR eine Gewalt- und Willkürherrschaft gesehen, weil der Einzelne deren – kennzeichnender – Unter-
aus Wissenschaft, Rechtspraxis und Berufsverbänden, sodann zum neuen Regierungsentwurf und zum Wandel zur Staatsgefährdung S. 139 ff. 15 Vor allem bei Hoegner, Lehrbuch, S. 67 und im 1. StrÄG, BT, Rechtsausschuss Drs. 38, ParlA I 212/A 1 a) vom 21. 6. 1951, zit. nach Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 186. 16 BVerfGE 2, 1 (12 f.); 144, 20 (203). 17 Es findet sich ausdrücklich zunächst in § 92 II Nr. 6 StGB, später §§ 130 IV, 194 I 2, II 2 StGB. Dort ist es bezogen auf die nationalsozialistische oder eine andere Herrschaft. Davor ist das Merkmal der „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ in §§ 234a I, 241a I StGB, später auch §§ 130 I Nr. 2, II Nr. 1 b) StGB gebraucht, dabei konnte auf die Begriffsverwendung des Obersten Gerichtshof für die Britische Zone, wenn schon nicht Besatzungsrecht selbst zurückgegriffen werden, vgl. grundlegend OGHSt 1, 66; 1, 11; 2, 249; JR 1949, 319; ZJBl. 1949, 135; Schubert, Gerichtshof, Nr. 71, 103; dazu Ohlenroth, Gerichtshof, S. 81, 258 ff., 271 ff.; vgl. zur Gewaltherrschaft auch § 1 I des Entwurfes eines Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege, BT Drs. I/564; dagegen waren (durchaus ähnlich) die „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ in §§ 234a I, 241a I StGB als erstem staatsschutzstrafrechtlicher Gesetzgebungsakt der BRD auf die DDR und den sowjetischen Machtbereich gezielt, ohne dies etwa in Motiven näher zu begründen oder inhaltlich zu bestimmen, vgl. zum Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, der sog. Lex Kemritz, den Fraktionsantrag ohne jede Begründung BT Drs. I/2344 sowie BGBl. 1951 I, S. 448; zu den Hintergründen und zur Prägung für das 1. StRG Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 55 ff. auch zu Verweisen in Dokumenten von Bundestag und Bundesregierung auf die Gewalt der DDR durch den Beschlussaufruf des 3. Parteitag der SED 1950 „zum nationalen Widerstand“ gegen die BRD, m. w. N. 18 Vgl. Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (124 f.); Leitmeier, NJW 2016, 2553 (2555). 19 Vgl. ähnlich Stollberg, Grundlagen, S. 34 f. 20 Vgl. auch § 9 I BT Drs. I/563. 21 Vgl. auch BVerfGE 30, 1 (26); 40, 287 (293); 136, 323; Di Fabio, Herrschaft, S. 188 m. w. N.
I. Die freiheitlich demokratische Grundordnung
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drückung der Grundrechte des Individuums im persönlichen und staatlichen Leben schrankenlos und wehrlos ausgeliefert gewesen sei.22 bb) Positiv zur Bestimmung der FDGO bezieht sich das BVerfG seit der SRPEntscheidung23 auf einzelne aufgezählte Elemente. Diese hat es (mit gewissen geringeren Modifikationen) aus dem 1. StrÄG24 und vor allem einer frühen Kommentierung des maßgeblichen bayerischen Verfassungsvaters Hoegner entnommen, der sich seinerseits erkennbar auch an den Verweisen in Art. 79 III GG orientierte:25 „Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“26 Das BVerfG legt allerdings, bewusst in Abkehr zu heute § 92 II StGB, die FDGO nicht auf ein parlamentarisches Regierungssystem fest.27 Die enumerierten Elemente hat das Gericht später um zentrale einzelne politische Kommunikations- und andere Freiheitsgrundrechte er22 BGH, Urteil v. 8. April 1952 – StE 3/52 –, Rn. 26, juris; ähnlich BGHSt 8, 102; 9, 351; 10, 163; 12, 174. 23 BVerfGE 2, 1. 24 § 90a StGB n. F. nach BT, Rechtsausschuss Drs. 29, ParlA I 212/A 1 a) zit. nach Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 179 f.; wesentliche Textabweichungen zum StGB ergaben sich vor allem darin, dass ein Angriff auf die FDGO darin bestehen sollte, sich für die Beseitigung der genannten Elemente einzusetzen; vgl. Formulierungsentwurf für FDGO in § 35 BVerfGG-E 1951, zit. nach Geiger, BVerfGG 1. Aufl., vor § 36 Rn. 6; vgl. näher Lautner, Grundordnung, S. 1 Fn. 2. 25 Daraus verweisen sie im Wortlaut, wie heute noch in § 92 II StGB, zunächst auf Art. 20 II 2, 38 I 1 GG (Nr. 1), Art. 20 III GG (Nr. 2) und Art. 92, 97 I (Nr. 4, jetzt Nr. 5). Demgegenüber schienen die Prinzipien von Art. 20 I, II 1 GG wohl zu unbestimmt für die strafrechtliche Erfassung. Entsprechend den weiteren Beratungen bei der Genese des Grundgesetzes wurde der weitere Strukturteil in der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung (Nr. 3, jetzt Nr. 4 Alt. 2) und der Verweis des Art. 79 III GG auf die Menschenwürde und den Grundrechtsteil zunächst in einer Nr. 5 zusammengefasst; vgl. Hoegner, Lehrbuch, S. 67. 26 BVerfGE 2,1 (13); 144, 20 (203). 27 Daher sind die Volkssouveränität, Gewaltenteilung und Verantwortlichkeit der Regierung nicht mit dem parlamentarischen System verbunden, mithin auch direkten und präsidialen Demokratien und parlamentarischen Monarchien zugänglich; die anschließende KPD-Entscheidung BVerfGE 5, 85 (196 ff.) hat gerade nicht auf gleicher Ebene das parlamentarische Regierungssystem als zwingenden Teil der FDGO fixiert, sondern „Spielregeln“ für die Funktionen hinzugefügt, die die FDGO lösen soll, wie insbesondere Machthemmung, Fortschritt, tatsächliche Demokratie und Freiheitlichkeit, ebenso wie Dezentralisierung (bzw. Subsidiarität), Rechtsschutz und Freiheitssphäre durch Grundrechte. Dem gilt die „phänotypische“ Festlegung auf ein bestimmtes Regierungssystem; der Begriff der parlamentarischen Demokratie ist hier richtigerweise zu verstehen aus dem Zeitkontext, die vor der Ausprägung der politikwissenschaftlichen Typenlehren der repräsentativen, gewaltengeteilten Demokratie mit klar getrennten und gegeneinander gesetzten Formen erfolgte und daher nicht die Ablehnung jedes semi- oder vollpräsidentiellen Regierungssystems bedeuten soll.
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
weitert, bis es auf dieser Abstraktionsebene am Ende nahezu die gesamten Grundrechte zusätzlich zu mehr oder weniger klar umrissenen und funktional vermittelten Staatsstrukturentscheidungen abbildete. In der Literatur, die teilweise darüber noch hinausging,28 hat dies jedoch heftige Kritik hervorgerufen.29 Es handele sich um eine „synkretistische Additionsreihe und Kompilation von heterogenen Verfassungsgrundsätzen nach § 88 StGB (a. F.), bei denen letztlich theoretische Begründung und Bezugsrahmen fehlt“ und nicht klar sei, warum gerade diese einzelnen Prinzipien so elementar sein sollten.30 cc) Das Sachurteil über das Parteiverbot der NPD (BVerfGE 144, 20) hat die FDGO zurückgeführt auf die drei ineinander verbundenen Komponenten der Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, die jeweils prinzipiell und funktional begründet werden.31 Damit ist jedoch lediglich eine von Beginn an bestehende Entwicklungslinie zum Abschluss gekommen. Bereits in BVerfGE 2, 1 hatte das Gericht auf die besondere Bedeutung der Menschenwürde sowie „eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit“ abgestellt.32 Dem schloss sich das KPD-Verbot an mit der freiheitlichen Demokratie „in der Tradition des liberalen bürgerlichen Rechtsstaats“.33 Es haben sich allerdings Perspektive und Verhältnis des normativen Gehalts gewandelt: Zuvor lediglich Hinführungen zu den einzelnen Elementen, wird die Trias zur eigentlichen Bestimmung der FDGO. Von ihr werden weitere Prinzipien und Regeln lediglich abgeleitet, die wiederum unter diesem Rahmen exemplarisch-leitende oder notwendige Geltungskraft erhalten sollen. Die Menschenwürde bildet nicht nur in der jüngsten Definition des BVerfG eine zentrale Komponente der FDGO und ist dadurch innerhalb ihres Bestandes geschützt. Sie muss als fundamentales Grundprinzip auch ihrerseits die FDGO prägen.
28 Exemplarisch v. a. Lautner, Grundordnung, S. 5 ff., nur eingeschränkt im Sinn einer „sozialismusoffenen“ Ausgestaltung. 29 Namentlich von Ridder, Rechtsfragen, S. 27 ff.; Lameyer, Demokratie, S. 36 ff. m. w. N. 30 Vgl. Ruland, Grundordnung, S. 94 ff.; Lameyer, Demokratie, S. 38; allein die evidente Bedeutung einzelner Punkte in der Demokratie des Grundgesetzes könne nicht ausreichen, es brauche eine „Aufdeckung eines konkreten Vermittlungszusammenhangs“, um die Zugehörigkeit zu Begriff der FDGO plausibel zu machen. Das BVerfG sei jedoch in seinen Entscheidungen über eigentliche Aufgabe des Gesetzgebers bei der Aufzählung nicht hinaus zu einer eigentlichen Begründung gekommen, vgl. Stollberg, Grundlagen, S. 33; Ridder, Rechtsfragen, S. 28; während etwa die Unmittelbarkeit der Wahl nicht enthalten sei, so etwa Lameyer, Demokratie, S. 38 m. w. N. Fn. 67; hingegen Stollberg, Grundlagen, S. 41 zust. gegen Aufnahme der Unmittelbarkeit, hingegen für Aufnahme der Freiheit der Wahl. 31 BVerfGE 144, 20 (206 ff.). 32 BVerfGE 2, 1 (12 f.). 33 BVerfGE 5, 85 (197).
I. Die freiheitlich demokratische Grundordnung
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2. Funktionsanforderungen In der freiheitlich demokratischen Grundordnung lassen sich hinter den genannten drei Komponenten – Menschenwürde, Rechtsstaat und Demokratie – vier elementare Funktionsanforderungen an das staatlich verfasste Gemeinwesen identifizieren. Die erstgenannten können wiederum, soweit sie nicht, in Gestalt der Menschenwürde, mit ihnen übereinstimmen, von letzteren als abgeleitet begriffen werden, so dass daraus wiederum – unbeschadet einer Klärung der problematischen Reichweite der Komponenten im Einzelnen – ein normativer Maßstab für Verfassungsrecht und -realität gewonnen werden kann, welcher gerade in der FDGO verkörpert ist. a) Menschenwürde Die Menschenwürde bildet als ultimative Funktionsanforderung den Ausgang des gesamten normativen Systems. Jene, als vermeintlich zu unpräzise gestrichene Deklamation von Art. 1 I HChE, der „Staat ist um des Menschen Willen da…“, wirkt uneingeschränkt fort in der endgültigen Fassung des Art. 1 GG und als fundamentalstes Prinzip der Rechtsauslegung des GG und unter ihm.34 In der allgemeinen Würde, die jedem Menschen per se aufgrund seines Menschseins zukommt, spiegelt sich nicht nur die Erfahrung mit der willkürlichen Gewaltherrschaft des NS-Staats, welche gerade sie verachtete, nicht nur gegenüber rassistisch oder sonst ausgesonderten Gruppen, sondern gegenüber dem Individuum allgemein. Vielmehr kann dieses Prinzip, wiewohl unterschiedlich unmittelbar oder mittelbar in den jeweiligen Rechtstexten verankert, als die Quintessenz der gesamten „abendländischen“ Kulturentwicklung ebenso wie die großen globalen Menschenrechtsfixierungen,35 namentlich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, erkannt werden.36 Dieser Ausgang vom jeweiligen Individuum in seiner Individualität muss auch als unbedingte Funktionsanforderung verstanden werden, das Gemeinwesen in seiner Verfasstheit durch staatliche Ordnung und Recht stets davon ausgehend „zu denken“ und dahingehend auf allen Ebenen kritisch zu prüfen. Ausgeschlossen ist damit jede Form des Kollektivismus, sei sie sinngebend oder modellbildend verstanden. Die Meinungsbildung des Einzelnen und seine Geistesfreiheit vom Staat stellen insoweit einen Übergang zur wissenschaftlichen Deutung von diesem selbst und damit auch in 34
Vgl. Nawiasky, Grundgedanken, 1950, S. 18 ff.; vgl. auch etwa Art. 1 LV WB; Art. 122 LV BA; Art. 5 LV WH; der Staatszweck muss sich alleine daran orientieren, zu weiteren Folgerungen vgl. etwa auch Schöbener, Staatslehre, § 4 Rn. 1 ff., 26 ff., 46 ff. 35 Vgl. ParlR, Grundsatzsausschuss 23.9.48, StenoProt. S. 5, 8, 9; JöR 1 (1951), S. 48 ff.); Heuss, ParlRAkt V, S. 44; Zinn, ParlRAkt V, S. 66; zu den Beratungen über die vorstaatliche Dimension der Menschenwürde und Menschenrechte umfassend Enders, Menschenwürde, S. 414 ff.; weiter nur etwa MKS-Starck, Art. 1 GG Rn. 4; eindrücklich v. Münch/Kunig/Kunig/ Kotzur, Art. 1 GG Rn. 2 ff. 36 Vgl. prominent in Abs. 1 der Präambel benannt, UN GA A/RES/217a (III) sowie dort weiter als Bezugnahme des gesamten Normtextes und in Art. 1 AEMR.
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
der vorliegenden Untersuchung dar.37 Jede heteronome Projektion in den Willen des Einzelnen durch von außen an ihn angelegten Maßstab soll richtigerweise nach aller Möglichkeit vermieden werden.38 Ohne einer präziseren Definition der Freiheit vorzugreifen,39 folgt daraus nicht nur, jeden Menschen als Subjekt im Recht zu betrachten. Vielmehr verlangt es als normatives Konstruktionsprinzip einer überindividuell-sozialen Ordnung, nicht vom Grundsatz verobjektierter fester Wertungsmaßstäbe auszugehen, sondern von den jeweiligen Verhaltenserwartungen aus Sicht der Individuen. Diese müssen deskriptiv-hermeneutisch zugänglich gemacht werden. Wie die politische Praxis, darf auch die Theorie, die sie erfassen will, den individuellen Subjekten nicht ihre Bedürfnisse, Zwecke und Ziele oktroyieren, sondern muss diese als externe Größen frei lassen. Dies gilt uneingeschränkt in präskriptiver Hinsicht. In deskriptiver Hinsicht hingegen darf ein um Realitätstauglichkeit bemühtes Modell ebenfalls keine festen Ziele und Zwecke in den jeweiligen Individuen voraussetzen. Gleichwohl muss es sich diesen annähern, um vernünftiges Verhalten als Aktion und Reaktion in der Interaktion möglich zu machen, um empirisch bestehende Systeme zu modulieren und daraus Verhaltens- und Strukturempfehlung ableiten zu können. Insofern ist eine hermeneutisch-analytische Herangehensweise, die sich ihres eigenen Charakters als Annäherungs- und Brückentheorie mit permanentem Fortentwicklungspotential stets bewusst ist, am besten geeignet, zur Grundlage einer deskriptiven wie normativen Modellbildung zu werden. b) Pluralismus Aus der so verstandenen menschenwürdigen Subjektivität folgt die Notwendigkeit, jedenfalls in drei Dimensionen einen Pluralismus zu bewahren: aa) Erstens darf der menschenwürdige Staat keinem Individuum einen Glauben oder areligiöse Weltanschauung oktroyieren.40 Stattdessen muss er die in diesen Fragen bestehende Pluralität unter den Einzelnen und ihren Gruppen mit aller Dynamik neutral hin- und aufnehmen. Folglich muss die FDGO unabhängig von und übergreifend gegenüber allen Weltanschauungen konstituiert sein.41 Dies kann sie, unter Aufgreifen von Höffe, als Konstruktion „sozialtranszendentaler Interessen“, umsetzen. Diese Interessen lassen sich verstehen als jene „Bedingungen, auf die kein Mensch verzichten kann, weil sie für jede Lebensform gültig sind und …, weil vom Zusammenwirken abhängig, der Vergesellschaftung bedürfen“.42 Entscheidende 37
BVerfGE 5, 85 (203 ff.). Vgl. Fraenkel, Demokratien, S. 329 ff. zur Heteronomie. 39 Dazu unten II. 40 Vgl. etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 159 m. w. N. 41 Vgl. Hildt, Pluralismus, S. 78 ff., 177 ff. 42 Zum Ganzen Höffe, Globalisierung, S. 56 f., Zitat S. 57; vgl. insgesamt auch Hildt, Pluralismus, S. 179 ff. 38
I. Die freiheitlich demokratische Grundordnung
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Bedeutung kommt dabei – über alle Weltanschauungen hinaus – in einem pluralistischen Gemeinwesen einerseits dem Gewaltverzicht bzw. der -freiheit zu,43 und eben dem Verzicht auf einen Absolutheitsanspruch aller, d. h. auch der eigenen Weltanschauung.44 Andererseits sind Freiheit und Gleichheit unabdingbare Voraussetzungen für die Verfolgung beliebiger Wertsysteme.45 bb) Zweitens ist die zentrale Prämisse, etwa von Fraenkel, zu übernehmen, dass „das Gemeinwohl“ in einer ausdifferenzierten Gesellschaft lediglich a posteriori im Bereich der Politik erreicht werden kann. Der Staat ist der Sorge für das Gemeinwohl nicht enthoben, er bleibt uneingeschränkt darauf verpflichtetes Werkzeug. Es kann indes nichts anderes sein als das Ergebnis dialogischer und diskursiver Prozesse der divergierenden Ideen und Interessen der Gruppen und Parteien. Damit kann es nur angestrebt, aber insbesondere nicht einseitig bestimmt werden. Das Gemeinwohl wird sozusagen gespalten: Es wird teilweise auf eine prozedurale Metaebene gehoben, indem es statt an statische Ziele an einen gelingenden Prozess innerhalb des politischen Gemeinwesens gebunden wird.46 Erneut sind nur solche Grundwerte, die für das Zusammenleben unabdingbar und letztlich vom freien (und sozialen) subjektiven Individuum konstruierbar sind,47 mit der FDGO möglichen Aufhebungen und fundamentalen Änderungen zu entziehen und entzogen. Vor allem sind die Regeln der Verfahren staatlicher Willensbildung strikt und im Kern nicht wirksam bestreitbar einzuhalten, damit Gemeinwohlziele legitimiert verfolgt werden können.48 Auch darin liegen vor allem die weiteren Komponenten der demokratischen menschenwürdigen Rechtsstaatlichkeit und Bestandteile der FDGO als ein Kern. cc) Drittens stellt auch die Verfassung selbst – wie die gesamte darunter ausdifferenzierte Rechtsordnung – kein objektiv-absolut vorbestimmtes System anwendbarer Normen dar.49 Es verbietet sich, in Fortsetzung des bisher genannten ein Alleindeutungsanspruch namentlich, wie von der KPD-Entscheidung ausführlich dargelegt, unter marxistischer,50 aber auch religiöser, oder „technokratisch-wissenschaftlicher“ Ideologie, etwa in der Tradition der deduktiven Systeme des Naturrechts bis zur Begriffsjurisprudenz. Mit Kriele und Alexy kann festgestellt werden: „Es gilt ganz allgemein, dass praktische Vernunft erst in einem Rechtssystem, das Argumentation und Entscheidung auf rationale Weise verbindet, zur Realisierung 43
Höffe, Globalisierung, S. 69. Vgl. zur „schwachen Wechselseitigkeit“ Rawls, Liberalism, S. 49 f., 54, 137 f.; Hildt, Pluralismus, S. 75 ff. m. w. N.; Hesse, Grundzüge, Rn. 159 f. 45 Vgl. Hildt, Pluralismus, S. 36 ff., 189 f.; Kaufmann, Kantian Review 17 (2012), 227 (236 ff.); Dworkin, Virtue, S. 276 f. 46 Fraenkel, Pluralismus, S. B28 ff. 47 Vgl. gerade oben a). 48 Insoweit zutreffend Fraenkel, Pluralismus, S. B 29. 49 Vgl. etwa Groh, Verfassungstheorie, S. 13 (27 ff.); Häberle, Kulturwissenschaft; ders., JZ 1975, 297 (297 ff.). 50 BVerfGE 5, 85 ff. 44
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gelangen kann“.51 Daraus folgt, dass Diskurse bei der Rechtsverwendung im Hinblick auf Auslegungen, Wertungen und Methoden, möglichst klar jeweils als solche identifiziert, geführt werden können und müssen. Wie es einen unverzichtbaren Kern an Spielregeln im Rahmen der politischen Systeme gibt, so ist dieser dogmatische Diskurs allerdings in einem absoluten gemeinsamen Minimum unabdingbar, welches sich, namentlich mit jenem deckt in Pluralismus-Anerkennung, Friedlichkeit sowie erstrebter Rationalität als Basis. c) Fortschrittlichkeit Wiederum eng mit dem Pluralismus verbunden, ist in und durch die FDGO Fortschrittlichkeit des Gemeinwesens zu ermöglichen.52 Sozialer Fortschritt, den noch die „Weimarer“ Reichsverfassung von 1919 (WRV) ausdrücklich als Ziel erkannte, ist dabei ebenso wenig wie das Gemeinwohl heteronom bzw. absolut bestimmbar, etwa in einer humanistischen Tradition der Perfektionierung der Individuen oder ihrer Gesamtheit.53 Fortentwicklung bezeichnet damit vor allem die offene Veränderungsfähigkeit des Gemeinwesens im Gegensatz zu Statik oder Zirkularität. Insoweit kann auch auf die Systemtheorie zurückgegriffen werden, wonach besonders das Funktionsprinzip der freien Anpassungsfähigkeit für die Stabilität eines Systems zentral bleibt.54 Innovationskraft und Dynamik werden wiederum bedingt durch die Freiheitlichkeit, in der die Problembearbeitung und Weiterentwicklung stattfindet.55 Auch daraus sind die Schranken der Selbstbindung, die das demokratische Gemeinwesen sich namentlich in Gestalt der Regeln und Prinzipien der FDGO auferlegt, auf das unabdingbar rechtfertigbare Maß zu minimieren.56 Behinderungen des Informationsflusses, seien sie auch mehrheitlich vereinbart, bedürfen der Rechtfertigung, wenn sie „die Lernfähigkeit des Souveräns“, d. h. der Akteure im politischen Prozess ersticken, nicht aber, wenn sie beide tatsächlich erhalten und sichern.57 Keinesfalls darf die FDGO gegen sich selbst gewendet werden – nämlich gegen bloß divergierende Meinungen, die ihre Funktionen nicht angreifen.58 51
Kriele, Vernunft, S. 40 ff.; Alexy, Theorie, S. 521. Vgl. BVerfGE 5, 85 (197 ff.); Hochhuth, Meinungsfreiheit, S. 189 im Hinblick auf die Wegentwicklung von den NS-Entartungen im Sinn der Negativdefinition. 53 Vgl. dementsprechend etwa noch Kant, Idee; vgl. dazu Höffe, Geschichtsphilosophie; Hoesch, Vernunft; Kleingeld, Fortschritt; allgemein Kuhn/Wiedmann, Philosophie; Meyer, Problem; Mittelstaedt, Fortschritt; Rapp, Fortschritt; kritisch insgesamt heute etwa Strasser, Drama. 54 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 381 ff.; Parsons, System, S. 51 f. 55 Vgl. Hayek, Verfassung, S. 37; zust. Schmitt Glaeser, Staat, S. 51; Dorn, Verfassungssoziologie, S. 50; Fraenkel, Demokratien, S. 73; historisch-empirisch nur etwa Fahrner, Buchdruck, S. 13 ff. m. w. N. 56 Vgl. namentlich Holmes, Vorentscheidung, S. 133 ff.; Dettling, Demokratie, S. 65; Zacharias, Ewigkeitsgarantie, S. 60 f.; Polzin, Verfassungsidentität, passim. 57 Vgl. Frankenberg, KJ 35 (2002), S. 297 (298 ff.); Holmes, Vorentscheidung, S. 162; Engelmann, Demokratie, S. 80. 52
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d) Friedlichkeit Als Ansatzpunkt für die Substanz der freiheitlich demokratischen Grundordnung bleibt sodann die herauspräparierte Zentralfunktion jeder staatlichen Ordnung, für ein friedliches (und dadurch soweit gesichertes) Zusammenleben in einem bestimmten Staatsgebiet zu sorgen.59 Die FDGO stellt dabei eine neue Stufe des seit Beginn jeder politischen Ordnung zentralen Prozesses der Friedenssuche dar. Ihr Erkenntnisgewinn besteht darin, den Frieden innerhalb des staatlich verfassten Gemeinwesens dauerhaft, namentlich gegen Gewalt- und Willkürherrschaft, Bürgerkrieg und blutige Revolution, zu sichern. Hier liegt eine weitere ihrer Wurzeln in der von Popper während seiner Vertreibung von 1938 bis 1945 in die USA entwickelten staatsphilosophische Prinzipien einer offenen Gesellschaft.60 Das Wesen der (freiheitlichen) Demokratie kann man mit ihm überspitzt darin sehen: „Regierungen ohne Blutvergießen los zu werden“, nämlich vor allem durch zeitlich absehbare Wahlen.61 So zielt nach dem BVerfG etwa das Parteiverbot nach Art. 21 GG „auf den Schutz der grundlegenden Werte, die für ein friedliches Zusammenleben unverzichtbar sind“ und rechtfertigt nur daraus den Ausschluss bestimmter politischer Auffassungen aus dem Prozess der politischen Willensbildung.62 aa) Jede neuzeitliche staatlich gewährleistete Friedlichkeit ist zwingend mit dem (später geprägten Begriff des) Pluralismus verbunden.63 Frieden in diesem Sinn ist nicht nur Abwesenheit von offener Gewalt, sondern muss auch namentlich Religions- und Weltanschauungsfrieden sein; damit entfallen bereits transzendentale Vorstellungen eines Friedens-Reichs.64 Dagegen ist der Kontext des Staates als säkular-profane politische Friedensordnung bzw. -garant aufzunehmen.65 Nur als erste Stufe erscheint hier die in ihm konzentrierte faktisch wirksam durchsetzbare physische Gewalt.66 Sie spiegelt sich innerhalb des jeweiligen staatlichen Herrschaftsbereichs in einem Monopol der Gewaltausübung gegenüber fremden Mächten ebenso wie gegen die dadurch unterdrückte private Selbsthilfe und Eigenmacht.67 Für die so Unterworfenen kann, auf zweiter Stufe, gleichermaßen eine Gewalt- und Willkürherrschaft durch den Staat selbst weiteres Gegenbild zur Friedlichkeit
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Vgl. Thiel, Demokratie, S. 20. Vgl. etwa Schöbener, Staatslehre, § 4 Rn. 53 ff., 87 ff.; Kriele, Staatslehre, §§ 9 ff. 60 Popper, Gesellschaft, S. XVII. 61 Vgl. hier nur Popper, Gesellschaft, S. 149. 62 BVerfGE 144, 20 (195 ff.); Doehring, Staatslehre, Rn. 381 f. 63 Vgl. auch bereits oben b). 64 Vgl. auch Fahrner, HdbSiStR § 36 Rn. 2 ff. 65 Vgl. Sternberger, Staatsfreundschaft, S. 293 ff. 66 Vgl. etwa Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35. 67 Vgl. bereits Marsilius, Defensor, Cap. I 4 § 4 ff.; sodann Hobbes, De cive, cap. IV, 3; ders., Leviathan, cap. II, 17; Grotius De jure cap. I, 3; vgl. zum Ganzen Dickmann, Friedensrecht, S. 79 ff.; Fahrner, Landfrieden, S. 1 ff. m. w. N. 59
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
werden.68 Von daher nachvollziehbar, wird historisch ein umfassender Friedensbegriff unter enger Verknüpfung zur Gerechtigkeit verstanden.69 Allerdings kann diese eben nicht (mehr) als ex ante definierter Zielzustand oder sonst antiplural einseitig bestimmt werden.70 Die Gerechtigkeit ist vielmehr prozedural darin zu begreifen, wie Positionen der Einzelnen in den Konflikten des Gemeinwesens respektiert werden und sozusagen und in diesem Sinn mittels „Empowerment“ inkludiert werden. Darauf aufbauend, kann wohl am besten in einer freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung individueller und kollektiver Frieden dadurch beschrieben werden, dass er durch Ohnmacht negiert (bzw. „falsifiziert“) wird.71 Unter Ohnmacht ist dabei ein Zustand (oder Eindruck) zu verstehen, ohne absehbare effektive Hilfsmöglichkeit fremder Macht (als solcher) zu unterliegen. Diese kann zwar zuvorderst als Gewalt physischer oder psychisch-körperlicher Art vermittelt sein.72 Zweitens können dies ebenso weitere unmittelbare Wirkungen sein, wie die Minderung der sozialen Stellung oder der Entzug der Verfügungsmöglichkeit über sachliche Ressourcen. Drittens schließlich kann – bereits in Angst davor wirkende – instrumentelle Macht ausgeübt werden. Dadurch kann nicht nur die nackte Macht, sondern auch die durch Gehorsam formal etablierte Herrschaft im Sinn Webers73 unfriedlich sein. Aus diesem Sinn soll die FDGO friedlich sein, nicht nur Revolution als umwälzende manifeste Gewalt nach angestautem ohnmächtigem Unfrieden zu verhindern,74 sondern selbst dieses Aufstauen verhindern, mithin den Einzelnen in prozeduraler Weise dienen. bb) Ist die Negation des Friedens die Ohnmacht, ist wiederum ihre die befriedende, akzeptable Entscheidung.75 Als wesentliche Gründe der Akzeptanz erschei68
Vgl. dazu bereits oben 1. a), b). Vgl. hierzu und zum Folgenden im Einzelnen bereits Fahrner, Landfrieden, S. 1 ff. 70 Vgl. oben b). 71 Dies lässt sich durchaus im Sinn einer Falsifikation der Friedensvermutung durch nachweisbare Ohnmacht entsprechend rationaler Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, oder aber in Kontinuität zum hegelianisch-normativen Verständnis begreifen. 72 Vgl. zum ganzen Folgenden maßgeblich das Modell von Popitz, Macht, 24 ff., 43 ff.; hier ähnlich Galtung, Gewaltstruktur, S. 114 (121 ff.); vgl. Fahrner, Gewaltlosigkeit, S. 247 (252); zur Macht im Kontext der FDGO, indes aus systemtheoretischer Verengung vgl. Nichelmann, Grundordnung, S. 150 ff.; siehe weiter insbesondere unten II. 1. 73 Weber, Soziologie, S. 210 ff. (i. e. Wirtschaft und Gesellschaft, Urfassung, Dritter Teil), 311 (Neufassung Erster Theil § 16); vgl. auch Preuß, Reich, S. 325 (zu Art. 1 Rn. VII): „oboedientia facit imperantem“; sowie der spätere Ansatz von Luhmann, Politik, S. 27 f.; Di Fabio, Herrschaft, S. 30. 74 Vgl. etwa Zimmermann, Revolutionstheorien, S. 231 (235 ff.); Enzmann, Revolution, S. 205 (209 ff.), dort auch zum Problem der Gewalt i. w. S. bei den „friedlichen Revolutionen“ um 1989 im europäischen sowjetischen Machtraum; vgl. etwa auch den „Widerspruch zwischen Natur und Handeln“ bei Hindrichs, Revolution. 75 Auch hier wieder namentlich verstehbar im Sinne einer objektivierenden Falsifikation; gegen jede stabilisierende Funktion der Akzeptanz wehr sich etwa Drefs, Öffentlichkeitsarbeit, S. 214 ff., ohne allerdings genauer hinter die unmittelbare Legitimationsebene zu blicken, nicht jedem im Augenblick seinen Willen zu geben und so „volle Akzeptanz“ zu erzeugen, ist jedoch 69
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nen die Autorität hinter der Entscheidung, ihre Responsivität und Plausibilität. Alle drei greifen ineinander und müssen allen Beteiligten des Konfliktes grundsätzlich gemein sein, um eine allseitig friedliche Lösung zu erreichen. Fehlen etwa allen Akteuren gleichermaßen zugängliche Begründungspotentiale zur überzeugenden Konfliktlösung, ergibt sich letztlich kein Unterschied zum weiteren parteiischen, unfriedlichen Konfliktaustrag. Art und Maß der Legitimität der Entscheider etwa im Sinn Webers76 erweist sich somit als ein Faktor unter anderen. Im Sinn der Responsivität kann einerseits erfasst werden, in welchem Umfang der Konflikt in seiner gesamten Dimensionalität und Komplexität Eingang in die Entscheidung gefunden hat. Andererseits ist bedeutsam, wie sehr im Verfahren die Betroffenen Beachtung gefunden haben77 und versucht wurde, eine angemessene Entscheidung zu finden. Die inhaltliche Plausibilität stützt sich namentlich auf die Rationalität der Begründung. Dazu zählt etwa, wie sehr die ermittelte Wahrheit verarbeitet und die Entscheidungsgründe nach Gerechtigkeits-/Vergleichbarkeitssätzen nachvollziehbar gemacht sind.78 Erneut sind hierbei die Grundsätze der Pluralität zu achten. Damit scheiden verabsolutierte religiöse und weltanschauliche sowie a priori festgelegte Kriterien des Gemeinwohls und der Rechtsauffassung etc. aus.79 Gerade die Willkür, gegen die die FDGO gerichtet ist,80 stellt einen zentralen Gegenbegriff zur – die Ohnmacht beseitigenden – Plausibilität dar.81 Allgemein folgt eine prozedurale Plausibilisierung aus der Kommunikation der dafür erforderlichen Informationen. cc) Um Friedlichkeit und ihre Voraussetzungen zu gewährleisten, stellt die FDGO auf Komponentenebene zwei Modi zur Verfügung: jenen der Rechtsstaatlichkeit und jenen der Demokratie.82 (1) Beide verbindet und trennt funktional ebenso wie historisch vor allem das Gesetz als ius certa, wenn nicht ratio scripta, sachliche Autorität und Verkörperung
das eine, eine prozedural und letztlich auch materiell akzeptierbare Entscheidung zu erzeugen, das andere, gerade hier wirkt sie dann auch, wie nachfolgenden beschrieben, auf den „Grundkonsens“ der wiederum konstitutiv sein soll, ein, vgl. insoweit auch ebd., S. 227 m. w. N.; zum Zusammenhang von Frieden und Entscheidung vgl. etwa auch Schöbener, Staatslehre, § 4 Rn. 94 ff. 76 Vgl. nochmals Weber, Soziologie, S. 211 ff., 312. 77 Der Verweis auf den psychologischen Rapport liegt hier nahe, vgl. etwa Katz/Koppelman Sweedler/Lawyer, Communication, S. 10 ff. 78 Vgl. hierzu und zum Folgenden Habermas, Moral, S. 11 f.; ders., Faktizität, S. 151 ff. 79 Vgl. hier nochmals auch Dworkin, Virtue, S. 6. 80 Vgl. oben 1. a), b) aa). 81 Grundlegend Leibholz, Gleichheit, S. 76; weiter im Überblick Saurer, Gleichheitssatz, S. 101 ff. 82 Vgl. bereits die Ansätze dazu bei Fröbel, System II, S. 154 ff.; Smend, Verfassung, S. 98 ff.; hingegen zu schematisch durch Schmitt geprägt noch etwa Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 147: Demokratie als Legitimation der Staatsgewalt, Rechtsstaat als dessen Limitation.
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
der Rechtssicherheit.83 Sie sind mithin kein Aliud zueinander, grundsätzlich nicht gegensätzlich-ausschließend, sondern müssen als komplementär und insoweit gleichgerichtet begriffen werden.84 Dies drückt sich neben der Feststellung der Verbindung durch das BVerfG etwa im Ineinandergreifen in den Art. 20 II, III GG und ihren weiteren verfassungsrechtlichen Ausgestaltungen aus. Beispielsweise folgt die sachliche Autorität des Gesetzes den Entscheidungskriterien des demokratischen Prozesses seiner Entstehung. (2) Gerade in der Abstraktion der Rechtsprechungsentscheidung weg von einem vermeinten aktuellen „demokratischen Willen“ irgendwo im öffentlichen Raum hin zur Gesetzlichkeit liegt die besondere Bedeutung auch für die Friedlichkeit. Der einzelne wird eben nicht einfach ostrakisiert, sondern soll durch ein Gericht „sine ira et studio“85 beurteilt werden. Gerade der Rechtsstaat bietet in der Rechtsanwendung wirksame Wege gewaltfreier Konfliktlösung und -prävention, die auch im Fall von Übergriffen die Betroffenen innerhalb der Gemeinschaft nicht dem Eindruck von Ohnmacht überlassen.86 (3) Das politische System soll als Demokratie komplementär ermöglichen, ein ungerecht scheinendes Recht zu ändern oder ergänzend andere politische Entscheidungen im Rechtsrahmen friedlich beeinflussen zu können.87 Durch die individuelle Chance der Mitwirkung soll niemand als bloßes Objekt gesellschaftlicher Verfügungsgewalt behandelt werden, wodurch wieder unter anderem die Menschenwürde adressiert ist.88 Gerade in der freiheitlichen Demokratie müssen in „weitem Maße Kritik am Bestehenden, Unzufriedenheit mit Personen, Institutionen und konkreten Entscheidungen positiv verarbeitet werden“, indem aus „Einsicht in die Labilität ihrer Position“ die Entscheidenden gezwungen sind, die Interessen der Minderheiten ebenfalls „grundsätzlich“ zu berücksichtigen.89 Die Demokratie muss so ausgestaltet sein, dass die Gemeinschaftsentscheidungen inhaltlich jedem das größtmögliche Maß an Freiheit lassen, mindestens aber ihm stets zumutbar bleiben.90 83
Vgl. auch Smend, Verfassung, S. 100 ff. m. w. N. zum Diskussionstand der Weimarer Republik mit der besonderen Situation der Richterschaft. 84 Anders die „absolutisch-exogene Demokratietheorie“ von Schmitt, durch Böckenförde und andere fortgeführt, vgl. unten C. I. 3. 85 Vgl. Fahrner, Ausfälle, S. 146 ff.; ders., Landfrieden, S. 82 ff.; ders., betrifft justiz 144 (2020), 393 (394). 86 Vgl. auch Fahrner, HdbSiStR § 5 Rn. 5 m. w. N. 87 Dies folgt selbst aus gegen die Friedlichkeit der Demokratie gerichteten Entwurf der politischen Willkür und Homogenisierung des Demos bei Schmitt, Verfassungslehre, S. 225 f., 232 ff., bei dem diese letztlich auch der (vermeintlichen) Stabilität der homogenisierten identitär-volksabsolutistischen Herrschaft dienen sollen; vgl. umfassend weiter unten Kap. 2 C. 88 Kielmansegg, Demokratie, S. 18; Enzmann, Schlechtwetterdemokratie, S. 143 (148); Habermas, Faktizität, passim. 89 Vgl. bereits BVerfGE 5, 85 (199) unter der damaligen Terminologie der Willensbildung der Mehrheit. 90 Vgl. etwa BVerfGE 5, 85 (197 f.).
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Die eigene politische Gewaltfreiheit der Akteure muss zentrale Schranke auch politischer Verfassungsordnungen bleiben. dd) Für eine friedliche demokratische Ordnung ist die Integration grundsätzlich aller bestehenden oder entstehenden Gruppen entscheidend. Sie sieht sich vor den Herausforderungen rationalistischer Entfremdungseffekte und der (zunächst noch als „Wertverfall“ gedeuteten) empirischen Lebensformpluralismen.91 Die notwendige Integration kann wiederum vor allem darin erkannt werden, weitgehend allgemein auf friedliche Konfliktlösung innerhalb des konkreten politischen Systems zu vertrauen.92 Sie zielt mithin darauf, die Motivation einzudämmen, dieses zu unterminieren oder zu sprengen. Jedenfalls ist sie auf ein Maß zu reduzieren, dem durch unterdrückende Maßnahmen, als ultima ratio des präventiven und strafrechtlichen Staats- und Verfassungsschutzes, beigekommen werden kann, ohne die generelle Friedlichkeit und Freiheitlichkeit zu verlieren. Renan und Smend bleibt zunächst darin zuzustimmen, dass Integration verstanden werden kann als „un plébiscite de tous les jours“, welches sich als individuellpsychologische Entscheidung, das Gemeinwesen zu akzeptieren, bei allen Interessensspaltungen beständig „dynamisch“ von neuem stellt.93 Es trifft aber zu, dass dieses Urteil bei weitem nicht alleine anhand voll individuell rationaler Nutzenerwartung getroffen wird, insbesondere wenn die aktuelle Zahl der vermittelnden Elemente den Einzelnen rational überfordern.94 Aus welchen Gründen jeweils beim einzelnen Individuum per se aktuell die Integration gelingt, ist für das Gemeinwesen unbeachtlich, jedoch hat es möglichst effektiv die Integrationsleistung für alle Betroffenen zu adressieren und zu aktivieren.95 Die Wirkung der unterschiedlichen Werkzeuge und Mechanismen der Integration macht sich an diesen kombinierten 91
Vgl. Smend, Verfassung, S. 58 ff.; dazu aus heutiger Sicht hier nur Matz-Lück, Integrationslehre, S. 37 ff. m. w. N.; Schöbener, Staatslehre, § 3 Rn. 15 ff. 92 Durch dieses weit umfassendere, gerade bereits begründete Konzept bedarf es der nicht weiter ausgefüllten Prämisse des Staates als Willensvereinheitlichung und „Willensverband“ etwa bei Smend, Verfassung, S. 8 ff. nicht, diese kann als heute zurecht überholt gelten; vgl. in diese Richtung bereits Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35: „Solange an … geglaubt und angenommen wird, es gäbe eine Möglichkeit, durch Diskussion mit dem Gegner zur politische Einigung zu gelangen, solange kann auf Unterdrückung durch physische Gewalt verzichtet werden“; ähnlich unter direktem Bezug zur FDGO etwa Dettling, Demokratie, S. 69 ff. 93 Vgl. zuerst Renan, Nation, S. 27; Heller, Souveränität, S. 82; Weber, Staatsdenken, S. 35 f.; Smend, Verfassung, S. 16 ff, 69: Wirklichkeit des Staates als das tägliche Plebiszit; vgl. auch Thoma, HdtStR, § 16, S. 189. 94 Insoweit richtiger Ansatz bei Renan, Nation, S. 24; Smend, Verfassung, S. 14 ff., 47 f., 72 ff. m. w. N. auch mit der Kritik an der zu rationalitätsfixierten liberalen Staatstheorie jedoch im zu Recht überholten Modell des Staates als Willensverband; maßgeblich dürften wohl geringe Informationen, hohe Informationskosten, geringe Informations- und Entscheidungsgewinnerwartung sein, s. näher dazu unten II. 3. und D. II. 95 Vgl. auch Smend, Verfassung, S. 41 f.; Wieser, Gesetz, S. 23; zur hohen Bedeutung des „politischen Grundvertrauens“ und seiner Zerstörung vgl. etwa Bader/Behnke, Einstellungen, S. 191 (203 ff.).
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
rational-emotionalen Ebenen in Perspektive auf die ganze Bevölkerung als solcher fest.96 Der rationale Kern der Integration (um Konflikte in die zu formalisierten, friedlichen Bahnen des konkreten politischen Systems der Verfassungsordnung zu lenken, statt darauf, diese zu sprengen) ist indes die zumindest mittelfristig reale Chance auf politische Gestaltungs- und Mitbestimmungsmöglichkeit.97 Gerade in einem pluralistisch offenen Gemeinwesen bedeutet Integration weiter, dass allgemein akzeptierte gemeinsame Verfahren der Konfliktregelung bestehen und Instanzen vorhanden sind, die die Respektierung dieser Verfahren garantieren.98 Zunächst leistet die FDGO einen Orientierungspunkt aus pluralistischer wechselseitiger Akzeptanz, indem sie ein „gemeinsames Gutes“ in rein prozeduraler Art weltanschaulich-religiös etc. neutral postuliert. Ob darüber vollständig Einigung besteht, ist insoweit sekundär, da alleine durch die Begrifflichkeiten, Kategorien und Funktionen eine gemeinsame Diskussionsgrundlage gegeben ist. Am friedlichen Diskurs inkludierend nimmt teil, wer die Grundlagen wie Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat sowie die weiteren Ausprägungen aufnimmt, und es exkludiert sich, wer diese negiert. Die FDGO liefert zudem eine gemeinsame Bewertungsgrundlage, da sie den unverzichtbaren, unveräußerbaren Kern des so ausgestalteten Gemeinwesens beschreibt. Sie kann daher gerade jenen Fixpunkt der Integration liefern, der von der Weimarer Staatslehre noch für unmöglich gehalten wurde.99 Damit dies wiederum im Sinn der Integrations- und Friedensfunktion gesichert ist, muss sich der Integrationskern allerdings selbst auf das unumgängliche Notwendige beschränken.100 Dies exkludiert nicht nur im Sinne der Pluralität die dort heteronom gesetzten Werte und Ziele, sondern auch konkrete Inhalte jenseits der genannten prozeduralen Konfliktregelungen und Minimalgebote.101 Alles Weitere ist den politischen, demokratisch-rechtsstaatlichen Prozessen zu überlassen, so dass breitest möglich Abweichungen buchstäblich denkbar, vertretbar und inkludierbar 96
Smend, Verfassung, S. 40 ff. Stark auf individuelle Freiheit verengt der „Grundkonsens“ von BVerfGE 44, 125 (147); vgl. auch Thoma, Wesen, S. 66 (82 f.). 98 Dettling, Demokratie, S. 69; wie namentlich unter dem GG das BVerfG und das Rechtssystem mit Gewaltenteilung und unabhängigen Gerichten insgesamt, siehe dazu sogleich und unten Kap. D. III. Hierin ist auch der Gesamtbezug zur Friedlichkeit nochmals klar erkennbar; zum Gegensatz Smends, der die Pluralität aufnimmt, zu Schmitt, dessen Homogenität dem diametral entgegengesetzt ist, vgl. etwa Matz-Lück, Integrationslehre, S. 37 (45) m. w. N. 99 Etwa durch Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (36) a. A. allerdings wohl bereits unter Berufung auf Hauriou, Recueil de législation de Toulouse 8 (1912), 1 (16 ff.) Smend, Verfassung, S. 69. 100 Vgl. etwa auch Voßkuhle/Kaiser, JuS 2019, 1154 (1155). 101 Vgl. bereits Preuß, Reich, S. 328 (zu Art. 1 Rn. VIII): Bereits in Weimarer Republik „formale Demokratie“ im Sinne der Gleichberechtigung, wirtschaftliche Verschiedenheit sei nicht Maßstab der Demokratie. 97
II. Ein pluralistisch-subjektivistisches Strukturmodell der Freiheit
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bleiben. Dieser Kern, welcher die FDGO ausmachen muss, ist gerade in jenen zwingenden Konfliktregelungen und ihrer Absicherung gegen „Foulspiel“ durch Gewalt oder Manipulation zu erkennen, der selbstverständlich weiter analysiert werden muss. Effektiviert werden kann diese Absicherung allerdings nicht nur durch das Konstrukt der FDGO selbst, sondern bedarf weiterer rechtlicher Ausgestaltung, namentlich im Staats- und Verfassungsschutzrecht. Im Sinne der Integrationsoffenheit dürfen diese effektiven Schutzregelungen wiederum nicht dazu führen, die FDGO selbst zu zerstören. Vielmehr müssen sie gegen „dauerhaften Verlust“ an Betroffenen Chancen zu kollektiven und individuellen Prozessen der (Re-)Integration in das freiheitliche demokratische Gemeinwesen eröffnen, solange sich letzteres dadurch nicht (damit vorrangig) in reale Gefahr des Selbstbestandes setzt. Daraus folgt eine Toleranz auch gegenüber Verfassungsgegnern, auch jenseits des zwingend durch Pluralismus- und Fortschrittsfunktion gesicherten Bereichs, soweit diese tragbar ist.102 Dessen Grenze zieht die Rechtsprechung – unter den derzeitigen weitgehend gesicherten Bedingungen des nach 1945 transformierten Deutschlands – bei einer „aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“, etwa wenn eine Partei die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne eines „planvoll verfolgten politischen Vorgehens“ fortlaufend untergraben will und die verfassungsmäßige Ordnung nicht lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt.103
II. Ein pluralistisch-subjektivistisches Strukturmodell der Freiheit Wie anderenorts weiter auszuführen ist,104 kann der Inhalt individueller Freiheit näher modellhaft erfasst werden im Einklang mit den gerade entwickelten Funkti102 Bemerkenswert, jedoch angesichts der Gefahren eher bedenklich erscheinen die Überlegungen, das Parteienverbot im Zuge möglicher Lern- und Reintegrationsprozesse nur auf Zeit aussprechen zu lassen, vgl. Nichelmann, Grundordnung, S. 198 ff. m. w. N.; allerdings wird man mit Boventer, Grenzen, S. 249 entgegenhalten müssen: „Autoritäre und totalitäre Bewegungen lassen sich nicht integrieren, es sei denn, sie änderten sich in ihrer Programmatik. Ansonsten werden ,Demokratisierungsversuche‘ der disloyalen Opposition nur zu Wandlungen der pluralistisch-freiheitlichen Gesellschaft führen und ihre Institutionen zu ihren Ungunsten verändern. Parteien, die früher für extremistisch befunden wurden, erscheinen plötzlich als hoffähige Vereinigungen. Versuche der Einbindung schaden letztlich der demokratischen Ordnung und werden nicht zu ihrem Nutzen sein. Die Selbstverteidigungsmaßnahmen einer streitbaren Demokratie müssen im weiten Vorfeld eines Machtvakuums eingesetzt werden. Sie sehen sich organisierten extremistischen Kräften gegenüber, die möglicherweise erst vereinzelt und schwach sind, aber die demokratische Ordnung in aggressiver und kämpferischer Haltung angreifen.“ 103 Vgl. hier nur BVerfGE 5, 85 (42 f., 212 f., 233, 235, 348); für Vereinsverbote vgl. BVerwGE 61, 218 (220); 110, 126. 104 Dazu vor allem ausführlich die vor Abschluss stehende Habilitationsschrift d. Verf.
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
onsanforderungen der FDGO, namentlich des menschenwürdigen Subjektivismus und Pluralismus. Als Grundlage dazu kann – primär deskriptiv – ein Strukturierungsmodell dienen. Es kann die weitere vor-rechtliche und juristische Analyse und Argumentation operationalisieren, ohne weitergehende inhaltliche und damit (über das für die Verständigung Erforderlich hinaus) heteronome Vorgaben zu machen. In diesem Modell können, ausgehend von den außerrechtlichen Erkenntnissen über die individuelle Freiheit und deren Ausdrucksformen in allen Rechtsbereichen, namentlich des Strafrechts, fünf Dimensionen identifiziert werden. Sie werden vorliegend als regulatorische, ressourcenmäßige, rationale, informatorische und sittliche Freiheit bezeichnet.105
1. Regulatorische Freiheit Mit der regulatorischen Dimension soll die Freiheit gegenüber allen Formen des wahrnehmbaren Zwanges im Sinn der traditionell (außerrechtlich) etwa durch Isaiah Berlin identifizierten „negativen Freiheit davon“ erfasst sein.106 Dies umfasst im Kern spürbare fremde Macht. Diese kann sich nicht nur als manifeste Aktionsmacht oder gar eng verstandene Gewalt zeigen, sondern auch „psychisch“ als institutionelle, autoritative Macht oder sonstige Macht im Sinne von Popitz wirken.107 Davon sind zur weiteren Präzision allerdings klare Abgrenzungen zu treffen, welche als eigene Dimensionen darzustellen sind: Ausgeschlossen werden einerseits fehlende eigene Ressourcen des Betroffenen, die Zwangswirkungen auslösen können, jedoch nicht notwendig Dritten zugerechnet werden müssen. Andererseits sind nur solche Wirkungen zu erfassen, die „spürbar“ die Willensentscheidung beeinflussen, d. h. die in deren Prozess eingehen und daher in diesen etwa im Rahmen von Nachteilsfaktoren möglicher Alternativen eingestellt werden können.108 In diesem Verständnis beeinträchtigt auch das Recht regulatorisch die Freiheit, stellt es doch bei der Übertretung Sanktionen innerhalb des eigenen Subsystems
105 Zur näheren Begründung ist auf die in Finalisierung befindlichen weiteren Werke zu verweisen. 106 Zur gängigen Definition – „absence of obstacles, barriers or constraints to the fulfillment of someone‘s desires“ – nach Berlin, Essays, S. XXX f. etwa bei Carter, Art. „Positive and Negative Liberty“. 107 Vgl. zum Ganzen hier nur Popitz, Macht, S. 17 ff. 108 Von einer Entscheidungsalternative hält das Individuum ab, dass es aufgrund regulatorischen Einflusses, sei es unmittelbare Angst vor Schmerz, Gewalt, Einbußen an Ressourcen etc. oder entsprechender Habituierung oder Perzeption entsprechende Nachteile fürchtet. Ob diese auf Institutionen wie den Staat oder gesellschaftliche Institutionen, Personenverbände oder Einzelpersonen, unbekanntes, soziales oder familiäres Umfeld zurückgeführt werden, bleibt an dieser Stelle irrelevant.
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zumindest glaubhaft in Aussicht.109 Gleichzeitig sichert es gerade dadurch regulatorische Freiheit gegenüber privater Eigenmacht Dritter, indem es die entsprechenden Freiheitsbereiche abgrenzt und auch mit Sanktionen der Rechtsgemeinschaft bzw. des neuzeitlich-modernen Staates gewährleistet. Dieser sorgt allerdings, unter vielem auch durch das Strafrecht, für die Sicherung regulatorischer Freiheit gegen die Macht anderer, seien es andere Individuen oder z. B. fremde staatliche Mächte. Schließlich schafft das Recht Erwartungssicherheit gegenüber dem Staat und seinem Zwang. Es begrenzt damit seine regulatorische Freiheitsbeeinträchtigung (durch Sicherung und Achtung, ohne dadurch allerdings die vorab bestehende menschenwürdige Freiheit erst normativ zu konstituieren). In diesem Sinn weist eine regulatorische Freiheitsdimension unmittelbaren Friedens- und Pluralismusbezug auf. Die Friedlichkeit liegt namentlich im Verbot eigenmächtiger Übergriffe in die Freiheit des Opfers. Sie erstreckt sich im vertikalen Verhältnis auch gegen zwar hoheitlichen, aber willkürlich übergriffigen Zwang, namens die Willensbeugung und -steuerung durch staatlichen Zwang und dessen Androhung auch als Sanktion für bestimmtes Verhalten. Im Verfassungsrecht findet sich diese regulatorische Freiheitsdimension folglich vor allem in der Rechtsstaatlichkeit (vgl. als Grundprinzip Art. 20 III GG) sowie in den Grundrechtsgewährleistungen und der darauf bezogenen Menschenwürde.110 Gegenüber staatlicher Macht greift damit vor allem der status negativus der Grundrechte, um dem einzelnen Subjekt eine vor äußeren, staatlichen wie nichtstaatlichen Eingriffen geschützte Sphäre zu schaffen, innerhalb der es entlastet von kommunikativen Zumutungen seine eigene Vorstellung des Guten erkunden und erproben kann; daher verbirgt sich hinter der negativen Freiheit, die hier gewährleistet wird, das Recht des modernen Individuums auf eine rein private Erschließung seines eigenen Willens.111 Dieser grundrechtliche Status wird ergänzt durch weitere normative Unterlassungsansprüche gegen den Staat.
2. Ressourcenmäßige Freiheit Die eigene ressourcenmäßige Dimension der Freiheit ermöglicht gerade in der Trennung von der regulatorischen eine präzise Definition beider. In ihrer Wirkung auf den individuellen Entscheidungs- und Handlungsraum können sich beide gleichkommen: Wer keinerlei Mittel zur Verfügung hätte, könnte noch so sehr frei von regulatorischen Zwängen sein, er wäre stets zum Nichtstun verdammt. Allerdings knüpft dieser Aspekt der Freiheit alleine an die Verfügbarkeit der notwendigen Mittel an, Handlungsmöglichkeiten effektiv ausüben zu können. Wodurch diese Mittel bestehen oder beschränkt sind, ergibt sich als sekundäre Frage. Letzteres kann 109
Im soziologischen Sin treten neben die daraus konditionierte Aktionsmacht als Vorverlagerung die instrumentelle Macht der Androhung und die autoritative seiner Erziehungswirkung. 110 Vgl. Fahrner, HdbSiStR, § 5 Rn. 6. 111 Honneth, Freiheit, S. 131 f. unter Berufung auf Waldron, Justice, S. 370 ff.
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
in der machtmäßigen Vorenthaltung oder Wegnahme, aber auch in natürlichen Grenzen begründet liegen. Dabei ist der Begriff der Ressourcen freiheitsbezogen und insgesamt weit zu verstehen. Unter ihn können neben vermögenswerten Gegenständen etwa die eigene Handlungs- und Arbeitskraft, Intellekt und sonstige Fähigkeiten des Individuums selbst – oder aber nur per se, nicht durch fremde Macht beschränkte Universalgüter der Umwelt vereint werden. Vor allen anderen Dimensionen findet die ressourcenmäßige Freiheit in den Grundrechten, beispielhaft im Grundgesetz und dem darauf aufbauenden einfachen Recht, in allen Bereichen besondere Ausprägungen. Dazu zählen etwa in Art. 2 II GG Leben, Körper i. w. S. und Gesundheit,112 Eigentum und Sachbeherrschung in Art. 14 f. GG. Auch auf dieser Ebene können sie somit als besondere Ausdrucksformen allgemeiner Freiheit und damit in ihrem konkreten Anwendungsbereich als leges speciales zu Art. 2 I GG in der Auslegung des BVerfG verstanden werden. Zwar können Eigentum und Vermögen auch mit einem überschießenden, nicht mehr unmittelbar der Freiheitsausübung dienenden Teil betrachtet werden, der sich auf das alleinige Innehaben von Gegenständen auch ohne jede potentielle Nutzungsbereitschaft zur Freiheitsausübung bezieht. Dies bedeutet allerdings nicht, dass damit mit einem weiten (prä-) konstitutionellen Eigentumsbegriff insgesamt ein Gegenbegriff zur Freiheit formuliert wäre. Nur exemplarisch zeigen die Abgrenzungen zwischen Art. 12, 14 GG oder die Staffelungen privaten Rückzugs und Wirtschaftssphäre bei Art. 13 GG die enge Verbindung als Freiheitsressourcen. Nicht umsonst werden auch diese Grundrechte allgemein unter die Freiheitsrechte gezählt. Die Ausgestaltung ist der weiteren Rechtsordnung, namentlich dem Sachenrecht, wie sonstigen Privatrecht unter den öffentlichen Eingriffsmöglichkeiten, etwa der Sozialverpflichtung und Sozialisierung von Art. 14 I 2, II, III, 15 GG oder Aufopferung, aber auch etwa Sozialversicherungs- und Entschädigungsansprüchen gegen die öffentliche Hand vorbehalten. Schließlich ist damit nichts über die gerechte Verteilung der Ressourcen ausgesagt. Dabei handelt es sich um die Probleme der gemeinwohl-pluralen a posteriori-Gerechtigkeit.113 Auch die weiteren Funktionsanforderungen scheinen gewahrt. Es bleibt an der staatlichen Rechtsordnung und ihrer Beeinflussbarkeit für eine friedliche Abgrenzung nach den Grundsätzen der genannten Gerechtigkeit unter Wahrung der Menschenwürde zu sorgen.114 Dafür ist der Begriff als solcher einer Freiheitsdimension offen, er sichert lediglich die Verständigung darüber, dass Ressourcen Relevanz für die Autarkie und Autonomie besitzen und dazu in Beziehung zu den Individuen stehen, nicht wie Ressourcen verteilt sind bzw. zu verteilen sind.
112 Vgl. etwa Isensee/Kirchhof (Hg.), HdbStR, §§ 147 ff., darin namentlich Müller-Terpitz, HdbStR, § 147. 113 Vgl. oben I. 2. b). 114 Vgl. oben I. 2. d).
II. Ein pluralistisch-subjektivistisches Strukturmodell der Freiheit
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3. Rationale Freiheit a) Unter den Freiheitdimensionen hat für die vorliegende Fragestellung wohl die als rationale zu identifizierende die größte Bedeutung. Gleichwohl ist sie die in der Verfassungsdogmatik wohl am wenigsten bislang als solche erkannte und analysierte. Sie wird dadurch beeinträchtigt, dass das Individuum das eigentlich von ihm Gewünschte nicht optimal erkennen und in seinen Entscheidungen verfolgen kann. Sie steht im Gegensatz einerseits zur wahrnehmbaren bzw. spürbaren regulatorischen Selbst- oder Fremdbeschränkung bzw. Abwesenheit von diesen sowie zu den ebenso erkennbaren Ressourcen, die in die Entscheidungskalküle eingehen. Andererseits bleiben die eigentlichen Ziele des Individuums dabei exogen, sie sind der weiteren Dimension der sittlichen Freiheit (s. u. 5.) zuzuordnen. Freiheit wird – auch jenseits von Zwang und Not – durch das Erkenntnisfeld der eigenen Handlungsmöglichkeit und ihrer Wirkung begrenzt.115 Unfreiheit entsteht gerade, so die Aufklärung nach Kant, aus der Unfähigkeit, verstandesmäßig vernünftig zu handeln. Daraus lässt sich einerseits der „ethische Imperativ“ der Kybernetik gewinnen, stets so zu handeln, dass die Wahlmöglichkeiten und damit die Freiheit sich vergrößern, und jedenfalls deren vermeidbaren Verringerungen entgegenzuwirken.116 Andererseits muss es darum gehen, auch jene „obstacles, barriers or constraints to the fulfillment of someones desires“117 (auch jenseits offener Ohnmacht und Mittellosigkeit) in die Betrachtung einzubeziehen, welche beim Betroffenen aufgrund ihm verdeckter „Verfälschung“ (sowohl im Hinblick auf seine äußere, negative wie innere, positive Freiheit) bei Abwägung seiner Willenskonkretisierung und -umsetzung entstehen.118 Der Rechtswissenschaft ist diese Diskrepanz zwischen optimaler und tatsächlicher Entscheidungsrationalität in vielfältigen Einzelbezügen bekannt, die zentrale Teile der Dimension, aber nicht diese umfassend erschöpfend adressieren. Sie finden sich z. B. im getrennten objektiven und subjektiven Tatbestand des Strafrechts und dortigen Abweichungen, in Irrtümern und (etwa arglistigen) Täuschungen, etwa in §§ 119 ff. BGB oder § 263 StGB sowie staatlichen Wahrheits- und Aufklärungspflichten.119 Allgemein lässt sich die Unterscheidung mit Erkenntnissen der Entscheidungstheorie modellieren, welche namentlich solche der (ursprünglich spieltheoretischen) Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und Psychologie bei der Suche nach tauglichen empirischen und normativen Modellen verbindet. Auch aus diesen Wurzeln führt die wissenschaftliche Entscheidungstheorie unter dem Begriff der Entscheidungsrationalität weiter. b) Die Beurteilung der Rationalität einer Entscheidung gestaltet sich besonders schwierig, wenn sie den Anforderungen eines pluralistisch-prozeduralen Subjekti115
Vgl. etwa auch Berlin, Essays, LX ff.; Chomsky, Knowledge. Vgl. von Foerster, Understanding, S. 303; ders., Wissen, S. 50; Pörksen/von Foerster, Wahrheit, S. 36; zur Verbindung zur Freiheit insbesondere Pörksen, Ethik, S. 306 (322). 117 Berlin, Essays, S. XXX f. 118 Vgl. etwa Taylor, Liberty, S. 175 ff.; Nelson, Political Theory 33 (2005), 58 (63 ff.). 119 Vgl. dazu namentlich unten D. I. 2., IV. 3. 116
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
vismus genügen soll.120 Danach darf (anders in vor allem wirtschaftswissenschaftlichen Modellen) gerade normativ keine inhaltliche „heteronome“ ex ante-Objektivität als Maßstab dienen. Stattdessen muss sie als intersubjektiver „dialogischhermeneutischer“ Zugang verstanden werden. Eingriffe in diese Freiheitsdimension können – wie sonst in allen anderen und bekannt etwa im zivil- und strafrechtlichen Kausalitätsnachweis – entweder (intensiv) durch Bestimmung konkreter einschränkender Faktoren oder (extensiv) durch Defizite im Vergleich beider Rationalitätsperspektiven bemessen werden. Das Maß rationaler Freiheit kann daraus festgemacht werden an der Breite sowie Unverfälschtheit des wahrgenommenen Entscheidungsraums, der seinerseits zunächst geprägt ist durch die subjektive Abbildung der gegebenen Alternativen und ihrer Auswirkungen.121 Wer die Alternativen nicht hinreichend rational beurteilen kann, oder wer durch außerhalb des eigentlichen Kalküls liegende Faktoren im Hinblick auf eine Entscheidungsalternative prädeterminiert wird, handelt in diesem Maße unfrei. aa) Einen ersten Baustein stellt dafür dar, die jeweiligen konkreten individuellen Entscheidungsräume, möglichen Alternativen und erwarteten Auswirkungen wahrzunehmen und auszuleuchten. Dazu und darüber hinaus dienen allgemein die „rationalen“ Strukturen des Zweck-Mittel- bzw. Vorteil/Nachteil-Kalküls.122 Bei beiden Kalkülen handelt es sich um ein bewusst rein strukturierendes Hilfsmittel selbstkritischer intersubjektiver Verständigung und damit gerade um ein Gegenkonzept einer heteronomen, totalitär oktroyierten instrumentellen Vernunft.123 Zu ergänzen ist die fundamentale Feststellung, dass zunächst jede Entscheidung als subjektiv rational konstruiert werden kann. Dies gilt auch, wenn sie dies (vermeintlich) „objektiv“ – aus Sicht der Beobachtenden!124 – allenfalls in geringfügigem Maß erscheint. Anders als noch von Weber verstanden, reicht die Projektion eines solchen Kalküls auch in Entscheidungsrationalitäten, die sich einem engen zweckrationalen Verständnis des Betrachters nicht sofort erschließen mögen: Auch wer „lediglich“ Werte realisieren, seinen Gewohnheiten oder aktuellen Gefühlen folgen will, will diese Zwecke aus seiner Sicht in bestmöglichster Weise erreichen.125 120
Vgl. dazu oben Kap. 1 B. I., II. Vgl. hier nur Steenbergen, Psychology, S. 13 ff.; Fahrner, Bündnis, S. 45 ff. m. w. N.; ausführlicher hierzu in der anstehenden weiteren Abhandlung zur Konstruktion der Freiheit im Strafrecht. 122 Vgl. insbesondere Weber, Wirtschaft, § 2; zu den unterschiedlichen Kalkülen eingehend Pfister/Jungermann/Fischer, Psychologie, S. 37 ff. m. w. N. 123 Vgl. Horkheimer, Kritik, S. 16 ff. 124 „Objektiv“ (perzepiert!) wird sie wiederum nur als Konstrukt durch die Abstraktion von den subjektiven Wertungen des Betroffenen wie den Forscherpersönlichkeiten und deren methodische Verständigung; vgl. zum Problem der subjektiven Forscherpersönlichkeit und methodischen Milderungsmaßnahmen aus Sicht der politischen Psychologie nur Suedfeld/ Jhangiani, Psychologie, S. 18 (22 ff.) m. w. N. 125 Insoweit scheint die Apologie Webers seitens Hahn, Rationalitätsbegriffe, S. 47 ff. fraglich; vgl. etwa Pfister/Jungermann/Fischer, Psychologie, S. 45 ff.; zur empirischen Werteorientierung der Wähler vgl. etwa Bader/Behnke, Einstellungen, S. 191 (198 ff.). 121
II. Ein pluralistisch-subjektivistisches Strukturmodell der Freiheit
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Die „objektive“ Rationalität kontrastiert demgegenüber nicht notwendig in den identifizierten Zielen und Mitteln, jedoch zunächst in deren gesamter und ggf. vorgelagerter partieller Bewertung, sowie möglicherweise in der Raumgröße der erkannten Alternativen. Durch die weiten Begriffe des intersubjektiv projizierten Vor- und Nachteils sind wiederum Verengungen klassischer quantitativ-ökonomisch orientierter Kosten/Nutzen- sowie stärker hermeneutisch-vorurteilender Präferenzkalküle zu vermeiden. Die klare Abgrenzung innerer-subjektiver und „verobjektivierter“-äußerer Perspektive in formal-prozeduraler Weise stattdessen kann als ein wesentlicher Beitrag der Rechtswissenschaft seit der Kanonistik verstanden werden.126 bb) Die freiheitsbeeinträchtigenden Wirkungen werden danach als solche der individuellen Rationalität aufgefasst. Sie werden, wie oben ausgeführt, konstruiert entweder (extensiv) unter Differenzbildung im Vergleich beider Rationalitätsperspektiven, der jeweils hermeneutisch angenäherten subjektiven und objektiven Rationalität oder (intensiv) durch Identifizierung konkret wirkender Ursachen. Daraus lassen sich als Formen der Beeinflussung der individuellen Rationalität und damit Freiheit namentlich solche feststellen, welche die Fähigkeit des Betroffenen direkt verringern, seine Ziele bzw. die Befriedigung seiner Bedürfnisse in für ihn bestmöglicherweise umzusetzen – und somit als Abwesenheit und Eingriff in diese Freiheitsform zwischen positiver und negativer Freiheit begreifen: (1) Dazu zählt (primär), unmittelbare Fehlvorstellungen beim Betroffenen zu schaffen, zu unterhalten oder aufrechtzuerhalten. (2) Weiterhin können dazu (sekundär) Unternehmungen zählen, nach dem Eindruck des Betroffenen für diesen eine weitere Reflexion zur Bestimmung der optimalen Umsetzbarkeit seiner Ziele und Befriedigung seiner Bedürfnisse unattraktiv wirken zu lassen, etwa durch Erzeugen von Stress oder Verteuerung der Transaktions-/Informationskosten der Entscheidung. Ebenso kann eingewirkt werden, um das Interesse an möglichst weitergehender Reflexion zu verringern. (3) Neben diesen situativen Eingriffen, die an die konkrete Entscheidung anknüpfen, kann die Verringerung auch im Laufe der Entwicklung einer Persönlichkeit erfolgen, welche daher überhaupt nur begrenzt zur Reflexion oder mit besonders hohem Aufwand in der Lage ist. cc) Besonderes Gewicht erhält daraus der Informationsvorsprung des Gegenübers für Manipulationen im Rahmen der rationalen Freiheit. Je mehr über die subjektiven Entscheidungsstrukturen und Kalküle des Betroffenen bekannt ist, umso einfacher und stärker gelingt es, an diese manipulativ anzuknüpfen und auf sie einzugehen. Eine solche Informationsüberlegenheit kann allerdings auch zur Verstärkung von Macht und daraus folgender Unfreiheit dienen.127
126 127
Vgl. hier nur Fahrner, Kriminalistik 74 (2020), 548. Vgl. oben 2. b) und unten III. 2. d).
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
4. Informationelle Freiheit Damit ist übergeleitet zu einer weiteren, der informationellen Freiheitsdimension. Ihren grund- und verfassungsrechtlichen Ausdruck finden sie etwa im klassischen Schutz der Privatheit etwa in Art. 8 f. EMRK und Art. 10, 13 GG, sowie etwa für die Religion und Weltanschauung historisch mit am prägnantesten in Art. 138 GG i. V. m. Art. 136 III WRV. Weitergehend ist bereits hier auf die Verknüpfung mit demokratischen Prozessen, namentlich im Wahlgeheimnis, hinzuweisen.128 Allgemein für das deutsche Verfassungsrecht hat das BVerfG sie weiter erschlossen aus dem status negativus der übrigen Freiheitsgrundrechte, namentlich hat es sie aber über das (im einfachen Recht indes lange bereits anerkannte) Allgemeine Persönlichkeitsgrundrecht aus Art. 1 I, 2 I GG129 und dabei weitere ungeschriebene Grundrechte der informellen Freiheit im GG herausgearbeitet: Darunter als zweite Stufe das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und dann jenes auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.130 Daran schließt sich etwa das Unionsrecht auf Vergessenwerden131 an. Das Volkszählungsurteil132 ordnet dies richtig als eine allgemeine Freiheitsdimension ein, da, wer „nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, … in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden [kann, M. F.], aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden.“ Zwar liegen viele beschränkende Wirkungen im Hinblick auf die informationelle Erfassung und Verwendung darin, spätere Eingriffe in die anderen Freiheitsdimensionen zu verstärken und zu unterstützen, etwa im Bereich der rationalen Freiheit, „Entscheidungsschwächen“ des Betroffenen zu erkennen und auszunutzen.133 Auch kann informationelle Macht in regulatorische umgewandelt werden oder diese steigern. Durch die erlangten Informationen ließen sich die Möglichkeiten erweitern, auf das Verhalten des Einzelnen einzuwirken, indem durch Publikation, Bloßstellung, Skandalisierung oder ähnliches öffentliches Ausspielen zumindest psychischer Druck aufgebaut und ausgeübt werden kann. Informationen über eine Person können zudem als fungible Ware Ressourcen anderer darstellen. Dem allen gegenüber liegt gleichwohl in der informationellen Erhebung und Verarbeitung und deren Abwesenheit auch eine eigenständige Dimension der Freiheit. Sie zeigt sich in den unmittelbaren Rückwirkungen auf das Verhalten des Betroffenen: er kann alleine durch die (potentielle) Datenerhebung und drohende Weiterverarbeitung „einge128
Vgl. dazu unten E. I. 3. b) dd). BVerfGE 35, 202 (224 ff.) m. w. N.; zur vorherigen einfachrechtlichen Anerkennung etwa BGHZ 20, 345 (347); NJW 1962, 1004 (1005). 130 BVerfGE 120, 274. 131 Art. 17 II DSGVO. 132 BVerfGE 65, 1 (42 f.). 133 Vgl. gerade oben 3. 129
II. Ein pluralistisch-subjektivistisches Strukturmodell der Freiheit
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schüchtert“ und so eingeschränkt sein, ohne dass diese zur Auswirkung auf einer der genannten andere Ebenen kommt.134 Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt daher unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Datenschutz des Einzelnen als Teil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus: Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.135
5. Sittliche Freiheit Die sittliche Dimension kann als sozusagen „oberste“ und „innerste“ Schicht der individuellen Freiheit – und damit an der Grenze des Rechts zur außerrechtlichen Ethik und persönlicher Moral – verstanden werden. In ihr wird die lange Tradition des positiven Freiheitsbegriffs, auch in seinen reflexiven und sozialen Ableitungen, befreit von heteronomer Projektion in einen subjektivistisch-pluralistischen Kontext übergeleitet. Sie kann definiert werden als die Freiheit, selbst ein würde- und sinnvolles Leben zu entwickeln, das eigene Wesen zu erkennen, und nach diesem „cm_hi seaut|m“ (gnothi seauton, meist übersetzt als: „erkenne dich selbst“) die ansonsten eröffnete Freiheit zu gebrauchen. Sinnvolles Leben meint, individuelle Vorstellungen und Konzept vom eigenen gelungenen Leben selbstverantwortlich (aber nicht allein) zu entwickeln, zu verfolgen und umzusetzen.136 Zur sinnvollen Lebensgestaltung gehören persönliche Nähebeziehungen, insbesondere solche, die als Familie auch verfassungsrechtlich anerkannt und ausgestaltet sind, aber ebenso andere Sozialbeziehungen wie Freundschaften, Vereinigungen, Äußerungen und Kommunikationen. Die Menschenwürde bedingt die Eigenverantwortlichkeit als Alleinentscheidung sowohl über künftiges Verhalten als „Autonomie in der Ver134 Vgl. bereits BVerfGE 7, 198 (211); 43, 130 (136); 69, 315 (349); 100, 313 (381); 109, 279 (354); 120, 378 (402 f.); NVwZ 2009, 441, st. Rspr.; zusammenfassende Übersicht mit allen relevanten Entscheidungen bei Rath, Einschüchterungseffekt, S. 65 ff. m. w. N. 135 BVerfGE 65, 1 (43). 136 Hierin geht auch das Postulat von Dworkin, Virtue, S. 5, 240 auf, wonach jeder ein erfolgreiches, nicht vergeudetes Leben führen können soll und die Verantwortung für den Erfolg des eigenen Lebens nicht delegieren kann; vgl. im Übrigen bereits Kant, Berlinische Monatsschrift, September 1793, S. 201 (234): „Niemand kann mich zwingen, auf seine Art (wie er sich das Wohlsein anderer Menschen denkt) glücklich zu sein, sondern ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Wege suchen, welcher ihm selbst gut dünkt, wenn er nur der Freiheit anderer, einem ähnlichen Zwecke nachzustreben, die mit der Freiheit von jedermann nach einem möglichen allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, (d. i. diesem Rechte des andern) nicht Abbruch tut“.
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B. Grundlagen und Rahmen der Beurteilung
haltensplanung“, aber auch in der Verhaltensbewertung.137 Ein würdevolles Leben weist darauf hin, die Menschenwürde als eigene und ebenso – von als darin als gleich erkannten – allen anderen Menschen im Umgang zu achten und zu maximieren. Jedenfalls darin auch in rechtlicher Bedeutung zu erkennen und als Teil der FDGO zu begrenzen, macht diese Freiheit wesensmäßig gleichermaßen aus, gegen die Menschenwürde „kein Ungeheuer zu werden“.138 Das Herausbilden, Fördern und Erweitern der sittlichen Freiheit ist von Beschränkungen und Eingriffen klar abzugrenzen. Sie wird gefördert, nicht beeinträchtigt, wenn der „kybernetische“ Alternativenraum der Selbstentwürfe und dessen Durchdringung erweitert werden. Dazu zählt der Zugang zu Bildung, Aufklärung und unterschiedlichen Lebenskonzepten. Im Rahmen allgemeiner freiheitlicher und demokratischer Erwägungen kann dies auch als eine Aufgabe des Gemeinwesens, wenn nicht etwa des staatlich gestützten Bildungs- und Erziehungswesens verstanden werden, wobei Verringerungen der sittlichen Freiheit besonderer Rechtfertigung bedürften und an den allgemeinen Freiheits-Schranken-Schranken zu messen bleiben, welche auch die FDGO in ihren sämtlichen Funktionsanforderungen für das demokratische staatliche Gemeinwesen gebietet.
137 138
Lagodny, Grundrechte, S. 405. Vgl. Rousseau, Emil, S. 147 ff.; dazu etwa Schütz, Erziehung, S. 44 f.
C. Freiheitliche Demokratie in der Verfassungsrechtsdogmatik als Grundproblem der FDGO I. Ausgangspunkte der demokratischen Autonomie und Souveränität Demokratie ist realiter und theoretisch stets verbunden mit einer Gemeinschaft von Individuen, im eigentlichen Sinn solchen mit einer besonderen und dauerhaften Verbindung in einem Gemeinwesen.1 In diesem, traditionell eingefasst im neuzeitlichen Staat, hat die Demokratie politische, d. h. allgemeingültige und verbindliche Entscheidungen zu legitimieren.2 Deren Gegenstand ist vor allem das Recht als allgemeine Handlungsnormen betreffend die regulatorische Freiheit der Einzelnen,3 deren Verbände sowie die staatlichen Institutionen. Daneben sind die Ressourcen innerhalb des Gemeinwesens zu verteilen, jeweils auch zur Bereitstellung weiterer Güter. Demokratie verfolgt als Prinzip die Bindung dieser Entscheidungen an das d/lor, namentlich durch das Volk (demos) selbst bzw. aus dem Volk heraus, und für das Volk.4 Modelle und Theorien der Demokratie im Allgemeinen und zu der des Grundgesetzes im Besonderen sind sowohl in der Verfassungsdogmatik5 wie der weiteren Rechts- und den benachbarten Wissenschaften6 überaus zahlreich. Ihnen steht zur Rechtsfindung ein klarer verfassungsrechtlicher Anker gegenüber: Das Grundgesetz, welches laut Präambel das Deutsche Volk sich kraft seiner verfassungsgebenden 1
Vgl. nur Aristoteles, Politik, cap. 1316b ff.; Cicero, Res, cap. I, 39 ff. Vgl. etwa Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35; Patzelt, Politikwissenschaft, S. 14; Fuchs/Roller, Art. Politik, in: Edeltraud: Lexikon Politik, S. 205 ff.; auf die tiefgehenden Probleme und abweichende Ansätze ist vorliegend nicht einzugehen, vgl. etwa Jellinek, Staatslehre, S. 429 ff.; Zippelius, Staatslehre, S. 52; Hesse, Grundzüge, Rn. 6 ff.; Kriele, Staatslehre, § 1; verfassungsrechtlich konkretisiert im Rahmen der sogenannten „Legitimationskette“ etwa in BVerfGE 47, 253 (273): Staatsgewalt werde „jedenfalls bei allen Entscheidungsbefugnissen“ ausgeübt, st. Rspr. vgl. etwa weiterhin BVerfGE 83, 60 (73); 93, 37 (68); 107, 59, (87) etc.; MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 145 ff. 3 Vgl. oben B. II. 1. 4 Vgl. Lincoln, Gettysburg-Address, 19. 11. 1863 „government of the people, by the people, for the people“. 5 Vgl. etwa die Nachweise bei Hesse, Grundzüge, Rn. 127 Fn. 1. 6 Vgl. etwa Schmidt, Demokratietheorien; Cheneval, Demokratietheorien; Saage, Demokratietheorien; Sartori, Demokratietheorie jeweils m. w. N. 2
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C. Freiheitliche Demokratie als Grundproblem der FDGO
Gewalt gegeben hat und in freier Entscheidung ersetzen kann (Art. 146 GG), bestimmt die Demokratie vor allem in Art. 20 II GG. Danach geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Als demokratischer Bundesstaat (Art. 20 I GG) muss auch die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen (Art. 28 I 1 GG) und die Europäische Union ihm verpflichtet sein (Art. 23 I 1 GG). 1. Als Demokratie versteht sich einerseits die freie Selbstbestimmung des Volkes zunächst als Ausschluss von Fremdbestimmung.7 Es soll autonom und frei sein von Zwang und Intervention.8 Gemeint ist die äußere Souveränität im Sinn des Völkerrechts, etwa Art. 1, 2 UNCh sowie das Selbstbestimmungsrecht der Völker, namentlich in Art. 1 I, II IPBPR: „All peoples have the right of self-determination. By virtue of that right they freely determine their political status and freely pursue their economic, social and cultural development. All peoples may, for their own ends, freely dispose of their natural wealth and resources…“. Darin spiegeln sich kollektiv die bereits entwickelten fünf individuellen Freiheitsdimensionen.9 2. Wie bereits oben ausgeführt, besteht andererseits das Wesen der freiheitlichen Demokratie darin, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst, auch in ihrem individuellen Beitrag, frei sind zur Selbstbestimmung. Sie nimmt also von ihnen und ihrer Freiheit ihren Ausgangspunkt.10 Das Grundgesetz geht insoweit vom Eigenwert und der Würde des zur Freiheit befähigten Menschen aus. Es verbürgt im Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, zugleich den menschenrechtlichen Kern des Demokratieprinzips.11 Damit trifft die FDGO die wichtigste Abgrenzung zu anderen, sich selbst als „Demokratie“ bezeichnenden politischen Systemen, historisch namentlich den sozialistisch-kommunistischen „Volks-“ sowie faschistisch-nationalsozialistischen „Führerdemokratien“.12 Sie trennt nicht nur die fehlende Totalität, weil der Staat keine soziale Omnipotenz der Ordnung beansprucht (etwa durch durchgängige Erfassung in „staatlichen“ Massenorganisationen) und angesichts fundamentaler 7
BVerfGE 144, 20 (208); 44, 125 (142). Vgl. Leibholz, DVBl. 1951, 554; vgl. zur nationalen Souveränitätsinterpretation des BVerfG vor allem BVerfGE 111, 307 (319 f.). 9 Vgl. zu jenen bereits oben B. II.; hier zur kollektiven Autonomie als Spiegel umfassend nur Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rn. 138 ff., §8 Rn. 1 ff. m. w. N.; Fahrner, Ermittlungen, § 1 Rn. 15 ff. 10 Siehe oben B. 11 BVerfGE 144, 20 (208); vgl. ausführend BVerfGE 123, 267 (341); 129, 124 (169); 135, 317 (386); 142, 123 (189); Häberle, HdbStR II, § 22 Rn. 61 ff.; Unger, Verfassungsprinzip, S. 252 ff. 12 Siehe oben B. I. 1. 8
II. Konzept der Volkswillenssouveränität von Schmitt und Böckenförde
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Freiheitsrechte auch nicht beanspruchen kann.13 Vielmehr ist darin die moderne rechtsstaatliche Demokratie14 auch klar abzusondern von jener Selbstregierung des Volkes im Sinne der „Herrschaft der Alten“ von Constant, die keinen individuellen Freibereich vor der Volksentscheidung kennt und daher unfrei ist.15 Jene löst sich selbst auf: denn das Individuum, das als Bürger über alles mitentscheiden könnte, jedoch „als Privatmann“ in allen Bewegungen beobachtet und in Schranken gehalten würde, könnte nicht wirksam auf Dauer frei und individuell möglichst rational handeln. Ohne die Dimension der informationellen Freiheit kann es keine freiheitliche Demokratie geben. Dem entgegengesetzt kann eine real wirksame Demokratie nur aus der individuellen Freiheit verstanden und begründet werden, die sie zu achten und sichern hat.16 Alleine eine freiheitliche Demokratie kann den Grundvoraussetzungen des Primats der Menschenwürde und des Subjektivismus, der Weltanschauungs-, Gemeinwohl- und verfassungshermeneutischen Pluralität, aber auch der Friedens- und Fortschrittsfunktion folgen und gerecht werden.17 „Totale Demokratien“ bedingen hingegen heteronome Homogenität18 und daraus folgende Tendenz der Statik und Unfähigkeit zu Fortschritt und vor allem zur Friedlichkeit.19
II. Das Konzept der Volkswillenssouveränität nach der Staatslehre von Schmitt und Böckenförde 1. „Leerstelle des Volkswillens“ Das BVerfG hat die Demokratie traditionell parallel zur individuellen Freiheit aufgefasst: Sein Blick auf die demokratischen Entscheidungsprozesse konzentriert sich einerseits darauf, wie die staatliche Sphäre durch sie bestimmt wird.20 Andererseits ist es besorgt, (umgekehrt gerichtete) Beeinflussungen seitens staatlicher
13 Daher nicht hinreichend konsequent hier wohl Fraenkel, Demokratien, S. 298 f. und ders., Pluralismus, S. B6, der eine juristische Omnikompetenz ohne Rücksicht auf die Grundrechte behauptet. 14 Vgl. Namentlich Tocqueville, Démocratie I, Teil II, Kap. 8 ff.; dazu auch Fraenkel, Pluralismus, S. B27 f. 15 Constant, Liberté; vgl. auch oben B. I. 1. a). 16 Kahler, Schicksal, S. 35 (38 f.); Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 235, 244 ff. 17 Siehe oben B. I. 2. c), d). 18 Vgl. Fraenkel, Demokratien, S. 300, 329 ff.; nach ders., Pluralismus, S. B29 bedingt die Homogenität: „Der Vollstrecker eines a priori vorgegebenen Gemeinwohls wird sich bei der Durchführung seiner Mission nicht durch Rücksicht auf formale Rechtsschranken zurückhalten lassen; er stolpert nicht über Paragraphen“. 19 Aus Unterdrückung des Innovativen und Abweichenden; siehe oben B. I. 2. 20 Vgl. BVerfGE 83, 60 (71 f.); 89, 155 (182); 93, 37 (66); insoweit ebenso noch BVerfGE 144, 20 (209).
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C. Freiheitliche Demokratie als Grundproblem der FDGO
Stellen möglichst zu unterbinden, während es sich für Prozesse innerhalb des Volkes mit Postulaten formalrechtlicher Freiheit und Gleichheit begnügt.21 So versteht das Gericht traditionell demokratische Gleichheit als „allgemeine Rechtsgleichheit“ bzw. „strikt schematische Gleichheit“.22 Bei der Stellung von Abgeordneten, der Rolle von Parteien und Medien in der „Willensbildung“ vertritt es konsequent einen rigorosen formalen und zurückhaltenden Prüfungsmaßstab.23 Danach soll „die im gesellschaftlich-politischen Raum erfolgende Bildung der öffentlichen Meinung und die Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes sich ungeregelt … unter Mitbeteiligung aller lebendigen Kräfte nach dem Maße ihres tatsächlichen Gewichts und Einflusses vollziehen“.24 Eine weitergehende Prüfung „materieller Fairness“, Rationalität oder dahingehender Freiheitsdimensionen25 ist dadurch zunächst in einer Weise entgegen getreten, welche das demokratische System vulnerabel gerade im Sinn jener Gefahren machen kann, gegen welche die freiheitlich demokratische Grundordnung als Schutz gesetzt wurde.26 Diese Auffassung beruht weniger auf den liberal-konstitutionellen Traditionen der Trennung von Staat und staatsfreier Gesellschaft des 19. Jahrhunderts oder allgemeinem judicial restraint. Ihre Basis finden sie vielmehr in der aus der Reaktion der Weimarer Republik begründeten27 identitären, absoluten und exogenen Demokratietheorie von Schmitt,28 die dessen Schüler, vor allen anderen Böckenförde,29 unter nur unumgänglich erscheinenden Anpassungen in die Bundesrepublik transportiert haben. Als ihr Zentrum kann der Satz begriffen werden, dass sich alle Akte der Ausübung der Staatsgewalt auf den Willen des Volkes zurückführen lassen 21 Vgl. BVerfGE 38, 258 (271); 47, 253 (272); 77, 1 (40); 83, 60 (71); 93, 37 (66); neuerdings relativierend BVerfGE 107, 59 (87); 144, 20 (209). 22 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 41 ff. 23 Vgl. ausführlich unten E. I. 4. 24 BVerfGE 8, 104 (115). 25 Vgl. oben B. II.; hier nur etwa Doehring, Staatslehre, Rn. 345, 348 m.w.N, der dies weiter zu auf die zwingende Fiktion der Reife und Klugheit der Staatsbürger zuspitzt, von deren Ignoranz gegenüber Täuschungen und Manipulation durch Propaganda etc. die Legitimität der Identitätsdemokratie insgesamt (und damit lediglich als Fiktion tragbar) abhänge. 26 Siehe dazu ausführlich unten D. 2. und E. 27 Vgl. zur Demokratie als Selbstziel auch Wittmayer, Reichsverfassung, S. 38 ff.; vgl. auch Fraenkel, Demokratien, S. 297. 28 Vgl. unter den zahlreichen insoweit gleichgerichteten Werken von Schmitt, die nachfolgend einzeln einbezogen werden hier nur Schmitt, Verfassungslehre, S. 75 Fn. 1, S. 106, 112 ff., v. a. 117 ff.; vgl. zur Schulenbildung Groh, Verfassungstheorie, S. 13 ff. m. w. N.; Günther, Denken, S. 112 ff. 29 Zusammengefasst insbesondere in Böckenförde, HdbStR, § 24, neben zahlreichen weiteren verfassungsrechtlichen Abhandlungen, in denen sie mindestens am Rande mitwirkt; zur direkten Übertragung in dessen Tätigkeit als Richter des BVerfG vgl. nur Voßkuhle, Der Staat 58 (2019), 451; zur vorgeblichen und tatsächlichen Orientierung von Böckenförde vgl. auch Groh, Verfassungstheorie, S. 13 (28 ff.); von einer fehlenden Anschlussfähigkeit Schmitts bis in die 2000er Jahre wie von Matz-Lück, Integrationslehre, S. 37 (47) kann mithin beileibe nicht gesprochen werden.
II. Konzept der Volkswillenssouveränität von Schmitt und Böckenförde
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müssen.30 Diese Auffassung lässt, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, zentrale Friktionen mit einem konsistenten rechtlichen und tatsächlich wirksamen Konzept der FDGO entstehen. Daher muss sie eingehend – zunächst im Hinblick auf den Normbestand des Grundgesetzes, sodann die weitere Ausgestaltung der Demokratie – hinterfragt werden.31
2. Identität von Volk(-swille) und Staat(-sgewalt) In einem neo-identitären Verständnis wird daraus weiter gefolgert, dass Demokratie nur als verfassungsrechtlich spezifischer staatlicher Zusammenhang32 zwischen dem Staatsvolk und jeder Form der Staatsgewalt verstanden werden kann. Die behauptete absolute Selbstbestimmung des Volkes wird in Stellung gebracht gegen (von dessen Organen unternommene) Öffnungsversuche – etwa autonomer Selbstverwaltungsorganisation jenseits von reinen Volksteilen,33 gegen ein „Ausländermitwahlrecht“ auch nur für kommunale Gebietskörperschaften,34 und schließlich, weiterhin am aktuellsten, dem Gericht zu weitgehend erscheinender Supranationalität.35 a) Historisch kann sich dieses Verständnis auf die Konstruktion der „Demokratie“ als kollektiv gewandelte individuelle Freiheit berufen:36 „An die Stelle der Freiheit des Individuums tritt die Souveränität des Volkes“.37 Ist frei, wer nur seinem eigenen Willen untertan ist, könne diese Bedingung beim „Eintritt“ in eine staatliche Gemeinschaft bewahrt werden, indem er gleichen Teil an der vollständigen Selbstbestimmung des Volkes habe. Als deren Glied müsse der Einzelne – bei Identität des Willens der Geführten mit ihren Führern – weiterhin fremdem Willen nicht gehor30 Vgl. hier nur ebenso Doehring, Staatslehre, Rn. 337; darin heute noch MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 64 ff. (v. a. 82), 142 ff.; zur Legitimationskette sogleich 3. b) und unten E. II. v. a. 5. 31 Vgl. unten zunächst III., v. a. 3. c), 4. sowie dann D., E. 32 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 8 a. E. 33 Siehe unten D. I. 2. d) mittlerweile durch das BVerfG in Folge der wandelnden h. L. zumindest relativiert; vgl. zur „Entgesellschaftlichung“ des Staates durch Schmitt Hacke, Existenzkrise, S. 342 ff. 34 Vgl. BVerfG 83, 37; 83, 60. 35 Vgl. namentlich BVerfGE 123, 267 (341); 135, 317 (399); 142, 123 (189); 151, 202 (285 ff.) m. w. N.; WM 2021, 1042. 36 Rousseau, Contrat, cap. I, 6; allerdings bereits zuvor Pufendorf, Jure, liber VII cap. VI, 8 und letztlich Aristoteles, Politik, cap. VI., 1316b ff. (1317b I); ähnlich Kant, Metaphysik, §§ 45 f.: „keinem anderen Gesetz zu gehorchen, als zu welchem er seine Bestimmung gegeben hat“; Kelsen, Wesen, S. 10 ff.; Schmitt, Lage, S. 19 ff., 30 ff.; ders. Verfassungslehre, S. 234 ff.; auch aus kommunistisch-sozialistischer Sicht etwa Adler, Reichskonferenz, S. 12; ders., Marxismus, S. 209 ff., passim; bereits zur Ähnlichkeit von Faschismus und Kommunismus darin Smend, Verfassung, S. 60 ff.; dies aufnehmend auch Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 36 unter Berufung namentlich auf Kant. 37 Kelsen, Wesen, S. 21.
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C. Freiheitliche Demokratie als Grundproblem der FDGO
chen. (Jedenfalls wenn er der Majorität angehört, die ohne weitere, vor allem rechtliche, Schranken entscheidet.)38 b) Jenseits der bereits als Fiktion erkannten Identität zwischen Gesamtvolk und Führer und der Übertragung des für die unmittelbare Demokratie in kleiner polis entworfenen Modells von Rousseau auf „Großreiche“,39 ist dieser Nachkriegsansatz als neo-identitär zu beschreiben: Statt der akklamatorisch-diktatorischen Ermächtigung Schmitts40 postuliert Böckenförde als neo-identitäre Fortentwicklung die Identität durch Repräsentation des Volkes durch die parlamentarische Volksvertretung41 und verweist hier auf eine nötige permanente „kritikfähige Rückkopplung“ der Regierenden an das Volk.42 Geradezu umgekehrt alternativlos wird das Modell auf die parlamentarische Demokratie verengt, unmittelbare und plebiszitär-präsidentielle Alternativausprägungen werden damit ausgeschlossen.43 Alle „Agenten und Mittler“ zwischen dieser Repräsentation bzw. der Führung und dem Volk erscheinen umso mehr als undemokratische Störfaktoren.44 c) Das deutsche Volk müsste danach eine nation une et indivisible sein und seine Demokratie weiterhin durch die „Einheit von Herrschern und Beherrschten“ gekennzeichnet.45 Einerseits soll das Volk nur in seiner Gesamtheit zu politischem Handeln berechtigt sein, nicht einzelne Gruppen.46 Andererseits ergebe sich daraus die notwendige Identität des einen Volkes auch in Ländern und Kommunen.47 Jeder offene Volksbegriff der jeweils konkret Betroffenen wird vehement abgelehnt:48 38 Vgl. Kelsen, Wesen, S. 18, 128 auch zur Fiktion Rousseaus, es läge ein volonté générale vor, über den sich die Minderheit bei Stimmabgabe nur geirrt habe. 39 Rousseau zielte bekanntermaßen auf die Genfer Kommune ab, vgl. hier nur weitergehend Fraenkel, Pluralismus, S. B19 auch zu Schmitts Großraum-Homogenität dagegen. 40 Vgl. Schmitt, Volksentscheid, S. 34; ders., Verfassungslehre, S. 81 ff. mit Faszination für die sowjetische und faschistische Organisation unter Ablehnung des Liberalismus. 41 In der französischen Tradition der Assemblée Nationale von 1789; vgl. dazu auch bereits ausführlich Kelsen, Wesen, S. 48 ff.; Kaufmann, Volkswille, S. 7 ff. 42 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 51 insofern auch Kaufmann, Volkswille, S. 7 aufgreifend: „Der Schrei nach der genialen Führerpersönlichkeit ist ein hysterischer Schrei und ein Schrei der Impotenz“. 43 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 1; analytisch klar hierzu auch Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673 (675 f.). 44 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 23, 29 f., 90 f. m. w. N. 45 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 49 unter Berufung auf Kelsen, Wesen, S. 14: Identität von Subjekt und Objekt der Herrschaft“ und „Herrschaft des Volkes über sich“ jedoch dann doch noch offenbarter eigentlichen Bezug auf Carl Schmitt; vgl. noch Habermas, Faktizität, S. 51 f. 46 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 27; vgl. dazu bereits Fraenkel, Pluralismus, S. B14 ff. 47 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 32. 48 Vgl. nur Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 26 ff., 36 ff. namentlich unter Berufung auf Schmidt Glaeser, HdbStR, § 31 Rn. 3 ff. etwa gegen Agnoli/Brückner, Transformation; Naschold, Organisation; Kelsen, Sozialismus, S. 11; ders., Wesen, S. 5 ff. und rein formalistisch gegen den berechtigten Hinweis darauf von Bryde, StWissStPr 5 (1994), 305 (322).
II. Konzept der Volkswillenssouveränität von Schmitt und Böckenförde
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Auch ein Gleichheitsverstoß liege nicht darin, wenn das Volk andere im Staatsgebiet lebende Menschen seiner Ordnung unterwerfe, ohne ihnen politische Mitwirkungsrechte einzuräumen;49 denn maßgeblich für die demokratische Mitbestimmung sei nicht das Betroffensein von staatlicher Herrschaft, sondern die Zugehörigkeit zum Staat als Personengemeinschaft.50 Das allein bestimmende Volk als handelndes Subjekt müsse nicht nur nach formalen Grundsätzen klar umgrenzt sein. Vielmehr müssten seine Glieder, um einen nötigen Grundkonsens und Loyalität zu halten „sich nicht als existentiell anders oder fremd erleben“. Dazu bräuchte es zum „Ausschluss von Freund-Feind-Gruppierungen“51 vermittelnde Gemeinsamkeit wie etwa Religion, Sprache, Kultur, gemeinsames politisches Bekenntnis, wenn nicht doch „gemeinsam durchlebte Geschichte“ bzw. „mental verfestigtes kulturelles Erbes“, also letztlich bekannte Elemente eines „Volkstums“, am besten eine (vermeinte) nationale Homogenität wie in Frankreich.52
3. Absolutheit des Volkswillens, Rechtsstaat und pouvoir constituant a) Die Souveränität dieses Volkes wird, sozusagen neo-absolutistisch,53 zum alleinbestimmenden „verbindlichen Leitgedanken“ für die Legitimierung der Staatsgewalt erklärt – sie wird („exogen“) zum selbst nicht hinterfragbaren Selbst49
Dies erscheint allerdings evident widersprüchlich zur Prämisse der kollektiven Freiheit (vgl. oben 1.): Die „Demokratie“ ist nicht allgemein frei, erinnert vielmehr an das Bild der auf Sklaven und Fremden gebauten griechischen Polis, vgl. auch bereits im Ansatz Kelsen, Demokratie, S. 17 f. sowie weiter unten E I. 2., 4. 50 Vgl. hierzu und zum Folgenden Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 46 f.; das umgekehrte Problem der Auslands- oder Volksdeutschen wird dabei ebenfalls auf dieser Stufe ausgeklammert und allenfalls bei der Allgemeinheit konkreter Wahl- und Abstimmungsakte artikuliert. 51 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 47, 57 ff., dem noch folgend BVerfGE 89, 155 (186) unter – zurecht von Pernice AöR 120 (1995), 100 (103 ff.); Ipsen, EuR 29 (1994), 1 (17), demaskierter irreführender Berufung statt auf Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35, der indes auf soziale Homogenität abstellt und nationale ablehnt, wie vorliegend jedoch tatsächlich zurückgehend unmittelbar auf Schmitt, Verfassungslehre, S. 231 ff. sowie vor allem ders., Begriff, S. 1 ff.; allerdings hierzu bereits Aristoteles, Politik, cap. 13; vgl. zum Ganzen der Integrationsfunktion u. a. gerade nicht der völkischen Homogenität vgl. oben B. I. 2. d) dd). 52 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 48 einerseits unter unmittelbaren Aufgreifens der organischen Theorie von Renan, Nation, jedoch entgegen dessen ausdrücklicher Widerlegung einer ethnische Homogenität Frankreichs zur Zeit der (ersten) Revolution, anderseits jedoch tatsächlich sehr nahe an Schmitt, Verfassungslehre, S. 231 ff.; ähnlich der „Volksgeist“ als real wirkende „Volkserfahrung“ bei Kaufmann, Volkswille, S. 7 ff.; ob man tatsächlich in Aristoteles Politikkonzept eine zwingende Autochtonität, jenseits der allgemeinen kulturellen attischen Rahmenbedingungen interpretieren kann, scheint zweifelhaft; zur Verbindung von Volksgeist und -wille vgl. Fraenkel, Demokratien, S. 346 ff. 53 Vgl. Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (109 ff.) unter zutreffendem Verweis auf Schmitt, Theologie, S. 11 ff.
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C. Freiheitliche Demokratie als Grundproblem der FDGO
zweck und zur Selbstrechtfertigung.54 Die ursprünglich monarchische Souveränität a legibus absoluto im Gemeinwesen wird (dem historisch-revolutionären Akt von 1918/19 dogmatisch nachvollzogen) dem Volk zugeeignet.55 In direkter Übernahme von Schmitt ist Ausgang der Wille, letztlich nichts anderes als die ungezügelte, unnormierte Willkür, die dem Volk zugeschrieben wird.56 b) Aus Art. 20 II 2 GG und der Behauptung, das „Volk herrscht nicht nur, es regiert auch“, soll zu folgern sein, dass sich rechtlich alle Ausübung von Staatsgewalt „stets in angebbarer Weise auf den Volkswillen zurückführen lassen“ müsste.57 Daraus hat das BVerfG die Lehre des Legitimationsniveaus über eine lückenlose Legitimationskette58 als Kombination aus institutioneller, personeller und sachlicher Dimensionen übernommen.59 Nicht nur das Errichten einer Institution der Staatsgewalt,60 sondern auch alle Amtswalter müssten hinreichend legitimiert, in ununterbrochener Kette bis auf das Volk rückführbar, ausgewählt sein.61 Zudem müsse der Vollzug des Volkswillens durch sachliche Kontrollmechanismen, namentlich die Gesetzesbindung und Kontrolle gesichert sein.62 Neo-identitär verstanden, soll das frei-repräsentative Mandat der Abgeordneten der Volksvertretung für diese Kette unschädlich sein; damit tritt das Parlament geradezu regelmäßig als eigentlicher Ausgangspunkt an die Stelle des Volkes.63 Aber von ihm aus sollen jedenfalls alle Unterbrechungen durch Eingriffe von autonomen Entscheidungs- und Auswahlstationen ausgeschlossen werden.64 Daraus erscheinen eigene Entscheidungsbereiche, vor allem der Rechtsprechung sozusagen als „Volks-Gericht“,65 als gerade noch als nur „in zwingenden Fällen gerechtfertigte“ Störungen. Gleiches gilt für die kommunale
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So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 2 ff.; darin ähnlich auch Maus, Justiz, S. 72 ff., 209 ff. Vgl. zu den Ausprägungen der inneren Souveränität präzise Kriele, Staatslehre, § 12 (S. 41 ff.); vgl. dazu ausführlich unten III. 3. 56 Vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 75 f., 79, 82 ff. 57 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 1, 8 ff. 58 Vgl. exemplarisch BVerfGE 83, 60 (72 f.); 93, 37 (66 f.). 59 So BVerfGE 47, 253 (275); 77, 1 (40); 83, 60 (72 f.); 93, 37 (66 f.). 60 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 15. 61 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 16 unter Berufung auf Herzog, Staatslehre, S. 210. 62 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 21 f.; MKS/Sommermann, 7. Aufl. 2018, GG Art. 20 Rn. 164 ff. 63 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 26 a. E. als Postulat, immerhin mit der Alternative unmittelbarer Volkswahl, hier wohl vor allem Leibholz aber auch Kelsen aufgreifend, vgl. Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (198 ff.). 64 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 18 ff. m. w. N.; speziell zur Richterwahl ders., Richterwahl, S. 74 ff. 65 Hiervor allerdings selbst noch zurückstehend Schmitt, Verfassungslehre, S. 275 ff. im Sinne einer strikten Bindung an die Volksgesetze statt unmittelbarer Identitätsansätze; hingegen noch unkritischer etwa MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 170 (allerdings relativiert Rn. 171); mit daraus notwendiger Fiktion der strikten Gesetzesbindung ohne gerichtliches Ermessen (z. B. bei §§ 153 ff. StPO!) vgl. Böckenförde, HdbStR, §24 Rn. 22 ff. 55
II. Konzept der Volkswillenssouveränität von Schmitt und Böckenförde
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Selbstverwaltung,66 die funktionale „genossenschaftliche“ Selbstverwaltung oder das überraschend singulär privilegierte Zentralbankwesen.67 c) Auch die Gewaltenteilung kann danach zur Demokratie keine Konkurrenz bilden, sondern muss „in sie hineinverlegt“ sein:68 „Es ist allein das Volk, das durch die genannten ,besonderen Organe‘, die als seine Organe fungieren, die Staatsgewalt ausübt“.69 Auf Menschenwürde, Rechts- und Sozialstaatlichkeit habe sich diese Demokratie (nur) verpflichtet bzw. selbst „gebunden“.70 Vor allem das Rechtsstaatsprinzip erscheint ihr gegenüber als ein Aliud, welches lediglich „Inhalt, Umfang und Verfahrensweise staatlicher Tätigkeit“ bestimme – nicht aber wie die Demokratie, Träger und Inhaber – und sich (anders als im republicanism der USA) lediglich in den Grundrechten verbinde.71 Der Rechtsstaat bedeute „überhaupt nicht Ziel und Inhalt des Staates, sondern nur Art und Charakter, dieselben zu verwirklichen“.72 Durch den „rechtsstaatlichen Bestandteil der Verfassung“ könne die „politische Einheit nicht als solche und nicht als Ganzes erfasst werden“, namentlich könne er diese nicht in der Wurzel einschränken.73 Hier klingt die Rückkehr zum diktatorischen Ausnahmezustand, in dem „der Staat bestehen bleibt, während das Recht“ zurückzutreten habe,74 an – entgegen der umfassenden Verrechtlichung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes als freiheitlich demokratischer Verfassungsordnung. d) Schließlich folgt daraus die – auch für die Spannung zur FDGO – zentrale Idee eines hinter der Verfassung immanent fortbestehenden und durch diese unbeschränkbaren pouvoir constituant, der jene letztlich legitim auch ohne Rücksicht auf
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Dazu Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 25. So wird von Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 22, 24, 34 überraschenderweise ein hinreichendes Legitimationsniveau ohne Weiteres beim Zentralbanksystem unterstellt, wo gem. § 7 III BBankG von einer Parlamentsauswahl keine Rede ist; ähnlich dazu BVerfGE 89, 155 (208 f.). 68 Vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 77; dazu ausführlich berechtigt ablehnend etwa Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (117 ff.); Leibholz, Demokratie, S. 145. 69 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 87 ff., Zitat Rn. 87; vgl. zur omnipotenten Mehrheit Talmon, Origins; Niebuhr, Children; Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (113 f.). 70 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 38 f.; auch in den Prinzipien des Art. 79 III GG habe sie nur die immanente Verfassungsrevision aus Verlust an „Selbstgewissheit“ beschränkt. 71 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 83 ff. hier wohl offenbar zurückgehend auf die Teilung von Schmitt, Verfassungslehre, S. 108 ff., 111; dagegen allerdings auch etwa aus Sicht einer identitären Legislativsouveränität des Volkes zuletzt Maus, Justiz, S. 64 ff.; vgl. überzeugend kritisch dagegen etwa Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (123 ff.). 72 Schmitt, Verfassungslehre, S. 125 f. unter – etwa von Sobota, Rechtsstaat, S. 319 ff. als selektiv-verkehrend zurecht widerlegten Verweis auf Stahl, Philosophie II, S. 137; sowie Gneist, Rechtsstaat, S. 60. 73 Schmitt, Verfassungslehre, S. 204. 74 Schmitt, Theologie, S. 13 ff.; zur Diktatur darin auch ambivalent Smend, Verfassung, S. 104 ff. 67
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C. Freiheitliche Demokratie als Grundproblem der FDGO
Art. 79 GG jederzeit umstürzen könne.75 Jede ausdrückliche materielle Ewigkeitsgarantie dient nach dem Vater der These, Schmitt, nur zur Kompetenzabgrenzung der verfassungsinternen Revision gegen den jenseits unbegrenzten volkswillkürlichen pouvoir constituant: „Sie [sic!] ist nicht der Verfassung unterworfen, sondern gibt selbst die Verfassung. Hier ist irgendein Zwang oder irgendeine rechtliche Form, irgendeine Selbstbindung, gleichgültig in welchem Sinne, völlig undenkbar, und auch die unveräußerlichen Menschenrechte sind da, wo die volonté générale im Sinne der Lehre Rousseaus herrscht, gegenstandslos. Das Volk als Inhaber der konstituierenden Gewalt kann sich nicht binden und ist jederzeit befugt, sich jede beliebige Verfassung zu geben.“76
III. Auslegung von Artikel 20 II GG Die genannte Demokratietheorie kann, wie im Folgenden darzulegen ist, gemessen an Art 20 II GG, auf den sie sich maßgeblich beruft, keinen Bestand haben. Diese demokratische Fundamentalnorm ist vielmehr – ihr entgegen – im Einklang mit der FDGO zu interpretieren.
1. Grammatikalische und systematische Auslegung Bereits der Wortlaut von Art. 20 II GG spricht nicht davon, dass alle Staatsgewalt beim Volk läge, sondern dass sie von ihm ausgehen muss und durch verfassungsrechtlich bestimmte Akte und Organe ausgeübt wird.77 Systematisch eingerahmt wird dies etwa durch das freie, repräsentative Abgeordnetenmandat (Art. 38 I 2 GG), die Mitwirkung der Parteien an der Willensbildung (Art. 21 GG), durch den Föderalismus (z. B. Art. 20 I, 28, 50, 79 III GG) sowie vor allem durch die Rechtsstaatlichkeit mit Grundrechtsbindung (Art. 1 ff., 19 IV, 20 III, 28 I 1, 79, 92 ff. GG), dazu 75
Vgl. auch Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 5, 7; ders., Gewalt, S. 11, 17 letztlich zurückgehend auf Schmitt, Verfassungslehre, S. 77 ff., 88, 91 ff., 98, 104 ff., 204; ders., Bewegung; ders., DtJZ 39 (1934), Sp. 945 ff.; dagegen bereits Isensee, Volk, S. 48. Sieyes, Stand, S. 16; vgl. noch Maus, Justiz, S. 72; mit Schmitt, Verfassungslehre, S. 204: „Die verfassunggebende Gewalt insbesondere bleibt immer außerhalb … [des, M.F.] rechtsstaatlichen Bestandteils [der Verfassung, M.F.], und das Problem der verfassunggebenden Gewalt ist mit den Prinzipien und Begriffen bloßer Rechtsstaatlichkeit weder theoretisch noch praktisch zu lösen“. 76 So am schärften Schmitt, Diktatur, S. 137; etwas verbrämter bereits ders., Verfassungslehre, S. 105 f. 77 Überhaupt kann der Begriff des „Grund-Gesetzes“ im Gegensatz zur Schmitt-Lehre von der (ungeschriebenen) Verfassung im materiellen Sinn gegen den Verfassungstext als Verweis auf die Grundlegung durch das Recht (etwa im Sinn Kelsens, und nicht eine fiktive „Volkswillkür“) verweisen, entgegen den Behauptungen der Schmitt-Schule, damit habe lediglich der provisorische Charakter der neuen Verfassung betont werden sollen; vgl. zu diesem Wortbefund etwa bereits Fraenkel, Demokratien, S. 332 f.
III. Auslegung von Artikel 20 II GG
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(schwächer) durch das Friedensbekenntnis in der Präambel und die Generalrevisionsklausel in Art. 146 GG.
2. Historische Auslegung a) Aufnahme in das Grundgesetz und Vorläuferdiskussionen zur Weimarer Reichsverfassung Der Parlamentarische Rat verwarf ausdrücklich jeden Gedanken an eine unumschränkte Volkswillkür: Er strich explizit die Betonung der „einheitlichen Gewalt“ des Volks in der Gesetzgebung etc.78 und wandte sich gerade gegen Volksentscheide auch bei Verfassungsänderungen.79 Zur Staatsgewalt verwendete er vielmehr mit Art. 20 II 1 GG im Wortlaut Art. 2 I WRV und ergänzte ihn in Satz 2 mit Ausführungen zu ihrer Ausübung. Diese waren bereits – bemerkenswert parallel – intensiv 1919 auf Reichs- und Länderebene diskutiert worden.80 Der Verzicht auf die „einheitliche Gewalt des Volkes“ wurde im Parlamentarischen Rat nur noch im Wesentlichen unter der Frage einer metaphysischen Endbegründung der Staatsgewalt erörtert.81 1919 fand er im Umfeld der 2. Lesung im Verfassungsausschuss der Nationalversammlung als grundlegender Kompromiss und nicht weniger gewichtige Präzisierung statt. In der Folge erschien er kaum der weiteren Beachtung durch die Verfassungslehre wert.82 Die Verfassung von 1848/49 ebenso wie die deutschen Konstitutionen des 19. Jahrhunderts hatten sich dazu nicht verhalten.83 aa) Der erste Formulierungsversuch im Vorentwurf der WRV bezog sich auf „das deutsche Volk“ als Gewaltsubjekt. Bereits im Staatenausschuss wurde ausdrücklich abgesehen, den Ausgang auf das einzelne Gesamtvolk zu verengen.84 Ebenso hat das 78 Vgl. Beratungen des Grundsatz-, Redaktions- und Hauptausschusses Matz, JöR 1 (1951), S. 197 ff., ebenso wie etwas später deren zunächst parallel verankerte ausdrückliche verfassungsrechtlichen Bindung vgl. v. a. ebd, S. 199 ff. (Art. 20) m. w. N. 79 Vgl. Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 202 ff. m. w. N.; gerade aus der Zusammenschau kann dies auch nicht einfach mit einer „Schutzbehauptung“ des Provisoriums des GG abgetan werden. 80 Vgl. sogleich unten b); zur Kontinuität von WRV zum GG und der entsprechenden Verfassungsdogmatik vgl. im Überblick etwa Schröder/Ungern-Sternberg, Aktualität, S. 1 m. w. N. insbesondere in Fn. 12. 81 Vgl. hier nur JöR 1 (1951), S. 195 ff. (Art. 20) mit Übersicht über die Beratungen. 82 Etwa vollständig übergangen von Anschütz, Art. 1 WRV Rn. 3. 83 Letztere auch unter Einfluss der Restaurationshomogenität des Deutschen Bundes; vgl. nur Anschütz, Leitgedanken, S. 21 ff.; allerdings bereits 1847/48 die ausführlichen Betrachtungen von Fröbel, System II, S. 1 ff. passim; zur Demokratiediskussion in der späten Weimarer Republik vgl. Thoma, HdtStR, § 16, S. 189 Fn. 5 m. w. N. 84 Vgl. hierzu eindrucksvoll Beratung mit den Ländervertretern am 25. 1. 1919 Preuß, GS III, S. 163 ff.; bei Triepel, Reichsstaatsrecht, Nr. 7, 10 (S. 6, 10) mit der Vorschlagsfassung: „Alle Staatsgewalt liegt beim deutschen Volke. Sie wird in den Reichsangelegenheiten durch die auf Grund der Reichsverfassung bestehenden Organe ausgeübt, in den Landesangelegen-
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C. Freiheitliche Demokratie als Grundproblem der FDGO
GG gezielt diesen Verzicht übernommen, nicht zuletzt in gleichem Maß, um den Ländern zur Sicherung der eigenen Staatlichkeit ein eigenes Staatsvolk zu belassen.85 Zudem war letztere noch bei Entstehung der WRV nach deren Art. 110 und dem RuStAG bis 1935 rechtlicher Ausgangspunkt der Reichsangehörigkeit. Eine „nationalidentitäre Volkstheorie“ greift hinter diese ausdrücklichen Verfassungssetzungen zurück, ohne die durch Wegfall der Lösung der Verfassungsgeber entstehende föderale Spannung in Art. 20 I, 28 I, 33 I GG aufzulösen.86 bb) Parallel sollte bereits in der WRV die Qualität der Volksherrschaft beschrieben werden nicht als absolut-identitäre, sondern regelmäßig „vermittelte“:87 Mit Art. 1 II WRV in der Fassung nach Ausschussberatung war der Wortlaut von „die Staatsgewalt liegt beim Volk“ der Vorlage geändert worden in „geht vom Volke aus“.88 Darin spiegelte sich nicht nur nach württembergischen Vorbild89 der Wechsel vom französischen zum belgischen Verfassungsvorbild, von „appartient“90 zu „émanent“,91
heiten durch die deutschen Freistaaten nach Maßgabe ihrer Landesverfassungen.“; zum unitarischen Ansatz der Demokratie vgl. auch zeitgenössisch Wittmayer, Reichsverfassung, S. 42 ff. 85 Vgl. ausführlich bereits Preuß, Reich, S. 334 f. (zu Art. 1 Rn. X); Anschütz, Art 1 WRV, Rn. 3 mit umfassendem Nachweis zur Genese und Interpretation. 86 Nicht zuletzt gelingt daher auch eine präzise Erfassung der Landesstaatsangehörigkeit rechtlich nicht bzw. wird auch durch das BVerfG praktisch nicht mehr unternommen; vgl. etwa auch BeckOK-Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 10 ff m. w. N. 87 Vgl. insbesondere RT-Prot. (NatV) 1919/20, 11 Nr. 391 (S. 28 ff., 67 ff., 400 ff.) darunter insbesondere die intensiven Diskussionen über eine „Allmacht des Volkes als KompetenzKompetenz“, S. 67 ff. in der 7. und 8. Sitzung; zur Ablehnung des Begriffs des „Staatsgewaltträgers“ auch Smend, Verfassung, S. 96; der Begriff der Demokratie wurde selbst wegen seiner Offenheit im Verfassungstext vermieden, vgl. Thoma, HdtStR, § 16, S. 188. 88 Vgl. Neu- und Endfassung in RT-Prot. (NatV) 1919/20, 12 Nr. 656 (S. 406) gegenüber den dazu nicht erkennbaren Beratungen in RT-Prot. (NatV) 1919/20, 11 Nr. 391 (S. 28 ff., 400 ff.); vgl. insbesondere unter ausdrücklichem Rückgriff auf die belgische Verfassung von 1831 Abg. Quark (SPD), 3. Sitzung vom 6. 3. 1919, a. a. O. S. 29. 89 Vgl. §§ 3, 4 I Verfassung des Freistaates Württemberg vom 20. 5. 1919: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Das Volk äußert seinen Willen durch Abstimmung und durch Wahl.“; abweichend im ersten, jedoch strukturgleich im zweiten §§2 f. des bayerischen Staatsgrundgesetzes und § 2 der badischen Verfassung jeweils vom März 1919. 90 Titre II, Art. 1 franz. Verf. 1791: „La Souveraineté est une, indivisible, inaliénable et imprescriptible. Elle appartient à la Nation; aucune section du peuple, ni aucun individu, ne peut s’en attribuer l’exercice.“, danach auch Art. 3 der Verfassung 1958: „La souveraineté nationale appartient au peuple qui l’exerce par ses représentants et par la voie du référendum“, noch weitergehend naturgemäß Art. 2,7, 8 Verf. 1793 „Le peuple français est distribué, pour l’exercice de sa souveraineté, en Assemblées primaires de canton… Le peuple souverain est l’universalité des citoyens français. Il nomme immédiatement ses députés.“, allerdings ursprünglich 1789 bei Sieyès, Préliminaire, S. 38 f. tatsächlich „émanent“, vgl. sogleich unten. 91 Art. 33 belg. Verf. 1831: „Tous les pouvoirs émanent de la Nation. Ils sont exercés de la manière établie par la Constitution“; vgl. auch „ausgehen“ als amtliche deutsche Übersetzung für die deutsche Gemeinschaft.
III. Auslegung von Artikel 20 II GG
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den der Parlamentarische Rat erneut nachvollzog.92 Das Volk selbst dabei ist, etwa für Preuss, „nicht ein unbestimmter ethnischer oder sozialer Begriff, sondern es ist die von der Verfassung und verfassungsmäßigen Gesetzen rechtlich bestimmte Gesamtheit der stimm- und wahlberechtigten Bürger.“93 Die Motive sprechen weiter von der Ausübung der Volksgewalt durch Verfassungsorgane und Länder,94 als Beauftragung im Sinne eines Mandatsverhältnisses und Entscheidung (nur) im Konfliktfall durch das Volk selbst.95 Damit ist nicht nur der Konsens bestätigt, dass „das Volk“ allein in formalen Akten gerade durch die Verfassung und vor allem durch die Legitimierung von Amtsträgern durch und über die Wahlen von Repräsentanten wirkt.96 Es hat sich damit auch ausdrücklich das Bild der ursprünglichen Staatsgewalt verankert, die nicht beim Volk „eigen“ abgesondert verbleibt, sondern als „erneuernde Lebensquelle ausströmt“. Bricht die Verbindung zum Volk ab, ist der Legitimationsfluss versiegt – er muss und kann dann aber erneuert werden. Entscheidend ist dafür alleine, dass es keine legitime Staatsgewalt gibt, die nicht Ausfluss des Volkes wäre, also „per se“ aus irgendeinem Privileg oder fremder Macht entstünde.97 cc) Dagegen wird der Begriff der „Volkssouveränität“ in der WRV (wie im GG) gerade nicht gebraucht. In den jeweiligen Verfassungsberatungen98 und -auslegungen99 ist er allenfalls als plakativer Hilfsbegriff verwendet. Aus den komplexen vorhergehenden Debatten vor allem im Kaiserreich bestand Einheit nur hinsichtlich der völkerrechtlichen Souveränität des deutschen Gesamtstaats gegen fremde
92 Vgl. nur Matz, JöR 1 (1951), S.195 ff. (Art. 20) mit demselben Ausgangspunkt „Träger“ und Ende „ausgehen“ und namentlich dem Verweis auf die belgische Verfassung. 93 Preuß, Reich, S. 333; vgl. dazu Lehnert/Schefold, Preuß, S. 53; beachte auch zur Einheit von liberaler Freiheit und (pluraler) Demokratie bei Preuß Hacke, Existenzkrise, S. 51 m. w. N. 94 Vgl. etwa Anschütz, Leitgedanken, S. 16 ff. 95 Vgl. Art. 2 II sowie Begründung Denkschrift Nr. 3 von Preuß zum Vorentwurf des allgemeinen Teils („Entwurf I“) bei Triepel, Reichsstaatsrecht, Nr. 7 (S. 6); enthalten bis zum Entwurf IV vom 18. 6. 1919; für die damals h. M. im Anschluss vgl. weiter nur Thoma, HdtStR, § 16, S. 188 f. 96 Vgl. insbesondere Verfassungsausschuss RT-Prot. (NatV) 1919/20, 11 Nr. 391 (S. 29) mit den Erklärungen von Preuß und Abg. Beyerle; vgl. ebenso Wittmayer, Reichsverfassung, S. 54 f. unter Berufung auf Naville, Question; vgl. auch Thoma, Wesen, S. 66 (67): „Die sogenannte Volkssouveränität ist keine unmittelbare, sie ist vermittelt durch die Eliten des suffrage universel.“ 97 So namentlich Abg. Schmid im ParlR, in. Matz, JöR 1 (1951), S. 197 (Art. 20) m. w. N. 98 Vgl. hierzu auch bereits die Diskussionen im Verfassungsausschuss und Preuß dazu: „unglücklicher Begriff“ RT-Prot. (NatV) 1919/20, 11 Nr. 391 (S. 26 ff., v. a. 30); zuvor von ihm verwendet zur Einstimmung der Nationalversammlung gegen starke föderalistische Widerstände s. Preuß, GS III, S. 197 ff. 99 Vgl. etwa Anschütz, Art. 1 WRV Rn. 2; Thoma, HdtStR, § 16, S. 187: „wenn man so ausdrücken will Volkssouveränität“; zum Gegensatz der demokratischen Staatslehrer zu Schmitt vgl. etwa Schröder/Ungern-Sternberg, Aktualität, S. 1 (5 ff.) m. w. N.; vgl. auch zum insoweit konsequenten Votum von Leibholz, Problemen, für eine freiheitliche und gegen eine identitär-faschistische Volkssouveränität Hacke, Existenzkrise, S. 170 ff. m. w. N.
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Mächte, nicht aber einer föderalen Zuordnung „der“ Souveränität im Reich.100 Als Antithese zum monarchischen Föderalismus des Bismarckschen Kaiserreichs101 und des Obrigkeitsstaats sollte der Volksstaat („Der Staat, das sind wir“) und (nur) in diesem Sinn als eine (pluralistische) „Einheit von Volk und Staat“ begründet sein.102 Das Denken der Verfassungsväter der WRV war darauf gerichtet, den Einfluss des Volks auf die Staatsgeschicke möglichst dicht zu entfalten103 und Polyarchien entgegenzuwirken.104 Ausdrücklich sind Freiheit, Menschenwürde und Demokratie auf das engste verbunden.105 In einem „System der Checks and Balances“, insbesondere der Grundrechte, ist die Demokratie nicht nur parlamentarisch-plebiszitär, sondern ebenso föderalistisch-amtsrechtlich-rechtsstaatlich.106 Die Aufspaltung der vom Volk herrührenden Gewalt in Reichstag und Reichspräsident107 sowie die unabhängige Richterschaft war daher für die Weimarer Koalition völlig unproblematisch.108 Eben nicht die Identitätslehre Rousseaus sollte umgesetzt, sondern ein föderales, gewaltengeteiltes und so demokratisches Staatswesen geschaffen werden:109 100
Vgl. aus Sicht der Weimarer Demokratie vor allem Preuß, Reich, S. 320 ff. (zu Art. 1 Rn. XII); Anschütz, WRV, Einl. S. 2 f.; Anschütz, Leitgedanken, S. 8 ff. m. w. N.; Lehnert/ Schefold, Preuß, S. 52 f.; ursprünglich etwa Jellinek, Staatslehre, S. 677 ff., 712 m. w. N.; ders., Vorlesungsmitschrift, S. 56 ff. m. w. N.; Laband, Staatsrecht I, S. 97. 101 Vgl. namentlich Denkschrift zum Verfassungsentwurf vom 3./20. Januar 1919, abgedr. Preuß, GS III, S. 134 (135 ff.) sowie mündliche Begründung vor der Nationalversammlung ebd., S. 207 (209 ff.); Preuß, Reich, S. 332 f. (zu Art. 1 Rn. IX); wie zuvor 1847 gegen die Restauration von Fröbel, System II, S. 3 ff. 102 Anschütz, Leitgedanken, S. 16 ff., Zitate S. 30 f.; widerspiegelnd die Debatte im Verfassungsausschuss v. a. 3. Sitzung 6. 3. 1919, RT-Prot. (NatV) 1919/20, 11 Nr. 391 (S. 29 f.), namentlich die Beiträge von Preuß, des bayerischen Gesandten v. Preger sowie des Abg. Quark (SPD); weiter Thoma, HdtStR, § 16, S. 186 f., 190; zum Einheits- und Einigungsmotiv auch Smend, Verfassung, S. 92 ff. m. w. N.; vgl. aber auch zu Webers antiidentitärem Parlamentarismus Hacke, Existenzkrise, S. 57 und allg. ebd., S. 51 ff.; Gusy, Vergangenheitsrechtsprechung, S. 395 ff.; Lepsius, Wiederentdeckung, S. 354 ff.; zur Abgrenzung vom Personen-/Organisationsverbandstaat nach Otto von Giercke vgl. Fraenkel, Pluralismus, S. B10 ff.; Volkssouveränität gegen den Obrigkeitsstaat wiederum bereits 1847 Fröbel, System II, S. 147 ff. 103 Weber, Demokratie, S. 245 (246 ff.) m. w. N. 104 Vgl. etwa eindrücklich Preuß, GS III, S. 160 ff., 163 ff., 194 ff. 105 Ausdrücklich etwa Thoma, HdtStR, § 16, S. 189 f.; vgl. auch zu Preuß u. a. Hacke, Existenzkrise, S. 51 ff. 106 Thoma, HdtStR, § 16, S. 194 ff. 107 Vgl. ausführlich etwa Anschütz, Leitgedanken, S. 23 f. „zwei große Hauptorgane, diesen Gemeinwillen zu bilden“. 108 Zu der Rezeption dieses von der Sekundärliteratur wohl etwas irreführend „pluralistisch“ genannten Ansatzes vor allem von Preuß, Reich, S. 363 vgl. Lehnert/Schefold, Preuß, S. 53 m. w. N.; vgl. auch ausführlich Smend, Verfassung, S. 92 ff. 109 So ausdrücklich unter anderen Abg. Dr. Spahn, 3. Lesung, 69. Sitzung 29. 7. 1919, RTProt. (NatV) 1919/20, 3, S. 2077 f.; vgl. auch ähnlich Thoma, HdtStR, § 16, S. 188 f. „Es genügt, darauf hinzuweisen, dass sich in der gesamten abendländischen Kulturwelt seit Jahrzehnten ein Begriff der Demokratie eingebürgert hat, der allein darauf abhebt, ob in einem Staate alle Inhaber staatlicher Herrschaftsgewalt unmittelbar oder mittelbar aus Volkswahlen hervorgegangen sind und diese Wahlen nach einem wirklich allgemeinen und gleichen
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„Wohl geht seine Staatsgewalt vom Volke aus; aber das heißt keineswegs, dass das Volk Inhaber oder Träger der ganzen Staatsgewalt sei. Das heißt vielmehr nur, dass es das einzige primäre Staatsorgan ist. Aber gleich den anderen obersten, doch sekundären Organen ist auch dieses einzige primäre Organ verfassungsrechtlich bestimmt und also beschränkt … Das Volk ist ebenso wenig Inhaber oder Träger der gesamten Staatsgewalt, wie es Reichstag, Reichspräsident und Reichsregierung sind; vielmehr hat es lediglich bestimmte verfassungsmäßige Zuständigkeiten… [Über sie, M.F.] hinaus kann mit rechtlicher Wirkung das ,souveräne‘ Volk so wenig wie ein sekundäres Organ in die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten anderer Organe hinübergreifen.“110 An dieser Deutung hat auch der Parlamentarische Rat festgehalten.111 b) Identitärer Volkswillensabsolutismus in der historischen politischen und verfassungsrechtlichen Realität Dieser Kontinuität der föderalen republikanisch-demokratischen deutschen Verfassungen steht ein Widerstand seit Ablehnung der WRV durch „monarchischvölkische“ Kreise historisch durchgängig gegenüber.112 In ihm spiegelte sich unmittelbar nach 1919 der dort enttäuschte Wunsch nach Homogenität und monarchischem Führer113 und der durchgängige Kampf gegen einen vermeintlich degenerierten Parlamentarismus.114 In Kontinuität zu den alldeutschen und imperialen Bestrebungen des Kaiserreichs115 verbreiteten sie die seit 1918 noch gesteigerten Wünsche, trotz aller Krisen endgültig gleichartig zu den großen Nationalstaaten aufzuschließen116 und die innere Zerrissenheit zu überwinden.117 Von der liberalen Wahlrecht erfolgten – Es geht also um „befristete oder abrufbare Obrigkeit auf der Grundlage des demokratischen Wahlrechts“; vgl. auch die Ablehnung der diktatorisch-verfassungsauflösenden Auslegung von Schmitt durch die demokratisch-republikanische Staatsrechtslehre Kaiser, Staatsrechtslehre, S. 119 ff., v. a. S. 125 m. w. N. 110 So 1928 bereits Preuß, Reich, S. 333 zu Art. 1 WRV Rn. IX als wohl berufenster Interpret der WRV. 111 Vgl. insbesondere die Debatten im Grundsatzausschuss, 11. Sitzung vom 14. 10. 1948 und darin übereinstimmenden Auffassungen von Dr. Heuß (FDP), Dr. Suhr (SPD) und Dr. Pfeiffer (CSU), JöR 1 (1951), S. 197 (Art. 20) m. w. N. 112 Vgl. etwa aktuell zusammenfassend Hacke, Existenzkrise, S. 209 ff., 221 f., 242 ff., 342 ff., m. w. N. 113 Ausdrücklich so etwa Abg. Dr. Düringer, 3. Lesung 70. Sitzung 30. 7. 1919, RT-Prot. (NatV) 1919/20, 3, S. 2089. 114 Namentlich Schmitt, Lage, passim; ders., Hüter, S. 87 f.; dessen Argumente nochmals wohlwollend erinnernd Doehring, Staatslehre, Rn. 343; hingegen zurecht kritisch im Kontext etwa Mehring, Schmitt, S. 47 ff. m. w. N.; zur Faszination Schmitts gegenüber der Diktatur auch aus Art. 48 WRV vgl. mit neuen Aspekten Kaiser, Staatsrechtslehre, S. 119 ff. 115 Vgl. etwa Fahrner, Höhepunkt, S. 213 ff. 116 Vgl. zur Selbstbestimmung unter dem Vorwurf nationalistischer Ansichten exemplarisch Anschütz, Leitgedanken, S. 28 f.; Preuß, Reich, S. 322 ff. (zu Art. 1 Rn. VII); erkennbar etwa bei Schmitt, Verfassungslehre, S. 231 ff.
