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German Pages 282 Year 2014
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 438
Vorvertragliche Informationspflichten im Due Diligence-Verfahren
Von
Eun-He Park
Duncker & Humblot · Berlin
EUN-HE PARK
Vorvertragliche Informationspflichten im Due Diligence-Verfahren
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 438
Vorvertragliche Informationspflichten im Due Diligence-Verfahren
Von
Eun-He Park
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Wintersemester 2013/2014 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation aufgenommen. Neuere Entwicklungen, Rechtsprechung und Literatur konnten bis Herbst 2013 berücksichtigt werden. An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Stephan Lorenz für seine Betreuung bei der Erstellung dieser Arbeit danken. Stets hat er diesen Prozess mit besonderem Interesse begleitet und ihn mit wertvollen Ratschlägen und Anregungen bereichert. Als ein begeisterter Lehrer und Wissenschaftler hat er mir das so oft komplexe Zivilrecht mit seiner ihm eigenen Leichtigkeit vermittelt. Herrn Professor Dr. Peter Kindler danke ich ganz herzlich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens und dessen zügige Erstellung. Ein besonderer Dank gilt Professor Dr. Jae-Hyung Kim an der Seoul National University, der mich stets zur wissenschaftlichen Arbeit ermutigte und mir letztendlich den Weg nach München ermöglicht hat. Dank schulde ich nicht zuletzt der Konrad-Adenauer-Stiftung für das großzügige Promotionsstipendium und den Druckkostenzuschuss. Ohne meine Freunde und Kollegen, die mich mit fortwährender Unterstützung, Aufmunterung und Ermutigung in dieser Münchener Zeit begleitet haben, wäre diese Arbeit undenkbar. Mein ganz besonderer Dank gilt Stephanie Müller und ihrer Familie, Sarah Schwarzenberg, Sungji Hong, Jinha Noh, Siyoung Kim, Donghyok Hwang, Jihyun Kang, meinen lieben Mitbewohnern der Hedwig-Dransfeld-Allee und nicht zuletzt der Lehrstuhlfamilie, die mich so herzlich am Institut für Internationales Recht aufgenommen hat. Jutta Esser und Sarah Schwarzenberg danke ich ganz herzlich für das Korrekturlesen des Manuskripts. Meinen Eltern, die mich über all die Jahre mit Liebe und Zuversicht unterstützt haben, bin ich zu tiefstem Dank verpflichtet. Ihnen sei diese Arbeit daher gewidmet. Seoul, August 2014
Eun-He Park
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 1 Der Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 A. Das Informationsproblem beim Unternehmenskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Abgrenzung und terminologische Klärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Zum Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Die Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Die Wahrheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Der Begriff der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Due Diligence als Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Due Diligence als Informationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 § 2 Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
1. Kapitel Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
33
§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 § 2 Die Bestimmung des Kaufgegenstands auf schuldrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . 34 A. Das Unternehmen als Kaufgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Anteilskauf vs. Unternehmenskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Die „Wirtschaftlichkeit“ des Unternehmens im juristischen Sinne . . . . . . . . 38 C. Der Fortführungswille des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 D. Für den Unternehmenskauf typische Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 § 3 Gestaltung auf der dinglichen Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 A. Keine spezielle Vollzugsform des Unternehmens vorhanden . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B. Der Share Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Der Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
10
Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
50
§ 1 Der Interessenkonflikt beim Share Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 A. Das Dreiecksverhältnis beim Share Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 B. Die Kompetenzverteilung in der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Die Rechtslage in der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Der Informationsanspruch des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Die Informationsbefugnis des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Die Verschwiegenheitspflicht des Vorstands nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG . 55 4. Das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Die Rechtslage in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Der Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Grenzen der Informationsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Verweigerung der Information gem. § 51a Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . 59 b) Die Weitergabe der Information an Dritte zum Zweck einer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Die Kompetenzverteilung in der Ziel-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 C. Das objektive Interesse der Zielgesellschaft beim Unternehmenskauf . . . . . . . . . 67 I. Transaktionsbezogene Interessen des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Der externe Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Die informationsbezogenen Unternehmensinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Die Relativität der Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Das Geheimhaltungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Sicherung des Unternehmensinteresses durch Interessenabwägung und prozedurale Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 § 2 Der Interessenkonflikt im Verhältnis der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 A. Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 B. Die Ausgangslage beim Unternehmenskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C. Materialisierung der Vertragsgerechtigkeit durch Informationspflichten . . . . . . . 86
3. Kapitel Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung des Pflichtentatbestandes
90
§ 1 Die Doppelbelastung des Käufers in der vorvertraglichen Informationsphase . . . . . . 90
Inhaltsverzeichnis
11
§ 2 Die Grenzziehung der Aufklärungspflicht im Due Diligence Prozess . . . . . . . . . . . . . 92 A. Problemstellung und Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Der Vertragszweck und seine Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Objektive Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Subjektive Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Der subjektive Bestimmungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Die Dynamik der Due Diligence als Ausgangspunkt der beweglichen Grenzziehung der Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Die inhaltliche Verdichtung der Aufklärungspflicht durch Geltendmachung des Fragerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Möglichkeit und Zumutbarkeit der „richtigen“ Frage . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Die Aufklärungspflicht als Verständigungspflicht über den Vertrag . . . 114 C. Die Informationshandlungen des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Das Verhältnis von vertraglicher Leistungspflicht und vorvertraglicher Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Das System des § 434 BGB und ihre Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Die Beschaffenheit der Kaufsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Die Rechtslage im alten Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Die Rechtslage im neuen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 IV. Die entsprechende Anwendung des § 434 BGB auf den Unternehmenskauf gem. § 453 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Der Ähnlichkeitsvergleich der „entsprechenden Anwendung“ gemäß § 453 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Falsche Angaben über Unternehmenszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 aa) Die Äquivalenzbildung beim Unternehmenskaufvertrag . . . . . . . . . 144 bb) Die Beschaffenheit des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Die Beschaffenheitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Mängel am Unternehmenssubstrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Das Erfordernis eines „Durchschlagens“ eines Einzelmangels auf das ganze Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Voraussetzungen für das Kriterium des „Durchschlagens“ . . . . . . . . . . 155 5. Die Normbeschaffenheit eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
12
Inhaltsverzeichnis b) Gewöhnliche Verwendung eines Unternehmens und typische Verkehrserwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6. Folgen für das Recht des Unternehmenskaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 D. Die Informationshandlungen des Unternehmenskäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Die Regelung in § 442 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Die maßgeblichen Fallgruppen im Rahmen des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB . . 171 3. Folgerungen für den Unternehmenskauf und die Due Diligence . . . . . . . . 173 a) Schmaler Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Die Obliegenheit zur Due Diligence als Verkehrssitte . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Due Diligence und die grob fahrlässige Unkenntnis gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Die Zulässigkeit der Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Die Prüfungswirklichkeit und die Organisationsmöglichkeiten im Datenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Der anzulegende Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 5. Die Bedeutung der Due Diligence-Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Die Standardisierung des Due Diligence-Verfahrens durch Due Diligence-Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Der Inhaltswert der Due Diligence-Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Zwischenergebnis: Die Informationstiefe durch Informationshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6. Die Informationslastverteilung durch Informationshandlungen des Käufers 192 7. Funktion des Parteiwissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Die gesetzliche Regelung des Parteiwissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Kenntnis des Verkäufers als subjektives Element der objektiven Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Darlegungs- und Beweislastverteilung beim arglistigen Verschweigen . 200 8. Kenntnis des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Subjektives Element der objektiven Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . 202 b) Relevanter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Inhaltsverzeichnis
13
4. Kapitel Die Störung der Willensbildung durch fehlerhafte Information
206
§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 § 2 Die Irreführung als Pflichtverletzungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A. Die Zuordnung des Pflichtverletzungsmaßstabs mit Hilfe der Abgrenzung der Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Vorgehensweise im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Kritische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 B. Die Irreführung durch Falschangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Der Begriff der Tatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 II. Die Täuschungsfähigkeit von zukunftsbezogenen Tatsachen . . . . . . . . . . . . . 215 C. Die Irreführung durch unvollständige Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Problematische Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Die unvollständige Information als doppelte Unklarheitssituation . . . . . . . . . 222 III. Regelungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Die Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Die Bestimmung des Erklärungstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Die Auslegung als Verständigungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Die Verständigungsstruktur im Due Diligence-Verfahren . . . . . . . . . . . . . 234 4. Anwendungsbeispiel aus der Due Diligence für gewerbliche Schutzrechte 235 V. Die Herleitung einer konkludent positiven Täuschungshandlung . . . . . . . . . . 238 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Die Verschleierung und Entstellung von Tatsachen als aktive Täuschungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Die Verschleierung und Entstellung von Tatsachen im Datenraum . . . . 244 c) Die Bilanzfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Der Grundsatz der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit . . . . . . . . . . 246 bb) Unrichtige Wiedergabe und Verschleierung i.S.v. § 331 HGB . . . . 249 cc) Die Grenzen der Bilanzmanipulation als Haftungstatbestand . . . . . 250 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 D. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
14
Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel Zusammenfassung und Ergebnis
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
Einleitung § 1 Der Untersuchungsgegenstand A. Das Informationsproblem beim Unternehmenskauf Der Unternehmenskauf zeichnet sich durch die innere Dynamik und Komplexität seines Kaufgegenstands aus, was ihn ebenso wie ein reiner Anteilskauf zu einem Chancen- und Risikogeschäft macht1. Ziel des Unternehmenskaufs ist nämlich – sei der Käufer ein strategischer oder ein Finanzinvestor durch den Erwerb oder den Weiterverkauf des Unternehmens wirtschaftlichen Gewinn zu maximieren. Entscheidend für den Erfolg des Geschäfts ist demnach, dass der Erwerbsinteressent sich vor dem Vertragsschluss über Chancen- und Risiken des Zielobjekts aus finanzieller, kommerzieller und rechtlicher Sicht bewusst werden muss, damit er seine Kenntnis darüber in die Vertragsverhandlungen mit einbringen kann. Denn solange Unsicherheiten über bestimmte rechtliche oder tatsächliche Umstände bestehen, kann auch die beste Gewährleistungsklausel den potentiellen Erwerber bei weitem nicht so gut schützen wie dies die klare vorherige Information über die betreffenden Tatsachen tun würde.2 Gleichzeitig bleibt aber auch zu betonen, dass der Erwerber mit dem Unternehmen „unternehmerisch“ tätig werden will, nicht juristisch, so dass rechtliche Belange nicht die primären Zielgrößen sind, sondern lediglich der Absicherung und Abrundung der wirtschaftlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen dienen, die ihrerseits die Werthaltigkeit und Profitabilität des Unternehmens bestimmen3. Der Unternehmenserwerb ist daher konsequent im wirtschaftlichen Kontext zu betrachten und zu bewerten: Welchen Vorteil bietet ein günstiger Kaufpreis, wenn die Verfügungsbefugnis über Gesellschaftsanteile an sich mit Zweifeln behaftet ist? Inwieweit helfen eindeutige Rechtsgrundlagen und vorteilhafte Verträge, wenn die
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Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305, 320. Fritzsche/Stalmann, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 473, dass offene oder verdeckte Bestands- oder Haftungsrisiken im Extremfall die unternehmerische Existenz gefährden können: Man denke nur an fehlende (z. B. baurechtliche oder anderweitige öffentlich-rechtliche) Nutzungserlaubnisse für eine Produktionstätigkeit, an schwebende und versicherungsmäßig nicht abgedeckte Produkthaftpflichtprozesse oder an Unterlassungsklagen von Wettbewerbern wegen möglicher Verletzungen von Schutzrechten, worauf die Unternehmenstätigkeit maßgeblich aufgebaut ist. 3 Fritzsche/Stalmann, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 473. 2
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Einleitung
wirtschaftliche Tätigkeit keine auskömmlichen Preise ermöglicht oder der Markt für die betreffenden Produkte zu klein ist?4 Was der Erwerber braucht sind also Informationen, und zwar solche, die ihn über den tatsächlichen Zustand und eine möglichst realistische Entwicklung des Unternehmens aufklären. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist dieser Informationsvorgang, denn in der Tat ist er nicht problemlos abzuhandeln. Zunächst liegt ein Problem darin, dass die entscheidenden vertragsrelevanten Informationen meist nicht öffentlich zugänglich sind, sie also nicht einer handelsrechtlichen (wie z. B. in Jahresabschlussbilanzen oder Lageberichten) bzw. kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflicht unterliegen, sondern es eines tieferen Einblicks in die Unternehmensinterna bedarf. Beim Unternehmen ergeben sich schon Schwierigkeiten dadurch, dass allgemeine Marktverhältnisse keine Indizwirkung für die ihm innewohnenden Risiken und Chancen haben und in der Öffentlichkeit jedem zur Verfügung stehende Informationsquellen nicht die notwendige Aussagekraft besitzen. Für das zu bewertende Unternehmen liegt selbst in der Marktwirtschaft kein Marktpreis vor, da jedes Unternehmen für sich ein Güterverband solch individueller Natur ist, dass sich für das Unternehmen ähnlich wie für andere Individualgüter kein Marktpreis bilden kann.5 Es fehlt ein organisierter Markt, wo für ganze Unternehmen oder zumindest für bedeutende Unternehmensanteile Angebot und Nachfrage regelmäßig zusammentreffen bzw. welcher die Wertschätzung der Unternehmen durch andere Marktteilnehmer reflektiert.6 Da es sich bei Unternehmen um individuelle Güter handelt, für die nur begrenzt Marktpreise existieren7, oder diese nicht feststellbar sind, ist ihre Bewertung mit Schwierigkeiten belastet.8 Umso mehr ist der Käufer auf die Mitwirkung des Verkäufers angewiesen, denn die entscheidenden Informationsquellen, die über den wahren Wert des Unternehmens Aussagen ermöglichen, liegen in einer geschlossenen Sphäre des Verkäufers. Es herrscht ein Informationsgefälle vor, das allein, zumindest zum größten Teil nur durch die Auskunft bzw. Aufklärung des Verkäufers neutralisiert werden kann.9 4 Fritzsche/Stalmann, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 473. 5 Münstermann, S. 11. 6 Volkart/Suter/Vettiger, S. 36. 7 Vgl. Münstermann, S. 11 mit Beispielen aus der Vergangenheit zur ansatzweisen Bildung von Märkten kleinerer Betriebe in Deutschland und Frankreich, die jedoch als seltene Ausnahmen in Anbetracht der Unzahl der anderen Unternehmung zu betrachten seien. 8 Strasser, S. 26. 9 Zu den Ausnahmen solch typischer Informationsgefälle vgl. Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 2 Rn. 29: Als klassischen Fall für atypische Informationslagen wird der Management Buy-Out genannt, also der Erwerb eines Zielunternehmens durch sein bisheriges Management, in welchen der Käufer bereits vor dem Transaktionsprozess besser über das Zielunternehmen informiert ist als der Veräußerer. Hier liegt der Schwerpunkt offenkundig in einer möglichst umfangreichen Reverse-Due Diligence durch den Verkäufer, der
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Damit ist ein weiteres Problemfeld eröffnet. Der Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags ist grundsätzlich mit einem Informationsproblem10 behaftet, in concreto ein bürgerlich-rechtliches, (vor)vertragliches Informationsproblem.11 Dieses einseitige Informationsgefälle zwischen den beiden verhandelnden Vertragsparteien gilt es zu kompensieren. Erste Probleme stellen sich dadurch, dass das Informationsgefälle zwischen den Beteiligten allein noch keine Aufklärungspflicht begründet, weil dem deutschen Recht eine generelle Aufklärungspflicht der (zukünftigen) Vertragsparteien untereinander nicht bekannt ist.12 Eine Aufklärungspflicht besteht immer nur soweit, als Umstände gegeben sind, die den Vertragszweck der anderen Partei vereiteln können, sofern dieser noch die Aufklärung darüber nach der Verkehrsauffassung redlicherweise erwarten darf.13 Alle sonstigen Umstände liegen in der Verfügungsgewalt des besser Informierten – welche Informationen dieser zu welcher Zeit in welcher Art und Weise von sich aus offenlegt, steht ihm zunächst frei. Aus rechtlicher Sicht ergibt hieraus eine zentrale Fragestellung dieser Arbeit, inwiefern sich die beweglichen Grenzen der Aufklärungspflicht im Verlauf des Due Diligence-Prozesses zu Gunsten des Käufers verlagern lassen. Tatsächlich ist die Selektionsfreiheit des Verkäufers hinsichtlich der zu offenbarenden Informationen nicht ohne Grenzen und wird es nicht bleiben. Schon deshalb nicht, weil er sich mit dem Abschluss eines Kaufvertrags auf ein Synallagma einlässt und er die erwartete Leistung nur bekommt, wenn er eine ihr entsprechende Gegenleistung erbringt. Nach dem Prinzip des „do ut des“ wird gegeben, damit der andere gibt – um das zu bekommen, was ich begehre, muss meine Gegenleistung den Interessen meines Vertragspartners gerecht werden. Um für das Zielunternehmen einen hohen Kaufpreis zu erhalten, müssen Informationen offengelegt werden, die über einen hohen finanziellen Wert des Unternehmens Auskunft geben. Der Inhalt der Information, den der Unternehmensverkäufer zu geben bereit ist, bestimmt sich vorerst aus einer Informationsstrategie heraus, wohinter vordergründig dessen wirtschaftliche Motive stehen. Der Käufer wird sich jedoch nicht damit zufrieden im Falle des MBO die ggf. konservativen Einschätzungen seines Managements im neuen Lichte sehen soll. Denn bei aller Objektivität und Fairness des Managements muss der Veräußerer damit rechnen, dass konservative und kritische Einschätzungen gegenüber dem Unternehmen verstärkt werden, da das Management selbstverständlich einen niedrigen Preis anstreben wird. 10 Huber, AcP 202 (2002), 179, 180; Lorenz, in: FS Heldrich, 305, 320; demgegenüber Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 93, der den Schwerpunkt auf das „Äquivalenzproblem“ setzt; näheres über das Verhältnis dieser Problemstellung siehe 3. Kapitel § 2 C. V. 11 Das vorvertragliche Informationsproblem entfällt nur dann, wenn eine Unternehmensbeteiligung verkauft wird, ohne dass der Verkäufer dem Käufer überhaupt irgendwelche Informationen über das Unternehmen erteilt oder verschafft, wie etwa wenn ein Verkauf an der Börse oder ein Verkauf durch Annahme eines öffentlichen Übernahmeangebots oder vorliegt, vgl. Huber, AcP 202 (2002), 179,182. 12 MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 72 ff. 13 Gefestigte Rechtsprechung des BGH LM § 123 BGB Nr. 45; NJW 2001, 2163, 2164; NJW 2007, 3057, 3059; NJW 2008, 1307.
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geben und die Transaktion bewilligen. Denn klar ist, dass diese Informationen ihm allein nicht genügen werden, den Informationsvorsprung des Verkäufers einzuholen, denn es sind die kritischen, mit risikobehafteten Umstände, die den Vorsprung des Verkäufers wirklich ausmachen und die es gilt in die Vertragsgestaltung mit einzubeziehen. Mit der Vertragsgestaltung ist somit ein weiteres Stichwort gefallen, wodurch sich das vorvertragliche Informationsproblem beim Unternehmenskauf zu denen anderer Geschäftstypen unterscheidet. Der Unternehmenskaufvertrag zeichnet sich durch die individualvertraglich geregelten Garantielisten aus, die der konkreten Transaktion mit eigenständigen (gegenüber dem Gesetz modifizierten) Rechtsfolgenanordnungen und Haftungshöchstgrenzen angepasst werden.14 Das vorvertragliche Verhandlungsstadium ist maßgeblich daraufhin ausgerichtet, Akquisitionsrisiken und -gefahren zu erkennen und diese mit Hilfe von Garantie- und Haftungs- bzw. Kaufpreisanpassungsklauseln zu allokalisieren. Hier kommt das Instrument der Due Diligence ins Spiel. Denn die vom Verkäufer eingeräumten Garantien bezüglich einzelner Umstände bzw. Beschaffenheit des Targetunternehmens und die hierbei oftmals vereinbarten Haftungsbeschränkungen sind grundsätzlich ein Spiegelbild der im Rahmen der Due Diligence ermittelten Fakten.15 Die privatautonome Vertragsgestaltung ist dem positiven Gesetzesrecht nicht völlig freigestellt, die Reichweite der Privatautonomie bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung. Die wichtigsten Grenzen werden durch §§ 442, 444 BGB gesetzt, die meist analog anzuwenden sind, da in der Regel im Unternehmenskaufvertrag keine Beschaffenheitsvereinbarungen getroffen werden. Kenntnis bzw. Arglist sind also die wichtigsten Grenzen, die der Gesetzgeber den Parteien vorgibt. Da der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Kenntnis bei Vertragsschluss liegt, wird das gesetzliche Regelungsspektrum in die Phase der Vertragsanbahnung vorverlagert, wodurch die vorvertragliche Phase beim Unternehmenskauf besonders an Bedeutung für den Rechtsanwender gewinnt. Darin ist sicher ein Grund zusehen, warum sich das vorvertragliche Informationsverfahren spezifisch für den Unternehmenskauf in Form der Due Diligence standardisiert hat. Es ist die Due Diligence, die verfahrensmäßig die Rahmenbedingungen für die Offenlegung der Informationen beim Unternehmenskauf stellt. Durch Jahrzehnte lange Praxis16 hat sich die Due Diligence als ein Verfahren im Rechtsverkehr des 14
Vgl. Baumbach/Hopt/Hopt, Einleitung vor § 1 Rn. 46 b. Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, 2004, Rn. 48; Picot, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 295, 313. 16 Böttcher, ZGS 2007, 20, 23, der auf die einschlägige Rechtsprechung verweist, bereits LG Hannover AG 1977, 198 ff. und LG Frankfurt a. M. WM 1998, 1181 ff., die festgestellt haben, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zielunternehmens mit äußerster Sorgfalt zu prüfen seien. So kürzlich auch OLG Oldenburg DStR 2007, 635. 15
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M&A-Geschäfts etabliert, die die Erweiterung des Informationshorizonts auf der Käuferseite mit Blick auf seine Akquisitionsmotive und -ziele bezweckt. Die Kategorisierung verschiedener Due Diligence-Arten und -schwerpunkte, die Entwicklung vom lokalen zum virtuellen Datenraum, die immer komplexer werdenden Praxishandbücher und Formularbücher, die Standardisierung von Due Diligence Checklisten, all diese Entwicklungen sind der Beweis dafür, dass die Due Diligence in der Praxis des Unternehmenskaufs unentbehrlich geworden ist. Gemessen am praktischen Verbreitungsgrad17 fällt die zivilrechtliche Diskussion um die Due Diligence jedoch spärlich aus.18 Die Diskussion beschränkte sich vor allem auf die Anwendungsmöglichkeiten des gesetzlichen Gewährleistungsrechts auf den Unternehmenskauf; die mit dem Due Diligence-Verfahren verbundenen Haftungsvoraussetzungen wurden bislang wenig behandelt. Es wird sich zeigen, dass es sich beim vorvertraglichen Informationsverfahren der Due Diligence um den Kern der langbewährten Haftungsproblematik beim Unternehmenskauf geht. Denn durch eine auf Individualabreden gestützte Vertragspraxis mit ihrer konsequenten Abbedingung der gesetzlichen Regelungen wird die Problematik der Haftung automatisch in die Verhandlungsphase vorverlagert, so dass dem vorvertraglichen Informationsproblem ein großes Gewicht zu Teil wird.19 Dass die endgültige Einigung – mit der Unterschrift unter dem Vertrag – und nicht die vorhergehenden „Festlegungen“ maßgeblich sind, wird zwar, nicht zuletzt dank der faktischen Kraft des Normativen, kaum zu bestreiten sein20, jedoch wird die Notwendigkeit einer idealen Typisierung von vorvertraglichen Verhandlungsprozessen dadurch nicht widerlegt. Mit Hilfe der Analyse des Due Diligence-Verfahrens setzt sich die vorliegende Arbeit zum Ziel die Haftungsgrundlagen des Unternehmensverkäufers neu zu beleuchten.
17 Empirische Studien aus den Jahren 1999 und 2002 von Marten/Köhler, Finanzbetrieb 1999, 337 und Berens/Strauch, WPg 2002, 511 ff. kommen für die Durchführung einer Due Diligence jeweils zum folgenden Ergebnis: Bei Marten/Köhler haben sich als Ergebnis Verbreitungsgrade für die Financial Due Diligence von 97,39 %, für die Legal Due Diligence von 86,44 % und für die Tax Due Diligence 82,66 % ergeben. Bei Berens/Strauch ergaben für die Financial & Tax Due Diligence 94,7 %, für die Legal Due Diligence 89,8 % und für die Strategy & Market Due Diligence 84,9 %. Vgl. Abbildung in Berens/Strauch, in: Berens/Brauner/ Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 3, 13. 18 Vgl. ohne Anspruch auf Vollständigkeit unter anderem Loges, DB 1997, 965; Krüger/ Kalbfleisch, DStR 1999; Angersbach, Due Diligence beim Unternehmenskauf, 2002; Fleischer, in: Unternehmenskauf und Schuldrechtsmodernisierung 2003, S. 103; Fleischer/Körber, BB 2001, 841; Müller, NJW 2004, 2196; Westermann, ZHR 2005, 248; Hassel, Der Einfluss der due diligence auf die Verkäuferhaftung beim Unternehmens- und Beteiligungskauf, 2009; Fatemi, Die Obliegenheit zur Due Diligence beim Unternehmenskauf, 2009. 19 Über die Praxis des Unternehmenskaufs vgl. auch jüngst Hasselbach/Ebbinghaus, DB 2012, 216, 217. 20 Schwarze, S. 193.
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B. Abgrenzung und terminologische Klärung I. Das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsgeschäfts Eine klare, eindeutige Definition des Unternehmensbegriffs ist weder in der Betriebswirtschaftslehre noch in der Rechtswissenschaft bekannt.21 In der Betriebswirtschaftslehre versteht man unter dem Begriff des Unternehmens einen speziellen Betriebstyp des liberalistisch-kapitalistischen Wirtschaftssystems, der von Gutenberg mit dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip und den Prinzipien der Alleinbestimmung und der Autonomie beschrieben wird.22 Eine allgemein gültige Bestimmung des Begriffes „Unternehmen“ ist auch in der Rechtsordnung nicht zu finden, da ihm je nach eröffnetem Rechtsgebiet ein unterschiedlicher Inhalt zugrunde liegt23 und selbst innerhalb eines Rechtsgebiets je nach Art und Zweck der einzelnen Vorschriften differenziert ausgelegt wird.24 Im Rahmen des Kaufrechts wird das Unternehmen allgemein als ein aus Sachen (z. B. Betriebsanlagen, Warenlager, Maschinen, Rohstoffen), Rechten (z. B. Forderungen, Lizenzen, Patente), und sonstigen Beziehungen (z. B. Kundenstamm, Organisation, Verbindlichkeiten) bestehender „sonstiger Gegenstand“ i. S. v. § 453 Abs. 1 BGB bezeichnet. Man findet grundsätzlich kaum Regelungen, die den Unternehmenskauf unmittelbar regeln (§§ 22 Abs. 1 Alt. 1, 25 HGB, 613 a BGB); mit der Schuldrechtsreform ist für eine analoge Anwendung der Regelungen über den Sachkauf (§ 433 ff. BGB) eine positivrechtliche Grundlage in Gestalt von § 453 Abs. 1 BGB geschaffen worden.25 Trotz dieser rechtshistorischen Zäsur, die zumindest in der Literatur Anlass für eine ganze Reihe von Schriften über neue Anwendungs- und Auslegungsmöglichkeiten des Gewährleistungsrechts für den Unternehmenskauf gewesen ist 26, hat sich an der 21 In Bezug auf die Betriebswirtschaftslehre siehe Domschke/Scholl, S. 4 ff., für die Rechtswissenschaften siehe MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 9 m. w. N. 22 Gutenberg, S. 190 ff.; vgl. auch ein Versuch der Definition bei Lück, S. 681 „Unternehmen“: „Ein U. ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern unter Zuhilfenahme von sachlichen und immateriellen Mitteln einen wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verfolgt, der hinter dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs steht.“ Auf die Diskussion um den Begriff des Betriebs und seiner Abgrenzung zum Unternehmen soll hier nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu Schneck, S. 1000, „Unternehmen“; Domschke/Scholl, S. 4 ff. 23 BGH NJW 1978, 104; NJW 1960, 145. 24 Wie etwa beim Aktienrecht, wo je nach Zusammenhang dem Unternehmen unterschiedliche Eigenschaften zu Teil werden. Siehe dazu MünchKommAktG/Bayer § 15 Rn. 9, der das Unternehmen als Rechtsträger (§§ 15 ff. AktG), als Zuordnungsobjekt sachlicher und persönlicher Mittel (§§ 3, 4, 23 AktG) oder als Erbringung eines Unternehmens als Sacheinlage (§ 31 AktG) versteht. 25 BT-Drucks 14/6040, S. 242. 26 Vgl. nur Huber, AcP 202 (2002), 179; Knott, NZG 2002, 249; Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 414 f.; Bergjahn, Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf den Unternehmenskauf, Dauner-Lieb/Büdenbender (Hrsg.), Unternehmenskauf und Schuldrechtsmodernisierung; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118; Fritzen, Unternehmenskauf, Due Diligence und Garantien
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Rechtslage für das Unternehmen als Kaufgegenstand nicht viel geändert, zumal bereits vorher schon der Unternehmenskauf nach den Regelungen des Sachkaufs behandelt und insbesondere dem Regime der §§ 459 BGB a. F. unterstellt waren.27 Während in der Betriebswirtschaftslehre der Schwerpunkt auf die Eigenschaft des Unternehmens als eine erwirtschaftende Wirtschaftseinheit bzw. Wirtschaftssubjekt (man nehme allein den in der Betriebswirtschaft häufig gebrauchten Begriff der „Unternehmung“28) mit all seinen Freiheiten und Spielräumen im System der freien Marktwirtschaft gesetzt wird, ist im Kaufrecht von seinen Eigenschaften als ein Objekt auszugehen, und zwar als Gegenstand des Rechtsverkehrs und damit des Rechtsgeschäfts.29 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Unternehmen als Gegenstand des Kaufvertrags, welcher mit Hilfe der Due Diligence-Prüfung beleuchtet werden soll. Mit der immer wachsenden Komplexität des Marktgeschehens hat sich auch die Unternehmenslandschaft im deutschen Wirtschaftsraum verändert. Die Zahl der Unternehmen steigt, sie werden immer größer und vielfältiger30. Hinzu kommt der schwer prognostizierbare Marktverlauf der nationalen und internationalen Wirtschaft, die mit ihren Höhen und Tiefen direkten Einfluss auf die Unternehmen nehmen. Die dem Unternehmen innewohnende Komplexität und Eigendynamik lässt die Beschaffenheit des komplexen Gebildes nicht auf die Summe aller seiner Aktiva und Passiva reduzieren. Darin liegt auch die Schwierigkeit der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über den Sachkauf gem. § 453 Abs. 1 BGB. Denn sie erfordert die Bestimmung der „Beschaffenheit“ des Unternehmens, die der Verkäufer dem Käufer zu übergeben verpflichtet ist. Der Gesetzgeber hat bewusst von einer Legaldefinition des Beschaffenheitsbegriffes beim Unternehmenskauf abgesehen, insbesondere sollte offen bleiben, ob er nur Eigenschaften umfasst, die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaften oder ob auch Umstände heranzuziehen sind, die außerhalb der Sache selbst liegen.31 Das ehrgeizige Ziel des Gesetzgebers, diesem so komplexen Kaufgegenstand eine bürgerlich-rechtliche Regelung durch § 453 Abs. 1 BGB zu ermöglichen und der Praxis ihre Anwendung zu erleichtern32, nach der Schuldrechtsreform; Thiessen, Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch; Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305 ff.; Schröcker, ZGR 2005, 63 ff. 27 Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305. 28 Gutenberg, S. 192. 29 Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305; die Frage nach der Trägerschaft und Rechtsform des Unternehmens wird im Allgemeinen Teil des BGB, im HGB und der Gesetze bezüglich den einzelnen Gesellschaftsformen wie z. B. AktG bzw. GmbHG behandelt, so dass hierauf nicht näher eingegangen wird; vgl. v. Gierke, ZHR 111 (1946/48), 1,6 ff., 12 f., der sie als „betriebsfähige Wirtschaftseinheit“ im Sinne des Handelsrechts bezeichnet; allgemein über die Rechtsformen siehe Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil I, Nr. 6. 30 Als privatrechtliche Rechtsformen wären da zu nennen: Einzelunternehmen, Genossenschaften, Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Mischformen etc. 31 BT-Drucks 14/6040, S. 212. 32 BT-Drucks 14/6040, S. 242.; vgl. ebenso Haas, 5. Kapitel Rn. 541.
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konnte sich in der stark US-amerikanisch geprägten Kautelarpraxis nicht durchsetzen. Diese Bilanz ist nicht überraschend, da die gesetzgeberische Lösung der „entsprechenden Anwendung“ der Vorschriften über den Kauf von Sachen (§ 453 Abs. 1 BGB) an jeglicher Präzision der Bezugnahme auf die Interessenlage beim Unternehmenskauf mangeln lässt33 und mit jenem Optimismus, die zahlreichen Einzelfragen durch das Vertrauen auf die Entwicklung sachgerechter Einzellösungen der Praxis zu lösen34, die Augen vor den gegebenen praktischen Schwierigkeiten verschlossen werden. Insofern bleibt die Situation nach wie vor bestehen, dass die Praxis unbeirrt ihr „eigenes BGB“ für die konkrete Transaktion zusammenstellt und gleichzeitig die gesetzlichen Rechtsbehelfe privatautonom abbedingt. II. Informationspflichten 1. Zum Begriff Beim Terminus der „Informationspflicht“ geht es grundsätzlich um das Bereitstellen von Informationen.35 Welche Informationen zum welchen Umstand den konkreten Pflichteninhalt bilden, geht aus seinem geläufigen Sprachgebrauch in Wissenschaft und Praxis nicht hervor, welches auch nicht beabsichtigt ist.36 Vielmehr sollen damit die unterschiedlichsten Bezeichnungen in Gesetz, Rechtsprechung und Literatur37 gebündelt werden, die in Bezug auf vorvertragliche Informationshandlungen verwendet werden. Im Schrifttum und Rechtsprechung hat sich weitgehend ein Nebeneinander von „Aufklärungspflicht“ und „Informationspflicht“ durchgesetzt.38 Im Folgenden wird die Informationspflicht als ein Oberbegriff verwendet. Die hier zu behandelnden vorvertraglichen Informationspflichten grenzen sich sowohl von den sondergesetzlich verankerten vorvertraglichen Auskunfts- und Aufklärungspflichten39 als auch den „Informationsleistungspflichten“ ab, die sich als Hauptleistungspflichten aus besonderen vertraglichen Rechtsverhältnissen erge33
MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 19. MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 19 weist darauf hin, dass durch die im § 453 Abs. 1 BGB vorgesehene entsprechende Anwendung der Vorschriften über Sach- und Rechtsmängelhaftung aufgeworfenen Einzelfragen vom Gesetzgeber als unlösbar beurteilt wurde. 35 So Breidenbach, S. 4; v. Winkler Mohrenfels, S. 22 unterscheidet zwischen der Übermittlung von Informationen (vor allem Auskunfts-, Rechenschafts- und Rechnungslegungspflichten) und dem bloßen Bereitstellen (Vorlage- und Duldungspflichten) von diesen. 36 v. Winkler Mohrenfels, S. 23, der die Verwendung unterschiedlicher Bezeichnung eher als ein Phänomen sprachlicher Kreativität sieht. 37 Für Beispiele unterschiedlicher Bezeichnungen siehe v. Winkler Mohrenfels, S. 1. 38 Breidenbach, S. 4; MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 96; Lorenz (1997), S. 388. 39 Zu den formalisierten Aufklärungspflichten vgl. Lorenz (1997), S. 317 Fn. 617. 34
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ben.40 Nicht betroffen sind ferner Kapitalmarktinformationspflichten, welchen im Rahmen des Kapitalmarktrechts i. V. m. der Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts eine gewichtige Bedeutung zukommen.41 Denn beim Verkauf einer Unternehmensbeteiligung an der Börse oder durch Annahme eines öffentlichen Übernahmeangebots, erfolgt dieser ohne dass der Verkäufer dem Käufer überhaupt irgendwelche Informationen an den Käufer erteilt oder verschafft.42 2. Die Aufklärungspflicht Schon der Gesetzgeber sah sich außerstande, eine allgemeingültige Definition vorvertraglicher Aufklärungspflichten aufzustellen.43 Darauf soll auch hier bewusst verzichtet werden, da eine Präzisierung der geschäftstypischen Informationspflichten im Rahmen des Due Diligence-Verfahrens beim Unternehmenskauf beabsichtigt ist. Nichtdestotrotz ist im Ergebnis jahrzehntelanger Definitionsversuche von Rechtsprechung und Literatur anzusetzen, nämlich in der Feststellung, dass ihre gesetzliche Grundlage im allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben liegt.44 Es geht um die Pflicht, den anderen Teil der Vertragsverhandlung spontan, ohne dass es einer Frage oder Aufforderung bedarf, den Verhandlungsgegner über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren. Danach wird der Verkäufer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn Tatsachen verschwiegen werden, die die andere Seite nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicher Weise erwarten durfte.45 Der Vertrauensbruch des Schweigenden fußt in der Unzulänglichkeit der Information, die bis dahin reichen muss, dass die Wirksamkeit des Vertrages gefährdet ist. Denn der Kern des Vorwurfs liegt darin, dem anderen Teil die 40
Breidenbach, S. 1, der sie in Abgrenzung zu vorvertraglichen Informationspflichten als selbständig klagbare „autonome Informationspflichten“ bezeichnet; vgl. jüngst BGH NJW 2013, 1807 = BeckRS 2013, 06243 zur vertraglich vereinbarten Informationspflicht, die über den Umfang der vorvertraglichen Informationspflicht hinausgehen kann. 41 Habersack/van Aerssen, S. 70; nach § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, 3 WpPG bedarf es immer dann einer Veröffentlichung eines Prospekts, wenn Wertpapiere öffentlich angeboten oder an einem organisierten Markt zum Handel zugelassen werden; über die weitgehende Verdrängung der allgemeinen, bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im Bereich der Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktpublizität Habersack/van Aerssen, S. 575. 42 Huber, AcP 202 (2002), 179, 182. 43 Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, S. 208: „Die für die Tragweite desselben maßgebende Frage, inwieweit eine Rechtspflicht besteht, dem anderen Theile Umstände mitzuteilen, von denen vorauszusetzen ist, daß sie auf seine Entschließung von Einfluß sein würden, entzieht sich der gesetzlichen Lösung.“ 44 Zur Haftung des Verkäufers bei mangelhafter Aufklärung des Käufers über Umsatz eines Einzelhandelsgeschäfts, BGH NJW 1970, 653, 655; zur selbstschuldnerischen Bürgschaft BGH NJW-RR 1986, 210: „Aus sich anbahnenden Vertragsverhandlungen wird die Pflicht der Vertragspartner hergeleitet, die Tatsachen zu offenbaren, die für den Willensentschluß des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung von ihm nach Treu und Glauben erwartet werden kann.“ 45 Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rn. 40.
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nötigen Informationen für eine privatautonome Willensentscheidung im konkreten Transaktionsvorhaben vorenthalten zu haben.46 Die Rechtsprechung ist streng einzelfallbezogen und zugleich ersichtlich bemüht, Einzelelemente der Grenzen der Aufklärungspflicht zu verfeinern und zu konkretisieren.47 Die Rahmenbedingungen, die sich durch die Entwicklungslinie der Rechtsprechung in der deutschen Vertragsdogmatik gefestigt haben, sind trotz ihrer abstrakt-generellen Natur wegweisend für den Rechtsanwender, da sie eine erste Segmentierung der Tatbestandsmerkmale ermöglicht.48 Inwieweit man vertrags- und verfahrenstypische Tatbestandsmerkmale für die Aufklärungspflicht beim Unternehmenskauf, insbesondere im Due Diligence-Verfahren herausbilden kann, ist ein zentraler Aspekt der vorliegenden Arbeit. 3. Die Wahrheitspflicht Während die Aufklärungspflicht im Rahmen des konkreten Vertragsanbahnungsverhältnisses entsteht und der Vereitlung des vom Käufer erstrebten Vertragszwecks entgegenwirkt, geht die Wahrheitspflicht aus der allgemeinen Redlichkeitserwartung des Rechtsverkehrs hervor und verpflichtet die Verhandlungsparteien zur richtigen, vollständigen und damit unmissverständlichen Auskunft.49 Die Wahrheitsmäßigkeit im (vor)vertragsrechtlichen Sinne ist nicht nur als eine absolute Richtigkeit bestimmter Angaben zu verstehen, sondern steht mithin für eine aus dem Kontext sich ergebenden Wahrheitsgehalt, der für sich genommen eine Vollständigkeit der Information aufweisen muss. Im Schrifttum wird die Wahrheitspflicht häufig im Zusammenhang mit der Aufklärungspflicht behandelt50, was naheliegend ist, da sich die tatbestandlichen Umstände nicht selten überlappen und die Grenzen der Pflichten fließend sind. Im Sprachgebrauch dieser Arbeit werden beide Pflichten bewusst differenziert, weil ihre Abgrenzung einerseits und ihr Zusammenspiel andererseits für die Präzisierung der Haftungsgrundlage von entscheidender Bedeutung sind.
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MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 97. Vgl. jedoch Lorenz (1997), S. 318, der die Entwicklung näherer Maßstäbe für bestimmte Vertragstypen wie z. B. für Kapitalanlagegeschäfte und den Gebrauchtwagenhandel hervorhebt. 48 Ähnlich auch Lorenz (1997), S. 417. 49 Lorenz (1997), S. 412. m. w. N zur Rechtsprechung und Schrifttum. 50 Vgl. nur MünchKommBGB/Emmerich § 311 BGB Rn. 97, der die (positive) Falschinformation und die Vorenthaltung nötiger Informationen- unter Verstoß gegen begründete eine Aufklärungspflicht- bewusst unterscheidet, jedoch beide unter die Problematik der Aufklärungspflicht stellt. 47
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III. Der Begriff der Due Diligence 1. Due Diligence als Sorgfaltsmaßstab Wörtlich übersetzt bedeutet „due diligence“ die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“51 und kommt als haftungsrechtlicher Verhaltensstandard dem Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB im deutschen Recht nahe.52 In seiner ursprünglichen Bedeutung war dieser Begriff als Entlastungsbeweis im Bereich der vertraglichen Haftung (liability) oder gar der unerlaubten Handlung (torts) angesiedelt53 und steht im Zusammenhang mit dem anglo-amerikanischen Grundsatz „caveat emptor“ („Der Käufer muss achtgeben“). Er bedeutet, dass der Käufer auf entsprechende vertragliche Regelungen hinwirken muss, wenn der Verkäufer für bestimmte Eigenschaften des Kaufobjektes einstehen soll.54 Danach ist es allein Angelegenheit des Käufers, sich ein Urteil über den Kaufgegenstand zu bilden und die potentiellen Risiken des Vertrags zu ermitteln. Bringt er bei der Untersuchung nicht die erforderliche Sorgfalt (due diligence) auf, geht dies nach angelsächsischem Recht zu Lasten des Käufers.55 Wenn die due diligence früher als reiner Entlastungsbeweis im Bereich der liability der die Untersuchung durchführenden Experten fungierte, so stellt sie im Sinne der heutigen Gewährleistungsfunktion der Due Diligence Anforderungen an den Käufer oder an den Verkäufer bei der Vendor Due Diligence dar.56 Aus der weltanschaulich-politischen Perspektive entspricht dieses den Ideen des Liberalismus, die sich primär am „starken“ Individuum und am „mündigen“ Bürger orientieren und zu einer besonderen Hochschätzung des Grundsatzes der Selbstverantwortung führen, nämlich dass jedermann sich in erster Linie selbst vor Gefahren schützen muss und die Folgen seines Tuns und Lassens im Zweifel selbst zu tragen hat, statt sie auf andere abwälzen zu können.57 Geht man von dieser Anschauung aus, so wird vom Erwerbsinteressenten eines Unternehmenskaufvertrags in der vorvertraglichen Phase die gebotene Sorgfalt – due 51 Black, S. 468, definiert „due diligence“ wie folgt: „the diligence reasonably expected from, and ordinarily exercised by a person who seeks to satisfy a legal requirement or to discharge an obligation“. 52 Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 1 Rn. 8. 53 Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 1 Rn. 8. 54 Loges, DB 1997, 965. 55 Knott, S. 5. 56 Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 1 Rn. 9. 57 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 290; vgl. auch Lorenz (1997), S. 15, dass sich im Prinzip der Privatautonomie im Idealfall die freie Selbstbestimmung in Selbstverantwortung verwirkliche, die das Herzstück seiner Würde sei, hinweisend auf BVerfGE 49, 286, 298: „Art. 1 Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen, wie er sich in seiner Individualität selbst begreift und seiner selbst bewußt wird. Hierzu gehört, daß der Mensch über sich selbst verfügen und sein Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann.“
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diligence – erwartet, die er aufbringt, um sich selbst vor einem „unerwünschten“58 Vertrag zu schützen. Hat er also mit der gebotenen Sorgfalt die Due Diligence durchgeführt, hat er die Folgen seines Tuns, wie etwa den Vertragsschluss, die Kaufpreisbestimmung und die konkret ausgehandelten Garantiekataloge, selbst zu tragen. Zeigen sich später Fehler oder Mängel des Unternehmens, die er mit der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen und sie in das Vertragswerk einbringen sollen, so kann er die unerwarteten und unerwünschten Folgen nicht auf den Verkäufer abwälzen: Er trägt also die Gefahr des Eintritts von Leistungsstörungen. Dieser so konsequent liberal durchdachte Gedankenzug hält jedoch nur stand, wenn dem Käufer die Aufbringung jener gebotenen Sorgfalt überhaupt möglich war. Das setzt insbesondere voraus, dass für den Abbau des Informationsgefälles der Käufer die Möglichkeit bekommt, seine Erwerbsmotivation durch einen offenen und transparenten Informationsaustausch mit dem Verkäufer zu sichern. Das Entgegenkommen des Verkäufers ist also genauso „geboten“ und ist als solches der vorauszusetzende Umstand, damit der Käufer bei der vorvertraglichen Untersuchung des Kaufgegenstands die gebotene Sorgfalt aufbringen kann. 2. Due Diligence als Informationsprozess Beim Unternehmenskauf hat sich der Begriff der Due Diligence für ein spezielles Informationsverfahren nach anglo-amerikanischem Vorbild etabliert, das der Käufer in der vorvertraglichen Phase durchführt, um wesentliche Fakten über das Zielobjekt zu gewinnen.59 Diese Bedeutung der Due Diligence ist auf die Securities Laws, das US-Amerikanischen Kapital- und Anlegerschutzrecht zurückzuführen.60 Die Emissionsprospekthaftung nach dem Securities Act enthielt einen Entlastungstatbestand für die bei der Begebung der Wertpapiere beteiligten Personen (der Emittent, die Unterzeichner des registration statements, das Übernahmekonsortium, die Abschlussprüfer etc.) für den Fall, dass sie eine „reasonable investigation“ durchgeführt und „reasonable ground to believe“ haben.61 Versucht man von der ursprünglichen Bedeutung der due diligence als Verhaltensmaßstab im Common Law System zu seiner heutigen Abwandlung im M&AGeschäft einen Bezug herzustellen, so dient diese vorvertragliche Untersuchung für den Käufer dazu, die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ zu erfüllen, um so sich seine Erwartungen vom Leistungsinhalt zu sichern. Nach dem im anglo-amerikanischen Kaufrecht vorherrschenden Prinzip des „caveat emptor“ hat der Käufer, den Kaufgegenstand vor Vertragsschluss sorgfältig zu prüfen, weil der Verkäufer
58 Vgl. etwa den Titel des Buches von Lorenz (1997); der Ausdruck stammt wohl von Medicus, Vertragsverhandlungen, S. 519 ff. 59 Merkt/Göthel, S. 28 ff. 60 Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 1 Rn. 17. 61 Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 1 Rn. 19.
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grundsätzlich nicht verpflichtet ist, auf etwaige Mängel des Objekts hinzuweisen.62 Die Wert- und Risikoermittlungsfunktion sowie die Beweissicherungsfunktion der Due Diligence-Prüfung63 wirken allesamt dahin gehend zusammen, die Gefahr eines Mangels zu Gunsten des Käufers zu minimieren. So ist der enge Bezug der Due Diligence mit der Zurechnungsproblematik im Rahmen der Mängelhaftung im anglo-amerikanischen Recht ganz natürlich, weil vorvertragliche Treuepflichten, wie sie das deutsche Recht kennt, dort weitgehend fremd sind.64 Inwieweit der Zusammenhang mit der Zurechnungsproblematik auch im Rahmen des deutschen Kaufrechts durchdringt, bleibt noch zu untersuchen.65 Mit den immer komplexer werdenden modernen Unternehmensstrukturen und -interessen, hat sich in der Praxis ein vielfältiges Spektrum an Due Diligence Arten herausgebildet, die in ihrer Gesamtheit dazu beitragen sollen, das Unternehmen in all seinen Bereichen und Funktionen zu erfassen und zu durchleuchten.66 Als elementarer Bestandteil einer jeden Due Diligence-Prüfung ist zunächst die Legal Due Diligence zu nennen, die die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen (Mängel der Satzung, verdeckte Sacheinlagen, Einhaltung von Mitteilungspflichten, Ordnungsmäßigkeit der Kapitalmaßnahmen) des Zielunternehmens untersucht. Des Weiteren gilt es sämtliche Vermögensgegenstände (Immobilien, gewerbliche Schutzrechte) Vertragsbeziehungen zu Dritten sowie anhängige Rechtsstreitigkeiten auf ihre Risiken hin zu untersuchen.67 Bei der Business und Commercial Due Diligence geht es um die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und den wirtschaftlichen Gehalt der Geschäftstätigkeit des Zielunternehmens. Gegenstand dieser Prüfung ist die Position des Unternehmens im Markt, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Produkte und Dienstleistungen, die Beziehungen zu seinen wichtigsten Geschäftspartnern sowie die Organisations- und Anteilseignerstruktur und die Corporate Governance. Die Financial Due Diligence beschäftigt sich mit der Planungsrechnung und der Analyse der Bankbeziehungen. Gefordert ist eine Analyse des Geschäfts des Unternehmens, eine Überprüfung des Rechnungswesens und der Unternehmensplanung unter Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage inklusive einer Zukunftsprognose. Die Tax Due Diligence dient der Durchleuchtung 62
Merkt/Göthel, S. 29. Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, 174, 175. 64 Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 BGB Rn. 1163. 65 Vgl. die Diskussion i. V. m. § 442 BGB im 3. Kapitel § 2 D. 66 Vgl. im Folgenden die Kurzübersicht der Due Diligence Arten bei Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 1 Rn. 40 ff., für detaillierte Ausführungen vgl. Krüger/ Kalbfleisch, DStR 1999 174, 175 ff.; Holzapfel/Pöllath, Rn. 19 ff. über die verschiedenen Aspekte einer Due Diligence und deren Zusammenwirken. 67 Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, 176, gliedern die Legal Due Diligence in innere Verfassung, Vermögensgegenstände, vertragliche Beziehungen und kartellrechtliche Situation mit dem Ziel die rechtswirksame Begründung der Unternehmenstätigkeiten und die Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften zu prüfen, sowie offene oder verdeckte Bestands- oder Haftungsrisiken zu identifizieren und im Hinblick auf den Käufer zu bewerten. 63
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der Unternehmensverhältnisse aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere der Aufdeckung von Risiken, die zu steuerlichen Verpflichtungen führen können. Da ein Unternehmenskauf erst unter Berücksichtigung der Besteuerung und einer adäquat steuerlichen Strukturierung als vorteilhafte Investition anzusehen ist68, wird je nach Ergebnis der gewonnenen Informationen die Gestaltung der Transaktion anders ausfallen.69 Darüber hinaus können weitere Informationen durch spezialisierte Verfahren wie die Technical Due Diligence, Environment Due Diligence und Cultural Due Diligence Informationen gewonnen werden, sofern sich aus diesen Bereichen besondere Chancen und Risiken für das Unternehmen ergeben. Die Durchführung der Due Diligence setzt ein grundsätzliches Einverständnis der Parteien über das Eingehen von Vertragsverhandlungen voraus.70 Nachdem die Parteien eine Weile verhandelt haben, wird von einer Partei eine Absichtserklärung abgegeben (in der Praxis auch als Letter of Intent (LoI)71 bekannt), mit welcher die Beteiligten in die konkrete Verhandlungsphase übergehen. Erst nach der Abgabe eines solchen LoI, folgt in der Regel auch der Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen (auch Non-disclosure Agreement genannt), die einer unbefugten Offenbarung der Geheimnisse des Zielunternehmens an Dritte entgegenwirken sollen.72 Typischer Verlauf der Vertragsverhandlungen bei Unternehmenstransaktionen ist, dass der Verkäufer eine Vielzahl von Informationen – sei es auf Fragen des Kaufinteressenten oder auch unaufgefordert – macht und die entsprechenden Unterlagen in den Datenraum stellt. Je nach Offenlegung des Datenraums, der mittlerweile häufig als virtueller Raum gestaltet wird, findet im Anschluss noch viel Austausch zwischen den Beteiligten – auch vor Ort beim Zielobjekt („realer“ Raum) – statt. Diese Phase wird in der Praxis als die „Q&A (Questions and Answers)-Phase“ bezeichnet, in welcher der Käufer Gelegenheit bekommt, auf Unklarheiten hinzuweisen, Fragen zu stellen, sowie weitere Unterlagen anzufordern. Für die unterschiedlichen Due Diligence-Schwerpunkte, wie etwa „rechtliche Aspekte“, „kaufmännische Aspekte“, „technische Aspekte“, sind in der Regel separate Tage vorgesehen. Der Kaufinteressent übergibt dem Verkäufer vorab einen Fragenkatalog, der basierend auf Informationen aus dem Datenraum erstellt wurde. Der Verkäufer 68
Zur Tax Due Diligence beim Unternehmenskauf siehe Löffler, WPg 2004, 576, 577. Es kann durchaus vorkommen, dass sich die Parteien für eine Gestaltung der Transaktion in Form des Asset Deals entscheiden und damit ein aufwendigeres Vertragswerk in Kauf nehmen, weil sie sich steuerlich vorteilhafter erweist. 70 Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 1 Rn. 12. 71 Der aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis übernommene Begriff meint eine in der Regel in Briefform abgegebene Erklärung, nach der die Parteien ihre konkreten Vertragsverhandlungen beginnen. Im deutschsprachigen Schrifttum wird der LoI mit Absichtserklärung übersetzt. Im angloamerikanischen und auch asiatischen Sprachraum sind als Synonyme Memorandum of Understanding (MoU), Agreement in Principle oder auch Memorandum of Intent zu nennen, vgl. dazu Berens/Mertens/Strauch, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensaquitionen, S. 21, 49; ausführlich zu diesem Begriff auch Lutter, Letter of Intent. 72 Über die Funktion solcher Schutzmaßnahmen siehe unten 2. Kapitel § 1 C. III. 4. 69
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wird bei der Besprechung (oft in einem PPT-Vortrag) versuchen, alles, was noch unklar blieb oder was der Käufer noch wissen möchte, anhand seiner vorbereiteten Antworten zu erläutern. Die Due Diligence als Informationsverfahren stellt die Grundlage für die Bildung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses dar. Informationen aus dem Datenraum und der anschließenden Q&A-Phase dienen der Wertermittlung des Kaufgegenstands und der Kaufpreisfindung. Erkenntnisse über zukünftige Entwicklungschancen und Problemfelder des Unternehmens fließen in die Vertragsverhandlung ein und werden durch entsprechende Kaufvertragsvereinbarungen in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung verankert. Je nachdem welche Ergebnisse der Käufer bei der Beleuchtung des Unternehmens durch Due Diligence gewonnen hat, kann es dazu führen, dass die Kaufverhandlungen aufgrund sog. „Deal Breaker“ abgebrochen werden, der Kaufpreis gemindert wird oder der Veräußerer zusätzliche vertragliche Garantien abgeben muss.73 Im Kern der Äquivalenzbildung beim Unternehmensvertrag liegt das Zusammenspiel von Due Diligence, Garantie und Kaufpreis. Dabei ist der Due Diligence eine Schlüsselrolle zuzusprechen, weil das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung auf der Grundlage von Due Diligence- Informationen geschaffen wird. Garantien sollen das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung sichern, das der Kaufpreisberechnung des Käufers zugrunde gelegt wurde: Soweit spezifische Annahmen, von denen der Käufer bei der Bestimmung des Äquivalenzverhältnisses ausgegangen ist, sich als unzutreffend erweisen, kann der Kaufpreis entsprechend angepasst werden.74 Die Ergebnisse der Due Diligence dienen ggf. gemeinsam mit einem Informationsmemorandum75 als wichtigste Entscheidungs- und Gestaltungsgrundlage des Käufers. In der Praxis geht es weniger um das Ob einer Transaktionsentschlusses, zumal durch eine zutreffende Anpassung des Kaufpreises oder der Behebung transaktionskritischer Punkte („Deal Breaker“) ein Scheitern der Verhandlungen eher selten sind. 76 Vielmehr geht es um das „Wie“, die anlässlich der Due Diligence gewonnenen Erkenntnisse möglichst zielführend in den weiteren Transaktionsprozess einfließen zu lassen77: Das Spektrum reicht von der Veranlassung erster Gestaltungsmaßnahmen über die Verhandlung und den Abschluss der Transaktions73
Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 1 Rn. 46. Huber, AcP 202 (2002), 179, 205. 75 Im Falle des Auktionsverfahrens liegt ein Informationsmemorandum des Verkäufers bereits lange vor Beginn der Due Diligence vor. Hierin spricht der Verkäufer insbesondere die wirtschaftlich relevanten Themen für die Entscheidungsvorbereitung des Käufers zur ersten Angebotsabgabe an. Vgl. dazu auch Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 7 f. 76 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 11 Rn. 1. 77 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 11 Rn. 1. 74
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Einleitung
dokumentation bis hin zur Integration des Zielunternehmens. Die zielorientierte Vertragsgestaltung durch Kaufpreisanpassungs- und Gewährleistungsfolgeregelungen erweist sich als das Schlüsselelement der Bildung eines vertraglichen Äquivalenzverhältnisses. Bei der Verwendung des Begriffes Due Diligence in der vorliegenden Arbeit wird die Due Diligence des Käufers im Vorfeld eines Unternehmenskaufs behandelt. Sie ist abzugrenzen von der Vendor-Due Diligence, die von der Verkäuferseite durchgeführt wird und für die Erstellung eines Verkaufsprospekts im Bieterverfahren standardisiert ist. Ferner ist auch von der Post-Akquisitorischen Due Diligence zu unterscheiden. Diese unterscheidet sich zwar nicht methodisch von der Pre-Akquisition-Audit, jedoch ist sie von ihrer Zwecksetzung anders, weil im Wege der Untersuchung einzelner problemrelevanter Untersuchungsgegenstände mögliche Minderungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden sollen.78
§ 2 Ziel und Gang der Untersuchung Ziel der Arbeit ist mit Hilfe des Praxisinstruments der Due Diligence zu einer interessengerechten, im deutschen Vertragsrecht dogmatisch fundierten Lösung der Haftungsgrundlage beim Unternehmenskauf zu kommen. Schon Hommelhoff hatte darauf hingewiesen, dass die nähere Beschäftigung mit der Praxis für die Wissenschaft in mehreren Richtungen viel versprechend sei79: Denn zum einen ließen die privatautonom gesetzten Regelwerke erkennen, wo und in welchem Maße das Gesetzesrecht und die zu ihm entwickelten Lösungen den Belangen der Praxis nicht mehr gerecht werden. Zum anderen könnten sie neue Anstöße und Anregungen vermitteln, um das Gesetzesrecht neu zu interpretieren und fortzubilden. Schließlich scheine es reizvoll zu prüfen, ob nicht die Wissenschaft der rechtsberatenden Praxis Vorschläge übermitteln kann, damit diese ihre Regelwerke samt den zugehörigen Begründungen weiter ausbaue und vervollkommne. Die Individualität des Unternehmens als Gegenstand und die sich daraus ergebende individuelle Anpassung des Vertragswerkes rufen nach Verfahrenssicherheit. Ihr sollen vorvertragliche Pflichten dienen, da sie die freie Willensbildung und -entscheidung zum Zweck, die prozedurale Gestaltung der vorvertraglichen Phase zum Inhalt haben. Die Bindungswirkung, welche die vertragliche Einigung zur Folge hat, setzt eine Verständigung zwischen den Parteien voraus, die ohne diesen inhaltlichen Rückhalt in der vorvertraglichen Phase ihre Rechtfertigungsgrundlage verliert.80 78
Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, 174, 175. Hommelhoff, ZHR 1986, 254 ff. 80 Vgl. Köndgen, S. 160 f. der die Vertragsverhandlungen in Abgrenzung zur eigentlichen „Inkraftsetzung“ durch „endgültige“ Einigung als eine schrittweise sich verdichtende Festle79
§ 2 Ziel und Gang der Untersuchung
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Im Vergleich zur überragenden Stellung, die die Due Diligence mittlerweile in der Praxis eingenommen hat, sind diesbezüglich weiterhin viele Fragen unzureichend geklärt. Angefangen von der Frage, ob eine Obliegenheit des Käufers zur Due Diligence besteht und ob eine Unterlassung der Due Diligence zum Gewährleistungsausschuss i.S.v. § 442 führt, bis hin zu den gesellschaftsrechtlichen Fragen, z. B. ob es für die Durchführung der Due Diligence einer Zustimmung des Vorstands der Zielgesellschaft bedarf, wurden viele Diskussionen am Due Diligence-Verfahren als ganzen angesetzt. Hinsichtlich der Dynamik, die der Due Diligence innewohnt, führt eine solche Pauschalisierung des Prozesses nur zu begrenzten Ergebnissen. Für eine Konkretisierung des Pflichtenprogramms, muss die Due Diligence in Bezug auf ihre Stadien hin mit den jeweiligen Folgen untersucht werden. Die Arbeit konzentriert sich daher auf drei Problemkreise: Zunächst geht es um die Gestaltung der Transaktion, die sich mit den vertraglichen Rahmenbedingungen der Unternehmensveräußerung und den damit verbundenen Interessengegensätzen beschäftigt. Danach folgt die Analyse der Due Diligence als vorvertraglichen Informationsund Verständigungsprozess, die sich für den Unternehmenskauf im Laufe der Jahre standardisiert hat. Im Besonderen gilt es die Grenzen der vorvertraglichen Informationspflichten zu bestimmen. Die Rolle der Due Diligence in der vorvertraglichen Vertragsanbahnung wird von der zentralen Frage beherrscht, unter welchen Umständen tatsächlich die Aufklärungspflicht einer Partei gegenüber der anderen während der Vertragsverhandlungen angenommen werden kann. Für diese schwierige Frage hat sich bisher keine allgemeine Lösung finden lassen.81 Während in der Rechtsprechung meistens ganz auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt wird82, sind aus Schrifttum verbreitet Versuche zu entnehmen, das Spektrum der von Fall zu Fall relevanten Umstände zu systematisieren, um dergestalt zu verallgemeinerungsfähigen Aussagen über die Voraussetzungen und den Umfang von Aufklärungspflichten zu gelangen.83 Freilich sind auch diese Versuche nicht weiter über sehr allgemeine Aussagen hinausgekommen, die im konkreten Einzelfall nur selten zu eindeutigen Antworten führen.84 Ziel dieser Arbeit ist es, die für die Begründung einer Aufklärungspflicht relevanten Umstände aus dem Gesichtspunkt des Informationsverfahrens anzunähern. Die wichtigste Frage, die die ganze Materie beherrscht, wird also sein, inwiefern sich gung beschreibt; daraufhin Schwarze, S. 193. der nicht bestreitet, dass für die Vertragsdurchführung diese „endgültige“ Einigung und nicht die vorhergehende „Festlegung“ maßgeblich seien, jedoch hiermit auch nicht die Notwendigkeit einer idealen Typisierung von Vertragsverhandlungen widerlegt sei. 81 MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 68. 82 MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 72. 83 Siehe nur Breidenbach, S. 52 ff.; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 424, 449, 567 ff.; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung. 84 MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 68.
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prozedurale Mechanismen im Due Diligence-Verfahren ableiten lassen, die für die Vertragsparteien einen Leitfaden für ihre Informationstätigkeit darstellen, anhand dessen sie sich selbst den Umfang und die Grenzen der Aufklärungspflicht rechtssicher erarbeiten können. Schließlich soll der Tatbestand der Irreführung anhand des Informationsflusses im Due Diligence-Verfahren untersucht werden. Die Untersuchung im Folgenden beschränkt sich auf diejenigen Transaktionen, deren Ursache des Scheiterns in der fehlerhaften Information in der vorvertraglichen Phase liegen. Ausgenommen sind daher Befunde, die nicht im Mangel zielführender Transaktionsgestaltung liegen, sondern in der nachfolgenden Post-AcquisitionPhase liegen. Langjährig bekannt ist etwa das Versagen der anschließenden Implementierung des Zielunternehmens.85 Gemeint sind die Vereinheitlichung von Satzungen und Organisationsstrukturen, Vertragsmanagement, sowie etwa Bearbeitung arbeitsrechtlicher Angelegenheiten, die weniger eine juristische Angelegenheit der vorvertraglichen Phase, sondern das Zielunternehmen selbst betreffen, dessen Verhältnisse mit dem des Erwerbers abzustimmen sind.86 Die Implementierung ist weniger transaktionsbedingt, als dass sie vielmehr die Umsetzung der sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Erwerbsziele des Käufers darstellen, die primär in der Sphäre des Erwerbers liegen, somit keine Verkäuferhaftung begründen können. Ein Bezug mit der vorvertraglichen Phase besteht dennoch, da der Erwerber der Verwirklichung seiner wirtschaftlichen Ziele entgegen arbeiten kann, indem er sich die dafür notwendigen Informationen im Voraus beschafft, die ihm eine realistische Einschätzung diesbezüglich ermöglichen. Aus juristischer Sicht geht es um die fehlerfreie Übernahme des Unternehmens und nicht der Verwirklichung des Erwerbsziels.87
85 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 11 Rn. 19 f., dass es häufig um Restrukturierung i. w. S. („Post Acquisition Restructuring“) ginge, um die Umsetzung von Gestaltungen, die als rechtlich oder steuerrechtlich vorteilhaft identifiziert wurden, aber vor der Transaktion noch nicht realisiert werden konnten. 86 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 11 Rn. 20. 87 Lorenz (1997), S. 412.