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demokratischen Weimarer Verfassungslehre wurde dies von Anfang an und vor allem die antiliberale Übersteigerung der „Identitäten“ strikt zurückgewiesen.118 Um jene Forderungen theoretisch zu unterfüttern, wandte sich Schmitt als nahezu einziger, jedenfalls bedeutendster Vertreter vor allem einer neoabsolutistischen Bodin-Rezeption und der zunehmenden Bedeutung der Souveränität im Inneren119 bis zur Frage nach dem Ausnahmezustand zu. Darin lässt sich seine historische Kontinuität von den Bismarckschen Staatsstreichplänen120 bis 1933 durch Negation jeder rechtlichen, sittlichen oder (außer der projizierten Volkswillkür) faktischen Rückbindung im politischen nationalistischen und dann nationalsozialistischen Staat erkennen.121 Aus diesem Blickwinkel122 liefert Schmitt als Begründung eine (unter seinem zielgerichteten Vorurteil) selektiv-eklektische historische Reihe,123 die von seinen Nachfolgern nicht wesentlich weiterentwickelt wurde. Vor allem bei Hobbes rezipiert er sinngemäß nur den ersten Teil dessen weitreichender Definition „Civitas 117 Vgl. etwa Anschütz, Leitgedanken, S. 10 ff.; Lehnert/Schefold, Preuß, S. 76 f.; Preuß, GS III, S. 160 ff. 118 Vgl. gegen Schmitt, v. a. Verfassungslehre S. 221 exemplarisch Thoma, HdtStR, § 16, S. 189 Fn. 5: „als gebe es nur einen, allem Liberalismus entgegengesetzten Demokratismus, dessen Wesen in einer Reihe von ,Identitäten‘ (gemeint ist wohl: fiktiven Identifizierungen) bestehe“; vgl. auch Groh, Verfassungstheorie, S. 13 ff. 119 Vgl. dabei etwa den Rückgriff auf die Definition monarchischer Innensouveräntiät von Jellinek, Staatslehre, S. 679: jene höchste Gewalt, die den Staat in Bewegung setzt und erhält, erläutert bei Preuß, Reich, S. 322 (zu Art. 1 Rn. VII); bedeutsam vor allem die intensive Auseinandersetzung Schmitts mit der Polyarchiekonzeptions Laski, Sovereignty, S. 208, 274; ders., HLR 29 (1916), S. 404 (416 ff.) die dieser selbst nach unmittelbarer Kritik selbst 1938 aufgab, vgl. ders., Grammar S. 1 ff.; ders., CLR 15 (1948), 575 (580); Fraenkel, Pluralismus, S. B10 ff. m. w. N., ders., Demokratien, S. 303 ff.; Badura, Staatsrecht, Rn. D9; Schöbener, Staatslehre, § 3 Rn. 27 ff. 120 Durch Neugründung des Reiches durch seine Souveräne vor allem am Ende der Ära Bismarck. Sie wurden unmittelbar in die Staatslehre-Diskurse der Weimarer Republik transportiert etwa durch Zechlin, Staatsstreichpläne, S. 26 ff., 178 ff. mit Quelle des Staatsministerprotokolls vom 3. 3. 1890, damals namentlich im Umfeld einer Verlängerung des Sozialistengesetzes und Aufrechterhaltung des „Kartellparteiensystems“, welches dann zum Sturz/ Rücktritt Bismarcks führte; vgl. zu den Plänen und ihrem Kontext weiter Discher, Staatsstreichgedanken, S. 16, 74 ff.; Stürmer, HZ 209 (2014), 566 ff. 121 Schmitt, Theologie, S. 11 ff.; ders., Diktatur, z. B. S. 25 ff., passim; näher dazu Mehring, Schmitt, S. 26 ff., 31 ff. mit plastischem Überblick über dessen Entwicklung S. 107 f.; ähnlich zur „degenerierten Schönwetterrepräsentation“ noch Kahler, Schicksal, S. 35 (44); zur Zerstörung der realen Verfassungsnormativität und Kapitulation vor der Machtrealität durch Schmitt vgl. etwa Groh, Verfassungstheorie, S. 13 (17 ff.) m. w. N. 122 Zu Schmitts geradezu „idealtypischen“ Bedrohungs- und Sozialisierungserfahrungen vgl. etwa Mehring, Schmitt, S. 15 ff. 123 Überzeugend zur tautologischen reinen Vorurteilsverschleierung in der Methode Schmitts auch Kaiser, Staatsrechtslehre, S. 119 (129); vor allem in Schmitt, Diktatur, S. 15 ff. passim.; so ist z. B. das Argument, die Marchomachen hätten die souveräne Diktatur in ihrem Rechtsstaatskonzept nicht erläutert, letztlich zirkulär; der Verweis auf Machiavelli übergeht dessen nun faktisch-begründete Rückkopplung des Souveräns an die Betroffenen, vgl. nur Fahrner, Machiavelli, S. 103 ff. usw.
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ergo (ut eam definiamus) est persona una, cuius voluntas, ex pactis plurium hominum, pro voluntate habenda est ipsorum omnium; ut singolorum viribus et facultatibus uti possit, ad pacem et defensionem communem“.124 Soweit Schmitt etwa weitergehend Rousseaus Beispiel Korsikas als einzige funktionierende, in seinem Sinn absolut-identitäre, Demokratie anführt, ist dies ebenfalls ahistorisch: Es verkennt das Wesen der tatsächlich 1755 – 1769 dort geltenden Verfassung von Paoli, mit dem Rousseau bei Verfassen seines Werks 1762 in Kontakt stand. Sie stellte wesentlich nicht nur auf antikisierend-mittelalterliche Gewaltenverteilung zwischen zahlreichen Trägern, sondern auch auf – von Grund auf moderne – Gewaltenteilung und Verantwortlichkeit ab, um Machtmissbrauch zu verhindern und für eine friedliche Integration der konkurrierenden Familienverbände zu sorgen.125 Ebenso erstrebte Rousseau selbst durchaus eine gemäßigte Demokratie.126 Wenn sich die Lehre des absoluten pouvoir constituant ferner vor allem auf Sieyès und die Déclaration de Droit de l’Homme von 1789 beruft,127 erweist sie sich weiter als irreführend selektiv:128 Sie übergeht den Ausgangspunkt, nämlich gerade die Ablehnung Rousseaus 124 Hobbes, Cive, cap. V 9 a. E., Hervorhebungen von Hobbes ersetzt durch die eigene, zur Friedensfunktion bereits oben Kap. 1 B. IV.; Dies hat mit dem willkürlich-romantisierenden mit einem „Volkswillen“ übereinstimmenden Willkürherrscher in den sich Schmitt, Diktatur, S. 21 ff.; ders., Theologie, S. 54; versteigt, bestenfalls sehr wenig zu tun; ähnliches gilt für die Locke-Interpretation ebd,, S. 24, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. 125 Vgl. Constitution de la Corse 15. 7. 1755: „La Diète a décrété, et décrète, l’établissement d’un Conseil d’Etat auquel elle a conféré, et confère, l’autorité suprême aussi bien dans le domaine politique que militaire et économique … On devra convoquer la Diète Générale une fois par an à l’endroit qui semble le plus opportun au Général. Dans ce lieu tout magistrat et fonctionnaire de la nation sera tenu de rendre compte de sa conduite.“, die Kontinuitäten zu italienischen Kommunalverfassungen ist hier nicht weiter zu verfolgen; Rousseau, Contrat, cap. II 10 §§ 5 f.; dazu wegführend eben Schmitt, Diktatur, S. 120 f.; hingegen etwa auch Hidalgo, Volkssouveränität, S. 187 (194 ff.) und Comtesse, Totalitarismusvorwurf, S. 271 ff. überzeugend mit weiteren Argumenten aus Rousseaus Texten sowie Voigt, Kritik, S. 291 ff. zur individuellen gesicherten Freiheitlichkeit bei Rousseau. 126 Rousseau, Discours, Widmung: „mit anderen Worten, ich wäre am liebsten unter der Herrschaft eines weise gemäßigten demokratischen Regierungssystems geboren.“, übers. zit nach Fraenkel, Demokratien, S. 307; sowie Rousseau a. a. O., cap. III 4. 127 Art. 3 „Le principe de toute souveraineté réside essentiellement dans la nation. Nul corps, nul individu ne peut exercer d’autorité qui n’en émane expressément.“; vgl. etwa allgemein hier nur Schöbener, Staatslehre, § 4 Rn. 44 ff.; die Berufung alleine darauf von Schmitt, Diktatur, S. 137 ff.; ders, Verfassungslehre, S. 78 ff. offenbart sich allerdings auch zunehmend in offen selektiver Abwendung von der repräsentativen Seite der Theorie von Sieyès, etwa ders., Préliminaire, S. 38 f.: „Tous le pouvoirs sans distinction sont une émanation de la volonté générale, tous viennent du Peuple, c’est-à-dire, de la Nation. Ces deux tèrmes doivent être synonymes.“, wohl die zentrale spätere Bezugsstelle der Theorie der „émanation“, vgl. etwa näher auch Thiele, Volkssouveränität, S. 13 (14 ff.) vor allem zu Art. 23 des Entwurfs: „Ein Volk hat beständig das Recht, seine Verfassung zu überprüfen und zu erneuern.“ 128 Vgl. namentlich Sieyès, Préliminaire, S. 35 bzw. ders., Einleitung, S. 250 f., der hier bereits 1789 klar von einer (allerdings nur autonomen) Selbstbeschränkung des pouvoir constituant, z. B. durch seine legitimen bzw. legalen Handlungsformen, ausgeht, was jedem „Volksdezisionismus“ diametral entgegensteht: „La Nation … doit être dans cette fonction, libre de toute contrainte et de toute forme, autre que celle qu’il lui plaît d’adopter“, daher auch
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und eines dezisionistischen Naturzustands des pouvoir constituant durch diesen,129 ebenso wie 1847/48 in der Übernahme durch Fröbel.130 Gleichermaßen wird das Wirken von Sieyès ansonsten ignoriert, wenn nicht gezielt verfälscht und instrumentalisiert,131 der entschieden 1793, 1795 und 1799 u. a. die „mäßigende“ Gewaltenteilung der Direktorats- und der Konsulatsverfassung gegen den „Pöbel“ mitbetrieb132 und namentlich als erster jedenfalls für die europäische Entwicklung 1795 eine übergeordnete Verfassungsgerichtsbarkeit forderte.133 Schließlich blenden Schmitt und seine Nachfolger jede nähere Ausformung der Volkssouveränität im Verlauf der französischen Revolution aus:134 In der Verfassung von 1791 finden wir zwar die erste staatsorganisatorische Ausprägung der einheitvon den pouvoir commettant als alleinigem legitimen Ausdruck des pouvoir constituant spricht; vgl. etwa auch Thiele, Volkssouveränität, S. 13 (22, 34) m. w. N.; Dijon de Monteton, Schatten, S. 43 (60); insbesondere auch Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 7 ff., 234 ff. passim; speziell zur Repräsentation der Nation durch den König bzw. zum pouvoir constituant constitué Lembcke/Weber, Gewaltenteilung, S. 139 (145 ff., 151 ff.); m. w. N. auch in den Originalschriften, dort auch S. 160 überzeugend m. w. N. pointiert zur extremen Fehldeutung Sieyès durch Schmitt. 129 Auch in seinem berühmten Essay, Qu’est-ce que le Tiers-État?, auf den sich Schmitt, Verfassungslehre, S. 79 maßgeblich beziehen will, führt Sieyès nach der Frage „Que demande le Tiers-État?“ (und nicht „veut“) gerade aus: „La Nation est tout ce qu’elle peut être, par cela seul qu’elle est. Il ne dépend point de sa volonté de s’attribuer plus ou moins de droits qu’elle n’en a.“ Im unmittelbaren Anschluss begründet er die Repräsentation der Nation „tout ce qui est nécessaire pour la conservation et le bon ordre de la communauté. Si l’on sort de cette suite d’idées simples, on ne peut que tomber d’absurdités en absurdités.“; vgl. weiter Sieyès, Stand, S. 151 ff., 208; ausführlich und überzeugend etwa Lembcke, Souveränität, S. 42 ff. m. w. N. explizit auch gegen die einzelnen Fehldeutungen von Schmitt (v. a. Schmitt, Verfassungslehre, S. 78 f.) und zu letzterem v. a. ebd, S. 44 m. w. N.; zuvor bereits für die WRV Wittmayer, Reichsverfassung, S. 42 ff., basierend auf Zweig, Pouvoir, S. 152 ff. zur pouvoir constituant als einer Repräsentationskörperschaft; ähnlich ebenfalls vor Schmitt Hildesheimer, Revision, S. 75; ebenso gegen die Fehldeutungen Schmitts zur materiellen und formellen naturrechtlichen Beschränkung der Volkssouveränität und notwendigen Ausübung durch Repräsentation bei Sieyès ausführlich Dijon de Monteton, Schatten, S. 43 (56 ff., 60) m. w. N.; zur Beschränkung der Souveränität auf die Wahl der Vertreter und die Übernahme des anglo-amerikanischen liberalen republicanism ausführlich Asbach, Kontraktualismus, S. 111 (124 ff., 129 ff.) m. w. N. 130 Fröbel, System II, S. 122 ff. 131 Vgl. hier nur nochmals Lembcke/Weber, Gewaltenteilung, S. 139 (160) m. w. N. 132 Die Direktoratsverfassung wurde von Sieyès vor allem mangels noch weitergehender Gewaltenteilung und Verfassungskontrolle der Gesetzgebung abgelehnt, am Verfassungsausschuss nahm er wegen ihm vordringlich erscheinender inkompatibler Tätigkeit im Wohlfahrtsausschuss nicht teil, in dem er sich vor allem gegen Massenagitation einsetzte; vgl. zudem Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 160 ff.; Hidalgo, Volkssouveränität, S. 187 (193); Thiele, Volkssouveränität, S. 13 (24 ff.); ders., Gewaltenteilung, S. 211 (223 ff.); Eberl, Gewaltentrennung, S. 191 (204), jeweils m. w. N. auch in Originalschriften. 133 Vgl. etwa Thiele, Volkssouveränität, S. 13 (31 f.); Robbers, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 243 ff. jeweils m. w. N. 134 Er springt bezeichnend von 1789 und seiner Ablehnung der gewaltengeteilten Verfassung von 1791 direkt nach 1815, Schmitt, Verfassungslehre, S. 80.
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lichen, aber delegierten Volkssouveränität: „La Souveraineté est une, indivisible, inaliénable et imprescriptible. Elle appartient à la Nation; aucune section du peuple, ni aucun individu, ne peut s’en attribuer l’exercice…. La Nation, de qui seule émanent tous les Pouvoirs, ne peut les exercer que par délégation. – La Constitution française est représentative: les représentants sont le Corps législatif et le roi.“135 Sie enthält indes ebenso die Bestimmung, dass das Königtum vererblich „déléguée“ sei, allerdings der König allein „d’autorité supérieure à celle de la loi“ regiere und nur daraus Gehorsam verlangen könne.136 Damit handelt es sich kaum um eine ideelle Delegation, noch geringer als eine personalisierte lex de imperio137 wie später in Belgien 1831. Die einheitliche, identitäre Volkssouveränität ist allein jene der nie in Kraft getretenen Konvents-Verfassung von 1793 und des terreur, jener vernichtenden Projektion der allgemeinen vertu auf die Masse.138 Dagegen führt die am längsten gültige, unmittelbare republikanische Verfassung von 1795 zusammen: „La souveraineté réside essentiellement dans l’universalité des citoyens. Nul individu, nulle réunion partielle de citoyens ne peut s’attribuer la souveraineté. Nul ne peut, sans une délégation légale, exercer aucune autorité, ni remplir aucune fonction publique. Chaque citoyen a un droit égal de concourir, immédiatement ou médiatement, à la formation de la loi, à la nomination des représentants du peuple et des fonctionnaires publics. Les fonctions publiques ne peuvent devenir la propriété de ceux qui les exercent.“139 In dieser Konkretisierung gerade von Beeinträchtigungen ist vor allem auf die „délégation légale“ also gerade nicht eine dezisionistisch oder identitär demokratische, sondern gesetzliche Legitimationskette hinzuweisen,140 die autonome Gewalten, ebenso wie das Aufschwingen einer Minder- oder Mehrheit als Souverän ausschließt.141 Nur das erstere und letztere vergessend, gelangt man zur
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Titre III, Art. 1, 2 Const. Fr. 1791. Titre III, chapitre 2, sec. 1ière, Art. 1, 3 Const. Fr. 1791. 137 Vgl. die Lex de imperio Vespasiano, CIL 6, 930, dazu etwa Brunt, Journal of Roman Studies 67 (1977), 95 ff.; Levick, Lex, S. 11 ff.; Behne, FS Bleicken, S. 124 (135). 138 Art. 7 ff. Const. Fr. 1793; Robespierre, discours du 18 pluviôse an II (vgl. dazu insgesamt Willms, Tugend); auf sie beruft sich jedoch wiederum Schmitt, Diktatur, S. 143 ff.; ders., Verfassungslehre, S. 92 maßgeblich, wenn auch zudem in der Übersetzung zweifelhaft; vgl. Fraenkel, Demokratien, S. 337 ff. 139 Art. 17 – 21 Const. Fr. 1795, insofern ist der von Sieyès ebenfalls mitverfassten Girondistische Verfassungsentwurf von 1793 erkennbar Textvorbild, jedoch eben weiter ausgestaltet und die Souveränität durch Zusammenfassung noch einen Schritt weiter relativiert, vgl. Art. 26 ff. Déclaration des droits naturels, civils et politiques des hommes, Plan de Constitution présenté à la Convention nationale les 15 et 16 février 1793, l’an II de la République. 140 Vgl. allerdings die repräsentative statt gesetzlich fundierte, gleich verfassungsmäßig per beschränkte Souveräntität in Art. 3 Const. Fr. 1958: „La souveraineté nationale appartient au peuple qui l’exerce par ses représentants et par la voie du référendum“; mithin wiederum die Gesetzlichkeit als Übergang der Demokratie zur Rechtsstaatlichkeit im Rahmen der Friedlichkeit an Anforderung der FDGO, vgl. oben A. I. 2. d). 141 Vgl. bereits Locke, Government, sect. 141: keine Delegation der Gesetzgebung selbst; Thoma, HdtStR, § 16, S. 190 f. 136
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Verkürzung, mit der lediglich Personenverbände und theokratische Regierungsformen zu überwinden wären.142 c) Tradition der Aufklärung Danach erscheint wenig überzeugend, dass das laut BVerfG „auf der ungebrochenen Tradition der Aufklärung, bürgerlichen Revolution und eben auch der liberalrechtsstaatlichen Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts aufbauende Grundgesetz“143 just eine Demokratie in jenem Verständnis der absoluten Theorie des Volkswillens begründen wollte. aa) Die Idee der Volkssouveränität lässt sich, wie oben bereits ausgeführt, jenseits der isolierten Behauptungen der Schmitt-Schule144 (und jenseits der Praxis der lex de Imperio magistratuum sive principis) in der normativen Theorie (etwa über Hobbes) vor allem bis zu Marsilius zurückführen:145 In seinem Defensor Pacis soll bei „Willen und Wahl“ des Volkes bzw. der Kommune (erstmals wieder) die Gesetzgebung liegen.146 Sie ist jedoch bereits im Ansatz geschieden von der von ihr allein autorisierten Regierung147 und gerade zur Vermeidung von Zwietracht an die Integrations- und Friedensfunktion normativ gebunden.148 Noch weiter war bei Cicero das Volk „coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione sociatus“ und die Freiheit nur in der gerechten und willkürfreien Demokratie durch „die Fesseln des gleichen Rechts“ stabil.149 Gerade beim von Bodin und Althusius begründeten 142
Wie Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 60 ff. BVerfGE 5, 85 (379). 144 Der insbesondere jede Verankerung der Souveränität (nicht der kommissarischen Diktatur) jenseits des Absolutismus und extremen staatlichen Notzustände geflissentlich ignoriert, vgl. Schmitt, Diktatur, S. 22, 25 ff., 127 ff., passim; insoweit greift allerdings auch die doppelte Gegenkritik von Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 3 ff. nicht, das komplexe Verhältnis transzendenter Eingebung und weltlich-immanenter Abstimmung hat auf letztere als rechtlich-politischer Modus gerade nach deren Abtrennung keine Auswirkung (im Übrigen noch anders als wohl Dreier annimmt, gerade unter Calvinistischer Prädestination von Roger Williams weitergeführt); zudem geht es vor allem um die Entkräftung einer historischen Existenz oder Lehre einer rechtsungebundenen willkürlichen Volkssouveränität, die auch so ohne weiteres widerlegt werden kann. 145 Auch in den Zwischenstufen ist ein Volkswillen nie absolut gesetzt, wie auch im Folgenden an zentralen Stationen zu zeigen ist; vgl. auch bereits oben 2. zu Hobbes und zur lex de Imperio. 146 Marsilius, Defensor, cap. I 12 §§ 3, 5, I 13, 15; Lutz, ZHF 22 (1995), S. 371 (375 ff., 380 ff.) m. w. N.: „populum seu civium universitatem aut eius valenciorem partem, per suam eleccionem seu voluntatem in generali civium congregatione“. 147 Genannt pars principans. 148 Vgl. zu möglichen Vorläufern vgl. Erbentraut, Volkssouveränität, S. 27 ff. 149 Cicero, Re, cap. I 39, das Volk entsteht gerade durch den Rechtskonsens, nicht als willkürlich zusammengetreten; zur Volkssouveränität als omnium summa rerum ebd., cap. I 42, die stabil ist nur tamen nullis interiectis iniquitatibus aut cupiditatibus posse videtur, zudem ohne Pöbelwut und Willkür, ebd., cap. I 44 f., gerade am besten in der gemäßigten Misch143
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Absolutismus ist die Souveränität die (erfolglose) Antwort auf eine verzweifelte Suche nach profanem Frieden gegen vernichtende „Wahrheitskriege“.150 Sie erkennen zuerst die Verbindung zur Souveränität als unverzichtbare (und an äußere Gesetze nicht gebundene) Möglichkeit, alle konkrete Macht (als ultima ratio) zu revozieren.151 Beiden ging es um ein klares „äußeres“ und formales Letztentscheidungsrecht, durch eine Instanz, die indes innerlich naturrechtlich-sittlich gebunden blieb; das unorganisiert dezidierende Volk als solches kam dafür nicht nur für sie zu keinem Zeitpunkt in Frage.152 Darin in einer Linie steht zuvor Machiavelli mit dem rein sittlich ungehinderten Principe (oder sonstigen Führung) – jedoch der rationalen Notwendigkeit der faktisch-politischen Rückkopplung über Nutzen und Zufriedenheit mit der Führung an die Betroffenen.153 Ebenso gehören hierher die berühmten Ansätze von Kant zur Trennung von Souveränität und Regierung154 und zuvor von Hobbes’ „auctoritas, non veritas facit legum“: Der staatliche Blick auf die formale äußere Verbindlichkeit von Entscheidungen ohne Vorbehalt legitimer Abwehr alleine aus abweichender Weltanschauung besteht „ad pacem“.155 Darin wurzeln sie letztlich im subjektiven Individualismus, dessen Wurzeln man bei Kues, Ficino und Pico erkennen kann.156 Oder grundsätzlich bei Locke: „And thus the community perpetually retains a supreme power of saving themselves from the attempts and designs of any body, even of their legislators, whenever they shall be so foolish, or so wicked, as to lay and carry on designs against the liberties and properties of the subject: for no man or society of men, having a power to deliver up their preservation, or consequently the means of it, to the absolute will and arbitrary dominion of another; whenever anyone shall go about to bring them into such a verfassung und „cum lex sit civilis societatis vinculum, ius autem legis aequale, quo iure societas civium teneri potest, cum par non sit condicio civium“ cap I 49; zum Ganzen vgl. etwa Zenkert, Konstitution, S. 84 ff. 150 Diese scheitert allerdings historisch gerade im durch sie weiter angeheizten konfessionellen Gegensatz. 151 Vgl. Bodin, Livres, cap. I 8; Althusius, Politica, cap. 19 (S. 260): Primo, quando ipso facto demonstrat, se non esse bonorum et jurium regni, vel subditorum proprietarium, sed fidelem dispensatorem et defensorem, generali populi mandato constitutu, qui ut a populo incepit, sic ab eodem pendeat; insoweit selbst Schmitt, Diktatur, S. 25, 29. 152 Auch nicht bei Althusius, der sich nach Sinn und Zweck auf die Stände bezog, vgl. etwa Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 4; Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 95 überzeugend gegen die Verkürzung bei Schmitt, Verfassungslehre, S. 77 dieser früher in ders., Diktatur, S. 24 insoweit selbst m. w. N. sowie v. Gierke, Althusius, S. 123 ff., 148, 157. 153 Ausführlich dazu bereits Fahrner, Machiavelli, S. 131 ff. 154 Vgl. hierzu nur Lembcke/Weber, Gewaltenteilung, S. 139 (148) m. w. N. 155 Hobbes, Leviathan, cap. 26; letzteres ders., Cive, cap. V 9; namentlich zentral bemüht von Schmitt, Diktatur, S. 21, um irreführend und mit entlarvender Rhetorik einen totalen willkürlich Staatsabsolutismus zu begründen; worin eine Übereinstimmung mit der Überzeugung der Staatsbürger bestehen soll (ebd., S. 22), bleibt im Dunklen und nicht nachvollziehbar; eine Rückbeziehung namentlich zur Friedlichkeit und Sicherheit wie etwa in Hobbes, Cive, cap. II 2, IV 4, V 3 ff. bleibt verdeckt. 156 Vgl. umfassend Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 65 ff.; vgl. ergänzend etwa Hidalgo, Volkssouveränität, S. 187 (189 ff.).
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slavish condition, they will always have a right to preserve, what they have not a power to part with; and to rid themselves of those, who invade this fundamental, sacred, and unalterable law of self-preservation, for which they entered into society. And thus the community may be said in this respect to be always the supreme power, but not as considered under any form of government, because this power of the people can never take place till the government be dissolved.“157 In allen ist eine „maßlose, alltägliche“ Dezision des „(Volks-)Souveräns“ gerade nicht auffindbar, sondern im Gegenteil explizit, wenn auch unterschiedlich, negiert – durchaus auch in stetiger Vergegenwärtigung der bereits von Aristoteles geschilderten (un)demokratischen Pöbelherrschaft. bb) Darauf hat für die deutsche Aufklärung v. a. Justi (wenn nicht bereits für die naturrechtliche Vertragslehre Thomasius)158 geradezu verblüffend parallel unter zusätzlicher Rezeption von Montesquieu mit dem wohl erstmals so benannten Konzept der Volkssouveränität aufgebaut. Sein Schüler Fröbel hat dies für die Revolution von 1848 mit Wirkungen danach z. B. bis zu den Verfassungsvätern und akzeptierenden Interpreten 1919 übernommen:159 Die „oberste Grundgewalt“ des Staates liegt ab hier zwar beim freien Volk, kann aber nicht zur Geltung kommen, solange die durch dessen Verfassungsmacht gesetzte „tätige oberste Gewalt“ sich als funktionsfähig erweist. Sie kann mithin erst eingreifen beim Aussterben einer Herrscherdynastie oder, wenn „der Staat in der äußersten Gefahr des Untergangs stehe, es sei durch auswärtige Feinde, denen man nicht widerstehen kann, oder durch die üblen Maßregeln der obersten Gewalt, so muss natürlicher Weise die Grundgewalt des Volkes wieder Platz finden… Unterdessen würde man sich doch gar sehr irren, wenn man hieraus schließen wollte, dass die Grundgewalt des Volkes über die tätige oberste Gewalt erhaben und dannenhero befugt sei, in genugsam wichtigen Fällen sich einer richterlichen Erkenntnis und Gewalt über letztere anzumaßen… Der Fehler liegt hauptsächlich darinnen, dass man sich vorstellet, [dass] das Volk … wie ein Herr seinem Untertan etwas auszurichten anbefiehlt … ist also das Volk keineswegs Gesetzgeber, sondern pazifierender Teil… Alles was das Volk tun kann, wenn die tätige oberste Gewalt den Grundgesetzen und dem Endzweck … offenbar zuwiderhandelt, ist, dass es den Auftrag von der Ausübung der obersten Gewalt wieder zurücknimmt.“160 cc) Insgesamt ist eine simplistisch absolutistische Übertragung der monarchischen auf die Volkssouveränität erstmals durch Schmitt und seine Schüler unternommen worden. Sie ist der aufklärerisch-liberalen Tradition in Deutschland ebenso 157
Locke, Government, sect. 149. Vgl. bereits die ausdrückliche Bezugnahme von Justi, Natur, § 46 (S. 73 f.) auf eine entsprechende Aussage von Thomasius; wenn man in der Vertragskonzeption von Thomasius eine gesonderte Volkssouveränität erblicken kann, schließt diese jedenfalls ebenfalls einen Verbleib einer willkürlichen pouvoir constituant beim Volk aus, vgl. hier nur Kühnel, Thomasius, 90 f. 159 Fröbel, System II, S. 3 ff., 114 ff., 122 ff. 160 Justi, Natur, §§ 45 f. (S. 72 ff.). 158
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fremd wie sonst in Europa und Amerika.161 Dabei muss hier nicht nochmals an Montesquieu, an die Entstehung der repräsentativen US-Bundesverfassung (und der erneuerten Einzelstaatenverfassungen) nach „Shays’ Rebellion“,162 an die Federalist Papers,163 an Tocqueville164 oder an die gesamte britische Tradition erinnert werden, über welche die Schmitt-Schule mit einem Federstrich hinweggehen muss.165 Die Nähe zur gewaltfreien formalen Rückholbarkeit und zur darauf bezogenen „Letztentscheidung“ führt stattdessen direkt zurück zur hier entwickelten staatlichen Friedensfunktion (auch der FDGO), wie ebenfalls zum Ansatz Poppers.166 Insgesamt erweist sich die von Schmitt selbst unternommene nähere historische Helfersuche lediglich als eine vor allem selbstbespiegelnde Projektion seiner (von seiner Schule weitertradierten) höchsteigenen Teleologie.
3. Teleologische Auslegung Ebenso wenig kann Art. 20 II GG teleologisch im Sinne der absoluten Demokratietheorie, auch in ihrer neo-identitären Ausprägung, verstanden werden. a) Ungeeignetheit eines Konzepts absoluter Volkswillenssouveränität aus Art. 20 II 1 GG Bereits die Ziele, welche die „absolute Volkssouveränität“ mit ihrer Auslegung von Art. 20 II 1 GG verbindet, lassen sich dadurch nicht verwirklichen. Danach sollen die Integration durch homogene Identität (aa), die Befriedung (bb) sowie gesicherte Selbstbestimmung der Beherrschten (cc) erreicht werden.167 Konkret 161 Vgl. etwa auch der von Schmitt, Verfassungslehre, S. 106 in seinem Sinn fehlinterpretierte Marbury, HLR 33, (1919), S. 223 ff.; im Übrigen auch dem deutschen National-Idealismus, vgl. Thiele, Gewaltenteilung, S. 211 (220) m. w. N. namentlich bei Hegel. 162 Vgl. etwa der Briefwechsel von Henry Lee und Washington 8.9./31. 10. 1786 sowie die jeweils explizit gegen die Volkswillkür gerichteten Eingangserklärungen von Ellsworth, Manson, Randolph und des New Jersey-Plan, Farrand, Convention I, S. 19 ff., 48, 242 ff.; Bowen, Philadelphia, S. 10, 116 ff.; Middlekauff, Cause, S. 600 ff.; Richards, Rebellion, S. 132 ff. passim. 163 Vgl. nur etwa Madison, Federalist Papers Nr. 10, 47 zur Selbstvernichtungstendenz der unmittelbaren Demokratien. 164 Tocqueville, Démocratie I, Teil I cap. 4, Teil II cap. 8 ff. 165 Schmitt, Verfassungslehre, S. 78 f. vermeint, dass in den USA 1776 sein Prinzip der willkürlichen Volkssouveränität noch nicht mit voller Klarheit zu erkennen sei, weil hier zusätzlich die staatliche Neugründung erfolgt sei, der Federalist „gibt fast nur über praktische Organisationsfragen Auskunft“ ist als Fehlgriff nur im Streben nach Ausschluss alles evident Unpassenden erkennbar; vgl. indes etwa nur Boventer, Grenzen, S. 83 ff.; Steinberger, Demokratie, S. 23 ff. 166 Vgl. oben B I. 2. d). 167 Vgl. etwa zu den Motiven Mehring, Schmitt, 15, 20 ff.; Fraenkel, Pluralismus, S. B12 ff.
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sollen Pluralismus, Polykratie und Föderalismus (namentlich als Ursachen für den Niedergang und Verfall Deutschlands in der Weimarer Republik) durch eine „Einheit der Interessen und Willen“ überwunden werden.168 aa) Auf die Probleme und Unmöglichkeit der Integration durch homogene Identität wurde bereits eingegangen.169 Der Schluss vom nötigen Grundvertrauen innerhalb des friedlichen politischen Systems auf eine nationale oder religiöse Homogenität ist eine reine, widerlegte Setzung.170 bb) Vor allem die Begründung, durch die legitimierte permanente Letztentscheidung „des Volkes“ Frieden und Sicherheit zu schaffen, erweist sich als selbstzerstörerisch.171 (1) Die Souveränität von einem feststehenden Monarchen zu übertragen auf eine flüchtig-faktische Mehrzahl oder letztlich „selbstbehauptete Allgemeinheit“,172 wie Schmitt für die Übernahme von Rousseau gegenüber Hobbes annimmt,173 ist ein Selbstwiderspruch. Sie vernichtet gerade jeden integrierenden und befriedenden Legitimationskern der Souveränität.174 Ein Monarch oder Führer schafft objektiv und klar bestimmt eine identifizierte (und personifizierte) verbindlich anerkannte letzte Instanz, um Konflikten zu lösen. Dadurch wird Sicherheit, nicht nur äußerlich durch ein wortwörtliches Gewaltmonopol, geschaffen.175 Dies alles lässt sich – auch unter
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Vgl. etwa Schmitt, Hüter passim. Vgl. oben B. I. 2. d) dd), zudem demnächst Fahrner, Grundordnung; vgl. zudem die Widersprüchlichkeit bei Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 28 Fn. 52 m. w. N. von der Notwendigkeit materieller „volkstümlicher“ Homogenität auszugehen und gleichzeitig der weiten Einbürgerung offenzustehen. 170 Vgl. hier nur nochmals bereits Renan, Nation, passim, auch unter zutreffendem Hinweis, dass Frankreich um 1789 keine ethnisch einheitliche Nation gewesen sei und dies die Revolution auch nie vorausgesetzt habe, wie allerdings Schmitt, Verfassungslehre, S. 79 als zentrales Argument unterstellt; krit. Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (17 f.); ders., Grundzüge, Rn. 131; Müller, Mensch, S. 46; Habermas, Faktizität, S. 607; v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 108 ff. 171 Vor allem unternimmt etwa Schmitt, Verfassungslehre, S. 107 f. Faktizität von Macht und Legitimität von Herrschaft dauerhaft zu verbinden und die Trennung ebenso ins Absurde ziehen zu wollen, wie eine normative Friedensfunktion der Demokratie durch die h. M. in Politik und Wissenschaft auch seiner Zeit, vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 225 f. mit dortigen Nachweisen. 172 Vgl. dazu näher Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (115 ff.). 173 Schmitt, Diktatur, S. 117; ob dem bei Rousseau tatsächlich so ist, kann etwa aus dem Verweis auf Korsika (s. o.) mit guten Gründen bezweifelt werden (zudem ist der volonté generale eben doch nicht dasselbe wie aktualisierte oder gar projizierte Volkswillkür), ist hier jedoch nicht weiter zu vertiefen. 174 Bereits kritisch Thoma, HdtStR, § 16, S. 187 Fn. 2: Souveränität als strenge und allein korrekte Terminologie nur auf Staaten bezogen, sobald dies verlassen unscharf, namentlich bei Schmitt. 175 Diese steht freilich, wie die Geschichte zur Genüge zeigt, freilich unter dem Vorbehalt der Thronstreitigkeiten und daraus häufigen Bürgerkriege. 169
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Hypostasierung einer „Volkseinheit“ – nicht auf eine aktuelle dynamische Personengruppe als deklarierte „Mehrheit“ übertragen.176 (2) Folgte man konsequent dieser dezisionistischen Absolutheit zum pouvoir constituant, könnten alle Bestrebungen, die diesen für eine rein faktische (d. h. revolutionäre und sonst illegale) „Neuverfassung“ aktivieren wollten, sich auf den angeblichen Willen der „durch sie sprechenden“ Mehrheit berufen.177 Schmitts Behauptung gipfelt darin, dass für ihn ein Hochverrat nicht gegen den „Text der Verfassung“ (gemeint: die verbindlich gesetzten Verfassungsnormen) vorliegen kann, sondern nur gegen eine – von ihm romantisierend erfundene – „politische Existenz, nicht die Formalitäten, welche für Verfassungsrevisionen vorgesehen sind“:178 „Denn es ist in einer demokratischen Verfassung selbstverständlich nicht das gleiche, ob ein Unternehmen nur dazu dient, die verfassunggebende Gewalt des Volkes in Bewegung zu setzen, also eigentlich nur ein Appell an das Volk ist, dessen verfassunggebende Gewalt durch einen Apparat von Organisationen und Kompetenzen erstickt sein kann …“.179 Diese Akklamation irgendeiner neuen Verfassung, soweit nur irgendwie durch „den Volkswillen“, soll damit legitim sein. Jede Abwehr zum Schutz der bestehenden Verfassungsordnung stünde stets vor dem Vorwurf, nur parteiisch „antidemokratisch“ gegen einen Willen des Souveräns eingesetzt zu werden. Damit ginge aber nichts weniger als die Friedensfunktion des objektiven Rechts der Verfassungsordnung und ihres Schutzes, etwa im Staatsschutzstrafrecht gänzlich verloren180 – es würde zur bloß subjektiven Behauptung im Konflikt der Parteiungen.181 Der Bürgerkrieg würde folglich gerade nicht verhindert, er würde motiviert.182 176 Vgl. ausführlich Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 234 f. passim; Fraenkel, Demokratien, S. 308 ff.; zu trennen sind hiervon vor allem die Idee diskursiver, damit eben rein prozeduraler und an den wirksamen regulierten Prozess gebundener Volkssouveränität bei Habermas, Faktizität, S. 123 ff.; insoweit geht die Kritik an Kielmansegg vgl. Erbentraut, Souveränität, S. 161 (168 ff.) allerdings an dessen berechtigtem Einwand vorbei. 177 So ausdrücklich Schmitt, Verfassungslehre, S. 119 ff. dies aus der Ablehnung jedes Legalitäts- bzw. Legitimitätszusammenhangs ebd., S. 88 ff. 178 Schmitt, Verfassungslehre, S. 121, letztlich angesichts der willkürlichen Projektionsfläche des akklamierenden Volks eine wenig verbrämte öffentliche Aufforderung zum Hochverrat in der auch damals geltenden strafrechtliche Form zugunsten einer Avantgarde im Schmitt’schen Gusto, nämlich einer Diktatur jenseits Monarchie oder Diktatur des Proletariats, mithin im (nach heutigen Kategorien) rechtsextremen nationalistisch-völkischen und bereits faschistisch-nationalsozialistischen Sinn, und mit Bezug auf die Strafzumessung als mögliche Rechtfertigung des Hitlerputsch-Urteils (entgegen dem schweren demokratischen Hochverrat an der Monarchie von 1918/19), daher kann von einer Revolutionswarnung gegenüber einer rechten Diktatur beileibe nicht gesprochen werden, viel eher von einer Ermutigung zu ihr, zu allgemein apologetisch hier Hösle, DVLG 61 (1987), S. 1 (13); Mehring, Schmitt, S. 52. 179 Schmitt, Verfassungslehre, S. 82 ff. 180 Sofern es dieses nicht selbst wegen eigener Unfriedlichkeit verloren hat, wie bereits im Widerstandsrecht sowie den Autoren der Machtrevindikation durch das Volk dargestellt, vgl. oben B. I. 2. d) sowie gerade oben 2. c). 181 So bezeichnenderweise der wohl wichtigste Transporteur der Volkssouveränität in die deutsche Debatte, auf den sich neben implizit Schmitt auch explizit Habermas beruft, der
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(3) Um einen Bürgerkrieg der revolutionären und konservierenden Parteien zu unterdrücken, kann es dann – hinter der Fiktion der „gereinigten“ Volkshomogenität – nur die totale, alle andere Macht vernichtende Durchsetzung einer Seite geben:183 „Zur Demokratie gehört als notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen“.184 Auf die vermeintlich das politische System prägende Dichotomie Freund-Feind verengt, wird der irgendwie Andere zum „Wesensfremden“, und per se zum Feind: „Er ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, dass er in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas anderes und Fremdes ist, so dass … Konflikte … weder durch eine im Voraus getroffene generelle Norm, noch durch Spruch eines … Dritten entschieden werden können“.185 Hat das (Grund-)Recht keine Eigenmacht gegenüber der absoluten Volkssouveränität, kann auch niemand je auf die Einhaltung des Rechts durch die Parteien vertrauen. Es gilt letztlich faktisch: Das tolerierte Maß an Abweichung richtet sich bestenfalls nach dessen durch die Machthaber wahrgenommenen Ungefährlichkeit. Da allerdings Kritik und Opposition sich aus (mittelfristig trotz Appellen um „Kritikfähigkeit“ stets berechtigter) Angst nicht mehr offen zeigt, kann dafür keine belastbare Grenze bestimmt werden. Dies gilt auch für „Freibereiche“ der autoritären, jedoch sonst ohnmächtigen und unfriedlichen186 Gesellschaft. Daher kann es nur bei jenem „ich bin die Gesellschaft“ des totalen Diktators bleiben:187 Auch in ihr kann die tatsächliche Letztentscheidungskompetenz des „Volks-Führers“ stets bedroht sein. Es bleibt wie 1794 unter Robespierre nur die machtweise Durchsetzung letztlich doch nur monokratischer Vorherrschaft durch den terreur einer rein subjektiv (fingiert) projizierten Tugend,188 wie er sich dann in Folge von Schmitt im NS-System verwirklicht hat. (4) Folglich rechtfertigt jede solche identitär-dezisionistische Volkssouveränität nicht nur die totale Diktatur. Sie trägt sie zwingend in sich. Historisch erweist sich Paulskirchen-Abgeordnete Fröbel, System II, S. 3 ff. (1847/48), wonach das Recht nur seinen Urheber binde, was zur Volkssouveränität führen müsse. 182 Eine Lehre bereits seit Caesars eigener Einordnung der dictatur, vgl. Sueton, Caesares, cap. I, 77; vgl. auch Hesse, Grundzüge, Rn. 131 der allerdings die automatische Tendenz als bloße Gefahr betrachtet; noch weitergehend etwa die offene Apologie von Doehring, Staatslehre, Rn. 347; dies hätte Schmitt, Diktatur, S. 22 ff., 25 ff., 127 ff., 138 angesichts seiner souveränen Diktatoren naheliegen können, vor allem wenn er alleine eine zukünftige Verfassung als deren Legitimität ansieht, vgl. ebd. S. 134. 183 Insofern ist Schmitts, Positionen, Nr. 21 (1933) S. 186 Befürwortung des totalen Staates aus seiner Logik alternativlos; dies hat bereits niemand geringeres als Leibholz, Auflösung, S. 77 herausgearbeitet, vgl. zum Ganzen im Kontext Hacke, Existenzkrise, S. 172 ff. 184 Schmitt, Lage, S. 14, 232 ff.; näher auch Schmitt, Verfassungslehre, S. 232 ff. 185 Schmitt, Begriff, S. 24 ff., Zitat S. 26; vgl. dazu etwa Fraenkel, Demokratien, S. 347. 186 Vgl. oben B. I. 2. d) aa). 187 Von Trotzky Stalin in den Mund gelegt, hier zit. nach Fraenkel, Pluralismus, S. B27; ders., Demokratien, S. 322 ff.; vgl. zu den Verbindungen Schmitts zu Art. 48 WRVauch Kaiser, Staatsrechtslehre, S. 119 ff. m. w. N. 188 S. o.; vgl. Fraenkel, Pluralismus, S. B18 ff., B27; ders., Demokratien, S. 299, 322 ff.
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gerade diese Demokratieauffassung (und nicht die der Verfassungsgeber von 1919!) als jene „wertkernfreie“189 relativistische, deren Beitrag zur Zerstörung der Weimarer Republik nach Überzeugung der Verfassungsgeber des Grundgesetzes gerade durch die FDGO zu verhindern war und ist.190 Indem die daraus neue „streitbaren Demokratie“ mit der neo-identitären und neoabsoluten Demokratietheorie verknüpft wurde, war der eigentliche (und insoweit nicht unbegründete) Kern der Ängste und vehementen Kritik geschaffen, dass der angebliche Schutz der FDGO sich tatsächlich gegen bestimmte, von der Homogenität abweichende Minderheiten richten würde.191 cc) Ebenso wenig trägt das Konstrukt der umgewandelten Freiheit durch Einheit von Herrschern und Beherrschten.192 (1) Die unterschiedlichen Phasen mehr oder weniger effektiver unmittelbarer nationaler „Rückkopplung“ haben als solche empirisch die individuelle Freiheit nicht beeinflusst und zeigen diese als unabhängige Größe.193 Seit Rousseau ist es trotz aller Anläufe letztlich nicht geglückt, unangreifbar systematisch individuelle Freiheit und kollektive Souveränität zusammenzuführen (sieht man von den gänzlich anderen geregelt offenen prozeduralen Ansätzen z. B. der Diskurstheorie ab).194 Insbesondere Schmitt und seinen Schülern195 gelingt keine plausible Definition bzw. Erklärung der Identität von Volk (bzw. dessen Willen) und Führung selbst. Sie bleibt als „extreme Homogenität“ letztlich eine Schimäre.196 Die Deutung des Parlaments 189
Vgl. Schmitt, Theologie, S. 11 ff.; Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (109 ff.). Dies decouvriert bereit Heller bei Schmitt eindrücklich, vgl. dazu Hacke, Existenzkrise, S. 185 f. m. w. N. 191 Dadurch wurde die allgemeine Akzeptanz der FDGO in Mitleidenschaft gezogen, wenn auch angesichts des starken historisch verankerten Konsenses trotz der Wendungen etwa in den 1968er-Bewegungen ihre integrierende Funktion nicht dauerhaft einbüßte, insofern anders als die allseitigen Angriffe auf die Demokratie in Weimar, dort unter schnell dominierender Rolle der rechten identitären Bewegungen; vgl. v. a. Lameyer, Demokratie, S. 40 ff., 174 ff. sowie passim m. w. N. 192 Siehe dazu oben II. 2. 193 Vgl. Weber, Demokratie, S. 245 (266): gegen die „vulgäre Gleichsetzung“ von unmittelbarer Demokratie und Freiheit. 194 Vgl. grundlegend Fraenkel, Pluralismus, S. B14 ff.; Heller, Souveränität, S. 83 passim; Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 236 passim; zu Versuchen vgl. etwa Smend, Verfassung, S. 5 ff., 73 f. unter Berufung auf Litt, Individuum, S. 26 ff.; zur (angesichts begrenzter Rationalität fiktiver) Willenseinheit in herrschaftsloser Solidarität aufgrund vollkommener Einsicht Adler, Reichskonferenz, S. 12; ders., Marxismus, S. 209 ff., passim; allerdings zuletzt wohl der rein deliberative prozedurale Ansatz von Habermas, Faktizität, S. 153 ff. passim., jedoch auch implizit mit der Grundannahme der Identität von Rechtsadressat und -autor. 195 Vgl. etwa zu den Schüler Mehring, Schmitt, S. 116, 122, 127 ff., namentlich etwa Böckenförde, Forsthoff, E. R. Huber, Isensee, Maunz und Quaritsch. 196 Dies sowohl in einem direkten wie vermittelten Konstruktionsansatz, als Öffentlichkeit wie des „Führers als Nichtrepräsentant“; vgl. die begrenzten Ansätze bei Schmitt, Lage, S. 19 f., 43 f.; ders., Verfassungslehre, S. 208 ff., 232 ff. und dazu die Kritik etwa von Fraenkel, Demokratien, S. 323 ff. 190
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schwankt zwischen repräsentativen und identitären Formen und bleibt unklar.197 Der kollektive Entscheidungsprozess ist gerade keine völlige Umwandlung der (ohnehin rein fiktiven) natürlichen Freiheit des (tatsächlich immer sozialen und sozial-bedürftigen) Individuums im Sinne der Selbstbestimmung, sondern der Mitverfügung über andere.198 (2) Es bleibt gerade das Metöken-Paradoxon: Als Legitimierung der Herrschaft über nicht Teilnahmeberechtigte, nicht Teilnehmende oder nicht Zustimmende reicht die „identitär-willkürliche Volkssouveränität“ nicht aus.199 Dies kann umso weniger gelingen, als Beherrschten die Zugehörigkeit zu einem herrschenden Staatsvolk abgesprochen wird. Historisch stellten in den als Modell angeführten, auch extremen, Demokratien die politisch Berechtigten stets nur einen kleinen Ausschnitt der dauerhaft Verpflichteten dar.200 Durch steigende „säubernde“ Homogenisierungsprozesse wird die Identität von Entscheidern und Entscheidungsadressaten weiter aufgelöst. (3) Dies widerspricht neben der Idee der Abgrenzung und Sicherung individueller Freiheit201 der pluralistischen Auffassung des freien demokratischen Gemeinwesens diametral.202 Gerade die irreale Fiktion nicht manipulierter und -barer Volkswillen203 gibt den demokratischen Prozess ganz der Manipulations- wie namentlich Faschismustechnologie preis204 – unterstützt durch die Beseitigung der faktisch wirksamen und dadurch effektiven Checks and Balances. Demokratie verlangt nicht die Selbstentscheidung aller politischen Fragen durch das Volk. Vielmehr wäre dies bereits im Hinblick auf die Praktikabilität wie Stabilität der Demokratie angesichts der begrenzten individuellen Ressourcen und politischen Rationalität unmöglich.205 Auch die Identität seiner ausgewählten Entscheidungsträger mit ihm ist eine reine Fiktion.206 Sie erweist sich vor allem geeignet, die Minderheit letzterer bis hin zu
197 Vgl. etwa Doehring, Staatslehre, Rn. 356 ff. in Diskrepanz zu Schmitt, Verfassungslehre, S, 208 ff. sowie den von ihm Rn. 357 Fn. 37 Genannten. 198 Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 230; Enzmann, Schlechtwetterdemokratie, S. 143 (145 ff.). 199 D. h. die Nichtidentität von Rechtsadressat und -autor aufgrund materieller Homogenitätsvoraussetzungen nur für letztere. Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 235 ff., 244 ff., 255; Enzmann, Schlechtwetterdemokratie, S. 143 (145 ff.); Hidalgo, Volkssouveränität, S. 187 (188); vgl. dazu bereits oben II. 2. c) sowie unten D. 1., E. I. 2., II. 5. 200 Vgl. etwa Kelsen, Wesen, S. 26 f.: namentlich durch Alters-, Gesundheits- oder Staatsangehörigkeitsbeschränkungen, wie früher Geschlecht, Sklaverei oder Ressourcen. 201 Vgl. Kelsen, Wesen, S. 24 ff.; Jestaedt/Lepsius, Verteidigung, S. XXV. 202 Vgl. bereits Kelsen, Wesen, S. 128 ff.; Fraenkel, Demokratien, S. 153 ff., 308 ff. 203 Illustrativ hier Doehring, Staatslehre, Rn. 345 ff.; vgl. zur Falsifizierung unten D. II. 204 Vgl. Fraenkel, Demokratien, S. 158 ff. 205 Vgl. weiter zur Widerlegung aus demokratie- und freiheitstheoretischer Sicht unten D. II. 3. c) bb); vgl. hier nur ebenso Fraenkel, Demokratien, S. 329 f. 206 Vgl. etwa auch Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (326 ff.).
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diktatorisch-autoritären Staatsformen zu verschleiern und Konflikte in ihrer Existenz zu leugnen, zu delegitimieren und zu sanktionieren.207 (4) Dagegen hilft auch ein letztlich rein naives Vertrauen in die „Rechtschaffenheit“ und „Gesetzlichkeit“ oder „Ethos“ des Volkes bzw. des Führers (oder mit diesem weiter identitär verstandenen Parlaments)208 nicht. Oder aber, es bleibt deswegen zwingend nur das gläubige Hoffen auf transzendierende Voraussetzungen jenseits der politischen Ordnung zum Erhalt des Gemeinwesens. Fehlende Identität und formale Gleichberechtigung der abweichenden Ansicht anzuerkennen, ist vielmehr notwendige Voraussetzung nicht nur für die Friedlichkeit, etwa in Form von Beteiligung, wenn nicht materiellen Kompromissen,209 sondern damit auch für Fortschrittlichkeit.210 Hier tritt der Widerspruch des Modells der Volkssouveränität mit der freiheitlichen Demokratie klar zu Tage: „Wenn man einmal den Begriff Demokratie aus seiner Verbindung mit dem liberal-rechtsstaatlichen Gedanken gelöst hat, lässt sich schließlich für jede Art von Repräsentation, sogar für die durch einen im Wege der Akklamation von den Volksmassen bestätigten „Führer“‘, noch die Bezeichnung „Demokratie“ in einem formalen Sinn in Anspruch nehmen. Es wird dann eben dem jeweiligen Repräsentanten die Fähigkeit und die Berechtigung zugesprochen, den „wahren“ Volkswillen zum Ausdruck zu bringen. So haben denn auch faschistische Führer ihre Diktatur gern als ,reinste Form der Demokratie‘ bezeichnet, und Lenin konnte sagen, dass nicht der geringste prinzipielle Widerspruch zwischen dem sowjetischen (d. h. dem sozialistischen) Demokratismus und der Anwendung der diktatorischen Macht einzelner Personen besteht“.211 b) Widersprüche der Theorien der Volkswillenssouveränität in sich und mit dem Normbestand des Grundgesetzes Auch ansonsten gelingt es der neo-identitären Theorie212 nicht, die inneren Widersprüche ihrer Auslegung von Art. 20 II GG aufzulösen. 207
Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 131 f.; bereits Kelsen, Wesen, S. 24 f. unter Verweis auf Nietzsche, Also sprach Zarathustra, vom neuen Götzen zur „Lüge … Ich der Staat bin das Volk“; Umso mehr gilt dies bei einem ausgrenzenden und „imperialen“ Nationalismus, um von sozialen Konflikten „abzulenken“, vgl. etwa Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (37); dazu auch Fahrner, Höhepunkt, S. 213 ff. 208 Vgl. etwa in dieser Richtung der „vertrauende“ Ansatz von Maus, Justiz, S. 72 ff., 209 ff.; dazu etwa Mehring, Schmitt, S. 51 f.; hingegen überzeugend zuvor Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 245 f. 209 Kelsen, Wesen, S. 38 ff.; ähnlich Hesse, Grundzüge, Rn. 131 f. 210 Ähnlich Hesse, Grundzüge, Rn. 132. 211 So bereits BVerfGE 5, 85 (195 f.) unter Verweis auf Lenin, Aufgaben, S. 384, jedoch zunächst ohne nähere Wirkung in der Auslegung der Volkssouveränität im Sinn der SchmittSchule; vgl. ähnlich Fraenkel, Demokratien, S. 356: „Ein Staat, in dem das Recht lediglich unter dem Vorbehalt des Politischen gilt und daher ohne Einschränkung zur Disposition des Inhabers der politischen Macht steht, ist eine Diktatur“. 212 Vgl. nochmals oben II. 2.
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aa) Schmitt selbst sieht das Problem einer Willensformierung des Volks als constituant und will es bekanntermaßen durch die Akklamation lösen.213 Dabei bleiben zunächst die moderne bekannte Problematik der Manipulation und des Framings214 und damit der (v. a. rationalen) Freiheit der Abstimmenden unbeachtet.215 Jenseits davon muss er rechtstheoretisch unspezifisch und widersprüchlich darin bleiben, wer dem (im Übrigen anscheinend bereits organisierten)216 Volk denn die Frage der Verfassung zur bloßen Akklamation vorlegt – also die ursprüngliche Willens(vor)formulierung vornimmt, sei es ein delegitimierter staatlicher pouvoir constitué oder ein nirgends legitimierter Usurpator, als (hoffentlich wohlwollender) souveräner Diktator.217 bb) Für seine Schüler stellt die Realität des Grundgesetzes klare Grundwidersprüche gegen die Theorie heraus: Dazu zählt die Identität eines einheitlichen deutschen Volkes (jedenfalls von 1945 bis 1990) als „alleiniger pouvoir constituant und Staatswillensträger“ in Anbetracht der deutschen Teilung und der tatsächlichen Beteiligungschance nur im Bereich der damaligen BRD.218 Weiter ist mit der beständig erneuerten Maxime des souveränen Volkswillens nicht vereinbar, dass gerade unmittelbare Volksentscheidungen im GG im Regelfall ausgeschlossen sind219 und sie als Gefährdung der verfassungsmäßigen Repräsentation angesehen werden.220 Das Problem der Identität in der Repräsentation ist bereits problematisch, wenn man konsequent Rousseau darin fortführt, dass der Souverän sich im Willen nicht ver213 Schmitt, Verfassungslehre, S. 79, 82 ff., S. 84 f. verhehlt das Henne-Ei-Problem „irgendeines Verfahrens“ gegenüber dem keinesfalls konstituierten Volk durch eine unpassende Phänotypik und romantisierende Rhetorik bestenfalls oberflächlich, letztlich dieselbe Fiktion wie der Gesellschaftsvertrag; widerlegend zur Grundlage der Akklamationslehre bereits 1931 Kaufmann, Volkswillen, S. 272 ff. 214 Vgl. bereits aus Schmitt-Sicht Doehring, Staatslehre, Rn. 345, 348; zum Framing etwa zeitgenössisch, Wehling, Framing; Fass/Schoen, Framing, S. 123 ff. 215 Siehe oben B. II. v. a. 3. 216 Vgl. Schmitt, Begriff, S. 20. 217 Die unbeschränkten Kommissare der verfassungsgebenden Versammlung bei Schmitt, Diktatur, S. 140 ff. stehen eigentlich im doppelten Dilemma, sind sie doch zwar ggf. nicht normale, gleichwohl bereits letztlich konstituierte jedoch insoweit nur ausführende, nicht initiierende Organe, sozusagen einer vorkonstituierenden Konstituierung. Wenig anders ist die Frage, wie ein Volk als Vielheit nicht konstitutiv organisiert sein könnte, die allenfalls durch die Prämisse der „materieller“ Homogenität weiterführbar scheint. 218 Alleine jene „virtuellen Repräsentationstheorien“, die zur Unabhängigkeit der USA führten, könnten hierbei als Hilfskonstruktion dienen, vgl. etwa Dickinson, Liberty, S. 218; Fraenkel, Demokratien, S. 161; Habermas, Öffentlichkeit, S. 167 m. w. N. 219 Vgl. zu den Beratungen im parlamentarischen Rat im Einzelnen namentlich BauerKirsch, Herrenchiemsee, S. 202 ff.; gar (selbst in gewisser Tradition der Schmitt-Lehre) MKSSommermann, Art. 20 GG Rn. 75 f., 161 für einen Ausschluss prägender plebiszitärer Demokratie durch Art. 79 III GG. 220 Vgl. Weber, Demokratie, S. 245 (250 ff.); vgl. weiter Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 20 ff. sowie die Diskussionen etwa von Engelken, DÖV 2013, 301 (305 ff.); 759 f.; Jung, DÖV 2013, 753 ff.
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treten lassen kann.221 Zwar liegt die wesentliche Fortentwicklung der neo-identitären Theorie darin, dass sie die treibende Parlamentsfeindlichkeit des ursprünglichen plebiszitär-diktatorischen Ansatzes von Schmitt222 zu überwinden sucht.223 Es erschließt sich ohne substanzlose Fiktion nicht, wie von einer Identität jeder Sach- und Personalentscheidung durch die Abgeordneten mit dem aktuellen Volkswillen ausgegangen werden soll – angesichts ihrer rechtstheoretischen und z. B. nach Art. 38 I 2 GG verbürgten Unabhängigkeit224 sowie praktisch mehrjährigen Legislaturperioden und der notwendig auf Partei-, wenn überhaupt Personalalternativen beschränkten und so aggregierten Wahl.225 In diesem Sinn wäre es tatsächlich konsequenter, von einer Parlaments- denn Volkssouveränität zu sprechen, die aber nach der Lehre weiterhin unter „Verfassungsbeibehaltungsvorbehalt“ des Volkes stehen müsste. Zudem müssten die global weit überwiegenden (semi-)präsidentiellen Systeme mit noch klarer geteilter Souveränität von Volk und Volksvertretung geradezu als undemokratisch angezweifelt werden. cc) Des Weiteren kann von Souveränität unter der vom GG wie von der neoabsoluten Theorie nationaler Identität zumindest tolerierten supranationalen europäischer Integration und kollektiver Verteidigung nur noch unter Verweis auf die Rückholbarkeit die Rede sein.226 dd) Insgesamt ist das Niveau der „Legitimationskette“ nicht plausibel unterschiedlich, etwa der vertrauensvollen Autonomie der Bundesbank vor allem gegenüber dem offenbarten Misstrauen gegen die rechtsprechende Gewalt.227 Jedoch auch innerhalb des Modells der Volkssouveränität besteht auffällige Uneinigkeit und Unklarheit über den Umgang mit der Gerichtsbarkeit und namentlich der Unabhängigkeit von auf Lebenszeit ernannten Richtern.228 221
Kelsen, Wesen, S. 112; Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (116). Vgl. Schmitt, Lage passim; dagegen bereits überzeugend Thoma, ASwSp 53 (1925), 212 (216 f.); sich dem insoweit anschließend auch Smend, Verfassung, S. 36 f.; näher etwa Mehring, Schmitt, S. 47 ff. 223 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 21, 24. 224 Vgl. Kelsen, Wesen, S. 46 ff. 225 Vgl. etwa Abendroth, Demokratie, S. 156 (158 ff.): „Schillernde Mystik der Repräsentationslehren“. 226 Vgl. zu ersterem auch etwa Weber, Demokratie, S. 245 (261 f.). 227 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 22, 24, 34 mit daraus notwendigen (realiter z. B. bei §§ 153 ff. StPO widerlegten) Fiktion der strikten Gesetzesbindung ohne gerichtliches Ermessen, während er überraschenderweise hingegen ein hinreichendes Legitimationsniveau ohne Weiteres beim Zentralbanksystem unterstellt, wo von einer Parlamentswahl gem. § 7 III BBankG keine Rede ist, vgl. demgemäß auch BVerfGE 89, 155 (208 f.), dessen Argumentation ohne weiteres erst Recht auf die Rechtsprechung zu übertragen ist (Wissenschaftlichkeit, Notwendigkeit der Unabhängigkeit on politischen Kräften); hingegen ausführender MKSSommermann, Art. 20 GG Rn. 171 ff., allerdings mit zahlreichen weiteren Fällen, so dass von „sehr engen Ausnahmen“, wie behauptet, wohl nicht gesprochen werden kann; vgl. zum Ganzen bereits oben II. 3. b). 228 Vgl. unten D. III., E. II. 6.; hier nur etwa Doehring, Staatslehre, Rn. 337. 222
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ee) Die Realität politischer Parteien und umso mehr ihre rechtliche Rolle in Art. 21 GG läuft dem (auch neo-)identitären Demokratieansatz entgegen.229 Gleichwohl hat auch das BVerfG unter Bezug auf Art. 21 GG eine Entwicklung von der liberal-repräsentativen zur parteienstaatlichen Demokratie akzeptiert.230 Ebenso widersprüchlich scheint, dass auch Böckenförde auf die Chancengleichheit von politischen Gruppen abstellt,231 während diese als modellfremde Störfaktoren der Identität betrachtet werden.232 Ähnliches gilt dann durch die Warnung von Böckenförde wie zuvor anderen Staatslehrern der Weimarer Republik vor Beeinträchtigungen der Demokratie durch außerstaatliche Medienmacht, die dem eigenen exogen-formalistischen Ansatz widerspricht.233 Insgesamt stehen sie in Verbindung mit eklektisch wirkenden Versuchen des BVerfG dieser Phase, einzelne „Missstände“, etwa beim Medienpluralismus oder der Parteienfinanzierung anzugehen. Mit und wegen dem formellen Grundansatz kohärent plausibel gemacht werden können sie indes nicht.234 c) Unvereinbarkeit der neo-identitären und neo-absoluten Demokratielehre mit der FDGO Vor allem anderen jedoch sind die grundlegenden Verfassungsnormen der Art. 18, 21 II, 79 III GG nicht kohärent erklärbar mit jeder Fortwirkung des nicht im Verfassungstext enthaltenen, angeblich fortbestehenden absolutistischen willkürlichen pouvoir constituant. Ist die Organisation der Verfassungsrevolution nach letzterem legitim, kann sie in einer FDGO kaum als verfassungsfeindlich bekämpft werden. Daher müssen die Ableger der der FDGO wesensfremden Lehre von Schmitt jede Vereinbarkeit ausblenden und erstere als „Insellösung“ behandeln, was der Genese und Auslegung des Grundgesetzes diametral widerspricht.235 Sonst bliebe ihnen nur, nicht weniger entgegengerichtet, aus den genannten Normen lediglich ein subjektives Kampfrecht der bestehenden gegen jede – nach akklamiertem Volkswillen – ebenso angeblich legitime oder legitimere zukünftige Verfassungsordnung zu betrachten.236 Von einer verfassungsmäßigen Stabilität, gar einem Ewigkeitsschutz kann keine Rede sein,237 ebenso wenig wie von einer im Kern widerspruchsfreien freien demokratischen Grundordnung. 229
Zu ersterem bereits überzeugend Kelsen, Wesen, S. 28 ff. Vgl. etwa BVerfGE 4, 144 (151). 231 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 41 ff. 232 Siehe oben II. 3. b). 233 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 40 a. E.; vgl. auch Kelsen, Wesen, S. 125. 234 Vgl. dazu ausführlich unten E. I. 4., III. 235 Vgl. oben B. I. 236 Dies würde im Übrigen für die Prinzipien der Gewaltenteilung und des Art. 20 III GG gelten, so dass die Modifikation der Lehre unter deren Geltung nicht konsequent scheint, etwa bei MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 197 ff., 215 ff. m. w. N. 237 Siehe nochmals oben a) bb). 230
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Die Normzwecke und -inhalte des Art. 20 II GG als Ausgang der Staatsgewalt vom Volk müssen vielmehr als Teil der freiheitlich demokratischen Grundordnung erfasst werden. Damit gehen sie auf die ursprünglich intendierten Ziele von Art. 1 II WRV zurück, aber gerade auch – mit dem Ziel zukünftig jede erneute Gewalt- und Willkürherrschaft auszuschließen – die Lehren aus dem NS-Regimes und dessen Wegbereitung.238 Letzteres bedeutet vor allem die dauerhafte Sicherung gegen einen irregeführten „aktuellen“ absoluten Volkswillen, dahinter von Pluralität, Frieden und Fortschrittlichkeit sowie individueller Freiheit.239 Dem ist eine absolute, wenn auch neo-identitäre Volkswillenssouveränität wesensmäßig unvereinbar entgegengesetzt. Eine Demokratie als FDGO kann nur bestehen, wenn kein pouvoir constituant eine Willkürherrschaft jenseits der Verfassung legitimerweise beanspruchen kann und dahingehenden Bestrebungen die verfassungsmäßige Rechtsordnung entgegengesetzt werden kann und muss. Im Einzelnen bedeutet dies: aa) Evident gegen die Menschenwürde verstößt das Ausschließen von Menschen aus dem Volk (wie im Reichsbürgergesetz 1935), weil diese einem vermeintlichen Homogenitätsminimum, etwa aufgrund politischer Ansichten oder von ihnen vorgefundenen außerrechtlicher Eigenschaften, nicht genügten.240 Auch sonst ist die antiindividualistisch-kollektivistische Wurzel der Lehre von Schmitt mit einem menschenwürdigen pluralen Subjektivismus nicht in Einklang zu bringen.241 bb) Der (fingierte) „aktuelle Volkswille als Souverän“ und die Vorstellung seiner rein politischen „Bündelung“242 sind der Inbegriff tatsächlich wertfreier Demokratie,243 welcher die FDGO entgegengesetzt ist. Nicht nur in der dezisionistischen Reinform, sondern ebenso in der neo-absolutistischen Ableitung widerspricht die Vorstellung der Durchsetzung des aktuellen Volkswillens als Staatswillen der Absage jeder Willkürherrschaft im Rahmen der FDGO. Wie bereits vor dieser geltend gemacht, ist die moderne demokratische Normordnung, zwar nicht im Sinne des Po-
238
Vgl. nochmals oben B. I. Vgl. oben B. II.; hier etwa auch nochmals Fraenkel, Demokratien, S. 349 ff. 240 Als Teil der FDGO, vgl. oben B. I. 1., 2. a), und zentralem Leitprinzip des Art. 1 GG Zur Unvereinbarkeit mit der Menschenwürde auch in den katholischen Wurzeln von Böckenförde und Schmitt vgl. etwa auch Fraenkel, Pluralismus, S. 20. 241 Zu den Wurzeln vgl. exemplarisch die Habilitation, Schmitt, Wert, S. 108 zur Hingabe des Einzelnen mit seinem Leben an das Kollektiv; vgl. etwa dazu weiter Mehring, Schmitt, S. 20 ff.; zum Gegensatz zur Menschenwürde nachdrücklich etwa Leibholz, Demokratie, S. 154 f.; ähnlich v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 111 ff. m. w. N. 242 So noch MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 85. 243 Vgl. Kelsen, Wesen, S. 127 f.; Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (109 ff.); insoweit geht der Vorwurf der Inhaltsfreiheit vor allem direkt zurück an die diesen postulierende Schmitt-Lehre und ihren wesentlichen Beitrag zur „Sturmreife von Weimar“, vgl. Schmitt, Lage, hier nach Doehring, Staatslehre, Rn. 344. 239
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sitivismus ausschließlich, gleichwohl zu ihrer Legitimität gebunden an innere Struktur und überspannende Rationalität.244 cc) Der auf dem Prinzip der formalen Rationalität basierende friedliche pluralistische Staat kann nur existieren, wenn er ein Rechtsstaat ist.245 Ihm steht die heteronom-homogen-totalitäre Diktatur gegenüber, welche die Schmitt-Lehre motiviert. Das Recht darf nicht (in irgendeiner Weise) unter den Vorbehalt der dezisionischen Willkür des Volkssouveräns gestellt werden.246 Sind die Grundregeln zum Bestand der Demokratie gegen den absoluten Souverän faktisch nicht durchsetzbar, läuft die, dann naive, Naturalobligation ins Leere, wonach es „zu den ungeschriebenen, aber fundamentalen Voraussetzungen des Grundgesetzes und damit zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung selbst“ gehört, „dass auch im Kampfe um die politische Macht keine Partei diese Basis negieren darf. Jede Partei muss deshalb auch die Variationsbreite der in der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zulässigen Gestaltungen des Gemeinschaftslebens und damit die Möglichkeit verschiedener verfassungsmäßiger politischer Wege und Ziele anerkennen und ihren politischen Kampf auf dieser Basis führen.“247 Der Rechtsstaat ist nicht bloße Formfrage oder gar Verfälschung der Demokratie, sondern „ihre conditio sine qua non: Demokratie kann überhaupt nur bestehen als rechtsstaatliche. Die rechtsstaatliche Ordnung bewirkt nicht nur die notwendige Verstetigung demokratischer Herrschaft, sondern es ist auch die einzige Methode, welche Gewähr dafür bietet, dass die Bildung eines bestimmenden Mehrheitswillens grundsätzlich vom einzelnen her erfolgt, oder doch vom einzelnen her erfolgen kann… dass die persönliche Urteilsfähigkeit und persönliche Verantwortung zu höchstmöglicher Auswirkung kommen können. Die Methode der demokratischen Willensermittlung kann daher gerade nicht die Akklamation sein … sondern das rechtsstaatlich-geordnete Verfahren. Es sichert, soweit die Ordnung des Rechts es überhaupt vermag, die personale Struktur demokratischer Ordnung, vor allem durch die Gewährleistung der Grundrechte der menschlichen Person und des Bürgers… Demokratie ist nur möglich in einem Volke, in dem die Ehrfurcht vor dem Recht … lebendig ist.“248 Demgemäß sieht auch das BVerfG nicht nur die FDGO als Kombination demokratischer und rechtsstaatlicher Elemente bestimmt,249 sondern die Staatswillensbildung des Volkes
244
Vgl. Kelsen, Wesen, S. 51 ff.; Merkl, Verwaltungsrecht, S. 85, 157 ff. Vgl. oben B. I. 2. d); Fraenkel, Pluralismus, S. B29; vgl. auch zumindest trotz starrer Ausscheidung bei der Integrationsaufgabe jedenfalls Konvergenz in der Friedensschaffung einer Staats-/Verfassungsgerichtsbarkeit Smend, Verfassung, S. 98 ff., 135 f. 246 Vgl. Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (132 ff.); Fraenkel, Pluralismus, S. B29; zur Kapitulation des Verfassungsrechts durch Schmitt vgl. auch Groh, Verfassungstheorie, S. 13 (21). 247 BVerfGE 5, 85 (317 f.). 248 Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (142) m. w. N. 249 Vgl. ausführlich oben B. I. 1. mit den verschiedenen Definitionen; insoweit auch gesehen von Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 38 a. E. 245
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„im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat“ (jedenfalls „durch Kompetenznormen“) durch die Verfassung „verfassungsrechtlich begrenzt.“250 dd) Entgegen der speziell neo-identitären Theorie251 trifft Art. 20 II GG keine exklusive Festlegung auf das parlamentarische Regierungssystem. Stattdessen schreibt er die funktional geteilte Gewaltendelegation entsprechend der FDGO vor, die auch in (semi-)präsidentiellen oder anderen rechtsstaatlichen Demokratiesystemen verwirklicht sein kann. Eine „plebiszitäre Diktatur“ wie bei Schmitt ist damit indes ausgeschlossen.252 ee) Zu Recht fasst etwa Dreier die Einschätzung der neueren Verfassungslehre zusammen, wie sehr die (neo-)identitäre Theorie verfehlt ist: „Dahinter verbirgt sich romantisierende Fiktion in einer die parlamentarischen Institutionen abwertenden Absicht, verbunden mit einer unhaltbaren Hochstilisierung der substantiellen Homogenität des Volkes. Negiert wird die Vermittlungs-, Organisations- und Formungsbedürftigkeit demokratischer Willensbildung … [Sie, M.F.] … bringt Demokratie und parlamentarische Repräsentation in einen falschen Gegensatz …und führt letztlich zu mehr oder minder willkürlichen Identifikationen, etwa von Diktator und Volk.“253
4. Folgerungen für die Auslegung von Art. 20 II GG im Einklang mit der FDGO Für eine teleologische Auslegung der „Volkssouveränität“ von Art. 20 II GG im Einklang mit den Anforderungen der FDGO, die das Einbinden als Element in der Enumerationsdefinition rechtfertigen kann,254 folgt hingegen: a) Die FDGO steht jedem homogen-identitären und exogen-absoluten Demokratiemodell diametral entgegen. Es gilt es, mit dem Diktum zu erwidern: Die freiheitliche Demokratie kann und darf insofern nicht von Voraussetzungen leben, die ihrem Wesen zuwiderlaufen, seien sie etwa antiplural-weltanschaulicher, ethnischhomogener oder moralisch-naiver Natur. Demokratie muss subjektivisch-plural an der tatsächlichen Vielfalt der Betroffenen innerhalb des Staats anknüpfen und für Integration soweit sorgen, wie dies für die Friedlichkeit unter Wahrung von Men250
Vgl. etwa BVerfGE 8, 104 (115 f.) sowie BVerfGE 8, 122 (136 f.) gerade gegen das Argument des Vorrangs „unverfälschten“ originären Volkswillens. 251 Vgl. oben 2. b); namentlich Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 1 hier im Gegensatz zu Schmitt, Hüter, S. 87 ff.; vgl. Mehring, Schmitt, S. 49 ff. 252 Demgegenüber wird eine parlamentarische Monarchie (wie im Belgischen Vorbild) nur ausgeschlossen, soweit sie nicht letzten Endes durch Volksdelegation legitimiert ist, für die konkrete Verfassungsordnung jedoch insgesamt negiert durch die Bestimmung als Republik in Art. 20 I GG und im Eigennamen der Bundesrepublik, vgl. zum Ganzen oben 2. 253 Dreier, Art. 20 GG Rn. 63. 254 Siehe oben B. I. 1. b) bb); vgl. hier nochmals BVerfGE 2, 1 (13).
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schenwürde und Fortschrittlichkeit erforderlich ist.255 Die Friedlichkeit erfordert die wechselseitige Bedingtheit und gleichrangige Geltung der Modi der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.256 Sie bedeutet die zwingende Ablehnung der Konstruktion der Legitimität und Legalität eines ungebundenen, willkürlichen pouvoir constituant, der Inbegriff und Kern der willkürlichen relativistischen „Demokratie“, letztlich Rechtfertigung jeder Verfassungsfeindlichkeit wäre.257 b) Das „Henne-Ei-Problem“ der Verfassungsgebung aus der klassischen pouvoirs-Vorstellung, wie vor allem von Kriele pointiert,258 ist jenseits der widerlegten Volkswillenssouveränität lösbar. Dazu ist die Volkssouveränität entsprechend ihrer historischen Wurzeln als theoretische Fiktion nicht anders zu erkennen als etwa die der „Grundnorm“ der reinen Rechtslehre,259 vor allem aber die des Gesellschaftsvertrags (dem ebenfalls nicht von späteren Generationen und kaum realiter in vorgestellter Form zugestimmt wurde):260 Die Suche nach einem historischen, ontologischen Geschehen ist irrig. Ihre Begründung liegt aus dem dogmatischen System heraus darin, diesem, soweit eine Autopoiese oder „Pragmatik“ nicht als ausreichend anerkannt wird, in seiner Legitimität dogmatische „Grenzlösungen“ anbieten zu können.261 Nach einer erfolgreichen Revolution wie neuen Staatsgründung kann tatsächlich die Idee der Konstituierung zur Ordnung und Legitimierung beitragen. Dies rechtfertigt jedoch in keiner Weise die Revolution, schon gar nicht vor den Augen der überwundenen Verfassung.262 Als ideelles Konstrukt entfaltet die Volkssouveränität indes Begründungswirkung für den Rückbezug der staatlichen Macht auf das Volk (of the people, by the people, for the people) und dahingehende Prinzipien und Regeln. c) Aus beidem folgend, ist nach Art. 20 GG jede unmittelbare Ausübung von Staatsgewalt durch das Volk zwingend normativ innerhalb der Verfassung und damit in den dort genannten Bahnen von Abstimmungen und Wahlen gebunden, jedenfalls 255
Vgl. oben B. II. 2. c). Vgl. oben insbesondere B. I. 2. d). 257 Vgl. oben c) sowie nochmals nur die Argumentation von Schmitt, Verfassungslehre, S. 82 ff. 258 Kriele, Staatslehre, S. 239 ff. 259 Kelsen, Rechtslehre, S. 66 ff.; vgl. dazu etwa Kley/Tophinke, JA 2001, 169 (172); Jestaedt, Rechtslehre, S. XLII ff. 260 Die enge Nähe von Souveränität und Sozialvertrag thematisiert selbst Schmitt in seiner Begründung aufbauend auf Rousseau, v. a. Schmitt, Diktatur, S. 117 ff., v. a. S. 121. 261 Der „Ereignishorizont“ ist die ggf. fortentwickelte Verfasstheit, die konkrete reale primäre Wiederentstehung, etwa der alten wie neuen Bundesländer ist mit der ideellen Fiktion nicht zu vermischen, auch wenn sie diese mehr (wie bei den Landesverfassungen) oder minder (wie beim Grundgesetz) widerspiegeln kann; vgl. auch Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 257 ff.; Enzmann, Schlechtwetterdemokratie, S. 143 (149 f.); Badura, Staatsrecht, Rn. D6; v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 11. 262 Die bei Schmitt, Diktatur, S. 139 ff. wohl erstmalige Herleitung beruht dabei erkennbar auf der paradigmatischen gezielten Aufhebung der faktischen und normativen Ebenen im „politischen Willen“ MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 191 ff. 256
III. Auslegung von Artikel 20 II GG
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solange sich die Verfassungsordnung als freiheitlich demokratische Grundordnung darstellt.263 Gleiches gilt für die Ziele aller Unternehmungen und Bestrebungen von Einzelnen und Gruppen, solche unmittelbaren Ausübungen formaler Staatsgewalt durch das Volk herbeizuführen. Für die mittelbare Ausübung von Staatsgewalt ist eine Auslegung zwischen den Extremen der bloßen ideellen Verbindung und der fiktiven Identität zu finden.264 Über die gebotene Ausgestaltung kann und muss systemimmanent gestritten werden. d) Für die FDGO ist neben der Zielrichtung der Demokratie nur das unverzichtbare Maß zu ermitteln, und wiederum in der menschenwürdigen pluralen und fortschrittlichen Friedlichkeit zu suchen, in welchem sich die Herrschaft des Volkes als „letzte“, oberste universale und finale Entscheidungsinstanz als unabdingbar erweist.265 aa) Dieses Maß kann man mit Popper überspitzt darin sehen: „Regierungen ohne Blutvergießen los zu werden“.266 Darin eröffnet sich der Sinn und Zweck von Art. 20 II 1, 2 GG, für eine gewaltlose Retribution jeder staatlichen Macht zu sorgen. Sie kann man in der Idee der legitimen friedlichen Revokation „durch das Volk“ erkennen: Als durch die von der Verfassung im Rahmen der FDGO dauerhaft gewährleisten Verfahren, anstelle der sonst als ultima ratio legitimen „Re(tro)-Volutions“-Macht, und zuletzt namentlich als Widerstandsrecht, reguliert in Art. 20 IV GG, mit möglichen Folgen der temporären Unfriedlichkeit.267 Insoweit könnte man nur darin tatsächlich sagen, dem Volk als Souverän käme die legitime Macht im Ausnahmezustand zu; dieser reduziert sich aber tatsächlich auf die engste Ausnahme innerhalb der noch und dann wieder verfügbaren rechtlichen Umhegung. Das Widerstandsrecht bleibt stattdessen klar jedem und jeder Einzelnen zugeordnet. bb) Gleichzeitig ist es zentrales Grundprinzip freiheitlich demokratischer Verfassungsordnung, soweit möglich, diesen Zustand des Versagens zu verhindern. Dazu ist zunächst (im Sinn der nachrevolutionären französischen Verfassungen) die Negierung jener Revokation ausgeschlossen durch, etwa rechtliche, Anmaßung von eigener Souveränität einzelner Personen, Gruppen und Institutionen innerhalb des Gemeinwesens.268 Faktisch autonome Machtzentren sind an ihrer eigenen Konfor263 Vgl. auch Hesse, Grundzüge, Rn. 139; Badura, Staatsrecht, Rn. D6, 10 m. w. N.; BeckOK-Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 63.1; vgl. zu Abstimmungen noch Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 20 ff., 99 ff. 264 Vgl. dazu ausführlich unten E. II. 265 Vgl. Locke, Government, sect. 240 ff.; Leibholz, Demokratie, S. 143; Hömig/Antoni, Art. 20 GG Rn. 8; Souveränität ist richtigerweise als Letzt- nicht Alleinentscheidungsrecht zu verstehen, vgl. auch Schöbener, Staatslehre, § 3 Rn. 32 ff. m. w. N. 266 Vgl. hier nur Popper, Gesellschaft, S. 149. 267 Darin liegt auch die Frage auf die minimale Legitimationsdichte bei Doehring, Staatslehre, Rn. 339. 268 Art. 17 – 21 Const. Fr. 1795, insofern ist der von Sieyès ebenfalls mitverfasste Girondistische Verfassungsentwurf von 1793 erkennbar Textvorbild, jedoch eben weiter ausgestaltet und die Souveränität durch Zusammenfassung noch einen Schritt weiter relativiert, vgl.
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C. Freiheitliche Demokratie als Grundproblem der FDGO
mität mit den FDGO-Funktionen sowie besonders an der friedlichen Rückholbarkeit der in ihnen gelegten Staatsgewalt zu messen.269 Dies wiederum ist der taugliche Maßstab der „Legitimationskette“, nicht irgendeine irreale Fiktion.270 cc) Allerdings ist das Bild des Volks anstelle des Monarchen, erneut in der europäischen Tradition namentlich von Sieyès, eher mit jenem des Lehensherrn des Mittelalters darin zu vergleichen:271 Es kann die von ihm ausgehende Macht nicht umfassend „behalten“ und selbst ausüben, sondern muss sie in den jeweiligen Teilen unverzüglich neu vergeben. Denn es bedarf zur Freiheitlichkeit, Friedlichkeit etc. zwingend der in der FDGO verkörperten Korrektive, namentlich des Rechtsstaats.272 Die Mandatierung der mittelbaren legislativen, exekutiven und judikativen Staatsgewalten darf wiederum keine entmündigende, entäußernde sein.273 Sie muss vielmehr die außerordentliche konstitutionelle Revokation möglichst vermeiden durch ein integrierendes und responsives politisches System. In der dauerhaften Gewährleistung seines Kerns und weiterer erforderlicher Ausgestaltung liegt wiederum eine zentrale Aufgabe des Schutzes der FDGO.
Art. 26 ff. Déclaration des droits naturels, civils et politiques des hommes, Plan de Constitution présenté à la Convention nationale les 15 et 16 février 1793, l’an II de la République; vgl. ähnlich Hesse, Grundzüge, Rn. 134 „keine Herrschaft aus eigenem Recht“, selbstverständlich auch überpersonaler Kontiuität, ebd., S. 137. 269 Vgl. dazu unten E. II., III. 270 Vgl. dazu unten E. II. 271 Vgl. insofern auch die Begrifflichkeit der Oberherrschaft oder oberherrlichen Gewalt bei Justi, Natur, § 45 (S. 72). 272 So bereits 1847 Fröbel, System II, S. 123 ff.: Zuviel Teilnahme führe zu Inkonsequenzen und bringe die Prinzipien der Verfassung in Gefahr; zu diesen Korrektiven in funktionaler bzw. definiert verfassungsdogmatischer Hinsicht oben B. I. 1., 2. d), in der Ausgestaltung sogleich D. III., E. II. v. a. 6. 273 Vgl. bereits Fröbel, System II, S. 139 ff.
D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie I. Demokratie als prozedurale Rationalisierung 1. Legitimierung der Demokratie, Volk und Offenheit Maßstäbe einer gelungenen oder gestörten Demokratie in einem freiheitlichpluralistischen Grundverständnis zu finden, erweist sich als nicht trivial. Antikmittelalterliche Berufungen auf ein objektives Gemeinwohl sind dabei ausgeschlossen.1 Tauglich ist dagegen die Anknüpfung an prozedurale Werte. Darunter zählt vor allem die kollektive Autonomie nach außen, aufbauend auf individueller Freiheitlichkeit, sowie die Friedlichkeit.2 Die primäre Befriedung gegenüber gewaltsamer Eigenmacht durch das faktische Gewaltmonopol tritt zunächst zurück hinter die Sicherung der sekundären Friedensschaffung durch Akzeptanz friedlicher Konfliktlösung, welche wiederum ein wirksames demokratisches Entscheidungssystem voraussetzt.3 Um die Zielfunktionen wie Friedlichkeit mittels Integration, Pluralismus etc. zu erfüllen, bedarf die Demokratie breiter Akzeptanz, die wiederum durch ihre Legitimität für die Betroffenen – auch jenseits des bloßen (zu differenzierenden) Verfassungssatzes der „Volkssouveränität“4 – vermittelt wird. a) Vor allem für die Weimarer Verfassungslehre stellte die Integration das Legitimitätsparadigma der demokratischen Republik dar:5 Die stark sozial segmentierte Gesellschaft des Kaiserreichs sollte und musste zusammenzuführt werden, die immer stärkeren zahllosen zentrifugalen Tendenzen des Separatismus und Extremismus waren zu binden. Im Wesentlichen griff sie auf zwei Ansätze zurück: Auf der einen Seite stand der über Gierke und andere tradierte organisch-genossenschaftliche Ansatz des Volkes als gleichberechtigter Genossenschaft, in der sich Amtsträger wie Einzelne dem genossenschaftlich gebildeten Gesamtwillen unterordnen.6 Integration 1 Gleiches gilt für exogene fixe Aggregationen unter Allgemeinheitsanspruch nach einer einseitigen, etwa utilitaristischen Methode, vgl. oben B. II. 2. b). 2 Vgl. dazu oben B. I. 2. d), II. 3 Vgl. auch zum Folgenden oben B. I. 2. d). 4 Vgl. gerade oben C. III. 5 Vgl. oben B. I. 2. d) dd). 6 Vgl. namentlich v. Gierke, Genossenschaftsrecht; ders., Genossenschaftstheorie; fortführend etwa Thoma, HdtStR, § 16, S. 187; Preuß, Reich, S. 363 (zu Art. 5 Rn. XVIII); vgl. Lehnert/Schefold, Preuß, S. 53.
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
erfolgt danach, indem sich alle als nach Verfassungstext und -wirklichkeit am Staat beteiligt sehen, ihn als eigene Angelegenheit begreifen und sich für ihn verantwortlich fühlten („der Staat sind wir“).7 Diese Vorstellung musste sich zunehmend mit Einwänden auseinandersetzen, dass eine organische Verbundenheit im modernen Massen- und Distanzstaat nicht bestehen könne.8 Dagegen begriff der „soziologische“ Ansatz Demokratie als System der „Willensvereinheitlichung“: Allein durch diesen Prozess werde zur Integration beigetragen, wobei der Bestellung der Repräsentanten der wichtigste Anteil zukomme.9 Damit war keine zwingende Vorentscheidung für den „Demokratiedarwinismus“ Schmitts10 ausgesprochen. Vielmehr war der Prozess, durchaus formulier- und formbar in einer rechtlich eingefassten Demokratie.11 b) Das BVerfG griff dies mit der zunächst rechtswissenschaftlichen h. L. der BRD auf, hat sich aber, letzterer Theorien ungeachtet, an die linearen Volkswillens-Fiktionen Schmitts gebunden.12 Nachdem dieses Demokratieverständnis vor allem gegenüber den empirischen und normativen Sozialwissenschaften nach 1945 nicht anschlussfähig war,13 sondern sich empirisch vielfach angreifbar erwies, nahm die Kritik auch in der Rechtspolitik wie -wissenschaft immer weiter zu.14 Ihre Vielfalt und Intensität hat erkennbar zu einer langsamen Fortentwicklung der Rechtsprechung weg von den Postulaten der absolut-neoidentitären Demokratietheorie geführt,15 die dessen ungeachtet vor allem noch in der nationaldemokratischen Abwehr 7 So etwa Anschütz, Leitgedanken, S. 31; vgl. dazu bereits oben zur Interpretation der WRV C. III. 2. a). 8 Nach ihr seien auch Volksabstimmungen demokratisch, auch wenn sie sich nicht auf eine Gemeinschaft vor Ort beschränkten; entscheidend sei die Gleichberechtigung und Reaktionsmöglichkeit aller gegen fehlende Responsivität der Eliten, vgl. Preuß, Reich, S. 331 ff. (zu Art. 1 Rn. VIII). 9 Vgl. Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35. 10 Vgl. oben C. II. 2., 3. 11 Namentlich von Smend, Verfassung, S. 18 ff. passim; Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35; ders., Homogenität und bereits angedeutet bei ders., Souveränität; vgl. oben B. I. 2. d). 12 Vgl. ausführlich oben C. II.; zur Kritik etwa auch Shirvani, Parteienrecht, S. 155 f. m. w. N. 13 Vgl. bereits Boventer, Grenzen, S. 31 ff.; Lameyer, Demokratie, S. 174 ff. m. w. N.; allgemein etwa Schmidt, Demokratietheorien; Cheneval, Demokratietheorien; Saage, Demokratietheorien; Sartori, Demokratietheorie jeweils m. w. N.; sowie sogleich unten 2. 14 Vgl. etwa Dreier, Art. 20 GG Rn. 63; zunächst bereits Hesse, Grundzüge, Rn. 131; Badura, Staatsrecht, Rn. D6 ff.; eingehend auch zum Folgemodell Schliesky, Souveränität, S. 588 ff.; ferner etwa Bryde, StWissStPr 5 (1994), 305 (315); Rinken, KritV 79 (1996), 282 (292 ff.); Blanke, KJ 31 (1998), 452 ff.; Groß, Demokratieprinzips, S. 93 ff. sowie die weiteren Beiträge des Sammelbandes; Mehde, Steuerungsmodell, S. 146 ff., 368 ff., 487 ff.; Hanebeck, DÖV 2004, 901 (905 ff.); ausführlich im weiteren umfassenden Überblick der kritischen Literatur namentlich Petersen, JöR N. F. 58 (2010), 137; dagegen wenig überzeugend die Apologie etwa von MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 191 ff. 15 Mit dem Abtritt der noch geprägten „Enkelgeneration“ Schmitts ist weithin eine grundlegende Abkehr auch in der Kommentarliteratur zu beobachten; etwa die nationaliden-
I. Demokratie als prozedurale Rationalisierung
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transnationaler und offener Demokratieformen fortwirkt.16 Weiterhin blickt das BVerfG bislang nicht klar hinter Art. 20 II GG in der Lehre von Böckenförde zur „Volkswillenssouveränität“ zurück, jedenfalls nicht weiter, als es mit dem Staatsziel und Prinzip des „übergeordneten Ziels der freien Selbstbestimmung aller“ zum Ausdruck bringt.17 Allerdings hat es an anderen Stellen, wenn auch noch nicht völlig konsequent, wichtige Schritte zur Abkehr eingeleitet: Es deutet mit den Gründen für eine gerechtfertigte Einschränkung der traditionellen strikten personellen Legitimation, der Möglichkeiten wirksamer Mitsprache der Betroffenen und des erleichterten sachgerechten Interessenausgleichs Aspekte der Friedensfunktion an.18 Mit ihnen setzt die Judikatur wichtige Ansatzpunkte für die weitere Präzisierung der FDGO und ihres (auch strafrechtlichen) Schutzes. Sie erkennt nunmehr – insoweit prozedural konform – die Notwendigkeit einer Fortentwicklung im Hinblick auf eine funktionale Auslegung: „Unverzichtbar für ein demokratisches System sind die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG). Wie diesen Anforderungen entsprochen wird, ist für die Frage der Vereinbarkeit eines politischen Konzepts mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht entscheidend“.19 c) Die modernen Demokratietheorien sind von der Welt der „Willensvereinheitlichung“ als Ziel (und der Legitimationskette als wichtigstem Mittel dazu) seit langem weit entfernt.20 Sie erkennen Demokratie in den zentralen pluralistischen Zielwerten21 zwischen der Output- und Input-Legitimierung. Damit wird auf die politische Theorie seit den frühesten Formen der Antike zurückgegriffen.22
titären Ansätze sind damit weithin Bewegungen überlassen, die zu Recht außerhalb der FDGO eingeordnet werden, vgl. etwa die Kommentierungen zur Legitimationskette, s. unten E. II. 5. 16 Vgl. nur die aktuellen Entscheidungen zu europäischen Finanzinstrumenten, etwa BVerfGE 142, 123 (189); 151, 202 (285 ff.) m. w. N.; WM 2021, 1042; vgl. bereits oben I. 2. b). 17 BVerfGE 107, 59 (92) unter eher unpräziser Berufung auf BVerfGE 44, 125 (142), wo die Freiheit aller auf die output- nicht input-Dimension nur der Bürger bzw. „des Volkes“ bezogen ist; zum Selbstzweck der Demokratie bereits Wittmayer, Reichsverfassung, S. 38 ff. 18 Vgl. namentlich BVerfGE 107, 59 (92), ausführlich unten E. III. 19 BVerfGE 144, 20 (208 ff.) dort am Ende auch unter dem Begriff der „Volkssouveränität“: „Den Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlässt demgemäß, wer den Parlamentarismus verächtlich macht, ohne aufzuzeigen, auf welchem anderen Weg dem Grundsatz der Volkssouveränität Rechnung getragen und die Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses gewährleistet werden kann.“; zur offeneren Formulierung der Demokratie als Komponente der FDGO vgl. bereits oben B I. 1.; zum Problem der demokratischen Gleichheit im Rahmen der FDGO vgl. bereits Leibholz, DVBl. 1951, 554. 20 Namentlich die ökonomischen, sozialen und komplexen aber auch pluralistischen und kritischen Theorien, vgl. zum ganzen Folgenden zusammenfassend unter den bereits genannten Zusammenstellungen etwa Schmidt, Demokratietheorie, S. 169 ff. 21 Eben der Pluralität, Freiheitlichkeit, Fortschrittsfähigkeit und Friedlichkeit, vgl. dazu jeweils oben B. I. 2.
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
aa) Die Output-Legitimierung knüpft am Nutzen des Gemeinwesens insgesamt mit langer Tradition an: „salus populi suprema lex“.23 Damit kann indes jedes autoritäre (und heute ebenso bürokratisch-technokratische) Politiksystem begründet werden, so dass Demokratie damit nicht hinreichend beschrieben werden kann.24 Zudem verbietet es der Gemeinwohlpluralismus, einfache materielle Nutzenindikatoren absolut zu setzen.25 Daher wird durch den Pluralismus die tradierte OutputLegitimierung modifiziert – sie richtet sich auf die Wahrung des friedlichen, pluralen usw. politischen Prozesses und die eigene Integration in diesen. Erscheinen die friedliche Koexistenz und Kooperation in einem politischen System aus subjektiver Warte der Bürger gewinnbringender als alle eigenmächtigen Alternativen, wird dieser Weg voraussichtlich befolgt werden.26 Dieser Nutzen macht sich aus Sicht der jeweiligen Bürger am (auch langfristigen) unmittelbaren eigenen Gewinn ebenso wie am Anteil an den Gesamtgewinnen des Gemeinwesens, z. B. der Friedlichkeit und Schutz gegenüber anderen Mächten, fest.27 Zwar kann der friedliche „Sieg“ der 22 Namentlich etwa die Staats-/Regierungsformlehre des Aristoteles, Politik, cap. III, 6 (S. 166 ff.); mit der Unterscheidung nach Herrschaftsträgern und deren Eigen- oder Gemeinwohlorientierung. 23 Cicero, Leges, III 8 als Inbegriff reiner Output-Legitimierung militärischer Gewalt der res publica; etwas differenzierter ders., Res, cap. V 8 (= Cic.Att.8,11,1); ähnlich Aristoteles, Politik, cap. I, 2 (S. 77); Locke, Government, sect. 158 ff. auch zur Lösung von starrer Gesetzesbindung. 24 Hierauf hat bereits die ältere bundesdeutsche Verfassungslehre hingewiesen, vgl. etwa rückblickend Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 83 m. w. N. in Fn. 323 ff.; Scharpf, Demokratietheorie, S. 21 ff.; ders., Regieren, S. 20 ff.; aufgenommen etwa v. a. in den Diskussionen über die Europäische Union bei Peters, Elemente, S. 556 ff.; allgemein Schliesky, Souveränität, S. 598 ff.; Gärditz, DÖV 2010, 453; krit. aus etatistischer Sicht auch etwa Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (593 ff.); Müller-Franken, AöR 134 (2009), 542 (552 ff.); Ohler, AöR 135 (2010), 153 (179 ff.); dezidiert input-orientiert schließlich auch Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 5 unter dem eindeutigen Paradigma des „Volkswillens“. 25 Die älteren Betrachtungen machten die Output-Optimierung meist am Gemeinwohl oder einer allgemeinen Wohlfahrt fest, vgl. etwa Art. 50 Verfassung Uri: „Richtschnur der Landsgemeinde soll nur das Recht und die Wohlfahrt des Vaterlandes, nicht aber Willkür oder die Gewalt des Stärkeren sein.“ zit. nach Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (326). Obwohl diese volkswirtschaftlich z. B. durch eine Gesamtwohlfahrtsfunktion ggf. mit einem Gini-Maß der gerechten Verteilung verglichen werden könnten, wäre eine solche Verabsolutierung mit der Bedingung des Gemeinwohlpluralismus unvereinbar, auch das BVerfG hat hier früh die Bedeutung des Gesamtwohls und die Schwierigkeit seiner Bestimmung und als Ideal die „soziale Demokratie in den Formen des Rechtsstaates“ erkannt, vgl. etwa BVerfGE 5, 85 (198); vgl. ausführlich oben B. I. 2. b). 26 Vgl. oben bereits B I. 2. d) dd) zur rationalen (perzepierten) Integration. 27 Angesprochen ist damit zunächst der (plural nicht hermeneutisch fassbare) konkrete individuelle Gütergewinn, daneben andere, z. B. traditionell-habituierte, Entscheidungsfaktoren und schließlich der Teil am Gesamtgewinn des Gemeinwesens namentlich der rechtlich und (wiederum) demokratisch gesicherten Friedlichkeit. Er kann (und muss) durchaus diskontierend oder habituierend langfristig wahrgenommen sein, also nicht jeweils unmittelbar mit der konkreten Abstimmung oder Wahlhandlung verbunden sein; zur psychologischen und ökonomischen Diskontierungstheorie vgl. Pfister/Jungermann/Fischer, Psychologie, S. 64 ff.; Beck, Economics, S. 197 ff.
I. Demokratie als prozedurale Rationalisierung
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eigenen Auffassung die stärksten und nachhaltigsten Impulse für einen Aufbau „politischen Kapitals“ des demokratischen Systems beim Betroffenen setzen. Allerdings greifen ergänzend auch bei einer „Niederlage“ zwei weitere Gewinnperzeptionen ein: einerseits die rechtsstaatliche Friedlichkeit des Systems mit beschränkten persönlichen Opfern und Risiken, andererseits die über den Entscheidungsprozess kommunizierte reale Chance, einen jetzt unterbliebenen Gewinn zukünftig durch eine Mehrheitsfähigkeit der eigenen Ansicht zu erlangen. bb) Die Input-Legitimierung ergänzt dies zunächst um die Frage, in welchem Maß die Betroffenen an den politischen Entscheidungen beteiligt sind, bzw. sich beteiligt sehen können.28 Aus der schematischen Trennung der Selbstregierung des Volkes von anderen Regierungsformen29 entstehen die Kriterien der Partizipation nach Umfang, Ausgestaltung und Begrenzungen.30 Von Bedeutung sind dabei auch und gerade die Rückkopplungen politischer Entscheidungen als Prozesse an die Betroffenen, auch und gerade, wenn diese nicht durch diese selbst, sondern, wie in großräumigen, komplexen und arbeitsteiligen politischen Systemen üblich und unumgänglich, delegierte Entscheidungsträger getroffen werden.31 cc) Damit greifen beide Legitimierungsformen ineinander: in einem pluralen politischen System kann eine Output-Optimierung nur durch eine des inputs, aber auch der aus diesen folgenden Verarbeitungs- und Aggregationsprozessen realisiert werden. Als zentrales Problem erweist sich die Realisierung des inputs im output: Wie bereits Rousseau verdeutlichte, ergibt sich Output-Legitimität nicht durch irgendeine numerische Maximierung exogener individueller Willen aller.32 Durch den pluralen autonomen Mehrheitswillen der Entscheidenden kann ein Gemeinwohl in deren Interesse nur soweit optimiert verfolgt werden, wie die Rationalität der Einzelnen und des Aggregationsprozesses dies zulässt.33 Bereits in der Beteiligung und realistischen Durchsetzungschance im input kann allerdings selbst ein klarer Nutzenfaktor liegen.34 Dass wiederum in einem auf Bestand ausgelegten Gemeinwesen nicht alleine auf den jeweilige augenblicklichen Willen entscheidender Gruppen – zudem zu allen Fragen – abgestellt werden kann, lehrt die gesamte politische Ge28
Vgl. die bereits genannten, darunter grundlegend Scharpf, Demokratietheorie; ders., Regieren, S. 16 ff.; im Überblick etwa nochmals Schmidt, Demokratietheorie, S. 169 ff. passim; vgl. auch oben B. I. 2. d) dd). 29 Vgl. nochmals paradigmatisch Aristoteles, Politik, cap. III, 6 (S. 166 ff.). 30 Vgl. dazu sogleich auch unten E. I. 31 Vgl. dazu bereits oben B. II. 2., III. sowie unten E. II. 32 Rousseau, Contrat, passim mit dem Paradigma des volonté générale. 33 Vgl. allgemein Rosanvallon, Legitimität, S. 25 ff. sowie bereits Fraenkel, Demokratien, S. 153 ff., seine Lösung eines Dogmas der Unfehlbarkeit des Volkes rekurriert letztlich wieder auf identitäre Vorstellungen im Hinblick auf Entscheider und Mehrheit. 34 Bereits auf der Ebene des Outputs wirkt sich dabei das Prinzip wechselbarer Mehrheiten aus: Nach dieser verkürzten Vorstellung ist für die Akzeptanz und Nutzenerwartung mitentscheidend, dass bei neuen Entscheidungen die unterlegene Seite die realistische Chance besitzt, ihre Ansicht durchzusetzen; vgl. BVerfGE 5, 85 (199); v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 59 m. w. N. sowie oben B. I. 2. d).
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
schichte sowie Theorie. Vielmehr bedarf es der Konsistenz und Kohärenz der Entscheidungen und damit letztlich eines Prozesses möglichst rationaler kollektiver Entscheidungsfindung.35 Die Lösung scheint ein möglichst optimiert strukturiertes deliberativ-diskursives Finden der „besten“ gemeinsamen Lösung jeweils aus dem situativen Kontext.36 d) Dafür ist ein Mindestmaß an Kohärenz aus Ge- und Verbundenheit der einzelnen politischen Akteure im Sinne einer Integration unabdingbar.37 Dies gilt jedenfalls, sobald die allgemeine Beteiligung in förmliche staatliche Entscheidung übergeht. Sie besteht weiterhin grundsätzlich in der (politischen) Volkszugehörigkeit, welche mit der Staatsangehörigkeit identisch ist.38 Sie ist – im Sinn einer besonderen Verantwortlichkeit und eines „Regelkreises“ – alleine die von der Verfassung und verfassungsmäßigen Gesetzen rechtlich präzise abgegrenzte Gesamtheit der stimm- und wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger, kein unbestimmter ethnischer oder sozialer Begriff.39 Das bestehende Volk bestimmt selbst, wen es zu seinem Kreis (zukünftig) dauerhaft hinzuzählt.40 Es kann allerdings Mitglieder, d. h. Bürgerinnen und Bürger, nicht ohne weiteres aus dem Kreis insgesamt oder in ihrer Beteiligung in concreto nur im Rahmen verfassungsrechtlicher Legitimität ausschließen, um die bereits geschaffene Zugehörigkeit zur Allgemeinheit nicht zu verletzen.41 Darüber hinaus ermöglicht es das moderne input-/output-Verständnis allerdings, der notwendigen Offenheit der politischen Entscheidungsfindung für die Beteiligung von zeitweise Betroffenen, die keine Bürger sind, Rechnung zu tragen.42 Nur in 35
Vgl. etwa auch MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 195 m. w. N. Vgl. Habermas, Öffentlichkeit, S. 38; ders., Ratio Juris 2 (1989), 144 ff.; Manin, Political Theory 15 (1987), 338 (351). 37 Richtig bleibt ein zur friedlichen Akzeptanz und nachhaltiger Ausrichtung von demokratischen Entscheidungen gemeinsamer long-term-interest, insofern durchaus eine „Schicksalsgemeinschaft“, sowie habituierter Grundkonsens über die maßgeblichen Grundnormen, daher insoweit auch zutreffend Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 26, 47; mit materieller Homogenität hat dies allerdings nichts zu tun, vgl. dazu bereits oben B. I. 2. d) sowie gerade oben B. II., III. 38 Insoweit kann Art. 116 GG auch als deutscher Sonderfall nur als erleichterter Zugang zur politischen Volks- und Staatsangehörigkeit verstanden werden; vgl. zu den unterschiedlichen weiteren Modellen des Volkes namentlich aus Sicht des Pluralismus Fraenkel, Demokratien, S. 344 f. 39 So bereits Preuß, Reich, S. 333; vgl. dazu Lehnert/Schefold, Preuß, S. 53; vgl. nochmals oben B. I. 2. d) sowie gerade oben B. II, III. 40 Über das selbstgesetzte Einbürgerungsrecht. 41 Vgl. dazu unten E.I. 1. sowie bereits oben zur menschenwürdefeindlichen Homogenisierung C. III. 42 Das Metöken-Problem ist dadurch ohne weiteres lösbar; eine Abgrenzung zumindest unter Ausgrenzung exterritorialer Wirkungen damit leistbar; vgl. auch Popper, Gesellschaft I, S. 207 ff.; bereits Kelsen, Wesen, S. 26 ff.; vgl. indes auch noch Matz-Lück, Denizenship; ebenso ist eine Beschränkung politischer Entscheidungen allein auf das Volk bloße Fiktion, angesichts der vielfältigen Einflüsse von anderen Personen als den Staatsangehörigen auf 36
I. Demokratie als prozedurale Rationalisierung
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letzter Konsequenz, für die Verankerung der politischen Entscheidungsgewalt insgesamt, bedarf es der in Art. 20 II GG festgelegten Selbstbestimmung (nur) des Volkes als Rückholbarkeit aller formaler politischer Mitbestimmungsrechte in seinen Entscheidungskreis.43 Ansonsten setzt die unabdingbare Kohärenz und Autonomie der politischen Entscheidungsfindung gegenüber fremden Mächten (lediglich) praktische und daraus abgeleitete, nicht aber kategorische rechtliche Grenzen.44
2. Prozedurale Rationalisierung und Strukturierung demokratischer Prozesse a) Der Inhalt der Demokratie ist also als die Rationalisierung von Macht zu verstehen.45 Die Legitimität jedes politischen Entscheidungsergebnisses basiert in der pluralistischen Demokratie alleine auf der rein prozedural-formalen Ordnungsgemäßheit nach den vorhandenen Regeln.46 Nicht mehr haltbar ist die Ansicht, das Mehrheitsprinzip könne irgendeine substantielle Rationalität beanspruchen.47 Vielmehr muss sich die Legitimität des demokratischen Systems als optimiert strukturiertes deliberativ-diskursives Finden der „besten“ gemeinsamen Lösung jeweils aus dem situativen Kontext beweisen und dies den Beteiligten vermitteln. Dies gilt in der Output-Dimension für die Steigerung des (a posteriori) Gemeinpolitische Prozesse, etwa im Rahmen der öffentlichen Diskussion oder formaler Beteiligung, z. B. in administrativen oder legislativen Anhörungen; insoweit ergeben sich zahlreiche Brüche, wenn etwa MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 149 ff., das Selbstbestimmungsrecht der Völker gegen die Selbstbestimmung zur Integration Mitbetroffener wenden will, aber sogleich das Konstrukt eines „Verbandsvolkes“ für funktionale Selbstverwaltung postulieren muss, das sich in die Konzeption nicht kohärent einfügen lässt; die auf der Volkswillenssouveränität aufbauende Rspr. zum „Ausländermitwahlrecht“ (namentlich BVerfG 83, 37; 83, 60 unter maßgeblichem Einfluss Böckenfördes, vgl. Voßkuhle, Der Staat 58 (2019), 451) erweist sich richtigerweise aus den angeführten Gründen als unfundiert jenseits der völkischen Demokratievorstellung Schmitts und ihrem Fortleben in der fiktiven Volkswillenssouveränität, s. o. I. 2., 3.; sowie hier noch namentlich Meyer, JZ 2016, 121; Dormal, PVS 2016, 378; van Ooyen, ZPol, 13 (2003), 601; ders., IPG 2011, 134; vgl. weiter Wallrabenstein, JöR 66 (2018), 431. 43 Vgl. bereits oben C. III. 4. d). 44 Vgl. etwa v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 110. 45 Zuerst wohl Mirkine-Guetzévich, ZöR 8 (1920), 259 ff., danach die weitere zumindest sozialwissenschaftlich allg. Demokratietheorie; namentlich entgegen romantisierender organischer Staatsvorstellungen, wie namentlich noch von Triepel, Staatsverfassung, S. 30 f., vgl. dazu die durchgreifende Kritik bereits von Kelsen, Wesen, S. 30 ff. 46 Vgl. zur Notwendigkeit dieser Legitimität bereits ausführlich oben B. I. 2. d) und gerade 1. d). 47 Entgegen früher aristotelisch-antiker und scholastischer Vorstellungen des Konsenses ist dieser gerade nicht mit heteronom-projizierter oder bestrittener materieller, etwa transzendent verbundenen Kategorien der Richtigkeit, Vernünftigkeit oder Weltanschauung verbunden, vgl. nur BVerfGE 5, 85 (224); namentlich auch BVerfGE 70, 324 (369) – Sondervotum Mahrenholz; Hesse, Grundzüge, Rn. 154, 159; dazu Überblick bei Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 3 ff., 67 ff. m. w. N.; Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 7 Rn. 26.
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
wohls: „Ein rationales Gemeinwohlkonzept muss demnach seine Referenz benennen und erklären, wie verschiedene Referenzen in einem [sic!] vernünftigen Zusammenhang gebracht werden, so dass die eine nicht gegen die anderen in destruktiver Weise ausgespielt wird. Rational ist ein Gemeinwohlkonzept zudem nur dann, wenn es die Friedens- und Funktionsbedingungen der verschiedenen Akteursebenen respektiert und ihnen genügt.“48 b) Dabei muss ebenso deutlich werden, dass und wie der Input der politischen Akteure abstrakt und in concreto zu entsprechenden politischen Entscheidungen führt.49 So werden Entscheidungen jedenfalls als beeinflussbar wahrgenommen und der Eindruck der Ohnmacht verhindert.50 aa) Zuerst hat der unmittelbare Entscheid selbst dabei zentrale Bedeutung. Diese wird meist unter dem Begriff der Mehrheitsentscheidung erörtert, auch wenn sie realiter (v. a. zum Minderheitenschutz) nicht immer gerade mit absoluter oder relativer Stimmenmajorität getroffen sein muss.51 Zentral für die – v. a. im Sinne Smends funktionale – Integration52 ist, dass die Abstimmung zunächst als politische Form des „geregelten Konfliktaustrags“,53 aber auch als „frei und fair“ wahrgenommen werden kann. Wo die Minderheit nie nach gesetzten Regeln die Chance hätte, zur Mehrheit zu werden, wo die Entscheidung – etwa zum autoritär abgesicherten – Machtspruch wird, versagt die entleerte rein formal-symbolische Majoritäts- als Friedensregel.54 Die Entscheidung muss zudem folglich zwar einer Mehrheit Geltung verschaffen, sie aber ebenso zur befriedenden Rechtfertigung, auch vor der Minderheit, zwingen: „Da die Mehrheit immer wechseln kann, haben auch Minderheitsmeinungen die reale Chance, zur Geltung zu kommen. So kann in weitem Maße Kritik am Bestehenden, Unzufriedenheit mit Personen, Institutionen und konkreten Entscheidungen im Rahmen dieser Ordnung positiv verarbeitet 48
So etwa überzeugend Di Fabio, Herrschaft, S. 228; vgl. auch BVerfGE 5, 85 (198). Vgl. etwa Di Fabio, Herrschaft, S. 263: „Ein neuer Autokratismus könnte salonfähig werden, wenn die liberalen Demokratien unfähig sind, die Ordnung der offenen Welt praktikabel und verständlich zu machen“, etwa wenn transnationale Offenheit als „Kontrollverlust“ empfunden werde. 50 Dadurch sind getroffene Entscheidungen friedlich revisibel und fortschrittsfähig, insoweit richtig Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 72; vgl. Habermas, Öffentlichkeit, S. 40 ff.; vgl. auch BVerfGE 69, 315 (346 ff.). 51 Zudem steht hier der Begriff der Mehrheitsregel nur für das am stärksten vereinfachte „horizontale“ Entscheidungsverfahren; in der Regel erweisen sich die Prozesse bis zu einer Entscheidung als wesentlich komplexer und können u. a. auf solchen einer Minderheit bis zu Einstimmigkeit beruhen, vgl. dazu näher unten E. I. 1.; weiterhin wirkt sich hier das bereits mehr angesprochene Problem der reinen Fiktion eines Volkswillens im Sinn der neo-identitären Theorie (s. o. C. II., III.) aus, denn realiter hat die Volksmehrheit bestenfalls ein Parlament gewählt, nicht die Regierungsbildung und schon gar nicht konkrete einzelnen Verwaltungsakte entschieden, vgl. sogleich weiter unten E. II. 52 Vgl. dazu ausführlich oben B. I. 2. d) dd). 53 Vgl. etwa v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 59 m. w. N. 54 Vgl. nur v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 62. 49
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werden. In die schließlich erreichte Mehrheitsentscheidung ist immer auch die geistige Arbeit und die Kritik der oppositionellen Minderheit eingegangen. Weil Unzufriedenheit und Kritik mannigfache, selbst drastische Ausdrucksmöglichkeiten besitzen, zwingt die Einsicht in die Labilität ihrer Position die Mehrheit selbst, die Interessen der Minderheit grundsätzlich zu berücksichtigen.“55 Dazu muss der entscheidende „Mehrheitswille“ in einem „sorgfältig geregelten Verfahren ermittelt“ werden, welches die freie Abstimmung auch für Vertreter von Minderheitsmeinungen möglichst risikolos gestaltet.56 bb) Zweitens setzt die Rationalisierung durch Entscheidungen nicht nur deren zeitgleiche und nachträgliche Begründung, sondern diesen vorgelagerte Prozesse voraus. In diesen Verfahren muss das Ergebnis prozedural und inhaltlich, etwa im Wege der Deliberation, transparent und plausibel für Teilnehmende und Betroffene gefunden werden. Sie schaffen „Einsehbarkeit, Überschaubarkeit, Verstehbarkeit“ als subjektive Rationalität, die Grundlage staatlicher Legitimität ist.57 Keine solche bewirken hingegen etwa die „top-down-Entscheide“ einer Führerdiktatur oder technokratischen Bürokratie.58 Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei die Diskussion in und von Alternativen.59 Der Bürger muss sich ein eigenes Urteil für Wahlen und Abstimmung über die Sache bilden können, daher ist seine Information wichtig.60 cc) Drittens tragen zur Rationalisierbarkeit und damit Güte dieser Prozesse vor allem transparente, formal auffindbare und verstehbare, nachhaltige, plausible und belastbare Regeln und Prinzipien für ihre Durchführung bei. Ihre möglichst hierarchische Ordnung findet ihre Spitze in den Normen der freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung.61 Das Transparenzgebot ist auch Grund des Verbots der Verfassungsdurchbrechung; das Grundgesetz gewährleistet seine eigene Integrität gem. Art. 19 I 2, 20 III, 79 I GG.62 Durch die Regelung und Interpretation der wesentlichen demokratischen Entscheidungsvorgänge, namentlich der Verfahren der Willensbildung, der Verantwortung und Transparenz der Entscheidung trägt es sodann maßgebliche Bedeutung für die genannten Gütekriterien der Demokratie.63
55 BVerfGE 5, 85 (198 f.) unter gewisser Vermischung von Sollen und Sein, auch zum Folgenden; vgl. auch Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 76. 56 Vgl. weiter etwa §§ 107 ff. StGB, dazu unten E. I. 3. b) dd). 57 Vgl. etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 138; Drefs, Öffentlichkeitsarbeit, S. 268 ff. 58 Vgl. Kaufmann, Volkswillen, S. 7 ff. 59 Vgl. etwa Häberle, Kulturwissenschaft, S. 560 ff. 60 Vgl. dazu ausführlich unten 2., III., IV.; Hesse, Grundzüge, Rn. 152. 61 Vgl. dazu Fahrner, EU-Verfassung. 62 Vgl. nur BVerfGE 9, 334 (336); 90, 286 (341); 120, 274 (343); Jarass/Pieroth, Art. 19 GG Rn. 3; MD-Herdegen, Art. 79 GG Rn. 20 ff.; BeckOK-Dietlein, GG Art. 79 Rn. 5.1. 63 Vgl. auch Habermas, Öffentlichkeit, S. 41 ff., 45 ff. m. w. N.
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
c) Schließlich dienen dieser Transparenz die generellen Strukturierungen, die vor allem politische Wissenschaft und Staatslehre im Hinblick auf die komplexen Prozesse demokratischer Systeme vorgenommen haben: aa) Kernpunkt jeder politischen Entscheidung ist zuerst, dass sie festgestellt und verortet werden können muss. Dies erlaubt nicht nur den Inhalt, sondern auch Verantwortungszurechnung und demokratische Legitimation nach intersubjektiv nachprüfbaren Kriterien offenzulegen. Dadurch wird nicht zuletzt die Gefahr selbst ernannter Interpretatoren eines vermeintlichen „Volkswillens“ ausgeschlossen.64 Geschieden werden so die gewählte Handlungsvariante von den abgelehnten Alternativen sowie der Zustand vor und nach der Entscheidung. Die Wirkung einer Entscheidung und ihrer Befriedung hängt weiter von ihrer regelmäßigen gewissen Beständigkeit ab. Sie zeigt sich in der äußeren Durchsetzung, inneren Akzeptanz sowie nicht sofortigen erneuten Abänderung(-sbestrebungen).65 bb) Um ihre Funktionen überhaupt ausüben zu können, müssen die demokratischen Entscheidungen auch beachtet werden, mithin ihre Geltung durchgesetzt werden.66 Hierzu dient letztlich die Wirksamkeit der Staatsmacht in das Gemeinwesen und die Bindung der Staatsmacht an die Entscheidungen namentlich durch Normen wie die Gesetzesbindung, Bindung an Richtersprüche, gubernative Entscheidungsregelungen oder Weisungsrechte und deren rechtliche Durchsetzungsmechanismen.67 cc) Im Hinblick auf politische Entscheidungen sind in allen politischen Systemen durch die Epochen verfassungsrechtlich verankerte Institutionen der Spezialisierung feststellbar.68 Daraus lassen sich von der „Peripherie“ der „gewöhnlichen Bürger“ abgehobene Entscheidungszentren herausarbeiten.69 Allerdings stimmen die normative und die politisch-faktische Betrachtungsweise kaum überein: So steht nor64
Insoweit richtig der etatistische Einwurf von MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 194. Gerade hier zeigt sich anscheinend ein zentrales empirische Problem moderner „Überzeugungsgesellschaften“, in denen bestimmte Gruppen mit ihren Missionsanliegen aus unterschiedlichsten Themen (z. B. im Sicherheitsbereich oder erinnert an aufgeladene Diskussionen wie zum Schutz des ungeborenen Lebens oder stark symbolischer Entscheidungen wie „Stuttgart 21“) trotz unveränderter Sachlagen nicht ihnen (wenn überhaupt je) voll konforme Entscheidungen nicht akzeptieren, was erheblich zu Frustrations- und Ermüdungseffekten der Gesellschaft im Übrigen beitragen kann. 66 Vgl. hierzu etwa strafrechtlich §§ 113 ff. StGB sowie die üblichen Formen des Polizeiund Verwaltungszwangs bis hin zur militärischen Macht. 67 Entscheidend ist hier die rechtsstaatliche Selbstbindung für die Friedlichkeit, vgl. oben B. I. 2. d) sowie unten III.; Fahrner, HdbSiStR, § 5 Rn. 5 ff.; zur strafrechtlichen Umsetzung etwa in §§ 81 ff., 102 ff. StGB vgl. etwa Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, §§ 9, 10 m. w. N. 68 Vgl. weiter zur Deutung aus demokratie- und freiheitstheoretischer Sicht unten II. 3. b); vgl. hier auch Kahler, Schicksal, S. 35 (59). 69 Ohne dass darauf im Einzelnen konkret eingegangen werden kann, vgl. nur bereits Easton, Analysis; ders., Structure; Cohen, Deliberation, S. 17 ff.; Habermas, Faktizität S. 431; Zerback, Vielfalt, S. 23; sowie bereits Fahrner, Bündnis, S. 86 ff.; z. B. auch Shirvani, Parteienrecht, S. 258 zu parteipolitischen Zentren als informellen Gremien m. w. N. 65
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mativ das Parlament angesichts der Bindung der weiteren Staatsorgane stark im Zentrum, während politisch die zentralen Richtungsentscheidungen beim Regierungschef, in Parteizentralen, Koalitionsrunden oder sonstigen „inner circles“ (einschließlich zugehöriger Bürokratien und Berater) getroffen werden. Dessen ungeachtet lassen sich politische Prozesse, wenn sie zwischen mindestens zwei verschiedenen Stufen in einem solchen Zentrum-Peripherie-Modell stattfinden, als vertikal beschreiben.70 Horizontal sind sie dagegen, wenn sie sich im Wesentlichen auf einer Stufe abspielen.71
3. Folgerung: Willensbildung und Meinungsbildung Von den formalen politischen Entscheidungen sind die weiteren Prozesse zu trennen, die im Rahmen der Demokratie von Belang sind. a) Die traditionelle Verfassungslehre verwendet dabei vor allem die Idee der „Willensbildung des Volkes“.72 Mit dem Ansatz können Prinzipien und Regeln aus dem geregelten Bereich der staatlichen Entscheidung, namentlich Wahlen und Abstimmungen, etwa die Grundsätze der Wahlgleichheit, in deren Vorfeld ausgedehnt werden.73 Erforderlich scheint dies, um überhaupt rechtliche Eingrenzungen des „exogenen Volkswillens“74 aus mutmaßlichen normativen Inseln der Verfassung – wie etwa Art. 21 I, 38 GG für die formalen Akte wie Parlamentswahlen – auch für deren Vorfeld, etwa den Wahlkampf, die Öffentlichkeitsarbeit oder die Kandidatenaufstellung gewinnen zu können.75 Dieses Paradigma der Demokratie als Vorstellung eines allgemeinen Volkswillens in allen politischen Angelegenheiten und der Willensbildung des Volkes sammelt weitere problematische Fiktionen: Dazu zählt auf der einen Seite die bereits angesprochene Unterstellung der Demokratie als unidirektionalem, letztlich linearen Prozess, der stets aus der „staatenlosen“ Gesellschaftssphäre in die staatliche führte,76 nämlich über die Schnittstellen der Formalakte von Abstimmungen und, weit bedeutsamer, Wahlen. Daran hat das BVerfG früh angeknüpft: Der Staatswille müsse „als Ergebnis des freien politischen
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Vgl. dazu sogleich unten E. II. Vgl. dazu sogleich unten E. I: So wäre eine Volksabstimmung eine rein horizontale Entscheidung, vertikale Entscheidungen sind hingegen die Bestellung von Institutionen wie die Parlamentswahl, die Wahl der Regierung, vertikale Prozesse schließlich die gesamte Rückkopplung „zwischen Regierung und Volk“. 72 Vgl. oben 1. b) zur soziologische Integrationstheorie bis zur absoluten Lehre von Schmitt und seinen Schülern. 73 Vgl. v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 51. 74 Zur grundlegenden Problematik siehe bereits oben C. II. 1., III. 75 Vgl. Shirvani, Parteienrecht, S. 155 f.; zu den Schwierigkeiten auch Hesse, Grundzüge, Rn. 176; vgl. ausführlich unten E. I. 4., III., IV. 76 Vgl. oben C. II. 1. 71
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Kräftespiels“ gebildet werden.77 Die Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes müsse „sich ungeregelt und … unter Mitbeteiligung aller lebendigen Kräfte nach dem Maße ihres tatsächlichen Gewichts und Einflusses vollziehen“.78 Freiheit, Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl selbst sind danach strikt formal zu verstehen.79 Auf der anderen Seite steht die Fiktion der Legitimationskette: Danach liege in der Volkswahl in die Parlamente unter mehreren aufgestellten Parteilisten oder Bewerbern auf mehrere Jahre die gesammelte Entscheidung des Volkes über alle nachgeordneten Sach- und vor allem Personalentscheidungen.80 Wenn die so Gewählten nicht ihren weiteren Willen, damit den gleichgesetzten Volkswillen, zur Besetzung aller Ämter bekämen, könne keine Demokratie vorliegen.81 b) Demokratie erschöpft sich indes nicht darin, dass „ein Wille des Volkes“ sich real in der Wahl (ent-)äußert und ansonsten als Fiktion alle politischen Entscheidungen tragen soll. Eine solche Vorstellung erweist sich nicht nur als irreal, sondern darüber hinaus als äußerst gefährlich für die pluralistische, ja subjektivistische Friedlichkeit.82 Sie kann letztlich zur autoritären Generalrechtfertigung der Regierenden werden, ja zu allen ihren Taten durch das Volk als dessen Willensvollzieher bestellt worden zu sein.83 Das Schmittsche Paradigma der Diktatur (hoffentlich nur auf Zeit) scheint wenig mehr verhüllt durch – neben den weiteren Fundamentalproblemen der Homogenität, Identität und Absolutheit des fingierten Volkswillens im Sinne auch einer „illiberalen Demokratie“.84 Das BVerfG hat immerhin früh realisiert, dass nicht jede politische Meinungsbildung im Volk in eine formelle Entscheidung münden muss.85 Weiter anerkennt die Rechtsprechung mittlerweile, dass es sich um einen Prozess der Meinungsbildung handelt, der ebenso voraussetzt, Ansichten zu äußern und zu verbreiten, wie geäußerte Meinungen zur Kenntnis zu nehmen und sich zu informieren.86 Allmählich setzte sich auch in der Verfassungsdogmatik durch (ohne dass dieser Prozess als abgeschlossen betrachtet werden darf), dass die Rückbeziehung und Rückkopplung z. B. zwischen Regierung und Bevölkerung sich nicht in einer formalistischen Legitimationskette erschöpft, son77
St. Rspr. seit BVerfGE 2, 1 (14 f.), vgl. auch die weiteren konkreten Beispiele unten E. So exemplarisch BVerfGE 8, 104 (115) auch für die weitere Rspr. 79 Vgl. Mustergültig BVerfGE 1, 208 (246); 7, 63 (69 f.); 36, 139, st. Rspr.; vgl. näher unten E. III. 1. d), 2. c), 3. 80 Vgl. hiergegen überzeugend etwa unter Rückgriff auf Luhmann Nichelmann, Grundordnung, S. 162 ff. m. w. N. 81 Siehe oben C. II. 2. III. und unten E. II. 2. 82 Vgl. oben B. I. 2. d). 83 Diese Vorstellung erscheint sehr nahe an einer Generalermächtigung in der Tradition einer lex de imperio, bei der es den einmal Gewählten freisteht, sich nach Belieben auf den „übereinstimmenden Willen des Volkes“ zu berufen, welches für jeden Missbrauch damit in Mithaftung genommen wird, während sich der Gewählte gegenüber ihm freizeichnet, da ja nur der Wille des Volkes berücksichtigt würde. 84 Vgl. auch oben C. III. 2., 3. 85 So zuerst BVerfGE 8, 104 (115). 86 Vgl. etwa BVerfGE 57, 295 (319 f.); 60, 53 (63 f.) sowie ausführlich unten II. 3., E. I. 78
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dern komplexe Wechselwirkungen abbildet.87 Damit werden jahrzehntealte Erkenntnisse der politikwissenschaftlichen Demokratie, die bereits im Verfassungsdiskurs vorgebracht wurden,88 zumindest allmählich zu einem realitätsnäheren Modell für die dogmatischen Schlüsse übernommen. Daraus folgt: - Zuerst kann in modernen demokratischen Gemeinwesen kein autonomer oder „autochthoner“, d. h. „staatsfreier“ gesellschaftlicher Deliberationsbereich klar von einem „vermachteten“ staatlichen Politikbereich getrennt werden. Es gibt nur eine komplexe, insoweit aber nicht trennbare Öffentlichkeit.89 - Zweitens trägt das Bild des Volkswillens auch deswegen nicht, weil die in der Vorbereitung einer (unmittelbaren oder delegierten) Entscheidung durch Deliberation etc. Beteiligten keinesfalls sich zwingend auf die Abstimmungs- und Wahlberechtigten beschränken oder alle in diesen zwingend erfassen werden müssen.90 - Drittens erweist sich die Idee eines Volkswillens bezüglicher aller zukünftiger, bei Wahl unübersehbarer delegierter Entscheidungen alleine durch die auf die einmalige Auswahlentscheidung im Wahlakt als ebenso gefährlich fiktiv wie die eines dadurch vereinheitlichten kollektiven Willens.91 Jenseits einfacher Abstimmungen zu einer konkreten Sachfrage oder Mehrheitswahl kann nicht von einem „Volkswillen“ gesprochen werden. Vielmehr bleibt die „Meinungsbildung im Volk“ (besser: der Öffentlichkeit oder Allgemeinheit)92 vielfältig und komplex und wird ebenso durch vielfältige vertikale Kanäle in ihrer komplexen Breite weitergegeben. - Viertens ist das Bild einer unidirektionalen Schnittstelle eines gesellschaftlichen Willens in den Staat hinein untauglich. Von einem Prozess der Willensbildung kann und sollte daher auch im Rechtssinn (vergleichbar etwa mit der zivilrechtlichen Willenserklärung, der Verwaltungsentscheidung und dem vorbereitenden Verfahren sowie des strafrechtlichen Tatentschlusses oder Vorsatzes) nur dort gesprochen werden, wo er nicht nur in eine formale Willensbetätigung im Sinn eigener Entscheidung des Volkes, namentlich Wahlen und Abstimmungen, mündet, sondern auf diese gerichtet ist. 87 Vgl. etwa selbst das BVerfGE 44, 125 (140), worauf auch etwa Shirvani, Parteienrecht, S. 156 zutreffend hinweist; ausführlich dazu unten III. 2. 88 Vgl. namentlich unten unter II. v. a. 2. ff. 89 Hierzu etwa Habermas, Öffentlichkeit, indes unklar in der Trennung ders., Faktizität, S. 362 ff., 452 dagegen überzeugend Zerback, Vielfalt, S. 24 ff.; Tsatsos, FS Bernhardt, S. 885 (895 f.); Häberle, JuS 1967, 64 (66 f.); Jores, Parteien, S. 33 m. w. N. 90 Eine solche Verengung scheint in einem nicht künstlich abgeschlossenen System auch als gänzlich realitätsferne und dadurch untaugliche Fiktion; vgl. zur demokratischen Offenheit gegenüber einem geschlossenen Volksbegriff insbesondere oben 1. d) und zur Beteiligung in vertikalen Entscheidungen unten E. II. 91 Siehe nochmals gerade oben im Kopfabsatz. 92 Siehe gerade vorgenannten Punkt sowie unten E. I. 2. c).
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
- Schließlich kann auch nicht von einfachen linearen Prozessen der horizontalen und vertikalen Meinungsbildung und -vermittlung bis zu einer Entscheidung gesprochen werden: Will man das Konstrukt einer (komplexen) öffentlichen Meinung beibehalten, ist es jedenfalls vielfältigsten anlassbezogenen wie beständigen Veränderungen unterworfen, die mit Entscheidungen im jeweiligen Bereich allenfalls in engsten Ausnahmefällen einen Abschluss finden. c) Insgesamt ist daher die Fiktion des Volkswillens untauglich. Sie kann und muss konsequent durch das Modell einer komplexen demokratischen öffentlichen Meinungsbildung ersetzt werden.93 Diese vollzieht sich in anlassbezogenen und generellen vielfältigen und multidirektionalen Kommunikationsprozessen zwischen den Bürgern,94 etwa den von ihnen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung, alternativen Bewerbern um entsprechende Ämter, jeweils ihren Organisationen,95 weiteren interessierten Dritten sowie Verbänden, Gruppen oder Netzwerken, die als eigenständige („mediierende“) Akteure betrachtet werden können und in politische Prozesse eingeschaltet werden oder sich einschalten,96 darunter namentlich Medien aller Art.97
II. Rationalitätsprobleme der Demokratie 1. Marketplace of Ideas Auch in der deutschen Verfassungsdogmatik gewinnt die amerikanische Vorstellung der Demokratie als „marketplace of ideas“ immer stärkeres Gewicht. Sie verbindet sich mit den Theorien des Volkswillens nach Schmitt und Böckenförde98 sowie eines exogen verstandenen Pluralismus. Das Modell der Demokratie als freier Markt öffnet die politische Theorie für Lehren aus der klassischen Ökonomie, der rational choice und deren formale Aggregationsmodelle,99 etwa von Downs,100 Schumpeter101 oder Olson.102 Es produziert aber auch normative Eigenkraft mit dem Anspruch einer self-fulfilling prophecy dahingehend, dass der größte Gewinn aller 93
Vgl. dazu im gesamten Folgenden, v. a. auch II. sowie insgesamt E. Siehe unten E. I. 95 Siehe unten E. II. 96 Siehe unten E. III. 97 Siehe ausführlich unten II. 5. b); vgl. weiter BVerfGE 12, 205 (260); 20, 162 (174); 57, 295 (320); 77, 346 ff.; 90, 60 (86 f.); in empirischer Sicht vgl. etwa Vlad/Becker/Snyder, Rankings, S. 15 (33 ff.). 98 Siehe ausführlich oben C. sowie gerade I. 3. 99 Vgl. zum Überblick und zum Weiteren etwa Braun, Handeln, S. 17 ff.; Fahrner, Bündnis, S. 45 ff. m. w. N.; ders., Präferenzoptimierung, S. 133 (134 ff.). 100 Downs, Theorie, S. 10 ff.; danach etwa neuerdings auch Roemer, Competition. 101 Schumpeter, Kapitalismus, S. 448 ff. 102 Olson, Logik, S. 7 ff. 94
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erreicht werden könnte durch möglichst ungebändigte kompetitive Interaktionen aller Akteure.103 So legen neuere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs der USA nach der Grundlinie von Richter Holmes der Meinungsfreiheit das Konzept dahingehend zugrunde, dass der beste Fortschritt, das beste Gemeinwohl, die beste Friedens- und Wahrheitsfindung mit der „magischen“ Hand Adam Smiths104 durch einen freien Wettstreit aller Meinungen, seien sie auch noch so extrem und verfassungsfeindlich, erreicht werden könnte.105 Ihren Ursprung finden sie, ausgebaut von Mill,106 in der Areopagitica von Milton 1644. Dieser versuchte, das presbytanischrepublikanische Parlament der englischen Republik zu überzeugen, die erneuerte Pressevorzensur abzuschaffen, u. a. mit dem Argument, dass in einem freien Wettkampf die religiöse Wahrheit sich gegen jede Lüge durchsetzen werde. Eine tabuisierende Zensur sei ohnehin im Endeffekt immer wirkungslos. Ansonsten würden Fortschritt und Erkenntnis abgetötet: „Mir gilt die Freiheit zu erkennen, zu sprechen und nach Überzeugung frei zu schließen mehr als alle Freiheit… wofern nur die Wahrheit auch im Felde ist, tun wir Unrecht, deren Kraft durch Zensieren und Verbieten zu bezweifeln. Lasst sie und die Falschheit miteinander ringen, wer hat jemals erkannt, dass die Wahrheit den Kürzeren gezogen hat in einem freien und offenen Kampf? Die Widerlegung ist die beste und sicherste Unterdrückung der Unwahrheit“.107 Die schlichte Vielfalt wird zum wesentlichen Gut der Meinungsund Erkenntnisbildung. Der Wert einer Diskussion scheint nach dieser Auffassung 103 Vgl. allgemein im Bereich der ökonomischen Politiktheorie bereits Fahrner, Bündnis, S. 124. 104 Meist wird Smith mit einer „unsichtbaren“ Hand zitiert, sein transzendent-moralphilosophischer Hintergrund und der Kontext werden jedoch gerne umso mehr verkannt; die Verwendung der unsichtbaren Hand wird indes gerade durch ihren religiösen Kontext zu „höheren Mächten“ und Smiths Verwendung mit ethischem Hintergrund interessant, vgl. etwa Smith, Sentiments, cap. IV.1; vgl. dazu bereits Fahrner, Bündnis, S. 50 m. w. N.; ders., Präferenzoptimierung, S. 133 (139 f.). 105 Vgl. zunächst das Sondervotum von Holmes in Abrams v. United States, 250 U.S. 616, 630 (1919); sodann etwa Board of Education v. Pico, 457 U.S. 853, 866 (1982); R.A.V. v. City of St. Paul, 505 U.S. 377, 391 (1992); United States v. Alvarez, 567 U.S. 709 (2012); vgl. die Übersicht der Entscheidungen etwa bei Fraleigh/Tuman, Marketplace; näher dargestellt und krit. diskutiert von Ingber, DLJ 33 (1984), 1 ff.; näher politikwissenschaftlich etwa auch Zerback, Vielfalt, S. 18 ff. m. w. N. 106 Mill, Liberty, chap. 2: „If the opinion is right, they are deprived of the opportunity of exchanging error for truth; if wrong, they lose, what is almost as great a benefit, the clearer perception and livelier impression of truth, produced by its collision with error“. 107 Milton, Areopagitica, 1644, Zitat S. 42 f.; im Übrigen v. a. S. 4 ff.: „wer ein gutes Buch vernichtet, schlägt die Vernunft selbst tot“, zur meistzitierten Überwindung der Lüge durch die Wahrheit, S. 32 ff.; im Übrigen ein durchaus geschicktes Argument u. a. mit seinem Vergleich der Vernichtung von menschlichem und geistigem Leben des selbst wegen seiner antiepiskopalen Scheidungstraktate als besonders gefährlich verrufenen Autors gegenüber den Mitgliedern des Long Parliaments, welche der calvinistischen Prädestination (vgl. S. 34 ff.) gegenüber offen und der staatlich-amtskirchlichen Autorität entgegengerichtet waren, von der sie selbst Unterdrückung erfahren hatten auch in Zusammenhang mit der katholischen Schriftenzensur (vgl. S. 16) sowie des 30-jährigen Religionskriegs auf dem Kontinent und dem Höhepunkt des ersten englischen Bürgerkriegs.