1. Kapitel
Die Gestaltung des Unternehmenskaufs § 1 Einleitung Die Rechtsgestaltung im Rahmen eines Unternehmenskaufs findet auf zwei Ebenen statt. Zum einen geht es um die Gestaltung des Unternehmenskaufs als solchen, wesentlich um die Fragen „wer“ und „was“ „wie“ an einer Transaktion beteiligt sind. Zum anderen geht es um die kautelarjuristische Gestaltung des Vertragswerks – insbesondere um das „wie“ im materiellen Sinne, welche das Ergebnis intensiver Verhandlungen nach der Due Diligence-Prüfung ist. In diesem Kapitel soll auf das Erstere – die Transaktionsgestaltung – eingegangen werden, die die vertraglichen und prozessualen Rahmenbedingungen für die beabsichtigte Transaktion bestimmt. Die fundamentale Problemstellung beim Unternehmenskauf, die allen Einzelfragen vorangeht ist, ob bzw. wann ein Unternehmenskauf überhaupt vorliegt. Die damit verbundenen Schwierigkeiten sind vordergründig zweierlei bedingt. Zum einen liegt es am komplexen, dennoch einheitlichen Unternehmen als Wirtschaftseinheit selbst, dessen Bestandteile im Einzelnen und auch im funktionalen Kontext zur wirtschaftlichen Sachgesamtheit nicht einfach greifbar sind. Bereits das Zustandekommen des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäfts ist äußerst kompliziert: Zunächst muss jede Partei für sich bewusst werden, was sie zum Vertragsgegenstand machen will, sodann müssen die Parteien zu einer Einigung kommen, die nur mit sehr aufwendigen und kostspieligen Prozessen zu erreichen ist. Zum anderen ist der Unternehmenskauf gesetzlich kaum geregelt1, insbesondere fehlt eine zivilrechtliche Regelung, die spezifisch den Unternehmenskauf zum Gegenstand hat.2 Nach dem Prinzip der Privatautonomie orientiert sich die Qualifizierung eines schuldrechtlichen Unternehmenskaufvertrags an einem einfachen Element, dem Parteiwillen. Der ausschließlich durch den Parteiwillen zu bestimmende Vertragsinhalt muss eindeutig auf den Kauf eines Unternehmens gerichtet sein und muss sich
1
§§ 22 ff. HGB, § 1 UStG. Über die Probleme der Begriffsbestimmung des Unternehmenskaufs vgl. Kiethe, DStR 1995, 1756, dass diese insbesondere daraus resultieren, dass ein allgemeiner Rechtsbegriff des Unternehmens nicht existiere, sondern nur teleologisch, je nach Rechtsgebiet unterschiedlich determiniert sei. 2
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1. Kap.: Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
vom Kauf einer Sache (§ 433 Abs. 1 BGB) oder eines „Rechts“ i. S. v. § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB abgrenzen. Das Gesetz schweigt darüber, wann ein solch spezifischer Wille das Rechtsgeschäft, das einer Übertragung von einzelnen Sachen und Rechten (Anteilen) eines Unternehmens zugrunde liegt, zum Unternehmenskauf qualifiziert. Beim Unternehmenskauf fehlen also gesetzliche Regelungen, die generelle typenbildende Merkmale3 für den Unternehmenskauf zum Inhalt haben, so dass eine deduktive Qualifizierung des vorliegenden Kaufgegenstands durch gegebene, gesetzliche Tatbestände von vornherein ausscheidet. Reichsgericht und Bundesgerichthof haben es bisher bewusst vermieden, einen eigenen Typ des Unternehmenskaufs mit besonderen und von dem dispositiven Recht des Kaufs abweichenden Rechtssätzen zu entwickeln. Vielmehr hat sich in der Rechtsprechung ein Bestreben durchgesetzt, Abschluss und Abwicklung des Unternehmenskaufs möglichst weitgehend unter die § 433 ff. BGB zu subsumieren.4 Die fehlende Typologisierung des Unternehmenskaufs im positiven Recht führt jedoch nicht zu einer grundsätzlichen Verneinung von typischen Merkmalen, die dem Unternehmenskauf als Rechtsgeschäft des Privatrechts innewohnen. Denn innerhalb des dispositiven Rechts dient die positivrechtliche Typologisierung lediglich als Instrument, bestehende und fehlende Willenserklärungen auszulegen. In der Rechtsprüfung privatautonomer Rechtsverhältnisse muss demnach die Ermittlung des Vertragsinhalts – was letztlich Ausdruck des Parteiwillens ist – der Qualifikation des Vertrags„typen“ vorgeschaltet werden. Insofern kann Canaris zugestimmt werden, wenn er explizit die typologische Qualifikation eines Vertrages von der Ermittlung seines Inhalts unterscheidet und ersteres dem objektiven Recht zuordnet.5 Denn die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften, die die Typenbestimmung schließlich zum Ziele hat, kommt nur zum Zuge, wenn es am geäußerten oder konkludenten Parteiwillen fehlt, welche nur durch die Prüfung des Vertragsinhalts festgestellt werden können.
§ 2 Die Bestimmung des Kaufgegenstands auf schuldrechtlicher Ebene A. Das Unternehmen als Kaufgegenstand Das Unternehmen wird allgemein als ein aus Sachen (z. B. Betriebsanlagen, Warenlager), Rechten (z. B. Forderungen, Patente), und sonstigen Beziehungen 3
Larenz, Schuldrecht (Bd.I), S. 3 f. über die Bedeutung von der Aufstellung von „Vertragstypen“ und ihrer Regelung im Gesetz. 4 Mit der Betonung im Bereich der Sach- und Rechtsmängelhaftung Hiddemann, ZGR 1982, 435, 437 ff. m. w. N. der Rechtsprechung. 5 Canaris, Handelsrecht, 2006, § 8 II 48.
§ 2 Die Bestimmung des Kaufgegenstands auf schuldrechtlicher Ebene
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(z. B. Kundenstamm, Organisation, Verbindlichkeiten) bestehenden „sonstigen Gegenstand“ i. S. v. § 453 Abs. 1 BGB bezeichnet.6 Als ein „lebendiger Organismus“7 lässt sich das Unternehmen nicht auf die Summe aller seiner Aktiva und Passiva reduzieren. Darin liegt auch die Schwierigkeit der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über den Sachkauf gem. § 453 Abs. 1 BGB8 und der Bestimmung der „Beschaffenheit“ des Unternehmens, die der Verkäufer dem Käufer zu übergeben verpflichtet ist (§§ 453 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 BGB). Es gilt also das Unternehmen als solches zu erfassen, denn bei einem Unternehmenskauf, sei er als Asset Deal oder Share Deal gestaltet, handelt es sich, unbeschadet der Tatsache, dass die Übertragung der Einzelgegenstände und -anteile zu den Pflichten des Verkäufers gehört9, um ein einziges Objekt, nämlich das Unternehmen in seiner Gesamtheit.10 Das verbindende Element ist die unternehmerische Tätigkeit, die die einzelnen Gegenstände und Rechte zu einer „Wirtschaftseinheit“11 zusammenfügt und ihm die Teilnahme am Marktgeschehen ermöglicht. Ziel jedes Unternehmens ist durch Erfindung, Produktion und Vertrieb von diversen Produkten wirtschaftlichen Gewinn auf dem Markt zu erzielen. Großunternehmen nehmen häufig den strategischen Erwerb eines mittelständischen Unternehmens zum Anlass, ihr Produktionsspektrum zu erweitern und in neue Branchenbereiche einzusteigen. Diese Transaktionsziele können nur erreicht werden, wenn technische Mittel für die Umsetzung der Produktionsidee vorhanden sind und zur Sicherung der Marktposition betroffene Patente gültig sind. Schließlich muss das Unternehmen eine gesunde Infrastruktur, sowohl für interne als auch externe Beziehungen, haben. Erst das nahtlose Zusammenspiel des Unternehmensvermögens (Substrat) mit den Immaterialgüterpositionen (Know-how, Betriebsgeheimnisse, Patente, Urheberrechte etc.) und vor allem zahlreiche, rechtlich nur schwer erfassbare Außenbeziehungen (Kundenstamm, Lieferantenbeziehungen, Mitarbeiter, Image des Unternehmens und seiner Produkte, Goodwill) führt zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.12 Ziel des Unternehmenskäufers ist also mit dem Erwerb des Objekts von dessen Wirtschaftlichkeit zu profitieren, die sich insbesondere an der Höhe des Ertrags und seinem Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital messen lässt.13 Die Schwierigkeit, das Unternehmen als Einheit zu erfassen, wird zusätzlich dadurch erhöht, dass das Unternehmen einer wirtschaftlichen Dynamik unterworfen ist, die von der eingeschränkt prognostizierbaren Entwicklung des Marktgeschehens 6
Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305. Canaris, Handelsrecht, 2000, § 8 Rn. 24. 8 Hierzu eingehend siehe unten 3. Kapitel § 2 C. IV. 9 MüchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 28. 10 Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 87. 11 v. Gierke, ZHR 1946/48, 1, 6 ff., 12. 12 MünchKommHGB/Lieb, 2. Aufl., Anh. § 25 Rn. 3. 13 MünchKommHGB/Lieb, 2. Aufl., Anh. § 25 Rn. 3. 7
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1. Kap.: Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
und damit der Geschäfte und Risiken des Unternehmens geprägt ist.14 Diese Außendynamik führt zu ständigen Veränderungen der das Unternehmen kennzeichnenden Marktdaten (z. B. Cashflow) und somit zu Veränderungen des Unternehmens selbst (Innen- bzw. Eigendynamik). Meist ist im Kaufvertrag eine spezifizierte Auflistung dessen gegeben, was im Einzelnen zu übertragen ist. Sofern diese jedoch fehlt, kann der Umfang des zu übertragenden Unternehmensvermögens unter Zuhilfenahme der Handelsbilanz bestimmt werden.15
B. Anteilskauf vs. Unternehmenskauf Das Vorliegen eines Unternehmenskaufs bzw. Anteilskaufs wurde seit jeher in Zusammenhang mit der Anwendung des Gewährleistungsrechts diskutiert. Noch nicht geklärt ist, anhand welcher Kriterien der Anteilskauf vom Unternehmenskauf abgegrenzt werden soll. Der BGH wendet kein Sachmängelrecht an, wenn es sich um den Verkauf von einfachen Mehrheitsbeteiligungen und größeren Minderheitsbeteiligungen handelt.16 In den Fällen, wo der Anteilsverkauf nicht als Unternehmenskauf qualifiziert werden kann, bleibt er ein Rechtskauf i. S. d. § 453 BGB und die Gewährleistung beschränkt sich auf den Bestand der Anteile, d. h. auf eine „Veritätshaftung“.17 I. Entwicklung der Rechtsprechung Das Reichsgericht hatte zunächst auch in denjenigen Fällen, in welchen der Käufer sämtliche Gesellschaftsanteile – und somit wirtschaftlich gesehen das ganze Unternehmen – erwarb, die Qualifikation als Unternehmenskauf und somit die Anwendung der Vorschriften über die Sachmängelhaftung verneint18 und einen Unternehmenskauf nur dann bejaht, wenn das von der Gesellschaft getragene Unternehmen als Ganzes durch Vereinbarung zum Gegenstand eines Übertragungsvertrages gemacht wurde.19 Schließlich wurde die Zwischenschaltung der Gesellschaft beim Anteilserwerb durch die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise überwunden und dem die Gesellschaftsanteile insgesamt erwerbenden Käufer – gleichsam in einer Art „Durchgriff“ – der Zugang zur Sachmängelhaftung eröffnet.20 14
MünchKommHGB/Lieb, 2. Aufl., Anh. § 25 Rn 5. MünchKommHGB/Lieb, 2. Aufl., Anh. § 25 Rn. 18, dazu auch Beisel/Klumpp, 4. Kap. Rn. 36; Canaris, Handelsrecht, 2006, § 8 I Rn. 7. 16 Huber, AcP 202 (2002), 179, 186 verweisend unter anderem auf BGHZ 65, 246 ff. 17 Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305, 320. 18 RGZ 59, 240; 86, 146. 19 RGZ 98, 289. 20 Hiddemann, ZGR 1982, 435, 439, der in diesem Zusammenhang auf die gelegentlichen Hinweise der Rechtsprechung auf die Grundsätze der Durchgriffshaftung zurückgreift. 15
§ 2 Die Bestimmung des Kaufgegenstands auf schuldrechtlicher Ebene
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Dieser Rechtsprechung hat sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen.21 Das Vorliegen eines Unternehmenskaufs wurde anhand der Größe des zu übertragenden Anteils entschieden und – ohne eine definitive Fixierung vorzunehmen – bei einer Anteilsübertragung von 100 % bejaht. In einer weiteren Entscheidung22 wurde ein Unternehmenskauf dann angenommen, wenn bei sonst vollständigem Erwerb der Mitgliedschaftsrechte durch den Käufer zwar ein kleiner Rest – in diesem Fall 0,2 bzw. 0,25 % der Geschäftsanteile einer GmbH – von der Übertragung ausgeschlossen wurde, der Wille der Vertragspartner jedoch auf den Verkauf des Unternehmens gerichtet war, und der Verkäufer mit dem Erwerb der Mitgliedschaftsrechte die herrschende Stellung in diesem Unternehmen erlangt hatte. Während diese Ansicht des BGH einer vor allem im älteren Schrifttum weithin vertretenen Auffassung entsprach, vertrat der BGH auch vereinzelt die Ansicht, auf jeden Erwerb eines Mitgliedschaftsrechts gleich welchen Umfangs schlechthin oder nach Maßgabe des Inhalts des Kaufvertrags abzustellen.23 II. Schrifttum Nach einer Ansicht soll ein Unternehmenskauf mit der Folge einer Haftung für den Zustand des Unternehmens dann vorliegen, wenn die Beschaffenheit des hinter dem veräußerten Recht stehenden Unternehmens auch die Beschaffenheit des Anteils bestimme24 bzw. durch den Verkäufer Angaben der Beschaffenheit des Unternehmens in die Vertragsverhandlungen eingebracht worden sind.25 Andere Ansichten stellen auf die verschiedenen Rechtspositionen ab, die aus der Gesellschafterstellung hervorgehen. Ein Unternehmenskauf wird dann angenommen, wenn dem Erwerber durch Übertragung der Mitgliedschaftsrechte die Unternehmerstellung verschafft wird und im Grunde das Unternehmen verkauft wird.26 Andere wiederum stellen auf Erkenntnismöglichkeiten27 oder Einflussmöglichkeiten28 des Veräußerers ab oder nehmen auf die Prüfungsmöglichkeiten des Käufers Bezug. Entscheidend in der letzteren Gruppe ist, welche Quote hierfür erforderlich ist. Je nach Umständen des Einzelfalls werden 75 % und 100 % genannt.29
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BGH NJW 1969, 184= LM § 433 BGB Nr. 31. Siehe hierzu die Übersicht in BGH WM 1970, 819. 23 BGHZ 65, 246 = NJW 1976, 236; JZ 1977, 130. 24 So zum neuen Schuldrecht Haas, S. 556 ff.; zum alten Recht wird auf die Angaben des Verkäufers über die Beschaffenheit des Unternehmens in den Vertragsverhandlungen abgestellt. 25 Zum alten Recht Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 279. 26 Grunewald, NZG 2003, 372 f. 27 Koller, S. 342 ff. i. V. m. S. 147 ff. 28 Hiddemann, ZGR 1982, 435, 440 f.; ansatzweise auch BGH NJW 1980, 2408. 29 Grunewald, NZG 2003, 372, 373 mit Nachweisen der jeweiligen Rechtsprechung und Schrifttum. 22
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1. Kap.: Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
Als objektives Kriterium für einen Unternehmenskauf sollte daher beim Erwerb von Anteilen einer Kapitalgesellschaft mindestens die für einen satzungsändernden Beschluss erforderliche Mehrheit (§ 53 Abs. 2 GmbHG: Dreiviertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen, § 179 Abs. 2 AktG: Dreiviertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals) erworben werden.30 III. Die „Wirtschaftlichkeit“ des Unternehmens im juristischen Sinne Die Frage, wann der Anteilskauf als ein Unternehmenskauf qualifiziert werden kann, erfordert eine rechtliche Erklärung darüber, wie wirtschaftliche Erfolge oder Misserfolge des Unternehmens dem Käufer als Inhaber der Gesellschaftsanteile zuzurechnen sind. Letzteres führt zu der Frage, inwiefern eine Inhaberschaft an den Gesellschaftsanteilen mit der Eigentümerschaft am Unternehmen gleichzusetzen ist und dem „Anteilserwerber“ ein unmittelbares Recht an dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen zusteht. Die von der Rechtsprechung angewandte „Wirtschaftlichkeitsformel“ gelangt ab einem bestimmten – zwar noch offen gelassenen – Prozentsatz zu einer Gleichschaltung von Inhaberschaft an der gesellschaftlichen Beteiligung und Eigentum am Unternehmen. Der Rückgriff auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die der Rechtsprechung den notwendigen letzten Schritt vom Anteilskauf bzw. Rechtskauf zum Unternehmenskauf ermöglicht hat, ist, ungeachtet dessen, was schuldrechtlich zum Veräußerungsgegenstand vereinbart wurde, auf die begrifflichen Grenzen des bürgerlich-rechtlichen Verständnisses vom „Eigentum“ als Sacheigentum zurückzuführen. Das Kriterium der Wirtschaftlichkeit in diesem Zusammenhang bildet den Gegenpol zum Formalismus31, wonach das Eigentum am Unternehmensvermögen allein seinem Rechtsträger (der Gesellschaft als juristische Person bei Kapitalgesellschaften, der Gesamthandgemeinschaft bei Personalhandelsgemeinschaften) zugeordnet wird. 30
In einem Fall (NJW, 1980, 2408, 2409) hat der BGH den Umstand, dass der Käufer nicht einmal über die für satzungsändernde Beschlüsse erforderliche Dreiviertelmehrheit (§ 53 Abs. 2 GmbHG) verfügte, für entscheidend angesehen, dass ihm die für eine Unternehmensleitung wesentliche Befugnis fehlte, zwecks Anpassung an neue wirtschaftliche Anforderungen den Gegenstand des Unternehmens zu ändern. Selbst wenn man also die Erlangung der unternehmerischen Leitungs- und Verfügungsbefugnis für ausreichend hielte den Anteilserwerb mit dem Unternehmenskauf gleichzusetzen (BGHZ 65, 246, 251 f.) fehlte es hier an einer dafür wesentlichen Voraussetzung. Denn von einer unternehmerischen Beherrschung könnte jedenfalls dann noch keine Rede sein, wenn dem Erwerber die Entscheidungsgewalt über den Gegenstand des Unternehmens fehlte; vgl. auch Hommelhoff, ZHR 1976, 285 ff., näher eingehend auf die „Entscheidungsgewalt auf den Feldern Geschäftsführung, Eigenkapitalbasis und Unternehmensgegenstand“ als die „unverzichtbare Voraussetzung unternehmerischer Leitungsmacht“. 31 Welcher auch dem Reichsgericht so häufig vorgeworfen wurde.
§ 2 Die Bestimmung des Kaufgegenstands auf schuldrechtlicher Ebene
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Die Kapitalgesellschaft ist als juristische Person Trägerin aller zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechte, so dass der Gesellschafter nach der formalen Betrachtungsweise nicht am Gesellschaftsvermögen berechtigt zu sein scheint. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise wendet sich von dieser formal-rechtlichen Zuordnung ab und versucht die Stellung des Gesellschafters zum Gesellschaftsvermögen als eine „eigentümerähnliche“ Position zu rekonstruieren. Vermögensrechtlich vermittelt die Mitgliedschaft dem Gesellschafter einen Anteil am Vermögen, Kapital, Gewinn und Verlust der Gesellschaft (§ 120 Abs. 2 HGB), so dass „wirtschaftlich“ gesehen den Gesellschaftern das Unternehmensvermögen „gehört“. Ansatzpunkte für die Präzisierung dieser Formel sind die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, der Vermögensanteil, sowie die unterschiedlichen Bindungswirkungen der Beteiligungen, die sich aus der Rechtsform der Gesellschaft ableiten lassen. Für die Kapitalgesellschaft trifft diese Auslegung den Kern der Problematik, denn die juristische Eigenpersönlichkeit der rechtsfähigen Kapitalgesellschaften ist kein Selbstzweck, sondern nur eine juristische Organisationsform, die für die wirtschaftliche Stellung des Gesellschafters nicht ausschlaggebend sein kann.32 Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ist anhand zweier Grundelementen fest zu machen: Zum einen muss dem Unternehmen Vermögen zur Verfügung stehen, zum anderen bedarf es der unternehmerischen Tätigkeit, die die Verwertung des Vermögens zum Ziel hat: Es geht also um das Erwirtschaften als solches, die unternehmerische Willensbildung und -betätigung, die allesamt dem Zweck der Gewinnmaximierung unterliegen. Erst die kaufmännische, unternehmerische Tätigkeit, mit welcher der Unternehmer das Ziel Gewinn zu machen verfolgt, qualifiziert den gesamten Vermögensbestand zum „Handelsvermögen“, ein „Unternehmen“33. Die Besonderheit, wodurch sich der Gesellschaftsanteil von gewöhnlichen, bürgerlich-rechtlichen Vermögensrechten unterscheidet, ist, dass darin verschiedene heterogene Rechtspositionen verbunden werden. Nach Huber vereint diese spezifisch gesellschaftsrechtliche Form der Rechtszuordnung die Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen, Mitwirkungsbefugnisse insbesondere in der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft, sowie die Stellung als Partei im Gesellschaftsvertrag.34 Diese Komplexität führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Rechtsanwendung. Mitgliedschaftsrechte sind als Herrschaftsrechte grundsätzlich unter § 453 Abs. 1 BGB subsumierbar35, offen steht – diese Frage ist auch Gegenstand der folgenden Ausführung – inwieweit sie als ein Unternehmen, das als ein
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Huber (1970), S. 8. So Huber (1970), S. 7, der anhand des Unternehmens des Einzelkaufmanns die Untrennbarkeit von Leitungsmacht über ein Unternehmen und die Inhaberschaft am Unternehmen verdeutlicht. 34 Vgl. Huber (1970), S. 372 ff. 35 MünchKommBGB/Westermann § 453 BGB Rn. 3. 33
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1. Kap.: Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
sonstigen Gegenstand i.S.d. § 453 Abs. 1 BGB behandelt wird, gesehen werden können. Wesentliches Interesse des Anteilserwerbers liegt selbständig im wirtschaftlichen Bereich, nämlich, dass der Gesellschaftsanteil einen Anteil am Gesellschaftsvermögen repräsentiert und dem Gesellschafter eine Beteiligung am Wert des Gesellschaftsvermögens zuweist.36 Würde der Gesellschaftsanteil nur Mitwirkungsrechte in der Gesellschaft, jedoch nicht gleichzeitig Mitberechtigungen am Gesellschaftsvermögen darstellen, so käme niemand auf den Gedanken, eine solche Rechtsposition übertragen zu wollen37, weniger noch ihn gegen einen „Tauschwert“ erwerben zu wollen. Da die Wertbeteiligung ausschließlich auf der Rechtsposition aus der Mitgliedschaft am Verband und nicht auf einem dinglichen Recht beruht, nimmt der Anteil am Gesellschaftsvermögen einen verbandsrechtlichen Charakter an. Dieses unterstreicht wiederum die Handlungskomponente der unternehmerischen Wirtschaftlichkeit, die für die Bildung des Unternehmensvermögens elementar ist. Mit Schwierigkeiten verbunden ist vielmehr die Beurteilung, wann eine Eigentumsverschaffung seitens des Verkäufers an den Käufer vorliegt, da sie den Übergang der Herrschaft über das Unternehmen in seiner Gesamtheit betrifft. Dafür bedarf es nicht nur der Übertragung sächlicher Vermögensgegenstände, sondern ferner, dass dem Erwerber die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit eingeräumt wird, sich über sämtliche Geschäftsvorgänge zu unterrichten und die Geschicke des Unternehmens in die Hand zu nehmen.38 Als Kriterien unternehmerischer Leitungsmacht nennt Hommelhoff etwa, dass zunächst die Befugnis zu eigenverantwortlicher „Geschäftsführung“ gegeben sein muss.39 Dazu gehört nicht nur die jederzeitige Möglichkeit, die gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäfte des Unternehmens entscheidend beeinflussen zu können, sondern auch die Bestimmung der der Geschäftsführung zugrundeliegenden Unternehmenspolitik. Ferner umfasst die unternehmerische Leitungsmacht die Festlegung des Eigenkapitals sowie die Entscheidung über den Unternehmensgegenstand.40 Letztere betrifft die Befugnis, das Unternehmen den wandelnden Ansprüchen des Marktgeschehens anzupassen und die dafür notwendigen Investitionen zu tätigen. Auch wenn nach dem neuen Recht der frühere systematische Unterschied zwischen der Gewährleistung für den Verkauf von Anteilen und dem Verkauf eines Unternehmens durch Asset Deal zu relativieren ist41, bleibt weiterhin bestehen, dass der Käufer bei einem Share Deal über das Zielunternehmen nur bei entsprechender 36 37 38 39 40 41
Huber (1970), S. 374. Huber (1970), S. 372. BGHZ, 138, 195, 205 = NJW 1998, 2360; Hommelhoff, ZHR 1976, 271, 283. Hommelhoff, ZHR 1976, 271, 284. Hommelhoff, ZHR 1976, 271, 284 f. Zu den Begriffen von Share Deal und Asset Deal vgl. unten § 3 A., B. und C.
§ 2 Die Bestimmung des Kaufgegenstands auf schuldrechtlicher Ebene
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Leitungsmacht verfügen kann und dazu eben der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung erforderlich ist.42 Vom Übergang der Verfügungsgewalt am Unternehmen kann dann gesprochen werden, wenn der Käufer die Verfügungsgewalt über körperliche und unkörperliche Vermögenswerte des Geschäfts sowie die Leitungsmacht über Mitarbeiter erlangt. Ferner muss er frei im ganzen Wirkungsfeld des Unternehmens tätig werden und Beziehungen zu Kunden und Lieferanten frei gestalten können.
C. Der Fortführungswille des Käufers Die Übertragung des Unternehmens als Ganzen, als „betriebsfähige Wirtschaftseinheit“ setzt regelmäßig das Ziel der Fortführung durch den Erwerber voraus, weil die speziellen Probleme des Unternehmenskaufs dann entfallen, wenn es an der Fortführungsabsicht (etwa mit dem Ziel geplanter Stilllegung) fehlt.43 Dann beschränkt sich der Wert des Unternehmens nämlich auf sein gegenständliches Unternehmensvermögen und ggf. Rechte, wofür die reine Sach- und Rechtsmängelgewährleistung bezüglich einzelner Vermögensgegenstände ausreicht.44 Nach einer in der Rechtsprechung gefestigten Formel für den Asset Deal ist von einem Unternehmenskauf dann auszugehen, „wenn nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter, sondern ein Inbegriff von Sachen, Rechten und sonstigen Vermögenswerten übertragen werden soll und der Erwerber dadurch in die Lage versetzt wird, das Unternehmen als solches weiterzuführen.“45 Mit dem unternehmerischen Fortführungswillen als elementares Kriterium für den Unternehmenskauf werden die einzelnen Vermögensgüter und -positionen zu einer Wirtschaftseinheit vereint und somit – wie der BGH betont – die Beurteilung der Kriterien des Unternehmenskaufs einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalls46 unterzogen. 42 Beisel/Klumpp, 16. Kapitel Rn. 15; Staudinger/Beckmann § 453 Rn 33; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 523, etwas anderes könne möglicherweise in jenen Fällen vorliegen, in denen der Käufer eine strategische Allianz anstrebe. 43 MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Unternehmenskauf Rn. 2 f., 41. 44 MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Unternehmenskauf Rn. 41. 45 BGH NJW 2002, 1042, 1043. 46 BGH NJW 2002, 1042, 1043; vgl. auch NJW 1979, 33 über die typischen Merkmale eines Unternehmenskaufs: „Verkauft und übereignet wurden der vom Verkäufer betriebene und eingerichtete Gewerbebetrieb mit dem Recht der Fortführung der Firma und unter Eintritt des Käufers in die laufenden Verträge mit Lieferanten, Kunden, Vermieter, Arbeitnehmern usw. Der Verkäufer übernahm ein Wettbewerbsverbot und erklärte sich bereit, dem Käufer schon vor Betriebsübergabe die Möglichkeit zur Einarbeitung zu geben und ihn bei den Kunden einzuführen und mit der Belegschaft des Betriebes vertraut zu machen, ferner verpflichtete er sich, sich dafür einzusetzen, daß die vorhandenen Arbeitsverträge bestehen blieben. Es kam den Parteien danach darauf an, dem Bekl. das lebende Unternehmen mit allen zu seiner erfolgreichen und reibungslosen Fortführung notwendigen materiellen und immateriellen Gütern zu verschaffen.“
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1. Kap.: Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
Dieser gesamtwirtschaftliche Aspekt der Rechtsprechung hat in den Fällen der Anteilsübertragung darin seinen Niederschlag gefunden, dass ein Unternehmenskauf mit der (entsprechenden) Anwendung des Gewährleistungsrechts dann angenommen wird, wenn der veräußerte Anteil fast 100 % der Gesamtanteile beträgt.47 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH beurteilt sich die Haftung des Verkäufers für Mängel eines von der GmbH betriebenen Unternehmens nach den – entsprechend anzuwendenden – Vorschriften über die Gewährleistung bei Sachmängeln.48 Wer gesellschaftsrechtlich eine beherrschende Stellung an einer das Unternehmen tragenden Gesellschaft erwirbt, mag zwar noch nicht sein alleiniger Inhaber sein, dem ist jedoch zumindest eine Führungsposition einzuräumen, die ihm dazu befähigt auf sämtliche Geschäftsvorgänge Einfluss auszuüben und die Geschicke des Unternehmens in die Hand zu nehmen.49 Gleiches gilt, wenn zwar nicht alle Geschäftsanteile übertragen werden, das verbleibende Recht aber so geringfügig ist, dass dennoch das Unternehmen im Ganzen als verkauft angesehen werden kann.50 Die Übernahme einer solchen Inhaberschaft im gesellschaftsrechtlichen Sinn, indiziert den Übergang der wirtschaftlichen Inhaberschaft über das Unternehmen und somit einen Unternehmenskauf, der sich deutlich vom gewöhnlichen Sach- bzw. Anteilskauf absetzt.51
D. Für den Unternehmenskauf typische Leistungspflichten Haben die Parteien sich auf einen Kaufgegenstand geeinigt, so hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Neben dieser dem Kaufvertrag grundsätzlich typischen Leistungspflicht sind beim Unternehmenskauf weitere Leistungspflichten betroffen, die vom Mangelargument unabhängig bestehen können: Etwa Ansprüche, die in Geld zu erfüllen sind (Ausgleich von Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Veräußerer), Ansprüche, die sich auf Handlungen beziehen (Einholen von Zustim47
BGH WM 1970, 819 ff.; BGHZ 65, 246, 249 = NJW 1976, 236; JZ 1977, 130. BGH NJW 1969, 184. 49 Vgl. NJW 1998, 2360, 2363 siehe ferner Canaris, Handelsrecht, 2006, § 8 I 7; siehe auch den Vergleich mit der Stellung des Anteilsverkäufers bei Hommelhoff, ZGR1982, 366, 376 f. 50 So zu Recht BGH WM 1970, 819 für einen Fall mit 0,25 % nicht übertragenen Anteilen. 51 Der Fortführungswille stellt insoweit ein signifikantes Abgrenzungsmerkmal dar, als der Kleinaktionär mit dem Aktienerwerb zwar auch Informations- und Kontrollrechte durch den Erwerb einer Beteiligung am Eigenkapital der Gesellschaft erlangt, dennoch seine Motive auf rein erfolgsbeteiligtem Gewinninteresse an der Gesellschaft basiert ist ohne Willen und vor allem Möglichkeit auf Fortführung des Unternehmens. Damit bezweckt er über Dividendenzahlungen und Substanzmehrung, insbesondere durch Steigerung des Börsenkurses, am Gewinn des Unternehmens beteiligt zu werden, so Beisel/Klumpp, 14. Kapitel Rn. 2, die auch auf die Unterscheidung von Stamm- und Vorzugsaktien hinweisen und dem Erwerber von Stammaktien weitere Rechte zusprechen, die man aus seiner Miteigentümerrolle ableiten könne. 48
§ 3 Gestaltung auf der dinglichen Ebene
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mungen zum Vertragsübergang), sowie das Verzichten auf Kündigungsrechte von wichtigen Abnahme-, Bezugs-, Lizenz- und Arbeitsverträgen etc.52 Für das Pflichtenprogramm des Käufers kommen etwa die Sicherung der Finanzierung, das Vorliegen von erforderlichen Genehmigungen, Informationen zu den kartellrechtlichen Grundlagen der Genehmigungsfähigkeit in Frage.53 Ferner hat die dem Unternehmen als Vertragsgegenstand innewohnende Besonderheit, dass unkörperliche wertbildende Positionen bei seiner Veräußerung inbegriffen sind, zu der Entwicklung einer speziellen Einweisungspflicht des Veräußerers geführt, die die Offenbarung und Vermittlung technischer, kaufmännischer und sonstiger Kenntnisse, sowie die Einführung in die Beziehungen zu Lieferanten, Kreditgebern und Kunden etc. umfasst.54 Diese Pflicht rührt aus der Tatsache, dass der Unternehmenskauf ein Vertrag ist, der auf die entgeltliche Veräußerung eines Unternehmens als Ganzes mit dem Ziel der Fortführung durch den Erwerber gerichtet ist.55 Sie wird in der Literatur unterschiedlich bezeichnet, mal als zusätzliche Hauptpflicht56 bzw. Handlungspflichten57 des Vertrags, mal als Teil des dinglichen Vollzugs, nämlich der tatsächlichen Übergabe des Unternehmens durch Realakt58. Wie sie auch dogmatisch eingeordnet werden, müssen sich die Parteien eines Unternehmenskaufvertrages darüber einig sein, dass diese immateriellen Werte mit übertragen werden sollen. Steht dieses einmal fest, muss die Einweisung erfolgen, gleich ob als schuldrechtliche Pflichterfüllung oder dinglichen Vollzug.
§ 3 Gestaltung auf der dinglichen Ebene A. Keine spezielle Vollzugsform des Unternehmens vorhanden Während den Parteien bei der inhaltlichen Vertragsgestaltung auf der schuldrechtlichen Ebene außer den zwingenden Vorschriften [Nichtigkeit wegen gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) und Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), sowie die Inhaltskontrolle (§ 309 ff. BGB)] keine Grenzen gesetzt sind, ist dem bezüglich der dinglichen Verfügung nicht so. 52
Holzapfel/Pöllath, Rn. 671. Holzapfel/Pöllath, Rn. 673. 54 MünchKommHGB/Lieb, 2. Aufl., Anh. § 25 Rn. 24.; verweisend auf Staub/Hüffer, Vor § 22 Rn. 16 f.; zu Aufklärungspflichten des Veräußerers BGH NJW 2002, 1042; 2001, 2163. 55 Siehe oben § 2 B.; vgl. auch MünchKommHGB/Lieb, Anh. § 25 Rn. 2. 56 Knott, Rn. 23. 57 Vgl. Hommelhoff, ZHR 1986, 254 ff., 260, der sie auch als „Überleitungspflichten“ bezeichnet. 58 MünchKommHGB/Lieb, 2. Aufl., Anh. § 25 Rn. 24; Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 73. 53
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1. Kap.: Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
Den sachenrechtlichen Vorschriften liegt eine Reihe von zwingenden Prinzipien zugrunde, die im Interesse der Rechtsklarheit und des Verkehrsschutzes die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Parteien durch die Vorgabe eines numerus clausus einschränken (Typenzwang), welche in ihrem Wesenskern nicht durch Parteivereinbarung erweitert werden können (Typenfixierung).59 Typenzwang und -fixierung beschränken die Privatautonomie nicht hinsichtlich der Frage, ob ein Sachenrecht begründet, abgeändert oder aufgehoben werden soll, wohl aber hinsichtlich der formellen Gültigkeitsvoraussetzungen solcher Rechtsgeschäfte und ihrer inhaltlichen Gestaltung.60 Im engen Zusammenhang mit dem Trennungsprinzip und dem Typenzwang steht der Bestimmtheitsgrundsatz – auch als Spezialitätsgrundsatz bezeichnet – wonach dingliche Rechte und Verfügungen nur in Bezug auf individuell bestimmte Sachen möglich sind.61 Asset Deal und Share Deal als sogenannte Vollzugsformen des Unternehmenskaufs sind primär das Ergebnis des sachenrechtlichen Regimes. Die strenge Unterscheidung zwischen Asset Deal, dem Erwerb eines Unternehmens durch Übertragung der einzelnen zu ihm gehörenden Gegenstände, und Share Deal, dem Erwerb durch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, findet ihre volle Entfaltung auf der dinglichen Ebene, während in obligatorischer Hinsicht nach der ganz h.M. beide Fallgestaltungen gleich zu behandeln sind.62 Da das Gesetz keine spezielle Vollzugsform für den Unternehmenskauf enthält – wie z. B. in der Form eines Unternehmensregisters63 – sind alle zum Unternehmen gehörigen Gegenstände nach dem Spezialitätsgrundsatz einzeln zu übertragen. Es fehlt hier zwar an einem gesetzlichen Typenzwang bezüglich des Unternehmens als solchen, jedoch greift hier die Typenfixierung durch, dass die Parteien die Gesetzeslücke nicht privatautonom gestalten können, sondern auf die für Einzelgegenstände bzw. Anteile vorgesehenen Vollzugsformen „fixiert“ sind. Gegenüber dem einfachen Sach- und Rechtskauf divergiert hier der Gegenstand des Verpflichtungsgeschäfts und des Erfüllungsgeschäfts, so dass mit dem Vollzug aller einzelnen Erfüllungsgeschäfte (wie etwa durch Auflassung und Eintragung der Grundstücke, Einigung und Übergabe der beweglichen Sachen, Abtretung der Forderungen, Einigung und Übergabe der Anteile etc.) der dingliche Vollzug des 59
MünchKommBGB/Geier, Einleitung zum Sachenrecht, Rn. 11. MünchKommBGB/Geier, Einleitung zum Sachenrecht, Rn. 11. 61 MünchKommBGB/Geier, Einleitung zum Sachenrecht, Rn. 20. 62 Canaris, Handelsrecht, 2006, § 8 I Rn. 2 f.; im Falle eines Anteilskaufs wirke es sich auf der schuldrechtlichen Ebene lediglich nur dahingehend aus, dass der Kaufvertrag eine entsprechende Abrede über die Art der Erfüllung im Wege der Anteilsübertragung enthält. 63 Canaris, Handelsrecht, 2006, § 8 I Rn. 1; zu unterscheiden ist das Unternehmensregister nach § 8b HGB, das keine originäre Bekanntmachungsfunktion wie das Handelsregister – somit auch keine Publizitätswirkung nach § 15 HGB – hat, sondern als zentrale Zugangsstelle zum einen als Portal zu den Registerdaten der Länder, zum andern zu den im Unternehmensregister selbst gespeicherten unternehmensbezogenen und kapitalmarktrechtlichen Daten, dient. Näheres dazu siehe Baumbach/Hopt/Hopt, § 8b HGB Rn. 1 ff. 60
§ 3 Gestaltung auf der dinglichen Ebene
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Unternehmenskaufs eintritt. Der absolute Schutz der Eigentümerposition, welcher sich qualitativ von der relativen schuldrechtlichen Schutzwirkung gegenüber Dritten abhebt, wird mit Vollendung aller einzelnen Vollzugformen gesichert. Mit dieser dinglichen Übertragung tritt auf der schuldrechtlichen Ebene die Erfüllung der Pflicht des Verkäufers ein, dem Käufer das Eigentum zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB).64 Insoweit erweist sich die bürgerlich-rechtliche Position des „Eigentümers“ als unzureichend, um die Zuordnung des so unterschiedlich zusammengesetzten Unternehmensvermögens in einer juristisch adäquaten Weise zu vermitteln. Festzuhalten bleibt – und das ist wohl primär mit der Betonung der dinglichen Vollzugsformen beabsichtigt – dass die Unterscheidung von Share Deal und Asset Deal als sachenrechtliche Vollzugsformen nicht mehr Aussagekraft darüber verfügen, als dass Singularsukzession bzw. Anteilsübertragung in Frage kommen und ihr Vollzug die dingliche Position des Käufers als Eigentümer des Unternehmens sichert.65 Wenn in der Literatur beim Share Deal dem schuldrechtlichen Teil und beim Asset Deal dem dinglichen Teil mehr Gewicht zugesprochen wird66, ist damit die relative Einfachheit des dinglichen Eigentumsübergangs beim Share Deal gegenüber dem Asset Deal gemeint. Denn tatsächlich erfordert der dingliche Übergang des Unternehmens beim Asset Deal mehr Sorgfalt, weil alle zum Unternehmen gehörenden und mitzuveräußernden Gegenstände und Vertragsbeziehungen einzeln bestimmt und übertragen werden müssen. Da die Übertragung von Verträgen mit Dritten grundsätzlich die Zustimmung aller Beteiligten erfordert, könnte der Asset Deal unter Umständen schon von vornherein mit Schwierigkeiten verbunden sein.67 Beim Share Deal gehen nur die Anteile über, so dass „lediglich“ die Bestimmung der Anteile erforderlich ist. Der Rechtsträger als Eigentümer der materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter bleibt unverändert. Löst man die Vollzugsformen aus dem dinglichen Kontext heraus und setzt sie in das gesamtvertragsrechtliche Gefüge, so wird deutlich, dass ihr Wirkungsfeld die ganze Transaktionsgestaltung umfasst. Sie bestimmen nicht nur den prozessualen Verlauf der Transaktion im wesentlichen Maße (die öffentliche Übernahme kommt beispielsweise nur als Share Deal in Frage), sondern prägen auch die vorvertragliche Verhandlungsphase und damit den materiellen Inhalt des Vertrags. Die Wahl der 64 Die Pflicht des Verkäufers, die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB) betrifft allein die schuldrechtliche Ebene. 65 Vgl. auch Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305, 306, der den Asset Deal entweder als ein Kauf von Einzelgegenständen oder als eine Vollzugsform des Unternehmenskaufs als einen farblosen, weil unpräzisen Begriff erachtet; welche Auswirkungen die Wahl der Transaktionsform in anderen Rechtsgebieten hat, wie z. B. aus steuerrechtlichen Gründen, siehe Elser, DStR 2002, 1827. 66 Holzapfel/Pöllath, Rn. 231, dem zustimmend Berens/Mertes/Strauch, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 21, 25 f. 67 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 2 Rn. 36.
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1. Kap.: Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
Vollzugsformen kann etwa im Zusammenspiel zwischen der juristischen und der steuerlichen Due Diligence eine besondere Rolle spielen. Denn sie beeinflusst mehr als andere Teilbereiche der Due Diligence das Transaktionsmodell und die Gestaltung der finanziellen und juristischen Akquisitionsstruktur, sowie die zeitliche und methodische Transaktionsstrukturierung.68 Share Deal und Asset Deal als Grundformen des Unternehmenskaufs nehmen in zwei Richtungen eine wegweisende Funktion ein: Erstens wird die dingliche Vollzugsform der Transaktion bestimmt, zweitens haben sie eine Indizwirkung für den Inhalt des schuldrechtlichen Vertrags. Die Besonderheit beim Unternehmenskauf liegt darin, dass Vollzugsformen auf der dinglichen Ebene – wie man sehen wird – in einer Art Zirkelschluss Aufschluss über den schuldrechtlichen Inhalt geben.
B. Der Share Deal Ist Träger des Unternehmens eine Gesellschaft, kann sich der Erwerb eines Unternehmens neben der Möglichkeit des Asset Deals auch mittelbar im Wege des Kaufs der Gesellschaftsanteile vollziehen. Von der Übertragung der Inhaberschaft an der Gesellschaft bleibt der Rechtsträger des Unternehmens, das als Rechtssubjekt in allen Rechtsverhältnissen zur Außenwelt eingebunden ist, unberührt, so dass bezüglich Eigentumspositionen und Vertragsbeziehungen keine Veränderungen bewirkt werden. Rechtlich gesehen findet am Unternehmen selbst kein Eigentumsbzw. Vertragsübergang statt. Die sachenrechtliche Eigentumsübertragung ist sehr viel einfacher gestrickt als beim Asset Deal, da „nur“ die Anteile zur Veräußerung bestimmt und übertragen werden müssen. Hingegen führt die Zwischenschaltung der Gesellschaft beim Share Deal zur Erweiterung des Problemkreises. Die gesellschaftsrechtliche Komponente ergibt sich aus der einfachen Tatsache, dass beim Share Deal Mitgliedschaftsrechte an einer Gesellschaft übertragen werden. Während es beim Asset Deal beim klassischen bürgerlich-rechtlichen Verkäufer-Käufer-Verhältnis bleibt, werden die Parteien eines Share Deals aufgrund der mittelbaren Transaktionsgestaltung in ein Dreiecksverhältnis von Verkäufer-Gesellschaft-Käufer eingebunden, das den betroffenen Problemkreis auf den gesellschaftsrechtlichen Komplex erweitert.69 Dieses kommt beim Vertragsschluss schon dadurch zum Ausdruck, dass Anteilsübergänge von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden können (§ 15 Abs. 5 GmbHG). Die Gesellschaftsform und der gesellschaftsrechtliche Hintergrund eines Unternehmens wirken sich direkt auf die Transaktion aus, weil hiervon abhängt, ob und was der Käufer rechtswirksam erwerben kann.70 Die Inhaberstellung des Verkäufers kann nur – außer 68 69 70
Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 12 Rn. 2. Vgl. insbesondere im 2. Kapitel die verschiedenen Interessenebenen. Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, 174, 176.
§ 3 Gestaltung auf der dinglichen Ebene
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es liegen Tatbestände für den gutgläubigen Erwerb aus § 16 Abs. 3 GmbHG vor – durch die lückenlose Kette der seit Übernahme der Anteile bei der Gründung oder bei Kapitalerhöhungen erfolgten Abtretungen und Gesamtrechtsnachfolgen (Erbgänge, Umwandlungen) verifiziert werden.71 Bei einer GmbH wird dieser Nachweis durch das notarielle Formerfordernis für den Gesellschaftsvertrag bei der Gründung (§ 2 Abs. 1 GmbHG) und die Übertragung der Anteile aufgrund des Abtretungsvertrags (§ 15 Abs. 3 GmbHG) erleichtert. Dingliche Rechte am Geschäftsteil (z. B. Pfandrecht, Nießbrauch oder Abtretung von Gewinnbezugsrechten) bestehen trotz Inhaberwechsels fort, unabhängig davon, ob der Erwerber Kenntnis davon hatte.72 Im Gegensatz zum Asset Deal ist zu beachten, dass bei der Übertragung des Unternehmens im Wege des Share Deals die Frage des Übergangs von Rechten und Pflichten und damit von vertraglichen Risiken sich zumindest vom Grundsatz her nicht stellt. 73 Denn durch den Erwerb der Gesellschaft gehen die Verbindlichkeiten und Haftungen des Rechtsträgers gegenüber Dritten wirtschaftlich auf den Erwerber über. Dem entsprechend werden für die Due Diligence andere Prüfungsschwerpunkte gesetzt werden müssen, weil nicht die Gültigkeit des Übergangs relevant sein wird, sondern primär die Frage, ob die im Rahmen der Due Diligence vorgefundenen Verhältnisse ex post auf die Belange des Käufers angepasst werden könnten.74 Bestehende Risiken können zwar schon durch Wertberichtigungen, Rückstellungen oder andere Passivierungen in der Abrechnungsbilanz erfasst werden, je nach Einzelfall könnten geeignete Absicherungsinstrumente aber auch vertragliche Garantien, die mit entsprechenden Erfüllungspflichten verknüpft sind, erforderlich sein.75
C. Der Asset Deal Die Transaktion in Gestalt des Asset Deals erfordert wegen des sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes eine genaue Bestimmung der materiellen und immateriellen Güter, die vom Käufer erworben werden sollen. Diese Art der Vollzugsform ist immer dann zwangsläufig, wenn das Zielunternehmen von Einzelgewerbetreibenden geführt wird. Aber auch bei Unternehmen, die von einer Gesellschaft getragen wird, kommt der Asset Deal als Alternative in Betracht, wenn etwa steuerrechtliche Vorteile im Vordergrund stehen. Während beim Share Deal die Substanz des Unternehmens als Ganzes erhalten bleibt und damit der Blick der Dogmatik auf die übergehenden Anteile und ihren „Durchgriff“ auf die wirtschaftliche Substanz gerichtet war, geht es beim Asset Deal darum, die funktionale Verbundenheit der einzelnen Vermögensgüter im wirt71 72 73 74 75
Altmeppen, in: Roth/Altmeppen/, § 15 GmbHG, Rn. 13. Knott, Rn. 576. Schroer, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 17 Rn. 38. Vgl. auch Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, § 3 Rn. 43. Beisel/Klumpp, 16. Kapitel Rn. 72, 80 f.
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1. Kap.: Die Gestaltung des Unternehmenskaufs
schaftlichen Gefüge des Unternehmens zu bestimmen.76 Denn wirtschaftlich gesehen weist das Unternehmen als ein nach einem einheitlichen Organisationsplan wirtschaftendes soziales Gebilde eine Ganzheitsstruktur auf, aufgrund dessen den einzelnen Vermögensteilen – außer den Geldbeständen – keine selbständigen Werte zugeordnet werden können, solange sie im Betrieb eingebunden sind.77 Der Vollzug des Unternehmenskaufvertrags im Wege des Asset Deals ist auf die Übertragung der Einzelwirtschaftsgüter gerichtet. Aufgrund des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebots ist die quantitative Auswahl – im Falle, dass nicht das ganze Vermögen zur Veräußerung bestimmt ist – schon erfolgt. Fraglich ist, wie vorhandene Vertragsverhältnisse des Verkäufers übertragen werden müssen. Insoweit, dass kein gesetzlicher Übergang von Rechtsverhältnissen gegeben ist78, haben die Parteien freie Wahl, welche Rechtsverhältnisse vom Erwerber übernommen werden sollen oder nicht, so dass auch eine privatautonome Entscheidung über Risiken möglich ist.79 In der Regel handelt es sich gerade bei bestimmten vertraglichen Beziehungen und Rechtspositionen um ökonomisch wichtige „Assets“ des Zielunternehmens, so dass der Erfolg der Transaktion gerade auch von einer Überleitung dieser Vertragsverhältnisse abhängt.80 Denn das Bestehen oder Nichtbestehen von Dauerverträgen mit Lieferanten, Kunden, Kreditgebern kann die Ertragslage der Gesellschaft ganz wesentlich bestimmen und ist für die Fortführung des operativen Geschäfts der Gesellschaft von höchster Relevanz.81 Für eine derartige Verfügung über ein Schuldverhältnis im Ganzen, für die das positive Recht keine Vorschriften zur Verfügung stellt, bedarf es der Zustimmung aller Beteiligten.82 Sie kann als dreiseitiger Vertrag83, aber auch in der Form einer Zustimmung des dritten Teils zu der betreffenden Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer ausgestaltet werden.84 Häufig wird dieser die Zustimmung von Änderungen abhängig machen, wenn er von 76 Vgl. Schroer, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 17 Rn. 38 ff., dass beim Share Deal mit Blick auf die grundsätzliche Übernahme auch sämtlicher vertraglicher Verpflichtungen, die zutreffende Erfassung im Vordergrund stehe, beim Asset Deal hingegen die Frage, was überhaupt übertragen werden soll, von Bedeutung sei. 77 Vgl. Münstermann, S. 18 f., der aus Sicht der Betriebswirtschaft der Unternehmung das Prinzip der Bewertungseinheit zugrunde legt; dieses wird anhand des Aktivvermögens deutlich, das in dem Augenblick, in dem das Eigenkapital vollständig aufgezehrt ist, für die Schuldentilgung eingesetzt wird. 78 Etwa aufgrund der Unternehmensübernahme i. S. v. §§ 25, 26 HGB, wenn der Käufer das von ihm erworbene Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt. Dann haftet er für alle im Betrieb des Geschäftsbegründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers gem. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB. Nach BGH NJW 1992, 911; NJW 2006, 1001 reicht dabei schon, wenn sich nur der Kern der alten und neuen Firma gleichen. 79 Schroer, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 17 Rn. 40. 80 Schroer, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 17 Rn. 43. 81 Knott, Rn. 586. 82 Beisel/Klumpp, 8. Kapitel Rn. 1 f.; Palandt/Grüneberg § 398 BGB Rn. 42. 83 BGHZ 96, 302 = NJW 1986, 918. 84 Palandt/Grüneberg § 398 BGB Rn. 42; Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Rn. 24 f.
§ 3 Gestaltung auf der dinglichen Ebene
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solchen profitiert, so dass es insoweit eine Frage des Einzelfalls ist, ob vertragliche Verbindlichkeiten oder Risiken im Verhältnis zu einem Dritten tatsächlich entsprechend dem Willen des Veräußerers und Erwerbers modifiziert werden können.85 Die hieraus entstehenden Nachteile oder hiermit verbundenen Risiken müssen dann durch Anpassung des Preises oder eine entsprechende Freistellungsvereinbarung im Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer kompensiert werden.86
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Schroer, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 17 Rn. 43. Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Rn. 25; vgl. Holzapfel/Pöllath, Rn. 801, 859; über die Risikoverteilung in Unternehmensverträgen vgl. auch Hasselbach/Ebbinghaus, DB 2012, 216. 86
2. Kapitel
Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf § 1 Der Interessenkonflikt beim Share Deal A. Das Dreiecksverhältnis beim Share Deal Wird der Unternehmenskauf in Form der Anteilsübertragung (Share Deal) vollzogen, entsteht ein Dreiecksverhältnis zwischen Verkäufer, Zielgesellschaft und Käufer. Gegenüber dem Asset Deal besteht der wesentliche Unterschied darin, dass der Verkäufer nicht Eigentümer des Unternehmens ist, indem er unmittelbar über die materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter des Unternehmens verfügt, sondern als Mehrheitsgesellschafter der das Unternehmen tragenden Zielgesellschaft mittelbar über das Unternehmen verfügt. Neben dem schuldrechtlichen Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer tritt hier das Verhältnis der jeweiligen Vertragsparteien zur Zielgesellschaft hinzu, so dass sich eine andere Ausgangslage hinsichtlich des vorvertraglichen Informationsprozesses ergibt. Im Vergleich zu sonstigen Kaufverträgen, aber auch zum Asset Deal, liegt die besondere Situation beim Share Deal darin, dass der am Verkauf interessierte Mehrheitsgesellschafter oft selbst keinen direkten Zugang zu den relevanten Informationen hat, die der Kaufinteressent begehrt. Dies ist im Wesentlichen auf die Eigenschaft der Kapitalgesellschaft als Körperschaft und der daraus folgenden Möglichkeit der Fremdorganschaft zurückzuführen, die es erlaubt, die geschäftsführenden Organe der rechtstragenden Gesellschaft mit Dritten ohne Unternehmensbeteiligung zu besetzen. In Extremfällen kann es sein, dass ein Großaktionär oder ein Mehrheitsgesellschafter nicht mehr weiß, als ein außenstehender Erwerbsinteressent, welcher sich zunächst aus öffentlich zugänglichen Materialien die relevanten Informationen verschaffen wird. Gemäß §§ 242, 264 HGB sind die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft verpflichtet, die Gesellschafter und die Allgemeinheit jährlich im Rahmen des Jahresabschlusses durch die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung, sowie den Lagebericht über die Lage der Gesellschaft und ihrer Erträge im abgelaufenen Geschäftsjahr zu informieren. Zu Beginn der Vertragsverhandlungen wird sich der Kaufinteressent durch solche öffentlich zugänglichen Daten seine Informationen beschaffen. Da diese jedoch dem Käufer für seine Entscheidungsfindung kaum
§ 1 Der Interessenkonflikt beim Share Deal
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ausreichen werden1 und er als außenstehender Dritter keine unmittelbaren Informationsrechte gegenüber der Zielgesellschaft hat – es sei denn er ist Gesellschafter und kann jene aus seiner Gesellschafterstellung (§ 131 AktG, § 51a GmbHG) geltend machen – ist er allein auf seine Informationsansprüche aus dem vorvertraglichen Verhältnis mit dem Verkäufer (§ 311 BGB) angewiesen, um die relevanten Informationen über den tatsächlichen Wert und Zustand des Unternehmens zu erhalten. Generell ausgenommen von dieser Problemlage ist der Management-Buyout (MBO), wo sich ein solches Informationsproblem erst gar nicht stellt, da das bisherige Management als Erwerber meist selbst über die Informationsquellen verfügt.2 Entscheidend ist daher, welche Informationsrechte der veräußernde Gesellschafter gegenüber der Zielgesellschaft hat und inwieweit die Vorstandsmitglieder oder die Geschäftsführer der Zielgesellschaft befugt sind, der Mehrheitsgesellschafterin Unternehmensinterna zum Zwecke der Weiterleitung an den Käufer offenzulegen. Geschäftsführende Organe sind aus der organschaftlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft heraus verpflichtet, Stillschweigen über Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zu bewahren. Das Aktienrecht enthält im § 93 Abs. 1 S. 2 AktG i. V. m. § 404 Abs. 1 AktG explizit das Verbot der Informationsweitergabe. Das GmbH-Recht verfolgt zwar eine wesentlich andere gesellschaftsinterne Informationspolitik als das Aktienrecht, jedoch kann aus der Tatsache allein, dass im Gesetz der GmbH eine vergleichbare Regelung wie im Aktiengesetz fehlt, nicht begründet werden, dass die Geschäftsführer der GmbH auch Dritten gegenüber keiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen.3 Dieses wird schon durch § 85 GmbHG ersichtlich, der die unbefugte Offenbarung von Gesellschaftsgeheimnissen strafrechtlich sanktioniert. Des Weiteren dürfen die Geschäftsführer gem. § 51a Abs. 2 GmbHG die Auskunft und Einsicht verweigern, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zugefügt wird. Schweigepflichten werden im Due Diligence-Verfahren insofern relevant, als der Kaufinteressent Unternehmensinterna begehrt, die meist von der Verschwiegenheitspflicht umfasst sind und ohne ein „objektives Interesse der Gesellschaft“ nicht weitergegeben werden dürfen. Voraussetzung dafür, dass Verkäufer- und Käuferinteressen im Rahmen der vorvertraglichen Due Diligence eines Share Deals verwirklicht werden können, ist daher, dass die Offenlegung der Unternehmensinterna zugleich auch objektiv das Gesellschaftsinteresse verwirklicht bzw. dem nicht entgegensteht. Denn der Vorstand/die Geschäftsführung wird zur Mitwirkung nur bereit
1
Zur Reichweite des Informationsbegehrens beim Erwerbsinteressenten vgl. auch Götze, ZGR 1999, 202, 204 f. 2 Zur atypischen Informationslage beim MBO vgl. Andreas, in: Beck’sches MandatsHandbuch Due Diligence, § 2 Rn. 29, vgl. auch bereits oben § 1 A. 3 Körber, NZG 2002, 263, 266 f.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
sein und es auch dürfen, wenn der Gesellschaft durch die Weitergabe der sensiblen Informationen keine Schäden drohen. Dem (vor)vertraglichen Informationsproblem ist die Lösung des Interessenkonflikts auf gesellschaftsrechtlicher Ebene vorzuschalten. Das Informationsproblem beim Share Deal kann nur vollständig gelöst werden, wenn die gesellschaftsrechtlichen Schranken der Informationsweitergabe von Seiten der Geschäftsleitung der Zielgesellschaft überwunden werden. Da die Informationsansprüche eines Gesellschafters im deutschen Gesellschaftsrecht nach „rechtsformabhängigen Differenzierungen“4 geregelt sind, ist die Rechtslage in den jeweiligen Gesellschaftsformen zunächst getrennt zu untersuchen.