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
vor allem von der Breite der vertretenen, selbst extremer und tatsächlich falscher, Meinungen abzuhängen.108 Indem im rationalen Diskurs unzulängliche oder ungeeignete Ansichten ausgesondert würden, führe dies nicht nur zu einer höheren Widerstandskraft der gewonnenen Meinung und ihrer erhöhten Legitimität. Vielmehr könnten Gefahren, welche der Gesellschaft drohten, frühzeitig erkannt werden.109
2. Psychologie der Massen Gerade die Faszination der extremen Ansicht im gänzlich offenen Diskurs110 kann erklären, wie sich Bestrebungen in einer ungebändigten Demokratie durchsetzen können und diese selbst zum Schaden praktisch aller zerstören können. Exemplarisch wies Jefferson darauf hin, dass Toleranz gegenüber gefährlicher Irrationalität jedenfalls nur soweit dem Diskurs überlassen werden darf, wie die Rationalität dagegen tatsächlich frei wirken kann.111 Die Warnungen vor der Irrationalität der Beteiligten in einer ungebändigten Volksherrschaft reicht von der Antike, z. B. Platon,112 über das Mittelalter: „nec audiendi qui solent dicere: ,Vox populi, vox Dei‘, cum tumultuositas vulgi semper insanie proxima sit“113 bis in die Gegenwart. Ein Verlust der FDGO, das Abgleiten in eine Gewalt- und Willkürherrschaft ist für jeden Einzelnen, der die plurale Friedlichkeit und seine auf Rechtssicherheit basierte Freiheit verliert, grundsätzlich nicht nachhaltig gewinnbringend. Die zerstörerischen Effekte für das Gemeinwesen selbst und daraus den Einzelnen sind evident, gerade aus der „urdeutschen“ Erfahrung von 1933 – 1945 für die Genese der BRD und ihrer FDGO. Gleichwohl findet solches Abgleiten in umfassender oder beschränkter Form („Lynchmob“) gerade in „freien“ plebiszitären politischen System statt.114
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Vgl. etwa Mill, Liberty, S. 183 f.; Zerback, Vielfalt, S. 17 ff. Vgl. zu den Argumenten Zerback, Vielfalt, S. 20, 48 ff. m. w. N.; zu ergänzen scheint der, bereits psychologische, Befund der Reaktanztheorie, dass exogen ausgeschlossene Alternativen eine überproportionale Attraktivität erhalten, womit Tabuisierungen, wie bereits von Milton erklärt, vorrangige Gegenwirkungen erhalten; vgl. etwa auch Felser, Konsumentenpsychologie, S. 287 ff. 110 Vgl. nochmals die Reaktanztheorie in Felser, Konsumentenpsychologie, S. 287 ff. 111 Thomas Jefferson, First Inaugural Address March 4, 1801, in: ders., Writings S. 492 f. 112 Vgl. hier nur Platon, Politeia, cap. 557a ff.; namentlich als Ochlokratie (awkojqat_a) bereits bei Polybios bzw. bei Aristoteles, Politik, cap. III, 8 ff., IV, 4 (S. 170 ff.) als ungezügelte Demokratie; vgl. auch Cicero, Re, cap. I, 66: Derationalisierung der Masse durch Hatz auf Beamte. 113 So die Warnung an Karl den Großen von Alkuin, Epistolae IV 2, Epist. 132, 9 (S. 198); vgl. auch später zu Machiavelli, Fahrner, Machiavelli, S. 103 ff. m. w. N.; Rousseau, Contrat, cap. II, 2; dazu Kägi, Rechtsstaat, S. 107 (121 f.). 114 Wie zahllose Beispiele durch die gesamte Geschichte und Gegenwart zeigen, namentlich näher zum „Sterben“ von Demokratien unten sogleich 4., 5. 109
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Den Gegenpol zum rationalen Marketplace of Ideas hat vor allem die Massenpsychologie namentlich nach Le Bon115 aus den Erfahrungen der französischen Revolutionen gezeichnet. Sie kann wiederum als Ausgangspunkt der „militant democracy“116 verstanden werden. Danach ist die Masse geprägt durch Triebhaftigkeit (impulsivité), Reizbarkeit (irritabilité), Gefühlsüberschwang (exagération) sowie Unfähigkeit zu logischem Denken und kritischem Geist; sie entscheidet vor allem nach groben Bildern, eingebildeten Vorstellungen und einseitigen, sich weiter verfestigenden Vorurteilen.117 Durch Selbstverstärkung erfolgt eine schnelle Selbstradikalisierung, in der Widerspruch niedergeschrien oder sonst zum Verstummen gebracht wird.118 Die Masse sucht sich regelmäßig Führer, die niemals rational argumentieren, sondern sie verführen durch Gewalt, Übertreibung und dauernder Wiederholung.119 Besonders bedeutsam gegen den „Marketplace of Ideas“ scheint: „Il ne faut pas croire, en effet, que c’est simplement parce que la justesse d’une idée est démontrée qu’elle peut produire ses effets, même chez les esprits cultivés. On s’en rend vite compte en voyant combien la démonstration la plus claire a peu d’influence sur la majorité des hommes. L’évidence, si elle est éclatante, pourra être reconnue par un auditeur instruit; mais ce nouveau converti sera vite ramené par son inconscient à ses conceptions primitives. Revoyez-le au bout de quelques jours, et il vous servira de nouveau ses anciens arguments, exactement dans les mêmes termes. Il est, en effet, sous l’influence d’idées antérieures devenues des sentiments; et ce sont celles-là seules qui agissent sur les mobiles profonds de nos actes et de nos discours. Il ne saurait en être autrement pour les foules… Il serait superflu d’ajouter que l’impuissance des foules à raisonner juste les empêche d’avoir aucune trace d’esprit critique, c’est-à-dire, d’être aptes à discerner la vérité de l’erreur, à porter un jugement précis sur quoi que ce soit. Les jugements que les foules acceptent ne sont que des jugements imposés et jamais des jugements discutés.“120 115 Le Bon, Psychologie, bzw. im Original ders., Foules, insoweit nicht von seinem ansonsten prägenden Rassismus beeinflusst. 116 Vgl. bereits oben A. 117 Le Bon, Psychologie, S. 19 ff., 38 ff., 43 ff.; zust. McDougall, Mind, S. 41 ff.; Freud, Massenpsychologie, S. 35 ff. 118 Le Bon, Psychologie, S. 30 ff. bzw. Original ders., Foules: „La simplicité et l’exagération des sentiments des foules font que ces dernières neconnaissent ni le doute ni l’incertitude. Comme les femmes, elles vont tout de suiteaux extrêmes. Le soupçon énoncé se transforme aussitôt en évidence indiscutable. Uncommencement d’antipathie ou de désapprobation, qui, chez l’individu isolé, ne s’ac-centuerait pas, devient aussitôt haine féroce chez l’individu en foule“. 119 Le Bon, Psychologie, S. 83 ff., bzw. im Original ders., Foules: „qui veut la séduire doit abuser des affirmations violentes. Exagérer, affirmer, répéter, et ne jamais tenter de rien démontrer par un raisonnement“. 120 Le Bon, Psychologie, S. 40 f., 43: „Man darf nicht glauben, eine Idee könne durch den Beweis ihrer Richtigkeit selbst bei den gebildeten Geistern Wirkungen erzielen. Man wird davon überzeugt, wenn man sieht, wie wenig Einfluss die klarste Beweisführung auf die Mehrzahl der Menschen hat. Der unumstößliche Beweis kann von einem geübten Zuhörer angenommen worden sein, aber das Unbewusste in ihm wird ihn schnell wieder zu seinen
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In der Masse einer Versammlung verschwindet gerade die bewusste Persönlichkeit des Einzelnen; er erscheint immer mehr nur als Teil von deren Einheit und Eigenschaften.121 Im Modell der subjektiven Rationalität122 lassen sich einzelne Faktoren abbilden: Dazu zählt etwa das Schwinden der Reflexion der eigenen Stellung, die Angst vor Nachteilen aus Normverstößen in der Masse, die zunehmende Bedeutung der positiven Rolle in der Masse selbst und daraus Konformismus bis zur Selbstopferbereitschaft.123 Le Bon beschreibt diesen Zustand der Beeinflussbarkeit im Bild der Hypnose und Triebhaftigkeit.124 In ihm spielen objektive Nutzenerwartungen kaum mehr eine Rolle.125 Ähnlich sieht das u. a. Freud unter der Bezeichnung des Herdentriebs.126 Mit Arendt kann festgestellt werden: „Die Mentalität moderner Massen vor ihrer Erfassung in totalitären Organisationen ist nur zu verstehen, wenn man die Durchschlagskraft dieser Art Propaganda voll in Rechnung stellt. Sie beruht darauf, dass Massen an die Realität der sichtbaren Welt nicht glauben, sich auf eigene, kontrollierbare Erfahrung nie verlassen, ihren fünf Sinnen misstrauen und darum eine Einbildungskraft entwickeln, die durch jegliches in Bewegung gesetzt werden kann, was scheinbar universelle Bedeutung hat und in sich konsequent ist. Massen werden so wenig durch Tatsachen überzeugt, dass selbst erlogene Tatsachen keinen Eindruck auf sie machen.“127
3. Ansatz der rationalen Freiheit und subjektiven Rationalität a) Diese Ansätze lassen sich als modellhafte Pole politischer Systeme deuten und wirken in immer neuen Variationen in der politischen Theorie und Verfassungsrechtsdogmatik. Sie verbindet sich mit dem Rückgriff auf die fiktive Rationalität der Bürger in der deliberativen Demokratietheorie von Habermas.128 Überspielt werden ursprünglichen Anschauungen zurückführen. Sehen wir ihn nach einigen Tagen wieder, wird er aufs Neue mit genau denselben Worten seine Einwände vorbringen. Er steht tatsächlich er unter dem Einfluss früherer Anschauungen, die aus Gefühlen gewachsen sind; und nur sie wirken auf die Motive unserer Worte und Taten…. Es ist überflüssig zu bemerken, dass die Unfähigkeit der Massen, richtig zu urteilen, ihnen jede Möglichkeit kritischen Geistes raubt, das heißt, die Fähigkeit, Wahrheit von Irrtum voneinander zu unterscheiden und ein scharfes Urteil über abzugeben. Die Urteile, die die Massen annehmen, sind nur aufgedrängte, niemals geprüfte Urteile.“, bzw. im Original ders., Foules; vgl. ähnlich zur kollektiven Intelligenzhemmung McDougall, Mind, S. 41; Freud, Massenpsychologie, S. 78 ff. 121 Le Bon, Psychologie, S. 10 ff.; Freud, Massenpsychologie, S. 35 ff. diagnostiziert daraus die „Massenseele“ als solche. 122 Siehe dazu oben B. II. 3. 123 Le Bon, Psychologie, S. 15 ff., 31, 46 f.; zust. Freud, Massenpsychologie, S. 51. 124 Le Bon, Psychologie, S. 16; was Freud, Massenpsychologie, S. 51 ff. übersteigert. 125 Le Bon, Psychologie, S. 36 f. 126 Freud, Massenpsychologie, S. 78 ff. m. w. N. 127 Arendt, Herrschaft, S. 559. 128 Vgl. namentlich Habermas, Öffentlichkeit, S. 313 m. w. N. sowie etwa ders., Faktizität passim.
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damit jeweils die kulturellen Erfahrung mit konkreten Gefahren und Schäden von Massenphänomenen, die namentlich das Grundgesetz prägen.129 Fehlen solche bzw. scheinen „von oben herab beherrschbar“, wie (bis vor der Trump-Präsidentschaft) in den USA, oder werden ihnen gar positive Effekte wie bei den friedlichen Revolutionen in Europa seit 1989130 (und den Aufbrüchen seit 1968) zugesprochen, ist die Bereitschaft, auf das Idealbild des „marketplace“ zurückzugreifen, umso größer. So ist etwa auch die Entwicklung der BVerfG-Judikatur, sich von den Erkenntnissen der „militant democracy“ zu entfernen, welche das GG mitprägten, plausibel erklärbar.131 Während Milton noch auf die „göttliche Hand“ zum besten Ergebnis vertraute, verengte sich Mill explizit auf den voll rationalen Gelehrtendiskurs.132 In diesem kann und darf die Forderung des „marketplace“ Geltung beanspruchen, er muss und darf nicht im Sinn einer Mehr- oder Minderheit zensiert werden. Für die allgemeinen demokratischen Politikprozesse hingegen erweist sich das Modell, wie anderen Orts bereits ausführlich dargelegt,133 als illusorisch, zudem mit erheblichen Gefahrenpotential bis hin zur Massenpsychologie.134 Daher begegnet die schlichte und umfassende Übernahme auf die Interpretation der Kommunikationsfreiheiten des ersten Zusatzartikels zur Bundesverfassung auch in den USA Kritik, die auf die inneren Widersprüche und fehlende Funktionsgarantie hinweist.135 Derzeit wird allerdings dort weiterhin überwiegend etwa ein Einschreiten gegen „fake news“ als dadurch ausgeschlossen betrachtet.136 Bereits die Voraussetzungen des „marketplace“ – namentlich freier Marktzutritt, Erkennbarkeit von Wahrheit bzw. Einschätzbarkeit der Güte von Meinungen und Informationen, Wille zur Beteiligung und vor allem die nötige Rationalität – bereiten erhebliche praktische wie theoretische Probleme.137 b) Die verhängnisvollste Grundannahme eines solchen Vertrauens in das gänzlich freigegebene politische Spiel der Akteure liegt indes in der Vorstellung ihrer 129
Vgl. ausführlich oben A. I. Hinweis von Habermas, Öffentlichkeit, S. 48 ff. 131 Freilich auch in Anschluss an die Theorien des exogenen Volkswillens und „Freiheit der Freiheit“, siehe dazu ausführlich oben B. II. 1., C. II. ff. 132 Vgl. auch Lippmann, Opinion, S. 398 ff.; Dahrendorf, Freiheit, S. 229 ff.; Zerback, Vielfalt, S. 30 ff. 133 Vgl. ausführlich oben B II. 4.; dazu bereits Fahrner, Präferenzoptimierung, S. 133 ff.; ders., Bündnis, S. 57 ff.; ders., Machiavelli, 103 ff. 134 Vgl. gerade oben 2., sowie etwa Steinberger, Demokratie, S. 185 ff. 135 Vgl. etwa Ingber, DLJ 33 (1984), 1 (17 ff.), S. 12 mit dem bemerkenswerten Argument, dass gerade die Annahme einer absoluten Wahrheit zur Dogmatik der Uneinschränkbarkeit des Wettbewerbs führen würde, während für einen ergebnisoffenen „echten“ Pluralismus dies ohne weiters möglich, wenn nicht erforderlich wäre. 136 Vgl. etwa Finnegan, U. Miami L. Rev. 75 (2021), 572; Hundley, Tul. L. Rev. 92 (2017), 498 (502 ff.). 137 Vgl. ausführlich unten E. I., III.; hier nur Zerback, Vielfalt, S. 26 ff. zusammenfassend m. w. N.; weiterhin auch bereits Lippmann, Opinion, S. 310 ff.; Garber, ARPS 6 (2003), S. 139 ff. 130
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Gleichordnung,138 die im Wesentlichen durch den gleichen Grad an, wenn nicht Freiheit insgesamt, so wenigstens individueller Rationalität, gekennzeichnet wären.139 Auch die juristische Demokratielehre der FDGO darf sich gerade nicht die zweifelnde Rückfrage verbieten, „wie gebildet, aufgeklärt, informiert, verantwortungsfähig- und verantwortungsbereit ihr jeweiliges Legitimationssubjekt ist.“140 aa) Psychologische Entscheidungsforschung, politische Psychologie und die auf ihr basierende Demokratietheorie benennen zahlreiche Faktoren, die politische Entscheidungen jenseits reiner ökonomischer Rationalität beeinflussen.141 Sie spiegeln sich in den empirisch-induktiv gewonnenen Erkenntnissen namentlich der empirischen Wahlforschung wider.142 Besondere Wirkung entfalten alle diese sozialwissenschaftlichen Modelle und Theorien dadurch, dass sie weithin durch politische Akteure wie Medien, Parteien, Verbände wahrgenommen, durch ihre Berater vermittelt und so versucht werden, zum politischen Erfolg angewandt zu werden.143 Sie alle lassen sich wiederum plausibel in den hier entwickelten Ansatz der begrenzten, v. a. rationalen, Freiheit einfügen.144 Lediglich zu betonen ist nochmals, wie 138
Vgl. hierzu weiter ausführlich unten E. I. 4. Vgl. hier nur oben B. II. 3.; sowie bereits ausführlich Fahrner, Bündnis, S. 57 ff.; Fahrner, Präferenzoptimierung, S. 133 (136 ff.) m. w. N. 140 Das Zitat im provokanten gegenteiligen Sinn der „Leerstelle des Volkswillens“ noch durch v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 112, ders., VVDStRL 69 (2010), 173 (201, insbes. Fn. 123); so impliziert die Marktanalogie eigentlich bereits die ordoliberale Notwendigkeit der staatlich gewährleisteten Bedingungen des Markerhalts etwa gegen markbeherrschende Stellungen. Meist wird jedem ökonomischen Modell der homo oeconomicus als vollrationaler Akteur zugrunde gelegt, wiewohl in der Wirtschaftswissenschaft die Spieltheorie bereits ausführlich dargestellt hat, wie subjektive Rationalität der objektiven widersprechen und insbesondere suboptimale Ergebnisse für alle zu produzieren vermag; vgl. hier nochmals etwa Höffe, Demokratie, S. 251 ff. m. w. N.; Ingber, DLJ 33 (1984), 1 (5) m. w. N.; allgemein Beck, Economics, S. 1 ff.; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, S. 93 ff.; im Übrigen bereits besonders emphatisch Milton, Areopagitica, S. 37 ff.; vgl. weiter Fahrner, Bündnis, S. 54 ff. m. w. N.; vgl. hier zudem etwa exemplarisch, Ariely, Irrational, mit zahlreichen Exemplifikationen; Fahrner, Bündnis, S. 46 ff. auch zu den historischen Hintergründen gerade als Antwort auf die Massenpsychologie; vgl. weiterhin Brentel, Rationalität, S. 21 ff., 56 ff., 223 ff. 141 Vgl. allgemein bereits oben B. II. 3.; daneben bereits Fahrner, Präferenzoptimierung, S. 133 (142 ff.); ders., Bündnis, S. 63 ff. jeweils m. w. N.; zusammenfassend einleitend Zmerli/ Feldman, Psychologie, mit den jeweiligen Beiträgen; zur ergänzenden Medienwirkungsforschung vgl. im Überblick etwa Maier, Massenmedien, S. 218 (224 ff.); zur politischen Emotionalitätstheorie vgl. Korte, Emotionen, S. 11 ff. sowie die weiteren dortigen Beiträge; Heidenreich, Theorie, S. 11 ff. sowie die Beiträge ab S. 137 ff. 142 Bemerkenswert etwa Arzheimer, Wahl, S. 523 ff., der eine Entfremdung rational Wahlund irrational fokussierter Extremismustheorie diagnostiziert hat; vgl. allgemein zum aktuellen Überblick Bürklin, Wählerverhalten; Pappi/Kurella/Bräuninger, Parteienwettbewerb; Moeckli, Wahlkampf; Gabriel/Westle, Wählerverhalten, S. 43 ff., 75 ff. 143 Siehe auch sogleich unten 5.; für Wahlkämpfe etwa Moeckli, Wahlkampf, S. 11 ff.; Berg, Wahlkampf; Falter/Römmele, Professionalisierung, S. 49 ff. 144 Vgl. oben B. II. 3., ohne dass im Einzelnen auf die kaum erfassbare Komplexität im Einzelnen näher eingegangen werden muss, vgl. nur etwa ausdrücklich zur begrenzten Ra139
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politische Kommunikation sich an Komplexitätsreduktion orientiert und gerade die geringen Rationalitäten großer Bevölkerungsteile adressieren und nutzen will.145 Exemplarisch seien die aktuellen Phänomene und Strategien des Agenda-Setting, Framing und Priming genannt, um nochmals zu verdeutlichen, wie weit sie von einem reinen rationalen Austausch von Meinungen, Stimmen und Sachpolitiken (policies) entfernt stehen: Nach den als Agenda-Setting identifizierten Mechanismen und Strategien werden Entscheidungen beeinflusst durch die Fokussierung der Entscheidungsträger, z. B. mittels solcher im Diskurs oder in der selektiven Vermittlung.146 Das Framing bewirkt eine „Interpretations-Konditionierung“ im Sinn bestimmter Deutungsrahmen, die automatisch bestimmte Assoziationen etc. auslösen und bestimmte Folgerungen und Erkenntnisse sperren oder stark aufwändig gestalten können und sollen. Sie werden zunehmend gezielt in politischen Debatten eingesetzt.147 Mit dem politischen Priming soll dies zu einer konditionierten unmittelbaren Verknüpfung mit bestimmten Wahlpräferenzen weiterentwickelt werden.148 bb) Massenpsychologische Effekte lassen sich zwar besonders bei räumlichen Zusammenkünften beobachten und wirken dort über die physischen Einfluss- und Verstärkungsmöglichkeiten besondere Gefährlichkeit aus.149 Zentrale dort vereinte Wirkungen lassen sich jedoch auch in virtuellen Kommunikationsformen deutlich feststellen.150 Dies gilt vor allem, wenn ähnlich wie in der Versammlung erhebliche Verstärkungsmechanismen entstehen und gegenläufige Kontroll- und Auflösungstionalität und Heuristiken noch etwa Gabriel/Westle, Wählerverhalten, S. 87 ff. sowie im Überblick die Beiträge bei Czerwick (Hg.), FS Sarcinelli. 145 Vgl. etwa für Wahlkampfkommunikation die „Symbolisierung der Politik“, nur z. B. Gabriel/Westle, Wählerverhalten, S. 277 ff.; näher zu Kampagnen, Messaging und Imaging auf dem Höhepunkt der „Spin-Doktoren“ im Selbstbild (Hybris) Plank, Kampagnen, S. 65 (69 ff.); Gerster, Botschaften, S. 97 ff. und besonders Althaus, Kommunikationsmanagement, S. 115 (123 ff.), sowie bemerkenswert decouvrierend S. 119, 127: „Wähler sind nicht wie Politiker … Sie hören nie richtig zu …Sympathisanten sind etwas träge Anhänger, die nicht lange mit Argumenten überzeugt werden müssen. Sie haben uns in der Vergangenheit gewählt und werden es wieder tun“. 146 Vgl. etwa grundlegend Lippmann, Opinion, S. 3 ff.; Cohen, Press, S. 1 ff.; McCombs/ Shaw, Public Opinion Quarterly, 36 (1972), S. 176 ff.; Jäckel, Medienwirkungen, S. 189 ff.; Bonfadelli/Friemel, Medienwirkungsforschung, S. 11 ff., 173 ff.; Rössler, Agenda-Setting, S. 9 ff.; Gabriel/Westle, Wählerverhalten, S. 278 ff. 147 Vgl. etwa die vielfältigen Belege und Wirkungsanalysen aus linguistischer Sicht von Wehling, Framing, S. 17 ff. m. w. N.; zu Konzepten in Wahlkämpfen auch Gabriel/Westle, Wählerverhalten, S. 284 ff.; empirische Nachweise zum Erfolg etwa bei Fass/Schoen, Framing, S. 123 (138 ff.). 148 Vgl. etwa Roskos-Ewoldsen/Roskos-Ewoldsen/Dillman Carpentier, Priming, S. 74 ff.; Scheufele/Tewksbury, in: Journal of Communication 57 (2007), 9 ff.; krit. Maier, Massenmedien, S. 218 (229 f.). 149 Vgl. theoretisch bereits gerade oben 2. sowie weiter unten E. IV. 2. a) dd) zur Versammlungsfreiheit, zur strafrechtlichen Relevanz vgl. zunächst bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 11 Rn. 3 ff., § 15 Rn. 1 ff. 150 Vgl. sogleich unten 5.
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effekte be- und verhindert werden. Besondere Bedeutung spielen dabei Gruppenwirkungen, die sich solchen von Massen annähern, bzw. diese als Extremfall in sich aufnehmen können, namentlich Gruppenidentifikation, Gruppenzwang und homogenisierende Suppressions-, Herden- und Eskalationseffekte.151 c) Die beiden Pole von „marketplace“ und „Masse“, aber auch die Skala zwischen ihnen, lassen sich aus dem bereits oben im Rahmen der rationalen Freiheit entwickelten Konzept der subjektiven und individuellen Rationalität152 (auch im echten Wortsinn einer freiheitlichen Demokratie) plausibel erfassen: aa) Dabei ist von der empirischen Erfahrung auszugehen, dass Individuen nur eine begrenzte Kapazität zur individuell rationalen Entscheidung besitzen und diese nur in einem noch geringeren Teil für politische Fragen einsetzen.153 Die daraus folgende begrenzte individuelle Rationalität ist, wie bereits dargestellt, von persönlichen Eigenschaften, aber auch der Gewinnerwartung einer rationalen Deliberation abhängig. Innerhalb der Masse ist letztere praktisch Null, im konzentrierten akademischen Diskurs sind beide sehr hoch zu erwarten. bb) Die Einrichtung politischer, namentlich repräsentativer oder sonst delegierter Institutionen durch alle Epochen lässt sich als Steigerung der gesamten politischen Rationalität durch Spezialisierung begreifen.154 Sie reduzieren zwar auch regelmäßig per se Komplexität, erlauben aber vor allem eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger im Alltag und die Übertragung politischer Prozesse der Deliberation und Entscheidung auf darauf spezialisiertes Personal. Alleine daraus wird im Übrigen deutlich, dass es eine reine Fiktion darstellt, dass im Volk zu jedem Detail des Staatshandelns permanent ein Wille bestünde, der zudem besonders rational wäre.155 Neben der Komplexität der Deliberationsprozesse liegt hierin auch der Grund für die Feststellung, dass das Volk bei Sach- und nachgelagerten Personalentscheidungen fähig nur zur Approbation und Reprobation politischer Entscheidungen, nicht aber zu deren Konzeption sei.156 Nicht zuletzt aufgrund der Überforderung der einfachen 151 Vgl. allgemein nochmals oben 2., speziell etwa Leidner/Tropp/Lickel, Gruppen, S. 236 ff. m. w. N.; Huddy/Gutting/Feldman, Intergruppenvorurteile, S. 253 ff.; Mann, Sozialpsychologie, S. 50 ff., 75 ff., 217 ff.; Weber/Knorr, Verzerrungen, S. 103 (108 ff.). 152 Vgl. oben B. II. 3. sowie bereits in Fahrner, Präferenzoptimierung, S. 133 (151 ff.), danach ders., Bündnis, S. 71 ff. 153 Vgl. Dahls, Democracy; Scharpf, Demokratietheorie, S. 34 ff. m. w. N.; Lameyer, Streitbare Demokratie, 195 f.; Kahler, Schicksal, S. 35 (55 ff.). 154 Vgl. als Strukturmerkmal bereits oben I. 2. c) cc). 155 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 131; Doehring, Staatslehre, Rn. 345, 348; Kelsen, Wesen, S. 54 ff unter Hinweis auf die dies unterstellende marxistische Theorie; Irrationalität und Anfälligkeit des Volks gerade geleugnet durch Fiktion der identitären Theorie; dagegen namentlich Schumpeter, Kapitalismus, S. 401 ff.; vgl. etwa Hidalgo, Volkssouveränität, S. 187 (199 ff.). 156 So bereits 1931 Kaufmann, Volkswillen, S. 272 ff.; Fraenkel, Demokratien, S. 330 ff.; Fraenkel, Pluralismus, S. B25 f.; zur Notwendigkeit der Repräsentation in Alltagsgesetzgebung gerade bereits bei Fröbel, System II, S. 123 ff., dort allerdings in strikter Abgrenzung zur Repräsentation in der Souveränität auf den sich Habermas beruft.
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Bürger zusammen mit der Kohärenz-Problematik sind Mechanismen einer unmittelbaren „liquid democracy“ Grenzen gesetzt.157 Umgekehrt sind Wandlungen des sog. Wahlbeteiligungsparadox feststellbar: Zunächst dominierte die Bundesrepublik eine habituierte und sozial normierte Wahlbeteiligung zugunsten eines hohen Stammwähleranteils.158 In Wellen führten dann hohe Gewinn- oder Schadenserwartungen zu hoher Anlasswählerschaft. Zuletzt scheint eine hohe Irrationalität die maßgebliche Bedeutung zu gewinnen, die z. B. „Wutbürger“ und selbsternannte „Querdenker“ prägend zu motivieren scheint.159 Diese „volatile Irrationalität“ der Wahlberechtigten und -partizipierenden erweist sich als ein zentrales Grundproblem der freien Demokratie.160 cc) Nach dem Grundsatz der Spezialisierung ist mit einer tendenziell bzw. regelmäßigen höheren individuellen Rationalität der Akteure zu rechnen, die über besonderes Wissen und andere Ressourcen im Hinblick gerade auf die politischen Prozesse verfügen – nicht zwingend allerdings über die konkreten Lebensumstände und subjektiven Interessen der Betroffenen.161 Darüber hinaus sind sie weit unmittelbarer von politischen Entscheidungen, wie etwa Wahlen in Ämter, abhängig und insoweit deutlich stärker interessiert. Es kann damit gesagt werden, dass je größer die Distanz von der „Peripherie der einfachen Bürger“ hin zu den politischen Machtzentren wird, die über besonders starke Ressourcen und Stäbe verfügen, die politischen „Eliten“ einen grundsätzlichen individuellen Rationalitätsvorsprung aufweisen.162 Ein ausgenutzter „Rationalitätsvorsprung“ kann auch in den „faschistischen“
157 Vgl. etwa v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 121 f. m. w. N.; Kersten, JuS 2014, 673; insoweit wohl ähnlich der Verweis auf die Probleme der Gesamtrepräsentation, die per se nicht überzeugen bei MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 71. 158 Mitverantwortlich für die feststellbare Korrelation zwischen absinkender Wahlbeteiligung und Parteibindung ist die Abnahme sozialer Integration und das „Schrumpfen der Milieus“ das sog. Dealignment; Eilfort, Nichtwähler, S. 348 f.; Schultze, Wechselwähler, S. 868 f.; zu Desillusionierungsprozessen vgl. etwa Mann, Sozialpsychologie, S. 214 ff. 159 Zu letzterem etwa Blühdorn, Demokratie, S. 12 ff.; Steck, Grundzüge, S. 130 f. 160 Vgl. Schultze, Wechselwähler, S. 869; situativ treten hohe Interessenssprünge auf, die zu erhöhter Partizipation beitragen können, bei der allerdings die Rationalitätsverschaffung häufig nicht Schritt hält. So wies etwa bereits Kahler, Schicksal, S. 35 (55) darauf hin, dass statt einem romantisierenden Volk von einem Publikum als zufällig-momentaner, anonymen und amorphen Menge mit „kurzfristigen, besinnungslosen Reaktionen“ auszugehen sei, die als „Käufer und Kunde, tyrannisch zugleich und leicht zu befriedigen und zu täuschen, Massensuggestionen, -hysterien und -paniken zugänglich“ seien. 161 Diese spezialisierten Akteure müssen in diesem Stadium noch nicht in staatlichen Ämtern etc. zu einer „offiziellen Elite“ geworden sein – auch mediale Akteure, Politikberatungen oder eine echte radikale „Avantgarde“, können ohne weiteres diese Anforderungen erfüllen. 162 Vgl. bereits auch zum Folgenden explizit Fahrner, Bündnis, S. 83 ff., ähnlich bereits ders., Präferenzoptimierung, S. 133 (151 ff.); dies wird unzureichend umschrieben mit unterschiedlicher Form der Rationalität, und alleiniger Zweckrationalität der Eliten etwa noch bei Voegelin, Gesellschaft, S. 46 (60 ff.); Weber-Schäfer, Demokratiediskussion, S. 431 (439 ff.).
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Techniken erkannt werden, die u. a. Löwenstein festgestellt hatte.163 Aber auch im demokratischen „Normalfall“ funktionierender friedlicher Institutionen wird seit langem die Interaktion von politischen Eliten in demokratischen Prozessen und zu den „Peripherien“ in Analogie zum ökonomischen Markt als politisches Marketing im Sinne von politischer Werbung verstanden.164 Diese umfasst zwar auch rationale Elemente, wie im „marketplace of ideas“ propagiert, konzentriert sich aber weit mehr auf andere „irrationale“ Elemente. Derartige Strategien sind wiederum ohne weiteres selbst (allerdings nur subjektiv und kurzsichtig) rational angesichts der begrenzten individuellen Rationalität der Bürger.165
4. Hauptangriffspunkte extremistischer Strategien In diesen theoretischen Rahmen der begrenzten individuellen Rationalität lassen sich präzise jene Hauptangriffspunkte und „Techniken“ traditioneller faschistischer wie allgemein moderner extremistischer Bewegungen einpassen, die von Löwenstein und seinen Nachfolgern herausgearbeitet wurden: „Der Faschismus appelliert an die Ungeduld des Volkes, den Unwillen des Volkes über Umständlichkeit, Unübersichtlichkeit und Unzulänglichkeit der demokratischen und rationalen Funktionen, er appelliert an die Furcht des Bürgertums vor sozialer Revolution, … vor Änderung überhaupt; er appelliert an die primitiven atavistischen Neigungen der Menschen zur Personalisierung der Konflikte“.166 Daraus lassen sich traditionelle und aktuelle Gefahren politischer Prozesse ableiten:167 Endpunkt soll der persönliche Eindruck der Bürger gegen den langfristigen Nutzen der friedlichen rechtsstaatlichen Demokratie gegenüber umstürzlerischen Alternativen sein. Persönliche rationale Überforderung soll zur Emotionalisierung, v. a. dem Gefühl eigener Ohnmacht und somit zum Ausgang der Unfriedlichkeit, führen.168 Darauf hinzuarbeiten, kann als Strategie populistisch-extremistischer Machtergreifung und Machtsicherung verstanden werden.169
163 Namentlich zum autoritären Machterhalt, aber auch vorgelagert zur Machtgewinnung; vgl. auch nochmals oben A. I. 164 Vgl. hier nur etwa Butter/Fuchs/Srnka, Marketing, S. 231 ff.; normativ krit. etwa bereits Thoma, Wesen, S. 66 (83 f.); sowie weiter unten ausführlich 5., v. a. b) aa). 165 Siehe unten 5. 166 So etwa auch Kahler, Schicksal, S. 35 (48); vgl. zu den Faschismustechniken nach Löwenstein nochmals oben A. I. 1. 167 Vgl. auch Fraenkel, Demokratien, S. 344 f.; als Entkoppelungstheorie etwa Scheuch/ Klingemann, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 12 (1967), S. 11 (13 ff.); Arzheimer, Wahl, S. 523 (541 ff. m. w. N.). 168 Vgl. bereits Hesse, Grundzüge, Rn. 164; Luhmann, Komplexität, S. 35 (44); Habermas, Legitimationsprobleme, S. 178 ff.; ders., Technik, S. 96 ff.; Schelsky, Mensch, S. 30 f. 169 Vgl. nochmals Löwenstein mit den Nachweisen oben oben A. I. 1.
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Solange die der FDGO feindliche Bewegung nicht in regulatorischer, ressourcenmäßiger oder informatorischer Freiheit Unterstützung sichern und Widerstand brechen oder schwächen kann,170 kommt der Beeinflussung auf Ebene rationaler Freiheit der Betroffenen entscheidende Bedeutung zu:171 Dazu kann erstens dienen, Rationalitätserwartungen in die eigentliche politische Entscheidung zu senken, weil „alle (System)-Parteien ohnehin gleich“ wären, es also keine Differenz gäbe, zudem alle keinen Nutzen für den Betroffenen brächten.172 Hingegen wird die eigene Bewegung zur einzigen, die profitabel erscheint. Zweitens sollen erwartete Kosten für rationale Entscheidungen verteuert werden, etwa durch das gezielte Verwischen der Güte und der Diskreditierung seriöser Informationsquellen.173 Wenn drittens ein permanenter Stress durch entsprechende Bedrohungsszenarien, den Eindruck der Zeitknappheit und permanente Überforderung durch vermeintlich „wichtigen“ Unsinn erzeugt werden kann, wird zudem rationale Reflexion vereitelt.174 Viertens dient nicht nur dazu als „Begleitmusik“ die permanente Vermittlung hochgradig emotionalisierender und irrationalisierender Elemente selbst: Dazu zählen: Ängste und Befürchtungen und daraus der Eindruck eigener Machtlosigkeit unter „normalen“ Bedingungen,175 ebenso die moralische Aufladung politischer Enttäuschung („wir werden betrogen“) auch mit Ungerechtigkeitsemotionen („Die bekommen zu Unrecht, was uns zusteht“).176 Besondere Bedeutung haben Verschwörungserzählungen, da sie gegen eine Re-Rationalisierung abschirmen, nicht widerlegbar scheinen und die Kriterien der Rationalität selbst in den Befallenen so zerstören können, dass diese dafür nicht mehr zugänglich erscheinen.177 Schließlich wird ein Framing in Richtung auf die vertretene Ideologie etwa im Sinn einer Heilsbotschaft als alleinige legitime und unbedingte Leitwerte betrieben, etwa den Erhalt der „Rasse“ bzw. des ethnischen „Volkes“, des Kommunismus, eines Gottesstaates usw.178 Fünftens werden mögliche Massen-, jedoch zunehmend allgemeine Grup-
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Etwa z. B. auf Ressourcenebene durch finanzielle Geschenke an die Anhänger nach bereits erfolgter temporärer Machtergreifung oder „Abstrafen“ von nicht Unterstützenden in allen finanziellen oder gewaltsamen Formen. 171 Vgl. nochmals ausführlich dazu oben B. II. 3. 172 Vgl. etwa Bott, Volksfeind-Ideologie, S. 30 ff. 173 Vgl. etwa auch die Auswirkungen der „Lügenpresse“, des sogenannten Hostile-MediaEffektes, Holtz/Kimmerle, „Lügenpresse“, S. 21 ff. 174 Vgl. etwa Bott, Volksfeind-Ideologie, S. 34. 175 Vgl. etwa Bott, Volksfeind-Ideologie, S. 29 f.; für den islamistischen Extremismus etwa auch Post, Psychologie, S. 288 (306) m. w. N. 176 Bott, Volksfeind-Ideologie, S. 30 ff. m. w. N.; vgl. auch Huddy/Gutting/Feldman, Intergruppenvorurteile, S. 253 ff.; zum Problem des politischen Vertrauens und der Werteenttäuschung etwa auch Bader/Behnke, Einstellungen, S. 191 ff. 177 Vgl. Salzborn, Mittelweg 36 (2016), 76 (83 ff.); bereits Bott, Volksfeind-Ideologie, S. 32 ff. für „jüdische Weltverschwörungen“; allg. Appel/Mehretab, Verschwörungstheorien, S. 117 ff. 178 Vgl. etwa Bott, Volksfeind-Ideologie, S. 36 ff.
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peneffekte genutzt, um anderweitig vorhandene Irrationalität noch zu steigern.179 Es geht dabei um die wechselseitige Verstärkung in geschlossenen Kommunikationsblasen und Isolierung gegen cross-pressure-Einflüsse. Diese sollen etwa durch Machtmittel „zum Schweigen“ gebracht werden. Stattdessen werden auf der Ebene erreichter Bindung die klassischen emotionalen Massentechniken, ständige Wiederholung, einfache stereotype Bilder, etwa im Freund-Feind- oder „wir-gegen-die“Denken sowie hohe Emotionalisierung genutzt.180 Rationale Argumente werden ad absurdum geführt durch künstliche Dilemmata- und Doublebind-Konstruktionen, (erneut) permanente Verschwörungstheorien und ironische Brechung jeder rationalen Orientierung und daraus rationalen Überforderung mit dem Ziel der Irrationalität.181 Erst darin können die bereits beschriebenen klassischen faschistischen Einschüchterungseffekte im Sinn vor allem partikularer regulatorischer Freiheitsbeeinträchtigung182 eingesetzt werden, um Dominanz und „Machträume“ zu markieren, sei es auf der Straße und in realen, oder in virtuellen Kommunikationsräumen.183 Nicht zuletzt sichern diese die Abschottung und Selbstbestätigung der Anhänger ab.
5. Aktuelle Anfälligkeiten der Demokratie Gerade moderne Demokratien erweisen sich – wiewohl nach strikt formalem Maßstab „intakt“ – als ebenfalls zunehmend anfällig für derartige Mechanismen und Taktiken der Irrationalisierung.184 a) Dazu tragen vor allem anderen die allgemeine explosionsartige Omnipräsenz von globalen Ereignissen, politischen Problemen und Informationen, die Entgrenzung, Entdifferenzierung und Entstrukturierung der Lebenswelten und daraus wahrnehmbarer Komplexität und Interdependenz in der globalen medialen Gesellschaft bei,185 die zu einer ständigen „rationalen Überflutung“ führen kann.186 179 Zu den Effekten der Gruppenidentifizierung, und v. a. realen, symbolischen und distinktiven Bedrohungsszenarien überzeugend detailreich Leidner/Tropp/Lickel, Gruppen, S. 236 (241 ff.) m. w. N. 180 Vgl. etwa Huddy/Gutting/Feldman, Intergruppenvorurteile, S. 253 ff. 181 Hier zeigt sich das Hauptproblem, dass die Theorie des „marketplace“ und darauf aufbauende Verfassungslehre gerade die rationale Freiheit nicht als Einschränkbar verstehen kann bzw. will, vgl. oben 1. sowie unten E. IV. 2. Zum Problem des allgemeinen Gesetzes. 182 Vgl. oben B. II. 3. 183 In diesem Sinn zum Ganzen schon ausführlich Löwenstein, s. o. A. I.; vgl. umfassend weiter dazu aus strafrechtlicher Perspektive bereits Fahrner, ZIS 6 (2021), 365 ff. 184 Ähnlich bereits im Ansatz bereits Kahler, Schicksal, S. 35 (47); vgl. zur hohen Irrationalisierung und dahingehenden Anfälligkeit unter vielen etwa Reinemann,/Maurer, Leichtgläubig, S. 239 ff. mit empirischen Studien. 185 Hesse, Grundzüge, Rn. 164. 186 Vgl. bereits Meyrowitz, Sense, Habermas, Öffentlichkeit, S. 49.
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aa) Hinzu tritt jedoch eine neue Qualitätsstufe des „knowledge gap“, da vorrangig finanziell ärmsten Gesellschaftsschichten bereits ein ausreichender physikalischer Zugang und bildungsferneren ein hinreichendes aktives Informationsinteresse fehlen kann. Längst ist deutlich geworden, dass „Informationsgesellschaft“ zwar unbegrenzte Verfügbarkeit, nicht aber notwendigerweise Zugänglichkeit von Informationen bedeutet.187 bb) Unterschiedlichste, auch nichtpolitische Angebote, zersplitterte Öffentlichkeiten und häufig versagende Zugriffsheuristiken bewirken, dass die mögliche informationelle Transparenz durch strukturelle Intransparenz aufgehoben wird.188 Es zeigt sich das Paradoxon des „information overload“: bei sinkenden Informationsbeschaffungskosten nimmt die Entscheidungsrationalität ab. Dies ist die Folge davon, dass die Motivation zur Beschaffung benötigter Informationen sinkt, weil der Aufwand für das Auffinden und die Selektion in keinem Verhältnis zum Nutzen steht und darüber hinaus die Unübersichtlichkeit Frustrationen erzeugt.189 cc) Zu diesen hinzu treten für sie intransparente Filterungsmechanismen, etwa von Suchmaschinen, sozialen Netzplattformen und komplexen Mitteilungsdiensten. dd) Noch stärker als unter deren früherer Alleinwirkung wird die begrenzte Aufmerksamkeit der Bürger zu einem bestimmenden Paradigma für die individuelle Handlungslogik aller politischer Akteure wie für die Funktionsweise der Demokratie überhaupt.190 b) Als wesentlicher Faktor treten die Wandlungen jener politischen Kommunikation auf, die für die freie demokratische Meinungsbildung als entscheidend angesehen werden.191 aa) Dazu zählt die enorm gesteigerte Dynamik der Informationsvermittlung, der Kommunikation, auch daraus der Ereignisabfolgen. Sie steigern die Anforderungen an die Responsivität des politischen Systems in ungekanntem Maß. Politische Eliten 187 Vgl. hierzu und zum Folgenden Fahrner, Interessenverband, S. 167 (199); Weischenberg, Markt-Demokratie, S. 237 jeweils m. w. N. 188 Daher muss die wichtigste Veränderung gegenüber den klassischen Massenmedien nicht in einer Senkung von Informationskosten oder Erhöhung der Rationalität, sondern allein in den Möglichkeiten der Kommunikation hin zum Zentrum sowie dem Entstehen wenig vorhersehbarer Medienakteure mit hoher Verstärkungswirkung erkannt werden, deren Regulierung, trotz ähnlicher Wirkungen, die klassischer Medien nicht erreicht; vgl. etwa auch Holznagel, VVDStRL 68 (2009), S. 381 (388 ff.). 189 Überangebote und Überforderung zeichnen vor allem in Web-Angeboten und Mitteilungen über soziale Netzwerke aus. Die Beteiligten reagieren (modellgemäß) mit Irrationalitäten, namentlich Heuristiken und Herausbildung von Habituierungen in der Auswahl. 190 Vgl. zur Ökonomie der Aufmerksamkeit grundlegend Franck, Ökonomie; ökonomisch Davenport/Beck, Attention, S. 34 ff.; aus psychologisch-soziologischer Sicht natürlicher Akteure u. a. im Querbezug zur Anerkennungstheorie von Honneth Bernardy, Aufmerksamkeit, S. 21 ff.; stärker Medienökonomisch im Überblick Nolte, Aufmerksamkeit, S. 37 ff. 191 Vgl. etwa BVerfGE 12, 205 (260); 20, 162 (174); 57, 295 (320); 77, 346 ff.; 90, 60 (86 f.); zu den Meinungsbildungsprozessen ausführlich oben bereits I. 3. sowie insgesamt unten E.
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in Macht-, Mittler- oder Oppositionspositionen geraten so selbst unter Handlungsdruck.192 Nicht nur deswegen (und wegen der jederzeitigen Hervorholbarkeit) reagieren sie, gewinnversprechender, häufig mit unverbindlichem oder rein auf Beeinflussung werbendem Politikmarketing statt rationaler Argumentation.193 Eine „richtige“ Darstellung irgendeines Problems wird durch sie gar nicht mehr versucht, als Folge erhalten die Rezipienten nur noch oberflächliche Simplifizierungen, wenn nicht grobe Verfälschungen der Tatbestände.194 Dies gilt insbesondere, wenn vermeintliche Alternativlosigkeit bzw. Sachzwänge behauptet werden, welche beim Bürger zu geringen Nutzenerwartungen von Information und Partizipation führen.195 Die politischen Alternativen werden so immer weniger rational bewertbar. Im vorübergehend rationalen Bestreben, möglichst große Stimmenanteile von den Stammwählern bis in „die Mitte“ reichend zu gewinnen, führen breite Projektionsflächen an Programmen und Mottos mittelfristig zu einem Wegfall jeder Orientierung „wofür die Partei steht“. Auch Vertrauen als politisches Kapital und heuristische Hilfe bleibt dann nur noch an das Image von Personen gebunden.196 Es wird leicht erschütterbar durch tatsächliche oder rational ungerechtfertigt „gehypte“ Skandalisierungen. Die wohl größte Gefahr besteht darin, wenn politische Eliten sich dergestalt ihren Wählern überlegen glauben, dass sie nicht nur meinen, mit Politmarketing eigene Erfolg- und Profillosigkeit vermarkten zu können, ja zu müssen.197 Eine weitere Stufe ist erreicht, wenn diese Eliten nur noch Beratern, sowohl im Marketing wie (rückbezogen und dem untergeordnet) tatsächlichen Sachpolitiken (policies) vertrauen und sich dadurch in der Sache gegen die eigene (als rückständig
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Vgl. etwa Blühdorn, Demokratie, S. 25 ff. Vgl. Habermas, Öffentlichkeit, S. 45 ff., S. 314 ff. m. w. N.; Berelson/Janowitz, Public Opinion, S. 319; Fraenkel, Demokratien, S. 345; bereits Lowell, Opinion, S. 60 sah 1913 voraus, dass in Zukunft Demokratie sich in einem Zeitalter der politischen Makler und der politischen Reklametechniker entfalten werde; vgl. etwa Butter/Fuchs/Srnka, Marketing, S. 231 (233); zum Imaging aus Selbstwahrnehmung des Akteurs Gerster, Botschaften, S. 97 (105 ff.). 194 Kahler, Schicksal, S. 35 (55); Blühdorn, Demokratie, S. 36 ff. 195 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 165. 196 Vgl. zur Personalisierung etwa Falter/Römmele, Professionalisierung, S. 49 (51 f.); Graner/Stern, Personalisierung, S. 145 ff.; Sarcinelli, Symbolische Politik, S. 178 ff. 197 Sondern eben auch objektiv keinerlei Leistung und rationale Attraktivität derzeit aufweisen zu können; dass dies Erfolg haben kann, folgt insbesondere aus Strategien des Listenwahlrechts mit personenverbandlicher Absicherung in Nominierungsparteitagen, die einem festen Kern einer Parteielite trotz massivster Wahlverluste die Wiederwahl gewährleisten, ebenso wie die Segmentierung nach bestimmten Quoteneigenschaften nicht nur nach Geschlechter- sondern z. B. regionalem, „Jugend-“ oder Flügelproporz, wobei es dann ausreicht, diese Partikularinteressen zu gewinnen bzw. zu dominieren, auch wenn sich dies für die Integrations- und Leistungsfähigkeit der Partei und ihre Erfolge als kontraproduktiv erweist; zu den Phänomenen der „Spin-Doktoren“ im Zusammenhang mit dem folgenden globalen Niedergang der Sozialdemokratien sei nur allgemein hingewiesen; zum Begriff etwa Falter/ Römmele, Professionalisierung, S. 49 (52) sowie die weiteren Beiträge im Sammelband auf dem Höhepunkt der „Schröder-Euphorie“ 2002. 193
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irrational unterstellte) Anhängerschaft immunisieren.198 Bestehen dann durch die Wahlakte selbst keine realistischen Korrekturmechanismen, kann dies (und die daraus resultierenden Enttäuschungen breiter Wählerschichten, die Politmarketing für bare Münze genommen haben) als ein wesentliches Einfallstor für extremistische Gefährdungen der Demokratie und Entstehung und Verfestigung extremistischer Parteien betrachtet werden.199 bb) Andererseits wird die unmittelbare dialogische Kommunikation zwischen Bürgern und Verantwortlichen und Vertretern der Parteien sowie zwischen Parteianhängern bzw. -mitgliedern und Funktionsträgern immer weiter mediatisiert. Traditionell in Bürgersprechstunden, Stammtischen, Klein- und Fachveranstaltungen, Wahlständen etc. real verortet, werden sie mit deren Bedeutungsrückgang nicht nur zwischengeschalteten erheblichen Selektionen und Färbungen unterworfen, sondern beide Seiten einander entfremdet.200 In den komplex gegliederten, geographisch weiträumigen modernen Gemeinwesen mit immer attraktiveren Formen medialer Kommunikation tritt die Bedeutung des unmittelbaren „face-to-face“Dialogs gegenüber der medial vermittelten Öffentlichkeit seit langem immer weiter zurück, die politisch relevante Öffentlichkeit erscheint primär und immer exklusiver medienvermittelt.201 Dabei sind, in der Tradition von Habermas, mehrere Strukturwandel der (weit verstandenen) Medien demokratischer Prozesse zu beobachten:202 Bereits Druckwerke nach Gutenberg’scher Vervielfältigungstechnik bewirkten nicht nur eine Ergänzung unmittelbarer Kommunikation. Die Verbreitung der Werke veränderte die politischen Prozesse zwischen „Sendern“ und „Empfängern“ grundlegend, bei denen die Erreichten dem ersteren nicht mehr persönlich bekannt waren. Sie erfolgte, technisch determiniert, prägend unidirektional, und zwar sowohl in den Druckwerken wie Zeitungen ebenso wie später elektronischen Massenmedien wie dem Rundfunk.203 Nur in letzterem, nicht ersterem, unterscheiden sich richtungsoffene digitale Öffentlichkeitsplattformen (etwa „soziale Netzwerke“), die 198 Etwa auch, in dem diese als modernisierungsverweigernd, aber gleichzeitig leicht „bedienbar“ vermeint wird, wie etwa die tradierte sozialorientierte sozialdemokratische Wählerschaft gegenüber den „Spin-Doktoren der Neuen Mitten“, etwa aus deren Sicht Althaus, Kommunikationsmanagement, S. 115 (119 ff.) sowie die weiteren Beiträge im Band. 199 Vgl. etwa auch zu Extremismus als Modernisierungs-Entkoppelungstheorie grundlegend Scheuch/Klingemann, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 12 (1967), 11 (13 ff.); dazu und zu Weiterführungen Arzheimer, Wahl, S. 523 (541 ff. m. w. N.). 200 Habermas, Öffentlichkeit, S. 273 f.; Shirvani, Parteienrecht, S. 95 ff., 99 ff.; Kalina u. a. (Hg.), Gesellschaften; die Beiträge in Sarcinelli (Hg.), Politikvermittlung; Holznagel, VVDStRL 68 (2009), S. 381 (396 ff.); sowie auch zum Folgenden auch Fahrner, Interessenverband, S. 167 ff. m. w. N. 201 Vgl. empirisch Hackenbroch, Verbändekommunikation, S. 483 m. w. N.; Gerhardts, Konzeptionen, S. 40; Müller-Doohm, Öffentlichkeit, S. 49; Francis, Meinungsbildung, S. 109; für das Verfassungsrecht etwa Badura, Staatsrecht, Rn. C66 ff., D17. 202 Vgl. zum Ganzen Habermas, Öffentlichkeit, passim; Fahrner, Buchdruck, S. 13 ff. m. w. N. 203 Vgl. etwa Fahrner, Buchdruck, S. 13 ff. m. w. N.; Maier, Massenmedien, S. 218 ff.; Maletzke, Massenkommunikation, S. 32.
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diese klassischen Publikationsformen ergänzen, jedoch nicht ersetzen.204 Nach einer weitgehenden Dominanz klassischer gedruckter und elektronischer Massenmedien205 bis im letzten Drittel des 20 Jahrhunderts206 haben sich aus den fortbestehenden und überfordernden komplexen Vermittlungsformen neue weitgehend habituierte „Medienagenten“207 i. e. S. herausgebildet.208 Das Internet und darauf vor allem aufbauend das World Wide Web und die sog. sozialen Netzwerke haben zwar bereits zu vielfältigen multidirektionalen und -dimensionalen Kommunikationsformen unter besonderer Berücksichtigung der Freiheiten der Nutzer beigetragen.209 Der Übergang von Individual- und Massenkommunikation, horizontalem und vertikalem Diskurs wird vollends fließend.210 Die durch sie alle bewirkte „Entfremdung“ zwischen den Beteiligten demokratischer Prozesse betrifft auch die Orientierung der politischen Kommunikation an den Selektionskriterien, die etwa unter dem Begriff der „Medienlogik“ zusammengefasst werden.211 cc) Klassische wie neue Medienagenten handeln bei ihrer Filter- und Vermittlerfunktion nach der ihnen eigenen Strukturlogik.212 Damit treten die Medien nun ganz als eigenständige Akteure, Gate-Keeper, Agenda-Setter und Kommunikatoren in den Vordergrund der politischen Kommunikation:213 Sie determinieren die Politik zwar zunächst nicht direkt. Allerdings beeinflussen sie Interaktionsmöglichkeiten aller politischen Akteure und damit den politischen Prozessverlauf entscheidend. Sie sind so Handelnde und Handlungskontext in einem.214 Dennoch kann die Selektion der Medienakteure durch politische Akteure beeinflusst werden: einerseits in der direkten Einwirkung auf die Entscheidungsprozesse der Akteure, andererseits durch die Ausgestaltung der zu vermittelnden Nachrichten.215 Je geringer der Einfluss eines Interesses ist, umso mehr ist es darauf angewiesen, durch die Art und Aufbereitung der Informationen die Interessen des Mediensystems und seiner Akteure zu treffen. Unmittelbar die jeweiligen Medienagenten, dadurch alle vermittlungsbedürftigen 204
Vgl. etwa bereits Fahrner, Interessenverband, S. 167 ff. Zum Begriff der Massenmedien siehe Luhmann, Massenmedien, S. 10; Kloepfer, HdbStR III, § 42. 206 Vgl. Gerhardts, Konzeptionen, S. 34 m. w. N. 207 Siehe zum Begriff und Ausgestaltung unten sogleich 3. und weiter ausführlich E. IV., sowie bereits Fahrner, Interessenverband, S. 167 ff. m. w. N. 208 Vgl. ausführlich bereits dazu Fahrner, Interessenverband, S. 167 ff. m. w. N. 209 Vgl. ausführlich zum Ganzen auch Folgenden bereits Fahrner, Interessenverband, S. 167 (187 ff.) m. w. N.; ferner zur „Schwarmdemokratie“ Kersten, JuS 2014, 673. 210 Rössler, Definitionsmacht, S. 85. 211 Vgl. grundlegend Altheide/Snow, Media Logic; Esser, Mediatization, S. 155 ff.; Karidi, Medienlogik, S. 11 ff.; namentlich unter Einfluss von Online-Medien Thieroff, Medienlogik, S. 93 ff. 212 Vgl. nur Müller-Doohm, Öffentlichkeit, S. 54 m. w. N. 213 Imhof, Symbiose, S. 165. 214 Jarren, Mediengesellschaft, S. 81 f. m. w. N. 215 Hackenbroch, Verbändekommunikation, S. 485 m. w. N.; Rossmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 85. 205
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Interessengruppen, haben daher rational darauf zu zielen, die knappe Aufmerksamkeit eines möglichst großen Publikums zu erringen.216 c) Für die (Re-)Rationalisierung von Abstimmenden sind Cross-pressure-Einflüsse, vor allem individuell und medienvermittelter Heterogenität von Informationen Voraussetzung.217 aa) Die „Unübersichtlichkeit“ und Informationskosten werden gesteigert, wenn Informationsmittler und -anbieter zunehmend als untauglich angesehen werden, rational218 namentlich wegen unzureichender – oder aber durch (vorzugsweise ökonomische) Eigeninteressen – selektierter und gefärbter Informationen.219 Dazu tritt die Vermischung durch eigene unmittelbare Publikationen etwa durch politische Akteure, die immer mehr die direkte und damit direkt beeinflussbare Kommunikation mit ihrem Zielpublikum suchen, beispielsweise durch Etablierung eigener direkter Kommunikationswege über soziale Medien, die dann wiederum von Medien aufgegriffen werden.220 Auch hier haben emotionalisierte, persönliche HäppchenMeldungen (z. B. „Minister-Tweets“) und „Stories“ eine viel größere Chance viral zu gehen als fundierte Analysen und rationale Argumentation. Sie tragen aber erhebliche kurzfristige Risiken der Missverständnisse und Missbrauchs und so längerfristig zur Angleichung und Entwertung der spezifisch amtlichen Autorität bei. bb) Besondere Bedeutung gewinnt dabei die „Medienmacht“ als „politische Marktmacht“ und die mit ökonomischen Profitinteressen verschränkten Medienstrategien.221 Wie bereits Habermas ausgeführt hat, findet ein zentraler Wandel der 216
Vgl. nur Gerhardts, Konzeptionen, S. 37. Schultze, Wechselwähler, S. 868; Eilfort, Nichtwähler, S. 346 f.; Abendroth/Feulner/ Richter, Informationen, S. 141 ff.; zur Erklärung über die Theorie der kollektiven Dissonanz vgl. etwa die Nachweise bei Zerback, Vielfalt, S. 48 ff. 218 Neben emotionalen subjektiven Faktoren wie zu langweiliger und unpassend aufbereiteter, oder zu konträrer, und damit in der Verarbeitung zu aufwendigen, Inhalte. Das Aufgreifen dieser Faktoren führt wiederum in die weitere Boulevardisierung und damit rationale Unattraktivität klassischer Nachrichtenmedien. 219 Die klassische Gegenüberstellung ausgewogen multidirektionaler Kommunikation der klassischen Öffentlichkeit gegen die unidirektionale der Masse und der unmittelbaren staatlichen Zurückhaltung bzw. Kontrolle wie bei Mills, Elite, S. 303 f. zust. noch Habermas, Öffentlichkeit, S. 358 f. kann in sozialen Netzwerken mit extremer indirekter Manipulation und allgemein hoher Irrationalität in medialen Auswahlentscheidungen nur noch eingeschränkt verwendet werden; vgl. aktueller zusammenfassend Zerback, Vielfalt, S. 145 ff., 165 ff.; Maier, Massenmedien, S. 218 ff., 224 ff. sowie insgesamt die Überblicksliteratur zur Medienwissenschaft. 220 Vgl. nur zum ersteren Habermas, Öffentlichkeit, S. 268. 221 Vgl. etwa Thoma, Wesen, S. 66 (83 ff.); Holznagel, VVDStRL 68 (2009), S. 381 (399 ff.); Hofmann, Medienkonzentration, S. 29 ff.; Habermas, Öffentlichkeit, S. 45 ff.: Anfälligkeit der Öffentlichkeit aus kommunikativer Erzeugung legitimer Macht umzuwandeln in die „manipulative Inanspruchnahme der Medienmacht zur Beschaffung von Massenloyalität“ bzw. manipulativer Beeinflussung der demokratischen Willensbildung; zum bislang wohl bei Weitem noch nicht voll erfassten „Verlegerinteresse“ die Studien bei Zerback, Vielfalt, S. 186 ff., dort S. 191 ff. zum indirekten Einfluss über „redaktionelle Linien“ m. w. N. 217
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Öffentlichkeit seine Wurzel in jenem von intrinsischen zu vor allem unmittelbaren kommerziellen oder politischen Eigeninteressen der Medien.222 Aus der kommerziellen Ausrichtung sind diese unternehmerischen Medien den üblichen ökonomischen Prozessen der Gewinnmaximierung unterworfen, mithin, einerseits, Kostensenkung und Tendenz zur Marktkonzentration:223 Dies bedingt eine geringere qualitative Prüfung und Abnahmeinteresse von Informationen bei geringen Beschaffungs- und Darstellungskosten sowie Erhöhung nichtinformativer Anteile.224 Der Spielraum für stakeholder- statt shareholder-value verschwindet. Damit steigt die Anfälligkeit für ökonomisch profitable Einflüsse ebenso wie die eigene Ausrichtung alleine an perzipierten kommerziellen Folgen von Veröffentlichungen, etwa gegenüber Werbekunden und Anlegern. Daraus folgt, andererseits, der Anreiz, vorrangig die Werbeeinnahmen zu maximieren und Werbekunden oder Kapitalanlegen nicht zu verschrecken. Die Reichweite an Medienkonsumenten ist dafür ein (sekundärer) Faktor, der ebenso Selektion und Inhalte z. B. mittels eines „Nachrichtenwerts“, bestimmt.225 Insgesamt ist zu erwarten, dass diese „Meinungspflege“ dominiert und dahin Anlässe planmäßig ausgenutzt und vermeintlichen Neuigkeiten geschaffen werden – mit rationalitätssenkenden Wirkungen.226 Dadurch kommen einzelne Interessen privilegiert zur Darstellung, obwohl sie für Publikumsinteressen nicht repräsentativ sind, was wesentlich zur Herausforderung bis zur Destabilisierung der demokratischen Funktionen der Öffentlichkeit führen kann.227 So wurde im Höhepunkt der Massenmedien konstatiert, „der Bürger als Elementarteilchen [steht, M.F.] einer zusehenden Öffentlichkeit weitgehend ohnmächtig gegenüber. Politik wird zu einem Spiel, das den Regeln der gegenwärtigen Medienkultur folgt und das der Bürger deutlich öfter konsumiert als … zu partizipieren.“228 cc) Schließlich verschwinden kontrollierende points of reason, etwa des fachlich qualifizierten und verantwortlichen klassischen Journalismus, der angesichts kurzfristiger ökonomischer Profitausbeute oft billiger durch Imitation und pure Erfin-
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Habermas, Öffentlichkeit, S. 275 ff., 284: „Im Maße ihrer Kommerzialisierung und der ökonomischen, technologischen wie organisatorischen Konzentration sind sie aber während der letzten hundert Jahre zu Komplexen gesellschaftlicher Macht geronnen, so dass gerade der Verbleib in privater Hand die kritischen Funktionen der Publizistik vielfach bedrohte“. 223 Habermas, Öffentlichkeit, S. 284 ff. m. w. N. 224 Vgl. etwa Rössler, Definitionsmacht, S. 79; Imhof/Schulz, Raisonnement, S. 10; Jarren, Mediengesellschaft, S. 81 ff. 225 Grundlegend Lippmann, Opinion; aktuell etwa Maier/Retzbach/Glogger/Stengel, Nachrichtenwerttheorie, S. 13 ff.; Appel/Roder, Nachrichtenfaktoren, S. 33 ff.; Zerback, Vielfalt, S. 166 ff. dort S. 205 ff. namentlich zu Nachrichtenagenturen m. w. N.; zum Verhältnis ökonomischer und publizistischer Wettbewerb vgl. Hofmann, Medienkonzentration, S. 34 ff. 226 Vgl. auch bereits Habermas, Öffentlichkeit, S. 290 ff. 227 Habermas, Öffentlichkeit, S. 284. 228 So etwa 1997 exemplarisch Rössler, Definitionsmacht, S. 81; ausführlicher Fahrner, Interessenverband, S. 167 (181 ff.).
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dung ersetzbar scheint.229 Der ökonomische (Außen-)Wettbewerb der Medien führt nicht zur Vielfalt, sondern zu Angleichung vor allem in der Generallinie, um bestimmte (verbliebene) Leserkreise zu erreichen.230 Dadurch entwickelt sich die Kommunikation in der Öffentlichkeit auch mangels Ressourcen immer selbstreferenzieller und durchaus im mathematischen Sinn chaotischer:231 Einzelne Reize werden durch (ggf. überbietendes) „Abschreiben“ immer weiter explosionsartig verstärkt, während andere, objektiv weitaus gewichtigere, Themen ohne jede Resonanz bleiben. dd) Die formalen Partizipationskosten in Meinungsaustauschprozessen werden indes geringer, die Informationskosten höher, woraus sich die klassischen Arenen aktiver und passiv-irrationaler Öffentlichkeit auflösen.232 Waren soziale Netzwerke zunächst durch einen hohen Anteil besonders individuell rationaler Beteiligter gekennzeichnet, die sich gegenüber der allgemeinen, v. a. massenmedial politisch erreichten Öffentlichkeit abhoben,233 hat sich dieses Bild mittlerweile gewandelt. Hinzu tritt für alle Akteure der Zeitfaktor: Da die Kosten für die Beteiligung in digitalen Öffentlichkeiten praktisch nur noch im Zeitaufwand bestehen, ist aus irgendeinem vordergründigen Interesse (ohne jede Kenntnis oder nähere Betroffenheit) die spontane Äußerung im „mainstream“ oder „shitstorming“ attraktiv, die schnelle, impulsive Reaktion dominant, letztlich damit Massenpsychologie virtualisiert erreicht.234 Neben die klassische Medienmacht tritt eine solche durch technische Manipulationen der medialen Öffentlichkeit, z. B. durch sogenannte „social bots“, mit denen bewusst und gezielt etwa Mehrheits- und Herdeneffekte erzeugt werden, z. B. für das Verbreiten von Unwahrheiten, für und gegen bestimmte Positionen und direkt Personen.235 d) In dem Maß, wie sich das politische Zentrum in einem Resonanzraum politischer Beratung, Interessen und machtvoller Medien bestimmen lässt, und vor allem letztere mit Eigenlogiken Meinungen und Diskussionen der Peripherie der Bürger immunisieren, entstehen Entkoppelungseffekte innerhalb der demokratischen Prozesse.236 Es bilden sich, wie sonst zwischen sozialen Gruppen, „Membranen“ gegen unterschiedliche Bereiche des politischen Austausches, d. h. der Öffentlichkeit. 229
Vgl. auch Hoffmann, Medienkonzentration, S. 77 ff.; die Imitation lässt die weitgehende mediale homogene Meinungsdominanz nicht mehr als Ausnahmefall erscheinen, wie noch Zerback, Vielfalt, S. 45 nahelegt. 230 Hofmann, Medienkonzentration, S. 80 ff., 217. 231 Vgl. auch im Ansatz Zerback, Vielfalt, S. 173 ff. mit empirischen Belegen. 232 Zur früheren Lage das Model Dahrendorf, Freiheit, S. 229 ff.; Zerback, Vielfalt, S. 30 ff. 233 Vgl. Zerback, Vielfalt, S. 67 m. w. N. aus den 1990ern und beginnenden 2000er Jahren. 234 Vgl. auch zum Trolling Rieger/Dippold/Appel, Trolling, S. 45 ff.; dort auch zu den gezielten politischen Manipulationsstrategien S. 53 f. m. w. N. 235 Vgl. hier etwa als Einstieg Neis/Mara, Bots, S. 189 ff. (v. a. S. 196 ff.); Chang u. a., arXiv:2102.08436. 236 Vgl. im Ansatz auch Habermas, Öffentlichkeit, S. 15 ff.; zum Verlust als Gegenlauf zu Gruppeneffekten auch Leidner/Tropp/Lickel, Gruppen, S. 236 (245 ff.).
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Diese verhindern die Interaktion nicht generell,237 setzen ihr aber Widerstände entgegen, die ein Durchdringen i. w. S. erschweren, „verteuern“ und insbesondere frustrieren können.238 Dies wiederum stellt die demokratische Friedens- und Fortschrittsfunktionen in Frage.239 aa) Umso mehr gilt dadurch, dass im Sinne von Baudrillard und Blühdorn zusätzlich eine Immunisierung gegenüber der (diskursiven oder konfrontativen) Realitätssuche betrieben wird. An die Stelle des Authentischen tritt die Simulation durch eine Vielzahl „referenzloser Zeichen, austauschbarer Images und medialer Inszenierungen“ und selbstverstärkender, oft geschlossener und pfadabhängiger Narrative.240 Darin entstehen jene entkoppelnden, Ohnmacht erzeugenden und friedensbedrohenden Phänomene innerhalb der politischen Systeme, welche als postfaktisch beschrieben werden.241 bb) Ähnlich gilt dies allerdings auch in der horizontalen Demokratie, wenn Gruppenabsonderungen dem Austausch und der friedlichen Konfrontation entgegenlaufen. Innerhalb jeder entstehenden segmentierten Blase kann die sozialpsychologische Tendenz zur Meinungskonvergenz durchgreifen und so eine allgemein akzeptierte Entscheidung unmöglich machen.242 Auch das Integrationspotential in Verbänden oder Parteien bzw. ihre Ordnungsfunktion verringert sich, da bisher schweigende bzw. nicht partizipierende Minderheiten auch extremer Flügel sich nun zusammenfinden können.243 Zuletzt ist mittlerweile in Verschwörungstheorien neben der nahezu völligen Autopoiese eine Abkehr vom länger überdauernden 237 Etwa im Sinn von abgeschlossenen Subsystemen mit eigenem Code und wechselseitigem Rauschen im Luhmann’schen Verständnis, vgl. etwa Luhmann, Systeme, 191 ff. 238 Vgl. insbesondere zum hier tauglichen systemtheoretischen Bild von Umwelt, Interpenetration und Koppelung bei Luhmann, Systeme, S. 242 ff., 286; in dieser nicht durchreflektierten Wahrnehmung kann auch eine Wurzel des Hostile-Media-Effekts erkannt werden, der zunehmend medienpsychologisch beschrieben wird, vgl. Holtz/Kimmerle, „Lügenpresse“, S. 21 ff. m. w. N. 239 Nicht nur durch die bereits oben genannte Ohnmacht und das Folgende, vgl. nochmals allgemein zu den Kriterien oben B. I. 2., v. a. c), d). 240 Vgl. Blühdorn, Demokratie, S. 176 ff.; Baudrillard, Simulacres. 241 Vgl. Appel, Psychologie, S. 3 ff. mit den weiteren Beiträgen des Sammelbands; Rapp/ Braasch, Information; Southwell/Thorson/Sheble, Misinformation; Lewandowsky/Ecker/Cook, Journal of Applied Research in Memory and Cognition 6 (2017), 353 ff.; eine besonders spannungsreiche Abkoppelung entsteht durch „pseudo-advokatorische Diskussionen“ namentlich in Talk-Shows: Hier finden in Medien Meinungsauseinandersetzungen von vermeintlichen Stellvertretern statt, die von der breiten Masse widergespiegelt werden oder sein sollten, sich allerdings von diesen weitestgehend gelöst haben. Weder in der Auswahl der Teilnehmer, deren Motivation, Erfahrungsraum oder Wahrnehmungs-/Vermittlungskriterien besteht eine angemessene Rückkopplung mit dem Realraum der Zuschauer, in die diese Spannung ihrer vermeintlichen Vertretung allerdings transportiert wird, vgl. Fuchs, FS Kielmansegg, S. 19 (29); Zerback, Vielfalt, S.71. 242 Vgl. Francis, Meinungsbildung, S. 107. 243 Geser, Internet, S. 216; Rössler, Definitionsmacht, S. 92; Leggewie, Transit 13 (1997), S. 3, 5.
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Agenda-Setting der klassischen Medienarenen zu beobachten.244 Zwar bleibt die delegierte Entscheidung hiervor zunächst entkoppelt, soweit nicht Politiker nun endgültig glauben, dadurch zu wissen, „was ,Volk‘ wirklich denkt“.245 Gerade diese Entkoppelung kann aber die friedliche Integration im Kern gefährden. Nicht hilfreich, sondern verstärkend wirkt indes, wenn „virale Hypes“ von den Massenmedien und Politikern unkritisch aufgegriffen werden und so wieder die Erregbarkeit der sozialen Netzwerke bestätigen und gar ihre Positionen validieren, jedoch keine Verständigung, sondern nur den Eindruck der „Anbiederung“ mehr erzeugen können. Durch systematische gezielte Ansprache und selektierte Kommunikation nach und in politischen Präferenzen, Wünschen, ideologischen Prägungen und Vorurteilen entstehen Filterblasen oder „Echokammern“, welche Diskurszusammenhänge verkürzen und feste Ansichten durch Selbstbestätigung verfestigen,246 was umso schwerer wiegt, wenn diese Verkürzung mit bewusster Fehlinformation („fake news“) Hand in Hand geht.247 Insoweit kommt der informationellen Freiheit248 gegenüber Erhebung, Analyse und algorithmischer Ausnutzung ebenfalls eine zentrale demokratische Bedeutung zu, welche noch gar nicht im Ausmaß erfasst scheint.249 cc) Aus ihrer Überforderung, aber auch Schweigespiralen abweichender gegenüber dominant vermittelter Ansichten250 reagieren Bürger häufig durch Entpolitisierung, Rückzug in Beruf und Erholung.251 Auch wenn die früheren fast allumfassenden Einflüsse der klassischen unidirektionalen Massenmedien abgenommen haben, kann so der mit ihnen verbundene Prozess sich zumindest in Teilen fortsetzen, Konsumenten allenfalls mit Geschmacks- und Neigungsaustausch statt mündigen 244
Vgl. bereits Fahrner, Interessenverband, S. 167 (202); Schultz u. a., Media Perspektiven, 5 (2017), S. 246 ff. 245 Vgl. ausführlicher Fahrner, Interessenverband, S. 167 (192 ff., 201); Geser, Internet, S. 215 und S. 222. 246 Vgl. Barberá u. a., Psychological Science 26 (2015), 1531 ff.; Barnidge, Political Communication 34 (2017), 302 ff.; Boutyline/Willer, Political Psychology 38 (2017), 551 ff.; zum sog. Truth-Effect der irrationalen Wahrheitsüberschätzung allein aufgrund andauernder Wiederholung vgl. Koch/Zerback, MuK 4 (2011), 487 ff.; Zerback, Vielfalt, S. 57 ff. mit Überblick über aktuellere empirische Studien auch unter dem Modell der Pooling-Effekte nur bereits bekannter Informationen in Gruppen, v. a. S. 63. 247 Vgl. v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 52; vgl. allgemein etwa Barbu-Kleitsch, in: Procedia – Social and Behavioural Sciences 163 (2014), 44; Gorton, in: New Political Science 38 (2016), 61; Schliesky/Schult/Gottberg/Kuhlmann, Zeitalter, S. 40 ff., 75 ff.; Hofmann, Micro-Targeting; Zuboff, Age. 248 Vgl. oben B. II. 4. 249 Trotz der derzeit aktuelleren Skandale etwa um Cambridge Analytica, FacebookWhistleblower oder die Amthor-Augustus-Intelligence-Vorbereitungen. 250 Vgl. namentlich Noelle-Neumann, Schweigespirale; dies., Kontrolle; Maier, Massenmedien, S. 218 (231 f.); Zerback, Vielfalt, S. 33. 251 Kahler, Schicksal, S. 35 (55); Holznagel, VVDStRL 68 (2009), S. 381 (402 ff.); zur Parteienverdrossenheit ausführlich mit Forschungsüberblick Shirvani, Parteienrecht, S. 107 ff.
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
Räsonnements zu erzeugen.252 Andererseits verfällt das überforderte Individuum „das vor einem anscheinend unlösbaren Dilemma steht… oft in voreingenommenes und subjektives Wunschdenken, einfach, weil nun mal eine Wahl getroffen werden muss und nur beschränktes Informationsmaterial vorliegt, worauf diese Entscheidung gestützt werden kann.“253 Schließlich können sich irrationale Gruppenprozesse gerade in modernen (aber auch tradierten) Öffentlichkeitsplattformen eskalativ verstärken.254 Insgesamt ereignet sich eine Re-Irrationalisierung entgegen der Hoffnung der Diskurstheorie, in der Habituierung und durch opinion leader vermittelte Kommunikationsprozessen erneut an Bedeutung gewinnen.255
III. Demokratischer Rechtsstaat 1. Gerade die Rechtsstaatlichkeit kann nicht zuletzt als notwendiges Korrektiv der Rationalitätsprobleme der Demokratie begriffen werden. Wie bereits oben dargestellt, sind Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Komplementäre staatlicher pluraler Friedlichkeit, Freiheitlichkeit und Fortschrittlichkeit der FDGO zu begreifen.256 Ihre jeweiligen und ineinandergreifenden Funktionsmechanismen stellen alternative und sich verstärkende Modi in der Konfliktlösung und -prävention, de lege lata et ferenda dar.257 Weder besteht ein legitimer Grund, die Rechtsstaatlichkeit einem verabsolutierten Demokratieprinzip unterzuordnen, noch beide als aliud gegeneinander zu setzen.258 Vielmehr sind die rechtsstaatlichen Mechanismen nicht nur unverzichtbar, die Freiheitlichkeit gegen die „Tyrannei der Mehrheit“ oder der sich auf sie Berufenden zu schützen, sondern auch die dauerhafte Einhaltung der unabdingbaren Regeln für eine stabile freiheitliche Demokratie zu gewährleisten: Hätte die vox populi, sozusagen als vox dei,259 die alleinige letzte „souveräne“ Autorität, welche dem Recht dagegen fehlte, bestünde keine effektive Sicherung gegen eine totale Willkürherrschaft.260 Aus diesem Grund hat nicht zuletzt das BVerfG in der
252
Habermas, Öffentlichkeit, S. 261. Mann, Sozialpsychologie, S. 202. 254 Gerade wiederum gegen die Friedlichkeit auch aus Ohnmacht und häufig, aber nicht immer, in extremistischer Form ausgenutzt. 255 Als gegenläufiger Prozess bei Habermas, Öffentlichkeit, S. 315 f. unter Berufung auf Berelson/Janowitz, Opinion, S. 319. 256 Vgl. oben B. I. 2. c), d). 257 Vgl. oben B. I. 2. d) bb). 258 Entgegen der bereits widerlegten Ansätze der Schule von Schmitt und Böckenförde vom absoluten Volkswillen, besteht kein legitimer Grund und Raum namentlich in einer FDGO dazu, vgl. ausführlich oben C.; auch Roellecke, FS Leisner, 1999, S. 553 (554 ff.). 259 Vgl. ausführlich zu Begriff und Warnungen bereits oben II. 2. sowie unten E. II. 260 So Leibholz, DVBl. 1951, 554; auch gerade das normative Postulat von Maus, Justiz, S. 72 ff., 209 ff. geht damit ins Leere. 253
III. Demokratischer Rechtsstaat
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Enumeration der FDGO die „Volkssouveränität“261 zwischen Menschenwürde sowie Grundrechten und Gewaltenteilung, Gesetzmäßigkeit sowie Unabhängigkeit der Gerichte eingereiht.262 Ihr kommt kein Vor- sondern Gleichrang zu, sichern letztere doch ebenso Bestand und Wirksamkeit der Demokratie selbst wie der Freiheit und der mit der FDGO verbundenen funktionalen Anforderungen. Demokratische Prozesse – selbst im Ideal des „marketplace of ideas“, vor allem aber der Realität beschränkter Rationalitäten – benötigen jedenfalls eine Gewährleistung des Bestandes der „Markt-“ bzw. Prozessbedingungen, die selbstzerstörerischen Mechanismen und Strategien entgegenlaufen, wenn die FDGO sich selbst erhalten soll. Schließlich – so die Lehre der Geschichte – bedarf das Recht dazu eigener Kontrollmechanismen unabhängig von den jeweils aktuellen politischen Machthabern. Das Rechtssystem zeigt sich damit als eigentliche res publica, als öffentliche Sache, in engster Verbindung gewährleisteter öffentlicher Diskurse und Kontrolle, aber auch Abstraktion von ad hoc-Entscheidungen einer plebisziten Mehroder Minderheit.263 Der Rechtsstaat erzeugt selbst Sicherheit, indem er Korridore von Verhaltenserwartungen normativ eingrenzt, diese so stabilisiert und insbesondere Ausbrüchen von Gewalt entgegenwirkt; Sicherheit ist in diesem Sinn stets Rechtssicherheit.264 2. Die Mechanismen zur Sicherung des Rechts selbst gegen Willkür und Missbrauch sind allgemein entwickelt. a) Dazu zählt namentlich die Gewaltenteilung und -kontrolle, die als Aufteilung der Staatsmacht auf verschiedene, sich gegenseitig im Sinn von „Checks and Balances“ kontrollierende und hemmende Träger dient265 und einer rationalitätsmin261
Vgl. dazu nochmals oben C. Vgl. oben ausführlich B. I. 1.; auch im Bild des „Volkswillen“ weist das Recht die Handlungsbereiche ursprünglicher „Willkür“ des Einzelnen aus, die vor staatlichem Eingreifen ebenso wie vor dem Dritter nach klaren Regeln geschützt sind bzw. deren Verletzung wiederum Sanktionen im o. g. Sinn nach sich ziehen. hier nur nochmals BVerfGE 2, 1 (13); vgl. auch BVerfGE 144, 20 (203 f.). 263 Vgl. nochmals oben B. I. 2. d) cc) zur Abstraktionswirkung des Gesetzes. 264 Vgl. ausführlich dazu oben B. I. 2. d); nur in diesem Sinn wird der Begriff der Sicherheit in den Grundrechtsverbürgungen wie Art. 6 GRCh, Art 5 I 1 EMRK, zurückgehend auf die französische Aufklärung, verstanden und auch dort mit der Freiheit verbunden; vgl. weiter bereits Fahrner, ZStW 132 (2020), 84 ff.; ders., HdbSiStR, § 5, jeweils m. w. N. 265 Damit ist auch eine systemimmanente Lösung des Quis custodiet ipsos custodes?-Dilemmas gefunden; vgl. nur etwa aus den ersten Normtexten Art. 30 Constitution of the Commonwealth of Massachusetts (1780) sowie die US-Bundesverfassung in ihrer gesamten Artikelstruktur, Art. 16 Declaration des Droit de l’homme 1789; Art. 19 Franz. Verf (1848); sie verhindert als wichtigste Institutionalisierung eine ständig drohende Machtusurpation von Seiten einer herrschenden Elite; vgl. nur Hamilton, Federalist, Nr. 9, 22, 81; zuvor Locke, Governement, cap. 12; Montesquieu, Geist, passim; etwa auch Kriele, Staatslehre, S. 101 ff.; MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 199 ff. m. w. N.; hingegen hier sehr durch Schmitt geprägt noch Hesse, Grundzüge, Rn. 484 ff.; vgl. auch bereits Fahrner, HdbSiStR, § 5 Rn. 23, 59 ff. m. w. N. Die gleichen Ziele verfolgen die Abspaltung von Bereichen der Staatstätigkeit aus der zentralen Leitung an kleinere föderale, körperschaftliche oder sonstige Personenverbände und 262
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D. Politische Rahmenbedingungen freiheitlicher Demokratie
dernden Komplexitätsüberlastung an einzelnen Stellen entgegenwirkt.266 Durch Gewaltenteilung werden möglichst viele an der Macht beteiligt und staatliche Funktionen bestmöglich wahrgenommen.267 Aus Art. 20 III GG folgt, dass der Kernbereich jeder der drei genannten Teilgewalten unangetastet bleiben muss.268 Keine von ihnen darf ein Übergewicht erhalten, dass sie zur Ausschaltung der anderen ausnutzen könnte.269 Dabei handelt es sich um keine strikt-überschneidungsfreie Scheidung der drei staatlichen Gewalten, sondern eine balancierende Gliederung von Funktionen, die jeweils eigenen inneren Gesetzlichkeiten und Handlungslogiken unterliegen. Auch wenn die funktionelle Seite gewissermaßen die Direktiven der Scheidung vorgibt, bedarf sie komplementärer Ergänzung um eine personelle und organisatorische Dimension.270 Die Justiz – in eigenständiger Friedensfunktion sowie sonst verpflichtet auf die und in der FDGO – muss und kann kein rein gebundener bouche du loi und pouvoir politique neutre sein.271 Erst recht ist sie weder „Demokratievollstreckung“ noch „Demokratieausnahme“.272 b) Entscheidend ist weiter die Gemeinsamkeit des Rechts als Beurteilungsmaßstab273 und die Möglichkeiten, es im Rechtssystem zu finden,274 namentlich der zur Institutionen zur grundsätzlich selbstverantwortlichen Wahrnehmung im Rahmen der Subsidiarität und Dezentralität. In allen diesen Fällen sind die Beziehungen zwar von der demokratischer Legitimationsfrage begleitet, richtigerweise jedoch zentral untereinander rechtlicher Art und anhand rechtlicher Entscheidungen Konflikte zu lösen. 266 Vgl. hier noch BVerfGE 10, 200 (212); Doehring, Staatslehre, Rn. 395 ff.; Neumann, Dekalog, S. 347 (354). 267 Dadurch ergibt sich eine weitere Steigerung der Friedlichkeit im o. g. Sinn; vgl. auch BVerfGE 95, 1 (15). 268 Vgl. etwa BVerfGE 49, 89 (141); 61, 82 (111 f.); 87, 234 (263 f.); Maurer/Waldhoff, VerwR AT, § 7 Rn. 6 ff.; Schmidt-Aßmann, HdbStR II, § 26 Rn. 59 ff. 269 Vgl. BVerfGE 9, 268 (280); 22, 106 (111); 34, 52 (599); Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 10 Rn. 77 ff.; vgl. auch zum Problemkreis politische Parteien und Gewaltenteilung Stern, StaatsR I, § 20 Kap. IV 3; Sachs, Art. 20 GG Rn. 92; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 GG Rn. 71 ff.; auch zum Folgenden v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 133 f. 270 Degenhart, StaatsR I, Rn. 297; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2012, 314; zur personellen Dimension etwa BVerfGE 18, 241 (254 ff.); zur (Un-)Vereinbarkeit von Mandat und Exekutivamt BVerfGE 18, 172 (183); zur Unvereinbarkeit von Richteramt und Verwaltungsfunktion BVerfGE 10, 200 (217 f.); 14, 56 (68). 271 Vgl. bereits oben B I. 2. d); vgl. auch Doehring, Staatslehre, Rn. 355; selbst Schmitt, Gesetz, passim hatte 1912 in seinem Jugendwerk gerade die Eigenbedeutung juristischer Entscheidung betont, vgl. dazu etwa Mehring, Schmitt, S. 20 f.; dies folgt namentlich auch in der prozeduralen Plausibilisierung durch Aufnahme und Reaktion auf die Beteiligten im gerichtlichen Verfahren, den rechtlichen Auslegungspluralismus und die eigenständige Bindung an die Prinzipien der Menschenwürde, des Rechtsstaates und des nachhaltigen Fortbestandes als FDGO. 272 So selbst aus Sicht der Schmitt-Schule Doehring, Staatslehre, Rn. 330 ff. 273 Vgl. hierzu etwa BVerfGE 144, 20 (203 ff.); Aristoteles, Politik, cap. III, 16; Locke, Governement, cap. 18 § 199; vgl. Zacher, FS Stern, S. 393 ff.; Callies, Prozedurales Recht, 1999; Hesse, Grundzüge, Rn. 195 ff.; Fahrner, HdbSiStR, § 5 Rn. 18 ff. 274 Vgl. Luhmann, Seiten, S. 493 ff.; ders., Recht passim.
III. Demokratischer Rechtsstaat
129
unabhängigen Entscheidung berufenen Gerichte bis hin zur Verfassungsgerichtsbarkeit.275 Geraten die Gewalten in Widerstreit, geben Verfassung und nachgeordnetes Recht normativ die Lösungsgrundlage, vor allem methodisch, aber auch darin inhaltlich, vor. Dies ist das Gegenbild zur autoritären Durchsetzung eines (stets willkürlichen) Staats- und vermeintlichen „Volkswillens“ mit bloßer Gewalt und Macht. Darin liegt wiederum die gemeinsame Basis zum Konfliktaustrag und Akzeptanz des Ergebnisses vor Beteiligten und der Öffentlichkeit.276 c) Nur die Rechtsstaatlichkeit der Demokratie, verstanden als ihr Rahmen, kann ihre Freiheit als solche der Bürger gewährleisten.277 Mit ihr wird eine freie Sphäre durch die Anerkennung von Grundrechten und ein weitgehender Schutz durch unabhängige Gerichte gesichert.278 Komplementiert wird sie durch das für den Rechtsstaat fundamentale Menschenrecht, sich gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt vor einem Gericht tatsächlich effektiv zur Wehr setzen zu können sowie die Bindung aller Staatsgewalt daran bzw. Verpflichtung darauf.279 Dadurch, dass der Staat in Freiheiten der Individuen und ihren gesellschaftlichen Verbindungen – etwa durch Grundrechte und andere Normen – gesichert nicht eingreift, sondern sich auf ein rechtlich zu rechtfertigendes Maß beschränkt, ist er das Gegenbild eines totalitären Kollektivs.280 In diesem Sinn ist die FDGO am Ideal der „sozialen Demokratie in den Formen des Rechtsstaates“ ausgerichtet und steht „in der Tradition des liberalen bürgerlichen Rechtsstaats“.281 Demokratie und Rechtsstaat sind von ihrer Wurzel bis in die konkrete Anwendung verbunden als demokratischer Rechtsstaat.
275
Vgl. BVerfGE 5, 85 (199 f.). Vgl. ausführlich bereits oben B. I. 2. d) und hier I.; insoweit missverstanden von Lehnert/ Schefold, Preuß, S. 52; richtig weiterhin insbesondere Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 237 ff., 240, sowie passim. 277 Vgl. etwa BVerfGE 45, 187 (227 ff.); Hesse, Grundzüge, Rn. 186, 191 f. 278 Vgl. etwa mit unmittelbarem Bezug zur FDGO BVerfGE 5, 85 (199 f.). 279 So verallgemeinernd BVerfGE 149, 346 m. w. N.; das in Art. 19 IV GG verfassungsrechtlich verankerte Grundrecht verlangt nicht nur den Zugang zu den Gerichten, die verbindliche Entscheidung durch den unabhängigen Richter sowie eine grundsätzlich uneingeschränkte tatsächliche und rechtliche Prüfung, vgl. etwa auch Badura, Staatsrecht, Rn. H23, sondern es muss auch die tatsächliche Möglichkeit zum Beschreiten des Rechtswegs eröffnet sein, der Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung in der Sache darf daher – vorbehaltlich verfassungsunmittelbarer Schranken – in keinem Fall ausgeschlossen, faktisch unmöglich gemacht oder in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden, vgl. nur BVerfGE 10, 264 (268); 30, 1 (23 ff.); 44, 302 (305); 143, 216 (225 f.) st. Rpr.; zudem muss die Exekutive durch eine entsprechende Dokumentation ihrer Handlungen für eine wirksame gerichtliche Nachprüfbarkeit Sorge tragen, vgl. BVerfGE 141, 220 (302 f.) m. w. N., st.Rspr.; BerlK-Ibler, Art. 19 IV GG Rn. 298; MD-Schmidt-Aßmann, Art. 19 IV GG Rn. 255; MKS-Huber, Art. 19 GG Rn. 493. 280 Vgl. Hassemer, Strafrecht, S. 71 ff., 173, 185; auch Schmidt-Aßmann, HdbStR, § 26 Rn. 22 ff.; Stern, StaatsR I, S. 767. 281 Beide Zitate und Begründung bei BVerfGE 5, 85 (197 f.). 276
E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie I. Horizontale Dimension Unabhängig von der formalen Delegation von politischer Entscheidungs- bzw. Staatsmacht sind an alle demokratischen Prozesse zunächst die legitimierenden Anforderungen der allgemeinen Offenheit, Freiheit und Gleichheit zu stellen.1 Nach dem Vorverlagerungsmodell des BVerfG setzt auch der Grundsatz der Wahlfreiheit (i. S. v. Art. 38 I 1, 28 I GG) voraus, dass der Wähler in einem freien, offenen Prozess der Willensbildung zu seiner Wahlentscheidung finden und sich mit den Wahlvorschlägen rechtzeitig vertraut machen kann.2 Dazu gehört auch, dass er selbst die hinreichende Möglichkeit der Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen besitzt, namentlich die entsprechende Reife3 und konkrete Einsichtsfähigkeit4 sowie ein Mindestmaß persönlicher und unmittelbarer Vertrautheit mit bzw. Betroffenheit von den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland aufweist.5
1. Entscheidungsregeln, Mehrheit und Einstimmigkeit Ankerpunkt für die horizontale Demokratie ist zunächst, wie in ihr Entscheidungen unter den Teilnahmeberechtigten getroffen werden. a) Deren Feststellung markiert klar ihren Zeitpunkt und Ergebnis.6 Möglich ist dies bei Einstimmigkeit7 bis zu Entscheidungen unter nur relativer Mehr- und absoluten Minderheit,8 sowie ggf. Sperrminoritäten unter entsprechenden, dies be1
Vgl. etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 133; Badura, Staatsrecht, Rn. D8. BVerfGE 79, 161. 3 BVerfGE 42, 312 (340 f.); NVwZ 2002, 69 (70). 4 BVerfGE 151, 1 (17 ff.). 5 Vgl. auch § 12 II Nr. 2 BWahlG; BVerfGE 132, 39 (51 ff.). 6 Vgl. oben D. I. 2. d) sowie hier noch Magsaam, Mehrheit, S. 43 ff. 7 Insoweit zu einseitig Einstimmigkeit generell ablehnend Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 67 m. w. N. in Fn. 240; diff. bereits Dahl, Democracy, S. 90; vgl. zu den Problemen Magsaam, Mehrheit, S. 102 f., 567 ff.; im Überblick auch Rosanvallon, Legitimität, S. 36 ff. 8 Insofern letztlich nicht überzeugend das Argument, wenigstens der Mehrheit werde nichts gegen ihren Willen aufgezwungen, etwa bei Hesse, Grundzüge, Rn. 142. 2
I. Horizontale Dimension
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achtenden, besonderen Vorkehrungen.9 Jede der genannten Entscheidungsregeln erweist sich als leicht operationalisierbar und kann die Offenheit der Abstimmung für die politischen Prozesse plausibel machen.10 Letzteres stellt eine notwendige, nicht hinreichende, Bedingung für die integrierende und befriedende Hoffnung der Unterlegenen dar, zukünftig Entscheidungen nach gleichen Regeln in ihrem Sinn herbeiführen zu können.11 Einfache Mehrheiten (vgl. z. B. Art. 42 II 1, 65 I 3 GG) und Ausschluss von Vetopositionen können zu einer schnellen Entscheidungsfindung im Sinn einer quantitativen Output-Maximierung beitragen. Die symbolisch-rationale Integration kann demgegenüber gerade durch das Erfordernis der Einstimmigkeit oder qualifizierte Mehrheiten sowie Gegengewichts-/Vetopositionen gefördert werden.12 Neben unabhängigen Kontrollmechanismen namentlich der Rechtsstaatlichkeit können durch letztere auch besonders geschützte Rechtspositionen bereits demokratisch prozedural abgesichert werden (etwa bei Verfassungs- oder Gesetzesänderung) und so eine „Diktatur einfacher, gar schwankender Mehrheit“ verhindert werden.13 Zwingen qualifizierte Mehrheiten (etwa Art. 29 III, VI, 42 I 2, 77 IV, 79 II, 80a I 2, 98 II, 115a, 115e, 115 h II 2 GG, §§ 6 I, V, 7, 15 IV 1 BVerfGG, auch die konstruktive Mehrheit von Art. 67 I, 68 I GG) bis zur Einstimmigkeit sowie Gegengewichte/Vetopositionen zu erhöhter Konsens-/Kompromissfindung und Deliberation, können sie sowohl zur Input- wie Output-Optimierung der jeweiligen Entscheidung und des Prozesses insgesamt beitragen.14 b) Damit wird auf die Ziele der Verbindung von Beratung und Entscheidung, letztere als dynamische Mehrheit, hingewiesen. Beide Phasen dürfen sich zusammen nicht als ständige oktroyierte Majorisierung von bestimmten Gruppen und Individuen, sondern müssen sich, jedenfalls im Gesamtbild, als Suche nach „vernünftigem“ Kompromiss und Konsens und damit als deliberative Vorgänge darstellen.15 9
So dass das Freiheitsargument nicht greift, vgl. Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 69 Fn. 247; vgl. allg. Heun, Mehrheitsprinzip, S. 79 ff., 106 ff.; Scheuner, Mehrheitsprinzip; Stern, StaatsR I, 1984, 611 ff.; Hillgruber, AöR 127 (2002), 460; exemplarisch noch im NS-nahen Gedankengut fixiert auf den Kampf von Mehr- und Minderheit etwa Friesenhahn, VVDStRL 16 (1958), 9 (16 ff.) allerdings mit notwendiger Gewährleistung der Opposition; zur notwendigen verhältnismäßigen Repräsentation als Abbildung der Mehrheiten v. a. bei Thoma und andere vgl. zusammenfassend Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (196 ff.). 10 Vgl. grundlegend im Überblick für alle Entscheidungsregeln des GG und der Landesverfassungen Magsaam, Mehrheit, S. 40 ff.; die Offenheit der Abstimmung für die politischen Prozesse fehlt rein probabilistischen Entscheidungsfindungen wie einem Losentscheid, deren Befriedungsfunktion daher nur als ultima ratio zur Pattauflösung greifen kann. 11 Vgl. oben bereits zur Friedensfunktion der Abstimmung B. I. 2. d); D. I. 3.; daneben nochmals BVerfGE 5, 85 (199): Da die Mehrheit immer wechseln kann, haben auch Minderheitsmeinungen die reale Chance, zur Geltung zu kommen. 12 Hesse, Grundzüge, Rn. 144; Ehmke, Verfassungsänderung, S. 137 als Teil der Integrationsfunktion über Art. 79 II GG. 13 Vgl. etwa Kelsen, Wesen, S. 76 ff.; ders., Staatslehre, S. 154 ff. 14 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 141 f. 15 Vgl. bereits Kelsen, Wesen, S.78 ff.; dem folgend Hesse, Grundzüge, Rn. 140 ff.; ergänzend Habermas, Öffentlichkeit, S. 42 ff.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Darin wird die eigentlich tragfähige Grundlage sichtbar, nämlich Pluralismus und Fortschritt, vor allem aber auch die Friedensfunktion, tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten in die politischen Entscheidungen zu haben.16 Richtigerweise muss das Mehrheitsprinzip im Rahmen der Funktionen vor allem der Friedlichkeit und darin Integration betrachtet werden. Jene Vertreter, die ohne weitere Begründung betonen, die Mehrheitsentscheidung dürfe nicht bloß im Überstimmen der Minderheit bestehen,17 erkennen intuitiv diesen Zusammenhang. Bloße permanente Majorisierung ohne begleitende Integration, der plausiblen Begründung, der effektiven Beteiligung und der Chance der Änderung führen bei den Unterlegenen auf gewisse Dauer zur Ohnmacht und Desintegration, mithin zu Gefahren für die Friedlichkeit des Gemeinwesens. Defizite der einen Komponente können und müssen durch die anderen ausgeglichen werden, also etwa besonders drängende Entscheidungen, die wenig Partizipation zulassen, besonders gut begründet oder ausnahmsweise sonst im Nachgang legitimatorisch unterfüttert sein.18 Inhaltliche Beschränkungen, etwa im Rahmen vorrangigen Rechts, sind hiervon unabhängig zu betrachten. Ein Grundkonsens ist nur über die Regeln und die langfristige Nutzenerwartung gegenüber Regelbruch und Revolution erforderlich, an sonstiger Homogenität macht er sich nicht fest.19
2. Allgemeinheit, Offenheit und Öffentlichkeit Unter der Allgemeinheit versteht das BVerfG auch im Rahmen seiner Definition der FDGO vor allem „die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung“.20 a) Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass das Bild eines homogenen, rein anlassbezogen gebildeten „Willen des Volkes“ gefährlich in die Irre geht und selbst vom Gericht bereits in Teilen abgelöst ist.21 Vielmehr ist die politische Meinungsbildung als in Verlauf und Ergebnis beständiger komplexer Prozess zu begreifen, der auf unterschiedlichsten Ebenen in Entscheidungen mündet.22 In diesem Sinne lebt 16
Vgl. ausführlich oben B. I. 2., v. a. d) dd); D. I. 2. b). Vgl. etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 143, 154 m. w. N.; Thoma, Wesen, S. 66 (82 f.). 18 Vgl. etwa die nachträglichen Parlaments- oder Gemeinderatsdebatten exekutiver Eiloder Alleinentscheidungen, darunter Regierungserklärungen, sowie sonst etwa die Unterrichtungen nach dem EUZBBG. 19 Insoweit nicht begründet etwa Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 71. 20 So etwa namentlich BVerfGE 144, 20 (208). 21 Zur völkischen Demokratievorstellung namentlich von Schmitt und Böckenförde sowie deren Unhaltbarkeit vgl. ausführlich oben I.; zur Ablösung durch das BVerfG vgl. hier nur BVerfGE 123, 267 (358 f.); 132, 39 (51). 22 Vgl. im Einzelnen dazu bereits oben D. I. v. a. 3.; vgl. allerdings auch nochmals MKS/ Sommermann, Art. 20 GG Rn. 84 als „freie Meinungsbildung des Volkes“ unter insoweit ungenauem Verweis auf die bereits pluralistischere neure Rspr. des BVerfG; vgl. auch ähnlich Habermas, Öffentlichkeit, S. 344 ff. m. w. N.; Landshut, FS Laun 1953, S. 579 (583 ff.); die 17
I. Horizontale Dimension
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die Demokratie zuerst von und in einer funktionsfähigen öffentlichen Meinung, die weder identitär-völkisch noch an formale Institutionen gebunden oder als bloße „Vorformung eines Volkswillens“23 missverstanden werden darf.24 Dadurch entschärft sich auch die Frage nach der Feststellbarkeit eines fiktiven Volkswillens und damit überhaupt der theoretischen Stabilisierbarkeit der FDGO;25 aus dem Demokratieprinzip lassen sich stattdessen die konstitutiven Merkmale der Deliberation, der Entscheidung und der Rückkopplung delegierter Entscheidung zum demos herauslesen. Die allgemeine, freie und gleiche Teilnahmechance muss sich ebenso auf die formalen Entscheidungen wie Wahlen und Abstimmungen beziehen, wie auf die wiederum darauf gerichtete und die generelle Meinungsbildung.26 b) Als erstes wesentliches Strukturmerkmal der (umfassend verstandenen) demokratischen Prozesse bedeutet die Allgemeinheit eine Input-Maximierung bzw. -Optimierung im Sinn der Partizipation. aa) Wie dies etwa in den zentralen Menschenrechtsverbürgungen zum Ausdruck kommt,27 dürfen Einzelne prinzipiell nicht, namentlich in der Absicht zur Förderung von „Homogenität“, mit normativen oder sonst regulativ freiheitsbeeinträchtigenden Mitteln ausgeschlossen werden.28 Ein Ausschluss ist allenfalls soweit normativ denkbar, wie dieser aufgrund z. B. wegen Mindestalters oder sonst fehlender geistiger Reife29 in plausibler Weise unabdingbar erforderlich ist. Dies gilt etwa auch für die konkrete, tatsächlich überwiegende Gefährlichkeit, etwa im Rahmen von Art. 18 GG. Die Bezeichnung „Demokratie“ – als Herrschaft des Volkes, der Allgemeinheit bzw. Mehrheit – kann umso mehr beansprucht werden, je näher sich der Prozess an das Ideal, dass das ganze Volk politisch handele, annähert.30 Dies schließt ein, möglichst alle Teilnahmeberechtigten auch tatsächlich bzw. generell politisch zu Behauptung von Kelsen, Wesen, S. 40 ff., in der parlamentarischen Demokratie habe sich mit der „Mediatisierung des Personalangebots, der Sachthemen und dem freien Mandat der Abgeordneten“ die Freiheit der Bürger im Wesentlichen zum bloßen Wahl-/Stimmrecht abgeschwächt, verkennt vor allem die Beteiligung an jeder „Willensbildung“ sowie die Rückkopplungen auch delegierter Entscheidungsmacht. 23 So allerdings prägend BVerfGE 8, 104 (112 ff.); 14, 121 (132); vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 149; m. w. N. 24 Vgl. für den Weg des Gerichts BVerfGE 123, 267 (358); 132, 39 (51: „beständiger Dialog“) sowie zuvor jedenfalls die Verfeinerung des Volkswillensbildes in Schritten bei BVerfGE 20, 56 (98); 44, 125 (139 f.); 69, 315 (346); 107, 339 (360 f.); zur öffentlichen Meinung vgl. ausführlich Habermas, Öffentlichkeit, S. 161 ff., 343 ff.; zurecht ablehnend zur Verengung auf die Artikulation im Parlament etwa Fraenkel, FS Herzfeld, S. 182. 25 Vgl. zum Problem ausführlich oben C. v. a. III. 4. a) bb), c). 26 Auf die Chancengleichheit der Beeinflussung der Entscheidungen bei formaler Delegation auf einen Kreis von Entscheidenden gesondert einzugehen, vgl. unten 4., II. 27 Vgl. etwa Art. 11 Declaration de Droit de l’homme, 1st Amend. USConst., Art. 18 ff. AEMR. 28 S. o.; BVerfGE 15, 165 (166 f.); 36, 139; vgl. auch Hesse, Grundzüge, Rn. 159. 29 Formal für Wahlen namentlich BVerfGE 12, 139; 28, 220 (225); 36, 139 (141 f.). 30 Leibholz, DVBl. 1951, 554; Hesse, Grundzüge, Rn. 133.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
mobilisieren und zu inkludieren. Jedenfalls in der Phase der Meinungsbildung ist die normativ-regulative Exklusion ipso iure nach Bürgerrecht nicht plausibel und auch faktisch illusorisch. In den formalen Entscheidungsakten des Volkes bzw. notwendiger Gliederungen stellen die Normen der Allgemeinheit von Wahlen (exemplarisch Art. 38 I 1, Var. 1 GG) und Abstimmungen die (namentlich normativ-regulativen) Einschränkungen der Beteiligung unter einen verfassungsrechtlichen Nachprüfungsund Rechtfertigungsvorbehalt.31 Unter diesem Gesichtspunkt sind auch Beschränkungen der Wahl-, Abstimmungs- und Rechte zur Ausübung von Wahlämtern als strafrechtliche Sanktionen zu beurteilen.32 In der Person der Einzelnen stellt die Allgemeinheit im Sinn des diskriminierungsfreien Zugangs bzw. Teilnahme einen Sonderfall der allgemeinen Gleichheit und Freiheit in den demokratischen Prozessen dar. bb) Für die Bürger ist die Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am politischen Leben (wie am gesellschaftlichen und kulturellen) zunächst Teil des verfassungsrechtlich garantierten Leistungsanspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und als solches bereits mit der Menschenwürde auch Teil der FDGO.33 Zusätzlich ist richtig, dass ohne Existenzminimum in rebus politicis jede chancengleiche politische Teilhabe eine Illusion wäre, folglich ersteres eine zwingende Voraussetzung der Demokratie darstellt.34 Auf beiden Wegen ist damit zwingend, dass in einer FDGO die ressourcenmäßigen Partizipationsvoraussetzungen – im Sinne einer Beteiligungsmöglichkeit auch bei fehlenden eigenen Ressourcen – positiv durch den Staat zu gewährleisten sind.35 c) Aus der berühmten Nominaldefinition Ciceros: „res publica res populi est“36 lässt sich (umgekehrt) die enge Verbindung des Volks zur Öffentlichkeit folgern: es ist eine „Ansammlung und Verbindung der Einzelnen in ihr und durch sie“.37 Im Bild des BVerfG ist tragender Grund des demokratischen Öffentlichkeitsprinzips, dass Demokratie im Grundsatz eine freie und offene „Willensbildung“ auf Seiten der Bürger voraussetzt, die wiederum durch die Publizität des staatlichen Handelns gefördert werden kann.38 Auch dort verbindet sie folglich die traditionellen Sphären
31
Etwa um „Jim Crow-Gesetze“ von vornherein auszuschließen, vgl. etwa Perman, Struggle; Valelly, Reconstructions. 32 Vgl. hierzu bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 8 Rn. 10 ff. 33 BVerfGE 125, 175 (223); 132, 134 (172); 137, 34 (72); 142, 353 (370); 152, 68 (113). 34 Vgl. v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 60; vgl. auch MD-Grzeszick Art. 20 GG VIII. Rn. 28; Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 74. 35 Die weitere Optimierung ist ein Gebot der Gleichheit und damit posterior-Klärungen und -Entscheidungen zugänglich. 36 Cicero, Res, cap. I, 39, 43: populi res (ea enim est, ut dixi antea, publica). 37 Cicero, a. a. O.: Congregatus, coetus, consensu, sociatus. 38 Vgl. BVerfGE 40, 237 (249); 40, 296 (327); 70, 324 (355, 358); 84, 304 (329); 89, 155 (185); 97, 350 (369 f.); 103, 44 (63); MD-Grzeszick, Art. 20 GG Rn. 21; Wegener, Staat, S. 120 ff., 298 ff.; Holznagel, VVDStRL 68 (2009), S. 381 (383 ff.).
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von Staat und Gesellschaft im demokratischen Gemeinwesen.39 Allgemeine Beteiligung setzt die Öffentlichkeit aller politisch erheblicher Prozesse voraus, sofern keine zwingenden überwiegenden Gesichtspunkte eingreifen. Sie ist die umfassendste Form der Transparenz als Grundlage der Plausibilität und Rationalisierung von Entscheidungen, nur namentlich von Gerichten und Gesetzen.40 Die Qualität der Öffentlichkeit ist mitentscheidend für die Friedlichkeit und Fortschrittlichkeit, mithin das kritische Potential und die Resilienz der freiheitlichen Demokratie gegen Unterminierung.41 Gegenstand der Öffentlichkeit ist die Kommunikation von Informationen, Auffassungen und Meinungen etc., jedenfalls stets in äußerer Friedlichkeit der Interaktion durch „Worte statt Gewalttaten“.42 Entscheidend ist nicht nur die äußerliche Offenheit, sondern auch die innere Freiheit des Prozesses der Meinungsbildung und dazu der Diskussion; er ist nicht nur nach den deliberativen Theorien ein Zentrum der genannten Funktionen der Demokratie mit den Voraussetzungen der Freiheit und näher zu untersuchenden Gleichheit aller Teilnehmenden.43 aa) Die moderne Öffentlichkeit ist ein Konstrukt, welches sich an der Allgemeinzugänglichkeit der Kommunikation und daraus nicht begrenzbaren Reichweite und Wirkung festmacht.44 Ihre Basis ist ein Netzwerk, welches aus Elementen individueller und an mehrere verbreiteter konkreter Kommunikationsakte und -verbindungen im Rahmen der verfügbaren Medien, (darunter direkte mündliche, schriftliche und sonst technisch übertragene Kommunikation) besteht.45 Das Strafrecht liefert hierfür exemplarisch die Spiegelung in den Publikationsdelikten mit der 39
Vgl. insbesondere Habermas, Öffentlichkeit, S. 22 ff. passim. Vgl. zu den Anforderungen im Hinblick auf die Friedlichkeit oben B. I. 2. d); zur Bedeutung der Öffentlichkeit bei Gerichtsentscheidungen bereits Fahrner, Resilienz; allgemein grundlegend nochmals Habermas, Öffentlichkeit, S. 118 ff., 148 ff. u. a. unter Berufung auf Locke, Government auch für die weitere politologische, soziologische und psychologische Öffentlichkeitsforschung, die hier nicht weiter ausgeführt werden kann. 41 Vgl. zum gerade genannten noch speziell etwa Kühling, DVBl. 2008, 1098; Habermas, Öffentlichkeit, S. 30 ff., 36 ff. 42 Dies pointiert in Umkehrung etwa des Mordrufs des Terrorismus des selbstbezeichneten „NSU“; vgl. etwa auch zum Folgenden Montenbruck, Zivilisation, Rn. 291 ff.; zur unfriedlichen „Gewaltwirkung“ einer die Öffentlichkeit beherrschenden Einung vgl. Mill, Freiheit, S. 92 f.; ferner BVerfGE 5, 85 (198 f.): In die schließlich erreichte Mehrheitsentscheidung ist immer auch die geistige Arbeit und die Kritik der oppositionellen Minderheit eingegangen. Weil Unzufriedenheit und Kritik mannigfache, selbst drastische Ausdrucksmöglichkeiten besitzen, zwingt die Einsicht in die Labilität ihrer Position die Mehrheit selbst, die Interessen der Minderheit grundsätzlich zu berücksichtigen: Konnten etwa vor der Mehrheitsentscheidung die Vertreter von Minderheitsmeinungen die Forderungen und Positionen der Minderheit anmelden, können in weitem Maße Kritik und Unzufriedenheit positiv verarbeitet werden. 43 Dazu sogleich 3. bzw. 4., zu den Funktionen vgl. nochmals oben B. I. 2. 44 Vgl. Habermas, Öffentlichkeit, S. 54, 156 ff.; dazu BVerfGE 27, 71 (83); 27, 32; 103, 44 (60); vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 664; vgl. auch Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 15 Rn. 5 aus strafrechtlicher Sicht. 45 Vgl. Horn, VVDStRL 68 (2009), 413 (418 ff.); auch Habermas, Öffentlichkeit, S. 13 ff.; Fahrner, Buchdruck, S. 13 ff. m. w. N. 40
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Modaltrias der öffentlichen, versammlungs- und schriftmäßigen, jetzt gem. § 11 III StGB n. F. inhaltsmäßigen Publikation und Verbreitung.46 Grundsätzlich hängen die demokratischen Funktionen, namentlich der Friedlichkeit durch die Beteiligungschance, Transparenz usw. davon ab, wieweit eine kommunikative Öffentlichkeit gerade als allgemeinzugängliches Gesamtkonstrukt tatsächlich wirksam ist.47 Dies ist zunächst unabhängig von der Frage, inwieweit darin zahllose fokussierte Arenen, Foren und „Teilöffentlichkeiten“ bestehen.48 Weder diese noch konkrete Handlungen und Prozesse dürfen allerdings dazu führen, die Funktionen der kommunikativen Willensbildung des demokratischen Volkes in der Gesamtöffentlichkeit zu vereiteln, etwa durch zu starke Abgrenzung der jeweiligen Anhänger im „massendemokratischen Parteienstaat“ untereinander oder wenn Gruppen nicht „zu Wort“ kommen.49 Daraus können zwar auch absehbar von manifester Gewalt freie „Gegenöffentlichkeiten“ entstehen.50 Soweit diese sich für die Elemente der Friedlichkeit, namentlich der Integration für die dorthin Verwiesenen unzureichend zeigen, führen sie jedoch auch zu spontaner und organisierter Unfriedlichkeit und steigern diese stark durch „Radikalisierungsblasen“.51 bb) Für die weitere Meinungs- und Entscheidungsbildung für Wahlen und Abstimmungen muss der Bürger sich Urteile über die Gegenstände bilden können.52 Daher sind die Informationen darüber zentral.53 Die Öffentlichkeit schließt naturgemäß vorangehende oder parallele geschlossene Beratungen (etwa in Gruppen und 46 Vgl. nur exemplarisch §§ 11 III, 86 f., 130, 186 ff., 219a StGB; dazu näher Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 15 Rn. 4 ff. m. w. N.; sie wurzeln weit im 19. Jh., vgl. Art. 7 Reichsgesetz, zum Schutze der verfassunggebenden Reichsversammlung und der Beamten der provisorischen Centralgewalt vom 10. Oktober 1848, RGBl 1848, Nr. 3: „Als eine öffentliche wird jede Beleidigung betrachtet, welche an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Versammlungen stattgefunden hat, oder in gedruckten oder ungedruckten Schriften, welche verkauft, vertheilt oder umhergetragen, oder zur Ansicht des Publikums angeschlagen oder ausgestellt worden, enthalten ist.“; maßgeblich für die unmittelbare Öffentlichkeit weiterhin RGSt 42, 112; vgl. Fischer, Friede, S. 111 ff., 161 ff. 47 Vgl. bereits ausführlich Fahrner, ZIS 16 (2021), 365 ff. 48 Vgl. etwa Holznagel, VVDStRL 68 (2009), S. 381 (396 ff.); Habermas, Öffentlichkeit, S. 15 f. 49 Vgl. bereits oben D. II. 4., 5.; ein solches Problem kann sich vor allem neben normativ gebotenen Ausschlüssen bei den Filterungsprozessen dominierender Träger der Öffentlichkeit ergeben, etwa wenn kommerzielle und öffentliche Medien im Rahmen gezielter oder medienlogischer Selektion Gruppen nicht „zu Wort“ kommen lassen, vgl. Habermas, Öffentlichkeit, S. 28 ff. m. w. N.; allg. Leibholz, Volk, S. 71 ff., etwas positiver ders., Strukturwandel, S. 78 ff. 50 Vgl. insbesondere Habermas, Öffentlichkeit, S. 16 m. w. N.; Lottes, Aufklärung, S. 110 ff.; Negt/Kluge, Öffentlichkeit. 51 Siehe dazu oben D. II. 5. 52 Siehe dazu und zum Folgenden bereits oben D.; vgl. etwa ebenfalls noch dazu und zum Ganzen BVerfGE 40, 237 (249); 89, 155 (185); 97, 350 (369); dies auch als mögliche Einschränkung einer Beteiligung an formellen Wahl- und Abstimmungsakten, vgl. BVerfGE 132, 39 (50 ff.). 53 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 152 sowie allgemein oben B. II. 3.
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Organisationen) auch normativ nicht aus; sie fungiert jedoch als notwendiges verbindendes Medium der demokratischen Meinungsbildung und überspannenden Kommunikation. Insofern dient sie dem „öffentlichen Räsonnement“, nach Vernunft zwischen Überzeugendem und bloßer Überredung,54 in der Diskussion in und von Alternativen.55 Die Kommunikationsgrundrechte garantieren die dauernde Offenheit der politischen Prozesse der Meinungs- und Willensbildung56 und halten inhaltliche Entscheidungen (unter Beachtung aus Friedlichkeit nötiger rechtlicher Bestandskräfte) revidierbar.57 Dabei erscheint zunächst egal, aus welchen privaten, sonst gesellschaftlichen oder staatlichen Quellen die Informationsbedürfnisse erfüllt werden.58 cc) Wesentliche Bedeutung kommt damit der Öffentlichkeit als authentische Publikation von Entscheidungsakten in Inhalt und Begründung für die demokratische Rezeption und folgende Deliberationen zu.59 Neben den Rückkopplungen zu staatlich delegierten Entscheidungen etwa der transparenten Parlamentsöffentlichkeit (vgl. etwa Art. 42 I, III, 43, 44 I GG, auch Art. 52 III 3 GG),60 sonst der Normsetzung (vgl. Art. 82 I GG) oder parlamentarischen oder exekutiven Entscheidung kommt etwa der Gerichtsöffentlichkeit (v. a. § 169 GVG, §§ 17 f. BVerfGG)61 sowie vor allem der der Prozesse innerhalb der horizontalen Willensbildung eine besondere Bedeutung zu.
54 Vgl. nochmals oben B. II. 3., C. I., II. 3., sowie zur Selbstaufklärung bei Kant und Hegel Habermas, Öffentlichkeit, S. 180 ff., 195 ff. m. w. N. 55 Vgl. Häberle, Kulturwissenschaft, S. 560 ff.; ders., Pluralismus, S. 126; Horn, VVDStRL 68 (2009), 413 (418 ff.): „Öffentlichkeit als Lebensgesetz der Demokratie“ m. w. N.; Habermas, Strukturwandel, passim; v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 50, 63 ff.; hier entfaltet sich die Bedeutung deliberative Öffentlichkeit, namentlich von Parteien und unmittelbar im Wahlkampf, grundlegend zu ersterem nochmals. 56 Vgl. nochmals oben D. II. 3. zur richtigen Begriffsverwendung. 57 Vgl. hier auch noch Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 40 wohl nach Habermas, Öffentlichkeit, S. 41; mit den bereits oben C., D. I. 3. ausgeführten Einschränkungen, zu den Kommunikationsgrundrechten ausführlich unten E. IV. 58 Vgl. nochmals etwa Habermas, Öffentlichkeit, S. 86 ff., 311. 59 Vgl. Horn, VVDStRL 68 (2009), 413 (422 ff.); Wegener, Staat, S. 120 ff., 298 ff.; bereits vordemokratische Nachweise bei Habermas, Öffentlichkeit, S. 79 ff.; vgl. etwa BVerfGE 103, 44 (60 ff.). 60 Vgl. dazu auch BVerfGE 20, 56 (100); 44, 125 (139) m. w. N.; spezifisch Linck, ZParl 1992, 673; v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 64 ff.; historisch bemerkenswert Weiß, Parlamentsöffentlichkeit, S. 167 ff.; grundlegend Häberle, Pluralismus, S. 326 ff.; berühmtberüchtigt ist die Polemik gegen die Parlamentsöffentlichkeit von Schmitt, Lage, S. 10 f.; vgl. weiterhin Kißler, HdbParlR, § 36; empirisch etwa die Studien von Marschall, Repräsentation, v. a. S. 71 f., 307 ff. 61 Vgl. nur Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 576 ff.; Schmitt, § 169 GVG Rn. 3; v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 72; BK-Robbers, Art. 20 GG Rn. 643 f., unter Verweis auf BVerfGE (K), NJW 2002, 814.
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Die verbürgte, wahrheitsgetreue amtliche Publikation erweist sich als notwendiger Teil der verlässlichen Information vor der individuellen Wahlentscheidung.62 In der Bedeutung für die Legitimität, Integration und Friedlichkeit wird sie – erkennbar zuletzt etwa in den USA wie in „bezweifelten“ Demokratien – noch übertroffen von der transparenten Öffentlichkeit der Wahlentscheidungen und deren Prüfung selbst,63 einschließlich des gesamten Vorfelds aller für das Ergebnis potentiell relevanter Akte (vgl. etwa zuletzt Art. 41, 42 I GG, zuvor etwa Art. 21 I 4 GG, §§ 21 VI, 31, 37 ff. BWahlG).64
3. Demokratische Freiheit a) Die „Freiheit der vom Volk zu treffenden Entscheidungen“65 kann aufgrund der notwendigen pluralen Subjektivität der FDGO nur auf der Freiheit jedes Einzelnen aufbauen.66 Gerade darin liegt ihre Abwehr radikal-identitärer „totaler“ ebenso wie autoritärer Scheindemokratie.67 Daraus folgt, dass die politischen Prozesse insgesamt „frei“ stattzufinden haben,68 etwa in der Diktion des BVerfG, dass Entscheidungen „auf einen frei gebildeten Mehrheitswillen … zurückreichen.“69 „Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vermögen Wahlen und Abstimmungen aber nur zu vermitteln, wenn sie frei sind. Dies setzt nicht nur voraus, dass der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleibt, sondern auch, dass die Wählerinnen und Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können,70 mithin die „Möglichkeit der freien Auseinandersetzung zwischen allen realen und geistigen Kräften“.71 Diese Freiheit muss wirken gegen Übergriffe anderer Individuen, ei62 Vgl. beispielhaft für die Publikation von Wahlvorschlägen BVerfGE 7, 63 (71); 47, 253 (280 f.); 79, 161. 63 Zu eng nur auf die parlamentarische Wahlprüfung v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 67 bzw. die durch das BVerfGG bei Schreiber, DVBl. 2010, 609; zur Entwicklungsgeschichte aus der Weimarer Zeit Meyer, Wahlprüfungsgericht. 64 Daraus folgt konsequent etwa nach dem BVerfG aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, dass grundsätzlich „alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen“, und zwar, ohne dass es besonderer Sachkenntnis bedürfte. Daher sei der Einsatz von Wahlcomputern nur zulässig, wenn die Stimme nach der Stimmabgabe zusätzlich auf einem nicht-elektronischen Speicher abgelegt wird; BVerfGE 123, 39 (70 ff.); MKS-Sommermann, Art. 20 Rn. GG 80a; BeckOK-Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 69.1; Schiedermair, JZ 2007, 162 ff.; Bräunlich u. a., Internetwahlen. 65 Vgl. auch zum Folgenden prägnant Sachs/Sachs, Art. 20 GG Rn. 17; ferner etwa MDGrzeszick, Art. 20 GG Rn. 17; Starck, HdbStR III, § 33 Rn. 2, 4 ff., 8 ff., 29 ff. 66 Vgl. auch zum Folgenden nochmals oben B. I. 2., D. I. 67 Vgl. nur exemplarisch Leibholz, DVBl. 1951, 554. 68 Vgl. nochmals Sachs/Sachs, Art. 20 GG Rn. 17, 34 m. w. N. 69 BVerfGE 123, 267 (341). 70 BVerfGE 148, 11 (23) m. w. N. 71 Vgl. bereits BVerfGE 5, 85 (198).
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nerlei, ob sie „aus dem eigenen Volk“, aus dem Staat selbst heraus oder von fremden Mächten erfolgten. Die Freiheit aller demokratischen Prozesse kann ohne weiteres an der Freiheit der einzelnen Beteiligten darin gemessen werden.72 aa) Es gilt zunächst, diese auch im Ergebnis politischer Entscheidungen zu bewahren und dadurch zu beachten: „Freiheit der Mitbestimmung ist nur möglich, wenn die Gemeinschaftsentscheidungen … inhaltlich jedem das größtmögliche Maß an Freiheit lassen, mindestens aber ihm stets zumutbar bleiben.“73 Allgemein haben dies im Hinblick auf die Ergebnisse politischer Entscheidungen vor allem die Grundrechte verbunden mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu gewährleisten. Dazu dient ihr gestaffelter Schutz auch gegen demokratische Überwindung in Art. 19 II, 20 III Var. 1, 79, 146 GG bis zum Kern der FDGO und Art. 1 GG. bb) Diese Freiheit ist wiederum den demokratischen Prozessen selbst zugrunde zu legen. Auch sie ist in Verfassungsnormen, etwa dem status activus wie den besonderen Beteiligungsrechten konkretisiert.74 Allerdings sind in den Prozessen die bereits entwickelten Dimensionen der Freiheit weit deutlicher unmittelbar zu beachten.75 Sie haben in der FDGO allgemein für alle in das demokratische Gemeinwesen einbezogenen Individuen die auch bei jeder Wahrnehmung der Rolle des f`om pokitij|m (zoon politikon) bzw. in publico zu gelten und sind bei deren demokratischen Ausdrucksformen zugrunde zu legen. Dazu zählen, wie bereits dargestellt, die formellen Akte der Bürger bei Wahlen (vgl. etwa Art. 28 I 2, 38 I GG) und Abstimmungen, zweitens in ausgewählten Formen delegierter Herrschaft sowie drittens bei den Prozessen der demokratischen Diskussion namentlich im Rahmen der Öffentlichkeit.76 Dort drückt sich die demokratische Freiheit namentlich im Gesamtkonstrukt der öffentlichen Meinung darin aus, frei eigene Ansichten über die Angelegenheiten des Gemeinwesens zu haben und (irgendwie, v. a. gegenüber anderen) zu äußern.77 Allgemein, und nur ausgehend für letzteres kommt nicht nur den Grundrechten in Bezug auf die öffentliche (v. a. Art. 5, 8, 9, 17, 42 III, 21 I 2 GG),78 sondern auch private (Art. 1, 2 I, 4, 6, 10, 13) Kommunikation eine entscheidende Bedeutung zu. b) Im Einzelnen ist dahinter die allgemeine Freiheit des Einzelnen in allen herausgearbeiteten Dimensionen adressiert: 72
Damit sind auch Einflüsse auf das Demos insgesamt abgedeckt; etwaige Verfälschungen innerhalb der formalen Prozesse der Entscheidung (z. B. Wahlergebnisfälschungen) sind nicht solche der Freiheit, sondern alleine der Demokratie und der Abstimmungsmechanismen, s. dazu oben etwa 1. sowie bereits C. I.; Beeinträchtigungen im Rahmen des Vorfelds der „Willensbildung“ sind auf ihren individuellen und damit kollektiven Freiheitsbezug im Folgenden eingehend zu untersuchen. 73 Vgl. nur etwa erneut BVerfGE 5, 85 (198). 74 Vgl. etwa Jellinek, Staatslehre, S. 421 ff. 75 Vgl. ausführlich oben B. I. 2. 76 Vgl. zur Aufgliederung oben D. I. 77 Hegel, Grundlinien, § 316; vgl. Habermas, Öffentlichkeit, S. 195. 78 Vgl. bereits Thoma, HdtStR, § 16, S. 190.
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aa) So muss die sittliche Freiheit des Einzelnen im pluralen Gemeinwesen in demokratischen Prozessen gewährleistet bleiben und sollte in den demokratischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen eher durch die Sinngebung der Partizipation noch gesteigert werden.79 Beeinträchtigungen haben im Hinblick auf Wahlen als „geistliche Beeinflussung“ vor allem historisch eine bedeutsame Rolle gespielt, wenn eine „falsche“ Wahlentscheidung als einer Glaubensrichtung widersprechend von entsprechenden Autoritäten „verdammt“ und mithin als negativ für das moralische Selbstbild vermittelt wurde.80 Weiterhin kann sie etwa im Rahmen des Diffamierens bestimmter Auffassungen oder den Versuchen, den Einzelnen autoritären politischen Bewegungen einzugliedern und zu indoktrinieren, „begleitend“ verletzt werden.81 bb) Die Bedeutung individueller Ressourcenfreiheit bei konkreter demokratischer Partizipation deckt sich zunächst weitgehend mit jenen bei der Allgemeinheit.82 Die allgemeinen Partizipationskosten sind gering und müssen es bleiben. Allerdings können Beeinträchtigungen durch Dritte etwa in Verbindung von regulatorischer ressourcenmäßiger Freiheitseinbuße erfolgen, z. B. wenn die Wahlausübung oder Kandidatur sanktioniert werden soll.83 Die lange Tradition dieser Eingriffe greift etwa Art. 48 GG sowie sonst die Kompensation für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und Ämter auf, deren Aufhebung die demokratischen Funktionen verletzen oder gefährden könnte.84 cc) Regulatorisch verletzt wird die demokratische individuelle Freiheit durch unmittelbare Gewalt und Zwang, auch in Form wirksamer konkreter oder bloß verinnerlicht wirkender Androhung.85 Als Ausdruck offener Unfriedlichkeit des demokratischen Prozesses sind diese Eingriffe leicht empirisch und normativ zu identifizieren. Andere Sanktionierungen sind jenseits von Art. 46 GG etwa im „Fraktionszwang“ Gegenstand weitgehender staatsrechtlicher Erörterung. Mit steigender Subtilität der Zwangswirkungen entstehen erhebliche Abgrenzungsprobleme, etwa wenn die Androhung oder „Warnung“ vor Nachteilen nur für den Fall
79 Vgl. zur Weltanschauungspluralität nochmals oben B. I. 2. b), zur sittlichen Freiheit hier B. II. 5. 80 Vgl. insbesondere BVerfGE 103, 111 (126 ff.) zu Art. 78 II LV HE. 81 Schließlich kann die sittliche Freiheit tatsächlich als Folge politischer Prozesse leiden, etwa wenn es gelingt, menschenverachtende politische Ziele zu internalisieren, etwa die „Vernichtung“ bestimmter Menschengruppen. 82 Siehe oben 2. b) bb). 83 Etwa durch Androhung von Vermögensnachteilen bei Partizipation oder bestimmter Entscheidung, vgl. dazu aus strafrechtlicher Sicht hier nur bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 10 Rn. 29 ff. 84 Zu ergänzen sind hier lediglich die Diskussionen um die Alimentierung der Volksvertreter seit der griechischen Antike bis ins 19. Jh.; vgl. etwa MD-Klein Art. 48 GG Rn. 1 ff.; v. Arnim, ZRP 2003, 235. 85 Vgl. BVerfGE 44, 125 (139); allgemein bereits oben B. I. 1.
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einer bestimmten Äußerung oder Entscheidung in einer Weise erfolgt, die nicht einfach als Nötigung gewürdigt werden kann.86 dd) Das Geheimnis des individuellen Abstimmungs- und Wahlverhaltens (vgl. etwa Art. 38 I 1 Var. 5 GG, § 33 BWahlG) schützt vor allem die Freiheit vor indirektem Zwang durch die Furcht vor Konsequenzen (Einschüchterungseffekte) ebenso wie vor Angriffspunkten gegenwärtiger oder zukünftiger Manipulation. Es ist danach ein Fall der informationellen Freiheit.87 Es wird damit nicht verletzt, soweit der Einzelne – im Übrigen, v. a. rational und regulatorisch, frei – sein Verhalten offenbart, jedenfalls solange dadurch, etwa in Kumulation mit anderen, nicht ein indirekter Zwang auf andere Abstimmende bzw. Wähler ausgeübt wird.88 Besondere Bedeutung haben hier auch die allgemeinen Schutzrechte auf Privatheit, die vor massiver politischer Manipulation durch Ausnutzung – etwa einer Verbindung von politischen Konkurrenten mit Deep-Data-Mining-Analytik-Unternehmen und Nachrichtendiensten – ebenso schützen müssen, wie vor massiven Einschüchterungen.89 ee) Mit Beeinträchtigungen der rationalen Freiheit tut sich die tradierte Dogmatik besonders schwer. So werden nur bestimmte Formen der Wählertäuschung bestraft, nämlich allein solche mit der Folge eines Irrtums in der formellen Erklärungshandlung entsprechend § 119 I BGB.90 Jede sonstige Beeinflussung weg vom eigentlichen Willen des Betroffenen wird als unbeachtlich, etwa als bloßer Motivirrtum behandelt. Dies ist der tradierten Konstruktion von Freiheit und Demokratie des BVerfG geschuldet, das diese Bereiche methodisch ausblendet.91 Die indes in Art. 5, 8, 9, 18, 21 GG genannten Eingriffsmöglichkeiten des Staates in eine vermeintlich abgeschlossene gesellschaftliche Sphäre, oft gerade selbst historische Verankerung der FDGO, erscheinen dazu lediglich als Insellösungen ohne klares systematisches Fundament und damit von begrenzter Wirkungskraft.92
86 So hat sich BVerfGE 7, 63 (69); 15 165 (166) auch auf die Formel, „dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei, d. h. ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben kann“, zurückgezogen. 87 Vgl. oben zum Ganzen Fahrner, Staatsschutzstrafrecht § 10 Rn. 26 ff. m. w. N. 88 Allerdings wäre nur in einem System, in dem der Wähler keinerlei Sanktionierung seiner Wahlentscheidung zu fürchten hätte, das Wahlgeheimnis als Teil der FDGO lässlich, wie von Vertretern einer sozialismusoffenen FDGO, wie etwa von Stollberg, Grundlagen, S. 38 ff. propagiert, dies ist jedoch rein fiktiv. 89 Letztere können gerade in modernen Informationsgesellschaften zu einem massiven Rückgang der Beteiligungsbereitschaft Einzelner als Kandidaten, sowie durch gezielte Beeinflussung wesentlicher Wahlen durch Skandalisierung von Konkurrenten führen. 90 § 108a StGB, vgl. dazu hier nur bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 10 Rn. 33 ff. 91 Erinnert sei namentlich die Leerstelle des Inhalts der Freiheit gesondert im Verfassungsrecht, die Leerstelle des Volkswillens in der Schmittschen Tradition, oben C. II. 1. sowie der Marketplace of Ideas, oben D. II. 1. 92 Siehe dazu hier nur III. 3., dies wird noch an anderer Stelle ausführlich abzuhandeln sein.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Gleichzeitig nehmen (durchaus rational) die Strategien der Beeinflussung demokratischer Prozesse aller Art (öffentliche Meinungsbildung, Wahlen, delegierte Entscheidungen) an Stärke und Elaboration mit (auch) deren Rationalität angreifenden Mitteln – darunter Täuschungen, Framing, Verteuern von zutreffenden Informationen, Schaffen von Stress- und Überforderungssituationen, Emotionalisierung – kontinuierlich zu.93 Sie stellen bis auf weiteres die größten Bedrohungen etablierter Demokratien dar, bei denen alleine absehbar scheint, dass ihr Gefahrpotential weiter steigen wird. Manipulationen auf der Ebene der individuellen Rationalität stellen die Hauptangriffspunkte extremistischer Bewegungen dar.94 Weit mehr sind indes in der semirationalen Realität moderner demokratischer Systeme politische Strategien der Beeinflussung der Wähler durch irreführende Versprechungen und negative täuschende Kampagnen über Alternativen nicht nur verlockend, sondern gelten tatsächlich auch sozialüblich.95 Erkennbar wird jedoch auch hier das wirklich Gewünschte des Bürgers verfälscht, und zwar in den formalen Wahlen und Abstimmungen, wie auch in den vorgelagerten und umfassenden Prozessen der individuellen und öffentlichen Willens- und Meinungsbildung. Sie können besonders deutlich Frustrationen mit Folgen etwa für Integration und Friedlichkeit bewirken. Generell kann von einer echten freien Demokratie kaum gesprochen werden, wenn eine wesentliche Dimension der demokratischen Freiheit nicht gewährleistet scheint.96 Dabei besteht nach konsequenter Auffassung der freiheitlichen Demokratie im Sinn der FDGO keine Sperre dagegen, auch die rationale Freiheit durch staatliche Maßnahmen im Rahmen der üblichen formellen und materiellen SchrankenSchranken zu schützen – und zwar gegen Bedrohungen von allen Seiten, vor dem Staat selbst wie aus der „Gesellschaft heraus“, sonst von außen oder letztlich mittelbar oder unmittelbar von fremden Mächten initiiert. Dies ist vielmehr deduktiv systematisch ohne weiteres aus der Demokratie als Ausgestaltung der FDGO ableitbar. Daraus kann geradezu ein Schutzauftrag im Sinn der FDGO deduziert werden, um diese namentlich in ihrer Friedlichkeit zu erhalten. Die Anwendungsfragen verlagern sich weg von einem durchlöcherten Paradigma staatlicher Neutralität auf die richtigen Ebenen der konkreten Verhältnismäßigkeit, ohne dass die Sicherung durch richterliche Kontrolle dadurch geschwächt würde.97 An dieser Stelle kann auch dem praktischen Problem begegnet werden, dass ein Gesamtverbot jeder 93
Vgl. im Einzelnen oben D. II. 5). Vgl. oben D. II. 4.; konkret sei an die noch ausstehende Forschung etwa zur „BrexitManipulation“ die vielfältig aus dem Vereinigten Königreich geschildert erinnert, wonach sich die Abstimmenden in vielem, vor allem über die Medien, über die Folgen maßgeblich getäuscht sahen und betonten nur wegen dieser Täuschungen für den „Brexit“ gestimmt zu haben. 95 Vgl. oben D. II. 3., 5. 96 Vgl. gerade oben a) verbunden mit den Erkenntnissen zur Freiheit, hier nur oben B. II. 97 Vielmehr wird diese bei klar komplementärem Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit systematisch kohärent und nicht nur dadurch erheblich effektiviert, vgl. oben D. III. 94
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irgendwie irreführenden Wahlwerbung oder sonstige Beeinträchtigungsunternehmungen der rationale Freiheit absehbar illusorisch erscheint und stets die Gefahr einer Freiheit und Fortschritt erstickenden und missbräuchlichen Staatsaufsicht auch für die Friedlichkeit in sich trägt.98 c) Das BVerfG unterscheidet die Freiheitsbeeinträchtigungen kategorisch nach ihrem Auslöser. Dieser stark schematische Ausgangspunkt erweist sich aus Sicht der FDGO als problematisch und gefährlich. aa) Das Gericht trennt strikt staatliche von nicht unmittelbar staatlichen Einwirkungen, also solchen von Medien, politischen in- und ausländischen Gruppen sowie fremden Mächten über diese oder unmittelbar. Solange damit in einer Überfokussierung eine „Neutralitätspflicht des Staats“ gegenüber einer rein fiktiven gesellschaftlichen Ebene postuliert wird, bleibt der dort verortete Teil der demokratischen Prozesse ohne kohärente und resiliente Schutzbasis.99 Dies gilt namentlich für Manipulationen, die sich, zumindest rein formal, „bloß“ innerhalb der gesellschaftlichen Sphäre bewegen, insbesondere an „Marktmacht“ auf dem fiktiven „marketplace of ideas“ anknüpfen.100 So scheint eine effektive und konsequente Abwehr von Angriffen auf die demokratische Freiheit aufgrund der Trennung nach ihrem formalen Akteur, allenfalls mittelbar möglichen Hintermännern, schwer bis nicht möglich. Das BVerfG tastet sich an das Problem allmählich heran, indem es sein Paradigma der staatlichen Neutralität und Überlassung der Gesellschaft an sich selbst bisweilen ad hoc einschränkt.101 So gleicht es jedenfalls für eine Wahlanfechtung einer mit unmittelbaren staatlichen Autorität erfolgten (v. a. regulatorische) Beeinflussung eine solche von außerstaatlichen Dritten an, wenn keine andere Möglichkeit der Abwehr bestand.102 Darüber hinaus ist in einer konsequenten Theorie der demokratischen Freiheit im Gemeinwesen ein tauglicherer Ansatzpunkt zu finden: Wesentlich ist, wie sehr demokratische Prozesse und Funktionen der fdVO insgesamt erheblich beeinträchtigt oder wesentlich gefährdet werden, namentlich, wieweit die Möglichkeit der freien Meinungsbildung und -bekundung und Entscheidung betroffen sind. Dies wird sich vor allem nach Ausmaß, Bedeutung, Intensität, Intension und darin auch Ur-
98
Vgl. hier nur unten IV. Vgl. zum Ganzen ausführlich weiter unten IV. 3. 100 Vgl. namentlich oben D. II. 3., 5., unten 4., III., und IV. 101 Solche ad hoc-Modifikationen sind meist ein Indiz für die Überalterung eines Paradigmas, vgl. etwa bereits Kuhn, Revolutionen, S. 11; Fahrner, Buchdruck, S. 17 f. m. w. N. 102 Zu diesen innergesellschaftlichen Beeinflussenden werden auch die Parteien und einzelnen Kandidaten gezählt; wenn mit Mitteln des Zwangs oder Drucks die Wahlentscheidung beeinflusst oder in ähnlich schwer wiegender Art und Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt wurde, soll die Wahlanfechtung nur greifen, wenn keine hinreichende Möglichkeit der Abwehr, z. B. mit Hilfe der Gerichte oder der Polizei, oder des Ausgleichs, etwa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte, vgl. BVerfGE 103, 111 (132 f.) m. w. N.; BVerfGE 122, 304. 99
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heber und Nutznießer widerspiegeln.103 Dafür ist die traditionelle Einteilung zwischen Einwirkung mit eigenen staatlichen Mitteln (seitens der „herrschenden“ Eliten), ausländischen staatlichen oder vergleichbaren fremden Mächten und sonstigen Akteuren, die das klassische Staatsschutz- und Verfassungsrecht prägt, ein zwar wichtiger Indikator, aber letztlich bloßer Ausgangspunkt. bb) In den vergangenen Jahren sind global besonders Beeinflussungen hervorgetreten, welche mutmaßlich von fremden Mächten unmittelbar oder mittelbar gesteuert werden. Sie rücken in die Aufmerksamkeit des Völker-, Verfassungs- und Staatsschutzrechts, zunächst namentlich Art. 1, 2 Nr. 1, 4 Alt. 2 UNCh.104 Eine klare Einordnung als „dritte Quelle“ (neben verpönter innerstaatlicher Einwirkung und dadurch unbeachtet-freigehaltenen innergesellschaftlichen Prozessen) in die Verfassungsdogmatik sowie im Anschluss das Gefahrenabwehr und Strafrecht gelingt hingegen bislang nicht hinreichend. Eine mögliche Reaktion wäre die Übernahme nationaler Abschottung, auf die es autoritäre Systeme (von denen die Attacken auch als reaktive und präventive Antwort auf Demokratisierungstendenzen und dort wahrgenommene Gefahren für die staatliche Herrschaftsstabilität ausgehen) gerade anzulegen scheinen. Das Ziel mag sein, zu einem Völkerrecht abgesetzter Koexistenz und Abschirmung aller „inneren Angelegenheiten“, faktisch zu kontrollierbaren Übergangsstellen der Öffentlichkeitsmedien, sozusagen einem eisernen Vorhang zwischen jedem staatlichen System, zu gelangen. Für freiheitliche Demokratien bergen solche Abschirmungen große Risken bei geringen Chancen. Eine nationale Abschottung der Willensbildung ist kaum konsequent durchführbar, kann sich als Fortschrittshindernis und gerade selbst mögliches Einfallstor des manipulativen Missbrauchs innerhalb eines Gemeinwesens erweisen, bis hin zur Rechtfertigung und Ermöglichung autoritärer Regime. Zur Bewahrung der FDGO ist sie so weder geeignet noch angemessen, aber auch regelmäßig per se nicht erforderlich.
4. Demokratische Gleichheit a) Bereits seit der Weimarer Republik wird betont, dass Demokratie ihrem Wesen nach die gleichberechtigte Teilnahme aller an der gemeinsamen Regelung der gemeinsamen Aufgaben ist.105 Damit ist einerseits der wesensgleiche Beteiligungsanspruch adressiert, der allen, möglichst allgemein, Berechtigten bei allen staatlichen Akten – namentlich Abstimmungen, Wahlen und Ämterrekrutierung – zu103
Vgl. auch bereits Leibholz, DVBl. 1951, 554. Vgl hierzu insbesondere die Beiträge in Dietrich u. a. (Hg.), HdbSiStR. 105 Vgl. bereits Preuß mit Nachweisen bei Lehnert/Schefold, Preuß, S. 53 f.; Thoma, HdtStR, § 16, S. 190; Abendroth, Demokratie, S. 156 (163); Hesse, Grundzüge, Rn. 133; mit Blick auf die verfassungshistorischen Entwicklungslinien seit der Französischen Revolution Jouanjan, EuGRZ 2002, 314; Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (61); Kißlinger, Chancengleichheit, S. 12 ff. mit historischem Überblick auch zum Folgenden; Schulz, Chancengleichheit, S. 168 ff.; Unger, Verfassungsprinzip, S. 249 ff. 104
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kommt.106 Auf der anderen Seite drückt sich die Friedens- aber auch Fortschrittsfunktion darin aus, dass die konkrete Chance, mit der eigenen Meinung gegen andere in der Entscheidung erfolgreich zu sein und zu diesem Ziel in der Willensbildung Gehör zu erlangen, sich an Grundsätzen der Gleichheit bzw. Gleichwertigkeit orientieren muss.107 aa) Die konkrete Umsetzung dieser Maxime der Geltungs-/Chancengleichheit bei unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Beteiligten bleibt, wie stets, in hohem Maß diskussionsbedürftig. An dieser Stelle bildet das Problem der politischen Chancengleichheit das hermeneutische Dilemma allgemeiner Gleichheit oder „Gerechtigkeit“ bei ungleichen Ausgangsbedingungen ab:108 Verfügen Betroffene über unterschiedliche Ressourcen, dann kann Gleichheit unter ihnen gesucht und verstanden werden zwischen den Polen formaler, gänzlich unbeeinflusster Gleichbehandlung (als völliges Nivellierungsverbot) oder am Ergebnis orientierter effektiver Gleichheit (d. h. der Nivellierung auf eine Ergebnisgleichheit). Die Festlegung innerhalb der so beschriebenen Skala ist in der FDGO grundsätzlich als ex posteriorWert der weiteren internen Klärung innerhalb des demokratisch (und rechtsstaatlichen) Prozesses überlassen.109 Damit wird zwar Integration und allgemeine Friedlichkeit gewonnen. Sie wird jedoch wiederum maßgeblich an die Legitimität der Entscheidungen und Prozesse darüber, mithin deren Ausgestaltung (sozusagen in politics und polity) gebunden. Die Herstellung von demokratischer Prozess- und gar Entscheidungsgleichheit durch die Verfassungs- und Gesetzgeber110 steht umso mehr unter besonderer Bedeutung und Beachtung.111 Die genannten Funktionen der FDGO 106 Auch für in unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählte Vertretungsorgane in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Zwangsmitgliedschaft, BVerfGE 71, 81 (94 ff.). 107 Zu Gleichwertigkeit vgl. Jellinek, Staatslehre, S. 724; dies kritisch im letztgenannten Sinn fortentwickelnd Preuß, Reich, S. 325 ff. (zu Art. 1 Rn. VIII); vgl. allgemeiner Badura, Staatsrecht, Rn. D7 f.; ähnlich Hesse, Grundzüge, Rn. 157: „Die Gewährleistung gleicher Chancen erweist sich damit auch als wirksame Sicherung der Freiheit des politischen Prozesses und der individuellen Freiheit.“; vgl. zu vorangehenden Diskursen in der Zwischenkriegszeit von Leibholz, Kelsen und Thoma zusammenfassend Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (196 ff.) m. w. N.; Hacke, Existenzkrise, S. 174 ff. 108 Insoweit besteht ohne Weiteres eine Strukturgleichheit mit Art. 3 GG fort, auch wenn BVerfGE 99, 1 nunmehr statt der früheren st. Rspr. diesen in Art. 28 I 2, 38 I 1 GG als normativ unabhängig von Art. 3 I GG ansehen will. 109 Siehe auch oben B I. 2. b) für von Politiken (policies) auf Zielwerte des Gemeinwohls; demgemäß kann die Entscheidung des Gesetzgebers gerichtlich nicht als Verstoß gegen die Gleichheit als unzweckmäßig oder rechtspolitisch unerwünscht verworfen werden, sondern nur, wenn sie nicht an einem legitimen Ziel orientiert oder sie das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen überschreitet, BVerfGE 51, 222 (238). 110 Dem Gesetzgeber etwa nach Art. 38 III GG und den weiteren Regelungen etwa nach dem BWahlG sowie etwa zur Meinungsbildung, vgl. BVerfGE 3, 19 (24). 111 Damit wurden zunächst, wohl auch aufgrund vordringlicher Angst vor einer autoritären Staatsprägung, bewusst Warnungen aus jahrhundertelanger Erfahrung hintangestellt, wonach soziale Disparität „summum jus zur summa injuria machen“ könne. Die radikalste formale Gleichheit kann ohne soziale Homogenität zur radikalsten Ungleichheit, und die Formalde-
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sind evident in Gefahr, wenn die Majorisierung bestimmter Individuen und Standpunkte auch gerade in der und durch die Öffentlichkeit perpetuiert wird.112 Ebenso kann sich eine Delegitimierung verfestigen, wenn eine effektive Chancenungleichheit nicht mehr plausibel begründbar erscheint. bb) Nur solange unterschiedliche Ressourcen der einzelnen Bürger vollständig unbeachtlich sind, ist eine eindeutige Bestimmung der Chancengleichheit möglich. Dies ist namentlich bei der Stimmabgabe selbst der Fall:113 indem jedem genau eine Stimme zukommt, kann die Wahlgleichheit als streng formale, mathematischarithmetisch eindeutig definiert werden.114 Ein Pluralstimmenrecht, etwa nach „Vermögen“ finanzieller Art oder an formaler Bildung, welche Gegenstand der Debatten des Utilitarismus und Frühliberalismus war,115 liegen heute außerhalb jeder im Rahmen der Friedensfunktion vertretbaren Demokratietheorie. Gleiches gilt für formale politische oder sonstige Diskriminierungen entgegen Art. 3 III GG.116 Bemokratie zur Diktatur einer herrschenden Klasse werden. Dies ist der Fall, wenn in einer semirationalen Demokratie die Machtmittel „ökonomischer und zivilisatorischer Überlegenheit“ (letzteres etwa Bildung) von besonders Reichen in destruktiver Weise eingesetzt werden (können) und entsprechend wirken. Die Plutokratie tritt neben die Pöbelherrschaft, und gemeinsam mit ihr wird sie zur zentralen Gefahr für die Demokratie, gemessen an ihrer Fortschritts- und Friedensfunktion. Ein Beispiel dafür, wie sie die Destabilisierung verschärfen, wenn nicht einleiten, und schließlich das Scheitern bewirken können, liefert etwa die Deutung der gracchischen Krise als Beginn des Endes der römischen Republik. Noch früher wies bereits auch die griechische Antike auf die Gefahren der Plutokratie als Geldherrschaft (neben der Pöbelherrschaft) im Hinblick auf Destabilisierung und Scheitern der Demokratie an ihrer Fortschritts- und Friedensfunktion hin. Deutlich wurde bereits jedenfalls für die moderneren Autoren, dass die kurzfristige Beeinflussung der Mehrheitsentscheidungen und -willensbildung gegen die eigentlichen Willen bzw. Interessen zwar möglich, aber nicht dauerhaft zu stabilisieren sein dürfte, jedenfalls das Prinzip der Demokratie in sein Gegenteil gewandelt würde; vgl. Aristoteles, Politik, v.a cap. VI, 1 ff. [1316b ff., S. 298 ff.); Cicero, Res, cap. I, 48; Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (37); Abendroth, Demokratie, S. 156 (165) unter Verweis auf Laski, Einführung, S. 66 ff.; vgl. weiterhin Habermas, Öffentlichkeit, S. 234 ff. 112 Vgl. zu den ausführlichen Warnungen von Tocqueville und Mill ausführlich Habermas, Öffentlichkeit, S. 32, 209 ff. 113 Diese Bewertung ist zunächst alleine auf die politische Entscheidung, notwendigerweise gleichermaßen bei Abstimmungen, gerichtet, und dort ohne weiteres plausibel und mit besonderem Gewicht für die plurale Friedlichkeit namentlich im formalen Stimmwert und Ziel des Erfolgswerts als Teil der FDGO zu begründen. Einschränkungen sind aber (namentlich durch die im Rahmen der Allgemeinheit des Stimmrechts legitimierbaren, vgl. oben 2. a)) nicht ausgeschlossen; im Übrigen auch beim Wahlvorschlagsrecht BVerfGE 71, 81 (98 ff.). 114 Ausdrücklich BVerfGE 1, 208 (246); Heller, Gleichheit, S. 23 f.; Wild, Gleichheit, S. 11; v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 55. 115 Vgl. Mill, Government, S. 143; dazu etwa Miller, History of Political Thought, 24 (2003), 647 ff.; Baccarini/Ivankovic´, Prolegomena 14 (2015), 137 ff. 116 Für das BVerfG etwa gilt: „Für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, wie das Grundgesetz sie geschaffen hat, ist die Gleichbewertung aller Staatsbürger bei der Ausübung des Wahlrechts eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung. Es darf darum das Stimmgewicht nach Zähl- und Erfolgswert sicher nicht differenziert werden nach Bildung, Religion, Vermögen, Klasse, Rasse oder Geschlecht (vgl. auch Art. 3 Abs. 2, 3 GG). Es darf auch nicht der Erfolgswert der Stimmen unterschiedlich gestaltet werden, je nach der Art der
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reits bei der Wirkung der Stimme können sich dann wieder zahlreiche Folge- und Detailprobleme der Gerechtigkeit im Rahmen der Wahl- und Zählsysteme stellen.117 Dort ist allerdings eine plausible Begründung von Diskriminierungen möglich, etwa wenn es um „vernünftige“ Sperrklauseln im Verhältniswahl- und örtlich radizierten Mischwahlsystemen geht.118 Auch sonst können Einzelprobleme der formalen Gleichheit aufgegriffen werden: Die Bekanntgabe von Zwischenergebnissen vor Abschluss der Wahl/Abstimmung führt durch die zusätzlichen Informationen per se zur Rationalitätssteigerung und nur bei zusätzlichen manipulativen Elementen zur Beeinträchtigung der Freiheit. Sie bedeutet jedoch vor allem eine Ungleichbehandlung der Teilnehmer durch bessere Erfolgschancen aufgrund der Informationen. Die öffentliche Bekanntgabe stellt daher nur einen Sonderfall dar, der anders als eine private Informationsprivilegierung gerechtfertigt sein kann, wenn die unverzügliche Feststellung von Ergebnissen noch vor etwaigen notwendigen Nachwahlen in einem anderen Bezirk zum Frieden durch Transparenz (namentlich Schutz vor Manipulation und entsprechenden Vorwürfen) dient.119 cc) Gleichzeitig wird der unmittelbare Einfluss ressourcenstarker Einzelner auf andere Stimmberechtigte – sei es unmittelbarer Stimmenkauf oder „Klientelismus“ – aus Lehren seit der späten römischen Republik als kritische Gefahr für die Demokratie erkannt.120 Ab wann jedoch die Grenze zu einer „corruptio“ des Einzelnen und des demokratischen Prozesses überschritten ist, ist überaus schwierig und wohl schwer einheitlich zu bestimmen.121 Als äußere Grenze und Ansatzpunkt mag hier erneut die Stimmfreiheit der Betroffenen gelten: Unstreitig gilt dies jedenfalls für jede regulatorische Beeinträchtigung durch Gewalt und Zwang, z. B. auch wirtschaftlicher Art, damit verbunden mit ressourcenmäßigen Elementen. Aber auch rationale und sittliche, sowie vorangelagerte informatorische Beeinflussungen können als wesentliche Beeinträchtigung erscheinen, die unter diesem Gesichtspunkt zu sanktionieren sind, ohne dass sich dies als Verletzung einer formalen Gleichheit des Einzelnen darstellen kann. Schwierig erweisen sich Formen anscheinend unmittelbarer „Freiheitserweiterung“ – etwa durch Geldgeschenke oder politischen Meinung, für die der Wähler sich entschieden hat.“, so BVerfGE 6, 84 (91); vgl. im Übrigen zur st. Rspr. mit leicht abweichenden Nuancen im Ergebnis namentlich BVerfGE 7, 63 (70); 11, 351 (361); 12, 10 (25); 12, 73 (77); 13, 243 (246); 16, 130 (138); 34, 81 (98 f.); 51, 222 (235 ff.); 93, 373 (376); 95, 335 (353); 95, 408 (417); 120, 82 (103 ff.); 121, 266 (295); 129, 300 (318); 135, 255 (284); 146, 327 (349 f.), sowie zum Ganzen etwa v. Münch/Kunig/Trute, Art. 38 GG Rn. 65. 117 Vgl. etwa BVerfGE 7, 63 (70); 95, 408 (417 ff.); zuvor bevor in der WRV vgl. UngernSternberg, Wahlsystem, S. 189 (203 ff.). 118 Vgl. grundlegend BVerfGE 1, 208 (246 ff.). 119 Vgl. ausführlich BVerfGE 124, 1 (16 f.) m. w. N. 120 Vgl. auch Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 10 Rn. 37. 121 Vgl. auch den Ansatz des BGHSt 33, 338 m. w. N.; daneben zunächste etwa auch Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, §10 Rn. 37 sowie in weiterer Untersuchung.
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logistische Unterstützung für die „frei“ gewählte „richtige“ Stimmabgabe.122 Ansonsten scheinen in der modernen Demokratie die Wirkungsmöglichkeit potenter Einzelner namentlich über Organisationen, v. a. solche in den demokratischen Prozessen „mediierender Agenten“ zur Geltung kommen zu können.123 b) Gerade in den Prozessen der Meinungsbildung und zwischen Organisationen (aller Art) bei unterschiedlichen vorgefundenen Wirkungsmächtigkeiten und Ressourcen ist die Chancengleichheit keinesfalls trivial oder einfach und determiniert lösbar, gleichwohl weitaus zu wenig beleuchtet.124 Das explizite Primat einer „staatsfreien Gesellschaft“ ebenso wie unter dem eines absolut gesetzten „Demokratiedarwinismus“125 erweist sich erneut gerade im Hinblick auf die Bewahrung der FDGO als Problem, da erhebliche (egal in welcher Weise effektiv) perpetuierte Ungleichheiten die Integration, Friedlichkeit, aber auch Fortschrittlichkeit bedrohen können.126 Die daraus gebotene allgemeine Analyse unter dem Gesichtspunkt der Ausgestaltung und Vulnerabilität der FDGO muss daher aus den vorhandenen
122 Dazu genannte BGH-Entscheidung sowie Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, §10 Rn. 37; zur „logistischen Unterstützung“ seien exemplarisch die etwa aus Kroatien berichteten „Rentner-Kaffeefahrten“ zu Wahlen durch einzelne Parteien erwähnt. 123 Vgl. auch BVerfGE 52, 63 (88 f.); weitergehend unten III. 124 Die Bestimmbarkeit und Umsetzbarkeit hat bislang rechtswissenschaftlich kaum Beachtung (allenfalls im Hinblick auf Lobbyismus und vertikale Rückbindungen, s. u. II., III.) gefunden. Dies gilt namentlich mit Ausnahme der Institutionen von Parteien und Medien bislang für die Chancengleichheit von politischen Interessenverbänden und Organisationen und ihre Rolle für die Demokratie und die (durchaus anders zu betrachtende) demokratische Gleichheit der Bürger; allerdings hat das BVerfGE 11, 266 (273); 69, 92; 78, 350; 99, 1; 99, 96; 121, 108 für die Parteien in ihrem Wirkungsbereich angeglichen kommunale Wahlvereinigungen grundlegend Überlegungen angestellt, dazu und weiteren Aspekten sogleich unten c). Dies erweist sich gerade die unmittelbare Beeinflussung delegierter politischer Entscheidung sowie der Einsatz von Ressourcen zur Beeinflussung der Öffentlichkeit aus politologischer und sonst sozialwissenschaftlicher Sicht als weitaus zu gering in normativer Perspektive beleuchtet. So weist bereits Habermas, Öffentlichkeit, S. 268 ff., 275 ff., 295 ff. ausführlich auf die Probleme der Beeinträchtigung der Chancengleichheit spezifisch in der Öffentlichkeit durch unternehmerische Medienselektionen und Macht von Akteuren wie Parteien und Verbänden hin. 125 Vgl. am unumwundensten ausgesprochen von BVerfGE 20, 56 (105 f.): „Die Abgrenzung zwischen legitimer und die freie politische Willensbildung störender Einflussnahme der Spender ist verfassungsrechtlich nicht fassbar. Es liegt in der Verantwortung der Parteien, den sachwidrigen Einfluss finanzkräftiger Interessenten vom sachgerechten zu unterscheiden und dem auf sie eindrängenden sachwidrigen Druck der Interessenten zu widerstehen.“; vgl. erneut oben B., C. II. 5. und gerade 1., 3. b) ee), c). 126 Dies gilt namentlich, wenn politische Wirkungsmächtigkeit bei der in lateinischen Sinn „privatisierenden“ Umverteilung von Ressourcen auf wenige zu einem sich verstärkenden und stabilisierenden Kreislauf der Ressourcenmächtigkeit führt, welche die formal fortbestehende Demokratie von der Bevölkerungsmehrheit dauerhaft entkoppeln und damit ihre Legitimität und Friedlichkeit dauerhaft zerstören kann. Wie die Spieltheorie plausibel macht, kann von den mächtigen Akteuren eine Einsicht oder Rücksicht in ihrem kurzsichtigen ökonomischen Handeln in keiner Weise erwartet werden.
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Diskussionen, namentlich zur demokratischen Gleichheit von und in Parteien bei Volkswahlen, entwickelt werden.127 Wohl maßgeblich auf Hesse basiert die Prämisse, dass die Gleichheit der Parteien sich als Korrelat ihrer Freiheit im Sinne eines Verbots jeglicher Einflussnahme auf Gründung, Bestand und Tätigkeit „zugleich als Garantie ihrer gleichen Chance, die gleiche Chance sich als Sicherung ihrer Freiheit erweist … eine rechtliche Unterscheidung zwischen großen und kleinen, Regierungs- und Oppositionsparteien ist unzulässig“.128 In der so postulierten „strikt schematischen Gleichheit“ wird das Paradigma deutlich, in jeder staatlichen Abweichung von strikt formalistischer Gleichbehandlung eine politische Verzerrung zugunsten der in Macht befindlichen Elite zu erblicken bzw. zu vermuten, welche es möglichst zu verhindern gilt.129 Das Verhältnis untereinander in der gesellschaftliche Sphäre ist damit explizit vom Staat grundsätzlich nicht zu erreichen.130 Demgegenüber drückt das Problem der Unschärfe und Mehrdeutigkeit der Chancengleichheit der Parteien § 5 I PartG geradezu idealtypisch aus. Danach „sollen alle Parteien gleichbehandelt werden. Der Umfang der Gewährung kann nach der Bedeutung der Parteien bis zu dem für die Erreichung ihres Zweckes erforderlichen Mindestmaß abgestuft werden. Die Bedeutung der Parteien bemisst sich insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretungen. Für eine Partei, die im Bundestag in Fraktionsstärke vertreten ist, muss der Umfang der Gewährung mindestens halb so groß wie für jede andere Partei sein.“ Diese Unschärfe gilt nicht nur, wie dort, für staatliche Leistungen, sondern sämtliche staatliche Reaktion. c) Für das deutsche Verfassungsrecht behauptet das BVerfG regelmäßig als sein Dogma die „strikte, formale Gleichheit der Parteien“. Es relativiert diese jedoch nach einzelnen Problemkreisen. Dabei beruft es sich paradigmatisch auf die Auslegung der in Art. 28, 38 GG bzw. zusätzlich auch in Art. 21 GG fixierten131 aktiven und 127 Zur Chancengleichheit der Parteien bei Wahlen als Bestandteil der FDGO vgl. etwa BVerfGE 44, 125 (145). 128 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 175 f.; ders. VVDStRL 17 (1959), S. 11 (27 ff.); zur Wirkungsgeschichte Shirvani, Parteienrecht, S. 61 ff. m. w. N. 129 So behauptet Hesse, Grundzüge, Rn. 176 ausführend, dass bei spezifischer Rechtfertigung, etwa der Arbeitsfähigkeit demokratischen Institutionen Diskriminierungen möglich wären, „auch wenn sie unvermeidlich als Prämie auf den Besitz der politischen Macht wirken“. Insoweit tatsächlich in Ergänzung zum Parteienstaat-Paradigma von Leibholz (s. u.) und nicht als Gegensatz, wie Shirvani, Parteienrecht, S. 61 f. meint. 130 Wenig bemerkt könnte gerade in der Ablehnung der von Hesse, Grundzüge, Rn. 177, 179 damit verbundenen Zuordnung der Parteien zum öffentlichen Recht und dessen dadurch nur geringe Betrachtung möglicher unredlicher „privater“ Beeinflussungen der Parteien durch die h. M. eine Lücke bzw. Spannungsfeld entstanden sein, wie mit erheblichen verzerrenden „innergesellschaftlichen“ Beeinflussungen des Parteienwettbewerbs umzugehen ist. Aus der Verbindung entstand ein Gebot der Staatsferne und Verbot der Intervention, das, kategorial fortgedacht, allen Staatsgewalten (einschließlich nicht unmittelbar politisch geprägter) zwingen würde, Radikalisierungen, „Entfriedlichung“ und Verfälschungen des politischen Prozesses weg von Mehrheiten außerhalb der Schwelle des Art. 21 II – IV GG zuzusehen. 131 Grundlegend BVerfGE 1, 208 (255); 6, 273 (280).
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passiven Wahlgleichheit.132 Diese versucht das Gericht, in die weiteren politischen Prozesse, die als Vorfeld von Wahlen verstanden werden, zu übernehmen. Auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen der Parteien133 formuliert es ein Verbot des Staates, „den politischen Wettbewerb zu verfälschen“.134 Dahinter steht die Überzeugung des Gerichts, in einem unbeeinflussten, freien und offenen politischen Markt könnten die Parteien am besten die politischen Meinungen abbilden, aggregieren und integrieren,135 gerade im Vorfeld der konstitutiven Wahlen.136 aa) Daher wird die Chancengleichheit der Parteien über „den Bereich des Wahlrechts im engeren Sinne“137 und die eigentliche Wahlvorbereitung, etwa für die Zulassung von Wahlvorschlägen138 und „Vorwahl“ durch Kandidatenaufstellung in den Parteien139 ausgedehnt auf das gesamte „Vorfeld“,140 namentlich auch die Wahlwerbung in der Öffentlichkeit durch Medien.141 Einerseits seien sie schon im Stadium der Wahlpropaganda beim Gebrauch von Propagandamitteln zu beachten, über die die öffentliche Gewalt ausschließlich verfügt.142 Andererseits sind problematisch Regulierungen und kommunikatives Staatshandeln der Werbung für und gegen Parteien und Meinungen mit staatlicher Autorität.143 Hier finden sich aber auch Fragen der Nutzung staatlicher Ressourcen wie Einrichtungen i. S. v. § 5 I PartG, der, etwa bei allgemeinen Parteiversammlungen, allenfalls noch über den Parteizweck gesicherte Verbindung zu konkreten Wahlen aufweist. Letztlich auch zum weiteren Vorfeld der Wahlen als Grundlage der Chancengleichheit der Parteien zählt weiterhin ihre Beschaffung von finanziellen Ressourcen, vor allem die staatlichen Entscheidungen zu unmittelbaren Zuwendungen (Spenden) an die Parteien,144 der wirt-
132 Im Einzelnen bleibt die Herleitung (nur) zwischen den verschiedenen Normen ein Fokus der verfassungsdogmatischen Diskussion, auf die hier nicht im Einzelnen einzugehen ist, vgl. nur Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 78 m. w. N.; v. Münch/Kunig/Trute, Art. 38 GG Rn. 67 ff. m. w. N.; Koch, ZParl 33 (2002), 694. 133 Insoweit zusammenfassend BVerfGE 148, 11 (24). 134 Vgl. exemplarisch vor allem BVerfGE 69, 92 (109); 73, 40 (89); 85, 264 (297); 104, 287 (300); 111, 382 (398); 140, 1 (Rn. 76) st. Rspr. 135 Vgl. zur Problematik bereits ausführlich D. II. sowie im Einzelnen anhand der rechtlich eröffneten potentiellen und faktischen Machtverzerrungen III. 136 BVerfGE 111, 382 (404 f.); Morlok, NVwZ 2005, 157 f. 137 BVerfGE 1, 208 (242, 255); 6, 84 (90); vgl. historisch auch Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (201 ff.). 138 Grundlegend BVerfGE 3, 19 (26 ff.); 3, 383 (393); 4, 375 (382 f.). 139 Vgl. dazu insbesondere unten III. 140 Vgl. noch diff. BVerfGE 8, 51 (64 f., 68); dies recht einseitig zitierend zur uneingeschränkten Ausdehnung und damit jedenfalls grundlegend für die st. Rspr. BVerfGE 14, 121 (132). 141 Vgl. BVerfGE 7, 99 (107 f.); 14, 121 (132 f.). 142 BVerfGE 7, 99 (107); 14, 121 (132 f.). 143 BVerfGE 44, 125 (149); vgl. unten IV. 3. 144 BVerfGE 6, 273 (280); 8, 51 (64 f.); 20, 56 (116); 52, 63 (89).
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schaftlichen Tätigkeit,145 sowie der (direkten) staatliche Mitfinanzierung.146 Die staatliche Parteienfinanzierung umfasst vor allen die steuerliche Attraktivitätssteigerung von Spenden147 und damit deren Einwerbung, sowie eine direkte Wahlkampfkostenerstattung mit Abschlagszahlungen vor den Wahlen, die für die Entwicklung von Programmen und Meinungsbildung der Parteien dienen sollen.148 Keinerlei Rolle sollen hingegen Diskriminierungsverbot und Neutralität zugunsten der Parteien beim Verbot spielen, Rundfunk mit eigenem bestimmendem Programmeinfluss zu betreiben; hier „sticht“ anscheinend für das BVerfG nicht nur kompetenzrechtlich das Dogma der „Staatsferne des Rundfunks“ jenes zugunsten der Parteien, die hier plötzlich nicht als Wirkungsbereich der Bürger, sondern als staatsnahe Institutionen verstanden werden.149 bb) In all diesen Aspekten soll nach der Prämisse des BVerfG die Chancengleichheit streng formal zu verstehen sein.150 Die geforderte „mathematisch-arithmetisch, nicht proportionale Gleichheit“151 will das Gericht als Ausdruck eines „egalitär-demokratischen Charakters“ verstanden wissen,152 als „absoluter Gleichbewertung unbeschadet der bestehenden sozialen Unterschiede aller Staatsbürger“.153 (1) Seine Vorverlagerung in formelle Vorwahlprozesse – und schließlich sämtliche politischen Meinungsbildungen und demokratischen Rückkopplungen – erweist sich weiter als problematisch, nicht nur, weil sie dergestalt im Textkanon der Verfassungsregeln im Grundgesetz „bestenfalls flexibel verankert“ erscheint.154 Die Subsumtion ist umso weniger präzise möglich, je weiter sich zu beurteilende 145 Vgl. BVerfGE 121, 30 (53 f.) implizit für unternehmerische Beteiligung an privaten Medienunternehmen; zuletzt etwa BVerfGE 151, 58 zu § 19a PartG n. F.; vgl. § 24 IV Nr. 5 PartG; ferner BVerwGE 168, 116. 146 Grundlegend BVerfGE 20, 56 (116); 24, 300 (339 f.); 41, 399 (413). 147 Vgl. namentlich BVerfGE 8, 51 (62 f.); 24, 300 (357 f.); 52, 63 (84) gegen sonstige Wählerverbände BVerfGE 69, 92 (108 ff.); 78, 350 (358 ff.), dagegen indes BVerfGE 121, 108 (118 ff.). 148 BVerfGE 24, 300 (334 ff.). 149 So jedenfalls BVerfGE 121, 30 (50 ff.). 150 Vgl. für die st. Rspr. hier nur nochmals BVerfG 8, 51 (64); 20, 56 (116); 44, 125 (146); 52, 63 (89); 82, 322 (337); 95, 408 (417); 104, 14 (22); dabei scheint eine ihren Wurzeln unkritisch enthobene Überbewertung der Repräsentation durch Gesamtproporz aus der Weimarer Republik fortzuwirken, vgl. zu letzterer Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 ff. 151 Vgl. Leibholz, Strukturprobleme, S. 136 f.; Böckenförde, HdbStR II, § 24 Rn. 41 f.; Kißlinger, Chancengleichheit, S. 60 ff.; Shirvani, Parteienrecht, S. 214 f.; zur prägenden Rolle von Leibholz dabei vgl. auch Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (200 ff.); zu Leibholz Fokussierung auf Massenparteien jenseits ihrer Binnendemokratie vgl. Hacke, Existenzkrise, S. 175. 152 Vgl. näher im Überblick Shirvani, Parteienrecht, S. 215. 153 So etwa BVerfGE 8, 51 (69); 11, 351 (360); 14, 121 (132 f.); näher v. Münch/Kunig/ Trute, Art. 38 GG Rn. 64. 154 In diese Richtung wohl auch Koch, ZParl 33 (2002), 694 (696 ff.).
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Handlungen und Prozesse von alleine konkret in der Verfassung geregelten Entscheidungsakten, v. a. Wahlen, entfernen. Noch mehr gilt dies für Prozesse der Meinungsbildung und Rückkopplung, die gar nicht in lineare Abhängigkeit zu einer „Willensbildung des Volkes“ zu bringen sind, bzw. jenen Formalakten, deren Regelung als Begründungsmaßstab dienen soll. (2) Demgegenüber ist das Bild des Wettbewerbs zwar grundsätzlich tauglich zur Erfassung nahezu aller demokratischer Prozesse, selbst wenn diese sich weder nur auf konkrete Vorbereitungen von Wahlen und Abstimmungen noch eine lineare „Willensbildung“ reduzieren lassen.155 Der Wettbewerb der Parteien kann als pars pro toto verstanden werden, wiewohl mit Entfernungen von konkreten Wahlen unklarer wird, worum geworben wird – etwa Bedeutung oder Geltung der Partei per se, offiziell gefasster Auffassungen oder der auch oft innerparteilich pluralistisch vertretenen Ansichten und Meinungen zu bestimmten politischen Fragen. (3) Das Gericht behilft sich dann erneut mit dem verallgemeinerten Prinzip, der jeweilige Bereich staatlichen Handelns oder Unterlassens selbst müsse „strikt formal chancengleich“ ausgestaltet sein.156 Dies ließe sich noch offen verstehen als Bevorzugungsverbot bereits „sozial besserstehender Bürger“, also Vertiefung bestehender Privilegierung.157 So bestimmte das Gericht ursprünglich: „Der Gesetzgeber braucht zwar nicht faktisch vorhandene, unterschiedliche Möglichkeiten der Einflussnahme auf diesen Prozess auszugleichen. Wenn er aber gesetzliche Bestimmungen erlässt, die dem Einzelnen besondere Möglichkeiten für eine solche Einflussnahme eröffnen, so darf dadurch nicht eine Differenzierung eintreten, die zu einer Privilegierung finanziell leistungsfähiger Bürger führt.“158 Die daraus noch, namentlich im Umkehrschluss, eröffnete Möglichkeit der Verbesserung unterdurchschnittlicher effektiver Beteiligungschancen stellt das BVerfG jedoch sodann mit jeder staatlichen Egalisierungsmaßnahme unter einen Rechtfertigungsvorbehalt, indem es diese als unvereinbar mit seiner „strikt formalen Chancengleichheit“ deklariert.159 Mit dem absoluten Ausschluss jeder Nivellierung aus dem Begriff sowie der Postulierung „strikter Neutralität“ verlässt das Gericht ebenso das eigene Bild des Wettbewerbs: Dieser soll sein Optimierungspotential zwar durch autonome Regelungsmechanismen entfalten, ist allerdings von der Durchsetzung der Marktregeln gegen unredliche und ihre Marktmacht missbrauchende Teilnehmer abhängig.160 155
Vgl. auch nochmals oben D. I. 3. So etwa BVerfGE 20, 56 (118); 20, 119 (133); 41, 399 (414); 42, 53 (59); 52, 63 (89); 69, 92 (109); 73, 40 (89); 85, 264 (297); 104, 287 (300 f.); 111, 382 (398 ff.). 157 Vgl. hierzu etwa BVerfGE 8, 51 (64 f.); 24, 300 (360); 52, 63 (88 ff.); 69, 92; 140, 1; hierzu und zum Folgenden auch Koch, ZParl 33 (2002), S. 694 (697 f.). 158 BVerfGE 8, 51 (68); vgl. ausführend BVerfGE 52, 63 (89 ff.). 159 Vgl. etwa zusätzlich zu den bereits genannten BVerfGE 140, 1 (28) m. w. N.; st. Rspr. 160 Mit dieser extrem formalen Auslegung dürfte zudem generell jede irgendwie im Ansatz ungleiche Förderung von Bürgern auszuschließen sein, so dass etwa auch jede Inklusionsförderung zur Ermöglichung der Teilnahme als eng rechtfertigungsbedürftige Ausnahme erschiene. 156
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cc) Sofern für eine aktive Unterscheidung ein rechtfertigender Grund nachgewiesen werden kann, bedarf es allerdings keiner tiefergehenden Auseinandersetzung über den Maßstab der Chancengleichheit mehr.161 Dazu zählen für das Gericht etwa allgemein „die Sicherung des Integrationsvorgangs der Wahl“162 bzw. später die Funktionsfähigkeit des zu bestellenden Organs,163 etwa zur Bildung stabiler erwünschter Mehrheits- und Regierungsverhältnisse.164 Legitim sei weiter die Begrenzung von Wahlvorschlägen auch, wenn der Gesetzgeber deren Ernsthaftigkeit sicherstellen will, d. h. dass nur echte politische Parteien und keine Zufallsbildungen von kurzer Lebensdauer sich um die Stimmen der Wähler bewerben.165 Bei direkter und indirekter Staatsmitfinanzierung der Parteien erlaubt das Gericht als Diskriminierung zu verhindern, dass sich kleine Splittergruppen nur deshalb am Wahlkampf beteiligten, um in den Genuss staatlicher Finanzierungen zu geraten.166 Schließlich lässt es eine Privilegierung von Parteien gegenüber Wählergruppen zumindest teilweise zu.167 dd) Wohl aus Sicht des BVerfG eine Rechtfertigung der Abweichung von der „streng formalen Gleichbehandlung“ stellt bei öffentlichen Medien die Verteilung von Sendezeiten dar. Sie soll nach der Bedeutung der Parteien – unter Berücksichtigung ihrer bisherige Vertretung in den Parlamenten, aktueller Relevanz, etwa durch Zeitdauer ihres Bestehens, ihrer Kontinuität, Mitgliederzahl, Umfang und Ausbau ihres Organisationsnetzes, ihrer Vertretung im Parlament und ihre Beteiligung an der Regierung in Bund oder Ländern – verschieden zu bemessen sein, wobei 161
Vgl. etwa auch ähnlich Koch, ZParl 33 (2002), 694 (696). Insgesamt nutzt das BVerfG unter dem Etikett der strikten Chancengleichheit mittels der genannten Rechtfertigungsgründe weitestgehend ein Blankett, bei dem die genaue Klärung dessen, was die Chancengleichheit exakt bedeuten soll, dahinstehen kann, soweit ein Rechtfertigungsgrund gefunden und an diesem weiter geprüft werden kann, namentlich nach Geeignetheit und Erforderlichkeit, vgl. exemplarisch BVerfGE 95, 408 (418 f.). Umso mehr kann das Postulat „strikter Neutralität“ als Grundsatz hochgehalten werden, ohne sich über alle Dimensionen der Ungleichheit näher vertiefen zu müssen, die allerdings dadurch ebenso ungeklärt scheinen, wie die eigentlich ebenso interessierende Gleichheit in einer gerechtfertigten Ungleichbehandlung. 162 So etwa insbesondere BVerfGE 24, 300 (340 f.); auch hier ist das Erbe der Weimarer Verfassungslehre, v. a. von Thoma und Kelsen, sichtbar, vgl. Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (196 ff.). 163 Genauer mit dem vorgenannten den spezifischen Zusammenhang mit der Funktionsfähigkeit des zu bestellenden Organs für dessen im konkreten Aufgabenkreis, vgl. zusammenfassend BVerfGE 51, 222 (236 ff.); 95, 408 (417 ff.) m. w. N.; Koch, ZParl 33 (2002), 694 (697); ähnlich zuvor die bemerkenswerte Änderung des RStGH JW 1930, 2380 gegenüber seiner früheren Judikatur, vgl. dazu Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (204) m. w. N. 164 Namentlich die Diskriminierung gegen Stimmenzersplitterung und zur Bildung stabiler Parlamentsmehrheiten (mit Ausnahme des Europäischen Parlaments), zugunsten der maximalen 5 % Sperrklausel; vgl. BVerfGE 1, 208 (249); 3, 19 (26 ff.); 6, 84 (92); 14, 121 (134 f.); 51, 222 (237 ff.) st. Rspr. 165 Vgl. BVerfGE 3, 19 (26 ff.); 24, 300 (341): „Ernsthaftigkeitsanteil“ für die Wahlkampfkostenerstattung 0,5 % der abgegebenen Stimmen. 166 BVerfGE 24, 300 (339 ff.). 167 Vgl. im Einzelnen BVerfGE 78, 350 (358 ff.).
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neuen Parteien eine angemessene Redezeit gewährt werden muss.168 Dabei schwingt der Gedanke des „Marketplace of Ideas“ jedenfalls in der frühen prägenden Entscheidung zur Sendezeitvergabe mit, die Parteien müssten soweit irgend möglich, mit gleichen Aussichten in den Wahlkampf eintreten, damit die Entscheidung der Aktivbürger über den Wert ihrer Programme in voller Freiheit gefällt werden könne.169 Gleichzeitig müssen Parteien die unterschiedliche Behandlung z. B. durch öffentliche Medien als Folge der bestehenden politischen Kräfteverhältnisse oder unter der Maßgabe der „Ausgewogenheit“ hinnehmen.170 Noch stärker könne das bestehende politische Kräfteverhältnis und die Erfolgschance im Rahmen eines schlüssigen und folgerichtig umgesetzten journalistischen Konzepts, das unter dem Schutz von Art. 5 I 2 GG steht, berücksichtigt werden.171 Allerdings dürften geringe Unterschiede in der Bedeutung mit hohen möglichen Auswirkungen z. B. für den Einzug in ein Parlament nicht zu einem Ausschluss aus einer voraussichtlich besonders publikumswirksamen Sendung führen.172 ee) Dagegen ein anderes Konzept vertritt das BVerfG bei der Deckelung der steuerlichen Absetzbarkeit von privaten Parteispenden. Hier stellt es als von ihm gesetzte Grenze der indirekten Verschonungssubventionierung von Parteispenden auf eine „Obergrenze mittlerer Einkommen der Spender“ statt vollständiger Neutralität ab; unklar bleibt, ob es dies als deren besondere Form oder gerechtfertigte Diskriminierung ansieht.173 168
BVerfGE 7, 99 (109); 14, 121 (137); 37, 84 (91); 47, 198 (237); 48, 271; zum Ganzen vgl. Dreier/Morlok, Art. 21 Rn. 96; Becker, Wahlwerbung. S. 9 ff. sowie die weiteren Beiträge im Konferenzband; Schulze-Sölde, Parteien. 169 BVerfGE 14, 121 (132 f.). 170 BVerfGE 48, 271; NJW 2002, 2939 m. Anm. Volkmann, JZ 2003, 366. 171 BVerfG NJW 2002, 2939 zum „Kanzlerduell“. 172 BVerfGE 82, 54 (59); NVwZ 1990, 961; 1991, 560; vgl. auch VGH München NVwZ 1991, 581; Hahn-Lorber/Roßner, NVwZ 2011, 471. 173 BVerfGE 52, 63 (90 f.): „Eine gewisse Veränderung der Wettbewerbslage, die bei jeder Form der steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen und Spenden nahezu unvermeidlich sein wird, nimmt die Verfassung jedoch hin. Die … Grenze verläuft erst dort, wo die steuerliche Begünstigung von Beiträgen und Spenden ein Ausmaß erreicht, das geeignet ist, die vorgegebene Wettbewerbslage zwischen den Parteien in einer ernsthaft ins Gewicht fallenden Weise zu verändern. Das wird in aller Regel so lange nicht der Fall sein, wie der Mehrzahl der Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet bleibt, in vergleichbarer Weise an der Steuervergünstigung teilzuhaben. Unzulässig wäre es dagegen …, dass die Einkommensteuerpflichtigen mit großem Einkommen und die Körperschaftsteuerpflichtigen unverhältnismäßig stärker begünstigt würden als die Einkommensteuerpflichtigen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen mit der Folge, dass zugleich die Parteien bevorzugt würden, die eine größere Anziehungskraft als andere Parteien auf kapitalkräftige Kreise ausüben.“, aufbauend auf BVerfGE 8, 51 (65 f.); vgl. weiter BVerfGE 73, 40 (71 ff.). Die Begründung versucht sich erkennbar in Zweigleisigkeit, anders im Hinblick auf eine Diskriminierung wohl noch BVerfGE 8, 51 (64 f.). Ebenfalls bleibt offen, ob dies auch als Faktor bei der Abgrenzung erlaubter Diskriminierungen gegenüber Wählergruppen oder dort lediglich eine nicht präzise ausermittelte Steuerungswirkung gegenüber den potentiellen Spendern ist, vgl. im Einzelnen BVerfGE 78, 350 (358 ff.); 121, 108 (121 ff.) m. w. N.
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ff) Bei der direkten staatlichen Parteienfinanzierung schließlich ist zurecht bemerkt worden, dass das Gericht seinen konkreten Prüfungsmaßstab statt durch die Chancengleichheit alleine durch die Staatsferne begründet und danach ausgestaltet.174 Dabei legt das BVerfG dem die Darlegungslast auf, in dessen Recht auf Chancengleichheit die Zuweisung der staatlichen Mittel eingreifen soll, „insbesondere, wenn die Mittel Institutionen zugewendet werden, die von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängig sind, ihre Aufgaben selbstständig und eigenverantwortlich wahrnehmen und auch in der Praxis die gebotene Distanz zu den jeweiligen Parteien wahren“.175 Jenseits der im Fall betroffenen Parlamentsfraktionen scheint das Gericht indirekte Wahlhilfe durch andere mediierende Akteure generell ausklammern zu wollen.176 Das deckt sich mit der bereits genannten Judikatur zur Unanwendbarkeit von Chancengleichheitsansprüchen gegen private Medienunternehmen, selbst wenn diesen eine marktbeherrschende Stellung zukommt.177 gg) Die Weigerung einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, einen von ihr inhaltlich als verfassungsfeindlich eingestuften Wahlwerbespots auszustrahlen, hat das BVerfG wiederum ausdrücklich nicht als Verstoß gegen die Gleichbehandlung und Neutralität angesehen, sondern im Hinblick auf das Parteienprivileg näher geprüft.178 Während dessen Verletzung ohne weiteres plausibel scheint,179 hat das Gericht weitreichender im gleichen Zusammenhang festgestellt, dass die Chancengleichheit nicht bei herausgreifenden Interventionen gegen Verhalten verletzt ist, welches „die Verfassung oder die mit der Verfassung in Einklang stehenden Gesetze verbieten“. Parteien dürften nur mit in diesem Sinne „allgemein erlaubten Mitteln“ arbeiten, insbesondere nicht gegen allgemeine Strafgesetze verstoßen.180 174 BVerfGE 85, 264 (292) m. w. N. vgl. auch BVerfGE 104, 287 (297 ff.); 111, 382 (398 ff.) zu den mittlerweile stark ausdifferenzierten und doch lediglich auf Plausibilität geprüften Kriterien der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung; vgl. Koch, ZParl 33 (2002), S. 694 (705 ff.) m. w. N. 175 BVerfGE 140, 1 (24 ff.). 176 BVerfGE 140, 1 (28): „Dies ist jedoch Teil des Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie das Grundgesetz sie versteht. Sich daraus ergebende Ungleichheiten für die Teilnehmer des politischen Wettbewerbs sind hinzunehmen“. 177 Vgl. unten IV. 178 BVerfGE 47, 198 (225 ff.). 179 Wegen der Schutzwirkung des Art. 21 GG und des Feststellungsmonopols des Gerichts vor Sanktionen komme der Rundfunkanstalt als öffentlichen Stelle keine inhaltliche Bewertung und Sanktionierung zu. Nach der Neufassung des Art. 21 III, IV GG dürfte die Feststellung des BVerfG auch genügen, um die Schutzwirkung des Parteienprivilegs in dieser Konstellation entfallen zu lassen. Es kann damit aufgrund der Entscheidung des dazu berufenen besonderen neutralen und rechtsstaatlich in Verfahren und Ergebnis gebundenen Gerichts ausgeschlossen werden, dass lediglich eine unliebsame Partei diskriminiert werden soll. Es ist dann Sache weiterer konkreter Prüfung, ob die konkreten Inhalte dann zurückzuweisen sind, nicht aber der weiteren Voraussetzungen eines Verbots der Partei insgesamt. Nichts anderes würde wegen einer allgemeinen Straftat, fehlenden Wahlbezugs oder nicht ernstlicher Wahlteilnahme gelten. 180 BVerfGE 47, 198 (230 ff.); siehe dazu im Einzelnen unten IV. 2.
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d) Die neuere Verfassungslehre reflektiert den Bezug der Chancengleichheit im Ansatz tiefer. aa) Sie lehnt überwiegend eine arithmetische Gleichheit auf Ebene der Parteien untereinander ab und orientiert sich stattdessen an der strikten Gleichheit der Bürger, mithin wohl an der „Stärke“ der Parteien.181 Deren „abgestufte Chancengleichheit“ wird nicht nur toleriert, sondern begründet. Zweitens wird die Prämisse von Hesse fortgeführt (dass die „vorgefundene Wettbewerbslage“ nicht beeinflusst bzw. verzerrt werden dürfe), ohne damit wesentliche weitere Klärungen zu erreichen.182 Drittens sei die demokratische Gleichheit als Mitwirkungsmöglichkeit an der politischen Gestaltung „Differenzierungen und Abstufungen, wie sie beim allgemeinen Gleichheitssatz dominieren …, nicht zugänglich.“183 Daraus entsteht Kritik am durch das BVerfG offen gelassenen Spielraum.184 Insgesamt wird die bereichsspezifische Rechtsprechung des BVerfG auch durch die h. L. bestätigt, das Dilemma der Ausgangsungleichheit dagegen regelmäßig nicht weiter kritisch vertieft.185 Eine innere Widersprüchlichkeit findet sich bereits im doppelten Ausgangspunkt des Modells: Einerseits wird auf den Wettbewerb unter den Parteien per se,186 andererseits auf deren „individuelle Radizierung“ abgestellt.187 Ein weiteres Dilemma kann sich ergeben aus dem Gebot der Staatsfreiheit und Wettbewerbsneutralität.188 Jenseits eines letztlich bloß aus der Freiheitlichkeit gespiegelten Verbotes der Eingriffe gegen einzelne Parteien189 bleiben die Kriterien der Indifferenz bzw. Nichtdiskriminierung unpräzise und offen für verschiedene Deutungen, etwa im Sinn des § 5 I PartG. Die „Gleichheit in den Wettbewerbsbedingungen“ verharrt im Unklaren. Sie führt unter anderem dazu, dass Parteien mit 181 Vgl. Shirvani, Parteienrecht, S.226; Kißlinger, Chancengleichheit, S. 88 ff.; Koch, ZParl 33 (2002), 694 (699 ff.); Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 79 f.: Denn die strikte Chancengleichheit bezöge sich auf die Realisierungschancen der einzelnen Bürger durch und in den Parteien, so dass danach deren Gewicht zu bemessen sei. 182 Vgl. sowohl zur Formel als auch instruktiv zu den näheren Bestimmungsproblemen etwa Koch, ZParl 33 (2002), 694 (702 ff.) m. w. N.; Kißlinger, Chancengleichheit, S. 134 ff. m. w. N. 183 So Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 61 hinausgehend über BVerfGE 112, 118 (133 f.); 123, 267 (342): „gleicher Anteil an der Staatsführung“. 184 So besteht Streit darüber, ob die vom BVerfG gebilligte derzeitige unmittelbare staatliche Parteifinanzierung (außerhalb der Rechtfertigung) diskriminierend wirkt, weil sie nicht alle Gegebenheiten der Wettbewerber zutreffend berücksichtige, vgl. Koch, ZParl 33 (2002), 694 (706 ff); ebenso ist die unmittelbarste Beeinflussung in Form von Spenden an Parteien und Bewerber ist seit langem Gegenstand der Diskussion, vgl. Shirvani, Parteienrecht, S. 386 ff. 185 So sieht etwa exemplarisch Shirvani, Parteienrecht, S. 215 f. keinen Widerspruch zwischen einer arithmetischen Gleichheit und der Deckelung der Parteispenden. 186 Vgl. Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 77; Morlok, FS Tsatsos, S. 408 (416 ff.); ders., NVwZ 2005, 157 ff.; Schröder, HdbGR V, § 119 Rn. 58 ff. 187 Erkennbar auch etwa bei BVerfGE 85, 264 (317) „doppelte Kränkung“. 188 Vgl. die nur instruktiven Ausführungen von Koch, ZParl 33 (2002), 694 (709 ff.). 189 Exemplarisch insoweit etwa BVerfGE 52, 63 (88 f.); Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 93; Koch, ZParl 33 (2002), 694 (703).
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den anderweitig erhaltenen Mitteln jede unternehmerische Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen freigestellt sein soll, diese also umgekehrt gewendet, zu Wirtschaftsunternehmen mit bloß besonderen politischen Zusatzzielen werden können (und nach Erfolgsprinzip werden). Die Auflösung demokratischer Wettbewerbe in den allgemeinen Wirtschaftsmarkt wäre damit vollendet.190 bb) Aus diesen Einsichten hat sich die Anerkennung einer „abgestuften Chancengleichheit“ jedenfalls als Abkehr schematisch-mathematischer Formalität durchgesetzt, wobei die Diskussion gerade die Schwierigkeiten der Bestimmung der richtigen Abstufung illustriert.191 Um den Ermessens- und daraus „Missbrauchsspielraum“ des demokratischen Gesetzgebers zu seiner Bestandssicherung gegen Opposition möglichst auf Null zu reduzieren,192 werden namentlich von Morlok überaus sophistische Überlegungen angestrengt, die individuelle und kollektive Chancengleichheit mit dem Ziel einer präzisen ex ante-Bestimmung zu verbinden. Der darin liegende „Alleinanspruch auf Verfassungsmäßigkeit“ kann wenig überzeugen.193 Weiterhin erscheint widersprüchlich, wenn direkte Spenden von Einzelpersonen an Parteien steuerbegünstigt kofinanziert werden, indirekte Spenden über andere Personengruppen, wie Gewerkschaften oder andere Interessenorganisationen, dies aber nicht sein sollen,194 während indirekte Begünstigungen durch Hilfestellungen mediierender Agenten im Wahlkampf, etwa massive Unterstützungswerbung, gänzlich unbeachtet bleiben sollen.195 Das Bemühen systemgerechter Plausibilität stößt unnötig an Grenzen, die bei konsequenter Akzeptanz des allgemeinen ex posterior-Charakters der Gleichheit nicht entstehen.196 190 So jedenfalls Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 110; dagegen dieser selbst Morlok, NVwZ 2005, 157 (158): Das Denken in Wettbewerbskategorien dürfe die Argumentation aus den Normen der Verfassung selbst nicht ersetzen; letzteres erscheint nicht nur methodischer Einwand sondern allgemein die Friedlichkeit und Stabilität bei naivem ungeschütztem Wettbewerb in rein fiktiver voller Rationalität, vgl. nur etwa nochmals oben B. II. 3., sowie gerade oben 3. 191 Vgl. grundlegend v. Arnim, DÖV 1984, 85 (87); Kißlinger, Chancengleichheit, S. 135 f.; Koch, ZParl 33 (2002), 694 (699 ff.) m. w. N. auch zur a. A. 192 Zu letzterem Anliegen seiner Parteienwettbewerbslehre instruktiv Morlok, NVwZ 2005, 157 mit Fn. 6 f., dort auch S. 159 zum Wunsch nach Objektivität; zum Anliegen exemplarisch Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 85 ff., dazu werden etwa interne und externe Abweichungsgründe postuliert. 193 Namentlich angesichts der abweichenden Maßstäbe etwa jeweils bei der Steuerbegünstigung für Spenden einerseits und der direkten Staatsbezuschussung andererseits bei Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 101 ff. 194 Vgl. Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 102. 195 Vgl. oben D. II. 5., unten IV. 196 Vgl. oben a) aa); d. h. im Rahmen einem ex posterior entschiedenen und allein als Optimierungsgebot zu beurteilenden Ergebnis abgestufter Chancengleichheit jeweils als Kompromiss mit Berücksichtigung nach tatsächlicher Bedeutung jeder Überrepräsentation der Minderheiten zum erforderlichen Schutz; vgl. auch Zerback, Vielfalt, S. 145 ff., 322. Gerade für öffentlich-rechtliche Medien bedeutet diese indes wiederum einen diskriminierend-verfälschenden staatlichen Eingriff in den vorhandenen Wettbewerb, da bei öffentlich-rechtlichen wie privatwirtschaftlichen Medien die Berichterstattung weit weniger normativen Prinzipien als Charakteristika der Medienorganisation (redaktionelle Linie), systemischen Rahmenbedin-
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e) Zusammenfassend ist aus Sicht der Erfordernisse der FDGO festzustellen, dass die Probleme der Ressourcenungleichheit und der Gefahren dadurch für die Funktionen der freiheitlichen Demokratie durch die diskutierten dogmatischen Ansätze insgesamt eher überdeckt werden: aa) Die Judikatur hat zwar für die Einzelprobleme, die sich als am drängendsten gezeigt haben, mehr oder weniger verallgemeinerungsfähige Lösungen gefunden. Dazu zählt die formale, mathematische Gleichheit in den eigentlichen unmittelbaren Entscheidungsakten der Volksabstimmung und Wahl.197 Zudem finden die ungleichen Chancen und Formen der unmittelbaren Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern über die Prinzipien und Regeln der Verfassungsrechtsprechung bezüglich der Parteien z. B. mit dem klassischen Korruptionsverhinderungsrecht, dem Verfassungsschutz sowie zunehmend rechtspolitisch und (zurückhaltend) in der Normsetzung Beachtung.198 Zu potentiell vergleichbar kritischen Fragen verhalten sich Gericht und Dogmatik nicht weiter.199 Dazu zählen namentlich die Phänomene des „money is speech“,200 in allen anderen Formen mediierender Akteure, wie Lobbyismus, Pressuring und andere Beeinflussungsformen in der Öffentlichkeit, etwa indirekter Partei- und Kandidatenwerbung201 – ungeachtet der Tatsache, dass das Gericht früh erkannt hat, in welchem Maß Parteien beim Wahlerfolg von fremden Ressourcen abhängen, die indes gerade nicht zwingend direkt durch Spenden ihnen zugeleitet werden.202 Auch verweigert das BVerfG mit der h. M. ausdrücklich Gleichbehandlungsansprüche zwischen einzelnen mediierenden Agenten, namentlich von Parteien gegenüber unternehmerischen Medien.203 Bereits früh ist demgegenüber in der Pluralismus- und Diskurstheorie, etwa von Fraenkel, die praktische Notwendigkeit herausgearbeitet worden, übermäßigen Einflüssen „oligopolistischer, wenn nicht gar monopolistischer Träger sozio-ökonomischer Macht entgegenzutreten. Nicht minder bedeutsam ist für den Staat, dafür Sorge zu tragen, dass der gungen des politischen Systems, und schließlich individuellen Merkmalen der Journalisten folgt. 197 Vgl. oben a) bb). 198 Vgl. auch unten IV. 199 Vgl. auch oben a) cc), b). 200 Vgl. hier etwa BVerfGE 52, 63 (88 f.) gegenüber den aktuelleren Entwicklungen in den USA allerdings auch vor allem im Hinblick auf unmittelbare finanzielle Wahlkampfunterstützung, Citizens United v. Federal Election Commission, 558 U.S. 310 (2010), McCutcheon v. Federal Election Commission, 572 U.S. 185 (2014) jeweils mit 5:4 Entscheidung, ebenso Arizona Free Enterprise Club’s Freedom Club PAC v. Bennett, 564 U.S. 721 (2011), insoweit in Richtung auf das BVerfG; Feldenkirchen, How the Super-Rich Threaten US Democracy, SPON v. 10. 9. 2015, https://www.spiegel.de/international/world/donald-trump-and-other-super-rich-de fine-us-presidential-race-a-1052151.html; Schatzinger/Martin, Changers, S. 39 ff.; Schuck, Nation, S. 192 ff. zu weiteren Hintergründen. 201 Vgl. oben D. II. 3., 5., unten IV.; sowie das weitgehende Markt- und Transparenzvertrauen in BVerfGE 52, 63 (86 ff.). 202 Vgl. bereits BVerfGE 8, 51 (64 f.), sodann topos in st. Rspr. 203 Vgl. ausdrücklich BVerfGE 42, 53 (62); Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 98; Wenzel/ Burkhardt/Peifer, HdbÄußR, Kap. 2 Rn. 79.
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Einfluss all der Bevölkerungskreise nicht zu kurz kommt, die außerstande sind, zwecks Wahrung ihrer Interessen ausreichend machtvolle Verbände zu bilden und funktionsfähig zu erhalten.“204 Ähnlich hat Habermas verdeutlicht, dass die Funktionsfähigkeit der Demokratie und damit etwa ihrer Friedlichkeit, der Gefahr einer „Refeudalisierung zunächst der Öffentlichkeit, dann auch weiterer politischer Prozesse“ durch Privilegierung und Boykottierung ressourcenstarker mediierender Akteure nur durch Sicherung und Ansprüche auf Zugang auch gegenüber unternehmerischen Medien begegnet werden kann.205 Das Vertrauen in evolutionäre Fortentwicklungen gerade durch den Gesetzgeber in seiner charakteristischen strukturellen Nähe und die freien Marktkräfte der Gesellschaft sowie „Wohlwollen“ und „faktischer öffentliche Selbstkontrolle des Marktes“ könnte hier erhebliche Vulnerabilitäten entgegen der FDGO auch im internationalen Vergleich im Sinn einer – nicht dauerhaft stabilen, jedenfalls friedlichen – „plutokratischen Scheindemokratie“ schaffen. Noch mehr könnte dies für eine Verfassungsdogmatik gelten, die hier, vergleichbar der Entwicklungen in den USA, dogmatische Tabubereiche gegen jede Regulierung behaupten würde. bb) Im Bereich der dagegen durch die Judikatur beleuchteten vielfältigen Wirkungsbereiche der Parteien als mediierende Akteure behaupten BVerfG und Ansätze der Lehre zwar einen generell gültigen, vom allgemeinen Gleichheitssatz entkoppelten besonders strikten Formalismus. Wenn auch mit betont hohem Maßstab,206 handelt es sich jedoch um eine rechtfertigungsorientierte Plausibilitäts- und Verhältnismäßigkeitskontrolle. Dabei kann eine nähere Bestimmung „der Gleichheit“ selbst regelmäßig hintanstehen.207 Vor allem gelingt diese nicht einheitlich, sondern die Maßstäbe sind nach Fallgruppen unterschiedlich und bei genauer Sicht nicht zu vereinheitlichen.208 Allerdings erweisen sich die Einzellösungen als pragmatisch, um die FDGO im Ergebnis zu sichern: etwa bei der Funktionsfähigkeit der Parlamente gegen Splittergruppen,209 erlaubter faktischer Bevorzugung v. a. etablierter Parteien nach ihrer „Bedeutung“ in den Medien,210 sowie vor allem der Spendenabzugsfähigkeit211 wird eine „Meridian“-Demokratie gegen staatliche und extreme Einflüsse erreicht. Der Einfluss der Extreme, besonders ressourcenstarker politischer Splittergruppen wie einer in ressourcenmäßiger Hinsicht „vermögenslosen Masse“ sowie (zumindest verbunden mit anderen Mechanismen) einzelnen Plutokraten kann damit faktisch mit rechtlicher Begründung geschwächt werden. Erheblich entwertet wird 204
Fraenkel, Demokratien, S. 358. Habermas, Öffentlichkeit, S. 332, 337 ff.; Ridder, Meinungsfreiheit, S. 258 f., 324 ff. 206 Vgl. etwa BVerfGE 24, 300 (340) m. w. N. 207 Vgl. oben c) cc). 208 Idealtypisch unterschiedlich ausgeformt wird sie einerseits im Bereich der abgestuften Gleichheit bei Ressourcen, andererseits in dem Abstellen auf eine Gesellschaftsmitte bei der indirekten Mitsteuerung von Parteispenden durch deren Abzugsfähigkeit. 209 Vgl. oben c) cc). 210 Vgl. oben c) dd). 211 Vgl. oben c) ee). 205
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
dieses System (letztlich faktisch induktiver) ad hoc-Regeln durch die letztendlich fehlende plausible deduktiv-systematische Verankerung.212 cc) Die „Monstranz der „staatlichen Neutralität“ nicht nur als Bevorzugungs-, sondern Egalisierungs-, wenn nicht Interventionsverbot213 ist nicht einer zwingenden Notwendigkeit aus dem Verfassungsrecht oder gar der FDGO geschuldet.214 Sie folgt alleine dem (wenn auch dissimulierten) überkommenen Modell des exogenen Volkswillens und damit eines „laissez-faire-Demokratiedarwinismus“ in der Tradition Schmitts,215 welches hier vielfältig durch ad hoc-Modifikationen zur Bewahrung der FDGO durchlöchert werden muss. Bereits im paneuropäischen Kontext zeigt sich, dass die nötigen Kriterien gegen beeinflussende Diskriminierungen durch staatliches Handeln gleichzeitig flexibler wie passgenauer mit weit systematisch höherer Kontrolldichte formuliert werden können.216 Dahinter bleibt die Erkenntnis, dass der Versuch einer Spiegelung des Gewichts der Parteien aus der ursprünglichen Partizipationsgleichheit der Bürger ein klassisches Problem der Gleichheit ist, welches nur ex posterior gelöst werden kann.217 Alternativlos jedenfalls erscheint ein gleichgesetztes absolutes Interventions- und Egalisierungsverbot keinesfalls. Das Verständnis eines den Anforderungen der FDGO genügenden einheitlichen Gemeinwesens eröffnet demgegenüber den systematischen Weg zu den Kriterien der Plausibilität gegenüber Willkür.218
212
Vgl. zur Grundlage oben c). Vgl. oben c) bb) (3). 214 Vgl. oben a) aa). 215 Vgl ausführlichen bereits oben C.; dazu und zu der besonders hohen Prüfungsdichte gegenüber einem nicht „unbefangenen“ demokratische Gesetzgeber braucht es indes das Dogma der „strengen Neutralität“ nicht, zumal diese jenseits der möglichen Grundhaltung ebenso im umsetzbaren Detail unbestimmt wie apodiktisch und für die FDGO nicht ungefährlich scheint. 216 Vgl. namentlich Art. 1, 3 Empfehlung 2003 (4) des 835. Ministerrats des Europarats vom 8. 4. 2003, v. a. Art. 1 Abs. 3, 4: „(3) Objective, fair and reasonable criteria should be applied regarding the distribution of state support. (4) States should ensure that any support from the state and/or citizens does not interfere with the independence of political parties.“ Sowie die Prinzipien in Art. 3 lit. a: „avoid conflicts of interests; ensure transparency of donations and avoid secret donations; avoid prejudice to the activities of political parties; ensure the independence of political parties.“ 217 Vgl. auch hier oben B I. 2. b). 218 Sowohl in inhaltlicher und prozeduraler Hinsicht bei der Bestimmung der Gleichheitskriterien, die auch rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich abgesichert sind bzw. werden müssen und können. In Letzterem wird die tatsächlich hohen Kontroll- und Beanstandungsdichte des BVerfG gegenüber entsprechender Gesetzgebung wirksam. Dabei können negative Maßstäbe, wie sie z. B. die Rechtsprechung bei innerparteilichen Wahlen gefunden hat (s. u. III.), oder positive Maßstäbe der Nachvollziehbarkeit anhand Art. 3 GG oder diesen zurücklassend entwickelt werden, wie man sie bereits in der „gestuften Chancengleichheit“ erkennen kann; vgl. auch Morlok, NVwZ 2005, 157 ff. 213
I. Horizontale Dimension
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dd) Dagegen können die beiden anderen genannten Ansätze – die Wettbewerbsund gleichartige Freiheitsgewährleistung219 – gewissermaßen als zusätzlicher, notwendigerweise verbindlicher bestimmbarer Rahmen verfolgt werden: Die Erstgenannte kann darauf zurückführen, dass Individuen, mediierende Akteure und insbesondere auch Parteien, welche die Wettbewerbsbedingungen selbst aufheben, ohne weiteres diskriminiert werden dürfen, ebenso wie im Sinn letzterer Diskriminierungen zulässig sind, die an die Verletzung namentlich von Freiheiten von Einzelnen anknüpfen.220 Gegenüber dem Anspruch einer Partei, nur selbst „die wahrhaftigen“ politischen Ziele zu erstreben oder das ausschließlich richtige politische Verhalten zu zeigen, kann und ggf. muss die FDGO ihrerseits intolerant sein.221 Daraus kann letztlich (materiell) das Vorgehen gegen Parteien nach Art. 21 II–IV GG oder gegen „allgemeines“ kriminelles Verhalten, welches lediglich im Rahmen oder zugunsten einer Partei vorgenommen wird, gerechtfertigt werden. Es mag zwar einzelne Parteien im Wettbewerb mit anderen, auch ausgehend von staatlichen Organen diskriminieren, der Eingriff ist aber anderweitig plausibel legitimierbar, ohne dass daraus der Verdacht „parteiischer Diskriminierung“ entstehen kann.222 Dies gilt jedenfalls, solange plausibel erscheint, dass nicht z. B. „regierungsliebige“ Parteien deswegen in den genannten Fällen sonst nicht nachvollziehbar anders behandelt würden als solche der Opposition.223
219
Vgl. oben b) bzw. c) bb). Oder ggf. anderer legitim konstruierter Rechtsgüter, was noch anderweitig zu untersuchen ist. 221 Darin fügt sich die frühe Feststellung des BVerfGE 5, 85 (224) unter Berufung auf vgl. Radbruch, HdbDStR I, S. 289, dass die Parteien sich auch dazu bekennen müssten, „dass es im Bereich der politischen Grundanschauungen eine beweisbare und unwiderlegbare Richtigkeit nicht gibt … [und] dass auch Ziele und Verhalten anderer Parteien gleichwertig und richtig sein können“ und dadurch mit einem Mindestmaß an politischer Toleranz das Mehrparteienprinzip als Verfassungsgrundsatz dauerhaft sicherten; geblieben ist (zu Recht) lediglich der äußerer Verfassungsgehorsam: „Der Parlamentarismus der freiheitlichen Demokratie will jeder an der politischen Willensbildung des Volkes teilnehmenden Partei die Chance geben, durch ihre Tätigkeit im Parlament ihren eigenen Zielen möglichst nahe zu kommen. Keine Partei darf jedoch solche materiellen Ziele verfolgen, mit deren Erreichung die Existenz anderer Parteien endgültig ausgeschlossen sein soll.“, BVerfGE 5, 85 (227). 222 Vgl. dazu unten IV.; insoweit erweist sich die Ausnahme BVerfGE 47, 198 (230 ff.) als weitere Insellösung, vgl. c) gg). 223 Auch hierzu können die bekannten rechtsstaatlichen Mechanismen dienen, siehe auch oben B. I. 2. d) dd), hier 3. sowie unten IV. 3. e). 220
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
II. Vertikale Dimension 1. Notwendigkeit und Grundlagen vertikaler Delegation und Rückbindung staatlicher Herrschaftsmacht Innerhalb der „vertikalen Dimension“ der Demokratie stellt sich die entscheidende Frage, wie die Prozesse der delegierten politischen Willensbildung und Ausübung der Staatsgewalt an das Volk demokratisch rückgebunden sein müssen.224 a) Wie bereits zuvor herausgearbeitet, entwickeln sich die Spezialisierung einer politischen Elite und die Delegation von Entscheidungen an besondere Institutionen nicht nur als faktischer Prozess der Arbeitsteilung mit der Komplexität des Gemeinwesens.225 Sie erscheint auch im Hinblick auf dessen (potentielle) Rationalität normativ erstrebenswert.226 So ist die Wahl der delegierten Amtsträger in personeller wie sachlicher Hinsicht für das Volk zunächst eine Aggregation in einer einzelnen einfachen Auswahlentscheidung, die reduziert werden kann auf ein „Plebiszit zwischen der bisherigen Regierung und ihrer Opposition“.227 Allerdings erfordert eine FDGO die effektive Rückbindung der delegierten Macht an das Volk, wie er etwa in Art. 20 II GG zum Ausdruck kommt.228 Dabei ist wesentlich, dass Demokratie vertikal weder die (bloß fingierte) permanente Willensbildung des Volkes en détail, 224
Vgl. dazu BVerfGE 144, 20 (208 f.). Vgl. oben D. I 2. c) cc). 226 Vgl. oben D. I. 3.; bereits in antiken Volksherrschaften war die Entscheidungsfindung durch Amtsträger zu organisieren. Auch deren Auswahl erfordert wiederum eine vorherige Organisation der Wahl, aber auch Formen der Vorschlagsfindung; vgl. etwa zur Begründung der Rolle der Parteien in der Weimarer Republik Kaufmann, Volkswillen, S. 7. Gerade mit dem Ziel, möglichst rationale Entscheidungen zu erreichen, ist die stets unmittelbare durch das Volk unvereinbar. Aus Sicht begrenzter Rationalität überfordern komplexe Sachentscheidungen das Volk und führen zu irrationalen Ergebnissen, was bereits bei der Entstehung des Grundgesetzes aus den Erfahrungen der Weimar Republik und NS-Zeit bekannt war, vgl. eindrucksvoll Weber, Demokratie, S. 245 (247 ff.) m. w. N. zur Praxis zwischen 1919 – 1945, wo keine angeordnete Gesetzesabstimmung stattfand, sondern stets Neuwahlen und die meisten der nur acht Volksbegehren scheiterten, während Hitler daraus gelernt habe, rein emotionale Akklamationen auf Regierungsfragen, einfache Grundtatbestände, nicht komplizierte Gesetze durchzuführen. 227 Vgl. Weber, Demokratie, S. 245 (269); sie ist insbesondere keine Entscheidung über alle von den Delegierten ab ihrer Bestellung zu treffenden Entscheidungen in der Fiktion eines Volkswillens, vgl. oben D. I. 3. 228 Erinnert sei hier an die vom BVerfG entwickelten Grundsätze der FDGO zur Verantwortlichkeit und friedlichen, systemimmanenten Ablösbarkeit der Regierung v. a. durch zumindest absehbare periodische Wahlen gerade gegen jene faschistische und marxistischkommunistische Diktaturen, deren Gegenbild und Abwehr die welche die FDGO verkörpert, vgl. auch oben B. I., deren Funktionen, namentlich den Aufbau aus der individuellen Freiheit, vgl. oben B. II., die sich vor allem aus den Grundsätzen pluralistischer Friedlichkeit, vgl. oben B. I. 2. d), und dazu nötiger Integration, vgl. oben B. I. 2. d) dd), und wiederum Legitimierung, vgl. oben D. I., herleiten lassen; dabei darf Art. 20 II nicht in einem völkischen-identitären Demokratieverständnis fehlgedeutet werden, vgl. dazu nochmals ausführlich oben C.; zum formalen und funktionalen, nicht irgendwie materiell homogenen Volksbegriff vgl. nochmals oben D. I. 1. 225
II. Vertikale Dimension
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noch bloße Akklamation oder Ermächtigung ohne Mitwirkung darstellen kann.229 Daraus entsteht das Dilemma, dass die Entscheidungsfähigkeiten des Volkes beschränkt und zu beschränken sind, aber gleichwohl ein hinreichender, möglichst dichter realer und nicht bloß fingierter Einfluss „des Volkswillens auf die Staatsgeschicke“ gesichert werden muss.230 In diesem Sinn geht es auch bei der Legitimationsvermittlung weniger um (fiktive) Ableitungs- als um (reale) Verantwortungszusammenhänge.231 Darin lassen sich vor allem funktionstüchtige Demokratien von autoritären Scheindemokratien unterscheiden: In letzteren mögen die formalen Verfahren einer Demokratie weiterhin in Geltung sein, jedoch hat sich die machthabende Elite durch unterschiedliche Mechanismen des Machterhalts gegenüber der Gefahr von Machtwechseln vorläufig immunisiert.232 Die theoretisch friedliche und systemkonforme Ablösung durch konkurrierende Eliten und damit die Selbststeuerung der Demokratie findet nicht mehr statt. Dadurch entsteht vor allem Unfriedlichkeit, die durch ein gewisses „double-bind“ der formal bestehenden, aber real sich nicht verwirklichenden Demokratie verstärkt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur in solchen dysfunktionalen Demokratien jedem Organ delegierter Entscheidung „die Gefahr inne[wohnt, M.F.], durch Isolation, Kooptation und Korruption zu einer Clique zu erstarren und hierdurch seinen repräsentativen Charakter zu verlieren, so dass ein Repräsentativsystem, das dem ehernen Gesetz der Oligarchie nicht zu begegnen weiß, zur Selbstaufhebung verurteilt ist.“233 Darin zeigt sich, dass die Gefahren durch und aus der Delegitimierung der Demokratie durch eine einseitige formale Input-Orientierung234 im Sinn einmaliger allgemeiner, freier und gleicher Bestellung nicht ausreichend eingefangen werden können.235 Demokratie misst sich neben der komplexen politischen Meinungsbildung durch Deliberation und der unmittelbaren Abstimmung an der verschiedentlichen, wechselseitig verstärkten Rückkopplung der notwendigerweise in jedem politischen System auf Eliten delegierten Entscheidungen zurück auf das Volk.236 229
Vgl. bereits ausführlich zu marxistischen und faschistische Argumentation Kelsen, Wesen, S. 54 ff. unter Verweis auf die faschistische „Zustimmungstheorie“ Paretos; daneben etwa Kaufmann, Volkswillen, S. 7. 230 Dies auch wohl Denken der Verfassungsväter der WRV m. w. N. Weber, Demokratie, S. 245 (246). 231 Vgl. v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 114 m. w. N., allerdings unklar und verhaftet in der Fiktion der Verbindung zum „Volkswillen“. 232 Vgl. zum Ganzen namentlich oben B. I. 2. d); zu den Mechanismen insbesondere gerade oben D. II. 3., 5. 233 So etwa Fraenkel, Demokratien, S. 158 ff. m. w. N. 234 Vgl. insbesondere oben D. I. 1. c). 235 Vgl. nochmals zur Fiktion „Willensbildung“ statt der notwendigen komplexen Meinungsbildung und Rückkopplung namentlich oben D. I. 3. 236 Vgl. hier nur etwa für die insoweit gleichgerichtete Entwicklung der überkommenen Verfassungsdogmatik im Hinblick auf effektive und komplexe Rückkopplung, wohl beginnend in BVerfGE 85, 264 (284 f.); sodann etwa BVerfGE 91, 262 (268); 91, 276 (285 f.); 112, 118
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
b) Zur näheren Beschreibung der rückgekoppelten Delegation stellt die Repräsentation den ersten Zentralbegriff dar. aa) Sie erteilt einerseits jeder Form strikter Stellvertretung mit Weisungsgebundenheit im Einzelfall eine klare Absage, ausgedrückt namentlich in der Stellung der Abgeordneten und weiteren, gubernativen, Amtsträgern (z. B. Art. 38 I 2, 56, 64 GG).237 Mit der Freiheit der Demokratie als der ihrer politischen Akteure, auch der Bürger in Parlament und Amt, scheint die Idee von deren Weisungsgebundenheit kaum vereinbar, von der Arbeitsfähigkeit notwendiger Kompromisse und Effektivierungen, aber auch der Nutzung möglicher Rationalitätsvorsprünge der politischen Spezialisierung ganz abgesehen.238 Stattdessen sind die Mandatsträger verpflichtet zur Repräsentativität für das Volk und Orientierung am Gemeinwohl und den verfassungsmäßigen Regeln und Prinzipien: „Nur wenn das Parlament gleichzeitig in seinem Handeln vom Volke unabhängig und in seinem Denken mit dem Volke verbunden ist, kann es … seine Funktion als souveräner Repräsentant der Nation erfüllen“.239 bb) Soweit sie diese Rückkopplung weiter beschreiben soll, zeigt sich die Idee der Repräsentation als unscharf. Ihre legitimierende Form unter Ablehnung einzelweisungsgebundener Beauftragung ist nicht auf die Parlamente oder kommunalen Volksvertretungen reduziert. Vielmehr ist sie als allgemeines Prinzip demokratischer Delegation von Entscheidungsgewalt zu verstehen, welches auf und zwischen einer Vielzahl von Ebenen, namentlich im bereits eingeführte Zentrum-Peripherie-Mo-
(134); 118, 277 (353); 121, 30 (55); Hofmann/Dreier, HdbParlR, § 5 Rn. 18 ff., 23; Dreier, Jura 1997, 249 (255 f.); Unruh, Verfassungsbegriff, S. 450 ff.; Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 77 m. w. N.; zur Vorgeschichte in der Weimarer Republik namentlich Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (196 ff.). 237 Vgl. zu den historischen Vorläufern etwa Jellinek, Staatslehre, S. 582; Preuß, Reich, S. 455; Lehnert/Schefold, Preuß, S. 55. 238 Zur Notwendigkeit des freien Mandats vgl. etwa MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 71 ff. m. w. N. 239 So Fraenkel, Demokratien, S. 161 ff. zurückgehend auf die Definition der „Virtual representation“ durch Burke, Letter, S. 242 (293) in seinem Brief an Sir Hercules Langrishe vom 3. 1. 1792: „Virtual representation is that in which there is a communion of interests and a sympathy in feelings and desires between those who act in the name of any description of people and the people in whose name they act, though the trustees are not actually chosen by them… Such a representation I think to be in many cases even better than the actual. It possesses most of its advantages, and is free from many of its inconveniences; it corrects the irregularities in the literal representation, when the shifting current of human affairs or the acting of public interests in different ways carry it obliquely from its first line of direction. The people may err in their choice; but common interest and common sentiment are rarely mistaken.“; beachte auch Dorn, Verfassungssoziologie, S. 53; Fraenkel, Demokratien, S. 176 f.: „Die Lebensfähigkeit eines parlamentarischen Regierungssystems hängt nicht zuletzt davon ab, dass ein Volk sich durch seine Parteien so ausreichend vertreten fühlt, dass es das von diesen Parteien getragene Parlament trotz dessen repräsentativen Charakters als Exponenten seines politischen Willens anerkennt und das Fehlen einer Direktgesetzgebung nicht als Mangel empfindet“.
II. Vertikale Dimension
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dell, anwendbar ist.240 Ausgehend von der Grundgesamtheit der Bürger als Peripherie, können die gewählten Volksvertretungen als erste, die von ihr bzw. sonst weiter bestellten formalen Staatsinstitutionen als weitere Ebenen verstanden werden. Noch weiter entfernt vom Volk, sind Verwaltungsaufgaben Einzelnen oder öffentlichen oder privaten Einrichtungen anvertraut. Während sich diese verfassungsrechtliche Perspektive bei der durch das Parlament jeweils gewählten Regierung mit der faktischen Betrachtung der Machtzentren deckt, kann diese Repräsentation auch losgelöst von den normativen Regelungen im Rahmen informeller politischer Entscheidungszentren, wie Parlamentsarbeitsgruppen, Parteiführungen u. v. m. angewandt werden.241 Alleine für die formale Repräsentation kann auf eine verfassungsförmige Legitimationsketten abgestellt werden: Die Wahl namentlich der Volksvertreter, wo nicht anderer Amtsträger, ist dabei der unmittelbarste Akt, von ihm leiten sich weitere ab, etwa die Wahl der Regierung oder sonstiger unabhängiger Beauftragter durch die Volksvertretung, aber auch z. T. der Judikative.242 cc) Schließlich enthält der Begriff der Repräsentation ebenso das Verbot, sich der Rückbindung durch das „Aufwerfen zum eigenen Souverän“ zu entziehen.243 Die anvertrauten Befugnisse bleiben verantwortliche, zeitlich und sachlich begrenzte Herrschaft. Sie sind in diesem Sinne nie „Herrschaft aus eigenem Recht“.244 So greift bereits Locke auf, dass dem Volk die höchste Gewalt verbleibt, die Legislative, die auf dessen Vertrauen beruht, wenn sie dem zuwiderhandelt, abzuberufen oder zu ändern, um sich vor den Angriffen gegen die Freiheiten und Eigentumsrechte der Untertanen zu sichern.245 In diesem Sinn sind auch richtigerweise Art. 20 II 1, 2 GG wie bereits Art. 1 II WRV zu verstehen, jede „in sich selbst ruhende Obrigkeit“ und „Organisation von oben nach unten“ zu untersagen.246 Stattdessen sollten die Herrschaftsinhaber sich als nur besonders berufener und dienender Teil des Volkes verstehen.247 Dies kann man weiter umschreiben als die nicht souveräne, sondern magistratische Stellung der Repräsentanten, erkennbar an ihrer Beruf- und Abberufbarkeit und juristischen Rückbindung durch die rational gesetzte Ordnung an den 240 Dabei handelt es sich um die Identifizierung konstituierter normativ vorgegebenen und politisch-faktischer Entscheidungszentren, die untereinander hierarchisiert werden können; vgl. zum Zentrum-Peripherie-Modell und seiner komplexitätsreduzierenden Wirkung oben D. I. 3. c) cc), II. 3. c) cc); durch das Erkennen der vielfältigen Repräsentation, etwa von Leibholz, Demokratie, S. 145, wird nochmals volkstümlichen Identitätsfiktionen in der Tradition von Schmitt eine erforderliche klare Absage erteilt, vgl. oben C., D. II. 241 Vgl. etwa Shirvani, Parteienrecht, S. 258 ff. 242 Vgl. im Einzelnen unten b) ff., zu letzterem namentlich f). 243 Siehe dazu ausführlich oben C. III. 2. a) bb), cc), d), 4. 244 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 134, 153. 245 Vgl. Locke, Government, sect. 149; vgl. zur Ideengeschichte mit weiteren Nachweisen ausführlich oben C. III. 2. c). 246 Preuß, Reich, S. 332 (zu Art. 1 Rn. IX); vgl. im Übrigen bereits ausführlich oben C. III. 247 Vgl. Anschütz, Leitgedanken, S. 31, indes mit starker genossenschaftlicher Akzentuierung.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Willen des Volkes.248 In diesem Sinn ist der zentrale Begriff der repräsentativen Demokratie „nicht Volkssouveränität, nicht der Wille, sondern das Amt. Alle verfassungsmäßige Kompetenz ist hier Trust, fiduciary power, Treuhand, anvertraute Aufgabe, Amtsgewalt, gegeben zum Zwecke der Realisierung der Zwecke des Gemeinwesens“.249 Entscheidend ist somit als Gegenbegriff zum souveränen ein „responsibles“ – mithin nur verkürzt übersetzt als: „verantwortliches“ – Amtsverständnis.250 c) Daraus wiederum entwickeln sich zunächst die Gedanken des Anvertrauens und der Verantwortlichkeit als erste zentrale Kategorien: aa) Alle politischen Eliten erhalten von ihren Elektoren, letztlich dem Volk, zur Wahrnehmung konkrete Ämter anvertraut, bei denen eine totale Kontrolle weder erfolgen noch gewünscht sein kann: „Vertrauen ist die seelische Grundlage der repräsentativen Demokratie, und alle politische Auseinandersetzung in ihr sind weniger Kampf um Willen und Macht als um Vertrauen. Jeder Wahlkampf geht darum, Vertrauen zu erwerben, das Vertrauen in den Gegner in Frage zu stellen.“251 Überspitzt wird Wählern durch Kandidaten nicht versprochen, deren (in vielen Einzelfragen unklaren und ungeklärten) „Willen“ zu befolgen, sondern: „Ich will euer Vertrauen nicht missbrauchen“.252 Das Grundvertrauen der Bürger in das demokratische System ist vom konkreten Vertrauen in jeweilige Wahlalternativen zu unterscheiden, letzteres kann jedoch in langfristiger Hinsicht und mit ihm die demokratische Integrationsfunktion insgesamt erschüttert werden.253 bb) Komplementär bestehen die Formen der Verantwortlichkeit (Responsabilität) als spezifisches Merkmal der Demokratie,254 die mit der Publizität und damit Kritikmöglichkeit verbunden ist.255 Die Verantwortlichkeit findet sich nicht zuletzt als Element der FDGO-Enumeration wieder.256 Danach ist namentlich die Regierung verantwortlich gegenüber der Volksvertretung257 oder dem Volk als solches. Der 248
Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35. Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (327), mit Hervorhebung hier, auch mit historischer Herleitung ebd. S. 326 f. unter Berufung auf Gough, Theory, S. 136 ff, 169; Fraenkel, FS Herzfeld, S. 163 (183 f.). 250 Vgl. Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (332 ff.). 251 Zit. nach Barth, Zersetzung, S. 165 ff. (168 f.); Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (329): vgl. Federalist Nr. 76: „The institution of delegated power implies that there is a portion of virtue and honour among mankind, which may be a reasonable foundation of confidence“; ähnlich Strauß, Naturrecht, S. 134 f.; Arndt, Persönlichkeit, S. 22 f. 252 Jennings, Government, S. 389; Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (330). 253 Vgl. auch Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (334 f.) zum Bezug des Grundvertrauens und zum dahingehenden „Konsens der Beherrschten“. 254 Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (332 ff.); vgl. auch bereits oben B. I 2. d), D. I. 1., 2. 255 Kelsen, Wesen, S. 115; zur allgemeinen und freien Publizität und Öffentlichkeit bereits ausführlich oben I. 2., 3. 256 Vgl. oben B. I. 2. c). 257 Vgl. bereits BVerfGE 5, 85 (199 f.). 249
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etymologische Kern des Antwortens auf Vorwürfe im Gericht,258 aber auch auf Fragen und dadurch des Einstehens für die eigenen Entscheidungen ist dabei prägend. Darüber hinaus verweist der Begriff auch auf intrinsisch-moralische Gebote, jedenfalls global existentielle Gefahren zu verhindern.259 Formal umfasst die Verantwortlichkeit die weite Spanne von der Abberufbarkeit bzw. vom Amtsverlust als ultima ratio der Rückkopplung260 bis zu ganz konkreten ergänzenden Kontrollmittel zur Informationsgewinnung, wie konkrete parlamentarische Zitier-, Interpellations-/ Frage- oder Untersuchungsrechte.261 d) Politische Entscheidungen werden indes auch durch Amtsträger nicht generell ohne weitere demokratische Rückkopplungen getroffen. Allgemein wirkt darin Demokratie zuerst als Beeinflussbarkeit der delegierten Entscheidungen durch die Basis.262 Das Maß der Beeinflussung der jeweiligen Entscheidungen können durch eine Paarung von Responsivität und delegativer Resilienz ausgedrückt werden. So kann delegative Resilienz verstanden werden als Beständigkeit gegen jene berühmte Farce des „je suis leur chef, il fallait bien les suivre“.263 Im Sinne von eigenständiger Reflexion nimmt sich diese Resilienz vor allem als innere Eigenständigkeit gegen wechselhafte aktuelle Stimmungen der Prinzipale aus. Nur wenn das Parlament gleichzeitig in seinem Handeln vom Volke unabhängig und in seinem Denken mit dem Volke verbunden ist, kann es etwa nach Burke seine Funktion als souveräner Repräsentant der Nation erfüllen.264 Demgegenüber zeichnet sich eigentliche Responsivität vor allem an der dialogischen Kommunikation, darunter auch der Plausibilisierung von Entscheidungen aus.265 Beide Komponenten können erneut als Ausdruck der Repräsentativität, des Strebens nach Output- wie Input-Maximierung bzw. -Optimierung und Gegenbild fingierter Identität gelten.266 In diesem Sinn 258 Vgl. insoweit etwa Klement, Verantwortung, S. 210 ff.; auf die antikrömischen Repetundenprozesse einschließlich attischer Vorläufer, sowie etwa die Amtshaftungsprozesse der mittelalterlichen italienischen Stadtrepubliken oder die spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Königsabsetzungen als Vorgriff etwa der aufklärerischen Vertragslehren, wiederum etwa bei Feuerbach, Hochverrat Ausgangspunkt des Staatsschutzstrafrechts, kann hier verwiesen werden. 259 Vgl. etwa Jonas, Verantwortung; Claas, Verantwortung.; Schubert, Verantwortung jeweils passim zum Überblick. 260 Vgl. oben C. III. 4. 261 Vgl. im Einzelnen etwa Wuttke, Verantwortlichkeit, S. 72 ff. 262 Zu weitgehend v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 113: „bestimmender Einfluss auf Inhalt und Form der Herrschaftsausübung“. 263 Alexandre-Auguste Ledru-Rollin zugeschriebener Ruf: „Ich bin ihr Anführer, ich muss ihnen folgen!“, als dieser 1848 den „eigenen Mob“ die Barrikaden besetzen sah; zit nach Mirecourt, Ledru-Rolin, S. 11. 264 Vgl. zu Burkes Definition der „Virtual representation“ bereits ausführlich oben Fn. 239. 265 Vgl. etwa BVerfGE 132, 39 (51); Krüper, NHdbParlR, § 36 Rn. 6; Steinberg, Repräsentation, S. 267 ff.; Pünder, VVDStRL 72 (2013), S. 191 ff. (198 ff.) m. w. N.; Dreier, AöR 113 (1988), 450 (465); sowie bereits oben etwa B. I. 2. d). 266 Vgl. insbesondere oben D. I.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
können die Rückkopplungen auch zurückwirken und das Volk als Gegenüber der staatlichen Herrschaft zur Deliberation von Interessen und Überzeugungen anregen und aktivieren.267
2. Rückkopplungsformen Sucht man die Rückkopplung zwischen Delegationsempfängern und Delegierenden faktisch und normativ näher zu beschreiben, gelangt man zu einem Kanon möglicher Ansatzpunkte, von denen die überkommene deutsche Verfassungsdogmatik in ihren Dimensionen der Legitimationskette (nur) einen Teil aufgegriffen hat.268 Gerade dem ursprünglichsten, der intrinsischen Motivation (a)) wird dabei vor allem gegenüber den formalen extrinsischen (d)) zu Unrecht kaum eine Bedeutung zugeschrieben, obwohl sie vor allem für begrenzt rationale Bevölkerungsteile weiterhin erhebliche integrative und befriedende Wirkung hat bzw. haben könnte.269 a) Die Idee intrinsischer bzw. interner Rückkopplung270 als ursprünglichen Ausgangspunkt der Staatsphilosophie lässt sich begreifen als leitendes inneres Bestreben des Amtsträgers, zum Wohle der Gesamtheit und nicht in rücksichtslosem Eigen- oder partiellem Fremdnutzen zu handeln.271 Es bildete das Paradigma seit der griechischen antiken Staatsphilosophie, nur exemplarisch des Philosophenstaats Platons und der guten Staatsformen des Aristoteles.272 Machiavelli versuchte als erster jenseits eines „naiven“ Idealismus eine faktische Gemeinwohlorientierung als politische virtú an die Stelle reinen Glaubens an die Moralität der Machthaber neu zu begründen. Das „Gemeingute“ sollte zumindest wegen der Einsicht in die Notwendigkeit der eigenen Machterhaltung aus politischer Raison verfolgt, bzw. nach innen zumindest schlimmste Exzesse unterlassen werden.273 Gerade preußischer „Antimachiavellismus“274 befruchtet sodann die Einsicht in die neben entsprechender platonisch-kantianischer Bildung notwendigen extrinsischen Ergänzungen,
267
Vgl. auch Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 5 Rn. 248. Vgl. zur Verengung unter dem weiter wirksamen Modell des „Volkswillens“ von Schmitt und Böckenförde oben C. II., III. 269 Vgl. auch oben B. I. 2. d), II. 3. sowie D. II. zu den Grundlagen der Heuristik des Vertrauens. 270 Zur intrinsischen Motivation vgl. nur Woodworth, Psychology, S. 70; im Überblick die Beiträge bei Heckhausen/Heckhausen, Motivation. 271 Etwa auch Locke, Government, sect. 134, 137, 142 passim; für die WRV etwa Thoma, HdtStR, § 16, S. 186 f. 272 Vgl. etwa Platon, Politeia, c. 519 ff. und cap. IX; Aristoteles, Ethik, c. 1155a3; ders., Politik, cap. I 1 ff. (1252aI, S. 76 ff.); vgl unter der Sekundärliteratur etwa einführend Schwaabe, Theorie, S. 30 ff., 55 ff. 273 Vgl. bereits dazu ausführlich Fahrner, Machiavelli, S. 103 ff. 274 Friedrich II. von Preußen/Voltaire, Anti-Machiavel. 268
II. Vertikale Dimension
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namentlich rechtlicher Verantwortlichkeit.275 Kontrolle erscheint zwar unabdingbar, jedoch ebenso Vertrauen nützlich und sinnvoll, wenn nicht ebenfalls unverzichtbar: ersparen doch begründet vertrauenswürdig scheinende Amtsträger erhebliche, tatsächlich in ultimo nicht leistbare, Überwachungskosten und begrenzen sowohl reale unmittelbare wie integrale Risiken für die Einzelnen und das Gemeinwesen. Trotz aller Sicherung durch checks and balances etc. könnte ein Gemeinwesen nur rücksichtslos egoistischer Elitenakteure angesichts der nie ganz auszuschließenden Manipulationsmöglichkeiten im semi-rationalen System nicht dauerhaft stabil und integrierend wirken.276 Dementsprechend hat das BVerfG früh gefordert, dass etwa die Parteien Konzeptionen entwickeln müssten, wie eine den Interessen des Volkes im Ganzen am besten dienende Staatspolitik beschaffen sein müsse. „Die Vertretung von Gruppeninteressen ist für sie Durchgangspunkt, Mittel, den Interessen des ganzen Volkes zu dienen.“277 Es bleibt aber vor allem den weiteren politischen Prozessen überlassen, die tiefe Hoffnung auf intrinsisch gemeinwohlverantwortliche Akteure durch deren Auswahl und Aussonderung egoistisch-destruktiver zu realisieren.278 b) Eine persönliche „Nähe“ oder (gegenläufig) „Entfernung“ zur Peripherie in der Rekrutierung der Eliten und ihrer empfundenen und praktizierten Rückbindung kann ebenfalls zur Rückkopplung beitragen. Vor allem kann durch Kanäle und Mechanismen echter, nicht bloß symbolisch-inszenierter „Volkstümlichkeit“ der Isolierung und Immunisierung medialer Vermittlung entgegengewirkt werden.279 Die Forderung tatsächlicher Berücksichtigung einzelner Bevölkerungsmerkmale auch in der personellen Zusammensetzung der Repräsentationsorgane basiert auf der Prämisse, dass dadurch eine besonders umfassende Interessenrepräsentation zu sichern sei.280 Richtig ist – jenseits der Beseitigung möglicher Diskriminierungen gegenüber for275 Welche freilich schon zu Machiavellis Zeiten aus den spätmittelalterlichen kommunalen Haftungsprozessen gegen die Podestà nach antikrömischem Repetunden-Vorbild bekannt waren, ebenso wie die von ihm jedenfalls abgelehnte Unterstellung des Herrschers unter ein real wirksames Kirchengericht und damit kirchliche Oberhoheitsansprüche. 276 Vgl. bereits oben D. 3. ff.; Daher scheitert auch eine rein ökonomisch auf einem homo ökonomicus aufbauende Demokratietheorie, vgl. bereits Fahrner, Präferenzoptimierung; ders., Bündnis, jeweils passim.; überspitzt Abendroth, Demokratie, S. 156 (165): „in ständiger Gefahr, zu bloßen Patronage-Gruppen macht- und versorgungshungriger Berufspolitiker herabzusinken, die gezwungen sind, sich an diejenigen Machtträger der Wirtschaft zu verkaufen, die ihren Wahlkampf jeweils bezahlen wollen und können. Sie müssen deshalb dazu neigen, Wahlkämpfe in bloße Reklameschlachten zu verwandeln, die dem Volke jedes Bewusstsein wirklicher Teilhabe am öffentlichen Leben nehmen und schon durch die Art, in der sie den Wahlkampf führen, die Demokratie diskreditieren“. 277 BVerfGE 5, 85 (233 f.). 278 Womit man wieder zu den Grundproblemen der politischen Willensbildung vor entsprechenden Wahlen seit den antiken Anfängen zurückkehrt. 279 Zu jenen problematischen Mechanismen siehe ausführlich oben D. II. 5. 280 Ausgeblendet ist damit das allerdings oft evidente Interessen konkreter Bewerber und Gruppen, vor allem sich durch derartige Forderungen persönlich Vorteile in Auswahl- und daraus Karriereentscheidungen zu erlangen.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
maler Gleichheit etwa im Sinn von Art. 3 III GG – alleine, dass in konkreten Personen besondere persönliche Erfahrungen in politische Prozesse eingebracht und Brücken zu anderen durch ähnliche Erfahrungen geprägte Personengruppen gebaut werden können. Allerdings erweisen sie sich im Hinblick auf eine Gesamtrepräsentation und damit Orientierung an den Gesamtinteressen als irreführend,281 bedürfen jedenfalls mindestens ebenso der Rückkopplung am gesamten und nicht nur partiellen Prozess der Willensbildung und Wahl: „Die gewählten Abgeordneten sind dabei nicht einem Land, einem Wahlkreis, einer Partei oder einer Bevölkerungsgruppe, sondern gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dem ganzen Volk gegenüber verantwortlich, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Aufgrund des hieraus abgeleiteten Grundsatzes der Gesamtrepräsentation kommt es für die Vertretung des Volkes gerade nicht darauf an, dass sich das Parlament als verkleinertes Abbild des Elektorats darstellt.“282 c) Die Legitimierungswirkung der Demokratie macht sich zwar auch an ihrer Fähigkeit, tatsächlich Nutzen für das Gemeinwesen und insbesondere die Bürgerinnen und Bürger zu erzeugen, fest (Output-Legitimierung).283 Eine solche Nutzenorientierung scheint umso mehr möglich, je mehr gemeinsame objektive, fixierte Normen der Amtsführung bestehen, an denen die Verantwortlichkeit des „responsible government“ gemessen werden kann.284 Allerdings weist zu Recht die neuere Verfassungslehre darauf hin, dass kein „trade-off“ zwischen „input“- und „output“Dimension begründet werden kann: „Eine in paternalistischer Grundhaltung verordnete Wohlfahrt über die Köpfe der Regierten hinweg wird damit niemals demokratisch legitimiert sein – so groß auch der Wohlfahrtsgewinn ist. Zudem wird
281
Durchaus gefährlich in der Segmentierung der Gesellschaft gegenüber der Allgemeinheit, vgl. bereits oben D. II. 5. und gerade I. 1., 2. 282 BVerfGE 156, 224 m.Anm. Hecker, NVwZ 2021, 479 f.; a. A. etwa weniger überzeugend Penz, DÖV 2021, 422. Es bleibt zudem festzuhalten, dass derartige Reduzieren des Elektorats auf einzelne, etwa sexistische Eigenschaften den Prinzipien des Pluralismus und letztlich auch der Menschenwürde als Definition und Einordnung eines Menschen anhand eines einzelnen willkürlich herausgegriffenen vorab determinierten Merkmals als Bestimmend diametral widersprechen. Völlig unbeschadet davon bleibt die Frage, worin die passive Wahlgleichheit genau bestimmt und zu sichern ist. Dabei ist auf die neuere Rechtsprechung des BVerfG hinzuweisen, wonach die Wahlgleichheit kein Ausdruck von Art. 3 GG, sondern von diesem unabhängig und rein formal aus dem Demokratieprinzip zu verstehen ist, vgl. auch BVerfGE 99, 1 (8 ff.); 151, 1 (18 ff.). 283 Vgl. ausführlich bereits oben D. I. 1 c) aa); hier nur nochmals Scharpf, Demokratietheorie, S. 66 ff.; Schmidt, Demokratietheorien, S. 245 ff. 284 Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (332) m. w. N.; so können namentlich exekutive Amtsträger an der Erfüllung gesetzlicher Ziele gemessen werden, während dies mit zunehmender Offenheit für plurale Erwägungen in politischen und legislativen Ämtern umso schwerer fällt. Die Rechtsprechung nimmt dabei eine Zwischenstellung ein, da sie nicht nur (zu oberflächlich) am Maß der „Fallerledigungen“ gemessen werden kann, sondern an der Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, welche allerdings wiederum nur Rahmen und Grundlage für die unabhängige Amtsausübung geben.
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Mitwirkung (,input‘) ohne effektive Kontroll- und Sanktionsinstrumente ebenso wenig hinreichend.“285 d) So bleibt die formale Legitimierung der real möglichen, friedlichen, offenen, transparenten und fairen Aus- und Abwahlmöglichkeiten der Entscheidungsträger und Repräsentanten der ausschlaggebende Kern der Demokratie.286 Insgesamt birgt die Sanktionierung des Amtsträgers, sowohl durch Abwahl wie durch sonstige rechtliche Mittel die formale Verankerung extrinsischer Rückbindung. aa) Vor allem durch die Möglichkeit der Abwahl einer regierenden Elite in Gubernative und Parlamentsmehrheit wird Verantwortlichkeit durchgesetzt (vgl. etwa Art. 67, 68 GG), die durch formale Informationsgewinnungs-/Untersuchungsrechte insbesondere der Volksvertretungen gegenüber anderen Staatsorganen (vgl. etwa Art. 43 ff. GG) ausgestaltet sein kann.287 Die Bürger verleihen den unmittelbaren obersten Staatsorganen nur Macht auf Zeit (vgl. Art. 39 I 1 GG), um Machtmissbrauch zu verhindern und getroffene Entscheidungen reversibel zu halten.288 Das Erfordernis regelmäßiger Neuwahlen der Parlamente folgt aus der Notwendigkeit der Erneuerung der demokratischen Legitimation der Repräsentanten; ausgeschlossen ist die Selbstverlängerung der laufenden Legislaturperiode, da es insofern an der demokratischen Autorisation durch den Wählerwillen fehlt.289 Wahlen schaffen damit Responsiveness und Verantwortlichkeit im Sinne von Antworten an Wähler.290 bb) Formale Rechenschaftslegungspflichten sind indes bei der demokratischen Delegation, im Gegensatz zu politischen Rechenschaftsmöglichkeiten, praktisch nicht vorhanden.291 Daher sind die regelmäßigen freien und gleichen Wahlen das 285 Nettesheim, Integrationsverantwortung, S. 11 ff.; vgl. Di Fabio, Herrschaft, S. 188 ff.; Gleiches gilt für technokratische Herrschaftsformen wie der Europäischen Union und ihren Vorläufern, die ausstrahlend gerade von den Mehrebenensystemen, an denen Scharpf, Regieren die Output-Legitimierung vertieft hat, sich auch in staatlicher Ebene ausprägen und dort sich als Fortsetzungen der bürokratischen Herrschaft im Sinne Webers zeigen. Allerdings können sie eben konkrete Responsivität und formale und informelle Partizipation nicht aufwiegen. 286 Vgl. bereits Popper, Gesellschaft, S. 149, dazu als Teil des Hintergrunds der FDGO hier nur B I. v. a. 2. d). 287 Siehe gerade oben 1. c) bb). 288 Vgl. ausführlich oben C.; hier auch der wohl erstmals in finanzieller Perspektive entstandene Gedanke in BVerfGE 79, 311 (343); 119, 247 (261); 121, 205 (220) zu politischen Beamten, jetzt ausführlich zum Klimaschutz NJW 2021, 1723; zuvor etwa v. Münch/Kunig/ Kotzur, Art. 20 GG Rn. 114; Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 73; grundlegend Droege, DÖV 2009, 649 ff. m. w. N.; Pünder, HdbStR V, § 123 Rn. 58; Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 7 Rn. 62 ff.; vgl. auch Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331 (345 f.) mit strafrechtlicher Perspektive. 289 Vgl. BVerfGE 18, 151 (154); 44, 125 (139); Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 73 m. w. N.; Stern, StaatsR I, S. 609; II, S. 70. 290 Vgl. BK-Kotzur vor Art. 38 GG, Rn. 58; sowie sogleich unten 3. 291 Vgl. etwa die Berichte über die Lage der Union in den USA, Art. 2 sec. 3 cl. 1 USConst., die Reden zur Lage der Europäischen Union seit 2010, Folge der Vorschläge und Debatten im 2. Konvent, oder die Tätigkeitsberichte der Bundesregierung in den 1960er Jahren, sowie im
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
absolute Kernstück der freiheitlichen Demokratie.292 Benachbart können allerdings die Möglichkeiten gesehen werden, andere Amtsträger außerhalb ihrer Befugnisse zu setzen, etwa ein Misstrauensvotum (Art. 67 GG) oder z. T. Impeachment (Art. 61, 98 II, V GG),293 die Entfernung von Beamten ebenso wie von Richtern aus dem Amt oder die Kündigung privatrechtlicher Vertragsbeziehungen.294 cc) Diese unmittelbar auf die künftigen legitimen Machtausübungen bezogenen Sanktionen werden ergänzt durch weitere, etwa Schadensersatz, Disziplinar-, Ordnungswidrigkeits- oder Strafsanktionen, die zur repressiven Ahndung und Befriedung ebenso wie zur spezial- und generalpräventiven Verhaltenssteuerung beitragen. e) Demokratie setzt, da sie sich nicht in rein formalen Zurechnungsfiktionen erschöpft,295 weitere kommunikative Rückkopplungen der delegierten Entscheidungen voraus, darunter solche mit konkreten Betroffenen und mit dem Volk als Legitimationsgeber. aa) Allgemein erfordert dies eine freie und offene Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten.296 Im Grundrecht auf Petition – im Verfassungsrecht verankert namentlich in Art. 17 GG (welches auch nicht auf Bürger beschränkt ist) und den entsprechenden Landesgrundrechten – findet sie, wo nicht in Verfahren gesondert geregelt, jedenfalls ihre förmlichste Verankerung.297 Weitere kommunikative Rückkopplungen – wie etwa formalisiert in vielen Formen der Entscheidungsverfahren oder sonst informeller Prozesse im Verhältnis von Individuen und politischen Gruppen, etwa zu Abgeordneten – sind namentlich, auch nicht durch das freie Mandat (z. B. Art. 38 I 2 GG), aus-, sondern explizit eingeschlossen.298 Bedeutsam erweist sich hier auch die gewaltenteilende und Kontrollfunktionen sichernde Abschirmung gegen Exekutive wie Judikative.299 Andererseits lässt die Einzelnen von Regierungen, Ministerien und sonstigen öffentlichen Amtsträgern, sowie etwa die Generalaussprache und Regierungserklärungen im Deutschen Bundestag. 292 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 155; auf sie ist wegen ihrer überragenden Bedeutung sogleich unter 3. gesondert einzugehen. 293 Vgl. Wuttke, Verantwortlichkeit, S. 148 ff. 294 Jeweils nach dem konkreten einfachen Gesetzesrecht, vgl. zu den Bedeutungen für die FDGO als „wehrhafte Demokratie“, worauf – wie zum Folgenden – in gesonderter Untersuchung ausführlich noch eizugehen ist. 295 Vgl. nochmals oben C., D. I., 3. 296 Vgl. zu dieser Kommunikation in der politischen Öffentlichkeit oben D. II. 5., E. I. 3., 4. und unten IV.; BVerfGE 132, 39 (50) unter Berufung auf vgl. Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 7 ff.; ausführlich Breuer, Anforderungen, S. 177 ff. 297 Sowie sonst dem rechtlichen Gehör oder sonstigen Beteiligungsrechten nach den gesetzlichen Vorschriften. 298 BVerfGE 132, 39 (51); vgl. auch BVerfGE 102, 224 (237 f.); 112, 118 (134), letztere Entscheidung indes überraschend zum Teil erneut deutlich geprägt vom Dogma der Willensidentität. 299 Vgl. ausführlich Fahrner, HdbSiStR § 5, Rn. 23 ff., 67 ff. m. w. N.
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parlamentarische Demokratie nicht Entscheidungswege zu, durch die rechtlich geordnete und dadurch rationalisierte und legitimierte Verfahrensweise des politischen Handelns und administrativen Entscheidens durchkreuzt werden können.300 Wenig geklärt scheint demgegenüber vor allem Maß und Maßstab der Offenheit und Gleichheit beim individuellen Zugang zu Entscheidungsträgern gerade im Bereich des Lobbying. Hier können die Rückkopplungsprobleme vor allem als solche demokratischer Gleichheit und der Rolle der Interessengruppen beschrieben werden.301 Die reine, zudem nur graduelle Steigerung der Transparenz solcher Sondereinflussnahmen einzelner mächtiger Partialinteressen erweist sich nicht nur im Ergebnis des posterior-Gemeinwohls als ineffektiv, sondern sogar kontraproduktiv, da gerade die Probleme der Rationalität, Legitimität und endlich Friedensfunktion damit nicht zu gewährleisten sind.302 bb) Im Sinn der spezifisch demokratischen Legitimation ist diese Rückkopplung Teil der weit verstandenen öffentlichen Meinungsbildung.303 Diese ist streng von der Entscheidungsfindung durch Abstimmung zu trennen.304 Die delegierte Entscheidung ist nicht selbst in irgendeiner Weise der Vollzug oder unmittelbar an das, regelmäßig komplexe und dynamische, Meinungsbild gebunden.305 Die Wirksamkeit 300 Badura, Staatsrecht, Rn. D14; vgl. insbesondere aus strafrechtlicher Sicht die Korruptionskriminalisierung sowie mögliche andere Amtsvergehen einschließlich entsprechender disziplinarischer Ahndung, welche weiter anderenorts auszuführen sein werden. 301 Vgl. oben I. 4. und unten III. 302 Der Schluss von BVerfGE 118, 277 (353) geht fehl: Solange die Hingabe des Mandatsträgers oder politischer Eliten an einzelne Interessen aus persönlichem Sondernutzen nicht wirksam durch den Wähler – namentlich aufgrund „sicherer Listenplätze“ und anderer Immunisierungsmechanismen – sanktioniert werden kann, stellte selbst eine vollständige Transparenz nur diesem seine Ohnmacht umso deutlicher vor Augen; weit stärker gilt dies für weiterhin etwa von GRECO, GrecoRC3 (2016) 5, GrecoRC3 (2019) 1 u. a. wiederholt kritisierte deutsche Nichtumsetzung der Empfehlungen zu einer wirksamen Korruptionsbekämpfung bei Parteien und Abgeordneten und die leicht zu umgehenden weitestgehend rein symbolische Ansätzen des deutschen Parlaments bei der Selbstregulierung etwa auch in § 108e StGB, vgl. auch Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 10 Rn. 54 ff. Alleine in leicht umgehbaren formalen Transparenzansätzen wird man jedenfalls absehbar allenfalls unzureichende ergänzende Ansätze erkennen können, die per se wenig gegen Verfälschungen des politischen Prozesses beitragen können, der maßgeblich durch andere Mechanismen im Kern zu schützen ist und geschützt werden muss, vgl. unten III. 3., 4. 303 Vgl. zum Ganzen folgenden v. a. nochmals oben D. I. 2., 3. 304 Vgl. nochmals BVerfGE 8, 104 (112 ff.); 122 ff. 305 Eben gerade nicht identisch mit einem rein fiktiven Volkswillen, vgl. oben C., D. I. 3.; wenn die Verfassungsdogmatik insoweit feststellt, dass sich zwischen den Wahlen die notwendigen Rückkopplungsprozesse in den Bahnen demokratischer Öffentlichkeit, freier Kommunikation und Kritik vollziehen, vgl. mit zunehmender Tendenz BVerfGE 52, 63 (82 f.); 118, 277 (353); 132, 39 (50 f.); Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 116 ff., hebt dies ein spezifisches Wahlvorfeld nicht daraus so heraus, dass es davon entkoppeln wäre, sondern fügt dieses darin ein. Statt völkischer Identitätsfiktionen greifen richtigerweise damit verbundene nicht nur symbolische, sondern ebenso reale Formen der Integration und Rückkopplung ineinander, vgl. auch bereits oben B. I. 2. d) dd). Vor diesem Hintergrund macht das BVerfG mit einiger Begründung eine Einschränkung konkreter Berechtigung zur Teilnahme an den for-
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
im Hinblick auf die genannte Rückkopplung ergibt sich auf die Vorbereitung der Beschlüsse wie deren Nachbearbeitung auch mit Blick auf zukünftige Wahlen oder weitere Abstimmungen. Maßgeblich für eine optimale Abwägung eines insoweit freien Amtsträgers zwischen intrinsische Responsiabilität, Resilienz und Responsivität bei seinen Amtsentscheidungen ist in einer pluralistischen Demokratie die Unverfälschtheit und Effizienz des ständigen Prozesses der politischen Meinungsbildung. Danach ist „die Regierung kraft Verfassungsrecht oder Verfassungsusance gehalten …, bei Ausübung ihrer Regierungstätigkeit eine, sei es im Parlament, sei es in der öffentlichen Meinung, in Erscheinung tretende, sachlich begründete Kritik an geplanten Regierungsmaßnahmen zu antizipieren und an bereits durch geführten Regierungsmaßnahmen zu respektieren.“306 In diesem Sinn ist weiterhin der beständige Dialog – in Form freier und offener Kommunikation zwischen Regierten und Regierenden bzw. Parlament – vor allem über die öffentliche Meinungsbildung mit den allgemeinen, freien und gleichen Teilhaberechten unabdingbar.307 Gerade der normativ gebotenen Offenheit und Unverfälschtheit kommt dabei eine herausgehobene Bedeutung zu. Sie gerät allerdings in zunehmendem Maß mit den faktischen politischen Strategien z. B. des Pressuring, Framing und Agenda-Setting durch besonders ressourcenreiche Sonderinteressen (im Rahmen indirekten Lobbyings bzw. „Pressuring“) in Konflikt, wobei feste Grenzen aus normativen und faktischen Gründen bislang kaum gezogen werden konnten.308 Auch die Demoskopie ist insoweit kritisch zu betrachten:309 Zwar ermöglicht sie eine gezielte, ggf. statistisch „repräsentative“ Abfrage von Ansichten. Sie ist jedoch in herausragendem Maß hermeneutisch durch die Auswahl und Formulierung der Fragen, sowie den unmittelbaren psychologischen Kontext, etwa wenn die Fragen unmittelbar im Anschluss an eine manipulativen Medienbeitrag gestellt werden. Dadurch ist sie in hohem Maß für politisch Eigeninteressen verfälsch- und in diesem Sinn taktisch nutzbar.
malen Wahlakten von der hinreichenden Möglichkeit der Betroffenen zur Teilnahme am (informellen) politischen Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen fest, BVerfGE 132, 39 (51). 306 Fraenkel, Demokratien, S. 333. 307 Vgl. zusammenfassend BVerfGE 132, 39 (50 f.) m. w. N.; vgl. auch mit leicht abw. Ansatz BVerfGE 20, 56 (98); 69, 315 (346); ferner BVerfGE 123, 267 (358 f.). 308 Siehe namentlich oben D. II. 5., E. I 3. b) ee), 4. sowie unten III. 309 Grundlegend zur Zwiespältigkeit Hennis, Meinungsforschung, S. 32 ff.; kritisch etwa Benda/Kreuzer, JZ 1972, 497 (499 ff.); Weber, Demokratie, S. 245 (269); Hopmann, Meinungsumfragen, S. 51 (64) zur Irrationalität der Befragten; allgemein Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 116; auch MD-Grzeszick, Art. 20 II Rn. 75 f.; für eine im Grundsatz positive kompensatorische Wirkung gegenüber zu geringen plebiszitären Elementen hingegen Fraenkel, Demokratien, S. 201 ff. „Ersatz-Plebiszite“.
II. Vertikale Dimension
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3. Wahlen a) Wahlen stellen den zentralen Akt der Delegation politischer Entscheidungsbefugnis dar, die bestimmte Gewählte näher an politische Entscheidungszentren führen. Die wichtigste demokratische Form ist jene unmittelbar durch das Volk, namentlich zu den parlamentarischen Volksvertretungen. Sie sind im demokratischen Verfassungsstaat des Grundgesetzes der zentrale Vorgang, in dem das Volk Staatsgewalt als das den Regierten zustehende Fundamentalrecht selbst ausübt; allgemein sind sie der Inbegriff rationaler, symbolischer und funktioneller Integration.310 Ihre Ausgestaltung entscheidet zentral über die demokratische Legitimation der Gewählten,311 aber auch die reale Optimierung der Auswahl „der Besten“.312 Als Approbation und Reprobation des Handelns der regierenden Elite in regelmäßigen (spätestens) bestimmten Abständen sind sie die wichtigste Form formaler Rückkopplung, welche die Responsivität und Responsabilität insgesamt verankert.313 Wie singulär ihre zentrale Rolle im Hinblick auf die Friedlichkeit und Integration ist, hängt mit der konkreten Ausgestaltung der fdVO davon ab, wie sehr die Bürger ihrem Unmut mit der jeweiligen Regierungspolitik bzw. mit konkreten Entscheidungen der Parlamentsmehrheit auf andere Weise – etwa durch direktdemokratische Verfahren – Ausdruck verleihen oder gar einzelne Entscheidungen unmittelbar treffen können.314 b) Als wesentliche Orientierungsprinzipien für das konkrete näher gesetzlich bestimmbare315 Wahlsystem sieht das BVerfG neben der Gleichheit die Funktionsfähigkeit der Volksvertretung,316 die Integrationsfunktion, dass gewichtige Anliegen im Volk von der Volksvertretung einbezogen werden, sowie die Verbindung zwi-
310
(419).
Siehe oben Kap. 1 B. IV. 2.; vgl. hier nur BVerfGE 6, 84 (92 f.); 51, 222 (236); 95, 408
311 Vgl. zusammenfassend BVerfGE 131, 316 (334 ff.); 132, 39 (50) jeweils m. w. N.; noch eindeutiger im Sinn der fiktiven völkisch-neoidentitären Theorie des Volkswillens als „Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen“ bezeichnet etwa vgl. BVerfGE 20, 56 (99); 41, 399 (416); 44, 125 (140); 69, 315 (346); 123, 39 (68 f.). 312 Die Ausgestaltung ermöglicht oder verhindert die bestmögliche Auswahl und damit Auslese derer, denen die Mehrheit der Wähler für absehbare Zeit staatliche Macht nach vorgestellten Programmen und Personen anvertraut, vgl. bereits Preuß, Reich, S. 331 (zu Art. 1 Rn. VIII); überzeugend gegen die Alternative der Bestenauswahl in faschistischen Systemen bei Heller, Europa; Hacke, Existenzkrise, S. 183 f. 313 Vgl. bereits oben 1. c), 2. d); Fraenkel, Demokratien, S. 333; BVerfGE 5, 85 (199 f.): freie Wahlen mit regelmäßiger Wiederholung in relativ kurzen Zeitabständen sichern die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht. 314 Zu ersterem BVerfGE 41, 399 (414); ansonsten BeckOK-Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 81. 315 Hesse, Grundzüge, Rn. 147. 316 Vgl. BVerfGE 6, 84 (92 f.); 51, 222 (236); 82, 322 (338); 95, 408 (418); 120, 82 (107); vgl. bereits zu Vorläuferjudikaten in der Weimarer Republik Ungern-Sternberg, Wahlsystem, S. 189 (203).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
schen Wählern und Abgeordneten, modifizierbar durch das Bundesstaatsprinzip.317 Solange diese Prinzipien plausibel an den Funktionsanforderungen der FDGO ausgerichtet sind, und solange nicht erhebliche dauerhaft bestimmte Gruppen willkürlich um faire Wahlchancen bringen, sind sie im Hinblick auf die FDGO nicht zu beanstanden. Damit ist weiter erforderlich, dass die Wahlen den vielfältigen Wählerwillen (unter Rücksicht auf die genannten konkurrierenden Prinzipien) möglichst verfälschungsfrei abbilden. Dazu gehört zuvorderst, dass sich die Entscheidungen der Wähler unmittelbar i. S. v. Art. 28 I, 38 I 1 GG in der Auswahl niederschlagen. Sie müssen „das letzte Wort haben“. Keine Zwischeninstanz darf mit eigenem Ermessen die Auswahl zuletzt bestimmen.318 Dies würde zwar weisungsgebundene Elektoren nicht ausschließen, wohl aber z. B. Nachrücker alleine nach Bestimmung von Parteien ohne unmittelbares Wählervotum.319 Weiterhin folgt aus der grundsätzlichen Verfälschungsfreiheit die Zählwertgleichheit und zu optimierende Erfolgswertigkeit der einzelnen Stimme und daraus Einschränkungen der Verrechnungseffekte, die mit der Komplexität des konkreten Wahlsystems wachsen.320 Des Weiteren haben die allgemeinen Grundsätze für die Allgemeinheit und Freiheit der Einzelnen bei politischer Entscheidung gleichermaßen zu gelten.321 Nur eine freie und möglichst allgemeine sowie gleiche Wahl kann demokratische Legitimität vermitteln.322 Offen wird der Wettbewerb auch dadurch, dass das Wahlvorschlagrecht nicht nur bei den (etablierten) Parteien liegt.323 Schließlich muss die Sicherheit des tatsächlichen Wahlergebnisses gewährleistet sein.324 Dies setzt die amtlich-kontrollierte ebenso wie öffentlich transparente Auszählung und Bestimmung der Ergebnisse aus den abgegebenen Stimmen sowie die Sicherung der Integrität des gesamten Wahlvorgangs voraus. Dies scheint durch Wahlcomputer möglicherweise verletzt bzw. nicht hinreichend gesichert.325 c) Die Wahlentscheidung des einzelnen Wählers muss sich als Ergebnis eines möglichst innerlich freiheitlichen, namentlich rationalen individuellen Willensbil317
Vgl. BVerfGE 131, 316 (334 ff.); 132, 39 (50) jeweils m. w. N.; vgl. im Übrigen bereits ausführlich oben I. 4. 318 Vgl. bereits BVerfGE 3, 45 (49); 7, 63 (68 f.); 7, 77 (84 f.); 47, 253 (279 f.); Hesse, Grundzüge, Rn. 146. 319 Vgl. insoweit abzulehnen Stollberg, Grundlagen, S. 41 mit irreführendem Verweis auf das Electoral College ohne Berücksichtigung der faktischen Weisungsgebundenheit und sonst möglicher Verzerrung des demokratischen Willens. 320 Vgl. schon ausführlich oben I. 4.; Hesse, Grundzüge, Rn. 146 m. w. N. mit Hinweisen auf 5 % Sperrklausel und Wahlkreisgeometrie. 321 Vgl. schon ausführlich oben I. 2. b) bzw. 3. 322 Hesse, Grundzüge, Rn. 145 ff. 323 Wohl am deutlichsten BVerfGE 41, 399 (417 f.); vgl. auch Starck, HdbStR III, § 33 Rn. 32; Meyer, HdbStR III, § 46. 324 Vgl. zur notwendigen Entscheidungsfeststellung, transparenter Begründung und Publizität oben bereits D. I. 1., 2., E. I. 1., 2. 325 Vgl. bereits oben I. 2. c) cc); hier nur nochmals BVerfGE 123, 39 (70 ff.); BeckOKHuster/Rux, Art. 20 GG Rn. 69.1.