B. Die Kompetenzverteilung in der Zielgesellschaft I. Die Rechtslage in der AG 1. Der Informationsanspruch des Aktionärs Jedem Aktionär steht das Recht zu, in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über rechtliche und geschäftliche Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist (§ 131 AktG). Der Gedanke hinter dieser positivrechtlichen Formulierung liegt nicht in der Ausdehnung des individuellen Informationsrechts des Aktionärs, sondern betont den kollektiven Charakter des Informationsrechts, das die Durchsetzung der Berichtspflicht des Vorstands ergänzen soll.5 Mit § 131 AktG hat der Gesetzgeber das individuelle Informationsrecht des Aktionärs als ein in der Hauptversammlung auszuübendes Recht definiert, welches nicht als ein organschaftliches Kontrollinstrument fungieren, sondern ein Hilfsrecht für die sachgerechte Stimmrechtsausübung darstellen sollte.6 Danach kann über Angelegenheiten der Gesellschaft nur Auskunft verlangt werden, soweit die Information „zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist“. Schmidt sieht darin nicht das Missbrauchsverbot7, sondern das Informationsinteresse konkretisiert. Da das individuelle Informationsrecht des Aktionärs auf ein Hilfsrecht für die richtige Stimmrechtsausübung zurückgeschnitten sei, müsse auch ein das Informationsrecht tragendes Informationsinteresse Bezug zur Stimmrechtsausübung haben.8 4
Schmidt (1984), S. 22 f.; vgl. § 131 AktG, § 51a GmbHG, §§ 116, 118 HGB. Schmidt (1984), S. 49. 6 Schmidt (1984), S. 48 f. 7 Vgl. Ebenroth, S. 35 ff., der mit der dem Auskunftsrecht immanenten Schranke alle Missbrauchsfälle erfasst sieht und für eine Ausschließlichkeit des § 131 AktG gegenüber § 242 BGB plädiert. 8 Schmidt (1984), S. 49 f. 5
§ 1 Der Interessenkonflikt beim Share Deal
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Neben dieser inhaltlichen Eingrenzung des Informationsbedarfs folgt eine weitere Inhaltskontrolle durch den Informationsträger selbst. Der Vorstand kann die Auskunft verweigern, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (§ 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG). Nahezu unstreitig ist, dass der Vorstand Auskunft zu „sensiblen“ Daten, wie sie gerade vom Aktionär und seinem Interessenten verlangt werden und die geeignet sind, der Gesellschaft nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, gem. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG verweigern kann.9 Da das Informationsbegehren i. V. m. der Due Diligence durch das Vermögens- und Eigentumsinteresse motiviert ist, wird der Mehrheitsaktionär im Vorfeld der Transaktion sich nicht auf das Informationsrecht aus § 131 AktG berufen können, um die relevanten Daten zu bekommen. Ihm und seinem Transaktionspartner ist insoweit mit der grundsätzlichen Publizitätspflicht der Gesellschaft aus §§ 242, 264 HGB und des Auskunftsrechts aus § 131 AktG wenig geholfen. Ist der verkaufswillige Großaktionär ein herrschendes Unternehmen in einem Beherrschungsvertrag, ist fraglich, ob aus der Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens gemäß § 308 Abs. 1 AktG ein Informationsrecht im Rahmen einer Due Diligence abgeleitet werden kann. Unstreitig ist, dass das herrschende Unternehmen dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft nach dieser Vorschrift Weisungen erteilen kann, ihm bestimmte Informationen herauszugeben.10 Was jedoch ihren Inhalt betrifft, muss wieder auf die funktionale Bestimmung der Weisungsbefugnis zurückgegriffen werden, welche der strategischen und taktischen Führung der beiden zum Konzern verbundenen Unternehmen dienen soll.11 So wird eine Weitergabe der Informationen für eine Due Diligence abgelehnt, da hier Eigentümerund Vermögensinteressen des Großaktionärs betroffen sind, welche mit Blick auf den telos der Vorschrift von der Sicherung unternehmerischer Leitungsbefugnis nicht erfasst werden.12 2. Die Informationsbefugnis des Vorstands Die Rechte und Ansprüche des Aktionärs auf Information und einer korrespondierenden Pflicht des Vorstands zur Information helfen dem verkaufswilligen Aktionär wenig, die für den Verkauf erforderlichen Daten über die Gesellschaft zu 9 Lutter, ZIP 1997, 613, 616; Hüffer, Aktiengesetz, § 131 Rn. 24; LG Saarbrücken NZG 2004, 1012, 1013. 10 Lutter, ZIP 1997, 613, 616; Mertens, AG 1997, 541, 543; KölnKommAktG/Zöllner § 131 Rn. 66, dass aus der unbeschränkten Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens auch ein Recht auf umfassende Auskunft korrespondieren müsse. 11 Lutter, ZIP 1997, 613, 616; Hüffer, Aktiengesetz, § 131 Rn. 38. m. w. N. 12 Lutter, ZIP 1997, 613, 616 f.; Mertens, AG 1997, 541, 543, dass, selbst wenn also der Verkäufer auf diese Weise in Besitz der relevanten Informationen gelangt wäre, könnte er eigenständig den Informationswünschen des potentiellen Erwerbers nicht gerecht werden, ohne seinerseits gegen eine Geheimhaltungspflicht zu verstoßen.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
bekommen. Gegen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats spricht die zwingende gesetzliche Kompetenzordnung des Aktienrechts (§ 23 Abs. 5 AktG), wonach nur in den gesetzlich normierten Fällen die Zuständigkeit der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrates gegeben ist.13 Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung scheidet insoweit aus, da in dem Katalog des § 119 Abs. 1 AktG der Hauptversammlung die Offenbarung von Gesellschaftsgeheimnissen gerade nicht enthalten ist.14 Nach Roschmann/Frey seien schon allein aus Gründen des Publizitätseffekts i. V. m. der Unbekanntheit der Tatsache und dem davon abhängenden Strafschutz, die Einschaltung der Hauptversammlung nicht zu erwägen.15 Auch eine Zuständigkeit des Aufsichtsrates sei mit seiner prinzipiellen Zuständigkeit für die Überwachung der Geschäftsführung nicht in Einklang zu bringen.16 v. Stebut weist zutreffend daraufhin, dass der Vorstand im Laufe der Geschäftsführung immer wieder zu Entscheidungsmomenten komme, in denen Betriebsgeheimnisse und vertrauliche Angaben begründet werden müssen und der Wille und die Kompetenz für die Entstehung eines Geheimnisses ein Anhaltspunkt für die Berechtigung des Vorstands sein kann, über die Mitteilung von Geheimnissen an Dritte zu entscheiden.17 Die Befugnis, über die Offenbarung von Geheimnissen zu beschließen, ist demnach aus der Geschäftsführungsfunktion des Vorstands herzuleiten und im Lichte des § 77 Abs. 1 AktG zu sehen.18 13 Hüffer, Aktiengesetz, § 119 Rn. 10; Hemeling, ZHR 2005, 274, 282 sieht die Einschaltung des Aufsichtsrats dann als notwendig gegeben, wenn die Gefahr einer Interessenkollision im Vorstand erkennbar wird, hinweisend auch auf die Änderungen des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19. 07. 2002, BGBl.I S. 2681, wonach der Aufsichtsrat bei wesentlichen Maßnahmen in die Willensbildung eingebunden werden soll. 14 Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 451; näheres dazu auch v. Stebut, S. 95, 98; so auch Treeck, in: FS Fikentscher, S. 434, 443. 15 Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 451; anderes gilt jedoch für die GmbH, siehe unten II. 16 Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 451, die jedoch eine zusätzliche Zustimmung des Aufsichtsrates dann für möglich halten, wenn die Satzung der Zielgesellschaft oder der Aufsichtsrat durch Beschluss einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates statuieren. Ein derartiger Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates sei jedoch – soweit ersichtlich – in der aktienrechtlichen Praxis nicht üblich und stelle daher lediglich nur eine theoretische Möglichkeit dar; vgl. auch Lutter (2006), Rn. 431, dass der Vorstand bei seiner Entscheidung über Geheimhaltung nicht an Weisungen oder Auffassungen des Aufsichtsrats gebunden sei. 17 v. Stebut, S. 97 f. 18 Mertens, AG 1997, 541; Körber, NZG 2002, 263, 268; Lutter (2006), Rn. 429; vgl. auch die Ansicht von KölnKommAktG/Mertens/Cahn § 116 Rn. 47, der einen eigentlichen Geheimnisverzicht durch den Vorstand nicht für möglich hält, da dieser nicht Herr seiner eigenen Verschwiegenheitspflicht sein könne, zugleich jedoch anerkennt, dass der Vorstand aus unternehmenspolitischen Gründen einem potentiellen Käufer oder Fusionspartner jedenfalls dann Kenndaten des Unternehmens zugänglich machen können müsse, wenn ernstliche Verhandlungen angebahnt seien und der Verhandlungsfortschritt diesen verlange. Dagegen sieht Lutter nur einen geringen Unterschied der Ansichten, da der Vorstand auch im Falle eines Verzichts an
§ 1 Der Interessenkonflikt beim Share Deal
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Die Zuständigkeit der Einwilligung für die Offenlegung von Unternehmensinterna zum Zwecke der Due Diligence ist daher in der AG beim Vorstand zu sehen. Dem verkaufswilligen Aktionär und seinem Kaufinteressenten bleiben nur der Weg an der Informationsquelle und des Informationsbefugten selbst anzusetzen. Die weitergehende Problemstellung lautet daher, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vorstand berechtigt ist, Informationen im Rahmen einer Due Diligence weiterzugeben. Im Besonderen bedarf es einer sorgsamen Abgrenzung zwischen jenen Informationen, die im Interesse der Gesellschaft ausgegeben werden dürfen und solchen, die als Geschäftsgeheimnisse der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. 3. Die Verschwiegenheitspflicht des Vorstands nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG Der Vorstand ist das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der AG, der nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Gemäß § 93 Abs. 1 S. 3 AktG hat der Vorstand bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, wobei ihm nach der sog. „Business Judgement Rule“ ein unternehmerischer Ermessensspielraum innerhalb der Grenzen der besonderen Interessenwahrungs- und Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft zusteht.19 Insbesondere hat er Stillschweigen über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft zu bewahren. Die Pflicht zur Geheimhaltung und zur Vertraulichkeit folgt sowohl aus der Treuepflicht jedes Organmitgliedes gegenüber der von ihm repräsentierten Korporation als aus seinem Anstellungsverhältnis.20 Informationen, die unter eine solche Schweigepflicht fallen, dürfen nicht öffentlich gemacht werden. Umgekehrt dürfen alle Informationen, die nicht von einer solchen Pflicht erfasst sind, ohne gesellschaftsrechtliche Bedenken herausgegeben werden. Unter Verschwiegenheit versteht man das Unterlassen jedweder Offenbarung von Informationen an Dritte, sei es durch Erklärung, Weitergabe von Unterlagen oder Gestattung der Einsichtnahme.21 Hiervon erfasst sind grundsätzlich alle Geheimnisse und vertraulichen Angaben des Unternehmensträgers. Geheimnisse sind jene mit dem Betrieb bzw. Geschäft des Unternehmens zusammenhängenden Informationen, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personen-
das – objektive – Unternehmensinteresse gebunden und der Vorstand insofern keineswegs der Herr seiner eigenen Verschwiegenheitspflicht sei. 19 Vgl. die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung BGHZ, 135, 244, 253 = NJW 1997, 1926, in welcher der BGH zum ersten Mal ausgesprochen hat, dass dem Vorstand „ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss“ und dass erst bei Überschreiten dieses Spielraums gehaftet wird. 20 Schmidt (2002), S. 815. 21 Schroeder, DB 1997, 2161.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
kreis bekannt sind und die nach dem bekundeten und erkennbaren Willen des Unternehmens aufgrund eines berechtigten Interesses geheim gehalten werden sollen.22 Tatsachen und Sachverhalte sind als Geheimnisse zu qualifizieren, wenn das Unternehmen ein objektives Interesse daran hat, dass die Kenntnis über diese Umstände auf die damit im Unternehmen befassten Personen beschränkt bleibt.23 Das Geheimnis ist daher als eine relativ unbekannte Tatsache zu definieren.24 Nach dem objektiven Geheimnisbegriff ist nicht maßgebend, ob die Gesellschaft eine bestimmte Tatsache zum Geheimnis erklärt25 oder wie sie tatsächlich in der Gesellschaft gehandhabt wird26. Umstrittener ist indes die Frage, ob für die Begründung des Geheimnisses ein Geheimhaltungswille erforderlich ist.27 Der BGH sieht in den Begriffen „vertrauliche Angaben“ und „Geheimnisse“ insofern auch ein subjektives Element enthalten, als sich die Vertraulichkeit einer Angabe unter Umständen erst aus einem ausdrücklichen Hinweis ergeben kann und zu einem Geheimnis der (geäußerte oder mutmaßliche) Wille zur Geheimhaltung gehört.28 Danach wird mehr oder weniger auf einen generellen Geheimhaltungswillen abgestellt, der in dem Maße, wie der Umstand in der konkreten Gesellschaft oder dem betreffenden Geschäftszweig üblicherweise gehandhabt wird, vermutet wird.29 Lutter lässt dem subjektiven Element kaum praktische Bedeutung zukommen, da sofern nicht ausdrücklich als Geheimnis ausgerufen – was wohl in der Regel der Fall sein wird – der konkludente Wille, aus den objektiven Gegebenheiten hergeleitet und somit die tatsächliche Übung in der konkreten Gesellschaft voll berücksichtigt werde.30 Bedenkt man, dass auch die Ansicht, die das subjektive Element als erforderlich ansieht, den Geheimhaltungswillen nur für das Entstehen eines Geheimnisses voraussetzt, jedoch für den Fortbestand nicht für notwendig erachtet31, wird es daher vollständig genügen, wenn man sich am Offenbarungs- bzw. Verzichtwillen des Geheimnisses orientiert. So kommen 22
Vgl. Angersbach, S. 82. m. w. N. vor allem Lutter (2006), Rn. 413 ff. Ganz herrschende Meinung BGHZ 64, 325, 329; Hüffer, Aktiengesetz, § 93 Rn. 7. 24 v. Stebut, S. 20 f.; Säcker, NJW 1986, 803, 805. 25 MünchKommAktG/Spindler § 93 AktG Rn. 101. 26 Lutter (2006), Rn. 416, der jedoch eine Indizwirkung für das objektive Interesse nicht verneint. 27 Eingehend zur Diskussion siehe MünchKommGmbHG/Wißmann, § 85 Rn. 29 ff. 28 BGHZ, 64, 325, 329; so auch v. Stebut, S. 21; zum Geheimniswillen als wesentliches Merkmal des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses im UWG BGH NJW 1963, 2120; offen lassend jedoch BGH ZIP 1996, 1341, 1342. 29 Nähere Ausführungen dazu v. Stebut, S. 21 ff. 30 Lutter (2006), Rn. 434; Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, § 85 Rn. 4 verneinend auch Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 85 Rn. 10; Altmeppen, in: Altmeppen/Roth, GmbHG, § 85 Rn. 7, dass der Streit kaum ergiebig sei, da ein Geheimhaltungswille auch ohne ausdrückliche Bekundung grundsätzlich angenommen werden müsse, wenn das objektive Geheimhaltungsinteresse bestehe. 31 v. Stebut, S. 28; KölnKommAktG/Mertens/Cahn § 116 Rn. 47; Lutter (2006), Rn. 433. 23
§ 1 Der Interessenkonflikt beim Share Deal
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beide Ansichten praktisch zum gleichen Ergebnis, dass jede unbekannte Tatsache aus dem Bereich der Gesellschaft solange den Geheimnisstatus bewahrt, bis das zuständige Organ den Offenbarungswillen geäußert oder sonst zu erkennen gegeben hat.32 Über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse hinaus erstreckt sich die Schweigepflicht auf vertrauliche Angaben (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), die zwar nicht (mehr) als ein Geheimnis qualifiziert werden, deren Weitergabe jedoch das objektive Interesse der AG und ihres Unternehmens benachteiligen können.33 Als zivilrechtliche (korporative) Pflicht ist das Vertraulichkeitsgebot dem Geheimnisschutz gleichgestellt, nur entfällt beim Ersteren die strafrechtliche Sanktion nach § 404 AktG.34 4. Das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist ferner zu klären, ob die Weitergabe von Informationen durch die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft an den Verkäufer bzw. den Erwerbsinteressenten nach dem Gesetz über den Wertpapierhandel verboten ist. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist es verboten, wenn ein Insider einem anderen eine Insidertatsache unbefugt mitteilt. Als Mitglied eines Geschäftsführungsorgans eines Emittenten von Insiderpapieren handelt es sich beim Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft um einen Primärinsider.35 Sofern die Aktien der Zielgesellschaft an einer Börse gehandelt werden oder in Freiverkehr einbezogen sind liegen Insiderpapiere i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 1 WpHG vor. Problematisch ist, ob die Weitergabe der Due Diligence Informationen als eine unbefugte Weitergabe von Insidertatsachen zu sehen ist. Gemäß § 13 Abs. 1 WpHG ist die Insidertatsache eine jede nicht öffentlich bekannte Tatsache, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere bezieht und die geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Dazu gehören insbesondere Unternehmensinterna wie Umsatz und Ertrag, Mitteilungen über Dividenden- und Kapitalerhöhungen, Bezugsrechtsausschlüsse, Maßnahmen der Kapitalverwässerung und Übernahmeangebote.36 Erfahrungsgemäß werden im Rahmen eines Unternehmenskaufs derartige nicht veröffentlichte Tatsachen und Daten über die Zielgesellschaft weitergegeben, die geeignet sein können den Wert der Aktien der Zielgesellschaft erheblich zu beeinflussen.37 32 Lutter (2006), Rn. 436; v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht im Aktienrecht, 1972, S. 29. 33 MünchKommAktG/Spindler § 93 AktG Rn. 103; OLG Stuttgart NZG 2007, 72. 34 Lutter (2006), Rn. 451; MünchKommAktG/Spindler § 93 AktG Rn. 99. 35 BT-Drucks 12/6679, S. 46. 36 Claussen, DB 1994, 27, 30. 37 Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 453.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
Die Tatbestandsmäßigkeit hängt schließlich davon ab, ob die Informationsweitergabe des Vorstands mit Blick auf die Due Diligence als unbefugt zu bewerten ist. Zieht man die Erwägungsgründe der EG-Insiderrichtlinie38 heran, liegt in der Umsetzung eigener unternehmerischer Entscheidungen als solche kein Ausnutzen von Insiderwissen vor, sofern nicht die Entscheidung durch anderweitig erlangtes Insiderwissen beeinflusst ist.39 Der Gesetzesbegründung zur Folge liegt ein Ausnutzen auch dann nicht vor, wenn jemand aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit zwangsläufig über insiderrelevante Daten verfügt und sie bei der Ausübung seiner Tätigkeit ausschließlich rechtskonform verwendet.40 Demnach fällt auch ein Pakethandel, der in der Regel außerhalb der Börse stattfindet, bereits deshalb schon nicht unter den Insidertatbestand, weil es sich um eine „selbst geschaffene“ Insider-Tatsache handelt, deren Kenntnis, der diese Entscheidung getroffen hat, nicht ausnutzt, wenn er seinen Plan, das Aktienpaket zu erwerben, ausführt.41 Da der Erwerb eines Aktienpakets grundsätzlich erlaubt ist und nicht dazu dient, sich unter Missachtung der Chancengleichheit der Anleger missbilligenswerten Vorteil zu verschaffen, liegt ein verbotenes Insiderhandeln auch dann nicht vor, wenn der Erwerbsinteressent im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Unterlagen des zu veräußernden Unternehmens vorlegen lässt und dadurch Kenntnis von Insidertatsachen erhält. Hier bleiben die Interessen der Anleger sowie die Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte völlig unberührt.42 Bedenkt man, dass die Due Diligence-Informationen nur freigegeben werden dürfen, wenn objektiv das Interesse des Unternehmens bzw. der Zielgesellschaft verwirklicht ist, kann die Zustimmung zur Due Diligence aus diesem Grund allein schon nicht „unbefugt“ sein. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG findet daher bei der Informationsfreigabe durch den Vorstand im Rahmen des Unternehmenskaufs keine Anwendung. II. Die Rechtslage in der GmbH 1. Der Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters § 51a GmbHG sichert jedem Gesellschafter das Recht, der Geschäftsführung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen und Einsicht über Bücher und Schriften zu gestatten. Als ein Individualrecht43 ist das Informationsrecht des Gesellschafters an kein „berechtigtes Anliegen“ gebunden, so dass es im freien Ermessen des Gesellschafters steht, Auskunfts- und Einsichtsrecht geltend zu ma38
EG Nr. L 334/30 vom 18. 11. 1989. BT-Drucks 12/6679, S. 47. 40 BT-Drucks 12/6679, S. 47. 41 BT-Drucks 12/6679, S. 47. 42 Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 453. 43 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51 a Rn. 1: Insoweit, dass es einem jeden Gesellschafter zusteht ist es kein Minderheitsrecht und auch kein Organrecht, das der sachgerechten Ausübung des Stimmrechts oder Ähnlichem dient. 39
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chen, ohne dass er sein Anliegen zu begründen oder gar zu rechtfertigen hätte.44 Der Inhalt des Informationsrechts ist umfassend zu verstehen.45 Unter dem Begriff der „Angelegenheiten der Gesellschaft“ sind sämtliche rechtliche und wirtschaftliche Daten zu fassen. Auskünfte können Gewinninteressen der Gesellschafter betreffen, wie etwa die Bilanzierung und Abschreibungen, Rückstellungen, sowie Risiken aus Lieferverträgen aus Lieferverträgen, Bürgschaften und Krediten etc., aber auch in Zusammenhang mit Vermögensinteressen des Gesellschafters stehen, die insbesondere Informationen auf stille Reserven im Anlagevermögen der GmbH und den Beteiligungen an anderen Gesellschaften bezogen sind.46 Auch von den Vertretern einer engeren Sicht des Informationsanspruchs, die ein Informationsbedürfnis für erforderlich halten, wird in den zahlenmäßig meisten Fällen, wie etwa wenn der Gesellschafter Auskunft zur Ertragslage verlangt, das Informationsbedürfnis im Informationsbegehren selbst zum Ausdruck kommen.47 Die Ansichten stimmen also darin überein, dass der Gesellschafter kein konkretes Begehren positiv rechtfertigen muss. Diese so weit gefasste Reichweite des Informationsrechts ist auf die wirtschaftliche Eigentümerstellung zurückzuführen, die dem Gesellschafter grundsätzlich das Recht einräumt, sich nach Belieben über „seine“ Gesellschaft zu informieren.48 Es beruht auf der Annahme einer Interessenidentität von Gesellschaft und Gesellschafter, dass die Information beim Gesellschafter genauso gut und genauso sicher aufgehoben ist wie bei der Gesellschaft selbst.49 2. Grenzen der Informationsbefugnis a) Verweigerung der Information gem. § 51a Abs. 2 GmbHG So wie die Eigentümerstellung einen uneingeschränkten Zugang zu Gesellschaftsinformationen gewährt, begründet sie zugleich die Grenzen dieser umfassenden Informationsbefugnis. Das Recht zur Information bedeutet Informationsverantwortung, so dass der Gesellschafter zu voller Wahrung der Gesellschaftsin-
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Vgl. OLG Stuttgart BB 1983, 677; LG Düsseldorf DB 1989, 1077. GmbHG/Ulmer/Hüffer, § 51 a Rn. 21; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51 a Rn. 7; Roth, in: Altmeppen/Roth, GmbHG, § 51 a Rn. 5; als „prinzipiell unbeschränkt“ bezeichnend BGHZ 152, 339=NZG 2003, 396 m. w. N. 46 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51 a Rn. 10 f. 47 Vgl. insbesondere Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 35 ff, insbesondere S. 37, näheres zur „Lehre vom Informationsbedürfnis“ vgl. auch Schmidt, in: FS Kellermann, 1991, S. 393 ff. 48 Roth, in: Altmeppen/Roth, GmbHG, § 51 a Rn. 7, dass „das Informationsrecht instrumentell auf die materiellen Gesellschafterrechte ausgerichtet ist […]; daraus aber keine inhaltliche Einschränkung [folgt].“ 49 Lutter, ZIP 1997, 613, 615. 45
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
teressen und der Interessen anderer Gesellschafter verpflichtet ist.50 Dass das Gesellschaftsinteresse die Schranken des Informationsrechts bildet, geht deutlich aus § 51a Abs. 2 GmbHG hervor, der dem Geschäftsführer ein Verweigerungsrecht gewährt, wenn die Gefahr besteht51, dass der Gesellschafter die Auskunft oder die Einsicht zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen werde. Begehrt der veräußerungswillige Gesellschafter Informationen, um sie zum Zwecke einer Due Diligence dem Erwerbsinteressenten weiterzugeben, ist zu klären, ob die Geschäftsführer die Informationen an den Gesellschafter verweigern können, weil die Übergabe der Information an den außenstehenden Dritten eine gesellschaftsfremde Verwendung i.S.d. § 51a Abs. 1 GmbHG darstellt. Das in § 51a GmbHG verankerte Informationsrecht ist ein eigennütziges Individualrecht, das dem Gesellschafter „in seinem Interesse“ zur Seite gestellt ist, um die aus seiner Stellung als Anteilsinhaber resultierenden Rechte und Pflichten in sachgemäßer Weise wahrzunehmen.52 In Anbetracht der weitreichenden Informationsbefugnis gem. § 51 a Abs.1 GmbHG sollte der GmbH-Gesellschafter grundsätzlich alle für die Durchführung einer Due Diligence erforderlichen Informationen durch eigene Mitarbeiter oder Dritte anfordern können.53 So wie das Informationsverlangen seine Berechtigung in der Gesellschafterstellung der sich daraus ergebenden Eigentümerschaft über die GmbH findet, so genügt für das Vorliegen der Gesellschaftsfremdheit nicht, dass die geplante Nutzung im (potentiellen) Konflikt mit den Verbandsinteressen steht.54 Folgerichtig ist nach der überwiegenden Ansicht eine Informationsanwendung dann als „gesellschaftsfremd“ im Sinne dieser Norm anzusehen, wenn sie außerhalb des ordnungsgemäßen mitgliedschaftlichen Verhaltens liegt.55 Wann ein solcher Fall vorliegt, veranschaulicht Götze durch konsequente Subsumtion56: Die Weitergabe von Informationen ist kaum jemals ein Selbstzweck,
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Lutter, ZIP 1997, 613, 615. Die Absicht zur Weitergabe der Informationen zum Zweck der Due Diligence muss also nicht zum Ausdruck gekommen sein, es genügt die „Besorgnis“ gesellschaftsfremder Verwendung, eingehend dazu Lutter, ZGR 1982, 1,10. 52 Götze, ZGR 1999, 202, 207 f. 53 Körber, NZG 2002, 263, 266. 54 Müller, GmbHR 1987, 87, 88; zustimmend Götze, ZGR 1999, 202, 208; allerdings unterliegt die über den Erhalt der Informationen hinausgehende weitere Nutzung den Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft, in diesem Sinne ist die Differenzierung von Lutter, ZIP 1997, 613, 615 zu verstehen, der einerseits einräumt, dass das Informationsrecht den eigenen Interessen des Gesellschafters dient, den Gesellschafter aber andererseits zu voller Wahrung der Interessen der Gesellschaft verpflichtet sieht. 55 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner § 51 a Rn. 33; Müller, GmbHR 1987, 87, 88; Körber, NZG 2002, 263, 266; Götze, ZGR 1999, 202, 207 f. 56 Götze, ZGR 1999, 202, 210. 51
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sondern stets ein Mittel57zur Erreichung eines anderen (eigentlichen) Zieles, so dass für die Frage des gesellschaftsfremden Zwecks nicht der Auskunftstransfer, der per se zweckneutral ist, sondern das eigentliche Ziel einschlägig ist. Da der betroffene Gesellschafter mit der Weitergabe der Informationen an einen Erwerbsinteressenten einen nicht gesellschaftsfremden Zweck verfolgt, die Veräußerung seiner Beteiligung vorzubereiten, ist es der „direkte funktionale Bezug zur Verwirklichung der aus der Gesellschafterstellung fließenden Befugnis zur Veräußerung der Anteile“, der es verbietet, die Informationsweitergabe an den Erwerbsinteressenten als der Gesellschaftssphäre entzogene Privatangelegenheit des veräußernden Gesellschafters zu betrachten.58 Unabhängig davon ob die Absicht zur Weitergabe an den Erwerbsinteressenten zum Ausdruck gekommen ist oder nicht, besteht Einigkeit im Schrifttum, dass der veräußerungswillige Gesellschafter für die Bewertung seiner Anteile und der vertraglichen Risiken berechtigt ist, seinen Informationsanspruch aus § 51 a Abs.1 GmbHG geltend zu machen.59 Die Veräußerung von Geschäftsanteilen bewegt sich im Rahmen des ordnungsgemäßen mitgliedschaftlichen Verhaltens, so dass der Umstand allein, dass der Gesellschafter diese Informationen zwecks Veräußerung seiner Anteile begehrt, für die Begründung eines Verweigerungsrechts gem. § 51 a Abs. 2 S. 1 GmbHG unzureichend ist.60 b) Die Weitergabe der Information an Dritte zum Zweck einer Due Diligence Problematischer dagegen ist die Weitergabe der Informationen an den Erwerbsinteressenten, die mit den Fragen der Kompetenzverteilung verbunden ist: Berechtigt § 51a Abs. GmbHG den Gesellschafter auch zur Weitergabe der Informationen an den Erwerbsinteressenten? Wenn nicht, wem ist diesbezüglich die Entscheidungsgewalt zuzusprechen, der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung? Nach der herrschenden Ansicht im Schrifttum wird unabhängig davon, ob die Informationen im Einklang mit § 51 a Abs. 1 GmbHG erlangt worden waren, die eigenmächtige Weitergabe dieser Informationen durch den Gesellschafter an au-
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Hervorhebung übernommen. Dieser Zusammenhang sei von Lutter, ZIP 1997, 613, 615 zu Unrecht verkürzt, wenn er sie als eine „rein eigeninteressierte Weitergabe an Dritte“ bezeichne. 59 Schmidt, (1984), S. 37; Müller, GmbHR 1987, 87, 88; Lutter, ZIP 1997, 613, 614; Götze, ZGR 1999, 202, 208; Baumbach/Hueck/Zöllner § 51 a Rn. 29. 60 So auch Körber, NZG 2002, 263, 266; Götze, ZGR 1999, 202, 208 auch i. V. m. der Vorschrift des § 15 Abs. 1 GmbHG bewegt sich die Veräußerung der Beteiligung grundsätzlich im Rahmen ordnungsmäßigen mitgliedschaftlichen Verhaltens; vgl. LG Köln GmbHR 2008, 261, 262 verwehrt dem Gesellschafter, der seinen Gesellschaftsanteil veräußern will, lediglich die von ihm im Rahmen des § 51 a GmbHG ermittelten Daten und Informationen ohne Zustimmung der Mitgesellschafter an den Kaufinteressenten weiterzugeben. 58
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
ßenstehende Dritte grundsätzlich als unzulässig angesehen.61 Mehrheitlich, im Besonderen von Lutter, wird das Verbot der Weitergabe mit der allgemeinen gesellschaftlichen Treuepflicht begründet62 : „Mit diesen Informationen und Daten verfügt der Gesellschafter nämlich über ein der Gesellschaft gehörendes Gut, das ihm das Gesetz für die eigenen Interessen als Gesellschafter und (Mit-)Eigentümer anvertraut, aber gewiss nicht zu beliebigem Gebrauch und rein eigeninteressierter Weitergabe an Dritte. Das ist ganz selbstverständlicher Inhalt seiner gesellschaftlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern.“63 Unumstritten ist, dass die Informationsbefugnis des Gesellschafters an die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft gebunden ist, so dass er nicht beliebig wichtige und sensible Informationen an außenstehende Dritte weitergeben darf. Zu Recht betont Lutter in diesem Zusammenhang, dass ansonsten die Rechtsform der GmbH in Kürze „diskreditiert“ wäre, denn ihre Betriebsgeheimnisse und vertraulichen Daten stünden der „Plünderung durch Gesellschafter“ offen, die andere Interessen verfolgen als die gemeinsamen Interessen der Gesellschaft.64 Andererseits handelt es sich bei der Treuepflicht über die Wahrung von gesellschaftsbezogenen Informationen nicht um ein starres, sondern um ein offenes Institut, das je nach Situation einer inhaltlichen Konkretisierung bedarf. Ob die Weitergabe der Informationen an den Erwerbsinteressenten zum Zweck der Due Diligence als eine „rein eigeninteressierte Weitergabe an Dritte“ – so nämlich Lutter65 – zu bewerten ist und somit grundsätzlich einem Verbot unterworfen werden muss oder soll, ist zweifelhaft und bedarf einer zusätzlichen Abwägung zwischen dem Interesse der Gesellschaft an Vertraulichkeit einerseits und dem Interesse des Gesellschafters am Datentransfer andererseits.66 c) Die Kompetenzverteilung in der Ziel-GmbH Wenn der veräußerungswillige Gesellschafter nicht zur eigenmächtigen Weitergabe der erlangten Informationen berechtigt ist, ist zu klären, wem die Kompetenz hinsichtlich der Entscheidung über die Verweigerung oder Zulassung einer Due Diligence durch einen externen Erwerber zuzusprechen ist. 61 Lutter, ZGR 1982, 1, 13; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51 a Rn. 24; LG Köln GmbHR 2008, 261, 262. 62 Lutter, ZIP 1997, 613, 615; Lutter, ZGR 1982, 1, 12 ff. 63 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG § 51 a Rn. 24. 64 Lutter, ZIP 1997, 613, 615. 65 Lutter, ZIP 1997, 613, 616, der die Weitergabe der Unternehmensinterna vom Gesellschafter an den Interessenten schlicht als verboten ansieht, wenn dieser Wettbewerber ist. 66 So zu Recht Götze, ZGR 1999, 202, 213; vgl. Ausführungen zur Interessenabwägung unten in § 1 C.
§ 1 Der Interessenkonflikt beim Share Deal
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Nach der gesetzlichen Regelung in § 51 a GmbHG wirken Geschäftsführer und Gesellschafterversammlung bei der Entscheidung über die Auskunftsverweigerung an einen Gesellschafter zusammen. Aus dieser Kompetenzverteilung kann geschlossen werden, dass die Geschäftsführer die Informationserteilung bzw. Zulassung der Due Diligence gegenüber einem außenstehenden Erwerber grundsätzlich von sich aus verweigern können. Kritischer wird schon die Konstellation, wenn ein Gesellschafter die Informationserteilung an den Erwerber verlangt, da es wertungsmäßig keinen Unterschied macht, ob der Gesellschafter Informationserteilung an sich selbst zwecks Weitergabe an einen Dritten oder unmittelbar durch die Geschäftsführer an den Dritten verlangt.67 Ein eigenes Recht der Geschäftsführung zur Auskunftserteilung an den Erwerbsinteressenten wird überwiegend verneint, weil die i.V.m. der Due Diligence veranlasste Auskunftserteilung mit Blick auf ihre Bedeutung für die Gesellschaft sich nicht mehr unter den Begriff der „Geschäftsführung“ subsumieren ließe und daher der Zuständigkeit der Geschäftsführer entzogen sei.68 Angesichts der Funktion einer Due Diligence, die den Vertragsparteien dazu dienen soll, mit den erlangten Informationen eine zuverlässige Informationsgrundlage für den Vertragsschluss zu schaffen, handelt es sich bei der Weitergabe von Due Diligence-Informationen um eine außerhalb des regulären Geschäftsbetriebs liegende Maßnahme, die einen Beschluss der Gesellschafter nach § 49 Abs. 2 GmbHG notwendig macht.69 Nach Lutter scheidet eine alleinige Zuständigkeit der Geschäftsführer hier schon deshalb aus, da in diesem Fall eine Erklärung zur Aufhebung des Geheimnisses praktisch einer Aufhebung der Strafdrohung gegen sich selbst gleichstünde, da im GmbHRecht der Geschäftsführer/Liquidator die nahezu einzigen Täter seien, vor deren Geheimnisbruch die GmbH durch die Norm gerade geschützt werden soll.70 Gegenüber der Rechtslage in der AG, wo die hier relevanten Entscheidungsbefugnisse des Vorstandes aufgrund der ihm nach § 76 Abs. 1 AktG eingeräumten umfassenden Leistungskompetenz weiter reicht, ist bei der GmbH die Zuständigkeit der Letztentscheidung über die Zulassung einer Due Diligence durch den Erwerbsinteressenten bei der Gesellschafterversammlung zu sehen.71 Eine zusätzliche Erweiterung der Kompetenz der Gesellschafterversammlung im Gegensatz zu der AG liegt im Weisungsrecht der Gesellschafter gem. § 37 Abs. 1 GmbHG, wonach
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1956. 69
Körber, NZG 2002, 263, 268. Götze, ZGR 1999, 202, 225; Körber, NZG 2002, 263, 268; Mielke/Molz, DB 2008, 1955,
Körber, NZG 2002, 263, 268; vgl. dazu auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG § 37 Rn. 8 ff. 70 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 85 Rn. 4. 71 Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 451; Götze, ZGR1999, 202, 226; Körber, NZG 2002, 263, 268; Mielke/Molz DB 2008, 1955, 1956.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
diese die Entscheidung über die Due Diligence in jedem Fall an sich ziehen können, indem sie der Geschäftsführung konkrete Weisungen erteilen.72 Abschließend bedarf es der Klärung der Frage, welcher Beschluss erforderlich ist. Nach einer Ansicht könne bei Fehlen einer anderslautenden Satzungsbestimmung dem Erwerbsinteressenten nur dann Einblick in die Unternehmensinterna gewährt werden, wenn die Gesellschafter es einstimmig beschließen.73 Dagegen sieht eine andere Ansicht bereits eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen als ausreichend an74 oder fordert für die Zulassung einer Due Diligence eine qualifizierte Mehrheit75. Angesicht der Tatsache, dass eine klare gesetzliche Regelung fehlt, wird eine einfache Mehrheit gem. der Grundsatzregelung in § 47 Abs. 1 GmbHG ausreichen, soweit eine darüber hinaus gehende Satzungsbestimmung nicht besteht.76 Über die Frage, ob der veräußerungswillige Gesellschafter ein Stimmrecht bei der Beschlussfassung hat, ist beim § 47 Abs. 4 GmbHG anzusetzen. Danach hat ein Gesellschafter kein Stimmrecht, dessen persönliche Interessen in einen unmittelbaren Gegensatz zur Zweckförderung der Gesellschaft und damit zu den vermögensrelevanten Interessen der Gesamtheit der Gesellschafter geraten könnten.77 In der Regel wird dieses für den Gesellschafter zutreffen, für dessen Abtretung der eigenen Gesellschaftsanteile der Beschluss über die Due Diligence gefasst wird.78 III. Schlussfolgerung Die Analyse der Kompetenzverteilung in der AG und der GmbH hat ergeben, dass jeweils unterschiedliche Institutionen der Zielgesellschaft die Entscheidungsbe-
72 Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 451; Körber, NZG 2002, 263, 268; näheres zum Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 17 ff. 73 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51 a Rn. 24 a; Altmeppen, in: Altmeppen/Roth, GmbHG, § 43 Rn. 25; Lutter, ZIP 1997, 613, 616; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG § 43 Rn. 21. m. w. N. zum Meinungsstreit; zuletzt in Rechtsprechung LG Köln GmbHR 2009, 261. 74 Körber, NZG 2002, 263, 268; Volhard/Weber, in: FS Semmler 1993, S. 387, 411; Götze, ZGR 1999, 202, 229 f.; Engelhardt, GmbHR 2009, 237, 242. 75 So Oppenländer, GmbHR 2000, 535, 540. 76 So auch Götze, ZGR 1999, 202, 229, dass die Regelung in § 47 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich auch für Beschlüsse über außergewöhnliche Geschäftsangelegenheiten und über die Zustimmung zur Offenbarung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen gelte; zustimmend auch Körber, NZG 2002, 263, 268; Mielke/Molz, DB 2008, 1955, 1956 mit der Begründung, dass die Due Diligence keine die Gesellschaft betreffende Grundsatzentscheidung sei, die einer besonders qualifizierten Ermächtigung durch die Gesellschafter brauche. 77 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 28. 78 Körber, NZG 2002, 263, 268; Mielke/Molz, DB 2008, 1955, 1956.
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fugnis darüber haben, ob gesellschaftsbezogene Informationen zum Zwecke der Due Diligence an außenstehende Dritte weitergegeben werden dürfen. Da die Veräußerung von Anteilen nur dann als ein Unternehmenskauf zu bewerten ist, wenn eine Mehrheitsbeteiligung von 100 % oder eine ihr entsprechenden Beteiligung veräußert wird79, wird sich im Falle der GmbH die Zuständigkeitsfrage erst gar nicht stellen, weil der Verkäufer nach seinem Ermessen entscheiden kann, ob er einer Due Diligence durch den Käufer zustimmt oder nicht.80 Angesichts der wirtschaftlichen Stellung des Alleingesellschafters in einer GmbH, kommt eine Verletzung der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und Mitgesellschaftern nicht in Betracht.81 Auch findet § 47 Abs. 4 GmbHG im Falle einer AlleingesellschafterGmbH keine Anwendung.82 Das ausgeführte Problem der Zuständigkeitsverteilung betrifft also primär die AG und die Möglichkeit für den Mehrheitsgesellschafter, vertragsschlussrelevante Informationen zum Zwecke einer Due Diligence zu erlangen. Beim Unternehmenskauf, der den Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung von mindestens 75 % voraussetzt, wird diese Problematik nicht so im Vordergrund stehen. Die folgenden Ausführungen werden jedoch insoweit von Interesse sein, weil sie sich damit beschäftigen, inwieweit die Offenlegung der Informationen im Due Diligence-Verfahren allen hier involvierten Interessengruppen gerecht werden kann. Angesicht der Tatsache, dass das Transaktionsvorhaben nach der Durchführung der Due Diligence nicht zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss kommen und die Weitergabe der Informationen an Dritte das Interesse der Gesellschaft und darüber hinaus auch des Gesellschafters zu gefährden drohen kann, liegt es auch im Interesse des Alleingesellschafters einer GmbH, eine besondere Sorgfalt hinsichtlich der Weitergabe der Informationen an den Erwerbsinteressen zu wahren. Beide Rechtslagen haben gemeinsam, dass der Vorstand und die Geschäftsführer eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft haben und bei der Behandlung von
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Siehe 1. Kapitel; bei einer Beteiligung von mindestens 75 % und einem Fortführungswillen des Erwerbers eröffnet sich diese Möglichkeit. 80 Vgl. zur Problemstellung in einer Ein-Person-GmbH, dass das Gesellschaftsinteresse und mit dem der Gesellschaft identisch sei und dass der Gesellschafter die Güter der GmbH bis zur Grenze ihrer Vernichtung bzw. ihrer Kapitals verfügen, vgl. Priester, ZGR 1993, 512 und Winter, ZGR 1994, 570, insbesondere S. 582 ff. 81 BGH DB, 1993, 34. 82 Zur Nichtanwendung des § 47 Abs. 4 GmbHG in einer Ein-Person-Gesellschaft BGHZ 105, 324, 333= NJW 1989, 295, 297: „Eine Anwendung des § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG kommt im vorliegenden Falle schon deswegen nicht in Betracht, weil der Schutzbereich dieser Norm Geschäfte des Alleingesellschafters mit sich selbst nicht erfaßt.“; Grohmann, GmbHR 2008, 1255 ff.; so auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 29, dass wo kein Interessengegensatz zwischen Gesellschaft und Gesellschaftergesamtheit gegeben ist, die gesetzlichen Stimmverbote nicht zum Zuge kommen.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
gesellschaftsbezogenen Betriebsgeheimnissen und vertraulichen Angaben verpflichtet sind die Interessen der Gesellschaft zu bewahren.83 In beiden Fällen, gilt das Unternehmensinteresse zu konkretisieren, das als „oberste Richtschnur des Vorstandshandelns“84 dient. Denn „wo es das Unternehmensinteresse gebietet zu reden, hört die Schweigepflicht auf.“85 Wie kann der Gesellschafter sein Informationsziel im Rahmen einer Due Diligence erreichen, ohne dass wirtschaftliche Interessen der Gesellschaft gefährdet werden? Denn ohne Zweifel stellt die Weitergabe der sensiblen Informationen an den Erwerbsinteressenten, der häufig ein Konkurrent des Unternehmens ist, eine Gefährdung der Gesellschaftsinteressen dar.86 Andererseits wird in der Praxis kaum ein Erwerbsinteressent bereit sein, ohne die Möglichkeit in bestimmte Informationen einzusehen, sein Transaktionsbestreben weiterzuverfolgen. Bei Konstellationen wie der Privatisierung von öffentlichen Unternehmen, kann es ohne die Due Diligence zu Schwierigkeiten kommen, weil ein variabler Kaufpreis, der häufig bei Informationsdefiziten vereinbart wird, meistens von vornherein ausscheidet.87 Ähnlich ist die Lage beim Verkauf eines Familienunternehmens, bei denen eine Due Diligence erforderlich ist, weil es gilt, die wirtschaftliche und rechtliche Gestaltung von Beziehungen zwischen Vorstand, Aktionären und verbundenen Unternehmen, unter anderem das Vorhandensein vom besonderen persönlichen Vertrauen zu Anteilseignern zu prüfen.88 Will man die Freiheit des Gesellschafters, seine Beteiligung zu veräußern, nicht faktisch unterbinden, bedarf es also einer Lösung, die die Treuepflicht mit Blick auf das berechtigte Interesse des Gesellschafters konkretisiert. Das Verbot der Weitergabe von Informationen zum Zwecke einer Due Diligence kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn eine Abwägung zwischen dem Interesse der Gesellschaft an Vertraulichkeit einerseits und dem Interesse des Gesellschafters an der Informationsweitergabe andererseits das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft überwiegt.89
83 Über die besondere Treuepflicht des Geschäftsführers einer GmbH vgl. auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 19 ff., insbesondere über die entsprechende Anwendung des Business Judgement Rules auf den GmbH-Geschäftsführer Rn. 23 ff. 84 Müller, NJW 2000, 3452, 3453. 85 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 120. 86 Aus diesem Grunde sieht Lutter, ZIP 1997, 613, 615 die Weitergabe an einen Erwerbsinteressenten, der ein Konkurrent ist, gänzlich als unzulässig an und sieht eine Lösung nur in der Einschaltung neutraler Personen, wie etwa eines Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, welche ihrerseits alle Informationen enthalten, diese auswerten und dann dem Gesellschafter nur das Ergebnis mitteilen. 87 Mertens, AG 1997, 541, 543. 88 Mertens, AG 1997, 541, 545. 89 So auch Götze, ZGR 1999, 202, 213.
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C. Das objektive Interesse der Zielgesellschaft beim Unternehmenskauf I. Transaktionsbezogene Interessen des Unternehmens Bevor sich die jeweils zuständigen Instanzen für eine Due Diligence entscheiden, müssen sie sich darüber bewusst werden, welche Vorteile sich gerade für das Unternehmen durch den Eigentümerwechsel ergeben. Je mehr sich das Unternehmen vom Anteilsverkauf versprechen kann, desto eher wird auch die Durchführung einer Due Diligence im Interesse des Unternehmens liegen.90 Strategisch kann die Anteilsveräußerung zu wichtigen Vorteilen für das Zielunternehmen führen, insbesondere, wenn der Erwerber beabsichtigt, es mit mehr Kapital auszustatten und daran unternehmerisch mitzuwirken.91 Die Eingliederung in ein Unternehmensverbund kann Synergieeffekte schaffen, durch die Erschließung neuer Märkte die Einkaufskonditionen verbessern, neues Know-how ermöglichen und den Zugang zu günstigeren Finanzierungsmöglichkeiten eröffnen.92 Je schlechter die finanzielle bzw. wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist, wie es etwa bei einer drohenen Insolvenz der Fall ist, desto eher wird ein solches Interesse gegeben sein. Eine solche Initiative und Anregung zu einem Beteiligungsverkauf kann unter Umständen sogar vom Vorstand des Zielunternehmens selbst ausgehen, wenn etwa der Altaktionär nicht bereit ist, eine vom Vorstand als unternehmerisch notwendig betrachtete Expansion oder Restrukturierung des Unternehmens mitzutragen.93 Grundvoraussetzung für eine vermeintliche Offenlegung der Unternehmensinterna im Rahmen einer Due Diligence ist, dass Vorteile aus der geplanten Transaktion objektiv begründet sind. Neben dem Transaktionswillen der Vertragsparteien müssen diese Vorteile für die Zielgesellschaft in der gemeinsamen Zukunft mit dem Erwerber ersichtlich sein, weil auf dieser Basis nur der gemeinsamer Transaktionswille gegründet und die oft mühsame, zeit- und kostspielige Verhandlungsphase mit Erfolg überstanden werden kann. Betroffen sein können hier Interessen bezüglich Forschungsergebnissen über technisch-wissenschaftliche Entwicklungen, über Forschungsstand, Investitionsvorhaben, als auch personale Entscheidungen bis zu laufenden Vertragsverhandlungen.94 Denn gerade die Fähigkeit, dass man ein Produkt oder eine sonstige Leistung eher entwickeln, qualitativ besser fertigen, kostengünstiger finanzieren und breitflächiger vertreiben kann, ermöglicht dem Unternehmen den Vorsprung und den 90 91 92 93 94
Stoffels, ZHR 2001 (165), 362, 374. Schroeder, DB 1997, 2161, 2162. Schroeder, DB 1997, 2161, 2162; Müller, NJW 2000, 3452, 3453. Mertens, AG 1997, 541, 545. Lutter (2006), Rn. 384.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
legitimen wirtschaftlichen Erfolg gegenüber der Konkurrenz.95 Diese Gegebenheiten sind es, die die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens entscheidend beeinträchtigen. Da es dem Käufer darum geht, mit dem Erwerb des Unternehmens das materielle und immaterielle Unternehmenssubstrat und die Grundlage für die künftige Ertragskraft zu übernehmen96, besteht sein wesentliches Anliegen darin, gerade über diese Informationen in der Verhandlungsphase zu verfügen. Aus veröffentlichten Daten kann er die Position des Unternehmens am Markt herleiten und aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (vgl. § 325 ff. HGB) mithin Kenntnis über Jahresüberschuss und Bilanzgewinn erlangen. Jedoch zeichnet sich das Informationsgefälle beim Unternehmenskauf typischerweise durch Unternehmensgeheimnisse und vertrauliche Angaben aus, die letztlich nur im Wege der Due Diligence-Prüfung kompensiert werden können.97 Dem Käufer wird daran gelegen sein, seinen formalen Kenntnisstand so weit wie möglich an die tatsächliche Ertragskraft anzunähern. Dies wird ihm nur gelingen, wenn die Informationen von der Geheimhaltungspflicht befreit und die Offenbarung durch eine wirksame Einwilligung des Gesamtvorstands (im Falle der AG) gerechtfertigt ist. Was das Unternehmensinteresse betrifft, nimmt der Mehrheitsaktionär/-gesellschafter, der zugleich Verkäufer ist, eine intermediäre Rolle ein. Er ist nicht unmittelbar von diesen zukunftsbezogenen Unternehmensvorteilen betroffen, weil er primär an einer ihm als Verkäufer vorteilhaften Veräußerung des Unternehmens interessiert ist. Für ein erfolgreiches Transaktionsgeschäft ist jedoch das damit verbundene Unternehmensinteresse für ihn auch essentiell, so dass er sich sowohl aus der Sicht der Zielgesellschaft als auch des Kaufinteressenten darüber bewusst werden muss. Denn um die für die Verhandlungen notwendigen Informationen seinem Verhandlungspartner weitergeben zu können, muss er die Geschäftsführung von den transaktionsbezogenen Vorteilen für das Unternehmen überzeugen. Um einen hohen Kaufpreis auszuhandeln muss er wiederum den Käufer von demselben überzeugen können. Dass die Veräußerung des Zielunternehmens zu angemessenen Konditionen auch im allgemeinen Interesse des Unternehmens liegt, wird unter anderem bei börsennotierten Aktiengesellschaften deutlich. Die Konditionen eines wesentlichen Beteiligungserwerbs werden meistens den Marktteilnehmern bekannt, so dass sie von den Marktteilnehmern als wichtigen Indikator zur Feststellung des Unternehmenswerts genommen.98 Wenn eine Beteiligungsveräußerung weit unter dem anteiligen Börsenwert erfolgt, hat dies entsprechend negative Auswirkungen auf den Börsenwert des Unternehmens und den Kurs der Aktie. Der Vorstand handelt daher bereits 95
Lutter (2006), Rn. 384. Lutter, ZIP 1997, 613, 613. 97 Als solche nennt Treeck, in: FS Fikentscher, S. 434, 441 f. etwa: Auskünfte über Herstellungsverfahren, Produktionsvorhaben, Kundenstamm, Finanzpläne, Steuerbescheide, Einkaufskonditionen bei Hauptlieferanten, Kooperationsverträge etc. 98 Mertens, AG 1997, 541, 545. 96
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im Interesse des Unternehmens, wenn er eine Veräußerung zu relativ niedrigen Konditionen zu vermeiden versucht. Solange die Gesellschaft ein Interesse an einem kursschonenden Verkauf hat, muss es dem Vorstand grundsätzlich erlaubt sein, den Großaktionär beim Verkauf zu unterstützen.99 Führt der Käufer keine Due Diligence durch, dann wirkt es sich preisreduzierend auf den Kaufpreis aus, weil der Käufer ein für ihn nicht kalkulierbares Risiko eingeht und als Ausgleich für dieses Risiko einen Preisabschlag verlangen wird.100 In diesem Zusammenhang liegt es im Interesse des Verkäufers, Risikofaktoren der unternehmerischen Tätigkeiten der Gesellschaft zu offenbaren. Im angemessenen Preis kann somit eine unmittelbare Interessendeckung von Verkäufer und Zielunternehmen entnommen werden. Je größer das Interesse des Unternehmens an der Transaktion ist, desto sichererer können Rechtfertigungsgrundlagen für die Weitergabe der Due Diligence-Informationen an den Erwerbsinteressenten begründet werden. Sind für das Unternehmen solche Vorteile aus dem Eigentümerwechsel ersichtlich geworden, dann werden sich die Vertragsparteien ernsthaft für weitere Verhandlungsgespräche annähern. Der Entschluss zur Due Diligence erfolgt in der Regel nach Austausch des Letter of Intent, wo der Transaktionswille der Parteien schon sehr gefestigt und gegenseitlich deutlich zum Ausdruck gekommen ist.101 Sobald sich die Vertragsparteien in diese zeit- und kostspielige Phase begeben haben, werden sie im Rahmen des ihnen zustehenden Verhandlungsspielraums ihre Vorstellungen von Transaktionsbedingungen weitgehend offenlegen müssen. Mit Eintritt der sogenannten Due Diligence-Phase stellt daher ein etwaiger Abbruch der Vertragsverhandlungen den wohl größtmöglichen Schaden für das Zielunternehmen dar, weil Unternehmensinterna außenstehenden Dritten zugänglich geworden sind und die Gefahr der Informationsoffenbarung unabwendbar wird.102 Denn die Gefahr der Offenbarung eines Geheimnisses steigt mit der Zahl der Mitwisser.103 Der Vorstand des Unternehmens wird ein beträchtliches Interesse daran haben, die Verhandlungen mit einem erfolgreichen „Signing“ abzuschließen, weil die transaktionsbezogenen Interessen nur verwirklicht werden können, wenn der Unternehmenskaufvertrag erfolgreich abgeschlossen und vollzogen wird. Dafür spielt die Due Diligence als zentrales vorvertragsrechtliches Informationsinstrument eine entscheidende Rolle.
99
Mertens, AG 1997, 541, 545. MünchKommAktG/Spindler § 93 Rn. 120; vgl. auch Mertens, AG 1997, 541, 542. 101 Zum Verlauf der vorvertraglichen Verhandlungen beim Unternehmenskauf vgl. bereits oben Einleitung § 1 B. III. 2. 102 Zur Geheimhaltungsinteresse siehe unten C. III. 2. 103 KölnKommAktG/Mertens/Cahn § 93 Rn. 116, der bereits die abstrakte Gefahr berücksichtigen will; dagegen Hopt, in: Hopt, Großkommentar AktG § 93 Rn. 205, verlangt insoweit eine konkrete Befürchtung eines Missbrauchs durch die Weitergabe. 100
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
II. Der externe Interessenkonflikt Wie ausgeführt, können transaktionsbezogene Interessen des Unternehmens aus den Erwerbsmotiven und zukünftigen Integrationsstrategien des Kaufinteressenten sowie objektiv vorliegenden Daten abgeleitet werden. Die Bestimmung von informationsbezogenen Interessen dagegen, die sich mit der Informationsoffenlegung im Due Diligence-Verfahren und mit den damit verbundenen Gefahren beschäftigt, wird dadurch erschwert, dass verschiedene Interessenebenen kollidieren, die den Informationsprozess unterschiedlich beeinflussen. Bei der Beurteilung des Gefahrenpotenzials in der Weitergabe der Due Diligence- Informationen durch den Vorstand einer AG oder die Geschäftsführung einer GmbH (mit einem gültigen Beschluss der Gesellschafterversammlung) sind die jeweiligen Interessen der Beteiligten streng zu unterscheiden. Hierin ist der wesentliche Unterschied zwischen dem Vorgehen bei transaktionsbezogenen von den informationsbezogenen Interessen zu verzeichnen. Bei der AG fällt die Ermittlung des Unternehmensinteresses, das sich die Gesellschaft durch den Unternehmenskauf erhofft, in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands. Dabei ist die Lage des Vorstands am wenigsten konfliktträchtig.104 Unternehmensinteressen können insoweit nicht mit den persönlichen Interessen des Vorstandsmitglieds kollidieren, als die Interessen der Gesellschaft und des Vorstandsmitglieds gleichgerichtet sind.105 Der Vorstand ist nämlich voll und ausschließlich im Unternehmen und für das Unternehmen tätig; sein Ansehen und sein beruflicher Erfolg werden durch dieses Unternehmen und dessen Erfolg bestimmt.106 Damit liegt die Internalisierung der Unternehmensinteressen im Wesen der Geschäftsführung und führt zu einer Identifikation der Interessen. Die eigenen und persönlichen Partikularinteressen der leitenden Organe der Gesellschaft und ihrer Mitglieder haben insoweit keinerlei Gewicht, als der etwaigen Bereitschaft, bewusst oder unbewusst gegen die Interessen der Gesellschaft zu handeln, durch das internalisierte Eigeninteresse der Vorstandsmitglieder entgegenwirkt wird.107 Ähnliches gilt für das Interessenverhältnis innerhalb einer GmbH: Der Informationsbefugnis der Gesellschafterversammlung, die Letztinstanz für die Zulassung einer Due Diligence durch den Erwerbsinteressent, liegt die Annahme einer Interessenidentität von Gesellschaft und Gesellschafter zugrunde, die den Gesellschafter mithin zu voller Wahrung der Interessen der Gesellschaft und ihrer anderen Gesellschafter verpflichtet und zugleich motiviert. Die Gesellschafter sind unmittelbar vom Wohlergehen und dem wirtschaftlichen Erfolg betroffen, dass ein Handeln im Unternehmensinteresse in ihrem Wesen als „Eigentümer“ des Unternehmens liegt.
104 Konfliktreicher schon beim Aufsichtsrat Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, Rn. 385. 105 KölnKommAktG/Mertens/Cahn § 93 AktG Rn. 26. 106 Lutter, (2006), Rn. 385. 107 Lutter, (2006), Rn. 385.
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Zwar mag der scheidende Gesellschafter von der Wahrung und Realisierung des Unternehmensinteresses nicht unmittelbar als Eigentümer betroffen sein (werden), bedenkt man jedoch dass die Eigentümerstellung über das Unternehmen mit der Veräußerung der Anteile an den Erwerber übergeht und dieser nur dann den vom Verkäufer erwünschten Kaufpreis zu zahlen bereit sein wird, wenn der Wert des Unternehmens inklusive seiner Interessen langfristig bewahrt werden können, liegt das Unternehmensinteresse in diesem Sinne auch im Anliegen des veräußerungswilligen Gesellschafters. Die Konkretisierung des unternehmerischen Informationsinteresses bzw. Informationsgefahr im Rahmen des Due Diligence Prozesses ist dagegen sehr viel konfliktreicher, welches darauf zurückzuführen ist, dass sich der unternehmensinterne Radius des Konfliktfeldes108 auf unternehmensexterne Verhältnisse, nämlich auf die Beziehung von Zielunternehmen und Käufer, sowie Verkäufer und Käufer erweitert. Das Zielunternehmen ist zwar mit den Vertragsparteien nicht in einer vorvertraglichen Sonderverbindung einbezogen, jedoch besteht zwischen ihnen ein faktisches Konfliktverhältnis bezüglich des Geheimhaltungs- bzw. Informationsinteresses. Der Gesellschafter, der auf dieser Ebene primär als Verkäufer agiert, wird versuchen einen bestmöglichen Preis für seine Anteile zu bekommen. Für die Weitergabe der Due Diligence-Informationen aus Seiten des Verkäufers wird die Erwägung sprechen, dass sich andernfalls das geplante Geschäft nicht oder doch nur zu einem deutlich ungünstigeren Preis wird realisieren lassen. Der Käufer wird möglichst viele Informationen begehren, um die Anteile bzw. das Unternehmen möglichst realitätsnah zu bewerten. Das im Zusammenhang mit der Weitergabe der Due Diligence-Informationen einschlägige Konfliktfeld liegt also nicht im Verhältnis von Gesellschaft und Geschäftsführung/Gesellschafter innerhalb der Zielgesellschaft, sondern verlagert sich auf das Außenverhältnis der Gesellschaft und den Vertragsparteien. Zusätzliches Konfliktpotenzial ergibt sich ferner dadurch, dass das vorvertragliche Verhältnis der Vertragsparteien selbst von einem Interessengegensatz geprägt ist, die zu einem den beiden Interessen gerecht werdendes Gleichgewicht zu bringen sind.109
108
Bestimmt durch die transaktionsbezogenen Unternehmensinteressen im Sinne von Synergien, die vom Unternehmen und der Geschäftsführung/Gesellschafter gemeinsam verfolgt werden. 109 Vgl. Larenz (1987), S. 209 über die wesentlichen Unterschiede des den Rechtsgeschäften zugrunde liegenden Grundschemas der Vertragstypen: „,Der gegenseitige Vertrag‘ im Sinne unseres Gesetzes ist also ein bilaterales Schuldverhältnis. Dagegen ist die Gesellschaft, wenn sie mehr als zwei Personen umfaßt, ein multilaterales Schuldverhältnis; sie ist jedoch kein gegenseitiger Vertrag, weil die Partner ihre Leistungen nicht untereinander austauschen, sondern sie vielmehr zur Verfolgung eines ihnen gemeinsamen Zwecks vereinigen.“
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
III. Die informationsbezogenen Unternehmensinteressen 1. Die Relativität der Schweigepflicht Die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands umfasst naturgemäß die Kooperation mit Dritten, die den Austausch von Informationen für die gemeinsame unternehmerische Basis unausweichlich macht. Auch beim Unternehmenskauf wird die Zielgesellschaft in Verkaufsverhandlungen eingebunden, für deren Erfolg die Vergabe von sensiblen Unternehmensinterna von entscheidender Bedeutung ist. Gleichzeitig liegt jedoch auf der Hand, dass mit einer umfassenden Informationsweitergabe an außenstehende Dritte das Risiko einer weiteren, ungewollten Verbreitung erhöht wird110, zumal es sich beim Kaufinteressenten oft um einen Konkurrenten handelt, dessen Kenntnis allein schon einen Schaden für die Gesellschaft zur Folge haben kann.111 Das objektive Interesse der Gesellschaft an einem Unternehmenskauf und an der damit verbundenen Informationsoffenlegung kann also mit dem Interesse an Geheimhaltung und Vertraulichkeit in Konflikt geraten. Zu unterscheiden ist zwischen dem Interesse, das zur Informationsfreigabe einerseits und zur Vertraulichkeit andererseits verpflichtet. Die Informationserteilung an den Erwerber ist insoweit nicht grundsätzlich verboten, sondern erfordert eine Abwägung der Unternehmensinteressen, die jeweils mit der Verschwiegenheit bzw. der Weitergabe von Informationen verbunden ist. In dieser Konfliktsituation kann das Unternehmensinteresse nur im Wege der Abwägung der kollidierenden Interessen (bzw. „Chancen und Risiken der Informationsfreigabe“) konkretisiert werden.112 Bei der Abwägung hat der Vorstand/Geschäftsführung zu entscheiden, ob und welche Informationen er geben kann und in welchem Verhältnis diese Informationen zu dem erhofften Vorteil für die Gesellschaft stehen.113 Erst wenn das Interesse durch die Informationsvergabe deutlich überwiegt, darf der Vorstand Informationen zum Unternehmen freigeben. Die Pflicht zur Verschwiegenheit tritt also zurück, wenn die Weitergabe der Information gerade im Interesse der Gesellschaft liegt.114 Es folgt daraus, dass die Schweigepflicht in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nicht als absolutes, sondern nur als relatives Verschwiegenheitsgebot verstanden werden muss.115
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Stoffels, ZHR 2001, 362, 367. Aus diesen Gründen will Lutter, ZIP 1997, 613, 615 die Weitergabe grundsätzlich dann verbieten, wenn der Erwerbsinteressent ein Konkurrent der Gesellschaft ist, vgl. auch OLG Stuttgart GmbHR 1983, 242; OLG Karlsruhe GmbHR 1985, 362, 363. 112 So die ganz herrschende Meinung mit Unterschieden in den jeweiligen Voraussetzungen vgl. Hüffer, Aktiengesetz, § 93 Rn. 8 m. w. N.; vgl. auch Stoffels, ZHR 2001, 362, 374, der die Konkretisierung des Unternehmensinteresses betont und die Rede von Interessenabwägung (so Müller, NJW 2000, 3452, 3453). für zu ungenau hält. 113 Lutter, ZIP 1997, 613, 617. 114 Hüffer, § 93 Rn. 8 nennt etwa die Einschaltung von Beratern, die ihrerseits zur Berufsverschwiegenheit verpflichtet sind. 115 Angersbach (2002), S. 84. 111
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2. Das Geheimhaltungsinteresse Zum Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses im Aktienrecht wird regelmäßig auf das Wettbewerbsrecht verwiesen, das eine sehr allgemeine Definition des Geheimhaltungsinteresses verwendet.116 Ein berechtigtes Interesse an Geheimhaltung liegt dann vor, wenn das Bekanntwerden der Tatsache geeignet ist die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu beeinträchtigen, wenn es also geeignet ist fremden Wettbewerb zu fördern oder eigenen Wettbewerb zu schwächen.117 Nach Eb. Schmidt können Betriebsgeheimnisse daran erkannt werden, dass sie einen „unkörperlichen Geschäftswert“ des Unternehmens darstellen, möglicherweise also einen entscheidend wichtigen Bestandteil des „Unternehmens“ in seiner Totalität bilden werden.118 Aus dieser Wertbeziehung leitet v. Stebut ab, dass es dann nicht von dem Willen des Unternehmers, sondern von objektiven und damit nachprüfbaren Kriterien abhänge, ob ein das Geheimnis für das Unternehmen von werterhöhender Bedeutung sei, und ob die Offenbarung einer Tatsache geeignet sei, das eigene Unternehmen zu schädigen.119 Das Geheimhaltungsinteresse zeichne sich daher durch das Vorhandensein eines Werts für das Unternehmen und die Möglichkeit seiner Schädigung aus. Eine Ähnlichkeit mit dem Interessenbegriff aus dem Versicherungsrecht lasse sich aus der Zukunftsbezogenheit des Schadens entnehmen120, da hier – objektiv – auf einen zukünftig möglichen Vermögensnachteil abgestellt werde, den – subjektiv – eine bestimmte Person erleide.121 v. Stebut stellt somit fest, dass im konkreten Schaden daher das objektive Kriterium122 und in der Beziehung des Schadens zu einer bestimmten Person die subjektive Komponente enthalten sei.123 116
v. Stebut, S. 36. Köhler, in: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2011 § 17 UWG Rn. 9. 118 Schmidt (1930), S. 135 f. und ferner, dass „[nur] das wird mithin begrifflich als Betriebsgeheimnis angesehen werden können, was der „Individualität“ des Unternehmens zugehört, ihm „eigentümlich“ ist und dadurch für die „geschäftliche Stellung“ und das „geschäftliche Ansehen“ Bedeutung hat.“ 119 v. Stebut, S. 37 f. 120 Der wesentliche Unterschied zum Interessenbegriff im Sinne der § 122 Abs. 1, 179 Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 1 BGB, die von einem bereits entstandenen Schaden aus gehen; vgl. hierzu Ehrenberg, Das „Interesse“ im Versicherungsvertragsrecht, 1915, S. 6, wonach der Interessenbegriff im Sinne des Versicherungsrechts ausschließlich die Richtung auf die Zukunft, nicht auf die Vergangenheit oder Gegenwart hat. 121 v. Stebut, S. 39. 122 Zustimmend Lutter (2006), Rn. 417 der das objektive Interesse der Gesellschaft am deutlichsten in der Figur des Schadens manifestiert sieht. 123 v. Stebut, S. 38, vgl. auch S. 39 ff.: Der Schaden hierbei sei nicht auf vermögensrechtliche Schäden einzuschränken, sondern auch auf ideelle Schäden zu erweitern, weil es für den aktienrechtlichen Geheimnisbegriff lediglich auf die Feststellung ankomme, ob ein Schaden entstehen kann, daher kein Grund erkennbar sei, immaterielle Werte für weniger schützenswert zu halten als materielle; zum Begriff des „Interesses“ als subjektiven Wert und seiner Gleichsetzung mit dem zu ersetzenden Schaden siehe Larenz (1987), § 29 I. 117
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
Damit kommt er für das Aktienrecht zu dem Ergebnis, das Geheimhaltungsinteresse als „eine Wertbeziehung eines Unternehmens zu einer unbekannten Tatsache, d. h. als eine Beziehung, kraft deren das interessierte Unternehmen einen materiellen oder immateriellen Schaden durch Offenbarung der Tatsache erleiden kann“ zu definieren.124 Denn nur, wenn der Gesellschaft aus der Verbreitung des Geheimnisses ein solcher Schaden entstehen kann, sei objektiv die Geheimhaltung erforderlich, weil andernfalls das Interesse der Gesellschaft nicht erkennbar wäre und der Willkür der Betroffenen unterliegen würde.125 Nicht zuletzt ist auf § 93 Abs. 2 AktG abzustellen, wonach die die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht die Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft begründet.126 Folglich scheidet eine Informationsweitergabe grundsätzlich schon dann aus, wenn die Due Diligence nur ein Vorwand des Erwerbsinteressenten dafür ist, um etwaige Betriebsgeheimnisse zu Zwecken des Wettbewerbs abzuschöpfen.127 Gleiches gilt, wenn ein Scheitern des Unternehmenserwerbs etwa aus kartellrechtlichen Gründen offenkundig ist, der Erwerb durch einen Wettbewerber der Verdrängung des Unternehmens vom Markt dient oder eine hochgradig kreditfinanzierte Übernahme allein die Zerschlagung wesentlicher Unternehmensteile bezweckt.128 In solchen Fällen bedarf es keiner Abwägung der Interessen, weil die Gefahr, dass bei der Gesellschaft ein nicht unerheblicher Schaden entsteht, offensichtlich ist, während dem gegenüber keinerlei Vorteile für die Gesellschaft zu erwarten sind. Ob die Tatsache, dass der Erwerbsinteressent ein Konkurrenzunternehmen ist, von vornherein eine Abwägung ausscheiden lässt und dem Käufer eine Durchführung der Due Diligence verwehrt wird, ist umstritten. Nach Lutter soll in diesen Fällen bereits dem Gesellschafter ohne weiteres die Informationsweitergabe verwehrt werden. Die einzige Lösung hier wird in der Einschaltung eines neutralen, also weder dem Gesellschafter noch der Gesellschaft nahe stehenden Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gesehen, die ihrerseits alle Informationen und Daten erhalten und diese auswerten.129 Sie sollen den Gesellschafter bei der Bewertung seiner Beteiligung unterstützen. Der veräußerungswillige Gesellschafter und sein Erwerbsinteressent müssen sich mit dem Bewertungsergebnis begnügen, ohne die ihm zugrundeliegenden Daten tatsächlich erfahren zu haben. Die Weitergabe der Information an eine neutrale, dritte Institution bleibt für die Gesellschaft gefahrlos, weil der direkte Informationszufluss an die Person des Gesellschafters oder seines Interessenten vermieden wird. Lutter betont, dass hier die personale Risikoquelle bewusst umgangen werde, während bei 124
v. Stebut, S. 43. Lutter (2006), Rn. 417. 126 Bei der GmbH gilt § 43 GmbHG. 127 Götze, ZGR 1999, 202, 213 mit weiteren Fällen, bei welchen die Weitergabe der Informationen von vornherein gegenüber der Gesellschaft treuwidrig ist. 128 Schroeder, DB 1997, 2161, 2163. 129 Lutter, ZIP 1997, 613, 615. 125
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der unmittelbaren Informationsvergabe der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft in seiner Treuepflicht verantwortlich bleibe und seinerseits das Risiko verweile, wenn durch die – verbotene – Weitergabe dieser Informationen an Dritte der Gesellschaft ein Schaden entstehe.130 Zweifelsohne stellt ein mittelbarer Zugang zu den Informationen, indem diese an neutrale Institutionen unmittelbar übergegeben werden, die die Informationen bewerten und nur die Ergebnisse dem Erwerbsinteressenten zu übermitteln, eine tragfähige Kompromisslösung dar. Betrachtet man jedoch die Kautelarpraxis beim Unternehmenskauf, wird bedenklich, ob ein abstrakt-resümierendes Bewertungsergebnis für das Informationsinteresse des Käufers hinsichtlich der Vertragsgestaltung ausreichend ist, um seine Interessen sicher in die Vertragsgestaltung einzubringen. Denn der Einigungsprozess und damit auch die Preisbildung beim Unternehmenskaufvertrag ist dadurch erschwert, dass es sich um einen komplexen und dynamischen Kaufgegenstand handelt und die Leistung sich nicht nur auf die Übertragung des Eigentums an den Unternehmensteilen oder den Anteilen an der Gesellschaft beschränkt, sondern sich auf weitere Leistungen wie etwa aus Informations- oder Förderpflichten und den zusätzlich vereinbarten Garantien erstreckt.131 Die Preisbildung nach dem Mechanismus der vertraglichen Einigung, setzt die Ermittlung der Leistungspflichten der Parteien voraus. Dieses muss in den Vertrag eingehen, indem die ermittelten Wertträger durch vertragliche Vereinbarungen festgehalten werden. Der durch die Bewertungsmethoden ermittelte Unternehmenswert ist zwar entscheidend für die zahlenmäßige Kaufpreisermittlung, für die Bildung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses muss bestimmt werden, aus welchen Wirtschaftsgütern dieser ermittelt worden ist. Die Kaufpreisbildung erfasst also nicht nur die Ermittlung des (subjektiven) Verkehrswertes des Unternehmens132, sondern auch die Gestaltung von Kaufpreisanpassungsklauseln, die auf die individuellen Pflichtenregime des Verkäufers abgestimmt ist. Nimmt man die in der Praxis üblichen Kaufpreisanpassungsmechanismen, die sich häufig an Wertveränderungen des Barmittelbestands, des Umlaufvermögens oder des Eigenkapitals des zu übertragenden Unternehmens orientieren133, wird der Käufer auch mit den Bewertungsergebnissen und der ihr zugrunde liegenden Me130
Lutter, ZIP 1997, 613, 615. Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 2010, Rn. 857, die wie folgt weitere Verpflichtungen nennen: Die Übernahme von Haftungen (Gewährleistungen und Freistellungen), Förderpflichten (z. B. das Bemühen, Mitarbeiter, Geschäftspartner usw. zur Fortsetzung ihrer Geschäftsbeziehungen und ihrer Vertragsverhältnisse mit dem Erwerber zu veranlassen), Informationspflichten (Übergabe von Unterlagen, persönliche Unterrichtung durch den Veräußerer und mit ihm ausscheidende Mitarbeiter usw.), die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb. 132 Vgl. BGH NJW 1995, 1738, dass der Verkehrswert des Unternehmens von der Differenz der in der Bilanz ausgewiesenen Aktiva und Passiva bestimmt wird. 133 Vgl. die Übersicht in Brusky, BB-Special 7 2005, 19. 131
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
thoden die Mechanismen in dieser konkreten vertraglichen Äquivalenzbildung nachvollziehen können.134 Hier sind auch nicht unmittelbar wettbewerbsrelevante Informationen betroffen, so dass die Einschaltung von neutralen Prüfern nicht mit erheblichen Beschränkungen der Gestaltungsfreiheit verbunden ist. Während die Äquivalenzbildung im Wege der Kaufpreisanpassung mit Werten erfolgen kann, die ex ante von einer neutralen Institution ermittelt und anschließend dem Käufer für die Vertragsgestaltung übergeben wurden, ist dagegen die Formulierung von Garantien, die ein wesentliches Gegengewicht zum Kaufpreis bilden, und derer sich die Vertragsparteien eines Unternehmenskaufvertrags meistens bedienen, ohne konkrete, der Bewertung zugrunde liegenden Informationen schwierig. Der Käufer braucht die einschlägigen Informationen, nicht schon für die Sicherung einer Verhandlungsposition. Auch aus Sicht des Verkäufers ist eine umfassende Information des Erwerbsinteressenten von Vorteil, weil er ohne Informationen wohl oder übel eine weitreichende und strenge Gewährleistung wird in Kauf nehmen müssen.135 Folglich kann eine umfassende Einschränkung des Informationszugangs insoweit den vorvertraglichen Informationsinteressen der Vertragsparteien nicht gerecht werden, weil sie gegen den Zweck des vorvertraglichen Informationsprozesses läuft, der sich die Kompensation des Informationsgefälles zwischen den Parteien für die Bildung eines interessengerechten vertraglichen Äquivalenzverhältnis zum Ziele setzt. Da das Due Diligence-Verfahren über eine Eigendynamik verfügt, die je nach Verlauf und Stadium der Verhandlung die relevanten Informationen filtern kann, kann mit Hilfe von materieller Interessenabwägung und prozeduralen Schutzmaßnahmen Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen werden, die insbesondere dem Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft hinreichend Rechnung tragen werden. 3. Sicherung des Unternehmensinteresses durch Interessenabwägung und prozedurale Schutzmaßnahmen Die Weitergabe von Unternehmensinterna an Dritte ist generell mit einer abstrakten Gefahr behaftet. Denn mit jeder Erweiterung des Empfängerkreises erhöht sich auch die Gefahr, dass sensible Informationen in den Besitz von Konkurrenzunternehmen gelangen, welche diese wiederum zum Nachteil der betroffenen Ge-
134
Ist das vertragliche Äquivalenzverhältnis einmal zustande gekommen, wird bei einem Rechtsstreit die einschlägige Berechnungs- und Bewertungsmethode der Ermittlung des Unternehmenswertes zugrunde gelegt, die bei Unklarheit der Tatsachenrichter zu bestimmen hat, vgl. BGH, NJW 1992, 892, 895 im Zusammenhang mit der Abfindung eines GmbH-Gesellschafters bei Ausscheiden: „Im Zweifel ist der Anteilswert auf der Grundlage des wirklichen Wertes des lebenden Unternehmens einschließlich der stillen Reserven und gegebenenfalls auch des Goodwill zu errechnen. Dieser ergibt sich im Allgemeinen aus dem Preis, der bei einer Veräußerung des Unternehmens als Einheit erzielt würde.“ 135 Mertens, AG 1997, 541, 543.
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sellschaft einsetzen könnten.136 Inwieweit ein solches Gefahrenpotential im Einzelfall tatsächlich vorliegt und eine konkrete Gefahr für das Unternehmen geschaffen wird, bedarf einer gesonderten Untersuchung. Zunächst ist zu bemerken, dass ein von vornherein beabsichtigtes Ausforschen des Unternehmens sich sogar durch Geheimhaltungsvereinbarungen nicht generell ausschließen lässt, die Gefahr nur formal effizient minimiert werden kann.137 In der Due Diligence-Phase werden die Unternehmensinterna dem Erwerbsinteressenten und den zukünftigen Mehrheitsbeteiligten offengelegt. Eine Realisierung des Schadens hängt entscheidend davon ab, mit welcher Entschlossenheit die Vertragsparteien in die Vertragsverhandlungen gehen. Aus zeitlich-prozeduraler Hinsicht erscheint es daher angemessen, die Dichte und Tiefe der weitergegebenen Informationen dem jeweiligen Verhandlungsstadium anzupassen.138 Je höher die Wahrscheinlichkeit eines Vertragsabschlusses, desto kleiner wird die Gefahr durch die Weitergabe der Informationen sein. Denn mit Vertragsschluss tritt der Käufer in die Sphäre des Unternehmens ein und als neuer „Eigentümer“ wird er sich kaum einer Informationspolitik bedienen, die dem zukünftigen Wohl des Unternehmens schaden könnte. Da der Erwerber wichtige Informationen seines zukünftigen Unternehmens nicht unüberlegt weitergeben wird, ist sicher, dass er den Kreis der Eingeweihten nicht in einer dem Unternehmen schädigender Weise erweitern wird. Geht man davon aus, dass die Due Diligence generell die Transparenz in den Verhandlungen erhöht und somit die Vertrauensbasis der Parteien festigt, kann eine Verweigerung der Due Diligence von Seiten des Vorstands der Zielgesellschaft den ganzen Transaktionsprozess nur ins Stocken bringen, was sich generell negativ auf das Unternehmen auswirken wird.139 Ein unsicheres Auftreten des Unternehmens in der Schwebephase einer Transaktion kann bei den Geschäftspartnern Unsicherheit hervorrufen, was insbesondere die Begründung langfristiger Geschäftsbeziehungen, Investitionen und Kooperationen belasten wird.140 Eine konkrete Gefahr besteht, wenn die Vertragsverhandlungen nach der Due Diligence-Phase scheitern oder es nicht zum beabsichtigten Vertragsabschluss kommt. Denn damit befinden sich nun wichtige Informationen in den Händen eines Dritten oder sogar eines Konkurrenten, der diese zum Nachteil des Zielunternehmens verwenden könnte. Sog. Break Fees141 können dazu beitragen, mögliche Schäden 136
Mertens, AG 1997, 541, 544. Mertens, AG 1997, 541, 542. 138 Götze, ZGR 1999, 202, 214. 139 Mertens, AG 1997, 541, 545. 140 Mertens, AG 1997, 541, 545. 141 In der Praxis werden häufig Break-Fee-Vereinbarungen getroffen, die die Erstattung der (Beratungs- und Due Diligence-)Kosten des Übernahmeversuchs zum Gegenstand haben, falls dieser scheitern sollte. Die Höhe der Beträge können bis in den Milliardenbereich reichen, vgl. näheres zur Praxis Sieger/Hasselbach, BB 2000, 625 ff. 137
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durch den Verhandlungsabbruch zu ersetzen. Welches Ende die begonnenen Transaktionsverhandlungen schließlich nehmen werden, bleibt zwar bis zum Schluss nicht absehbar, umso wichtiger ist jedoch, dass die Due Diligence dann erst erfolgt, wenn die Vertragsparteien wie etwa durch die Unterzeichnung eines Letter of Intent eine grundlegende Vertrauensbasis für die Vertragsverhandlungen geschaffen haben.142 Darauf darf dann auch der Vorstand realistische Erwartungen stützen, dass sich die Interessen des Unternehmens aufgrund der Transaktion verwirklichen lassen.143 Nimmt man die ratio legis dieser Normen, die den Schutz der Geheimnisse vor unbefugter Offenlegung und nicht unmittelbar den (Geld-)Ersatz künftiger Schäden durch unbefugte Offenlegung zum Zweck hat, dann kann die Abwägung der Interessen durch Informationsfreigabe und -geheimhaltung wesentlich erleichtert werden, wenn durch zusätzliche Mechanismen die Verhinderung des Schadens durch die Offenlegung von Informationen erreicht werden könnte. Durch strenge Geheimhaltungsvereinbarungen wird der Erwerbsinteressent daran gebunden, Stillschweigen über die in der Due Diligence und den Vertragsverhandlungen bekannt gewordenen Informationen zu bewahren.144 Schließlich ist noch auf die Problemstellung Lutters einzugehen, der entscheidend die Gesamtheitsbezogenheit der Information bei der Due Diligence hervorhebt, aufgrund dessen die Weitergabe der Information nur in äußersten Ausnahmefällen erlaubt werden soll.145 Bei Kooperationen mit dritten Unternehmen handele es sich typischerweise um sektorale und selektive Informationen, die nur Teile des Unternehmens oder Teile des unternehmerischen Handelns beträfen. Dagegen ginge es bei einer Due Diligence im Vorfeld eines Unternehmenserwerbs um globale Daten, die das gesamte Unternehmen und eine Gesamtbewertung des Unternehmens beträfen. Lutter sieht eine Offenlegung solcher sensiblen Daten gemäß § 93 AktG nur gerechtfertigt, wenn es sich um ein ungewöhnliches und überragendes, anders nicht erreichbares, eigenes unternehmerisches Interesse der Gesellschaft handelt, gewissermaßen um eine einmalige und unwiederbringliche unternehmerische Chance. Gegen die von Lutter aufgeworfene Problematik sind folgende Bedenken einzuwenden. Zunächst ist zwischen den Gefahrenlagen auf den jeweiligen Entscheidungsstufen zu unterscheiden. Während in der Entschlussphase für eine Due Diligence tatsächlich der Raum für eine „globale“ Offenlegung von Unternehmens142
Hemeling, ZHR 2005, 274, 281. So auch Mertens, AG 1997, 541, 544. 144 Vgl. Götze, ZGR 1999, 202, 218, der aus der Treuepflicht (hier des GmbH-Gesellschafters) ableitet, dass der Gesellschafter seinem Verhandlungspartner unabhängig davon, ob er ein Konkurrent ist oder nicht, eine umfassende Verschwiegenheitsverpflichtung (Hervorhebung übernommen) bezüglich aller anlässlich der Due Diligence-Prüfung erworbenen Informationen auferlegt. 145 Zum Folgenden siehe Lutter, ZIP 1997, 613, 617. 143
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interna eröffnet wird und zugleich die Gefahr für einen Missbrauch sich erhöht, findet bei der tatsächlichen Offenlegung der Daten eine Selektion derselben statt, woraus eine unmittelbar „globale“ Gefahr nicht geschaffen wird. Erstere ist von einer abstrakt-generellen Art, die hinreichend für hinnehmbar erklärt werden dürfte, wenn sie durch das objektive Transaktionsinteresse, das die Gesellschaft sich von der Transaktion verspricht, gedeckt wird. Roschmann/Frey greifen hier bei Betriebsgeheimnissen der AG auf die Entscheidung des Gesamtvorstands zurück146 : Bedenke man, dass die Entscheidung über die Offenbarung eines Geschäftsbereichs zur laufenden Geschäftsführung gehöre und daher grundsätzlich von einem einzelnen Vorstandsmitglied im Rahmen eines Geschäftsbereiches allein getroffen werden könnte, wäre in den bedeutenden Fällen eine Entscheidung des Gesamtvorstandes erforderlich. Der konkreten Gefahr, die aus der Offenlegung besonders sensibler Daten geschaffen wird, kann dadurch begegnet werden, dass die Entscheidung der Offenlegung vom Beschluss des Gesamtvorstands abhängig gemacht wird. Darüber hinaus kann die Gefahr in doppelter Hinsicht relativiert werden. Zum einen gelangen die Informationen nicht direkt in die Sphäre des Erwerbsinteressenten, sondern werden vom Verkäufer bzw. der Investmentbank, die beim Pakethandel mit dem Verkaufsprospekt beauftragt wird, den Interessen des Verkäufers entsprechend gefiltert, bevor sie in den Datenraum gestellt werden. Zum anderen kann eine erhöhte Sorgfalt hinsichtlich wettbewerbsrelevanten Daten verlangt werden, die geeignet sind dem Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Diesbezüglich kann nach Götze als Faustregel gelten: „Je marktnäher und detaillierter147 eine geschäftliche Information ist, desto näher liegt ihre Wettbewerbsrelevanz.“148 Zugleich kann aber auch der Erwerb des Zielunternehmens gerade durch ein Konkurrenzunternehmen im Unternehmensinteresse stehen, wenn durch eine erfolgreiche Einbindung in bestehenden Unternehmensstrukturen Synergien erwartet werden können. Der Verkäufer wird, soweit ihm keine vorvertraglichen Vertragspflichten auferlegt sind, die risikobehafteten Informationen zurückhalten wollen, um einen Preisabschlag oder eine verschärfte Garantiezusage zu verhindern. Die Verwirklichung der konkreten Gefahr hängt daher davon ab, welche vorvertraglichen Pflichten der Verkäufer gegenüber dem Käufer hat und welche seinem
146 Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 452, so auch KölnKommAktG/Mertens/Cahn § 93 Rn. 120. 147 Hervorhebung übernommen. 148 Götze, ZGR 1999, 202, 215, der für folgende Informationen die Offenlegung verbietet: Geheimes Know-how jeglicher Art, insbesondere auf den Gebieten der Technik und des Marketing, Geschäftsbeziehungen mit Zulieferern und Abnehmern, finanzielle Ausstattung sowie Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens, die derzeitige und zukünftige Geschäftsstrategie.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
Ermessen unterliegen.149 Hier können vorvertragliche Pflichten des Verkäufers mit den Geheimhaltungsinteressen der Zielgesellschaft in Konflikt geraten. Zu bedenken ist auch, dass der Kaufinteressent aus zeitlichen und praktischen Gründen nicht jede einzelne Information über das von der Zielgesellschaft getragenen Unternehmen begehren wird, so dass er sich unausweichlich auf jene Informationen wird beschränken müssen, worauf er für seine Erwerbszwecke nicht verzichten kann. Wie ausgeführt ist auch im Rahmen des Unternehmenskaufs die (tatsächliche) Gefahr der Informationsweitergabe nicht wesentlich höher als bei gewöhnlichen Kooperationen mit Dritten150, weil auch bei der Due Diligence die (tatsächliche) Gefahr von bestimmten „sektoralen und selektiven“ Informationen ausgeht. Für eine Interessenabwägung im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessensspielraums kann eine solche Differenzierung nicht ausschlaggebend sein, da es dem Informationsbefugten nicht genommen werden kann, die Chancen und Risiken im Einzelfall abzuschätzen, unabhängig davon, ob es sich um einzelne oder eine Vielzahl von Informationen handelt.151 Hat das Zielunternehmen ein objektives Interesse an einem Eigentümerwechsel, so wird das Erfordernis eines „überragenden Interesses“ hinsichtlich der Weitergabe von Due Diligence-Informationen gerade die Verwirklichung solcher transaktionsbezogenen Interessen erschweren. Der hier vertretene Lösungsvorschlag geht daher in Richtung der Schutzmaßnahmen für die Informationsfreigabe im Due Diligence-Verfahren. Unmittelbarer Schutz des Geheimhaltungsinteresses wird durch die Vereinbarung strenger Geheimhaltungsabreden geleistet152, die zum einen mit der vertraglichen Schweigepflicht des Erwerbsinteressenten die Weitergabe der Information verhindern, zum anderen für einen Ersatz des Schadens bei Pflichtverletzung vorsorgen.153 Während aus Sicht des Verkäufers und Zielunternehmens die Vereinbarung der Geheimhaltungsabreden eher eine passive Absicherung darstellt, können sie durch die Gestaltung des Informationsprozesses und die Einschränkung des Informationsumfangs und ihrer Qualität154 die Informationen aktiv filtern. Bei der AG gewinnt die Zuständigkeitserklärung des (Gesamt)Vorstands eine doppelte Bedeutung hinsichtlich der Wahrung des Unternehmensinteresses: Das
149
Dazu eingehend unten 3. Kapitel. So gegenübergestellt von Lutter, ZIP 1997, 613, 617. 151 MünchKommAktG/Spindler § 93 Rn. 120. 152 Mertens, AG 1997, 541, 544. 153 Spätestens zum Zeitpunkt des Letter of Intent sind Vertraulichkeitsvereinbarungen abzuschließen, wodurch sich der Erwerbsinteressent dazu verpflichtet, die im Datenraum offengelegten Informationen ausschließlich zur Prüfung für den Anteilserwerb zu verwenden, insbesondere von Verwendungen zu Wettbewerbszwecken abzusehen. 154 Mertens, AG 1997, 541, 544. 150
§ 1 Der Interessenkonflikt beim Share Deal
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Erfordernis eines Vorstandsbeschlusses als verfahrensmäßige Absicherung sowie eine materielle Kontrolle durch Abwägung von transaktionsbezogenen Interessen. Bei der Bewertung der Gefahr, die von der Offenlegung bestimmter Unternehmensinterna ausgeht, wird der Vorstand für seine Entscheidung an die Interessen des veräußerungswilligen Mehrheitsgesellschafters orientieren müssen. Denn je nachdem welche Informationen der Verkäufer dem Erwerbsinteressenten zur Verfügung stellen muss oder will, wird sich für die Informationsgefahr auch eine andere Ausgangslage ergeben. IV. Schlussfolgerung Die Grenzen der Weitergabe der Due Diligence-Informationen an den außenstehenden Erwerbsinteressenten werden durch das objektive Unternehmensinteresse gesetzt. Grundsätzlich kann die Due Diligence durch den Erwerber dann erwogen werden, wenn transaktionsbezogene Interessen des Unternehmens offenkundig sind. Beim Unternehmenskauf im Wege des Share Deals kommen verschiedene Interessenebenen ins Spiel, wobei der hier relevante Interessenkonflikt dem Außenverhältnis von Zielgesellschaft und den Vertragsparteien zuzuordnen ist. Die Dynamik des Due Diligence-Verfahrens, die durch die vorvertraglichen Interessen der Parteien selbst gesteuert wird, ermöglicht eine inhaltliche Abwägung der Informationsweitergabe je nach Verhandlungsgegner und Verhandlungsstadium. Da der Käufer eines Unternehmenskaufvertrages mit dem Erwerb des Unternehmens die Fortführung des Unternehmens beabsichtigt, stimmt das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft insoweit, als Unternehmensinteressen in Bezug genommen sind, auch mit denjenigen des Käufers zusammen. Der Verkäufer wird seinerseits einen möglichst guten Zustand des Unternehmens wahren wollen, um einen hohen Preis verlangen zu können. Prozedurale Schutzmaßnahmen wie etwa ein Letter of Intent und Geheimhaltungsvereinbarungen dienen zusätzlich der Wahrung von Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft. Es gilt festzuhalten, dass das Due Diligence-Verfahren über Selbstregulierungsmechanismen für die Lösung des Interessenkonflikts im Share Deal verfügt: Die Abwägung der Interessen auf der vertraglichen Interessenebene ermöglicht das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft hinreichend zu konkretisieren und zugleich den Weg für einen erfolgreichen Vertragsschluss mit der Verwirklichung von transaktionsbezogenen Unternehmensinteressen zu ebnen.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
§ 2 Der Interessenkonflikt im Verhältnis der Vertragsparteien Während beim Unternehmenskauf in Form des Share Deals der Interessenkonflikt zunächst im Rahmen einer Dreiecks-Konstellation zu lösen war, ist nun näher auf den Interessenkonflikt zwischen den Vertragsparteien einzugehen.155 Der Interessengegensatz in einem Austauschvertrag wie dem Kauf besteht darin, dass der Verkäufer einen möglichst hohen Kaufpreis begehrt, während der Käufer sich eine möglichst umfassende Gewährleistung für den von ihm erwarteten Zustand des Kaufgegenstands sichern will. Ziel der sich gegenüber stehenden Verhandlungsparteien ist, ihre Interessen durch einen äquivalenten Austausch gegenseitigen Leistungen wahrzunehmen und darüber eine verbindliche vertragliche Einigung zu erreichen. Als nächstes sollen daher zivilrechtliche Wertungsgrundlagen beleuchtet werden, die das vorvertragliche Verhältnis der Vertragsparteien prägen und ihnen in der Vertragsanbahnung zum selbstbestimmten Interessenausgleich als Verhaltensmaßstab dienen. Betroffen ist zum einen die Vertragsfreiheit, die den grundsätzlichen Handlungsspielraum der Parteien und die Reichweite des Vertragsinhalts bestimmt und zum anderen die Vertragsgerechtigkeit, die wegweisend für prozedurale Schutzmaßnahmen in der Vertragsanbahnung ist.
A. Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit Die Rechtsordnung, die der freien Marktwirtschaft zugrunde liegt, zeichnet sich durch die Prinzipien der Vertragsfreiheit und des freien Wettbewerbs aus. Die Vertragsfreiheit ist eine Erscheinungsform der Privatautonomie156, worunter nach der klassischen Formulierung Flumes „das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen“ verstanden wird.157 Mit der Vertragsfreiheit im engeren Sinne wird die schuldrechtliche Vertragsfreiheit bezeichnet, welche bedeutet, dass nach geltendem Recht die Parteien eines Schuldvertrages die Leistungen, zu denen sie sich verpflichten, inhaltlich frei bestimmen können.158 Es ist die inhaltliche Gestaltungsfreiheit, die der Abschlussfreiheit gegenüber gestellt ist und das „Ob“ und die Wahl des Gegenstandes betrifft.159 155 Die folgenden Ausführungen treffen sowohl für den Share Deal als auch für den Asset Deal zu. Für den Letzteren liegt ein Interessengegensatz nur innerhalb des (vor-)vertraglichen Verhältnisses zwischen den Vertragsparteien vor. 156 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 277; vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Aufl. (1975), § 1, 8 auf die häufig synonyme Verwendung der beiden Termini hinweisend. 157 Flume (1970), § 1, 1. 158 Flume (1970), § 1, 8.
§ 2 Der Interessenkonflikt im Verhältnis der Vertragsparteien
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Nach M. Wolf wird für einen selbstbestimmten gerechten Interessenausgleich neben der Fähigkeit des einzelnen zur richtigen Beurteilung seiner Verhältnisse und Interessen vorausgesetzt, dass der Einzelne die auf eigener freier Beurteilung beruhende Entscheidung auch durchzusetzen vermag (Entscheidungsfreiheit) und die vom Vertragspartner gewollte Regelung verstehen und in ihrem Inhalt erfassen können (ordnungsmäßige Verständigung) muss.160 Flume sieht die Privatautonomie als Rechtsprinzip nur dann verwirklicht, wenn auch tatsächlich die Macht zur Selbstbestimmung besteht.161 M. Wolf stimmt zwar der Erkenntnis zu, dass die Angemessenheit des von den Parteien selbstgestalteten vertraglichen Interessenausgleichs wesentlich von der Position und Stärke der Verhandlungspartner abhängt, sieht allerdings die begrifflichen Grenzen der Macht in diesem Sinne darin, dass damit nur besagt wird, dass die Fähigkeit zur Herrschaft zwar besteht, also das Ergebnis beschrieben wird, ohne die Voraussetzungen der Macht erkennen zu lassen.162 Bei der Vertragsgestaltung zeige sich eine solche Macht eines Partners darin, dass er den Vertragsinhalt nach seinen Vorstellungen gestalten könne und dazu die Zustimmung des Vertragsgegners enthalte, ohne auf dessen abweichende Vorstellungen Rücksicht nehmen zu müssen. Da die Herrschaft über den Willen eines anderen aber nur bestehe, soweit die Willens- und Entscheidungsfreiheit des Beherrschten ausgeschlossen ist, erweise sich die Willens- und Entscheidungsfreiheit und deren Beeinträchtigung durch den Vertragspartner als das maßgebliche Kriterium für die Bestimmung der beim Vertragsabschluss vorherrschenden Macht. Zutreffend macht Lorenz geltend, dass eine auf dem Grundsatz der Privatautonomie aufbauende Privatrechtsordnung, deren Grundpfeiler, nämlich die Selbstbestimmung, daher nicht nur anerkennen dürfe, sondern gleichzeitig Voraussetzungen schaffen müsse, unter denen die Selbstbestimmung des einzelnen zur Entfaltung gelangen könne.163 Canaris sieht in dieser Notwendigkeit eine gewisse „Trivialität“ darin, dass die Grundsatzentscheidung für die Vertragsfreiheit zugleich eine Fülle von Ausgestaltungs-, Ergänzungs- und Beschränkungsregelungen erforderlich mache.164 Dennoch ist in einer Rechtsordnung, die sich durch Vertragsfreiheit und Wettbewerb auszeichnet, von einem – so Canaris – „Primat der Vertragsfreiheit“ auszugehen165: Die Rechtsordnung dürfe zwar die Vertragsfreiheit nicht anerkennen, 159
Flume (1975), § 1, 8; vgl. die Gegenüberstellung von Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279 von rechtlicher und tatsächlicher Vertragsfreiheit: Während die Kompetenz zur Gestaltung von Rechtsbeziehungen grundsätzlich auf Verbindlichkeit angelegt und angewiesen ist, tendiert das Prinzip der Selbstbestimmung, verstanden als tatsächliche Entscheidungsfreiheit, zur Lösbarkeit der Verträge. 160 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, 1970, S. 101. 161 Flume § 1, 7. 162 Wolf (1970), S. 104 f. 163 So Lorenz (1997), S. 88. 164 Canaris, in: FS Lerche, 1993, S. 873, 886. 165 Canaris, in: FS Lerche, 1993, S. 873, 886.
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
ohne die Gerechtigkeitsfrage zu stellen, doch enthalte ein auf Vertragsfreiheit und Wettbewerb aufbauendes System seiner Struktur nach so viele und wirksame Hemmnisse gegen grob ungerechte Ergebnisse, dass eine derartige Ordnung unter Gerechtigkeitspunkten im Grundsatz unbedenklich sei. In der Einschränkung „im Grundsatz“ kommt ein selbstverständlicher Vorbehalt zum Ausdruck, dass das positive Recht in vielfältiger Weise ergänzend und korrigierend eingreifen muss, um den Anforderungen der Gerechtigkeit zu erfüllen und Beeinträchtigungen der „faktischen Entscheidungsfreiheit“ zu kompensieren. Ein korrigierender bzw. ergänzender Eingriff im Namen der Vertragsgerechtigkeit wird dann gerechtfertigt, wenn die tatsächliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtig wird.166
B. Die Ausgangslage beim Unternehmenskauf Beim Unternehmenskauf kommt die inhaltliche Gestaltungsfreiheit in vollen Zügen zur Geltung. Denn dieser zeichnet sich durch die umfassende, individuelle Gestaltung von einzelnen Vereinbarungen und Garantieabreden aus; in der Regel werden gesetzliche Gewährleistungsrechte abbedungen, so dass Vertragsinhalt und ihre Erfüllung entscheidend vom tatsächlichen Parteiwillen abhängen. Privatautonomie und Vertragsfreiheit, die im Dienst der Selbstbestimmung stehen, können nur optimal verwirklicht werden, wenn die Willensbildung der Parteien nicht nur grundsätzlich frei von rechtlichen Hindernissen ist, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht keinen Beeinträchtigungen unterliegt.167 Dieses ist dann der Fall, wenn etwa eine Partei beim Vertragsschluss von falschen Prämissen ausgeht.168 Beim Unternehmenskauf ist die Gefahr solcher Beeinträchtigungen darin zu vernehmen, dass sich zwar wirtschaftlich gleich starke Parteien gegenüber stehen, jedoch das stark ausgeprägte vorvertragliche Informationsgefälle zwischen Ver166 Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen von Zöllner, AcP (196) 1996, 1, 25 f. über das Verhältnis von Selbstbestimmung und Gleichgewicht der Parteien: Dieser Zusammenhang sei keineswegs selbstverständlich, sondern hänge davon ab, dass „bestimmte Beziehungen zwischen dem Gleichgewicht seiner Art nach und der Selbstbestimmung bestehen.“ Letztlich ließe sich der Zusammenhang nur konstatieren, wenn man den Begriff des Ungleichgewichts, so wie sie von Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 1, 7 verstanden wird, auf solche Unterschiede der Vertragsparteien beschränkt, durch welche die Selbstbestimmung der einen Partei ausgeschlossen werde. An diesen Prämissen sei die von Flume plädierte Grundsentenz „Privatautonomie verlangt Selbstbestimmung, Selbstbestimmung verlangt Gleichgewicht und bei Ungleichgewicht keine Privatautonomie“ auszuhebeln. Nach Zöllner kann also ein Ungleichgewicht nur dann im Zusammenhang mit der Selbstbestimmung relevant werden, wenn die Selbstbestimmung durch tatsächliche Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit gefährdet wird. 167 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 277. 168 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 278 f., der von einem „Dilemma der Privatautonomie“ spricht, dass diese immer wieder durch Beeinträchtigung der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit in Frage gestellt werde.
§ 2 Der Interessenkonflikt im Verhältnis der Vertragsparteien
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käufer und Käufer die Entscheidungsfreiheit des Käufers beeinträchtigen kann.169 Gerade für Unternehmen besteht kein organisierter Markt, in welchem sonst üblicherweise den Marktteilnehmern vertragsschlussrelevante Informationen durch allgemein zugängliche Informationenquellen zur Verfügung stehen.170 Zweifelhaft ist auch, ob es für den Unternehmenskauf überhaupt allgemeingültige und zugleich für die Kaufentscheidung des Unternehmenskäufers wesentliche Informationen geben kann, da jedes Unternehmen so individuell strukturiert ist, die die Erwerbsmotivation jedes Kaufinteressenten entsprechend individuell prägt. Durch diese begrenzten Selbstinformationsmöglichkeiten setzt sich die informationelle Ausgangslage beim Unternehmenskauf erheblich von denen anderer Kaufverträge ab. Daher stellt der im deutschen Recht gültige Grundsatz der Selbstinformation und Informationsverantwortung, dass es zunächst einmal Sache jeder Partei selbst ist, sich über allgemeine Marktverhältnisse zu informieren, weil insoweit jeder prinzipiell über dieselben Informationsquellen verfügt171, für den Unternehmenskäufer eine zusätzliche Belastung dar. Nach dieser Regel bedarf es stets einer Begründung der Aufklärungspflicht durch besondere und zusätzliche Umstände im Einzelfall, die allein der einen Partei bekannt sind und von denen sie weiß oder doch wissen muss, dass die Entscheidung der anderen durch deren Kenntnis beeinflusst wird.172 Daraus folgt z. B., dass bei einem Verkauf von Aktien zwar keine Aufklärungspflicht hinsichtlich der allgemeinen Marktverhältnisse besteht, über die sich jeder selbst Informationen beschaffen kann und deshalb auch muss, wohl aber hinsichtlich solcher Umstände, die nur dem Verkäufer bekannt sind und die zur Folge haben, dass die Aktien tatsächlich keinen Wert haben. 173 Auch hinsichtlich solcher Umstände, 169
Es geht also hier weniger um das von Flume (1975), § 1, 7 angesprochene „Dilemma der Privatautonomie, daß diese immer wieder durch ungleiche Machtverteilung in Frage gestellt“ werde; sondern wie Zöllner, AcP (196) 1996, 1, 28 zu Recht diesem entgegnet, dass „doch nur [entscheidend] sein [könne], welche Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit so relevant sind, daß Einfluß auf die Validität vertraglicher Regelungen haben“. Hierzu sei bemerkt, dass die beiden Aussagen insoweit nicht in Widerspruch stehen, als eine extrem ungleiche Machtverteilung zu einem Abhängigkeitsverhältnis führen kann, so dass dem Schwächeren der Boden der autonomen Entscheidungsfreiheit entzogen wird, welches durchaus Einfluss auf die Validität des Vertrages haben kann. Ursachen für Beeinträchtigungen der Vertragsfreiheit können jedoch über ungleiche Machtverhältnisse hinausgehen, insbesondere für den Gegenstand dieser Arbeit, den Unternehmenskauf, sind gerade die tatsächlichen Beeinträchtigungen von Interesse. 170 Ausgenommen sind hier die öffentlich zugänglichen Informationsquellen wie Handelsbücher, Jahresabschlussbilanzen und Lagebücher, die über solche für die Kaufentscheidung wesentlichen Unternehmensinterna nur über eine begrenzte Aussagekraft verfügen. 171 MünchKommBGB/Bachmann/Roth § 241 Rn. 142. 172 MünchKommBGB/Bachmann/Roth § 241 Rn. 142; jüngst BGH, Urteil vom 01. 02. 2013 – V ZR 72/11( BeckRS 2013, 06243); NJW 2006, 3139, 3141. 173 Bereits zu Zeiten des Reichsgerichts vgl. etwa RGZ 111, 233, 234 über einen Wasserbruch in einem Bergwerk: „Käufer und Verkäufer können wegen der widerstreitenden Interessen nach den Anschauungen des Verkehrs voneinander regelmäßig nicht eine Aufklärung über die für die Preisbildung in Betracht kommenden allgemeinen Verhältnisse des Marktes,
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
nach denen die andere Partei jederzeit fragen kann, wenn sie ihm wichtig sind, wird eine Aufklärungspflicht des Verkäufers verneint. 174 Aus Informationsgesichtspunkten des Vertragsrechts, wonach eine hinreichende Information vor Vertragsschluss eine notwendige Voraussetzung für die tatsächliche Vertragsfreiheit ist175, besteht hier ein tatsächliches Ungleichgewicht, die die Funktion der Vertragsfreiheit, deren Zweck im Abschluss selbstbestimmter Verträge liegt, beeinträchtigen kann. Auch in rechtlicher Hinsicht, kann insoweit von einem Ungleichgewicht gesprochen werden, als die Informationslast wesentlich auf den Käufer verlagert wird.176 Angesichts der Transaktionswirklichkeit, wonach sich gut zwei Drittel der M&ATransaktionen als Misserfolge erweisen177, wird die Einebnung der Informationsgrundlagen eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Transaktionsplanung und Realisierung der Transaktionsziele sein.
C. Materialisierung der Vertragsgerechtigkeit durch Informationspflichten Wenn also in der tatsächlichen Autonomie des Einzelnen eine wesentliche Voraussetzung für einen (interessen)gerechten Vertrag zu sehen ist, ist als nächstes zu prüfen, welche Schutzmaßnahmen für die Parteien eines Unternehmenskaufvertrags eingreifen, damit sie ihre rechtliche Freiheit tatsächlich als Mittel der wirtschaftliinsbesondere darüber erwarten, ob nach der Marktlage ein Steigen oder Fallen der Preise eintreten wird, sondern müssen in dieser Beziehung sich bei unbeteiligten Personen unterrichten. In verstärktem Maße greifen diese Erwägungen Platz bei den auf Erwerb von Spekulationspapieren gerichteten Rechtsgeschäften. Im Gegensatz zu solchen für die Preislage in Betracht kommenden allgemeinen Verhältnissen des Marktes, […] können Treu und Glauben im Verkehr vom Verkäufer eine Mitteilung derjenigen besonderen Umstände erfordern, die hinsichtlich des bestimmten Kaufgegenstandes und seiner Wertschätzung erkennbar für die Entschließungen des Käufers erheblich sind. So ist ein arglistiges Verschweigen angenommen worden, wenn ein Bankier Bergwerksaktien zum Tageskurs verkauft, obwohl er bereits von einem Wassereinbruch in das Bergwerk unterrichtet war.“ 174 Vgl. BGH WM 1987, 319, 320, dass der Verkäufer keine Aufklärungspflicht über die Konkurrenzsituation beim Verkauf des Unternehmens habe, weil der Käufer jederzeit hätte danach fragen können, wenn er daran interessiert gewesen wäre; näheres über die Begründung der Aufklärungspflicht siehe 3. Kapitel. 175 Busch, S. 4. 176 Zu bemerken ist, dass das hier bestehende „rechtliche“ Ungleichgewicht aus den Wertungsentscheidungen nach dem Prinzip der Selbstverantwortung rührt, die insbesondere auch aus Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit und des Vertrauensschutzes abgeleitet werden können (vgl. in diesem Zusammenhang auch Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279 zum Spannungsverhältnis von rechtlicher und tatsächlicher Vertragsfreiheit), so dass es nicht als „ungerecht“ im Rahmen der Vertragsgerechtigkeit bewertet werden kann. Auf die Frage, wie der Käufer die tatsächlich vorliegende doppelte Belastung hinsichtlich der vorvertraglichen Information überwinden kann, wird im 3. Kapitel ausführlich eingegangen. 177 Vgl. nur http://www.nzz.ch/finanzen_alt/nachrichten/jetzt-firmen-kaufen-1.742938
§ 2 Der Interessenkonflikt im Verhältnis der Vertragsparteien
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chen Selbstbestimmung einsetzen und unerwünschte178 Verträge bestmöglich vermeiden können. Als Spektrum privatrechtlicher Kompensationsmaßnahmen nennt Canaris institutionelle Gewährleistungen wie Wettbewerb und Tarifautonomie, sowie das Recht der Willensmängel und der Inhaltsschranken, die Schaffung ergänzenden dispositiven Vertragsrechts, ferner das von ihm als „überaus förderlich“ bezeichnete „moderne“ Instrumentarium von Informationspflichten und Widerrufsrechten.179 Mit dem Begriff der „Informationspflichten“ ist nun ein Stichwort gefallen, das unmittelbar zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit führt: Die vorvertraglichen Informationspflichten im Due Diligence-Verfahren. Legt man für die Analyse ihrer Bedeutung für die Vertragsparteien die ausgeführten vertragstheoretischen Wertungsgrundlagen zugrunde, dann werden vorab zwei Eigenschaften konturiert: Erstens dienen Informationspflichten dem Abschluss interessengerechter und selbstbestimmter Verträge, so dass sie niemals einen Selbstzweck, sondern eine exogene Zielausrichtung auf die tatsächliche Vertragsfreiheit der Vertragsparteien haben. Daraus ergibt sich als zweite Eigenschaft, dass ihr Wesen als Kompensationsmittel für etwaige Gefahren der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit, vom Prinzip der Vertragsgerechtigkeit geprägt ist. Die Vertragsgerechtigkeit weist in einer Rechtsordnung, zu deren Fundamenten die Vertragsfreiheit zählt, grundsätzlich einen „prozeduralen“ Charakter auf.180 Wie von Canaris anschaulich ausgeführt, kommt dieser gerade in seinem Verhältnis zur materialen Vertragsfreiheit zur Geltung. Dieser sieht zwar in der formalen Vertragsfreiheit ein Primat gegenüber der materialen Vertragsgerechtigkeit ausgehen181, erkennt aber auch einen unlösbaren Zusammenhang zwischen formaler, d. h. prozeduraler Vertragsgerechtigkeit und materialer Vertragsfreiheit.182 Die volle Überzeugungskraft der Maxime volenti non fit injuria könne sich nur entfalten wenn die Entscheidungen der Vertragsparteien nicht lediglich in rechtlicher, sondern grundsätzlich auch in tatsächlicher Hinsicht frei seien. Die „Materialisierung“ der Vertragsfreiheit im Sinne einer Verbesserung der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit diene daher in aller Regel zugleich der formalen, d. h. prozeduralen Vertragsgerechtigkeit und gewinne dadurch zusätzliche Dignität.183 Der prozedurale Charakter von Informationspflichten zeichnet sich dadurch aus, dass die „Richtigkeit“ des Vertragsinhalts in erster Linie vom Prozess des Aus178
Zu diesem Begriff vgl. Lorenz (1997). Canaris, in: FS Lerche, 1993, S. 873, 886 f. 180 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 283; ähnlich Lienhard, Vertragsschluss, S. 112 („eine Form prozeduralen Interessenausgleichs zu Erreichung materieller Privatautonomie“). 181 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 286, vgl. dazu näher auch Canaris, FS Lerche, 1993, S. 886 f.; Lorenz, S. 24 ff. 182 Betonung übernommen. 183 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 286 f. 179
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2. Kap.: Der Interessenkonflikt beim Unternehmenskauf
handelns also von einem bestimmten Verfahren erwartet wird.184 Die vorvertragliche Verständigung über den Vertrag hat die Selbstbestimmung zum Zweck, die prozeduralen Voraussetzungen lassen sich vom Gerechtigkeitsgedanken ableiten.185 Hier spielen vorvertragliche Informationspflichten eine zentrale Rolle, weil sie den konkreten Informationsfluss bestimmen: Der Verkäufer wird alle Informationen offenlegen müssen, die einer Aufklärungspflicht unterliegen, der Käufer wird versuchen, für alle Informationen, die für seine Entscheidung relevant sind eine Aufklärungspflicht zu begründen. Inhaltlich haben alle Informationen nach der allgemeinen Wahrheitspflicht vollständig und richtig zu erfolgen.186 So eindeutig die Funktion der vorvertraglichen Phase für eine selbstbestimmten und gerechten Vertragsschluss auch sein mag, ist die „Materialisierung“ weitaus heikler, weil sie nicht nur mit hoher „inhaltlicher Unsicherheit“ belastet ist und darüber hinaus „leicht in Kollision mit dem Freiheitsethos der pluralistischen und „offenen“ Gesellschaft geraten kann.187 Die inhaltliche Unsicherheit ist insbesondere hinsichtlich der vorvertraglichen Aufklärungspflicht wahrzunehmen. Bis zum heutigen Tage ist die Bestimmung des Bestands und Umfangs vorvertraglicher Aufklärungspflichten der gesetzlichen Regelung enthalten geblieben. Bereits der historische Gesetzgeber sah sich außerstande eine allgemeingültige Definition aufzuarbeiten: „Die für die Tragweite [des Betrugsbegriffs] maßgebende Frage, inwieweit eine Rechtspflicht besteht, dem anderen Theile Umstände mitzuteilen, von denen vorauszusetzen ist, daß sie auf seine Entschließung von Einfluß sein würden, entzieht sich der gesetzlichen Lösung. Im Allgemeinen stellt sich jeder arglistige Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zum Nachtheile eines Anderen als Betrug dar.“ 188
184 So Canaris, AcP 200 (2000), 273, 283 f. mit dem Hinweis auf Schmidt-Rimplers Lehre von der Richtigkeitsgewähr (Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130,132 ff.), die insoweit eine prozedurale Theorie sei und zumindest für die Fälle frei ausgehandelter Verträge, einen „richtigen und weiterführenden (wenn auch der Modifikation und Ergänzung bedürftigen) Kern für einen erheblichen Teilbereich des Vertragsrechts enthalte; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 161 präzisiert die Lehre als die These vom „Verhandlungsprozeß als Richtigkeitschance“, die idealiter dann eröffnet ist, wenn zwei gleichstarke und sachlich gleich kompetente Parteien sich in einem Verhandlungsdiskurs über ein Vertragsprogramm verständigen. 185 Vgl. Schwarze, S. 215 f. über die Verständigungspflicht und dem Verständigungsprinzip, dass auch die Subjektivierung der Verständigung, wie alle Materialisierung, auf den prozeduralen, die Selbstbestimmung materialisierenden Gehalt des Gerechtigkeitsprinzips zurückzuführen sei, näheres zu Schwarzeschen Begriff des „Verständigungsprinzips“ siehe unten 3. Kapitel. 186 Vgl. dazu eingehend unten 3. Kapitel. 187 So zu Recht Canaris, AcP 200 (2000), 273, 287. 188 Motive Bd. I, S. 208; zustimmend Breidenbach, S. 94.
§ 2 Der Interessenkonflikt im Verhältnis der Vertragsparteien
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Busch betont hierzu zu Recht, dass aus Sicht der zur Informationsgewährung Verpflichteten sich die Frage stelle, ob sie den rechtlichen Anforderungen mit vertretbarem Aufwand und hinreichender Rechtssicherheit gerecht werden können, zumal Rechtsunsicherheit durch den unpräzisen Inhalt der Pflichten geschaffen wird.189 Aus Sicht des Informationsgläubigers ist zweifelhaft, ob das Instrument der Informationspflichten geeignet ist, die privatautonome Willensbildung und Willensentschließung tatsächlich zu sichern. Einige Literaturstimmen sprechen sich explizit gegen eine Ausweitung von Informationspflichten aus, mit der Begründung, dass mit der wachsenden Quantität von Informationen nicht zugleich ihre Qualität, also ihr Informationswert, verbessert werde.190 Hinsichtlich der Tatsache, dass der Informationsempfänger nur über begrenzte Fähigkeiten zur Informationsaufnahme und -verarbeitung verfügt, führen zusätzliche Informationen nicht nur zur Senkung ihres Grenznutzens, sondern wirkt sich ab einer bestimmten Informationsmenge sogar negativ auf die qualitative Informationslage des Empfängers aus.191 Für einen effizienten Informationsaustausch bedarf es der klaren Grenzziehung zwischen gebotenem Reden und erlaubtem Schweigen.192 Je klarer die Mechanismen der Grenzziehung sind, desto sicherer können vertragsschlussrelevante Informationen von der Informationsmasse gefiltert werden. So kann der ineffizienten Informationsnutzung und dem negativen Einfluss auf die qualitative Informationslage entgegengewirkt werden. Allgemeine Prinzipien in eine operable Regel für den Einzelfall zu transformieren ist zwar offensichtlich mit methodischen Schwierigkeiten verbunden, dieses rechtfertigt jedoch nicht von vornherein den Verzicht auf ein solches Unterfangen.193 Die folgenden Ausführungen gehen diesem Versuch nach und untersuchen die Frage, wie die Grundprinzipien des Vertragsrechts durch prozedurale Mechanismen der Informationspflichten im Due Diligence-Verfahren verwirklicht werden können. Die Untersuchung setzt sich zum Ziele, Voraussetzungen zu präzisieren, durch welche die Due Diligence als Kernverfahren der vorvertraglichen Informationsphase zur Schaffung von Vertragsgerechtigkeit und Verwirklichung der tatsächlichen Vertragsfreiheit beitragen kann.
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Busch, S. 6. Fleischer, ZEuP 2000, 772, 788 m. w. N. 191 Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218, der zutreffend vom information overload spricht, das nicht nur zu Defiziten bei der Informationsverarbeitung, sondern auch zu solchen bei der Informationsaufnahme führen soll. 192 Werres, S. 2. 193 Rehm, S. 101. 190
3. Kapitel
Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung des Pflichtentatbestandes § 1 Die Doppelbelastung des Käufers in der vorvertraglichen Informationsphase Die nachfolgenden Ausführungen sollen zu einer Antwort darauf führen, wie sich formalisierte Untersuchungsprozeduren auf die Informationspflichten des Verkäufers auswirken. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern die Durchführung der Due Diligence-Prüfung den Umfang der vorvertraglichen Aufklärungs- und Wahrheitspflichten des Verkäufers mitbestimmt. Die Stellung des Unternehmenskäufers im Vorfeld des Vertragsschlusses ist mit einer doppelten Belastung behaftet. Sein Dilemma beginnt mit einem grundsätzlichen Informationsdefizit. Ungeachtet dessen, dass für die Bearbeitung der Due Diligence-Unterlagen auch von der Käuferseite Experten wie Investmentbanken, Steuerberater und Rechtsanwälte eingesetzt werden, ist das Informationsgefälle für den Käufer schon dadurch vorgezeichnet, dass dem Verkäufer allein die wichtigsten Informationen bekannt sind. Da kein organisierter Markt für einen offenen Informationsaustausch vorhanden ist, kommt dem Verkäufer allein bzw. mit jenen in seiner Sphäre wirkenden Personen die Verfügungsgewalt über die Weitergabe oder das Verschweigen von vertragsschlussrelevanten Unternehmensinterna zu. Angesichts einer solchen Ausgangssituation ist die Konkretisierung der Grenze zwischen gebotenem Reden und erlaubtem Schweigen1 nicht zuletzt deshalb von Interesse, weil sie den Parteien Rechtssicherheit darüber verschafft, welche Informationen unter welchen Umständen einer rechtlichen Offenbarungspflicht unterliegen. Der Käufer gewinnt insbesondere Klarheit darüber, welche Rechtsbehelfe ihm bei einer rechtswidrig unterlassenen Information zur Verfügung stehen. An dieser Stelle sieht sich der Käufer jedoch der anderen Seite des Dilemmas ausgesetzt, da angesichts der restriktiven Auslegung der Aufklärungspflicht von Rechtsprechung und Schrifttum die Grenze so offen und vage verläuft, dass die Stellung des Käufers mit so viel Rechtsunsicherheit behaftet ist.2 Gerade im Hinblick auf den 1
Werres, S. 2. Vgl. auch Rehm, S. 101, dass die Beteiligten ihr Verhalten, ihre Investitionsentscheidungen und Aufwendungen in Informationserwerb und -schaffung an derart verschwommenen Kriterien kaum ausrichten könnten, diese keine Rechtssicherheit schafften. Folglich bedürfe es 2
§ 1 Die Doppelbelastung des Käufers
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Unternehmenskauf zeigt sich der BGH äußerst zurückhaltend eine Aufklärungspflicht des Verkäufers anzunehmen, der Verkäufer brauche nicht auf Umstände hinzuweisen, von denen er annehmen darf, dass er nach ihnen gefragt werde, falls auf sie Wert gelegt wird.3 Der Rechtsprechung zu Folge hat sich der Käufer seine Informationsgrundlage für den Vertragsschluss selbst zu schaffen, welches angesichts der undurchschaubaren Informationslage kein einfaches Unterfangen ist. Hier kommt ihm das Instrument der Due Diligence zugute, das ihm die Möglichkeit eröffnet, den Informationsvorgang eigenhändig zu steuern und zu seinen Gunsten zu lenken. Mit dessen Hilfe kann er seinen Kenntnisstand über Unternehmensinterna erweitern und zugleich den offenbarungspflichtigen Inhalt präzisieren. Je nachdem, wie er die Due Diligence gestaltet, kann er den tatbestandlichen Spielraum der allgemeinen Aufklärungspflicht so einengen, dass die Rechtswidrigkeit der Aufklärung klarer konturiert und die Rechtssicherheit im Falle einer Leistungsstörung gefördert wird. Der BGH weist zwar die Einschätzung des Gewinninteresses zu Recht der Sphäre des Käufers zu4, damit ist jedoch noch nicht das Problem des Informationsinteresses gelöst, das der Käufer seinerseits zu Recht verfolgt, um die für den Vertragsschluss relevanten Informationen zu erlangen. Auch die Geschäftsgewandtheit des Käufers, die von der Rechtsprechung häufig als Argument für dessen Erkundigungspflicht genommen wird5, kann diesbezüglich, zumindest nicht von vornherein, eine einschränkende Wirkung auf die Aufklärungspflicht des Unternehmensverkäufers entfalten, da es hier darum geht, dem Unternehmenskäufer einen Ausweg aus seiner grundsätzlich defizitären Informationslage zu bieten.6 Da er auf die Mitwirkung des Verkäufers angewiesen ist, ist die Due Diligence konsequenterweise durch den wechselseitigen Informationsaustausch geprägt, der zugleich die Ursache für die der Due Diligence innewohnenden Dynamik ist. Im Folgenden gilt das in der Praxis fest verankerte Instrument der Due Diligence in das einheitliche System des allgemeinen und besonderen Schuldrechts einzuordnen.
einer nachvollziehbaren Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes durch die Gerichte, so dass sich die Parteien eher auf diesen Maßstab einstellen und Streitigkeiten von vornherein meiden könnten, bevor ein Prozess überhaupt erst notwendig werde. 3 BGH NJW 1989, 763, 764. 4 BGH NJW 1989, 763, 764, dass der Käufer den Vorteil des Geschäfts für sich selbst vergewissern müsse. 5 Vgl. nur BGH NJW 2002, 1042, dass die Geschäftsgewandtheit des Unternehmenskäufers insgesamt die Informationspflichten des Unternehmensverkäufers abschwächen könne; auch BGH NJW 1986, 918, 919, wonach der geschäftsgewandte Leasingnehmer, den „Sondernettopreis“ hätte zum Anlass nehmen müssen, Erkundigungen über die technische Beschaffenheit des Fahrzeugs anzustellen. 6 Sekundär von Interesse ist daher die Frage, ob dem Käufer allein aufgrund der Tatsache, dass er die Due Diligence von Experten durchführen lässt, eine Erkundigungspflicht auferlegt werden kann, die allgemein zur Reduzierung der Aufklärungspflicht des Verkäufers führt.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
§ 2 Die Grenzziehung der Aufklärungspflicht im Due Diligence Prozess A. Problemstellung und Ausgangslage Die Grenzen der Aufklärungspflicht fallen je nach den Umständen des Einzelfalls unterschiedlich aus. Darauf sind auch die Aufarbeitung des Komplexes der Aufklärungspflichten in Fallkonstellationen zurückzuführen, die innerhalb der abstrakt gezogenen Grenzen fallspezifische Mechanismen erkennen lassen, welche dem Käufer zu mehr Rechtssicherheit verhelfen sollen. Die Diskussion um den Einfluss der Due Diligence auf die Aufklärungspflicht des Verkäufers setzt häufig an der Frage an, ob die Durchführung einer Due Diligence zur Reduzierung der Aufklärungspflicht des Verkäufers führe.7 Diese im Schrifttum wiederholt so formulierte Problemstellung vermag nicht den Kern der Problematik zu treffen, weil sie den Rechtsanwender dazu verleitet, das Verfahren der Due Diligence als ein starres Instrument zu nehmen, das so in dieser Art und Weise wenig Aussagekraft über die Veränderungen des vorvertraglichen Pflichteninhalts hat. Zwar wird zutreffend vor einer Pauschalisierung gewarnt8, dennoch verbleiben die Ausführungen an der Oberfläche, die vor allem auf die Verallgemeinerung des Informationsinteresses des Käufers zurückzuführen ist. Von Teilen der Literatur wird zum einen behauptet, dass sich die Aufklärungspflichten des Verkäufers bei Vornahme einer Due Diligence durch den Käufer nur hinsichtlich nicht geprüfter Umstände reduziere, da der Käufer durch das Nachfragen während der Prüfung sein Informationsinteresse auf konkrete Umstände einschränke.9 Hiermit bringe er sein Urteilsvermögen und -willen zum Ausdruck, so dass der Verkäufer darauf vertrauen könne, dass der Käufer die für ihn relevanten Umstände selbst zu erkennen und zu beurteilen fähig sei, anderenfalls nach ihnen konkret fragen werde. Hieran lässt sich auch der Aspekt der „Geschäftsgewandtheit“ des Käufers anschließen, die die Rechtsprechung häufig zum Anlass nimmt, die Informationspflichten des Verkäufers insgesamt abzuschwächen.10 7
Loges, DB 1997, 965, 969; Werner, ZIP 2000, 989, 990, dass sich die Aufklärungspflichten des Verkäufers bei Durchführung einer Due Diligence regelmäßig reduzieren werden; Wagner, DStR 2002, 958, 965 bejaht, dass mit dem Gewähr einer Due Diligence, der Unternehmenskäufer seinen Aufklärungspflichten nachkomme; die Reduzierung von Aufklärungspflichten verneinend: Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 848; Sachs, SchiedsVZ 2004, 123, 127; Beisel/Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 5 Rn. 32. 8 Loges, DB 1997, 965, 969, der letztlich auf die Abwägung im Einzelfall abstellt; so auch Hassel, Der Einfluss der due diligence auf die Verkäuferhaftung beim Unternehmens- und Beteiligungskauf, 2009, S. 141. 9 Loges, DB 1997, 965, 969, dem zustimmend Werner, ZIP 2000, 989, 990. 10 BGH NJW 2002, 1042; wie die Geschäftsgewandtheit des Käufers schließlich zu bewerten ist, darüber wird später noch näher einzugehen sein. An dieser Stelle sei kurz festgestellt, dass sie zwar zu einem höheren Urteilsvermögen führen mag, jedoch nicht automatisch zur Folge haben muss, dass der Käufer auch die wichtigsten Informationen erkennt. In diesem
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Aber auch die entgegengesetzte Ansicht, der zufolge eine Reduzierung der Aufklärungspflichten deshalb abzulehnen sei, weil der Käufer gerade durch die Due Diligence-Prüfung sein gesteigertes Interesse an einer umfassenden Aufklärung verdeutliche11, lässt die Frage hinsichtlich der Konkretisierung der Aufklärungspflicht offen. Allein die Tatsache, dass der Käufer eingehende Prüfungen des Zielunternehmens durchführt bzw. nicht durchführt, kann eine pauschale Absenkung oder Erhöhung der Aufklärungspflichten des Verkäufers nicht rechtfertigen.12 In diesem Sinne ist auch die Ansicht von Stengel/Scholderer zu verstehen, wenn sie sagen, dass Prüfungen wie die Due Diligence grundsätzlich neutral für die Aufklärungspflicht des Verkäufers seien.13 Diese „Neutralität“ wird dann jedoch aufgehoben, wenn man die Funktion der Due Diligence im Rahmen der dynamischen Grenzen der Aufklärungspflicht erfasst. Im Kern gilt es zu untersuchen, inwiefern die Durchführung einer Due Diligence den Umfang der vorvertraglichen Informationspflichten des Unternehmensverkäufers beeinflusst. Zu Recht betont Westermann, der die Intensität der Aufklärungs- und Informationspflichten durch das Unterbleiben oder die Durchführung einer Due Diligence beeinflusst sieht, dass die „Due Diligence“ kein eigenständiges bürgerlichrechtliches Thema sei, sondern ein Vorgang der Unternehmenspraxis, der mit den gewöhnlichen privatrechtsdogmatischen Mitteln gewürdigt werden müsse.14 Ausgangspunkt der Diskussion muss die der Due Diligence innewohnenden Dynamik sein, denn je nach Verlauf der Prüfung, verändert sich auch das Informationsinteresse des Käufers und bestimmt somit den konkreten Informationsfluss zwischen den Parteien, der schließlich die tatbestandliche Grundlage für die Begründung und Erfüllung der Aufklärungspflicht bildet. Zu bestimmen gilt, nach welchem rechtsdogmatischen Mechanismus sich die Grenzen der Aufklärungspflicht des Verkäufers im Prozess der Due Diligence-Prüfung verfeinern lassen.
Zusammenhang betont Müller, NJW 2004, 2196, 2199 zu Recht, dass es nicht ausreicht, wenn das, worüber der Verkäufer aufklären soll in einem „Dickicht von anderen Informationen“ enthalten ist. 11 Müller, NJW 2004, 2196, 2199. 12 Eine Pauschalisierung des Problems ablehnend auch Hassel, S. 141. 13 Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 164; zustimmend Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 848; vgl. auch zuletzt auch BGH NJW 2011, 1280: „Zwar scheidet nach der Rechtsprechung des Senats eine Pflicht zur Offenbarung aus, wenn es sich […] um einen der Besichtigung zugänglichen und damit ohne weiteres erkennbaren Mangel handelt.[…]Indessen schließt die Möglichkeit, sich Kenntnis anderweit – etwa aus übergebenen Unterlagen – zu verschaffen, die Pflicht zur Offenbarung nicht von vornherein aus.“ 14 Westermann, ZHR 2005, 248, 258 ff., 272 f.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
B. Der Vertragszweck und seine Erkennbarkeit Die in der Praxis wohl bedeutendste Fallgruppe hinsichtlich Aufklärungspflichten wird im Allgemeinen mit der „Vereitelung des Vertragszwecks“ umschrieben. Die feststehende Formel15 der ständigen Rechtsprechung des BGH besagt, dass auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, die Pflicht besteht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und deshalb für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er eine Mitteilung der betreffenden Tatsachen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung erwarten durfte.16 Dem Verkäufer wird die Pflicht auferlegt, über jene Umstände aufzuklären, „die nur dem Verkäufer bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muß, daß sie für den Käufer von wesentlicher Bedeutung, etwa weil sie den Vertragszweck vereiteln können.“17 Diese formelhafte Spruchpraxis liefert zwei wichtige Anhaltspunkte: Wesentlichkeit des betreffenden Umstands für den Vertragszweck und die Erkennbarkeit des Umstands für den Aufklärungspflichtigen.18 Inhaltlich muss es sich um Umstände handeln, die so gravierend sind, dass der betroffene Vertragspartner vom Vertragsschluss in seiner konkreten Form Abstand genommen hätte, wenn er davon in Kenntnis gesetzt worden wäre. Die Wesentlichkeit eines Umstandes bestimmt sich nach dem Vertragszweck, der je nach Kaufinteressent im Einzelfall unterschiedlich ausfällt. Grundsätzlich bezweckt der Erwerber eines Unternehmens, mit diesem Erträge zu erwirtschaften und Gewinne zu erzielen. Hinsichtlich den konkreten Erwerbsmotivationen kann beim Unternehmenskauf vor allem zwischen strategischen Investoren (sog. „Corporates“) und Finanzinvestoren unterschieden werden. Strategische Investoren haben allgemein einen langfristigen Anlagehorizont im Auge, wobei die Ertragskraft des Zielunternehmens sowie strategische Aspekte (Markteintritt und -erweiterung19, Diversifikation und Abrundung des bestehenden Produktportfolios, Verringerung von Wettbewerb, etc.) im Vordergrund stehen und Finanzierungsaspekte eine nachrangige Bedeutung haben.20 Unternehmenskäufe durch Finanzinvestoren hingegen dienen dem Zweck der Finanzanlage in Unternehmen. In der Regel sind es Fonds, die von eigenständigen Private Equity-Häusern, 15 Kritisch demgegenüber Soergel/Teichmann § 242 BGB Rn. 136, der sie als „Leerformeln“ bezeichnet. 16 BGH NJW 1979, 2243; NJW 1980, 2408, 2461; NZG 2002, 644, 856 = ZIP 2002, 853. 17 BGH NJW-RR 1998, 1406 = NZG 1998, 506. 18 Jüngst vom BGH NJW 2013, 1807 nochmals betont: „Die Aufklärungspflicht setzt allerdings voraus, dass sich die Fehlvorstellung des Käufers auf Umstände bezieht, die für seinen Kaufentschluss erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind.“ 19 Die Erweiterung des Marktanteils als subjektiven Erwerbsmotiv etwa in BGH NJW 1977, 1538, 1539. 20 Vgl. Störk/Hummitzsch, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence , § 33 Rn. 7.