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dungsprozesses darstellen.326 Die Wahl ist für die Wähler immer eine Entscheidung unter Unsicherheit (etwa hinsichtlich der Befähigung und Versprechungen der Kandidaten), eine untrügliche andere Auslesemethode gibt es jedoch nicht.327 Umso wichtiger wird (neben der periodischen Revidierbarkeit und den zusätzlichen Rückkopplungen), jedenfalls besonders schwerwiegende und die Funktionen gefährdende Manipulationen vor allem der rationalen Freiheit des Wählers auszuschließen.328 Dadurch erweisen sich technische Hilfsmittel zur zutreffenden Komplexitätsreduktion durch gravierende Reduzierung von Informations- und sonstigen Transaktionen wie „Wahlomate“ als hilfreich.329 Beeinträchtigungen der rationalen Freiheit im Wahlvorfeld werden von der tradierten Verfassungstheorie des BVerfG gerade aus Sicht des Schutzes der FDGO und der Wähler vor frustrierenden Manipulationen, bei weitem unzureichend erfasst: Im Wesentlichen hat sich dessen Dogmatik allgemein zur Freiheit der Wahl darauf zurückgezogen, dass diese ohne unmittelbaren oder mittelbaren Zwang oder Druck, auch fortwirkend aus dem Vorfeld erfolgen müsse. Vor allem anderen hat sie staatliche Einwirkungen grundsätzlich tabuisiert, jedoch dabei gleichwohl ad hoc-Ergänzungen dieses Paradigmas vorgenommen, soweit diese ihr unabdingbar schienen.330 Diese Dogmatik wendet dabei seit jeher das Modell des möglichst unbeeinflussten und in diesem Sinn „freien“ Wettbewerbs primär der einzelnen Wahlalternativen um die Wählerstimme an.331 Dieses soll auf sämtliche Prozesse in modernen komplexen Demokratien und Wahlen auf dabei mediierende Akteure, nämlich vor allem Parteien und Medien, sowie sonstige Interessengruppen mehr oder weniger ausstrahlen.332 So hat das BVerfG früh die wesentliche Bedeutung der Wahlwerbung in den Massenmedien
326 Vgl. bereits oben I. 3.; ähnlich, jedoch aus Sicht der kollektiv-aggregierenden völkischen Willenstheorie geprägt indes noch BVerfGE 44, 125 (139 ff.); MD-Grzeszick, Art. 20 GG Rn. 15. 327 Vgl. bereits Preuß, Reich, S. 331; dazu Lehnert/Schefold, Preuß, S. 54 f. unter Verweis auf die Nähe zu Kelsen. 328 Vgl. namentlich oben B. II. 3., D. II., E. I. 3. 329 Vgl. etwa VG München, Beschluss v. 8. 9. 2008, Az. M7 E 08.4347. 330 Vgl. insbesondere oben C., D. II. 1. zu den überaus problematischen Prämissen der völkischen Willenstheorie und des „marketplace of ideas“, D. II. 3.–5., E. I. sowie unten III. und IV. zu den Problemen der Folgerungen daraus jeweils gemessen an den Erfordernissen der FDGO; zu Paradigma und Modifikationen vgl. etwa nochmals namentlich zur Wahlwerbung BVerfGE 44, 125 (148 ff.); 63, 230 (243 f.) sowie Hesse, Grundzüge, Rn. 146. 331 Damit sollen die weit vielfältigeren und komplexeren Prozesse der individuellen in der öffentlichen Meinungsbildung fokussiert werden, vgl. v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG, Rn. 126 f. m. w. N.; allgemein können, so auch die liberale Verfassungslehre der Weimarer Republik, nur durch einen freien Wettbewerb die beste Auslese der Eliten (und Befriedung als Ausdruck formaler Gleichberechtigung) erfolgen, vgl. etwa Preuß, Reich, S. 331 (zu Art. 1 Rn. VIII). 332 Siehe dazu sogleich unten III.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
erkannt und diese seinem Diktum des freien Wettbewerbs unterstellt.333 Nicht erfasst davon werden jedoch namentlich die „Wettbewerbsbeeinträchtigungen“ durch mediierende Akteure selbst334 und die allgemeine, immer größeren Gefahr der technischen Möglichkeiten für die gezielte (Des-)Information im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen.335
4. Rolle des Parlaments und ergänzende formale plebiszitäre Elemente a) Das Parlament soll die politische Deliberation über zentrale delegierte Entscheidungsaufgaben nicht nur in der Gesetzgebung und bei der Bestimmung weiterer Ämter, sondern auch als Versammlung darauf spezialisierter Volksvertreter rationalisieren. Im parlamentarischen Regierungssystem der BRD gehört die demokratische Verantwortlichkeit namentlich der Exekutive gegenüber der Volksvertretung zu den Grundpfeilern der freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung.336 aa) Das Parlament erweist sich als formal abgesetztes Forum, gleichwohl eng mit der allgemeinen Öffentlichkeit verbunden und insoweit als deren Teil. Diese Rückkopplung der Arenen tritt neben jene über die einzelnen Abgeordneten und ihre Gruppen.337 Die Transparenz der parlamentarischen Verhandlungen ist gegenüber allgemeiner Öffentlichkeitsinformation gesteigert und sichert sozusagen „eine Oberaufsicht des Publikums über das Parlament“.338 bb) Innerhalb des Parlaments sind die Diskussionen der politischen Meinungen, die Darstellung, Vermittlung und kritische Kontrolle der unterschiedlichen Auffas333 Es soll das Prinzip der „abgestuften Chancengleichheit“ gelten, s. o. 1. d) (d); vgl. hier nur BVerfGE 14, 121; 37, 84 (91); 47, 198 (237); Dreier/Morlok, Art. 21 Rn. 96; Schulze-Sölde, Parteien. 334 Siehe dazu ausführlich oben D. II. und unten III.; namentlich über jene in traditionellen Medien, die aufgrund Ressourcenverknappung und Wegfall von Prüfinstanzen immer selbstbeobachtender und damit chaotisch anfällig für Beeinflussungen unabhängig von deren Wahrheitsgehalt werden. 335 Vgl. BeckOK-Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 80a; diese reichen über mittlerweile erkannte, jedoch noch nicht gelöste Probleme der Manipulation sozialer Netzwerke einschließlich des manipulationsoptimierten „Microtargeting“, vgl. etwa WD 10 – 3000 – 055/17; Klaas, MMR 2019, 84; Gräfe, DSRITB 2018, 27; Künast, ZRP 2019, 62. 336 Vgl. § 92 II Nr. 3, 4 Alt. 2 StGB für die strafrechtlichen Verfassungsgrundsätze; ansonsten im Rahmen des Definitionsansatz der FDGO durch Elemente-Enumeration oben B. I. 1.; BVerfGE 2, 1 (13). 337 Vgl. etwa grundlegend BVerfGE 70, 324 (355 ff.); auch Fraenkel, Demokratien, S. 333. 338 Vgl. dazu nochmals BVerfGE 44, 125 (147 f.); 63, 230 (242 f.); 105, 252 (268 ff.); vgl. historisch Habermas, Öffentlichkeit, S. 174 m. w. N.; insoweit handelt es sich um eine Steigerung der allgemeinen Publizität und Transparenz delegierter Entscheidungen namentlich durch Öffentlichkeitsarbeit, und ein besonderes Medium der regelmäßigen und umfassenden Informationen den Regierten statt arcana imperii, vgl. Fraenkel, Demokratien, S. 333.
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sungen und Interessen formalisiert geschützt.339 Im Sinne der Funktionen der Demokratie sind sie besonders frei zu gestalten und rechtsstaatlich abzusichern, um Fortschritt, argumentative Friedlichkeit usw. dauerhaft zu gewährleisten.340 Die einzelnen Abgeordneten nehmen Teil an den besonderen Gewährleistungen der Volksvertretungen als „ultimativen Orten freier politischer Debatte“.341 Diese Institution schützen zahlreiche Regelungen, etwa im Grundgesetz und den Landesverfassungen zu Indemnität und Immunität (vgl. Art. 46 GG),342 passivem Petitionsrecht (Art. 17, 45c GG), Verschwiegenheit und Zeugnisverweigerungsrecht (vgl. Art. 47 GG), weitere Geschäftsordnungsautonomie (Art. 39 III 1, 40 I GG) sowie freier ungehinderter Berichterstattung (Art. 42 III GG) und die einfachgesetzlichen Regelungen, etwa für das Strafrecht.343 Weiterhin ist vor allem gegenüber strafprozessualen und polizeilichen Maßnahmen auf das Hausrecht nach Art. 40 II GG zu verweisen, das Maßnahmen der allgemeinen Sicherheitsbehörden in den Liegenschaften nur mit Erlaubnis des Parlaments bzw. unter sehr engen Ausnahmevoraussetzungen erlaubt.344 Ähnliches gilt für das Vorgehen der Parlamentspolizei gegen Abgeordnete.345 Auch etwaige präventive oder Ermittlungsmaßnahmen müssen sich am zentralen Gut der parlamentarischen Freiheit vor Einschüchterungseffekten messen lassen.346 Allerdings darf richtigerweise das Parlament kein Blindfleck bei der Beurteilung der Verfassungsfeindlichkeit von Abgeordneten und ihren Organisationen sein.347
339 Ihre formale Institutionalisierung erlaubt besondere Fokussierung des Publikums und eine gegenüber sonstigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit allein damit verfahrensmäßig niedrige Kommunikationsaufwände. Diese wird ergänzt um die Chance auch durch Spezialisierung und Stäbe gesteigerter inhaltlicher Rationalität der Beiträge und Kommunikationen. 340 Vgl. nochmals oben B. I. 2. c), d). 341 Vgl. Badura, HdbParlR, § 15 Rn. 15; weiterhin zum Folgenden Fahrner, HdbStiStR, § 5 Rn. 61 ff. 342 Vgl. BVerfGE 104, 310 (332); 102, 224 (235 f.). 343 Vgl. §§ 36, 37 StGB; §§ 53I 1 Nr. 4, 96 IV, 152a, 160a StPO; vgl. Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn. 4 ff. im Überblick m. w. N. 344 Nach wohl h. M. bei Gefahr im Verzug, vgl. DWVM-Vogel, S. 72; v. Münch/Kunig/ Versteyl, Art. 40 GG Rn. 24; MKS-Achterberg/Schulte, Art. 40 GG Rn. 64; Stern StaatsR II S. 85 Fn. 222; nach a. A. generell nur mit Erlaubnis, AK-Schneider, Art. 40 GG Rn. 16; Jarass/ Pieroth, Art. 40 GG Rn. 14; Sachs/Magiera, Art. 40 GG Rn. 29. 345 BVerfG NVwZ 2020, 1102. 346 Vgl. BVerfGE 134, 141 (172 ff.); vgl. Fahrner, HdbSiStR, § 5 Rn. 63 ff. m. w. N.; dazu zur Stellung der Abgeordneten allgemein BVerfGE 40, 296 (313); 118, 277 (353 ff.); in Bezug auf Abgeordnetenpost § 3 II 4 G10-G sowie der Telekommunikations- und Postüberwachung im Übrigen in § 3b I G10-G, vgl. hierzu BT-Drs. 16/12448, S. 11; Droste Verfassungsschutzrecht, S. 341; Wiefelspütz, NVwZ 2003, 38 (42 f.); Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, BVerfSchG § 8 Rn. 63; Sachs, JuS 2014, 284 (286). 347 Insoweit unter keinerlei Aspekt nachvollziehbar BVerfGE 134, 141 (181 ff.); vgl. auch Fahrner, HdbSiStR, § 5 Rn. 65 m. w. N.
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cc) Konsequent setzt das frei steuernde „wettbewerbliche“ Modell der FDGO eine organisierte oder als solche besonders berechtigte formierte Opposition weder in den Parlamenten noch in deren Vorfeld voraus.348 Demgegenüber ist wichtig, dass das Parlament im Rahmen seiner allgemeinen Rechte tatsächlich durch die dortigen, nicht die Regierung tragenden Gruppen von einzelnen Abgeordneten und Fraktionen wirksame Beratungs- und Kontrollrechte, soweit vorhanden auch der parlamentarischen Verantwortlichkeit der weiteren Staatsorgane wahrnehmen kann.349 Die Minderheitenrechte ergänzen die (bis auf Extremfälle eher theoretische) politische Unabhängigkeit der Abgeordneten350 in einem für die Funktionen der freien Demokratie unabdingbaren Maß.351 Dadurch kann von den Rechten zur freien und unbehinderten parlamentarischen Opposition gesprochen werden.352 Dieses ist verbunden mit den allgemeinen Möglichkeiten der oppositionellen Kritik und Kontrolle sowie der vertikalen Rückkopplungen generell und speziell zwischen Parlaments- und allgemeiner Öffentlichkeit.353 b) Die (Nicht-)Existenz „formaler plebiszitärer Elemente“ berührt als solche die FDGO und den Kern von Art. 79 III GG nicht.354 Formale direkt-demokratische Entscheidungselemente (v. a. Initiative, Begehren, Entscheid) sind auf Länder- und kommunaler Ebene im bestehenden Verfassungssystem unproblematisch etabliert. Auf Bundesebene werden sie in bestimmten Wellen immer aufs Neue diskutiert.355 348 Vgl. insbesondere BVerfGE 142, 25 (54 ff.). Dem deutschen Recht ist eine formierte „loyal Opposition“ spätestens seit dem 19. Jahrhundert wesensfremd; vgl. zu den Oppositionsbegriffen im Einzelnen Mundil, Opposition, S. 49 ff., 105 ff.; vgl. auch unten III. 3. c) aa). 349 Entscheidend insoweit, dass die zentralen Rechte nicht von der Mehrheit in Anspruch genommen werden müssen, vgl. etwa parlamentarischen Minderheitenrechten nach Art. 23 Ia 2, Art. 39 III 3, Art. 44 I 1, Art. 45a II 2 und Art. 93 I Nr. 2 GG, vgl.auch BVerfGE 49, 70 (85 ff.); 105, 197 (221 ff.); 124, 78 (106 ff.); 143, 101 (124 ff.), vgl. zu den Rechten und ihrer Verankerung Mundil, Opposition, S. 76 ff.; allerdings können die nötigen Quoren auch angesichts anderer Formen der demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle jedenfalls nach Ansicht von BVerfGE 142, 25 (54 ff.) nicht einfach überspielt werden, zust. etwa Hillgruber, JA 2016, 638 krit. Sachs, JuS 2016, 764; zusammenfassend zu den Kontrollrechten und dem breiten Ausgestaltungsermessen des Parlaments selbst Achenbach, Der Staat 58 (2019), 325; daneben etwa Starski, DÖV 2016, 750. 350 Namentlich die bereits genannten zur eigenen Stellungssicherung, wie Art. 38 I 2, 42 III, 46 ff. GG. 351 BVerfGE 70, 324 (363 f.); Hesse, Grundzüge, Rn. 142; Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 74 f. m. w. N.; Mundil, Opposition, S. 108 ff., 165 ff. sowie insbesondere S. 210 ff. zum Schutz vor Willkür von Regierung und Mehrheit. 352 Vgl. dazu insbesondere zusammenfassend BVerfGE 142, 25 (55 f.) m. w. N. 353 Vgl. gerade oben aa). 354 Insoweit richtig MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 75 ff. m. w. N.; vgl. auch oben 3. a) a. E. 355 Dies sowohl als reale wie indirekt-verstärkte Rückkopplung; vgl. etwa v. Münch/Kunig/ Kotzur, Art. 20 GG Rn. 124; vgl. die Berichte von Möstl und Schuler-Harms sowie Diskussionen in VVDStRL 72 (2013), 355 ff. (bzw. 417 ff., 471 ff.); Paulus, FS Bryde, S. 273 ff.; als Korrektiv bereits gefordert u. a. von etwa Werner, Spannungen, S. 12 ff.; Fraenkel, Demokratien, S. 201; während dafür die gestiegenen Partizipationsbedürfnisse und Aktivierung der
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Unabhängig davon werfen moderne Formen formaler elektronischer Partizipation nicht unerhebliche technische Fragen der Fälschungssicherheit und Verifikation auf, die sich namentlich bei Wahlen wie Abstimmungen als formalisierten demokratischen Entscheidungselementen in aller Schärfe stellen.356
5. Mittelbare formale Rückkopplung und Legitimationskette a) Über die einzelnen jeweils unmittelbaren Rückkopplungsbeziehungen lassen sich Hierarchisierungen in der Staatsstruktur erkennen.357 Die traditionelle Verfassungsdogmatik, geprägt von Schmitt und Böckenförde, versucht unter Berufung auf Art. 20 II 2 GG unter dem „Diktum der Legitimationskette“ eine lückenlose Rückbindung aller Staatsgewalt an „das Volk“ zu realisieren.358 Wie bereits dargestellt, ist das Anliegen, Polyarchien und der Rückkopplung enthobene autoritäre Entscheidungszentren aufgrund ihrer Bedrohungen für die Zielwerte der FDGO zu verhindern, ohne weiteres legitim.359 aa) Allerdings hat sich die Fiktion eines durch eine Wahl ausgedrückten „Volkswillens“ als Ermächtigung und fiktive Vorbestimmung sämtlicher Staatsentscheidungen, namentlich der Bestellung aller weiterer Organe als ebenso gefährlich erwiesen.360 Die Probleme, die dem sogenannten „Parteienstaat“ zugeschrieben werden,361 können als eine direkte Kehrseite dieser Ideologie der absoluten Demokratielegitimierung verstanden werden: In dem Maß, in welchem alle staatlichen Gewalten jenseits der Gewaltenteilung alleine von der fiktiven Legitimationskette „des Volkes“ abhängig sein sollen, sind sie es faktisch von jenen Kräften, die diese aggregieren und vorprägen, also die über die gewählten Parlamentsmehrheit Bürger für – durchaus kompetitives – politisches Entscheiden gegen Desintegration durch Ermüdungs- und Erosionseffekte angeführt wird, schwelt die aus der Weimarer Republik teilweise berechtigte Sorge vor der Suche nach extraordinäre Vollmachten, um das mäßigende, gewaltenteilende Verfassungssystem und die Legitimität der Organe auszuhebeln, fort, vgl. dazu etwa Weber, Demokratie, S. 245 (269); zuvor bereits ähnlich etwa 1922 Anschütz, Leitgedanken, S. 32; vgl. auch Leibholz, Demokratie, S. 145 ff.; zudem wird seit dem bereits hinterfragt, ob angesichts der fehlenden komplexen Prozesse innerhalb einer räumlich präsenten Versammlung die erforderliche Rationalität bei Volksabstimmungen erreicht werden kann, vgl. nur Preuß, Reich, S. 331 ff. (zu Art. 1 Rn. VIII). 356 MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 80a. 357 Diese Hierarchisierung kann als Strukturierung des Zentrum-Peripherie-Modells verstanden werden, zu diesem etwa oben D. I. 2. c) cc), II. 3. c) cc). 358 Vgl. oben C. II., v. a. 2. b). 359 Vgl. oben C. III., v. a. 2. a) bb), cc). 360 Vgl. ausführlich oben C. III. 3. 361 Vgl. von Arnim, Demokratie, S. 13 ff.; ders., ZRP 2002, 223 (225 f.); ders., DÖV 2007, 221 (223 ff.); Morlok, Rechtsvergleichung, S. 695 (729 f.); weiterhin Shirvani, Parteienrecht, S. 64 ff., 255 ff. m. w. N.
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„verfügenden“, eben die „regierenden“ Parteien.362 Umso mehr zeigen die seit Gründung der BRD vertieften Diskussionen über den Staat als „Beute“ der Parteien363 eine zumindest (begrenzt rational) „empfundene“ Funktionsbeeinträchtigung der Demokratie gerade in ihrer Friedlichkeit.364 bb) Mittlerweile kann ein eingeleiteter Wandel der Rechtsprechung des BVerfG bemerkt werden.365 Zwar verlangt das Gericht weiter eine grundsätzliche Rückführbarkeit „aller Akte der Ausübung der Staatsgewalt auf den Willen des Volkes“ und eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern.366 Allerdings scheint es zu einer gewissen Öffnung bereit durch die weitere Formel, es müsse (nur) ein „hinreichend enger Legitimationszusammenhang sichergestellt“ sein, dass das Volk „einen effektiven Einfluss“ auf die Ausübung der Staatsgewalt durch alle Organe habe,367 damit staatliche Handlungen „sofern nicht das Volk selbst entscheidet, ihm gegenüber verantwortet werden“.368 In den offenen Ausdrücken kann ein Kompromiss sowohl in Hinblick auf die tradierte „neo-absolutistische“ Lesart gesichtswahrende, aber auch weit freiere pluralistische doppeldeutige Begrifflichkeit erkannt werden. Weg von der überholten Identitätsfiktionen führt weiter, dass es auf die (nur) „grundsätzliche Beachtung des Prinzips der Volkssouveränität“369 und das konkret erfahrbare „Ausgehen der Staatsgewalt vom Volk“370 ankomme. Diese Fortent362
Vgl. zur Herkunft vor allem in der Parteienlehre von Leibholz Towfig, Repräsentation, S. 211 ff.; auch systemtheoretisch Nichelmann, Grundordnung, S. 162 ff. m. w. N.; einen dies ausschließender dogmatischer Gegensatz zwischen projiziertem Volks- und Parteiwillen hat in des das BVerfG bereits früh ebenfalls eingeebnet, vgl. dazu BVerfGE 13, 54 (81 f.); 20, 56 (101); 52, 63 (83), so dass sich daraus ein neuer Dreiklang (oder Einheit) von Volk, Partei und Staat (oder umgekehrt?) ergibt. 363 Vgl. namentlich nochmals von Arnim, Demokratie, S. 117 ff.; ders., ZRP 2002, 223 (226 ff.); ders., DÖV 2007, 221 (223 ff.). 364 Plausibel ist dies durch die Immunisierungsmechanismen gegenüber der „Wählerperipherie“ sowohl innerhalb der Parteien, wie sonst der politischen Rückkopplung, vgl. zu letzterem v. a. oben D. II. 3., 5. 365 In Folge der vielfältigen argumentativen Kritik an den überkommenen Modellen und personeller Wechsel. 366 Es zeigt sich damit an dieser Stelle (noch) nicht offen, die gefährliche reine Fiktion „des Willens des Volkes“ in den periodischen Parlamentswahlen für alle politischen Fragen aufzugeben; vgl. hierzu und zum Folgenden umfassend apologetisch Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 109 ff. m. w. N. (dabei allerdings wohl irrig zu Gärditz); zur Kritik des „Legitimationskettenfetischismus des BVerfG“ etwa Bryde, StWissStPr 5 (1994), 305 (324); Blanke, KJ 31 (1998), 452 (468). 367 BVerfGE 144, 20 (209); dabei wird der Verweis auf den Willen des Volkes zumindest etwas stärker gegenüber früheren Formulierungen in eine allenfalls angemessenere theoretischsymbolische Rolle gedrängt gegenüber der zitierten früheren Rspr., etwa BVerfGE 83, 60 (71 f.); 89, 155 (182); 93, 37 (66); ähnlich öffnet in eine zweideutige Formulierung das demokratische Prinzip für die funktionale Selbstverwaltung die dieses „ergänzt und verstärkt“. 368 BVerfGE 135, 155 (221 f.); 136, 194 (261 f.). 369 BVerfGE 144, 20 (209 f.). 370 BVerfGE 107, 59 (91) m. w. N.
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wicklung ermöglicht die für eine kohärente Theorie der FDGO notwendige Flexibilisierung und funktionale Gesamtbetrachtung, die zu den eigentlichen historischen Wurzeln von 1919 und 1948/49 zurückkehrt.371 Nach neuerer Rspr.372 ist das Demokratiegebot aufgrund seines Prinzipiencharakters „entwicklungsoffen“ (jedenfalls außerhalb der unmittelbaren Staats- und „örtlich allgemeinzuständigen“ gemeindlichen Selbstverwaltung).373 Damit kann vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation abgewichen werden, etwa um dadurch „zudem die im demokratischen Prinzip wurzelnden Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie … angemessen zur Geltung zu bringen“,374 oder auch die Interessen der Beschäftigten.375 Das übergeordnete Ziel der freien Selbstbestimmung aller könne durch eine funktionale Selbstverwaltung ergänzt und verstärkt werden, soweit das Volk sein Selbstbestimmungsrecht durch maßgeblichen Einfluss auf dessen Handeln wahre, durch gesetzlich vorbestimmte Aufgaben und Aufsicht durch personell demokratisch legitimierte Amtswalter.376 Entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes hinreichendes Legitimationsniveau, durch die verschiedenen Formen der Legitimation in ihrem Zusammenwirken, wobei dies umso höher sein muss, je intensiver die in Betracht kommenden Entscheidungen Grundrechte berühren.377 Für das Bestehen einer freiheitlich demokratischen Grundordnung hat das BVerfG neuerdings betont, dass es hierbei „vorrangig nicht auf die einzelnen Instrumente zur Sicherstellung des hinreichenden Legitimationszusammenhangs (Parlamentarismus, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzes- und Weisungsgebundenheit der Verwaltung), sondern auf die grundsätzliche Beachtung des Prinzips der Volkssouveränität“ ankomme.378 Das „Ausgehen der Staatsgewalt vom Volk“ müsse für Volk und Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein.379 Ebenso sieht die h. L. länger bereits nicht nur eine wechselseitige Ergänzung und Kompensation von sachlich-inhaltlicher und personell-organisatorischer Legitima371 Siehe bereits ausführlich oben C. III. 2. sowohl zur erstmaligen Verwendung im Rahmen von Art. 1 WRV wie eigentlichen liberalen-rechtsstaatlichen Erbe statt völkischer Verzerrung unter Schmitt. 372 Vor allem maßgebend BVerfGE 107, 59 (87 ff.); 135, 155 (221 f.); 136, 194 (261 f.); vgl. Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 128 ff. 373 Für letztere allerdings durch Art. 28 GG erhebliche Sonderregelungen, auf die hier nicht einzugehen ist. 374 BVerfGE 107, 59 (91). 375 BVerfGE 93, 37 (70); vgl. auch MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 78 m. w. N. 376 BVerfGE 107, 59 (94); vgl. auch Dreier, Verwaltung, S. 270 ff.; Emde, Legitimation, S. 331; Britz, VerwArch. 91 (2000), 418 (433 ff.). 377 BVerfGE 135, 155 (221 ff.) unter Berufung auf die weit weniger flexible frühere Judikatur. 378 BVerfGE 144, 20 (209 f.). 379 BVerfGE 107, 59 (91) m. w. N.
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tionskomponente, sondern solche durch Akzeptanz, Partizipation, Garantie von Entscheidungsrichtigkeit, Öffentlichkeit, Effizienz und durch weitere Faktoren.380 b) Damit greift auch das Gericht für die FDGO die Vielfalt möglicher Rückkopplungen auf, die letztlich formal in der Rückholbarkeit der delegierten Macht durch das Volk ihre ultima ratio finden. In letzterem Sinn ist richtigerweise Art. 20 II GG zu verstehen.381 Gerade die formale Rückholbarkeit kann auch gestaffelt ausfallen382 – neben weiteren effektiven reinen „rechtsstaatlichen“ Mitteln, rechtswidriges Verhalten zu sanktionieren, etwa im Wege des primären Rechtsschutzes, der Staatshaftung oder der strafrechtlichen Verfolgung. Nicht die persönliche Bestellung des Beamten aufgrund eines, rein fingierten, „Willens des Volkes“, der genau auf seine Ernennung über das Parlament, den Regierungschef, Minister, Leitung und Personalstab des Ministeriums gerichtet und vollstreckt wäre, ist belastbare Basis für dessen Sanktionierung. Vielmehr lässt sich auch unter dem dahingehend stark belasteten Begriff der „Legitimationskette“ präziser der Weg der effektiven demokratischen Abberufbarkeit aus einer formalen Berufungskette und Rückbindung383 bis zum Volk selbst sicherstellen. In diesem Sinn ist erneut an die bereits etwa in der französischen Direktoratsverfassung von 1795 ausgedrückte Form der „délégation légale“ zu erinnern: Es ist gerade nicht eine absolut-exogen gedachte demokratische, sondern gesetzliche Legitimationskette, welche autonome Gewalten, ebenso wie das Aufschwingen einer Minder- oder Mehrheit als Souverän ausschließt.384 Telos ist es, die verantwortliche Rückkopplung der Repräsentanten letztlich am Volkswohl und „Volkswillen“ – das heißt aber richtigerweise an die Prozesse der demokratischen Meinungsbildung in der „Peripherie“ – sicherzustellen und Immunisierung im Sinne von Autoritarismus oder Vulnerabilität für Unfriedlichkeit und Untergrabung auch in komplexen und gestaffelten Peripherie-Zentren-Organisationen zu verhindern.385 380
Vgl. umfassend Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 114 ff. Dazu, wenn man ihn überhaupt wegen seines häufigen Missbrauchs und -gefahr verwenden will, der Begriff der Volkssouveränität, vgl. ausführlich zu beidem oben C. II., III. 382 Etwa wenn ein Minister einen gegen die Verfassungsordnung handelnden Beamten nicht ahndet, wiederum seine Entlassung durch den Regierungschef nicht veranlasst, die Regierung insgesamt nicht durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt wird, eine mögliche Neuwahl des Parlaments rein politisch eine Bereinigung bringen kann. 383 Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35. 384 Vgl. nochmals Art. 17 – 21 Const. Fr. 1795: „Nul ne peut, sans une délégation légale, exercer aucune autorité, ni remplir aucune fonction publique. Chaque citoyen a un droit égal de concourir, immédiatement ou médiatement, à la formation de la loi, à la nomination des représentants du peuple et des fonctionnaires publics. Les fonctions publiques ne peuvent devenir la propriété de ceux qui les exercent.“; ausführlich zum Ganzen bereits oben I. 2. b) (3); nur das genannte vergessend, gelangt man zur (propagandistischen) Verkürzung des völkischen Absolutismus, dass mit der Legitimationskette lediglich Personenverbände und theokratische Regierungsformen zu überwinden wären, wie Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 60 ff.; vgl. etwa auch Dreier, Verwaltung, S. 285 ff. passim. 385 Es geht damit um die Antwort auf die aristotelische Demokratie- und platonische Politiktheorie, das Abgleiten in schlechte Herrschaft und Unfriedlichkeit zu vermeiden, vgl. zum 381
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Folglich ist die Legitimationskette als effektive prozedural-normative Einflussmöglichkeit zu deuten.386 aa) Wesentlich erscheint dabei die Rechtssicherheit der rechtlichen Regelung der gestaffelten Rückkopplungsbeziehungen. Sie kann gelesen werden hinter Regelungen wie der Kommunalautonomie in Art. 28 II GG als Maßstab etwa von Aufsicht und anderen Eingriffen, dem konstruktiven Misstrauensvotum und weiteren Rechten zur Abgrenzung der Regierung gegenüber dem Parlament (z. B. Art. 43, 45b ff., 63 ff. GG), der Rechte der Beamten nach Art. 33 GG und der Unabhängigkeit der Justiz nach Art. 92 ff. GG. Sie ermöglicht Klarheit und Sicherheit der politischen Institutionen und Akteure untereinander, ist wichtig für das Verhindern einer Willkürdiktatur gegenüber „nachgeordneten Stellen“ nach einem Führerprinzip, und schützt damit in Ausgestaltung der zentralen Prinzipien wie der rechtsstaatlichen Gewaltteilung und -kontrolle die FDGO.387 Dazu fügt sich auch komplementär die „institutionelle Dimension der Legitimationskette“, wonach die delegierte Macht auf der Verfassung beruhen muss.388 Extrakonstitutionelle legitime Macht kann es im Verfassungsstaat nicht geben. Sowohl das Volk als auch erst recht delegierte Gewalten sind bei der (Weiter-)Delegation staatlicher Macht an die Verfassung, ihre Transparenz- und Befriedungsfunktion gebunden, vgl. Art. 20 III, 23 I 3, 79 III, 146 GG. bb) Daneben macht sich das zentrale sachliche Legitimationsband in der Nähe von Art. 20 II zu III, HS. 2 GG fest: Durch die Gesetzesbindung der vollziehenden Gewalt und Rechtsprechung werden diese an die demokratisch bestellte Legislative gebunden und zwar in objektiver, rechtsstaatlicher und transparenter Weise.389 Ausfluss ist insoweit auch der Wesentlichkeitsvorbehalt des Parlaments.390 Die bestehenden Normhierarchien und -bindungen bilden die besonderen bis abnehmenden
Ganzen unter den unterschiedlichen normativen und faktischen Blickwinkeln oben C. II, III., D. v. a. II. 5., III. sowie unten III. 386 Dies erscheint als Fortführung der unmittelbaren Rückkopplungsformen (s. o. 2., 3.) folgerichtig. Denn als wichtigste Form der Rückkopplung bleibt einerseits die sachliche Rückbindung delegierter Macht an die unmittelbaren oder repräsentativen demokratischen Grundentscheidungen, andererseits als ultima ratio die friedliche Rückholbarkeit auch indirekt delegierter Macht; darin richtig MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 192, allerdings Rn. 194 mit retrospektiver Verankerung im „Gesamtvolkswillens“-Konstrukt, von der dort apologetisch behaupteten Flexibilität kann allenfalls sehr eingeschränkt die Rede sein. 387 Vgl. etwa oben B. I., C. III. 2. c), 3., III. 388 So Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 15. 389 Und damit nicht in der Fiktion eines Volkswillens, sondern im Rahmen eines friedlichen, menschenwürdig pluralen und fortschrittsoffenen rechtlich geordneten Systems. 390 Vgl. BVerfGE 33, 125 (158): „so dass Machtmissbrauch verhütet und die Freiheit des Einzelnen gewahrt wird, … dass jede Ordnung eines Lebensbereichs durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane muss zurückgeführt werden können. Der Gesetzgeber darf seine vornehmste Aufgabe nicht anderen Stellen innerhalb oder außerhalb der Staatsorganisation zu freier Verfügung überlassen.“; darin wird die (falsche wie richtige) teleologische Einbindung des „Volkswillens“ nochmals deutlich.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Rückbindungen an das Volk ab.391 Sie stellen die ausdifferenzierten Maßstäbe bereit, die bei konkreten Entscheidungen durch nachgeordnete Amtsträger v. a. der Verwaltung zu beachten sind – sowohl im Inhalt, wie im Verfahren auch der Interaktion mit Betroffenen. Dadurch sichern sie Rückbindung, Kohärenz, Systemgerechtigkeit, Transparenz und Wirksamkeit des rechtsstaatlichen demokratisch-politischen Entscheidungssystems.392 Gleichzeitig erlauben sie eine systemkonforme Abgrenzung des Eingehens auf die speziellen Belange Beteiligter durch partizipative Ausgestaltungen, welche zu Sachnähe, Rationalität und Transparenz beitragen,393 gegenüber Korruption oder anderer Delegitimierung der übergeordneten demokratischen Entscheidungen und Prozesse.394 Den Zusammenhang hat auch das BVerfG anerkannt, wonach Lockerungen der „personellen Legitimationskette vertretbar seien, wenn „die institutionellen Vorkehrungen eine nicht Einzelinteressen gleichheitswidrig begünstigende, sondern gemeinwohlorientierte und von Gleichachtung der Betroffenen geprägte Aufgabenwahrnehmung ermöglichen und gewährleisten“.395 Seiner fortgesetzten Fiktion des Volkswillens aller Detailentscheidungen bedarf es allerdings dazu para legem gerade nicht. Dies ergibt sich bereits aus Art. 20 III GG. Danach sind die – im Rahmen der fdVO gefassten – Gesetze schlicht zu befolgen.396 cc) Allerdings kann die spezifische demokratische Rückbindung gegen sich verselbständigende Entscheidungszentren besondere Aufsichts- und Kontrollmechanismen begründen,397 die wiederum ihre Ausgestaltung in der fdVO finden: Hierzu zählen die parlamentarischen Kontrollrechte über die Exekutive (etwa Art. 43 ff. GG), einschließlich der haushalterischen Rechnungslegung (Art. 114 GG), der gubernativen Aufsicht innerhalb der Exekutive (z. B. Art. 65, 2, 65a, 85 IV GG), der föderalen Gewährleistungen (Art. 28 III, 35 II, 37 GG) sowie z. B. die Kommunalaufsicht und Aufsicht über die Beamten (vgl. Art. 33 V GG) und sonstigen Bediensteten. Die genannte demokratische Rückbindung steht auf der Ebene der FDGO als (optimierendes) Prinzip398 gegenüber der autonomen – und damit richtigerweise selbst friedlich-demokratischen und rechtsstaatlichen – Selbstver391 Darunter nationale, v. a. Verfassung, Gesetz, Verwaltungsnorm und -maßnahme, eingebunden in supra- und internationale sowie föderale und dezentrale Formen; vgl. zum Grundsatz etwa auch Dreier, Verwaltung, S. 283 ff. passim; vgl. auch Fahrner, EU-Verfassung. 392 Vgl. etwa auch Classen, Legitimation, S. 3. 393 Vgl. Starck, HdbStR III, § 33 Rn. 42 ff.; v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 51. 394 Vgl. insoweit richtig auch MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 79 m. w. N.; Holzner, Konsens, S. 141. 395 BVerfGE 107, 59 (93); 130, 76 (123 ff.); 135, 155 (223). 396 Ansonsten verbleibt es bei deren rechtsstaatlicher Überprüfung, ggf. Radbruch’scher Formel und ultima ratio des Widerstandsrechts, vgl. auch oben B. I. 2. d). 397 Vgl. zur Begründung der Polyarchieverhinderung oben C. III. 2. a), 3., sowie gerade oben 1., 2. 398 Zur präzisen Abgrenzung des Kern- vom Prinzipienbereich ist auf die gesonderte Untersuchung zu verweisen; zur Behauptung des BVerfG nur für die funktionale Selbstverwaltung etwa Jestaedt, JuS 2004, 649 (651).
II. Vertikale Dimension
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waltung in jeder Form, gleichermaßen sowohl der funktionalen wie kommunalen.399 Der Wortlaut des Art. 28 I 2 GG regelt als Norm gesetzten Verfassungsrechts die Verankerung des jeweiligen Kommunal- als deutsches Teilvolk, und zwar bereits mit der konstitutionell gleichrangigen Ergänzung des Art. 28 I 3 GG, der aus dem Ziel der friedlichen europäischen Integration als konkurrierendem Optimierungsbelang unschwer zu begründen ist.400 Ähnlich bedarf es für organisatorische oder inhaltliche Bereiche mit besonderer Autonomie gegenüber der Kette von Gubernative über die Legislative zurück zum Volk („ministerialfreie Räume“) aus dem Demokratieprinzip eines konkurrierenden Verfassungsgrundsatzes; ein schlichter Teilverzicht des Parlaments auf die rechtsstaatliche und demokratische Rückbindung ist nicht möglich.401 Weiter können verschärfte Kontrollmechanismen das Legitimationsniveau auch nach dem BVerfG so erhöhen, dass die von ihm geforderte „personelle Legitimation“ flexibler ausfallen kann: „Wo der Gesetzgeber solche Lockerungen vorsieht, müssen … die Möglichkeiten parlamentarischer Beobachtung und Kontrolle der Aufgabenwahrnehmung unbeeinträchtigt bleiben.“402 dd) Bei Übergriffen gegen die Rückbindungen bestehen zahlreiche Sanktionierungsmöglichkeiten, darunter solche aus der Gesetzesbindung und sanktionierte demokratische Verantwortlichkeit.403 Zu ihnen zählen namentlich die – klar geregelte und damit rechtlich gesicherte – Abberufung vor allem der weiteren Staatsorgane durch die Volksvertretung, namentlich der Bundesregierung (Art. 68 GG) sowie über das Bundesverfassungsgericht des Bundespräsidenten (Art. 61 GG) und der Bundesrichter einschließlich des Bundesverfassungsgerichts (Art. 98 II GG). Eine friedliche, demokratische Rückholung und Entkleidung von politischer Macht aufgrund der unmittelbar gewählten Volksvertretung – auch im Bild des persönlichformalen Legitimationsbandes – ist damit sichergestellt.404 Ihr Ausgangspunkt ist
399 Vgl. insoweit auch MKS/Sommermann, Art. 20 GG Rn. 184 a. E., 186; aus dieser Sicht des Demokratieprinzips kann bei beiden spezifischen Selbstverwaltungsformen kein zwingender Unterschied zwischen einem zulässig offenen funktionalen „Verbandsvolk“ und einem zwingend „deutschvölkisch geschlossenen Kommunalvolk“ deduziert werden, Wie ihn das BVerfG in den bereits zitierten Entscheidungen gegen kommunale Ausländermitwahlrechte jedoch zugunsten der kreierten „funktionalen Verbandsvölker“ getroffen hat; alleine aus der Gebietsradizierung der Körperschaft als mittelbarer Staatsverwaltung kann jedenfalls keine Differenzierung in ihrer zwingend geschlossenen „völkischen“ Rückbindung plausibel begründet werden; vgl. vielmehr bereits oben zur Legitimation C., D. I. 400 Er regelt die Demokratiegrundsätze oder gar eine zwingende Regel der FDGO selbst; die ultimative Rückbindung an das Volk folgt vielmehr alleine aus Art. 20 II, 28 I 1 GG. 401 So jedenfalls Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 123 ff.; Schmidt, Kontrolle, S. 244 ff.; Hermes, Legitimationsprobleme, S. 457 ff. 402 So BVerfGE 135, 155 (223); vgl. BVerfGE 130, 76 (123 f.). 403 So selbst Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 21 f., allerdings ohne durch hinreichend zwingende Deduktion gegen den Vorwurf ergebnisorientierter Einzelfallanwendung abzusichern. 404 Zur Rückholbarkeit bereits oben C. I., III.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
jeweils die Initiative der unmittelbar demokratisch gewählten Volksvertretung.405 Während allerdings die Regierung im parlamentarischen System (alleine) unter Wahrung der überprüfbaren förmlichen Regeln durch das Parlament ersetzbar ist,406 dürfen Staatsgewalten, welche im System der checks and balances zentrale ausgleichende und befriedende Funktionen erfüllen, keinesfalls der Willkür einer aktuellen Parlamentsmehrheit ausgeliefert werden.407 Hier bedarf es im System des Grundgesetzes der Legitimität durch plausibel dargelegte und durch eine unabhängige Instanz ex ante geprüfte materielle Gründe: für Richter lediglich solche, die sich an der FDGO selbst orientieren, für den Bundespräsidenten als Integrationsinstitution die vorsätzliche Verletzung des Grundgesetzes erweitert um solche eines anderen Bundesgesetzes.408 ee) Im Zwischenergebnis erscheint – jedenfalls gerade nach den Funktionen der FDGO – nicht nachvollziehbar, dass im Sinne einer „personellen Legitimationskette“ zusätzlich die indirekte Auswahl von Amtsträgern zwingend im Namen der „Volkssouveränität“ jeweils mehrheitlich in allen Schritten rückbezogen sein müsste auf ein Parlament, dessen auftragsunabhängige Mitglieder kaum gerade wegen ihrer späteren Entscheidung für einen bestimmten Amtsträger (wohl zumindest teilweise mit Ausnahme des Bundeskanzlers) gewählt wurden. Das BVerfG befindet sich zu Recht und letztlich zum Schutz der FDGO und Resilienz der Verfassungsordnung hinter der Verfassungslehre auf dem Weg zur Fortentwicklung aus Bindungen, die aus der absoluten Demokratietheorie alleine gestützt auf eine überaus angreifbare Interpretation von Art. 20 II GG angelegt wurden.409 Noch unter Berichterstattung 405 Unmittelbare Revokation durch das Volk, wie in anderen Staaten praktiziert, ist angesichts destabilisierender Erfahrungen in Deutschland seltene Ausnahme, vgl. etwa Art. 43 LV BW, Art. 18 III LV BY, vgl. dazu etwa Wehling/Wehling, ZParl 3 (1972), 76 (84 f.); zu den historischen Vorbildern, etwa dem Begehren vom 9. 8. 1931 bezüglich des preußischen Landtags, vgl. etwa Ribhegge, Preußen, S. 488 ff.; Winkler, Weg, S. 385 ff. 406 Und über sie ihr nachgeordnete Stellen nach den jeweiligen Vorschriften etwa des Verwaltungsaufsichts- und Beamtenrechts. 407 Dazu zählen insbesondere die rechtsstaatlichen fundierten Institutionen wie die Justiz, s. sogleich unten 6., aber auch z. B. zweite Parlamentskammern, föderale Ebenen, kommunale Selbstverwaltung oder das Staatsoberhaupt, vgl. hierzu auch die ursprünglichsten Definitionen der FDGO etwa durch Hoegner, vgl. auch oben B. I. 1.; auch aus diesem Grund erweist sich einmal mehr die völkische Willensfiktion als wesensfremdes Einfallstor entgegen einer resilienten FDGO, selbst wenn versucht wird, dieses mit ad-hoc-Einschränkungen zu verbarrikadieren. 408 Die zentrale Rolle kommt dabei dem BVerfG nach den bereits genannten Normen zu; zur richterlichen Absicherung vgl. sogleich unten 6.; zu Art. 98 II GG bereits hier ausführlich Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 4 Rn. 12. 409 Vgl. oben nochmals I.; es muss sich daher weiter die Kritik gefallen lassen, letztlich ohne hinreichende verfassungsdogmatische Verankerung durch eine allzu schematische Handhabung des grundsätzlich überzeugenden Konzepts demokratischer Legitimation mechanistischen Vorstellungen Vorschub zu leisten und zu seiner sachlich unangemessenen Engführung bei der Beurteilung der breiten Palette an Gestaltungsformen gerade im Bereich der vollziehenden Gewalt beizutragen, vgl. etwa Trute, GVwR I, § 6 Rn. 15 ff.; vgl. auch zum Ganzen im Überblick Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 114 f.
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von Böckenförde hat es eine Fiktion geprägt und sucht diese durch ad hoc-Modifikationen aufrechtzuerhalten,410 ohne die grundsätzlichen Spannungen, etwa zu Art. 28 I 3 GG, überzeugend lösen zu können.411 Dagegen ist – wenn auch unter einer solche ad hoc-Modifikation unter der Fiktion des „Verbandvolks“ – für die funktionale Selbstverwaltung ein wesentlicher Schritt nicht nur zugunsten notwendig flexiblerer Lösungen und grundsätzlicherer Betrachtung vollzogen,412 den die Lehre vom Gesamtlegitimationsniveau eröffnet hat.413 Es ist damit eine überfällige Rückkehr zu einem konsistenten System rechtsstaatlicher Demokratie auf konsequenter Basis der FDGO und ihres damit ungeschwächten Schutzes eingeleitet.414
6. Demokratische Rückkopplung und Legitimation der Justiz Die mittelbare demokratische Rückkopplung der Justiz verdient schließlich besonderes Augenmerk aus der Sicht der FDGO, namentlich ihrer Funktionen bei der Sicherung von Frieden, Pluralität und individueller Freiheit durch die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit.415 Dabei ist auf die faktische Vulnerabilität unter anderen staatlichen Kontrollinstanzen, gegenüber demokratischer Beeinflussung oder parteiischer Übernahme besonders zu achten.416 Hierin liegt regelmäßig einer der aktuell wichtigsten Angriffspunkte, um die friedliche und funktionale Demokratie 410
So noch BVerfG 83, 37; 83, 60; ähnliche Modifikationen trotz Ablehnung dieses Begriffs etwa bei Oebbeke VVDStRL 62 (2003), 366 (392 f.); Sachs, Art. 20 GG Rn. 44; s. weiterhin oben C. II 2. d). 411 Damit ist nicht der Wortlaut des Art. 28 I 2 GG gemeint, der auf das Volk rekurriert, sondern die darüber hinaus gehende Verbindung mit dem identitär-absoluten Demokratieprinzip im Bestreben, dauerhaft eine weitere Änderung – außer eben dem widersprechenden Art. 28 I 3 GG dauerhaft zu verhindern; vgl. zur Diskussion um die mögliche dogmatische Einordnung etwa MD-Mehde, Art. 28 GG Abs. 1 Rn. 126 sowie die Vorauflagen, die z. T. von einem verfassungswidrigen Verfassungsrecht spekulierten; ebenso mit Lösungsvehikel einer reinen Öffnungsklausel v. Münch/Kunig/Ernst, Art. 28 GG Rn. 55 f. m. w. N. ohne klare Auflösung der Abgrenzung der Legitimationskette gegenüber den Parlamenten; zu Recht kritisch zur Fiktion eines Kommunalvolkes bereits etwa Merten, VVDStRL 55 (1996), 7 (35 f.). 412 Vgl. namentlich BVerfGE 107, 59 (86 ff.); dazu zust. Musil, DÖV 2004, 116; zurecht krit. etwa Unruh, JZ 2003, 1061; Becker, DÖV 2004, 910; Jestaedt, JuS 2004, 649 (652 f.); allg. ders., Kondominialverwaltung, S. 138 ff.; allg. Starck, HdbStR III, § 33 Rn. 35; v. Münch/ Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 117 f. m. w. N.; MD-Grzeszick, Art. 20 II GG Rn. 173 ff.; umfassend mit Überblick über alle Formen bei Kluth, Selbstverwaltung, v. a. s. 236 ff.,301 ff., 342 ff.; daneben Dreier, Verwaltung; Emde, Legitimation; sowie auch Greiff, Selbstverwaltung, S. 36 ff. 413 Vgl. BVerfGE 47, 253 (275); 77, 1 (40); 83, 60 (72 f.); 93, 37 (66 f.). 414 Den Schritt, den es sich u. a. durch die allgemeinen die personelle Legitimationskette jenseits des überkommenen problembehafteten Modells zu öffnen, hat das Gericht freilich noch nicht konsequent getan. 415 Vgl. namentlich oben bereits B. I. 2. d), D. III. 416 Vgl. bereits Hesse, Grundzüge, Rn. 170.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
auszuhebeln.417 Dabei erschließen sich die vielfältigen Angriffe in anderen Weisen, etwa der Kollusion politischer Akteure in der Öffentlichkeit, der unmittelbaren Beeinflussung durch Personalentscheidung oder Machtanwendung, die bis zu autoritären Systemen gesteigert werden können, sofern keine hinreichenden Sicherungen bestehen. Da die Justiz eigene Machtmittel gegenüber den anderen Staatsgewalten nur im Recht, verbunden mit dessen Appellwirkung für die Allgemeinheit hat, bleibt ihr als ultima ratio neben individuellem und kollektivem Widerstand allein diese Vermittlung in die Öffentlichkeit, die etwa bei deren Beherrschung durch parteiische Medienmacht scheitern kann.418 Vor diesem Hintergrund kommt den vorgelagerten normativen Sicherungen persönlicher, sachlicher und damit institutioneller Unabhängigkeit bei gleichzeitiger vertikaler Rückbindung besondere und mehrdimensionale Bedeutung zu. a) Das Grundgesetz, die Verfassungen der Länder und das sonstige Bundes- und Landesrecht versperren sich auffallend einer Direktwahl der Justiz durch das Volk und setzen die Bestellung meist auch möglichst indirekt von den Parlamenten bzw. dortigen einfachen Mehrheiten ab (vgl. hier nur Art. 95 II GG). Eine Ausnahme bilden die Verfassungsgerichte, deren Mitglieder in den Ländern durch die Landtage, im Bund im Wechsel von Bundestag und Bundesrat gewählt werden (Art. 94 I 2 GG; § 5 BVerfGG). Eine Abberufung ist, wie bereits ausgeführt, nur unter besonderen Verfahren unter gerichtlicher Entscheidung zulässig (vgl. Art. 97 II, 98 II GG).419 Für die resiliente Funktionsfähigkeit der Rechtspflege im Sinn der fdVO sind bei den auf Zeit bestellten Verfassungsgerichten die „perpetuatio officii“ des BVerfGG bis zur gültigen Wahl eines Nachfolgers (§ 4 IV BVerfG) von besonderer Bedeutung. Auf ihre Absicherung durch Verfassungsrang kann allenfalls wegen der periodischen Teilergänzungen der Gerichte einigermaßen ruhig verzichtet werden. Dahinter treten die Präsidiumsselbstauswahl (§ 9 BVerfGG) sowie die Notkooptationsinitiative (§ 7a BVerfGG) in der Bedeutung etwas zurück. b) In einem auffälligen Gegensatz zu diesen aus den Prinzipien der FDGO gebotenen Bemühungen, die rechtsstaatliche Justiz möglichst fern und unabhängig von aktueller politischer Mehrheit zu konstituieren, findet sich die traditionelle „Erblast“ des BVerfG der Legitimationskette auch der Justiz hierzu, die sich (erneut) maßgeblich (alleine) auf ein Gutachten von Böckenförde – und damit die Demokratielehre von Schmitt – zurückführen lassen:420 Auch hier wird nur die „demokratische 417 Verwiesen sei hier nur auf die Abläufe etwa in der Türkei, Ungarn oder Polen, in Guatemala und zahlreichen anderen Staaten, sowie etwa die Bestrebungen der ÖVP unter Kanzler Kurz in Österreich; vgl. hier nur etwa EuGH, C-791/19; vgl. Franzius, DÖV 2018, 381; vgl. auch oben C. II., III. 418 Vgl. dazu oben D. II. 3. ff. und unten sogleich IV. 419 Vgl. oben 5. b) dd). 420 Böckenförde, Richterwahl, S. 71 ff. als Auftragsgutachten für den Landtag von Nordrhein-Westfalen zu zwei Entwürfen, darunter kooptierenden Vorauswahlansätzen in dem Entwurf der oppositionellen CDU-Fraktion, vor seiner Berufung 1983 auf Vorschlag der SPD an das BVerfG; vgl. zur historischen Kritik bereits Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673 (675 ff.)
II. Vertikale Dimension
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Bestellung“ nur durch vom Parlament Gewählte oder jedenfalls durch deren Mehrheit legitim erklärt.421 Verbunden mit der postulierten Mit- und alternativen Allein- oder Letztentscheidungsbefugnis des Justizministers, gestützt auf eine „Personalhoheit der Exekutive“422 erweist sich diese Dogmatik als ebenso lediglich affirmativ wie widersprüchlich: Sie deklariert ohne letztlich überzeugenden Grund sowohl unmittelbarere demokratische Rückbindungsformen an das Volk ebenso wie solche der justitiellen Selbstverwaltung für per se unzulässig. Damit befindet sie sich in Widerspruch zu den historischen Beratungen im Parlamentarischen Rat, der mit Art. 98 GG lediglich eine alternative Möglichkeit herstellen wollte, damit das Volk der Justiz besser vertrauen könne, sich jedoch zu anderen Bestellungsformen – außer gerade der weithin abgelehnten durch die Exekutive – gerade nicht näher verhielt.423 Dieses Ziel (des Vertrauens des Volkes zur Justiz) wird geradezu ins Gegenteil verkehrt durch in praxi häufig stark parteipolitische geprägte und jedenfalls bis zu den Bundesrichtern völlig intransparente (vgl. § 6 II RiWG, § 6 IV BVerfGG) Auswahlentscheidungen.424 Die so postulierte Dogmatik sieht sich auch im zunehmenden Gegensatz im internationalen Vergleich425 und zu zunehmenden internationalen Forderungen,426 gerade auch angesichts der Bedrohungen der friedlichen rechtsstaatlichen Demokratien durch einen die unabhängigen Gerichte ausschaltenden Autoritarismus. Bis heute wirkt darin die Furcht vor einem Richter, der die Freiheit zerstöre, indem er sich dadurch zum Gesetzgeber mache, dass er nicht strikt das Gesetz vollziehe, sondern moralische Kategorien und andere metajuristische Maßstäbe bei der Auslegung und Anwendung einbeziehe.427 Dagegen wird zurecht die weitere Kontrolle m. w. N. u. a. in Fn. 6; vgl. dazu auch zurecht kritisch aktuell etwa https://verfassungsblog.de/ die-institutionelle-unabhaengigkeit-der-justiz-in-deutschland-ein-defizitbefund/. 421 BVerfGE 41, 1 (9 ff.); 143, 22; Jarass/Pieroth, Art. 98 GG Rn. 6 m. w. N.; vgl. etwa für Bunderichter Gärditz, NJW 2016, 3429, für Landesrichter ders., ZBR 2011, 109. 422 Vgl. ausführlich Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 98 GG Rn. 43 ff. m. w. N. 423 Vgl. JöR 1 (1951), S. 719 ff. 424 Vgl. nur https://verfassungsblog.de/die-institutionelle-unabhaengigkeit-der-justiz-indeutschland-ein-defizitbefund/. 425 Man erinnere etwa die Volkswahl z. B. in der Schweiz oder z. T. den USA, der unabhängigen Judicial Appointments Commission und dessen Selection and Character Committee im Vereinigten Königreich usw.; vgl. nur exemplarisch Kiener, BJ 71 (2002), S. 378 ff.; beachte die Verteidigung der aktuellen polnischen Regierung im Hinblick auf ihre Unterwerfungsunternehmungen gegenüber der Justiz im Hinblick auf die deutsche Dogmatik und Ausgestaltung, die so von dieser nur oberflächlich abgewehrt werden können. 426 Vgl. etwa Ministerkomitee des Europarats, Empfehlung 2010(12) über Unabhängigkeit, Effizienz und Verantwortlichkeit der Richter, Nr. 46; Beirat der europäischen Richter beim Europarat, Magna Charta der Richter, 2010, Nr. 13; Venedig-Kommission des Europarats, Stellungnahme Nr. 403/2006; vgl. zum Ganzen https://verfassungsblog.de/die-institutionelle-un abhaengigkeit-der-justiz-in-deutschland-ein-defizitbefund/. 427 Vgl. etwa Maus, Justiz, S. 83 ff.; dies bestenfalls neben stets möglichen parteiischen Machtmechanismen nicht nur kommunistisch-sozialistischer Rechtstheorie, autoritärer Re-
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
der Rechtsprechung durch sich selbst, die Öffentlichkeit und die anderen Gewalten, allerdings weit mehr die Legislative als faktisch die übergreifende exekutive Gerichtsverwaltung, angeführt.428 Dabei ist auf die Befriedungsfunktion429 und die Rückholbarkeit durch Abberufung bei groben Verstößen gegen die Friedensaufgabe430 zurückzugreifen. So kann auch jener für die tradierte Dogmatik „gordische Knoten“ durschlagen werden, dass sich angesichts der widerlegten Fiktion strikter Bindung an das Gesetz „Formen des Richterrechts bzw. der richterlichen Rechtsfortbildung … praeter oder contra legem gerade unter dem Aspekt demokratischer Legitimation sich als durchaus prekär darstellen“, bzw. dass daraus eine Lösung alleine in der richterlichen „Rücksicht auf den Gesetzgeber“ gesucht wird.431 Indes rechtfertigt sich aus der Friedensfunktion und der rechtsstaatlich-demokratischen Gewaltenteilung auch die innere Schranke des § 339 StGB, wonach der Richter nur strafbar ist, wenn er nicht mehr das Leitziel der Gerechtigkeit verfolgt, sowie des Art. 98 II GG.432 Ein „Disziplinierungsanteil der Gerichtsverwaltung an der Rechtsprechung“433 findet indes keinerlei Stütze im Verfassungsgefüge oder den Prinzipien der fdVO. Von besonderer Bedeutung gerade im Strafrecht erweist sich die demokratische Legitimation und rechtsstaatliche Funktion der Staatsanwaltschaft.434 Der deutschen Einrichtung spricht die Europäische Union die Stellung als Justizbehörde mangels Unabhängigkeit zu Recht ab.435 Gerade in der Geltung des indirekten Opportunigime oder sonst kurzsichtig machtsichernder Eliten zur Kontrolle der Justiz um den Preis der Friedlichkeit und anderen Funktionen der FDGO. 428 Vgl. hier nur den aktuellen Überblick bei Tschentscher, Legitimation; insoweit auch Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673 (680 ff.), allerdings apologetisch zur Legitimationskette. 429 Vgl. oben B. I. 2. d). 430 Vgl. bereits ausführlich oben 1., 2., 5. b) dd). 431 Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 139 ff. m. w. N., Zitat 140; prekär lautet auch das Selbsturteil Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673 (682) zu personellen Legitimationsbasis aus Sicht der tradierten „völkischen“ Volkswillensableitung. Nach BVerfGE 128, 193 (209 ff.) m. w. N., sowie bereits BVerfGE 118, 212 (243) für das Strafverfahrensrecht, darf das Gericht im Rahmen der durchaus aus Fortschritt nötigen „schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung … sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen.“ 432 Dies markiert ebenso die mögliche Aufhebung der Entscheidung mittels der Verfassungsbeschwerde an das jedenfalls demokratisch uneingeschränkt demokratisch legitimierte und geschützte Bundesverfassungsgericht. 433 Wofür Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 142 unter Berufung auf Wittreck, Verwaltung, S. 173 f., 197 ff. u. passim zu plädieren scheint., hierzu ist nur etwa auf EuGH, C-791/ 19 zu verweisen. 434 Vgl. zum Ganzen näher bereits Fahrner, BJ 144 (2020), 393 ff. m. w. N. 435 Vgl. insbesondere EuGH Rs. C-508/18, NJW 2019, 2145; vgl. dazu namentlich Gärditz, GSZ 2019, 127; 133; dabei stehen vor allem die Behauptungen, sie sei Teil der Exekutive, vgl. nur Altvater, NStZ-Sonderheft 2009, 4 (6 f.); Titz, KritV 2010, 260 (264); Rautenberg, GA 2006, 356 (358); Carsten/Rautenberg, Staatsanwaltschaft, S. 506 f.; MK/StPO-Brocke, § 146
II. Vertikale Dimension
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tätsprinzips sowie als Herrin des Ermittlungsverfahrens kommt der Staatsanwaltschaft eine Rolle zu, die für die Friedlichkeit in der FDGO von wesentlicher Bedeutung und durch direkte politische Zugriffe unter Berufung auf die „Legitimationskette“ besonders gefährdet ist. Die geforderte demokratische Kontrolle gegen ein „Eigenleben“ kann ohne weiteres durch öffentliche, transparente und gerichtlich abgesicherte Mechanismen erreicht werden.436 c) Konkret erweisen sich einige Charakteristika der deutschen Ein-/Bestellungsverfahren als problematisch. Dazu zählt die Wahl der Bundesrichter durch den letztlich überwiegenden Einfluss der Bundes- und Landesgubernative (Art. 95 II GG), faktisch noch verstärkt durch die Regierungsmehrheiten im Bundestag. Nur § 6 I, V BVerfGG mildert die Gefahr einfacher politischer Majorisierung durch entsprechende qualifizierte Mehrheiten, ähnlich wie die Landesgesetze.437 Demgegenüber sehen einzelne Länder alternative und in der Praxis regelmäßig vorgezogene Verfahren der Abstimmung zwischen Justizverwaltung und Richterselbstverwaltung vor.438 Eine Besetzung der Gerichte kann damit unter Umgehung einer politischen Sperrminorität und politischer „Paketlösungen“ mit möglicherweise rechtsstaatlich bedenklichen Richtern erfolgen, das demokratisch fundierte Letztentscheidungsrecht des parlamentarisch majorisierten Richterwahlausschusses aber gewahrt werden. Weit problematischer wie bislang unbeobachteter im Sinn der Resilienz erscheint die Bestellung der deutschen Richterdienstgerichte, welche für die disziplinarrechtliche Ahndung die wesentlichen Entscheidungsinstanzen darstellen. Diese werden von den Präsidenten und Präsidien der Gerichte,439 mithin einseitig im Sinne der Gerichtsleitungen ausgewählt und könnten so (jenseits der ohnehin akzeptierten Abhängigkeit der Richter auf Probe) erhebliche Einschüchterungswirkungen sogar auf Lebenszeitrichter ausüben und eine „Beflissenheitskultur“440 unter ihnen befördern. Ein ausgleichendes rechtsstaatliches oder demokratisches Gegengewicht ist GVG Rn. 26 auf tönernen Füßen: „Ihrer Aufgabe entspricht ihre organische Eingliederung in die Justiz, von der sie ein wesentlicher Bestandteil gerade auch im Rechtsstaat ist. Staatsanwaltschaft und Gericht erfüllen gemeinsam die Aufgabe der ,Justizgewährung‘“; sie verkörpert „den Rechtswillen des Staates und nicht seinen Machtwillen“, so BVerfGE 9, 223, dafür selbst zitierend Eberhard Schmidt; in gleicher Richtung BGHSt 24, 170 (171); Schmidt, Lehrkomm. I, Nr. 95; so auch Krey, ZRP 1971, 224 (226); ders./Pföhler, NStZ 1985, 145. 436 Vgl. nochmals Fahrner, BJ 144 (2020), 393 ff. m. w. N.; Rautenberg, ZRP 2016, 38; Günter, DRiZ 2002, 55 (61); Weiß, JR 2005, 363 (369); Titz, DRiZ 2014, 402 (403); Bäumer, DRiZ 2019, 423; Kluth, NVwZ 2019, 1175 (1178); Ausarbeitung der Kommission für die Angelegenheiten der StAe im DRiB, DRiZ 1968, 357 (359); Roxin, DRiZ 1969, 387; Krey/ Pföhler, NStZ 1985, 14; KK/StPO-Mayer, §146 GVG Rn. 2. 437 Vgl. etwa § 22 II LRiG SH. 438 So findet exemplarisch die Richterauswahl in Baden-Württemberg in aller Regel im Einvernehmen der Justizverwaltung mit dem Präsidialrat, der von der Richterschaft unter sich gewählt wird, statt, vgl. §§ 32 I Nr. 1, 36 f., 43 I, VI LRiStAG BW. 439 §§ 61 III, 77 III DRiG. 440 So etwa https://www.osce.org/odihr/447859.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
hier nicht vorgesehen. Die tatsächliche Wahrung der zentralen richterlichen Unabhängigkeit, die den Dienstgerichten gem. §§ 26 III, 62 I Nr. 4 e), 78 Nr. 4 e) DRiG auch anvertraut ist, ist damit faktisch alleine von der inneren Verpflichtung der jeweils Gerichtspräsidenten abhängig, da deren Auswahlentscheidung für die Dienstgerichte wiederum kaum nachprüfbar scheint. Ob den beeinträchtigten Richtern der Weg zum Bundesverfassungsgericht eröffnet ist, erscheint problematisch.441 Der demokratischen Aufsicht und Kontrolle des Parlamentes bleiben hier allenfalls Kundgaben des Missfallens oder ggf. eigene Richteranklagen wegen Übergriffen, die jedenfalls bei Bundesrichtern eine Erfolgschance vor dem BVerfG haben könnten.442
III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien 1. Grundlagen a) Anders, als im demokratischen Identitätsverständnis einer „reinen Lehre“, kann heute als allgemein anerkannt gelten, dass die moderne großflächige, ausdifferenzierte und komplexe Demokratie die Ausbildung von Strukturen und Organisationen mit unterschiedlichem Grad der institutionellen Verfestigung zur Komplexitätsreduktion voraussetzt.443 Namentlich kann das Volk allein regelmäßig keine Führungsalternativen bilden, sondern sie nur nach dem Angebot politischer Parteien und anderer Akteure auswählen.444 Während die Bedeutung der Medien jedenfalls mit dem Wechsel zur Neuzeit anerkannt war,445 tat sich die Staats- und Demokratiedogmatik mit Parteien,446 noch mehr mit weiteren politischen Verbänden und Gruppierungen lange schwer: Erst Art. 21 GG brachte die Anerkennung der Institution der Parteien als Mittler in die staatliche Sphäre, die die WRV noch ignoriert
441 Ein subjektives Verfassungsrecht der Richter im Rahmen des Art. 93 I Nr. 4a GG könnte zwar im Hinblick auf die v. a. europäischen Entwicklungen naheliegen und vor allem angesichts der Aushöhlung der Justiz in andere Staaten zu deren Sicherung in Deutschland geboten sein, erscheint derzeit jedoch weit vom Normtext entfernt; allerdings kann insoweit auf Art. 33 GG wohl zurückgegriffen werden. 442 Wiederum nach Art. 98 II, V GG. 443 Vgl. etwa BVerfGE 11, 266 (273); zu oben ersterem, den identitären Vorstellungen namentlich von Rousseau bis etwa Böckenförde siehe oben C. II. 2.), zum weiteren D. I. 2. c), 3. c) v. a. bb). 444 Vgl. oben bereits D. I. 2. c), 3.; hier nur nochmals Kaufmann, Volkswillen, S. 7. 445 Vgl. bereits Fahrner, Buchdruck, S. 13 ff. m. w. N. 446 Zur Parteienprüderie unter der Weimarer Verfassung vgl. Radbruch, HdbStR I, § 25 (S. 288 ff.); allgemein Shirvani, Parteienrecht, S. 10 ff., 28 ff. mit Forschungsbericht auch zum Folgenden m. w. N.
III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien
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bzw. in Art. 130 I WRV normativ negiert hatte.447 In der Verfassungstheorie der absoluten identitär-integrativen Demokratie blieben die Parteien Fremdkörper, obwohl die reale Macht faktisch auf sie zentriert wurde.448 Dies galt noch mehr für einen Pluralismus an sonstigen politischen Organisationen, so dass geradezu von einer Interessenverbandsprüderie unter dem Bonner Grundgesetz gesprochen wurde, während die Pluralismustheorie auf die zentrale Bedeutung solcher politischer Organisationen für die FDGO und dagegen als Massenformierung in autoritären Systemen hinwies.449 b) Dabei können drei Grundtypen unterschieden werden: Medien, Interessenverbände und Parteien. Medien und Parteien besitzen über Art. 5 I 2 GG bzw. Art. 21 GG eine klare Verfassungsgrundlage, die ihr normatives Bild formt.450 aa) Die Rolle der Parteien für die FDGO ist weiter darzustellen (während die der Medien bereits oben weitgehend untersucht wurde):451 Schon die erste ElementeEnumeration führt das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition auf.452 Als besondere politische Verbände453 sorgen sie für die Bündelung und Effektivierung von Interessen und Standpunkten, indem sie Alternativen bei Abstimmungen und Wahlen in sachlicher und personeller Hinsicht und Ansichten auch in der öffentlichen Meinung anbieten.454 Diese vielfältigen Funk447 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 166 ff. m. w. N.; allerdings mit staatswissenschaftlichen Vorläuferdiskussionen, vgl. Towfig, Repräsentation, S. 211 ff. 448 Vgl. zur faktischen Konzentration oben Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673 (675 ff.) sowie oben D. II. 3. und gerade oben 1. v. a. b) bb) zum „Parteienstaat“; dieser Widerspruch wurde zurecht als Realitätsferne den entsprechenden Modellansätzen, nicht nur der Schmitt-Schule, vorgeworfen. Geprägt von der Zwischenkriegszeit verband man mit den Parteien vor allem die Gefahr einer Entkoppelung vom Volkswillen durch anonyme Parteivorentscheidungen und letztlich polyarchische Auflösung des Volkes in konkurrierende Gruppenbünde, vgl. nur Weber, Demokratie, S. 245 (258 ff.); Leibholz, Strukturprobleme; zu dessen historischem Hintergrund namentlich Towfig, Repräsentation, S. 211 (212 ff.); ferner Hennis, Meinungsforschung, S. 48 f.; Eschenburg, Herrschaft, S. 87; sowie oben zur Polyarchie bereits C. II. 2., III. 2. a) cc), E. II. 1. b). 449 Bei Ersterem scheint ungewiss, wie weit sie heute noch in der normativen Regelung fortwirkt, vgl. zum Ganzen hier nur Fraenkel, Demokratien, S. 202 f.; demgegenüber zurecht die Bedeutung der Pluralität der politischen Organisationen als Gegenbild zu den Massenorganisationen, namentlich des NS-Staats sowie faschistischen und stalinistischen Systemen, und ihre Freiheit garantierende Funktion gegen Wiederaufstieg des Totalitarismus, vgl. ebd., S. 353. 450 Vgl. instruktiv BVerfGE 52, 63 (83) Rn. 67 a. E. m. w. N. 451 Vgl. namentlich oben D. II. 5. sowie weiterhin unten IV. 1. b) bb). 452 BVerfGE 2,1 (13); 144, 20 (203). 453 Zur Abgrenzungsfrage und insbesondere politischen Konkurrenz mit Interessengruppen vgl. etwa Shirvani, Parteienrecht, S. 92 ff. m. w. N. 454 Preuß, Reich, S. 471; vgl. Lehnert/Schefold, Preuß, S. 53; Aufbauend auf Art. 21 I 1 GG formuliert die (bereits oben C. und D. I. 3. hinreichend problematisierte) klassische deutsche Verfassungsdogmatik, sie leisteten eine „Vorformung des politischen Willens“, so etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 169; vgl. auch historisch Towfig, Repräsentation, S. 211 ff, v. a. S. 217 zur Theorie von Leibholz.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
tionen umschreibt § 1 II PartG: namentlich die der Meinungsbildung (Gestaltung der öffentlichen Meinung, politische Bildung, Förderung von Bürgerpartizipation), Delegation durch Elitenrekrutierung (Heranbilden zur Übernahme befähigter Bürger, Aufstellung von Wahlbewerbern) und Rückkopplung der delegierten Entscheidung („Einfluss auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung“, „Einführen ihrer Ziel in Prozess der staatlichen Willensbildung“, Sorge für „eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen“).455 Tatsächlich sind sämtliche mediierenden Akteurstypen an den komplexen demokratischen Prozessen der pluralen Meinungsbildung und Entscheidung beteiligt.456 Gegenüber den anderen Akteurstypen spezifisch für die Parteien ist ihre konstitutive Funktion, bei demokratischen Wahlen zu Ämtern das personelle Angebot in seiner Verbindung zu Programmen zu präsentieren.457 Sie selektieren die zur Wahl angebotenen politischen Eliten, auch als Gefolge von Spitzenkandidaten und reduzieren dadurch und langfristig die Komplexität.458 Damit ist nicht nur das geradezu seit Leibholz tradierte Spannungsfeld zum freien Mandat (Art. 38 I 2 GG), und damit der Gesamtrepräsentation zur Vertretung von Partikularinteressen angesprochen.459 Vielmehr sind tatsächliche Prozesse kollektiver Entscheidungsfindung und damit -zentren vorgezeichnet,460 verbunden mit der Hoffnung der Gemeinwohlorientierung.461 Einen faktischen Zwang dazu kann indessen nur eine effektive Rückkopplung bieten, die vor allem im Wettbewerb der Parteien um Wählerstimmen als Zugang zu Ressourcen und staatlicher Macht verankert wird.462 Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass sich im politischen „Wahlwettbewerb“ tatsächlich in letzter Konsequenz jene Rückkopplung effektivieren kann. 455
Zur näheren funktionellen Strukturierung der Parteifunktionen vgl. die Übersicht bei Shirvani, Parteienrecht, S. 51 ff. m. w. N.; beachtenswert insbesondere auch die Funktion als „Karrierevehikel“ von Steffani, ZParl 1988, 549 (550). 456 Vgl. zur Meinungsbildung namentlich oben D. I. 3., II., E. I. und sogleich unten IV. 457 Vgl. § 2 I 1 PartG; vgl. v. a. BVerfGE 24, 260 (264), weiter nur BVerfGE 20, 56 (101 f.); 44, 125 (145 f.); 52, 63 (82 ff.); 73, 40 (85); 89, 266 (269 f.); 91, 276 (284); 146, 319; andere Wählervereinigungen und Gruppen, die lediglich auf kommunaler Ebene wirken, können unter den Begriff der Interessenorganisationen gefasst werden. 458 So bewirken sie durch die Voraussehbarkeit der wiederkehrenden Wahlen gemeinsame Orientierungen von so gewählten Individuen und Untergruppen bei der Ausübung delegierter Macht. 459 Grundlegend Leibholz, Repräsentation, S. 72 ff.; ders., Demokratie, S. 142 (146 ff.); von Leibholz ins Extrem geführt etwa in ders., Volk, S. 71 ff., hingegen relativiert etwa in ders., Strukturwandel, S. 78 ff.; vgl. zusammenfassend krit. Shirvani, Parteienrecht, S. 56 ff. m. w. N. 460 Jenseits der formellen Vorstellungen der Verfassungsnormen, vgl. bereits oben D. I. 3. c) cc), II. 3. c) bb), cc). 461 Vgl. die normative Forderung und Hoffnung von BVerfGE 5, 85 (233 f.), dass sich Parteien Vorstellungen grundsätzlicher Art, politische Konzeptionen, darüber bilden müssten, wie eine „den Interessen des Volkes im Ganzen am besten dienende Staatspolitik beschaffen sein“ müsse. 462 Vgl. gerade oben II.
III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien
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bb) Hingegen können Interessenorganisationen i. w. S. nicht einfach als Vereinigung i. S. v. Art. 9 GG beschrieben werden.463 Als Zusammenschlüsse, die auf politische Wirkungen auch außerhalb der spezifischen Bedingungen von Parteien und Medien gerichtet sind, umfassen sie vielfältige und nicht abschließend erfassbare Phänotypen.464 Klassische Interessenverbände können modellhaft wie Parteien als kollektive Politikakteure verstanden werden, die intern eine grundsätzlich elitistischdelegative Entscheidungsstruktur aufweisen, mithin durch eine gewählte Verbandsführung und deren Rückkopplung an die Mitglieder geprägt sind.465 Bei anderen Interessengruppen bestehen abweichende, auch horizontal orientierte Strukturen der Meinungsbildung und Entscheidung. Neben zusätzlichen Interaktionen z. B. zu Allianzen mit anderen Akteuren ist die Außenkommunikation einerseits direkt auf das Zentrum im Rahmen des Lobbyings (also Versuchen direkte Einflussnahme in allen Entscheidungsstadien) gerichtet, andererseits dem Pressuring, d. h. um über den indirekten Weg der Öffentlichkeit positive Entscheidungen zu erwirken. Grundsätzlich kann, wie von der organisatorischen Pluralismustheorie ausgeführt, das Bestehen und die Wirksamkeit von Verbänden wesentlich zur Funktionalität und Effektivität eines demokratischen Systems beitragen.466 Allerdings muss es zum Erfolg einer Gruppe als solcher, wie des Konzeptes an sich von „ausschlaggebender Bedeutung … sein, ob es gelingt, den Wähler nicht nur in seiner abstrakten Eigenschaft als Staatsbürger, sondern auch in seiner konkreten Eigenschaft als Mitglied seines Interessenverbandes davon zu überzeugen, dass seine Stimme gehört und berücksichtigt wird“.467 Noch weit stärker als Parteien und Medien werden sie durch die bestehende Verfassungsrechtsdogmatik in ihrer Binnenstruktur sich selbst überlassen und allenfalls alleine an ihren Wirkungen in die Öffentlichkeit und in sonstigen demokratischen Prozessen gemessen. Dabei findet die direkte Wirkung des Lobbyings politischer Zentren gegenüber den indirekten des Pressuring über die Öffentlichkeit oder gar sonst der Peripherien eine zunehmende Beachtung.
463
Vgl. zum Ganzen bereits Fahrner, Interessenverband, S. 167 ff.; ders. Bündnis, 57 ff., 85 ff., jeweils m. w. N. 464 Darunter traditionelle Interessenverbände i. e. S. (z. B. Gewerkschaften, Berufsverbände o. ä.), weniger feste Interessengruppen wie Bürgerinitiativen, „Netzwerke“ oder „Bewegungen“ etc., ebenso wie Think-Tanks- oder sonstige Lobbyunternehmungen. 465 Vgl. hierzu und zum ganzen Folgenden namentlich bereits ausführlich Fahrner, Interessenverband, S. 167 (170 ff.) m. w. N.; daneben etwa Hackenbroch, Verbändekommunikation, S. 483; Alemann, Interessen, S. 163 ff. 466 Namentlich zur Responsivität, vgl. Shirvani, Parteienrecht, S. 248 ff. 467 Fraenkel, Demokratien, S. 202 f.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
2. Kernproblem aus Sicht der FDGO Um namentlich die Fortschritts- und Friedensfunktion zu wahren, dürfen die Strukturen und Mechanismen dieser unterschiedlichen Mediierungen die demokratischen Prozesse möglichst nicht begrenzen oder verfälschen.468 a) Gerade an diesen Stellen greifen indes die Immunisierungsmechanismen moderner autoritärer Regime, aber ebenso der (Selbst- und Fremd-)Delegitimierung (noch) bestehender Demokratien ein.469 Dabei spielen die Öffentlichkeit und ihre Kontrolle und Beherrschung namentlich durch die genannten mediierenden Akteure eine zentrale Rolle.470 Ebenso kann durch allmähliche Immunisierung bei am Ende nur noch symbolischem Fortbestehen der formalen Rückkopplung namentlich durch Wahlen eine zunehmend autoritäre Herrschaft auf- und ausgebaut werden.471 In zahlreichen Staaten wurde und wird zur Erringung der politischen Macht und deren Stabilisierung vor allem die Beherrschung des Mediensystems instrumentalisiert.472 Die politischen Konkurrenten können sodann z. B. skandalisiert, verleumdet, lächerlich gemacht oder ihre Kommunikation mit den Wählern gehindert oder faktisch unterbunden werden. Gleiches gilt für ihre Politikangebote, deren Verbreitung unterbunden werden kann. Aufgrund geringer aktiver Informierungsbereitschaft und hoher Irrationalität, die dadurch noch erheblich gesteigert wird, ist ein solches Vorgehen sehr erfolgversprechend, die freiheitlich demokratischen Mechanismen zur Machtkontrolle bis zur Abwahl zu konterkarieren.473 Aus diesen Gründen ist bereits nach traditioneller Ansicht die Chancengleichheit der Opposition als traditionelle Komponente der FDGO berührt.474 Diese Gefahr trifft nicht nur Endstufen tatsächlich autoritärer Regime. In einem nur graduell geringeren Niveau können stets politische Eliten versucht sein, ihre Stellung möglichst abzusichern, sich gegen Stellungsverlust durch Austausch (etwa im Wege der Abwahl) zu schützen:475 Dazu bzw. allgemein zur Durchsetzung politischer Partikularinteressen entstehen Versu468
Vgl. nochmals oben B. I. 2. d), D. Siehe zu Ganzen bereits oben ausführlich D. II. 3. ff.; ersteren gelingt es vor allem dadurch definitionsgemäß (zeitweise bis zum unfriedlichen Umsturz), ihre Herrschaft (zeitweise) gegen Machtwechsel abzuschirmen. Sie sind immer weniger angewiesen auf die ultimativen blanken Machtmittel, Opposition unschädlich zu machen durch physische Vernichtung, „Umerziehung“ im Sinne Foucaults oder Einschüchterung, sondern können ausreichend die politischen Prozesse so manipulieren, dass sich ein relativ weittragendes Bild einer Scheindemokratie ergibt. 470 Vgl. zu den Öffentlichkeitsproblemen bereits oben I. 2. ff. 471 Zu den unterschiedlichen Formen der symbolischen und effektiven, formalen und informellen Rückkopplungen vgl. ausführlich oben II. 472 Vgl. exemplarisch etwa Becker, Russia, S. 57 (64 f.) auch zu Nachahmer-Regierungen; ähnlich Lipman, Assault, S. 41 ff.; Schimpfossl/Yablokov, Coercion, S. 197 ff.; Stegherr/Liesem, Osteuropa; Burrett, Russia. 473 Vgl. ausführlich oben D. II. 5. 474 Vgl. oben I. 4. 475 Vgl. oben D. II. 5., E. II. 1., 2. 469
III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien
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chungen, etwa durch manipulative Formen der Öffentlichkeitsbeeinflussung oder der Vorauswahl in den Parteien oder in Kartellen mit bestimmten partikulären wirkungsmächtigen Minderheitsinteressen, denen andauernd eine Bestimmung bzw. Manipulation und Verfälschung der demokratischen Entscheidungen jenseits von Allgemeinheit, Freiheit und Gleichheit gelingt. In der semirational verstandenen Demokratie ist die Gefahr der „rationalen Irrationalisierung“ besonders hoch, da es (kurzfristig) subjektiv rational erscheint, sie auszunutzen.476 Langfristig führt die Verlockung, die Öffentlichkeit zu kontrollieren, zu sich aufstauender Unfriedlichkeit, die sich in gewaltsamen Unruhen entladen kann.477 b) Dabei gilt es, die Sicherungswirkung und -verpflichtung durch den Staat im Rahmen der FDGO von der verbotenen Einflussnahme abzugrenzen, welche die vertikale Rückkopplung zu steuern und verzerren sucht. Hierzu dient einerseits der Rahmen der Verfassungsdogmatik der Grundrechte sowie des Demokratieprinzips.478 Andererseits wird weiter versucht, in faktisch-deskriptiver wie normativer Modellbildung die demokratischen Funktionen mediierenden Akteure zu erfassen. Die rechtlichen Bemühungen auch um den „Marketplace of Ideas“ können dazu als zentraler Ansatz verstanden werden, welche sich allerdings aus den bereits genannten Gründen als unzureichend erweisen.479 Indes zentral bleibt zunächst die Bedeutung der offenen Vielfalt und damit Breite der auch Vermittlungen ausgesetzten demokratischen Prozesse.480 An ihrem Ende steht die Reichhaltigkeit der auswählbaren Alternativen bei der Entscheidungsfindung, für die die Fülle an Fakten am Beginn und die Wahrung der Pluralität in der Vermittlung die zentralen Faktoren sind, die wiederum voll im Modell der rationalen Freiheit aufgenommen werden können.481 Eine derartige Vielfalt kann der Immunisierung und Irrationalisierung maßgeblich entgegenwirken.482 c) Die Ebenen der Europäischen Union und des Europarats haben der Sicherung der demokratischen Prozesse, namentlich im Bereich des Lobbyismus und der 476
Vgl. nochmals oben D. II. 5. Vgl. oben B. I. 2. d), D. II. 5.; weiterhin, aber auch die Übertreibung derartiger Mechanismen können Systemverdrossenheit und Bereitschaft zur objektiv irrationalen Unterstützung extremistischer Bewegungen Aufschwung erhalten. Sie schafft damit auch Angreifbarkeiten des demokratischen Prozesses durch Extreme, in dem Maß wie dieser verfälscht wird durch Taktiken und Strategien, die den alltäglichen Verlockungen politischer Eliten im demokratischen „Tagesgeschäft“ folgen, kumulieren und zunehmen. 478 Siehe sogleich unten IV. 479 Vgl. oben D. II. 3. ff.; E. I. 3., 4. 480 Vgl. auch schon oben I. 2. ff. 481 Vgl. hier nur oben B. II. 3.; im Einzelnen auch Zerback, Vielfalt, S. 46 ff, 73 ff., 87 ff. m. w. N. 482 Vgl. oben D. II. 5.; sie wirken etwa auch Effekten, wie dem „Truth-Effect“ entgegen nach dem die Wiederholung von Aussagen diese wahrscheinlicher wahr und glaubhaft erscheinen, selbst wenn sie nicht von unterschiedlichen Seiten geäußert werden; hingegen werden dann später Aussagen und Informationen gegen diese als weniger glaubhaft angesehen, vgl. etwa Zerback, Vielfalt, S. 58 f. m. w. N. 477
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Freiheit und Pluralität der Medien, zuletzt erhebliche Beachtung geschenkt und die normative und faktische Analyse wesentlich geschärft.483 Die Fassung des zu Grunde liegenden Art. 11 II GRCh („Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“) ist eine bewusste Fortentwicklung von Art. 10 EMRK.484 So konzentriert sich die EU aktuell zur Stärkung demokratischer Resilienz auf Freiheit und Fairness der Wahlen und starke Partizipation, die Bekämpfung von Desinformation und die „Unterstützung freier und unabhängiger Medien“ zur Stärkung der freien Urteilskraft der Bürger.485 Dabei zieht sich das primär ökonomisch-rationale Verbraucherverständnis des Binnenmarktes486 bereits mit allen Problemen der tatsächlich beschränkten individuellen Rationalität der Verbraucher fort,487 erkennt gleichzeitig allerdings in der Wurzel mögliche Irrationalität zumindest durch Desinformation an.488 d) Andere Formen, namentlich etwa der Beeinflussung von Vorauswahlen in Parteien einerseits und der gezielten, lang- und kurzfristigen Diskreditierung von bestimmten Bewerbern oder aber Perpetuierung von bestimmten Irrationalitäten bei Wählern mittels der Möglichkeiten mediierender Akteure scheinen demgegenüber auch hier und überhaupt kaum bzw. weniger beachtet.
3. Außenpluralität und Modelle politischer Märkte a) Allgemein bedingt die Integrations- sowie dadurch die Friedens- und Fortschrittsfunktion der FDGO eine notwendige Außenpluralität aller mediierender 483
Vgl. Vike-Freiberga (u. a.), Medien, S. 3, 44 ff. m. w. N. Sie war im ersten Konvent besonders umstritten zwischen einer Minderheit, die eine Verankerung ablehnte und der Mehrheit, die die Medienfreiheit besonders bedroht sah, darunter die Ansicht, dass Pluralismus und Ausgewogenheit der Berichterstattung zum Schutz vor staatlichen Eingriffen und Medienkonzentration besonderer Garantien bedürften, vgl. Meyer, Art. 11 GRCh Rn. 8 ff. besonders zu den Übernahmen aus Frankreich und Italien bei Widerstand des stark bereits durch die „Murdoch-Presse“ geprägten Vereinigten Königreichs, welches dann etwa im Rahmen des „Brexit“ die Anfälligkeit des demokratischen Systems für Einflussstrukturen der Medienlandschaft zeigte; BeckOK/InfoMedienR-Cornils, Art. 11 GRCh Rn. 14.; daraus ist auch die Abschwächung von der ursprünglich mehrheitlich gewünschten Gewährleistungspflicht und Wegfall von Transparenzgesichtspunkten nachvollziehbar, vgl. CONVENT 37, 47; Meyer, Art. 11 GRCh Rn. 9 f. m. w. N. zur massiven Kritik daran. 485 Vgl. EuGHE 1991, I-4007, C-288/89;E 1993, I-487, C-148/91; Rs. C-283/11, ECLI:EU: C:2013:28; Stern/Sachs/von Coelln, Art. 11 GRCh Rn. 39 f.; Calliess/Ruffert, Art. 11 GRCh Rn. 17; Meyer/Hölscheidt/Bernsdorff, Art. 11 GRCh Rn. 19; COM/2020/790 final, S. 3, auch insgesamt als eine Grundlage zur folgenden eigenen Bewertung. 486 Vgl. zu Recht kritisch bereits Meyer, Art. 11 GRCh Rn. 16 sowie Stern/Sachs/ von Coelln, Art. 11 GRCh Rn. 40; zum Binnenmarkt als notwendiger normativer Bezugspunkt EuGH C-376/98; C-491/01; Stock, EuR 2002, 566 (571 f.); Paal, Medienvielfalt, S. 339 ff. 487 Vgl. sogleich unten 3. a), b). 488 Vgl. nochmals allgemein oben D. II. 5. 484
III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien
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Akteure, um offen die unterschiedlichsten Ansichten artikulieren und einbinden zu können.489 Zwischen der notwendigen staatliche Rahmengewährleistung und dem Verbot staatlicher Steuerung bzw. Verzerrungen wird regelmäßig im Modell des Marktes abgegrenzt. Dabei werden – parallel zu den Voraussetzungen ökonomischer Märkte – die Ideale des unbehinderten (offenen und diskriminierungsfreien) Zugangs und Vergleichs für die Gegenseite sowie Beachtung der unerlässlichen Bedingungen der „Marktredlichkeit“ als Gütekriterien dieser politischen Märkte übernommen.490 Entscheidend wird damit der mögliche Marktzugang für Alternativangebote angesehen, so dass bei zu großer Divergenz des Angebots von der Nachfrage – sowohl durch potentielle Wähler, durch um diese wiederum konkurrierende Akteure wie vor allem Parteien sowie Interessengruppen im Rahmen des Pressuring – sich neue Alternativen etablieren und den Markt im Sinn der „magischen Hand“ ausgleichen können.491 Aus deutscher wie unionrechtlicher Sicht handelt es sich folglich primär um die allgemeinen Fragen des wirtschaftlichen Wettbewerbsrechts.492 Dieses setzt zwar bei der Fusions- und Kartellkontrolle ein, erlaubt aber die Dominanz eines Marktes bis hin zum Missbrauch. Jener wird lediglich gegenüber wirtschaftlichen Konkurrenten und Handelspartnern betrachtet; ob das politische System unter entsprechendem medialem Druck noch in der Lage wäre, aktiv Entflechtungsmaßnahmen zu initiieren, wird vollständig ignoriert.493 aa) Der freie Wettbewerb versteht sich zunächst als die Freiheit der Gründung, des Bei- und Austritts der Individuen, allerdings der Begrenzung und des Entzugs der Mitgliedschaft durch die Organisation. Verfassungsrechtlich klar abgesichert ist dies (nur unterschiedlich explizit formuliert) etwa in den Art. 5, 9, 21 I 2, 3 GG, sowie ergänzend Art. 2 I, 12, 14 GG und der entsprechenden Dogmatik, etwa zur negativen und positiven Vereinigungsfreiheit.494 bb) Die notwendige Wirksamkeit im demokratischen Gesamtprozess kann diese potentielle personelle Dynamik indes nur entfalten, wenn dem nicht erhebliche Sperren durch andere Diskriminierungen im Zugang oder der Teilnahme entgegengestellt sind,495 die man etwa im Sinne der klassischen Ökonomie wie des „Marketplace of Ideas“ erfassen kann.496 Vor allem gilt dies für Opposition gegen 489
Dies der Leitgedanke etwa des „marketplace of ideas“, siehe oben D. II. 1., der horizontalen und vertikale Demokratie, siehe oben I., II. sowie der konkreten Dogmatik etwa anhand von Art. 5 GG, siehe auch unten IV. 490 Vgl. besonders explizit auch zum Folgenden BVerfGE 111, 382 (404 f.); Morlok, NVwZ 2005, 157 f.; Hatje, VVDStRL 69 (2010), 135 ff. m. w. N. 491 Vgl. instruktiv auch BVerfGE 57, 295 (322 f.). 492 Vgl. auch BVerfGE 77, 346 ff. 493 Vgl. §§ 19 f. GWB. 494 Vgl. unten IV. 1., 2. 495 Vgl. BVerfGE 111, 382 (404 f.) zu Neuzugängen im Parteienwettbewerb. 496 Im Bild des politischen Marktes sind damit die aus der Ökonomie bekannten normativen Ziele des jeweils offenen, und, namentlich grundsätzlich von ungerechtfertigter Diskriminierung freien Marktes adressiert. Im Bild des „Marketplace of Ideas“ können sich dadurch un-
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herrschende Mehrheiten, Eliten und Verhältnisse. Solange dies mit hinreichender offener, freier und gleicher demokratischer Erfolgsaussicht verbunden ist, führen wirksame politische Meinungs-, Diskussions- und Vereinigungsfreiheit per se zum Mehrparteiensystem, sie enthalten somit das Recht auf mehr oder wenig fest organisierte politische Opposition.497 Insofern greifen die aufgezählten Elemente der FDGO – „das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition“ – ineinander.498 b) Das Modell politischer Märkte wird vor allem – neben der Konkurrenz der Parteien bei Wahlen,499 sowie weiteren mediierenden Akteure bei Zugang untereinander, zur Öffentlichkeit und dem politischen Zentrum500 – explizit beim Zugang von Medien zur Öffentlichkeit angewandt. Ausgangspunkt des Medienpluralismus bleibt das Ziel möglichst breiter Kommunikations- und Informationsprozesse in der demokratischen Öffentlichkeit, soweit er durch Medien vermittelt wird. Daraus wird im Marktmodell zuerst gefolgert, die Medienfunktion der Information und Artikulation ließen sich mit den Wettbewerbsgütern der Meinung und Nachrichten erfassen.501 aa) Das BVerfG trennt den Bereich der Presse klar gegenüber der Rundfunkfreiheit.502 Bei letzterem hat es früh festgestellt, dass er wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft503 bzw. wegen seiner weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten sowie der Gefahr des Missbrauchs zum Zweck einseitiger Einflussnahme auf die öffentliche Meinung nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden kann.504 Damit hat die Rechtsprechung die Außenpluralität auch für den terschiedliche, auch neu entstehende Interessen organisieren, artikulieren und friedlich integrieren, vgl. oben D. II. 1. 497 BVerfGE 5, 85 (199 f.); dies, ohne dass eine formale Gewährleistung der Opposition etwa als verfassungsrechtlicher Verpflichtung verankert sein müsste, vgl. auch Hesse, Grundzüge, Rn. 158; die Festschreibungen in Landesverfassungen vor allem unter Eindruck der DDR sind insoweit nur eine Bestätigung. 498 BVerfGE 2,1 (13); 144, 20 (203); vgl. oben B. I. 1. 499 Siehe sogleich unten c). 500 Letztere erscheinen derzeit im Umfang praktisch ungeregelt, alleine sogenannte Lobbytransparenzregister versuchen, durch Transparenz für eine gewisse Kontrolle zu sorgen. 501 Hofmann, Medienkonzentration, S. 29 f. 502 Wesentlicher Unterschied ist ein doppelter: die traditionelle Organisation des Rundfunks in einem festen Programm für die Hörer/Zuschauer, sowie dessen Abhängigkeit des Rundfunks von gemeinschaftlicher technischer Verbreitungsressource und daher begrenzter und eng verteilter Zugang. Unter einem Programm wird herkömmlich eine auf längere Dauer angelegte, planmäßige und strukturierte Abfolge von Sendungen oder Beiträgen verstanden. Dagegen ist die Presse zwar auch unidirektional verstandenes Massenmedium, jedoch geprägt von grundsätzlich freiem Marktzugang mit der zumindest theoretischen Möglichkeit der Selbstregulierung. Tatsächlich orientiert die Regulierung der Mediendienste heute eher an Plattformen. 503 BVerfGE 90, 60 (87). 504 BVerfGE 12, 205 (261); 31, 314 (325); 57, 295 (319 ff.); 73, 118 (158 f.).
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(privaten) Rundfunk weiter kritisch betrachtet, während sie eine solche durch Wettbewerb der Erzeugnisse und Unternehmen für die Presse unkritisch unterstellt.505 Nur für den Rundfunk soll, soweit die Außenpluralität nicht genügt, durch interne Maßnahmen in den Unternehmen gesichert sein, dass das Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert und ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung für die freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung gewährleistet wird.506 Insofern kann allerdings eine „gleichgewichtige Vielfalt“ mangels eindeutiger Maßstäbe nicht exakt bestimmt, sondern lediglich prozedural als Zielwert angestrebt werden.507 Die entsprechenden Rundfunkräte dienen dazu als Garant der Ausgewogenheit und Pluralität, nicht als politische Vertretung der konkreten entsendenden Verbände.508 Ebenso soll für politische Minderheiten nur gegenüber dem (öffentlichen?) Rundfunk ein Anspruch auf Vermittlung und dadurch Veröffentlichung, namentlich bei der Wahlwerbung, bestehen.509 Bei der Zulassung und Regulierung des privaten Rundfunks sieht das BVerfG in Art. 5 I 2 GG ausdrücklich den Auftrag, die Möglichkeit für alle Meinungsrichtungen, auch von Minderheiten, zum Ausdruck zu gelangen. Durch strikt durchgesetzte materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen hat der Staat einseitige, in hohem Maße ungleichgewichtige Einflüsse einzelner Veranstalter oder Programme auf die Bildung der öffentlichen Meinung und damit das Entstehens vorherrschender Meinungsmacht zu verhindern: „Insbesondere obliegt es ihm, Tendenzen zur Konzentration rechtzeitig und so wirksam wie möglich entgegenzutreten, zumal Fehlentwicklungen gerade insoweit schwer rückgängig zu machen sind.“510 In diesem Zusammenhang hat das Gericht auch die Gefahr einer lokalen oder überregionalen Meinungsmacht erkannt, wenn Printmedien und Parteien selbst Rundfunk veranstalten wollen.511 Für die Presse hat das BVerfG einen frühen ähnlichen Ansatz der Einflussabsicherung wegen der großen Zahl an „selbstständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden 505
Daher hat das Bundesverfassungsgericht gerade für die Auswahl unter den Bewerbern und für die Zuteilung von Übertragungskapazitäten besonders strikte gesetzliche Vorkehrungen im Interesse der Rundfunkfreiheit gefordert, und hier – erneut in einer ad hoc-Ausnahme eine staatliche Neutralität gegenüber dem freien Spiel der Marktkräfte ausdrücklich (sodann zunehmend abgeschwächt und verklausuliert) abgelehnt, etwa BVerfGE 57, 295 (327); 73, 118 (182 ff.); 83, 238 (322 ff.); 97, 298 (313). 506 Zur sog. Binnenpluralität vgl. BVerfGE 12, 205 (260 ff.); 57, 295 (319 ff.); 73, 118 (153); 90, 60 (87 f.) sowie unten 4. a). 507 BVerfGE 57, 295 (324); 73, 118 (156); 121, 30 ff. 508 BVerfGE 60, 53 (63 ff.). 509 Vgl. dazu bereits oben I. 4. c) aa), sowie BVerfGE 7, 99 (107 ff.); 14, 121 (132 ff.); 47, 198 (225); 67, 149 (152). 510 Vgl. BVerfGE 73, 118 (159 f.). 511 Vgl. für ersteres BVerfGE 73, 118 (175 ff.), für letzteres BVerfGE 121, 30 (50 ff.); vgl. Schmitt Glaeser, JöR 50 (2002), 169 (180 ff.).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Presseerzeugnissen“512 nicht weiterverfolgt – trotz mehrerer Wellen wissenschaftlicher und parlamentarischer Aufmerksamkeit.513 Vielmehr hat es der Selbstregulierung des gesellschaftlichen Marktes vertraut, d. h. einen funktionierenden Wettbewerb bislang stets unterstellt, bzw. eine möglichst absolute formale Sperre gegen jede, wie auch immer begründete, staatliche Einflussnahme auf den Wettbewerb im Pressebereich (jenseits der allgemeinen Schranken der Meinungsfreiheit) für ganz vordringlich gehalten.514 Dementsprechend folgt die h. M. dem BVerfG vor allem im Bereich der Pressefreiheit in einer formal liberalen und allenfalls in der Abstufung einer Privilegierung im status negativus einer demokratisch-funktionalen Grundrechtsinterpretation von Art. 5 I 2 GG.515 Danach verbiete es das Grundrecht, „die Presse oder einen Teil von ihr unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern.“516 Insbesondere verböten sich alle unmittelbar oder mittelbar, z. B. durch Einschüchterungswirkungen auf bestimmte kritische Berichterstattungen zielende Sanktionierungen.517 Auch bei Pressesubventionen müsse jede Einflussnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sowie alle Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs insgesamt vermieden werden.518 bb) In einem Marktmodell der Medien bereitet schon das Tauschobjekt erhebliche Schwierigkeiten, da eine unmittelbare Entlohnung durch Pay-per-View eine geringe Ausnahme ausmacht.519 Weiterhin bleiben bereits auf Modellebene Schwierigkeiten, 512 So BVerfGE 12, 205 (261); und damit die notwendige Koppelung der Funktionsfähigkeit an das tatsächliche Bestehen einer Vielzahl vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften, vgl. auch BVerfGE 57, 295 (322 f.). 513 Vgl. etwa BT Drs. V/2120, V/2403, V/3122; Papier, Der Staat 13 (1974), 399 ff.; ders., Der Staat 18 (1979), 422 ff.; Mestmäcker, Medienkonzentration; Hesse, Grundzüge, Rn. 395. 514 Nichts anderes ergibt sich wohl aus dem internationalen und Unionsrecht: Art. 10 EMRK wird durch auch den EGMR bislang vorwiegend einheitlich im Sinne der Meinungsfreiheit als reines Abwehrrecht auch gegen staatliche Monopole ausgelegt, nicht im Sinne einer aktiven demokratisch-funktionalen Pluralismussicherung gegenüber Marktversagen, vgl. EGMR EuGRZ 1994, 549, NJW 2010, 3699; der EGMR ist bislang nicht einer Entscheidung der früheren EKMR zur Gewährleistung von Pressevielfalt gefolgt, EKMR DR 8,5,14 $188; zum Ganzen Uwer, Medienkonzentration, 1998; Paal, Medienvielfalt, S. 95 f. m. w. N. 515 Vgl. BVerfGE 10, 118 (121); 77, 346 ff.; zum Ganzen auch etwa Böckenförde, NJW 1974, 1529; dies trotz Anerkennung der Funktion der Medienfreiheit als eigenständige institutionelle und individuelle Gewährleistung für die FDGO in st. Rspr. seit BVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260). 516 BVerfGE 12, 205 (260). 517 Vgl. BVerfGE 50, 234 (243); 80, 124 (132 ff.). 518 Vgl. BVerfGE 80, 124 (132 ff.): der Bereich müsse in jedem Fall staatsfrei bleiben; ansonsten könnten für die Verwirklichung des Grundrechts wesentlich sein, wenn mit der staatlichen Leistung entweder eine erhebliche Gefahr für die Staatsfreiheit und Kritikbereitschaft der Presse einhergehe oder wenn ohne eine solche Leistung die Aufrechterhaltung eines freiheitlichen Pressewesens nicht mehr gewährleistet sei. 519 Wohl zu weit geht indes die Annahme eines öffentlichen Gutes der Meinungen alleine aufgrund fehlenden Zahlungswillens und Nichtausschließbarkeit sekundärer Verbreitung durch Hofmann, Medienkonzentration, S. 32; die weiten Faktoren der Eigeninteressen der Medien lassen sich kaum in Reichweite, Einfluss oder eben nicht verallgemeinerbar in mittelbar ge-
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echte Wettbewerbsverhältnisse zwischen unterschiedlichen Medienarten und -typen näher zu erfassen.520 cc) Jedenfalls Art. 11 II GRCh verpflichtet die Mitgliedsstaaten nicht nur, Eingriffe zu unterlassen und abzuwehren, sondern auch zu besonderen Anstrengungen zum (positivem) Schutz vor Verflechtungs- und Konzentrationsprozessen.521 Das deutsche Pressekartellrecht scheint dem entgegengerichtet:522 § 36 I Nr. 3 GWB untersagt gerade das aufsichtsrechtliche Einschreiten gegen die Verstärkung marktbeherrschender Zeitungs-/Zeitschriftunternehmen durch Übernahme notleidender kleinerer Konkurrenten. § 30 GWB erlaubt breite Ausnahmen im Bereich des Kartellrechts. Daraus nicht überraschend hat sich gerade in Deutschland die Pressefusionskontrolle vor allem bei den auflagenstärksten und -schwächsten Medien als wirkungslos erwiesen.523 Der Markt allgemeiner Tageszeitungen stellt sich seit langem als einseitiges Oligopol dar, in dem Marktaustritte die Eintritte weit überwiegen.524 Es scheint sich in Normen und Fakten eine Strategie widerzuspiegeln, den Markt der Printperiodika für die allgemeine Öffentlichkeit national abzuschotten und einer sehr kleinen, z. T. über ein Beteiligungsgeflecht engst verwobenen Personengruppe auf Dauer anzuvertrauen. Diese Strategie mag bisher wirksam extreme und externe Einflüsse zur Gefährdung der FDGO verhindert haben, erweist sich jedoch als überaus labil, daher nicht resilient und jedenfalls in klarem Gegensatz zum Ansatz eines offenen, diskriminierungsfreien Marktes. dd) Demnach kann das propagierte Vertrauen auf einen Außenpluralismus nicht in deren historischen Kernbereich, der periodischen Presse für die allgemeine politische Öffentlichkeit, gerechtfertigt werden. Vielmehr bleibt nur der Verweis auf die darüber hinaus konkurrierenden Massen- und sozialen Medienformen. Aber auch bei Gesamtschau der Medien im weitesten Sinn lassen sich die weitere Wirkungsmacht traditioneller Presse- und Rundfunk-Massenmedien in ihrer Internetfortführung sowie weiterer Portale auf die hohen vermuteten Informationskosten von Alterna-
rierten finanziellen Gewinn übersetzen. Es bleibt insoweit nur, die Wahrnehmung der Nachricht oder Meinung selbst als das „Entgelt“ des Rezipienten und Interesse des Mediums zu konstruieren, vgl. zum Ganzen bereits Fahrner, Interessenverband, S. 176 (181 ff.) m. w. N. 520 Darauf kann hier nicht näher darauf eingegangen werden; jedenfalls für unternehmerische Medien wird versucht, die gängigen Instrumentarien des ökonomischen Wettbewerbsrechts mit möglichst geringen Abweichungen anzuwenden. Von ordoliberaler Seite wird sogar der wirtschaftliche Wettbewerb unabhängiger Verlage als alternativlos gegenüber Konzepten der redaktionellen Autonomie gegenüber dem Verleger oder Formen der Binnenpluralität angesehen, vgl. besonders eingänglich Monopolkommission, Pressefusionskontrolle, Rn. 54 ff. 521 Vgl. Jarass, Art. 11 GRCh Rn. 24; Meyer/Hölscheidt/Bernsdorff, Art. 11 GRCh, 20. 522 Auf die persönlichen Erfahrungen des Autors als Referent des zuständigen Berichterstatters einer Regierungsfraktion für die 7. GWB-Novelle und das Medienkartellrecht wird hier aufgrund fortbestehender Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht zurückgegriffen. 523 Vgl. Hofmann, Medienkonzentration, S. 54 ff. 524 Hofmann, Medienkonzentration, S. 59 ff. m. w. N. auch zu den wirtschaftlichen und politischen Gründen.
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tiven für den mäßig interessierten Verbraucher zurückführen.525 Insoweit konsequent wird auch anderweitig eine Gewöhnung der Rezipienten an fehlende echte Meinungsvielfalt und Bindungswirkungen etwa durch Abonnements festgestellt.526 Damit sind hohe Hindernisse und geringe Zugangschancen für eine Breitenwirkung konkurrierender Neulinge festzustellen. Zwar wird seit jüngstem vor allem ausgehend von der EU versucht, im Bereich der digitalen Medien Markthindernisse zu verhindern oder abzuschwächen.527 Danach muss ein offener und diskriminierungsfreier Zugang zu Informationen für alle Bürger auch im Online-Umfeld unbedingt geschützt werden, falls nötig auch mit Hilfe des Wettbewerbsrechts und/oder der Durchsetzung des Grundsatzes der Netzneutralität.528 Einen gewissen Erfolg können die Maßnahmen der unmittelbaren Wettbewerbssicherung im Bereich der Medienplattformen erwarten lassen.529 Hingegen wird im Kernbereich unternehmerischer Medien auch in digitalen Plattformen auf Mechanismen „offener und effizienter Märkte für Angebote von Produkten und Diensten des Nachrichtenmediensektors“,530 freiwilliger Selbstkontrolle und die Rationalität der Verbraucher,531 etwa durch potentielle Transparenz der unmittelbaren Eigentümerverhältnisse an Medienunternehmen, abgestellt,532 während alternative Formen der Pluralitätssicherung weiterhin unter besonderen Rechtfertigungsvorbehalt gestellt scheinen. Zu kurz gegriffen wirkt es insbesondere, unmittelbares Staatseigentum als entscheidendes Kriterium für möglichen Missbrauch zu bestimmen533 und indirekte Beeinflussungen über Verbindungen privater Eigentümer (seien es „Strohleute“ oder „Medienmogule“)534 mit bestimmten politischen Eliten damit gänzlich auszuschließen, welche gerade naheliegend in entstehenden und verfestigten autoritären Systemen zentrale Immunisierungsfaktoren darstellen können.535
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Vgl. dazu bereits ausführlich Fahrner, Interessenverband, S. 167 (198 ff.). Vgl. Hofmann, Medienkonzentration, S. 113 f. 527 Vgl. RI 2018/1808; COM/2020/790 final, S. 14 ff.; COM/2020/784. 528 Vgl. Vike-Freiberga (u. a.), Medien, S. 4. 529 Vgl. auch §§ 2 II Nr. 14; 78 ff. MStV i. d. F.v. 28. 4. 2020. 530 COM/2020/790 final, S. 20 f. 531 Vgl. exemplarisch COM/2020/790 final, S. 29 ff. 532 COM/2020/790 final, S. 19 ff. m. w. N.; Vike-Freiberga (u. a.), Medien, S. 7, dort auch zur Transparenz von Leitlinien zur redaktionellen Unabhängigkeit, deren Rezeption oder gar dadurch Beachtung in begrenzt-rationaler Realität eher unwahrscheinlich scheint. 533 Vgl. exemplarisch Vike-Freiberga (u. a.), Medien, S. 7 f. 534 Bemerkenswert zu letzterem die Rolle von Rupert Murdoch im Hinblick auf den „Trumpismus“ und „Brexit“ durch die entsprechenden US-amerikanischen Medien sowie die weitgehend beherrsche Britische Tabloidpresse, weiterhin die Rolle von Medienmacht in Verbindung mit politischer etwa unter Berlusconi, in Russland, Tschechien, Ungarn, der Türkei, usw., die noch viel weitgehender politischer Aufmerksamkeit und wissenschaftlicher Analyse bedarf, ebenso wie das Reaktionsverhalten deutscher Politik auf Impulse aus der Gruppe der machtvollen Medienträger v. a. im Inland. 535 Vgl. sogleich unten ee) am Ende. 526
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ee) Das klassische Wettbewerbsrecht verfehlt eine Kontrollfunktion zusätzlich im Sinne des Medienpluralismus. Ohne Sonderregelungen kann marktbeherrschendes oder unredliches Verhalten nur vom wirtschaftlichen Gegenüber oder Konkurrenten, nicht aber von sonstigen Stakeholdern am Medienpluralismus geltend gemacht werden. Mehr noch bleibt es materiell nur an ökonomisch-unternehmerischen Kriterien orientiert und beachtet Erfordernisse der Medien- und Meinungsvielfalt unmittelbar nicht selbst.536 Jenseits der bereits genannten Einschränkungen des § 30 GWB ist namentlich der Missbrauch marktbeherrschender Stellung alleine oder im Kartell bzw. sonst wirklich abgestimmter Verhaltensweise zur einseitigen, machtvollen Beeinflussung der Öffentlichkeit nur an ökonomischer, nicht aber zentraler medial-politischer Wirkung zu messen. Auch aus diesem Grund wird marktökonomisch in autoritären Systemen regelmäßig neben ggf. staatlich unmittelbaren, v. a. aber strikt indirekt beherrschen, Unternehmen ein Randbereich den nicht kontrollierten und kartellierten Medien überlassen, der aber in die dauerhafte absolute politische Bedeutungslosigkeit gedrängt erscheint. In diesem Zustand kann – vor allem innerhalb eines stark semirationalen Systems – weit leichter als im allerdings ebenfalls nicht ausgeschlossenen Verdrängungsprozess beachtet werden, das ökonomische Wettbewerbsrecht nicht auszulösen. Tatsächlich nutzte z. B. maßgebend für viele weitere die russische Regierung unter Ministerpräsident und Präsident Putin statt staatlichen Übergriffen den nach und nach vollzogenen wirtschaftlichen Erwerb der maßgeblichen Medien zunächst im Rundfunk, dann Presse und schließlich Internetanbieter durch nahestehende bzw. indirekt beherrschte Träger in einem erheblichen, aber nicht „totalen“ Umfang, um ihre Herrschaft gegen eine kritische Öffentlichkeit zu immunisieren, insbesondere auch durch Personalaustausch und dessen ökonomische Einschüchterungen und Karriereanreize und daraus folgende indirekte oder Selbstzensur.537 Ihr kam zugute, dass lediglich vier Prozent der Bürger in den Eigentumsverlagerungen eine Relevanz für ihre eigenen Grundrechte erkannten und Proteste daher kurz und unerheblich blieben. Auch hier scheint für autoritäre Abschirmung statt totalitärer Unterdrückung wesentlich, dass, soweit möglich, kein direkter staatlicher Eingriff erfolgt und den „freien“ Medien ein Restbereich belassen wird, der allerdings absehbar nicht zu einer kritischen Öffentlichkeit anwachsen kann. Nur wenn letzteres drohen sollte, würde zu schärferen Maßnahmen gegriffen, die dann allerdings wegen der weithin kontrollierten Öffentlichkeit wiederum überaus erschwert systemrelevante öffentliche Reaktionen hervorrufen könnten, wie etwa bei der Inhaftierung oder ungeklärten Morden an Journalisten oder Systemkritikern – auch weil alternative Öffentlichkeitsformen wie das Internet, weitgehend reguliert und dadurch kontrolliert, ebenfalls ausfallen bzw. stark gedämpft werden, so dass nur vordigitale Protestformen 536
Hofmann, Medienkonzentration, S. 107. Vgl. hierzu, den exakten Mechanismen mit zahlreichen Beispielen und zum Folgenden ausführlich Lipman, Assault, S. 41 (43 ff.); ferner Becker, Russia, S. 57 ff.; Schimpfossl/Yablokov, Coercion, S. 197 ff. mit exemplarischen empirischen Studien. 537
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blieben, die wiederum in den massenmedial und digital ausgerichteten Wahrnehmungen kaum hinreichende Resonanz erzeugen. c) Noch mehr bei den Parteien haben BVerfG und Verfassungslehre der Außenpluralität im freien Wettbewerb vielfältige Beachtung geschenkt. aa) Die Elemente Mehrparteienprinzip, Chancengleichheit und Opposition der FDGO-Enumeration538 spiegeln die Vorstellungen einer Außenpluralität unter den Parteien, die in Art. 21 I (i. V. m. 38 I 1 etc.) GG verfassungsrechtlich verankert ist. Die Vorschrift „sichert die Existenz der Parteien als frei aus dem Volk heraus gebildete, frei miteinander konkurrierende und aus eigener Kraft wirkende Gruppen von Bürgern, die sich außerhalb der organisierten Staatlichkeit zusammengeschlossen haben, um mit eigenen Zielvorstellungen und Programmen auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen“.539 Dass jede Partei nur partielle Interessen, Konzeptionen des Gemeinwohls und Strategien zu dessen Verwirklichung abbildet, ist wesensbedingt; eine Steuerung tritt durch den Erfolg im Konkurrenzkampf ein, wenn dabei Interessen bestimmter Gruppen vertreten werden, die von anderen Parteien nicht gebührend vertreten werden, aber bei der Bildung des staatlichen Gesamtwillens nicht vernachlässigt werden dürfen.540 Als Gegenmodell des „Demokratischen Blocks“ bzw. späteren Nationalen Front der DDR hatte Art. 47 II HChE noch ausdrücklich Blockabsprachen in den Parlamenten für nichtig erklärt, die Betonung der freien Konkurrenz der Parteien in Art. 21 I 1, 2 GG und des Rechts auf Opposition findet hier seine Wurzel.541 Mehrparteiensystem und Chancengleichheit sollen auch als Bestandteile des Prinzips der Gewaltenteilung „in seinem Element der Gewaltenbalancierung“ wirken.542 Aus dem Postulat der formalen Gleichheit im freien politischen Kräftespiel wurde vor allem eine Chancengleichheit der Parteien im streng formalen Sinne gefolgert.543 Im Sinne des Außenpluralismus muss von den politischen Gruppen gerade weder eine Orientierung an einem umfassenden, gar a priori zu bestimmenden Gemeinwohl, noch Akzeptanz irgendeiner tatsächlichen Richtigkeit der Standpunkte anderer Gruppen gefordert werden.544 Allerdings erfordert die friedliche Pluralität zwingend die Anerkennung und das Bekenntnis, dass abweichende Auffassungen, die diese prozedurale Koexistenzbedingung selbst aufnehmen, nicht selbst illegitim sind oder anders als auf friedlichen Weg argumentativ in Frage gestellt werden dürfen.545 538
Vgl. nochmals BVerfGE 2,1 (13); 144, 20 (203). So BVerfG NVwZ 2002, 70; vgl. BVerfGE 20, 56 (101); 73, 40 (85), st. Rspr. 540 BVerfGE 5, 85 (233 f.). 541 Vgl. auch JöR 1 (1951), S. 202 ff.; v. a. durch die zwangsweise Durchsetzung in der SBZ 1948 durch die SMAD. 542 Hesse, Grundzüge, Rn. 157. 543 Vgl. zu ersterem BVerfGE 2, 1 (14 f.); zum weiteren ausführlich oben I. 4., II. 3. 544 BVerfGE 5, 85 (233 f.). 545 Vgl. bereits Radbruch, HdtStR I, § 25 S. 289; daran orientiert BVerfGE 5, 85 (206, 224) mit dem Bekenntnis der freiheitlichen Mehrparteiendemokratie, dass es im Bereich der poli539
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„Gegenüber dem Anspruch einer Partei, die ausschließlich richtigen politischen Ziele zu erstreben oder das ausschließlich richtige politische Verhalten zu zeigen, muss dagegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ihrerseits intolerant sein.“546 Gerade die Parteiendemokratie mit den komplexen Prozessen der Willensbildung und Rückkopplung von Entscheidung vermittelt durch mediierende Akteure lässt sich (außerhalb einfacher theoretischer Modelle) nicht auf einen Dualismus von Regierung und einer Opposition „auf gleicher Ebene“ reduzieren.547 Für die Anforderungen einer FDGO gilt dies erst recht nicht, da etwa Konkordanzdemokratien (oder solchen mit Phasen oder Anlagen dazu, ebenso wie ad hoc-Kooperationen und zeitweise Duldung einer Minderheitsregierung) einzubeziehen sind. Das bloße Fehlen eines solchen Gegensatzes, namentlich auf Ebene der EU, kann daher richtigerweise nicht als Beweis unzureichender demokratischer Voraussetzungen ins Feld geführt werden.548 Der in § 92 II Nr. 3 StGB für die Verfassungsordnung verwendete Begriff der „parlamentarischen Opposition“549 bringt zum Ausdruck, dass sich die effektiven Betätigungschancen von Opposition in die Parlamente erstrecken muss. Dies ist einerseits durch die entsprechenden Abgeordneten-, Gruppen- und Fraktionsrechte abzusichern.550 Andererseits muss sich der Weg als Opposition in die Parlamente gerade in den offenen, freien und gleichen Wahlrechten niederschlagen.551 In diesem Sinn kann die Aufgabe von Oppositionsparteien darin verstanden tischen Grundanschauungen eine beweisbare und unwiderlegbare Richtigkeit nicht gäbe. Das bedeutet, dass auch jeder Partei die Pflicht auferlegt ist, wenigstens die Möglichkeit eines „relativen Vernunftgehalts“ aller politischen Meinungen, die sich ihrerseits an den Rahmen der FDGO halten, anzuerkennen, also dass auch Ziele und Verhalten dieser anderen Parteien gleichwertig und richtig sein können. 546 BVerfGE 5, 85 (224). 547 Insoweit unpassend die anglo-amerikanisch begründeten Demokratietheorien, namentlich Downs, Theorie, S. 10 ff.; Schumpeter, Kapitalismus, S. 448 ff.; vgl. bereits Fahrner, Präferenzoptimierung, S. 133 ff.; zurecht krit. auch Shirvani, Parteienrecht, S. 193 ff. m. w. N. 548 Insofern wegführend jedenfalls BVerfGE 123, 267 (343,358 f.), Zitat S. 308: „Der Vertrag von Lissabon verletze schließlich das demokratische Prinzip wechselnder Mehrheiten. Zum demokratischen Prinzip gehöre der Wettbewerb um politische Macht, also das Wechselspiel von Minderheit und Mehrheit…. Die europäischen Institutionen seien nicht um die Zentralität des politischen Konflikts geordnet. Die Unerkennbarkeit politischer Konfliktlinien führe zu politischer Apathie in Form von Enthaltungen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament.“ Ebd. S. 340 f. sieht das BVerfG das demokratische Gefüge gar gefährdet, wenn „die Bürger nicht mit Mehrheitswillen herrschen können“. Ähnlich ebenso fixiert auf den Kampf von Mehr- und Minderheit etwa aus der Lit. zum Mehrheitsprinzip grundlegend schon, wohl indes durchaus aus seiner NSDAP-Vergangenheit und späteren Opposition geprägt, Friesenhahn, VVDStRL 16 (1958), 9 (16 ff.) auch mit notwendiger Gewährleistung der Opposition; allg. etwa v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 58; vgl. zur Mehrheit bereits ausführlich oben I. 1. 549 Vgl. auch bereits oben B. I. 1. 550 Vgl. etwa Art. 43 ff. GG sowie die breite Rspr. der Verfassungsgerichte zu diesen Rechten, auf die hier nicht im Einzelnen einzugehen ist, vgl. dazu bereits oben II. 4. 551 Vgl. bereits oben insbesondere I. 4., II. 3.
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werden, Wahlalternative und durch Kritik Kontrolle und „Mäßigung“ im Sinn der Deliberation zu schaffen.552 Insofern konkurrieren Parteien primär um Wählerstimmen der Berechtigten bei der Bestellung von Vertretungskörperschaften und Ämtern.553 Sekundär stehen sie im Wettbewerb um vielfältige Formen politischer Beachtung und Einflussnahme, die dem vorgelagert sind, etwa im Rekrutieren von Mitgliedern und Anhängern, Einwerben von Ressourcen und Vermittlung in die Öffentlichkeit.554 Das BVerfG geht erkennbar davon aus, dass letztendlich der Erfolg der Parteien im Wählerstimmenmarkt den politischen „Gesamtmarkt“ reguliert: Gelingt es einer Partei nicht, attraktiv für die Wähler zu sein, wird sie ihr Verhalten entweder erfolgreich anpassen oder bis in die Bedeutungslosigkeit absinken, an ihrer Stelle können dann dafür neue aufsteigen.555 Dadurch werden die Lernprozesse des Marktes als Allokations- und Rückkopplungsmechanismus und letztlich die demokratischen Funktionen der Integration, Abbildung der Pluralität, Fortschritt und Befriedung begründet und gerechtfertigt.556 bb) Daran richten sich die verfassungsrechtlichen Konkretisierungen aus:557 Dabei genießt der Marktzugang als Partei besonderen Schutz durch objektive Normen, v. a. § 2 PartG, die wiederum am Verfassungsrecht des Art. 21 GG zu messen sind, sowie den besonderen prozeduralen Verfahrensabsicherungen gegen Nichtzulassung, etwa § 18 IV 1 Nr. 2, S. 2, 3, IVa BWahlG und Art. 21 II – IV GG.558 Hingegen sieht die Theorie des offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Marktes kein Problem, dass den Staat „innergesellschaftliche“ Beeinflussungen der Machtverhältnisse in und zwischen den Parteien nicht zu interessieren hätten:559 Die Parteien funktionierten als „frei miteinander konkurrierende und aus eigener Kraft wirkende Gruppen von Bürgern“.560 Soweit die Wähler eine undemokratische oder ihren Prinzipien widersprechende Partei durch Stimmenentzug bestrafen könnten, könne der „Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volks … grundsätzlich
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Hesse, Grundzüge, Rn. 169; Friesenhahn, VVDStRL 16 (1958), 9 (16 ff.). Vgl. Shirvani, Parteienrecht, S. 192 ff.; bereits dazu auch Fahrner, Präferenzoptimierung, S. 133 (139 ff.); Downs, Theorie, S. 27 ff.; vgl. auch Hatje, VVDStRL 69 (2010), 135 (139 ff., 155 ff.) mit dem Petitum verschärften Wettbewerbs unter maßgeblicher Berufung auf Schumpeter; Kotzur, VVDStRL 69 (2010), 173 (199 ff.). 554 Vgl. Sarcinelli, Politikvermittlung, S. 273 (285) sowie ebenfalls bereits oben I. 4. Sowie hier 1. b) aa). 555 Zu letzterem ausdrücklich BVerfGE 111, 382 (404 f.). 556 Vgl. bereits Fahrner, Präferenzoptimierung, S. 133 ff.; Shirvani, Parteienrecht, S. 197 f. 557 Vgl. zum Parteienrecht als Wettbewerbsrecht nur Shirvani, Parteienrecht, S. 198 ff.; Köhler, Parteien, S. 47 ff., 61 ff.; Hatje, VVDStRL 69 (2010), 135 (155 ff.) jeweils m. w. N. 558 Vgl. im Überblick etwa Shirvani, Parteienrecht, S. 169 ff. 559 Vgl. bereits oben I. 4. mit den jeweiligen Problemfeldern; hier nur etwa v. Münch/Kunig/ Kotzur, Art. 20 GG Rn. 55 ff. 560 Vgl. noch ausdrücklich BVerfG NVwZ 2002, 70. 553
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,staatsfrei‘ bleiben“.561 Konsequenterweise hat das BVerfG etwa kein Problem darin gesehen, einzelne Personalvorschläge entweder als Ersatzkandidaten oder feste Liste als Gesamtangebot zur Wahl zu akzeptieren, soweit diese Wahl selbst frei abläuft und für den Wähler alle Koppelungen transparent sind.562 cc) Dies scheint in einem perfekt rationalen politischen Markt folgerichtig, ist es aber nicht in einem semirationalen System.563 In ihm gelingt es den Parteien und Eliten, der Sanktionierung der Wähler, indem diese ihre Unterstützung entziehen, mittels Strategien der Beeinflussung vor allem im Rahmen der Öffentlichkeit und eines faktisch oligopolen politischen Wahlmarktes auszuweichen.564 Gleichwohl erweist sich die formale Abwählbarkeit – allen parteilichen Absicherungsstrategien zum Trotz – als ein real gegebenes Mittel friedlicher Ablösung und wirksamer Demokratie, sofern die weiteren Voraussetzungen der Wahl erfüllt bleiben.565 Allerdings gewinnt dieses mit wirksamen Beeinflussungsmechanismen der regierenden Eliten einen umso theoretischeren ultima-ratio-Charakter, vor dem sich Unfriedlichkeit in starkem Maß aufstauen kann. Die Beeinflussung der politischen Märkte der Parteien kann gerade in vielfältiger direkter oder indirekter Weise auch den Aufstieg von Bewegungen begünstigen, die nicht die objektiven Mehrheitsinteressen am Bestand der friedlichen demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsordnung spiegeln. Der freie und faire Wettbewerb der Parteien wird (jenseits eher extremer regulatorischer Eingriffe) durch die ihnen dabei jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen beeinflusst. Dabei stehen einerseits die finanziellen Fördermittel privater Interessen in ihrer Binnen- und Außenwirkung der Partei im Raum, andererseits Verkopplungsstrukturen mit staatlichen Bereichen566 sowie anderen mediierenden Akteuren. Letzteres hat die Parteienlehre bereits mit längerer Tradition problematisiert.567 Unbefriedigend gelöst scheint indes vor allem das Problem der verfälschenden Beeinflussung durch Ressourcen, die durch oder nicht nachvollziehbar über die „innergesellschaftliche“ Sphäre einzelnen Parteien im Wettbewerb zugutekom561
So das „extreme“ Diktum seit BVerfG 20, 56 (99 ff.); vgl. BVerfGE 52, 63 (86 f.); noch BVerfG NVwZ 2002, 70; NJW 2002, 2227; auf die Probleme, dass von einer förmlichen Willensbildung des Volkes nicht gesprochen werden kann, ist oben C., D. I. 3. hinlänglich eingegangen, zu den Problemen der Staatsfreiheit und Neutralität bereits oben I. 3. b) ee), c), 4. 562 Vgl. zuerst BVerfGE 3, 45 (50 f.); 7, 63 (68 f.). 563 In diesem Sinne „naiv“ BVerfGE 111, 382 (404 ff.) mit zust. Bespr. Morlok, NVwZ 2005, 157 f.; vgl. zur Semirationalität namentlich oben D. II. 3., 5. 564 Vgl. zum ganzen auch Folgenden ausführlich bereits oben II. 565 Vgl. namentlich oben II. 1., 2. 566 Das BVerfG hat sich hier unter der problematischen Prämisse der Staatsferne Einzelregelungen namentlich zur Parteienfinanzierung und Öffentlichkeitsarbeit gefunden, vgl. oben I. 4. 567 Vgl. etwa von Arnim, Demokratie, S. 13 ff.; ders., ZRP 2002, 223 (225 f.); ders., DÖV 2007, 221 (223 ff.); Morlok, Rechtsvergleichung, S. 695 (729 f.); weiterhin Shirvani, Parteienrecht, S. 64 ff. m. w. N.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
men.568 Hier bleibt dem Dogma der „Staatsferne“ mit Hesse nur eine hoffnungsvolle Resignation: „Sehr viel schwieriger ist es …, die Freiheit der Parteien vor äußeren Einflüssen nichtstaatlicher Art zu erhalten, obwohl diese Einflüsse bedenklicher sein können als staatliche. Hier versagen rechtliche Sicherungen; es kommt alles auf die eigene Widerstandskraft der Parteien an.“569 Demgegenüber können auch Transparenzvorschriften wie ein Lobbyregister oder offenzulegenden Parteispenden und Eigentumsverhältnissen von Medien bestenfalls eine stark beschränkte Außenwirkung in die Öffentlichkeit bis in die unmittelbaren Entscheidungsprozesse wie Wahlen entfalten, die bereits alleine per se aus Sicht der Außenpluralität weitgehend in doppelter Hinsicht begrenzt ist:570 Einerseits durch das geringe Interesse der Wähler am Einblick in die Transparenz, die für sich genommen stets unter der Relevanzschwelle zu erwarten ist.571 Andererseits auch durch die öffentliche Vermittlung, die wiederum von dazu bereiten und überhaupt selbst von den Wählern wahrgenommenen Mittlern abhängt. Folglich besonders hervorzuheben ist die „egoistisch-symbiotische“ Verbindung zwischen einzelnen Parteien und Medien, die bereits im Ansatz erkannt ist.572 Dabei liegt keine einseitige Dominanz vor: auch parteipolitische Eliten können erhebliche Macht auf Medien entfalten, etwa durch privilegierte oder vorenthaltene Informationen sowie personelle Durchdringungen, etwa durch Medieneigentum oder in Aufsichtsgremien.573 Eine kritische Distanz im Sinn einer unabhängigen Kontrollfunktion der Medien gegenüber den Parteien entlarvt sich häufig als Wunschbild. Im Zusammenwirken können vielmehr besonders gut Öffentlichkeitsagenden bestimmt und politische Kampagnen wirkungsmächtig ausgeführt werden, was von beiden Seiten gerade mit zunehmender Ökonomisierung und „Professionalisierung“ der Parteipolitik genutzt wird.574 d) Insgesamt erweist sich das Vertrauen auf die Außenpluralität mediierender Akteure im Hinblick auf die Resilienz bzw. Vulnerabilität der so mediierten Demokratie als trügerisch. Die besonderen Einschränkungen und Gefahren in den politischen Kontexten werden dabei regelmäßig verkannt, oder es gelingt nicht, diese kohärent in die Modelle einzubauen. Eine Selbstregulierung des „staatsfreien“575 568
Vgl. bereits oben I. 4. a) cc), b), e). So jedenfalls Hesse, Grundzüge, Rn. 174; dem gegenüber zukunftsfähiger scheint der Ansatz vorsichtiger in der Selbstbetroffenheit selbstreflektierende Regelung eines lauteren und unverzerrten Wettbewerbs bei Shirvani, Parteienrecht, S. 199. 570 Auf neben und statt diesen daher weitestgehend (den Akteuren wohl bekannten) symbolischen, damit die Wähler frustrierenden und negativ im Hinblick auf Inklusion und Friedlichkeit wirkenden Handlungen weiteren möglichen Erziehungs-, Disziplinierungs- und Sanktionierungswirkungen nach Innen bzw. durch regulative staatliche Maßnahmen ist anderweitig noch gesondert einzugehen. 571 Vgl. bereits ausführlich begründet oben unter D. II. 3., 5. 572 Vgl. hierzu und zum Ganzen Folgenden hier nur Shirvani, Parteienrecht, S. 183 ff. m. w. N. 573 Vgl. auch BVerfGE 121, 30 (50 ff.).; Schmitt Glaeser, JöR 50 (2002), 169 (180 ff.). 574 Vgl. ausführlich bereits oben D. II. 5. 575 Vgl. zu Parteien auch BVerfG NJW 2002, 2227 m. w. N. 569
III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien
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gesellschaftlichen Marktes im Sinne einer Optimierung anhand der tatsächlichen exogenen Präferenzen „des Volkes“ erfolgt bestenfalls stark eingeschränkt. Statt der Demokratiefunktionen genügender Responsivität und Rückkopplung besteht so ein Raum für zahlreiche erfolgversprechende Mechanismen der Immunisierung politischer und medialer Eliten, die sich als Ausnutzen von Mängeln des Marktmodells deuten lassen.576 Im Bild des Marktes zeigen sich die Interaktionsverhältnisse wenig elastisch, vor allem weil Betroffene die Transaktionskosten als zu hoch für rationales Auswahlverhalten wahrnehmen und daher in ihrer bereits beschränkten Rationalität ohne weiteres beeinflussbar scheinen. So bergen z. B. die für Gegenbewegungen zu Kartellbildungen und meinungsmarktbeherrschenden Stellungen essentiellen Neuzugänge außerordentlich hohe Informationskosten. Das naiv-idealisierende Bild allseits vollrationaler Marktteilnehmer und daraus folgender optimaler Allokation trifft die Realität nicht. Zusätzlich geht das Erfassen der Realität, etwa im Bereich des Pressemarktes, oder aber die Erfassung von einzelnen Wettbewerbsverhältnissen i. w. S. als präzise umfasster Tauschmarkt in die Irre. Daher lässt sich ein Wettbewerb um Wirkung in der Öffentlichkeit nicht mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts für Medienunternehmen gewährleisten. Auf der daraus folgenden Medienmacht aufbauend kann erst recht nicht von einem ohne weiteres selbststeuernden Parteienwettbewerb gesprochen werden. Gerade im Zusammenwirken mit den Medien oder sonstigen erheblichen partiellen Ressourcen finanzieller Art oder Vermittlungshilfen (etwa von Interessengruppen in der Öffentlichkeit) können Parteien gegenüber Konkurrenten in erheblichem Maß Wettbewerbsvorteile erlangen, die nicht aus der Übereinstimmung oder Zustimmung mit einer rational frei handelnden Bevölkerungsmehrheit begründet werden können.577
4. Ergänzungen, namentlich Binnenpluralität a) Da die mediierenden Akteure selbst (politisch wirkende) Kooperationen unterschiedlicher Individuen sind, stellt sich die Frage von Regelungen und Anforderungen ihrer inneren Struktur und Binnenpluralität.578 Während eine solche für die Parteien verfassungsmäßig verankert ist (Art. 21 I 3 GG),579 bestehen für andere organisierten Interessen auf rechtlicher Ebene bislang (neben allgemeinem Organisations- wie dem Gesellschafts- oder Vereinsrecht) keine näheren Regelungen, 576 Vgl. hierzu auch Shirvani, Parteienrecht, S. 197 f. noch in der positiven Erwartung des funktionierenden Außenmarktes. 577 Dies gilt namentlich im Bereich der Parteien (oder sonstiger Interessengruppen), bei denen es besonderer Ressourcen oder „Förderung“ durch andere mächtige mediierende Akteure entweder aufgrund deren Eigeninteressen oder Nutzenerwartung, etwa permanenter Konflikte im Rahmen der Medienlogik bedarf, um vermittelt Aufmerksamkeit und Attraktivität erzeugen zu können; hierin dürfte ein Hauptunterschied der Karrieren der Piratenparteien gegenüber den Grünen in ihrer Anfangszeit, aber auch der AfD liegen. 578 Vgl. etwa Olson, Logik, S. 7 ff.; bereits Fahrner, Bündnis, S. 50 ff. m. w. N. 579 Siehe sogleich unten c).
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gerade im Hinblick auf die politische Funktion. Zeigt sich darin das Maß, in dem die Verfassungsordnung der Funktionserfüllung einer FDGO durch die bloße Außenpluralität vertraut,580 sind die bestehenden Binnenregelungen für Medien (b)) und Parteien (c)) in die Gesamtbeurteilung zu ergänzen. b) Hinsichtlich der Medien kennzeichnet das deutsche Recht – entgegen dem europäischen581 – ein in der Digitalisierung immer schwerer aufrechtzuerhaltender Dualismus rein außen- und primär binnenpluraler Medienformen in ihren Idealtypen der Presse im Privateigentum und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.582 Bei Vorgaben der inneren Meinungsvielfalt (und Vermeidung von übermäßiger Medienmacht wie im privaten Rundfunk) stellt sich die Frage nachhaltiger Einhaltung und Durchsetzung.583 Noch mehr gilt dies für Formen der Selbstkontrolle, bereits anknüpfend nicht an der Vielfalt, sondern Redlichkeit der Berichterstattung, namentlich im Bereich der Presse.584 Die bloße Medienvielfalt und Meinungszahl erscheinen nur notwendig, nicht hinreichend für Pluralität an Meinungen.585 Erst recht lassen sich aus einer Unternehmensvielzahl und der Wirksamkeit unternehmerischer Fusionskontrolle keine zwingenden positiven Korrelationen mit der Meinungsdiversität bilden.586 Insgesamt ergeben sich so hohe Vulnerabilitäten im Hinblick auf den Schutz der FDGO, die auch für mögliche strafrechtliche Regelungen von Belang sind.587 Vorgeschlagene Formen organisatorischer Abschichtung gegen ökonomi580 Sie können auch als Indiz für die – erkannten bis erahnten – Gefahren verstanden werden, dass einer vollkommenen oder nur demokratisch hinreichenden Außenpluralität faktischen Oligopole aufgrund Marktdisparitäten und -besonderheiten, namentlich aufgrund der beschränkten und Semirationalität entgegenstehen. Diese sind im Folgenden nach den je nach Rechtsregime getrennten Markt- und Mittlertypen noch etwas eingehender zu betrachten. 581 Vgl. Art. 10 EMRK, Art. 11 GRCh; dazu etwa Meyer/Hölscheidt/Bernsdorff, Art. 11 GRCh, 18 f.; Stern/Sachs/von Coelln, GRCh, Art. 11 Rn. 40 m. w. N.; die Abweichung liegt im Einheitsmedienbegriff, nicht in der Anerkennung öffentlicher Medien als „duales System“ auch durch das Unionsrecht. 582 Vgl. oben 3. b) aa); für den privaten Rundfunk geht das deutsche Recht im Hinblick auf materielle Anforderungen der Meinungsvielfalt deutlich über das Modell der Presse hinaus, vgl. insbesondere §§ 59 ff. MStV i. d. F.v. 28. 4. 2020. Hinsichtlich außenpluraler Medien, namentlich der klassischen periodischen Druckwerke und digitalen Fortentwicklungen schwanken die Auffassungen zwischen redaktionellen Freiheiten einzelner Redakteure und dem Verweis auf Tendenzrechte der Verleger. 583 Dies vor allem angesichts der „Medienmacht“ im politischen System; beispielhaft sei hier nur verwiesen auf die Geschichte des US-Fernsehens und seiner Regulierung. 584 Auch hier kann nicht weiter eingegangen werden und ist nur exemplarisch auf das Verhältnis der BILD-Zeitung zu Rügen des Presserats hinzuweisen. 585 Hofmann, Medienkonzentration, S. 41 ff.; richtig wird auch im Medienrecht festgestellt, dass zwar Wettbewerb die Qualität (Rechtmäßigkeit von Inhalten) positiv und negativ (Relevanz von Inhalten) beeinflussen kann, dies aber keinesfalls zwingend ist, vgl. Zerback, Vielfalt, S. 321. 586 Hofmann, Medienkonzentration, S. 102 ff. m. w. N.; Maag, Medienkonzentration, S. 9. 587 Aus Sicht des Schutzes der FDGO durch das Strafrecht ist nur die Ausgestaltung des Schutzobjekts und seine Vulnerabilität, wie hier erfolgt, herauszuarbeiten. Dessen „Therapien“ haben nur zu interessieren, soweit sie nicht als unmittelbare Alternative zum ultimativen
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sche Steuerung und Einflussnahme erscheinen in ihrer möglichen Auswirkung auf die vermittelte Meinungsvielfalt begrenzt.588 Die Entkoppelung medialen Handelns von ökonomischen Interessen ist zwar in Wellen zu beobachten, z. B. in „Bürgerzeitungen“ und anderen altruistischen klassischen und digitalen Publikationen, jedoch selten nachhaltig wirkungsmächtig. Als wesentlichste Stütze hat sich bislang, trotz vielfältigstem ökonomisch-politischem „Wettbewerbsdruck“, der nicht-staatliche öffentliche Rundfunk erwiesen. Schließlich kommt der „inneren Redakteursautonomie“ eine erkannte besondere Bedeutung zu, welche der deutschen Rechtsprechung zum Tendenzbetrieb zuwiderläuft.589 Schließlich stünden Ansätze in einer Diversität persönlicher Hintergründe und Persönlichkeiten der einzelnen Medienakteure zur Verfügung.590 Alle diese Ansätze könnten auch die verhängnisvollen Projektionen im Publikationsverhalten darauf, was aus begrenzt rationaler Sicht des Mediums sich bei den Rezipienten „am besten verkauft“, verringern helfen.591 Jedoch ist ihre bisherige und erwartbare Wirkung auch angesichts systeminterner Widerstände beschränkt. Allgemeine Regulierungen zeigen – über den unabdingbaren auch grundrechtlichen Schutz der Medienfreiheit hinaus592 – eine besondere Rücksicht bzw. „Prüderie“ im Umgang mit wirkungsmächtigen unternehmerischen Medien,593 die sich nur teilweise selbst aus dem Postulat des „Marketplace of Ideas“594 begründen lässt.595 Neben dem irreführenden Vertrauen in ökonomischen Außenpluralismus596 kommt daher dem Anknüpfen an die Inhalte der Meinungsvermittlung und „Marktredlichkeit“ die entscheidende Bedeutung zu.597 Strafrecht zwingend geboten scheinen und realistisch verfolgt werden. Beides kann für die unterschiedlichen vertretenen Ansätze verneint werden. 588 Vor allem vor allem ihrer Durchsetzbarkeit in einer FDGO über den öffentlich-rechtlichen Bereich hinaus begrenzt; etwa (bloße) Redaktionsautonomie, z. B. durch Stiftungen oder normative Konzepte, oder interne Aufsichtsgremien zur Gewährleistung von Binnenpluralität; vgl. etwa hier nur exemplarisch den Überblick von Hofmann, Medienkonzentration, S. 107 ff., 202 ff. 589 BVerfGE 52, 283 (296 ff.); diese wiederum gerät seitens des Unionsrechts unter gewissen Rechtfertigungsdruck, vgl. Meyer, Art. 11 GRCh Rn. 16 f. m. w. N. sowie bereits oben 3. b). 590 Zum Problem zu großer Homogenität der Journalistenpersönlichkeiten/-hintergründe vgl. Zerback, Vielfalt, S. 149 ff. 591 Vgl. Hofmann, Medienkonzentration, S. 97 f. sowie bereits oben D. II. 5. 592 Vgl. auch sogleich unten IV. 1. 593 Vgl. etwa die Herausnahme zeitungsähnlicher Medien im MStV arg. e § 2 II Nr. 14 MStV. 594 Vgl. nochmals oben D. II. 1. 595 So erscheint die Konzentration auf die Beschränkungen digitaler Alternativmedien bei Privilegierung oder Ausklammern des besonders potentiell gefährlichen Printbereichs zusätzlich zum bereits mehrfach angeführten Rechtfertigungsdruck digitaler und öffentlicher oder sonst gemeinnütziger Medien durch sowohl ein bestimmtes ökonomischen Paradigma als auch dahinterstehender Markt-, Kontroll- und Machtinteressen mit potentieller eigener Missbrauchsgefahr eher problematisch, erkennbar etwa COM/2020/790 final, S. 27 ff. m. w. N. 596 Siehe oben 3. c), d).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
c) Bei den Parteien ist hingegen seit Gründung der BRD – nicht zuletzt durch Art. 21 I 3 GG – anerkannt, dass allein deren Außenpluralität nicht für die Bewahrung der FDGO ausreicht.598 Parteien können ihre repräsentierenden Mittlerfunktionen in den politischen Prozessen nur effektiv im Sinn der Demokratie ausüben, soweit sie ihrerseits interne demokratische Anforderungen erfüllen. aa) Die demokratische Rückkopplung kann durch die Parteien wesentlich geschwächt werden. Dies ist zuerst dann der Fall, wenn es parteiinternen Eliten gelingt, interne Vorwahlen oder Programmentscheidungen unabhängig von eingetretenen oder erwartbaren Misserfolgen bei Wahlen auf den politischen Märkten entgegen der darin ausgedrückten Mehrheitspräferenzen potentieller Wähler und Anhänger zu beeinflussen und zu entscheiden. (1) An dieser Stelle wirkt sich das deutsche Zweitstimmen- und Listenwahlsystem besonders stark aus: Dem eigentlichen Wähler im Bereich der Außenpluralität ist es nur im Extremfall durch Abwahl der gesamten Partei aus dem konkreten Parlament möglich, bestimmte Funktionsträger zu sanktionieren, wenn dies die Aufstellenden nicht vornehmen. Durch die Mechanismen der Vorauswahl von Kandidaten für „sichere“ Wahlkreise, vor allem aber Listenplätze, kommt dem Maß der Offenheit und fehlenden Immunisierung der parteiinternen „Vorwahlen“ maßgebliches Gewicht zu.599 Für wirksame innerparteiliche Sanktionierung und Opposition sind indes die faktischen Hürden in den Delegiertenversammlungen – auch angesichts der formellen Kombinationsvorschläge und informellen Vorabsprachen – oft so durch die Eliten gesichert und hoch, dass darin von der enttäuschten Parteibasis keinerlei reale Erfolgschance erkannt wird. Noch stärker entkoppelt wird der Rückbezug der Listengewählten, je mehr sie für die Wiederwahl nach parteiinternen förmlicheren Quotierungen oder informellen Absprachen faktisch alleine von kleineren abgegrenzten Gruppen in der Partei auf „quasisicherem Listenplatz“ abhängig sind, so dass das Modell der Rückkopplung in ganz partielle Kanäle zerfällt, die wiederum besonders leicht beeinflusst werden können. Echter demokratischer innerparteilicher und damit genereller „Elitenaustausch“ oder Fluktuation sind so kaum zu beobachten, vielmehr begründet sich ein Eindruck einer in sich immunisierten „politischen Klasse“.600 Ähnliches gilt für die programmatische Ausrichtung der Partei, vor allem, wenn es um Anpassungen von Grundrichtungen, wie auch in Details und v. a. 597
Vgl. hier etwa für die Ebene der Union COM/2020/790 final, S. 22 ff. auch zum Folgenden. 598 Vgl. etwa Morlok, NVwZ 2012, 913 (914); Hillgruber, HdbGR III, § 118, Rn. 35, 44 f. 599 Vgl. nur besonders plastisch exemplarisch von Arnim, ZRP 2002, 223 (228 f.); ebenso zurecht kritisch Hatje, VVDStRL 69 (2010), 135 (157 f.) m. w. N.; aus diesem Grund sind die aus Sicht politischer Eliten überauswünschenswerte Absicherung durch das Bestehen und die Ausweitung des Listenwahlsystems etwa in Baden-Württemberg, im Hinblick auf die FDGO überaus kritisch anzusehen; weiterhin Hillgruber, HdbGR III, § 118, Rn. 44 ff. 600 Vgl. von Beyme, Klasse, S. 30 ff.; Shirvani, Parteienrecht, S. 121 ff. mit Erklärungsansätzen, sowie die Beiträge bei v. Arnim, Klasse; grundlegend aus der Psychologie der Masse, Führerschaft und Bürokratie, Michels, Parteiwesen, S. 464 ff. pasism.
III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien
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Reichweite von einzelnen Programmpunkten geht. Dazu sind sämtliche Taktiken der Semirationalität in Anrechnung zu bringen:601 Etwa können durch das Zusammenwirken mit Medien oder organisierten Interessen Ressourcen602 genutzt oder die rationale Freiheit der Parteimitglieder beeinträchtigt werden. Missliebige innerparteiliche Opposition kann etwa durch Öffentlichkeitskampagnen oder Verletzungen der informatorischen Freiheiten diskreditiert und ausgeschaltet werden.603 Aus den zu beobachtenden Praktiken scheinen hier besonders in Anfangsstadien defizitärer Demokratien häufige Angriffspunkte der Immunisierung gegen Abwahl zu liegen.604 (2) Mit der bereits von Weber prominent festgestellten, jedoch auch geradezu kontinuierlich steigenden Karriereorientierung605 und -bedeutung innerparteilichen Erfolgs ist die Zunahme der existenziellen Strategien gegenüber intrinsischen oder extrinsischen Korrektiven zu erwarten, d. h. „um praktischen jeden Preis Ämter zu erhalten“.606 Es gelten insoweit die paradigmatisch seit langem diskutierten und festgestellten „Gesetze der Oligarchie“ in Parteien.607 Durch frühe Absonderung von Berufsfunktionären und -abgeordneten namentlich in Organisationen der „Parteijugend“ sowie deren exzessives internes und externes „Coaching“ entsteht eine frühe und prägende Ablösung von der Parteibasis mit spezifischen, (semi-)rationalisti-
601 Vgl. oben D. II. 2. 3., 5.; vgl. hier auch Dorn, Verfassungssoziologie, S. 53; Fraenkel, Demokratien, S. 176 f. 602 Für finanzielle Fremdressourcen vgl. instruktiv Shirvani, Parteienrecht, S. 391 ff. 603 Besonders schwierig scheinen die Grenzen legitimer interner Koalitionsbildung, vgl. Shirvani, Parteienrecht, S. 208 ff. m. w. N. gegenüber mehr oder weniger ausgefeilten Methoden des Microtargeting auch mit Relevanz für die informatorische, rationale, ressourcenmäßige oder gar regulatorische Freiheit der Betroffenen; vgl. für erstere nur beispielhaft der Datenschutzskandal SPD Baden-Württemberg, dazu nur https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ datenaffaere-bei-jusos-baden-wuerttemberg-aktivitaeten-unter-der-decke-a-1252256.html; https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfdi-baden-wuerttemberg-verhaengt-bussgeldgegen-frueheren-juso-landeschef/. 604 Vgl. nochmals oben D. II. 5. 605 Vgl. Weber, Beruf; auch etwa Steffani, ZParl 1988, 549 (550). 606 Dies gilt, soweit diese Prägungen dominieren gegenüber den früheren der z. B. sozialistischen Ideologie und daraus folgenden Parteidisziplin sowie dem lediglich ergänzenden Parteiinteresse beim Engagement von „Honoratioren“; die Funktionäre der Partei zeigen sich stattdessen durch ihre nur dadurch wirtschaftlich und sozial gesicherte Existenz in ihrem politischen Verhalten geprägt von Karriere-Spoiling, wirtschaftlichen Beieffekten und Durchlaufstadium weiterer Karriereplanung im politischen oder ökonomischen Bereich, vgl. nur ähnlich bereits Weber, Beruf, S. 7 ff. et passim; Habermas, Öffentlichkeit, S. 305; Kirchheimer, AöR 79 (1954), S. 310 (307 ff.); ders., Party, passim; historisch und aktuell empirisch für die USA Riccucci/Naff/Fox Freyss, Government, S. 61 ff.; Cox/Buck/Morgan, Administration, S. 91 ff. 607 Vgl. grundlegend Michels, Parteiwesen, S. 351 ff., passim; vgl. dazu Hacke, Existenzkrise, S. 204 ff.; weiterhin Ostrogorski, Democracy I, S. 367 ff.; Duverger, Partis; Shirvani, Parteienrecht, S. 205 f.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
schen Abhängigkeiten statt habituierter kollektiver Verbundenheit.608 Die Professionalisierung „der Parteien“ durch interne und externe Beraterstäbe ihrer Eliten geht damit parallel,609 ebenso wie eine innere Entfremdung von Parteibasis und -eliten bei allen umso mehr beschworenen Gemeinsamkeiten und schließlich deren Entfallen als Transmission und Seismograph der Stimmungen der Wählerschaft.610 (3) Folglich entfernen sich die faktischen Prozesse der Meinungsbildung umso stärker von der Fiktion einer „Willensbildung aus dem (Partei-)Volk in und durch die Parteien“.611 Die bereits zuvor komplexen Prozesse von innerparteilichen Vorschlägen und deren diskursive Ausarbeitung in Abstimmung mit Eliten, Beratung und Basis bis zum Wahlangebot wandelt sich in den Verkauf des durch Eliten und Beratung isoliert von der (stark überspitzt) „naiven“ oder gar „dummen Basis“ erarbeiteten Entwürfe an diese zur Approbation und zu derem weiteren, zur professionellen Wahlwerbung allenfalls sekundären Verkauf in die Wählerschaft.612 In den Medien wird Diskussion unter der Eigenlogik zum Konflikt, zur Uneinigkeit, Ineffizienz und Unfähigkeit hochgespielt, nicht stets, aber nicht selten in Zusammenwirken mit den Parteieliten als Mittel der Disziplinierung der Parteibasis und -opposition. Am wirksamsten erscheint – auch in regelmäßigem heutigen selbstverstärkenden Mediennarrativ und -logik – jene Partei, die lediglich als WahlkampfWerbemaschine ohne aktiv partizipierende Mitglieder und Deliberation funktionieren würde.613 Durch das Zwischenschalten externer Beratungen mit oft eigenen Vorprägungen und Interessen, einen Kreislauf des immer weiteren Vertrauens auf diese und die eigene Immunisierung wird nicht nur der eigene Wahlerfolg und die politische Bedeutung gefährdet, sondern gerade die Grundprinzipien der Demokratie und ihrer Friedlichkeit.614 Letzteres gilt auch dann, wenn durch professionelle Marketingtechniken vorübergehende Wahlerfolge verbucht werden können, die allerdings als Einschränkungen rationaler Freiheit in der Bevölkerung zunehmend erahnt und als Ohnmacht frustrierend empfunden werden.615 Besonders deutlich 608 Vgl. zur Rationalisierung und Kriterien insbesondere Borchert, Professionalisierung, S. 168 ff., 202 ff.; allg. auch Habermas, Öffentlichkeit, S. 303; vgl. zum Ganzen bereits ausführlich oben D. II. 5. 609 Vgl. dazu etwa die Nachweise bei Shirvani, Parteienrecht, S. 95 ff. 610 Vgl. ähnlich Shirvani, Parteienrecht, S. 98 f. m. w. N. insbesondere in Fn. 146 überzeugend am Beispiel der „Netzwerk-SPD“ seit 1998. Die aus der längsschnittigen Korrelation plausiblen Kausalität zum Niedergang der Bedeutung und Wahlerfolge der SPD daraus liegt nahe, bleibt jedoch weiterer Forschung vorbehalten. 611 Vgl. nochmals oben D. II. 5. 612 Insoweit durchaus in Übernahme der Prinzipien der ökonomischen Demokratietheorie nach Downs, Theorie, vgl. bereits Fahrner, Bündnis, S. 50 ff., 87 ff.; ders., Präferenzorientierung, S. 133 (139 ff.). 613 Kitzinger, Wahlkampf, S. 67 f.; danach auch Habermas, Öffentlichkeit, S. 312; Plank, Kampagnen, S. 65 (69 ff.); Gerster, Botschaften, S. 97 ff. und besonders Althaus, Kommunikationsmanagement, S. 119, 127; dazu auch Shirvani, Parteienrecht, S. 251 f. 614 Vgl. auch Shirvani, Parteienrecht, S. 116 ff. 615 Zur Friktion der Rückkopplung Shirvani, Parteienrecht, S. 250 ff.
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erscheint dabei nicht das Niveau der Diskursbeteiligung „von unten“, welches sich in allen Parteien unterschiedlich darstellt, entscheidend, sondern der reale Schwund und das Element der Simulation: Ist einmal dieser Zustand erreicht oder der „Verkauf enttarnt“, erscheint es bei allen, ggf. aufrichtigen, Anstrengungen, erneut in einen offenen Diskurs zurückzutreten, überaus schwer, politisches Vertrauen als „Kapital“ zurückzugewinnen.616 Auch hier ergeben sich aus Sicht der Fragestellung nicht jene nach theoretischen und realisierbaren Lösungsansätzen, sondern der Bedeutung für die Vulnerabilität und Sicherung der FDGO. bb) Als verfassungsrechtliche Anker setzen dem Art. 21 I 3, 4 GG Gebote innerparteilicher Rückkopplung und Transparenz entgegen. Daraus folgerte bereits Leibholz, dass den immanenten oligarchisch-autoritären Herrschaftstendenzen in den Parteien staatlich begegnet werden müsse.617 Insoweit erweisen sich die Befürchtungen, die zu Art. 21 I 3, 4, II ff. GG geführt haben, als weiterhin begründet. Bereits die Antragsfassung dazu im Parlamentarischen Rat zeigte insoweit Problembewusstsein zu Gefahren durch oder für die Parteiendemokratie: „Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen und durch Offenlegung der Finanzquellen gegen undemokratische Einflüsse gesichert sein.“, wodurch bei letzterem eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit beabsichtigt war.618 Der innerparteilichen Demokratie kommt angesichts der Tendenzen zur Immunisierung und Unterbrechung der demokratischen Rückkopplung gerade in den Vorentscheidungen der Parteien besondere Bedeutung zu. (1) Art. 21 I 3 GG bedeutet zunächst eine explizite Absage an autoritär geführte Parteien, die lediglich im Außenverhältnis einen Wettbewerb mit anderen dulden.619 Entgegen gewisser begrenzter Pluralismustheorien620 hatte bereits Kelsen darauf hingewiesen, dass auch Entscheidungen innerhalb der Parteien als Teil der Willensbildung der Gemeinschaft zu demokratisieren seien.621 Das Demokratieprinzip würde in mehrfacher Hinsicht innerlich widersprüchlich, wenn die Parteien ihre Entscheidungen nicht demokratisch finden sollten:622 Symbolisch können Parteien nicht in ihrer Mittlerfunktion für die Demokratie stehen, wenn sie selbst diese nicht leben. Real sind die Funktionen der FDGO nur zu erreichen, wenn über die Parteien
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Wie insoweit die hohen Aufwände der SPD Ende der 2010er zu deuten sind, ist weiter wissenschaftlich zu klären. 617 Leibholz, Strukturwandel, S. 124 ff. m. w. N. auch zur Empirie dieser Tendenzen, darunter namentlich bereits grundlegend Michels, Parteiwesen, S. 21 ff., 54 ff., 98 ff. 618 Antrag ParlR Drs. 815 v. 5. 5. 1949 Abg. Brockmann (Zentrum), umformuliert durch Antrag Zinn (SPD) Drs. 847 v. 8. 5. 1949 vgl. dazu JöR 1 (1951), S. 207. 619 Vgl. grundlegend bereits die Ausführungen von BVerfGE 2, 1 (45 f.). 620 Vgl. Fraenkel, Pluralismus, S. B10 ff. insbesondere zu Laski, Sovereignty, S. 208, 274; ders., HLR 29 (1915/16), 404 (416 ff.), ders., CLR 15 (1948), 575 unter Berufung auf Cohen, vgl. zum Ganzen bereits oben C. III. 2. b). 621 Kelsen, Wesen, S. 39. 622 Vgl. nur Sachs/Ipsen/Koch, Art. 21 GG Rn. 5.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
eine entsprechende Partizipation mit Erfolgschance nicht ausgeschlossen scheint.623 Es ist innerhalb einer offenen und freien botton-up-Demokratie generell, ebenso wie für eine Partei zum eigenen dauerhaften Erfolg objektiv rational, Binnenpluralität zur eigenen Anpassung und Responsivität zu nutzen, statt zu einer Versteinerung einzelner Binneneliten und -ansichten zu gelangen.624 Weitergehend hat die mögliche effektive Mitwirkung in den Parteien und der Eindruck davon für die Akzeptanz des demokratischen Systems bei geringen formalen plebiszitären Elementen zentrale Bedeutung.625 (2) Besonders zu schützen sind damit die Prozesse der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in den Parteien, so dass diese sich – wenn nicht formal als „bottom-up“, so doch – mit hoher Rückbindung und Diskurscharakter vollziehen.626 Sie werden konkretisiert in den Mitgliederrechten im PartG,627 namentlich auf Information, Meinungsäußerung, Rede und Anträge sowie Wahlvorschläge.628 Derart formal verankert sind etwa das gleiche Stimmrecht (§ 10 II PartG), periodische Wahlen und demokratische Willensbildung (§§ 11 ff. PartG), Verantwortlichkeit (§ 9 V PartG) sowie der materielle oder prozedurale Schutz vor willkürlichem Ausschluss (§§ 10 IV, V, 14 PartG). Auf die Vorwahlen erstrecken sich die Vorwirkungen des generellen Wahlrechts,629 etwa bei der Ladungsfrist der Nominierungsversammlung,630 bei der es sich um das ordnungsgemäß nach dem Gesetz bestellten Wahlorgan handeln muss.631 Richtigerweise ist der Aufstellungsakt einer Liste eine Einheit, die auch nach einheitlichen Regelungen in einem zeitlichen und räumlichen diskursiven Zusammenhang erfolgen muss.632 Zwar ist gesetzlich ausdrücklich nur das Wahlgeheimnis 623
Gerade bei begrenzt effektiver Außenpluralität liegt darin ein möglicher Beitrag gegen Frustration und Unfriedlichkeit; vgl. für die allg A. etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 175; MDKlein, Art. 21 GG Rn. 331; MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 148. 624 Zwar wird damit nicht die Offenheit und Wechselbeziehung der Partei nach außen umfasst, jedoch können im Wege der Integration durch ein effektives Rückkopplungsverhältnis zwischen Parteieliten und Basis breite Impulse aufgenommen werden, vgl. Niclauß, Parteisystem, S. 224 ff.; Shirvani, Parteienrecht, S. 207. 625 Fraenkel, Demokratien, S. 202 f.: „Der Bestand der Demokratie im Staat hängt ab von der Pflege der Demokratie in den Parteien. Nur, wenn den plebiszitären Kräften innerhalb der Verbände und Parteien ausreichend Spielraum gewährt wird, kann eine Repräsentativverfassung sich entfalten.“ 626 Vgl. Shirvani, Parteienrecht, S. 207 ff. 627 Hesse, Grundzüge, Rn. 175. 628 Vgl. hier nur Shirvani, Parteienrecht, S. 208. 629 Vgl. grundlegend BVerfGE 89, 243 (251 ff.). 630 OVG Münster NVwZ-RR 2016, 925. 631 LG Saarbrücken Urt. v. 1. 6. 2017 – 15 O 78/17, BeckRS 2017, 115875. 632 Vgl. auch SächsVerfGH, NVwZ 2019, 1829 (1835 f.), zust. Brade, NVwZ 2019, 1814 (1818) m. w. N.; kaum dogmatisch insoweit nachvollziehbar hingegen Schönberger/Schönberger, Demokratische Tragödie in Sachsen, Beitrag vom 9. 7. 2019, https://verfassungsblog.de/ demokratische-tragoedie-in-sachsen/.
III. Mediierende Akteure: Medien, Verbände, Parteien
221
sowie Vorschlags- und Vorstellungsrecht gefordert.633 Die entscheidende Gefahr der Verfälschung des demokratischen Charakters der eigentlichen Wahl kann bereits in ihrer Grundlage durch Missachtung elementarer anderer Regeln der Parteien bei der Wahl der Vertreterversammlung oder der Wahlkreis- und Listenkandidaten verursacht werden.634 Daher ist die Einhaltung eines Kernbestandes an Verfahrensgrundsätzen, ohne den ein Kandidatenvorschlag schlechterdings nicht Grundlage eines demokratischen Wahlvorgangs sein kann, geboten. Dieser drückt sich vor allem in den ausdrücklichen Regeln des Wahlrechts (v. a. §§ 21, 27 BWahlG) aus. Ereignen sich hingegen bei der Kandidatenaufstellung der Parteien Verstöße gegen Regeln, die nach diesem Maßstab nicht elementar sind, so liegen keine Wahlfehler im Sinn des (Außen-)Wahlrecht vor. Allgemein müssen bei innerparteilichen Wahlen (v. a. für leitende Funktionsträger der Parteien selbst) freie Wahlvorschläge möglich sein und konkurrierende Listenvorschläge erörtert werden; deshalb muss das diskursive Moment bei den Debatten hinreichende Verwirklichung finden.635 Die Wahlen selbst müssen demokratischen Grundsätzen genügen.636 Der Gleichheitsgrundsatz verlangt für alle abgegebenen Stimmen den gleichen Zählwert und bei Verhältniswahl Erfolgswert (vgl. auch § 10 II 1PartG).637 Er verbietet bestimmte Wählergruppen nach Bildung, Religion, Vermögen, Klasse, Rasse oder Geschlecht, nach der Art der politischen Meinung, für die sich der Wählende entschieden hat, oder nach sonstigen Kriterien, die außerhalb des Wahlsystems liegen und sich auch nicht aus zwingenden Erfordernissen eines geordneten Wahlverfahrens ergeben, unterschiedlich zu behandeln.638 (3) Die innere Autonomie der Parteien gegenüber staatlichem Zugriff rechtfertigt das Zurücktreten der staatlichen Gerichtsbarkeit gegenüber der parteiinternen Befriedungsfunktion durch die entsprechenden Organe einschließlich demokratischer 633 § 21 III BWahlG, § 17 PartG auch nur für die Geheimheit; vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfGE 89, 243 (252 ff.). 634 Vgl. oben aa). 635 Vgl. grundlegend BVerfGE 47, 253 (282); 89, 243 (251 f.); ferner Huber, DÖV 1991, 229 (230); v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 51; zur Problematik von Quotenregelungen, etwa Frauenquoten Degenhart, StaatsR I, Rn. 86. 636 Vgl. oben bereits 1.; namentlich die Wahlfreiheit bedeutet, dass jeder Wahlberechtigte sein Wahlrecht ohne Zwang und sonstige Beeinflussung von außen ausüben kann und dadurch instandgesetzt wird, eine seiner Überzeugung entsprechende Wahlentscheidung zu treffen, vgl. hierzu ausdrücklich BGHZ 106, 67; NJW 1974, 183; sowie ausführlicher oben I. 3., II. 3. 637 Vgl. ebenso BGHZ 106, 67; NJW 1974, 183 unter Verweis auf die allgemeinen Wahlgrundsätze bei BVerfGE 1, 209 (244 ff); 7, 63 (70); 13, 243 (246); 16, 130 (139), dazu oben I. 4. 638 Besondere Gestaltungen des Wahlrechts durch Satzung, die diesen Grundsätzen genügen, sind indes nicht verboten; vgl. zum Ganzen namentlich BGHZ 106, 67; NJW 1974, 183 unter Verweis auf Henke, Parteien, S. 87 f.; zur Problematik von Quotenregelungen, etwa Frauenquoten Degenhart, StaatsR I, Rn. 86.; sowie allgemein BVerfGE 6, 84 (91); 15, 165 (166 f.).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Mitgliedergremien und rechtsstaatlich orientierter Schiedsgerichtsbarkeit.639 Auch materiell wird die Kontrolle auf Plausibilitäten und einen äußeren Rahmen der Autonomie im Sinn einer Missbrauchs- und Evidenzkontrolle zurückgenommen, mithin, ob eine gesetzwidrige, satzungswidrige, sittenwidrige oder offenbar unbillige Maßnahme vorliegt.640 Dahinter bleibt der nur zurückgenommene Justizgewähranspruch gegen den Staat bestehen, insbesondere, wenn Rechtsschutz nicht effektiv durch die parteiinternen Verfahren gewährleistet wird, etwa dem Betroffenen das Beschreiten des vereinsinternen Rechtsmittelweges unzumutbar ist oder wenn durch den Gegner bzw. durch eine Vereinsinstanz die Entscheidung in oberer Instanz böswillig verzögert oder verhindert wird.641 Gleichwohl erscheint eine wirksame Ahndung von Verstößen aufgrund des grundsätzlich erforderlichen reinen Zivilrechtsschutzes und damit Erfordernis eines Klägers eine strukturell unwahrscheinliche Ausnahme. Einen solchen Kläger aus einer Minderheitenposition innerhalb der Partei treffen stets der Vorwürfe der Verletzung einer Parteisolidarität, wenn nicht Parteischädigung nach außen. Auch wenn diese wiederum keine rechtlichen Parteisanktionen rechtfertigen, führen sie regelmäßig zur zukünftigen faktischen Diskreditierung und Diskriminierungen des „Nestbeschmutzers“. Eine wirksame Kontrolle außerhalb des Strafrechts verspricht damit alleine die Vorwirkung des öffentlichen Wahlrechts,642 freilich auch nur bei einem tauglichen Anfechtungsberechtigten643 oder durch die staatliche Wahlaufsicht (dann in aller Regel notwendig offenkundig) festgestellten Verstößen.644 Auch die indirekte Sanktionierung (fahrlässig) falsch bescheinigter Verfahrensfehler beschränkt sich nur auf die zentralsten Aspekte (etwa §§ 21 III 1 – 3, VI, 27 V BWahlG; §§ 34 V Nr. 3, 39 IV Nr. 3 BWO), mithin Vorschlags- und Vorstellungsrecht, geheime Wahl sowie Inkompatibilität.645 Andere Verstöße können etwa bei Verletzung der regulatorischen Freiheit nach §§ 240 f. StGB, der informationellen lediglich als Ordnungswidrigkeit646 sanktioniert werden. 639 Vgl. BVerfG NJW 2002, 2227; OLG Naumburg Beschl. v. 30. 9. 2014 – 1 W 26/14, BeckRS 2015, 3597. 640 Vgl. BVerfG NJW 2002, 2227; grundlegend BGH, LM § 35 BGB Nr. 2; weiterhin BGHZ 75, 158 (159); NJW 1994, 2610 (2611); KG NJW 1988, 3159; OLG München, SchiedsVZ 2016, 346. 641 Vgl. KG NJW 1988, 3159 m. w. N.; OLG Saarbrücken Urt. v. 12. 7. 2017 – 1 U 80/17, BeckRS 2017, 120087. 642 Vgl. grundlegend BVerfGE 89, 243 (254 f.); VerfGH SN, LKV 2006, 270; NVwZ-RR 2012, 169; 2019, 1829 (1837); LVerfG HH, Urt. v. 4. 5. 1993 – 3/92; VerfGH BE, NVwZ-RR 2003, 397. 643 Regelmäßig unter Beachtung der Parteischiedsverfahren, vgl. LG Saarbrücken Urt. v. 1. 6. 2017 – 15 O 78/17, BeckRS 2017, 115875; AG Königswinter Urt. v. 4. 4. 2014 – 3 C 40/14, BeckRS 2014, 8948 m. w. N. 644 Vgl. etwa OVG Münster NVwZ-RR 2016, 925. 645 Dies hat bereits BVerfGE 89, 243 (254) moniert und dem Gesetzgeber eine Erweiterung dringend angeraten. 646 Etwa § 41 BDSG i. V. m. Art. 83 IV VO 2016/679.
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
223
(4) Die einzige wesentliche Ausnahme entwickelt sich immer stärker am finanziellen Transparenzgebot nach Art. 21 I 4 GG in §§ 6 II Nr. 12; 23 ff. PartG.647 Als Endziel soll dadurch zwar verhindert werden, dass „anonyme Finanzkräfte das Wirken der Parteien steuern“.648 Allerdings kann Transparenz das Verhalten selbst nicht unmittelbar verhindern, nur sanktionieren und dadurch abschrecken. Das wiederum könnte zunächst dadurch sichergestellt sein, dass eine im freien Wettbewerb durch Einzelinteressen gegen breite Wählermehrheiten beeinflusste Partei von diesen nicht mehr gewählt würde, und so zwischen derartigen Mitteln und der Wählerakzeptanz austarieren würden.649 Ebenfalls sollte sie für Transparenz innerhalb der Parteien vor Personal- und Sachentscheidungen sorgen. In letzterem erneut vor das Nestbeschmutzer- und insgesamt das Vermittlungsproblem in die Öffentlichkeit gestellt, erwiesen sich die Regelungen – jenseits einzelner ermöglichter, jedoch grundsätzlich chaotisch-unsteuerbarer medialer „Skandalisierungslawinen“ – als typischer Trugschluss im Vertrauen auf rationale Wähler und Öffentlichkeiten, die auch die weitgehende Wirkungslosigkeit von Parteispenden- und Lobbyregistertransparenz zeigen.650 Indes kommt der besondere Glauben an die finanzielle Transparenz durch ihre wesentliche Alleinstellung zum Ausdruck, die sich in staatlichen (§§ 31a ff. PartG) und unmittelbaren strafrechtlichen Sanktionen (§ 31d PartG) zeigt.651 Hier sind, wie eingeschränkt im Bereich der sonstigen Spenden, sowie weit dahinter der Nebentätigkeiten und des sonstigen Lobbyismus, wirksame Durchsetzungsregelungen jedenfalls im Grundsatz vorhanden, auch wenn diese erkennbar immer weiter fortzuentwickeln waren.652
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO 1. Grundrechtlicher Schutz demokratischer Meinungsbildung a) Überblick und Abgrenzung Der Schutz der demokratischen Prozesse gegenüber Einwirkungen staatlicher Stellen beschäftigt das Verfassungsrecht in vielfältiger Hinsicht. Das BVerfG ori647 BVerfGE 111, 54 (83 ff.); Badura, Staatsrecht, Rn. D23; vgl. hierzu und zum Folgenden etwa auch Shirvani, Parteienrecht, S. 391 ff. 648 Hesse, Grundzüge, Rn. 179. 649 Dazu und zum Folgenden die Vorstellung des BVerfG exemplarisch in BVerfGE 52, 63 (86 f.). 650 Vgl. dazu bereits oben 3. c), d). 651 Vgl. etwa Koch, ZfPart 26 (2020), 1 ff. 652 Wie bei der Lobbytransparenz scheint zweifelhaft, ob der Wettlauf neuer Umgehung und Regelung zugunsten letzterer abgeschlossen werden kann. An den grundsätzlichen Problemen der Folgen aus einer vorliegenden Transparenz (oder wirksamen Umgehung) ändert dies allerdings nichts, so dass darin im realen Verfassungssystem die gegenüber der Symbolik weit zurücktretende Bedeutung erkennbar wird.
224
E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
entiert sich nach dem Prinzip der lex specialis vorrangig an den konkreten klassischen Grundrechten, soweit ein staatliches Verhalten als Eingriff zumindest im modernen Sinn betrachtet werden kann (hier sogleich weiter (b) und c)), daneben an den gleichgeordneten Rechten aus Art. 28, 38 und 21 GG und nur ergänzend an den allgemeinen Demokratieprinzipien. Dabei zergliedert sich die Dogmatik vor allem im Hinblick auf die „rechtliche und politische Art“ der einwirkenden Maßnahme, unter letzteren namentlich Kundgaben in die Öffentlichkeit (unten 3.). Den „rechtlichen“ exekutiven, legislativen und judikativen Maßnahmen (auch sogleich 2.) liegt ein vertikales Verhältnis ohne Weiteres zugrunde, ihre Reichweite ist damit durch die bekannten Mechanismen, namentlich die Verhältnismäßigkeit begrenzbar und demgegenüber zu rechtfertigen. Auch im Hinblick auf den status activus tritt der Freiheitsgedanke des jeweiligen Grundrechtsträgers in den Vordergrund.653 Insgesamt zeigt sich jedoch eine Doppelnatur zwischen menschenwürdiger Selbstentfaltung und kollektiven Erkenntnis- und Meinungsbildungsprozessen.654 Bemerkenswert ist hier das Dogma, welches die Rechtsprechung des BVerfG bis heute fortprägt und dessen Fundament in BVerfGE 20, 65 verankert werden kann: „In einem demokratischen Staatswesen muss sich insbesondere die Willensbildung des Volkes frei, offen und unreglementiert vollziehen… In einer Demokratie muss sich diese Willensbildung aber vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen. Die Staatsorgane werden durch den Prozess der politischen Willensbildung des Volkes, der in die Wahlen einmündet, erst hervorgebracht (Art. 20 Abs. 2 GG). Das bedeutet, dass es den Staatsorganen grundsätzlich verwehrt ist, sich in Bezug auf den Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu betätigen, dass dieser Prozess also grundsätzlich ,staatsfrei‘ bleiben muss.“655 Ohne dass es dafür eine Begründung liefert, postuliert das Gericht, dass es einen in „Einbahnstraßenform“ verengten Prozess der Bildung „des (einen, einheitlichen) politischen Willens des Volkes“ in einer strikt getrennten politischgesellschaftlichen Sphäre gebe, der dann in die staatliche wechsle.656 Auch wenn das Gericht bis in die Gegenwart immer weiter den komplexen, vieldimensionalen Interaktionscharakter der Demokratie wahrnimmt, basiert sein normatives Konzept weiterhin auf dieser „Einbahnstraße“.657 Teilweise beruft es sich dabei wenig
653
Beachtlich zur Willensfreiheit und Determinismus bei der Grundrechtsdefinition namentlich Wolff, JZ 2006, 925; bereits zuvor etwa Thoma, Grundrechte, S. 183 ff., 198 ff. zu einer dogmatischen Herleitung der Grundrechte aus der Freiheit; allgemein grundlegend gerade auch mit engem Bezug zur individuellen Freiheit Jellinek, Staatslehre, S. 419 ff. 654 Vgl. etwa Zerback, Vielfalt, S. 15 ff.; Schmidt, Demokratietheorien, S. 227 f.; Popper, Society, S. 352. 655 BVerfGE 20, 56 (98) Rn. 136. 656 Vgl. zum politischen Volkswillen und seiner „Vorbildung“ namentlich BVerfGE 8, 104 (112 f.) sowie insgesamt bereits oben C. und D. I. 1. b) mit folgender Kritik c) und 2., 3. 657 Vgl. bereits oben D. I. 3. b) sowie etwa E. I. 4. b), c) aa).
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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überzeugend auf Art. 21 I 1 GG.658 Bemerkenswert ist dies, da die eigentliche Wurzel, auf die seine Belegstellen zurückführen, jene der FDGO-Definition der KPD-Entscheidung war, in welcher der Staat die geistige Freiheit positiv „gewährleisten“ sollte.659 Später hat am gegenteiligen Dogma auch die diagnostizierte „pluralistischen Strömung“ im Gericht, namentlich in der von ihr auffallend geprägten Brokdorf-Entscheidung (BVerfGE 69, 315), nicht gerüttelt.660 Vielmehr hat sie, ohne die Prinzipien gesicherter Regeln zur Bewahrung eines fairen und optimierenden Diskurses etwa bei Fraenkel zu bedenken,661 die Idee einer „ursprünglichungebändigten unmittelbaren Demokratie“ übernommen,662 hinter der das bisherige Modell gut fortwirken konnte. Die Entscheidung geht mithin optimistisch davon aus, in der freien Auseinandersetzung der „mündigen und selbstbewussten“ – d. h. voll rationalen – Bürger werde sich „eine relativ richtige Resultante herausbilden“.663 b) Ausprägungen des Schutzes – einzelne Grundrechte Die rechtlichen Beschränkungen der individuellen Betätigung in demokratischen Prozessen bedürfen entsprechender Ermächtigungsgrundlagen, die neben speziellen politischen (wie Art. 17, 17a, 28, 38, 21 GG) wiederum vor allem unmittelbar an den öffentlichen (etwa Art. 8, 9 GG) und mittelbaren privaten Kommunikationsgrundrechten (etwa Art. 10 GG) anknüpfen und zu messen sind. Dabei ist grundsätzlich auf die gängigen verfassungsrechtlichen Diskurse und Dogmatiken zu verweisen; nur wenige zentrale Gesichtspunkte sind im Folgenden ausdrücklich hervorzuheben. Praktisch der gesamte Kanon der „klassischen“ Freiheitsgrundrechte bezieht sich mit 658 Erstmals BVerfGE 8, 104 (113 f.); bei dem allenfalls auffällig die „Freiheit“ gerade erst in Art. 21 I 2 GG genannt ist, jedoch zur ganzen Theorie von (überspitzt) unidirektionaler souveräner Willensvereinigung des Volks nichts aussagt; tatsächlich spricht Art. 21 I 1 GG von der „politischen Willensbildung des Volkes“, betont jedoch davon getrennt, dass die Gründung von Parteien frei etc. sein müsse. Die „Unreglementiertheit“ der Willensbildung ist weder systematisch noch historisch zu begründen. 659 BVerfGE 5, 85 (204 f.); ähnlich noch BVerfG 9, 162 (165) spezifisch zu Art. 21 I GG; Umso deutlicher wird allerdings, dass das Gericht an dieser Stelle maßgeblich, ohne andere Verankerung und entgegen den Konzepten der Gewährleistungen FDGO das Volkswillenskonzept von Carl Schmitt mit allen seinen Angreifbarkeiten gerade im Sinn einer friedlichen Demokratie gegen archaisch-autoritären Kampf um den Staat umsetzt. So ist die Verwendung der Kampf-Metaphorik nicht nur dem Gegensetzen gegen den kommunistischen Klassenkampf in BVerfG 5, 85 und der Integrationslehre Smends (s. o. B. I. 2. d) dd)) geschuldet. 660 Vgl. ausführlich m. w. N. van Ooyen, Staatstheorie, S. 65 ff.; eine frühere Verbindung zwischen dem Aufklärungsglauben des voll rationalen Diskurses und der Verbindung zu Schmitts rechtsfreiem Demokratieraum wird bereits deutlich bei Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 44 (50), was wiederum die Übernahme durch dessen Freiburger Schule über Hesse und Häberle erklären vermag; zum Einfluss des Pluralismuskonzepts gegen Schmitt im Übrigen vgl. Lepsius, Versammlungsrecht, S. 113 (143). 661 Vgl. oben B. I. 2. b). 662 BVerfGE 69, 315 (347), zu den Volkssouveränitätsbezügen insbesondere auch S. 343 f., Übernahme S. 346 im Wortlaut und mit Referenz auf BVerfGE 20, 56. 663 So BVerfGE 69, 315 (343 ff.).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
auf die Demokratie und ihre Öffentlichkeit.664 Namentlich Art. 5 GG verbindet beide – freiheitlich und demokratischen – Stränge als kommunikatives Stammgrundrecht,665 das in Abs. 1 den zentralen aktiven und passiven Zugang zur Öffentlichkeit in seinen wichtigsten vielfältigen Formen gewährleistet. Bekanntermaßen hat das BVerfG eine elaborierte Dogmatik aus der sog. Sonderrechts- und Wechselwirkungslehre sowie die notwendige Auseinandersetzung mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten der Äußerung entwickelt.666 Durch alle diese soll die legitime demokratische Kommunikation im Sinne von Friedlichkeit, Fortschritt, Pluralismus und Freiheitlichkeit667 weitmöglichst effektiv geschützt werden, ohne unverzichtbare Einschränkungen auszuschließen.668 Aufgegliedert werden kann dieser Schutz in die spezifischen „kulturellen Formen“ der Art. 4, 5 III GG (aa)), die besondere Rolle von Medien in Art. 5 I 2 GG (bb)), die besonderen Ausdrucks- und Kommunikationsformen wie Art. 8 sowie 9 und 21 GG (cc)) sowie die allgemeine Informations- (dd)) und Meinungsfreiheit (ee)) des Art. 5 I 1 GG. aa) Als besondere Ausdrucks- und Kommunikationsformen mit kultureller Verankerung und besonderer Rolle für Pluralität und Fortschritt der Gesellschaft werden die Religions- und Weltanschauungsfreiheit in Art. 4 GG sowie die Kunstund Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 III GG geschützt.669 (1) Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit in Art. 4 GG gewährleistet als unmittelbarer Ausdruck des religiös-weltanschaulichen Pluralismus und der sittlichen Freiheit670 nicht nur Schutz v. a. von Beeinflussung in allen anderen Dimensionen, namentlich auch informationeller Verletzung.671 Vielmehr garantiert sie in ihrem Wirkbereich das Bekenntnis als Äußern und Verbreiten (forum externum) sowohl dem Einzelnen wie den entsprechenden Organisationen unabhängig von ihrer sozialen Relevanz.672 Geschützt sind auch die Freiheit, für den eigenen Glauben und die eigene Überzeugung zu werben, und das Recht, andere von deren Religion oder Weltanschauung abzuwerben.673
664
Vgl. insbesondere auch Ipsen, StaatsR II, § 9 ff. Vgl. Hufen, StaatsR II, vor § 25 Rn. 2. 666 Vgl. sogleich unten 2. 667 Vgl. zu den geschichtlichen Hintergründen hier nur Hufen, StaatsR II, § 25 Rn. 1. 668 Vgl. nur BVerfGE 7, 198 (204 ff.); 93, 266 (269 ff.). 669 Zu den zu Grunde zu legenden Funktionen der FDGO siehe bereits oben B. I. 2.; die hervorgehobene Bedeutung zeigt sich unter anderem am jeweils fehlenden eigenen Gesetzesvorbehalt. 670 Vgl. zu ersterem als Funktion der FDGO siehe oben B. I. 2. b), zu letzterem oben B. II. 5.; vgl. die Ausgestaltung etwa in Art. 136 ff. WRV i. V. m. Art. 140 GG. 671 Vgl. oben B. II. 4., sowie etwa Art. 136 III WRV i. V. m. Art. 140 GG. 672 BVerfGE 32, 98 (106); BVerwGE 121, 17 (22); Zacharias, DÖV 2012, 48. 673 BVerfGE 12, 1 (4); 24, 236 (245); 105, 279 (293 f.). 665
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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(2) Durch ihren Wirkbereich erreicht die Kunstfreiheit in Art. 5 III 1 Var. 1 GG die Öffentlichkeit und die Einwirkung auf diese.674 Der Kunstbegriff schwankt zwischen verschiedenen, letztlich offenen Definitionen und erscheint als im Sachbereich offenste besondere Verbürgung, beeinflusst insoweit durch historische Begrenzungen.675 Wohl erwartet er – jedenfalls in der Selbstdefinition des Künstlers – ein persönliches schöpferisches Wirken in einer beliebigen Formensprache, an die die Anforderungen nicht zu hoch gesetzt werden dürfen, bzw. eine Äußerung, deren Mannigfaltigkeit immer neuer Interpretation zugänglich ist.676 (3) Art. 5 III 1, Var. 2 – 4 GG schützen die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe.677 Die garantierte wissenschaftliche Kommunikation ist nicht nur auf die Lehre (die auf die noch nicht gleich „gelehrte“ Forschungsgemeinschaft gerichtet ist) beschränkt.678 Somit dient – auch als politisches Kommunikationsgrundrecht – nicht nur die Lehrfreiheit dazu, die öffentliche Kommunikation über rational begründbare Wahrheiten und Richtigkeiten offen zu halten sowie gegen staatlichen Zugriff abzuschirmen; die Lehre muss eine argumentative Rationalität wahren, fremde Argumente jedenfalls nachvollziehen und plausibel bemessen.679 Damit sich die Wissenschaft ungehindert an dem für sie kennzeichnenden Bemühen um Wahrheit ausrichten kann, ist sie zu einem von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung erklärt worden.680 Insgesamt weist die Wissenschaftsfreiheit dabei eine starke organisatorische Komponente im Sinne der akademischen Selbstorganisation auf.681
674
Vgl. auch zum Folgenden BVerfGE 30, 189; 67, 213 (224); 77, 240 (251); 119, 1 (21 f.); 142, 74 (96); NVwZ 2004, 472; NJW 2006, 596 (597); BVerwGE 84, 71 (74); NJW 1995, 2648; BGHZ 143, 214 (229 f.); Lenski, Massenkommunikation, S. 110 ff. zur codierten Informationsvermittlung in die Öffentlichkeit. 675 Vgl. BVerfGE 30, 173 (188 f.); 31, 229 (238); 67, 213 (225 ff.); 119, 1 (20 f.); hier nur Hufen, StaatsR II, § 33 Rn. 1 ff.; v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 139 ff.; MKS-Starck/ Paulus, Art. 5 GG Rn. 420 ff.; Zöbely, NJW 1998, 1372. 676 Vgl. zu diesem „materiellen“ bzw. „offenen“ Kunstbegriffsansatz BVerfGE 30, 173 (188 ff.); 67, 213 (226 f.); 75, 369 (377); Hufen, StaatsR II, § 33 Rn. 9 ff., 16, 21 a. A. noch BVerwG 39, 167 (207); krit. Lenski, Massenkommunikation, S. 75 ff.; dies, NVwZ 2008, 281. 677 Zusammenfassend auch zum Folgenden BVerfGE 90, 1 (11 ff.); Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 136; näher etwa Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 729 ff.; Gärditz, WissR 2018, 5. 678 Im Einzelnen erweist sich die Abgrenzung der Lehre gegenüber sonstiger Wissenschaftskommunikation als nicht trivial und kann sachliche, organisatorisch oder adressatenorientiert unternommen werden, vgl. ausführlich MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 123 ff.; vgl. zum umfassenden Schutz etwa BVerfGE 35, 79 (113); Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 138; Dreier/Britz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 26. 679 Vgl. namentlich MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 16 ff., 20 ff., 119. 680 Vgl. BVerfGE 15, 256 (263); 35, 79 (112 f.); 47, 327 (367 f.). 681 Vgl. nur MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 498 ff.; Dreier/Britz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 68 ff.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
bb) Als zweite Ausprägung schützen die Mediengrundrechte des Art. 5 I 2 GG die entsprechenden mediierenden Akteure der „Massen“-Kommunikation für die allgemeine Öffentlichkeit durch (besonders nachhaltig wirksame) publizistische Verbreitungsformen mit ihren besonderen Vermittlungsleistungen.682 Dass BVerfG betont dabei zu Recht, dass die Medienfreiheit schlechthin konstituierend für die FDGO sei.683 Während die Rspr. sich dem internationalen übergreifenden Medienbegriff684 annähert,685 versucht die wohl weiter h. L. konkrete Angebotsformen jeweils den einzelnen drei Varianten des Art. 5 I 2 GG zuzuordnen. Dabei fand die „Lichtspielfreiheit“ in Art. 118 II WRV wegen der damals modernen besonderen „Gefährlichkeit bewegter Bilder“ besondere Beachtung; hingegen wird der Filmbegriff des Art. 5 I 2 Var. 3 GG zwar mittlerweile meist auf digitale Formen „bewegter Bilder“ weiterentwickelt, jedoch ein gegenständlich gesonderter Bildträger erwartet und so Streaming ausgeschlossen.686 Kern der Rundfunkfreiheit ist die Programmfreiheit, d. h. freie Entscheidung über das dargebotene Programm, die – ohne Rücksicht auf öffentlich- oder privatrechtliche Rechtsform, kommerzielle oder gemeinnützige Betätigung – jedem zukommt, der Rundfunkprogramme veranstaltet.687 Die Medienfreiheiten kommen bei massenmedialen Internet-Diensten zum Tragen, die Meinungen und Informationen im Interesse der Nutzer jedenfalls in gewissem Umfang auswählen, ordnen bzw. aufbereiten, selbst wenn dies nur in ausgewählten Weblinks besteht.688 Das auf diese Einrichtungen ausgelegte Grundrecht macht sich nicht an der inhaltlichen Güte, Richtigkeit etc. der Erzeugnisse und Inhalte fest, ein dahingehend unterscheidendes allgemeines staatliches Beurteilungsrecht kann nicht
682
Vgl. auch zur Begrifflichkeit ausführlich oben III.; vgl. BVerfGE 12, 113 (125); 12, 205 (260); 35, 202 (222) st. Rspr.: „Hörfunk und Fernsehen gehören in gleicher Weise wie die Presse zu den unentbehrlichen Massenkommunikationsmitteln, denen sowohl für die Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen wie für deren Kontrolle als auch für die Integration der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen eine maßgebende Wirkung zukommt. Medien verschaffen dem Bürger die erforderliche umfassende Information über das Zeitgeschehen und über Entwicklungen im Staatswesen und im gesellschaftlichen Leben. Sie ermöglichen die öffentliche Diskussion und halten sie in Gang, indem sie Kenntnis von den verschiedenen Meinungen vermitteln, dem Einzelnen und den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit geben, meinungsbildend zu wirken, und sie stellen selbst einen entscheidenden Faktor in dem permanenten Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung dar“; vgl. auch Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 GG Abs. 1 – 2 Rn. 86. 683 Vgl. BVerfGE 7, 198 (208); 10, 118 (121); 12, 205 (259 ff.); 20, 56 (97 f.); 20, 162 (174 ff.); 27, 71 (81 f.); 35, 202 (221 f.). 684 Vgl. Art. 10 EMRK, Art. 11 II EUGRCh. 685 Siehe namentlich BVerfGE 117, 244 (258 f.). 686 Vgl. etwa BeckOK-Schemmer, Art. 5 GG Rn. 90; v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 103 ff.; Hufen, StaatsR II, § 29 Rn. 2 f.: zudem wird beim „künstlerischen Film“ der Kunstfreiheit Vorrang eingeräumt, vgl. BVerfG NJW 2007, 3197. 687 Vgl. BVerfGE 59, 231 (258); 87, 181 (201); 90, 60 (87); 95, 220 (234); 97, 298 (310 ff.). 688 Vgl. hier nur zusammenfassend Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 111; für Art. 11 II GRCh EuGH, DVBl 2001, 716; Jarass, Art. 11 GRCh Rn. 8 m. w. N.
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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bestehen.689 Erfasst werden jede inhaltliche Gestaltung690 sowie alle wesensmäßig mit der Medienarbeit zusammenhängenden Tätigkeiten,691 insbesondere die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit692 und die medienspezifische Informationsbeschaffung.693 Zu letzterem zählt einerseits namentlich die Vertraulichkeit und das Vertrauensverhältnis zu Informanten,694 andererseits der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Information, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. All das versetzt die Medien in den Stand, die ihnen in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wahrzunehmen.695 cc) Ergänzend sind besondere konkrete Kommunikationsformen geschützt. Zuvorderst gewährleistet Art. 8 GG Versammlungen, mithin die kommunikative Zusammenkunft von mehreren Deutschen696 zu einem gemeinsamen Zweck vor Ort697 und den darin erfolgenden Austausch und Verbreitung nach außen.698 Entgegen der früher an der allgemeinen Persönlichkeitsentfaltung anknüpfenden weiten Auffassung verlangt das BVerfG mittlerweile, dass der Zweck in der gemeinsamen Willensbildung und -äußerung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung besteht.699 Dagegen wird mit guten Gründen geltend gemacht, dass auch sonstige kommunikative Zusammenkünfte letztlich der öffentlichen Mei689 Vgl. vgl. EGMR, NJW 2000, 1015; BVerfG, NJW 2001, 1921 (1922); NJW-RR 2010, 1195; ebenso für den Rundfunk BVerfGE 35, 202 (222 f.): „Information und Meinung können ebenso durch ein Fernsehspiel oder eine Musiksendung vermittelt werden wie durch Nachrichten oder politische Kommentare; jedes Rundfunkprogramm hat schon durch die getroffene Auswahl und die Gestaltung der Sendung eine bestimmte meinungsbildende Wirkung“. 690 EGMR, NJW 2000, 1015; BVerfGE 97, 125 (144); NJW 2000, 1021 (1024); BGH, NJW 2011, 2436; für den Rundfunk BVerfGE 12, 205 (260); 31, 314 (326); 35, 202 (222 f.). 691 BVerfGE 10, 118 (121); 20, 162 (176); 91, 125 (134); 103, 44 (59) st. Rspr.; „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und Meinung“; sofern sie Teil eines Presseunternehmens oder „notwendige Bedingung einer freien Presse“ sind, vgl. BVerfGE 66, 116 (134); 77, 346/354; 100, 313 (365); BGHZ 187, 354. 692 BVerfGE 66, 116 (133 ff.); 117, 244 (258); Stern, StaatsR IV/1, S. 1535. 693 BVerfGE 91, 125 (134); 103, 44 (59). 694 Vgl. zu ersterem grundlegend BVerfGE 36, 193 (204); 64, 108 (115), zu letzterem vgl. nur etwa BVerfGE 20, 162 (176); 100, 313 (365); 117, 244 (259) st. Rspr. 695 Vgl. zusammenfassend BVerfGE 103, 44 (59); ausgeschlossen sind jedoch (auch damit) unmittelbare Eingriffe der Medien in die informationelle Freiheit anderer, vgl. unten 2. a) aa). 696 Die h. M. lässt hierbei wohl zwei Personen ausreichen, a. A. wollen an drei oder aus dem Vereinsrecht sieben Beteiligte ohne überzeugende Erklärung anknüpfen, vgl. etwa für erstere VGH Mannheim VBlBW 2008, 60; für letztere OLG Düsseldorf JR 1982, 299 (300); zusammenfassend Sachs/Höfling, Art. 8 GG Rn. 13. 697 Vgl. v. Münch/Kunig/Ernst, Art. 8 GG Rn. 49 m. w. N. 698 Vgl. etwa BVerfGE 69, 315 (343); BVerwGE 82, 34 (38); v. Münch/Kunig/Ernst, Art. 8 GG Rn. 37 ff. 699 BVerfGE 104, 92 (104); 111, 147 (154); 128, 226 (250); 143, 161 (210); NVwZ 2004, 1453; BVerwGE 129, 42 (45 ff.); Hoffmann-Riem, HdbGR IV, § 106 Rn. 45 ff.; zu den weiteren Theorien Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 807 ff.; Kraujuttis, Versammlungsfreiheit, S. 61 ff., 105 ff., 162 ff. auch mit historischem Überblick und Wurzeln S. 7 ff.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
nungsbildung dienen können.700 Die Abgrenzung von Art. 8 I und II GG erfolgt nach der kommunikativen Abgrenzung durch bauliche Mittel.701 Für die durch sie mitkonstituierte Öffentlichkeit können weitere Kommunikationsformen eine vergleichbare Bedeutung haben, namentlich Art. 9 GG für jene allgemein in Vereinigungen und Art. 21 GG besonders in Parteien, daneben Art. 12 GG im beruflichen, Art. 6, 10, 13 im privaten Umfeld.702 dd) Die Informationsfreiheit in Art. 5 I 1 Alt. 2 GG schützt einerseits die Freiheit des Individuums, „sich aus möglichst vielen Quellen zu unterrichten, das eigene Wissen zu erweitern und sich so als Persönlichkeit zu entfalten“, mithin die rationale und sittliche Freiheit.703 Zudem „ist in der modernen Industriegesellschaft der Besitz von Informationen“ und damit Wissen eine zentrale Ressource.704 Andererseits kann ein demokratischer Staat nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen; er bedarf Bürger, die sich selbst die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung ihrer persönlichen und politischen Aufgaben verschaffen können, „um im demokratischen Sinne verantwortlich handeln zu können. Mit zunehmender Informiertheit erkennt der Bürger Wechselwirkungen in der Politik und ihre Bedeutung für seine Existenz und kann daraus Folgerungen ziehen; seine Freiheit zur Mitverantwortung und zur Kritik wächst. Nicht zuletzt können die Informationen den Einzelnen befähigen, die Meinungen anderer kennenzulernen, sie gegeneinander abzuwägen, damit Vorurteile zu beseitigen und Verständnis für Andersdenkende zu wecken.“705 Die Grenze ist erreicht beim Eindringen in nicht allgemein zugängliche bzw. für die allgemeine Zugänglichkeit nicht bestimmte Informationen.706 Für die eigenen Informationen des Staates schaffen die entsprechenden Transparenzgrundlagen, namentlich die Informationsfreiheitsgesetze in ihrem Umfang nach h. M. erst die zum weiteren Schutz durch Art. 5 I 1 GG notwendige Allgemeinzugänglichkeit.707 ee) Art. 5 I 1 HS 1 GG schützt jedes Äußern und Verbreiten von Meinungen, die ebenfalls weit zu verstehen sind und so Werturteile ebenso wie grundsätzlich auch
700 Vgl. etwa vermittelnd v. Münch/Kunig/Ernst, Art. 8 GG Rn. 41 ff. m. w. N. unter Ausschluss von Zusammenkünften zu nichtkommunikativen Zwecken. 701 Vgl. grundlegend BVerfGE 126, 226 (255 ff.) für öffentliche Verkehrs-/Kommunikationsräume wie „Malls“; NJW 2014, 2706 (2707); 2015, 2892 (2893); Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 822 f. m. w. N. 702 Auf eine umfassende Behandlung, die hier den Rahmen sprengen würde, kann hier angesichts der Fragestellung einerseits und vorhandenen umfassenden Literatur und Rspr. verzichtet werden. 703 Vgl. oben B. II. 3., 5. 704 Grundlegend zum Ganzen BVerfGE 27, 71 (81 ff.); vgl. Art. 19 AEMR, Art. 10 I IPBPR. 705 So BVerfGE 27, 71 (81 f.). 706 Vgl. etwa BVerfGE 66, 116 (137); 103, 44 (60); Hufen, StaatsR II, § 26 Rn. 10. 707 Vgl. hier nur Hufen, StaatsR II, § 26 Rn. 9 m. w. N.; für die gerichtliche Transparenz etwa BVerfGE 103, 44 (60 ff.) a. A. etwa Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 664 m. w. N.
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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Tatsachenbehauptungen umfassen.708 Auf den politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder privaten Zweck und Kontext der Meinungskundgabe kommt es nicht an,709 „Wort, Schrift und Bild“ werden nur beispielhaft genannt.710 In den Schutzbereich fällt weiter die Wahl des Ortes und der Zeit einer Äußerung.711 Unerheblich ist des Weiteren, „ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird“ oder polemisch übersteigert ist.712 Das BVerfG wendet vorrangig und ausschließlich nur die Meinungsfreiheit als Prüfungsmaßstab an, wenn in den Formen der Kunst, Wissenschaft oder Medien tatsächlich die Meinungskundgabe und -vermittlung im Vordergrund steht, etwa bei einfacher Satire, oder bei „Pseudowissenschaft“.713 c) Zugangsregulierung und Zensur Die präventive Verhinderung des Zugangs zur Öffentlichkeit stellt nach dem Bild des Grundgesetzes eine Ausnahme dar, die eng zu begrenzen ist.714 Sie findet sich für das präventive Versammlungsverbot715 und die allgemeine polizeirechtliche Gefahrenabwehr, soweit diese nicht (z. B. gerade dadurch) gesperrt ist.716 Eng verfassungsrechtlich kontrollierte Zulassungsverfahren sind namentlich beim privaten Rundfunk wegen der überragenden Bedeutung des Programms und seiner suggestiven Wirkungen (mit erheblichen Gefahren für die rationale Freiheit) zusätzlich zu den technischen Kapazitätsgrenzen soweit zu begründen, wie sie zum Schutz der FDGO und, gemessen an ihr, anderer hochrangiger Güter erforderlich sind.717 Dagegen sind ein Erlaubnisvorbehalt oder auch nur verfahrensmäßige Konzessionie708
Vgl. insbesondere BVerfGE 61, 1 (8 f.); 102, 347 (366); Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 GG Abs. 1 – 2 Rn. 63 ff.; MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 80 ff. 709 Vgl. die vorgenannten Kommentierungen sowie namentlich für meinungsbildende Werbung zum reinen wirtschaftlichen Zweck vgl. etwa BVerfGE 30, 336 (352 f.); 95, 173 (182); BGHZ 130, 196 (203); Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 5. 710 Allg. A., vgl. nur MD-Grabenwarter, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 GG Rn. 91 m. w. N. 711 BVerfGE 93, 266 (289); 128, 226 (265); Stern, StaatsR IV/1, S. 1398; Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 9. 712 Vgl. etwa BVerfGE 61, 1 (7 f); 90, 241 (247); 93, 266 (289); 124, 300 (320); BGH NJW 1987, 1398; Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 5. 713 BVerfGE 90, 1 (13); zur Abgrenzung von der Pressefreiheit BVerfGE 85, 1 (11 f.); 95, 28 (34); 97, 391 (400); zur Satire und Kunstfreiheit etwa BVerfG NJW 1998, 1386. 714 Vgl. bereits oben I. 2. und III. 3. 715 Für Versammlungen in geschlossenen Räumen gilt bereits nach dem Wortlaut ein grundsätzlich umfassendes Verbot, vgl. Art. 8 I GG, während auch sonst Spontan- und Eilversammlungen nicht durch die Ordnungsvorschriften der Anmeldung vereitelt werden dürfen, vgl. BVerfGE 69, 315 (350 ff.) m. w. N.; BeckOK-Schneider, Art. 8 GG Rn. 43 f.; insges. krit. zu jeder Anmeldepflicht Sachs/Höfling, Art. 8 GG Rn. 63; vgl. zusammenfassend etwa Kingreen/ Poscher, Grundrechte, Rn. 833 f. 716 Vgl. dazu noch weiter unten 2., v. a. b), e). 717 Vgl. etwa §§ 52, 53 I MStV; siehe dazu weiter oben III. 3. b) aa).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
rungen von Weltanschauungsgemeinschaften, Wissenschaft, Kultur, Presse oder Parteien an der FDGO nicht zu rechtfertigen;718 gegenüber der allgemeinen nachträglichen Sanktionierung sind sie weder erforderlich noch angemessen.719 Wiederum hiergegen soll die erste Wahrnehmungsmöglichkeit von Publikationen durch Art. 5 I 1, HS 2, S. 3 GG nicht einklagbar geschützt werden; dass so die Publikation überhaupt nur vom Äußernden durchgesetzt werden kann, erscheint gemessen am Sinn des Zensurverbots in der FDGO schwer verständlich.720 Dieses Vorzensurverbot sichert grundsätzlich jeden ersten Zugang von Meinungsäußerungen zur Öffentlichkeit.721 Zumindest sein Gedanke gilt auch für Äußerungen im Rahmen von Art. 5 III GG.722 In seinem Kern verbietet es Art. 5 I 3 GG jedenfalls, vor Verbreitung oder Abfassung eines Geisteswerkes oder einer Meinung diese in einem staatlichen Verfahren genehmigen zu müssen (formelle Vorzensur) .723 Dieser Schutz ist absolut und unterliegt nicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 II GG,724 er fungiert mithin als dessen Schranken-Schranke. Dagegen kann der Staat unter dessen Voraussetzungen auch vor Veröffentlichung einschreiten, etwa im einstweiligen gerichtlichen 718
Dagegen kann die die Gründung und der Beitritt zu Vereinigungen nach allgemeinen Schranken präventiv begrenzt und unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden, vgl. nur etwa BVerfG NVwZ 2003, 855; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 861 m. w. N.; zur Lizenzfreiheit der Presse vgl. auch die Landepressegesetze, sowie oben III. 3. 719 Mit dem Zugang von Meinungen, Informationen und entsprechenden Geisteswerken kann Kritik und Kontrolle von vornherein derartig effektiv unterbunden werden, dass die Gegenkräfte der Öffentlichkeit nicht ausreichen und die Friedensfunktion der Demokratie aufgehoben werden kann, so dass es sich um eine unverzichtbare Essentiale der FDGO handelt. 720 Vgl. zum Ganzen ausdrücklich BVerfGE 27, 88 (102); indes aber BVerfGE 33, 52 (72); Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 710. 721 Es bezieht sich nach ganz h. M. nicht nur auf Art. 5 I 2 GG, wie etwa Hufen, StaatsR II, § 27 Rn. 12 annimmt; vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs. 1 – 2 GG Rn. 170; Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 77a; auch zum Ganzen folgenden nur etwa MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 259 ff. 722 Vgl. etwa MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 153 m. w. N. 723 BVerfGE 33, 52 (72) m. w. N.; BeckOK-Schemmer, Art. 5 GG Rn. 115 f.; dies erweist sich insofern benachbart und prozedurale Flankierung zur Sonderrechtslehre, dass Meinungen nicht durch den Staat gefiltert werden dürfen und verhindert wird, dass Gedankeninhalte keinen Zugang zur Öffentlichkeit finden und als solche tabuisiert werden, vgl. bereits ausführlich Thoma, Grundrechte, S. 210 ff. dagegen allerdings bereits Anschütz, VVDStRL 4 (1928), S. 74 (75). 724 Zu Recht kategorisch BVerfGE 33, 52 (72) a. A. unter nicht näher hinterfragten Kategorien des Rechtsgüterschutzes Warg, DÖV 2018, 473, der auch nicht klärt, wie gleichwohl eine geistige Wirkung trotz präventivem Verbot denkbar sein soll; zu bedenken bleibt alleine, inwieweit sich Art. 5 I 3 GG alleine gegen administrative Maßnahmen und nicht solche im einstweiligen gerichtlichen Rechtschutz durch die rechtsstaatliche Justiz beschränken kann. Versuche, über das Unionsrecht das Vorzensurverbot zu eliminieren, müssen sich umso mehr die Frage stellen lassen, ob sie nicht die Grenze des Art. 23 I 1, 3; 79 III GG beziehungsweise der nationalen Identität i. S. v. Art. 4 EUV sprengen; allerdings hat auch der EuGH ZUM 2012, 307 Rn. 47 ff. die Unvereinbarkeit einer Vorabfilterung mit den Unionsgrundrechten auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen festgestellt.
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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Rechtsschutz zur Verwirklichung von Unterlassungsansprüchen.725 Diskutiert wird allerdings ein materielles Vorzensurverbot, welches Maßnahmen umfassen soll, die einer formellen Vorzensur gleichkommen.726 Abgestellt wird dabei vor allem auf die Effekte, durch die bereits die Existenz eines formalen Prüfungsverfahrens die Fortschrittsfähigkeit lähmt und Einschüchterungs- und Selbstbeschränkungswirkungen über ein objektiv zu rechtfertigendes Maß hinaus sowie evidenten Missbrauchsgefahren durch die Regierenden geschaffen werden. Eine solche Lage kann sich auch bei der indirekten Vorzensur, in der der Staat (ähnlich wie in den Verfahren der „Vorratsdatenspeicherung“) die Prüfungsverfahren lediglich auf dazu zwingend verpflichtete und etwa im Fall des Verstoßes ordnungs- und strafrechtlich sanktionierte Unternehmen delegiert, eintreten.727
2. Hoheitliche Eingriffe in die demokratische Meinungsbildung a) Rahmen zur Beschränkung der Kommunikationsgrundrechte Allgemein konstruiert das GG die zulässigen Abgrenzungen der genannten geschützten Grundrechte mit den Mitteln der sachlichen Begrenzung von Schutzbereichen (z. B. nur friedlicher und unbewaffneter Versammlung, Art. 8 I GG),728 der verfassungsimmanenten Schranken (im Rahmen der durch Konkordanz zu lösenden Normkollision) sowie des qualifizierten Gesetzesvorbehalts (v. a. Art. 5 II, 8 II, 9 II GG). Sie erlauben – im (abgestuften) Verhältnis zwischen den rechtsstaatlichen Mechanismen und dem demokratischen Gesetzgeber729 – Umgrenzungen und Eingriffe, die auf unterschiedlichen Modellebenen der FDGO verortet werden können: - Dazu zählen konkurrierende individuelle Freiheiten, die neben Art. 5 II GG vor allem die Kollision von Grundrechten untereinander aufgreifen (aa)).730 725
Vgl. BVerfGK 8, 53 =ZUM 2006, 631 (633). Vgl. nochmals auf europäischer Ebene EuGH ZUM 2012, 307 Rn. 47 ff.; allg. BVerwGE 23, 194; befürwortend auch MD-Grabenwarter, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 GG Rn. 117 m.w.N; im Erg. mit der wohl (noch) h. M. abl. v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 109; Dreier/SchulzeFielitz, Art. 5 Abs. 1 – 2 GG Rn. 172 m. w. N. 727 Vgl. etwa Müller-Terpitz, ZUM 2020, 365 (371) m. w. N. 728 Einschließlich ausdrücklicher Einschränkungen i. w. S., vgl. etwa Art. 5 III 2 GG. 729 Während die Schutzbereichsbestimmung nach tatbestandlichen Begriffen alleine der rechtlichen Auslegung zugewiesen ist, kommt auch im Rahmen der Konkordanz dem Gesetzgeber ein Spielraum im Umgang von Vernünftigkeitsüberlegungen zu, während jedenfalls im Ansatz die Ausfüllung des Gesetzesvorbehalts ihm ganz im Rahmen besonderer SchrankenSchranken wie der im Ansatz „einseitig“ gerichteten Verhältnismäßigkeit überlassen sind, vgl. etwa zum zweiten v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 148.; die inhaltlichen Angriffspunkte sind davon unabhängig. 730 Vor allem bei den „unbeschränkten“ „kulturellen“ Gewährleistungen wie namentlich Art. 4 GG und insoweit Art. 5 III 1 GG. 726
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
- Besondere Beachtung verdienen (auch für das Weitere) implizite und explizite Begrenzungen von Meinung und Wissenschaft (bb)). - Weiterhin kann der Schutz der FDGO als solcher Eingriffe rechtfertigen, wie ausdrücklich gem. Art. 5 III 2, 9 II GG (cc)). - Schließlich finden sich die expliziten Schutzbereichsbegrenzungen der Friedlichkeit in Art. 8 I GG, die noch dahinter auf die gleichbezeichnete Funktionsanforderung der FDGO731 zu verweisen scheinen, jedoch vor allem besondere Modalitäten in Bezug auf die zuvor genannten beiden Schutzebenen erfassen (dd)).732 Innerhalb dieses Rahmens kommt „funktionalen Schranken-Schranken“,733 um vor allem den demokratischen Gesetzgeber zum materiellen Schutz von Minderheiten rechtsstaatlich kontrollierbar weiter zu beschränken, besondere Bedeutung zu, vor allem unter dem Stichwort „staatlicher Neutralität“. Auf die intensiven Diskussionen zu Art. 5, 8 GG allgemein und bei Eingriffen zur Verteidigung der FDGO ist dabei sogleich ausführlich einzugehen.734 Allerdings kann lediglich bei der Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG) aufgrund des unmittelbaren Bezugs zur Weltanschauungspluralität735 das Gebot der Neutralität und seine Abgrenzungswirkung als gesichert gelten: Der Staat muss sich in Fragen von Religion und Weltanschauung ebenso plural-neutral verhalten, wie den Gefahren für den „religiösen Frieden innerhalb der Gesellschaft“ begegnen.736 Nicht zuletzt dazu kann er religiös-weltanschauliches Verhalten an den weltlichen Kriterien messen.737 Wie oben bereits ausgeführt, ist damit die generelle Friedlichkeit im Rahmen allgemeiner sittlicher Freiheit umschrieben.738 Die absolute Neutralität einfach auf alle politi731
Vgl. oben B. I. 2. d). Teilweise wird diese differenzierte Ebenenbetrachtung umgangen, wenn etwa von Sachs/Bethge, Art. 5 GG Rn. 198; ders., VVDStRL 57 (1998), 10 (25) m. w. N. in Fn. 109; Merten, FS Herzog, S. 281 ff. ein allgemeiner Friedlichkeitsvorbehalt jeder grundrechtlichen Freiheitsbetätigung postuliert wird, wobei die Abgrenzung von dieser induktiv-analog gebildeten Schranke zu den weit konkreteren Eingriffsregeln und Schutzgütern der weiteren Verfassungsnormen im Unklaren bleibt und gerade die von Bethge geforderte Rechtsklarheit und -sicherheit leidet. 733 Neben den bekannten formalen Schranken-Schranken, namentlich des Art. 19 GG. 734 Vgl. unten b) ff. 735 Vgl. oben B. I. 2. d). 736 Vgl. auch oben B. I. 2. b), d).; vgl. insbesondere zusammenfassend BVerfGE 105, 279 (293 ff.) m. w. N.; etwa auch die Nachweise zu Kreuzen in Amtsgebäuden BVerfGE 93, 1 (13 ff.); VGH München NVwZ 2002, 1000 ff.; VGH Kassel NJW 2006, 1227 f. und zur Bekundung von Glaube und Weltanschauung in Bekleidung etc. einzelner Amtsträger etwa in Dreier/Morlok, Art. 4 GG Rn. 77 ff. m. w. N. 737 Vgl. BVerfGE 102, 370 (394); 105, 279 (293 f.). 738 Vgl. oben B. II. 5.; BVerfGE 32, 98 (108): „Als Teil des grundrechtlichen Wertsystems ist die Glaubensfreiheit dem Gebot der Toleranz zugeordnet, insbesondere auf die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Würde des Menschen bezogen, die als oberster Wert das ganze grundrechtliche Wertsystem beherrscht“. 732
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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schen Anschauungen im Gemeinwesen zu erstrecken, gibt es jedoch daraus keinen Anhalt, vielmehr widerspricht dem bereits die Sorge für die Friedlichkeit.739 aa) Zum Schutz der Freiheiten anderer kann vor allem der Gesetzesvorbehalt des Art. 5 II GG verstanden werden.740 Ebenso beschränken sie vorbehaltlose Grundrechte.741 Ein Ausgleich gleichartiger wie ungleichartiger Grundrechte verschiedener Betroffener ist – wie mit anderen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswerten – im Rahmen der Dogmatik kollidierenden Verfassungsrechts zu suchen, wobei dem demokratischen Gesetzgeber ein Gestaltungsraum eigenständiger Konfliktschlichtung zugestanden werden muss.742 Beispielsweise sind von der Kunstund Wissenschaftsfreiheit743 eigenmächtige Eingriffe in fremde Freiheiten,744 darunter in Ressourcen wie Eigentum oder Leib und Leben745 sowie wohl in die allgemeine (regulatorische) Dimension nicht gedeckt.746 Ähnlich gilt dies für die Meinungsfreiheit.747 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (in seinen Facetten der äußeren Ehre als persönliche Sozialressource, des Schutzes der Privatheit als Teil der informatorische Freiheit sowie auch der individuellen sittlichen Freiheit)748 können die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit ebenfalls begrenzen.749 Ebenso schützt die Medienfreiheit nicht das Beschaffen von Informationen gegen den Willen des Verfügungsberechtigten, also (zumindest unmittelbare) Eingriffe in fremde infor-
739
Vgl. dazu ausführlich sogleich unten, v. a. (4), c) und d). Zum Einzelnen siehe sogleich unten b), e), 3. 741 Anerkannt ist, dass auch die Grundrechte nach Art. 5 III GG nicht dem Schrankenvorbehalt von Abs. 2 unterliegen, vgl. etwa BVerfGE 33, 52 (70); 35, 79; 47, 327 (368 f.). 742 Vgl. nur etwa v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 148. 743 Jedenfalls sind sie sanktionier- und verhinderbar innerhalb der gesetzlich nachgezogenen Schranken, auch für das Eigentum wird die Schutzbereichsbeschränkung von BVerfG NJW 19884, 1293; OVG Köln, NJW 1998, 1405 durch die heute h. M. wegen ihrer dogmatischen Folgeprobleme abgelehnt, vgl. BVerfGE 119, 1 (23); Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 121; Hufen, StaatsR II, § 33 Rn. 19; Dreier/Wittreck, Art. 5 Abs. 3 GG (Kunst) Rn. 49. 744 Vgl. grundsätzlich für die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 724 ff., 733 ff.; MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 170 f. aus Sicht einer immanenten Schutzbereichsbegrenzung; etwa auch nicht geschützt sind Aufforderung zu dahin gerichteten Straftaten, vgl. LG Mainz NJW 2000, 2220. 745 Vgl. etwa VGH München Beschl. v. 16. 11. 2020 – 20 NE 20.2601, BeckRS 2020, 32245; MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 459; Hufen, StaatsR II, § 33 Rn. 31; Ritter, NVwZ 2008, 960. 746 Vgl. etwa MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 539. 747 Vgl. etwa Hufen, StaatsR II, § 25 Rn. 40 f. m. w. N. für die Ressourcenfreiheit Dritter sowie Rn. 26 ff. ausführlich zur fremden informationellen Freiheit. 748 Vgl. BVerfGE 119, 1 (23 f.); VG Sigmaringen NJW 2001, 628; OLG Karlsruhe NJW 1994, 1963; für den postmortalen Persönlichkeitsschutz etwa BVerfGE 173 (193); NVwZ 2008, 549; allg. Hufen, StaatsR II, § 33 Rn. 30, 48. 749 Vgl. für die Wissenschaftsfreiheit etwa MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 540; für schmähende Karikaturen auch grundlegend BVerfGE 75, 369 (379 f.), mit Tendenz zur Überdehnung der Menschenwürde in den Bereich des APR. 740
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
mationelle Freiheit.750 Auch im Rahmen von Art. 8 GG kommt Übergriffen in fremde Freiheit eine besondere Bedeutung zu, allerdings führt dies richtigerweise nicht generell zur Unfriedlichkeit der Versammlung, sondern ist im Rahmen der weiteren funktionalen Begrenzungen zum Schutz von Meinungsäußerungen differenziert zu beurteilen.751 Die sittliche Freiheit auch gerade des Adressaten wird explizit durch Art. 5 II Var. 2, 3 GG sowie kollidierendes Verfassungsrecht erfasst. Besonders der plural schützenswerte Achtungsanspruch der Religionen und Weltanschauungen untereinander und gegenüber etwa der Kunstfreiheit wird durch die Verbindung der sittlichen Freiheit und der Grenze des öffentlichen Friedens in §§ 166 ff. StGB etc. nachgezeichnet.752 Bereits hier zeigt sich die Schranken-Schranke, dass der friedlichen Konfrontation nicht entgegengetreten werden darf.753 Dazu zählt auch die scharfe Satire als Kern der demokratischen Öffentlichkeit.754 Parallel ist dies im Bereich der Wissenschaftsfreiheit zu beurteilen,755 ebenso folgerichtig im Verhältnis der Weltanschauungsäußerungen untereinander. Die Menschenwürde als besondere immanente Schranke ist von andere Freiheitspositionen dadurch abgehoben, dass ihre Schutzverpflichtung über den für den Träger frei disponiblen Bereich hinausreicht in die FDGO. Damit rechtfertigt sie etwa Einschränkungen der Kunstfreiheit.756 Dort wird sie berührt beispielsweise durch menschenverachtende, rassistische Parolen.757 bb) Das BVerfG hat weiterhin Grenzen in Bezug auf Rationalität, Wahrheit und insgesamt „Diskursivität“ der Kommunikation eingezogen, die letztlich auf deren Funktionen für die und in der FDGO verweisen:758 750 BVerfGE 103, 44 (59 f), wohl aber die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen, Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 37, 89. 751 Vgl. dazu sogleich unten b) ff. 752 Vgl. BVerwG NJW 1999, 304; OVG Koblenz NJW 1997, 1174; LG München ZUM 2006, 578; Hufen, StaatsR II, § 33 Rn. 32; MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 460; weitergehend von Kielmansegg/Rolfes, JA 2013, 910; Parhisi/Staufer, JA 2007, 707 (713 f.): ein weiterer Ansatzpunkt ergibt sich durch die „nur-schmähende“ Herabwürdigung, „die allein aus Lust an der Verunglimpfung und Diffamierung stattfindet und keinen Aussagegehalt im Hinblick auf die Wirklichkeit mehr beanspruchen kann“, vgl. BVerfGE 82, 272 (284); 85, 1 (16); 93, 266 (294); BGH NJW 1984, 124 (126). 753 Vgl. zudem zur religiösen Satire etwa Heller/Goldbeck, ZUM 2007, 628; Steinbach, JR 2006, 495. 754 Vgl. etwa BGH NJW 2017, 1617; LG Hamburg AfP 2017, 177; 2017, 262; Christoph, JuS 2016, 599; zur religiösen Satire etwa nochmals Heller/Goldbeck, ZUM 2007, 628. 755 Vgl. MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 183. 756 Vgl. BVerfGE 30, 173 (193); BayObLG NJW 1994, 952 (953), Soiné, JuS 2004, 382 (386); allerdings darf die Menschenwürde nicht zu weit interpretiert werden, vgl. etwa BVerfGE 107, 275 (280); Hufen, StaatsR II, § 33 Rn. 29, 47, auch um den Pluralismus zu schützen. 757 Vgl. etwa § 130 StGB BGH NJW 1994, 1421 m. w. N.; BayOblG, NJW 1995, 145; Soiné, JuS 2004, 382 (386) m. w. N.; probl. etwa OLG Frankfurt a. M., NJW 1995, 143. 758 Diese sind in Bezug auf funktionale Schranken-Schranken namentlich im Rahmen von Art 5, 8 GG und den „allgemeinen Gesetzen“ weiter zu untersuchen, vgl. sogleich unten b) ff.
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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(1) Konsequent aus dem Sinn der Wissenschaftsfreiheit (sowie der Fortschrittsfunktion)759 sind von Art. 5 III GG Handlungen und insbesondere Kundgaben nicht geschützt, wenn sie sich nicht auf Wahrheitserkenntnis richten, sondern vorgefassten Meinungen oder Ergebnissen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung oder Nachweisbarkeit zu verleihen suchen.760 Dafür kann die systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen, die die Auffassung des jeweiligen Autors in Frage stellen, ein Indiz sein. Allerdings kann derartige Pseudowissenschaft als bloße Meinung unter Art. 5 I GG fallen. (2) Nach Art. 5 I GG wiederum sind vor staatlicher Beschränkung und Sanktionierung zwar alle Meinungen geschützt, egal wie weit sie in Wertungen oder Tatsachenbehauptungen bestehen. In ständiger Rechtsprechung jedoch von vornherein nicht umfasst sind Tatsachenbehauptungen, die zur verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können, namentlich bewusst unrichtige Information.761 Allerdings dürfen die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet und auch zulässige Äußerungen aus Furcht vor Sanktionen unterlassen werden. Ungeschützt sind damit unwahre Tatsachenbehauptungen, jedenfalls soweit sie im Bewusstsein der Unwahrheit vermittelt werden sollen oder erwiesenermaßen unwahr sind und soweit nicht so untrennbar mit einer eigenen Wertung verbunden sind, dass letztere dadurch beeinträchtig würde.762 In letztgenanntem Fall soll bei Beachtung von Art. 5 II GG im Rahmen der Güterabwägung regelmäßig das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter dem durch das grundrechtsbeschränkende Gesetz geschützten Rechtsgut zurücktreten. Ebenso sind, auch fahrlässig, unrichtige Zitate nicht geschützt: „Weder die öffentliche Meinungsbildung noch die demokratische Kontrolle können … unter dem Erfordernis leiden, richtig zitieren zu müssen.“763 Dahinter steht der Gedanke, dass unrichtige Information unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut ist.764 Demgegenüber haben sich die im ursprünglichen Verfassungsentwurf vorgesehenen für eine freiheitliche Ordnung zu engen Begrenzungen des Schutzes auf verfassungstreue und zumindest die Medien wahrheitstreue Berichterstattung nicht durchgesetzt.765 759
Vgl. oben B. I. 2. c). Vgl. grundlegend auch zum Folgenden für die st. Rspr. und allg. Dogmatik BVerfGE 90, 1 (13); ähnlich BVerwGE 23, 112 (120); ferner etwa Dreier/Britz, Art. 5 Abs. 3 GG (Wissenschaft) Rn. 19; v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 156. 761 Zum Ganzen BVerfGE 54, 208 (219); 61, 1 (8); 85, 1 (22); 90, 241 (247 f.); NJW 2019, 3567 (3568). 762 Vgl. zu letzterem und Folgendem namentlich BVerfGE 85, 1 (22). 763 BVerfGE 54, 208 (220). 764 Vgl. zum Ganzen BVerfGE 54, 208 (219 ff.); 61, 1 (8). 765 Vgl. zur intensiven Beratung im ParlR JöR 1, S. 79 ff. ggü. Art. 7 II HChE mit Erläuterung, HChBericht, S. 22; ersetzt durch den qualifizierten Gesetzesvorbehalt vor dem Grundsatzausschuss am 29. 9. 1948 Drs. 155, S. 3 zunächst mit einer Pflicht zur Verfassungstreue, die später ebenfalls trotz vorgebrachter Bedenken im Hinblick auf Volksverhetzungen immer weiter eingeschränkt wurden. 760
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
(3) Sind damit vor allem Einwirkungen auf die rationale Freiheit anderer vom grundrechtlichen Schutz ausgeschlossen, gilt dies auch für Übergriffe in anderen Freiheitsdimensionen: Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung soll nur die „geistige“ Auseinandersetzung schützen, die sich auf die Überzeugungskraft von Darlegungen, Erklärungen und Erwägungen als Argumenten beschränkt.766 Mittel, die den Adressaten gerade die Möglichkeit nehmen, ihre Entscheidung in voller innerer Freiheit und ohne wirtschaftlichen Druck zu treffen, sollen nicht umfasst sein. Dazu zählen jedenfalls regulatorische und ressourcenmäßige Freiheitseingriffe ab einer bestimmten Intensität.767 Im Versammlungsgrundrecht spiegelt sich dies in der Reichweite des inhaltlichen Schutzes durch die Teilhabe an der Meinungsbildung sowie der expliziten Einschränkungen Unfriedlichkeit und Bewaffnung.768 Ohne Rücksicht auf Art. 8 GG ist die zwangsweise oder sonst wie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (als regulatorischer Freiheitsübergriff, ggf. verwerfliche Nötigung) sanktionierbar, im Gegensatz zu Mitteln, um das kommunikative Anliegen, die Erzielung von öffentlicher Aufmerksamkeit für ihren politischen Standpunkt, auf spektakuläre Weise zu verfolgen und dadurch am Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilzuhaben.769 Schließlich schützt auch Art. 9 GG keinerlei freiheitsbeeinträchtigenden Zwang aus einer Vereinigung heraus, oder um die Zugehörigkeit zu ihr durchzusetzen, sondern er soll gerade vor solchen Übergriffen bewahren. Im Übrigen bemüht sich das BVerfG, den Garantiebereich akzessorisch zu den Individualrechten von Mitgliedern auszugestalten.770 cc) Zum Schutz der FDGO bzw. fdVO sehen die genannten Kommunikationsgrundrechte – neben der allgemeinen Schranke der Verwirkung nach dem Verfahren des Art. 18 GG771 – vor allem bei Vereinigungen und der Lehre explizite Eingriffsmöglichkeiten vor. (1) Dabei enthält Art. 9 II Var. 2 GG die klarsten Kriterien: Vereinigungen können nach den jeweiligen gesetzlich bestimmten Verfahren verboten werden,772 wenn sich ihre Zwecke oder Tätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung (oder, entsprechend restriktiv, gegen den Gedanken der Völkerverständigung, Var. 3) richten. Im Sinne der Integrationsfunktion beschränkt, muss die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsät766
Vgl. grundlegend auch zum Folgenden etwa BVerfGE 25, 256 (264 f.); 62, 230 (244 ff.). Insoweit ergänzt die Freistellung der bewussten unwahren Tatsachenbehauptung dies im Hinblick auf den Schutz der rationalen Freiheit, während weitere eher randständige Formen der Rationalitätssenkung möglicherweise unter das Druckelement gefasst werden können bzw. noch nicht als Problem in Erscheinung getreten sind; vgl. bereits oben aa). 768 Vgl. sogleich unten b). 769 Vgl. namentlich BVerfGE 104, 92 (105 ff.) m. w. N. 770 Vgl. ausführlich BVerfGE 149, 160 (194 ff.). 771 Welche an anderem gegebenen Ort abzuhandeln sind. 772 Genauer ist die Verbotsentscheidung selbst gebunden, allerdings ein entsprechender Spielraum unter Verhältnismäßigkeit vor allem im Hinblick ihrer Einleitung zu prüfen, vgl. BVerfGE 149, 160 (194 ff.) m. w. N. 767
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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zen der Verfassung einnehmen.773 Das BVerfG verweist hier darauf, dass selbst die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen oder bestimmter politischer Auffassungen als solche nicht die Grenze der freien politischen Auseinandersetzung überschreite, „weil das Grundgesetz auf die freie gesellschaftliche Assoziation und die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements im freien und offenen politischen Diskurs vertraut“.774 Ein zusätzliches Eingreifen nach Art. 9 II Var. 1 GG soll indes dadurch nicht ausgeschlossen sein.775 (2) Art. 5 III 2 GG enthält nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte nachvollziehbar eine besondere Konfliktregel, wonach Vorrang vor der Lehrfreiheit eine bestehende Treuepflicht zur Verfassung beansprucht.776 Diese soll nach h. M. auf die Verfassungstreuepflicht im Rahmen der streitbaren Demokratie verweisen,777 mithin nur solche Personen treffen, die Amtsträger oder sonst Bedienstete des Staates sind oder in seinem Auftrag handeln. Damit kann sie gestaffelt begriffen werden: Im Sinne des Art. 33 II GG als Ausdruck wehrhafter Demokratie haben Beamte die uneingeschränkte Bereitschaft zu zeigen, aktiv für den Bestand einzutreten.778 Im Einzelfall staatliche Lehrebeauftragte haben lediglich Gewähr zu Beachtung von Gesetzen und Verfassung zu geben, also Verfassungsordnung und Staat nicht aktiv zu bekämpfen.779 Reine Privatlehrende soll sie indes nicht treffen.780 Auch jene Mei-
773
Vgl. ausführlich oben B. I. 2. d) dd). So zusammenfassend BVerfGE 149, 160 (197 ff.) m. w. N.; dies kann einerseits richtig als flexible Verhältnismäßigkeitsgrenze der ultima ratio gegenüber der Reintegrationsfunktion gedeutet werden (vgl. oben eben B. IV. 2. d) dd) ), andererseits jedoch, so v. a. durch das Gericht bislang im Hinblick auf die Fiktion des „marketplace of ideas“, vgl. hierzu ausführlich oben D. II. 1., wenn nicht gar die exogene Volkswillensfiktion Schmitts und Böckenfördes, vgl. oben I., auf die parallele Diskussion zu Art. 5, 8 GG und der „Neuansatz“ der Brokdorf-Entscheidung ist insoweit hinzuweisen, dazu sogleich b) ff. 775 Vgl. ausdrücklich im ParlR der Abg. Zinn, JöR 1 (1951), S. 117. 776 Zur Entstehungsgeschichte JöR 1 (1951), S. 89 ff.; insoweit ist die Norm auch nicht bedeutungslos oder -leer, wie z. T. behauptet, vgl. etwa v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 179 sowie Nachweise bei MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 549 Fn. 431, dort Rn. 549 ff. mit überzeugender Differenzierung, ebenso wie MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 189 ff.; zu verweisen ist tatsächlich auf die Versuche in der Weimarer Republik, sich gegen jede Verfassungstreue zu wehren, vgl. Diskussion VVDStRL 4 (1928), S. 73 ff.; ParlR JöR 1 (1951), S. 92. 777 Vgl. dazu in gesonderter Abhandlung; hier nur Hesse, Grundzüge, Rn. 403; Dreier/Britz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 50. 778 Vgl. nur BVerwGE 52, 313; sowie bereits Fahrner, GSZ 4 (2021), S. 6 ff. 779 BVerwGE 81, 212; BAGE 28, 62; 33, 43; 34, 1; 51, 246 mit z. T. nicht unproblematisch im Einzelfall abgestuften Treuepflichten für Angestellte. 780 Aus der bewussten Umformulierung im parlamentarischen Rat erscheint die Meinung kaum haltbar, vgl. JöR 1 (1951), S. 89 ff. (v. a. S. 90): zunächst lautete die Fassung „findet ihre Grenze in der Pflicht zur Treue gegenüber der Verfassung“, noch zurückreichend in die „präföderalen“ Diskussionen um eine allgemeine Verfassungstreuepflicht; wie hier überzeugend MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 193; a. A. dafür etwa MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 551 ohne näheren Beleg. 774
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
nung, die Art. 5 III 2 GG einen eigenen Gehalt zusprechen will,781 gelangt zur vergleichbaren Abgrenzung: Sachliche Kritik an Verfassungsprinzipien, zumal solchen, die der friedlichen Verfassungsänderung offen stehen, kann die Pflicht niemals verletzen; hingegen böswillige, aggressive und verächtliche Angriffe auf die fundamentalen Wertvorstellungen und Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung schon.782 Zu berücksichtigen seien (sofern nicht die vorrangige Beamtenpflicht eingreife) insbesondere die Gefahren einer „indoktrinierenden Einflussnahme auf die politische Meinungsbildung der Studenten“ in der konkreten Lehrsituation und dabei deren Reflexion als „erwachsene und kritikfähige Hörerschaft“.783 Letztlich scheint hier die Beeinflussbarkeit im Hinblick auf die rationale (und ggf. sittliche) Freiheit durch „faschistische Techniken“ adressiert.784 Unabhängig davon besteht auch bei der Lehrfreiheit sowohl die Möglichkeit des Verwirkungsverfahrens nach Art. 18 GG gegen jeden kämpferischen Missbrauch als auch der Einschränkung des Grundrechts insgesamt im Wege der praktischen Konkordanz.785 (3) Dagegen weiterer Klärung bedürftig scheint die Frage, inwieweit bei den anderen Kommunikationsgrundrechten Einschränkungen zum Schutz der FDGO zulässig sind. Das BVerfG zeigt sich hier nicht eindeutig, vor allem sehr restriktiv bei Art. 5 I, II, 8 GG,786 hingegen sehr breit bei der Kunstfreiheit. Dort darf der Staat im Rahmen der praktischen Konkordanz bzw. Verhältnismäßigkeit und allgemeinen Begrenzungen wie Art. 3 GG auch den Schutz der FDGO, vor allem im Rahmen der in den konkreten Normen verankerten streitbaren und wehrhaften Demokratie, gegen die Kunstfreiheit setzen.787 Weiter darf er gegen Kunst- und Meinungsäußerungen Einzelner die Autorität des demokratischen Rechtsstaats durch anerkannte Integrationsmittel des Gemeinwesens in Gestalt von allgemeinen Symbolen schützen, 781 Vgl. insbesondere MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 189 ff.; ders., WissR 51 (2018), 5 (36); die gemutmaßte Privilegierungswirkung wird allerdings nicht klar, die Erstreckung ergibt sich aus der Reichweite der wehrhaften Demokratie. 782 So etwa Sachs/Bethge, Art. 5 GG Rn. 227 m. w. N. 783 Vgl. BVerwGE 81, 212. 784 In diesem Sinn die weitere m.M. OVG Berlin NJW 1972, 2099 (2100), die Art. 5 III 2 GG nur als deklaratorische Abgrenzung der Wissenschaftlichkeit gegenüber z. B. politischer Polemik verstehen wollte, dagegen etwa MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 117. 785 Zu letzterem namentlich BVerfGE 47, 327 (368 ff.); vgl. auch MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 176 ff. zu Beschränkungen auf Grundlage von Art. 33 GG. 786 Siehe sogleich unten b). 787 Vgl. insbesondere für die streitbare Demokratie BVerfG NJW 2008, 2568; vgl. etwa im Fall „Landser“ KG Berlin, Urteil vom 22. Dezember 2003 – (2) 3 StE 2/02 – 5 (1) (2/02) – Rn. 1908: „Wer in dem Schutzmantel einer künstlerischen Verpackung tragende Werte der Verfassung – wie hier z. B. das Verbot eines Angriffskrieges, das Lebensrecht und die Gleichheit aller Verfassungssubjekte – aktiv bekämpft und künstlerische Mittel absichts- und planvoll zu dem Zweck ausnutzt, zu Gewaltmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzurufen, kann sich auf den Schutz der Verfassung nicht berufen.“, indirekt bestätigt durch BGH NJW 2005, 1668; ähnlich Soiné, JuS 2004, 382 (386); vgl. weiterhin Fahrner, GSZ (4) 2021, 6 ff. m. w. N.
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namentlich Flaggen und Nationalhymne:788 Allerdings darf dies nicht auf eine Immunisierung gegen Kritik oder Tabuisierung von auch grundlegender Opposition zielen. Stattdessen können insbesondere dahinterstehende Angriffe auf die friedliche demokratische Öffentlichkeit und unmittelbare Staatsfunktionen, namentlich die für den inneren Frieden notwendige Autorität des freiheitlich demokratischen Rechtsstaates, abgewehrt werden. Ähnlich darf die Wissenschaftsfreiheit etwa zur Bewahrung staatlicher Integritäts- und Geheimhaltungsinteressen im Dienst der informationellen Autonomie eingeschränkt werden.789 dd) Schließlich sind nur friedliche, insbesondere unbewaffnete Versammlungen nach Art. 8 GG geschützt.790 Historisch rührt die Einschränkung aus § 161 der Verfassung von 1848/49 und wohl den dortigen Erfahrungen mit der sog. Septemberrevolution 1848791 her, ebenso wie die damit verbundenen §§ 105 f. StGB.792 Ebenso liegt das US-Verfassungsrecht des „peaceably to assemble“ nahe und der dortige historischen Zusammenhang mit dem friedlichen Vorbringen von Petitionen, der Beratung politischer Angelegenheiten und der Wahl von Repräsentanten; zudem ist diese Nähe historisch plausibel vermittelt über das französische und belgische Recht.793 Zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Friedlichkeit ist nicht auf das einfache Versammlungs- und Strafrecht zurückzugreifen,794 sie füllen vielmehr den Gesetzesvorbehalt und die immanenten Schranken aus.795 Wie etwa von Limmer richtig ausgeführt, kann bei der Friedlichkeit weder konstitutiv alleine auf die aus788
Vgl. auch zum Folgenden maßgeblich BVerfGE 81, 278 (293 f.); 81, 298 (304 f.); NJW 2001, 596; 2012, 1273; BGH NStZ 2019, 659; vgl. zum Ganzen ausführlich bereits Fahrner, ZIS 16 (2021), 365. 789 Vgl. zur Entscheidung MD-Gärditz, Art. 5 Abs. 3 GG Rn. 181 ff. m. w. N. 790 Vgl. zur Geschichte Förster, Friedlichkeit, S. 21 ff. 791 Am 16.-18. 9. 1848 unternahm eine wohl spontan gebildete und durch die Abstimmung über die Anerkennung dänische Hoheit in Schleswig-Holstein ausgelöste Menge einen Aufruhr und Sturm auf die in der Paulskirche tagende Nationalversammlung, im Verlauf der Unruhen wurden zwei Abgeordnete ermordet und Barrikaden errichtet. Der Aufstand konnte nur durch von der Reichsregierung zu Hilfe gerufene Österreichische und Preußische Truppen niedergeschlagen werden, was erstere erkennbar in deren Abhängigkeit brachte. 792 Vgl. Reichsgesetz zum Schutze der verfassunggebenden Reichsversammlung und der Beamten der provisorischen Centralgewalt v. 10. 10. 1848, RGBl 1848 Nr. 3; Schroeder, Schutz, S. 72 m. w. N. 793 Vgl. v. a. 1st Amendment US Const., zuvor Decl. des 1. Kontinentalkongresses 14. 10. 1774, sodann Art. 16 Declaration of Rights Pennsylvania 28. 9. 1776: „That the people have a right to assemble together, to consult for their common good, to instruct their representatives, and to apply to the legislature for redress of grievances, by address, petition, or remonstrance.“; vgl. Cong. Rsch. Serv., Constitution of the United States: Analysis and Interpretation, Amdt 1.4.1. [https://constitution.congress.gov]; zu den Übernahmen in den Verfassung Frankreichs von 1791 und Belgiens von 1831 vgl. ausführlich Limmer, Einschüchterung, S. 147 ff. 794 Namentlich BVerfGE 73, 206 (248); Sachs/Höfling, Art. 8 GG Rn. 33 m.w.N; a. A. etwa VG Köln NJW 1971, 210 (211); Hufen, StaatsR II, § 30 Rn 13; vermittelnd auf, gleichwohl durch den Gesetzgeber schöpfbare, strafrechtliche Rechtsgüter abstellend MKS-Gusy, Art. 8 GG Rn. 22 f. 795 Überzeugend Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 815.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
schließlich geistig-kommunikative Auseinandersetzung noch (extensiv und negativ) die Störung eines allgemeinen Rechtsfriedens abgestellt werden;796 dies würde den Prinzipien der FDGO zuwiderlaufen:797 Auch Provokationen und körperliche Manifestation als politische Einwirkung müssen demnach vom Versammlungsgrundrecht geschützt sein.798 Daraus begründet hat sich die gegenwärtige Dogmatik auch von der (aus dem breit verstandenen öffentlichen Frieden) überkommenen Definition abgewandt, dass die Absicht der Veranstalter auf eine Störung des staatsbürgerlichen Friedens in der Bevölkerung überhaupt gerichtet sei.799 Das BVerfG verlangt vielmehr ersichtlich äußerliche Handlungen von einiger Gefährlichkeit, wie etwa Gewalttätigkeiten oder aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen, wofür eine bloße Behinderung Dritter oder ziviler Ungehorsam ausdrücklich nicht ausreicht.800 Das Merkmal ist zunächst auch in der supra- und internationalen Zusammenschau, v. a. mit Art. 11 EMRK,801 autonom zu deuten.802 Gleichwohl zeichnen es §§ 5 Nr. 3, 13 I Nr. 2 VersG nach: Eine Versammlung ist danach als unfriedlich anzusehen, wenn sie einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt, bzw. dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorsteht oder gerade geplant war.803 Die Gewalttätigkeit wird dabei durch die Sitzblockaden-Judikatur dahin eingeschränkt, dass sie eine aggressive und erhebliche physische Einwirkung auf Personen oder Sachen voraussetzt.804 Unklarer erscheint der Aufruhr: Ihm wohnt bereits in grammatikalischer Auslegung die Verbindung einer subjektiven heftigen Gefühlsund Gemütsbewegung mit kollektiver Gewalt inne.805 Die erste Komponente zeigt zwar ein häufiges Motiv und Moment der von „Massenpsychologie“, mit dem Ausbruch aus der habituellen bzw. rational erwogenen Selbstkontrolle und Norm-
796 Vgl. etwa Limmer, Einschüchterung, passim, S. 201 ff. a. A. insbes. noch BGH NJW 1972, 1571 (1573). 797 Namentlich Fortschrittlichkeit, Friedlichkeit und Pluralität, vgl. oben B. I. 2. 798 BVerfGE 69, 315 (359 ff.); dies gilt vorbehaltlich des Gesetzgebungsvorbehalts, was die überaus exzessiv eingrenzende Interpretation von Maunz/Dürig/Depenheuer, 92. EL August 2020, GG Art. 8 Rn. 80 ff. zu verkennen scheint; darin nähert sich Art. 8 GG der Kunstfreiheit mit ihrer offenen Definition an. Vgl. BVerfGE 30, 173 (188 ff.), Hufen, StaatsR II, § 33 Rn. 4 ff. 799 PrOVGE 88, 224; BGH DVBl. 1951, 736. 800 BVerfGE 73, 206 (248 ff.). 801 Vgl. grundlegend EKMR, EuGRZ 1981, 216 (217); EGMR, Urt. v. 12. 6. 2014 – Rs. 17391/06, Rn. 155; Urt. v. 2. 10. 2001 – Rs. 29221/95 u. a. Rn. 77; Karpenstein/Mayer/ Arndt/Engels, Art. 11 EMRK Rn. 7; HK-Daiber, Art. 11 EMRK Rn. 5. 802 BVerfGE 73, 206 (248); 104, 92 (105 f.). 803 BVerfGE 73, 206 (249); v. Münch/Kunig/Ernst, Art. 8 GG Rn. 57; NK-Eickenjäger/ Haerkötter/Vetter, § 5 VersG Rn. 36. 804 Vgl. BVerfGE 69, 315 (359 f.); 73, 206 (248); 87, 399 (406); 104, 92 (106); NJW 2011, 3020; vgl.; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 816 ff. m. w. N.; v. Münch/Kunig/Ernst, Art. 8 GG Rn. 56. 805 Vgl. etwa Kluge/Seebold, Wörterbuch, S. 73.
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beachtung.806 Ein konstitutives rechtliches Tatbestandsmerkmal ist die besondere Emotionalität der Beteiligten indes nicht. Aufgrund der historischen Wurzeln beschränkt sich das Ziel nicht auf die kollektive Nötigung gegen den Vollzug des Staatswillens807 und auch nicht zusätzlich auf einen vollständigen gewaltsamen Umsturz, sondern umfasst den Schutz sämtlicher (einzelner) staatlicher Funktionen, einschließlich etwa der Justiz oder Legislative. Letztlich sind mit beiden Alternativen zwei Deutungen allgemeiner Friedlichkeit adressiert:808 Die Gewalttätigkeit erfasst die manifeste physische Gewalt i. e. S. gegen Dritte; der Aufruhr als seine Folge längerfristige Ohnmacht aufgrund tatsächlich zumindest erheblich beeinträchtigter staatlicher Friedensfunktionalität einer fdVO.809 Damit ist plausibel, dass dadurch nicht einfach für aktuelle Gewaltwirkungen die durch das BVerfG erhöhte Schwelle etwa im Hinblick auf §§ 113 ff. StGB n. F. umgangen werden kann810 und auch nicht sonstige Straftaten aus der Versammlung diesen auslösen, die einfach und weiterhin wirksam durch die Staatsgewalt ahndbar sind. Gerade hierin liegt die von der h. M. geforderte besondere Intensität für die Aufruhr-Alternative.811 Die Schwelle der konkreten Einwirkungen wird gegenüber der manifesten unmittelbaren Gewalt gesenkt; gleichwohl verbleibt neben der ersten Alternative nur ein geringer Anwendungsraum, wenn manifeste Gewalttätigkeiten nicht begangen bzw. nicht hinreichend wahrscheinlich sind und der Aufruhr sich vor allem durch einschüchternde Drohungen etc. nachhaltige regulatorische Macht ausdrückt. b) Funktionale Schranken-Schranken-Dogmatik des BVerfG namentlich zur Meinungsfreiheit aa) Ausgangspunkt der engeren Dogmatik des BVerfG zur Meinungsfreiheit, die man als eine funktionaler Schranken-Schranken beschreiben kann, ist der Schutz vor allem von Minderheiten und der FDGO selbst vor staatlichen Eingriffen, die auf konkrete Meinungen zielen. Dazu dienen indes bereits die Sicherungen im Normtext des Grundgesetzes: unter anderem durch den ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt (Art. 5 II, 8 II, 9 II GG) bzw. die notwendige Ausgestaltung verfassungsimmanenter 806
Siehe ausführlich oben D. II. 2. So noch § 115 RStGB bis 22. 5. 1970 „Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei welcher eine der in den §§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften begangen wird, Teil nimmt, wird wegen Aufruhrs…“ vor allem nach Vorbildern des aufgeklärten Absolutismus, vgl. Schroeder, Schutz, S. 35 f., 85, 142. 808 Siehe oben B I. 2. d) auch zum Folgenden. 809 Vgl. zur möglichen Rolle des Gewaltmonopols MKS-Gusy, Art. 8 GG Rn. 22 a. A. und hingegen kaum mit den Funktionen einer FDGO und der Systematik in Einklang zu bringen ist die exzessive Auslegung von MD-Depenheuer, Art. 8 GG Rn. 84. 810 Vgl. etwa NK-Eickenjäger/Haerkötter/Vetter, § 5 VersG Rn. 41 f. a. A. etwa noch unter Berufung auf §115 StGB a. F. Erbs/Kohlhaas/Wache, § 5 VersG Rn. 7; unklar insoweit etwa Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 817. 811 Vgl. etwa Limmer, Einschüchterung, S. 170; NK-Eickenjäger/Haerkötter/Vetter, § 5 VersG Rn. 42. 807
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Schranken (z. B. bei Art. 5 III GG) verbunden mit den Anforderungen an Gesetze allgemein, insbesondere gegen willkürliche Diskriminierung, etwa aus Art. 3, 19 I 1 GG. Diesen Schutz, zu dem zusätzlich Schutzprivilegien namentlich des parlamentarischen Raums812 und der Parteien (Art. 21 GG) treten, will das BVerfG gegenüber dem Gesetzgeber aus bereits in der Weimarer Republik gelegten Grundlagen heraus verdichten. (1) Dazu dient zum einen die sogenannte Wechselwirkungslehre – nicht nur bei Art. 5 GG,813 sondern auch bei Art. 8 GG –,814 nach der die gesteigerte Bedeutung der demokratischen Kommunikationsgrundrechte stets in den Auslegungen und Abwägungen Berücksichtigung zu finden hat. Daraus leitet sich vor allem eine besondere Sorgfaltspflicht in der Auslegung von Äußerungen ab, die zur Grundlage des Eingriffs gemacht werden sollen.815 (2) Zum anderen sucht das BVerfG durch Fortführung des sogenannten Sonderrechtsverbots in Art. 5 II GG zu verhindern, dass bestimmte Kommunikationsinhalte, v. a. politische Positionen von aktuellen Minderheiten, als solches sanktioniert werden und dadurch der demokratische Prozess durch staatliche Machtmittel beeinflusst wird. In diesem Bestreben liegen auch der Sinn und Zweck der Anwendung der Schranken des Art. 5 II GG bei Eingriffen gegen Versammlungen, die an erwartete oder erfolgte Meinungsäußerungen anknüpfen, über Art. 8 GG hinaus. Zudem dehnt das Gericht diesen Gedanken auch aus in die Auslegung und Anwendung von Art. 5 II Var. 2, 3 GG.816 bb) Für verfassungsfeindliche Kundgaben fehlt es bei Art. 5 I und 8 GG an einer expliziten Regelung wie Art. 9 II GG,817 hier verweist der Verfassungstext einerseits nur auf Art. 18 GG und andererseits die allgemeinen Gesetzesgrundlagen. Damit ist die Frage nach Geltung, Reichweite und genauem Inhalt des Sonderrechtsverbots auch für Eingriffe gegen Angriffe auf die FDGO zentral. Dieser betrifft vorrangig die Gesetzesvorbehalte nach Art. 5 II Var. 1, 8 II, 9 II Var. 1 GG. Während im Grundsatz die Geltung eines Sonderrechtsverbots aufgrund des Begriffs des „allgemeinen 812
Vgl. oben II. 4. Grundlegend bekanntlich Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 44 (51 ff.); für das GG BVerfGE 7, 198 (209 ff.), st. Rspr.; beachte für Art. 5 II Var. 3 GG Rühl, Tatsachen, S. 70 ff. m. w. N. 814 BVerfGE 87, 399 (406 f.); Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 811. 815 Vgl. BVerfGE 43, 130 (136); BVerfGE 82, 43 (50 ff.); sowie bereits Fahrner, Staatschutzstrafrecht, § 7 Rn. 23 f. m. w. N. 816 Vgl. etwa Rühl, Tatsachen, S. 70 ff.; nach dem Wortlaut sollen eigentlich ausdrücklich Äußerungen, deren Inhalt die persönliche Ehre oder den Jugendschutz – mithin Formen der sittlichen Freiheit (s. o. B. II. 5.), verletzt – gesondert bekämpft werden können; damit soll etwa die verharmlosende Wirkung einer bestimmten Geschichtsinterpretation auch der NS-Zeit zur Indizierung im Rahmen des Jugendschutzes (wohl im Rahmen der Verhältnismäßigkeit) nicht ausreichen, sofern nicht die Gewalt- und Willkürherrschaft selbst bzw. die NS-Ideologie verherrlicht, rehabilitiert oder verharmlost wird, vgl. BVerfGE 90, 1 (18 f.). 817 Vgl. gerade oben a) cc) (1). 813
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Gesetzes“ bei der Meinungsfreiheit unbestritten ist,818 erscheint dies im Rahmen der „Strafgesetze“ (Art. 9 II Var. 1 GG) bei der Vereinigungsfreiheit und im noch offeneren Wortlaut von Art. 8 I, II GG unklar. Bei beiden wird zunächst die mögliche doppelte Stoßrichtung eines Sonderrechtsverbots erkennbar: Einerseits gegen die kollektiven Kommunikationsformen als solche, andererseits wegen der bestimmten darin kommunizierten Inhalte. Das BVerfG trennt deutlich, dass Art. 8, 9 GG gerade die kollektiven Formen der Kommunikation als solche schützen, hingegen die Meinungsäußerung in diesem Rahmen stets vorrangig nach Art. 5 GG zu beurteilen sei.819 So soll Art. 9 GG nicht bei konkreten Sanktionierungen von individuellen Handlungen in Organisationen, sondern nur der Vereinigung als solcher gelten.820 Mit der Frage, ob dann bei Art. 9 II GG trotzdem noch ein Sonderrechtsverbot eingreift, tut sich die Dogmatik überraschend schwer. So behauptet das BVerfG: „Sonderstrafnormen, die sich allein gegen Vereinigungen als solche richteten, wären hier nicht zu berücksichtigen, denn sonst stünde die Vereinigungsfreiheit im Ergebnis zur Disposition des Gesetzgebers.“821 Die letztgenannte Polemik, übernommen aus der Literatur und Problemlagen vor 1949, geht angesichts der Verfassungsbindung des Gesetzgebers, etwa an Art. 3, 19 GG sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, fehl.822 Zudem richten sich §§ 84 ff., 127, 129 ff. StGB, § 20 VereinsG gegen Vereinigungen als solche. Sie gewinnen ihre Strafbarkeit, jedenfalls über die Schwelle der Strafwürdigkeit/-bedürftigkeit hinaus, gerade aus einer (erneuerten) Vereinigungsgefahr und nicht alleine dem sozialschädlichen Tun Einzelner. Die Strafbarkeit Einzelner macht sich bei §§ 127 ff. StGB durch ihre mitgliedschaftliche Beteiligung, nicht die an konkreten Taten fest.823 Etwa § 20 VereinsG oder § 129 StGB wiederum wegen einer Anknüpfung an Art. 9 II GG zu rechtfertigen,824 liefe jeweils auf einen Zirkelschluss hinaus.
818
Vgl. allerdings weiter unten c), d). Vgl. für die Abgrenzung zur Versammlungsfreiheit und zum Zusammenwirken dd). 820 Dieser Ansatz scheint auch beim BVerfG trotz unklarer Fassung durch, vgl. BVerfGE 149, 160 (191, 200 f.): Danach darf im Hinblick auf andere Grundrechte einerseits allein aus der kollektiven Ausübung nach Art. 9 GG kein weitergehender Grundrechtsschutz folgen, andererseits das Vereinigungsverbot nicht gerade nur als Mittel dienen, um Meinungsäußerungen oder Publikationen zu unterbinden. Gemeint sind solche, die für sich genommen den Schutz des Art. 5 I GG, und dort eben der Dogmatik zur Sicherung der Pluralität nach Art. 5 II Var. 1 GG, genießen. In diesem Sinn dürfen sich gesetzliche Verbotsgrundlagen grundsätzlich nicht einseitig gezielt gegen bestimmte politische Anschauungen richten. Auf die Zurechnungsfragen des Handelns Einzelner zur Vereinigung ist hier nicht gesondert einzugehen, vgl. nur BVerfGE 149, 160 (195); BVerwG, NVwZ 2005, 1435 (1440 f.); MKS-Kemper, Art. 9 GG Rn. 74. 821 So noch BVerfGE 149, 160 (196) m. w. N. 822 So im Übrigen die Entscheidung selbst an anderer Stelle, BVerfGE 149, 160 (201) Rn. 114. 823 Vgl. nur BGHSt 33, 16 (Rn. 5); sowie bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 14 Rn. 3 f., 10, 23, 52 ff. m. w. N. 824 Vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 868 m. w. N. 819
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cc) Für die Meinungsfreiheit hat das Lüth-Urteil im Begriff der „allgemeinen Gesetze“ in Art. 5 II Var. 1 GG die Weimarer Wechselwirkungs- und Sonderrechtslehre dauerhaft verbunden.825 Dabei hat es (für letztere) die ständige Formel geprägt, allgemein seien Gesetze dann, „wenn sie sich weder gegen die Meinungsfreiheit an sich noch gegen bestimmte Meinungen richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen“.826 In der Frage, wann ein allgemeines Gesetz zum Schutz der FDGO vorliege, schwankt das BVerfG erheblich. Einerseits hält ein Einfuhrverbot für Filme, die nach ihrem Inhalt dazu geeignet sind, als Propagandamittel gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu wirken, für kein Sonderrecht, denn es richte sich nicht gegen eine bestimmte Meinung, sondern gegen alle, möglicherweise auf ganz verschiedenen politischen Ansichten beruhenden verfassungsfeindlichen Bestrebungen.827 Andererseits sieht es unter der Forderung der „Meinungsneutralität“ das Vorgehen gegen (v. a. rechtsextremistische) verfassungsfeindliche Meinungen und damit transportierte Bestrebungen nur unter einer komplizierten Dogmatik als allgemeine Gesetze an.828 dd) Diese bereits „mehrfach diskretionäre“ Konstruktion des BVerfG setzt sich in der Anwendung des einfachen Rechts gegen Versammlungen aufgrund (erwartbarer oder erfolgter) extremistischer Kundgabeinhalte fort. Unter anderem besteht Einigkeit zunächst, dass nicht allein die fehlende Kooperation des Veranstalters mit den staatlichen Stellen als solche sanktioniert werden darf.829 Sodann will das BVerfG die Schranke des Art. 5 II GG bzw. insgesamt Art. 5 I GG anwenden, soweit die Maßnahmen gegen eine Versammlung Inhalt und Form einer Meinungsäußerung betreffen.830 Es seien „Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, darunter auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung, erlaubt, vorausgesetzt, dass diese nicht aus dem Inhalt der Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung folgen. So sind Beschränkungen der Versammlungs825
Vgl. grundlegend Häntzschel, AöR 10 n. F. (1926), 228 (232 f.); ders., in: HdtStR II, S. 651 (657 ff.); weiter Überblick m. w. N. Anschütz, Art. 118 WRV, S. 551 ff.; aus bundesrepublikanischem Rückblick etwa Hoppe, JuS 1991, 734 ff.; Handschell, BayVBl. 2011, 745 (746 f.) sowie zum weiteren Hintergrund Schaefer, DÖV 2010, 379. 826 Vgl. hier im kompakten Wortlaut etwa BVerfGE 97, 125 (146), grundlegend dafür BVerfGE 7, 198 (209). 827 BVerfGE 33, 52 (66); beachte allerdings das gerade dies angreifende Minderheitsvotum BVerfGE 33, 52 (84 ff.). 828 Siehe das Folgende, namentlich auch unter ee). 829 BVerfG NJW 2001, 1407 (1408); allerdings bei Kooperation positiv höhere Schwellen des Eingreifens nach BVerfGE 69, 315 (355 ff.). 830 Vgl. negativ bereits BVerfGE 69, 315 (343); sodann BVerfGE 90, 241 (246); BVerfGK 2, 1 =NVwZ 2004, 90 (91); ausführlich BVerfGE 111, 147 (154), st. Rspr.; „Verfügungen, die sich auf den Inhalt von Aussagen beziehen, namentlich bei der Anknüpfung an das Motto der Versammlung und die zu erwartenden Äußerungen der Versammlungsteilnehmer“, vgl. insbesondere BVerfG NVwZ 2006, 585.