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Banken oder Versicherungen gegründet und verwaltet werden und Gelder großer, meist institutioneller Anleger (Limited Partner) in Unternehmensbeteiligungen investieren, mit dem Ziel durch einen hohen Einsatz von Fremdkapital die Rendite des Eigenkapitals zu maximieren (sog. Leverage-Effect).21 Hier ist das Ziel des Unternehmenserwerbs, einen hohen Cashflow zur zügigen Rückführung der Verschuldung sowie das Vorhandensein einer „Equity Story“, welche eine gewinnmaximierende Beendigung der Investition (sog. „Exit“ innerhalb eines kurz- bis mittelfristigen Zeitraums im Durchschnitt vier bis acht Jahre) gewährleisten.22 Dementsprechend verlagert sich der Fokus der Due Diligence auf die Maximierung des Wachstums des eingesetzten Kapitals. Hinsichtlich der Vielseitigkeit der Erwerbszwecke, ist es nicht leicht die sogenannten „Dealbreaker“ in der Due Diligence-Phase zu identifizieren. Die Feststellung von transaktionsgefährdenden Sachverhalten ist generell überhaupt möglich, wenn die Erwerbsabsichten des Käufers konkretisiert sind. Die Insolvenzsituation bei einem Zielunternehmen, in das der Kaufinteressent jenseits des Kaufpreises hätte nicht investieren wollen, kann bei Zukunftsperspektive durchaus zum Erwerb zu niedrigerem Kaufpreis und einer Verstärkung der Finanzierung des Zielunternehmens führen.23 Der Umstand, dass kürzlich Kundenverträge gekündigt wurden, über die das Unternehmen 80 % seines Umsatzes erzielt, mag zwar für die allermeisten Kaufinteressenten einen Dealbreaker darstellen, ein Kaufinteressent jedoch, der unmittelbarer Wettbewerber des Zielunternehmens ist, über einen starken Vertrieb verfügt und mit dem Erwerb eine Ausweitung seiner Produktkapazitäten interessiert ist, wird dies nur dann als problematisch sehen, wenn die Gründe in der Qualität oder Effizienz der Produktion liegen.24 Auch wer an der Übernahme allein eines Kundenstammes oder Vertriebsnetzes interessiert ist, wird sich für den Zustand ohnehin nicht benötigter Anlagen sehr viel weniger – oder unter anderen Aspekten wie möglichen Liquidationswerten – interessieren als der, der allein eine Vergrößerung seiner Produktionskapazitäten anstrebt.25 Diese verschiedenen Ausrichtungsmöglichkeiten des Vertragszwecks machen es notwendig, dass im Zusammenhang mit der Aufklärungspflicht die Wesentlichkeit eines Umstandes für die eine Partei stets im Zusammenhang mit seiner Erkennbarkeit für die Gegenpartei gesehen werden muss. Mit anderen Worten: Eine Aufklärungspflicht kann nie mit der Wesentlichkeit für den Vertragsschluss allein begründet
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Kästle/Oberbracht, S. 9. Störk/Hummitzsch, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 33 Rn. 7. 23 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 9 Rn. 14. 24 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 9 Rn. 14, für die Praxis folge daraus, dass vermeintliche Dealbreaker häufig (nur) eine Änderung der Prüfungsschwerpunkte bewirkten, die dann unverzüglich umgesetzt werden müssten. 25 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 2 Rn. 34. 22
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
werden, entscheidend ist die Erkennbarkeit des Umstandes für den Aufzuklärenden.26 I. Objektive Erkennbarkeit Mit dem Kriterium der Erkennbarkeit lässt sich auch die Eindeutigkeit für all jene Fälle des Unternehmenskaufs erklären, bei welchen die Überlebensfähigkeit des Unternehmens bzw. der ihn tragenden Gesellschaft bedroht war, weil ihr Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung drohte.27 Zahlungsunfähigkeit gefährdet die Ertragsfähigkeit des Unternehmens, weil der Schuldner dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, wesentlichen Teilen seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, so dass auch die Liquidität nicht durch die kurzfristige Aufnahme von Krediten wiederhergestellt werden kann.28 Allen unterschiedlich motivierten Unternehmenskaufverträgen liegt grundsätzlich29 die Voraussetzung zugrunde, dass das zu erwerbende Unternehmen überhaupt lebensfähig, d. h. ertragsfähig, ist. Anzeichen für eine wirtschaftlich desolate, bis hin zur insolvenzreifen Situation einer unternehmenstragenden Gesellschaft können anhand diverser Umstände festgemacht werden. Die Rechtsprechung nennt diesbezüglich30 : Die Abholung unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Waren wegen Nichtbezahlung der Rechnungen, die Rückholung von geleasten Fahrzeugen wegen rückständiger Raten, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verschiedener Gläubiger, die Rückbuchung von Lastschriften und Nichteinlösung von Schecks, die Sperrung von Telefon- und Stromleitungen etc. Liegen bei Vertragsschluss Verbindlichkeiten vor, die die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft gefährden, weil ihr Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung droht, hat der Verkäufer dem Käufer sämtliche Verbindlichkeit ungefragt zu offenbaren.31 Auch Umstände, die eine Fortsetzung der 26 So schon Hildebrandt, S. 163 f.; Soergel/Teichmann § 242 BGB Rn. 139 betont, dass für die Bestimmung der Voraussetzungen zunächst notwendig sei, dass die Interessen des anderen überhaupt als solche erkannt wurden oder erkennbar waren. Für die Erkennbarkeit könne dabei nicht an den Maßstab der allgemeinen Sorgfaltspflicht angeknüpft werden, vielmehr sei darauf abzustellen, ob die Zweckgefährdung typischerweise oder aufgrund der konkreten Umstände offensichtlich sei, bzw. sie sich einem verständigen Partner aufdrängen musste; vgl. auch Lorenz, 1997, S. 419, der deutlich zwischen der Erkennbarkeit des Umstands von der Erkennbarkeit der Informationsbedürftigkeit unterscheidet, letztere betreffe die Frage des Verschuldens; MünchKommBGB/Bachmann/Roth § 241 BGB Rn. 130. 27 Siehe nur BGH NZG 2002, 644 = ZIP 2002, 853. 28 BGH NZG 2002, 644 = ZIP 2002, 853; BGHZ 118, 171,174 = NJW 1992, 1960. 29 Wie zuvor erläutert muss jedoch nicht in allen Fällen eine betriebsfähige Ertragsfähigkeit zugrunde gelegt sein. 30 Vgl. BGH NJW 2001, 2163, 2164. 31 BGH NZG 2002, 644, 645 = ZIP 2002, 853, das Gericht hat jedoch die ungefragte Offenbarung von Verbindlichkeiten, die sich später aus einer Umsatzsteuernachforderung des Finanzamts ergaben, explizit abgelehnt, weil sie unter die von den Vertragsparteien getroffenen Freistellungsvereinbarung fielen. Im Hinblick darauf durfte der Verkäufer erwarten, dass der Käufer, wenn er Zweifel an seiner Schuld gehabt hätte und deshalb die Höhe einer möglichen
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Produktion des verkauften Unternehmens verhindern können, unterfallen der Aufklärungspflicht.32 Es handelt sich bei diesen Umständen ganz klar um solche, die gravierend genug sind, um allgemein den Vertragszweck eines Unternehmenskaufs zu vereiteln. Entscheidend ist, dass diese Wesentlichkeit dem Aufzuklärenden so evident erkennbar ist, dass sie die Aufklärungspflicht zweifelsohne begründet.33 Bei solch eindeutigen Fällen ist eine „objektive“34 Bestimmung der Aufklärungspflicht tatsächlich möglich, weil es für den Verkäufer „objektiv“ erkennbar ist, dass jeder beliebige andere Käufer in derselben Situation auch eine Aufklärung erwartet hätte.35 Die Grenzziehung erfolgt objektiv-normativ, weil sie sich an objektiven Kriterien wie die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung des Unternehmens orientiert. Die in diesem Zusammenhang angesprochene Vertragswesentlichkeit ist weniger subjektiv motiviert, sondern ergibt sich aus dem Ur-Zweck des Unternehmenskaufs selbst. Denn der Käufer erwirbt das Unternehmen, um es primär im Rahmen seiner unternehmerischen Planungen gewinnbringend einzusetzen. Die „Triebfeder“ seines Transaktionsvorhabens ist die Möglichkeit nachhaltig Gewinn zu erzielen, er ist vor allem an den künftigen Nettoeinnahmemöglichkeiten aus dem Unternehmen interessiert.36 Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des BGH, in welchem das Gericht in Bezug auf die betriebswirtschaftlich relevanten Informationen wie folgt ausführt37:
Steuernachforderung für ihn von Interesse war, von sich aus weiter nachfragte; vgl. auch BGH NJW-RR 1998, 1406 = NZG 1998, 506. 32 Vgl. RGZ 69, 429, im welchen das Reichsgericht auf der Grundlage einer extensiven Anwendung des Gewährleistungsrechts im Untersagungsrecht eines Dritten gegen die Weiterproduktion aufgrund eines gültigen Patentes einen Sachmangel sah; nach der Rechtsprechung des BGH im alten Schuldrecht, die die §§ 459 BGB a.F. nur restriktiv angewendet hat, wäre auf die Verletzung der Aufklärungspflicht abgestellt worden, so Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 161; vgl. auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 265, der die Offenlegungspflicht des Verkäufers erkennt, wenn bei einem Unternehmenskauf die für die Betriebsfortführung erforderlichen, gewerblichen Auflagen nicht erfüllt sind. 33 Abzugrenzen hiervon ist die Erkennbarkeit des relevanten Umstands für den Käufer. In BGH NZG 2002, 644, 646 = ZIP 2002, 853 hat der BGH dem Berufungsgericht entgegengesetzt, dass die bilanziellen Auswertungen aus Sicht des Käufers gerade nicht „erkennbar unvollständig“ gewesen sind. 34 Vgl. Thiessen, Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005, S. 381 f., der bei der Bestimmung der Aufklärungspflicht zwischen „objektiven“ und „subjektiven“ Kriterien unterscheidet. 35 Thiessen (2005), S. 382. 36 Fleischer (2001), S. 331. 37 Hervorhebungen sind von der Verfasserin hinzugefügt.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung „Beim Kauf eines Unternehmens oder von GmbH-Geschäftsanteilen ist im Hinblick auf den für den Kaufpreis im Regelfall erheblichen Ertragswert insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kaufinteressent – für den Verkäufer erkennbar – sich ein einigermaßen zutreffendes Bild von den wertbildenden Faktoren in erster Linie nur anhand der Bilanzen, der laufenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen, sonstiger Buchführungsunterlagen und ergänzender Auskünfte des Inhabers oder Geschäftsführers machen kann. Diese Erschwerung der Bewertung des Kaufobjekts durch einen außen stehenden Interessenten, die auch durch dessen möglicherweise vorhandene Sachkunde nicht ausgeglichen wird, und seine besondere Abhängigkeit von der Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm erteilten Informationen vor allem zur Umsatz- und Ertragslage des Unternehmens sowie die regelmäßig weit reichenden wirtschaftlichen Folgen der Kaufentscheidung rechtfertigen es, dem Verkäufer eine gesteigerte Aufklärungspflicht aufzuerlegen und an die hierbei anzuwendende Sorgfalt einen strengen Maßstab anzulegen.“38
Die Erwägung eines erhöhten Sorgfaltsmaßstabs bezüglich der Offenlegung wertbildender Wirtschaftsfaktoren scheint die eingangs erwähnte Doppelbelastung des Käufers zu mildern, weil hier eine aktive Information des Verkäufers angeordnet wird. Diesem Rechtspruch lagen jedoch Umstände zugrunde, die auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung deuteten, so dass wiederum lediglich die objektiv erkennbare Vertragsvereitelung thematisiert wurde.39 Der von der Rechtsprechung konstatierte „strenge Maßstab“ für aufklärungsnotwendige Umstände erweist sich für den Käufer kaum hilfreicher als die bisherige Spruchpraxis. Bedenkt man, dass die Rechtsprechung bezüglich aller über die objektive Vertragsgefährdung hinausgehenden Umstände dem Verkäufer nur dann eine Offenbarungspflicht auferlegt, nach denen der Käufer ausdrücklich fragt, dann liegt aus der Sicht des Käufers viel mehr eine Abmilderung der Aufklärungspflicht vor. Das Dilemma des Erwerbsinteressenten liegt weiterhin darin, dass zwar seine begrenzten Erkenntnismöglichkeiten eine ausreichende Rechtfertigungsgrundlage für einen erhöhten Gefahrentatbestand darstellen, also für eine besondere Sorgfaltspflicht des Verkäufers bei der Aufklärung des Käufers sprechen40, jedoch eine originäre Aufklärungspflicht nur für Grenzfälle der objektiven Vertragszweckvereitelung anerkannt werden. In der jüngsten Rechtsprechung wurde wieder bestätigt, dass die Wesentlichkeit eines Mangels, die eine unmittelbare – also ungefragte – Offenbarungspflicht des Verkäufers begründet, nicht „aus der Sicht des jeweiligen Käufers“ bestimmt werde, sondern maßgeblich darauf abzustellen sei, ob ein „verständiger Verkäufer“ damit rechnen müsse, dass der verschwiegene Mangel 38
BGH NJW 2001, 2163, 2164 oder auch NJW 2002, 440. BGH NJW 2001, 2163, 2164: „Geht es um die Beteiligung des Erwerbers an einem lebensfähigen Unternehmen, dann erstreckt sich die Aufklärungspflicht des Käufers namentlich auf alle Umstände, welche die Überlebensfähigkeit ernsthaft gefährden, insbesondere also drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung“; vgl. Hassel, S. 137, der einen strengen Maßstab auch bezüglich erheblicher und wertbildender Faktoren eines sich nicht in der Krise befindenden Unternehmen anwenden will. 40 Hübner, BB 2010, 1483, 1486. 39
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Einfluss auf die Entscheidung des Käufers habe.41 Im Umkehrschluss heißt es für alle anderen Umstände, deren Vertragswesentlichkeit aus der subjektiven Zielsetzung des jeweiligen Kaufinteressenten hervorgehen, dass sie zunächst nicht einer unbedingten Aufklärungspflicht unterliegen. Wie unten weiter ausgeführt wird, werden diese nur dann zum aufklärungspflichtigen Inhalt qualifiziert, wenn die Vertragswesentlichkeit im subjektiven Bestimmungsprozess des Vertragszwecks vom Käufer erkennbar gemacht wurde.42 Innerhalb diesen äußerst eng gezogenen Grenzen, kann der Verkäufer ohne Probleme sein Informationsmaterial unvollständig halten, insbesondere die ihm bekannten „Baustellen“ solange zurückstellen, bis er vom Erwerbsinteressenten explizit darauf gefragt wird.43 Für die weiteren Abhandlungen lässt sich somit festhalten, dass die objektiven Grenzen der Aufklärungspflicht sich schließlich aus der objektiven Erkennbarkeit der Vertragswesentlichkeit ergeben. II. Subjektive Erkennbarkeit Für alle anderen Konstellationen, die nicht von solcher Eindeutigkeit sind – welche wohl den größeren Anteil der problematischen Fälle ausmachen werden – lässt sich nach „Verkehrsanschauung“ oder „Treu und Glauben“ schwerlich bestimmen, wann eine Aufklärungspflicht sicher bejaht oder abgelehnt werden kann.44 Das Aufklärungsbedürfnis des Erwerbsinteressenten, der konkrete Transaktionsziele mit dem Erwerb des Unternehmens verfolgt, fällt je nach Einzelfall unterschiedlich aus, so dass auch die Aufklärungspflicht dementsprechend zugeschnitten werden muss. Die Subjektivität der Erkennbarkeit ergibt aus dem Fehlen der Umstände, die eine Aufklärung „objektiv erkennbar“ notwendig machen. Das Fehlen der objektiven Erkennbarkeit der vertragsschlussbezogenen Umstände macht wiederum einen subjektiv, relativen Bestimmungsprozess durch die beteiligten Parteien erforderlich.45 41 BGH NJW 2011, 3640, 3641 = MittBayNot 2012, 37 = ZIP 2011, 1872; vgl. auch Thiessen, Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005, S. 387, dass bei der Beschränkung der Aufklärungspflicht durch subjektive Merkmale nicht vom Erwartungshorizont des Käufers, sondern von dem des Verkäufers aus beurteilt werde. 42 Die Rechtsprechung bezüglich vorvertraglichen Aufklärungspflichten ist von dieser Zweiteilung geprägt. Damit werden jedoch die im Gespräch erkennbaren subjektiven Zielsetzungen des Käufers nicht völlig ausgeblendet, sondern lediglich dem subjektiven Bestimmungsprozess unterstellt, näheres dazu siehe unten B. II.; a. A. Weber, NJW 2011, 3642 in der Anmerkung zur Entscheidung des BGH NJW 2011, 3640. 43 Hübner, BB 2010, 1483,1486. 44 Thiessen (2005), S. 382. 45 Nach Thiessen (2005), S. 387 wird hier die Aufklärungspflicht durch die „subjektiven Merkmale“ eingeschränkt.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
Für die vorvertragliche Phase beim Unternehmenskauf hat dies zur Folge, dass es Sache des Käufers ist, seine Kaufintention, zumindest in ihren wesentlichen Zügen, dem Verkäufer erkenntlich zu machen. Dass der veräußerungswillige Verkäufer eines Unternehmens die besonderen Intentionen eines Kaufinteressenten, ohne dass sie ihm gegenüber offenbart wurden, von sich aus erkennt, ist für eine so individuell gestaltete Geschäftsart wie dem Unternehmenskauf wohl kaum vorstellbar. Die Schwierigkeit liegt hier darin, dass es um Motivationen geht, die gänzlich in der Sphäre des Käufers liegen. Ein Grund für die zu Beginn erwähnte Doppelbelastung des Käufers in der Informationsphase ist genau hier zu finden. Je wichtiger der Käufer einen Umstand für seinen Vertragsschluss erachtet, je offensiver muss er dieses dem Verkäufer erkenntlich machen. Nur auf diesem Wege kann er die objektiven Grenzen der Aufklärungspflicht auf die von ihm bestimmbaren subjektiven Grenzen ausweiten. Das dem Unternehmenskauf angepasste vorvertragliche Informationsverfahren der Due Diligence stellt mit seiner Eigendynamik und der Möglichkeit der Beteiligten, diese selbst zu steuern, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die subjektive Vertragszweckbestimmung und Vertragsgestaltung eines Unternehmenskaufvertrags. Sind beide Parteien willens, die Vertragsverhandlungen zu einem erfolgreichen Vertragsschluss zu führen, sollten sie die Due Diligence-Phase für einen möglichst intensiven Informationsaustausch nutzen. Je größer die Informations- und Offenbarungsbereitschaft der Parteien ist, desto mehr wird sich der Informationsfluss zwischen ihnen dem tatsächlichen Geschäftswillen annähern und an qualitativen Gehalt gewinnen. Greift man die von Andreas erwähnte Fallkonstellation wieder auf46, dann kann bei einem Unternehmen, dem 80 % der Kundenverträge gekündigt wurden, die Offenlegung dieses Umstands durch den Verkäufer und die Offenlegung des Erwerbszwecks eines Kaufinteressenten, der unmittelbarer Wettbewerber des Zielunternehmens und an der Ausweitung seiner Produktionskapazitäten interessiert ist, die Vertragsverhandlungen vorantreiben und eine den beiderseitigen Parteieninteressen gerecht werdende Einigung ermöglichen. Der Verkäufer wird ein sonst schwierig zu veräußerndes Unternehmen los, der Käufer kann zum günstigen Preis Synergien für den zukünftigen Betrieb seines Unternehmens schaffen. Die Analyse des tatsächlichen Verlaufs der Due Diligence im Zusammenspiel der Parteien spielt in der Bestimmung des Pflichteninhalts für den Verkäufer eine entscheidende Rolle, da die Schwierigkeiten, die sich aus der subjektiven Erkennbarkeit des Vertragszwecks stellen, nur durch einen Informationsprozess überwunden werden können. In den meisten Fällen werden die Grenzen der Aufklärungspflicht subjektiv-prozedural47 ermittelt werden müssen, so dass die Bedeutung der Due 46
Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 9 Rn. 14. Mit der prozeduralen Subjektivität bzw. Einzelfallbezogenheit sind hier die prozeduralen Bestimmungsmöglichkeiten der Erkennbarkeit gemeint, während die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Aufklärungspflicht erwähnte Einzelfallbezogenheit i.V. m. der Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu verstehen ist. 47
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Diligence als vorvertragliches Informationsinstrument deutlich zur Geltung kommen wird. 1. Der subjektive Bestimmungsprozess Die gesetzliche Verteilung der vorvertraglichen Informationslast ist durch den realen Interessenantagonismus der Parteien geprägt und wird von der formalen Regelung der (informationellen) Selbstbestimmungsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) bestimmt.48 Schwarze beschreibt die sich daraus ergebende Zuweisung der Informationslast nach dem Prinzip der informationellen Eigen- oder Selbstverantwortung wie folgt: „Jede geschäftsfähige Partei ist, für die Verwirklichung ihres materiellen Willens selbst verantwortlich. Sie hat demnach alle informationellen Anstrengungen zu unternehmen, die ihre Interessen erfordern, und sie hat den Nachteil – nämlich die Bindung an einen interessenwidrigen Vertrag – zu tragen, wenn sie sich nicht informiert hat.“49
Es ist also Sache des Käufers zu prüfen, ob der vorliegende Kaufgegenstand seinen Vorstellungen entspricht und vor allem geeignet ist den von ihm angestrebten Vertragszweck zu erfüllen. In seiner Sphäre liegt es, diesen für das vorliegende Transaktionsvorhaben zu evaluieren und dem Verkäufer erkennbar zu machen, weil der Verkäufer nach den beschriebenen objektiven Kriterien nur in begrenzten Fällen zur Aufklärung verpflichtet ist. Selbst wenn die Rechtsprechung eine solche Pflicht „bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteienentgegensetzte Interessen verfolgen“50 statuiert, geht sie jedoch nicht so weit, „dass der Verkäufer den Käufer von sich aus über alle Umstände aufzuklären hat, die für dessen Willensbildung von Bedeutung sein können. Vielmehr muß der gegenläufige Grundsatz berücksichtigt werden, daß derjenige, der einen Vertrag schließt, sich selbst darüber zu vergewissern hat, ob er für ihn vom Vorteil ist oder nicht. Darauf darf sich der andere Vertragsteil einstellen und braucht deshalb nicht auf Umstände hinzuweisen, von denen er annehmen darf, daß er nach ihnen gefragt werde, falls auf sie Wert gelegt wird.“51
So betonte auch der BGH, dass eine Pflicht zur Mitteilung der bisherigen Umsätze unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bei Vertragsverhandlungen im 48
Schwarze, S. 21. Schwarze, S. 21; vgl. auch Canaris, AcP 200 (2000), 276 der es als einen jedem Vertrag innewohnenden Antagonismus bezeichnet, welcher einerseits zur Verwirklichung von Selbstbestimmung, andererseits aber zugleich zu deren Beschränkung durch Selbstbindung führe; man könne jene nicht erreichen, ohne diese in Kauf zu nehmen. 50 Ständige Rechtsprechung zum Unternehmens- und Beteiligungskauf BGH NJW 1970, 653, 655; NJW 2001, 2163. 51 BGH NJW 1989, 763, 764 (Aufklärungspflichten bei Abschluss eines Praxisübernahmevertrages); vgl. auch im Zusammenhang mit dem Fehlerbegriff beim Unternehmenskauf OLG Hamburg ZIP 1994, 944, 945, dass es grundsätzlich Sache des Käufers sei, sich vom Verkäufer verbindliche Angaben über solche Eigenschaften (bzw. Umstände und Verhältnisse) der zu erwerbenden Sache machen zu lassen, „die keine Fehler im objektiven Sinne ausmachen, aber für die persönliche Preiskalkulation des Käufers von Bedeutung sind“. 49
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Allgemeinen nicht bestehe, sondern erst dann, wenn der Käufer seinen Kaufentschluss für den Verkäufer erkennbar von einer bestimmten Größe dieser Umsätze abhängig gemacht habe.52 Wurde beim Verkauf einer Rechtsbeistandspraxis der Umsatz des Unternehmens der Preisbestimmung zugrunde gelegt, so war der Verkäufer zur Offenbarung des Umstands verpflichtet, dass der von ihm mitgeteilte Umsatz zum Teil aus einem Tätigkeitsbereich stammte, der nicht mit verkauft war.53 Ähnlich wurde der Verkäufer eines Unternehmens, das Wartungs- und Reparaturarbeiten an EDV-Anlagen durchführte hinsichtlich des Umstands, dass ein Großkunde, der vierzig Prozent zum Umsatz beitrug, kurz vor Vertragsabschluss den Wartungsvertrag gekündigt hatte, für aufklärungspflichtig gehalten.54 In einer Entscheidung, die zur Aufklärungspflicht des Verkäufers bei der Übergabe eines fehlerhaften Jahresabschlusses ergangen ist, wurde dieser Aspekt wie folgt betont: „Je mehr der mögliche Erwerber für den Veräußerer erkennbar Wert auf bestimmte Informationen legt, um so umfassender, ausführlicher und sorgfältiger müssen solche Informationen erteilt werden. Das gilt dann selbstverständlich auch für Auskünfte, die ein Verkäufer aufgrund konkreter und gezielter Nachfragen erteilt hat.“55 Die Erkennbarkeit der vertragswesentlichen Umstände kann dann mit Sicherheit bejaht werden, wenn der Käufer dem Verkäufer seine besonderen Vorstellungen explizit oder konkludent mitgeteilt hat. Hier kommen je nach der Intention des Erwerbsinteressenten eine Vielzahl von unterschiedlichen Aspekte in Betracht56: Umsatz/Umsatzentwicklung, Ertrag/Ertragsentwicklung, Marktchancen, Beteiligungen, Stellung im Markt57, Eigenkapi52 BGH NJW 1970, 653; vgl. auch Sachs, SchiedsVZ 2004, 123, 127, wo auf ein ähnliches Problem in einem Fall beim ad-hoc-Verfahren verwiesen wird, bei welchem die Unternehmenskäuferin eine Verletzung der Aufklärungspflichten behauptete, dass dieser sie nicht ungefragt darauf hingewiesen hatte, dass ein für die Umsatzplanung des Unternehmens wichtiges neues Produkt aufgrund technischer Schwierigkeiten später als geplant auf den Markt kommen würde. Das Problem in diesem Fall bestand darin, dass die erwähnte Umsatzplanung nicht von einer Zusicherung des Verkäufers erfasst, ihre Zahlen jedoch Grundlage für das EBIT (Earnings before interest and taxes) waren, die die Parteien dem Kaufpreis zugrunde gelegt hatten; vgl. auch OLG München DNotZ 2007, 712: Hier hat der Verkäufer vor Abschluss des Unternehmenskaufs gegenüber dem Käufer Angaben zum voraussichtlichen Ertrag (im konkreten Fall zum sog. EBIT) der zu verkaufenden Gesellschaft im laufenden Geschäftsjahr gemacht, die sich dann als unrichtig herausgestellt haben. Das Gericht hat schließlich den vereinbarten Kaufpreis im Wege des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo um mehr als die Hälfte des vorläufigen Gesamtkaufpreises (knapp 1,4 Mio. E) herabgesetzt. 53 BGH NJW-RR 1989, 306, 307. 54 BGH NJW-RR 1996, 429. 55 OLG Hamburg ZIP 1994, 944, 945. 56 OLG Hamburg ZIP 1994, 944, 946. 57 Vgl. BGH WM 1987, 319, 320, dass der Verkäufer eines Geschäfts nicht ungefragt den Käufer darauf hinzuweisen brauche, dass sein Ehegatte beabsichtige, alsbald in der Nachbarschaft ein Konkurrenzgeschäft zu eröffnen, da es dabei um die allgemeinen Marktverhältnisse gehe, nach denen der Käufer fragen müsse, wenn es ihm darauf ankomme.
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talquote, Cashflow, Zukunftsperspektiven, Bilanzen, Einfluss auf Marktanteile im Falle eines Unterlassens des geplanten Erwerbs. Daraufhin hat der Verkäufer Informationen vorzulegen, anhand derer der Käufer die Chancen der Zweckerfüllung durch den Unternehmenserwerb prüfen kann. Aber auch Umstände, die die Parteien bewusst dem Vertrag zugrunde gelegt haben, sind als vertragswesentlich zu erachten und im Falle der Veränderung der anderen Partei mitzuteilen. Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, bei welchem sich die Klägerin dazu verpflichtet hatte, der Beklagten ein von ihr aus den USA zu importierendes Flugzeug zum Großhandelspreis zu liefern.58 Die Gegenleistung bestand in der Mitfinanzierung des Erwerbs von zwei Eigentumswohnungen. Während die Klägerin der Beklagten einen Großhandelspreis von $ 358.000 nannte, belief er sich in Wahrheit auf lediglich $ 238.000. Die Beklagten hatten einen Anspruch zur Aufrechnung aus culpa in contrahendo gestellt, welcher vom BGH wie folgt bejaht wurde: Zwar sei der Verkäufer grundsätzlich nicht verpflichtet, die Berechnungsgrundlagen des Kaufpreises und damit seine Kalkulation bei Vertragsschluss dem Käufer offenzulegen. Lege der Käufer auf die Kalkulation wert, so möge er danach fragen, um sich ggf. die Kaufpreisberechnung aufschlüsseln zu lassen. Etwas anderes gelte jedoch, wenn die Parteien übereinstimmend von einer bestimmten Berechnung ausgegangen seien, in diesem Fall müsse der Verkäufer dem Käufer auf Abweichungen von den angenommenen Preisen hinweisen.59 Für die Aufklärungspflicht des Verkäufers bilden der so erkennbar gewordene subjektive Vertragszweck bzw. subjektive vertragswesentliche Umstände neben dem objektiv erkennbaren die äußeren Grenzen der aufklärungsnotwendigen Informationen. Betrachtet man die Rechtsprechung unter den hier ausgeführten Gesichtspunkten der objektiven und subjektiven Erkennbarkeit des Vertragszwecks, so bleiben die jüngsten Entscheidungen konsequent auf der bisherigen Linie, wenn sie der Pflicht zur unaufgeforderten Aufklärung nur Mängel unterstellt, die aus der Sicht eines verständigen Verkäufers wesentlich sind.60 Diese sind unabhängig des subjektiven Bestimmungsprozesses ungefragt zu offenbaren. Alle Umstände, die den subjektiven Zweck des Käufers vereiteln können, unterliegen zunächst nicht der unbedingten Aufklärungspflicht, sondern werden erst dann aufklärungspflichtig, wenn diese Motive während des Informationsverfahrens erkennbar geworden sind.61 58
BGH NJW 1981, 2050. BGH NJW 1981, 2050. 60 BGH NJW 2011, 3640, 3641 = MittBayNot 2012, 37 = ZIP 2011, 1872; NJW 2013, 1807 = BeckRS 2013, 06243. 61 Wird das subjektive Erwerbsmotiv vom Käufer deutlich erkennbar gemacht, so kann es umgekehrt auch dazu führen, dass in der Regel sonst offenbarungspflichtige Umstände, nicht der Aufklärungspflicht unterliegen: So hatte der Käufer eines Teehandels das Unternehmen auf unrichtige Angaben erst gar nicht geprüft, weil er mit dem Erwerb die Erweiterung des 59
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Der subjektive Bestimmungsprozess bildet das vorvertragliche Korrelat zum subjektiven Fehlerbegriff im § 434 BGB und stellt die notwendige prozedurale Informationsgrundlage für die Abrede über den vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck (S.2 Nr. 1) und der Vereinbarung der Beschaffenheit des Kaufgegenstands (Abs. 1 S. 1).62 Die Zweiteilung anhand des Erkennbarkeitsmerkmals führt dazu, dass alle Umstände, die für die subjektiven Zielsetzungen des Käufers wesentlich sind, nicht ausnahmslos ausgeblendet, sondern erst bei Erkennbarwerden für den Verkäufer zum aufklärungspflichtigen Inhalt erhoben werden.63 Von einem „Spannungsverhältnis zum primär subjektiven Fehlerbegriff des Kaufrechts“64 kann daher nicht die Rede sein. Der Verkäufer kann lediglich dem Vorwurf einer Pflichtverletzung nicht entgehen, wenn er trotz Erkennbarwerden des subjektiven Vertragszwecks des Käufers Umstände nicht offenlegt, die geeignet sind diesen zu vereiteln. Dieser grundsätzlichen Haltung des BGH ist zuzustimmen, da sie mit Blick auf die gegensätzliche Interessenlage der Verhandlungsparteien in der Vertragsanbahnung eine erste tatbestandliche Konkretisierung der Aufklärungspflicht des Verkäufers ermöglicht. 2. Die Dynamik der Due Diligence als Ausgangspunkt der beweglichen Grenzziehung der Aufklärungspflicht Beim Transaktionsprozess des Unternehmenskaufs geht es um eine Entscheidungsgrundlage, die in erster Linie nicht der Abschluss von Tätigkeiten ist, sondern der Beginn eines Entscheidungsprozesses bzw. einer neuen Phase in einem ununterbrochen weiterlaufenden Prozess.65 Das Gesetz überträgt die Gestaltung der vorvertraglichen Informationsphase den Parteien und ordnet ihnen eine informationelle Initiativpflicht zu. Eine Ausnahme wird beim Bestehen vorvertraglicher
Marktanteils bezweckte, auf die vergangenen Erträge kam es ihm gar nicht an. Der BGH verneinte die Erheblichkeit der Gewinnzahlen für den Vertragsschluss, so dass auch die Unrichtigkeit der Bilanzangaben nicht einer Aufklärungspflicht unterlag, vgl. dazu NJW 1977, 1538, 1539. 62 Zum Verhältnis von vertraglicher Leistungspflicht und vorvertraglicher Aufklärungspflicht siehe unten C. II.; vgl. auch 4. Kapitel. § 2 C. IV. zur Notwendigkeit über die Verständigung über den Vertrag (insbesondere Ausführungen von Schwarze). 63 So jedoch Weber, NJW 2011, 3642 in der Anmerkung zu BGH NJW 2011, 3640, der verkennt, dass in dieser Entscheidung die Pflicht zur ungefragten Aufklärung von der objektiven Wesentlichkeit eines Mangels abhängig gemacht wurde. Nach der hier ausgeführten Zweiteilung müssen – und hierin ist ihm auch zuzustimmen – Umstände ungefragt offenbart werden, wenn sie geeignet sind, die im Gespräch erkennbar gewordenen subjektiven Ziele des Käufers zu vereiteln. Die Sicht des verständigen Beobachters in der „konkreten Situation“ setzt jedoch das „Erkennbarwerden“ der subjektiven Käufermotive voraus, bleibt dieses aus, so schuldet der Verkäufer ungefragt keine Aufklärung. 64 So Weber, NJW 2011, 3642 in der Anmerkung zu BGH NJW 2011, 3640. 65 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 10 Rn. 4.
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Aufklärungspflichten erkannt, bei welchen, wie festgestellt, die Grenzen sich anhand des Kriteriums der „Erkennbarkeit“ dynamisch konkretisieren lassen. Der Informationsvorgang während des Due Diligence-Prozesses gewinnt seine Dynamik durch die Interaktion von Käufer und Verkäufer, da er nicht bei der einmaligen und einseitigen Bereitstellung der Informationen im virtuellen Datenraum66 endet, sondern sich im reellen Raum (meist direkt vor Ort beim Zielobjekt) im gegenseitigen Informationsaustausch fortsetzt.67 Basierend auf den Informationen aus dem Datenraum werden vorab Fragenkataloge vom Kaufinteressenten erstellt und dem Verkäufer übermittelt. Die Q&A-Phase bietet dem Käufer die Möglichkeit über alles, was noch unklar blieb, durch zusätzliche Aufklärungen oder Informationen sich Klarheit zu schaffen. Ein bewusster Informationsaustausch mit einem nachvollziehbaren Informationsfluss findet somit erst nach der Einsicht in den Datenraum in dieser Q&A-Phase statt. Je nachdem, wie gut die Interaktion in der Q&A-Phase gelingt, wird dem Käufer geholfen werden, ein möglichst der Realität entsprechendes Unternehmensbild mit der Rechtsicherheit im Rücken zu gewinnen. Eine hinreichende Information wird man jedenfalls dann annehmen dürfen, wenn die für einen Außenstehenden in überschaubarer Zeit nachvollziehbaren Sachverhalte objektiv betrachtet ausreichend sind, um dem Erwerber ein umfassendes Bild zu geben.68 a) Die inhaltliche Verdichtung der Aufklärungspflicht durch Geltendmachung des Fragerechts Um sich über wichtige Unternehmensinterna vergewissern zu können, muss sich der Käufer also an den Verkäufer wenden; er und sein Vorhaben, das Informationsgefälle zwischen ihm und den Verkäufer abzubauen, bleibt auch nach der Offenlegung des Datenraums abhängig von der Informationsbereitschaft des Verkäufers. Kennzeichnend für die Due Diligence ist nämlich, dass der Verkäufer die Unterlagen unkommentiert übergibt und es dem Käufer überlassen ist, von sich aus Fragen zu stellen und nach weiteren Dokumenten zu fragen.69 Die Informationshandlungen des Käufers verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil sie die Dynamik des Informationsflusses maßgeblich mitbestimmen: Je mehr Fragen und Nachfragen vom Käufer kommen, desto intensiver und dynamischer fällt der Informationsfluss zwischen den Parteien aus. Zu klären ist, welche Veränderungen solche Fragen des Käufers im Pflichtenprogramm des Verkäufers bewirken. Grundsätzlich gilt, dass Antworten des Ver66 Mit der zunehmenden Abkehr vom klassischen Datenraum hat sich der virtuelle Datenraum inzwischen fest als internationaler Standard etabliert; näheres dazu Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 29 ff. 67 Zum Verlauf des vorvertraglichen Informationsprozesses vgl. bereits oben Einleitung § 1 B. III. 2. 68 Wagner, DStR 2002, 958, 966. 69 Wagner, DStR 2002, 958, 965.
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käufers richtig und vollständig sein müssen. Da die Wahrheitspflicht den Gefragten nicht zu einer Antwort verpflichtet, wird sie nicht verletzt, wenn der Verkäufer auf die Frage schweigt. Bei Umständen, die objektiv erkennbar nicht den Vertragszweck vereiteln, kann ein solches Schweigen auch keine Verletzung der „spontanen“ Aufklärungspflicht darstellen.70 Fraglich ist jedoch, ob ein Recht zum Schweigen dann noch weiter besteht, wenn der Käufer durch seine Fragestellung erkennbar macht, dass es ihm in seiner Entscheidung auf bestimmte Umstände ankommt.71 Hier wird insofern die Aufklärungspflicht relevant, als geprüft werden muss, ob der Verkäufer in seinen Antworten wichtige Informationen unterlässt, die er hätte doch offenlegen müssen. Eine Antwort kann sich zwar im Rahmen der Prüfung einer Wahrheitspflichtverletzung als „unvollständig“ erweisen, aber auch hinsichtlich der Prüfung einer Aufklärungspflichtverletzung ein pflichtwidriges „Unterlassen“ beinhalten.72 Allein die Tatsache, dass hier Fragen des Käufers involviert sind, kann also die Prüfung des vorvertraglichen Pflichtenprogramms nicht auf die Verletzung der Wahrheitspflicht in Form der positiven Täuschung reduzieren.73 Denn die Besonderheit der Begründung einer Aufklärungspflicht besteht gerade darin, dass der Käufer durch sein Eingreifen die Grenzen der Aufklärungspflicht, die von der Rechtsprechung allgemein restriktiv gehalten werden, zu seinen Gunsten verlagern 70 In diesem Sinne ist auch Fleischer (2001), S. 264 zu verstehen, wenn er von zwei „konzentrischen Kreisen“ spricht: „Gewährte Auskunft muß richtig und vollständig sein, aber aus der Pflicht zur wahrheitsmäßigen Beantwortung aller Fragen, läßt sich nicht ohne weiteres auf eine spontane Aufklärungspflicht schließen.“ 71 Anderes gilt, wenn die Beantwortung der Frage wegen Unzumutbarkeit abgelehnt werden könnte. So etwa das Reichsgericht zur arglistigen Täuschung bei Eingehung eines Bürgschaftsvertrags, vgl. dazu RG 81: „Einem Gläubiger, der für seine Forderung gegen einen Dritten Bürgen sucht, ist es an und für sich nicht zuzumuten, daß er dem in Aussicht genommenen Bürgen die Verhältnisse des Hauptschuldners und seine geschäftlichen Beziehungen zu diesem aufdeckt. […] Der Gläubiger verfolgt sein Gläubigerinteresse und hat dem Bürgen gegenüber keine Aufklärungspflicht hinsichtlich der wirtschaftlichen und Kreditverhältnisse seines Schuldners, dem er durch eine solche Aufdeckung auch geradezu Schaden zufügen kann. Nur das ist von ihm zu verlangen, daß er nichts wissentlich verschweigt, worüber er gefragt wird, sofern er nicht die Beantwortung überhaupt ablehnt.“; diese Rechtsprechung im Hinblick auf Bürgschaftsverträgen fortführend der BGH, vgl. etwa WM 1956, 885, 888. Bei einem Austauschvertrag wie dem Kauf wird jedoch ein solches Zumutbarkeitsargument für die Ablehnung der Aufklärungspflicht selten durchgreifen können. 72 Dieses ist ein weiterer Grund, warum etliche Fälle der Rechtsprechung, die mit der Herleitung einer Aufklärungspflicht gelöst wurden, vom Schrifttum als konkludent positive Täuschungshandlungen bewertet werden. Siehe nur Lorenz (1997), S. 411 zum BGH NJW-RR 1988, 10 („Kläranlagenfall“); näheres zu den verschiedenen Pflichtverletzungstatbeständen, insbesondere der fließenden Grenzen der Handlungsformen vgl. unten 4. Kapitel § 2 A. 73 Ähnlich auch Hasselbach/Ebbinghaus, DB 2012, 216, 218, dass eine ungenaue Antwort nur dann eine Pflichtverletzung des Verkäufers im Sinne der objektiven Falschinformation darstelle, wenn z. B. – weil der Käufer „erkennbar eine ganz präzise Frage“ gestellt hat und die „ausweichende bzw. ungenaue Antwort des Verkäufers dann missverständlich“ ist, oder wegen der überragenden Bedeutung des betreffenden Problems für die Transaktion – ausnahmsweise eine Pflicht zur „präzisieren oder weiter gehenden Antwort“ besteht.
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und damit die Tiefe und Weite der Aufklärungspflicht mitbestimmen kann. Dass die Verletzung der Aufklärungspflicht innerhalb des „Gesagten“ auch relevant werden kann, wird aus der Rechtsprechung deutlich. In einer Entscheidung zum Kauf von Gebrauchtwagen wurde der Verkäufer eines Gebrauchtwagens ausdrücklich gefragt, ob der Wagen in einem Unfall verwickelt war.74 Der BGH bestätigte die Pflicht des Verkäufers zur Mitteilung aller Beschädigungen des Gebrauchtwagens, auch wenn es sich nach seiner Auffassung lediglich um etwaige „Blechschäden“ ohne weitere nachteilige Folgen handelte. Das Gericht führte weiter aus, dass es keinesfalls dem Ermessen des ausdrücklich um Aufklärung gebetenen Verkäufers oder seines Vertreters überlassen bleiben könne, den erlittenen Schaden für unerheblich, für den Käufer nicht wesentlich und deshalb nicht der Mitteilung für wert zu erachten. Der Verkäufer müsse vielmehr, um den Vorwurf der Arglist zu vermeiden, durch die Mitteilung dessen, was ihm bekannt gegeben wurde, dem Käufer den Entschluss überlassen, ob er den Wagen überhaupt bzw. zu diesem Preise erwerben wollte. Während etwa beim Gebrauchtwagenkauf ein Unfall, der lediglich zum Bagatellschaden geführt hat, in der Regel nicht Gegenstand der (unaufgeforderten) Aufklärungspflicht ist, ist bei einer ausdrücklichen Befragung, aber auch Bagatellunfälle, vollständig und richtig anzugeben.75 Zu der Frage des Käufers, ob der Wagen ein Unfallwagen sei, hätte der BGH die Antwort des Verkäufers, dass der Wagen in einem Unfall verwickelt war, als ausreichend ansehen können. Anders verhielt es sich nämlich in einer Entscheidung, bei welcher es z. B. um den Verkauf eines Getränkehandels ging, der mit Verlustgeschäften belastet war.76 Während das Berufungsgericht eine Pflicht des Verkäufers zur Aufklärung über die Fehlbeträge der vorausgegangenen Jahre bejaht hatte, hatte der BGH den ausdrücklichen Hinweis des Verkäufers, dass es sich beim verkauften Unternehmen um ein Verlustgeschäft handele, als ausreichend angesehen.77 Da dem Käufer eine Vielzahl von Unterlagen zur Verfügung gestellt wurde, dieser alle erfragten Informationen erhalten und von den Informationsmöglichkeiten ausgiebig Gebrauch gemacht hatte, sei der Verkäufer unter diesen Umständen nicht gehalten gewesen, ungefragt die Verluste der vergangenen Jahre im Einzelnen darzustellen. Die Grenze der Aufklärungspflicht verblieb auf dem allgemeinen Hinweis auf die Verlustge74
BGH NJW 1977, 1914. Ähnlich zu Bagatellunfällen auch BGHZ 74, 383, 392. 76 BGH NJW 2002, 1042. 77 BGH NJW 2002,1042 f.: Der BGH betonte die Tatsache, dass der Erwerber beabsichtigte, wie auch dem Veräußerer bekannt, den gekauften Betrieb nicht als selbstständiges Unternehmen weiterzuführen, sondern in seinen bereits bestehenden Getränkegroßhandel lediglich einzugliedern; es kam ihm in erster Linie auf den Erwerb des Kundenstamms, die Erweiterung seines Marktanteils und die Erzielung so genannter Synergieeffekte an. Die Reduktion der Aufklärungspflicht gründete das Gericht hier insbesondere auf den Umstand, dass der Käufer hier keine Schulden übernommen hatte und das Unternehmen in seinen eigenen branchengleichen Betrieb eingliedern wollte. 75
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schäfte, sie hätte sich dann auf die einzelnen Angaben über die Verlustgeschäfte verlagert, wenn der Käufer diese ausdrücklich erbeten hätte.78 Aus den geschilderten Fällen wird deutlich, dass der BGH je nach dem Vertragszweck, welcher aus der Frage des Käufers erkennbar wird, die Grenzen des aufklärungsnotwendigen Inhalts verschiebt. Innerhalb dieser Grenzen wird dem Verkäufer ein Verweigerungsrecht hinsichtlich der Antwort genommen, wie es bei einer Wahrheitspflicht stets gegeben wäre. Bleiben solche Informationshandlungen des Käufers aus, können die Grenzen der Aufklärungspflicht auf allgemeinen Aussagen verweilen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung des BGH bezüglich der Frage der Aufklärungspflicht über die außergewöhnliche Höhe der auf einzelne Patienten entfallenden Honorarbeträge, wenn beim Verkauf einer Arztpraxis der Verkäufer seine Honorareinnahmen mit einem jährlichen Gesamtbetrag angibt.79 Wie in der Anzeige richtig angegeben, hatte der Gesamtbetrag der Einnahmen tatsächlich ca. 465.000 DM im Jahr betragen. Das Berufungsgericht hatte eine Verletzung der Aufklärungspflicht darin gesehen, dass der Verkäufer pflichtwidrig den Hinweis auf besondere Umstände unterlassen habe, der erforderlich gewesen sei, um nicht die erzielten Einnahmen falsch darzustellen. Das Berufungsgericht hatte hier über den üblichen Inhalt der Umsatzangaben hinaus eine zusätzliche Aufklärungspflicht bezüglich besonderer Umstände bejaht. Der BGH sah jedoch unter diesen Umständen die Aufklärungspflicht des Verkäufers überspannt.80 Im Gegensatz zum Instanzgericht verneinte der BGH grundsätzlich den Informationswert der Patientenkartei hinsichtlich der Honorarstruktur der Praxis. Es leuchte nicht ein, wie eine vollständig geführte Patientenkartei dem Käufer selbst bei Durchsicht aller Karten Aufschluss über die auf wenige Patienten entfallenden sehr hohen Honorarbeträge hätte geben können. Nicht die Durchsicht von 800 Karteikarten wäre der gebotene Weg für ihn gewesen, um sich ein Bild von der Honorarstruktur machen zu können, sondern eine entsprechende Frage an den Verkäufer. Der BGH verneinte eine unaufgeforderte Aufklärungspflicht und machte die Aufklärung von der subjektiven Fragestellung des Käufers abhängig. 78 Dagegen hatte das Berufungsgericht im Ergebnis eine Pflicht der Kl. zur Aufklärung über die Fehlbeträge der vorausgegangenen Jahre bejaht, weil die in den vorhergehenden Jahren erwirtschafteten Verluste des Unternehmens als wesentlich für seinen Kaufentschluss erachtet wurden. Die Verluste waren ersichtlich nicht nur durch die ungenügende Eigenkapitalausstattung und durch mangelnde Betriebsorganisation, sondern vor allem auch durch hohe Personalkosten und nachteilige Vertragsgestaltung im Ein- und Verkauf, das heißt durch ein ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis entstanden. Nach dem Berufungsgericht waren diese Umstände geeignet, den Vertragszweck – die gewinnbringende Erzielung von Synergieeffekten – zu vereiteln oder zumindest erheblich zu gefährden, so dass der Verkäufer verpflichtet war, den Bekl. im Zuge der Vertragsverhandlungen auf die Verluste der vergangenen Jahre auch ungefragt hinzuweisen. 79 BGH NJW 1989, 763. 80 BGH NJW 1989, 763, 764.
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Ähnlich war beim Verkauf von Geschäftsanteilen einer Grundstücksgesellschaft zu prüfen, ob der Verkäufer seine Aufklärungspflicht hinsichtlich des Bestehens eines Mieteintrittsrechts verletzt hatte.81 Beim genannten Eintrittsrecht handelte es sich um das Recht einer Leasing-Gesellschaft, u. a. im Falle der fristlosen Kündigung durch die Verpächterin in diesem Vertrag für dessen Laufzeit einzutreten. Die Gesellschafter bzw. Geschäftsführer der Verpächterin veräußerten ihre Geschäftsanteile an die Klägerinnen. Bei den übergebenen Geschäftspapieren befand sich kein Hinweis auf das Eintrittsrecht der Leasing-Gesellschaft. Die Klägerinnen hatten beantragt festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihnen allen Schaden zu ersetzen, welcher ihnen dadurch entstehe, dass die Beklagten ihnen beim Verkauf von Geschäftsanteilen den Bestand einer Mietoption zugunsten der Leasing-Gesellschaft verschwiegen hätten. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Beklagten das Eintrittsrecht der Leasing-Gesellschaft zwar nicht verschwiegen hätten, dass ihnen aber eine ungenügende Erfüllung ihrer „Aufklärungspflicht“ hinsichtlich des „Eintrittsrechts“ angelastet werden müsse. Der BGH sah die Anforderungen an eine Aufklärungspflicht überspannt, weil es nicht Aufgabe der Verkäufer gewesen sei, darauf zu achten, welche Bedeutung die Vertreter der Klägerinnen der vom Berufungsgericht festgestellten Mitteilung über das Eintrittsrecht der Leasing-Gesellschaft beigemessen haben: „Fehleinschätzungen, Unaufmerksamkeiten und Vergeßlichkeiten eines Vertragspartners können dem Gegner nicht angelastet werden. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie hier im Geschäftsleben erfahrene branchenkundige Partner in Verhandlungen miteinander stehen. Die Klägerinnen haben die Verhandlungen überdies mit anwaltlichem Beistand geführt. Sind sie, wie das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt hat, auf das Mieteintrittsrecht der Leasing-Gesellschaft hingewiesen worden, so haben die Beklagten ihre Aufklärungspflicht erfüllt. Sie haben den Klägerinnen durch den Hinweis, mag er auch kurz sein, Kenntnis vom Bestehen des Eintrittsrechts verschafft. Die Klägerinnen hatten von diesem Zeitpunkt an die Möglichkeit, dazu Erkundigungen einzuziehen, gegebenenfalls auch die Beklagten um Angaben über nähere Einzelheiten zu bitten. Dies alles hing aber davon ab, welche Bedeutung sie der Existenz des Eintrittsrechts beimaßen. Dafür sind Umstände maßgebend, die in ihrem eigenen Interessenbereich liegen.“82
Nach diesen Aspekten wurde auch in der jüngsten Entscheidung des BGH die vorvertragliche Informationspflichte eines Hausgrundstücksverkäufers verneint, über die tatsächlich zu erzielenden Mieteinnahmen aufzuklären.83 Das Gericht ging davon aus, dass hier der Kaufpreis ersichtlich nicht im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung des Einkaufszentrums im Verkaufszeitpunkt bestimmt worden war, da diese von einer bereits mehrjährigen Aufgabe der Nutzung durch den Hauptmieter, einer nur noch zweijährigen Restlaufzeit der (langfristigen) Hauptmietverträge und er81 82 83
BGH BB 1981, 700, 701. BGH BB 1981, 700, 701. BGH NJW 2013, 1807 = BeckRS 2013, 06243.
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heblichen Leerständen bei den vermietbaren Flächen geprägt war. Wenn die Schuldnerin in Kenntnis dieser Umstände einen Kaufpreis akzeptiert hat, der auf der Grundlage der von der Hauptmieterin gezahlten Mieteinnahmen bemessen war, durfte der Verkäufer davon ausgehen, dass die Käuferin – eine Investmentgesellschaft – eigene Pläne hinsichtlich des Einkaufszentrums verfolgte, mit denen sie die Erwartung verband, einen entsprechenden Ertrag aus dem Grundstück zu erwirtschaften. Davon abweichende Erwartungen hätte die Erwerberin dem Verkäufer deutlich erkennbar machen müssen.84 Die nicht informierte Partei kann sich Gewissheit über alle Umstände schaffen, die für ihre Willensbildung von Bedeutung sind, mögen sie bei verständiger Würdigung des Falles ohne Belang sein.85 Dementsprechend verlagern sich die inhaltlichen Grenzen der Aufklärungspflicht vom allgemeinen bis hin zum subjektiven Vertragszweck und einzelnen, für den Erwerber vertragswesentlichen Umständen. Durch konkrete Fragestellungen lässt sich der subjektive Bestimmungsprozess des Vertragszwecks und der ihr zugrundeliegenden Voraussetzungen wesentlich erleichtern. Der Verkäufer kann seiner Pflicht nicht gerecht werden, wenn er den Käufer nicht über den gefragten spezifischen Umstand aufklärt. b) Möglichkeit und Zumutbarkeit der „richtigen“ Frage Unter einem Regime, das Aufklärungspflichten nicht kennt oder nur in begrenzten Fällen anerkennt, ist häufig die an den Gegner gerichtete Frage das einzige Mittel der Vertragspartei, um im Vorfeld der Vereinbarung an Informationen zu gelangen, die selbst nicht oder nicht ohne weiteres zugänglich sind.86 Die Möglichkeit der Frage stellt zwar eine Chance für den Käufer da, die Vertragsverhandlungen dahin zu lenken, dass er die für ihn relevanten, vertragsschlussbezogenen Informationen bekommt, zugleich wird damit aber auch die Informationslast auf den Käufer verlagert, sich um die erforderlichen Informationen selbst zu kümmern. Das Problem für die Käuferseite bei der Offenlegung des Datenraums liegt – unbeschadet der Tatsache, dass es bei der Due Diligence um die Überwindung des Informationsdefizites des Käufers geht – nicht allein im quantitativen Informationsmangel. Vielmehr hat der Käufer gegen eine enorme Informationsmasse anzukämpfen, die er für sich zunächst einmal ordnen, inhaltlich qualifizieren und aus84 Das Gericht hielt jedoch eine Verletzung der vertraglich vereinbarten Informationspflicht für möglich, weil die Verkäuferin garantierte, der Käuferin nicht nur sämtliche Mietvertragsunterlagen, sondern auch die Mieterkorrespondenz zu übergeben. Ferner hatten die Parteien eine Due Diligence-Prüfung des Kaufgegenstandes in technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht durch den Käufer und dessen Recht, aufgrund dieser Prüfung Nachverhandlungen zu verlangen und bei deren Scheitern zurücktreten zu können, vereinbart. 85 Fleischer (2001), S. 264. 86 Wagner, in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, S. 59, 85.
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sortieren muss.87 Der Vorwurf an den Verkäufer betrifft daher nicht so häufig das (tatsächliche) Unterlassen der Information über vertragswesentliche Umstände, sondern viel mehr den Leerlauf der vielen Informationen, die nur über eine vage, leere bis hin sogar eine irreführende Aussagekraft bezüglich des Unternehmens im Rahmen der konkreten Vertragsverhandlung verfügen. Durch noch so intensive Prüfungen, kann der Käufer nicht in der Lage sein, jedem versteckten Problem auf die Spur zu kommen, über die Aufklärung geschuldet sein kann.88 Bedenkt man, dass sich Aufklärungspflichten ohnehin nur auf solche Umstände erstrecken werden, die der Käufer nicht selbst ohne weiteres erkennen kann, wird dem Käufer bei solch „tiefen Geheimnissen“ häufig Anhaltspunkte für eine gezielte Nachfrage fehlen.89 Fraglich ist, ob die „Überinformation“90 i.V.m. der Begründung der Aufklärungspflicht des Unternehmensverkäufers wirklich ein Problem darstellt. Denn problematisch wird sie erst dann, wenn man das im Datenraum offengelegte Material als ein „Endmaterial“ ansieht, anhand dessen die Informationskraft bzw. der Informationswert für den Käufer bewertet werden soll. Weder die Praxis des Unternehmenskaufs noch die Rechtsprechung gehen jedoch davon aus. Bewertet man die Fälle der Rechtsprechung, dann ist auffällig, dass der BGH die Offenlegung von Datenmaterialien von Seiten des Verkäufers überhaupt sehr hoch bewertet. In den genannten Fällen lagen dem Käufer Materialien zur Verfügung, die für das geplante Geschäft des Käufers und seiner Willensbildung allgemein als informativ erachtet wurden.91 Die Rechtsprechung weist eine starke Tendenz dahin auf, dem Verkäufer, der dem Käufer grundsätzlich Informationen offenlegt, eine günstige Position hinsichtlich der Erfüllung seiner Aufklärungspflicht einzuräumen. Ein Unternehmensverkäufer, welcher dem Käufer auf das Verlustgeschäft des Unternehmens, die Patientenkarteien der Praxis und das Eintrittsrecht der Leasing-Gesellschaft gegenüber den verkaufenden Gesellschaftern hingewiesen hatte, wurde 87 Hier ist auch ein Grund zusehen, warum die in der Due Diligence offengelegten Informationen über das Zielunternehmen (unabhängig vom Beschaffenheitsbegriff des Unternehmens)- anders als eine Beschreibung der Kaufsache im Internet (oder auch bei virtuellen Auktionen) nicht direkt in eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung eingehen; vgl. Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233, dass angesichts der rechtsgeschäftlichen Definition des § 434 Abs. 1 Nr. 1 BGB bloß einseitig gebliebene, nicht vertraglich gebilligte Vorstellungen oder Erwartungen einer Partei den Maßstab der Sollbeschaffenheit nicht prägen können. Das ist bei der Offenlegung des Datenraumes gerade der Fall, da erst mit Durchführung der Due Diligence-Prüfung die vertragswesentlichen Merkmale des Zielunternehmens für die zukünftige Vereinbarung ausgesondert werden, näheres dazu siehe auch unten C. IV. 3. b) cc). 88 Stengel/Scholderer, NJW 1994,158,164. 89 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 848. 90 So etwa Heiderhoff, BB 2005, 2533, 2535, wenn der Mangel zwar genannt, zugleich jedoch in einer Fülle von Informationen, die völlig irrelevant sind, gleichsam versteckt wird. 91 Vgl. nur BGH NJW 2002, 1042 (Verkauf eines Getränkehandels – Hinweis auf ein Verlustgeschäft); BB 1981, 700 (Verkauf von Geschäftsanteilen einer Grundstücksgesellschaft – Hinweis auf das Bestehen eines Eintrittsrechts); NJW 1989, 763 (Verkauf einer Arztpraxis – Übergabe der Patientenkartei); NJW 2013, 1807 (Verkauf eines Hausgrundstücks – Information über die Nutzung des Grundstücks für ein Einkaufszentrum).
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hiermit seiner Aufklärungspflicht gerecht, so dass alle weiteren Angaben von Nachfragen und Erforschungen des Käufers abhängig gemacht wurden. Begründet wurde diese Informationslastverteilung damit, dass alle darüber hinausgehenden Umstände der Interessensphäre des Käufers zugeordnet wurden. Soweit der besser Informierte einen ersten Zugang zu den „objektiv“ wesentlichen Informationen gewährt – welche also objektiv erkennbar vertragswesentlich sind – obliegt es dem Käufer, die für seine Willensbildung erforderlichen Informationen aktiv zu sammeln. Dieses entspricht ganz dem Selbstinformationssystem, das der vorvertraglichen Aufklärungspflicht im deutschen Recht zugrunde liegt. Das Prüfungsschema der Rechtsprechung zeigt, dass nach dem grundsätzlichen Interessenantagonismus der zukünftigen Vertragsparteien keine allgemeine Aufklärungspflicht hinsichtlich aller für den Vertragsentschluss des Verhandlungspartners relevanter Fragen besteht.92 Gegenüber anderen Vertragstypen wie etwa Kooperations- oder Beratungsverträgen ist dieser Gedanke beim Kaufvertrag als Austauschvertrag besonders stark ausgeprägt. Einem jeden Rechtsanwender wird ein hohes Maß an informationeller Eigenverantwortung abverlangt, jede Partei muss sich selbst um die notwendigen Informationen für sein Transaktionsvorhaben kümmern.93 Dieser Aspekt wird gerade beim Unternehmenskauf mit der Geschäftsgewandtheit des Käufers begründet. So wurden in der Rechtsprechung unterschiedliche Umstände als Argument gegen eine Aufklärungspflicht genommen: Wie z. B. dass es sich bei einer Partei um eine „geschäftsgewandte Leasingfirma“ handelte, „die ihre Interessen wahrzunehmen versteht“94, oder dass die sich getäuscht fühlende Partei „als Steuerberater geschäftsgewandt“ war 95. Oder auch, dass auf der Käuferseite „ein wirtschaftlich äußerst bedeutsames und versiertes Konzernunternehmen“ beteiligt war, das sich „zusätzlich der beurteilenden Beratung und Unterstützung eines bekannten und anerkannten Wirtschaftsprüfungsunternehmens“96 bediente. Ferner auch, dass den Erwerbern „als Branchenkennern […] die allgemeine wirtschaftliche Situation sowie die Entwicklung der Preise und Kosten und damit die Ertragslage des Unternehmens geläufig gewesen“97 ist. Aufklärungspflichten, die von einer Verhandlungspartei eine unaufgeforderte Offenlegung bestimmter Informationen abverlangen, bilden daher die Ausnahme. Der natürliche Interessengegensatz setzt der Anerkennung von Aufklärungspflichten enge Grenzen, so dass Existenz und Ausmaß je nach den Umständen des Einzelfalls begründungsbedürftig sind.98 Sie regeln die „passive“ Informationslastverteilung innerhalb des Selbstinformationssystems, um dem Informationsersuchenden Zugang 92 93 94 95 96 97 98
Lorenz (1997), S. 319. m. w. N. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2000, S. 195. BGH NJW 1986, 918, 919. BGH NJW 1991, 1223, 1224. OLG Hamburg ZIP 1994, 944 = WM 1994, 1378; DStR 1994, 1019. BGH BeckRS 1979, 31068311 = DB 1980, 679. BGH NJW 1983, 2493, 2494.
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zu jenen Informationen zu gewährleisten, die er als Außenstehender ohne die Mithilfe des Informationsträgers keineswegs erlangen kann. Die Verdichtung der im Datenraum offengelegten Informationen für das bevorstehende Geschäft wird der Sphäre des Käufers zugeordnet, weil sie sich aus seinen Erwerbsmotivationen ergeben. Aus Sicht der Rechtsprechung liegt das Schicksal des Informationswertes für das geplante Geschäft nicht – zumindest nicht initiativ und grundlegend – in den Händen des Verkäufers. Die Überinformation stellt insoweit kein Problem dar, solange die offengelegten Informationen geeignet sind, den objektiven Vertragszweck vereitelnde Umstände zu vermitteln. Denn Aufgabe des Käufers ist, die für ihn relevanten Informationen aus dieser Informationsgrundlage selbst zu konkretisieren. Anders ist die Lage zu bewerten, wenn die Informationshandlungen durch den Verkäufer bewusst durch Irreführungen vereitelt werden. Von einer Irreführung durch unvollständige Informationen kann dann gesprochen werden, wenn dem Käufer Unterlagen vorenthalten bleiben, die zur Gesamtbeurteilung eines Sachverhaltes unentbehrlich sind oder wenn Unterlagen zwar vorgelegt werden, jedoch so versteckt und außerhalb des plausiblen Sach- und Sinnzusammenhanges, dass es dem Käufer unmöglich ist, die sich daraus ergebenden zutreffenden Schlussfolgerungen zu ziehen.99 Stehen dem Käufer allgemeine Informationen erst einmal zur Verfügung, so kann er weitere, für die konkrete Willensbildung erforderlichen Informationen direkt aus dem Informationspool ableiten oder durch anschließende Befragung des Verkäufers verlangen. Im Zusammenhang mit den Informationshandlungen des Käufers trifft die Frage nach Möglichkeit und Zumutbarkeit der „richtigen“ Frage nicht den Kern des Problems, weil der Anreiz zur aktiven Informationstätigkeit nicht von den Informationen des Verkäufers ausgeht, sondern von den Vertragsmotivationen des Käufers. Hier liegt der Ansatzpunkt für die von der Rechtsprechung immer wieder betonte „Interessensphäre“ des Käufers. Auf den Hinweis des Verkäufers, dass es sich um ein Verlustgeschäft handele, hätte der Käufer mit Informationen seinerseits reagieren müssen. Für die Prüfung, ob der Betrieb tatsächlich seinen Erwerbszwecken des Erwerbs des Kundenstamms, der Erweiterung seines Marktanteils, sowie der Erzielung so genannter Synergieeffekte gerecht werden kann, hätte er von seinen Verhandlungspartner Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, betriebswirtschaftliche Auswertungen oder ähnliche aussagekräftige Unterlagen vorlegen lassen müssen, wenn dies für ihn von Interesse gewesen war.100 Der Arztpraxisfall101 macht deutlich, dass die „Überinformation“ insoweit nicht problematisch ist, weil der Käufer durch eine entsprechende Frage, die für ihn relevanten Informationen konkret einfordern kann. Waren die einzelnen Honorarbeträge der Patienten für den Käufer von Interesse, da hätte sogar eine vollständig geführte Patientenkartei selbst bei 99 Hübner, BB 2010, 1483, 1487; näheres zu den verschiedenen Irrführungstatbeständen siehe unten 4. Kapitel § 2. 100 BGH NJW 2002, 1042, 1044. 101 BGH NJW 1989, 763.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
Durchsicht aller Karten keinen Aufschluss über die auf wenige Patienten entfallenden sehr hohen Honorarbeträge geben können.102 Nach den Ausführungen des BGH konnte die Patientenkartei nicht über die Honorarstruktur informieren, somit sah das Gericht nicht die Durchsicht aller Karteikarten, sondern eine entsprechende Frage an den Verkäufer als den gebotenen Weg, um sich ein Bild von der Honorarstruktur zu machen. In der Sphäre des Käufers liegt es, sich den Zugang zu den „richtigen“ Daten zu eröffnen. Dem Käufer obliegt es daher mit Informationshandlungen seinerseits auf die Informationen des Verkäufers zu reagieren. Zugleich kann er die Grenzen der Aufklärungspflicht auf Umstände, die für seine Erwerbszwecke wichtig sind, konkretisieren. c) Die Aufklärungspflicht als Verständigungspflicht über den Vertrag Die Ausführungen haben gezeigt, dass die Grenzen der Aufklärungspflicht sich aus der gegenseitigen Kommunikation der Verhandlungsparteien ergeben. Bei der Due Diligence bilden die Offenlegung des Datenraums und die sich hier anschließenden Möglichkeiten des Käufers Fragen zu stellen (Q&A-Phase) die prozeduralen Rahmenbedingungen für den Verständigungsprozess. An der Dynamik der Aufklärungspflicht mit ihrer Ausrichtung auf die geplante Transaktion setzt auch Schwarze an, wenn er die Funktion von vorvertraglichen Informationspflichten in der Gewährleistung der Verständigung über Inhalt und Grundlagen des beabsichtigten Vertrages sieht.103 Aus dem Zusammenhang von Willenseinigung und Verständigung versucht er, das Begründungspotential einer Verständigungspflicht und eines ihr zugrunde liegenden Verständigungsprinzips im Hinblick auf vorvertragliche Informationspflichten herzuleiten. Die Verständigungspflicht nach Schwarze zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich die Vermeidung von Missverständnissen in der Verhandlungsphase zum Ziele setzt.104 Grundlegend besagt sie, dass der Erklärende seine Erklärung auf den Empfänger ausrichten muss und der Empfänger nicht einfach sein Verständnis der Erklärung zugrunde legen darf, sondern sich um deren richtiges Verständnis zu bemühen hat.105 Diese unmittelbare Zielrichtung auf das vorvertragliche Informationsverhalten im Verlauf der Verhandlung führt dazu, dass der vertragliche Einigungsprozess selbst, der an sich prozedurale Gegenstand, materialisiert wird: Die Willenseinigung setze eine Ver102
BGH NJW 1989, 763, 764. Schwarze, S. 193 ff.; vgl. auch Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 160 f., der die Vertragsverhandlungen „als eine schrittweise sich verdichtender Selbst- und Fremdbindungen“ beschreibt. 104 Schwarze, S. 198: „Pflicht zur Verständigung bedeutet nicht Pflicht zur Erzielung einer Einigung. […] Verständigung kann auch in der gemeinsamen Feststellung bestehen, daß man sich nicht einigen kann. Die Verständigungspflicht ist nur prozedurale, nicht materiale Pflicht. Ihr Ziel ist die Vermeidung von Missverständnissen.“ 105 Schwarze, S. 199. 103
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ständigung zwischen den Parteien voraus. Verständigung aber bedeute, den Willen des anderen zur Kenntnis zu nehmen und darauf zu reagieren. Eine Reaktion könnte die Aufklärung über den Willensbildungsfehler sein.106 Für ein besseres Verständnis der vorvertraglichen Pflichtenbegründung ist der gedankliche Ansatz von Schwarze deshalb aufschlussreich, weil anhand dessen das Zusammenspiel vom Prozeduralen und Materiellen im vorvertraglichen Pflichtensystem deutlich wird. Sowohl die Verständigungspflicht als auch die Aufklärungspflicht dienen der fehlerfreien Willensbildung in der vorvertraglichen Phase, die die Parteien zu einer interessengerechten vertraglichen Einigung verhelfen soll. In ihrem Wesen ist die Verständigungspflicht primär prozedural, weil sie die Vermeidung und Behebung von Störungen des Kommunikationsprozesses zum Ziele hat. Es geht im Wesentlichen darum, „wie“ Informationen dem Verhandlungspartner zu vermitteln und „wie“ sie von diesem zu verstehen sind. Dagegen geht es bei der Aufklärungspflicht um den fehlerfreien Austausch von vertragsrelevanten Informationen, die der zukünftigen vertraglichen Einigung zugrunde gelegt werden. Primär soll geklärt werden, „ob“ eine Information im Hinblick auf das geplante Geschäft zum Inhalt der Verständigung gemacht werden muss. Insoweit, dass sich die Grenzen von Aufklärungspflichten erst durch Verfahrensmechanismen wie der subjektiven Erkennbarkeit bestimmen lassen, kann der Aufklärungspflicht aber auch eine prozedurale Eigenschaft zugesprochen werden. Schwarze sieht die Notwendigkeit einer Regelung der vorvertraglichen Verständigung in der Gefahr des egoistisch handelnden Verkehrsteilnehmers, der sowohl seine Erklärung als auch die des anderen je nach seinen Interessen willkürlich verstehen würde. 107 Das hätte zur Folge, dass bei weniger deutlichen Erklärungen sowohl die Verständigung und als auch die Einigung dem Zufall wirklicher Willensübereinstimmungen überlassen wären.108 Durch die Pflicht zur Verständigung sieht Schwarze den Verständigungs- und den Einigungsprozess dem Zufall, besser noch der Willkür, der Parteien entzogen, weil sich jede Partei um Verständigung bemühen müsse, bei der Abfassung der eigenen Erklärung ebenso wie beim Verstehen der gegnerischen Erklärung.109 Natürlich verfolgt jede Verhandlungspartei für sich seine eigenen Interessen mit dem geplanten Geschäft. Auf eine egoistische Weise werden diese jedoch kaum zu erreichen sein, weil er für ihre Verwirklichung eine vertragliche Einigung mit seinem Vertragspartner braucht. Bei einem jeden redlichen Verhandlungspartner wird das größte Interesse darin liegen, eine vertragliche Einigung zustande kommen zu lassen 106
Schwarze, S. 194; ähnlich auch Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 1, der in der autonomen Rechtsetzung eine Kommunikation zwischen denen erfordert sieht, deren Rechtskreis durch die Rechtsakte berührt wird. 107 Schwarze, S. 196; näheres dazu siehe 4. Kapitel § 2 C. IV. 108 Näheres dazu siehe 4. Kapitel § 2 C. IV. 109 Schwarze, S. 196.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
oder zumindest zu erkennen, ob eine Einigung unter Wahrung seiner Interessen überhaupt möglich wäre. Der Drang zum Egoismus und Willkür unterliegt also dem Erfordernis einer gegenseitigen Einigung, die ein Entgegenkommen und Verstehenwollen beider Parteien erfordert. Dieses entspricht ganz der klassischen Konsenstheorie110, da es für die Herleitung eines Konsenses der fehlerlosen Verständigung bedarf. Auch nach der Selbstbindungstheorie111, wonach der Vertrag Ergebnis zweier Selbstbindungsakte ist, würde zwar auf den Konsens, jedoch nicht auf die Kommunikation verzichtet werden können.112 Das Recht der Willenseinigung im BGB, die Bestimmungen über die vertragliche Einigung (§§ 133 ff. BGB und über die Irrtumsanfechtung (§§ 119 ff, 142 ff.) belegen, dass das Gesetz den Parteien ein hohes Maß an informationeller Eigenverantwortung abverlangt; die Verantwortlichkeit der Parteien füreinander hält sich in Grenzen. Die Anfechtung erfolgt nur um den Preis der Vertrauenshaftung (§ 122 Abs. 1 BGB). Jede Partei muss sich selbst um die für ihn relevanten Informationen kümmern, will sie der Bindung an einen interessewidrigen Vertrag vorbeugen.113 Die vertragliche Einigung erweist sich also als ein Selbstregelungsmechanismus für den „Egoisten“: Die Notwendigkeit einer gegenseitigen und zugleich für beide Parteien interessengerechten Einigung setzt die Reize für eine fehlerfreie Verständigung, und zwar – und hierin grenzt sich die Aufklärungspflicht von der Verständigungspflicht entscheidend ab – die Verständigung über einen vertragsrelevanten Umstand. Ziel der Aufklärungspflicht ist die Offenlegung aller Informationen, die für den Vertragsschluss von entscheidender Bedeutung sind, um damit Klarheit über den tatsächlichen Zustand des Kaufgegenstands zu gewinnen. Werden ex post Fehlvorstellungen hinsichtlich vertragsrelevanter Umstände festgestellt, dann verteilen Aufklärungspflichten zwar in erster Linie die Informationslast, indem geklärt wird, welche Informationen unter welchen Voraussetzungen hätten offengelegt werden müssen, zugleich regeln sie aber auch die Verständigungslast über diesen Umstand, indem unerkannt gebliebene Unklarheiten, demjenigen angelastet werden, in dessen Interessensphäre sie fallen. Durch die Zielsetzung der fehlerfreien Verständigung über konkrete Vertragsinhalte vereint die Aufklärungspflicht die Regelung auf beiden Ebenen, sowohl die prozedurale Kommunikationsstörung als auch die Störung der Willensbildung.114 110
Vgl. Larenz/Wolf (2012) § 37 Rn. 66 m. w. N. Kritisch zur Konsenstheorie Köndgen, S. 156 ff. 112 Vgl. Schwarze, S. 193 f.: Um auch nur den minimalen Forderungen des Verkehrsschutzes zu genügen, könne ihr Umfang nicht der Interpretationswillkür des Erklärenden überlassen bleiben, sondern müsse Rücksicht auf das Verstehen des anderen nehmen; insofern läge immer das Resultat eines Kommunikationsprozesses/Verständigungsprozesses vor. 113 Schwarze, S. 195. 114 Über die Regelungsmechanismen bei Unklarheitssituationen näher eingehend siehe unten 4. Kapitel § 2 C. III. 111
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Diese Erkenntnisse sind auch aus der vorangegangenen Untersuchung der Rechtsprechung deutlich geworden. Die Grenzziehung der Aufklärungspflicht orientiert sich an den konkreten Motivationen und Vorstellungen der Vertragsparteien, ihren Interessensphären. Neben dieser materiellen Ausrichtung erfolgt die Grenzziehung prozedural mittels des Elements der Erkennbarkeit. Braucht der Käufer Informationen über den Kaufgegenstand, die entscheidend sind, um seine Erwerbszwecke zu verwirklichen, so muss er all jene, die von einem objektiv erkennbaren Zweck abweichen, durch Informationshandlungen erkenntlich machen. Der Verkäufer hat all die Umstände zu offenbaren die, den objektiven und subjektiv erkennbar gewordenen Erwerbszweck des Käufers vereiteln könnten.