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freiheit verfassungsrechtlich unbedenklich, die ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird.“831 Ansonsten könne eine Äußerung, die von Verfassungswegen nicht unterbunden werden dürfe, auch nicht Anlass für eine versammlungsbeschränkende Maßnahme sein.832 Aus der notwendigen (gegenüber der zentralen Bedeutung für die FDGO „freundlichen“) Auslegung des Art. 8 GG folgt die restriktive Handhabung der Einschränkungen, mithin zunächst eine umfassende Güterabwägung, nach der Dritte Belästigungen hinnehmen müssen, sowie die Notwendigkeit der unmittelbaren Gefährdung und die ultima ratio für Verbote und Auflösung.833 Zentrale Bedeutung in diesem Konzept erhalten Straftatbestände in einer Scharnierfunktion: Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht Rechtsgutverletzungen ermögliche, die außerhalb von Versammlungen unterbunden werden dürfen, dürfe die Missachtung von Strafgesetzen durch Sanktionen auch gegen die Versammlung geahndet bzw. verhindert werden.834 Sie, so legt das BVerfG nach, dienten anderen Rechtgütern und seien daher als allgemeine Gesetze (in aller Regel) anzusehen (jedenfalls wenn das Gericht dies bereits festgestellt hat). Hier wendet das Gericht auch als Grundlage das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit, etwa in § 15 I VersG an. Ansonsten stellt es auf die Art und Weise der Durchführung der Versammlung ab und fasst darunter etwa Einschüchterungen durch Provokationen, die sich aus dem Verhalten, Zeitpunkt oder Gepräge der Demonstration ergäben.835 Um gegen diese einzuschreiten, sieht es die öffentliche Ordnung berufen, auf die öffentliche Sicherheit geht es insoweit nicht ein. Letzteres gilt ebenso für kollidierende Grundrechte, die nach dem Gericht für „inhaltsfolgende Beschränkungen“ nicht im Rahmen der öffentlichen Ordnung abgegrenzt werden könnten.836 Weiterhin sind auch auf Grundlage des Schutzgutes der öffentlichen Ordnung im Rahmen der versammlungsrechtlichen Vorschriften jedenfalls nur Verbote zum Schutz von Rechtsgütern zulässig, die der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 8 I GG zumindest gleichwertig sind.837
831
BVerfGE 111, 147 (156 f.). BVerfGE 90, 241 (246). 833 Vgl. BVerfGE 69, 315 (352 ff.) st. Rspr.; BVerwGE 64, 55. 834 Vgl. zum Ganzen insbesondere BVerfGE 111, 147 (156 f.); sowie BVerfG NJW 2001, 2069 (2070); NVwZ 2006, 585 (586). 835 Vgl. BVerfGE 111, 147 (156 f.), ausführlich sogleich unten fortgeführt in BVerfG 124, 300; inhaltsbezogene Eingriffe in Versammlungen könnten nach dem BVerfG nicht auf das Schutzgut der öffentlichen Ordnung gestützt werden, jedenfalls „soweit kein Straftatbestand erfüllt ist“, vgl. BVerfG NJW 2001, 2069 (2070 f.). 836 Vgl. BVerfGE 111, 147 (157 f.) unter Berufung auf Rühl, NVwZ 2003, 531 (536 f.); Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422 (428). 837 Vgl. BVerfGE 69, 315 (352 ff.); NJW 2001, 1409; 2001, 2076 (2077 f.), in beiden allerdings ansonsten offen zu Auflagen etwa einer Verlegung. 832
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Der Berufung zahlreicher Fachgerichte838 auf den Schutz der FDGO will das BVerfG entgegensetzen, dass diese nur „mit den Mitteln des Rechtsstaats“ zu schützen wäre, was nicht nach § 15 VersG möglich wäre.839 Es bestünden „in Art. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 sowie auch in Art. 26 Abs. 1 besondere Schutzvorkehrungen … Die Sperrwirkung dieser Vorschriften steht daher einer Berufung auf ungeschriebene verfassungsimmanente Schranken als Rechtfertigung für sonstige Maßnahmen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegen.“ Schließlich, könnten aus den Schutznormen der FDGO im GG keine weitergehenden Rechtsfolgen als die ausdrücklich angeordneten abgeleitet werden. In allem umgrenzt das BVerfG seine Kernerkenntnis, dass alleine die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts das rechtliche Vorgehen gegen eine Versammlung „außerhalb der besonderen rechtsstaatlichen Verfahren“ nicht erlaube.840 ee) Zuletzt hat das Gericht in BVerfGE 124, 300 versucht, die Sonderrechtsansätze des Gerichts im Detail zu sammeln:841 Nur wenn die fragliche Norm Verhalten völlig unabhängig von dem Inhalt einer Meinungsäußerung erfasste, bestünden hinsichtlich der Allgemeinheit keine Zweifel. Ansonsten sei dies zu vermuten, wenn sie dem Schutz eines auch sonst in der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts diene, mithin, „dass das fragliche Rechtsgut schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung geschützt sein … und damit Inhaltsanknüpfungen in Neutralität zu den verschiedenen politischen Strömungen und Weltanschauungen stehen müssen“. Weiterhin müsse dazu geprüft werden, ob das entsprechende Gesetz sich bei der gebotenen Gesamtsicht als konsequent und abstrakt vom Rechtsgut her gedacht erweist und ohne Ansehung konkret vorfindlicher Auffassungen ausgestaltet.842 Dazu gehöre wiederum eine hinreichend allgemein gefasste Formulierung der Verletzungshandlung sowie der geschützten Rechtsgüter, durch die „die Norm im politischen Kräftefeld als gegenüber verschiedenen Gruppierungen offen erscheint und sich die pönalisierte oder verbotene Meinungsäußerung grundsätzlich aus verschiedenen politischen, religiösen oder weltanschaulichen Grundpositionen ergeben kann…. Sie darf allein an dem zu schützenden Rechtsgut ausgerichtet sein, nicht aber an einem Wert- oder Unwerturteil hinsichtlich der konkreten Haltungen oder Gesinnungen.“ Schließlich wird all dies aber wieder einkassiert durch die Feststellung: „Die Frage, ob eine Norm nach diesen Grundsätzen noch als allgemeines Gesetz oder als Sonderrecht zu beurteilen ist, lässt sich dabei nicht schematisch beantworten. Es kommt vielmehr auf eine Gesamtsicht an…“. 838
Siehe sogleich unten d) dd). Vgl. auch zum Folgenden mit Zitat BVerfGE 111, 147 (158 f.); daneben bereits BVerfGK 2, 1 =NVwZ 2004, 90 (91). 840 Vgl. nur exemplarisch BVerfGK 2, 1 =NVwZ 2004, 90 (91). 841 Das Folgende in BVerfGE 124, 300 (321 ff.); ähnlich bereits unter Hinblick auf Art. 8 I in BVerfGE 111, 147 (155 ff.); BVerfGK 2, 1 =NVwZ 2004, 90 (91 f.). 842 Wohl modellhaft etwa zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei BVerfGE 54, 208 (217 ff.). 839
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Das BVerfG scheint erkennbar bei der entscheidenden Frage grundlegend zu schwanken, ob Meinungsäußerungen sanktioniert werden können, die durch ihre Inhalte die FDGO gefährden können.843 Derartige Angriffe können sich theoretisch meist aus unterschiedlichsten extremistischen Bestrebungen „von unterschiedlichen Seiten“ ergeben. Ihre rechtliche Sanktionierung greift allerdings in das „freie Machtund Kampfspiel“844 derartiger Gruppen im politischen Raum ohne weiteres ein, und formuliert und signalisiert damit, z. B. durch Strafandrohung, ein staatliches Unwerturteil. Der Angriff gerade durch bestimmte inhaltliche Meinungsäußerungen auf die FDGO oder Menschenwürde stellt die innere „materielle“ Wurzel jener Strafnormen und darin konstruierter Rechtsgüter dar, umso mehr, wenn man letztere mit dem BVerfG selbst nur als reine ratio legis betrachten will.845 Dies gilt namentlich für die zur Annahme allgemeiner Gesetze durch das Gericht bemühten Rechtsgüter, darunter: das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (namentlich von im NS-Regime verfolgten Gruppen und ihrer Nachkommen),846 politische Mäßigungspflichte der „wehrhaften Demokratie“,847 die staatliche (Gebiets-)Autorität durch Symbole848 sowie umgekehrt die Tabuisierung von Propagandamitteln und Kennzeichen auch nationalsozialistischer Organisationen.849 Gerade bei letzterem wird die filigrane Findigkeit in der hier tatsächlich naheliegenden Hypostasierung eines Zwischenrechtsguts oder reinen Handlungsungehorsams besonders (an-)greifbar.850 Umso mehr gilt dies für die Behauptung des Gerichts, auch hier müsse stets „strikt an einem veräußerlichten Rechtsgüterschutz, nicht aber einer inhaltlichen Bewertung der betroffenen Meinung orientiert sein“, letzteres ebenso bei der bei Legitimierung von § 130 IV StGB folgenden Herleitung über den öffentlichen Frieden.851 Allein verengt auf den zu entscheidenden Fall des § 130 IV StGB wird zwar aus der Deduktion heraus der Sonderrechtscharakter der Norm, aber ebenso ihre Legitimität ausnahmsweise aus besonderer Verfassungskonstellation begründet. Ähnlich 843 Vgl. auch etwa Michael, ZJS 2 (2010), 155 ff.; dies scheint zudem widersprüchlich zu BVerfGE 113, 63 (78 f.), wo das Gericht im Schutz der FDGO bzw. Verfassungsordnung ohne weiteres ein Rechtsgut erkannt hat, welches gem. Art. 5 II GG die Norm des § 15 II VerfschG NRW als Einschränkung der Pressefreiheit rechtfertigen würde. 844 Vgl. zum Begriff des Kampfes hier nochmals BVerfGE 69, 315 (345). 845 BVerfGE 120, 224 (241). 846 Vgl. bei der Volksverhetzung Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht BVerfGE 90, 241 (251); 111, 147 (155); ebenso bei §185 StGB vgl. BVerfGE 93, 266 (291); ferner zum Persönlichkeitsrecht aus §185 StGB BVerfGK 8, 89 (96); NJW 2009, 3016 (3017). 847 Vgl. BVerfGE 28, 282 (292); 39, 334 (367); zur wehrhaften Demokratie ist auf die anderweitige Untersuchung zu verweisen. 848 Vgl. BVerfGE 47, 198 (231 f.); 69, 257 (268 f.); sowie bereits Fahrner, ZIS 16 (2021), 365 ff. m. w. N. 849 BVerfGE 111, 147 (155); 124, 300 (331 ff.); NVwZ 2020, 1424; Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 19 Rn. 1 ff. m. w. N. 850 Auch hier muss auf die weitergehende Analyse aus Sicht des Staatsschutzstrafrechts verwiesen werden. 851 BVerfGE 124, 300 (331 ff.).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
hatte das Gericht zuvor keine Bedenken, gezielt nur die NS-Ideologie als Sonderfall dem grundsätzlich den Pluralismus schützenden Tendenzverbot des Jugendschutzes zu entziehen.852 Die neuesten Ergänzungen des BVerfG wirken aus Sicht der Wissenschaftstheorie trotz und gerade in der Summe aller Versuche von Systematisierungen und Indizien als ad hoc-Modifikation zur Rettung eines bereits überkommenen Paradigmas.853 Im Zentrum steht, immer wieder auftauchend bis am Ende, die Wertung „ob die meinungsbeschränkende Norm eine prinzipielle inhaltliche Distanz zu den verschiedenen konkreten Positionen im politischen und weltanschaulichen Meinungskampf wahrt“, gar „eine Fassung der Norm, die in rechtsstaatlicher Distanz gegenüber konkreten Auseinandersetzungen im politischen oder sonstigen Meinungskampf strikte ,Blindheit‘ gegenüber denen gewährleistet, auf die sie letztlich angewendet werden soll“.854 c) Würdigung Dieser Ansatz erweist sich, wie in der Literatur vielseitig kritisiert, als wenig rechtssicher.855 Bei aller seiner immer weiter ausdifferenzierten Dogmatik gelingt es dem Gericht nicht, prägnante, verlässliche Grenzen für die Sanktionierung „verletzender“, vor allem aber die friedliche Verfassungsordnung gefährdender individueller und kollektiver Kundgaben zu ziehen. aa) Zunächst bleibt die genaue Abgrenzung „inhaltsbezogener Anknüpfung“ bei Maßnahmen gegen Versammlungen „wenn diese aus dem Inhalt der Äußerungen der Versammlung folgen“856 zur Aktivierung jedenfalls der Schranke des Art. 5 II GG, wenn nicht Art. 5 I GG, auch in der Rezeption unklar.857 Wenn gerade Zweck der Versammlung die kollektive Kommunikation und Kundgabe und die freie Entscheidung über die Modalitäten elementarer Teil des Schutzes ist, lässt sich kaum ein nicht (kausal – oder final?) inhaltsbezogener Aspekt der Art und Weise feststellen.858 852
BVerfGE 90, 1 (19). Vgl. dazu Kuhn, Revolutionen, S. 11 f., 95 ff.; Fahrner, Buchdruck, S. 17 f. 854 BVerfGE 124, 300 (325). 855 Vgl. etwa v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 113 ff. m. w. N.; BeckOK-Schemmer, Art. 5 GG Rn. 99.1; Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 693 ff. m. w. N.; Bühring, Demonstrationsfreiheit, S. 41 ff.; Leitmeier, NJW 2016, 2553 (2555); vgl. bereits die Abweichungen von der Sonderrechtslehre bei Arndt, Art 118 WRV S. 316 f.; Bethge, AfP 1980, 13 (16); sowie der Vorwurf von Lücke, Gesetze, S. 7 ff., die Schranke würde allgemein leerlaufen. Vgl. auch Benda, NJW 2001, 2947; zur Widersprüchlichkeit zu früheren Entscheidungen auch Beyerbach, JA 2015, 881 (884). 856 BVerfGE 111, 147 (156 f.). 857 Vgl. nur exemplarisch die Formulierungen bei Hufen, StaatsR II, § 30 Rn. 16; Kingreen/ Poscher, Grundrechte, Rn. 811; Beyerbach, JA 2015, 881 (887). 858 Denkbar wäre dies allenfalls bei rein „erörternden Versammlungen“, wie etwa BVerfGE 128, 226 (250) ergänzt; vgl. bereits krit. Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 42 (48); zum Abgrenzungsproblem auch im US-Recht Fohrbeck, Wunsiedel, S. 279 ff. m. w. N.; Hong, ZaöRV 70 (2010), 73 (120); ders., DVBl. 2010, 1267 (1274); Görisch, KritV 94 (2011), 186 (191 f.). 853
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bb) Vor allem ist weiterhin ungeklärt, was eigentlich Sonderrecht i. S. v. Art. 5 II Var. 1 GG genau ausmacht.859 Während die überlagernden Ansätze des BVerfG dazu Anlass geben müssten, erscheint das Interesse zur tiefergehenden Klärung gering. Für nicht wenige hat so „die Sonderrechtslehre nur die Funktion einer rhetorischen Figur“,860 bleiben die weiteren Ausformungen zur Inhaltsneutralität untauglich.861 (1) Vor allem der (stets nur angedeutete) „Fokussierungs-Ansatz“, ein Gesetz für allgemein zu halten, wenn es Meinungen unterschiedlicher Blickwinkel sanktioniert,862 überzeugt nicht. Eine solche Eingrenzung von Einzel- und Sonderfall gelingt bereits nicht bei Art. 3 I, 19 I 1 GG. Für sich genommen, bleibt es eine Fiktion, notwendig rein theoretische Gefahren auch von einer Gegenseite hinzuerfinden zu müssen, um eine Norm legitim zu machen.863 Es stellt sich die Frage, welche theoretisch ferne Gefahr von einer „anderen Seite“ dafür genügen soll. Schließlich scheint ebenso kaum darstellbar, wie eine minimale Weite des Fokus bestimmt werden kann. Dies war bereits den Schöpfern der Sonderrechtslehre anscheinend deutlicher bewusst, als dies heute der Fall ist.864 (2) Der weitere Ansatz der „Verletzung auch in anderer Weise“865 ist ebenfalls wenig belastbar: Beleidigungen von Behörden gem. §§ 185, 194 StGB, Kundgaben von (zutreffenden Staats-, Dienst-, Privat-)Geheimnissen (z. B. gem. §§ 94 ff., 203 etc. StGB) oder § 353d StGB866 werden als allgemeine Gesetze angesehen, wiewohl die Äußerung des Inhalts sanktioniert wird. Argumentativ scheint ein Vergleich verbaler und anderer, z. B. symbolhafter oder tätlicher Handlung zu Grunde gelegt,867 der indes speziell für Versammlungen nach der eigenen Definition des BVerfG keine Bedeutung haben kann. Es anerkennt selbst, dass gerade durch die Modalitäten und 859
Vgl. etwa ausführlich v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 113 ff. So Rühl, Tatsachen, S. 88 f. 861 So bereits die grundlegende Kritik von Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 42 (51); für einen reinen Inhaltsansatz vgl. MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 278; ähnlich regt sich Widerstand, warum gegen das Leugnen des Holocaust, jedoch das weiter gefasste Billigen der NS-Herrschaft kein Sonderrecht vorliegen soll, vgl. etwa Beyerbach, JA 2015, 881 (885). 862 So wohl, wenn auch nicht vertieft, Nolte/Tams, JuS 2004, 199; darauf ebenso unkritisch bezüglich § 15 II VersG aufbauend Stohrer, JuS 2006, 15 (17). 863 Vgl. ebenso ausdrücklich und überzeugend schon Häntzschel, HdtStR II, § 105 S. 660 Fn. 22; etwa verkannt von Masing, JZ 2012, 585 (587 ff.), s. ausführlich unten e) aa) (3); die Fiktion der „Hufeisentheorie“ mit allen hier nicht auszuführenden Problemen, liegt nahe, deutlich etwa in Beyerbach, JA 2015, 881 (886 f.); näher zum Problem aus Sicht mehrerer partieller viewpoints Fohrbeck, Wunsiedel, S. 305. 864 Vgl. zum Ganzen noch sogleich unten e) aa). 865 Vgl. auch diesem folgend Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 700; zurückgehend auf Anschütz, Verfassungsurkunde I, S. 512. 866 Vgl. etwa BVerfGE 71, 206 (214 f.) unter auffälliger Rücknahme auf die Pluralismusratio; daneben BVerfG NJW 2014, 2777 (2778). 867 So aber (durchaus „entlarvend“) Schmitt, Verfassungslehre, S. 168; hingegen überzeugend bereits Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (16); Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 42 (48). 860
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Bezüge der Versammlung ihr kommunikativer Inhalt und Anliegen verstärkt oder gar erst hergestellt wird, mithin beides eigentlich untrennbar verbunden scheint: Denn es gehe darum, dass die Teilnehmer nach außen durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes im eigentlichen Sinne des Wortes „Stellung nehmen“ und ihren Standpunkt bezeugten, was auch durch schlüssiges Verhalten wie beispielsweise durch einen Schweigemarsch, geäußert werden könne.868 Nicht selten ergibt sich die beabsichtigte spezielle kommunikative Wirkung bzw. „Nachricht“ gerade (auch) untrennbar durch die Umstände der Versammlung, namentlich ihren Zeit und Ort etwa im Bezug zu bestimmte Plätzen und Ereignissen. Durch entsprechende zeitliche oder örtliche Verlegungen oder Auflagen wird folglich der kommunikative Zweck vereitelt oder entscheidend verringert. In derartigen Umgestaltungen kann tatsächlich eine Strategie der Versammlungsbehörden und Fachgerichte in Reaktion auf das Korsett des BVerfG erkannt werden.869 (3) Weiter bleibt der tradierte Rechtsgutsansatz. Mit ihm setzt sich das BVerfG in erhebliche, von ihm nicht aufgeklärte, Spannung zur von ihm selbst wenig zuvor unter anderem im „Inzest-Urteil“ festgestellten freien Rechtsguts- und Normfindungsbefugnis des Gesetzgebers,870 aus der es dort gerade dessen freier Dispositionsbefugnis folgert, die es hier verhindern möchte.871 Die Konstruktion der Sonderrechtslehre mittels fingierbarer Rechtsgütern reicht soweit, dass etwa das Gericht die politische Meinungsäußerung „Nazis ins Museum“ durch den Inhaber an seinen Taxen alleine aus der Begründung der „Schutzwürdigkeit des Taxenverkehrs“ als „wichtiges Gemeinschaftsgut“ für verbietbar hält, ohne überhaupt in die Prüfung des Art. 5 GG (und entgegen der Eingangsinstanz etwa auch der besonderen Bedeutung der Meinungsäußerung) näher einzusteigen.872 Insgesamt wird, nicht zu Unrecht, wahrgenommen, dass das BVerfG (im Gegensatz zu zahlreichen Maßnahmen gegen neonationalsozialistische Kundgebungen) praktisch kein Gesetz an der Schranke der Allgemeinheit hat scheitern lassen.873 Dies gilt umso mehr, soweit man die Generalklauseln der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als allgemeine Gesetze anerkennt.874 (4) Endlich greift das Gericht, vor allem im Versammlungsrecht, als Kriterium auf das nach dem Strafrecht Verbotene zurück. Einerseits ist dies begründet, weil kri868 869
1300. 870
Vgl. BVerfGE 69, 315 (345); NVwZ 2011, 422. Vgl. umfassend die Rechtsprechungsübersicht und Beobachtung bei Leist, NVwZ 2003,
BVerfGE 120, 224 (241 f.). Vgl. ebenso Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs. 1 – 2 GG Rn. 139, 142 m. w. N.; Hörnle, JZ 2010, 310 (311); Enders, JZ 2008, 1092 (1096); Lepsius, Jura 2010, 527 (530). 872 BVerfG NJW 2000, 1326 unter Billigung der weiteren Argumentation von VG Berlin NVwZ 1995, 822 und BVerwG NJW 1999, 805, dagegen zurecht kritisch etwa Hufen, StaatsR II, § 25 Rn. 52. 873 Vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 701 mit Übersicht. 874 Wie namentlich BVerwGE 84, 247 (256). 871
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minelles Verhalten nicht grundrechtlich geschützt sein könnte, mithin eine Formel, die aus den Anfangszeiten des Grundgesetzes herrührend auf den Schutzbereichsausschluss gerichtet ist.875 Andererseits sieht es eine Vermutung besonderer Gewichtung der geschützten Rechtsgüter in der Kriminalisierung ihrer spezifischen Verletzung. Jedoch stellt es gleichzeitig den Gesetzgeber gerade von einem solchen Maßstab weitestgehend frei und billigt ihm so eine weite Kriminalisierung nach Ermessen zu. Warum sich zudem die unselbständigen Verbots- d. h. Handlungsnormen im Strafrecht vor anderen, z. B. im Zivil- oder Verwaltungsrecht, hervorheben sollten, offenbart das Gericht nicht, ebenso wenig sein Grundvertrauen darauf, der Gesetzgeber werde Strafnormen nicht antiplural benutzen, etwa durch entsprechende hypostasierte Rechtsgüter. cc) Ebenso wenig überzeugt die These des BVerfG, der Gesetzgeber habe mit seinen Straftatbeständen den möglichen rechtfertigenden Rückgriff auf das Schutzgut der öffentlichen Ordnung verwehrt, da er „im Übrigen keinen Vorrang des Rechtsgüterschutzes gegenüber Meinungsäußerungen anerkenne“.876 Eine zentrale Bedeutung des Strafrechts als Grundlage des Präventionsrechts erscheint zwar aus der europäischen, v. a. französischen Tradition erklärbar,877 mit den anderweitigen Entscheidungen zur verfassungsmäßigen (strafrechtlichen) Normfindung jedoch kaum einsichtig. Zudem gelangte man dann wieder zur bereits in der Weimarer Debatte problematisierten generellen Annahme allgemeiner Gesetze bei allen Strafund allgemeinen Polizeigesetzen zurück.878 Weiter steht und fällt das Konzept des allgemeinen Gesetzes dann durch die Legitimierung des Strafrechts als „zweckentfremdetes“ Zwischenglied, um Prävention zu ermöglichen, und dessen dadurch auch in verfassungs- und versammlungsrechtlicher Dimension überaus problematischer positivistischen oder aber klärungsbedürftiger strafrechtlichen Rechtsgutslehre.879 dd) Der postulierte Gegensatz des BVerfG zwischen „Mitteln des Rechtsstaats“ einerseits und andererseits den gesetzlich geregelten Verfahren des Versammlungsrechts mit der Gewährleistung des Art. 19 IV GG auch im vorläufigen Rechtsschutz überrascht. Gleiches gilt für die Berufung auf eine umfassende 875 Vgl. allerdings noch MKS-Starck, Art. 1 GG Rn. 323 ff. m.w.N Fn. 589; Art. 2 GG Rn. 13; Schwarz, JZ 2000, 126; dagegen die mittlerweile sonst wohl praktisch einhellige h. M., vgl. etwa grundsätzlich Hufen, StaatsR II, § 6 Rn. 17 ff.; MD-Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 16; Dreier, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 30 m. w. N.; Michael, ZJS 2010, 155 (157) m. w. N.; zum Weiteren ist auf die gesonderte strafrechtliche Untersuchung zu verweisen. 876 Vgl. Attendorn/Schnell, NvWZ 2020, 1224 (1225). 877 Vgl. insbesondere die Begründung von Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (12 ff.). 878 Anschütz, Art. 118 WRV, S. 555 f.; dem folgend etwa MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 278; benachbart der bereits angesprochenen überkommenen Ansicht vom Ausschluss strafbaren Handelns vom Grundrechtsschutz. 879 Zur strafrechtlichen Rechtsgutslehre ist auf die anstehende gesonderte Untersuchung zu verweisen; vgl. hier nur Hörnle, JZ 2010, 310 (312 f.); Beyerbach, JA 2015, 881 (883 f.); Poscher, NJW 2005, 1316; vgl. im Übrigen auch §§ 89a ff. StGB, dazu bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 26 Rn. 17, 19 ff. m. w. N.
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Sperrwirkung der grundgesetzlichen Spezialvorschriften zum Schutz der FDGO.880 Zwar ist das Parteiprivileg des Art. 21 GG mit konstitutiver „Freigabeentscheidung“ von rechtlichen Maßnahmen durch das BVerfG881 als Grundsatz anerkannt, so dass sich dort nur die Frage konkreter Reichweiten im Detail stellt. Hingegen besteht bereits für sonstige Vereinigungen nach Art. 9 II GG in sonstiger Hinsicht, z. B. nach §§ 129 ff. StGB, keinerlei Sperrwirkung.882 Beide könnten auch nur Versammlungen betreffen, die spezifische Betätigungen der Partei oder sonstigen Vereinigungen darstellten. Hingegen verhält sich das BVerfG zur entscheidenden Frage einer Sperrwirkung von Art. 18 GG nicht, obwohl es sie für seine Argumentation zu unterstellen scheint.883 Auch nach der Rspr. beschränkt sich diese allenfalls auf gleich gerichtete Maßnahmen.884 Vorliegend geht es aber nicht darum, einem Betroffenen als solchem zukünftig längerfristig den Schutz der Meinungsfreiheit zu entziehen,885 sondern aktuell bestimmten Meinungskundgaben unabhängig von der Person wegen ihrer nachgewiesenen Gefährlichkeit durch gesetzlich geregelte Einschränkungen in die fortgeltenden Grundrechte repressiv und präventiv zu begegnen.886 Art. 18 GG kann nicht ernsthaft als Freibrief für alle verfassungsfeindlichen Handlung im Rahmen der dort aufgezählten Grundrechte verstanden werden.887 Es erscheint zudem widersprüchlich, wenn für präventive Maßnahmen eine Sperrwirkung von Art. 18 GG dann nicht bestehen sollte, wenn die detailliert fortentwickelten Merkmale des BVerfG, namentlich ein Verbotsgesetz in Gestalt einer Strafnorm oder sonst ein Einschreiten der „öffentlichen Sicherheit“, vorliegen sollte. In letzterem wird auch erkennbar, worin sich das BVerfG die Richtung seines Arguments verdreht: Richtig ist zwar, dass die „wehrhafte Demokratie“ keine eigenständigen Eingriffsermächtigungen bereitstellt. Um eine solche geht es hier jedoch nicht, sondern um die Deutung der Schutzgüter öffentliche Sicherheit und Ordnung als Tatbestandsmerkmale der vorhandenen konkreten gesetzlichen Eingriffsgrundlagen, namentlich der Versammlungsgesetze. Schließlich wäre noch denkbar, die Argumentation durch die Behauptung zu retten, es gäbe eine explizite Sperrwirkung, die den Schutz der FDGO aus dem einfachen Recht ausnähme. Dann wäre allerdings 880 Zunächst BVerfGK 2, 1 = NVwZ 2004, 90 (91), danach BVerfGE 111, 147 (158 f.); ersteres in Anschluss an Rühl, NVwZ 2003, 531 (533 f.), der dies allerdings weit vorsichtiger argumentiert. 881 Vgl. BVerfGE 13, 46 (53); siehe auch bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn 8 ff. m. w. N. 882 Vgl. arg e. § 129 III Nr. 1 StGB; auch MD-Scholz Art. 9 GG Rn. 114 ff. insoweit irreführend Dreier/Bauer, Art. 9 GG Rn. 54. 883 Noch apodiktisch-unbelegter namentlich Michael, ZJS 2010, 155 (156) ohne jede nähere Begründung. 884 Also z. B. nicht solche des inneren Staatsschutzes oder der Repression, vgl. grundlegend BVerfGE 10, 118 (123); 25, 88 (95 ff.); 63, 266 (307) sowie für Leistungsansprüche BVerfGE 13, 46 (51); vgl. allg Dreier/Wittreck, Art. 18 GG Rn. 51. 885 Wie etwa exakt in BVerfGE 10, 118 (123). 886 Dies verkennen etwa auch Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422 (247). 887 Vgl. hierzu und zum Folgenden auch die ausführliche anderweitige Untersuchung.
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auch die Berufung auf die Strafnormen zum Schutz des demokratischen Rechtsstaats für präventive Belange ausgeschlossen, die das BVerfG wiederum zentral ansehen muss. Weshalb hier der Gesetzgeber „indirekt“ regeln darf, was er im Rahmen der Merkmale des Polizeirechts nicht direkt dürfte, ist offen und wohl auch nicht begründbar, auch nicht „versteckt“ hinter dem komplexen Gebilde der Rechtsgutsdogmatik. Im Bereich der Kunstfreiheit erkennt das BVerfG ohne weiteres den Schutz der FDGO als Eingriffsrechtfertigung anhand ausgestaltender Gesetze an.888 Dies führte zur paradoxen Situation, dass das vorbehaltlose Grundrecht gesetzlich eingeschränkt werden darf, das unter Gesetzesvorbehalt stehende hingegen unter Berufung auf Art. 18 GG etc. nicht.889 Ähnlich kann gegen staatliche Hochschullehrende Art. 5 III 2 GG ohne Rücksicht auf das Verfahren nach Art. 18 GG angewandt werden, obwohl die Lehrfreiheit dort explizit aufgeführt ist.890 ee) Ferner erschließt sich nicht, warum im Versammlungsrecht die öffentliche Ordnung und nicht die öffentliche Sicherheit überhaupt einschreiten soll und muss. Dies gilt über die oft allgemeine Unsicherheit selbst bei Verletzung von Strafgesetzen891 hinaus vor allem im Hinblick auf die Gefährdung oder Verletzung von Rechtsgütern, die nach dem BVerfG allgemeinen Schutzgesetzen zugrunde liegen sollen, sowie dem von ihm zuletzt wiederformierten Rechtsgut des öffentlichen Friedens.892 Bemerkenswert ist, wie das Gericht die sonst allgemein anerkannte Definition der öffentlichen Sicherheit im Bereich des Versammlungsrecht verengt, ohne Gründe hierfür transparent zu machen.893 Der Gesetzgeber hätte danach im Gegenteil kein konstitutives Findungs- und Ausschließungsrecht von Rechtsgütern aus der öffentlichen Sicherheit. Erhebliche Einschüchterungen anderer verletzten im Rahmen des öffentlichen Friedens auch dann Rechtsgüter, wenn sie sonst in eine strafrechtliche Lücke träfen, in gleicher Weise, wie wenn die „klassischen“ Rechtsgüter betroffen wären. Die 888 Vgl. BVerfGE 33, 52 (70 f.) und oben a) cc) (3); im Übrigen auch etwa bei der Einfuhrzensur oder beim Verfassungsschutzbericht im Rahmen des Art. 5 II GG, vgl. BVerfGE 113, 63 (78 ff.), siehe unten 3. b) aa). 889 Allerdings hat BVerfGE 25, 44 (58) ohne weitere Begründung bei der kommunikativen Förderung einer verbotenen Partei unterstellt: „Das Zurücktreten des Art. 5 Abs. 1 GG ist hier gerechtfertigt, weil dem Einzelnen nicht die Äußerung eines bestimmten Gedankeninhalts verboten wird“. 890 Vgl. etwa BVerwGE 52, 313; 81, 212. 891 Siehe oben b) dd), c) bb) (4); vgl. hier nochmals BVerfG NJW 2001, 2069 (2071); Übersicht auch bei Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 f. 892 BVerfGE 124, 300 (334 ff.); vgl. oben b) ee) und unten e) cc). 893 Grundlegend BVerfGE 69, 315 (352): nur „zentrale Rechtsgüter“ und nur „Unversehrtheit der staatlichen Einrichtungen“, danach st. Rspr. in versammlungsrechtlichen Entscheidungen; vgl. dagegen etwa BeckOK-Gusy/Worms, § 1 PolG NRW Rn. 63 ff. zu Gemeinwesensgütern (s. dazu ausführlich hier noch unten e) dd)) sowie ebd., Rn. 71 ff.: „alle rechtlich anerkannten Schutzgüter“ von Individuen und privaten Vereinigungen, vgl. ebenso § 2 Nr. 2 PolG HB; §3 Nr. 1 SOG ST; Lisken/Denninger, PolR-HdB, Rn. D. 28 ff.
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öffentliche Ordnung wird definiert als Gesamtheit der Normen, deren Befolgen der nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens angesehen wird.894 Wegen der darin liegenden potentielle Antipluralität ist sie zurecht umstritten. Der Verweis auf das ohnehin „außerrechtlich moralisch gefärbte“ sekundäre Schutzgut895 degradiert entsprechende Gefahren und Verletzungen als am Rande, nicht im Zentrum einer in einer freiheitlich-pluralistischen, demokratisch verfassten Gesellschaft stehend und stellt die Legitimierung ihrer Bekämpfung nachhaltig in Frage.896 ff) Schließlich zeigt das seitens des BVerfG durchgängig zugrunde gelegten Bild des voll rationalen, selbstbewussten und mündigen Bürgers, dem die geistige Auseinandersetzung mit totalitärem, verfassungsfeindlichem und sonst gemeingefährlichem Gedankengut grundsätzlich ohne weiteres möglich ist,897 angesichts der begrenzten Rationalität und extremistischer Techniken die wohl deutlichste Schwäche im Hinblick auf die Realitätsnähe der Dogmatik und ihrer möglichen Folgen.898
d) Diskussion in Rechtsprechung und Literatur aa) Die aktuell wohl weiterhin am nachdrücklichsten vertretene Meinung der Staats- und Strafrechtsliteratur möchte auf Grundlage der früheren Judikatur des BVerfG alle staatlichen Einschränkungen gegen extremistische, vorrangig nationalsozialistische, Meinungskundgabe aufgehoben sehen.899 So wird deklamiert, 894
Vgl. BVerfGE 69, 315 (352), insoweit im Einklang mit tradierten älteren Definitionen. Vgl. Lisken/Denninger, PolR-HdB, Rn. D.35 ff.; BeckOK-Gusy/Worms, § 1 PolG NRW Rn. 88 f; Denninger, Polizei, S. 22 ff.; auch im Folgenden exemplarisch Rühl, NVwZ 2003, 531 (532) m. w. N. in Fn. 5; apodiktisch die öffentliche Ordnung für Grundrechtseingriffe generell ablehnend Sachs/Bethge, Art. 5 GG Rn. 143. 896 Bereits in der Weimarer Republik machte sich die Grenze des liberalen Pluralismus gegenüber verfassungsfeindlichen individuellen und kollektiven Bekundungen an der öffentlichen Ordnung fest, wobei hier allerdings eine klare Richtschnur fehlte; vgl. etwa die Nachweise bei Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 126 f., 283 f. 897 Vgl. BVerfGE 69, 315 (343 f.); 90, 1 (20 f.) sowie unmittelbar oben a) cc) (1) und unten e) aa) (1). 898 Vgl. umfassend oben B. II. 3. zum freiheitlichen und D. zum demokratischen Rationalitätsproblem. 899 Vgl. hier nur exemplarisch Hörnle, Verhalten, S. 254 ff.; Beyerbach, JA 2015, 881 (885 f.); hier etwa auch Michael, ZJS 2 (2010), 155 (166); besonders deutlich Schaefer, DÖV 2010, 379 (384 ff.), der ein Niederreißen der Grundsätze des Rechtsstaats, wenig substantiiert und eine ungerechtfertigte Privilegierung der Opfer der NS-Kundgaben nach § 130 IV StGB behauptet; näher scheint hier Hörnle, JZ 2010, 310 (312 f.), wenn sie darauf hinweist, dass die Einschüchterungswirkung nicht an die spezifische Anknüpfung des § 130 IV StGB gebunden sein müsse, allerdings verkennt, dass der Gesetzgeber an diese spezielle Form ohne weiteres konkretisierend-einschränkend anknüpfen kann, gerade in Folge der dadurch spezifisch ausgelösten Wirkungen der Einschüchterung. 895
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nicht etwa neonazistische Propaganda, sondern ihre Bekämpfung durch § 130 III, IV StGB „vergiftet das politische und geistige Klima“.900 Unter maßgeblicher Berufung auf die als absolutes Gebot der Meinungsblindheit verstandene Neutralität und Sonderrechtslehre wären Einschränkungen des freien Meinungskampfes auch aller Extreme nicht aus staatlichen oder Gemeinwohlgründen zu rechtfertigen.901 Danach hätte das BVerfG seine Sonderrechtslehre zur Toleranz von NS-Propaganda konsequent fortführen und einfach § 130 IV StGB als Sonderrecht verwerfen sollen.902 Das Gericht habe hier nur Druck von außen nachgegeben.903 Schließlich habe die Demokratie des GG 60 Jahre überstanden, ohne ein solches „Sonderrecht gegen Rechts“ zu kennen.904 Im gleichen Atemzug wird die Delegitimierung nahezu der gesamten Strafnormen (§§ 84 ff., 90 ff., 130 f. StGB) vertreten,905 welche nach dem BVerfG zur Begrenzung rechtsextrem-verfassungsfeindlicher Meinungskundgaben noch angeführt werden können – stets unter dem Argument des Gerichts, das Gemeinwesen sei gegen Verfassungsfeinde außerhalb von Art. 9 II, 18, 21 II GG nur auf „politische Auseinandersetzung“ verwiesen.906 (1) Entwickelt man mit einer Ansicht dies konsequent zur „Meinungsneutralität als Verbot der Bekehrung zu bestimmten Meinungsinhalten, des Abbringens von solchen oder der Diskriminierung nach der Wertlosig- oder Schädlichkeit durch den Staat“907 weiter, gelangt man unverdeckt zurück zu einem „Manchester-Liberalismus, des ,laisser faire, laisser aller‘…, der den Gesetzgeber zur Untätigkeit verur900 So in der Tat Bertram, NJW 2005, 1476 (1478), im Übrigen in der Delegitimierung von § 130 III StGB auch im Geist der „alten Schule“: für den ehemaligen Staatschutzrichter ist es nötig, den „deutschen Sonderweg“ nach 60 Jahren zu verlassen und nicht das Hakenkreuz zu ächten, immerhin jedoch „eine schwere Kränkung der Juden“ (NJW 1994, 2002, 2004, gemeint wohl: jüdischgläubiger oder -stämmiger Mitbürger oder Ausländer) wenigstens strafbar zu lassen. 901 Außerhalb der eng verstandenen Verfahren nach Art. 21 II GG, wohl auch Art. 9 II GG und dem irrelevanten Art. 18 GG. 902 Vgl. etwa Hong, ZaöRV 2010, 73 (119 ff.); ders., DVBl. 2010, 1267 ff.; Beyerbach, JA 2015, 881 (886); Degenhart, JZ 2010, 306; Lepsius, Jura 2010, 527; Michael, ZJS 2010, 155; diff. MD-Grabenwarter, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 GG Rn. 127. 903 So besonders rein spekulativ Beyerbach, JA 2015, 881 (886); ähnlich Lepsius, Jura 2010, 527 (532 f.); ebenso ohne jede nähere Klärung die Annahme von Sonderrecht in § 130 III StGB behauptend Stegbauer, NStZ 2000, 281 (284). 904 So etwa Beyerbach, JA 2015, 881 (886); Lepsius, Jura 2010, 527 (532). 905 Vgl. hier bereits zu § 86a StGB Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 708; MKS-Starck/ Paulus, Art. 5 GG Rn. 292 ff.; v. Dewitz, Gedankengut, S. 152 ff., 280 f.; Hamdan, Jura 2008, 169 (171). 906 Hochhuth, Meinungsfreiheit, S. 355 ff. behauptet hier unter Berufung auf die genannten Verfassungsnormen, eine „unter der Schwelle der Anstiftung bleibende Schmähung unpersönlicher hoheitlicher Güter“ könne nicht bestraft werden, ohne indes dies normativ näher zu begründen ebenso wie die ebenfalls wenig tief mit dem gängigen Staatsschutzrecht verbundene Deutung als „Ehre, Ruf und Bild des Staates“. 907 So etwa Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 695; ähnlich Hopfauf, ZRP 2017, 124; Lepsius, Jura 2010, 527 (531).
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teilt“908 – und eben auch dem „vergehen lassen“ der freiheitlichen Demokratie.909 Dass eine „absolute Neutralität“ jenseits von Weltanschauung und Gemeinwohl nicht nur irreale Fiktion ist und nicht im friedlichen Pluralismus und der FDGO wurzelt, sondern beiden im Sinn des absolutierten „Volkswillens“ im Sinne Schmitts diametral entgegenläuft, wird nicht näher reflektiert.910 Auch sonst fehlt bemerkenswerterweise jenen Meinungen regelmäßig jede Gesamtschau möglicher Folgen einer Generalpreisgabe des Schutzrechts ebenso wie eine historisch tiefergehende Befassung oder genaue Erfassung der Sonderrechtslehre und der einfließenden Problematik. Stattdessen wird meist lediglich die, insoweit richtige, Widersprüchlichkeit der Wunsiedel-Entscheidung gegenüber BVerfGE 20, 65 herausgearbeitet, ohne gerade letztere in irgendeiner Weise aus der FDGO näher zu hinterfragen.911 Zumindest wird darauf hingewiesen, dass Art. 18 GG von einem – damit entsprechend der Genese des Grundgesetzes möglichen und zu sanktionierenden – Missbrauch der Meinungsfreiheit gegen die FDGO spricht.912 (2) Zunehmend wird vorrangig (meist unter Marginalisierung der EMRK)913 unternommen, Lehren aus der US-Dogmatik zum dortigen 1. Verfassungszusatz zu übertragen.914 Die meist allein fokussierte915 amerikanische Abtrennung der viewpoint von content discrimination und vermeintlich generelle Feststellung der Unzulässigkeit ersterer gegen rechtsextreme Einschüchterungen in der Entscheidung R.A.V. v. City of St. Paul916 kann einen Beitrag zur Schärfung des Blicks leisten. Allerdings wird dabei der weitere US-Kontext ausgeblendet: mithin ein dort fehlender Schutzbereich für unwahre Tatsachen,917 Diskussionen um die Wahrung der republikanischen Staatsform und des pluralistischen Systems selbst,918 weitere 908
So Rühl, Tatsachen, S. 85. Folgerichtig wären ebenso nach diesem Extrem delegitimiert beispielhaft strafbare Verbote der kinderpornografischen Literatur, entwürdigender Gewaltschilderungen, Bedrohungen oder Nötigungen richtigerweise gerade als Äußerungen wegen ihres bestimmten Inhalts, auch nicht etwa nur aus dem Jugendschutz sondern auch zwischen Erwachsenen. 910 Vgl. oben etwa B. I. 2. c), C., D., E. 1. a); ferner unten 3. 911 So trotz Untersuchungsansätzen zur Sonderrechtlehre letztlich auch Michael, ZJS 2010, 155 (157); ähnlich Degenhart, JZ 2010, 306; BeckOK-Schemmer, Art. 5 GG Rn. 99.3 f.; es sei hier nur noch einmal an B. I. erinnert. 912 Vgl. Volkmann, NJW 2010, 417 (418). 913 Vgl. näher Volkmann, NJW 2010, 417 (418). 914 Vgl. etwa Martini, JöR 59 (2011), 279 (302); Meier, Merkur 64 (2010), 539 (544); Fohrbeck, Wunsiedel, S. 341 f. 915 Vgl. etwa Hong, ZaöRV 2010, 73 (116 f.); dagegen umfassend und präzise Fohrbeck, Wunsiedel, S. 268 ff., auf den hier auch im Hinblick auf die deutsche und US-amerikanische Literatur im Übrigen verwiesen werden kann. 916 505 U.S. 377 (1992), zudem ausdrücklich nur im Sinn besonders strenger gerichtlicher Überprüfung, s. ebd., Rn. 306. 917 Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323 (1974). 918 Vgl. etwa Wiener, ABAJ 37 (1951), S. 177 ff., 241 ff., 901 ff.; Corwin, Constitution, S. 175; Boventer, Grenze, S. 83 ff. m. w. N.; Steinberger, Konzeption, S. 185 ff. 909
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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Ausnahmen z. B. für tatsächliche Drohungen919 und solche gegen den Präsidenten,920 inciting imminent lawless action921 sowie die Grundlagen in der Dogmatik der „fighting words“922 und in der Rspr. zum Schutz akademischer Lehre und politischer Diskussion seit den 1930er und 1940er Jahren.923 Zu bemerken ist weiterhin, dass die erstgenannte Abtrennung um die Diskriminierung bestimmter Meinungen zu einem konkreten Thema kreist,924 was bei extremistischen Demonstrationen nicht immer Gegenstand sein muss. Eine Diskussion zu einem bestimmten Thema insgesamt zu sanktionieren, könnte man dann als nichtdiskriminierend betrachten; allerdings scheint es kaum möglich, eine klare Abgrenzung zwischen Thema und Standpunkt abstrakt zu ziehen.925 Schließlich werden die weiteren komplizierten Abwägungen kaum umfassend rezipiert,926 mit dem gleichen Balanceakt dort, die nötige Diskriminierung nach Gefährlichkeit und unzulässiger allein nach Wertigkeit einer Meinung als Anknüpfungskriterium zu trennen.927 So wird z. B. auch ein Verbot der als am gefährlichsten einschüchternden ausgewählten Kundgaben als solchen zugelassen.928 Schließlich werden mit unkritischer Argumentation gerade die fortbestehenden fundamentalen Unterschiede zwischen der anglo-amerikanischen free-speech-Dogmatik und der deutschen FDGO übergangen.929 An ihre Stelle tritt eine meist relativ einseitig „neoliberal“ geprägte Übernahme von auch dort einseitig angesehenen Gedankenguts des „free marketplace of ideas“. Aber auch hier werden die 919
Watts v. United States 394 U.S. 705 (1969). United States v. Glover, 846 F2d 339. 921 Namentlich hier nur Brandenburg v. Ohio, 395 U.S. 444 (1969); Hess v. Indiana, 414 U.S. 105 (1973). 922 Chaplinsky v. New Hampshire, 315 U.S. 568 (1942); vgl. auch Cohen v. California, 403 U.S. 15 (1971). 923 Namentlich zunächst Schenck v. US 239 U.S. 47 (1919); durch Yates v. US, 354 U.S. 298 (1957) sowie eben Brandenburg v. Ohio, 395 U.S. 444 (1969) zurückgenommen, weit hingegen Dennis et. Al v. US 341 U.S. 494 (1951); jeweils zum Smith und Internal Security Act; ausführlich aus Sicht der deutschen FDGO bereits Boventer, Grenzen, S. 83 ff.; Steinberger, Konzeption, S. 185 ff. 924 Vgl. etwa Rosenberger v. Rectors and Visitors of the University of Virginia, 515 U.S. 819 (1995). 925 Vgl. etwa Boos v. Barry, 485 U.S. 312 (1988) dort Einschreiten gegenüber unkritischen Demonstrationen vor ausländischen Botschaften als viewpoint angesehen. 926 Vgl. etwa Bloom, SMULRev 72 (2019), S. 20 ff.; zu low and high value speech speziell Fohrbeck, Wunsiedel, S. 269 ff. m. w. N., S. 273 ff. zum strafbegründenden und -schärfenden Pure-Bias-/Hate-Crime-Ansatz. 927 Vgl. etwa das geradezu zirkuläre Argument von Judge Alito und Kennedy in Matal v. Tam, 137 S. Ct. 1744, 1764 – 65 (2017): „Giving offense is a viewpoint“ unter direktem Rückgriff auf die „free marketplace“-Ideologie; noch weitergehend die konservative Mehrheit in Iancu v. Brunetti, 139 S. Ct. 2294, 2297 (2019), wonach nunmehr jede Störung des free marketplace ipso iure nicht zu rechtfertigen wäre; vgl. Bloom, SMULRev 72 (2019), S. 20 (29 ff.). 928 Ausdrücklich Virginia v. Black, 538 U.S. 343 (2003). 929 Etwa zum Verbot des Hakenkreuzes, vgl. Cohen v. California, 403 U.S. 15 (1971); allgemein Fohrbeck, Wunsiedel, S. 269 ff., 283 f. 920
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daraus eigentlich konsequenten Probleme der Notwendigkeit des Erhalts des Marktes, seiner Verzerrungen und z. B. der Probleme semirationaler Interaktionen nicht verfolgt.930 Noch weniger überzeugen Ansätze zur Übernahme der letztlich auf Mill zurückgehenden rein formal individualistisch-neoliberaler anglo-amerikanische harm- und offense-Dogmatik.931 Wenn zudem dort allein auf die Schwelle des unmittelbaren Handelns abgestellt wird,932 wird die tradierte Sonderrechtslehre nicht zutreffend wiedergegeben, da sie das geschützte Überzeugen jedenfalls intuitiv verstand als einen rationalen, nicht manipulativen Vorgang.933 (3) Besonders deutlich werden diese Einflüsse bei der Erläuterung des BVerfGUrteils durch den damaligen Berichterstatter Masing.934 Eingängig macht zunächst er geltend, dass die Abwägungslehre in die Angemessenheitsprüfung einfließt, während die Sonderrechtslehre das legitime Ziel der Sanktionierung einschränken soll. Sie solle weiterhin als absoluter Kern gelten, um geistige Auseinandersetzung nicht unter einem Vorwand unterdrücken zu können. An dieser Schwelle gelangt er – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die viewpoint-doctrine ohne Auseinandersetzung mit der Ablehnung dieses Fokussierungsansatzes bereits durch die Weimarer Sonderrechtslehre935 – zum „Schmittschen Fehlschluss“, dass überhaupt und nur eine grundsätzlich völlige staatliche „Meinungsneutralität“ solche Unterdrückung verhindern könnte.936 Nur über diese Schwelle muss und darf dann die „NS-Sonderrechtsausnahme“ hinweghelfen. Demgegenüber habe die Konstruktion des öffentlichen Friedens durch das Gericht darauf keinen Einfluss, sondern diene gesondert dazu, eine Umgehung der Sonderrechtslehre mittels zu weitgehender Konstruktion des Rechtsguts durch den Gesetzgeber zu unterbinden.937 Obwohl Masing sich intensiv, wie kaum jemand seit längerem, im Anschluss mit dem Geistigkeitskern der Weimarer Sonderrechtslehre auseinandersetzt,938 gelingt es wegen dieser Prämissen (marketplace of ideas, Fokussierungsansatz, exogener Volkswille) nicht, eine wirklich präzise Abgrenzung des geschützten Kerns der geistigen Auseinanderset930
Vgl. nochmals oben namentlich D. II. Auch hierauf wird nochmals in gesonderter Untersuchung ausführlich einzugehend sein; vgl. hier nur etwa Frowein, AöR 105 (1980), 169 (183); v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 116; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs. 1 – 2 GG Rn. 141; grundlegend Feinberg, Limits; konkret etwa Waldron, Harm; Cohen-Almagor, Harm, S. 3 ff.; Simpson, Law and Philosophy 32 (2013), S. 701 ff.; Tsesis, Wake Forest Law Rev 44 (2009), S. 497 ff.; Barendt, Ethical Theory and Moral Practice 22 (2019), S. 539 ff; siehe dazu ausführlich unten in strafrechtlicher Hinsicht. 932 Wie etwa Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 692; siehe weiter unten. 933 Siehe sogleich unten ausführlich e) aa). 934 Hierzu und zum Folgenden Masing, JZ 2012, 585. 935 Siehe bereits oben c) bb) (1), unten e) aa) (3). 936 Zur „Neutralität“ bereits ausführlich oben C., D. sowie unten 3. 937 Hier schimmert die Reflexion mit dem „Rechtsgutsansatz“ durch, siehe oben c) bb) (3). 938 Vgl. hierzu insoweit die Selbstbeobachtung in Masing, JZ 2012, 585 (590 Fn. 55), zur Geistigkeitslehre mit zentralen Zitaten S. 587, zur aus der unreflektierten Übernahme der Neutralität folgenden Abgrenzungsproblematik S. 588. 931
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zung zu entwickeln. So identifiziert er zwar die Kommunikationsgrenze der „Aggressivität“ und des friedlichen Zusammenlebens (sozusagen im Bereich der hier regulatorischen und ressourcenmäßigen Freiheit) als Fortentwicklung auch der Sonderrechtslehre in den Mechanismen der „wehrhaften Demokratie“. Gesetzesgehorsam und äußere Friedlichkeit erscheinen als richtige und etablierte Gräben gegenüber einem Moral- und Gesinnungsstrafrecht. Allerdings schließt die „rein geistige Wirkung“ jede Beeinflussung der Meinungs- und Überzeugungsbildung zu weit im Vorfeld (nämlich in jeder rationalen Freiheitsdimension) aus jedem (zu) schützenden Zugriff der FDGO aus – unter der üblichen Prämisse der fiktiven vollen Rationalität seit Milton: „Für die Bekämpfung von Gefahren auf der Ebene der Überzeugungen ist die Gesellschaft zuständig.“939 bb) Die vertretenen grundsätzlich alternativen Modelle zur Sonderrechtslehre des BVerfG überzeugen ebenfalls nicht. Das Abstellen auf personelle Allgemeinheit940 kann allenfalls bei Art. 5 I 2 GG einen Lösungsansatz bieten, ist dagegen systematisch ungeeignet.941 Ein Verbot „zielgerichteter“942 oder „begrenzter Eingriffe“943 erweist sich als unklare und stark hermeneutisch aufgeladene Leerformel. Aber auch eine Trennung von innerer Geistigkeit gegenüber einer Sphäre der Äußerlichkeit944 ist zwar in der Aufklärung verankert, jedoch historisch überholt.945 Einen spannenden Ansatz nennt Schaefer aus der Willkürfreiheit in der Abgrenzung von Gemeinwohlzu Sonderinteressen, kann ihn allerdings (auch mit Rücksicht auf den Pluralismus) nicht, etwa bis zum hier vertretenen Konzept der FDGO, weiterverfolgen.946 Deutlich erscheint die breite Tendenz, sich von der Sonderrechts- auf die Wechselwirkungslehre zurückzuziehen.947 Ein anderer Teil sucht demgegenüber die Lösung über kollidierendes Verfassungsrecht, namentlich Art. 26 GG.948 Dieser betrifft allerdings 939
Zitat Masing, JZ 2012, 585 (592), näher erläutert S. 587. Vgl. etwa Bettermann, JZ 1964, 604; zuvor schon in der Weimarer Diskussion schnell abgelehnt, s. u. e) aa) (2). 941 Dazu etwa Rühl, Tatsachen, S. 74 ff. 942 Etwa Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), 276 (287 f.); MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 278. 943 Vgl. hierzu bereits überzeugend ablehnend Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs. 1 – 2 GG Rn. 144 m. w. N. 944 Vgl. hierzu insbesondere die Bemühungen von Warg, DÖV 2018, 473 allerdings ohne seine beiden Unterscheidungskriterien – Inhalt versus Form und Rechtsgutsschutz – näher zu hinterfragen. 945 Vgl. dazu insbesondere bereits Volkmann, NJW 2010, 417 (419 f.); Leitmeier, NJW 2016, 2553 (2555). 946 Vgl. Schaefer, DÖV 2010, 379 (384 ff.), er folgert sogar in § 130 IV StGB eine Privilegierung und dadurch Erneuerung des Stigmas der Opfer nationalsozialistischer Verhöhnung. 947 Vgl. etwa bei Degenhart, JZ 2010, 306. 948 Vgl. Rühl, NVwZ 2003, 531 (534 f.) weitergehend zur Gefährdung Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (123); umfassend zur Judikatur bei Art. 5, 8 GG bis dahin Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422 (246); vgl. zum Folgenden weiterhin Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 20 Rn. 1 ff.; ders., ZIS 16 (2021), 365 m. w. N. 940
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nach h. M. nur den internationalen, nicht rein inneren Frieden und kann als reines Verfassungsrechtsgut (außerhalb der engeren Ausgestaltungen etwa in § 13 VStGB, § 80a StGB) kaum „geeignet“ i. S. d. Versammlungsrechts unmittelbar gefährdet werden. Besondere Bedeutung wird zwar dem Schutz der Menschenwürde eingeräumt, die danach Eingriffe in Art. 5 I GG rechtfertigen könne.949 Um diesen und die weitere FDGO mit seinem Sonderrechtsverbot zu vereinen, unternimmt die tradierte Verfassungsdogmatik erhebliche Anstrengungen, die jedoch nur wenig konsistent wirken.950 cc) Demgegenüber werden weitergehende Ansätze, rechtsextreme Kundgaben als solche besonders sanktionieren zu können, seit langem intensiv diskutiert:951 (1) Vor den Entscheidungen des BVerfG ging die wohl h. M. unter den Fachgerichten davon aus, dass Sanktionierungen nicht nur auf (erwartete oder eingetretene) Straftaten, sondern wegen Verherrlichung der NS-Ideologie und Taten und Personen der NS-Diktatur sowie Äußerungen gegen Juden, Ausländer und einzelne Politiker jedenfalls auf eine Störung der öffentlichen Ordnung gestützt werden können.952 Am weitesten umschrieben das OVG Münster und Battis/Grigoleit die öffentlichen Ordnung als geprägt durch die obersten Verfassungsprinzipien und Wertmaßstäbe, namentlich die Menschenwürde, die in Art. 20 GG niedergelegten verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien der Demokratie, des Föderalismus und der Rechtsstaatlichkeit sowie das verfassungsrechtliche Friedensgebot (Art. 1 II, 24 II und 26 I GG).953 Wie in Art. 20 IV, 79 III GG erkennbar, seien Ideologien, die auf Rassismus, Kollektivismus und dem Prinzip von Führung und unbedingtem Gehorsam aufbauten, verfassungsimmanent nicht durch das Demonstrationsrecht geschützt. Mangels Bedeutung für den demokratischen Willensbildungsprozess könne neonazistischen Meinungsäußerungen allenfalls ein ähnlicher Schutz wie kommerzi-
949 Vgl. etwa Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 80; Hufen, StaatsR II, §30 Rn. 38 gerade gegen „Neonazi-Demonstrationen“; MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 280, 292 ff.; Stegbauer, NStZ 2000, 281 (284) zu § 130 III StGB; allerdings zurecht krit. im Hinblick auf eine nachweisliche Gefährdung Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422 (427 f.) mit Lösung über einen expansiven Ehrschutz. 950 Vgl. etwa auch Bühring, Demonstrationsfreiheit, S. 38 ff.; zum Problem der Verletzung der Menschenwürde allein durch verfassungsfeindliche Kundgabe insoweit zutreffend Michael, ZJS 2010, 155 (159 f.). 951 Zum „Schlagabtausch“ zwischen dem BVerfG und OVG Münster vgl. namentlich den Überblick Battis/Grigoleit, NJW 2001, 2051; ausf. Klausmann, Meinungsfreiheit, S. 199 ff.; gegen die schrillen Töne Benda, NJW 2001, 2947. 952 Vgl. etwa VGH München NVwZ 1992, 76; VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, 86; OVG Münster, DVBl 2001, 584; OVG Hamburg, Beschl. v. 18. 8. 2000 – 4 Bs 245/00, letztere aufgehoben durch BVerfG NJW 2000, 3053. 953 OVG Münster NJW 2001, 2111; NJW 2001, 2114; Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121; dies, NJW 2001, 2051 mit Überblick; ähnlich bereits VGH München NVwZ 1992, 76 (77); tend. zust. Benda, NJW 2001, 2947; vgl. eingehend dazu auch Klausmann, Meinungsfreiheit, S. 166 ff.
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ellen oder rein privaten zufallen.954 Es bedürfe auch nicht erst Entscheidungen nach Art. 18 S. 2, 21 II GG. Vielmehr werde jedenfalls die öffentliche Ordnung durch Bestrebungen unmittelbar gefährdet, die die nationalsozialistische Diktatur oder ihre führenden Vertreter und Symbolfiguren verherrlichen oder verharmlosen, etwa wenn eine Versammlung erkennbar ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus beinhalte, auch wenn damit die Schwelle der Strafbarkeit im Einzelfall noch nicht erreicht sei955. Es handele sich nicht irgendwelche unliebsamen, politisch unerwünschten Anschauungen, sondern solche, die mit grundgesetzlichen Wertvorstellungen als Grundkonsens schlechterdings unvereinbar seien. Bereits die öffentliche Sicherheit sei sogar beeinträchtigt bei Verstößen gegen das Uniformierungsverbot, nicht aber bei sonstigen Einschüchterungswirkungen oder Gefährdungen des Ansehens Deutschlands im Ausland.956 (2) Andere sahen derartige Versammlungen generell als unfriedlich i. S. d. Art. 8 I GG an.957 (3) Für eine engere Ansicht greife die öffentliche Ordnung ein, weil der innere soziale Frieden in einer örtlichen Gemeinschaft gefährdet sei, da wiederum jede Propaganda, Agitation und Werbung für eine Gewalt- und Willkürherrschaft unzulässig sei. Teile der Bevölkerung würden durch aggressive Schlagworte, Symbole und Gesten in erkennbar gewollter besonderer Nähe zum Nationalsozialismus ausgegrenzt oder existentiell eingeschüchtert.958 Angriffe auf die Menschenwürde anderer seien vom Verfassungs- und Versammlungsrecht nicht gedeckt.959 dd) Diese Ansichten werden wiederum stark als „illiberal“ und nicht aus dem Grundgesetz ableitbar angegriffen: (1) In die Irre führt dazu indes die Diskussion über die Rolle von Art. 139 GG,960 der als Stützargument spezifisch gegen den Schutz gegen nationalsozialistisches Gedankengut angeführt961 oder zur Widerlegung einer „antinationalsozialistischen Tendenz des Grundgesetzes“ dienen soll.962 Art. 132 II, 139 GG müssen in Zusammenhang mit dem bis jedenfalls 1954 vorrangig Geltung beanspruchenden 954
Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (125). Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (127 f.). 956 Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (125 f.). 957 Vgl. Seidel, DÖV 2002, 283 (290); krit. Dörr, VerwArch 93 (2002), 485 (491); vgl. Klausmann, Meinungsfreiheit, S. 201. 958 Vgl. auch VGH Kassel NJW 1989, 1448; NVwZ-RR 1994, 86; unter Berufung auf BVerwG, NJW 1993, 3213 für ein Vereinsverbot nach § 3 I VereinsG; ähnlich Rossen-Stadtfeld, BayVBl. 2009, 41 (45 f.). 959 Vgl. VGH Kassel NJW 1989, 1448. 960 Insoweit richtig BVerfG NJW 2001, 2076 (2077). 961 Vgl. OVG Münster NJW 2001, 2114; ausführlich Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (124 f.). 962 V. a. Rühl, NVwZ 2003, 531 (532 ff.), der allerdings auf den weiteren Hintergrund sowie Art. 132 II, 143 GG nicht (näher) eingeht und daher nicht tiefer überzeugen kann. 955
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Besatzungsrecht verstanden werden,963 welches die Grundgesetzgeber aus vielerlei Gründen „verdrängen“ wollten.964 Dieses Besatzungsrecht war über 1949 hinaus weiterhin auf die Bekämpfung nationalsozialistischer Bestrebungen gerichtet und sah dafür u. a. Internierungen bis zu zehn Jahre ohne Beteiligung deutscher Stellen im Verfahren vor.965 Gleichzeitig war dem Parlamentarischen Rat der weite Missbrauch zur rücksichtlosen Durchsetzung des Stalinismus in der sowjetisch besetzten Zone bis zur sogenannten „Boykotthetze“966 bewusst. Nicht zuletzt hiervon sollte sich das Grundgesetz mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung,967 aber eben nicht als „blinde“, sondern militant democracy gesichert, dauerhaft ebenso absetzen wie gegenüber dem Nationalsozialismus.968 (2) Weiterhin erweist sich die Kritik einer Rechtsfortbildung jenseits der gesetzlichen Strafnormen fernliegend.969 Damit wird die Tradition der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mit ihren Schutzgütern übergangen. Ebenfalls trägt aus bereits erläuterten Gründen der Topos einer Sperrwirkung nicht.970 Während das BVerfG zuletzt eine Sperrwirkung der Vorschriften Art. 9 II, 18, 21 BVerfG angeführt hat, hat dies in der von ihm angeführten Literatur allein Rühl und dazu wesentlich vorsichtiger ausformuliert.971 963
Vgl. zur Aufhebung im Einzelnen bereits Fahrner, Ermittlungen, § 2 Rn. 24 ff. m. w. N. Vgl. etwa § 19 Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen, BGBl I 1951, 307; exemplarisch in der Verhandlungsstrategie des Abg. Dr. Lehr (CDU), vgl. JöR 1951, 897 ff.; über die Motive von der Rückgewinnung der Souveränität (etwa Adenauers „Teppich-Affäre“) bis zur notwendigen Zusammenarbeit und Verbindungen mit zahlreichen Funktionären des NS-Staats in den Verwaltungen kann auf die noch fortdauernden Aufarbeitungen und umfangreiche allgemeine Literatur verwiesen werden, vgl. etwa im Überblick Fischer/Lorenz, „Vergangenheitsbewältigung“; Perels, KJ 2004, 186 (188 ff.); Görtemaker/Safferling, Rosenburg, S. 114 ff, passim. 965 Vgl. Abschnitt II Art. III Abs. III Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 über die Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und Internierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen: „Aktivist ist auch, wer nach dem 8. Mai 1945 durch Propaganda für den Nationalsozialismus oder Militarismus oder durch Erfindung und Verbreitung tendenziöser Gerüchte den Frieden des deutschen Volkes oder den Frieden der Welt gefährdet hat oder möglicherweise noch gefährdet.“ ausführlich dazu bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, §2 Rn. 37 ff. m. w. N. 966 Ausführlich dazu Fahrner, StaatsschutzR, § 2 Rn. 35 f. m. w. N. 967 Vgl. insbesondere die konsequente Argumentation des Abg. Dehler, der sich nicht gegen die Beschränkung der Grundrechte durch die FDGO, wie Rühl a. a. O. vermutet, sondern gegen willkürlichen Missbrauch wandte, vgl. etwa JöR 1951, 898. 968 Vgl. zum Ganzen ausführlich oben B. I. sowie in anstehender weiterer Untersuchung. 969 So etwa Kritik von Rühl, NVwZ 2003, 531 (536 f.); sie kann selbst allerdings mit der jüngeren Rspr. des BVerfG zum öffentlichen Frieden auch zu Recht in wesentlichen Teilen als überholt gelten. 970 Siehe bereits oben c) dd). 971 Vor allem als Gegensatz zur Behauptung von Battis/Grigoleit, vgl. Rühl, NVwZ 2003, 531 (533 f.); hingegen insoweit unkritisch rezipierend, jedoch im Versuch die einschränkenden Maßstäbe des Art. 18 GG wiederum für eine materielle Einschränkung des Art. 5 II GG zu nutzen Michael, ZJS 2010, 155 (156, 162 f.). 964
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(3) Bemerkenswerterweise geht allerdings selbst die extensive Ansicht auf den Pluralismus Fraenkels ein, übergeht aber dessen Modellteil zu den erforderlichen Grundregeln zu dessen Wirksamkeit und Beständigkeit.972 Gewarnt wird polemisch vor einer Gefahr „der schiefen Ebene: Werden bestimmte Prinzipien, Ideen oder Auffassungen – hier die grundlegenden Wertungen der Verfassung – erst einmal für sakrosankt erklärt, sind die Tore für willkürliche Begrenzungen der Meinungsfreiheit geöffnet.“973 Materiell tritt exemplarisch bei Rühl die Angst vor einem „Sonderrecht gegen rechts“ zutage:974 „Aber in diesem Kontext stellt sich doch die Frage, wann eine politische Meinung neonazistisch, rechtsextrem bzw. rechtsradikal oder bloß rechtskonservativ oder deutschnational etc. ist?“. Es folgt die Behauptung, es gäbe keinen „Grundkonsens“ über den Kampf gegen (Neo)-Nazismus, und schließlich daraus die Forderung, dass sich Versammlungsbehörden und Gerichte „meinungsneutral“ verhalten müssten. Dieser Grundkonsens ist indes die FDGO. Sie ist dem Grundgesetz als Grundlage mitgegeben und durch das BVerfG unmittelbar und funktional mittelbar bestimmt.975 Die Grenzen bekämpfbarer Kundgaben lassen sich damit – auch plausibel und rechtssicher – bestimmen.976 Zur FDGO selbst werden endlich vor allem Argumente vorgebracht, die als reine Rhetorik wirken, etwa, das Grundgesetz wäre eine „Pro-Verfassung, keine Contra-Verfassung“, die den Nationalsozialismus außer Art. 132 II, 139 GG nirgends nenne.977 Dem lässt sich ebenso rhetorisch mit Ginsburg978 entgegnen, dass die US-Verfassung im Text nicht ein einziges Mal freedom979 (und nur in der Präambel liberty) nennt, gleichfalls natürlich diese Prinzipien sie fundamental prägen. Inhaltlich muss dem die FDGO, die von Rühl und dem BVerfG auch im Versammlungsrecht, jedoch nur einseitig genutzt wird, entgegengehalten werden. Die Negativabgrenzung gegen den NS-Unrechtsstaat hat das Gericht in sie und durch sie selbst eingeprägt.980
972 Vgl. etwa Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (122); zurecht auf den nicht-kontroversen Sektor bei Fraenkel hinweisend etwa auch Zerback, Vielfalt, S. 22; allgemein dazu oben B. I. b). 973 Vgl. namentlich Volkmann, NJW 2010, 417 (418 ff.). 974 Rühl, NVwZ 2003, 531 (534). 975 Vgl. nur nochmals oben B. I. 976 Was in weiterer Untersuchung noch zu begründen sein wird. 977 So Rühl, NVwZ 2003, 531 (536); vgl. Beyerbach, JA 2015, 881 (885); a. A. überzeugend Leitmeier, NJW 2016, 2553 (2555); Klausmann, Meinungsfreiheit, S. 184 ff. m. w. N.; bereits Gusy, AöR 105 (1980), 279 (284); hingegen ähnlich rhetorisch Schaefer, DÖV 2010, 379 (386): „zukunftsgerichtete Verfassung als Exportschlager“ oder Kniesel/Poscher, NJW 2004, 422 (427): „liberty alone which fits men for liberty“. 978 Jedenfalls im von ihr gebilligten Film „On the basis of sex“ ihr in den Mund gelegt. 979 Erst in der Bill of Rights, insbes. 1st Amendment, sowie liberty dann im 5th und später 14th Amendment. 980 Entsprechend der bereits ausführlich dargestellten Vorgeschichte und Beratung des Grundgesetzes, vgl. oben A. I., B. I.; vgl. weiter etwa Leitmeier, NJW 2016, 2553 (2555) auch zur Widersprüchlichkeit des BVerfG genau in diesem Punkt; ähnlich zu immanenten Grundprinzipien des GG Degenhart, JZ 2010, 306 (309 f.).
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e) Eigenes Modell Um zu einer konsistenten Lösung möglicher Einschränkungen der Kommunikationsfreiheiten durch hoheitliche Eingriffe auf Basis der FDGO und ihrer Funktionen zu gelangen, ist zunächst eine schlüssige Sonderrechtslehre anzubieten (aa)), sodann das Vorgehen gegen Gefährdungen der FDGO in diese systematisch einzufügen (bb)), bevor gesondert auf die Funktion des „öffentlichen Friedens“ (cc)) sowie die Ausgestaltung namentlich über Schutzgüter der Gefahrenabwehr (dd)) eingegangen werden kann. aa) Vordringlich erscheint zuerst, die genaue Funktion des Art. 5 II Var. 1 GG im Hinblick auf die FDGO und die darin enthaltenen Funktionsanforderungen namentlich des Pluralismus, der Fortschrittlichkeit und Friedlichkeit zu klären. (1) Systematisch sticht (neben Art. 137 WRV)981 einerseits der Bezug des „allgemeinen Gesetzes“ auf Art. 19 I 1 GG sprachlich und historisch982 hervor, eine Norm, die bei Entstehung der Sonderrechtstheorie 1926 zu Art. 118 WRV lediglich als Forderung der Verfassungslehre bestand.983 Es liegt von daher nur nahe, das „allgemeine Gesetz“ auf der ersten Ebene eindeutig nur im Sinne des „gezielten Herausgreifens“ gegen die Idee der kategorischen Rechtsgleichheit984 und keinesfalls im Sinn des Verbots jeglicher Inhaltsanknüpfung zu begreifen. Letztere war im internationalen Vergleich ebenso wie den Beratungen des Parlamentarischen Rates (namentlich zur Presseverantwortlichkeit) vorausgesetzt.985 Zu klären bleibt allerdings weiterhin die Abgrenzung und besondere Bedeutung des „gedoppelten“ „speziellen allgemeinen“ Gesetzes in Art. 5 II GG. Andererseits ergibt sich eine besondere Nähe zum Zensurverbot nach Art. 5 III 2 GG. In den Debatten darum wurde deutlich, dass die Funktionen des Pluralismus und Fortschritts und namentlich der Steigerung rationaler Freiheit und des politischen Diskurses durch Wissenschaft nicht-einschränkbarer Kernbereich der Kommunikationsgrundrechte des Artikels sein sollten.986 (2) Ein vergleichbares Anliegen lässt sich auch als Kern des in der Weimarer Republik herrschenden Ansatzes der Sonderrechtslehre feststellen, der mit Art. 118 I 1 WRV die unmittelbare historische Grundlage von Art. 5 II Var. 1 GG bildet.987 981
Dazu sogleich unten (3). Vgl. zur Übernahme in Art. 5 nach der Formulierung in Art. 19 JöR 1951, S. 86 f., 178. 983 Vgl. Schneider, Verbot, S. 85 (87 ff.); Dreier, Art. 19 Abs. 1 GG Fn. 51 m. w. N. 984 Vgl. etwa BVerfGE 85, 360 (374); Lege, HdbGR III, § 66 Rn. 19 f.; Kirchhof, Allgemeinheit passim; Dreier, Art. 19 Abs. 1 GG Rn. 13 ff. m. w. N. 985 Vgl. etwa Art. 11 Declaration de Droit de l’Homme: „tout citoyen peut donc parler, écrire, imprimer librement, sauf à répondre de l’abus de cette liberté dans les cas déterminés par la loi.“; zum zweiten vgl. nur JöR 1951, S. 82 ff. 986 Zur Entstehungsgeschichte vgl. v. a. JöR 1 (1951), S. 92; siehe weiterhin oben 1. a) aa) (3), b) bb) (1). 987 Vgl. einführend etwa Gusy, Reichsverfassung, S. 304 ff. m. w. N.; Masing, JZ 2012, 585 (587 f.). 982
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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Obwohl subjektiv historisch manches für ein Redaktionsversehen der Nationalversammlung angeführt wird,988 setzte sich die Auslegung einer eigenständigen Bedeutung des „allgemeinen“ gegenüber sonst einfachen Gesetzen durch. Die wohl älteste unter den zahlreichen vertretenen Theorien wollte darunter allgemein gültige Gesetze fassen, mithin solche gegen einzelne Personenkreise ausschließen.989 Sie erwies sich schnell anhand bestehender Gesetze etwa bezüglich der Presse oder des Disziplinarrechts als untauglich und nicht dogmatisch zu begründen.990 Wenig mehr konnte der erste Textvergleich mit Art. 137 III, IV WRV beitragen, kann der Staat doch speziell den eigenen Rundfunk ohne Rücksicht auf ein Eingriffsverbot wie bei der abgeschafften Landeskirchenhoheit auch intern regeln.991 Auch nachkonstitutionelle Theorien, wonach Meinungen nicht die Begründung des Gesetzes darstellen oder Meinungseinschränkungen nur nicht bezweckter Gesetzesreflex sein dürften, treffen nicht den Kern.992 Zur bis heute fortwirkenden Verwässerung trug allerdings jene Teilmeinung von Thoma bei, die als Sonderrecht gegen die Meinungsfreiheit als solche gerichtete Gesetze ebenfalls erfassen wollte und dabei personale, autonome und inhaltlich-sachliche Aspekte vermischte.993 Bereits das Reichsgericht setzte die Meinungsfreiheit dann nur beim Inhalt, nicht der Art und Weise der Veröffentlichung an.994 988 Vgl. etwa Jellinek, VVDStRL 4 (1928), 82 f.; Anschütz, Art. 118 WRV S. 552 ff. m. w. N.; Kitzinger, Preßgesetz, S. 203; dagegen Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), 6 (18 ff.). m. w. N.; Thoma, Grundrechte, S. 211 f. m. w. N. 989 Vgl. Entscheidung des KG von 1925 zit. nach Häntzschel, AöR 49 (1926), 229; Vervier, AöR 45 (1924), 1 (4 ff.), was sich mit dem Gebrauch von „allgemein“ etwa in Art. 4, 7 Nr. 19, 15 II, 61 III, 77, 89, 92 ff., 137 III, 143 II, 145, 162 WRV deckt. 990 Vgl. PrOVGE 77, 514; vgl. Häntzschel, AöR 49 (1926), 228 f., 232 m. w. N.; Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 44 (51); Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), 92 (93 f.); anders allerdings tendenziell, Thoma, Grundrechte, S. 214 f. sowie danach Anschütz, Art. 118 WRV S. 555 f.; MKS-Starck/Paulus, Art. 5 GG Rn. 276 m. w. N. zu unter dem GG erneut vertretenen Ansätzen. 991 Bemerkenswert ist der Gegensatz zwischen weltanschaulicher Neutralität und politischer Begrenzung, den Rothenbücher noch herausarbeitete, der heutigen Dogmatik nicht mehr erklärbar, vgl. Rühl, Tatsachen, S. 81 f. m. w. N., erkennbar unreflektiert geprägt vom Dogma der politischen Neutralität. 992 Schlink, Abwägung, S. 200 f.; dagegen ausführlich Rühl, Tatsachen, S. 85 ff. 993 Thoma, Grundrechte, S. 213 ff. sah etwa besondere Gesetze in Regelungen zum Vorenthalten von Rede- und Presserechten gegenüber sachlich und nicht nach politischem Standpunkt bestimmten Personengruppen, namentlich nach §§ 5, 30 RPreßG, was über Anschütz, VVDStRL 4 (1928), 74 (75); ders., Art. 118 WRV, S. 554 f. (555 Fn. 1 f.) Eingang in die spätere Auslegung auch des BVerfG fand, auch wenn letztere in der Einordnung selbst ersterem ausdrücklich nicht zustimmte; zur verfälschten Rezeption vgl. insbesondere Dreier/SchulzeFielitz, Art. 5 Abs. 1 – 2 GG Rn. 138 m. w. N.; die Verwischung bereits klar erkannt hatte indes Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 44 (51). 994 RGSt 59, 158; Darin spiegelte sich der weitere geschichtliche Hintergrund der Zensur und des Meinungskampfs der „Weimarer Koalition“ bis 1919, auch unter Einsatz des Polizeirechts zum Schutz der Sittlichkeit, vgl. etwa noch PrOVG DR 1911, 733; beachte auch zur Prägung gegenüber kirchlicher und staatlicher Wissenschaftszensur bis ins 19. Jh. ausführlich Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 ff. m. w. N.
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Die materielle Sonderrechtslehre, auf die sich das BVerfG weiterhin beruft, brachte hingegen ihr Schöpfer, Häntzschel, auf den Punkt. Sein Ansatz ist, dass Gesetze dadurch allgemein sind, dass sie im Sinne der Aufklärung (und modern: Pluralismus) ohne Rücksicht auf die gerade herrschenden geistigen Strömungen, Anschauungen und Erkenntnisse Regelungen treffen.995 In diesem Sinn waren Meinungsäußerungen nicht zu verbieten, solange die durch sie mutmaßlich potentiell wirkende „Gefährdung nur geistiger Natur ist, indem sie … das Vertrauen zu bisher anerkannten Wahrheiten, als feststehend und richtig angenommenen Erkenntnissen oder herrschenden Sittengesetzen irgendwelcher Art erschüttert und dadurch vielleicht geistig den Boden für eine Änderung … vorbereitet, soll sie mit Rücksicht auf die guten Wirkungen der freien Meinungsäußerung, ohne die kein menschlicher Fortschritt denkbar ist, in Kauf genommen werden.“ Sobald sich aber eine Meinungsäußerung nicht auf ihre begriffswesentliche geistige Wirkung beschränkt, sondern ihre Form oder äußeren Umstände „unmittelbar materielle Wirkungen schädlicher Natur auf gesetzlich geschützte Rechtsgüter ausübt, überschreitet sie das rein geistige Schutzgebiet, das ihr innerhalb der allgemeinen Gesetzes eingeräumt ist.“996 So war die Einschränkung der Meinungsfreiheit etwa durch alle vorhandenen Strafgesetze vereinbar, denn „auch da, wo das Recht der freien Meinungsäußerung scheinbar in erster Linie durch sie beschränkt wird, enthalten sie keine Verbote, über irgendwelche Dinge seine Meinung zu äußern, sondern nur Beschränkungen hinsichtlich der – beleidigenden, aufreizenden, unzüchtigen oder Ärgernis erregenden – Form, in der eine Meinungsäußerung beliebigen Inhalts erfolgt.“997 Indem „sie nur das nach den allgemeinen Rechtsnormen für geistige Kundgaben jeder Art verbotene Beschimpfen, Verächtlichmachen usw. wegen dieser nicht notwendig zur Überzeugungskraft einer Meinungsäußerung gehörigen Form verbieten, dagegen das Recht des sachlichen Eintretens für die Monarchie oder Republik nicht beschränken“, verletzten die Republikschutzgesetze und daraus ergangenen polizeilichen Verbote bestimmter politischer Meinungskundgaben durch Inhalte oder Symbole die Meinungsfreiheit nicht.998 Auch ein Uniformverbot wegen der bewussten Demonstration gegen Verfassung und Bürgerfriede war ein allgemeines Gesetz.999 Denn das Wesen der Allgemeinheit bestehe darin, dass die Meinungsfreiheit nicht vom Rechtsgehorsam gegenüber den zum Schutz aller bzw. des Ge995
Häntzschel, HdtStR II, § 105 S. 659; vgl. Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (12 ff.); daher völlig zu Recht betont hier Anschütz, Art. 118 WRV S. 554 Fn. 3 die enge Verwandtschaft zur individuellen Glaubens-/Weltanschauungsfreiheit in Art. 135 WRV; erinnert sei auch hier nochmals die Funktionalität des Pluralismus der FDGO, oben B. I. 2. b). 996 Häntzschel, HdtStR II, § 105 S. 660; noch präzisierend zum Vernunftgebrauch und Aufklärung insoweit Kaufmann, VVDStRL 4 (1928), S. 77 (79 f.); zur insoweit z. T. wegführenden Rezeption vgl. Masing, JZ 2012, 585 (587 f.). 997 Häntzschel, AöR 49 (1926), 228 (233). 998 Häntzschel, HdtStR II, § 105 S. 662; Häntzschel, AöR 49 (1926), 228 (236); Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (22). 999 Vgl. explizit PrOVG DJZ 1931, 711 sowie Häntzschel, HdbDtStR II, § 105 S. 660 Fn. 22; unverständlich von daher Gusy, Reichsverfassung, S. 314.
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meinwesens notwendigen Gesetze entbinde; darin liege das Gegenteil zu Gesetzen „die eine Meinung als solche verbieten und beschränken“.1000 Seinen Ausdruck fand danach Art. 118 WRV nicht zuletzt im Unmittelbarkeitskriterium bei Vorbereitung des Hochverrats und in der Debatte, ob die rein geistig-theoretische Erörterung einer für notwendig gehaltenen Änderung der Staatsform legitim strafbar sein sollte.1001 § 1 II Lichtspielgesetz (1920) setzte mit dem Vorrang der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor der Meinungsäußerung aus Sicht der Weimarer Verfassungslehre exemplarisch die Sonderrechtsdogmatik um, Meinungen nach ihrer „allgemeinen“ Gefährlichkeit (und nicht „als solche wegen ihres Inhalts“!) sanktionieren zu können.1002 Anlässlich dazu formulierte Häntzschel unzweideutig gegen jeden Fokussierungstest im Sinne der viewpoint-doctrine: Ein „einseitiges Vorgehen gegen Angehörige einer geistigen, z. B. politischen Richtung [ist, M.F.] noch keineswegs ein Beweis dafür, dass es lediglich um ihrer geistigen Einstellung willen erfolgt. Wenn unter mehreren Richtungen nur die eine die Schranken des Geistigen überschreitet …, gegnerische Richtungen aber sich solche Verletzungen nicht zuschulden kommen lassen, so sind auch Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen, die nur gegen die Rechtsbrecher gerichtet sind, zulässig, weil sie nicht wegen einer geistigen Tendenz als solcher erfolgen…“.1003 (3) Der spezifische Sinn und Zweck des Sonderrechtsverbots, wie es durch die demokratisch-rechtsstaatliche Weimarer Rechtslehre bis 1933 ausgeformt wurde, besteht fort – neben den weiteren Absicherungen wie der Wechselwirkungslehre und neu hinzugekommenen. Zu letzteren zählt erstens gem. Art. 1 III, 20 III GG die unzweifelhafte Bindungswirkung der gesamten Verfassung gegen den Mehrheitsgesetzgeber und die verfassungsgerichtliche Nachprüfbarkeit willkürlicher oder sonstiger bestimmte Meinungen benachteiligender Einzelfall- oder Diskriminie-
1000
So der Ansatz von Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (19 f.) mit der wohl erstmaligen Verwendung der vielzitierten Formel, die das BVerfG, wenn auch mit verschobenem Inhalt (s. o. (2)) aufgriff. 1001 Vgl. historisch für die WRV Schroeder, Schutz, S. 109 f., 116 ff.; grundlegend für die Schlussfolgerungen der BRD aus den Exzessen der NS-Zeit Stampf, Hochverrat, Rn. 116 ff. zum „literarischen Hochverrat“; zum Unmittelbarkeitskriterium heute für § 83 StGB bereits Fahrner, Staatschutzstrafrecht, §9 Rn. 25 ff. m. w. N. zu den heute vertr. Ansichten; vgl. auch die US-amerikanischen Debatten gegen Kundgabe kommunistischer Lehren, s. dazu oben (4) (a) (bb) und insbesondere unten (c) (aa); gleichwohl allerdings z. B. die Aufforderung zum Hochverrat ohne weiteres kein Sonderrecht darstellte, vgl. Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (22 f.), ebenso zur „Klassenhetze“, Beschimpfung der Staatssymbole und § 166 StGB. 1002 „Die Zulassung eines Bildstreifens … ist zu versagen, wenn die Prüfung ergibt, dass die Vorführung eines Bildstreifens geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden, das religiöse Empfinden zu verletzen, verrohend oder entsittlichend zu wirken, das deutsche Ansehen oder die Beziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten zu gefährden. Die Zulassung darf wegen einer politischen, sozialen, religiösen, ethischen oder Weltanschauungstendenz als solcher nicht versagt werden.“; vgl. Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (20 f., 42); Thoma, Grundrechte, S. 213 f. 1003 So ausdrücklich Häntzschel, HdtStR II, § 105 S. 660 Fn. 22, Hervorhebungen hier.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
rungsgesetze.1004 Letztere verbieten zweitens materiell bereits die Verdichtung von Art. 3 I GG in Art. 3 III 1 Var. 7 bis 9 und Art. 19 I 1 GG.1005 Drittens schränken indes Menschenwürde (Art. 1 I 2 Alt. 2 GG) und FDGO beide (explizit v. a. nach Art. 19, 20 III, 79 III GG) die Meinungsfreiheit und die Dispositionsbefugnis durch Gesetzgeber wie gleichermaßen Verfassungsrechtsprechung ein. Der Gesetzgeber darf auch daher nicht durch eine Auslegungsdogmatik bei Art. 5 GG gehindert sein, seine durch den Verfassungstext auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen.1006 Aus der Funktion des Art. 5 GG für die freiheitliche Demokratie verdichtet sich das allgemeine Herausgreifverbot von Art. 3, 19 I GG zu einem prinzipiellen, in der FDGO wurzelnden Verbot primär der Abschichtung bzw. Immunisierung der regierenden Eliten und ihrer Herrschaft und damit der dahingehenden diskriminierenden Beeinflussung des politischen Prozesses,1007 sekundär aber auch der Gewähr von Pluralismus und Fortschritts.1008 Die erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Erhaltung der freiheitlichen Demokratie im prozedural-pluralistischen Sinn sind damit jedoch nicht als Sonderrecht ausgeschlossen, sondern ggf. geboten, gerade wenn sie gezielt sind; mögliche Diskriminierungen sind hier ebenso wie im Rahmen von Art. 3 III 1 Var. 7 bis 9 GG zu rechtfertigen (wenn auch nach der Abwägungslehre mit gesteigertem, reflektiertem Aufwand).1009 In dieser Zusammenschau bleibt als „Schlussstein“ für die Sonderrechtslehre die spezifische Aufgabe, staatliche Maßnahmen zu verbieten, die Äußerungen wegen ihres Inhalts zu sanktionieren suchen, die sich als „friedlicher“ Diskursbeitrag darstellen.1010 Sie sind gekennzeichnet in ihrer Wirkung, dass sie die Freiheit anderer 1004 Illustrativ Anschütz, WRV, 14. Aufl. 1933, Art. 118, S. 551 ff. zur einfachgesetzlichen Gewährleitung vor 1919; Thoma, Grundrechte, S. 195. 1005 Auch gegenüber Art. 109 I WRV; vgl. instruktiv BVerwGE 131, 218 als Vorinstanz zu BVerfG 124, 300 auch unter zusätzlichem Hinweis auf Art. 4 I GG; zum Verhältnis zu Art. 3 vgl. auch Michael, ZJS 2010, 155 (156 ff., 162). 1006 Zu einem impossibilium i. S. v. Dig. 50, 17 und die bekannten Debatten hierzu kann die Einhaltung der Menschenwürde nicht werden. 1007 Vgl. namentlich oben zur FriedensfunktionB. I. 2. d), zur Immunisierung und Abschirmung allgemein D. II 3. ff., im Rahmen der Freiheit und Gleichheit in den horizontalen und vertikalen Dimensionen sowie über mediierende Akteure E. I., II. 1008 Vgl. namentlich oben B. I. 2. b), c). 1009 Vgl. zu letzterem auch BVerwGE 131, 218; Masing, JZ 2012, 585 (589). 1010 Vgl. ähnlich auch Rühl, Tatsachen, S. 88 allerdings mit nicht weiter begründeter Gleichsetzung von weltanschaulicher und politischer Neutralität; bis hierher auch die Lehren des „marketplace of ideas“, vgl. oben D. II. 1. und gerade d); vgl. auch nochmals besonders Masing, JZ 2012, 585 (589 ff.); indes scheint auch die Anknüpfung als „Zielverbot“ im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ungenau, da das Ziel gerade jener Schutz anderer Interessen wie der sittlichen Unberührtheit einer Mehrheit oder Gruppe sein kann, gegen den sich im Kern Masing und das BVerfG weiterhin völlig zu Recht wenden; insoweit kann auch auf die Diskussion verwiesen werden ,den Gedanken der Friedlichkeit über Art. 8 I GG hinaus auszudehnen, vgl. Hufen, StaatsR II, § 6 Rn. 20 ff. m. w. N., auch wenn gerade nicht die Kriterien dieser Norm erfüllt sind, vgl. oben 1. a) dd). Ebenfalls ist mit dem Begriff der „Friedlichkeit“ hier vorsichtig umzugehen, da er nicht präzise und identisch auf manifeste Gewalt oder andauernde Ohnmacht rekurriert, sondern zur Friedensfunktion wie Art. 8 I GG nur komplex verwandt ist.
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in keiner Dimension angreifen bzw. beeinträchtigen, sondern bestenfalls in rationaler oder sittlicher Hinsicht steigern.1011 Aus diesem spezifisch zu allen anderen Sicherungen geschützten Kreis fallen aber nicht nur Übergriffe regulatorischer Art oder in fremde Ressourcen und (soweit denkbar) informationelle Freiheit spätestens hier heraus, sondern auch solche, welche die rationale Freiheit anderer angreifen, vor allem durch Manipulationen, Täuschungen etc.1012 Letztlich geht es im Kern um den Schutz von Beiträgen, welche umgekehrt nur die rationale (oder sittliche) Freiheit einzelner und damit die des demokratischen Prozesses steigern (können); sie dürfen danach als solche auch jenseits des Zensurverbots nicht sanktioniert werden.1013 Es muss die ratio Bestand haben, in der Tradition der Aufklärung die Pluralismus und Fortschrittlichkeit gegen ein Mehrheitsdiktat durch die kategorische Unbeschränkbarkeit auch für außerhalb des Mehrheitskonsens oder -anstands liegende friedliche Meinungen zu bewahren, um durch die rationale Kraft der i. w. S. friedlichen Argumente einen Beitrag zum Diskurs und seinem Fortschritt zu leisten.1014 Folglich kommt es einerseits auf die Vernünftigkeit oder Bewertung der Güte des konkreten Beitrags zum Diskurs aus irgendeiner hermeneutischen Sicht nicht an. Andererseits unterfallen (plural ermittelbare) Einschränkungen wegen manipulativen,1015 aufhetzenden oder die sonst die friedlichen, d. h. demokratisch-rechtsstaatlichen Prozesse des Gemeinwesens oder die individuelle regulatorische, ressourcenmäßige und vor allem rationale Freiheit anderer verletzenden oder gefährdenden Kundgabeformen und -inhalte dem Sonderrechtsverbot nicht. Ihre Sanktionierung bleibt allein an den weiteren Schranken-Schranken (Verhältnismäßigkeit nach Abwägungslehre, Art. 19 I, 3 GG usw.) zu messen.1016 Für dieses Sonderrechtsverständnis ist folglich weder eine Fokussierungs- noch Rechtsgutsfiktion erforderlich, das Strafrecht kann auf ihr aufbauen, ohne eine zweifelhafte Scharnierfunktion übernehmen zu müssen.
1011 Vgl. auch Smend, VVDtStR 4 (1928), S. 44 ff.; Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (12 ff.); insoweit vergleichbar wie in den USA „marketplace of ideas“, vgl. oben D. II. 1., E. IV. 2) d) aa) (2), Schmitt, Verfassungslehre, S. 168 bringt dies auf die Formel: geschützt sei damit (nur) die „freie“ Diskussion; bereits dieser doppeldeutige Ausdruck bezüglich manipulativer, übergriffiger Angriffe auf die Geistes- oder sonst Freiheit des anderen erweist sich selbst als manipulativ. 1012 Vgl. zu den Freiheitsdimensionen nochmals oben B. II. 1013 Vgl. eindrücklich die Beispiele eines „Evolutionstheorieverbots“ von Anschütz, Art. 118 WRV S. 554, v. a. Fn. 2. 1014 Vgl. etwa die Beispiele von Häntzschel a. a. O. zum Verbot der Evolutionstheorie in den USA. 1015 Zum „Schwur“ kommt die korrigierte Abgrenzung gegenüber dem BVerfG etwa bei dauerhafter Suggestion z. B. „Wenn wir uns nicht wehren, werden wir durch Überfremdung ausgerottet“ oder „Juden sind unser Unglück“ oder „Ausländer nehmen dir … weg“, vgl. dazu oben II. 2. c); die gezielte manipulative nicht rationale Wirkung unterscheidet dies von rein sittlich und mehrheitlich anstößigem entscheidend, auf einen konkrete „Aggression“ gegen ein Rechtsgut kommt es gerade nicht an. 1016 Vgl. in diesem Sinn auch eindrücklich bereits Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (21 ff.).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
(4) Die besonderen Gesetzesvorbehalte des Art. 5 II Var. 2, 3 GG bestätigen und verstärken diese Bedeutung der Sonderrechtslehre. Sie benennen mit der jugendlichen Selbstentwicklung und dem persönlichen Selbstbild der (inneren) Ehre die beiden wichtigsten Aspekte konkreter sittlicher Freiheit.1017 Dies rechtfertigt den Umkehrschluss, dass Gefährdungen oder Verletzungen alleine der sittlichen Freiheit anderer nicht zur Aufhebung des Schutzes durch das Sonderrechtsverbot nach Var. 1 führen können. Einschränkungen der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 I GG nur aufgrund der bloßen Wirkung auf die sittliche Freiheit anderer sind außerhalb von Var. 2, 3 folglich nicht zu rechtfertigen.1018 Gegenüber den anderen Freiheitsdimensionen wird somit der Schutz des Sonderrechtsverbots im Sinn einer größeren gesicherten Pluralität erweitert.1019 bb) In dieses normative Gesamtsystem des Verfassungsrechts fügt sich der Schutz der FDGO und der von ihr ausstrahlenden Funktionsweisen des Gemeinwesens: (1) Der (Selbst-)Schutz der fdVO ist ein Belang, der im Rahmen der Verfassungsdogmatik Einschränkungen der Kommunikationsgrundrechte begründen kann. Dies gilt nicht nur für die expliziten Vorbehalte in Art. 5 III 2, 9 II Var. 2 GG oder dem „groben“ Filter der Friedlichkeit i. S. v. Art. 8 I GG.1020 Soweit dem keine besonderen funktionalen Schranken-Schranken, wie etwa explizit in Art. 5 II GG, entgegenstehen, kann auf die allgemeinen Prinzipien des Verfassungsrechts (ggf. auch unter dem allgemeinen topos der streitbaren bzw. wehrhaften Demokratie) zurückgegriffen werden, die Umsetzung im einfachen Recht ist dann für das Verfassungsrecht nur ausnahmsweise noch von Belang.1021 Bereits innerhalb des ständigen Dogmas des BVerfG der „freien öffentlichen Auseinandersetzung“ sind die notwendigerweise dauerhaft zu bewahrenden demokratisch-rechtsstaatlichen Grundlagen eben in Gestalt der FDGO erkennbar. Dies gilt zunächst für den Schutz der Menschenwürde aus Art. 1 I 2 Alt. 2, 20 III, Var. 1 GG, aber ebenso für die Selbstbewahrung als „militant democracy“.1022 Dementsprechend 1017
Vgl. oben B. II. 5. Ob hier theoretisch zusätzliche verfassungsimmanente Kollisionen rechtfertigen könnten bleibt theoretisch, aber aus dem klaren Regelungszusammenhang kaum denkbar, ebenso kann hier im Hinblick auf die Fragestellung zur FDGO offenbleiben, ob sich der eingeschränkte Schutz sittlicher Freiheit auch auf Art. 4 und 5 III GG erstreckt oder soweit Gesetzgebung und Verfassungsanwendung offensteht, vgl. dazu einzelne Nachweise bereits oben unter b). 1019 Die sittliche Freiheit der Jugend soll entsprechend Art. 5 II Var. 2 GG geschützt werden etwa durch JMStV und JuSchG, dort etwa die „Indizierung“ gem. §§ 14 I, 15 II, 18 sowie §§ 4 f. JMStV. Wesentliche Grundgedanken der sittlich-freien Selbstentwicklung im Rahmen des freiheitlich-friedlichen Gemeinwesens „zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ sind in plural-prozeduraler Weise dargestellt; vgl. dabei die Negativabgrenzung u. a. in § 18 III JuSchG als Fortsetzung der Tendenzschutzklausel in § 1 II Lichtspielgesetz (1920). 1020 Siehe jeweils oben a). 1021 Vgl. zu bedem vor allem die gesonderten Untersuchungen. 1022 Siehe oben A., B. I. 1018
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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kann systematisch auf die Wertungen jedenfalls1023 in Art. 17 EMRK (und ergänzend Art. 10 II HS 2 EMRK) zurückgegriffen werden, die vom Schutz auch Äußerungen ausdrücklich ausnehmen, die darauf abzielen, die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sonst den Kern der jeweiligen fdVO anzugreifen.1024 Art. 5 III 2, 9 II, 18 GG geben auch historisch kein Gegenargument, sondern fungieren zusätzlich als exemplarische Ausdrucksformen.1025 (2) Der verfassungsmäßig gebotene Schutz der friedlichen Öffentlichkeit lässt sich ohne weiteres aus den FDGO-Komponenten ableiten.1026 Als Schutzgut mit Ausprägungen wie der freiheitlichen, gleichen und allgemeinen Partizipation und Schutz gegen Ohnmacht ergänzt es die bestehenden besonderen Grundlagen staatlichen Einschreitens, die bereits dargestellt wurden, namentlich Art. 5 II, 8 II, 9 II GG, sowie etwa in den Tatbestandsmerkmalen der Schutzbereiche, wie etwa im Meinungsbegriff.1027 Diese demokratische Verbindung reicht über den allgemeinen wechselseitigen Freiheitsschutz als – wiederum demokratisch-rechtsstaatlich systemimmanent auszugestaltender1028 – Schranke der Grundrechte hinaus, ohne ihn zu assimilieren. Jedoch kann (zumindest im Wesentlichen) auf die dazu entwickelten Abgrenzungskriterien auch zur Rechtfertigung von staatlichen Eingriffen rekurriert werden: Sie sind nicht nur – vorbehaltlich von Schranken-Schranken – grundsätzlich möglich zur Abwehr und Sanktionen von Eingriffen in die konkrete Freiheit anderer in allen ihren Dimensionen,1029 sondern (meist überdeckend) zum Schutz etwa von Allgemeinheit, Freiheit und Gleichheit, wirksamer Rückkopplung etc. im demokratischen Prozess. Dies betrifft etwa Eingriffe in die regulatorische, aber auch grundsätzlich informationelle, rationale und sittliche Freiheit anderer sowie ihre Ressourcen. Umfasst sind folglich etwa sonstige Einschüchterungen, sowie Schaffung von „Machtblasen“ und partiellen Öffentlichkeiten und andere Eingriffe in die demokratischen Prozesse der Meinungsbildung, Abstimmungen und Wahlen. Damit sind ebenso die von der „militant democracy“ benannten Formen wie Uniformierung, Militarisierung, Verunglimpfung und Angriffe auf die Autorität des Staates, 1023 Auf die Problematiken der Anwendungsreichweite von Art. 11 EUGRCh sowie die Erstreckung von Art. 10 II und gar 17 EMRK als Schranke ist hier nicht näher einzugehen. 1024 Siehe bereits oben, hier namentlich nochmals Volkmann, NJW 2010, 417 (418). 1025 Vgl. (im Vorgriff auf die gesonderte weitere Erörterung) nochmals ausdrücklich den Beratungsgang im ParlR, JöR 1, S. 79 ff. und insbesondere die Beratungen in der 25. Sitzung des Grundsatzausschusses am 24. 11. 1948, Prot. S. 32 ff. 1026 Vgl. ausführlich bereits Fahrner, ZIS 16 (2021), 365; sowie im Übrigen nur oben B. I., D. II. 2., E I. 2. 1027 Vgl. insbesondere oben a); insoweit sind auch „aufrührerische Reden“ innerhalb und außerhalb von Versammlungen nach Art. 5 II Var. 1 GG sanktionierbar; vgl. bereits Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 6 (22 f.) mit Formulierungen S. 23 zum öffentlichen Frieden bei § 130a StGB, die BVerfG 124, 300 wieder aufgegriffen hat. 1028 Vgl. oben b). 1029 Auf den Schutz und Ausgleich individueller Interessen ist hier nicht näher einzugehen, es kann allerdings hingewiesen werden auf die allgemeinen Modelle etwa der strafrechtlichen Rechtsgüterfindung.
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Verhetzung und sonstige Emotionalisierung und Irrationalisierung in der Öffentlichkeit zu fassen.1030 (3) Nur wo die fdVO dem – wiederum klar erkennbare – formale oder funktionale Schranken-Schranken entgegenstellt, sind staatliche Einwirkungen zu diesen Zwecken nicht legitim.1031 Dazu zählen etwa die (doppelte) Allgemeinheit der Gesetze neben den generellen Diskriminierungsverboten und in der Abwägung der grundrechtsspezifischen Verhältnismäßigkeit. Dieser Schutz, u. a. von Pluralismus und Fortschrittlichkeit, muss über die speziellen Anker in Art. 5 I 3, II GG (und andere im Schluss aus Tatbestandsmerkmalen) hinaus auf die weiteren verfassungsimmanenten Beschränkungen zumindest sinngemäß erstreckt werden, etwa bei Art. 4, 5 III GG.1032 Neben Art. 5 III 2 GG ist er im Meinungs- und Wissenschaftsbegriff als jeweils sachlicher Schutzbereichsgrundlage bereits vorrangig ausgedrückt; hinter deren hermeneutischer Präzision bleibt die Abgrenzbarkeit der Kunst- und Religionsfreiheiten zurück.1033 Die Sonderrechtslehre lässt sich darin maßgeblich nutzbar machen für die allgemeinen rechtsdogmatischen Auseinandersetzungen, über – eben nicht nur nationalsozialistisch geprägte – individuelle und kollektive öffentliche Kundgaben gegen die friedliche Verfassungsordnung: Eingriffe in die Kommunikationsgrundrechte sind nach ihr aber nicht ausgeschlossen, wenn Äußerung (oder Informationsgewinnung) sich nicht auf eine „rational-friedliche“ Teilnahme am Diskurs beschränken, sondern namentlich die Freiheiten anderer und bzw. oder die friedliche Verfassungsordnung und die friedliche Öffentlichkeit als solche angreifen.1034 Umgekehrt beschränken das Sonderrechtsverbot sowie die weiteren genannten Schutzmechanismen effektiv Legitimierungen und Verfassungsmäßigkeit staatlichen Vorgehens gegen Kommunikation in bzw. mit der Öffentlichkeit: Nie umfasst sind danach konturlose, invasive antiplurale und fortschrittsfeindliche Berufungen – etwa auf ein mutmaßliches „objektives Gemeinwohl“,1035 ein rein „subjektives Si1030
Vgl. nochmals ausführlich A., B. I. 1, D II. 4., 5. Die Fiktion eines exogenen Volkswillens wird hier mit den Verfassungsvätern der WRV wie des Grundgesetzes zurecht als präautoritärer Fremdkörper als „wesensfremd“ und „schädlich“ identifiziert. Zur Sicherung der FDGO bedarf es seiner gerade nicht, vielmehr eben dieses Schrittes. Dadurch ist auch die Rückkehr zu einer kohärenten und konsistenten Verfassungsdogmatik der FDGO anhand von Wortlaut, Historie und Teleologie des Grundgesetzes möglich. 1032 Siehe bereits oben 1. c) und 2. a), b). 1033 Siehe bereits oben b) bb). 1034 Siehe zur Herleitung gerade oben b); dabei bleiben die weiteren verfassungsmäßigen Schranken und dogmatischen Bedingungen gerade für strafrechtliche Sanktionierungen, weiter zu klären. Jedenfalls fügt sich darin das BVerfG ein, wenn es auch im Interesse des Staatsschutzes in einer FDGO eine Informationsbeschränkung, etwa gegen Informationen aus dem Ausland, bei besonders akuten, anders nicht zu bekämpfenden Gefahren zulässt, vgl. BVerfGE 27, 71 (85 ff.); Minderheitsmeinung BVerfGE 33, 52 (86). 1035 Vgl. bereits grundlegend dazu das Kreuzbergurteil, PrOVGE 9, 353; aktueller OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878. 1031
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cherheitsgefühl“ oder eine „Mehrheitsmeinung“ der Bürger1036 – soweit sie sich gegen „friedlich-rationale“, bloß provokante Äußerung in der Öffentlichkeit wenden. Mit letzterem ist jede Kommunikation gemeint, die selbst Standpunkte darstellt und darstellen will, so dass sie gerade die o. g. „Friedlichkeit“ nicht verletzt, etwa auch friedliche Forderungen zur Änderung von Rechtslage oder Verfassungsordnung im Rahmen der gängigen Verfahren und zulässigen Ziele ohne weitere unfriedliche Einwirkungen auf andere. Ebenso wenig legitim sind – über die Sonderrechtslehre allgemein in die Verhältnismäßigkeit hinausgreifend – als Eingriffsbegründung das bloße „Ansehen“ (auch noch bezeichnet als „Ehre“) des Staates im In- und Ausland oder sonst staatliche Stellen, die politischen Prozesse des Gemeinwesens gegen scharfe und fundamentale, jedoch friedliche Kritik.1037 Nicht zu schützen sind allgemein staatliches Handeln gegen öffentliche Wahrnehmung – etwa konkret die Verbreitung offen angefertigter Aufnahmen polizeilicher Einsätze, und Wertung –, auch wenn diese in der Folge des Inhalts der Information intensive auch emotionale öffentliche Diskussion hervorrufen mögen.1038 Schließlich kann auf Rechtsfolgenseite keine „Umerziehungs-Sanktion“ selbst bei „beharrlichen Meinungskundgaben“ gegen die Verfassungsordnung eingeführt werden.1039 (4) Für die Rechtfertigung des § 130 IV StGB bedarf es, dem folgend, gerade keiner speziellen Ausnahme des Sonderrechtsverbots. Sein Tatbestand erfordert eine Störung des öffentlichen Friedens in einer die Würde der Opfer verletzende, Weise. Vorausgesetzt ist mithin ein Kundgabeverhalten, welches zumindest die öffentliche Friedlichkeit (im Hinblick darauf, Ohnmacht zu erzeugen) überschreitet und sich eben nicht nur in einer möglichen provokanten „diskursiven“ Wirkung auf die sittliche Freiheit der Opfer erstreckt.1040 Nur wenn letzteres alleine der Grund einer Sanktionierung wäre, bestünde Bedarf, neben Art 5 II Var. 2, 3 GG über weiteres mögliches Sonderrecht im Sinn etwa der Negativdefinition der FDGO im Sinn der Ausführung des BVerfG nachzudenken.1041 cc) Vor allem durch seine weitere allgemeine Klärung des Begriffs des öffentlichen Friedens hat BVerfGE 124, 300 zumindest einen wesentlichen Schritt zu einer überzeugenden Dogmatik seiner vielfältigen Kasuistik im Bereich der Meinungs1036 Vgl. oben B I. 2. b); Schenke, POR, Rn. 61; Gusy, VerwArch 72 (2001), 359 ff.; ders., JZ 2009, 217 (219 ff.). 1037 Vgl. ausführlich bereits Fahrner, ZIS 16 (2021), 365 m. w. N. 1038 Vgl. zu letzterem die aktuelle Literatur im Polizeirecht, etwa Schenke, POR, Rn. 61 a. E. m. w. N.; Lisken/Denninger, PolR-HdB, Rn. D.27; eine Rechtfertigung aus anderen Gründen (z. B. Geheimnis-/Persönlichkeitsschutz) ist dadurch nicht ausgeschlossen. 1039 Eine solche ist, alleine in ihrer aus totalitären Systemen bekannten Form der Umerziehungslehrgänge selbst ohne Freiheitsentzug diametral der FDGO entgegengesetzt, selbst wenn nur ihre Inhalte vermittelt werden sollten, vgl. evident VerfGH BY BayVBl 2020, 226 gegen Art. 13 BayIntG. 1040 Vgl. ähnlich BVerwGE 131, 216. 1041 BVerfGE 124, 300 (327 ff.); zu ersterem siehe oben B. I. 1.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
und Versammlungsfreiheit geleistet.1042 Als allgemeingesetzliches Rechtsgut kann – auch nach dem Gericht – ein Schutz grundsätzlich Einschränkungen der Kommunikationsgrundrecht rechtfertigen.1043 Er kann dabei als Ableitung aus der FDGO und ihren Funktionsanforderungen1044 verbunden mit den Anforderungen der Öffentlichkeit1045 begriffen werden, mithin als Grundlage von Eingriffen und sonstigen Beschränkungen jedenfalls als spezielleres Institut ihnen gegenüber einen Anwendungsvorrang einfordern.1046 Bewahrt werden sollen sowohl durch als auch gegen staatliche Eingriffe die allgemeine, gewalt- und ohnmachtsfreie Öffentlichkeit als Grundlage des staatlichen Gemeinwesens und Raum möglichst breit ausgeleuchteter Ansichten, abgegrenzt gegen Freiheitsübergriffe und Manipulationsversuche mit Relevanz für die FDGO.1047 (1) Nach dem BVerfG kann der öffentliche Frieden in diesem Sinn verletzt werden durch Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind, das heißt den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen, Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern. Mit dem Unmittelbarkeitstest des ersten Satzes nähert sich das Gericht einzelnen Ansätzen im deutschen Staatsschutzstrafrecht.1048 Gleichzeitig übernimmt es (zusätzlich zum „bad tendency“-) nahezu identisch den „imminent lawless action“-Test als Fortführung der „clear and present danger“-Prüfung der US-amerikanischen Dogmatik namentlich der „fighting words“1049 zum ersten Verfassungszusatz.1050 Allerdings macht bereits das BVerfG mit seinem Zusatz deutlich, dass damit der öffentliche Friede nicht hinreichend umfasst ist. Die genannte US-Rechtsprechung lässt Einschüchterungseffekte gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen völlig unbeachtet,
1042
Genauer BVerfGE 124, 300 (334 ff.). Zutreffend BVerwGE 131, 218 Rn. 20 f. m. w. N. spezifisch in diesem Zusammenhang und konsequenter nach der Dogmatik des BVerfG als dieses selbst, die zusätzlichen Erwägungen zur Sonderrechtslehre in BVerfGE 124, 300 (321 ff.) wirken nur im Sinne eines abzulehnenden viewpoint-/Fokussierungsansatzes nachvollziehbar, siehe oben d), e) aa). 1044 Nicht nur aber vor allem auch der Friedlichkeit mit Integration sowie subjektiven Pluralismus und Fortschrittlichkeit, s. o. Kap. 1 B.; vgl. auch bereits Fahrner, ZIS 16 (2021), 365. 1045 Vgl. oben D., E. I. 2. c), 3. 1046 Vgl. gerade oben b) bb). 1047 Vgl. auch bereits Fahrner, ZIS 16 (2021), 365 m. w. N. sowohl unter system- wie diskurstheoretischer Begründung. 1048 Vgl. Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 9 Rn. 28 ff. m. w. N. sowie auch dem gewalttätigen Verlauf von Versammlungen. 1049 In Chaplinsky v. New Hampshire, 315 U.S. 568 (1942). 1050 Vgl. hier nur Brandenburg v. Ohio, 395 U.S. 444 (1969); Hess v. Indiana, 414 U.S. 105 (1973). 1043
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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solange nicht die Schwelle zum gewaltsamen Angriff auslöst wird.1051 Ein solcher unmittelbarer Übergang zum Rechtsbruch ist für das BVerfG weiterhin nicht erforderlich, ganz davon abgesehen, dass der Begriff der „Aggression“ gänzlich ungeklärt bleibt.1052 (2) Das Gericht unternimmt es mit der Wendung „Außenwirkungen von Meinungsäußerungen“ erkennbar, erneut eine Abgrenzung zur „bloß anstößigen geistigen Relativierung“ von Meinungskundgaben nachzuziehen.1053 In diesem Sinn ist der öffentliche Frieden ausdrücklich in § 166 StGB benannt, wo er an Stelle der objektiv manifesten Übergriffe der weiteren Delikte gegen Religion und Weltanschauung provokante, jedoch zu akzeptierende Äußerungen von inakzeptablen abgrenzt.1054 Gemeint ist einmal mehr die Konkretisierung der pluralen Friedens- und Fortschrittsfunktion der FDGO, andere „friedliche“ Meinungskundgaben nicht unter Strafe stellen zu dürfen, sondern diese aushalten und respektieren zu müssen – auch wenn diese namentlich auf das sittliche Selbstbild anderer einwirken, ansonsten aber in keine Freiheitsdimensionen eingreifen.1055 (3) Tatsächlich werden damit (etwa über die Unfriedlichkeit einer Versammlung hinaus)1056 verschiedene Wirkungsweisen „unfriedlichen“ kommunikativen Handelns anerkannt, das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.1057 Ein solches kann aus Inhalt wie Modalitäten der Kundgabe für sich oder gemeinsam begründet sein, wie sie etwa im Uniformverbot für Versammlungen1058 und anderen Formen, die bereits Löwenstein herausgearbeitet hat, zum Ausdruck kommen.1059 Dabei kann die historische Wurzel des „öffentlichen Friedens“ fortgeführt werden, als Ausdruck der Gefahr des „Ausbruchs von Gewalttätigkeiten der Bevölkerungsklassen gegeneinander“,1060 „dadurch, dass Hass und 1051 Gerade in Brandenburg v. Ohio, 395 U.S. 444 (1969) reichte die Ankündigung von Aktionen gegen die Regierung und dunkelhäutige Bevölkerungsteile durch den Ku Klux KlanAktivisten Brandenburg für den US Supreme Court gerade nicht aus; vgl. aber auch alleine auf unmittelbare Wirkung abstellend Snyder v. Phelps, 562 U.S. 443 (2011). 1052 Hier gelangt man zu den Theorien strafrechtlicher Freiheitsabgrenzung und Verletzung, auf die gesondert an anderer Stelle im Einzelnen einzugehen ist. 1053 Vgl. zum Begriff BVerfGE 124, 300 (336); und den Bezug zu BVerfGE 69, 315 (343 f.); insoweit auch in der früheren, gerade bereit genannten US-Tradition, aber auch seinen Ausführungen zur Allgemeinheit i. S. v. Art. 5 II GG und weiteren Einwirkungen des Schutzes reiner „rationaler“ Äußerungen und seiner Abgrenzung, etwa bei Art. 5 I, III GG, wie oben insgesamt ausführlich dargestellt. 1054 Vgl. hier nur vorläufig vorbehaltlich gesonderter Untersuchung Fischer, § 166 StGB Rn. 12 ff. 1055 Vgl. nochmals oben B. II. 5. 1056 Vgl. nochmals zu Art. 8 I GG oben a) dd). 1057 Vgl. etwa VGH Kassel, NJW 1989, 1448; VGH München, NVwZ 1992, 76 f.; VG Hamburg, Beschl. v. 11. 8. 1993 – 12 VG 2434/93. 1058 Vgl. etwa oben d) cc) (1), e) aa) (2), b) bb). 1059 Vgl. nochmals oben B. I.; ausführlich bereits bei Fahrner, ZIS 16 (2021), 365 m. w. N. 1060 RGSt 2, 431 zu § 130 StGB a. F.
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Zwietracht zwischen Bevölkerungsgruppen gesät und das Bewusstsein der Rechtssicherheit erschüttert als auch dass bei einem Teil der Bevölkerung eine zu Gewalttätigkeiten gegen ihre politischen Gegner geeignete Stimmung erzeugt“ wird.1061 Zentral ist dabei der Bezug zur allgemeinen Friedlichkeit, als Zustand oder als Eindruck, ohnmächtig im Gemeinwesen der Macht irgendeines fremden Akteurs zu unterliegen.1062 Insoweit kann die Definition des BVerfG indirekte Wirkungen der gerade nicht selbst angestachelten, sondern „eingeschüchterten“ Bevölkerungsgruppen aus der historischen weitestgehend verlustfrei ausklammern, da deren „sekundäre Unfriedlichkeit“ als Reflex aus der Ohnmacht erfasst wird. Bedeutsam ist jedoch das umfassende Verständnis der „primären Unfriedlichkeit“ als Taterfolg, „bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern.“ Richtig verstanden muss dies aber eben gerade nicht – so auch der richtige Vorwurf etwa von Fischer1063 – als nur einfach gewaltsame Übergriffe, die ohne weiteres wirksam im funktionierenden demokratischen Rechtsstaat geahndet und gelöst werden, sondern eben der spezifischen Ohnmacht.1064 Indes bestehen hier, bei der Konstruktion des verfassungsrechtlichen Rechtsguts gegenüber den Kommunikationsgrundrechten, keine Bedenken, auch solche situativen bzw. bloß „aktuellen“ Übergriffe vor allem in Freiheiten anderer – etwa in regulatorischer oder ressourcenmäßiger Dimension – mit aufzunehmen, also namentlich physische oder psychisch-körperliche Gewalt, egal ob dieser unverzüglich wirksam durch das Gemeinwesen begegnet wird.1065 Allerdings ist dabei bewusst zu halten, dass dadurch rein individuelle Freiheitsverletzungen mit solchen der friedlichen demokratisch-rechtsstaatlichen Öffentlichkeit überschnitten werden.1066 Gerade deswegen ist das Schutzgut des öffentlichen Friedens weder alleine auf individuelle Rechtsgüter zurückzuführen noch, wie Fischer und die formale personale Rechtsgutslehre ihm vorwerfen, Einfallstor für beliebige staatliche Auffüllung entgegen der FDGO.1067 Dadurch wird der angegriffene Frieden (als nicht nur „private Freiheitsverletzung“) in mehrfacher Hinsicht öffentlich, in seiner Sichtbarkeit, seinem Bezug zur Öffentlichkeit als spezifisches Konstrukt wie als Resonanzboden und Wirkungsraum der FDGO.1068 So ist etwa als Verstoß auch versammlungsrechtlich zu sanktionieren, wenn abgesonderte politische „Machtzonen“ real geografisch, sozial-personell oder virtuell geschaffen 1061
RGSt 18, 314. Vgl. nochmals ausführlich oben B. I. 2. d). 1063 Vgl. etwa Fischer, Friede, S. 635 ff. passim; ders., NStZ 1988, 159 (160 ff.). 1064 Vgl. nochmals oben B. I. 2. d) zu spezifischen Friedensfunktion; sonst ergäbe die Formel neben dem allgemeinen Straftat-Ansatz kaum Sinn, vgl. nochmals zum Straftatansatz oben c) bb) (4). 1065 Namentlich da sie selbst nicht der besonders geschützten „friedlichen“ Kommunikation unterfallen, siehe u. a. gerade oben bb) sowie ausführlich oben a) und b). 1066 Vgl. bereits Fahrner, ZIS 16 (2021), 365. 1067 Vgl. dazu die folgende gesonderte Untersuchung aus Sicht des Staatsschutzstrafrechts. 1068 Vgl. nochmals Fahrner, ZIS 16 (2021), 365. 1062
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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werden sollen.1069 Dass der öffentliche Friede somit gerade als eine Ableitung aus der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. Verfassungsordnung verstanden werden kann, tritt beispielhaft neuerdings in Art. 14 BayIntG zu Tage: Dieser verbietet eine mit der fdVO nicht vereinbare Rechtsordnung durchzusetzen, also insbesondere ihr andere zu unterwerfen, oder in einer Form der Öffentlichkeit zu ihrer Befolgung unter Missachtung der geltenden verfassungsmäßigen Ordnung aufzufordern.1070 dd) Endlich bestehen mit diesen Maßgaben keine Bedenken, die präventivgesetzlichen Eingriffsermächtigungen des besonderen und allgemeinen Gefahrenabwehrrechts unter Beachtung der funktionalen und formalen Schranken-Schranken auch im Bereich der Kommunikationsgrundrechte anzuwenden. Unter Beachtung namentlich der Wechselwirkungslehre sowie des Spezialitätsgrundsatzes sind damit zwar Rückgriffe auf die allgemeinen polizeilichen Generalklauseln teilweise auszuschließen. Anders als in der vom BVerfG geprägten Dogmatik1071 ist allerdings kein legitimer Grund ersichtlich, das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gegenüber dem Schutz der FDGO und des öffentlichen Friedens, etwa im Versammlungsrecht zu sperren.1072 Damit bedarf es eines Rückgriffs auf die öffentliche Ordnung konsequenterweise nicht. Die öffentliche Sicherheit umfasst nicht nur die Einhaltung der ausdrücklichen Rechtsnormen zum Schutz der fdVO, namentlich das entsprechende Strafrecht, sondern auch als kollektives Schutzgut die fdVO selbst. Der Gesetzgeber kann ihren Schutz im verfassungskonformen Maß, namentlich soweit erforderlich und angemessen – unmittelbar durch eigene Eingriffsermächtigungen, mittelbar durch Straf- und andere Verbotsgesetze im Rahmen der Standardmaßnahmen und Generalklausel – erweitern und ins Vorfeld verlagern. Dazu dienen etwa die Regelungen des Uniformverbots1073 oder der Bannkreise bzw. besonders befriedeten Bezirke.1074 Allerdings ist weder aus dem Erlass von solchen (Straf-)Normen noch der Konstruktion des Schutzguts selbst1075 zu folgern, dass der Gesetzgeber einen Rückgriff auf die fdVO nach Art. 1 I 2, 20 IV, 79 III GG im 1069
Vgl. VG Gelsenkirchen Beschl. v. 20. 9. 2019 – 14 L 1456/19, BeckRS 2019, 45178. Zur Verfassungsmäßigkeit VerfGH BY BayVBl 2020, 226 Rn. 230 ff. allerdings wohl irrig im Bezug auf den weitesten Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung in Rn. 235, der hier irrig scheint. 1071 Siehe nochmals oben b) dd), c) cc), d) cc). 1072 Darüber bestand auch unter den Teilnehmer der entscheidenden Staatsrechtslehrertagung zur „Allgemeinheit“ der Gesetze bei der Meinungsfreiheit völlig Einigkeit, wie namentlich Thoma, VVDStRL 4 (1928), S. 85 ausdrücklich herausstellt; dort ist die Geltung des Polizeirechts, wie heute ergänzt um weitere Kategorien der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Standardmaßnahmen und Spezialermächtigungen, vor allem eine Frage der Spezialität im Verhältnis der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen untereinander. 1073 Vgl. § 3 VersG sowie die entsprechenden Regelungen der Landesgesetze, sowie weiter dazu ausführlich Fahrner, ZIS 16 (2021), 365. 1074 Vgl. exemplarisch §§ 15 II, 16 VersG, § 1 BefBezG. 1075 Vgl. Schenke, POR, Rn. 60; BeckOK-Gusy/Worms, § 1 PolG NRW Rn. 55, 63; BeckOK-Trurnit, § 1 BWPolG Rn. 38. 1070
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Rahmen der öffentlichen Sicherheit ausschließen konnte und diese somit partiell schutzlos stellen wollte.1076 (1) Bereits aus der gängigen Definition der öffentlichen Sicherheit unterfallen dem kollektiven Schutzgutsteil der öffentlichen Sicherheit Bestand, Veranstaltungen und „Einrichtungen“ des Staates.1077 Richtigerweise wird man aber darunter auch die fdVO bzw. daraus folgende Ableitungen (darunter den öffentlichen Frieden) anerkennen müssen.1078 So umfasst sie nach dem Wortlaut des § 1 I 2 PolG BW ausdrücklich „insbesondere die verfassungsmäßige Ordnung und die ungehinderte Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte“.1079 Andere Polizeigesetze haben funktional entsprechende Textverweise.1080 Weiter wird dies systematisch etwa an Art. 35 II GG deutlich.1081 Historisch ergibt sich ebenso, dass der Schutz der Verfassungsordnung und des öffentlichen Friedens umfasst sein soll: Die breite polizeiliche Aufgabenzuschreibung, bereits kodifizierend verengt im PrALR1082 diente der Abgrenzung zur ordentlich-gerichtlichen repressiven Verfolgung von Straftaten.1083 Zunächst baute sie auf den umfassenden Schutzgütern der securitas und tranquilitas 1076 Wie BVerfG NJW 2001, 2069 (2071) behauptet; soweit er dazu, wie die gerichtliche Rechtsauslegung und -anwendung, überhaupt eine verfassungsrechtliche Ermächtigung gehabt hätte. 1077 Vgl. Legaldefinitionen § 3 Nr. 1 SOG ST; § 14 II 2 BPolG dagegen ohne Bestand § 2 Nr. 2 PolG HB; zu Veranstaltungen OVG Lüneburg, NJW 1988, 3280; Einrichtungen und Bestand dabei wohl eher eng verstanden im Sinn des § 92 I StGB; vgl. zusammenfassend näher Lisken/Denninger, PolR-HdB, Rn. D.20 ff. m. w. N. 1078 Vgl. BVerfGE 49, 24 (57 f.); BVerwGE 49, 202 (209); etwa wohl am deutlichsten BeckOK-Trurnit, § 1 BWPolG Rn. 39, 54; ebenso z. B. VG Ansbach Beschl. v. 16. 8. 2018 – 4 S 18.01603, BeckRS 2018, 19124; die verkürzte Zitierung des BVerfGE 69, 315 (352) auf die „Unversehrtheit der staatlichen Einrichtungen“ trägt wohl zur Einordnungsproblematik des Gerichts maßgebend bei. 1079 Vgl. BeckOK-Trurnit, § 1 BWPolG Rn. 5 3 f. m. w. N.; insoweit auch Ruder/Schmitt, PolR, Rn. 204a; daran ändert auch die betonende Wiederholung in § 53 I AufenthG nichts. 1080 Vgl. etwa Art. 6, 7 II Nr. 1 Var. 3, V StVG BY; Art. 11 II 1 Nr. 1, 4 PAG BY; § 1 I 2 Nr. 1 PolG SN. 1081 Hier nach allg. Ansicht verwiesen auf das Polizeirecht, vgl. nur BeckOK-Epping, Art. 35 GG Rn. 19.1; Sachs/Erbguth/Schubert, Art. 35 GG Rn. 36; der Bezug zur Definition von Stier-Somlo, § 14 PrPVG, Rn. 2 S. 113 f. ist augenfällig und daraus auch eine nähere Auseinandersetzung mit Art. 48 WRV entbehrlich. 1082 § 10 Titel 17 Teil II des PrALR von 1794: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey.“; vgl. zur Wirkung Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 117 ff. 1083 Darin wurde durch das Strafverfahrensrecht und das Polizeirecht des 19. Jh. deutlich, dass die Abgrenzung von Polizei und Strafrechtspflege erstere nicht mehr wie noch in PrOVGE 9, 353 vom strafrechtlichen engeren Staatsschutz ausschloss; vgl. auch Schmidbauer/Steiner/ Schmidbauer, Art. 2 BayPAG, Rn. 15; sowie die amtliche Begründung zu § 14 PrPVG; vgl. Beispiele etwa bei Schenke, POR, Rn. 61 f.; (später) auch der Abgrenzung zur Wohlfahrtspflege als sozialem Leistungsstaat, dem Schutz von Privatinteressen und unerheblichen Belästigungen, zu letzterem maßgebend das sog. Kreuzbergurteil, PrOVGE 9, 353; vgl. zum Ganzen Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 117 ff., 128 ff., 138 f.
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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und (explizit) des publicum auf.1084 Die heute geläufige, wiewohl nicht allgemein kodifizierte Formulierung1085 muss aus ihrer Entwicklung in der Zeit vor der Konstruktion der verfassungsmäßigen Ordnung oder FDGO1086 verstanden werden: Bereits das PrOVG wies der öffentlichen Sicherheit jedenfalls alle anerkannten Rechtsgüter der Allgemeinheit zu.1087 Das Gegenmodell von Anschütz verlagerte dies auf den Bestand der gesamten Rechtsordnung,1088 welche deren Geltung als staatliche Friedensordnung umfasste. Der umfassende Charakter zum Schutz des Gemeinwesens wird am Ursprung der heutigen Definition am deutlichsten erkennbar. Der ehemalige preußische Innenminister und OVG-Präsident Drews bestimmte 1927 die öffentliche Sicherheit als „Schutz der Allgemeinheit und des einzelnen gegen Schäden, die den Bestand des Staates oder seiner Einrichtungen oder das ungehinderte Funktionieren seines Organismus … bedrohen“.1089 Gemeint war dabei der umfassende Schutz des Staates und seiner Funktionen in alle Richtungen, seiner Einrichtungen nur verdeutlicht als vorgelagertem Teil.1090 Das damals prägende organische Staatsverständnis in der Tradition unter anderem v. Gierkes ist aus heutiger Sicht allein zu ersetzen durch den Staatszusammenhalt durch die verfassungsmäßige Ordnung.1091 Ausgangspunkt dieses Staatsschutzes waren nach dem Spartakusaufstand 1919 zunächst unter einer Regelungslücke des Versailler Vertrags begonnene Schaffung einer Sicherheits- bzw. Schutzpolizei gerade auch gegen jede gewaltsame Bedrohung der Verfassungsordnung sowie der politischen Polizei für andere entsprechende Bestrebungen.1092 In den wissenschaftlichen Debatten waren lediglich der Schutz von Individualrechtsgütern, nicht aber aller von der (damals ohne Abschichtung der Verfassung) allgemeinen Rechtsordnung anerkannten Allgemeinrechtsgüter umstritten.1093 1084 Vgl. § 8 Tit. 5 III. 1. des Entwurfs eines Allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten, zit. in PrOVGE 9, 353; allein aufgrund der Ausgrenzung der Strafrechtspflege findet sich kein Verweis auf den Majestäts-/Hoch-/Landesverratsschutz. 1085 Vgl. indes § 2 Nr. 2 PolG HB; § 3 Nr. 1 SOG ST. 1086 Vgl. auch Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 292 ff. 1087 Vgl. Heuer, Generalklausel, S. 265 ff., 313 ff.; Winter, Polizeibegriff, S. 139 ff.; Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 126. 1088 Anschütz, Polizei, S. 16 f.; vgl. Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 133 f. 1089 Drews, Polizeirecht, S. 11; im Zitat ausgelassen sind die umfangreichen Ausführungen zu den individuellen Komponenten und zur objektiven Rechtsordnung; zur legislativen, judikativen und wissenschaftlichen Rezeptionsgeschichte siehe hier nur vgl. Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 287 ff., v. a. die Auseinandersetzung um die Staatsrechtsgüter in der Generalklausel vor der Verabschiedung des PrPVG, S. 296 ff. 1090 Vgl. die Stellungnahme Drews zu § 14 PrPVG bei Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 297. 1091 Vgl. bereits im Übergang Stier-Somlo, § 14 PrPVG, Rn. 2 S. 113 f. ohne „organischen Verweis“ und dadurch klarerem Bezug. 1092 Vgl. auch hier nur für die komplexen Entwicklungen Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 36 ff.; Leßmann-Faust, Schutzpolizei, S. 37 ff.; Zaika, Polizeigeschichte. 1093 Vgl. Nachweise und Zitate bei Naas, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 290 v. a. Fn. 59.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
(2) Dem ist auch aus heutiger Sicht zuzustimmen. Nach dem Sinn und Zweck des Schutzguts im heutigen freiheitlich-rechtsstaatlich-demokratischen Verfassungskontext des Grundgesetzes muss es darum gehen, die FDGO auch polizeilich schützen zu können. Unabhängig von der „einfachrechtlichen“ (straf-)gesetzlichen Sanktionierung muss dem Staat der Selbstschutz mit polizeilichen Mitteln möglich sein; er wird nicht erst durch das einfache Recht begründet und kann nicht vom einfachen Gesetzgeber abhängen, der ihn nur ergänzend im Sinne der Rechtsordnung und im Rahmen des Art. 1 ff., 19, 20, 79 GG ausformen kann. Wenn unstreitig ohne nähere gesetzliche Konstituierung bereits das Funktionieren des Staates durch das Hausrecht und bei Veranstaltungen geschützt werden soll,1094 muss dies erst recht gegen einen Umsturz der Verfassungsordnung und des klar konstruierten öffentlichen Friedens der Fall sein. Dies ergibt auch keine Trennung eines engen staatlichen vom sonstigen demokratischen Bereich: Sieht man die ungestörten demokratischen Prozesse mit der allgemeinen Ansicht als zwingend für die Demokratie, kann man sie bereits unproblematisch unter die bestehenden Umschreibungen1095 subsumieren. Im Schutz gerade der Ungestörtheit dieser Prozesse des Gemeinwesens ist auch kein Übergriff des Staates etwa in einen „gesellschaftlichen Freibereich“ erkennbar. Dieser Schutz der friedlichen Öffentlichkeit lässt sich vielmehr ohne weiteres aus der FDGO begründen. (3) Einer „materiellen Übergriffigkeit“ eines „Polizeistaates“ gegen die FDGO kann ohne weiteres in gleicher, wenn nicht besserer Weise durch Anwendung der Lehren zum allgemeinen Gesetz unter anderem im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsstationen Rechnung getragen werden, als wenn auf das problematische Alternativschutzgut der öffentlichen Ordnung zurückgegriffen würde.1096 Dies wird unproblematisch für die meisten Kommunikationsfreiheiten auch im allgemeinen Polizeirecht realisiert, z. T. durch ausdrückliche Regelung, z. T. durch verfassungskonforme Auslegung. Für Versammlungen, auch im Hinblick auf dortigen Meinungskundgaben, bleiben die allgemeinen Generalklauseln gesperrt. Mit dem BVerfG ist dort einer zu extensiven Legitimierung von Eingriffen entgegenzuhalten, dass nach den bestehenden Regelungen für Versammlungen in geschlossenen Räumen ein Einschreiten unter Berufung auf die öffentliche Sicherheit unterhalb der speziellen Schwellen ausgeschlossen ist.1097 Aber auch für Versammlungen unter freiem Himmel macht sich das Einschreiten etwa nach § 15 I VersG an der unmittelbaren Gefährdung des Schutzguts fest. Die verfassungsmäßige Ordnung i. e. S. als Ausgestaltung der FDGO kann in diesem Sinn gefährdet werden, wird dies aber erst, wenn entsprechende Prozesse des Gemeinwesens nachhaltig beeinträchtigt werden. Dazu zählen Angriffe auf staatliche Einrichtungen und Veranstaltungen, wie sie das 1094
Vgl. etwa Schenke, POR, Rn. 61 f.; Lisken/Denninger, PolR-HdB, Rn. D.20 ff. Eben des Bestands generell, jedenfalls der Wirksamkeit der unangreifbar bestellten staatlichen Organe und Entscheidungen bzw. der dazu notwendigen „Veranstaltungen“. 1096 Vgl. auch Fahrner, HdbSiStR, § 5 Rn. 11 ff. m. w. N. 1097 Namentlich § 13 I Nr. 4 VersG bzw. im Vorfeld § 5 VersG und die entsprechenden Landesgesetze. 1095
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klassische Staatsschutzrecht anspricht, einschließlich Wahl- und Abstimmungsakte des Volkes.1098 Aber auch die Öffentlichkeit als solche und ihre Friedlichkeit i. w. S. können entsprechend beeinträchtigt werden, jedoch nicht durch bloße einfache (Grund-)Rechtsverletzung, sondern Machtwirkungen, die die wirksamen friedlichen Konfliktlösung in den anerkannten Formen des demokratischen Rechtsstaats beschädigen. Dies umfasst die Einschüchterungen und Bestrebungen, „Machträume“ zu schaffen, welche das BVerfG versucht, kasuistisch zu erfassen.1099 Keinesfalls dazu gehören Kundgaben, die diesen öffentlichen Frieden und die Verfassungsordnung im Rahmen ihrer Änderbarkeit respektieren, seien sie noch so provokant oder gegen die sittliche Freiheit gerichtet, sofern sie nicht wiederum durch Ehr- und Jugendschutz legitimiert sanktioniert werden können. Die tatsächlichen und weiteren rechtlichen verknüpfenden Anforderungen, etwa der hohen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sind selbstverständlich ebenfalls zu beachten.1100
3. Staatliche Beiträge in der demokratischen Meinungsbildung a) Für kommunikative Einwirkungen seitens staatlicher Stellen und Amtsträger in die Öffentlichkeit hat das BVerfG konkrete Rechtfertigungsansätze jeweils anhand einzelner Institute stark diskretionär und letztlich inkrementell-ergänzend entwickelt. Diese werden als Einwirkung in die gesellschaftliche Öffentlichkeit und „Volkswillensbildung“ klar getrennt, etwa als Öffentlichkeitsarbeit einschließlich allgemeiner Information und Warnung, Gegendarstellung sowie besondere Formen des Umgangs mit verfassungsfeindlichen Aktivitäten und Gruppen.1101 Aufgrund dieser Kasuistik steht die Rechtsprechung in einem permanenten Prozess der Erweiterung und Ergänzung bei neuen Herausforderungen und Gefahrenlagen innerhalb der demokratischen Prozesse.1102 aa) Strikt abzugrenzen ist nach dem BVerfG zunächst der Fall, wenn der Amtsinhaber keinen „Amtsbonus“ gebraucht und dann keinerlei Anforderungen an die 1098
Vgl. ausführlich bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, §§ 10 f. Hiermit korrespondieren wieder in gewisser Weise die Merkmale des gewaltsamen oder aufrührerischen Verlaufs i. S. v. Art. 8 I GG, § 5 Nr. 3 VersG. 1100 Vgl. etwa zur tatsächlichen Grundlage der Gefahrenprognose vgl. etwa BVerfGE 69, 315 (367 f.), NJW 2001, 2069 und zum Umgang mit Anmeldung und Täuschung durch den Veranstalter BVerfG NJW 2000, 3053; 2001, 2069; zur Schadensrelation BVerwGE 131, 218 m. w. N. 1101 Grundlegend allgemein zum Bild der „Einwirkung in den Volkswillen“ BVerfGE 20, 56 (99); dabei zur staatlichen Öffentlichkeitskommunikation etwa BVerfGE 44, 125 (139 ff.); zum letztgenannten aufgrund der hier besonderen Relevanz gesondert sogleich unten (2). 1102 Vgl. etwa für die Öffentlichkeitsarbeit die Entwicklung der allgemeinen Freihaltung von BVerfGE 20, 56 (100) zu BVerfGE 44, 125 (139 ff.), dort S. 154 f. wiederum noch zur allgemeinen Freihaltung der audio-visuellen Wahlwerbung, von dort wiederum zu den letzten Entscheidungen, etwa BVerfGE 136, 323; 138, 102; 140, 225; 148, 11; 154, 320. 1099
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Einwirkung auf die Öffentlichkeit gelten sollen: Das Innehaben eines öffentlichen Amts beeinträchtige nicht die freie und gleiche Teilnahme an der politischen Willensbildung; dies wiege auch schwerer als der allgemeine Effekt, dass der Betroffene vom Publikum auch per se als Amtsinhaber in herausgehobenen Stellung wahrgenommen werde.1103 Eine besondere Distanzierung vom Amt sei allgemein nicht erforderlich und wäre in aller Regel bloße Fiktion, ebenso müsse nicht kontrolliert werden, dass von Dritten ohne eigenes Zutun diese Verknüpfung hergestellt werde.1104 Eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb finde dagegen statt, wenn der Amtsinhaber im politischen Meinungskampf Möglichkeiten und Mittel nutze, die ihm aufgrund seines Amtes zur Verfügung ständen, während sie den politischen Wettbewerbern verschlossen seien.1105 bb) Im Rahmen der engeren Öffentlichkeitsarbeit dürfen staatliche Stellen ihre Maßnahmen und Vorhaben im Hinblick auf Verständnis und Unterstützung darstellen.1106 Darüber hinaus können sie auch mit Informationen auf Krisen und auf Besorgnisse der Bürger schnell und sachgerecht reagieren. Allgemein erwarteten die Bürger für ihre persönliche Meinungsbildung und Orientierung von der Regierung Informationen, wenn diese andernfalls nicht verfügbar wären. Hier hat das Gericht auch aus den möglichen regulativen Befugnissen die Legitimität der kommunikativen Eingriffe begründet.1107 Staatliche Stellen dürfen den Bürgern zu eigenen Orientierungen verhelfen und so die Bewältigung von Konflikten erleichtern, selbst 1103 Vgl. BVerfGE 63, 230 (243); 138, 102 (116 ff.); 148, 11 (32); 154, 320 (337 ff.); für kommunale Amtsträger etwa VG Köln, Beschluss vom 12. Oktober 2017 – 4 L 4065/17 –, Rn. 24 f.; danach auch die rein formale und daher so nicht überzeugende Trennung von regierungsseitiger staatlicher und Parteiöffentlichkeit von Drefs, Öffentlichkeitsarbeit, S. 43 ff., 272 f. „auf die Spitze“ getrieben. 1104 Vgl. insbesondere VerfGH TH, VerfGHE TH 10, 162 =NVwZ 2016, 1408. 1105 Vgl. BVerfGE 138, 102 (118 f.); 148, 11 (32 ff.) 154, 320 (340 ff.); VerfGH TH, VerfGHE TH 10, 162 =NVwZ 2016, 1408; zusammenfassend affirmativ Barczak, NVwZ 2015, 1014 (1016); Friehe, NJW 2018, 934; Michl, NVwZ 2018, 491; Muckel, JA 2018, 394; entspr. für kommunale Amtsträger insbes. Putzer, DÖV 2015, 417 und Kalscheuer, KommJur 2018, 121; diff. Kuch, JZ 2018, 409; Spitzlei, JuS 2018, 856; Kliegel, Äußerungsbefugnisse, S. 413 ff.; speziell zu digitalen Medien Wieland, FS Morlock, S. 533 ff.; zum Amtsbonus zählen nicht nur unmittelbare Amtsressourcen, etwa nur ihm verfügbare Publikationsplattformen und -mitteln, sondern ebenso in Anspruch genommene Amtsautorität, etwa durch Verlautbarung in offizieller Form oder wenn in vergleichbarer Weise, etwa durch Einsatz von Amtssymbolen und Hoheitszeichen, eine erkennbare Bezugnahme auf das Amt vorliegt und damit die Äußerung mit einer aus der Autorität des Amtes fließenden besonderen Gewichtung versehen wird bzw. werden soll. Dies soll schließlich auch gelten, wenn der Rahmen der Äußerung, etwa einer Veranstaltung, klar den amtlichen Kontext oder dessen Fehlen (z. B. bei Parteitagen) verdeutlicht. Die Verwendung der Amtsbezeichnung ist dabei für sich genommen noch kein Indiz für die Inanspruchnahme von Amtsautorität, weil staatliche Funktionsträger ihre Amtsbezeichnung auch in außerdienstlichen Zusammenhängen führen dürfen. 1106 Vgl. etwa BVerfGE 20, 56 (100); 44, 125 (147); 63, 230 (242 f.); 154, 320 (336 f.) st. Rspr.; vgl. etwa auch ausführlich aus Sicht der tradierten Dogmatik Drefs, Öffentlichkeitsarbeit, S. 273. 1107 BVerfGE 105, 252 (267 ff.).