C. Die Informationshandlungen des Verkäufers I. Problemstellung Die Analyse der vorvertraglichen Aufklärungspflicht im allgemeinen Schuldrecht hat ergeben, dass sich ihre Grenzen anhand des Elements der Erkennbarkeit des Vertragszwecks im Verlauf des Informationsverfahrens verfeinern lassen. Angesichts der individuellen Ausrichtungsmöglichkeiten von Erwerbszwecken beim Unternehmenskauf wird die Informationslast im Verständigungsprozess zum größten Teil auf die Käuferseite verlagert. Diese für den Käufer doch sehr belastende Ausgangsposition, ruft geradezu nach einer inhaltlichen Aussonderung von Umständen, die den Verkäufer zur unaufgeforderten Aufklärung verpflichtet. Rechtssicherheit für beide Parteien könnte dadurch geschaffen werden, wenn sich inhaltlich ein normativer Kern bestimmen ließe, der unabhängig von der subjektiv-prozeduralen Inhaltsbestimmung der Aufklärungspflicht gültig ist. Zu prüfen ist, ob sich beim Kauf, wie auch beim Unternehmenskauf, Umstände konkretisieren lassen, die durch ihre unmittelbare Vertragswesentlichkeit für den Verkäufer objektiv erkennbar einer Aufklärungspflicht unterliegen. Einen ersten Ansatzpunkt liefert das Gewährleistungsrecht: Während das Gesetz grundsätzlich darüber schweigt, welche Informationen der Verkäufer vor Vertragsschluss dem Käufer aufzuklären hat115, wird die Pflicht zur mangelfreien Leistung anhand der Beschaffenheit der Kaufsache zumindest abstrakt definiert (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1 BGB). 116 Als Ausgangspunkt sind also die Kaufsache und ihre Beschaffenheit zu nehmen, die als Gegenstand der Leistungspflicht natürlich 115
Vgl. nur BGH, NJW-RR 1998, 1406 = NZG 1998, 506, die ständige Rechtsprechung des BGH: „[Es]…besteht zwar keine Pflicht des Verkäufers, den Käufer über alle für ihn erheblichen Umstände aufzuklären; entscheidend ist vielmehr, ob eine solche Aufklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall erwartet werden darf.“ 116 Thiessen (2005), S. 379.
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auch Gegenstand der vorvertraglichen Verständigung sind. Die Beschaffenheit der Sache ist das zentrale Entscheidungskriterium für den Abschluss des Kaufvertrags und der Bildung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Kaufgegenstand und Preis.117 Bestünde eine der allgemeinen Verkehrserwartung entsprechende Normbeschaffenheit für Kaufsachen, so zeichnete sie die Informationshandlungen des Verkäufers insoweit vor, dass Zustände der Kaufsache, die von ihr abweichen, stets durch ihre Verkehrswesentlichkeit den objektiven Tatbestand der Aufklärungspflicht erfüllen würden.118 II. Das Verhältnis von vertraglicher Leistungspflicht und vorvertraglicher Aufklärungspflicht Die innere Kohärenz von vertraglicher Leistungspflicht und vorvertraglicher Aufklärungspflicht hat ihre wesentliche Ursache in der exogenen Ausrichtung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht: Zweck der Aufklärungspflicht liegt eigens darin, den Vertragsparteien eine interessengerechte Informationsgrundlage für die beabsichtigte Transaktion zu schaffen. Schutzgegenstand ist nicht die Information als solche119, sondern die fehlerfreie Willensbildung für einen dem Parteiwillen entsprechenden Abschluss und Gestaltung des Vertrags. Informationen dienen ferner der ökonomischen Effizienz der Vertragsdurchführung; je mehr der Käufer vor dem Vertragsschluss erfährt, desto besser können nachteilige Dispositionen im Voraus in den Vertrag eingehen, zugleich auch der Verkäufer einen höheren Preis für positive Darstellungen einfordern, und damit kostenintensive und zeitaufwendige Rechtswege in der nachträglichen Phase der Vertragsdurchführung vermieden werden.120 Beide Pflichtentatbestände haben den Zustand des Kaufgegenstands zum Inhalt: Bei Gefahrübergang den Zustand als solchen, vor Vertragsschluss die Information darüber.121 Wie Thiessen zu Recht hervorhebt, mündet die „vorvertragliche „Schlechtinformation“ auf der Tatbestandsebene in die „Schlechtleistung“. 117
Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 121. Insoweit die Problemstellung auf der Tatbestandsebene. Sie ist abzugrenzen von der Frage auf der Rechtsfolgenebene, die zum lang diskutierten Konkurrenzproblem von Gewährleistungsrecht und c.i.c. führt. Die ständige Rechtsprechung des BGH (seit BGH NJW 1973, 1234 = BGHZ 60, 319, zurückgehend auf RGZ 161, 330, 337; 135, 338, 346, auch für das reformierte Recht bestätigt in BGH NJW 2009, 2120 = BGHZ 180, 205) und die herrschende Auffassung (vgl. nur Palandt/Weidenkaff § 437 Rn. 51a in der Literatur) haben bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung das Gewährleistungsrecht als abschließende Sonderregel angesehen, die die Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss – allerdings nicht bei Vorsatz – verdrängt. 119 Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Auskunftspflicht, die die Information als solche zum Ziele hat und vom Gläubiger einklagbar ist. 120 Thiessen (2005), S. 378, der einen auffälligen Unterschied der Pflichten im maßgeblichen Zeitpunkt der Pflichtverletzung sieht, nämlich ob die Pflicht vor (d. h. bis spätestens bei) Vertragsschluss oder erst bei Gefahrübergang verletzt wird. 121 Thiessen (2005), S. 378; vgl. auch die Ausführungen des Gesetzgebers in BT-Drucks 14/ 6040, S. 165. zum Pflichtenprogramm des Schuldners vor und nach Vertragsschluss: Vorher 118
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Aus den einschlägigen Fallkonstellationen der Rechtsprechung wird die inhaltliche Nähe der Tatbestände, bei deren Verletzung auf der Rechtsfolgenebene unterschiedliche Haftungsregime eröffnet werden, besonders deutlich.122 Im „Kreissägenfall“123 führte die schuldhaft falsche Versicherung eines Angestellten des Verkäufers, dass sich die angebotene Kreissäge an einem bestimmten Platz aufstellen lasse, nicht zum Sachmangel gem. § 459 BGB a.F., weil nicht etwa die Kreissäge, die verkaufte Sache, nicht größer als vorausgesetzt war, sondern vielmehr der für ihre Aufstellung vorgesehene Platz nicht die versicherte Größe hatte. Tatsächlich herrscht nur ein „subtiler Unterschied“124 zwischen den Tatbeständen, bedenkt man, dass die Maschine nicht an dem Ort aufgestellt werden konnte, wie es dem Vertrag vorausgesetzt war.125 Ähnlich kann von einem Fall gesprochen werden, bei welchem ein Angestellter des Verkäufers dem Käufer fälschlich zugesichert hatte, dass dieser die Rückzahlung des aufgenommenen Finanzierungsdarlehens vollständig aus der Summe von Steuerersparnissen und Mieteinnahmen, also ohne Liquiditätseinbuße würde bestreiten können. Hier stellte der BGH auf eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung ab, wohingegen man auch ein „mangelhaftes“ Finanzprodukt hätte annehmen können.126 Der feine Grenzverlauf ist insbesondere aus der Rechtsprechung des BGH zu entnehmen, die unter dem alten Recht über falsche Angaben über die (bisherigen) Erträge, Umsätze oder Verbindlichkeiten eines verkauften Unternehmens entwickelt wurde, wo das Gericht bekanntlich nicht auf den Sachmangelbegriff gem. § 459 BGB a.F. abstellte, sondern auf die c.i.c.-Haftung wegen vorvertraglicher Informationsverletzung.127 Die Falschangabe über vergangene finanzielle Zahlen des Unternehmens, kann jedoch auch einen Mangel darstellen, wenn sich später herausstellt, dass das Unternehmen aus Insolvenzgründen nicht fortgeführt werden kann.128 Denn einem Unternehmen, das nicht überlebensfähig ist, fehlt in der Regel die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2). gehe es im Wesentlichen um Informationspflichten, nachher dagegen um Pflichten bezüglich des Leistungsgegenstandes selbst. 122 Vgl. im Folgenden die Fallauswahl von Canaris, AcP 200 (2000), 306 f. 123 BGH NJW 1962, 1196. 124 Canaris, AcP 200 (2000), 306; vgl. auch Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 64, sich noch für die Haftung aus c.i.c. aussprechend. 125 Vgl. auch MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 10, dass es müßig sei zu prüfen, ob die Kreissäge zu groß oder der Platz zu klein ist, vielmehr sei entscheidend, ob dem Vertrag eine entsprechende Vereinbarung über die Einfügbarkeit der Kaufsache in den vorgesehenen Raum zu entnehmen ist; lediglich als eine Frage der Formulierung bezeichnend BeckOnlKommBGB/ Faust § 434 Rn. 22. 126 Canaris, AcP 201 (2000), 307, dass hier die c.i.c. wieder eine ähnliche Funktion wie eine Gewährleistungshaftung einnehme. 127 Vgl. etwa BGH NJW 1970, 653; BGHZ 69, 53=NJW 1977, 1536. 128 Vgl. unten § 2 C. IV. 5.
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Die inhaltliche Nähe der Pflichtentatbestände wird in der Rechtsprechung über die Aufklärungspflicht für verborgene Mängel deutlicher. Im alten Recht handelte es sich bei der Frage, inwiefern der Verkäufer hinsichtlich Mängel zur Aufklärung verpflichtet ist, um das Problem der sogenannten Vorsatzhaftung, die in Zusammenhang mit § 463 S. 2 BGB a.F. im Schrifttum diskutiert wurde. Danach ergab die Aufklärungspflicht über Mängel aus dem Gesetz selbst, das an ein arglistiges Verschweigen des Fehlers durch den Verkäufer verschärfte Haftungsfolgen knüpfte (§ 463 S.2 BGB a.F.). Kern des gewährleistungsrechtlichen Haftungstatbestands bildete also die bewusste Vorenthaltung mangelbezogener Informationen: Die vorvertragliche mangelbezogene Aufklärungspflichtverletzung war explizit mit Rechtsfolgen versehen, dass der dolus in contrahendo einen vertraglichen Anspruch begründete.129 Eine stark dogmatisch geprägte Diskussion um diese Regelung im Schrifttum ging der Frage nach, ob es im Zusammenhang mit dem Tatbestand des arglistigen Verschweigens so wie im Falle der arglistigen Täuschung durch Verschweigen gem. § 123 BGB einer besonderen Feststellung der Aufklärungspflicht bedürfe. Einige sahen im arglistigen Verschweigen des § 463 S. 2 BGB a.F. einen echten Unterlassungstatbestand, der den Gegenstand des Unterlassens (namentlich „Fehler der Kaufsache“) damit die Aufklärungspflicht ausdrücklich regele.130 Dahingegen berief sich die h.M. auf eine Gleichstellung der Tatbestände des § 123 BGB und §§ 463 S. 2, 476 BGB a.F. und setzte die Verletzung einer besonderen Aufklärungspflicht voraus.131 In Übereinstimmung mit der h.M. war auch aus den Entscheidungen des BGH der Bezug auf § 123 BGB zu entnehmen.132
129
Thiessen (2005), S. 397. Soergel/Huber § 463 BGB Rn. 24, zustimmend Breidenbach, S. 6: Der im Mängelrecht formulierte Tatbestand unterscheide sich von demjenigen der „arglistigen Täuschung“ (§ 123 BGB) darin, dass die besondere Feststellung einer „Offenbarungspflicht“ nicht erforderlich sei. Während im Rahmen des § 123 BGB schlichtes Schweigen nur dann als „Täuschung“ gewertet werden könne, wenn eine Pflicht zu reden bestehe, knüpfe der Tatbestand des § 476 BGB a. F. an das Unterlassen als solches an. 131 Vgl. Nachweise bei Soergel/Huber, § 476 BGB Rn 7. 132 Vgl. nur BGH NJW 1979, 2243: Der BGH sah den Umstand, ob ein zu Wohnzwecken erworbenes Gebäude die zur Wohnnutzung nach dem Landesbaurecht notwendige bauaufsichtliche Genehmigung vorliegt oder nicht, für den Entschluss des Käufers, das bebaute Grundstück zu erwerben, von wesentlicher Bedeutung an und bejahte die Aufklärungspflicht hierüber; BGH NJW 1990, 975: Bezüglich eines Verkaufs eines Schlachthofgrundstücks bejahte der zuständige Senat einen aufklärungsnotwendigen Umstand, wenn die Abdeckung des Schlachthofanbaus wegen der Verwendung von Spannbeton-Fertigdecken mit TonerdeSchmelzelement als Bindemittel einsturzgefährdet und deshalb bereits eine behördliche Nutzungsuntersagung angedroht war. Dieser war als „ganz erhebliche und verborgene Mangel“ geeignet, die Nutzung des Schlachthofes in wesentlichen Teilen zu vereiteln, denn er war für den Kaufentschluss des Käufers von wesentlicher Bedeutung, so dass er nach der Verkehrsauffassung eine Mitteilung des Mangels und der darauf basierenden behördlichen Verfügungen erwarten durfte; weitere Nachweise bei Staudinger/Honsell § 463 BGB Rn. 35. 130
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Schließlich hatte die Diskussion um die besondere Feststellung einer Aufklärungspflicht im alten Recht keine praktisch relevanten Konsequenzen133, da beim näheren Blick ein Gleichlauf zwischen den Grenzen der allgemeinen und gewährleistungsrechtlichen Aufklärungspflicht zu entnehmen war. Nahm man die zwei Merkmale des alten Gewährleistungsrechts zur Hand, namentlich die Anknüpfung des Schadensersatzanspruches an das arglistige Verschweigen von Fehlern (§ 463 S.2 BGB a.F.) und den Ausschluss von unerheblicher Beeinträchtigung des Wertes und der Tauglichkeit (§ 459 Abs. 1 S.2 BGB a.F.), so liefen beide Meinungen auf den gleichen Schluss hinaus, dass nicht unerhebliche Fehler, die für den Vertragsschluss des Käufers wesentlich sind, stets offenbart werden mussten.134 Im Ergebnis war im § 463 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. die Haftung des Verkäufers wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten durch zwei Elemente konkretisiert: Der Mangelbezug auf der objektiven und die Arglist auf der subjektiven Ebene. Vorausgesetzt, dass Arglist vorlag, konnte beim mangelbegründenden Umstand die Haftung stets bejaht werden, weil sie wesentlich für den Vertragsentschluss des Käufers war. Daher entfiel de facto auch die Notwendigkeit einer besonderen Aufklärungs- oder Offenbarungspflicht. Neben der Kenntnis des Mangels mussten die Unkenntnis des Käufers vom Mangel und der hypothetische Kausalzusammenhang zum alternativen Willensentschluss im Falle der Kenntnis gegeben sein. Bei der Begründung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht bezüglich Mängel wurde entscheidend auf das subjektive Element – die Arglistigkeit des Verschweigens – abgestellt. Im neuen Recht sind diese Merkmale des alten Rechts, den Schadensersatzanspruch an den Tatbestand des arglistigen Verschweigens zu knüpfen und den Verkäufer für unerhebliche Mängel von der Ersatzpflicht zu befreien, weggefallen. Kennzeichnend für das neue System des Leistungsstörungsrechts ist die Einbindung des Gewährleistungsrechts in das allgemeine Leistungsstörungsrecht anhand des einheitlichen Konzepts der Pflichtverletzung. Bei der Haftung des Verkäufers für Sachmängel liegt die Pflichtverletzung in der Lieferung einer mangelhaften Sache (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Prägend für das System der § 280 ff. BGB sind ferner die unterschiedlichen Pflichtverletzungsmodi (Unmöglichkeit oder Verzögerung der Leistung) und Schadensarten (Schadensersatz statt der Leistung oder neben der Leistung). Auch wurde die Unterscheidung zwischen Fehler und zugesicherten
133 Staudinger/Honsell § 463 BGB Rn. 35; zum neuen Recht Bamberger/Roth/Faust § 438 BGB Rn. 37; Erman/Grunewald § 438 BGB Rn. 23 sieht im Ergebnis keinen Unterschied, da vielfach auch die Kenntnis des Verkäufers abgestellt werde; vgl. etwa BGH NJW-RR 1987, 437. 134 Vgl. Soergel/Huber § 463 BGB Rn. 25, dass das Gesetz bei Fehlern, die nicht nur unerheblich sind, ohne weiteres und zu Recht unterstelle, dass sie für den Vertragsabschluss des Käufers von Bedeutung sind, so dass der Verkäufer hiervon ausgehen müsse; ähnlich auch Staudinger/Honsell § 463 BGB Rn. 37, der das entscheidende Kriterium darin sieht, ob die verschwiegenen Mängel die Willensbildung des Käufers beeinflusst hätten, mit Hinweis auf BGH NJW 1977, 1914.
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Eigenschaften aufgehoben und das Vorliegen eines Mangels am Begriff der Beschaffenheit festgemacht. Im Hinblick auf das Bestehen einer Aufklärungspflicht bezüglich Mängel greift der BGH auf seine allgemeine Formel zurück, wonach „für jeden Vertragspartner die Pflicht [besteht], den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für den Entschluss eines verständigen Käufers von wesentlicher Bedeutung sind, sofern eine Mittelung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann.“ Für verborgene, wesentliche Mängel wird dieses weiterhin von der ständigen Rechtsprechung bejaht.135 Anders als im alten Recht136 und entgegen der Vorgehensweise des BGH wird inzwischen auch im Schrifttum vermehrt die Ansicht vertreten, dass sich die Aufklärungspflicht unmittelbar aus dem Kaufrecht ergebe und über bekannte Mängel stets aufgeklärt werden müsse.137 Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, dass es praktisch keinen Unterschied machen dürfe, ob man das Vorliegen einer Aufklärungspflicht prüfe, diese aber bei verborgenen Mängeln stets bejahe oder gerade aus diesem Grund von vorneherein auf eine Prüfung verzichte.138 Im Ergebnis besteht unabhängig von der unterschiedlichen dogmatischen Begründung der Aufklärungspflicht Einigkeit darüber, dass der Verkäufer über ihm bekannte verborgene Mängel zur Aufklärung vor Vertragsschluss verpflichtet ist. Wurde in der vorvertraglichen Phase die Aufklärungspflicht über Mängel verletzt und sollten die Erwartungen des Käufers bei Gefahrübergang nicht erfüllt werden, so stellt sie eine Verletzung der vertraglichen Leistungspflicht dar, mangelfrei zu liefern, welche dann zur gewährleistungsrechtlichen Haftungsgrundlage wird. Die Frage, ob es sich beim aufklärungsnotwendigen Inhalt um einen Mangel oder einen sonstigen Umstand handelt, entscheidet also nicht über Haftung oder Nichthaftung, vielmehr geht es darum, die Reichweite der erleichterten kaufrechtlichen Erfüllungshaftung gegenüber den spezifischen Anforderungen und Rechtsfolgen einer anderweitigen Erfüllungshaftung und der vorvertraglichen Informationshaftung abzugrenzen139 : Wurden keine Angaben gemacht und bestimmte, jedoch nicht geäußerte Erwartungen des Käufers enttäuscht, so geht es darum, ob die Erwartungen 135
Jüngst BGH NJW 2011, 3640, 3641. Zu welchem noch die h. L. der Rechtsprechung gefolgt war, vgl. bereits oben. 137 Bamberger/Roth/Faust § 438 BGB Rn. 37; Heiderhoff, BB 2005, 2533, 2535; Erman/ Grunewald § 438 BGB Rn. 23. 138 Lorenz, Anmerkung zum BGH-Urteil vom 15. Juli 2011- V ZR 171/10 (LMK 2011, 323580); vgl. auch Staudinger/Matusche-Beckmann § 438 BGB Rn. 97, dass beide Normen (§§ 123 und 438 Abs. 3 BGB) unter dem leitenden Prinzip aus Treu und Glauben stehen und die Pflicht zum redlichem Verhalten bei beiden um die jeweils fehlenden Tatbestände ergänzt werden. Vor allem spiele es keine Rolle, ob es sich um Handlungen oder Unterlassungen handele. Im Übrigen ergäben Umfang und Grenzen der Aufklärungspflicht nicht bereits aus § 438 Abs. 3 BGB, sondern müssten anderweitig hergeleitet werden. 139 So zu Recht Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 123. 136
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des Käufers durch die kaufvertragliche Erfüllungshaftung geschützt werden oder ob nur eine Haftung auf das negative Interesse unter den Voraussetzungen der culpa in contrahendo begründet wird. Vom Ersteren ist auszugehen, wenn der Umstand die Normalbeschaffenheit der Sache betrifft. Die folgende Untersuchung des Mangelbegriffes dient der materiellen Konkretisierung der Aufklärungspflicht im Hinblick auf das Unternehmen als Gegenstand des Unternehmenskaufvertrages. III. Das System des § 434 BGB und ihre Funktion Gem. § 434 Abs. 1 BGB ist die Kaufsache frei von Mängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat (S. 1) oder zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung geeignet ist (S. 2 Nr. 1). Das Mangelrecht stellt zunächst auf den subjektiven Fehlerbegriff ab und macht die vertragliche Soll-Beschaffenheit des Kaufgegenstands primär vom Parteiwillen abhängig. Die Parteien können durch Vereinbarungen die Leistungspflicht des Verkäufers über bestimmte Beschaffenheitsmerkmale konkretisieren oder dem Vertrag einen bestimmten Verwendungszweck zugrunde legen. Fehlt eine subjektive Beschaffenheits- oder Verwendungszweckvereinbarung, dann wird hilfsweise darauf abgestellt, ob die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (S. 2 Nr. 2). Dem liegt ein objektiver Fehlerbegriff zugrunde. Der hier deutlich gewordene Vorrang des subjektiven Fehlerbegriffs gibt Aufschluss über die Funktion der gesetzlichen Regelung. Entsprechend der allgemeinen Funktion des dispositiven Rechts, wird jene des Sachmangelgewährleistungsrechts insbesondere darin gesehen, den typischen Willen der Parteien zu rekonstruieren, wenn ausdrückliche Vereinbarungen fehlen.140 Vorgezeichnet durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie141 ist die Regelung des § 434 Abs. 1 BGB vor allem auf massenhaft getätigte Warengeschäfte zugeschnitten, die in der Praxis zahlenmäßig einen ganz überwiegenden Realtypus darstellen und ein geringes Maß an individualvertraglichen Abreden erforderlich machen.142 Hieraus resultiert ein besonderes Bedürfnis nach einer gesetzlichen Verankerung der typischen Parteierwartungen, die 140
Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 121; vgl. auch Canaris, Handelsrecht, 2006, § 8 I Rn. 6, der explizit die typologische Qualifikation eines Vertrages von der Ermittlung seines Inhalts unterscheidet und ersteres dem objektiven Recht zuordnet; vgl. auch bereits oben 1. Kapitel § 1. 141 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (im Folgenden VerbrauchGK-RiL) 142 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 121; nach Art. 1 Abs. 2 b VerbrauchGK-RiL vom 25. Mai. 1999 bezieht sich die Regelung bezeichnenderweise nur auf den Verkauf beweglicher körperlicher Gegenstände.
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gerade durch die realtypische Bedeutung von Sachbeschaffenheiten des Kaufgegenstands auf einer verhältnismäßig sicheren Basis möglich gemacht wird.143 Die im Gesetz festgemachten typischen Merkmale der Kaufsache normieren unabhängig von einer konkreten Vereinbarung über Beschaffenheit und Verwendungszweck einen Mindeststandard für die Beschaffenheit der Kaufsache: Sie muss sich für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Fehlen diese Merkmale bei Gefahrübergang liegt stets ein Mangel vor, soweit die Parteien nicht anderes bestimmt haben. Vertragliche Leistungspflicht und vorvertragliche Aufklärungspflicht weisen somit parallele Begründungsprinzipien auf: In beiden Pflichten haben subjektiv bestimmte Inhalte Vorrang. Auf objektive Umstände, etwa solche wie Fehler, die die gewöhnliche Verwendung der Sache beeinträchtigen oder objektiv erkennbar so schwerwiegend sind, den Vertragszweck zu vereiteln, wird dann abgestellt, wenn der Parteiwille nicht zum Ausdruck gekommen ist.144 Diese Parallele führt zu ähnlichen Problemen bei der Konkretisierung des Pflichteninhalts, nämlich dass er anhand von objektiven Maßstäben herzuleiten ist, wenn Dispositionen weder in der vorvertraglichen Phase noch im Vertrag selbst gemacht worden sind. Die Frage, ob der Verkäufer nach objektiven Kriterien zur Aufklärung verpflichtet ist, ist daher nicht leichter zu beantworten als die Frage, ob der Kaufgegenstand nach objektiven Kriterien mangelhaft ist.145 Einen Orientierungspunkt liefert jedoch das Gesetz, das den Sollzustand des Kaufgegenstands zumindest in abstrakten Zügen konturiert: Der Mangel als vertraglicher Pflichtverletzungstatbestand erfährt eine inhaltliche Eingrenzung durch den Bezug auf die Beschaffenheit der Sache. Dem gegenüber kann die Aufklärungspflicht auch einen jeden sonstigen Umstand erfassen, die nicht zur Beschaffenheit gehört.146 Ferner formuliert das Gesetz die typischen Verkehrserwartungen,
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Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 121, die in der Möglichkeit einer sicheren Typisierung der Verkehrserwartungen durch den Beschaffenheitsbegriff die Rechtfertigungsgrundlage dafür sehen, trotz der fehlenden ausdrücklichen Abrede über die Beschaffenheit oder den Verwendungszweck die Normalbeschaffenheit gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB zum Gegenstand der vertraglichen Leistungspflicht zu erheben. 144 Über die Ähnlichkeit der Voraussetzungen der Aufklärungspflicht mit den Kriterien des Mangelbegriffs vgl. auch Thiessen (2005), S. 381 ff. 145 Thiessen (2005), S. 385 f. im Zusammenhang mit der Konkurrenzproblematik von c.i.c. und Gewährleistungsrecht, dass sich die c.i.c. gegenüber dem Gewährleistungsrecht nicht praktikabler erweise, weil ein eng definierter Mangelbegriff nur die Aussage erleichtern mag, dass kein Mangel gegeben sei, weil die vom Käufer gerügten Umstände von vornherein nicht „mangelfähig“ seien, jedoch die Frage offenbliebe, warum die nicht offenbarte Tatsache den Vertragszweck zu vereiteln drohe. 146 Thiessen (2005), S. 378.
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die an eine Kaufsache, unabhängig von subjektiven Parteivorstellungen, zu stellen sind. 1. Die Beschaffenheit der Kaufsache Die inhaltliche Eingrenzung des Mangelbegriffes auf die Beschaffenheit der Sache bedeutet in einem noch sehr allgemeinen Sinne, dass zwischen dem mangelbegründenden Umstand und der Sache ein spezifischer Zusammenhang vorausgesetzt wird.147 Bejaht man einen Zusammenhang, so knüpft der im Vordergrund stehende subjektive Fehlerbegriff nicht schlechthin an jede Vereinbarung der Parteien über die für den Käufer wichtigen Gegebenheiten der Sache an, sondern an das Element der „Beschaffenheit“.148 a) Die Rechtslage im alten Recht Sehr kontrovers wurde der Begriff der Beschaffenheit im Rahmen der Diskussion um die alte Regelung in § 459 BGB a.F. diskutiert, das zwischen der fehlerbegründenden Beschaffenheit und zusicherungsfähigen Eigenschaften unterschied. Die damalige, sehr umstrittene Rechtsprechung legte den beiden Sachmangelkategorien unterschiedliche Reichweiten zugrunde: Die Beschaffenheit der Kaufsache (§ 459 Abs. 1 BGB a.F.) umfasste nur Umstände und Verhältnisse, die der Sache ohne weiteres unmittelbar anhaften, sich aus der Sache selbst ergeben bzw. ihr unmittelbar innewohnen. Dem gegenüber erfasste der Begriff der zusicherungsfähigen Eigenschaft die physischen Merkmale sowie alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, welche die Beziehung der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert beeinflussen. 149 Das enge Verständnis über den Eigenschaftsbegriff in § 459 BGB a.F. führte insbesondere im Recht des Unternehmenskauf zu einer Zweispurigkeit der Haftungsgrundlagen, die sich an der Ertragsfähigkeit eines Unternehmens gut verdeutlichen lässt150 : Zur „Beschaffenheit“ eines Unternehmens gehörten alle gegenwärtigen Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art, die seinen Zustand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmten. Umstände, die in der Vergangenheit lagen (wie etwa frühere Ertrags- oder Umsatzzahlen) wurden von der „Beschaffenheit“ des Unternehmens nur erfasst, wenn sie sich auf gegenwärtige Umstände auswirken. 147 Canaris (2002), S. 61; dem folgend Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 123; MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 9. 148 MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 9. 149 Vgl. BGH NJW 1970, 653, 655; NJW 1980, 1456, jeweils darüber, dass die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens und der Mietertrag eines Hausgrundstücks Gegenstand einer Zusicherung nach § 459 Abs. 2 BGB a. F. sein können, jedoch keinen Fehler i. S. des § 459 Abs. 1 BGB a. F. darstellen. 150 Vgl. die Übersicht zum alten Recht bei Lorenz, in: FS Heldrich, S. 309.
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Während die durchschnittliche Ertragsfähigkeit eines Unternehmens als mangelbegründend angesehen wurde, haftete der Verkäufer aus culpa in contrahendo, wenn er nur einzelne Bilanzkennzahlen vergangener Jahre falsch angegeben hatte.151 Somit kam es auch beim „subjektiven“ Fehlerbgriff zu einer restriktiven Auslegung.152 Bei der zugesicherten Eigenschaft gem. § 459 Abs. 2 BGB a.F. verhielt es sich insoweit anders, dass sie auch tatsächliche, wirtschaftliche, soziale und rechtliche Beziehungen der Sache zur Umwelt mit umfasste. Demnach gab es also Umstände, die zwar keine Beschaffenheit des Unternehmens, wohl aber eine zusicherungsfähige Eigenschaft darstellen konnten.153 Die Gewährleistungshaftung des Verkäufers bezüglich „Mängel“ der Ertragsfähigkeit scheiterte zwar am Beschaffenheitsbegriff des Unternehmens, gleichzeitig konnte sie jedoch von der zusicherungsfähigen Eigenschaft aufgefangen werden, sofern die Zusicherung auf Angaben über Umsatz und Ertrag für einen längeren in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bezog.154 Die überwiegende Meinung des Schrifttums stand einer solchen Differenzierung der Rechtsprechung kritisch gegenüber.155 Nicht zuletzt deshalb, weil ein „subsumtionsfähiger“ Unterschied zwischen den beiden Umschreibungen nicht zu machen war und es an einem rational nachvollziehbaren Unterscheidungsmaßstab fehlte.156 Für eine „Eigenschaft“ wurde eine lockere Verbindung zur Sache für ausreichend gehalten als für die „Beschaffenheit“, welche zu einer völlig unüber-
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BGH NJW 1970, 653, 655; NJW 1977, 1536 Im Sinne von MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 9, dass der Gegenstand der Beschaffenheitsvereinbarung eingegrenzt wird. 153 Lorenz, in: FS Heldrich, S. 309. m. w. N. 154 So etwa BGH NJW 1995, 1547, 1549: „In der hier in Rede stehenden „Ertragsvorschau“ geht es indessen nicht um bisherige Umsätze und Erträge, sondern um die Ertragsfähigkeit des Unternehmens als Grundlage für zukünftige Umsätze und Erträge. Diese ist ohne Einschränkung zusicherungsfähig.“; kritisch dazu Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118,122, dass nicht nachvollziehbar sei, warum die Ertragsfähigkeit zwar Eigenschaft des Unternehmens, also kein äußerer Umstand, dem Unternehmen aber nicht unmittelbar anhaften und damit keine Beschaffenheit sein soll. Dieses gelte umso mehr, als die Rechtsprechung (verweisend auf BGH NJW 1970, 653) hinsichtlich einzelner Ertragszahlen beide Kategorien gleichermaßen für unanwendbar erklärt habe. 155 Vgl. Soergel/Huber § 459 BGB Rn. 39, 143; Staudinger/Honsell § 459 BGB Rn. 33 ff.; ausführlich zum Streitstand vergleich auch Singer, Fehler beim Kauf – Zum Verhältnis von Mängelgewährleistung, Irrtumsanfechtung und culpa in contrahendo, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof (2000), S. 388 ff. 156 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 122, Bezug nehmend auf den „Stundenhotel-Fall“ in BGH NJW 1992, 2564, 2565: „Nimmt man etwa an, dass der schlechte Ruf einer Raststätte – aufgrund der Verwendung als Stundenhotel – dieser nicht unmittelbar anhaftet, und lehnt man daher eine Beschaffenheitsabweichung nach der bisherigen Definition des BGH ab, so läßt sich nicht sinnvoll erklären, warum nicht gleichzeitig auch das Vorliegen einer Eigenschaft wegen der „äußeren“ Anknüpfung (an die öffentliche Meinung) ausgeschlossen ist.“ 152
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sichtlichen Kasuistik führte, die darum kreiste, inwieweit Umweltbeziehungen der Kaufsache gewährleistungsrechtlich relevant waren.157 Das Problem des Beschaffenheitsbegriffs hat sich im alten Recht vor allem gestellt, weil sich Rechtsfolgen des Gewährleistungsrechts als ungeeignet für bestimmte Kaufgegenstände, etwa für das Unternehmen, erwiesen haben.158 Dieses galt für die kenntnisunabhängig beginnende Verjährungsfrist von nur einem halben Jahr, die es gerade dem Käufer eines Unternehmens kaum möglich machte, falsche Kennzahlen innerhalb dieser kurzen Zeit zu erkennen. Einige Entscheidungen des BGH zum Beschaffenheitsbegriff scheinen geradezu von der Tatsache getrieben, dass die Anwendung der kurzen Verjährung für den möglicherweise getäuschten Käufer ruinöse Folgen gehabt hätte.159 Neben der Rückabwicklung des Vertrages durch Wandelung bzw. einer Preisreduktion im Wege der Minderung nach § 463 BGB a.F., die sich unpraktisch für den Unternehmenskauf erweisen haben, konnte der Käufer Schadensersatz nur im Falle des schwer nachweisbaren arglistigen Verschweigens eines Mangels oder bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft verlangen. Diese Schwierigkeiten auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenebene führten zu einer „Marginalisierung des Gewährleistungsrechts“160, so dass die Vertragspraxis sich weitgehend auf die Zusicherung oder Garantie von Umständen und die Gerichtspraxis statt der Gewährleistungsansprüche des Käufers auf den Anspruch aus culpa in contrahendo ausgewichen war.161 Die Einschränkung der Haftung durch einen engen Sachmangelbegriff, die auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückzuführen war162, führte im Laufe der Rechtsprechung des BGH zu einer Haftungserweiterung im Wege der c.i.c., so dass die „Marginalisierung“ einen bedeutsamen „Funktionswandel“ erfuhr.163 Die Notwendigkeit einer Haftungserweiterung schaffte die Notwendigkeit einer Eingrenzung des Sachmangelbegriffs. Fraglich ist, ob die von der Rechtsprechung gewählte Lösung für ein dem alten System immanenten Problem auch als diesem System konform und gerecht werdend 157
BeckOKBGB/Faust § 434 Rn. 16. BT-Drucks 14/6040, S. 212. 159 Kritisch Redeker, NJW 2012, 2471, 2474; vgl. „Wäschetrocknerfall“ in BGH NJW 1985, 2472; NJW 1990, 1659 über unrichtige Angaben zur Einfuhrumsatzsteuerpflicht; vgl. auch NJW 1977, 1538,1539, dass bei einer Anwendung der c i c. dem Käufer die Möglichkeit verbleibe „Ersatz des Vertrauensschadens unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens beim Vertragsschluss zu verlangen, ohne dabei der kurzen Verjährung des § 477 BGB unterworfen zu sein.“; dazu auch Staudinger/Honsell § 459 BGB Rn. 37: „Zu beachten ist freilich, dass der BGH den Fehlerbegriff oft wohl nur deshalb einengt, um Raum für die c i c. zu gewinnen, wenn die Zubilligung eines Anspruchs gerechtfertigt erscheint, die Sachmängelansprüche aber verjährt oder ausgeschlossen sind.“ 160 So plastisch Lorenz, in: FS Heldrich, S. 310. 161 MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 9. 162 Grundlegend RGZ 67, 86, 87. 163 Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305, 310. 158
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bewertet werden kann. Die kritische Haltung des Schrifttums, insbesondere der Vorwurf der Konturenlosigkeit lässt daran zweifeln. b) Die Rechtslage im neuen Recht Mit der umfassenden Neuregelung des Gewährleistungsrechts, wie etwa die Einebnung der Unterscheidung zwischen Fehlern und zugesicherten Eigenschaften (§ 434 BGB)164, die Erhebung der Mangelfreiheit als Hauptleistungspflicht (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB), der Schadensersatzanspruch bereits bei Fahrlässigkeit (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 S. 2 BGB), die Erweiterung der Verjährung auf zwei Jahre (§ 438 Abs.1 Nr. 3 BGB), wurde die Rechtstellung des Käufers erheblich verbessert. Zumindest sind die vordergründigen Rechtfertigungsgründe entfallen, die im alten Recht zu einer solch engen Anwendung des Gewährleistungsrechts geführt haben. Die Ursachen des dem System immanenten Problems sind also im Wesentlichen behoben worden. Ein anderes und damit weiter bestehendes Problem ist jedoch, wie weit der Begriff der Beschaffenheit im neuen System der §§ 433 ff. BGB zu verstehen und wie er bei der entsprechenden Anwendung auf den Unternehmenskauf gem. § 453 Abs. 1 BGB auszulegen ist. Hier gilt es den im Mittelpunkt des Gewährleistungsrechts verankerten Begriff der Beschaffenheit systemkonform auszulegen und zu einer systemimmanenten Lösung zu kommen. aa) Diskussionsstand Mit der Schuldrechtsmodernisierung wurde im Gewährleistungsrecht die gesetzliche Differenzierung von Fehlern und zugesicherten Eigenschaften aufgehoben und der Sachmangel anhand des Beschaffenheitsbegriffs (§ 434 BGB) neu kodifiziert. Auch der BGH hat aus der Einebnung der früheren Unterscheidung Konsequenzen gezogen und im Vergleich zum alten Recht den Sachmangelbegriff erheblich erweitert. In seiner jüngsten Entscheidung bestätigt das Gericht seine bisherige Rechtsprechung, dass die über Bewirtschaftung eines Grundstücks erzielbaren Mieterträge, also die Ertragsfähigkeit eines Grundstücks, eine sachmangelbegründende Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB darstellen kann165 : „Da durch die Neuregelung des Gewährleistungsrechts in der Schuldrechtsmodernisierung die Unterschiede im früheren Recht zwischen den Fehlern (§ 459 Abs. 1 BGB a.F.) und zusicherungsfähigen Eigenschaften (§ 459 Abs. 2 BGB a.F.) eingeebnet (BT-Drucks. 14/ 6040, S. 210) und die Möglichkeiten für eine privatautonome Vereinbarung dessen, was der 164 Vgl. auch BT-Drucks 14/6040, S. 212 f., mit dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, die bisherige Unterscheidung wegen ihrer Schwierigkeit und Unsicherheit zu beseitigen und einen einheitlichen Maßstab anhand des Begriffes der Beschaffenheit zu schaffen, dessen Definition jedoch bewusst offengelassen wurde. 165 BGH NJW 2011, 1217,1218.
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Verkäufer nach § 433, § 434 BGB als Erfüllung des Vertrags schuldet, erweitert werden sollten […] kann jedenfalls jede nach früherem Recht zusicherungsfähige Eigenschaft einer Sache im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB a.F. nunmehr eine Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB sein.“
In einer weiteren Entscheidung wird der weite Begriff der Beschaffenheit wie folgt erfasst166 : „Als Eigenschaften einer Sache sind neben ihrer physischen Beschaffenheit alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse anzusehen, welche die Beziehung der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen […]. Vor diesem Hintergrund gehören die Beziehungen der Kaufsache zur Umwelt jedenfalls dann zu ihrer Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB, wenn sie in irgendeiner Weise mit ihren physischen Eigenschaften zusammenhängen.“
Diese Auffassung wird auch weitgehend von der Mehrheit im Schrifttum unterstützt.167 Die Vertreter eines weiten Beschaffenheitsverständnisses, machen die Beschaffenheit nicht von einer dauerhaften Anhaftung an der physischen Verfassung abhängig: Umstände, die in der physischen Zusammensetzung der Sache ihre Ursache haben, werden denen aus Umweltbeziehungen ohne Einschränkung gleichgestellt. Zum Anlass von verschuldensunabhängigen Nacherfüllungsansprüchen und Umgestaltungsmöglichkeiten des Käufers soll nicht verengend darauf abgestellt werden, ob ein Umstand der Kaufsache auf Dauer anhaften muss, sondern das objektive Verhältnis von Leistung und Gegenleistung maßgeblich sein.168 Während die Voraussetzung der Dauerhaftigkeit überwiegend abgelehnt wird169, wird von der Mehrheit der Literaturstimmen verlangt, dass mangelbegründende Umstände gegenwärtig zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegen müssen.170 Die Gegenansicht versteht unter der Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB körperliche Eigenschaften der Sache und außerdem sonstige Umstände tat-
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BGH NJW 2013, 1671, dass ein zu Wohnzwecken genutztes Grundstück mit einem Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB behaftet ist, wenn es von Grundwasser durchströmt wird, das mit Giftstoffen (Cyanide) belastet ist. 167 Siehe nur MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 9 f.; Staudinger/Matusche-Beckmann § 434 BGB Rn. 42; BeckOKBGB/Faust § 434 Rn. 21; Palandt/Weidenkaff, § 434 BGB Rn. 12 mit jeweils w. N. 168 MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 9. m.w.N. 169 Lorenz, LMK 2011, 314163; BeckOKBGB/Faust § 434 Rn. 24. m.w.N.; a.A. Huber, AcP (201) 2002, 179, 228. 170 MünchKommBG/Westermann § 434 Rn. 12; BeckOKBGB/Faust § 434 Rn. 24; Staudinger/Matusche-Beckmann § 434 BGB Rn. 47: Das Gesetz stelle ausschließlich auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs ab, eine Eingrenzung sei auch nicht mit dem subjektiven Fehlerbegriff vereinbar und führe zudem zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten; jeweils m.w.N.; a.A. Ostendorf, JZ 2011, 822, 826, dass das Vorliegen des Mangels zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht konstitutiv sei.
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sächlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Art, die der Kaufsache als solcher auf Dauer anhaften.171 Grigoleit/Herresthal verlangen gerade für solche dem Gewährleistungsrecht zugrunde liegenden Wertungskriterien einen spezifischen Zusammenhang mit der Sache, die sie wesentlich durch deren Beschaffenheit geprägt sehen 172 : Die von den Parteien geäußerten Vorstellungen über die Sachbeschaffenheit oder ihrer typischen Erwartungen an diese sollen den wirtschaftlichen Zweck des Rechtsgeschäfts, nämlich die subjektive Äquivalenz der Leistungen und die Preisgestaltung (Äquivalenzgedanke) prägen. In der Verkörperung bestimmter Eigenschaften in der Sache sehen sie die wichtige Funktion, objektiv-vertragswesentliche Erwartungen von lediglich subjektiv erheblichen Motiven abzugrenzen. Die spezifische Verantwortlichkeit des Verkäufers für Beschaffenheitsabweichungen leiten sie dann aus einem weiteren Wertungsgesichtspunkt ab: Der Kontrollbzw. Informationsvorsprung des Verkäufers, der sich gerade aus dem spezifischen Zusammenhang zur Körperlichkeit der Sache ergibt. In der physischen Beherrschung bzw. Beherrschbarkeit sei eine besonders verlässliche Kontroll- bzw. Informationsmöglichkeit gegeben. Schließlich tritt als letztes Kriterium die Vereinfachungsfunktion des § 434 Abs. 1 BGB hinzu: Für den Warenkauf, der ein geringes Maß an individuellen vertraglichen Abreden erfordere, sei eine Typisierung der Parteierwartungen vereinfacht möglich, so dass ihre Verankerung im Gesetz zu einem vereinfachten Vertragsschluss führen. Wieder wird in der Kaufsache ein klarer Bezugspunkt für die Verkehrserwartungen und deren wirklichkeitsnahe Rekonstruktion beim fehlenden konkreten Parteiwillen gesetzt. Insbesondere im Bereich des Sachkaufs, also im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 434 BGB sehen sie in den physischen Merkmalen der Kaufsache die wertungsmäßigen Grundlagen des Gewährleistungsrechts verwirklicht.173 Gegenüber der herrschenden Meinung nehmen sie auch in jenen Fällen, wo Umweltbeziehungen der Sache in Frage stehen, die physischen Merkmale zum Anknüpfungspunkt, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung nur dann angenommen wird, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Beschreibung der Umweltbeziehungen durch den Verkäufer bzw. die (stillschweigende) Erwartung des Käufers 171 Huber, AcP 202 (2002), 180, 226; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 122,124; Erman/ Grunewald § 434 Rn. 3 verlangt, dass der Fehler zumindest an die physischen Eigenschaften anknüpft; den Bezug zu den körperlichen Merkmalen betonend auch Ostendorf, JZ 2011, 822, 823 f, woraus jedoch der entscheidende Unterschied zur jetzigen Rechtsprechung nicht deutlich wird, da der BGH auch an einem – wenn auch einen erheblich erweiterten – „mittelbaren“ Zusammenhang der äußeren Verhältnisse mit den physischen Eigenschaften der Sache festhält. Insoweit kann von der überwiegenden Meinung auch nicht angenommen werden, dass sie einen „mehr oder weniger [uneingeschränkten] subjektiven Mängelbegriff“ vertrete, so Ostendorf, weil explizit ein Bezug zum Zustand der Sache verlangt wird. Siehe nur Canaris, in: FS Georgiades, S. 84 f. 172 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 121. 173 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 124.
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gerade bestimmte physische Merkmale der Sache voraussetzt, mithin die Umweltbeziehungen an bestimmte physische Merkmale anknüpfen.174 bb) Stellungnahme Der Begriff der Beschaffenheit dient als entscheidendes Kriterium im System des neuen Gewährleistungsrechts. Es geht um den Zustand der Sache, der dann vertragsgemäß ist, wenn der tatsächliche Istzustand dem vertraglich vereinbarten oder vorausgesetzten Sollzustand entspricht.175 Zu berücksichtigen ist die im § 434 BGB verankerte Grundsatzentscheidung, zwischen subjektivem und objektivem Fehlerbegriff zu unterscheiden. Nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt sich die Beschaffenheit der Kaufsache nach dem Parteiwillen; ein Mangel liegt vor, wenn die Sache von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Dieses bedeutet zugleich, dass die Dispositionsfreiheit bezüglich dessen, was man zum Gegenstand der Vereinbarung macht, insoweit eingeschränkt wird, dass ein Zusammenhang zur Beschaffenheit der Sache bestehen muss.176 Warum der Parteiwille bei der Bildung des subjektiven Äquivalenzverhältnisses zusätzlich durch das Erfordernis eines physischen Anhaftens der Umweltbeziehung an die Sache eingeschränkt werden soll, ist nicht einleuchtend. 174
Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118,124, dass etwa keine Beschaffenheitsangabe des Verkäufers vorliege, wenn dieser unzutreffend behauptet, mit dem von ihm vertriebenen Produkt seien bestimmte Steuervorteile verbunden. Der Hinweis auf den Steuervorteil ändere grundsätzlich nichts an den Erwartungen des Käufers hinsichtlich der physischen Beschaffenheit der Sache. Anders seien jedoch Begünstigungen bei der Kfz-Steuer zu behandeln, wenn diese von bestimmten Abgaswerten abhängig gemacht wurden. Entsprechen diese Werte dem aktuellen Industriestandard, so gehöre eine entsprechende technische Ausrüstung zur Normalbeschaffenheit eines Neuwagens; a.A. etwa Jauernig/Berger Chr. § 434 BGB Rn. 7, dass die Steuerfreiheit und Möglichkeit erhöhter Abschreibung trotz ihres fehlenden körperlichen Bezugs zur Sache eine Beschaffenheit darstelle. 175 Ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. NJW 1955, 340; NJW 1983, 2242, NJW 1984, 2287, dass ein Fehler dann vorliegt, wenn der tatsächliche Zustand der Sache von dem im Kaufvertrag vereinbaren abweicht und diese Abweichung den Wert der Sache oder ihre Tauglichkeit zu den gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder mindert. Über ihre Gültigkeit im neuen Recht siehe BGH NJW 2013, 1671, 1672: „Als Eigenschaften einer Sache sind neben ihrer physischen Beschaffenheit alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse anzusehen, welche die Beziehung der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen.“ 176 Ähnlich: MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 9; vgl. auch Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 123, dass insoweit der im Schrifttum teilweise vorgeschlagene uneingeschränkt subjektiver Mangelbegriff, den Mangel auf alle Abweichungen von der vertragliche Vereinbarung zu erstrecken nicht mit dem Wortlaut von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vereinbar sei, weil diese Vorschrift auf die Beschaffenheit der Sache Bezug nehme und der Begriff der Beschaffenheit auf einen spezifischen Zusammenhang zwischen dem mangelbegründenden Umstand und der Sache hindeute.
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Mit der Einebnung der früheren Unterscheidung zwischen Fehlern (§ 459 Abs. 1 BGB a.F.) und zugesicherten Eigenschaften (§ 459 Abs. 2 BGB a.F.) äußerte der Gesetzgeber seinen klaren Willen, solche mit dieser Unterscheidung verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten zu beheben. Die zur Beschaffenheit gehörenden Umweltbeziehungen auf jene zu beschränken, die unmittelbar an der physischen Substanz der Sache anhaften, würde die Probleme des alten Rechts wieder in das neue Recht implantieren. Wie der BGH deutlich macht, qualifizieren sich Umweltbeziehungen der Kaufsache als Beschaffenheit i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn sie in „irgendeiner Weise mit ihren physischen Eigenschaften zusammenhängen“177. Das Element der Beschaffenheit der Sache gewinnt darin eine Bedeutung, dass Umstände, sei es durch ihren physischen Bezug oder als Umweltbeziehung, in der Sache selbst ihren Grund haben.178 Eine solche Auslegung wird der Funktion des Beschaffenheitsbegriffes, der Sachmangelhaftung klare Grenzen zu ziehen, hinreichend gerecht.179 Eine Implikation des anhaftenden Körperlichkeitselements würde entgegen dem Gedanken des Vorrangs des Parteiwillens die Dispositionsfreiheit der Parteien über den Vertragsgegenstand unnötig eingrenzen.180 Schwieriger kann die Bewertung ausfallen, wenn man die Bildung des objektiven Äquivalenzverhältnisses anhand des objektiven Fehlerbegriffes gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB berücksichtigt. Tatsächlich ist der Inhalt der objektiven Merkmale, dass die Sache sich „für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann“ nicht einfach zu erschließen. Grigoleit/Herresthal knüpfen die Notwendigkeit der Anknüpfung an physische Merkmale daran, dass diese Eigenschaften gerade die vereinfachte Typisierung jener Eigenschaften ermöglichen, welche wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit und den Wert der Sache beeinträchtigen. Nimmt man jedoch die im Gesetz vorgegebenen Kriterien für das Vorliegen eines objektiven Fehlers zur Hand, so wird ersichtlich, dass die Typisierung nicht anhand körperlicher Eigenschaften erfolgt, sondern aus der gewöhnlichen und verkehrs-
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BGH NJW 2013, 1671. Vgl. die alte Rechtsprechung über die zusicherungsfähige Eigenschaft, wie etwa BGH NJW 1991, 2556: „Zusicherungsfähige Eigenschaften einer Kaufsache i. S. von § 459 Abs. 2 BGB sind auch ihre wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zur Umwelt, sofern sie Brauchbarkeit oder Wert der Sache beeinflussen; jedoch müssen die rechtlichen Umweltbeziehungen in der Sache selbst ihren Grund haben, insbesondere dürfen sie nicht an Umstände in der Person des Erwerbers anknüpfen.“ 179 Vgl. auch MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 10, dass das Element der Beschaffenheit unter diesen Umständen zur Eingrenzung der verschuldensunabhängigen Gewährleistung diene. 180 Vgl. auch Art. 3 Abs. 1 VerbrGKRil, der die Käuferrechte bei „jeder(r) Vertragswidrigkeit“ einräumt, dessen Bewertung sich unter anderem am subjektiven Parteiwillen (Art. 2 a, b VerbrGKRil) orientiert; ähnlich wie hier Hassel, S. 47. 178
§ 2 Die Grenzziehung der Aufklärungspflicht im Due Diligence Prozess
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üblichen Funktion, die der Sache in seinen rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu seiner Umwelt zukommt. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB stellt nicht nur auf verkehrsübliche Qualitäten der Sache, sondern kumulativ181 auf die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und der objektiv berechtigten Käufererwartung ab. Allein dieser Maßstab macht deutlich, dass die Typisierung sich nicht an der Körperlichkeit bestimmter Merkmale orientiert, sondern an Umständen, die sich aus dem Vergleich der Kaufsache mit anderen Sachen mit gleichem Verwendungszweck und in derselben Preisklasse ergeben182 Dieses wird freilich der Funktion des objektiven Fehlerbegriffs gerecht, da es gilt den fehlenden konkreten Parteiwillen mit Hilfe von objektiven Verkehrserwartungen zu rekonstruieren. Da dieser Wille bei einem Sachkauf auf die Sache als körperlichen Gegenstand gerichtet ist, liegt es nahe, dass Eigenschaften die eine Normbeschaffenheit darstellen einen körperlichen Bezug zur Sache haben. Dadurch wird jedoch in keiner Weise der körperliche Bezug weder vom Gesetz noch diesem zugrundeliegenden Wertungskriterien – wie von Grigoleit/Herresthal angenommen – präjudiziert. Diese mögen zwar leichter übliche oder gewöhnliche Eigenschaften darstellen, die gesetzlichen Maßstäbe der Typisierung machen jedoch gerade die Möglichkeit vom Entgegengesetzten deutlich. Die Betonung und die Berechtigung zum „Quasi-Parteiwillen“ beim objektiven Fehlerbegriff liegt im „Objektiven“, im „Durchschnittlichen“ und im „Gewöhnlichen“, das sich aus der Art der Sache und aus den Verkehrskreisen, denen der Käufer angehört, ableitet.183 Entscheidend ist, wie der „relevante Markt“ abgegrenzt, die Rolle des Käufers (Verbraucher oder professioneller Nutzer) definiert und die objektive Berechtigung von Erwartungen nach dem allgemeinen Stand der Technik bewertet werden.184 Die Körperlichkeit vermag hierbei kein einschlägiges Abgrenzungskriterium zu stellen. Demnach können Umstände, wie etwa die Unverbaubarkeit eines Grundstücks,185 oder erhebliche Geruch-186 oder 181 So zuletzt BGH, Urteil vom 30. November 2012 – V ZR 25/12; zur Zweispurigkeit des objektiven Fehlerbegriffs siehe auch die Anm. von Lorenz auf http://www.stephan-lorenz.de/; MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 24 spricht genauer von drei kumulativen Maßstäben, die im Einzelnen nicht immer scharf voneinander zu trennen seien. 182 MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 25. 183 Palandt/Weidenkaff, § 434 BGB Rn. 27. 184 MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 25. 185 BGH NJW 1993, 1323; hierzu Ostendorf, JZ 2011, 822, 823, der auch bei der Unverbaubarkeit des Nachbargrundstücks die Lage des Grundstückes und damit letztlich auch dessen physische Beschaffenheit als entscheidend ansieht. Maßgeblicher Umstand hier ist tatsächlich die Lage des Nachbargrundstücks, die durch ihre unmittelbare Angrenzung zum verkauften Grundstück dessen Sichtverhältnisse und damit seine Brauchbarkeit und Wert negativ beeinflussen kann. Körperliche Merkmale in diesem Zusammenhang sind jedoch allein durch die Tatsache gegeben, dass es sich beim Grundstück um eine körperliche Sache handelt, weder bei den Sichtverhältnissen des Grundstücks, noch bei der Unbebaubarkeit des Nachbargrundstücks bestehen irgendwelche körperliche Bezüge zum Grundstück, noch sind diese bei der Bewertung der Mangelhaftigkeit von irgendeiner Bedeutung. Vgl. BGH NJW-RR 1988, 10, 11, demzu-
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
Lärmimmissionen,187 die bei isolierter Betrachtung nicht unmittelbar in der körperlichen Sache liegen, sich jedoch durch ihren Bezug zum Zustand der Sache kennzeichnen, auch als Normbeschaffenheiten anerkannt werden. Schließlich überzeugt auch das Argument nicht, dass der Kontroll- bzw. Informationsvorsprung des Verkäufers sich gerade aus dem spezifischen Zusammenhang zur Körperlichkeit der Sache ergebe und diese der Grund für die spezifische Verantwortlichkeit des Verkäufers für Beschaffenheitsabweichungen sei. Denn der Kontroll- bzw. Informationsvorsprung, den sie zu Recht als Rechtsfertigungsgrund für die erhöhte und erleichterte Verantwortlichkeit sehen, beruht nicht auf Eigenschaften der Sache, deren Körperlichkeit eine bessere Beherrschung bzw. Beherrschbarkeit ermöglichen sollen, sondern auf Eigenschaften des Verkäufers als Eigentümer und über sein Recht, über die Sache nach eigenen Willen frei zu verfügen und von ihr Gebrauch zu machen.188 Die sich daraus ergebenden Erfahrungswerte sind nicht auf den körperlichen Zustand der Sache zu beschränken, sondern können sich durchaus aus Umständen ergeben, die außerhalb der Sache liegen und in irgendeiner Weise mit der Sache, ihrer Brauchbarkeit und ihrem Wert in Bezug stehen.189 Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Beschaffenheit alle Umstände umfasst, die in irgendeiner Weise mit dem physischen Zustand der Kaufsache zusammenhängen und fähig sind, ihren Wert und Brauchbarkeit zu beeinflussen. Insoweit, dass ein Zusammenhang zur Sache besteht, ist ein dauerhaftes Vorliegen irrelevant. Ausreichend ist, wenn die mangelbegründenden Umstände gegenwärtig zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegen.
folge es bereits nicht zweifelsfrei erscheint, ob Geruchsbeeinträchtigungen durch eine Kläranlage in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben, weil es die Lage des Kaufgrundstücks in der Nähe des Klärwerks ist, die zu der Geruchsbeeinträchtigung führt. 186 BGH NJW-RR 1988, 10. 187 OLG Köln NJW-RR 1995, 531: „Eine Lärmexposition, die sich aus der Lage des Grundstücks in der Einflugschneise eines Flughafens ergibt, ist ein dem Grundstück innewohnender Umweltbezug, denn er wirkt sich nach der Verkehrsauffassung dauerhaft auf die Wertschätzung der Sache selbst aus.“ 188 Ähnlich Gaul, ZHR 2002, 35, 48 bezüglich Angaben zu Umsatz, Ertragsfähigkeit, Gewinn oder sonstigen Unternehmenskennzahlen, dass es der Verkäufer selbst in der Hand habe, diese aus seiner Einflusssphäre stammenden Daten zu kontrollieren, deshalb auch die bedeutsame Ausweitung des Mangelbegriffs gerechtfertigt ist. 189 Wie etwa die Geruch- oder Lärmimmissionen, worüber der Verkäufer einen Informationsvorsprung hat und Erfahrungswerte vermitteln kann, weil er als Eigentümer des Grundstücks diese selbst erfahren hat.
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IV. Die entsprechende Anwendung des § 434 BGB auf den Unternehmenskauf gem. § 453 Abs. 1 BGB 1. Ausgangslage Die Lösung der Haftungsfrage beim Unternehmenskauf mit der analogen Anwendung des Sachmangelgewährleistungsrechts reicht bis zu den Zeiten des Reichsgerichts zurück.190 Der BGH schloss sich grundsätzlich dieser Linie an, stets vorausgesetzt, dass der Mangel sich auf den Wert oder die „Brauchbarkeit“ des Unternehmens im Ganzen bezieht.191 Erst seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde vom BGH die Haftung aus culpa in contrahendo als zusätzlicher Rechtsbehelf hinzugezogen, der vor allem bei fahrlässig falschen Zahlenangaben bezüglich Umsatz, Ertrag oder einzelner Bilanzpositionen zu einer Ausweitung der Haftung des Verkäufers führte, auch wenn sie nicht ausdrücklich zugesichert waren.192 Während unrichtige Bilanzanzahlen und falsche Angaben über Umsatz und Verbindlichkeiten keinen Mangel i.S. d. § 459 Abs. 1 BGB a.F. darstellten193, wurde die durchschnittliche Ertragsfähigkeit eines Unternehmens als potenziell mangelbegründend angesehen.194 Die enge Auffassung des Beschaffenheitsbegriffes führte zu einer weitgehenden „Marginalisierung“ der Sachmangelhaftung und einer Erweiterung der Verkäuferhaftung durch die zweite Spur aus culpa in contrahendo.195 Mit der Schuldrechtsmodernisierung sollten die Probleme des alten Systems, die die bisherigen Schwierigkeiten der Rechtsprechung auch und gerade beim Unternehmenskauf verursacht hatten, behoben werden. Optimistisch und voller Zuversicht geht die Regierungsbegründung zum § 453 Abs. 1 BGB n.F. davon aus, dass die Unterschiede, welche den BGH dazu veranlasst hatten, die Haftung für Falschangaben bzw. die unterlassene Aufklärung über den Ertrag des verkauften Unternehmens nicht nach den Vorschriften über die Sachmängelhaftung, sondern nach den Regeln über das Verschulden bei Vertragsanbahnung zu beurteilen „weithin entfallen [sind], da diese [i. e. Vorschriften des Kaufrechts] dem Käufer ein Nachbesserungsrecht gewähren, ihm ein Schadensersatzanspruch auch bei Fahrlässigkeit des
190 Grundlegend RGZ 63, 57 (der durchschnittliche Wochenverdienst eines Fisch- und Delikatessengeschäfts als eine zusicherungsfähige Eigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB a.F.); RGZ 67, 86 (die verkaufte Fremdenpension als ein „der Unzucht dienendes Absteigequartier“ mit einem Sachmangel im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB a.F.). 191 Vgl. nur BGH NJW 1979, 33 (Fehlbestände im Inventar eines Gerüstbauunternehmens); BGH WM 1978, 59 (technisch unbrauchbares Gerät). 192 Huber, AcP 202 (2002), 180, 185, vgl. auch bereits oben III.1.a). 193 BGH NJW 1970, 653, 655 mit ausführlichen Nachweisen der Rechtsprechung. 194 BGH NJW 1995, 1547 ff. 195 Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305, 309 ff.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
Verkäufers zustehen kann, die Berechnung der Minderung erleichtert und auch eine angemessene Regelung der Verjährungsfrage bereitgestellt wird.“196 Die naheliegende Annahme, dass die Neuregelungen den Interessen des Unternehmenskaufs gerecht werden und diese die Haftung aus culpa in contrahendo tatsächlich verdrängen, hat sich bisher nicht bestätigt, vielmehr bleibt die Rechtslage unklar und umstritten wie bisher.197 Das weiterhin bestehende Konkurrenzproblem auf der Rechtsfolgenebene kann nur gelöst werden, wenn Rechtssicherheit auf der Tatbestandsebene geschafft wird, wie die Regeln der §§ 433 ff. BGB, insbesondere § 434 BGB, gem. § 453 Abs. 1 BGB auf den Unternehmenskauf „entsprechend“ anzuwenden sind.198 Die in diesem Zusammenhang relevanten Fragestellungen betreffen zunächst die Frage, was unter der Ähnlichkeitsprüfung im Rahmen der analogen Anwendung zu verstehen ist. Danach wird untersucht, wie der Mangelbegriff beim Unternehmenskauf i.V.m. § 434 BGB auszulegen ist. Im Rahmen der Diskussion um den Beschaffenheitsbegriff ist zu prüfen, ob Umsatz- und Bilanzzahlen, sowie die Ertragsfähigkeit von ihr erfasst werden.
196 BT-Drucks 14/6040, S. 242; ferner sieht der Gesetzgeber nach der Reform die wesentlichen Unterschiede zwischen den Haftungsgefügen dadurch entfallen, dass „nichts Entscheidendes“ davon abhänge, ob der Anspruch des Käufers eines Unternehmens auf Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden ist, dass er auf unrichtige Angaben des Verkäufers über Umsatz und Gewinn vertraut hat, auch culpa in contrahendo oder auf die Lieferung einer fehlerhaften Kaufsache gestützt wird, weil sich in beiden Fällen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nach den §§ 280, 281 BGB richteten, vgl. dazu BT-Drucks 14/6040, S. 94. 197 MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 587; Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305, 318, der die Unterschiede weder hinsichtlich der Tatbestände noch auf der Rechtsfolgen eingeebnet sieht. Auf der Tatbestandsebene bleibe es dabei, dass eine Haftung über das Gewährleistungsrecht in Bezug auf die Rückabwicklung des Vertrags bzw. die Minderung kein Vertretenmüssen voraussetze, was für den Bereich des Unternehmenskaufs allgemein als unangemessen empfunden werde. Auf der Rechtsfolgenebene bleibe es bei erheblichen Unterschieden in der Verjährungsfrage. Auch dass die Anwendung der Regeln über die Sachmängelhaftung auch im Falle eines Vertretenmüssens für den Verkäufer zu einer Verschärfung führe, weil sich dann eine Einstandspflicht nicht nur für das negative Interesse, sondern im Rahmen des dann geschuldeten Schadensersatz „statt der Leistung“ (§ 437 Nr. 3 BGB) auch für das positive Interesse ergebe. Damit hätte das Gewährleistungsrecht weiterhin eine haftungsbegrenzende Funktion, so dass auch nach neuem Recht – nicht nur in Bezug auf den Unternehmenskauf – die bisherige „Sperrwirkung“ des Gewährleistungsrechts gegenüber fahrlässigen vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen erhalten bleibe. 198 Zu Recht betont Huber, AcP 202 (2002), 180, 212 den entscheidenden Lösungsweg auf der Tatbestandsebene: Die Probleme der analogen Anwendung des Sachmängelrechts auf den Unternehmenskauf seien weniger durch eine rechtsfolgenorientierte Argumentation, sondern auf der Tatbestandsebene aufzuweisen.