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wenn durch die Informationen faktisch in Grundrechte Dritter eingegriffen wird.1108 In diesem Sinn muss die Öffentlichkeitsarbeit auf die nützlichen Informationen ausgerichtet sein, „welche die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Problembewältigung befähigen“, namentlich dort, wo die Informationsversorgung der Bevölkerung auf interessengeleiteten, mit dem Risiko der Einseitigkeit verbundenen Informationen beruht und die gesellschaftlichen Kräfte nicht ausreichen, um ein hinreichendes Informationsgleichgewicht herzustellen.1109 Diese letztgenannten allgemeinen Kriterien hat das BVerfG anhand der gesonderten Warnungen der Regierung, namentlich bei Produktgefahren sowie vor weltanschaulichen Sekten entwickelt. Neben der Prävention konkreter Gefahren rechtfertigen erstere sich durch die Förderung des ökonomischen Marktes durch Informationen.1110 Allgemein erforderlich sei weiter, dass die Information bzw. Warnung durch Aufgabe und Zuständigkeit abgedeckt seien, die Mitteilung sachlich1111 und die Informationen richtig, jedenfalls sorgfältig dargestellt seien, wenn ohne sicheren Informationsstand sofortige Aufklärung geboten sei.1112 Sei die Verbreitung vorläufiger, noch nicht abschließend bestätigter Informationen (z. B. aufgrund dringender Gefahren) geboten, müsse der Sachverhalt im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung aller verfügbaren Informationsquellen in dem Bemühen um die nach den Umständen erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt worden sein. Schließlich müsse die Aufklärung, wie jede Staatsäußerung, sachlich erfolgen.1113 Wertungen dürften nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und in der Form unsachlich oder herabsetzend formuliert sein. cc) Demgegenüber sieht es das BVerfG als verfassungswidrige Wahlwerbung an, wenn die Publikation durch Einsatz öffentlicher Mittel den Mehrheitsparteien zu Hilfe komme oder die Oppositionsparteien bekämpfe, oder sich ansonsten nicht der Werbung für einzelne der miteinander konkurrierenden politischen Parteien oder sonstigen an der politischen Meinungsbildung beteiligten Gruppen enthalte.1114 Von 1108
Vgl. BVerfGE 105, 252 (268 ff.); 105, 279 (302 f.) als Kriterien allgemein und besonders für die sogleich angesprochenen Warnungen. 1109 Alle Zitate bei BVerfGE 105, 252 (269 f.) und BVerfGE 105, 279 (302 f.). 1110 BVerfGE 105, 252 (267, 269); vorangehend auch BVerwGE 87, 37 (46 ff.) m. w. N. allerdings mit weit mehr Gewicht auf der Gefahrenabwehr; zu letzterem jedoch insbesondere auch BVerfGE 148, 40 (52 f.). 1111 Zur Sachlichkeit besonders konkret BVerfGE 105, 279 (308 ff.). 1112 Vgl. im Einzelnen auch zum Folgenden grundlegend BVerfGE 105, 252 (272 ff.): Insbesondere dürfe es in solchen Fällen angezeigt sein, die Marktteilnehmer auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen; erwiesen sie sich unrichtig seien sie entsprechend unverzüglich zu korrigieren; vgl. auch BVerfGE 148, 40 (55 ff.). 1113 Vgl. bereits BVerfGE 57, 1 (8); 105, 252 (272 f.) st. Rspr. 1114 Grundlegend zum Ganzen BVerfGE 44, 125 (149 ff.): Allgemein finde die Öffentlichkeitsarbeit dort ihre Grenze, wo die Wahlwerbung für einzelne Parteien oder politische Gruppen beginne. Je näher die Wahl liege, umso mehr trete hinter der Zurückhaltung die In-
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dieser verbotenen offenen oder versteckten Wahlwerbung versucht das Gericht dabei die bereits genannte „auf das Staatsganze bezogene Öffentlichkeitsarbeit“ abzugrenzen. Die Öffentlichkeit dürfe über Leistungen und Erfolge der Regierung trotz ihrer positiven Wirkungen auf die regierenden Parteien grundsätzlich unterrichtet werden, soweit die Veröffentlichung nicht in unmittelbarer zeitlicher Beziehung zu einer bevorstehenden Wahl stehe, sich also voraussichtlich nur in begrenztem Umfang werbend auf das Wahlergebnis auswirken werde. dd) Schließlich sind nach dem BVerfG Amtsträger zur Gegendarstellung berechtigt, mithin sachlich und mit zutreffenden Tatsachen Angriffe, auch von einzelnen Parteien, gegen ihre Entscheidungen zurückzuweisen. Das sei gerade Teil der sachlichen demokratischen öffentlichen Auseinandersetzung, welche die angreifende Partei bei Benennung auch nicht unangemessen diskriminiere.1115 Staatliche Stellen müssten es dabei insbesondere nicht hinnehmen, wenn ihre Arbeit auf der Grundlage unzutreffender Tatsachenbehauptungen oder in unsachlicher und diffamierender Weise angegriffen werde. Eine klare und unmissverständliche Zurückweisung fehlerhafter Sachdarstellungen oder diskriminierender Werturteile sei ihnen nicht versagt. Sie müssten sich allerdings darauf beschränken, ihre politischen Entscheidungen zu erläutern und dagegen vorgebrachte Einwände in der Sache aufzuarbeiten. Dies dürfe nicht zum Anlass dienen, für Regierungsparteien zu werben oder Oppositionsparteien zu bekämpfen. Erst recht seien mit der Kritik am Regierungshandeln in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehende, verfälschende oder herabsetzende Äußerungen zu unterlassen.1116 Ein „Recht auf Gegenschlag“ dergestalt, dass staatliche Organe auf unsachliche oder diffamierende Angriffe in gleicher Weise reagieren dürfen, besteht auch nicht im Hinblick auf eine notwendig vergleichbare Vernehmbarkeit in der Öffentlichkeit. ee) In diesem Grundinstrumentarium grenzt das Gericht in Ansätzen noch detaillierter zwischen erlaubter und verfälschender Publikation ab, etwa nach Art des verwendeten Mediums,1117 Nähe zu bevorstehenden Wahlen,1118 und Motiven, naformationsaufgabe zurück, mit Ausnahme informierender, wettbewerbsneutraler Veröffentlichungen, die aus akutem Anlass geboten seien. Inhaltliche Merkmale der Unzulässigkeit seien danach etwa willkürliche, ungerechtfertigt herabsetzende und polemische Äußerungen über oppositionelle Parteien und Wahlbewerber, der Eindruck einer werbenden Einflussnahme zugunsten oder negative Akzente entgegen einzelner Parteien oder Wahlbewerber, oder aber die Selbstwerbung für die Wiederwahl der Regierung durch Hervorhebung der positiven Leistungen im Vorfeld der Wahl verbunden mit der Versicherung, sie allein biete die Gewähr für eine gesicherte Zukunft. Ähnlich könne sich auswirken, wenn der informative Gehalt eindeutig zurücktrete hinter die reklamehafte Aufmachung oder erkennbare Zwecke der Steigerung des Bekanntheitsgrades und der Sympathiewerbung des Amtsträgers. Ein Indiz wiederum dafür sei die Orientierung an konkreten Wahlen, erkennbar ab der Häufung und Intensivierung im Vorfeld oder Publikationen ohne akuten Anlass. 1115 Vgl. zum Ganzen grundlegend BVerfGE 148, 11 (29 f.) m. w. N.; 154, 320 (342 ff.). 1116 Vgl. etwa BVerfGE 44, 125 (149 f.); 105, 252 (272 f.); 148, 11 (30). 1117 Zunächst uneingeschränkte Erlaubnis von Pressemitteilungen und Wortmeldungen in amtlicher Funktion über Rundfunk und Fernsehen gegenüber beschränkter Nutzung von Druckwerken, BVerfGE 44, 125 (154 f.).
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mentlich jüngst der fokussierten Finalität des Wettbewerbseingriffs zwischen den Parteien.1119 b) Speziell über kommunikative Beiträge von Amtsträgern gegen (mutmaßlich oder nachgewiesen) für die fdVO gefährliche Bestrebungen hat das BVerfG jüngst weit mehr als in der Vergangenheit zu entscheiden. Das Gericht folgt dabei einer weitgehend kategorischen Linie. Danach sind auch die Warnungen vor Gefahren für die freiheitlich demokratische Ordnung grundsätzlich legitim, egal ob sie sich z. B. gegen Einzelpersonen, Organisationen, Medien1120 und Parteien richten.1121 aa) Zulässig sind für das Gericht zuvorderst die Information und Warnung im Rahmen des formellen Verfassungsschutzes gem. Art. 73 I Nr. 10, 87 I 2 GG, d. h. durch die Berichte der entsprechenden Bundes- und Landesämter und der übergeordneten Minister.1122 So erlaubt es Berichterstattungen und Diskussionen gegenüber und in den Parlamenten,1123 periodische Publikationen (Verfassungsschutzberichte)1124 ebenso wie anlassbezogene. Dies schließt Parteien ein. Hauptargument ist hier für das Gericht, die Herausforderung einer verfassungsfeindlichen Partei werde „politisch angenommen“; ihr Recht und faktische Möglichkeit, sich wie jede andere Partei zur Wahl zu stellen und sich den Bürgern darzustellen, bleibe so unberührt.1125 Zum Schutz der FDGO ist es gemessen an Art. 21 GG auch gegenüber Parteien legitim, wenn die ansonsten für ein rechtliches Vorgehen berufenen Stellen ihren Auftrag, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu wahren und zu verteidigen, dadurch in der demokratischen Meinungsbildung deren Verbotsverfahren überflüssig machen, dass sie argumentativ eine politische Auseinandersetzung gegen
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Vgl. etwa für ein „Gebot äußerster Zurückhaltung in der heißen Wahlkampfphase“ zuletzt wohl eindeutig BVerfGE 148, 11 (25 f.) m. w. N., dies auch auf Abstimmungen erstreckend etwa MD-Grzeszick, Art. 20 GG Rn. 18 ff.; plausibel kritisch gegen die Möglichkeit der weiteren Verschärfung überhaupt etwa Kuch, JZ 2018, 409 f., mittlerweile auch offengelassen von BVerfGE 154, 320 (336). 1119 Vgl. neuerdings fokussiert von BVerfGE 154, 320 (337): „Als Teil des politischen Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie sie das Grundgesetz versteht, ist es zwar hinzunehmen, dass das Regierungshandeln sich in erheblichem Umfang auf die Wahlchancen der im politischen Wettbewerb stehenden Parteien auswirkt … Davon ist aber der zielgerichtete Eingriff der Bundesregierung in den Wettbewerb der politischen Parteien zu unterscheiden.“ 1120 Vgl. etwa BVerfGE 113, 63 (78 ff.) auch auf der Grundlage eines allgemeinen Gesetzes gem. Art. 5 II GG. 1121 Vgl. auch VerfGH RP DVBl 2008, 193. 1122 Vgl. etwa §§ 3 I, 16 BVerfSchG, sowie die entsprechenden Landesgesetze; vgl. dazu weiterhin etwa VG Köln GSZ 2019, 83 wonach ein Prüffall nicht ausreicht, sondern ein Verdachtsfall vorliegen muss; vgl. auch VG Köln NVwZ-RR 2021, 626; zu den Widersprüchlichkeiten bei der Annahme eines Eingriffs und den Kriterien der Warnung im Verhältnis zu Auskunfts- und Aufgabennormen vgl. Gärditz, GSZ 2019, 86. 1123 Vgl. namentlich BVerfGE 57, 1 (6 ff.). 1124 Grundlegend BVerfGE 40, 287 (292 ff.); 113, 63 (78 ff.). 1125 So BVerfGE 40, 287 (292).
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die spezielle Organisation führen.1126 Auch sonst hätten die Werturteile keinerlei rechtliche Auswirkungen, in möglichen faktischen Nachteilen sei die Partei nicht durch Art. 21 GG geschützt. Allerdings müssten die Werturteile in Erfüllung der verfassungsrechtlichen Pflicht, die FDGO zu schützen, und im Rahmen der daraus fließenden Zuständigkeit für die Beobachtung verfassungsfeindlicher Gruppen und Aktivitäten erfolgen und dürften deren Chancengleichheit nicht willkürlich beeinträchtigen. Danach wäre es der Regierung untersagt, eine nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn diese Maßnahme bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich wäre und sich daher der Schluss aufdrängte, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhte.1127 So ist die öffentliche Erörterung, ob gegen eine Partei ein Verbotsverfahren eingeleitet wird, auch staatlichen Stellen mit der gebotenen Sachlichkeit möglich, solange nicht erkennbar wird, dass diese Debatte nicht entscheidungsorientiert, sondern mit dem Ziel der Benachteiligung der betroffenen Partei geführt wird.1128 bb) Ansonsten untersagt das BVerfG jüngst praktisch sämtliche Handlungen eines Amtsträgers gegen auch verfassungsfeindliche Parteien und ihnen zugeordnete Bewegungen unter Hinweis auf sein Dogma der „staatliche Neutralitätspflicht“.1129 Aus der Prämisse, Warnungen in amtlicher Eigenschaft dürften den Anspruch der Partei auf die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen nicht ohne gesetzliche Grundlage und willkürlich beeinträchtigen,1130 will das BVerfG schließen: „Auch dem einzelnen Bundesminister ist es im Rahmen seiner Regierungstätigkeit von Verfassungswegen untersagt, sich im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen.“1131 Danach bietet es den Ministern nur an, dass er „außerhalb seiner amtlichen Funktionen am politischen Meinungskampf teilnimmt und in den Wahlkampf eingreift“.1132 Da aber die Willensbildung fortlaufend stattfinde, gelte auch die Neutralität permanent.1133 Auf die materielle plausible Berechtigung eines Handelns zum Schutz der FDGO und die formelle Zuordnung zur Bundesregierung als Ganzes zuvor soll es damit nicht mehr ankommen. Auch die Einschränkung „… durch 1126
BVerfGE 40, 287 (290 ff.). So BVerfGE 40, 287 (293); 138, 102 (115 ff.). 1128 Vgl. BVerfGE 133, 100 (108); dahingehend auch noch BVerfGE 138, 102 (116). 1129 Vgl. allerdings VerfGH BE DÖV 2019, 405 mit Wahrung der Neutralität bei nicht hinreichend konkretem Parteibezug; vgl. insoweit auch etwa Drefs, Öffentlichkeitsarbeit, S. 155 ff. unter transparenter Berufung auf Böckenförde und damit ohne weitere Lösung des Diktums, jedoch zumindest transparenter Verankerung in der „Volkswillenbildung“, ebd., S. 275; vgl. auch diff. Gärditz, NWVBl 2015, 165. 1130 Vgl. etwa BVerfGE 136, 323; 137, 29 (32 f.); 138, 102 (109 ff.); 140, 225 (227). 1131 So jedenfalls BVerfGE 138, 102 (117), allerdings ist diese Folgerung viel weitgehender als das Verbot sachwidriger-willkürlicher Diskriminierung in den Ausführungen zuvor. 1132 Ebd.; vgl. ebenso nur noch BVerfGE 140, 225 (227). 1133 BVerfGE 148, 11 (25 f.). 1127
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besondere Maßnahmen darüber hinaus auf die Willensbildung des Volkes bei Wahlen und in ihrem Vorfeld einzuwirken, um dadurch Herrschaftsmacht in Staatsorganen zu erhalten oder zu verändern“1134 geht verloren. Das Gericht setzt gleich: „Es ist ihr [der Regierung, M.F.] von Verfassungswegen versagt, sich im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und die ihr zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel und Möglichkeiten zu deren Gunsten oder Lasten einzusetzen“. Nicht nur der Eingriff zugunsten einzelner Parteien, sondern das Aliud, zulasten einer unter mehreren sollen danach kategorisch ausgeschlossen sein. Die sonstigen Kriterien der Warnung, des Ausgleichs von Informationsdefiziten, der Abwehr konkreter Gefahren usw. kommen in der Deduktion ebenso wenig vor, wie die Judikatur zum formellen Verfassungsschutz.1135 Dazu setzt das Gericht nun schließlich auch noch rechtliche und politische Bekämpfung gleich1136 und begründet jene generelle kommunikative Neutralitätspflicht: „Diese Neutralitätspflicht staatlicher Organe besteht gegenüber allen Parteien, wenn nicht deren Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen.“1137 Der Amtsträger wird mithin darauf verwiesen, sich zum kommunikativen Kampf gegen Verfassungsfeinde stets symbolisch möglichst völlig seines Amts zu begeben und auf ebenso symbolisch strikt gleicher gesellschaftlicher Ebene die FDGO gegen die sie bekämpfenden Bestrebungen zu verteidigen.1138 cc) Nur gegenüber dem Bundespräsidenten nimmt das BVerfG sein Neutralitätsdogma zurück. Weil er nicht im direkten politischen Wettbewerb stehe,1139 komme ihm aufgrund seiner besonderen Integrations- und Reservefunktion ein größerer Ermessensspielraum zu, auch mit Amtsbonus Stellung zugunsten oder gegen bestimmte Ansichten und deren Organisation zu beziehen bis zur Grenze von nicht mehr im Einklang stehenden Äußerungen, die keinen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung lieferten, sondern ausgrenzend wirkten, wie dies grundsätzlich bei beleidigenden, insbesondere solchen Äußerungen der Fall wäre, die in anderen Zusammenhängen als „Schmähkritik“ qualifiziert werden.1140 1134
BVerfGE 138, 102 (111). Vgl. nochmals BVerfGE 138, 102 (109 ff.) entgegen den bereits oben genannten Entscheidungen. 1136 Entgegen etwa BVerfGE 40, 287 (291 f.). 1137 BVerfGE 138, 102 (111) entgegen der Trennung in der just zitierten Entscheidung BVerfGE 40, 287 (292 ff.) sowie diesen Gegensatz jedenfalls ebenso nicht aufhebend BVerfGE 133, 100 (107). 1138 Dies erkennbar als vorgeschlagener „Königsweg“ von BVerfGE 138, 102 ebenso wie BVerfGE 148, 11 (31 ff.). 1139 Fernliegend hier der martialisch-historisch Dreiklang der Einheit von „Volk-StaatPräsident“ bei BVerfGE 138, 102 (112). 1140 BVerfGE 136, 323 (unter Verweis auf „Schmähkritik“ in BVerfGE 93, 266 [294] m. w. N.); bekräftigt in BVerfGE 138, 102 (111 ff.). 1135
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c) Insgesamt versetzt das Gericht damit staatliche Amtsträger durch seine strikte Trennung präventiver, repressiver und kommunikativer Handlungs- und Ermächtigungsformen1141 bei ihrem Handeln zum Schutz der FDGO in eine prekäre Situation: aa) Einem rechtlichen Einschreiten legt das Gericht nicht nur durch die extensive Auslegung des Art. 5 II GG sehr restriktive Grenzen auf.1142 Weiter betont es zumindest1143 die Sperrwirkung des Art. 21 GG für jede „rechtliche Geltendmachung“ bzw. „administratives Einschreiten“.1144 Erinnert sei hier insbesondere das Verbot gegen entsprechende Versammlungen und Meinungsbekundungen vorzugehen.1145 Zusätzlich verböte nach dem Gericht die „strikte, formale Gleichheit“ jede administrative Entscheidung allein aufgrund der Verfassungsfeindlichkeit.1146 Diese soll auch gegen andere Formen hoheitlichen bzw. öffentlichen Handelns gelten, etwa bei öffentlichen Rundfunkanstalten.1147 bb) An das diesen extensiven Schutz aufhebende Parteiverbot stellt das Gericht, unter Orientierung am EGMR, sehr hohe Anforderungen im Hinblick auf den Grad der vorliegenden Gefahr für die FDGO:1148 Es hält es für erforderlich, dass eine erfolgreiche Durchsetzung der verfassungsfeindlichen Ziele im Rahmen der „Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht“ stehe oder „der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine … zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar“ sei.1149 Selbst bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG im Rahmen des subsidiär eingeführten Art. 21 III GG (und des Monopols der Antragssteller) soll nach einer Ansicht das Parteienprivileg trotzdem im Übrigen uneingeschränkt fortgelten, d. h. jede „administrative Diskriminierung“ ausgeschlossen sein.1150 cc) Ansonsten fordert das BVerfG von allen staatlichen Stellen, auch evident gefährliche Angriffe auf die FDGO ohne amtliche Gegenwehr hinzunehmen, soweit sie nicht (auch gemessen an Art. 5 GG) legitim straftatbestandlich erfasst werden.1151 1141
Vgl. auch nochmals BVerfGE 9, 162 (165); 144, 20 (195 ff.). Siehe gerade oben 2. b) ff. 1143 Wenn nicht gar des Art. 18 GG vgl. dazu oben bereits 2. c) dd). 1144 Vgl. hier nur für beides grundlegend BVerfGE 40, 287 (291 f.). 1145 Vgl. ausführlich oben 2. c) dd). 1146 Siehe oben I. 4. c). 1147 Allerdings nur Art. 21 GG nicht die Chancengleichheit, vgl. nochmals BVerfGE 47, 198 (225 ff.); oben 1. d) (3) (g). 1148 Auch wenn dieser zuletzt nicht so benannt ist, vgl. BVerfGE 144, 20 (225 ff.), wonach erforderlich sei, dass sich ein hinreichendes Maß an konkreten und gewichtigen Anhaltspunkten ergebe, die den Rückschluss auf die Möglichkeit erfolgreichen Agierens der Partei gegen die Schutzgüter des Art. 21 II 1 GG rechtfertigen, vgl. auch ebd., S. 232 ff., 238 ff., 307 ff. 1149 BVerfGE 144, 20 (326). 1150 Vgl. hier nur v. Münch/Kunig/Klafki, Art. 21 GG Rn. 119. 1151 Vgl. oben 2. 1142
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Es verweist dabei beständig formelhaft darauf, dass die Auseinandersetzung vorrangig politisch zu führen und auf die Bürgerschaft zu vertrauen sei.1152 Die einzige erkennbare Ausnahme des kommunikativen Verteidigungsverbotes in Amtsträgereigenschaft stellen – neben seiner Relativierung für den Bundespräsidenten und die geringe Möglichkeit unparteiischer Gegendarstellung1153 – die Publikationen im Rahmen des formellen Verfassungsschutzes dar. Einzig ihm, also den entsprechenden nachrichtendienstlichen Ämtern, und dem übergeordneten Regierungsmitglied bleibt die Deklarierung von „Verfassungsfeinden“ unbenommen. Somit kommt diesen eine rechtlich postulierte monopolisierende Wirkung zu. Diese kann unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzordnung begrüßt werden. Es erweist sich jedoch in der Öffentlichkeitsdarstellung als wenig effektiv.1154 Gerade auch das kommunikative Einschreiten wird damit nachgeordneten und wegen ihrer verdeckten Maßnahmen nicht selten stark in der Öffentlichkeit bezweifelten Einrichtungen anvertraut, die zudem just über diese Befugnisse über, nicht selten einschüchternde, besondere informelle Macht und entsprechenden Machtvorsprung verfügt.1155 Sie ist über ihre Unterordnung unmittelbar allein unter jeweils dem Bundes- oder Landesministerium besonders stark möglichen exekutiven Einflussnahmen, Eigenmechanismen und insgesamt geringen Kontrollmöglichkeiten ausgesetzt, die sich nicht zuletzt in „Einseitigkeiten“ und „Blindheit“ jeweiliger Amtsleitungen und Bediensteten oder politische Priorisierungen der Aufklärungsaufträge zumindest in der Wahrnehmung größerer Bevölkerungsteile auswirken können.1156 dd) Ansonsten scheinen Amtsträger hinnehmen zu müssen, dass die FDGO (ohne Rücksicht v. a. auf das Strafrecht) solange mittels entsprechender – ggf. in Zukunft weitaus ressourcenreicher und machtvoller als in der Gegenwart – extremistischer
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Vgl. BVerfGE 40, 287 (291 f.): „Unbeschadet dessen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als streitbare Demokratie versteht und kraft ihrer Verfassung auch verstehen muss … bleibt sie doch primär auf die freie, selbstbestimmte (Art. 1 Abs. 1 GG) Integration aller politischen Meinungen und Kräfte im Rahmen und durch die Grundwerte der Verfassung angelegt. Es ist daher verfassungsrechtlich legitim, wenn die mit dem Recht zum Verbotsantrag ausgestatteten obersten Verfassungsorgane, statt von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, zunächst versuchen, eine Partei, die sie für verfassungswidrig im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG halten, durch eine mit Argumenten geführte politische Auseinandersetzung in die Schranken verweisen zu lassen und dadurch ein Verbotsverfahren überflüssig zu machen. Auch damit erfüllen sie in aller Regel ihren Auftrag, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu wahren und zu verteidigen.“; weiter vor allem die Judikatur zu Art. 5 II GG und zum „marketplace of ideas“, vgl. oben D. II. 1., E. IV. 2. a) cc) (1), b); exemplarisch nur BVerfGE 124, 300 (320); 149, 160 (197 ff.). 1153 Vgl. gerade oben a) dd) und b) cc). 1154 Auch in Bezug auf Akzeptanz, Integrations- und Befriedungsfunktion, vgl. etwa oben B. I. 2. d), E. I. 1155 Insbesondere in einem semi-rationalen System so eine deutliche Verlagerung als ein „parakonstitutionelles, informelles Zentrum“ erfahren kann, vgl. oben E. II. 3. 1156 Erinnert sei hier nur an die heftige Kritik am Verfassungsschutzverbund im Rahmen der Aufdeckungen um den „Nationalsozialistischen Untergrund“.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
Strategien1157 „sturmreif geschossen wird“, bis sie genau den Zeitpunkt des Antrags nach Art. 21 II GG erfassen.1158 Dies unterstreicht das Gericht – gewisse Erinnerungen an die „Reichspräsident-in-Badehose“-Judikate werden wach1159 –, wenn es ausdrücklich die grundsätzliche Entscheidung offenhält, ob ein Mitglied der Bundesregierung den Bundespräsidenten gegen unsachliche Polemik (oder mögliche Hetze) verteidigen darf.1160 Es entsteht genau der Gegeneffekt jenes Schutzes vor autoritären Einflussnahme-Möglichkeiten, den das BVerfG seinem Bekunden nach erreichen möchte. Den Amtsträgern wird – entgegen Art. 56, 64 II GG, und der Verfassungstreuepflicht im Rahmen der streitbaren Demokratie1161 – effektiv verboten, die FDGO gegen Angriffe (mit Ausnahme von Information über Regierungshandeln und punktueller „Gegendarstellung“) kommunikativ – ebenso wie weitgehend auch regulativ – zu verteidigen.1162 Stattdessen müssen sie sich zu diesem Zweck zwingend real wie symbolisch aus der Amtsstellung herausbegeben.1163 d) Das Dogma der „Neutralitätspflicht eines bloß dem Volkswillen dienenden Staates“1164 erweist sich darin erneut (in gefährlicher Weise) fehlsam.1165 aa) Reminiszenzen in der Dogmatik des BVerfG an das Staatsoberhaupt als herausgehobenen „Hüter der Verfassung“, den „wertfreien politischen Kampf um die Verfassung“, den „politischen Systemdarwinismus“ eines fiktiven homogenen „völkischen“ Gesamtwillens1166 werden nicht ohne Hintergrund deutlich. Sie erscheinen nolens volens als Folge der Prämisse eines außerstaatlichen homogenen „Willens des Volkes“.1167 Die „Neutralitätspflicht“ führt, wie bereits dargestellt, auf die Theorie des absoluten Volkswillens v. a. von Schmitt und Böckenförde zurück, der in einem vermeintlich faktisch vorstaatlichen und dadurch normativ staatsfreien 1157
Siehe ausführlich oben E. II. 4. Oder eben bei dessen Verfehlen ernsthaft die Beschädigung der FDGO und Ermächtigung autoritärer Bestrebungen, wie in vielen anderen Staaten, riskiert, vgl. zu den Machtergreifungsstrategien die weitere gesonderte Untersuchung sowie oben A., B. I., E. II. 3. ff. 1159 Vgl. hier nur Albrecht, Verleumdungskampagne, S. 45 ff., 105 ff., 379 ff. 1160 BVerfGE 154, 320 (351 f.), es geht hier nicht um die unsachliche Form im konkreten Fall, sondern die allgemein offengelassene Frage durch das Gericht. 1161 Siehe oben B. I. sowie die gesonderte Untersuchung. 1162 Insoweit allerdings noch allgemein von einer Verteidigungspflicht namentlich der Bundesregierung BVerfGE 57, 1 (7 f.). 1163 Vgl. etwa exemplarisch BVerfGE 138, 102 (122 ff.). 1164 Insoweit noch geprägt BVerfGE 44, 125 (144) im klaren Kontext von finanziellen Staatsressourcen und ohne weitere dahingehende Reflexion generalisiert aufgegriffen jüngst etwa von BVerfGE 138, 102 (109 ff.); 140, 225 (227); 148, 11 (25); 154, 320 (335 ff.). 1165 Vgl. bereits oben C. III. v. a. 3., 4. 1166 Vgl. insbesondere oben C. III. 3. a). 1167 Grundlegend BVerfGE 20, 56 (99), denn: „Die Staatsorgane werden durch den Prozess der politischen Willensbildung des Volkes, der in die Wahlen einmündet, erst hervorgebracht (Art. 20 Abs. 2 GG)“; vgl. zur Problematik der Annahmen aus den Lehren von Schmitt bereits ausführlich oben v. a. C. 1158
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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Bereich gebildet würde.1168 Die Folgen sind – wie bei Schmitt für die Endzeit der Weimarer Republik – jene „Wertfreiheit“ und Offenheit zur autoritären „Erledigung“ durch Machtergreifung, die gerade explizit das Grundgesetz mit der FDGO verhindern wollte.1169 Tatsächlich gibt es außer dieser – historisch und teleologisch in ihrem Nutzen widerlegten – Behauptung1170 für eine allgemeine politische Neutralitätspflicht der Amtsträger1171 keine Verankerung. Sie folgt – anders als gegenüber den Glaubens- und Weltanschauungsrichtungen1172 – nicht aus der Pluralität oder Subjektivität, auch nicht aus der Fortschrittlichkeit.1173 Die Friedlichkeit als wesentlicher Teil der FDGO bedingt vielmehr die effektive Bewahrung und Durchsetzung der grundsätzlichen Regeln zum Fortbestand.1174 bb) Das BVerfG unternimmt immer wieder, v. a. formalistisch, nuancenreiche Trennungsversuche, die – nicht nur gemessen an der öffentlichen Wahrnehmung und Wirkung – künstlich und zumindest in Grenzbereichen kaum erheblich erscheinen.1175 Das gilt einerseits für die Identifizierung und Isolierung des Problems der Staatspropaganda (1), andererseits in der Abgrenzung des Schutzes der FDGO zu seiner sonstigen Dogmatik zur Öffentlichkeitsarbeit (2). (1) Das BVerfG hat bereits selbst erkannt, dass sich eine „Vorwahlphase“ von den komplexen andauernden Wechselbeziehungen der Demokratie nicht künstlich abtrennen lässt.1176 Ungeachtet dessen, versteht es legitime Kommunikation weiterhin nur einseitig „vom Volk zum Staat“ und verlangt bei „staatlicher Kommunikation“ eine (bis auf die punktuellen genannten Ausnahmen) strikte Neutralität im Sinn des laisser-passer. Umgekehrt und als Folge lässt es möglichen Gefährdungen und Zerstörungen der FDGO innerhalb der gesellschaftlichen Sphäre, sei es durch ausländische Mächte, inländische ressourcenmächtige Machtfaktoren, mediierende Akteure oder kurzsichtige Immunisierungstaktiken politischer Akteure, zumindest 1168 Vgl. zur Widerlegung und Problematik ausführlich oben C., D. I. 3. und etwa gerade oben 2. d) aa) (1). 1169 Vgl. nochmals ausdrücklich oben A., B. I. 1. 1170 Siehe nochmals ausführlich oben C. 1171 Siehe neben den bereits genannten noch etwa BVerfGE 137, 29; BVerfG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – 2 BvE 2/14 –, juris, Rn. 53 bis 60; VerfGH RP NVwZ-RR 2014, 665. 1172 Vgl. so richtig im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsinformationen BVerfGE 105, 279 (294 ff.); vgl. insbesondere oben B. I. 2. b). 1173 Vgl. B. I. 2. c). 1174 Vgl. B. I. 2. d). 1175 Vgl. etwa BVerfGE 137, 29 (32 f.); v. a. BVerfGE 154, 320 (338 ff.) m. w. N., das Gericht zeigt hier, dass ihm das Problem bewusst ist (S. 339): „Unabhängig davon bleibt es aber verfassungsrechtlich geboten, den Prozess der politischen Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen durch die chancengleiche Teilnahme der Parteien am politischen Wettbewerb im weitest möglichen Umfang zu gewährleisten. Dass eine strikte Trennung der Sphären des ,Bundesministers‘, des ,Parteipolitikers‘ und der politisch handelnden ,Privatperson‘ nicht möglich ist, führt deshalb nicht zur Unanwendbarkeit des Neutralitätsgebots im ministeriellen Tätigkeitsbereich“. 1176 Vgl. BVerfGE 148, 11 (25 f.); oben b) bb) sowie grundsätzlich D. I. 3.
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
im Grundsatz praktisch freie Bahn bis zu einem reinen „Machtspiel“ mit politdarwinistischen Charakter.1177 Während daher im Einzelfall immer neue ad-hoc Modifikationen zur Sicherung der Demokratie eingezogen werden müssen oder müssten, steht dies alles zuletzt unter dem Vorbehalt eines pouvoir constituant, der, extrem im Sinne Schmitts gedacht, möglicherweise den totalen Umsturz auch aus momentaner Verblendung rechtfertigen könnte.1178 Für jede innerhalb des „gesellschaftlichen“ Bereichs liegende indirekte Förderung, Sanktionierung oder Manipulation bestimmter Parteien in Regierung oder Opposition gilt grundsätzlich nichts anderes, solange nur der Formalismus der anscheinenden, unmittelbaren Staatsneutralität gewahrt wird, sei sie auch ebenso oder noch gefährlicher für die FDGO. Aber auch eine Neutralität der Regierung namentlich in Bezug auf Wahlen widerspricht jeder Realität ebenso wie dem mittlerweile entwickelten Demokratiemodell auch des Gerichts.1179 Permanent unternehmen es die regierenden Eliten – ebenso wie die Opposition – auch untergeordnete Entscheidungen in ihrem Sinn durchzusetzen und durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu rationalisieren.1180 Nicht umsonst erkennt auch das Gericht, dass die Aufspaltung eines Amtsträgers in seine „Amts- und politische Person“ und seines „Amtsbonus“ trotz aller als Unterscheidungsmerkmal filigraner Distinktion kaum durchzuhalten sind. Im Übrigen muss sich die Zuordnung zur Regierung nicht zwingend als Bonus darstellen, gerade indirekte Beeinflussungen zugunsten der regierenden Elite z. B. durch Medien und Verbände können oft weit vorteilhafter sein. Ebenso wenig gibt es eine reale Garantie, dass ein Bundespräsident nicht in Absprache und verdeckt „parteipolitisch“ etwa wegen seiner Wiederwahl in der Bundesversammlung oder aus irgendeiner Verbundenheit handeln wird; er ist lediglich formal dem Wettbewerb der Parteien untereinander enthoben, aber keine „bouche neutre“.1181 In Parlamentswahlen wiederum drücken die Wähler naturgemäß ihre Nutzenerwartung über die Beibehaltung der Regierung gegenüber den personellen Alternativen aus.1182 Gerade in der Fiktion des „marketplace“ des Gerichts muss dabei ausschließlich ihre Grundlage die für sie erbrachte Leistung der Regierung sein.1183 Darauf geht die Regierung auch aus, im Sinn der Rückkopplung, zurecht, etwa mit 1177
Vgl. dazu oben ausführlich D. II., E. I., v. a. 3., 4., III. Vgl. nochmals oben C. II. 3. 1179 Vgl. etwa die Widersprüchlichkeit in BVerfGE 154, 320 (335 f.), die einerseits die komplexen, permanenten Wechselwirkungen der Rückkopplungen anspricht, dann aber, dessen ungeachtet, in die schematische Trennung von Wahlkampfzeit, Volks- und Staatswille zurückfällt; zur Rationalitätsverfehlung vgl. bereits Kuch, JZ 2018, 409 (411) m. w. N. Fn. 29. 1180 Vgl. oben D. I. 1181 Gerade auch angesichts des hier in Spannung tretenden Modells der Repräsentativität nach Böckenförde und der Legitimationskette über das Parlament bzw. doch die Bundesversammlung, vgl. oben C. II 2., E. II. 5. 1182 Vgl. oben II., v. a. 3. 1183 Vgl. zum vollrationalen Modell nochmals oben D. II. 1. sowie dort im Folgenden zu seiner Fiktionalität. 1178
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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gezielten Wirtschaftsprojekten und „Wohltaten“ für kritische Wahlkreise und Klientelen.1184 Die Öffentlichkeitsarbeit mit der „reinen“ Information über diese Leistungen ist somit immer auch Wahlwerbung.1185 In all dem erweist sich, wie einfach die dogmatischen Beschränkungen des Gerichts aufgrund ihres Formalismus ohne Probleme umgehbar sind und umgangen werden, während sie gleichzeitig überaus negativ auf den Schutz der FDGO wirken. Vielmehr entscheidend ist der hinter den Begründungen mitschwingende Aspekt, dass nicht die fiktive „Willensbildung“, sondern die horizontale Interaktion, mehr noch die Rückkopplung zwischen verantwortlich Beauftragten und Wählern möglichst nicht verfälscht werden dürfen. Denn nur eine ihren tatsächlichen Präferenzen genügende Entscheidung der Wähler kann, egal ob bei Sieg oder Unterliegen der zuvor Gewählten, letztlich Friedlichkeit und Bestand der FDGO gewährleisten.1186 Diese Wirksamkeit der Rückkopplung ist zu schützen vor allem mit der rationalen Freiheit der Wähler vor manipulativen Beeinflussungstaktiken – namentlich (aber nicht nur, sondern etwa auch durch Einschaltung fremder Mächte und ihrer „Proxies“) seitens der regierenden Eliten –, um diesen die Wiederwahl ohne entsprechende reale Leistung zu sichern.1187 Darin ist der Kern der Rückkopplung wie der horizontalen Prozesse tatsächlich betroffen und erfassbar.1188 Einer Fiktion einer in sich widersprüchlichen und irreführenden „Neutralität“ nur für engere Äußerungen, d. h. nicht im Kontext weiterer Regierungshandlungen bedarf es nicht. Nicht ohne Grund verbindet sich die vermeintliche Neutralitätspflicht für das BVerfG zusehends mit der Pflicht der Regierung zur Sachlichkeit von Information, Warnung und Gegendarstellung.1189 (2) Damit werden auch sonst evidente Wertungswidersprüche beim Schutz der FDGO gegenüber sonstiger Öffentlichkeitsarbeit aufgehoben. Zu diesen zählt, dass ausgerechnet die nicht nur in autoritären Regimen besonders für Machtmissbrauch und Manipulation anfällige Form des formellen Verfassungsschutzes ein Monopol kommunikativer Missbilligung und Abwehr von Verfassungsfeinden gegenüber allen anderen Amtsträgern erhalten sollte, die alleine sich auf die dortigen Entscheidungen oder aber „ihre privat-politische Persönlichkeitshälfte“ verwiesen sähen. Gerade bei Warnungen und Informationen hat das Gericht selbst überaus klar deutlich gemacht, 1184 Nur mustergültig besonders plastisch beschrieben von Zach, Monrepos, S. 97 ff., 132 ff. zum Thema Umgehungsstraßen, Stadthallen und Landesfeste, dagegen für die topos-artig behauptete Selbstvergewisserung formeller Unterscheidbarkeit exemplarisch etwa bei BVerfGE 148, 11 (28). 1185 Dies berücksichtigt das Gericht auch zumindest, wenn es von einem Reflex der Leistungen der Regierungen spricht, die Gegenstand der Öffentlichkeitsarbeit jenseits der Wahlwerbung sein könnten, vgl. oben (1) (b). 1186 Vgl. oben D., E. I. 3., ausführlich besonders II. 1187 Vgl. ebenso etwa Kuch, JZ 2018, 409 (410 f.); vgl. auch im Ansatz Drefs, Öffentlichkeitsarbeit, S. 274 f. 1188 Vgl. im Einzelnen oben I. und II. 1189 Vgl. etwa BVerfGE 154, 320 (338).
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
dass solche für Verbraucher bei strukturellen und akuten Defiziten erforderlich sind, um wirksame Marktmechanismen zu erhalten und zu erzeugen.1190 Weiterhin betrachtet es seit langem die demokratischen Prozesse, namentlich von Wahlen, als solche Marktmechanismen.1191 Während aus der Entstehung des Grundgesetzes – gerade auch aus denn faschistische Techniken, die zum Scheitern der Vorgängerverfassung führten1192 – die Mechanismen und Strategien der „Irrationalisierung“ offenkundig bekannt sein sollten,1193 postuliert die Lehre vom „marketplace of ideas“ ausgerechnet hier, im Gegensatz zu den anderen Marktstrukturen, die vollständige Rationalität, rationale Erreichbarkeit und Handlungsfähigkeit der Wählerschaft als ihre unverzichtbaren Prämissen.1194 Wie sehr dies die Realität erkennbar und gefährlich verfehlt, wurde bereits im Einzelnen näher illustriert, sowohl anhand konkreter Phänomene und Mechanismen1195 als auch grundsätzlich im Modell der rationalen Freiheit.1196 Der Schutz der stabilen Rahmenbedingungen der politischen Märkte, d. h. der FDGO, als Grundlage aller weiteren ökonomischen Handelsplätze vor Zerstörung durch Manipulation müsste sich erst recht ergeben. Der umgekehrte Ausschluss als Ausnahme ist aus den genannten Erkenntnissen widersprüchlich und insbesondere auch nicht durch die Behauptung einer „Neutralität“ nur in diesem Bereich zu rechtfertigen. cc) Auch vermischt das Gericht zwei Aspekte in der Neutralität, indem es das untersagte Bevorzugen einzelner politischer Parteien mit dem Verbot der Sanktionierung einzelner Gruppen stets zu verbinden sucht.1197 Letzteres ergibt sich indes nicht automatisch aus ersterem ohne das fiktive Dogma der Neutralität und hat keine eigene Berechtigung gegenüber dem Schutz der FDGO. e) Aufgrund des bereits entwickelten eigenen Modells struktureller Freiheit und Demokratie lassen sich die Grenzen zur Bewahrung der FDGO vor, aber auch durch kommunikatives Handeln von Amtsträgern weit klarer bestimmen als in der genannten oberflächlich-formalen Betrachtung, welche die eigentlichen Gefahren nicht klar nachzeichnet. Richtig bleiben unter den Ausgangspunkten des BVerfG, einerseits das mögliche und ggf. notwendige Einschreiten, um mit Informationen etc. den unterlegenen Marktteilnehmern beizustehen und sie vor Gefahren zu schützen, andererseits manipulative Einwirkungen der regierenden Eliten, ihre Herrschaftsmacht in Staatsorganen zu erhalten oder zu verändern, zu verhindern.1198 Wie ge1190
Vgl. gerade oben a) bb). Vgl. nochmals oben D. II. 1., E. I. 4., II., III. 1192 Vgl. oben A., B. I. 1193 Vgl. oben D. II. 2. ff. 1194 Vgl. allgemein oben D. II. 1. sowie beispielsweise gerade 1. d) aa) (2), (3). 1195 Vgl. namentlich oben D. II. 5. 1196 Vgl. oben B. II. 3. 1197 Vgl. etwa besonders plastisch BVerfGE 154, 320 (337 f.). 1198 Dies ist soweit auch hinter der Rspr. seit BVerfGE 44, 125 (141 ff.) und auch bereits BVerfGE 20, 56 (97 ff.) erkennbar, ebenso wie das problematisch Folgende. 1191
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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sehen, macht sich dies nicht formal an der „Identifizierung der Staatsorgane mit bestimmten Parteien“ oder der reinen Fiktion einer staatsfrei-autonomen Willensbildung im Volk fest. Ansatzpunkt ist vielmehr die Verfälschung demokratischer horizontaler und vertikal rückkoppelnder Prozesse.1199 Hier können besondere staatliche Ressourcen unmittelbar (materieller „Amtsbonus“) oder in besonderer Zugänglichkeit zur rationalen Beeinflussung (symbolischer „Amtsbonus“ durch Vertrauen in Amtsinhaber) einwirken. Allerdings handelt es sich nur um einen kleinen Ausschnitt möglicher Manipulationen auch durch kommunikatives Verhalten, denen zu begegnen ist. Insgesamt kann die Abgrenzung auf drei Ebenen erfolgen, im Hinblick auf die Freiheitswirkung (aa)), die Diskriminierung innerhalb von Konkurrenzverhältnissen (bb)) und schließlich der Plausibilität und Verhältnismäßigkeit des Einschreitens (cc)).1200 aa) Wie allgemein im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit soll die staatliche Kommunikation die Freiheit der Adressaten steigern, nicht verletzen. 1201 Dies zielt (neben der tatsächlich einer Neutralitätspflicht unterliegenden sittlichen) vor allem auf die rationale Freiheitsdimension. Der Staat kann und soll allgemein zur rationalen Freiheit der Teilnehmer an den demokratischen Prozessen einen wesentlichen Beitrag leisten, indem „der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können.“1202 In diesem Sinn dürfen und müssen die Staatsorgane auch Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Einer werbenden Verfälschung müssen sie sich indessen gerade enthalten. (1) („Staats-“) Propaganda ist folglich grundsätzlich unzulässig, wenn sie rationale Freiheit verringert, etwa unwahre Tatsachen vermittelt oder suggeriert, aber auch unsachlich Emotionen schürt. Gleichzustellen sind weitere Faktoren der Irrationalisierung,1203 etwa mit den Folgen des Erschwerens des Zugangs zu vielfältigen zutreffenden Informationen (kommunikativ etwa denkbar in den Formen des Framing, Priming, sonstiger Habituierungen oder Diskreditierung von Medien)1204 oder des künstlichen Erzeugens von Stress etwa durch künstlichen Zeitdruck oder Ängste innerhalb demokratischer Prozesse. Keine Rolle kann dabei spielen, ob diese unmittelbar in staatlichem Rahmen oder aber damit verbunden „über Bande“ medi1199
Vgl. nochmals v. a. oben I.–III. Diese führen auf die richtig verstandene Freiheit und Gleichheit im demokratischen System zurück, siehe ausführlich oben I. 1201 Vgl. auch schon die Ansätze bei BVerfGE 44, 125 (144); 63, 31 (243); 105, 252 (269 f.); 105, 279 (301 ff.); MD-Grzeszick, Art. 20 II GG Rn. 18; v. Münch/Kunig/Kotzur, Art. 20 GG Rn. 125 ff. weitergehend v. Münch/Kunig/Trute, Art. 38 Rn. 59 GG; auch Wieland, FS Morlock, S. 533 (549); weitere ähnliche, interessante praxisnahe Konzeptionen auch bei Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 67 ff. 1202 BVerfGE 44, 125 (147), vgl. bereits oben D. I. 1203 Vgl. ausführlich oben B. II. 3. 1204 Vgl. ausführlich oben D. II. 3., 5. 1200
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E. Rechtliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie
ierender Akteure „gespielt“ werden. Richtet sie sich gegen einzelne Parteien, mediierende Akteure, Wähler etc. können diese sie als Verletzung ihrer entsprechenden Grundrechte, grundrechtsgleichen oder sonstigen Verfassungsrechts geltend machen; und zwar unmittelbar, soweit sie dem Staat zuzurechnen sind, sonst über das sonstige, etwa private Recht. (2) Dagegen ist richtigerweise Amtsträgern die Erweiterung rationaler Freiheit der Adressaten namentlich durch sachliche Information „ex officio“ möglich und z. T. geboten, wenn erhebliche strukturell verfälschende Differenzen der Rationalität der beteiligten Seiten oder konkrete Gefahren dies erfordern.1205 Freiheitssteigerung, besonders in rationaler Hinsicht sachliche und zutreffende1206 öffentlich-allgemeine Aufklärung namentlich über verfassungsfeindliche Bestrebungen, sind ebenso erlaubt und geboten wie Klarstellungen von relevanten Lügen oder Unterstellungen in öffentlichen Angelegenheiten, auch wenn sie sich damit gezielt gegen einzelne Akteure oder Auffassungen wenden sollten. Das schließt wertende Stellungnahmen über einzelne auch politische Akteure zum Schutz der FDGO ebenso ein, wie allgemein etwa bei der Warnung von gemeinschädlichen Sekten oder schädlichen Produkten.1207 Richtig hatte bereits das BVerfG ursprünglich erkannt, dass dadurch Parteien ihr Recht nicht in Frage gestellt wird, sich zwischen und unabhängig von den jeweiligen Wahlen dem Bürger so darzustellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspricht.1208 bb) Eine Verfälschung von horizontaler wie vertikaler Demokratie kann ferner darin liegen, wenn oppositionelle Bewegungen durch kommunikatives, dem Staat zuzurechnendes Handeln ohne tatsächliche Berechtigung, etwa angeblich zum Schutz der fdVO, diskriminiert oder sonst beeinträchtigt werden. Der Europarat hat dies auf den Nenner (allgemein für staatliche Zuwendungen) gebracht, dass für die Verteilung staatlicher Unterstützung objektive, faire und vernünftige, d. h. nachvollziehbare, Kriterien anzuwenden sind.1209 Weiterhin müsse der Staat sichern, dass die Freiheit bzw. Autonomie auch gerade der potentiell Begünstigten, v. a. die Unabhängigkeit politischer Parteien, nicht durch staatliche Unterstützung beeinflusst werde.1210 (1) Dabei greift jedoch gerade nicht die Gleichsetzung im Sinne einer „Neutralität“ des BVerfG: Die durch Sanktionierung einzelner Ansichten, Gruppen und Parteien (er-)folgende faktische Besserstellung aller übrigen ist im Ansatz zu trennen von der in der Rspr. richtig erkannten Förderung nur einzelner solcher Interessen. Besteht ein Rechtfertigungsgrund für ersteres, namentlich das erforderliche recht1205
BVerfGE 105, 252 (266 ff.). Vgl. zu beidem bereits oben a); vgl. zur Aufklärung und Transparenz über die Öffentlichkeitsarbeit selbst den Vorschlag von BVerfGE 44, 125 (155). 1207 Vgl. nochmals oben a) bb). 1208 BVerfGE 40, 287 (292). 1209 Vgl. Art. 1 III CoE Rec (2003) 4, 835. Sitzung, 8. 4. 2003. 1210 Vgl. Art. 1 IV CoE Rec (2003) 4, 835. Sitzung, 8. 4. 2003. 1206
IV. Staatliche Einwirkung und Schutz der FDGO
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liche Vorgehen, die nötige Gegendarstellung oder Warnung vor der Gefährlichkeit bestimmter Strömungen, beeinflusst die faktische Begünstigungswirkung für die anderen die Rechtmäßigkeit nicht. An dieser Stelle kann tatsächlich der Fokussierungsansatz greifen, ob die faktische Begünstigung unabhängig von der inhaltlichen Positionierung (namentlich zur Regierung auch für die Opposition) wirkt bzw. eine solche Wirkung intendiert ist. So kann der politische Wettbewerb innerhalb der FDGO verfälscht werden, wenn nur regierungsförderliche und nicht oppositionelle Personen, Gruppen, Themen etc. unter dem Vorwand des Schutzes der FDGO dadurch mit gefördert werden. (2) Auch die Zusammenarbeit des Staates mit einzelnen Gruppen zur kommunikativen oder sonst „schlicht-hoheitlichen“ Bekämpfung der Gefahren für die FDGO ist damit ohne weiteres möglich, soweit sie offen und diskriminierungsfrei ausgewählt worden sind.1211 Hier zeigt sich der Unterschied zu den Instituten des Modells der „Staatsferne“ deutlich: Staatliche Stellen können bei der politischen Bekämpfung gefährlicher Bestrebungen ohne weiteres mit bestimmten Medien, Verbänden und Parteien zusammenarbeiten und auftreten, soweit die allgemeinen Kriterien gewahrt sind und der Zugang zur faktisch in der Öffentlichkeit fördernden Zusammenarbeit für alle in Fragen Gruppen diskriminierungsfrei möglich war und sie selbst hinreichend transparent ist. cc) Weitere, durchaus sinnvolle Kriterien des BVerfG, Übergriffe von Regierungsseite in die demokratischen Prozesse zu identifizieren, können schließlich in den allgemeinen Mechanismen der Prüfung von Plausibilität und Verhältnismäßigkeit erfasst werden. Neben den bereits genannten legitimen Zielen zum Schutz der fdVO können sich solche zur Rationalitätssteigerung im politischen Prozess, namentlich der Rechenschaft oder der Verantwortlichkeit und Transparenz ergeben, aber auch zur Erfüllung sonstiger Staatsaufgaben wie der allgemeinen Gefahrenabwehr und der Rechtspflege. In der Angemessenheit sind die konkreten möglicherweise beeinflussenden Wirkungen auf bestimmte demokratische Prozesse abzuwägen, eine Reduktion auf eine Vorwahlzeit ist dabei z. B. weitaus zu schematisch.1212 Daraus können sich weitere Beschränkungen in Umfang, Form und Modalitäten wie Zeitpunkt und Platzierung der Veröffentlichung ergeben – jenseits des bereits genannten allgemeinen Sachlichkeitsgebotes und Manipulationsverbots. Dabei erweist sich die erkennbare Orientierung an Entscheidungsterminen als ein möglicher Faktor, aber auch solche, die eine ebensolche mittels struktureller Prozesse, z. B. des Framing oder Agenda-Settings mittels erkennbar manipulativer Fokussierungen etc., nahelegen.
1211 Vgl. die allgemeinen Kriterien zum Vergabe- und Beihilferecht; auf die akuten Probleme der „Demokratieklauseln“ ist im Rahmen hier nicht näher einzugehen. 1212 Hier liegt erneut das Bild der einfachen „Volkswillensbildung“ zu Grunde, amtliche „Vormacht“ kann sich jedoch weit struktureller und komplexer deutlich vor Wahlen entfalten; vgl. auch oben nochmals insbesondere D. I. 3.
F. Schluss: Strukturierung von Vulnerabilitäten und Schutzbedarf der freiheitlichen Demokratie Damit lässt sich die vorliegende Untersuchung durch Ergebnisse auf unterschiedlichen Ebenen – zunächst methodisch (I.), sodann in den inhaltlichen Feststellungen von Vulnerabilitäten (II.) und Schlussfolgerungen zur Resilienz (III.) wie folgt zusammenfassen:
I. Methodische Reflexion 1. Zuvorderst kann festgestellt werden, dass das vorgelegte Modell (B.) – hauptsächlich basierend einerseits auf der Funktionalisierung der FDGO und andererseits der Strukturierung der Freiheit einschließlich ihrer rationalen Dimension – sich als geeignet erwiesen hat, die im (hermeneutischen) Vorverständnis vorhandenen Bedrohungen der freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie (A. I.) in einem Schritt valide zu erfassen und gleichzeitig plausibel zu objektivieren. Nicht zuletzt ist damit im und durch den Modellrahmen eine ehebliche Komplexitätsreduktion bei gleichbleibender Qualität und gesteigerter Klarheit der Analyse möglich. 2. Dabei konnten im Modell der Freiheit die funktionalen Vorgaben der FDGO, namentlich der Subjektivismus und Pluralismus, bewahrt und umgesetzt werden. 3. Auf Basis des Modells ist plausibel, dass sich die aktuellen Phänomene der Bedrohungen der freiheitlichen Demokratie – darunter die in der Einleitung (A. I.) aufgeworfenen historischen und aktuellen Probleme – im außerrechtlich-faktischen Bereich vor allem auf die begrenzte Rationalität der allgemein Betroffenen (in der „Peripherie“ der Wähler und Bevölkerung) zurückführen lassen (D. II.). Sie lassen sich vornehmlich als Handeln aufgrund von stärker kurzfristigen egoistischen Kalkülen einordnen, die in breitem Maß überwiegend auf Bedürfnisse der Sicherheit zielen und andere, die in der Maslowschen Pyramide weit unten angesiedelt sind.1 Echte soziale Lösungen werden als realistisch unerreichbar perzipiert, auch angesichts wahrgenommener oder zumindest „erspürter“ Immunisierung eines semi-rationalen Politikberatungssystems, das sich als Membran zwischen Zentrum und Peripherie schiebt (D. II. 3.–5.). Ergänzt und überlagert wird dies bei den Bürge1 Nichts anderes ergibt sich bei sonst gesicherten Schichten vor allem auf Sinnsuche jenseits realer sozialer Fragen, die anzugehen indes kaum Gewinn verspricht. Rational erscheint in Gierwie Ernüchterungsphase der kurzfristige Eigennutzen.
I. Methodische Reflexion
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rinnen und Bürgern allerdings durch davon (jedenfalls in nicht autoritären Demokratien) unabhängige starke Einwirkungen der Irrationalisierung. Sie folgen vor allem aus kognitiver Überforderung durch die Fülle und Dynamik von Ereignissen und Informationen, mithin „Stress“. Hinzutreten, zum Teil damit verbunden und von manchen Akteuren bewusst verstärkt und instrumentalisiert, Angst und Emotionalisierung (B. II. 3., D. II.). Genauer verstärken sich die Probleme mit Prozessen der Semirationalität eines Vorsprungs der spezialisierten Akteure; durch sie alle wird die Überforderung der Wähler gesteigert (D. II. 3.–5.). 4. Auf diesem Fundament kann die weitere Untersuchung und dazu theoretische Betrachtung als solche der Rechtswissenschaft erfolgen. Ihre Autonomie ist gewahrt als juristische, d. h. normativ-dogmatische um den Kern des Rechts. Übergänge zu empirischen und normativen anderen sozial- und humanwissenschaftlichen Disziplinen sind zwar geöffnet, sie werden aber als Schnittstellen transparent gemacht. Auf derartige Übergänge kann eine menschliche und damit nach eigener „Primär(Meta-)Norm“ menschenwürdige Rechtswissenschaft nie verzichten. Dies gilt nicht nur im (sub-)systemeigenen Selbstverständnis, sondern wiederum in der Wirkung im Sinn der eigenen vermittelbaren Plausibilität „nach außen“ ins Politische, Soziale und in das Universum der wissenschaftlichen Disziplinen. Nicht weniger als die verfemte Naturrechtslehre hat nicht nur am klarsten der Positivismus, sondern haben auch etwa der Historismus oder Dezisionismus, die Organ- wie Integrationslehre, stets auf konkrete Menschen- und Gesellschaftsbilder aufgebaut. Ihre Gütegrade unterscheidet dabei allenfalls, wie weit die in den Forschungspersönlichkeiten und Diskursverläufen angelegten Vorprägungen selbstkritisch reflektiert und transparent gemacht werden, vielleicht am deutlichsten zuletzt gerade die sogenannte Reine Rechtslehre Kelsens, jedenfalls weit mehr als eine politische Rechtstheologie nach Schmitt. Indes kann, gerade auch vorliegend, die spezifische Diskussion und Argumentation grundsätzlich „innerhalb des Rechts“ primär anhand klassischer Methoden der Jurisprudenz, namentlich der Auslegung, Deduktion, Schaffung von Konsistenz und z. B. Topologie geführt werden (Kapitel C. und E.). Nicht zuletzt durch die historischen Interpretationsansätze, vor allem aber durch die der Teleologie, eröffnet sich der transparente Rückgriff auf Tatsachen- und Erfahrungswissenschaften in deren empirischen wie auch normativen Ebenen. Dagegen muss und kann Stellung bezogen werden gegen Eklektizismus und Verfälschungen alleine motiviert durch politische Wünsche, Forderungen und Wegbereitungen, denen gerade die wissenschaftliche Grundvoraussetzung der Verfolgung strikter Methodik und Input- und Ergebnisoffenheit fehlt. Diese Vorwürfe sind – angesichts ihrer fortwirkenden Bedeutung – zumindest an die Verfassungslehre von Schmitt heranzutragen (C. III.) bzw. dem wissenschaftlich entgegenzuhalten (u. a. C. IV., E.), wo deren Folgerungen insbesondere für die Sicht der Demokratie, wenn nicht gezielt, so weiter unkritisch übernommen werden (C. I., II.).
302
F. Schluss
II. Vulnerabilitäten Zu den ersten beiden Leitfragen – ob, an welchen Punkten und in welchem Ausmaß die freiheitliche Demokratie der Bundesrepublik Deutschland nach den Funktionsanforderungen der FDGO im Rahmen der bestehenden Verfassungsrechtsordnung und -dogmatik gefährdet ist und welche Sicherungen und Mechanismen gegen diese Gefahren bestehen – kann eine Antwort nach der durchgeführten Analyse nur differenziert in mehreren Ebenen erfolgen.
1. Ausgangspunkt des Grundgesetzes In einem ersten Schritt ist zu diagnostizieren, dass das Grundgesetz auch außerhalb der (hier für weitere Analyse weitgehend ausgeklammerten, vgl. oben A. II. 2.) Kernnormen zum Schutz der FDGO ein hoch ausdifferenziertes, normativ abgedecktes und grundsätzlich abgesichertes System der freiheitlichen Demokratie im Sinn der hier entwickelten Funktionsanforderungen bietet (v. a. im Einzelnen oben E.). In ihm greifen vielfältige Elemente der Öffentlichkeit (v. a. E. I. 2., II. 2., 4., III. 1., IV.), der horizontalen (E. I.) und vertikalen (E. II.) Demokratie, der Parteien, Medien und sonstigen medialen Akteure (E. III.) ineinander und gewährleisten so das demokratische Leben. Der ultimative Rückbezug zum Staatsvolk in Art. 20 II GG, der in einem Atemzug u. a. mit der Gewaltenteilung und Verantwortlichkeit von der Generation der Verfassungsväter als Volkssouveränität in den Lebenselementen der FDGO benannt worden ist (B. I. 1.), lässt sich in deren Konzept nahtlos einfügen (C. III. 4.). Dazu ist es allerdings erforderlich, ihn in der Interpretation des Verfassungskonvents und des Parlamentarischen Rates, mithin in der unmittelbaren Nachfolge der Weimarer Nationalversammlung und wiederum der diese forttragenden demokratisch-republikanischen Verfassungslehre sowie dahinterstehenden europäischen und US-amerikanischen Tradition u. a. der Aufklärung zu begreifen (B. I. 1., C. III. 2.). Das vermeintliche Paradigma der „Geburtsfehler von Weimar“ erweist sich primär als Narrativ, auch zur Verschleierung von Schwächungsangriffen, der Gegner der damaligen Republik, genauso wie jener der zweiten freiheitlichen Gründung 1946 – 1949.2 Tatsächlich ist Stolleis darin Recht zu geben, dass seit der Zwischenkriegszeit vor allem unter den Trägern der rechtsstaatlichen und freiheitlichen Demokratie, aber auch ihren Gegnern, die grundlegende Fragen staatlicher Integration und demokratisch-rechtsstaatlicher Stabilität nicht mehr derart umfassend und grundlegend in der Staats- und Verfassungslehre diskutiert worden sind.3 Das Grundgesetz kann und muss zurecht als deren Erbe, nicht jener der Feinde der demokratischen Republik verstanden werden – allerdings auch als gezogene Lehre aus deren Erfolg von 1933 – 1945. Auf dieser Basis ergibt sich das Bild einer 2 3
Vgl. etwa Hacke, Existenzkrise, S. 12 ff. m. w. N. Vgl. Stolleis, Geschichte, S. 414; Hacke, Existenzkrise, S. 17.
II. Vulnerabilitäten
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weitestgehend geschlossenen, auch mit den ausdrücklichen Schutznormen der FDGO konsistenten und robusten Verfassungsordnung als wesentlicher Beitrag zur Gewährleistung nachhaltiger Friedlichkeit, Freiheitlichkeit und rechtsstaatlich menschenwürdiger Demokratie (E.).
2. Festgestellte Vulnerabilitäten und ihre Wurzeln Demgegenüber müssen – neben den hier rechtswissenschaftlich nicht zu fokussierenden Ebenen der empirischen Wirklichkeit demokratischer Prozesse – die deutsche Verfassungslehre und -praxis in ihrer gegenwärtigen Ausprägung an zentralen Stellen als deutlich vulnerabel gegenüber Angriffen zu einer Überwindung der FDGO angesehen werden: a) Zuvorderst scheint der vielfach erhobene Vorwurf, die streitbare bzw. wehrhafte Demokratie sei von einer wiedererstarkten Zwischenkriegsgeneration in den 1950er und 1960er Jahren als ein einseitiges staatliches Kampfinstrument in Tradition vor 1949 konstruiert, nicht gänzlich unberechtigt. Wie noch an anderem Ort verstärkt zu zeigen sein wird,4 ist die mögliche, notwendige und so gedachte Funktion der FDGO als Anker vereinenden, friedlichen, integrierenden, pluralen objektiven Rechts (vgl. B. I.) unzureichend aufgegriffen. Sie wird negiert durch das Konzept des absoluten, exogenen und neo-identitären Volkswillens im Erbe des Dezisionismus von Schmitt (C., v. a. III. 3.). Erinnert werden muss hier, um Wiederholung zu vermeiden, wie dieser geradezu der Bannerträger zur Zerstörung der Normativität der Weimarer Reichsverfassung war.5 Dessen ungeachtet wirken die Konzepte nicht zuletzt in Lehren vom Primat des Staates vor der Verfassung6 fort und führen zu deren normativer Schwächung, erkennbar etwa an extrakonstitutionellem Ausnahmezustand (und Widerstandsformen) sowie einem pouvoir constituant. Durch die fiktive Behauptung des rechtlich ungebundenen pouvoir constituant wird das an sich stabil konstruierte System der fdVO des Grundgesetzes im Kern höchst labil und letztlich prekär. Die verfassungsmäßigen Schutzvorschriften der FDGO und sonst des Staats- und Verfassungsschutzes sowie die internationalen (wie das Völkergewohnheitsrecht, der IPBPR oder die EMRK) und unionsrechtlichen Einbindungen (etwa Art. 2 EUV) werden reduziert auf Insellösungen und in ultimo „schwimmende“ Verteidigungen des status quo gegen auf – nach dem aktuell ausgelesenen Volkswillen legitime, wenn nicht legale – Revolution agierende andere Bestrebungen. Der Wettlauf um Interpretation und Vereinnahmung „des Volkswillens“ kann im Fall ernsthafter Herausforderung nicht aus objektivem Recht, sondern 4
Fahrner, Grundordnung, im Erscheinen sowie die anstehende Habilitationsschrift. Vgl. Groh, Verfassungstheorie, S. 13 (17 f.) m. w. N.; Kaiser, Staatsrechtslehre, S. 119 (131). 6 Namentlich bei Böckenförde und Isensee, rückführend jedenfalls bei ersterem direkt auf Schmitt, vgl. Sauer, Weimar, S. 237 (246 f., 257). 5
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F. Schluss
nur aus subjektiver Rechtsperspektive gerechtfertigt werden. Faktisch bleibt ein Machtspiel, wie aus der Weimarer Republik gekannt, mit der Perspektive der (immer weitergehenden) Homogenisierung mit Ausgrenzung und Vernichtung nach FreundFeind-Schablone. Bislang ist allem Anschein nach unter und trotz dieser herrschenden Auffassung die „Wiederholung von Weimar“ nur durch äußere Faktoren wie Prosperität und Verfassungsverbundenheit der völlig überwiegenden Bevölkerungsmehrheit vermieden worden. Beides kann jedoch, gerade in chaotischen Systemen mit selbstreferenziellen Blasen und Echokammern (D. II.) ohne weiteres wieder fragil werden. „Emotional-irrationale“ fundamentale „Kurzschlussentscheidungen“ wie ein Brexit sind unter dieser Dogmatik auch in Deutschland bei entsprechenden Konstellationen zu erwarten, zumal etwaige Korrektive und Kontrollpunkte ebenfalls in einem ungesicherten Zustand gehalten werden (dazu sogleich). b) In den Grenzen des bestehenden Verfassungssystems bedingt die – normativ wie faktisch unhaltbare – Fiktion der absoluten Volkswillensherrschaft in jeder Sachund Personalfrage unter der dezisionistischen Legitimationskette die vollständige Machtkonzentration bei einem einzelnen Staatsorgan. War dies in der reinen identitären Urform der einzelne Führer, liegt diese in ihrer neo-identitären Ausprägung von Böckenförde zwar formal bei der Parlamentsmehrheit – faktisch jedoch deren, sie über die Mehrheitsparteien steuernden, politischer Führung, ihren Bürokratien und Beratern (C. II. 2., 3., E. II. 5.). Diese Form der Legitimationskette rechtfertigt eine (auch faktisch letztlich entgegen Art. 33 III GG) durchkontrollierte Kaderpolitik und daraus folgende mögliche Beflissenheitskultur bis in die formal unabhängigen Institutionen wie der Justiz (E. II. 6.), allenfalls mit willkürlich gesetzter Ausnahme der Zentralbank. Der wissenschaftlich, vor allem aber häufig populär beklagte „Parteienstaat“ ist nichts anderes als ein Reflex daraus. Nicht umsonst wird diese weiterherrschende spezifisch deutsche Dogmatik als Vergleichspunkt auch von autoritären Systemen und solchen auf dem Weg dorthin als Entschuldigung mit einiger mindestens vordergründiger Plausibilität angeführt.7 Die Kontrollfunktion der Gewaltenteilung wird damit empfindlich geschwächt und ihrerseits auch rechtlich vermeintlich begründungspflichtig. Eine (bis zu Ausbrüchen angestauter Unfriedlichkeit dauerhafte) Majorisierung und Verdrängung von Gegenansichten, und der Wandel von fairen und freien demokratischen Prozessen zu solchen einer simulierten Demokratie autoritärer Systeme werden wesentlich erleichtert. Gegenkräfte des Ausgleichs und der Kontrolle können kurz- und mittelfristig ausgeschaltet werden, die friedliche Gesamtintegration kann leicht prekär werden. Dem kann damit nur solange begegnet werden, wie dem entweder seitens der Parteien oder aber ihren „Auserwählten“ ein Verantwortungsbewusstsein und eine Verpflichtung nicht nur auf den kurzfristigen Machterhalt um jeden Preis bzw. Karriereorientierung entgegengehalten werden. Dies ist bei zunehmender ökonomischer und kurzfristiger Ausrichtung der Zentren (D. I. 2.) und persönlicher wirtschaftlicher Abhängigkeit 7 Vgl. aktuell von der PiS-geführten Regierung Polens zur „Unterwerfung“ der dortigen Justiz.
II. Vulnerabilitäten
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der Berufspolitiker und ihrer Stäbe und zeitlichen Entfernung von den Katastrophen bis 1945 immer weniger zu erwarten (E. III. 4. c)). Im Grundgesetz selbst, in Art. 20 II GG ist allerdings eine solche fiktiv-dezisionistische Legitimationskette ebenso wenig von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes angelegt, wie von ihren Vorgängern und -bildern in der WRVoder der Tradition der liberalen Aufklärung. Sie ist alleine das Kind der autoritär-völkischen Gegenvorstellungen dazu (C. III. 2.). c) Entgegen der besonders strikten Betonung der Souveränität und Bindungswirkung des Willens des Volkes kann dieser effektiv bis zu einer hoch angelegten Schwelle absorbiert werden. Vor allem die Mechanismen des Verhältniswahlrechts in Verbindung mit den Vorauswahlen in den Parteien tragen – unabhängig von weiteren Beeinflussungsmöglichkeiten – dazu bei, einen Elitenaustausch durch Parteibasis und Wählende in einem beachtlich hohen Maß zu verhindern (E. III.). Die am Ende entscheidende vertikale Rückkopplungsform der Abwahl wird so weitgehend, bis auf ultima ratio-Situationen entwertet. Durch die immer weitere quotenmäßige Radizierung der behaupteten Repräsentation (nach Regionen, Parteiflügeln, Geschlechtern, Orientierung usw.) wird dies immer weiter verstärkt. Mit dem Verlust faktischer Verantwortlichkeit blieben alleine intrinsische Rückbindungen, um vertikalen Immunisierungen entgegenzuwirken (E. II. 2.). Solche sind indes angesichts der Form der Auswahl und Elitenrekrutierung, Professionalisierung und daraus wirtschaftlicher Abhängigkeit und Selbstverständnis nicht per se zu erwarten. Die genannte Entkoppelung wird wiederum vor allem durch subjektiv rationelleres Politikmarketing statt realer Leistung an die Wähler verdeckt, die zu dauerhaften, meist eher unreflektierten, Enttäuschungen und deren Anfälligkeiten für Irrationalisierungen maßgeblich beitragen kann. d) Ähnlich wirken die Leerstellen der rationalen Freiheit in der Dogmatik (E. I. 2.), vor allem aber der „strikt formalen“ Gleichheit (E. I. 3.). Sie öffnen ohne weiteres das Tor für Verzerrung in Formen des „Money is speech“ bis zur plutokratischen Überformung der Demokratie. Das BVerfG hat zwar erhebliche Bemühungen unternommen, Manipulation im Wahlrecht „durch den Staat“ zu verhindern und eine „gemäßigte Demokratie“ zu verankern. Die einerseits auf Alternativlosigkeit, andererseits partiell differenzierende Bestimmung der Gleichheit durch das Gericht verschließt jedoch die ansonsten mögliche ex posteriorKlärung im politischen Prozess, ohne in letzter Konsequenz die fehlende demokratisch-formelle durch zwingende „materielle“ Plausibilität ersetzen zu können. Bislang dürfte vor allem die weitgehende Übereinstimmung der Rechtswissenschaft und -praxis sowie das Ansehen des Gerichts hier für die weitgehend unhinterfragte Akzeptanz gesorgt haben, die in Krisenzeiten durchaus in Frage gestellt werden könnte. Die strikte Trennung einer „demokratiedarwinistisch“ freigehaltenen Gesellschaftssphäre bis zur Bildung „des Volkswillens“ bei Wahlen (und echten formalen Abstimmungen) gegenüber staatlichem Eingreifen erscheint ebenfalls der bereits
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F. Schluss
erwiesenermaßen verhängnisvollen Volkswillenslehre unter dem Deckmantel einer längst weithin aufgegebenen frühliberal-konstitutionellen dichotomen Auffassung des Gemeinwesens geschuldet (E. I. 3. c), IV.). Diese Dogmatik muss sich zunehmend zahlreicher ad hoc-Modifikationen bedienen, etwa um Mechanismen gegen „fake news“, Manipulation durch oder seitens fremder Mächte oder spezifisch in „neuen Medien“ und sozialen Netzwerken zu rechtfertigen. Die, dessen ungeachtet, fortgeführte grundsätzliche Trennung führt jedoch weiterhin zu einer strukturellen „Blindheit“ und daraus Anfälligkeit für andere, indirekte Formen der Beeinflussung und einem Wettrennen zwischen Bewahrung der freiheitlichen Demokratie und den gegen sie gerichteten Angriffen. Dass dieser Wettlauf bislang nicht von letzteren gewonnen wurde, garantiert dies keinesfalls auf Dauer – ganz zu schweigen von den Problemen der Plausibilität und Systemgerechtigkeit der jeweils getroffenen (Re-) Aktionen. Insgesamt werden mit diesen Blindstellen wesentliche Teile demokratischer Prozesse, namentlich auch die Rolle ressourcenstarker Partikularinteressen über direkte und indirekte Einflussnahmen normativ weithin ohne hinreichende Reflexion ausgeblendet. Dadurch entsteht nicht nur die Vulnerabilität kurz- und mittelfristiger direkter Manipulation der Demokratie, sondern auch der längerfristigen Delegitimierung und Desintegration und damit Verlust der Friedlichkeit als eines zentralen Kerns der FDGO. e) Der wichtigste, im internationalen Vergleich derzeit zu erkennende, Angriff auf funktionierende Demokratien und Stabilisierung autoritärer Herrschaft führt über die private Übernahme von klassischer Medienmacht (E. III. 2.), welche eine zentrale Rolle für die demokratische Öffentlichkeit und nahezu alle politischen Prozesse hat (D. II. 3.–5.). Zunächst in rechtlicher Hinsicht erweist sich die deutsche Demokratie dabei als (spezifisch) hoch vulnerabel. Gerade gegenüber Presseeigentümern besteht ein Schutz einer Redaktionsautonomie oder inneren Pluralität aufgrund des anerkannten Tendenzbetriebscharakters nicht. Das Vertrauen in die Außenpluralität ist irrig angesichts erheblicher Marktzugangshindernisse, nicht zuletzt im Konsumentenverhalten sowie einem unzureichenden Pressewettbewerbsrecht (E. III. 3.). Aus einem geschlossenen Kreis der konzentrierten klassischen Medienmacht mit den politischen Entscheidern und daraus dem Unterlassen von kontrollierenden und im Gefahrenfall bereitstehenden eingreiffähigen Mechanismen folgt eine fragile, wenn nicht prekäre Abhängigkeit vom Fortbestand der Eigentümer- und Motivationsstruktur dieser klassischen Medien. Sollte dieses etwa durch Strohmänner partikularer oder fremder Interessen durchbrochen werden, bleibt lediglich das Korrektiv alternativer Medienformen. Dabei kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, solange dieser eine freiheitlich demokratische Ausrichtung hat, eine zentrale Bedeutung zu, ebenso wie immer stärker den internet-basierten Medien- und Öffentlichkeitsformen. Gerade diese beiden Gegengewichte stehen allerdings in der Defensive gegenüber selbst machtverteidigenden und -fordernden klassischen Unternehmensmedien und ihrer tendenziell eher weiter zunehmenden Einflussstellung auf die politischen Entscheider.
III. Resilienzen und Lösungen der Vulnerabilitäten
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f) Abschließend ist nochmals auf die weitgehenden Einschränkungen hinzuweisen, welche das BVerfG und die gängige Verfassungslehre staatlichen Eingriffsmöglichkeiten zur Bewahrung der FDGO gegen direkte extremistische Angriffe und Unterwanderungen in der Öffentlichkeit auferlegen (E. IV.). Darin spiegelt sich eine, noch zunehmend, einseitige Faszination der Verfassungslehre und -praxis mit den Trugbildern des unreglementierten „Marketplace of Ideas“ (D. II. 1.). Sie mag den „Gelehrtenstuben“ und in der Selbstbeobachtung dem wissenschaftlichen Diskurs nahe liegen. Sie verkennt aber gänzlich die begrenzte und Semi-Rationalität, welche in weitesten Teilen die politischen Akteure und Prozesse maßgeblich prägt (D. II. 3.), auch wenn sie nur im Extremfall die Charakteristika echter Massenpsychologie zeigt (D. II. 2.). Die Übernahme aus dem US-amerikanischen Kontext ist dabei ebenso selektiv (E. IV. 2. d)), wie es jene der identitären Volkswillenslehre im Hinblick auf die Vergangenheit, letztlich lediglich des französischen Terreur, war (B. III. 2.). Die prekäre Situation und die Spannung mit den Rechtspflichten der jeweiligen Amtsträger zur Bewahrung der fdVO wurde bereits dargestellt. Erneut wirkt sich die künstliche Trennung einer vermeintlichen innergesellschaftlichen gegenüber einer staatlichen Sphäre aus, welche rein formalistisch politisches Handeln streng zu zerteilen sucht, darin sich aber in einem komplexen demokratischen Gemeinwesen als letztlich untauglich erweisen muss – sowohl bei der Eindämmung der Manipulation politischer Rückkopplung seitens bestimmter Eliten gegenüber der Wählerschaft, als auch der wirksamen Bekämpfung von Bestrebungen, welche auf die Zerstörung der FDGO gerichtet sind. Dass dies bislang – etwa im Anstieg von Rechtspopulisten und -extremisten auch in der Öffentlichkeit, in den Parlamenten sowie prima facie verdeckt in der Gesellschaft – sich zwar erheblich bemerkbar, jedoch noch nicht bedrohlich für das freiheitlich demokratische Gemeinwesen auswirkt, kann und darf über die gravierenden Vulnerabilitäten nicht hinwegsehen lassen. g) Insgesamt zeigen sich somit besorgniserregende Gefährdungen der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, die sich bislang lediglich aus außerrechtlichen Gründen nicht noch weitergehend konkretisiert zu haben scheinen. Sie beruhen maßgeblich auf dogmatischen Annahmen und Folgerungen in der Verfassungsrechtsprechung und -wissenschaft.
III. Resilienzen und Lösungen der Vulnerabilitäten Abschließend sollen ein Fazit und Handlungsempfehlungen gefolgert werden für die verbliebenen Leitfragen, welche Sicherungen und Gegenmechanismen gegen die erkannten Gefahren bestehen und durch welche Korrekturen in der Verfassungsdogmatik und innerhalb der Rechtsordnung sie gestärkt werden können und ggf. müssen.
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F. Schluss
1. In den gesondert zu betrachtenden formalen Einrichtungen zum Schutz der FDGO finden sich vor allem Sicherungen, welche als oder nahe einer ultima ratio verstanden werden, etwa Grundrechtsverwirkung (Art. 18 GG), Parteiensanktionierung (Art. 21 II–IV GG) und Vereinigungsverbot (Art. 9 II GG), Richterentfernung (Art. 98 II GG), Verfassungsschutz und wehrhafte Demokratie im Recht des öffentlichen Dienstes (vgl. oben B. I.). Darüber hinaus kann die FDGO allerdings entsprechend der Intention ihrer Schöpfer Stabilität nicht nur durch diese punktuellen, letztlich repressiven Eingriffsermächtigungen leisten, die ohnehin für sich genommen im Gemeinwesen keine dauerhafte Friedlichkeit gewährleisten könnten. Vielmehr kann und soll sie einen verbindenden und integrierenden Anker eines menschenwürdigen, pluralistischen, fortschrittlichen und friedlichen Gemeinwesens bieten, welcher die objektiv verstandene und als solche legitim geltende Rechtsordnung auch in schwereren Gezeiten festhalten und sichern kann. 2. Dazu ist allerdings nicht nur möglich, sondern zwingend erforderlich, wesentliche tradierte Elemente der heutigen verfassungsrechtlichen Dogmatik neu und grundsätzlich zu hinterfragen. a) Hierzu zählt zuvorderst, die mit den genannten Errungenschaften und Bedingungen der FDGO nicht in Einklang zu bringenden Wurzeln eines „völkischen“ Demokratiebegriffs und seiner absoluten, exogenen, (auch neo-)identitären Ausprägung (endlich) vollständig zu kappen. Es gilt umzusetzen, dass dieser nicht auf der demokratisch-republikanischen oder weiter aufklärerisch-liberalen, sondern ihr entgegengerichteten autoritären Tradition beruht. Es bleibt stets bewusst zu halten, dass die letztgenannte Entwicklungslinie über eine zielgerichtete, selektive und zumindest teilweise verfälschte historische Rückprojektion tatsächlich mit ihrer Idee eines pouvoir constituant zurückführt zu den bismarckschen Staatsstreichplänen gegen den Reichstag des Deutschen Kaiserreichs, Vorstellungen der Homogenität durch Vernichtung der Gegner und die letztlich freie Diktatur im Maßnahmenstaat unter Behauptung einer Akklamation des Volkes (s. o. Kapitel C.), mithin im Kern gerade jenen faschistischen Lehren, gegen die sich das Grundgesetz und seine FDGO zentral wenden (vgl. oben B. I.). Ohne weiteres kann zunächst der Topos der Volkssouveränität in einer unverfälschten historischen Tradition und Auslegung des Art. 20 II GG richtig eingeordnet werden (C. IV.): Den festen, regelhaften Kern im Sinne Poppers bildet die friedliche Rückholbarkeit von Macht und Revisibilität von Entscheidungen durch das Volk, als vielfältig erreichbare Rückkopplung von Herrschaft (vgl. E. II.) und von Entscheidungen, namentlich als délégation légale (vgl. E. II. 5.). In letzteren wirkt sie nicht zuletzt als Bestandteil des Grundsatzes der Demokratie wiederum als Teil der FDGO im Sinn eines Prinzips als Optimierungsgebot8 und als Mittel der formalen Plausibilisierung und dadurch Friedlichkeit.
8
Hierzu und zum Folgenden weiter ausführlich Fahrner, Grundordnung, im Erscheinen.
III. Resilienzen und Lösungen der Vulnerabilitäten
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b) In diesem Sinn kann und muss das Rechtsstaatsprinzip als weitere Komponente der FDGO bruchstellenfrei und komplementär zur Demokratie verstanden werden in den gemeinsamen Funktionen, namentlich für die Friedlichkeit des Gemeinwesens. So findet sie sich auch umringt von den weiteren Elementen in der ursprünglichen Enumerations-Definition der FDGO (B. I.). Eine unabhängige Justiz, wie sie Art. 97 GG in Tradition der WRV, des 19. Jahrhunderts und im Einklang mit auch heutigen globalen Standards festschreibt, ist kein Gegensatz zur Demokratie. Sondern letztere ergänzt sich mit ihr und der allgemeinen Rechtsstaatlichkeit erst zur FDGO mit ihrer stabilen Friedlichkeit, mit dem demokratischen und rechtsstaatlichen gesetzten Recht als Bindeglied und Schnittstelle (B I. 2. d)). Die originäre Gewaltenteilung kann, wie in Art. 20 II 2 HS. 2 GG eigentlich angelegt, ohne weiteres mit dem Ausgang der Staatsgewalt vom Volk in Einklang gebracht werden, wenn letztere als der genannte normative Legitimierungs- und faktisch-rechtliche Rückholungszusammenhang verstanden werden. Entscheidend für diese Volkssouveränität ist die rechtliche wie faktisch mögliche Abberufbarkeit aller Amtsträger in allen Gewalten, wie sie auch für die Justiz, unter anderem im Text des Art. 98 II, V GG – im Gegensatz zu einer dezisionistischen Legitimationskette und potentiellen „Kaderpolitik“ – vorgesehen ist. Darauf, dass die verfassungsmäßig verankerten Abberufungsmöglichkeiten nicht durch Immunisierungsmechanismen faktisch vereitelt oder erkennbar praktisch unerreichbar gemacht werden, ist ein zentrales Augenmerk auch des Verfassungsrechts zu legen. Die Friedlichkeit des Gemeinwesens als funktionierend demokratisches, nicht autoritäres, hängt entscheidend von ihr ab. c) Die im weiteren Verfassungsrecht angelegten Probleme der Immunisierung, Entkoppelung und geradezu Umkehrung vertikaler politischer Prozesse bis zu einem reinen „Verkauf von Politik“ und Politikmarketing sind nicht in gleichem Maß wie die vorgenannten einer einfachen Lösung auf rechtsdogmatischer Ebene zugänglich. Das Verhältniswahlrecht und eine leitende Rolle der Führungen innerhalb der Parteien haben eine eigene Berechtigung und können nicht verlustfrei eliminiert und kaum einfach ersetzt werden. Auch „primaries“ als Urwahlen sind kaum weniger anfällig für die Beharrkraft von Mandatsträgern und bzw. oder finanzstarken Sonderinteressen, aus der diese alle Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Elektorat, auch mit Hilfe verbündeter Medien, nutzen werden. Eine „Bestenauslese“ intrinsisch verantwortlich Handelnder daraus zu generieren scheint eher noch ungesicherter und unwahrscheinlicher. Vielmehr kann und muss durch die staatliche Rechtsordnung ein klares Augenmerk auf die innerparteilichen Auswahlprozesse und deren tatsächliche Freiheit in allen Dimensionen, Chancengleichheit und Fairness gelegt werden. Um Einschüchterungen möglicher „Abweichler“ mit ihrer Deklaration als Nestbeschmutzer zu begegnen, kann dabei das Strafrecht noch weitergehend erforderlich werden. Vor allem ist ein weit stärkeres rechtliches Augenmerk auf reale Chancenangleichung und Verhinderung hochplutokratisch-korruptiver Einflussnahmen zu richten. Wo effektive parteiinterne ethische und rechtliche Normen für Manipulationen von Wahlversammlungen fehlen, muss das allgemeine staatliche Recht für Klarheit zwischen unlauterem und zulässigem politischem Verhalten
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F. Schluss
sorgen. Die Abgrenzungen der entwickelten Freiheitsdimension (B. II.) kann dafür einen Ansatzpunkt liefern. Nur so lässt sich mit der plausiblen und damit realen Erneuerung der Input-Optimierung eine solche des Outputs und vor allem des Vertrauens in das politische System als wesentlicher Integrations- und Friedensfaktor wiederherstellen. Die Wahrnehmung echter innerparteilicher Demokratie nicht als „Schwäche“, sondern Stärke einer Partei gerade in der medialen Darstellung sprengt hingegen einmal mehr das eigentliche Rechtssystem. d) Allgemeiner ist es ebenso überfällig wie unabdingbar, nicht nur die völkische Willenslehre, sondern die – zwar als deren Bemäntelung, jedoch viel tiefer gehend – längst überholte frühliberal-konstitutionelle Trennung von Staat und Gesellschaft konsequent zu verabschieden. Für das demokratische Gemeinwesen ist die Vorstellung einer bürgerlichen staatsfreien Wirtschafts- und Sozialsphäre im Ansatz verfehlt und in vielerlei Hinsicht auch dadurch schädlich, dass diese Vorprägung nicht klar reflektiert scheint. Die Öffentlichkeit, Inbegriff der politischen res publica, ist nicht teilbar, sondern übergreifend. Nicht zuletzt Entscheidungen und demokratische Meinungsbildung vollziehen sich in komplexen Prozessen, die nicht zwischen beiden Sphären getrennt werden können, schon gar nicht in einem einzigen unidirektionalen und einfachen Volkswillen, der aus der gesellschaftlichen in die staatliche Sphäre umgesetzt würde (D. I.). Die individuelle Freiheit kann nur bewahrt werden, wenn weder sie noch der demokratische Bereich ihrer politischen Betätigung (idealisierte) „Freiräume“ bzw. (reale) Leerstellen jenseits der rechtlichen Dogmatik sind. Wie in anderen Rechtsbereichen selbstverständlich,9 darf die Verfassungslehre nicht vor den vermeintlichen Hindernissen der Pluralität und Subjektivität der Freiheit kapitulieren und bei deren Umfangsbeschreibung, wie seit der ElfesEntscheidung, stehen bleiben, als das Recht für jeden, zu „tun und lassen, was er will“.10 Freiheit als Grundlage der FDGO muss auch inhaltlich erfasst werden, allerdings unter Beachtung eben jener Subjektivität und Pluralität, jenseits von hermeneutischen heteronomen Fiktionen, aber doch im Maß notwendiger objektiver Verständigung. Dazu kann das hier und anderweitig entwickelte Strukturmodell der Freiheit (B. II.) genutzt werden. Die Gleichheit muss hingegen als nicht-objektivierbare politische Größe, mithin (ex posterior) Ergebnis politischer Klärungs- und Aushandlungsprozesse und -diskurse, die offen, frei und fair ablaufen müssen, erkannt werden. Darauf aufbauend können und müssen die politischen Prozesse vor allem in der und über die Öffentlichkeit systematisch und kritisch beleuchtet werden. Ein effektiver Schutz der FDGO vor Zerstörung durch Manipulation demokratischer Prozesse muss und kann sich nicht an der formalistischen Trennung eines unmittelbar staatlich oder außerstaatlich Handelnden festmachen, sondern alleine an der Wirkung. Diese kann etwa in den Dimensionen der Freiheit, vor allem der rationalen, und damit letztlich in der Tradition der Faschismuslehren bis zurück zu Löwenstein und anderen analysiert, abgegrenzt und ihr in Rückkopplung mit den Funktionen der 9 Etwa in §§ 104 ff., 119 BGB, sowie durchzogen in der gesamten strafrechtlichen Dogmatik, worauf in der Habilitationsschrift weiter einzugehen sein wird. 10 BVerfGE 6, 32 (36 ff.).
III. Resilienzen und Lösungen der Vulnerabilitäten
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FDGO entsprechend gezielt begegnet werden, ohne letztere damit wiederum umgekehrt in Gefahr eines zu repressiven Rechtssystems zu bringen. Die notwendige und damit mögliche rechtliche Beachtung muss sich künftig vor allem auf die Rolle der Medien und, zukünftig noch zunehmend, von Interessenorganisationen in und gegenüber der Öffentlichkeit bei Verfälschung von Gleichheit, namentlich aber Verletzungen der Freiheit in all ihren Dimensionen richten. e) Dabei darf insbesondere auch die Rolle der klassischen, hauptsächlich unternehmerischen Massenmedien nicht nolens volens ausgeblendet oder bagatellisiert werden, wenn die FDGO Bestand haben soll. Mit dem politisch geprägten Gesetzgeber darf nicht davor zurückgeschreckt werden, den absehbaren Gefahren unkontrollierbarer Medienmacht noch zu einem Zeitpunkt entgegen zu wirken, wo dies zwar angesichts deren Ausmaß bereits schwer, aber noch möglich erscheint. Dazu kann als erste Basis das allgemeine wirtschaftliche Wettbewerbsrecht, vor allem des Markmissbrauchs und der Unlauterkeit, auch für die Medienmärkte dienen. Dieses muss aber unbedingt durch wirksame spezifische Mechanismen zu Sicherung und Verbesserung der Medienpluralität fortentwickelt werden. Dazu können vor allem ebenfalls, wenn auch zu geringe, Ansätze internationaler und europäischer demokratischer Standards auf Basis von Art. 11 II Alt. 2 GRCh hilfreich sein (E. III. 2.). Bei einer (allerdings fernen) Revision der Grundrechtecharta der Europäischen Union sollte ebenfalls überlegt werden, den Normgehalt, wie durch hauptsächlich die britische Presse über ihre Regierung verhindert, nach erfolgtem Brexit deutlich im Sinn aktiver Gewährleistung zu schärfen. Umso mehr sollte keine Regulierungszurückhaltung bestehen im sekundären Recht der demokratischen und rechtsstaatlichen Union der Mitgliedsstaaten, welche aufeinander vertrauen müssen. Nur begleitend auf Rechtsebene, ist die Förderung realer Chancen im Markt und im Zugang zu diesem zu erwägen, ebenso wie etwa ergänzende staatsferne Kontroll- und Aufsichtsmechanismen jenseits einer zahnlosen presserechtlichen Selbstkontrolle und orientiert eher an den Sicherungen der Binnenpluralität im essentiell erhaltungsbedürftigen staatsunabhängigen öffentlichen Rundfunk. Weiterhin scheint die disziplinierende Behauptung eines Tendenzbetriebs vor dem Hintergrund der FDGO der Hinterfragung wert. Schließlich sollte angesichts ihrer zentralen Bedeutung in beide Richtungen (vgl. D. II. 5.) behutsam und unter striktem Bedacht der Wesenselemente der FDGO über weitere effektive Sanktions- und auch Kriminalisierungsmechanismen besonders grober und dadurch gefährlicher Übergriffe der Medien vor allem in die rationale Freiheit nachgedacht werden.11 f) Darin ist als hier letzter Einzelschritt nochmals die Dogmatik rund um die Kommunikationsgrundrechte und die Öffentlichkeitseinwirkung unter den möglichen Maßnahmen unabdingbarer Resilienzsteigerung zu betrachten (E. IV.). Die formalistische Trennung direkter staatlicher und indirekter beeinflussender Einwirkungen zum Regierungserhalt ist kontraproduktiv. Sie verhindert nicht die Manipulation im Sinn einer nach undemokratischer, wenn nicht autoritärer Herr11
Hierzu auch nochmals vertieft in der anstehenden Habilitationsschrift des Autors.
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F. Schluss
schaft strebender bereits in Macht befindlicher Elite. Allerdings macht sie die Bekämpfung solcher Bestrebungen durch demokratisch verpflichtete Amtsträger in weitem Maß unmöglich bzw. wirkungslos und verweist sie auf den nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz mit allen damit verbundenen Gefahren. Ihre Basis findet sie nur in der künstlichen frühliberalen Trennung, vor allem aber dem (einzigen sachlich so zu bezeichnenden) „Fremdkörper“ der Volkswillenslehre innerhalb der fdVO. Deren Aufgabe und Ersatz im Sinn einer konsequenten Dogmatik aus der FDGO ist ohne weiteres möglich. Eine „Neutralitätspflicht“ des Staates besteht nur im Hinblick auf Religion und Weltanschauung. Die FDGO, das Grundgesetz oder sonst das geltende Recht gebieten aber nirgends die Pflicht der freiheitlichen Demokratie, „sich tatenlos sturmreif für die nächste Diktatur schießen zu lassen“. Sie liegt letztlich indes der prädiktatorischen politischen Theologie Schmitts zugrunde, deren Kehrseite ein Politikdarwinismus mit Hilfe des jeweils von den alten und neuen Führern des von ihnen vermeinten Willens ihres homogenisierten Volks sein soll. All das ist nicht vereinbar mit der FDGO, sondern gerade der Kern dessen, gegen die sie geschaffen wurde, im dringend zu erinnernden Erbe der freiheitlichen republikanischen Demokraten der Weimarer Republik, des Liberalismus und der Aufklärung. Die Resilienz der Verfassungslehre ist direkt abhängig vom Maß, indem dies und die entscheidend dadurch geschaffenen Vulnerabilitäten erkannt werden. Lässt man allerdings diese systemfremde Vulnerabilität hinter sich, fügen sich, teilweise etwa in Amtseiden verankerte und lange anerkannte Amtspflichten, die wehrhafte Demokratie und das restliche Instrumentarium zur Bewahrung der FDGO ohne die Sollbruchstellen Schmitts unproblematisch nahtlos zusammen. Weiterhin muss die Leitidee des „Marketplace of Ideas“ in ihrem produktiven und destruktiven Gehalt erkannt und unterschieden werden. Ersterer liegt in der Wahrnehmung von Interaktions- und Konkurrenzbeziehungen (vgl. D. II. 1., E. I. 4, II. 3., III.) letzterer in der verhängnisvollen Fiktion symmetrischer und voller Rationalität aller Beteiligter (D. II. 2., 3.). Um im Bild zu bleiben, braucht auch der „Markt der Meinungen“ klare Regeln und ein entsprechendes Wettbewerbsrecht, welches aus der FDGO geliefert werden kann. Analogien zur Marktmacht und Unlauterkeit können weiterhin durchaus hilfreich sein. Jenseits einer überkommenen, bislang Weitergehendes blockierenden deutschen Dogmatik stehen Ansätze der EU und des Europarats mit objektiven, fairen und vernünftigen, d. h. nachvollziehbaren, Kriterien bereit, die ausbau- und fortentwicklungsfähig scheinen. Der Europarat hat dies auf den Nenner (allgemein für staatliche Zuwendungen) gebracht.12 g) Letztlich bietet vor allem die Rückführung auf die entwickelten Freiheitsdimensionen eine justiziable, belastbare und damit plausible und friedenstiftende Lösung. Staatlicherseits muss es in allen und alleine nach (grund- und verfassungs-) rechtlichen Vorgaben auszuwählenden präventiven, repressiven und kommunikativen Handlungsformen gleichermaßen erlaubt sein die Freiheit, auch in rationaler 12
Vgl. nur nochmals etwa Art. 1 III CoE Rec (2003) 4, 835. Sitzung, 8. 4. 2003.
III. Resilienzen und Lösungen der Vulnerabilitäten
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Hinsicht, der Betroffenen zu erweitern, als auch Verletzungen und Gefährdungen dieser Freiheit in allen ihren Dimensionen durch Dritte, wer sie auch seien, im für das Gemeinwesen notwendigen Maß, demokratisch-rechtsstaatlich bestimmt, entgegenzuwirken. Die letzte faktische Macht zur Bewahrung der FDGO liegt außerhalb des rein normativen Rechts – durchaus, wie von Schmitt und anderen propagiert, im politischen Kampf. Alleine: Dass dieser Kampf friedlich bleiben kann, setzt die wirksame und akzeptierte freiheitlich demokratische Grundordnung als res publica communis voraus. Es ist die spezifische Berufung des Rechts, die Notwendigkeiten des Handelns, die Abgrenzungen des Schädlichen bzw. Gefährlichen davon, plausibel zu machen und für die Durchsetzung im Rahmen seiner Möglichkeiten Vorkehrungen zu treffen. Dazu hat das Grundgesetz mit der FDGO als Lehre der Vergangenheit ungekannter deutscher Barbarei nicht nur zentrale Anknüpfungspunkte, sondern auch ein konsistentes Fundament hinterlassen.13 Auf ihm direkt – und nicht auf dem unsicheren Grund von zweifelhaftem Schutt vergangener Epochen – muss das Verfassungsrecht und die weitere Rechtsordnung gebaut sein, um aktuellen und zukünftigen Stürmen der Zeiten bestehen zu können, als Teil eines gemeinsamen Hauses mit einem fest zusammenhaltenden europäischen Dach – und nicht nur mit bloßen Brandmauern, die am Ende doch trotz aller vermeintlichen Statik leicht, wie von Löwenstein beschrieben, dominosteingleich mit den Nachbarn fallen können, vor allem wenn das Dach durch Brandstifter von innen oder außen niedergebrannt sein sollte.
13 Dieses ist gesondert intensiv darzustellen, vgl. (letztmalig) m. w. N. Fahrner, Grundordnung, im Erscheinen.
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Sachwortverzeichnis Abberufbarkeit 167, 184 Abberufung 187, 192 – Justiz 190 Abgeordnete 164, 179 abgestufte Chancengleichheit 157 Ablösung 163 Abschottung 144 Absolutheitsanspruch 35 Absprachen, informelle 216 Abstimmungen 181 Abwahlmöglichkeiten 171 ad hoc-Modifikation 250 Agenda-Setting 111, 120, 125, 174, 299 Aggregation 162 Aggregationsmodelle 104 Aggregationsprozesse 95 Aggression 276 f. Aggressivität 261 Akklamation 82, 84, 86, 163 Aktionsmacht 44 aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung 43 Akzeptanz 38, 91, 100, 184 allgemeine Gesetze 246 allgemeine Öffentlichkeit 205 allgemeines Gesetz 266 allgemeines Herausgreifverbot 270 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 50, 235, 249 Allgemeinheit 132 Allgemeinrechtsgut 281 Alternativlosigkeit – vermeintliche 118 Althusius 72 Amtsbonus 283, 289, 294, 297 Amtsträger 162, 165, 171 Amtsverlust 167 Angst 297 Anschütz 281 Ansehen des Staates 275 Antimachiavellismus 168
antinationalsozialistischen Tendenz des Grundgesetzes 263 Antiparlamentarismus 67 Anvertrauen 166 Approbation 175, 218 – und Reprobation 112 Aristoteles 168 Aufhetzung 271 Aufklärung 72, 74, 268, 298 Aufklärungspflicht 47 Aufmerksamkeit 117 – Versammlung 238 Aufnahmen von staatlichen Handeln 275 Aufruhr 242 Aufsicht, gubernative 186 Ausgewogenheit 203 Ausländerfeindlichkeit 262 Ausländerwahlrecht 57 Ausnahmezustand 89 Außenpluralität 200 – Parteien 208, 216 Auszählung 176 autonome Machtzentren 89 Autonomie 91, 97, 183 – Partei 221 Autopoiese 88, 124 autoritär geführte Partei 219 autoritäre Abschirmung 207 autoritäre Herrschaft 198 autoritäres Regime 198 autoritäres System 206 – Medien 207 Autoritarismus 184, 191 Autorität 39 bad tendency-Test 276 Bannkreis 279 Baudrillard 124 Beauftragung 164 Bedrohungsszenarien 115 Beeinflussbarkeit 167
356
Sachwortverzeichnis
Beeinflussung 142, 189, 207, 210 f., 295 Beflissenheitskultur 193 begrenzte Rationalität 48 begrenzte Rationalität 256 Begriffsjurisprudenz 35 Beobachtung 288 Berater 110, 118 Berichterstattung, ungehinderte 179 Besatzungsrecht 264 Beschimpfen 268 besonders befriedeter Bezirk 279 Beteiligungsanspruch 144 Beteiligungschance 136 Beteiligungsrechte 139 Bevölkerungsmehrheit 213 Binnenpluralität 213 – Medien 214 – Partei 220 Blase 124 Blühdorn 124 Böckenförde 56, 58, 84, 104, 181, 189 f., 292 Bodin 68, 72 bouche du loi 128 bouche neutre 294 Boykotthetze 264 Brokdorf-Entscheidung 225 Bundesbank 83 Bundespräsident 289, 291, 294 Bürgerfriede 268 Bürgerkrieg 77 Bürgerzeitungen 215
Chancengleichheit 84, 145 f., 202, 208, 284, 288 – Opposition 198 – Parteien 150, 195 Chaostheorie 123 checks and balances 66, 80, 127, 169, 188 Cicero 72, 134 clear and present danger-Test 276 Coaching – Partei 217 Constant 55 content discrimination 258 corruptio 147 cross-pressure-Einflüsse 116, 121
DDR 27, 30, 208 Déclaration de Droit de l’Homme 69 Deep-Data-Mining-Analytik 141 Defensor Pacis 72 Deklarierung von „Verfassungsfeinden“ 291 Delegation 130 délégation légale 184 Delegitimierung 146, 163, 186 Deliberation 99, 103, 112, 131, 133, 163, 178 Demokratie – absolute 188 – dysfunktionale 163 – exogen-absolute 87 – homogen-identitäre 87 – identitäre 64 – illiberale 102 – Konkordanz- 209 – Meridian- 159 – neo-absolutistisch 59, 79 – neo-identitär 57, 60, 79 – Prinzipiencharakter 183 – tatsächlich wertfreie 85 Demokratiedarwinismus 92, 148 Demokratietheorie – absolut-neoidentitär 92 Demokratischer Block, sog. (DDR) 208 Demoskopie 174 Desinformation 200 Dezisionismus 86 Dialog 174 Diffamierung 286 digitale Medien 206 Digitalisierung 214 Diktator 82, 87 Diktatur 81, 86 f., 99, 102, 185, 262 f. – der Mehrheit 131 Diskreditierung 115, 297 – innerparteiliche Opposition 217 Diskriminierungsverbot 274 Diskurs 96, 106, 112, 219, 239, 274 Diskursivität 236 Disziplinarrecht 267 Dominanz 116, 201, 212 double-bind-Effekt 163 doublebind-Konstruktionen 116 Downs 104
Sachwortverzeichnis Dreier 87 Drews 281 Dynamik der Informationsvermittlung
117
Echokammern 125 Ehre 272, 283 – des Staates, sog. 275 Eigenmacht 45 Eigentum 46, 235 Eigentumsverhältnisse – Transparenz bei Medien 212 Eigenverantwortlichkeit 51 Einbahnstraße des sog. Volkswillens 224 Einflussnahme 199 Einschüchterung 273, 276 – Versammlung 247 Einschüchterungseffekte 51, 141, 179, 193, 263, 276 – faschistische 116 Einstimmigkeit 130 eiserner Vorhang 144 Elektoren 176 Elemente 31 Elite 196, 212, 216, 294 Elitenrekrutierung 196 Emotionalisierung 114, 142, 274, 276 Emotionalität 243 Entfremdung 120 – von Parteibasis 218 Entgrenzung 116 Entkoppelung 125 Entkoppelungseffekte 123 Entpolitisierung 125 Entscheidung – Beständigkeit 100 – Durchsetzung 100 – Zeitpunkt 100 Entscheidungskalküle 47 Entscheidungsrationalität 47 Entscheidungsregel 131 Entscheidungstheorie 47 Enttäuschung 115 Enumeration 127, 166, 195 Erlaubnisvorbehalt 231 Erwartungssicherheit 45 Evidenzkontrolle 222 Ewigkeitsschutz 84
357
Existenzminimum 134 – sozial-politisches 134 Extremismus 91 face-to-face-Dialog 119 fairer Wettbewerb – Parteien 211 Fairness – Wahlen 200 fake news 109, 125, 237 Faschismus – Techniken 114 FDGO 27 fdVO 28, 99, 143, 186, 238, 243, 272, 279, 287, 299 – Schutzgut der öffentlichen Sicherheit 279 Federalist Papers 75 Ficino 73 fighting words 259, 276 Filmfreiheit 228 Filterblasen 125 finanzielles Transparenzgebot 223 Fischer 278 Flagge 241 Fokussierung 299 Fokussierungsansatz 271, 299 – Sonderrechtslehre 251 Foren 136 Fortschritt 36, 268 Fortschrittlichkeit 36 Forum 178 forum externum 226 Fraenkel 158, 225, 265 Fraktionszwang 140 Framing 82, 111, 115, 142, 174, 297, 299 free-speech-Dogmatik (USA) 259 freier Meinungskampf 257 freies Macht- und Kampfspiel 249 freies Mandat 196 freiheitlich demokratische Grundordnung 27 freiheitlich demokratische Verfassungsordnung 28 Freiheitsgrundrechte 31 Freiheitsressourcen 46 Freiheitssteigerung 298 freiwillige Selbstkontrolle 206
358
Sachwortverzeichnis
fremde Mächte 142 f., 293 Freud 108 Freund-Feind-Denken 78, 116 friedliches Argument 271 Friedlichkeit 30, 37 Fröbel 74 Frühliberalismus 146 Frustration 117, 142, 218 Führer 67, 76, 78, 81, 99, 107, 185 Führerdemokratie, sog. 54 Führerdiktatur 99 Führerprinzip 185 Furcht 114 Fusionkontrolle 201 Gate-Keeper 120 Gefahrenabwehr 299 Gefahrenabwehrrecht 279 Gegendarstellung 283, 286, 299 Gegenöffentlichkeit 136 Geheimhaltungsinteresse 241 geistige Auseinandersetzung 238 Gelehrtendiskurs 109 Gemeinwohl 35, 98 Gemeinwohlorientierung 196 Gemeinwohlpluralismus 35 Generalklausel 282 Generalklausel, polizeirechtliche 279 Genossenschaft 91 Gerechtigkeit 46 Gerichtsbarkeit 83 Gerichtsöffentlichkeit 137 Gesamtlegitimationsniveau 189 Gesamtöffentlichkeit 136 Gesamtrepräsentation 170, 196 Gesellschaftsvertrag 88 Gesetz 39 Gesetz der Oligarchie 163 – in Parteien 217 Gesetzesbindung 100, 185 Gesetzesvorbehalt 235 Gesetzlichkeit 40 Gesetzmäßigkeit 127 Gesinnungsstrafrecht 261 Gesundheit 46 Gewalt 37, 44, 140, 147, 243, 277 f.
Gewalt- und Willkürherrschaft 30, 33, 37, 85, 106 – Werbung für 263 Gewaltenteilung 61, 69, 127, 192, 208 Gewaltmonopol 37, 76, 91 gewalttätiger oder aufrührerischer Verlauf 242 Gewalttätigkeit 242 Gewaltteilung 185 Gleichbehandlung 145 Gleichheit – demokratische 56 – effektive 145 – formale 147 – Stimmwertgleichheit 146 – strikt schematische 149 – Wirkungsmächtigkeiten 148 – Zählwert, Erfolgswert 147 Grundrecht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme 50 Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung 50 Grundrecht auf Petition 172 Grundrechte 129 Grundvertrauen 166
Habermas 108, 119, 121, 159 Habituierung 297 Handlungs- und Arbeitskraft 46 Häntzschel 268 harm-Dogmatik 260 Hass 277 Hausrecht 282 Heilsbotschaft 115 Hemmschwellen 278 Herdeneffekte 123 Herrenchiemsee 27 Herrschaft 165 Hesse 149, 156, 212 heteronome Projektion 34 Hetze 292 Hobbes 68, 73, 76 Hochverrat 77, 269 Hoegner 31 Holmes 105 Homogenisierungsprozesse 80
Sachwortverzeichnis Homogenität 67, 75, 79, 102, 132 f. – substantielle 87 Homogenitätsminimum, vermeintliches Hüter der Verfassung, sog. 292
85
Identität 75, 82, 102 – Fiktion 182 Image 124 imminent lawless action-Test 276 Immunisierung 119, 123 f., 163, 184, 198 f., 213 – gegen Abwahl 217 – Medien 206 – Vorauswahl Parteien 216 Immunisierungsmechanismen 198 Immunität 179 Impeachment 172 inciting imminent lawless action 259 Indemnität 179 Information 283 f., 295 f. information overload 117 Informationsfreiheit 230 Informationsgesellschaft 117 Informationsgleichgewicht 285 Informationskosten 121, 213 Inkompatibilität 222 innere Angelegenheiten 144 innere Ordnung – Partei 219 Input-Legitimierung 93, 95 Input-Maximierung 133 Insellösung 84, 141 Inszenierung 124 Integration 41, 87, 91, 94, 96, 125, 136, 175 – funktionale 98 – supranational europäisch 83 – symbolisch-rationale 131 – verfassungsfeindliche Vereinigung 238 Integrationsfunktion 42 – Bundespräsident 289 Integrationsoffenheit 43 Integrationspotential 124 Interessengruppen 121, 213 Interessenorganisation 197 Interessenverband 195, 197 Internet 205, 207, 228 Inzest-Urteil 252
359
Irrationalisierung 116, 199, 274, 296 f. – rationale 199 Irrationalität 106, 113, 116, 198 – volatile 113 Irrtum 47 Isolierung 116 Jefferson 106 Judenfeindlichkeit 262 Jugendschutz 250, 283 Justi 74 Justizbehörde 192 Kampagne 142, 212 Kampf um die Verfassung 292 kämpferisch-aggressive Haltung 238 Kampfrecht 84 Kandidatenaufstellung 101, 221 Kant 47 Kapazitätsgrenze 231 Karriereorientierung 217 Kartell 207 – Bildung 213 – Kontrolle 201 – Presse 205 Kelsen 219 Kennzeichen 249 Klientelismus 147 knowledge gap 117 Koexistenz 144 Kohärenz 96, 186 Kollektivierungen 28 Kollektivismus 33 kollidierendes Verfassungsrecht 235 Kollusion politischer Akteure 190 Kommunalaufsicht 186 Kommunalautonomie 185 Kommunalvolk, sog. 187 Kommunikation – mediale 119 – unmittelbare 119 Kommunikationsblasen 116 Kommunikationsgrundrechte 225 kommunikatives Stammgrundrecht 226 Kommunistische Partei Deutschlands 29 Komplexität 112, 116 Komplexitätsreduktion 111 f., 194 Kompromissfindung 131
360
Sachwortverzeichnis
Konfliktlösung 39 Konformismus 108 Konkordanzdemokratie 209 Konkurrenzkampf – Parteien 208 Konsens 131 Konsistenz 96 Kontrolle – der Rechtsprechung 192 Kontrollfunktionen 172 Kontrollinstanzen 189 Kontrollmechanismen 131, 186 Kontrollmittel 167 Kontrollrechte 180 Korruption 163, 186 Korsika 69 KPD 29, 35 Kriele 88 Kues 73 Kundgabeinhalt – extremistisch 246 Kunst, Begriff 227 Kunstfreiheit 226 f., 240 Kybernetik 47, 52 laisser faire, laisser aller 257 Länderverfassungen 27 Le Bon 107 Leben 46 Legitimationskette 83, 90, 168, 181, 193 – Fiktion 102 – gesetzliche 71, 184 – institutionelle Dimension 185 – Legitimationszusammenhang 182 Legitimationsniveau 183 Legitimationszusammenhang 182 Legitimierung – formale 171 Legitimität 99 Lehensherrn 90 Leib und Leben 235 Leibholz 196, 219 Lenin 81 Lernfähigkeit 36 lex de imperio 71 f. Lichtspielfreiheit 228 Limmer 241 liquid democracy 113
Listenplätze, sichere 216 Listenwahlsystem, Problem 216 Lobbying 173, 197 Lobbyismus 158, 199, 223 Lobbyregister 212 – Transparenz 223 Locke 73, 165 Löwenstein 29, 114 Lüth-Urteil 246 Lynchmob 106 Machiavelli 73, 168 Macht auf Zeit 171 Machtblasen 273 Machtergreifung 114, 293 Machterhalt 163 Machtmissbrauch 295 Machträume 116, 278 Machtsicherung 114 Machtspiel 294 Machtspruch 98 Machtzentren 165 Machtzonen 278 magistratische Stellung 165 mainstream 123 Majorisierung 146 – oktroyierte 131 – Richterwahl 193 Manchester-Liberalismus 257 Mandatierung 90 Manipulation 82, 141, 143, 177, 271, 294 – 296, 299 – Verbot 299 Marketing 114, 118, 218 Marketingtechniken 218 marketplace of ideas 104, 127, 143, 154, 201, 259 f., 294, 296 marketplace of ideas 199, 215 Markt, politischer 150, 201 Marktbeherrschung – Presse 205 Marktmacht 143, 152 Marktmechanismen 296 Marktredlichkeit 201, 215 Marktzugang – Partei 210 Marktzutritt 109 Marsilius von Padua 72
Sachwortverzeichnis Masing 260 Masse 107, 159 Masseneffekte 115, 123 Massenmedien 119, 125, 177, 205 Massenphänomene 109 Massenpsychologie 107, 109, 242 Massenpsychologische Effekte 111 Mediatisierung 119 Medien 123, 135, 143, 177, 194 – digitale 206 – Eigeninteressen 122 – Gleichbehandlung der Parteien 153 – grundrechtlicher Begriff 228 – Marktkonzentration 122 – unternehmerische 122, 159 Medienagenten 120 Medieneigentum 212 Medienfreiheit 228 Mediengrundrechte 228 Medienlogik 120 Medienmacht 84, 121, 123, 190 Medienmogul 206 Medienplattformen 206 Medienpluralismus 84, 202, 207 Medienstrategien 121 Mediensystem 198 Medienunternehmen 213 Medienvielfalt 214 mediierende Agenten 148, 158 mediierende Akteure 159, 228 Mediierung 198 Mehrheit 109, 127, 131, 190 – Tyrannei der 126 Mehrheitsentscheidung 98 Mehrheitskonsens 271 Mehrheitsmeinung 275 Mehrheitsprinzip 97 Mehrheitswillen 95 Mehrparteienprinzip 195 Mehrparteiensystem 202 Meinungsbildung 102, 132, 135, 137 f., 142 f., 151, 163, 173, 196, 284 Meinungsbildungsprozesse 224 Meinungsfreiheit 230 Meinungskampf 288 Meinungsmacht – Gefahr 203 meinungsmarktbeherrschende Stellung 213
361
Meinungsneutralität 246, 257, 260 Meinungsvielfalt 206, 214 Membranen 123 Menschenwürde 32 f., 40, 52, 85 – als Schranke 236 – Schutz 272 Meridian-Demokratie 159 Metöken-Paradoxon 80 militant democracy 29, 107, 264, 272 Militarisierung 273 Mill 105, 109, 260 Milton 105 Minderheit 40, 99, 109, 124, 127 – Rundfunkrat 203 Minderheitenschutz 98, 234 – Meinungsfreiheit 243 Minderheitsregierung 209 ministerialfreie Räume 187 Misstrauensvotum 172, 185 money is speech 158 Montesquieu 75 Morlok 157 Motivirrtum 141 Nachrichtenwert 122 Nachvollziehbarkeit 30 Narrativ 124 Nationale Front der DDR 208 Nationalhymne 241 Nationalsozialismus 263 f. Nationalsozialismus 30 nationalsozialistische Organisation 249 Nationalversammlung 267 Naturrecht 35 Negativdefinition 275 Nestbeschmutzer 222 f. Netzneutralität 206 Netzwerk 135 Neutralität 142 f., 151, 234, 257, 296 – absolute 258 – Monstranz der 160 – strikte 152 – Weltanschauung 34 Neutralitätspflicht 143, 288 f., 292 Nötigung 141, 243 Notkooptationsinitiative 190 NPD 32 NS-Ideologie 250, 262
362
Sachwortverzeichnis
NS-Propaganda 257 NS-Staat 33 NS-Unrechtsstaat 265 offense-Dogmatik 260 öffentliche Meinung 104, 133, 139, 173, 195, 203, 230, 294 öffentliche Ordnung 247, 253, 255, 263, 282 öffentliche Sicherheit 247, 254 f., 279 – Definition 280 öffentlicher Frieden 249, 275, 277, 279, 282 Öffentlichkeit 103, 117, 119, 122, 129, 134, 146, 150, 184, 190, 192, 197 – 199, 207, 211, 213, 219, 224, 226, 230, 241, 274, 276, 283 f., 291 – Arenen 123, 136 – friedliche 273 – Konstrukt 135 – Manipulation 123 – Parlament 178 – Zugang 202, 231 Öffentlichkeitsarbeit 101, 283 f., 295, 297 – formeller Verfassungsschutz 287 Öffentlichkeitsbeeinflussung 199 Öffentlichkeitsdarstellung 291 Ohnmacht 38, 98, 114, 122, 132, 218, 243, 275 f., 278 Olson 104 opinion leader 126 Opportunitätsprinzip 193 Opposition 78, 99, 162, 180, 198, 201, 209, 285, 294 – innerparteiliche 216 – Recht auf 208 – Recht zur freien und unbehinderten parlamentarischen 180 Oppositionsparteien 149 Ostblock 27 Output-Legitimierung 93, 170 Output-Maximierung 131 Parlament 164, 178, 287 parlamentarische Opposition 209 Parlamentarischer Rat 27, 191, 264, 266 parlamentarisches Regierungssystem 31, 87, 178 Parlamentsmehrheit 188
Parlamentsöffentlichkeit 137 Parlamentspolizei 179 Partei 84, 86, 118, 150, 159, 177, 194 f., 244 – Marktzugang 210 Parteibasis, Ablösung von 217 Parteiendemokratie 209 Parteienfinanzierung 84, 151, 155 Parteienstaat 181 Parteijugend 217 Parteipolitik und Justiz 191 Parteiprivileg 254, 290 Parteiprogramm 118 Parteisolidarität 222 Parteispenden 212 Parteiverbot 290 Parteiverbotsverfahren 287 partielle Öffentlichkeit 273 Partikularinteressen 196, 198 Partizipation 133, 184 Partizipationskosten 123, 140 Pay-per-View 204 Peripherie 100, 113, 123, 165, 169, 184 perpetuatio officii 190 personale Rechtsgutslehre 278 Personalhoheit der Exekutive 191 Petition 172, 241 Petitionsrecht 179 Pico 73 Platon 106, 168 Plausibilität 39, 135 Plausibilität 299 Plebiszit 162 Pluralismus 34 Pluralität 199 – Medien 200 Pluralstimmenrecht 146 Plutokratie 159 points of reason 122 Polemik 292 Politikmarketing 118, 218 politische Polizei 281 politische Verbände 194 politisches Kapital 95, 219 Polizeistaat 282 Polyarchie 66, 181 Polykratie 76 Popitz 44 Popper 37, 75, 89
Sachwortverzeichnis Populismus 114 Positivismus 86 postfaktisch 124 pouvoir constituant 61, 69, 77, 82, 84 f., 88, 294 pouvoir politique neutre 128 PrALR 280 Presse 203, 214, 267 Pressefreiheit 204, 228 Pressekartellrecht 205 Pressesubvention 204 Presseverantwortlichkeit 266 Pressuring 158, 174, 197, 201 Preuss 65 Priming 111, 297 Principe 73 Privatheit 50, 141 Professionalisierung 218 Programmfreiheit 228 Propaganda 257 Propaganda 297 Propagandamittel 246, 249 PrOVG 281 Provokation 242 prozedurale Koexistenzbedingung 208 Publikation 232 – Entscheidungsakte 137 – Formen 120 Publizität 166 – des staatlichen Handelns 134 Putin 207 Quotierungen Listenplätze
216
Radikalisierungsblasen 136 Rahmenbedingungen 296 Räsonnement 126, 137 Rasse 115 rational choice 104 rationale Irrationalisierung 199 rationale Überflutung 116 Rationalisierbarkeit 99 Rationalisierung 97, 135 Rationalität 47, 86, 95, 109, 236 – individuelle 49, 110, 112 f. – objektive 49 – ökonomische 110 – subjektive 48, 99, 108, 112
363
– substantielle 97 Rationalitätserwartungen 115 Rationalitätsprobleme 126 Rationalitätssteigerung 299 Rationalitätsvorsprung 113, 164 Rechenschaft 299 Rechenschaftslegungspflichten 171 Rechnungslegung 186 Recht auf Gegenschlag, sog. 286 Recht auf Opposition 208 Recht auf Vergessenwerden 50 Rechtsbruch 276 Rechtsfrieden 242 Rechtsgut 249, 271 – Findungsbefugnis des Gesetzgebers 252 Rechtsschutz 184 Rechtssicherheit 40, 127, 185, 278 Rechtsstaat 61, 86, 88, 126, 131, 184, 190, 255, 273 Rechtsstaatlichkeit 39, 189 Rechtssystem 128 Redakteursautonomie 215 Redaktionsarbeit 229 Refeudalisierung 159 Regierung 165 Reichspräsident-in-Badehose 292 Reife 133 reine Rechtslehre 88 Rekrutierung der Eliten 169 Religion und Weltanschauung – Delikte zum Schutz 277 Religions- und Weltanschauungsfreiheit 226 Repräsentation 81, 92 – formale 165 Repräsentation 164 Repräsentativität 164 Reprobation 175 Republikschutzgesetz 268 res publica 127, 134 Reservefunktion des Bundespräsidenten 289 Resilienz 174, 188 – delegative 167 – EU 200 Resonanzraum 123 Responsabilität 166, 174 f. responsible government 170
364
Sachwortverzeichnis
Responsivität 39, 117, 167, 171, 174 f., 213 Revidierbarkeit 177 Revokation 89 f. Richteranklage 194 Richterdienstgericht 193 Richterliche Unabhängigkeit 83, 127, 185 Richterselbstverwaltung 193 Robespierre 78 Rousseau 58, 66, 76, 79, 82, 95 Rückbeziehung 102 Rückbindung 93, 162, 186 – extrinsische 171 – Justiz 190 Rückholbarkeit 83, 90, 97, 184, 192 Rückkopplung 95, 102, 133, 137, 151, 163, 177 f., 181, 196, 198 f., 209, 213, 295 – effektive 196 – formale 175 – innerparteilich 219 – interne, intrinsische 168 – Justiz 189 – kommunikative 172 – Schwächung durch Parteien 216 Rückkopplungsbeziehungen 185 Rückkopplungsprozesse 297 Rühl 265 Rundfunk 214, 267 Rundfunkfreiheit 228 Rundfunkrat 203 Russland 207 Sachlichkeit 203, 285, 288 Sachlichkeitsgebot 299 Sachzwänge – vermeintliche 118 salus populi suprema lex 94 Säuberungen, sog. 80 Scharnierfunktion des Strafrechts 247, 271 Scheindemokratie 138 – autoritäre 163 – plutokratische 159 Schiedsgerichtsbarkeit – Partei 222 Schmähkritik 289 Schmitt 56, 58, 69, 74, 79, 82, 84 – 87, 102, 104, 160, 181, 260, 292 Schmitts 92 Schranken-Schranken 234, 273
Schumpeter 104 Schutz von Staatssymbolen 240 Schutzbereichsausschluss 253 Schutzpolizei 281 Schweigespiralen 125 securitas 280 SED 27 Selbstbestimmung des Volkes 54 Selbstkontrolle – Presse 214 Selbstradikalisierung 107 Selbstregierung 95 Selbstregulierung – Scheitern 212 Selbstverwaltung 61, 183, 187 – funktionale 183 Selbstzensur 207 semirationales System 207, 211 Semirationalität 142, 217 Sendezeit 153 Separatismus 91 Septemberrevolution 1848 241 shareholder-value 122 Shays’ Rebellion 75 shitstorming 123 Sicherheit 76, 127 Sicherheitspolizei 281 Sicherung 80 Sieyès 69, 90 Simplifizierung 118 Simulation 124 – parteiinterne Demokratie 219 Sittengesetz 268 Sittliche Freiheit 51 Sitzblockaden-Entscheidungen 242 Skandalisierung 50, 118 Smend 41 Smend 98 Smith 105 social bots 123 Sonderrecht gegen rechts 265 Sonderrechtslehre 226, 244, 251, 266 – Alternativen 261 – Fokussierungs-Ansatz 251 – Kundgabeunabhängigkeits-Ansatz 251 – materielle 268 – Strafbarkeits-Ansatz 252 – tradierter Rechtsguts-Ansatz 252
Sachwortverzeichnis Sonderrechtsverbots 244 Sorgfältigkeit der Öffentlichkeitsarbeit 285 Souveränität 54, 66, 68, 76, 85 sowjetisch besetzte Zone 264 Sozialistische Reichspartei 29 Spartakusaufstand 281 Spenden an Parteien 150, 154 Sperrklauseln 147 Sperrminorität 130, 193 Sperrwirkung 254, 290 Spezialisierung 100, 112 f., 162, 164 Spitzenkandidat 196 Splittergruppen 153, 159 SRP 29 staatliche Kommunikation 293 Staatsangehörigkeit 96 Staatsanwaltschaft 192 Staatsferne des Rundfunks 151 Staatsfreiheit 156 Staatsneutralität 294 Staatsschutzrecht 144 Staatssymbole 249 Stabilität 84 stakeholder 207 stakeholder-value 122 Stalinismus 264 Stammwähler 118 status activus 139, 224 Stimmenkauf 147 Stimmfreiheit 147 Stimmrecht – innerparteilich 220 Strafandrohung 249 1. StrÄG 29, 31 streitbare Demokratie 28, 79, 239, 272 Stress 115, 142, 297 Suggestivkraft 202 Systemdarwinismus, politischer 292 Systemgerechtigkeit 186 Systemparteien, sog. 115 Systemtheorie 36
Tabuisierung 249 Tatsachenbehauptung 231 – bewusst unwahr 237 – Gegendarstellung 286 Täuschung 47, 271
Techniken – Faschismus 114 Technokratie 99 Teilhabe 134 Teilnahmechance 133 Teilöffentlichkeiten 136 Tendenzbetrieb 215 Tendenzverbot des Jugendschutzes terreur 71, 78 Thoma 267 Thomasius 74 Tocqueville 75 Totale Demokratie, sog. 55 totalitäre Unterdrückung 207 Totalitarismus 28 tranquilitas 280 Transaktionskosten 213 Transparenz 136, 186, 212, 299 – innerparteilich 219 Transparenzgebot 99 – Parteifinanzen 223 Transparenzvorschriften 212 Treuepflicht zur Verfassung 239 Trump 109 Trust 166 Tyrannei der Mehrheit 126 Überforderung 114 f., 125, 142 Überwachungskosten 169 Umerziehungs-Sanktion 275 Umwelt 46 Unabhängigkeit – institutionelle 190 – politische Partei 298 Unfriedlichkeit – primäre 278 – sekundäre 278 Uniformierung 273 – Verbot 263 Uniformverbot 268, 277, 279 Untergrabung 184 Unübersichtlichkeit 121 Ursurpator 82 Utilitarismus 146 v. Gierke 91, 281 Verächtlichmachen 268 Veranstaltungen 282
365
250
366
Sachwortverzeichnis
Verantwortlichkeit 166, 171, 178, 187, 299 Verantwortungszurechnung 100 Verbandsvolk, sog. 187 Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts 248 Vereinigungsfreiheit 230, 245 Vereinigungsverbot 238 Verfälschung 297 f. Verfassung von 1848/49 241 Verfassungsfeind 257 verfassungsfeindlich 84, 88 verfassungsfeindliche Bestrebung 246 verfassungsfeindliche Kundgaben 244 verfassungsfeindlicher Wahlwerbespot 155 Verfassungsfeindlichkeit 290 – von Abgeordneten 179 Verfassungsgerichtsbarkeit 129 verfassungskonforme Auslegung 282 verfassungsmäßige Ordnung 28, 43, 238 – Strafbare Missachtung 279 verfassungsrechtliches Friedensgebot 262 Verfassungsrevolution 84 Verfassungsschutz – formeller 287, 291 Verfassungsschutzbericht 287 Verfassungstreuepflicht 292 Verhältnismäßigkeit 274, 299 Verhältniswahl 147 Verherrlichung der NS-Ideologie 262 Verhetzung 274 Verlässlichkeit der Öffentlichkeitsarbeit 285 Versailler Vertrag 281 Versammlung – Begriff 229 – friedlich 233, 241 – gewalttätig 242 – gewalttätiger oder aufrührerischer Verlauf 242 – inhaltsbezogene Anknüpfung 250 – Masseneffekte 108 – Schranken 246 – unbewaffnet 233, 238 – unfriedlich 236, 238, 263, 277 Versammlungsfreiheit 229 Verschwörungserzählungen 115 Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit 229 Verunglimpfung 273
Verwirkung 238, 240, 254 Vielfalt 199 viewpoint discrimination 258 viewpoint-doctrine 260, 269 virtú 168 Volk 53, 59, 63, 96 Völkerverständigung 238, 246 völkische Ideologie 67 völkischer Gesamtwille 292 Volks-Gericht 60 Volksdemokratie 28 Volkseinheit, sog. 77 Volksherrschaft 28, 64 Volkshomogenität 78 Volkssouveränität 57, 65, 70, 72, 74, 81, 87 f., 91, 127, 182 – absolute 75 – identitär-dezisionistische 78 – identitär-willkürliche 80 – Prinzipiencharakter 183 – WRV 67 Volkstum 59 Volkstümlichkeit – echte und inszenierte 169 Volksvertreter 178 Volksvertretung 164, 175, 188 Volkswille – aktueller 85 Volkswillen 63, 72, 82, 84 f., 100, 129, 132, 160, 181, 283 – exogen 101 – exogen, absolut 59 – exogener 260 – Fiktion 80 – „wahrer“ 81 Volkswillenssouveränität 88, 93 Volkswillkür 63, 68, 85 Volkszählungsurteil 50 Volkszugehörigkeit 96 Volkwillen 101 volonté générale 62 Vorabsprachen 216 Vorauswahl 199 f. Vorratsdatenspeicherung 233 Vorverlagerungsmodell des BVerfG 130 Vorwahl 150, 200, 216, 220 Vorwahlphase 293 Vorwahlzeit 299
Sachwortverzeichnis Vorwirkung 222 Vorzensur – formelle 232 – indirekte 233 Vorzensurverbot 232 vox populi, vox Dei 106, 126 Vulnerabilität 184 – faktische 189 – Medien 214 Wahl 286 Wahlanfechtung 143 Wahlaufsicht 222 Wahlbeteiligungsparadox 113 Wahlchancen 176 Wahlcomputer 176 Wahlen 175 Wählerstimmenmarkt 210 Wählertäuschung 141 Wahlforschung 110 Wahlgeheimnis 50, 141 Wahlgleichheit 101 Wahlkampf 101, 288 Wahlkampfkostenerstattung 151 Wahlomat 177 Wahlpropaganda 150 Wahlsystem 175 Wahlvorbereitung 150 Wahlvorschlag 130, 150, 220 Wahlvorschlagrecht 176 Wahlwerbung 143, 150, 177, 203, 285, 295 Wahrheit 268 Wahrheitskriege 73 Warnung 140, 283, 285, 287, 289, 295, 299 Weber 38, 217 Weblinks 228 Wechselwirkungslehre 226, 244, 279 wehrhafte Demokratie 28, 239, 272 Weisungsrecht 100 Weltanschauung 34
367
Wertfreiheit, sog. 293 Werturteil 230, 286, 288 Wesensfremder 78 Wesentlichkeitsvorbehalt 185 Wettbewerb – Parteien 152, 208 Wettbewerbsneutralität 156 Wettbewerbsrecht 201 Widerstandsrecht 89 Willensbildung 93, 152, 162, 209 f., 218, 283, 295, 297 Willensbildung des Volkes 56, 101, 224, 289 Willensformierung 82 Willensvereinheitlichung 92 f. Willkür 39, 86, 127, 160, 185, 188 Willkürdiktatur 185 Willkürherrschaft 85, 126 Wirkbereich 227 Wissenschaft, Begriff 227 Wissenschaftsfreiheit 226 f., 237, 241 Wunsiedel-Entscheidung 248, 258 Würde – NS-Opfer 275 Wutbürger 113 Zählwertgleichheit 176 Zeitdruck 297 Zensur 105, 232 Zensurverbot 232, 266, 271 Zentrum-Peripherie-Modell 165 f`om pokitij|m 139 Zugang zur Öffentlichkeit 231 Zugangschancen – Medienmarkt 206 Zulassungsverfahren 231 Zwang 44, 140, 147, 177, 196 Zwietracht 277 Zwischenrechtsgut 249