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2. Der Ähnlichkeitsvergleich der „entsprechenden Anwendung“ gemäß § 453 Abs. 1 BGB Der Wortlaut des § 453 Abs. 1 BGB erfasst mit dem Tatbestandsmerkmal „sonstige Gegenstände“ nunmehr auch Unternehmen und schreibt damit deutlich eine Anwendung des Sachmangelrechts auf den Unternehmenskauf vor. Dabei handelt es sich nicht um eine generelle Geltung aller Regelungen, sondern lediglich um deren entsprechende Anwendung. Von Interesse ist daher, ob und inwieweit die Verweisung auf die Sachmängelhaftung die Vorschrift des § 434 Abs. 1 BGB erfasst. Für den hier notwendigen Ähnlichkeitsvergleich werden im Schrifttum unterschiedliche Ausgangspositionen genommen, die sodann zu verschiedenen Reichweiten der Anwendung führen. Zu einer sehr engen Anwendung der Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf kommen Grigoleit/Herresthal, indem sie voraussetzen, dass „die realtypischen Begleitumstände des jeweiligen Geschäfts dem Sachkauf entsprechen [müssen] und zwar im Hinblick auf die Wertungsgesichtspunkte, die der in Frage stehenden Norm zugrunde liegen.“199 Da sie in den Regelungen der §§ 434 ff. BGB dem Kauf von Sachgegenständen angepasste Wertungskriterien verwirklicht sehen, bejahen sie nur eine Anwendung, wenn zwischen den Vergleichsgegenständen „entsprechende“, vor allem „realtypisch“ ähnliche Wertungsgesichtspunkte gegeben sind. Folgerichtig wird eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 434 Abs. 1 BGB auf Kaufverträge, die keine Sache betreffen, dadurch erschwert, da das Sachmangelkriterium wertungsmäßig in spezifischer Weise mit der Körperlichkeit des Kaufgegenstands verknüpft ist. Fehlt es beim Vergleichsgegenstand an körperlichen Merkmalen, so ist nach dieser Ansicht grundsätzlich eine hinreichende Rechtfertigung für die Anwendung des § 434 Abs. 1 BGB und der damit verbundenen Folgen nicht gegeben. Für den Unternehmenskauf kommen sie zu dem Ergebnis, dass alle Störungsursachen ausscheiden, die sich – wie etwa unrichtige Bilanzangaben oder die Ertragsfähigkeit des Unternehmens – nicht als physische Merkmale beschreiben lassen.200 Für die Anwendung des § 434 BGB i.V.m. § 453 Abs.1 BGB kommen grundsätzlich nur Mängel des Sachsubstrats des Unternehmens in Betracht, so dass alles andere der Informationshaftung zugeordnet wird.201 Einen anderen Ausgangspunkt nimmt etwa Lieb schon zu Zeiten des alten Rechts, dass es sich bei der Anwendung der Regeln über den Sachkauf auf den Unternehmenskauf um eine Analogie handele, also eine Ähnlichkeitsprüfung in Abgrenzung
199
Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 124. Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 125. 201 Im hiervon nicht erfassten großen Bereich könne die Haftung auf die Regeln über Rechtsmängel (§§ 435 f. BGB), für arglistig oder fahrlässig erteilte Fehlinformationen und für arglistig verschwiegene Informationen auf culpa in contrahendo oder auch auf selbständige Garantien gestützt werden; ähnlich Huber, AcP 202 (2002), 180, 226 ff. 200
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zu einer Gleichheitsprüfung.202 Es dürfe nicht lediglich subsumiert203 und gefragt werden, ob die hier maßgeblichen bilanziellen Kennzahlen Beschaffenheitsangaben im üblichen Verständnis darstellen, sondern ob diese, für den speziellen Kaufgegenstand Unternehmen maßgeblichen Daten Beschaffenheitsangaben (im Wege des Ähnlichkeitsvergleichs) gleichgestellt werden können.204 Dass diese Umstände sich von den typischen Fehlern einer Sache, die im Rahmen des § 459 BGB a.F. diskutiert wurden, unterscheiden, liege in der Natur der Sache, geht es doch – so Lieb – „nicht um Gleichheit, sondern um Analogie und damit um die gleichsinnige Bestimmung von Umständen, die für den zu beurteilenden besonderen Vertragsgegenstand, hier das Unternehmen, relevant sind. Es ist also das Rechenwerk des Unternehmens auf dem sein Wert bzw. dessen Berechnung beruhen; dort sind die „Eigenschaften“ verzeichnet, die für den Erwerber eines Unternehmens entscheidend sind.“205 Die analoge Anwendung i.S.d. Ähnlichkeits- und gerade nicht des Gleichheitsvergleichs setzt die Abstraktion des Beschaffenheitsbegriffes von der Sache und ihre Modifikation hinsichtlich des Unternehmens voraus. Bei Grigoleit/Herresthal kommt die Anwendung von § 434 Abs. 1 BGB nur insoweit in Betracht, als der Vertrag in einer dem Sachkauf ähnlichen Weise auf einen körperlichen Gegenstand bezogen ist. Die Ähnlichkeitsprüfung hier besteht darin, die Übertragbarkeit des Körperlichkeitselements auf den Gegenstand des Unternehmens zu prüfen, das sie im System des § 434 BGB, also im Begriff, der Beschaffenheit wesentlich verankert sehen. Da das typische Merkmal einer Sache, namentlich ihre Körperlichkeit, beim Vergleichsgegenstand gegeben sein muss, geht der entsprechenden Anwendung hier eine Gleichheit der Gegenstände voraus. Nach diesem Verständnis liegt die Analogie einer Gleichheitsprüfung nahe, die anhand des Körperlichkeitselements durchgeführt wird, welches für das Sachmängelhaftungsrecht typisch ist. Zu Recht weist Thiessen darauf hin, dass hier ein Begriffsmerkmal, das für den Regelfall des Sachkaufs entwickelt wurde, unverändert auf den Unternehmenskauf übertragen werde, ohne sich um die von Gesetzes wegen gebotene „entsprechende“ Anwendung auch nur zu bemühen, an der gerade im geltenden Recht kein Weg vorbeiführe.206 202
Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 264; ähnlich Grunewald, NZG 2003, 372, 373. Kritisch wird auf das schon damals enge Verständnis von Huber über die Beschaffenheit der Sache hingedeutet, vgl. zum alten Recht Soergel/Huber § 459 BGB Rn. 32, zum neuen Recht Huber, AcP 202 (2002), 180, 223 – 229. 204 Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 264 f.; ähnlich zum neuen Recht auch MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 62, dass niemand verlange, unrichtige Bilanzangaben oder die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens als physische Merkmale oder ein Unternehmen als eine körperliche Sache zu begreifen. Deshalb müsse die Beschaffenheit eines sonstigen Gegenstands auch nicht dasselbe sein wie die Beschaffenheit einer körperlichen Sache. 205 Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 266. 206 MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 62. 203
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Wie der BGH in seiner Spruchpraxis abermals bestätigt hat, sind als Beschaffenheit der Sache neben ihren physischen Eigenschaften alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse anzusehen, „welche die Beziehung der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen“207. Im Rahmen der Ähnlichkeitsprüfung ergeben sich folgende Leitfragen für die Beschaffenheit eines Unternehmens: Welche Eigenschaften eines Unternehmens lassen sich als solche bewerten, die den physischen Eigenschaften einer Sache entsprechen? Welche als tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, die die Beziehung des Unternehmens zur Umwelt betreffen und die Brauchbarkeit oder den Wert des Unternehmens beeinflussen? Zu konkretisieren sind also der Zustand des Unternehmens und alle Umstände, tatsächlicher und rechtlicher Art, die mit diesem in irgendeiner Weise in Beziehung stehen. Diese zwar introvertierte jedoch äußere Grenzziehung der Beschaffenheit, die nach der Schuldrechtsreform eine erhebliche Erweiterung erfahren hat, findet auch unter dem Aspekt der begrenzenden Funktion des Beschaffenheitsbegriffes ihre Akzeptanz.208 Umstände, die gänzlich außerhalb des Unternehmens ihre Ursache haben, etwa wenn die Ehefrau des Verkäufers beabsichtigt, ein Konkurrenzunternehmen zu eröffnen209 oder wenn die Verwirklichung von steuerrechtlichen Zwecken des Käufers aus Gründen scheitert, die allein in seiner Person liegen210, stehen in keiner Beziehung zum Kaufgegenstand und sind nicht als Beschaffenheit des Unternehmens zu bewerten. Aus praktischer Sicht vereinfacht sich die Prüfung, wenn man sich die Frage stellt, ob die wichtigsten und umstrittensten Fälle, wie etwa Angaben über Bilanzzahlen oder die daraus ergebende Ertragsfähigkeit eines Unternehmens, von den äußersten Grenzen des Beschaffenheitsbegriffes erfasst werden. Quantitätsmängel wie Fehlbestände oder Mängel an einzelnen Gegenständen des Unternehmens betreffen das Substrat des Unternehmens und bedürfen einer Bewertung unter welchen Umständen sie sich als Unternehmensmängel qualifizieren lassen. Beim Fehlen etwaiger Angaben oder solchen Bilanzangaben, für deren Richtigkeit der Verkäufer nicht aufgrund einer Beschaffenheitsvereinbarung oder einer selbstständigen Garantie haftet, ist auf den objektiven Fehlerbegriff gem. § 434 Abs. S. 2 Nr. 2 BGB abzustellen. Nach der Modifizierung dieser Regel i.S.d. analogen Anwendung gem. § 453 Abs. 1 BGB ist das Unternehmen frei von Mängeln, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Unternehmen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art des 207
BGH NJW 1981, 864 = BGHZ 79, 183; jüngst NJW 2013, 1671. Canaris, in: FS Georgiades, S. 85, dass diese nicht bis zur Konturenlosigkeit ausgeweitet werden dürfe, daher eine Beziehung auf den Zustand des Kaufgegenstands gegeben sein muss. 209 BGH NJW 1987, 909. 210 Canaris, in: FS Georgiades, S. 85. 208
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Unternehmens erwarten kann. Zu untersuchen ist, ob eine „Normbeschaffenheit“ des Unternehmens abgeleitet werden kann, von dessen Abweichen die Begründung einer Erfüllungshaftung des Verkäufers ihre Rechtfertigung findet. Welche Eigenschaften sind typischerweise geeignet, den Wert und die Brauchbarkeit eines Unternehmens zu beeinflussen? Welche sind die typischen Verkehrserwartungen eines Unternehmenskäufers? 3. Falsche Angaben über Unternehmenszahlen a) Diskussionsstand Erfahrungsgemäß wird der Unternehmenskäufer am häufigsten dadurch enttäuscht, dass Umsätze oder Erträge des erworbenen Unternehmens hinter dem zurückbleiben, wie sie aus den vom Verkäufer angegebenen Unternehmenszahlen zu entnehmen waren. Angaben über vergangene Umsätze und Erträge des Unternehmens stellen die wichtigste Grundlage für die Unternehmensbewertung und der Preisbildung dar. Inwieweit das Gewährleistungsrecht auf falsche Angaben über Ertrag und Umsatz des Unternehmens oder sonstige Bilanzangaben anwendbar ist, wird seit jeher kontrovers diskutiert.211 Mit dem weiten Verständnis der Beschaffenheit in § 434 BGB, der sich auch die Rechtsprechung angeschlossen hat, hat sich eine neue Rechtslage hinsichtlich der (gewährleistungs-)rechtlichen Bewertung von Unternehmenskennzahlen ergeben. Einige Stimmen in der Literatur bewerten die neue Linie der Rechtsprechung dahin gehend, dass nunmehr auch Falschangaben über in der Vergangenheit liegende Erträge oder Bilanzzahlen vom Mangelbegriff des § 434 BGB i.V.m. § 453 Abs. 1 BGB aufgefangen werden können.212 Nach einer weit vertretenen Ansicht in der Literatur begründen die bisherigen Umsätze oder Erträge eines Unternehmens die Beschaffenheit eines Unternehmens.213 Dies entspreche der am subjektiven Fehlerbegriff orientierten Konzeption von § 434 Abs. 1 BGB. Das im Grundsatz subjektive Verständnis der Beschaffenheit erlaube es, im Hinblick auf die Beschaffenheitsvereinbarung die Vorstellungen der Parteien über die Eignung des verkauften Unternehmens für den intendierten Erwerbszweck als rechtlich erheblich anzuerkennen.214 Dem Begriff der Beschaffen-
211 Vgl. nur die Diskussionen zum alten Recht MünchKommHGB/Lieb 2. Aufl., Anh. § 25 Rn. 53 ff. 212 Zustimmend MünchKommBGB/Westermann § 434 Rn. 9; Redeker, NJW 2012, 2471, 2474; a.A. Ostendorf, JZ 2011, 822, 824 ff. 213 Gaul, ZHR 2002, 35, 46 ff.; Lorenz, in: FS Heldrich, S. 319 f.; Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 85; MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 25; MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 62; bedingt BeckOKBGB/Faust § 434 Rn. 26. 214 MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 25.
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heit sei Genüge getan, da Umsatz und Ertrag auch bei sehr kurzen Perioden etwas über den Zustand des Unternehmens aussagen können.215 Gaul bewertet die erzielten bzw. erzielbaren Erträge und Umsätze – ähnlich dem Kraftstoff des Autos – als wesentliche Merkmale für das ordnungsgemäße Funktionieren eines Unternehmens, da diese insbesondere im Lichte des Erwerbszwecks des Käufers zu bewerten seien.216 Dieser erwerbe das Unternehmen regelmäßig mit dem Ziel, es im Rahmen seiner unternehmerischen Planung gewinnbringend einsetzen zu können. Der Unternehmenswert bestimme sich aus Käufersicht und primär nach den voraussichtlich erzielbaren Erträgen, so dass es geradezu geboten sei, die unternehmensspezifischen Kennziffern wie Umsatz, Gewinn oder Ertragsfähigkeit als die für den Unternehmenskauf entscheidenden wertbildenden Faktoren zu betrachten217 und sie als Beschaffenheit des Unternehmens einzuordnen. Entscheidende Unterschiede dieser Ansichten sind in der Frage zu erkennen, welche Anforderungen an das Verhältnis der Angaben zum Zeitpunkt der Gefahrübergangs gem. § 434 BGB zustellen sind. Nach Westermann bedarf es nicht mehr einer Unterscheidung danach, ob Unternehmenszahlen den gegenwärtigen Stand oder vergangene Umsätze und Erträge abbilden.218 Dieser beruft sich auf das Prinzip der Bilanzkontinuität, wonach sich die aktuellen Zahlen aus denen der Vorjahre entwickeln lassen, so dass für den prüfenden Käufer gerade die Nachhaltigkeit der Verhältnisse über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren von großer Aussagekraft seien.219
215
Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 86, dass das Problem sich außerdem ohnehin auf der Rechtsfolgenebene entschärfe, weil bei einer Angabe, der wegen der Kürze des betreffenden Zeitraums keine Aussage zukommt, der Rücktritt an der Erheblichkeitsschwelle in § 323 Abs. 5 S. 2 BGB scheitern werde; einen Minderungswert werde der Unternehmenskäufer kaum beweisen können, so dass auch eine Minderung ins Leere gehen werde. 216 Gaul, ZHR 2002, 35, 46 f. 217 Verweisend auf BGH NJW 2001, 2163. 218 MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 31. 219 Ähnlich auch Gaul, ZHR 2002, 35, 49 der verlangt, dass die Angaben zu den unternehmensspezifischen Kennzeichen nach der gemeinsamen Vorstellung der Parteien Bedeutung für den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit des Unternehmens zum Zeitpunkt seiner Übertragung haben müssen. Dieser Bezug ergebe sich etwa daraus, dass aus den (durchschnittlichen) Zahlen der Vergangenheit auf den künftigen Umsatz oder Ertrag geschlossen werde. Zugleich wird jedoch ein unmittelbarer Bezug der Unternehmenskennziffern auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs abgelehnt, da es genüge, wenn die Parteien aus den Angaben zu einem oder mehreren Stichtagen vor dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf bestimmte Eigenschaften der Kaufsache schließen können, die bis zur Übertragung nicht mehr verloren gehen bzw. keine wesentliche Änderung mehr erfahren; a.A. Grunewald, Die Grenzziehung zwischen Rechtsund Sachmängelhaftung beim Kauf, S. 75 f., 102 f.), dass eine zuverlässige Beschreibung der augenblicklichen Ertragslage der Kaufsache nur möglich sei, wenn die Ertragslage nicht steten Schwankungen unterliege und dass Ertragsangaben sich auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs beziehen müssten.
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Faust indes sieht gerade durch das Erfordernis der Gegenwärtigkeit, d. h. die zeitliche Voraussetzung „bei Gefahrübergang“ in § 434 BGB, die Anwendung des Sachmängelrechts erschwert, da Unternehmenskennzahlen kaum je für den Tag des Gefahrübergangs, sondern jeweils nur für die vergangene Periode angegeben werden können.220 Der Käufer wisse, dass diese Kennzahlen für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht zutreffen, sondern die Entwicklung des Unternehmens in der Vergangenheit widerspiegeln und verwende sie als Basis für eine Prognose über die zukünftige Entwicklung, von der er seine Kaufentscheidung abhängig mache. Darin sei jedoch der typische Fall der Willensbeeinflussung und damit der culpa in contrahendo gegeben. Den Parteien stehe es jedoch frei, nach Wunsch durch entsprechende Vereinbarung das Gewährleistungsrecht eingreifen zu lassen221, für das dann konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen.222 Eine Angabe über die gegenwärtige Beschaffenheit des Unternehmensvereinbarung sei dann gegeben, wenn etwa vereinbart wird, dass das Eigenkapital bis zum Gefahrübergang oder dem vereinbarten Stichtag (Closing) nicht unter einem bestimmten Betrag fallen darf oder der Vertrag eine Klausel enthält, dass das Geschäft seit dem letzten Bilanzstichtag „in the ordinary course of business“ geführt wurde und nur Verbindlichkeiten in diesem Rahmen begründet wurden. Den Gegenpol zu diesen Ansichten bilden unter anderem die Auffassungen von Huber und Grigoleit/Herresthal. Huber ist der Ansicht, dass die bilanziellen Kennzahlen, die dem Unternehmenskauf in aller Regel zugrunde liegen und vor allem den Wert des Unternehmens und damit den Kaufpreis determinieren, ihrer Art nach nicht geeignet seien, die Beschaffenheit eines Unternehmens zu bestimmen und zwar selbst dann nicht, wenn sie sich auf einen längeren Zeitraum beziehen.223 Als weiterer Grund zum neuen Recht wird genannt, dass der Beschaffenheitsbegriff des § 434 BGB in Abs. 1 S.2 Nr. 1, 2 einen objektiven Kern habe, wonach der Verkäufer auch für den Fall haften müsse, wenn keine Beschaffenheit vereinbart wurde.224 Unternehmen wiesen keine Standardbeschaffenheit auf, so dass die objektive Verkäuferhaftung beim Unternehmenskauf nicht passe. Bei der Haftung des Unternehmensverkäufers ginge es um 220
BeckOKBGB/Faust § 434 Rn. 26. Ähnlich Staudinger/Matusche-Beckmann, § 434 BGB Rn. 150, dass ohne eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung der Ertrag oder der Umsatz eines Erwerbsgeschäftes keinen Sachmangel darstelle. Auch begründe eine unrichtige Bilanz keinen Mangel des verkauften Unternehmens. 222 A.A. etwa MünchKommHGB/Lieb, 2.Aufl., Anh. § 25 Rn. 80, der unter dem Aspekt der Auslegung aus dem Empfängerhorizont dem Verhalten des Veräußerers, der Bilanzen vorlegt, einen zusätzlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert für die Beschaffenheitsvereinbarung entnimmt; vgl. dazu auch Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118,125 f. 223 Im Gegensatz zur insoweit großzügigeren Rechtsprechung des BGH zum alten Recht, die äußere Umweltbeziehungen, die den Wert und Tauglichkeit der Sache dauerhaft beeinflussten, als zusicherungsfähig gem. § 459 Abs. 2 BGB a.F. anerkannte; näheres zum alten Recht Soergel/Huber § 459 BGB Rn. 32. 224 Huber, AcP 202 (2002), 180, 223 ff. 221
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die Frage, ob und inwieweit der Verkäufer für Informationen hafte, die er gegeben oder unterlassen hat. Dafür sei die Haftung aus culpa in contrahendo sachgerechter als die Gewährleistungshaftung. Gerade beim Unternehmenskauf seien daher falsche Angaben von Bilanzkennzahlen nicht als Mängel des Unternehmens gem. § 434 Abs. 1 BGB zu beurteilen. Entgegen der herrschenden Meinung fordern Grigoleit/Herresthal für die Qualifikation als ein Unternehmensmangel weiterhin einen Bezug zu physischen Merkmalen. Bei Störungen wie die Unrichtigkeit von Bilanzangaben225, die unzureichende Ertragsfähigkeit des Unternehmens oder der schlechte Ruf einer Raststätte fehle ein spezifischer Bezug zum Kaufgegenstand der mit körperlichen Merkmalen einer Sache vergleichbar sei, so dass ein überzeugender Ähnlichkeitsvergleich mit dem Sachkauf im Hinblick auf § 434 Abs. 1 BGB ausscheide.226 Die bisherigen Bilanzangaben über bisherige Erträge mögen zwar für die Preisbildung fundamental sein, ein wesentlicher Unterschied sei jedoch darin zu vernehmen, dass einzelne in der Vergangenheit gründende Bilanzangaben angesichts der Unwägbarkeit wirtschaftlicher Prozesse den aktuellen Zustand des Unternehmens typischerweise nicht im gleichen Maße prägen wie die physischen Merkmale einer Sache.227 Die Ermittlung von Bilanzangaben sei mit einer erheblich höheren Unsicherheit verbunden als die Bestimmung der physischen Merkmale, so dass auch im Hinblick auf die Kontroll- und Informationsmöglichkeit des Verkäufers ein wesentlicher Unterschied zwischen Bilanzangaben und Sacheigenschaften bestünden. b) Stellungnahme Die entsprechende Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts auf den Unternehmenskauf ist zweifelsohne dadurch erschwert, da es hier gilt, zwei von ihrem Wesen nach so unterschiedliche Kaufgegenstände einem Ähnlichkeitsvergleich zu unterziehen. Die Schwierigkeit findet ihren Höhepunkt in der Frage, wie Angaben über in der Vergangenheit liegenden Umsatz und Ertrag des Unternehmens gewährleistungsrechtlich zu behandeln sind, welche gerade die komplexen, wirtschaftlichen Wesensmerkmale des Unternehmens verkörpern. Für die modifizierte Anwendung des Gewährleistungsrechts auf den Unternehmenskauf bedarf es der Berücksichtigung der Besonderheiten des Unternehmens als Kaufgegenstand und der daraus folgenden Besonderheiten der Vertragsgestaltung.
225
Ähnlich Huber, AcP 202 (2002), 180, 227 f. über die Schwierigkeit das Sachmängelrecht auch auf einzelne unzutreffende Zahlenangaben des Verkäufers bezüglich vergangener Stichtage oder Rechnungsperioden zu erstrecken. 226 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 125. 227 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118,125.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
aa) Die Äquivalenzbildung beim Unternehmenskaufvertrag Güter des wirtschaftlichen Verkehrs haben stets einen Preis, mit welcher sie gehandelt werden. In der Marktwirtschaft ergibt der Preis aus dem Zusammentreffen vieler einzelner subjektiver Kosten- und Nutzenschätzungen; sind viele Anbieter und Nachfrager auf dem Markt vorhanden, bildet sich aus den vielfach sehr unterschiedlichen subjektiven Einschätzungen der Marktpreis als eine objektive Größe des zu beurteilenden Gutes.228 Für individuelle, nicht vertretbare Güter, für die es an einer genügend großen Zahl von Anbietern und/oder Nachfragern fehlt, besteht ein solcher „Markt“ nicht, so dass sich die Preisbildung auf einem anderen Wege, wie etwa durch individuelle Verhandlungen, vollziehen muss.229 Beim Unternehmen, das stark von den subjektiven Vorstellungen des Erwerbenden über Zweck und Nutzung des Kaufgegenstands geprägt ist, fehlt es an einem solchen „Markt“, somit an einem objektiv-durchschnittlichen Unternehmenswert, der sich anhand eines Marktpreises festmachen ließe.230 Die Preisbildung beim Unternehmenskauf muss im Rahmen des Vertragsanbahnungsverhältnisses erfolgen, wo die Parteien anschließend dann in einer vertraglichen Einigung die subjektive Wertvorstellung zum Zielunternehmen festhalten. Evident liegen die Schwierigkeiten beim Unternehmenskauf in der Bildung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses, da jedes Unternehmen einer eigenständigen Bewertung bedarf, auf deren Grundlage erst der individuelle Preis ermittelt werden kann. Unternehmenszahlen bilden die fundamentale Grundlage für die Unternehmensbewertung, die der Käufer der Kaufpreisberechnung zugrunde legt. Entscheidend für die Preisbildung beim Käufer ist, dass er sich darüber bewusst wird, welche Bewertungsvoraussetzungen dem geschätzten (subjektiven) Unternehmenswert zugrunde gelegt wurden. Haben sich die Parteien auf einen Unternehmenswert und diesen zahlenmäßig abbildenden Kaufpreis geeinigt, ist zunächst wertungsmäßig ein Äquivalenzverhältnis zustande gekommen, das es gilt, in Form von Leistung und Gegenleistung im Vertrag zu verankern. Steht noch nicht fest, welche Vermögenswerte auf den Käufer übergehen oder der Wert der jeweiligen Güter nicht bestimmt werden kann, wird nur ein vorläufiger Preis 228
Müller, JuS 1973, 603, 604. Müller, JuS 1973, 603, 604. 230 Anderes gilt für den Erwerb von einzelnen Anteilen an einer Aktiengesellschaft, für welche, soweit börsennotierte Papiere betroffen sind, ein vollkommener Markt besteht; vgl. den subjektiv geprägten Preisbildungsmechanismus auf freien Kapitalmärkten Kohl, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 24 Rn. 5: „Der Preis für Unternehmen oder Unternehmensanteile bestimmt sich dagegen auf freien Kapitalmärkten nach Angebot und Nachfrage. In diesem Preis kommen die individuellen Nutzenschätzungen des Erwerbers und Verkäufers zum Ausdruck.“ Für den hier interessanten Unternehmenskauf im Wege des Share Deals, der mit der Übernahme von Anteilen bis zu einer Höhe von 100 % eine selbstbestimmte Fortführung des Unternehmens anstrebt, trifft dieses nicht zu. 229
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vereinbart.231 Der endgültige Kaufpreis wird anhand einer sog. Abrechnungsbilanz bestimmt, die ausschließlich der internen Abgrenzung und Abrechnung zwischen Verkäufer und Käufer dient und feststellt, ob das am Übergangsstichtag übertragene Vermögen auch tatsächlich den vertraglich bestimmten Wert besitzt.232 Sie wird auf der Grundlage von der handels- oder steuerrechtlichen Verkäuferabschlussbilanz erstellt, dann nach den vertraglichen Vereinbarungen ergänzt und verändert.233 Der Saldo von Aktiva und Passiva der Abrechnungsbilanz (Eigenkapital) ergibt den Wert, den das übertragene Vermögen am Stichtag besitzt234, woraus der endgültige Kaufpreis festgelegt wird. Entsprechend dieser Eigenheiten des Unternehmens als Kaufgegenstand haben sich in der Praxis des Unternehmenskaufs besondere Mechanismen der vertraglichen Äquivalenzbildung herausgebildet. Neben den flexiblen Instrumenten der Bestimmung der Leistungspflicht durch Beschaffenheitsvereinbarungen (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) oder verschiedenen Formen von Garantien (§§ 443, 311 BGB) wird die Gegenleistung der Kaufpreiszahlung durch Kaufpreisanpassungsregeln gestaltet. Das Bedürfnis einer Kaufpreisanpassung ergibt wesentlich aus der Dynamik des unternehmerischen Erwirtschaftens. Liegt zwischen Vertragsschluss und tatsächlichem Vollzug ein großer Zeitraum, können verschiedene Gründe für Wertveränderungen, wie temporäre Vollzugssperren235, veraltete Jahresabschlüsse236, unvollständige Bewertungsgrundlagen237 etc. gegeben sein.238 Kaufpreisanpassungen orientieren sich an den Berechnungsgrößen der Unternehmensbewertung. Wurde für die Bewertung des Zielunternehmens die DCFMethode gewählt, so erfolgt häufig eine Kaufpreisanpassung um Veränderungen der Differenz aus Barmitteln und Fremdverbindlichkeiten oder auch um Wertveränderungen des Umlaufvermögens oder des Eigenkapitals.239 231 Semler, in: Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf, Teil VII Rn. 159; häufig wird der vorläufige Kaufpreis mit einer „Cash and debt free“ Klausel verbunden, der später um den Saldo aus Kassenbestand und gewissen Verbindlichkeiten bereinigt wird. 232 Beisel/Klumpp, 11. Kapitel Rn. 37. 233 Beisel/Klumpp, 11. Kapitel Rn. 37. 234 Beisel/Klumpp, 11. Kapitel Rn. 39. 235 Weil etwa noch ein Fusionskontrollverfahren durchzuführen ist oder eine andere öffentlich-rechtliche Genehmigung erlangt werden muss. 236 Das wird man annehmen können, wenn der typische Bilanzaufhellungszeitraum von etwa drei Monaten seit dem letzten Bilanzstichtag vergangen ist; Beisel/Klumpp, 11. Kapitel, Rn. 34 empfehlen deshalb, den Übergangsstichtag möglichst ans Jahresende zu legen, dadurch den Zeitraum zwischen Bewertungs- und Übergangsstichtag bestmöglich zu verkürzen. 237 Rechtliche Schranken der vollständigen Übergabe von Bewertungsunterlagen können etwa beim Verkauf einer Bank gegeben sein, weil das Datenschutzrecht und das zivilrechtlichen Bankgeheimnis eine umfassende Due Diligence nicht zulassen. 238 Vgl. im Einzelnen Brusky, BB 2005, BB-Special 7 Heft 30, S. 19 f. 239 Brusky, BB 2005, BB-Special 7 Heft 30, S. 25 f.
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Gleich welche Bewertungsmethode in der Gestaltungspraxis Anwendung findet, beruht die Anpassung des Kaufpreises auf Zahlen aus dem Jahresabschluss.240 Die Aufnahme des Unternehmenszustands erfolgt anhand der Bilanz; anhand dieser Zahlen wird der Zustand erst greifbar. Da die Bilanz den Zustand des Unternehmens nur zum „Moment“ eines Stichtages zu erfassen vermag, und sich dieser Zustand des Unternehmens wegen seiner wirtschaftlichen Dynamik weiterentwickelt, dienen Instrumente wie die Abrechnungsbilanz der Überwindung solcher temporären Grenzen. Die Kaufpreisanpassungsmechanismen zeigen, dass bilanzielle Kennzahlen unmittelbar in das Äquivalenzverhältnis einfließen und den Zustand des Unternehmens als vertragliche Leistung abbilden. bb) Die Beschaffenheit des Unternehmens Unrichtige Umsatz- und Ertragsangaben sind dann als ein Mangel i.S.d. § 434 BGB zu qualifizieren, wenn sie vom Begriff der Beschaffenheit aufgefangen werden können. Hinsichtlich eines Unternehmens, das von einer Kapitalgesellschaft (AG, KGaA und GmbH) getragen wird, gibt die Gliederung der Bilanz in § 266 HGB Aufschluss über die wesentlichen Bestandteile des Unternehmens. Daraus geht die Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage einer Kapitalgesellschaft hervor, die die Grundlage der Ertragsfähigkeit und damit des jeweils zum Stichtag erzielten Umsatzes und Ertrages bilden. Auf der Aktivseite (§ 266 Abs. 2 HGB) werden Anlagevermögen (A.) in Immaterielle Vermögensgegenstände (I.), Sachanlagen (II.) und Finanzanlagen (III.) unterteilt. Dem folgt dann das Umlaufvermögen (B.), das in Vorräte (I.), Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände (II.) Wertpapiere (III.) Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks unterteilt wird (IV.). Der Aktivseite wird die Passivseite (§ 266 Abs. 3 HGB) gegenübergestellt, die in Eigenkapital (A.), Rückstellungen (B.), Verbindlichkeiten (C.), Rechnungsabgrenzungsposten (D.), Passive latente Steuern (E.) gegliedert ist. Die Aktivseite im § 266 Abs.2 HGB gibt Aufschluss darüber, über welches Vermögen das Unternehmens verfügt. Die Passivseite stellt im Wesentlichen die Finanz- und Ertragslage dar. Mögen zu diesen Bilanzposten in der Praxis je nach Zweck des Unternehmenskaufs unterschiedliche Gestaltungen in Form von Garantien empfohlen werden, so kann nicht geleugnet werden, dass die Bilanz fähig ist, die Beschaffenheit eines Unternehmens sowohl in seiner Vermögenssubstanz als auch seinem wirtschaftlichem Wert aufgrund seiner Ertragsfähigkeit (hier in Form einer Kapitalgesellschaft) zu erfassen. Bilanziell wird letztere durch das Eigenkapital erfasst. Versteht man das Eigenkapital als ein Wert, das sich durch das Stammkapital, die Kapitalrücklage, die Gewinnrücklage, den Gewinn- bzw. Verlustvortrag sowie den Jahresüberschuss bzw. 240
Brusky, BB 2005, BB-Special 7 Heft 30, S. 23.
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-fehlbetrag bis zum Datum der Stichtagsbilanz kennzeichnet, zeigt sich warum vertragliche Vereinbarungen in der deutschen Vertragspraxis häufig das bilanzielle Eigenkapital betreffen und Wertveränderungen durch Kaufpreisanpassungsklausel berücksichtig werden. Verspricht der Verkäufer in Form einer Eigenkapitalgarantie eine bestimmte Höhe des Eigenkapitals zu einem bestimmten Zeitpunkt zu liefern, so kann eine Kaufpreisanpassung in Bezug auf die Wertänderungen des Eigenkapitals eine weitergehende Sicherung für die Parteien darstellen, weil das Eigenkapital alle Bilanzpositionen erfasst.241 Das vertragliche Eigenkapital, das der Verkäufer zu „liefern“ hat, ergibt sich aus der endgültigen Abrechnungsbilanz, in dem alle echten Aktiva mit allen echten Passiva des zum Unternehmen gehörenden Vermögens saldiert werden.242 Der Wert des Eigenkapitals steht für den Wert, den die übergehende Vermögenssubstanz am Stichtag besitzt, welche dann als Grundlage für die Festlegung der Gegenleistung (Kaufpreis) dient.243 Zugleich bildet das Netto-Eigenkapital die Ertragskraft des Unternehmens ab, so dass sie sich auch dort zur Kaufpreisfindung eignet, wo er mit Ertragsgrößen (Jahresüberschuss multipliziert mit einem bestimmten Faktor) definiert wird.244 Die Ertragskraft, die aus dem Wert des Eigenkapitals ermittelt wird, ergibt im Wesentlichen aus dem Wert der Vermögenssubstanz. Folglich geben bilanzielle Kennzahlen ähnlich den physischen Merkmalen einer Sache Aufschluss über den Zustand eines Unternehmens und stellen die für das vertragliche Äquivalenzverhältnis entscheidenden wertbildenden Faktoren dar. Beschaffenheitsvereinbarungen können also einzelne Bilanzposten betreffen, aber auch auf das Eigenkapital gerichtet sein. Dieses wird auch durch die verschiedenen Kaufpreisanpassungsmethoden deutlich, die sich an Wertveränderungen einzelner Bilanzposten wie Barmittelbestand, Umlaufvermögen, betriebsnotwendige Anlagevermögen als auch Eigenkapital richten können.245 Die Notwendigkeit einer Kaufpreisanpassung durch temporäre Wertveränderungen beim Kaufgegenstand verneint also nicht das Vorhandensein einer qualitativ statischen „Beschaffenheit“ i.S.d. § 434 BGB. Der Kritik, dass eine Standardbeschaffenheit des Unternehmens fehlt und daher die Anwendung des Gewährleistungsrechts verwehrt werden soll246, kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden. Die Tatsache, dass ein typischer Nutzen eines Unternehmens nicht vorhanden ist und dadurch ein subjektiver Prozess der Kauf241
Brusky, BB 2005, BB-Special 7 Heft 30, S. 27. Beisel/Klumpp, 11. Kapitel, Rn. 50. 243 Beisel/Klumpp, 11. Kapitel, Rn. 39. 244 Beisel/Klumpp, 11. Kapitel, Rn. 39. 245 Vgl. bereits oben Brusky, BB 2005, BB-Special 7 Heft 30, S. 25 über die Mechanismen der Kaufpreisanpassung um Änderungen der Berechnungsgrößen der DCF-Methode. 246 So Huber, AcP 202 (2002), 180, 223 ff. 242
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preis- bzw. Äquivalenzbildung erforderlich wird, läuft dem System des § 434 BGB insoweit nicht entgegen, als hier vorrangig auf den subjektiven Fehlerbegriff abgestellt wird. Sieht man die Funktion des Gewährleistungsrechts in der Wiederherstellung bzw. der Korrektur des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses, so können die zugrunde liegenden Bewertungsmethoden, Mittel der Kaufpreisermittlung und Kaufpreisanpassung zu Hilfe genommen werden, um den hypothetischen Willen der Parteien zu rekonstruieren. Im Vergleich zu Verbrauchgütern liegen die Besonderheiten des Unternehmenskaufvertrags also primär auf der Ebene der Äquivalenzbildung. Insoweit sich die Parteien hinsichtlich der ihr zugrundeliegenden wirtschaftlichen Werte, sowie Bewertungs- und Anpassungsmethoden geeinigt haben, verfügt der Vertrag über Eigenmechanismen, die negativen Abweichungen des Ist-Zustands vom Soll-Zustand zu beheben bzw. zu korrigieren. Die von Grigoleit angesprochenen Unsicherheiten hinsichtlich der Bewertungsmethoden, inklusive der mit der Ermittlung der Bilanzzahlen verbundenen Unsicherheiten, führen zwar auf der Ebene der Äquivalenzbildung zu unmittelbaren Schwierigkeiten, bei Fragen der Vertragsdurchführung und Gewährleistung werden sie nur mittelbar relevant und unproblematisch, insoweit die Parteien über das vertragliche Äquivalenzverhältnis und ihnen zugrunde liegenden Bewertungsmethoden einig geworden sind.247 Angesichts des vom Gesetzgeber klar formulierten Wortlautes des § 434 BGB und der dahinter liegenden rechtshistorischen Bewertungsgrundlagen sind keine überzeugenden Argumente ersichtlich, warum der schon für den Sachmangelbegriff umstrittene Zusammenhang der Gewährleistungshaftung mit physischen Eigenschaften der Kaufsache auch auf den Unternehmenskauf übertragen und damit der subjektive Beschaffenheitsbegriff eingegrenzt werden soll. Den Vertragsparteien sollte es frei stehen, bilanzielle Kennzahlen, unter anderem auch Umsatz- und Ertragszahlen zum Gegenstand der Vertragsgestaltung zu machen und als Teil der Beschaffenheit des Unternehmens in das vertragliche Äquivalenzverhältnis einzubeziehen.
247 Müller, JuS 1973, 603, 604 betont den Unterschied zwischen der Bewertung des Unternehmens von der Preisbildung: Die Unternehmensbewertung muss zwar der Preisbildung vorausgehen, in der Regel bleibe sie jedoch ein „Motiv“, so dass der vereinbarte Preis sich oft erheblich von dem für eine oder andere Partei gefertigten Bewertungsgutachten abweichen könne; allerdings kann die Unternehmensbewertung auch nach der Preisbildung als solche rechtlich dann relevant werden, wenn der Unternehmens- bzw. Beteiligungswert in einem auffälligen Missverhältnis zum Preis stehen, vgl. dazu OLG Hamm GmbHR 1998, 984, dass der Kaufvertrag in solchen Fällen gem. § 138 BGB nichtig sein kann, falls zusätzlich eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten vorliegt und dieser Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen hat; anderes kann der Fall sein, wenn ein Irrtum über die dem Äquivalenzverhältnis zugrundeliegenden Voraussetzungen gestehen, (etwa ein falscher EBITDA) hier liegt ein Fehler auf der Ebene der Äquivalenzbildung vor.
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cc) Die Beschaffenheitsvereinbarung Das eigentliche Problem verlagert sich dann auf die Frage, wie die entsprechende Anwendung des § 434 BGB auf Angaben von Unternehmenszahlen konkret zu erfolgen hat. Für das Due Diligence-Verfahren ist vor allem von Interesse, wie die Offenlegung solcher Angaben im Datenraum i.V.m. einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zu behandeln sind. Maßgeblich ist der Wille der Parteien, Umsatz- und Ertragszahlen zum Bestandteil des Vertrages und somit Gegenstand der gewährleistungsrechtlichen Erfüllungshaftung zu machen. Dieser muss in den Verhandlungen zum Ausdruck gekommen sein. Werden sehr konkrete Vertragsklauseln – etwa in Form einer Eigenkapitalgarantie – formuliert oder Tauglichkeitsvereinbarungen i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 BGB in Bezug auf das Unternehmen getroffen, ist die Rechtslage klar. Bezweckt der Erwerber mit dem Erwerb bestimmte Marktpositionen zu besetzen oder konkretes Know-how zu erwerben, so stehen dem Käufer bei Fehlen dieser Funktions- und Tauglichkeitsmerkmale die Gewährleistungsansprüche aus §§ 453, 437 BGB zu.248 Haben die Parteien in den Verhandlungen die Vertragswesentlichkeit dieser Zahlen zum Ausdruck gebracht, ohne ausdrückliche Vereinbarungen im Vertrag zu treffen, so ergeben sich Schwierigkeiten bei der Auslegung des Parteiwillens. Es liegt auf der Hand, dass die Einstandspflicht des Unternehmensverkäufers überspannt wäre, wollte man ihn verschuldensunabhängig für die Richtigkeit aller Angaben machen, die er zum Umsatz und Ertrag des Zielunternehmens gemacht hat.249 Die Angaben müssen daher Gegenstand einer stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarung geworden (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) oder dem Vertragszweck vorausgesetzt sein (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB). Dieser doch sehr allgemein formulierten Aussage, es genügten stillschweigende Vereinbarungen, werden von Lieb zwei äußere Grenzen gezogen: Einseitige Erwartungen, selbst wenn sie dem Verkäufer bekannt gewesen sein sollten, reichen nicht für eine (Beschaffenheits-)Vereinbarung, zudem dürfen an sie nicht weitergehende Anforderungen gestellt werden, wie sie früher zu § 463 BGB a.F. entwickelt worden waren und noch für die Garantie des i.S.d. § 276 BGB oder des § 443 BGB von Bedeutung sind. Vielmehr bedarf die Auslegung der Klärung, ob irgendwelche „Abmachungen“ verpflichtend sind, d. h. eine entsprechende Erfüllungsverpflichtung des Verkäufers begründen sollen.250 Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere bei der inhaltlichen Bestimmung des Erfüllungsanspruchs. Eine Zusicherung, die den Eintritt zukünftiger Ereignisse in Gestalt bestimmter Umsätze und Erträge sicherstellt, ist naturgemäß nicht möglich, da der Umsatz und Ertrag eines Betriebes von verschiedenen, nicht zu beeinflus-
248 249 250
Gaul, ZHR 2002, 35, 47 f. So auch Hiddemann, ZGR 1982, 435, 445. MünchKommHGB/Lieb, 2.Aufl., Anh. § 25 Rn. 79.
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senden Faktoren abhängen.251 Angaben zum Umsatz oder noch konkreter zum Eigenkapital können jedoch einen verlässlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit eines Unternehmens und damit für seinen Wert geben.252 Der vertragliche Anspruch muss also auf den Zustand des Unternehmens gerichtet sein, sei es die Ertragsfähigkeit oder sonstige Eigenschaften, die für seinen Wert oder Tauglichkeit maßgeblich sind. Der BGH hat zwar in seiner Rechtsprechung mehrfach betont, dass sich Umsätze und Erträge über einen längeren Zeitraum erstrecken müssen, um eine verlässliche Grundlage für die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit des Wertes des Unternehmens zu bilden253, jedoch wird nach der hier vertretenen Meinung als ausreichend angesehen, wenn aus dem Parteiwillen deutlich wird, unter welchen Voraussetzungen Umsätze und Erträge zu erzielen sein sollen.254 Durch eine derartige Klarstellung im Vertrag können die Parteien, insbesondere der Verkäufer, den von außen auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens wirkenden Einflüssen hinreichend Rechnung tragen.255 Der Gegenwartsbezug ergibt aus der Auswahl des Datenmaterials, deren Kriterien, z. B. welche die für eine Prognose erforderlichen Aussagen zulassen und über welchen Zeitraum sie sich erstrecken müssen, die Parteien je nach Einzelfall unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße, des Unternehmenszwecks, der organisatorischen und technischen Ausstattung des Unternehmens im Hinblick auf zukünftige Marktanforderungen (z. B. EDV-Einrichtung, Umfang gewerblicher Schutzrechte, Dauer von Lizenzverträgen) und der allgemeinen Konjunktur entscheiden.256 Ferner setzt die Ermittlung einer durchschnittlichen Ertragsfähigkeit voraus, dass außerordentliche Aufwendungen oder Erträge i.S.d. § 277 Abs. 4 HGB (z. B. Gewinne aus dem Verkauf von Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen) ausgegrenzt werden, somit nicht auf „einzelne“, mehr oder weniger wahllos herausgegriffene Geschäftsergebnisse abgestellt, sondern eine aufeinanderfolgende Kette von Jahresabschlüssen verwendet wird, die durch monatliche Ergebnisse bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aktualisiert werden.257 Folglich kann die Unrichtigkeit der Unternehmenszahlen insoweit als ein Mangel des Unternehmens qualifiziert werden, 251
Vgl. dazu BGH NJW 1995, 1547, 1549. So die zuständige Rechtsprechung des BGH, vgl. nur BGH NJW 1970, 653; NJW 1977, 1536; NJW-RR 1989, 506. 253 BGH NJW-RR 1989, 306, 307 (Umsatzangaben für Rechtsanwaltspraxis über 4 Jahre); NJW 1996, 2503 (Umsatzangaben für einen Gaststättenbetrieb über 3 Jahre); OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 377, 378 (Umsatzangaben im Textilhandel über 6 Monate), jeweils die Umsatzangaben unzureichend für die Kennzeichnung einer bestimmten Ertragsfähigkeit erklärend. 254 A.A. Lorenz, in: FS Heldrich, S. 320, der auch für das neue Recht verlangt, dass sich Bilanzangaben über einen bestimmten längeren Zeitraum erstecken müssen, um als die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens von der Beschaffenheit des Unternehmens erfasst zu werden. 255 Vgl. BGH NJW 1995, 1547, 1549. 256 Willemsen, AcP 182 (1982), 515, 546 ; Gaul, ZHR 2002, 35, 50. 257 Gaul, ZHR 2002, 35, 49 f. 252
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als aufgrund dessen die Ertragsfähigkeit nicht mehr den Erwartungen des Käufers entspricht. Damit ist auch der zeitliche Bezug des Unternehmenszustands zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegeben. Die Ertragsfähigkeit, als Wesenskern des wirtschaftlich tätigen Unternehmens, wird in Form der Prognose aus den angegebenen Vergangenheitszahlen bestimmt. Unternehmenszahlen sind für den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit des Unternehmens zum Zeitpunkt seiner Übertragung von Bedeutung; dieser Bezug ergibt schon allein aus der Bilanzkontinuität, wonach aus den (durchschnittlichen) Zahlen der Vergangenheit auf den künftigen Umsatz oder Ertrag geschlossen wird.258 Bei der Aufstellung von Unternehmenszahlen und -werten, aber auch bei der Bewertung des Unternehmens, bedient man sich den jeweiligen Stichtagen, weil das Unternehmen als dynamischer und lebendiger wirtschaftlicher Gesamteinheit im ständigen Prozess des Erwirtschaftens steht. Nach der heute in der Betriebslehre vorherrschenden Ertragswertmethode259 oder auch der DCF-Methode für die Unternehmensbewertung ergibt der Ertragswert aus einer Prognose, die auf die vorhandene Ertragskraft des Unternehmens am Bewertungsstichtag gestützt wird.260 In Bezug auf den Verkauf eines Unternehmens wird die Bilanz allenfalls als Zwischenbilanz möglichst stichtagsnah gefertigt, damit sie der Bewertung des Unternehmens zugrunde gelegt werden kann.261 Auch wird häufig ein so genannter Übergangsstichtag (Closing) vereinbart, der für die Bewertung des Unternehmens einschließlich schwebender Geschäfte und abweichend von § 446 BGB auch für den Übergang der Gefahr maßgeblich ist.262 Mit der Aufstellung einer Abrechnungsbilanz wird nochmal geprüft, ob das übertragene Vermögen tatsächlich den vertraglich vereinbarten Wert besitzt. Die Auslegung des Zustands des Unternehmens bei „Gegenwärtigkeit“ bzw. zum Zeitpunkt des „Gefahrübergangs“ erfährt daher eine Modifizierung im Begriff des Stichtags.263
258
Gaul, ZHR 2002, 35, 49; MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 31. Deilmann, in: Hölters Aktiengesetz, § 305 Rn. 49 hinweisend auch auf das in der Praxis des Unternehmenskaufs gebräuchlichen Umsatz- oder Gewinnmultiplikationsverfahren, bei welchem die vergangenen Umsatz- und Ertragszahlen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. 260 Kiethe, DStR 1995, 1756, 1760. 261 Gaul, ZHR 2002, 35, 49 in Fn. 64. 262 Gaul, ZHR 2002, 35, 49 in Fn. 64; MünchKommHGB/Lieb, 2. Aufl., Anh. § 25 Rn. 6. 263 Vgl. auch Beisel/Klumpp, 11. Kapitel Rn. 39 zur Bewertung nach der DCF-Methode, die den Unternehmenswert vor Berücksichtigung der Netto-Finanzverbindlichkeiten ermittelt. Die Veränderungen seit dem Bewertungsstichtage bis zum Übergangsstichtag werden dann durch einen Cash-debt-free-Mechanismus angepasst; näheres dazu Brusky, BB 2005, BB-Special 7 Heft 30, S. 24. 259
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dd) Ergebnis Festzuhalten ist, dass die Unrichtigkeit von Umsatz- und Ertragszahlen unmittelbar Einfluss auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens ausübt, so dass sie zugleich einen Mangel des Unternehmens darstellt. Zu diesem Ergebnis gelangt man, wenn man den Zusammenhang von Bilanz und gegenwärtigen Zustand des Unternehmens bejaht. Die strikte Trennung von Bilanz und Zustand des Unternehmens- so wie sie von Huber plädiert wird264, ist daher abzulehnen. Ein Fehler in der Bilanz wirkt sich negativ auf den Zustand des Unternehmens aus, mit der Folge, dass das Äquivalenzverhältnis von Preis und Leistung gestört ist, weil der Zustand des Unternehmens hinter den Erwartungen des Käufers zurückbleibt. Richtig ist, dass die Berichtigung der Bilanz lediglich die Fehler der Bilanz behebt indessen am Zustand des Unternehmens als solchen nichts ändert.265 Hier betroffen ist jedoch die Rechtsfolgenebene, wo die entsprechende Anwendung gem. § 453 Abs. 1 BGB auch eine Modifizierung hinsichtlich der für den Verkäufer in Frage kommenden Rechtsbehelfe bedarf. Die Nacherfüllung wird für falsche Unternehmenszahlen häufig ungeeignet sein266, sie hängt jedoch wesentlich von den Voraussetzungen ab, die ihnen zugrunde liegen. So kann die Nacherfüllung in Fällen geeignet sein, bei welchen die Unrichtigkeit der Bilanz auf wesentliche Fehler von Produktionsmaschinen oder wichtigen immateriellen Gütern zurückgeht.267 Die enge Anwendungsmöglichkeit der Nacherfüllung stellt keinen hinreichenden Grund dar, von der Anwendung des Gewährleistungsrechts abzusehen. Ziel des Gewährleistungsrechts ist es, das gestörte Äquivalenzverhältnis des Vertrags wieder herzustellen. Dem Käufer steht ein vielseitiger Katalog an Rechtsbehelfen zur Verfügung, der nicht an Flexibilität mangeln lässt, eine den Interessen des Unternehmenskaufs
264
Huber, AcP 202 (2002), 180, 213, zur Ansicht von Lieb, in: FS Gernhuber, S. 259, 264 ff., welcher die Nichtübereinstimmung der Bilanz mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung als Fehler im Sinn des § 459 Abs. 1 BGB sieht, dass bei falschen Bilanzangaben es sich nicht um die Beschaffenheit des Unternehmens, sondern der Bilanz handle. 265 So Huber, AcP 202 (2002), 180, 213. 266 Gaul, ZHR 2002, 35, 54; Huber, AcP 202 (2002), 180, 232; Ostendorf, JZ 2011, 822, 824 lässt gerade an diesem Punkt die Anwendung des Gewährleistungsrechts auf falsche Bilanzangaben scheitern. Betont wird das Prinzip des Vorrangs der Nacherfüllung, das im neuen System der §§ 433 BGB verwirklicht sei. Zwar könne ausnahmsweise eine Nacherfüllung – insbesondere im Fall der qualitativen Unmöglichkeit – ausfallen, jedoch sei bei einem unbegrenzten subjektiven Mangelbegriff dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis überstrapaziert, weil Umstände, die sich gänzlich außerhalb der physischen Beschaffenheit der Kaufsache befinden, regelmäßig weder durch eine Nachlieferung, noch eine Nachbesserung beeinflusst werden können; vgl. auch Müller, in: FS Hadding, S. 200, 215 f., dass sich an der Ungeeignetheit der Nacherfüllung zeige, dass „vermeintlich erzielte Umsätze und Erträge oder andere Bilanzfehler nicht zur sachlichen bzw. rechtlichen Beschaffenheit des Unternehmens gehören und daher keine Gewährleistungshaftung gemäß § 434 BGB auszulösen vermögen“. 267 Aus diesem Grund den Bezug zur physischen Beschaffenheit der Kaufsache auch beim Unternehmenskauf betonend Ostendorf, JZ 2011, 822, 824.
§ 2 Die Grenzziehung der Aufklärungspflicht im Due Diligence Prozess
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gerecht werdende Anwendung zu finden.268 Ist einmal das vertragliche Äquivalenzverhältnis geschaffen, kommen die dem zugrunde liegenden Methoden der Wertermittlung und Kaufpreisanpassung dem Käufer als vertragliche Eigenmechanismen zugute. Bedenkt man die wesentliche Funktion bilanzieller Kennzahlen für das Unternehmen, führt kein Weg daran vorbei, sich um die von Gesetzes wegen gebotene „entsprechende“ Anwendung zu bemühen.269 4. Mängel am Unternehmenssubstrat a) Das Erfordernis eines „Durchschlagens“ eines Einzelmangels auf das ganze Unternehmen Die (gewährleistungs-)rechtliche Bewertung von falschen Unternehmenskennzahlen betraf primär die negative Beeinträchtigung des Ertragswertes eines Unternehmens und damit die Enttäuschung von vertraglich vereinbarten oder vorausgesetzten Erwartungen hinsichtlich der Ertragsfähigkeit des Unternehmens. Die Frage, wie Mängel von einzelnen Sachen des Unternehmens oder auch Quantitätsmängel von bestimmten Vermögensbeständen gewährleistungsrechtlich zu behandeln sind, betrifft dagegen unmittelbar das Vermögenssubstrat des Unternehmens und die Störung von Funktionsmechanismen, die dem Wert oder der Tauglichkeit des Unternehmens zugrunde liegen.270 Nach der Rechtsprechung zum alten Recht lag ein Mangel des Unternehmens nur dann vor, wenn neben dem Kriterium der Beschaffenheit erfüllt war, dass der Mangel eines einzelnen Gegenstandes auf das Unternehmen im Ganzen durchschlug. Während das Reichsgericht bereits Umstände, die das Funktionieren des Unternehmens beeinträchtigten als Unternehmensmängel ansah271, war nach der Rechtsprechung des BGH – dem restriktiven Fehlerbegriff entsprechend – ein Unternehmensmangel nur dann gegeben, wenn durch den Fehler eines einzelnen Gegenstandes die wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens erschüttert, seine Marktstellung gefährdet oder sonst der Wert oder die Tauglichkeit des Unternehmens als Ganzes beeinträchtigt war.272
268 Vgl. nur jüngst BGH NJW 2011, 1217 über die flexiblen Kombinationsmöglichkeiten von gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfen, die auch für den Unternehmenskaufvertrag interessant ist, da die Ermittlung eines Minderwerts auch beim Unternehmenskauf mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. 269 So zutreffend MünchKommHGB/ Thiessen, Anh. § 25 Rn. 62. 270 Mittelbar betreffen sie natürlich auch die falsche Darstellung von Unternehmenszahlen, weil Mängel am Vermögenssubstrat den Wert des Unternehmens beeinträchtigen können, die durch Bilanzzahlen erfasst wird. 271 RGZ 67, 86, 87. 272 So etwa BGH NJW 1979, 33: Erhebliche Fehlbestände von betriebswesentlichen Materialien (fehlende Gerüste beim Kauf eines Gerüstbauunternehmens).
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
Nach der Schuldrechtsreform wird teilweise vertreten, dass auch der Mangel eines zum Unternehmen gehörigen Gegenstandes bereits einen Mangel des Unternehmens selbst darstellt.273 Begründet wird diese Auffassung damit, dass mit der Reform der Grund für die bisherige Zurückhaltung bei der Annahme eines Mangels des Unternehmens entfallen sei.274 Während nach früherem Recht sogleich eine Wandelung des gesamten Vertrages möglich war, jedoch der Käufer gehindert werden sollte wegen eines Mangels eines einzelnen Gegenstands den ganzen Vertrag zu wandeln, sei im neuen Recht der Nacherfüllungsanspruch vorgeschaltet, der vom Verkäufer auch bei einem nur einzelnen Gegenständen anhaftenden Mangel unproblematisch zu stehen sollte.275 Die Mehrheit der Ansichten verlangt weiterhin ein tatsächliches Durchschlagen des Mangels eines einzelnen Gegenstands auf das ganze Unternehmen.276 Maßgeblich wird auf den Gegenstand des Kaufvertrages abgestellt, welcher das Unternehmens ist, das als einheitlicher lebendiger Organismus mit Außenbeziehungen – und gerade nicht als Summe von den zum Unternehmensvermögen gehörenden einzelnen Sachen und Rechten277 – übertragen werde.278 Auch die zuletzt ergangene instanzgerichtliche Entscheidung folgt dieser Auffassung. Das Argument der erleichterten, praktischen Umsetzbarkeit der Gewährleistung durch den Nacherfüllungs- und den Minderungsanspruch wird als unzureichend bewertet, weil hierdurch die in §§ 433 ff. BGB vorgegebene Anknüpfung der Gewährleistung an den Kaufgegenstand verlassen werde.279 Die Gewährleistung setze eine Mangelhaftigkeit der gekauften Sache voraus, eine Mangelhaftigkeit 273
Staudinger/Matusche-Beckmann § 434 BGB Rn. 145. Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 414 f.; Bergjahn, Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf den Unternehmenskauf, S. 151 und 164 f.; für den Nacherfüllungsanspruch auch Wertenbruch, in: Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 499 f. 275 Vgl. auch Gaul, ZHR 2002, 35, 48, der die aufgrund von § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. noch erforderte Feststellung der Gesamterheblichkeit mit der neuen gesetzlichen Regelung entfallen sieht. Allerdings sei damit kein uneingeschränktes Recht zum Rücktritt bzw. zur Geltendmachung von Schadensersatz verbunden, da nun mehr die Bagatellklausel in §§ 323 Abs. 5, 281 Abs. 1 S. 3 BGB greife. 276 Lorenz, in: FS Heldrich, S. 322; Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 89; MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 27 f.; BeckOKBGB/Faust § 453 Rn. 27, MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 79 ff. 277 Hier zu eingehend Canaris, Handelsrecht, 2006, § 8 Abs. 2 Rn. 35 ff. 278 MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 79. 279 OLG Köln BeckRS 2009, 27644: „Für die Frage der Sachmängelhaftung ist darauf abzustellen, ob dem Unternehmen als Ganzes ein Mangel anhaftet. Nicht ohne weiteres ausreichend ist hierfür die Darlegung der Mangelhaftigkeit einzelner zum Unternehmen gehörender Gegenstände. Es liegt in diesen Fällen nur dann ein Sachmangel des Unternehmens vor, wenn ein Einzelmangel auf das Unternehmen durchschlägt in der Weise, dass der normale Betriebsablauf gestört und die weitere Verfolgung der wirtschaftlichen Zielsetzung des Unternehmens beeinträchtigt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in einem komplexen Gebilde wie einem lebenden Unternehmen kleinere Störungen niemals ganz ausgeschlossen werden können.“ 274
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einzelner Bestandteile dieser Sache, die sich auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Vertragsgegenstandes im Ganzen nicht auswirken, genüge nicht. Canaris sieht im Gegenargument überhaupt den Zusammenhang mit dem Erfordernis des „Durchschlagens“ verfehlt, weil dieses vielmehr sicherstellen soll, dass „der Mangel der einzelnen Sache zugleich einen Mangel des Unternehmens darstellt und deshalb eine hinreichende Grundlage für die Anwendung des Gewährleistungsrechts bildet.“ 280 Da es meist gerade selbstverständlich ist, dass einzelne Sachen Mängel aufweisen, könne es in einem solchen Fall schon am Begriff und Tatbestand eines Mangels des Unternehmens fehlen.281 Gegenstand des Unternehmenskaufvertrages ist das Unternehmen als eine Gesamtheit von Sachen, Rechten und sonstigen rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen. Einzelne Sachen und Rechte verlieren als Vermögens- und Funktionsbestandteil des Unternehmens ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit und gewinnen ihre Bedeutung als Teil des Ganzen, also insoweit sie das Unternehmen als Ganzes in seinem Wert oder seiner Tauglichkeit betreffen.282 Dass der Wert einzelner Gegenstände nicht mehr als solches maßgeblich ist, wird auch anhand der Bewertungspraxis deutlich, die die Substanzwertmethode, wonach der Unternehmenswert aus der Addition aller einzelnen zum Unternehmen gehörenden Gegenständen hergeleitet wird, als ungeeignet bewertet.283 Die zum Unternehmen gehörenden Wirtschaftsgüter bestimmen in ihrer Gesamtheit und in ihrer funktionalen Zuordnung die Ertragskraft des Unternehmens und somit seinen Wert, von der dann entscheidend die Höhe des Gesamtkaufpreises abhängt.284 Entscheidende Relevanz gewinnt daher die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Kriterium des „Durchschlagens“ erfüllt ist. b) Voraussetzungen für das Kriterium des „Durchschlagens“ Die überwiegenden Ansichten orientieren sich an der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens. In der Literatur finden sich Formulierungen wie die Beeinträchtigung „der Funktionsfähigkeit des Unternehmens und seiner Ertragskraft“285 280
Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 89. Ähnlich betont die zitierte Entscheidung von OLG Köln BeckRS 2009, 27644 die Anknüpfung der Gewährleistung an den Kaufgegenstand. 282 Anders stellt sich die Rechtslage, wenn die Parteien im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit selbst entscheiden, ob und weshalb Einzelmängel das Unternehmen als solches betreffen können. Dann kann gegebenenfalls bereits ein Mangel im Bereich des Unternehmenssubstrats ein Mangel des Unternehmens darstellen, selbst wenn diese objektiv nicht auf das ganze Unternehmen durchschlagen, vgl. dazu MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 82. 283 Deilmann, in: Hölters Aktiengesetz, § 305 Rn. 49. 284 Beisel/Klumpp, 11. Kapitel Rn. 8. 285 Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 273. 281
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oder der „Qualität unternehmerischen Wirtschaftens“286; oder dass die „Tauglichkeit des Unternehmens als Ganzes nicht mehr gegeben“ ist287, dass „der Zweck des Unternehmenskaufs – das Fortführen des Unternehmens mit bestimmten Vertragserwartungen – erheblich gefährdet ist“288. Die noch zum alten Recht ergangene Rechtsprechung des BGH stellt darauf ab, ob die „wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens erschüttert, seine Marktstellung gefährdet oder sonst der Wert oder die Tauglichkeit des Unternehmens als Ganzes beeinträchtigt“ ist.289 Das OLG Köln setzte voraus, „dass der normale Betriebsablauf gestört und die weitere Verfolgung der wirtschaftlichen Zielsetzung des Unternehmens beeinträchtigt“ werden müsse.290 Canaris sieht diese Formulierungen zu einseitig an der unternehmerischen Tätigkeit orientiert und dabei diejenigen Gegenstände vernachlässigt, die schon als solcher zum Wert des Unternehmens beitragen, ohne dass sie betriebsnotwendig sind.291 Die Betriebsnotwendigkeit könne insoweit kein zwingendes Kriterium darstellen, da etwa auch ein nicht betriebsnotwendiges Grundstück wesentlich zum Wert des Unternehmens und daher zur Preisfindung beitragen kann. Dieses führe dann zu einer schweren Störung des Äquivalenzverhältnisses, eine solche zu verhindern bzw. zu korrigieren gehöre gerade zur zentralen Aufgabe des Gewährleistungsrechts. Auch hier geht es schließlich darum, wie Mängel des Unternehmens im Rahmen der entsprechenden Anwendung gem. der allgemeinen Verweisung in § 453 Abs. 1 BGB zu beurteilen sind. Ausgangspunkt ist daher § 434 BGB, wonach auf die getroffenen Beschaffenheitsvereinbarungen, die im Vertrag vorausgesetzten Verwendung oder die gewöhnliche Beschaffenheit und üblichen Verwendung abzustellen ist.292 Zunächst ist hervorzuheben, dass die hierzu ergangenen Wertungen in Rechtsprechung und Schrifttum auf den Fehlerbegriff des § 459 Abs. 1 S.1 BGB a.F. zurückzuführen sind, demzufolge die Sachmangelgewährleistung des Verkäufers dann begründet war, wenn Fehler der Sache geeignet waren, den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufzuheben oder zu mindern. Nimmt man die zur Sachmängelhaftung 286
Büdenbender, S. 5, 25. Hiddemann, ZGR1982, 435, 444; vgl. auch MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 27, wonach sich der Mangel auf die „Funktionstauglichkeit“ des Unternehmens als solchem auswirken muss. 288 MünchKommHGB Thiessen Anh. § 25 Rn. 80. 289 BGH NJW 1979, 33. 290 OLG Köln BeckRS 2009, 27644 (Mangelhaftigkeit der Dachfläche über der Produktions- und Ausstellungshalle). 291 Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 90. 292 Den gesetzlich vorgegebenen Lösungsansatz betonend auch Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 90. 287
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ergangenen (gegenüber den Entscheidungen über die Haftung aus culpa in contrahendo verhältnismäßig wenigen) Entscheidungen zur Hand, dann wird deutlich, dass es sich um Sachen und Sachbestände handelte, die für den Betrieb des übernommenen Unternehmens funktionswesentlich waren. Im Rahmen der analogen Anwendung wurde daher geprüft, ob etwa Fehlbestände eines Gerüstbauunternehmens293, fehlende gesundheitsamtliche Voraussetzungen einer Imbisstube294 oder auch der undichte Dach eines Bürogebäudes295 den Betrieb des übernommenen Unternehmens beeinflussten. Das Kriterium der betriebsnotwendigen Beeinträchtigung ist also Ergebnis der reinen Subsumption von rechtstatsächlichen Tatbestand auf das Tatbestandsmerkmal der „Tauglichkeit für den gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch“ nach § 459 Abs. 1 S.1 BGB a.F. Weil alle diese Verträge auf das Fortführen des Unternehmens gerichtet waren, setzten sie voraus, dass übernommene Sachen, Rechte und unkörperliche Werte die Tauglichkeit des Unternehmens hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht beeinträchtigen. Nimmt man also die für den Unternehmenskauf typischen Merkmale zur Hand, dass der vom Verkäufer übereignete Betrieb mit dem Recht der Fortführung der Firma und unter Eintritt des Käufers in die laufenden Verträge (etwa mit Lieferanten, Kunden, Vermieter, Arbeitnehmern) auf den Erwerber übergeht296, dann sind diese Wertungen auch auf die Neuregelung in § 434 BGB übertragbar, insoweit eine solche im Vertrag vereinbarte oder ihm vorausgesetzte Verwendung, nämlich die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens, durch Mängel an bestimmten Teilen des Unternehmenssubstrates beeinträchtigt wird.297 Der Kritik von Canaris, dass die sich an der unternehmerischen Tätigkeit orientierenden Formulierungen daran „kranken“, dass ihnen „jeder Bezug zum Gesetz fehlen“298 kann nicht zugestimmt werden, weil sie geradezu das Ergebnis der Subsumption im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 434 BGB auf den Unternehmenskauf darstellen. Ob am Kriterium der erheblichen Beeinträchtigung – gem. der Formulierung des BGH, dass die wirtschaftliche Grundlage erschüttert sein muss – festzuhalten ist, ist allerdings fraglich. Das neue Recht hat das Erheblichkeitskriterium für die Begründung eines Mangels aufgegeben299, so dass allein darauf abgestellt werden kann, 293
BGH NJW 1979, 33. BGH NJW 1978, 1256. 295 OLG Köln BeckRS 2009, 27644. 296 BGH NJW 1979, 33. 297 Neben der typischen Ertragserzielung kann dem Erwerb des Unternehmens auch ein marktstrategischer Zweck – z. B. die Sicherung der Monopolstellung im Markt durch ein bestimmtes Patent – zugrunde liegen, der durch ein Mangel des Patentes beeinträchtigt werden kann, vgl. BGH WM 1978, 59, wo der Betrieb des verkauften Unternehmens wegen eines entgegenstehenden Patents nicht weitergeführt werden konnte. 298 Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 90. 299 Anders die Berücksichtigung der Bagatellklausel in §§ 323 Abs. 5, 281 Abs. 1 S. 3 BGB auf der Rechtsfolgenebene. 294
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
ob der Mangel auf das Unternehmen als Ganzes in seinem Wert oder Tauglichkeit durchschlägt: Der Mangel an Unternehmensgegenständen muss zwar so erheblich sein, das Unternehmen als Ganzes zu betreffen, jedoch muss die unternehmerische Tätigkeit nicht in erheblicher Weise gestört werden. Neben der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Funktionstauglichkeit des Unternehmens kann ein Unternehmensmangel auch dann gegeben sein, wenn Einzelmängel den Wert des Unternehmens als solchen mindern. Dieser Aspekt wird insbesondere von Canaris mit der Kritik an die oben erwähnten üblichen Formulierungen betont, dass diese durch ihre einseitige Ausrichtung auf die unternehmerische Tätigkeit Mängel vernachlässigen, die nicht unbedingt einen betriebsnotwendigen aber zum Wert des Unternehmens beitragenden Gegenstand betreffen.300 Richtig ist, dass der Aspekt der unternehmerischen Tätigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum stärker hervortritt, keineswegs werden Mängel, die nicht betriebsnotwendig sind, aber zum Wert des Unternehmens beitragen, explizit ausgeschlossen.301 Seit jeher geht die Rechtsprechung davon aus, dass – ungeachtet der Diskussion um die Reichweite des Beschaffenheitsbegriffes – Umstände dann einen Mangel begründen, wenn sie den Wert oder die Brauchbarkeit/Tauglichkeit beeinflussen.302 Die in der Rechtsprechung behandelten Fälle betrafen zwar primär die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Tauglichkeit i.S.d. Ertragserzielung, mit dem alternativen Kriterium der Wertbeeinflussung lässt die Rechtsprechung jedoch die Möglichkeit offen, das Durchschlagen des Einzelmangels auf den reinen Vermögenswert des Unternehmens auch als ein Unternehmensmangel anzusehen. Dem Vorrang des subjektiven Fehlerbegriffes entsprechend hat die Beurteilung eines Unternehmensmangels am Unternehmenssubstrat zunächst am Parteiwillen zu erfolgen. Einschlägig ist der durch die Beschaffenheitsvereinbarung oder durch den dem Vertrag vorausgesetzten Zweck deutlich gewordene Parteiwille hinsichtlich des Unternehmens. Quantitätsvereinbarungen können im Wege einer entsprechenden Aufstellung der Bilanzkennzeichen (etwa des Aktiv- und Passivvermögens) im Kaufvertrag gegeben sein 303, welche in den Fällen des Asset Deals häufig der Fall sein wird. Vorstellbar ist, dass in bestimmten Fällen sogar Vereinbarungen über die Beschaffenheit des Unternehmens i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen, die auch die Beschaffenheit der fehlerhaften Sache umfassen304, doch dürfte das in der Praxis 300
Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 90. Vgl. nur MünchKommHGB/ Thiessen Anh. § 25 Rn. 80, den Einfluss auf den bilanziell erfassten Wert des Unternehmens betonend. 302 BGH NJW 1981, 864 = BGHZ 79, 183; vgl. auch Lorenz, in: FS Heldrich, S. 316, dass sich der vom Gesetzgeber bewusst nicht definierte Begriff der „Beschaffenheit“ mit einer gewissen „Begradigung“ des Fehlerbegriffes grundsätzlich mit demjenigen des bisherigen Rechts decken dürfte. 303 MünchKommHGB/Lieb, 2. Aufl., Anh. § 25 Rn. 21. 304 Vgl. MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 82, dass wenn und soweit die Parteien bezüglich des Unternehmenssubstrats Beschaffenheitsvereinbarungen getroffenen haben, bei Abweichungen der Ist- von der Sollbeschaffenheit im Bereich des Unternehmenssubstrats auch 301
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eher eine Ausnahme sein.305 Wie auch aus den Fällen der Rechtsprechung deutlich geworden ist, wird in den meisten Fällen, auf den „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB abgestellt werden müssen. Beabsichtigt der Erwerber mit der Übernahme des Unternehmens den Betrieb fortzuführen und sind keine von dieser Absicht abweichenden Maßnahmen deutlich geworden, so liegt ein Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB vor, da das Unternehmen nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet ist. Fehlen etwaige subjektive Anhaltspunkte so ist auf den objektiven Fehlerbegriff nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB abzustellen. Erhebliche Umweltbelastungen von Grundstücken oder Betriebsanlagen können daher nach dem objektiven Fehlerbegriff einen Mangel begründen, da es nicht üblich ist, wenn etwa Grundstücke Altlasten aufweisen, die die Bodenfunktionen des Unternehmensgrundstücks beeinträchtigen können. Bezweckt der Unternehmenserwerber die Fortführung des Betriebes werden diese Mängel meist auch von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB erfasst werden können. Für das Vorliegen eines Unternehmensmangels am Unternehmenssubstrat ist festzuhalten, dass Qualitätsmängel aber auch Quantitätsmängel von Einzelgegenständen und Vermögensbeständen dann einen Unternehmensmangel begründen, wenn ihr Ausmaß so erheblich ist, dass sie auf den wirtschaftlichen Betrieb oder den Gesamtwert des Unternehmens durchschlagen. 5. Die Normbeschaffenheit eines Unternehmens a) Problemstellung Die größten Schwierigkeiten der entsprechenden Anwendung des Sachmangelgewährleistungsrechts auf den Unternehmenskauf ergeben sich in Situationen, wenn die Parteien keine Beschaffenheitsvereinbarungen oder selbstständige Garantien hinsichtlich der zu übergebenden Unternehmensbeschaffenheit abgeschlossen haben. Dann ist gemäß der entsprechenden Anwendung des objektiven Fehlerbegriffes in §§ 453, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB zu prüfen, ob das Unternehmen „sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Unternehmen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art des Unternehmens erwarten kann“. Die Diskussion über die Anwendung des gesetzlichen Gewährleistungsrechts im Wege des objektiven Fehlerbegriffes, nämlich der Frage, inwiefern der Zustand des erworbenen Unternehmens einer Normbeschaffenheit nicht gerecht wird und damit zur objektiven Erfüllungshaftung führt, betrifft primär die Rolle des Gewährleistungsrechts als dispositives Recht, beim Fehlen des konkreten Parteiwillens den ein Mangel des Unternehmens vorliegen kann, selbst wenn diese bei objektiver Betrachtung nicht auf das Unternehmen durchschlagen. 305 Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 91.
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hypothetischen Willen zu rekonstruieren. Nimmt man die Rechtswirklichkeit, insbesondere die der Großwirtschaft in den Blick, die wesentlich von der Kautelarpraxis dominiert ist, werden sobald die Grenzen dieser Rolle sichtbar, so dass die Frage nur dogmatisch und auf der wissenschaftlichen Ebene zu interessieren scheint. Anders gewendet gibt sie jedoch genügend Anlass, die trotz der Reformbemühungen gescheiterten Intentionen des Gesetzgebers den Unternehmenskauf zum Gesetz zurückzuholen, neu zu bewerten. Aus Sicht der Gesetzgebung kann die Frage dahin gehend neu ausgerichtet werden, inwieweit der Unternehmenskauf überhaupt Gegenstand einer einheitlichen gesetzlichen Regelung sein kann oder weiterhin der privatautonomen Vertragsgestaltung mit ergänzender Anwendung des Gesetzesrechts überlassen werden muss/sollte. Eine den Interessen des Unternehmenskaufs gerecht werdende Anwendung des gesetzlichen Gewährleistungsrechts kann nur erfolgen, wenn der hypothetische Wille der Parteien möglichst realitätsnah rekonstruiert werden kann. Dafür ist zunächst notwendig zu prüfen, was die Parteien grundsätzlich von der Veräußerung bzw. vom Erwerb eines Unternehmens erwarten, im Besonderen was aus Käufersicht die typischen Erwartungen an ein Unternehmen sind. Praktische Relevanz gewinnt diese Fragestellung hinsichtlich der vorvertraglichen Aufklärungspflicht, weil die hier gezogenen objektiv-normativen Grenzen mit jenen der vorvertraglichen Aufklärungspflicht korrelieren werden. b) Gewöhnliche Verwendung eines Unternehmens und typische Verkehrserwartungen Für die Bewertung, ob das Unternehmen für die gewöhnliche Verwendung eines Unternehmens geeignet ist, bedarf es der Klärung, was die Käufer eines Unternehmens typischerweise mit dem Erwerb bzw. der Übernahme eines Unternehmens bezwecken. Nimmt man das Unternehmen als „betriebsfähige Wirtschaftseinheit“ wahr, die dem Unternehmer die Teilnahme am Marktgeschehen ermöglicht306, liegt die Bedeutung des Zusammenspiels von Unternehmensvermögen (Unternehmenssubstrat) mit unkörperlichen Immaterialgüterpositionen (Patente, Urheberrechte, Know-how) und zahlreichen tatsächlichen und rechtlichen Außenbeziehungen (Kundenstamm, Lieferantenbeziehungen Mitarbeiter) darin, wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens herbeizuführen. Diesem Zweck des Unternehmens entsprechend beabsichtigt der Unternehmerkäufer das lebende Unternehmen mit allen zu seiner erfolgreichen und reibungslosen Fortführung notwendigen materiellen und immateriellen Gütern zu übernehmen und schließlich von dessen Wirtschaftlichkeit zu profitieren.307 Entscheidend für ihn ist 306 307
v. Gierke, ZHR 1948, 1, 6 ff., 12 f. BGH NJW 1979, 33; vgl. auch 1. Kapitel § 2 A.
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die Möglichkeit der Erwirtschaftung angemessener Erträge zwecks Tilgung und Verzinsung des im Wege des Kaufpreises investierten Kapitals.308 An diesen Merkmalen des Unternehmens und diesen zum Gegenstand machenden Unternehmenskaufvertrags gemessen kann die gewöhnliche Verwendung des Unternehmens in der „objektiven Eignung zur Fortführung mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Erträgen“ gesehen werden.309 Demzufolge liegt die Besonderheit des Unternehmenskaufs gegenüber dem Sachkauf weniger darin, dass es keinen gewöhnlichen oder mindestens typischen Gebrauch für das Unternehmens gibt, sondern in der Schwierigkeit, diesen, nämlich die Fähigkeit des Erwirtschaftens, nach der üblichen Verkehrserwartung zu normieren bzw. zu objektivieren. Kriterien für den Extremfall, wann eine solche gewöhnliche Gebrauchseignung nach § 434 Abs. 1 S.2 Nr. 2 BGB definitiv nicht erfüllt ist, werden z. B. durch die Insolvenzordnung gestellt. Ist das Unternehmen zahlungsunfähig, weil er nicht oder voraussichtlich nicht in der Lage sein wird die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§§ 17, 18 InsO) oder liegt eine Überschuldung vor, weil das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 InsO), ist die Fortführung des Unternehmens mit dem Erwirtschaften von Erträgen erheblich beeinträchtigt. Die objektive Zahlungsunfähigkeit wird durch die Aufstellung eines Finanzplans ermittelt, der in zeitlicher Reihenfolge die fälligen Zahlungsverpflichtungen und der zu den verschiedenen Zeitpunkten im Zeitablauf verfügbaren Zahlungsmittel gegenüberstellt, mit dessen Hilfe dann die Zahlungsfähigkeit grundsätzlich gemessen und gesteuert werden kann.310 Hinsichtlich der Ermittlung der wesentlichen Liquiditätslücke, die auf den traditionellen Wesentlichkeitsbegriff des § 102 KO zurückgeht, akzeptierte die neuere Rechtsprechung – entsprechend der konkursrechtlichen Liquiditätskennzahl – eine derartige nunmehr insolvenzrechtliche Liquiditätskennzahl, deren Quotient auf der Grundlage einer Liquiditätsbilanz entwickelt wird, die alle innerhalb einer Frist von zwei bis drei Wochen fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten den in diesem Zeitraum mobilisierbaren, flüssig zu machenden Mitteln gegenüberstellt.311 Gegenüber dem Finanzplan stellt eine Liquiditätsbilanz grundsätzlich Aktiva und Passiva eines Unternehmens nach Fälligkeiten gesondert gegenüber, die auf einen bestimmten (Bilanz-)Stichtag bezogen 308
Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 265, gleichgültig sei, ob dieses Ziel nur mit dem erworbenen Unternehmen allein oder aber nach Eingliederung in ein eigenes Unternehmen mit Hilfe sogenannter Synergieeffekte oder dergleichen erzielt werden soll. 309 So MünchKommHGB/Thiessen Anh. § 25 Rn. 64; pointiert weisen Fritsche/Stalmann, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 473 daraufhin, dass man mit dem Unternehmen „unternehmerisch“ tätig werden und nicht juristisch, und dass eindeutige Rechtsgrundlagen und vorteilhafte Verträge nicht helfen, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit keine auskömmlichen Preise ermöglicht oder der Markt für die betreffenden Produkte zu klein sei. 310 MünchKommInsO/Eilenberger § 17 Rn. 10. 311 MünchKommInsO/Eilenberger § 17 Rn. 18.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
bewertet werden. Abgestellt wird auf ein Rechenwerk, woraus und basierend auf die Gegenüberstellung von negativen und positiven Vermögenswerten bilanzielle Kennziffern zur Liquiditätslage des Unternehmens abgeleitet werden.312 Die juristische und betriebswirtschaftliche Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit verdeutlicht nochmal, wie essentiell bilanzielle Kennzahlen und Rechenwerke für die Aufnahme und Darstellung des Unternehmenszustands sind. Sie zeigt, dass die Angaben zu solchen Unternehmenszahlen fähig sind, einen tragfähigen Schluss auf den Unternehmenszustand, seinen Wert und Tauglichkeit zuzulassen, wie es im Bereich sonstiger „normaler“ Kaufgegenstände wie Gebrauchsgüter die dortigen anerkannten Beschaffenheitsangaben tun.313 Dass diese Umstände andere sind als sie bei der Beurteilung von Einzelsachen nach § 434 BGB zugrunde gelegt werden, liegt – so zutreffend Lieb – „in der Natur der Sache“, da es doch um eine Analogie und damit um die „gleichsinnige Bestimmung von Umständen [geht], die für den zu beurteilenden besonderen Vertragsgegenstand, hier das Unternehmen, relevant sind“.314 Die maßgeblichen bilanziellen Kennzahlen gewinnen somit ihre zentrale Bedeutung i.V.m. dem objektiven Fehlerbegriff, weil nur mit dem Rückgriff auf diese Zahlen das Vorliegen einer objektiven Eignung zur Ertragsfähigkeit überhaupt erfasst werden kann. Von Grigoleit/Herresthal wird dagegen der Einwand postuliert, dass die Ermittlung von Bilanzangaben mit einer erheblich höheren Unsicherheit verbunden seien, weil sie nicht im Wege eines technisch-naturwissenschaftlichen Beschreibungsvorgangs ermittelt würden, sondern aufgrund komplexer rechtlicher Bewertungsregeln, deren Anwendung erhebliche Bewertungsspielräume ließen. 315 Dem kann nicht zugestimmt werden. Die einschlägigen Bewertungsmaßstäbe können nur komplex ausfallen, da es gilt das Unternehmen als lebendigen, betriebsfähigen Organismus zu bewerten, der aus verschiedensten Elementen wie Sachen, Rechten und sonstigen zum Teil schwer erfassbaren Wirtschaftsgütern (etwa den Goodwill) sowie Beziehungen (Kundenstamm, Organisation, Verbindlichkeiten) besteht. Trotz der Komplexität und den zweifelsohne bestehenden Ermessensspielräumen, haben sich Grundsätze und Methoden hinsichtlich Bilanzierungen in Praxis und Wissenschaft entwickelt und bewährt316, so dass doch ein harter objektiver Kern nicht geleugnet werden kann, die eine Standardisierung der Darstellung ermöglichen. Zu bemerken ist, dass es sich bei diesen Maßstäben um diejenigen Mittel handelt, mit deren Hilfe eine objektive Darstellung des Unternehmenszustands möglich ist 312
MünchKommInsO/Eilenberger § 17 Rn. 18. Zustimmend Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 265 f. 314 Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 266. 315 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 125. 316 Siehe allein die zahlreichen Vorschriften im HGB: Allgemeine Vorschriften wie die Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchführung in §§ 238, 243 HGB, Ansatzvorschriften in §§ 246 ff. HGB, sowie Bewertungsvorschriften in §§ 252 ff. HGB. 313
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und damit ein verlässlicher Vergleich zwischen Ist- und Sollbeschaffenheit eines Unternehmens bei Gefahrübergang überhaupt garantiert werden kann. Sie ist daher abzugrenzen von der dann zu beantwortenden Frage, ob der aus dieser Darstellung hervorgehende Inhalt, also die zahlenmäßige Darstellung der Ertragsfähigkeit gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, für die gewöhnliche Verwendung eines Unternehmens geeignet ist und den Verkehrserwartungen hinsichtlich Unternehmensbeschaffenheiten gerecht wird.317 Während beim subjektiven Fehlerbegriff der Vergleich des Istzustands an einer konkret vertraglich vereinbarten oder vorausgesetzten Sollbeschaffenheit – in diesem Sinne absolut und aktiv – verglichen wird, ist beim objektiven Fehlerbegriff dieser Vergleich eher von einer passiven, normativen Art. Die Grenzen des normativen Sollzustands sind im Vergleich mit der gewöhnlichen Verwendung und mit Gütern der gleichen Art relativ zu ziehen. Diese Relativität zeichnet den objektiven Fehlerbegriff als solchen aus und trifft sowohl für Gebrauchsgüter wie Sachen als auch für komplexere Güter wie Unternehmen zu. Ein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen kann darin gesehen werden, dass der Verwendungszweck von Gebrauchsgütern meist auch mit dem Erwerbszweck des Käufers übereinstimmt (ich kaufe ein Auto, um mit ihm zu fahren), dadurch der gewöhnliche mindestens typische Gebrauch einfach zu ermitteln ist.318 Beim Unternehmenskauf dagegen besteht neben der Grundfunktion des Unternehmens wirtschaftliche Gewinne zu erzielen häufig noch der vom Erwerber beabsichtigte individuelle Erwerbszweck (z. B. Produktionserhöhung, Markterweiterung, Sicherung der Monopolstellung). Die von Grigoleit/Herresthal plädierte Ablehnung, Bilanzangaben in die Normalbeschaffenheit des Unternehmens einzubeziehen und damit Gegenstand der kaufrechtlichen Gewährleistung zu machen, weil die Individualität des Unternehmens als Vertragsgegenstand und der vertraglichen Regelung es ihnen nicht erlaube319, greift gerade diese individuell ausgerichteten Erwerbsintentionen des Käufers auf. Es sei jedoch daran erinnert, dass es beim objektiven Fehlerbegriff darum geht, die Erfüllungshaftung an einen gewöhnlichen, mindestens typischen Verwendungszweck zu knüpfen, der bei einem Unternehmen in seiner Funktion als wirtschaftliche Betriebseinheit zu sehen ist, die allen, auch sonst so unterschiedlichen Erwerbs317 Diese klaren Grenzen werden etwa dann verwischt, wenn die Übereinstimmung der Bilanz mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung als die Normalbeschaffenheit des Unternehmens definiert wird. So etwa Lieb, in: FS Gernhuber, S. 258, 264 ff. zum alten Recht, dem zufolge die Nichtübereinstimmung mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ein Fehler im Sinn des § 459 Abs. 1 BGB a.F. darstellt. 318 Natürlich kann auch beim Autokauf der konkrete Erwerbszweck darin bestehen, mit dem Weiterverkauf Gewinn zu erzielen. Dieser ist allerdings nicht als die gewöhnliche Verwendung eines Autos zu bezeichnen, sondern unterliegt anderen Verkehrskreisen, die einen differenzierten Vergleichsmaßstab voraussetzen (Unterschiede zwischen der Rolle des Käufers als Verbraucher oder professioneller Kfz-Händler). 319 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 125; eine Standardbeschaffenheit des Unternehmens, somit die objektive Verkäuferhaftung beim Unternehmenskauf ablehnend auch Huber, AcP 202 (2002), 180, 212 und Gaul, ZHR 2002, 35, 48.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
zwecken, typischerweise zugrunde gelegt werden kann. Die (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind typische Fälle, die die gewöhnliche Verwendung eines Unternehmens beeinträchtigen und die eine Normbeschaffenheit320 ermangeln lassen und zugleich den Verkehrserwartungen eines durchschnittlichen Unternehmenskäufers nicht gerecht werden. Klarer wird die hier vertretene Ansicht, wenn man sich den Unterschied zwischen objektiven Wert und der objektiven Normbeschaffenheit eines Unternehmens vor Augen führt. Denn es ist der objektive Unternehmenswert, der nach der heute absolut h.M. nicht existiert, da ein Unternehmen aufgrund seiner Individualität keinen üblichen Marktpreis hat.321 Eine genaue Bezifferung des Unternehmenswertes ist deshalb nicht möglich, weil das Unternehmen selbst zwar einen Wert besitzt, der sich vom Objekt – also dem Unternehmen als betriebsfähige Wirtschaftseinheit – ableiten lässt, aber in viel stärkerem Maße den „Nutzen“ als subjektiven Gebrauchswert berücksichtigt, den jeder Interessent angesichts der verschiedenen subjektiven Planungen der Unternehmung beimisst.322 Sie ermöglicht nur einen Gebrauchswert aus der subjektiven Sicht des Käufers, zumal die Bewertungsvoraussetzungen zur Ermittlung des tatsächlichen Unternehmenswertes nicht objektivierbar sind.323 Die subjektive Prägung beim Unternehmenskauf zieht sich also vom Erwerbszweck des Käufers zum Nutzen des Unternehmens, dann zum (Gebrauchs)Wert und schließlich bis hin zum Preis für das Unternehmen. Da der subjektiv geprägte Unternehmenswert sich schließlich aus der Ertragskraft, d. h. aus seiner Fähigkeit, finanzielle Überschüsse für seine Unternehmenseigner zu erwirtschaften, ergibt324, stellt die Möglichkeit solcher Überschüsse die gewöhnliche oder zumindest typische Grundbeschaffenheit jedes Unternehmens und Grundvoraussetzung jeder Unternehmensbewertung dar. Solche Unternehmenszustände, die nicht einmal einen Mindeststandard an Ertragskraft aufweisen können, der objektiven Erfüllungshaftung unterzustellen, ist mehr als gerechtfertigt und kann als hypothetischer Wille der Parteien eines Unternehmenskaufvertrags abgeleitet werden. Mögen Unternehmensverträge in der Praxis individuell ausgestaltet sein, die Tatsache, dass die Beeinträchtigung der „gewöhnlichen“ Beschaffenheit eines Unternehmens allenfalls nur in sehr engen Grenzen vorkommt, stellt kein durchgreifendes Hindernis für die Anwendung des Gewährleistungsrechts dar.325
320 Vgl. oben IV.3.b), die Ertragsfähigkeit zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs als Beschaffenheit des Unternehmens. 321 Müller, JuS 1973, 603, 694; Hölters (2010), Teil I, Rn. 38. 322 Kohl, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 24 Rn. 2. 323 Kiethe, DStR 1995, 1756, 1759. 324 Kohl, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 24 Rn. 2. 325 So zutreffend MünchKomm/Westermann § 453 Rn. 25.
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6. Folgen für das Recht des Unternehmenskaufs Die Analyse des Sachmangelgewährleistungsrechts und seiner entsprechenden Anwendung auf den Unternehmenskauf gem. § 453 Abs. 1 BGB hat ergeben, dass im Hinblick auf die typischen Merkmale des Unternehmens als Kaufgegenstand, die sich ihrem Wesen nach von der Sache entscheidend unterscheiden, eine Anwendung nur mit Modifikationen auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenebene möglich ist. Mit Hilfe des Rechnungswesens kann der Zustand des Unternehmens in seinem Kern erfasst und normiert werden, so dass für die Haftungsbegründung ein Vergleich von Ist- und Sollzustand sowohl anhand des subjektiven als auch objektiven Fehlerbegriffes möglich ist. Dass diese nunmehr auch durch die Schuldrechtsmodernisierung positiv angeregte Anwendung des Gewährleistungsrechts nicht unbedingt die Praxis auch dazu veranlasst hat, aktiv von ihr Gebrauch zu machen, zeigt die weiterhin prägende Dominanz von selbständigen vertraglichen Garantieabreden und Abbedingung gesetzlicher Haftungsregelungen in der M&A-Praxis. Die Bewertung des dispositiven Gesetzesrechts ist ohne die Erwägung rechtspolitischer Aspekte, die die besonderen Interessen eines Unternehmenskaufvertrags und seiner Parteien zur Geltung bringen, ohne Bedeutung. In diese Richtung geht auch der Hinweis von Lorenz, dass die Verweisung auf das Sachmängelgewährleistungsrechts auf den Unternehmenskauf in § 453 BGB keine Neuorientierung im Sinne einer Ausweitung der Sachmängelgewährleistung nach sich ziehe, somit von entscheidender Relevanz die Frage nach dem praktischen Nutzen einer solchen sei.326 Zu Recht wird auf die Praxis im Bereich des Unternehmenskaufs hingewiesen, im welchen die bedeutsame Frage des Spielraums der vertraglichen Gestaltungsfreiheit der Parteien jedenfalls keine solche Ausweitung gebiete. Die Vertragsgestaltung nach dem Parteiwillen wird zum einen wegen der Komplexität des Unternehmens zum anderen wegen der verschiedenen Vertragszwecke notwendig, da diese eine Standardisierung des Vertragsgegenstandes mit der Annahme eines hypothetischen Willens tatsächlich erschweren. Das Gewährleistungsrecht als dispositives Recht stellt den Parteien zur Verfügung, ob sie gänzlich das gesetzliche Haftungsregime abbedingen und sog. „selbstständige Garantien“ vereinbaren oder im Rahmen des gesetzlichen Haftungsregimes ihren Willen durch Beschaffenheits- oder Verwendungszweckvereinbarungen im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 Nr. 1 BGB gelten lassen. Wird die gesetzliche Anwendung von den Parteien nicht abbedungen, stellt der Inhalt der Aufklärung in der vorvertraglichen Phase die entscheidenden Weichen zwischen den Haftungsregimen. Insoweit Ertragsangaben als Beschaffenheitsangaben qualifiziert werden können, wird diesbezüglich der Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts eröffnet und zugleich die c.i.c.-Haftung aus Konkurrenzgründen verengt: Neben den Ansprüchen des Käufers auf Schadensersatz und Aufwendungsersatz (§§ 437 Nr. 1, 280, 281, 326
Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305, 320.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
283, 311a, 284 BGB) lassen sich als genuin gewährleistungsrechtliche Rechtsbehelfe der Anspruch des Käufers auf sachmangelfreie Leistung (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) in der modifizierten Form des Nacherfüllungsanspruchs (§ 439 BGB) sowie der in § 441 BGB geregelte Minderungsanspruch verzeichnen. Während letztere vom Vertretenmüssen des Verkäufers unabhängig sind, setzt der Schadensersatzanspruch das Verschulden des Verkäufers voraus (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Mag die Schuldrechtsmodernisierung das Konkurrenzproblem zwischen der Haftung aus Gewährleistungsrecht und culpa in contrahendo entschärft haben, innerhalb des gesetzlichen Haftungsregimes findet die culpa-Haftung eine begrenzte Anwendung. Schließlich lässt das bereits angesprochene praktische Nutzen der gesetzlichen Rechtsbehelfe, unter anderem die Unangemessenheit der Nacherfüllung und Rücktritt, sowie die Rigidität eines auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzanspruchs327, die Kautelarpraxis weiterhin auf das eigenständig zusammengestellte Haftungsgefüge aus Garantiehaftung und Haftungsausschluss zurückgreifen. V. Zwischenergebnis Die Analyse des Gewährleistungsrechts hat gezeigt, wie in der vorvertraglichen Verständigungsphase der aufklärungsnotwendige Inhalt mit dem Mangelbegriff verdichtet werden kann. Die ihnen gemeinsamen Prinzipien der subjektiven und objektiven Grenzziehung verdeutlichen die Mechanismen der Äquivalenzbildung. Je nach Inhalt der Informationshandlung, wird das Verhältnis von Informationshandlung und Intensität der Haftung offenbart. Angaben über die Beschaffenheit des Unternehmens, die Eingang in den Vertrag gefunden haben und von den konkreten Vorstellungen vom Zweck und Gegenstand des Vertrags abweichen, rechtfertigen die Erfüllungshaftung. Eine solche kann aber auch ohne der vertraglichen Begründung dann entstehen, wenn aus objektiver Sicht die Informationen so relevant sind, dass sie den Kern des Unternehmens, seine Beschaffenheit betreffen. Bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung lässt der Zustand des Unternehmens bei Gefahrübergang von der wesentlichen Funktion des Unternehmens ermangeln. Falsche Angaben von Bilanzen geben ein falsches Bild des Unternehmenszustands ab, Angaben zu äußeren Umständen wie etwa die einer Person des Inhabers, von dessen Einsatz die Entwicklung des Unternehmens in erster Linie geprägt wird, dagegen nicht.328 Im Ergebnis verlagert sich bei der individuellen Vertragsgestaltung die Bedeutung des vorvertraglichen Informationsproblems: Die Verletzung von vorvertraglichen Informationspflichten kommen nicht unmittelbar als Haftungstatbestand zur Geltung, sondern gewinnen ihre Bedeutung darin, dass falsche und unzulängliche Informationen zur Störung des Äquivalenzverhältnisses führen. Die Besonderheit des 327 328
Lorenz, in: FS Heldrich, S. 305, 321. Vgl. BGH NJW1977, 1538.
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Unternehmenskaufs liegt gerade darin, dass das Informationsproblem und das Äquivalenzproblem – jeweils von Huber329 und Canaris330 gegensätzlich hervorgehoben – wie in keinem anderen Kaufvertrag so eng miteinander verbunden sind. Ursachen des Äquivalenzproblems beim Unternehmenskauf sind in vielen Fällen dem Informationsproblem zuzuordnen. Unabhängig von der Frage, ob man die Störungen des Äquivalenzverhältnisses durch gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Rechtsbehelfe bewältigt, welche schließlich den Entscheidungen der Parteien überlassen ist, bleibt die vorvertragliche Informationsphase relevant. Je klarer die Grenzen der vorvertraglichen Informationspflichten gezogen werden können, desto interessengerechter und vor allem rechtssicherer können die Parteien eines Unternehmenskaufvertrages ihre Transaktion gestalten und durchführen. Klare Grenzen ergeben sich zunächst durch gemeinsame Vorstellungen der Parteien über den Sollzustand des Vertragsgegenstandes und den ihm zugrunde liegenden Vertragszweck. Sind gemeinsame Vorstellungen nicht deutlich geworden, so bedarf es den Informationshandlungen des Käufers, wodurch seine Vorstellungen erkennbar gemacht werden müssen.
D. Die Informationshandlungen des Unternehmenskäufers I. Problemstellung Die Informationslastverteilung nach Interessensphären, die sich primär aus der Eigenschaft als Austauschvertrag ergibt, stellt grundsätzlich hohe Anforderungen an die Informationshandlungen des Käufers. Er muss sich initiativ um die für seine Willensbildung erforderlichen Informationen kümmern. Neben dem Verteilungsmechanismus durch Interessenzuordnung, kommt beim Unternehmenskauf die Eigenschaft als Chancen und Risikogeschäft hinzu, die bei der Organisation und Durchführung der Due Diligence berücksichtigt werden muss. Der risikoorientierte Ansatz verlangt geradezu danach, trotz der Verwendung von Checklisten eben nicht stur abarbeitend nach vorgegebener Zeit von Punkt zu Punkt verfahren, sondern aufgefundenen Lücken, Risiken und Problembereichen bei entsprechen wahrscheinlicher Relevanz für den Käufer der Due Diligence wirklich nachzugehen.331 Die Aufdeckung von Risiken ist in die Sphäre des Käufers einzuordnen. In dieser sehr belastenden Ausgangssituation des Käufers, stellt sich die Frage, inwieweit er bei der Durchführung der Due Diligence Rechtssicherheit gewinnen kann. Wie konkret muss die Frage vom Käufer gestellt werden, um die Informati329 330 331
Huber, AcP 202 (2002), 180. Canaris, in: FS Georgiades, S. 71, 93. Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 9 Rn. 6.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
onslast auf den Verkäufer zu verlagern? Wann ist bei späterer Entdeckung von Mängeln die Unkenntnis diesbezüglich dem Käufer anzulasten? Im Wesentlichen gilt es zu bestimmen, welche Fragen man vom Käufer erwarten kann bzw. wie konkret er seine Erwerbsvorstellungen erkenntlich machen muss, um eine Aufklärungspflicht des Verkäufers zu begründen bzw. diese zu konkretisieren. Das Problem der Zumutbarkeit einer Rückfrage steht also in engem Zusammenhang mit der Frage, welche Sorgfalt der Käufer bei der Durchsicht des Datenmaterials aufzubringen hat. Fraglich ist, wann eine unsorgfältige oder unvollständige Durchführung einer Due Diligence vorliegt, die zu einer Reduzierung der Aufklärungspflicht des Verkäufers führt. Einen ersten Orientierungspunkt könnte die langjährige Diskussion um die Durchführung der Due Diligence im Zusammenhang mit § 442 Abs. 1 S.2 BGB (auch in Anlehnung an die alte Vorschrift des § 460 BGB a.F.) liefern. Danach muss der Verkäufer nicht für Mängel der Kaufsache haften, die dem Käufer infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind, es sei denn, der Verkäufer hat den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen.332 Wurde eine Untersuchung des Kaufgegenstands durchgeführt, so darf der Käufer bei der Durchsicht seine Sorgfalt nicht grobfahrlässig vernachlässigen, will er seine Gewährleistungsansprüche behalten. Es geht also auch hier um die Bestimmung eines vorvertraglichen Verhaltensmaßstabs, dessen Verletzung zu einer für ihn ungünstigen Haftungsverteilung führt. I.V.m. der Due Diligence wurde im Schrifttum die Frage aufgeworfen, inwiefern eine unvollständig oder unsorgfältig durchgeführte Due Diligence als grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers von einem Mangel bewertet werden kann. Im Vergleich zur vorvertraglichen Pflichtenbegründung unterscheiden sich bei genauem Blick die betroffenen Sorgfaltspflichten. Während es in der Pflichtenbegründung auf die Einschätzung und Reflektion der Informationen mit Blick auf die geplante Transaktion geht333, handelt es sich bei der Untersuchung des Kaufgegenstands nach Mängeln gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB um das Erkennen bzw. die Erkennbarkeit bestimmter Mängel für die Wahrung der Gewährleistungsrechte des Käufers. Des Weiteren werden im subjektiven Bestimmungsprozess der Aufklärungspflicht vom Käufer grundsätzlich aktive Informationshandlungen gefordert334, während dem Käufer grundsätzlich keine Nachforschungspflicht auf Mängel auf-
332
Die Arglistklausel des alten Rechts ist in der Neuregelung erhalten geblieben. Vgl. auch BGH BB 1981, 700, 701 zur Frage der Aufklärungspflicht bei Vertragsverhandlungen: Fehleinschätzungen, Unaufmerksamkeiten eines Vertragspartners (Informationsempfänger) können dem Gegner (Informationsgeber) nicht angelastet werden. Es liegt im eigenen Interessenbereich des Informierten, nach Einsicht in die Unterlagen Erkundigungen einzuziehen, gegebenenfalls um Angaben über nähere Einzelheiten zu bitten. 334 Dieses trifft für alle Fälle zu, in welchen die objektive Erkennbarkeit des Vertragszwecks als Handlungsmaxime für den Verkäufer entfällt. 333
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erlegt wird. Die Durchsicht des Datenraummaterials ist nicht darauf angelegt, nach Informationsfehlern oder Mängeln des Unternehmens zu suchen. Trotz der divergierenden Ausgangssituationen, kann die Diskussion im Rahmen des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB hilfreich sein, die an die Informationshandlungen des Käufers zu stellenden Anforderungen näher zu bestimmen.335 Denn beide Regelungen gehen auf eine Haftungsverteilung aufgrund der vorvertraglichen Informationshandlung hinaus. Während die Aufklärung von Mängeln grundsätzlich in die Sphäre des Verkäufers fällt, entfällt diese Pflicht zur Information, wenn der Käufer den Mangel bei der Durchsicht grobfahrlässig nicht erkennt. Das Unterlassen der Aufklärung über einen Mangel wird dem Verkäufer nicht angelastet, wenn der Käufer hätte diesen erkennen können und die Unkenntnis auf eine grobe Fahrlässigkeit des Käufers zurückgeführt würde. Insoweit, dass Aufklärungspflichten des Verkäufers entfallen und die Informationslast auf den Käufer verlagert werden, besteht hier eine Schnittstelle der beiden Systeme von vorvertraglicher Pflichtenbegründung und Ausschluss der Gewährleistungshaftung. II. Die Regelung in § 442 Abs. 1 S. 2 BGB 1. Normzweck Zur Funktion des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB werden verschiedene Auffassungen vertreten. Bereits die Mehrheit der 2. Kommission im Gesetzgebungsverfahren zum BGB hatte erläutert, dass der Käufer sich evidenten Mängeln nicht die Augen verschließen und dann Gewährleistungsrechte geltend machen dürfe.336 Ein Teil der Literatur sieht in der Haftungserleichterung des Verkäufers in § 442 Abs. 1 BGB, auch in Anlehnung an das Verbot des venire contra factum proprium, eine Sanktion für das verkehrswidrige Verhalten des Käufers, wenn dieser, statt gleich auf den Kauf zu verzichten oder den von ihm erkannten Mangel zur Sprache zu bringen, nach-
335 Insoweit ist Huber, AcP 202 (2002), 180, 201 zu widersprechen, der diese im Schrifttum vielfach diskutierte Frage, inwiefern eine unterlassene oder grob fahrlässig durchgeführte Due Diligence zu einem Verlust der Gewährleistungsansprüche führt, angesichts der geringen praktischen Rolle, die die Sachmangelgewährleistung beim Unternehmenskauf spielt, als müßig bewertet. 336 Protokolle Mugdan II, S. 925 Rn. 2223: „Wer einen Kaufvertrag abschließe, pflege dabei mindestens mit der Sorgfalt zu Werke zu gehen, dass ihm Mängel der Sache, die nur bei grober Fahrlässigkeit übersehen werden können, nicht verborgen bleiben. Deswegen sei der Verkäufer, wenn er eine mit einem offensichtlichen Mangel behaftete Sache verkaufe, zu der Annahme berechtigt, dass der Käufer sie in dem nämlichen Sinne habe kaufen wollen in dem er sie zum Verkaufe gestellt habe, nicht als eine fehlerlose, sondern als eine mangelhafte Sache. Wenn das Gesetz die Berufung des Käufers auf einen Mangel, den er ohne grobe Fahrlässigkeit habe wahrnehmen müssen, abschneide, so beschränke es damit im Interesse des Verkehres das sog. Willensdogma.“; Soergel/Huber § 460 BGB a.F. Rn. 4 bewertet diese als einen Restbestand des caveat emptor-Grundsatzes.
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
träglich Gewährleistung verlangt.337 Allerdings wird dem entgegengesetzt, dass bei fahrlässiger Unkenntnis von Mängeln diese Meinung nicht völlig aufgehe, weil der Käufer über Fehler im Vertrauen auf eine Nachbesserungsmöglichkeit hinweggesehen haben könnte.338 Richtig sei jedoch, dass der Käufer, aufgrund der Kenntnis bzw. der grob fahrlässigen Unkenntnis vom Mangel keine berechtigten Erwartungen haben könne, eine fehlerfreie Sache zu erhalten.339 Köhler dagegen betont den ökonomischen Aspekt durch Kosten- und Risikominderung340 : Danach zielt der Gewährleistungsausschluss darauf ab, unnötige Kosten und Risiken durch Bewältigung des Problems auf Grund später erhobener Ansprüche zu vermeiden und Anreize für eine möglichst effiziente Gestaltung der Vertragsbeziehung zu setzen. Kenne der Käufer bei Vertragsschluss den Mangel oder könne er ihn leicht erkennen, so sei es ihm möglich und zumutbar, seine Interessen bei den Vertragsverhandlungen wahrzunehmen. Dem entgegnet Westermann wiederum, ob es eines solchen Anreizes für den Käufer im Normalfall überhaupt bedürfe, und ob es nicht doch eher darum gehe, zu verhindern, dass der Käufer im Einzelfall es darauf anlege (oder nach Vertragsschluss auf den Gedanken kommt), von dem in Kenntnis eines Mangels geschlossenen Vertrag loszukommen oder den Kaufpreis zu mindern, wenn er nicht überhaupt in der Absicht gekauft habe, später den Kaufpreis, der im Verhandlungswege nicht zu ändern war, durch Minderung herabzusetzen. Dass der Verkäufer vor einem solchermaßen treuwidrigen Verhalten geschützt werden soll, sei unbestritten.341 Die Regelung verhindert somit das opportunistische Käuferverhalten, indem dem Käufer die Möglichkeit genommen wird, den bereits durch einen Preisabschlag berücksichtigten Mangel über ein Minderungsbegehren abermals in Ansatz zu bringen.342 Fleischer erschließt daraus die transaktionskostensenkende Funktion des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB (bzw. § 460 S.2 BGB a.F.): „Dass dem Käufer lediglich Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit schadet, fördert die Reibungslosigkeit des Rechtsverkehrs, indem sie den Käufer von der Notwendigkeit entlastet, den Kaufgegenstand zu untersuchen oder eine entsprechende Zusicherung auszuhandeln.
337 In diese Richtung BGH NJW 1989, 2050; Grunewald (2006), S. 232 § 10 Rn. 1; Staudinger/Matusche-Beckmann § 442 BGB Rn. 1; Haas, Rn. 274. 338 MünchKommBGB/Westermann § 442 Rn. 1; BGH NJW 1989, 2050; zweifelnd Erman/ Grunewald § 442 BGB Rn. 1, da der Käufer durchaus erwarte, dass er die Gewährleistungsrechte geltend machen könne. Unberechtigt seien die Erwartungen nur aus den genannten Gründen. 339 So MünchKommBGB/Westermann § 442 Rn. 1; BGH NJW 1989, 2050. 340 Köhler, JZ 1989, 761, 763; weitgehend dem folgend Bamberger/Roth/Faust § 442 BGB Rn. 2; ähnlich Thiessen, in: Dauner-Lieb/Konzen/K.Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 253, 263 f. 341 MünchKommBGB/Westermann § 442 Rn. 1; zweifelnd über die Frage, welches Verhalten konkret als „verkehrswidrig“ zu bezeichnen sei, siehe Köhler, JZ 1989, 761, 762. 342 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 844.
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Liegt der Mangel dagegen offen zutage, so fallen die Informationskosten des Käufers kaum ins Gewicht. Möglicherweise ist er der kostengünstigere Informationssammler.“343
Die Auferlegung von Sorgfaltspflichten bei der Untersuchung des Kaufgegenstands führt insgesamt dazu, dass der Käufer, der einen Sachmangel erkennt oder grobfahrlässig übersieht, zur Verständigung darüber veranlasst wird, wenn er seine Gewährleistungsansprüche nicht verlieren will.344 Jedoch darf aus den hier gestellten Sorgfaltsanforderungen keine allgemeine Untersuchungs- und Rügepflicht des Käufers erwachsen.345 Zugleich wirkt § 442 Abs. 1 S. 2 BGB als Beweiserleichterung für den Verkäufer, dass dem Käufer nichts Unzumutbares abverlangt wird, dem Käufer die nach § 442 Abs. 1 S. 1 BGB zum Haftungsausschluss führende Mangelkenntnis nachzuweisen.346 Mit der Regelung der vorvertraglichen Verhaltenspflichten wird die gewährleistungsrechtliche Risikoverteilung bis in die vorvertragliche Phase vorgezogen. Damit wird – so zu Recht Köhler – eine weitere Funktion der Normen des Leistungsstörungsrechts deutlich347: Neben der Funktion entstandene Verluste gerecht zwischen den Parteien zu verteilen, geht es vor allem um die Aufgabe, „Verluste bei der Anbahnung und Durchführung von Verträgen möglichst zu vermeiden („Interessenausgleich durch Verhaltenssteuerung“)“. Eine offene Verständigung über die tatsächlich vorliegenden Umstände des Kaufgegenstands fördert die ökonomische Effizienz der Vertragsgestaltung und -durchführung.348 2. Die maßgeblichen Fallgruppen im Rahmen des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB Nach gewöhnlichem Sprachgebrauch ist von einem „grob“ fahrlässigen Verhalten dann zu sprechen, wenn eine Person die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerer Weise vernachlässigt und das unterlässt, was jedem hätte einleuchten müssen.349 Im Rahmen der Diskussion des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB (bzw. § 460 S.2 BGB a.F.) wurden vier Fallgruppen entwickelt, die allein oder in Kombination miteinander die Annahme eines Gewährleistungsausschlusses nahe legen350 : Augenfällige Mängel, besondere Verdachtsmomente, besondere Sach343
Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 844. MünchKommBGB/Westermann § 442 Rn. 1. 345 MünchKommBGB/Westermann § 442 Rn. 2. 346 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 844; MünchKommBGB/Westermann § 442 Rn. 1; Grunewald, Kaufrecht, 2006, § 10 I Rn. 1. 347 Köhler, JZ 1989, 761, 763. 348 Vgl. zur sozial ökonomischen Funktion der Due Diligence Angersbach, S. 72 ff. 349 RGZ 131, 343, 355; BGHZ, 10, 14, 16. 350 Fleischer (2001), S. 479 ff.; Staudinger/Honsell § 460 BGB Rn. 9. 344
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
kunde des Käufers oder die Etablierung einer Erkundigungsobliegenheit aus der Natur der Sache. Zunächst ist grob fahrlässige Unkenntnis vom Vorliegen eines Mangels dann anzunehmen, wenn ein Fehler der Kaufsache offen zu Tage liegt, somit vom Käufer ohne weiteres als solcher wahrgenommen und erkannt werden kann. Augenfällige Mängel erfordern keine aufwendigen Untersuchungen, so dass dem Käufer in solchen Fällen eine informationelle Mitverantwortung zugemutet werden kann.351 Als Beispiele kommen etwa eine durchgerostete Karosserie eines Gebrauchtwagens oder das Fehlen wesentlicher Bestandteile der Kaufsache, aber auch die offensichtlich fehlende Funktionstüchtigkeit einer Maschine in Frage.352 Ebenso kann eine Untersuchungsobliegenheit dann angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Verdachtsmomente eine nähere Prüfung sich dem Käufer geradezu aufdrängt und der Käufer gleichwohl von der Einholung weiterer Informationen absieht.353 Wird der Käufer vom Verkäufer oder einen Dritten vom Vorhandensein etwaiger Mängel aufmerksam gemacht, kann von solch besonderen Umständen gesprochen werden.354 Drittens kommt eine Erkundigungs- und Untersuchungsobliegenheit in jenen Fällen in Betracht, wenn der Käufer besondere Sachkunde besitzt, die dem Verkäufer fehlt.355 So wird in der Rechtsprechung von einem Kfz-Händler, der einen Gebrauchtwagen erwirbt, zwar eine sorgfältige Untersuchung verlangt, nicht dagegen von einem privaten Käufer.356 Ebenfalls wurde eine erhöhte Sorgfaltspflicht beim Erwerb eines Kunstwerkes durch ein Auktionshaus anerkannt.357 Der Gedanke des kostengünstigeren Informationsbeschaffers tritt hier besonders hervor.358 Schließlich kann sich für den Erwerb bestimmter Kaufgegenstände eine besondere Erkundigungsobliegenheit aus der Natur der Sache ergeben, die im Rahmen einer Verkehrssitte eine Untersuchungspflicht begründen. Eine solche Verkehrssitte wird etwa für den Erwerb von Immobilien, Autos, Kunstwerken und besonderen Kostbarkeiten angenommen.359 Hat sich die Untersuchung des Kaufgegenstandes
351
Fleischer (2001), S. 480. Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 844. 353 Palandt/Weidenkaff, § 442 BGB Rn. 13. 354 Staudinger/Matusche-Beckmann § 442 BGB Rn. 28. 355 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 845. 356 Staudinger/Matusche-Beckmann § 442 BGB Rn. 17. 357 LG Bielefeld NJW 1990, 1999, bei welchem zugleich angenommen wurde, dass Qualität und Maltechnik besondere Verdachtsmomente gegen dessen Echtheit nahe legten; kritisch dazu Soergel/Huber § 460 Rn. 20 der lediglich einen Fall einfacher Fahrlässigkeit sieht. 358 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 845 eingehend und rechtsvergleichend dazu Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 480 ff. 359 Palandt/Weidenkaff § 442 BGB Rn. 15; ausführlich dazu Soergel/Huber, 1991, § 460 BGB Rn. 20. 352
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durch den Käufer als Verkehrssitte herausgebildet, so handelt dieser bei unterlassener Prüfung grob fahrlässig im Sinne des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB.360 3. Folgerungen für den Unternehmenskauf und die Due Diligence Die Frage, inwieweit die im Rahmen des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB entwickelten Fallgruppen auf den Unternehmenskauf anwendbar sind, wird unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Insbesondere wird danach unterschieden, ob die Käuferseite hätte einen später aufgetretenen Mangel bei einer durchgeführten Due Diligence erkennen können oder ob eine Due Diligence überhaupt unterblieben ist.361 Schwierigkeiten einer unmittelbaren Anwendung ergeben sich zudem aus den besonderen Eigenschaften des Unternehmens als Kaufgegenstand. a) Schmaler Anwendungsbereich Für den Unternehmenskauf kommt zunächst eine Käuferobliegenheit in Betracht, bei augenfälligen Mängeln oder besonderen Verdachtsmomenten nähere Nachforschungen anzustellen, deren Unterlassen als grob fahrlässig bewertet werden könnte. Dass ein Mangel des Unternehmens oder besondere Verdachtsmomente so offen zu Tage liegen wird eher selten vorkommen362, zumal Unternehmensinterna meist der Öffentlichkeit verschlossen sind und erst durch Einblick in die relevanten Unterlagen erkennbar werden. Ganz kann diese Möglichkeit nicht ausgeblendet werden, weil vor allem bei Transaktionen von und durch Großunternehmen Pressemitteilungen der relevanten Branchenmedien warnende Hinweise bezüglich Unternehmensmängel enthalten können363, worauf zu reagieren oder diese zumindest in der vorvertraglichen Phase anzusprechen, dem Erwerbsinteressenten zugemutet werden kann.364 360
Staudinger/Matusche-Beckmann § 442 BGB Rn. 30. Westermann, ZHR 2005, 248, 258; Picot, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S.295, 314 ff.; Hassel, S. 94 ff. 362 Vgl. Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 845, die als Beispiel dafür offensichtliche Verunreinigung des Betriebsgeländes mit etwa umweltgefährdenden Stoffen, notorische Zahlungsschwierigkeiten des Zielunternehmens oder Berichte seriöser Presseorgane bringen. 363 Fritzen, S. 170. 364 Vgl. etwa die Nachrichten im Handelsblatt vom Dienstag den 18. Dezember 2012 Nr. 245 S. 16 f. vom Fall beim französisch-amerikanischen Telekomausrüster Alcatel-Lucent, der für ein Kreditgeschäft sein Patent-Portfolio verpfänden musste, um die Zusage der Banken zu erhalten. Kann Alcatel-Lucent die nötige Liquidität nicht mehr aufbringen, fällt das intellektuelle Eigentum des High-Tech-Unternehmens, das aus Tausenden Patenten besteht, an die Banken. In den USA gehören beispielsweise die Bell Labs, eines der angesehensten Forschungszentren, der Welt zum Konzern, wo ein großer Teil der Patente entstanden sind, die jetzt verpfändet wurden. Sollte das Unternehmen Gegenstand einer Transaktion werden, könnte diese Veröffentlichung ein besonderes Verdachtsmoment darstellen, die den Käufer zu weiteren Untersuchungen veranlassen könnten. Sollte dann zum Zeitpunkt einer Transaktion die Voll361
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Hinzu kommt, dass beim Unternehmenskauf der Unternehmensmangel vom Mangel eines Unternehmensvermögens zu unterscheiden ist, so dass ein noch so offensichtlicher Mangel des Betriebsgeländes mit etwa umweltgefährdenden Stoffen oder auch notorische Zahlungsschwierigkeiten des Zielunternehmens nicht unbedingt zu dem Schluss führen müssen, dass ein Unternehmensmangel vorliegt, die den Käufer zu besonderen Nachforschungen verpflichtet.365 Bei solchen offenliegenden Fehlern wird man jedoch auf ein besonderes Verdachtsmoment schließen können, die den Käufer zu etwaigen Nachforschungen veranlasst. Ein weiterer Grund des schmalen Anwendungsgrades liegt im Typus des Mangels, der der Fallgruppenbildung in der Rechtsprechung zugrunde liegt. Die einschlägigen Fälle, die einen Verlust der Käuferrechte bejaht haben, zeichnen sich dadurch aus, dass die Fehlerhaftigkeit der Kaufgegenstände nach der Lebenserfahrung nahe lag und zugleich bei geringsten Informationsanstrengungen für den Käufer erkennbar war.366 In der Regel wird der Käufer auch nicht über eine dem Verkäufer weit überlegene Sachkunde hinsichtlich der Aufdeckung von Unternehmensmängeln verfügen.367 Eine für den Unternehmenskauf eher atypische Informationslage kann allerdings nicht ganz ausgeschlossen werden. Dieses trifft etwa im klassischen Fall des Management Buy-Outs zu, wo der Käufer bereits eine weitreichende Sachkunde hinsichtlich der relevanten Unternehmensinterna besitzt. Wichtige Vorinformationen können sich aber auch durch langjährige geschäftliche Zusammenarbeit mit dem Zielunternehmen bis hin zur faktischen organisatorischen Eingliederung eines streckung der Pfandrechte bevorstehen, könnte tatsächlich auch ein augenfälliger Mangel angenommen werden. 365 So Hassel, S. 96, der allerdings grundsätzlich die Anwendung dieser Fallgruppe auf den Unternehmenskauf verneint, da der Kaufgegenstand Unternehmen keine augenfälligen Mängel haben könne, nur dem Unternehmen gehörende Vermögensgegenstände; vgl. auch oben C. IV. 4. über die Erfordernis des „Durchschlagens“ für die Qualifikation eines Unternehmensmangels. 366 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 846. 367 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 845; für einen abweichenden Beispiel wird in diesem Zusammenhang auf OLG Hamburg DStR 1994, 1019 hingewiesen, im welchen die Haftung des Unternehmensverkäufers aus c.i.c. wegen der Übergabe falscher Bilanzen mitunter aus den Gründen abgelehnt wurde, weil auf der Käuferseite ein „bedeutsames und versiertes Konzernunternehmen“ beteiligt war, das von einem „bekannten und anerkannten Wirtschaftsprüfungsunternehmen“ beraten wurde. Das Gericht sah hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung des Vertragsgegenstands, weiter in Ansehung der „bezeichneten Besonderheiten in der Käuferpersönlichkeit“, sowie der vielschichtig mit dem Kauf denkbaren Käuferintentionen es als eine Selbstverständlichkeit an, dass sich die Käuferin konkret, ausdrücklich und unmissverständlich gegenüber dem Verkäufer deutlich macht, wenn es ihr auf die Bilanzansätze ankam; hierzu Eggenberger, S. 244, der es zwar möglich hält, dass ein weltweit tätiges Großunternehmen, die Chancen und Risiken des Zielunternehmens im Markt besser abschätzen kann, jedoch diesen Umstand nicht als einschlägig für § 460 BGB a.F. sieht, dass es sich insoweit um einen Umstand „der Sache“ handeln muss und das Umfeld der nationalen und internationalen Marktentwicklung nicht Teil davon sei; ähnlich auch Fritzen, S. 171 f.
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Zielunternehmens in die Vertriebs- bzw. Produktionsstruktur des potentiellen Erwerbers ergeben.368 Diese werden jedoch die Ausnahmefälle sein. Die in der Rechtsprechung konstatierte überlegene Sachkunde des Gebrauchtwagen- und Kunsthändlers ergibt aus dem Umstand, dass sie eine Vielzahl von gleich gearteten Transaktionen durchführen, wodurch sie erfahrungsgemäß wissen, auf welche typischen Mängel sie den Kaufgegenstand zu untersuchen haben.369 Bei diesen Untersuchungsobjekten haben sich aus der Gleichartigkeit der Kaufgegenstände Untersuchungsschwerpunkte herausgebildet, woraufhin Untersuchungspflichten bzw. Obliegenheiten diesbezüglich entstanden sind. Beim Unternehmenskauf gibt es zwar standardisierte Transaktionsstrukturen und Mechanismen – wozu auch unter anderem die verschiedenen Arten der Due Diligence zu zählen sind –, diese sind jedoch auf die Komplexität370 – und nicht der Gleichartigkeit – des Unternehmens als Kaufgegenstand zurückzuführen, so dass sie anders als bei Gebrauchtwagen oder Kunstwerken nicht zu einer Standardisierung und Typisierung des Untersuchungsgegenstands und -inhalts führen. Schließlich kommen die besonderen Eigenschaften jedes Unternehmens hinzu, die die Vielfalt der Unternehmenslandschaft prägen und eine inhaltliche Standardisierung der Unternehmensmängel erschweren. b) Die Obliegenheit zur Due Diligence als Verkehrssitte Die am Kaufgegenstand und seiner typischen Mängel orientierte Begründung einer Untersuchungsobliegenheit hat für den Unternehmenskauf nur einen schmalen Anwendungsbereich gefunden. Zu prüfen ist, ob sich das standardisierte Informationsverfahren der Due Diligence als Verkehrssitte etabliert hat, die den Käufer zu Nachforschungen über den Kaufgegenstand verpflichtet. Dieser gerade nach der Schuldrechtsmodernisierung am lebhaftesten diskutierte Teil der bürgerlich-rechtlichen Problematik der Due Diligence371 ist relevant für die Frage, ob und unter 368 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 2 Rn. 29; für Konkurrenten oder Geschäftspartner, die unmittelbar mit dem Zielunternehmen in engen Geschäftsverhältnissen standen, wird auch die der Rechtsprechung entgegengesetzte Kritik der fehlenden „Sachkunde“ über genau diesen Kaufgegenstand nicht fehlschlagen. Allerdings müsste konkret dargelegt werden, ob eine „besondere“ Sachkunde gegenüber dem Verkäufer vorliegt, so dass die Risikoallokation möglicher Mängel nach dem cheapest-cost-avoider-Prinzip gerechtfertigt ist. 369 Hassel, S. 98. 370 Vgl. Müller, NJW 2004, 2196, 2198, dass angesichts der komplexen Eigenschaften eines Unternehmens aus den entschiedenen Fällen eher der Schluss gezogen werden müsse, den Käufer in seinen Gewährleistungsrechten stärker als bei Geschäften des täglichen Lebens zu schützen. 371 Vgl. nur Loges, DB 1997, 965, 965; Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 846; Huber, AcP 202 (2002), 180, 197; Müller, NJW 2004, 2196; Westermann, ZHR 2005, 248, 257; Böttcher, ZGS 2007, 20.
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welchen Voraussetzungen ein Unterlassen oder eine Durchführung zu einem Verlust der Gewährleistungsrechte nach § 442 Abs. 1 S. 2 BGB (bzw. § 460 S. 2 BGB a.F.) führen können. aa) Schrifttum Eine Verkehrssitte ist die im Verkehr der beteiligten Kreise tatsächlich herrschende Übung, die eine gewisse Festigkeit erlangt haben muss, wobei nicht erforderlich ist, dass sie den am Vertrag beteiligten bekannt ist oder von ihnen als verbindlich angesehen wird.372 Die überwiegende Meinung konstatiert zwar, dass mittlerweile die Durchführung einer Due Diligence bei Unternehmenstransaktionen weit verbreitet ist, bekennt jedoch, dass es keinen generalisierbaren Kernbestand an Prüfungspflichten und keine übereinstimmende Vorgehensweise für deren Durchführung gäbe.373 Für den unzureichenden Beleg für das Vorliegen einer Verkehrssitte wird zunächst auf die schmale Datenbasis hingewiesen374, eine überwiegend befolgte Praxis stelle noch keine Verkehrssitte dar, wenn auf sie häufig verzichtet werde.375 Angesichts der von Fall zu Fall unterschiedlich bedeutsamen Facetten des Unternehmenskaufs, ebenso der Existenz zahlreicher, in Inhalt und Umfang unterschiedliche variierende Due Diligence Checklisten, die zu einer Vielgestaltigkeit der Due Diligence führen, fehlt es an konkreten Anforderungen, die an den Käufer zu stellen sind 376, worüber auch die standardisierten Checklisten nicht hinwegtäuschen können. Es fehlen zumindest in Deutschland feste und im Detail eingespielte Praktiken einer Due Di372
RGZ 49, 162; BGH NJW 1994, 659, 669; Canaris, Handelsrecht (2006), § 22 I Rn. 5. Loges, DB 1997, 965, 968, dass die Frage, ob und wie eine Due Diligence durchgeführt werden soll, häufig Gegenstand heftiger Diskussionen zwischen Verkäufer und Käufer sei; Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 846, dass für die Annahme einer Verkehrssitte für den Käufer klar erkennbar sein müsse, welche konkreten Informationsanstrengungen ihm diese Verkehrssitte abverlange; nach Angersbach, S. 31. kann es feste Regeln oder Verfahren für den Ablauf einer Due Diligence angesichts der vielfältigen Interessen und Formen von in der Praxis vorkommenden Unternehmenskäufen nicht geben; dem zustimmend Westermann, ZHR 2005, 248, 260; Störk/Hummitzsch, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 33 Rn. 3, dass der Inhalt der Due Diligence in Deutschland weder näher normiert, noch sich in der Praxis ein fest umrissener Auftragsinhalt herausgebildet habe; so auch Eggenberger, S. 2; weitere Nachweise bei Böttcher, Due Diligence beim Unternehmenskauf als Verkehrssitte, ZGS 2007, 20, Fn. 22; a.A. Vischer, SJZ 2000, 229, 235, der für die Schweiz eine solche Verkehrssitte jedenfalls für den „Kernbereich“ der Prüfung auf „elementare Mängel“ wie Eigentum des Verkäufers an den Aktien, Existenz des Unternehmens, erhebliche Mängel der Rechtseinhaltung und des Betriebs) annehmen will. Fleischer/Körber bringen dem entgegen, dass diese kaum hinreichend abgrenzbar erscheinen, und somit auf eine umfassende Prüfungsobliegenheit hinauslaufe. 374 Fleischer, in: Unternehmenskauf und Schuldrechtsmodernisierung, S. 103, 108, verweisend auf das Untersuchungsdesign von Berens/Strauch, WPg 2002, 511, 515: 3926 verschickte Fragebögen mit einer Rücklaufquote von 11,3 %. 375 RGZ 75, 340. 376 Vgl. Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 846. 373
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ligence377, so dass auch nicht ohne weiteres davon auszugehen ist, dass das Rechenwerk des Zielunternehmens so eingerichtet ist, dass aus ihm jederzeit die Antworten auf die Fragen in den in der Beratungspraxis entwickelten Checklisten ungebrochen entnommen werden könnten.378 Böttcher dagegen bewertet das Argument der fehlenden kongruenten Vorgehensweise nur als bedingt richtig, weil insbesondere in wichtigen Bereichen, wie der Financial Due Diligence, Prüfungsstandards entwickelt seien, die eine einheitliche Vorgehensweise gewährleisten sollen.379 Methodisch sei dies anhand der Arbeitsgruppe des IDW bereits 1983 geschehen. Vergleiche man die Checklisten der verschiedenen Praxishandbücher, so lasse sich für die wichtigsten Bereiche der Due Diligence, wie etwa der Legal, Financial und Tax Due Diligence eine Übereinstimmung der zwingend zu prüfenden Unterlagen entnehmen, wodurch eine Standardisierung des Verfahren erreicht werde. Somit sei das Argument, es gäbe keine verbindlichen oder allgemein akzeptierten Bestimmungen für die Durchführung einer Due Diligence, für die wichtigsten Bereiche widerlegt. bb) Rechtsprechung Soweit ersichtlich, ist in der Rechtsprechung noch kein Urteil über die Frage im Rahmen des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB ergangen, ob sich die Due Diligence als Verkehrssitte etabliert hat. Lediglich sind Urteile bekannt, die die Haftung des Geschäftsführers/Vorstands gegenüber der GmbH/AG wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht durch Unterlassen einer Due Diligence bejaht haben.380 Angesichts der unterschiedlichen Interessenlagen muss dieses jedoch nicht zur Anwendbarkeit des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB führen.381 cc) Stellungnahme Die Schwierigkeit einer Bewertung liegt in der Diskrepanz zwischen Verbreitungsgrad und Intensität der Durchführung einer Due Diligence: Die Zahlen zeigen ganz deutlich, dass sich die Due Diligence als vorvertragliches Informationsin377
Angersbach, S. 31. Westermann, ZHR 2005, 248, 260; vgl. unten 5. Die Bedeutung der Due DiligenceChecklisten. 379 Böttcher, ZGS 2007, 20, 22 f., verweisend auf den IDW S1, der Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen enthalte. Für die Legal und Tax Due Diligence sei der IDW-Erhebungsbogen zur Unternehmensbewertung zurückzugreifen. 380 Vgl. LG Hannover, AG 1977, 198, 200; LG Frankfurt, WM 1998, 1181, 1185 =AG 1998, 488, 490 (bestätigt vom OLG Frankfurt am Main (Az: 21 U 260/97); OLG Oldenburg NZG 2007, 434= Oldenburg BB 2007, 66: „Zumindest dann, wenn nicht ausreichende, gesicherte Erkenntnisse über das zu erwerbende Unternehmen vorhanden sind oder wenn vorhandene Informationen Unklarheiten aufweisen, wird eine umfassende Due Diligence durchzuführen sein. Wird dies unterlassen, kommt bei einer zu erheblichen Verlusten führenden Fehlinvestition eine Geschäftsführerhaftung in Betracht.“; LG Hannover, AG 1977, 198, 200. 381 Eggenberger, S. 247 f.; Erman/Grunewald § 442 BGB Rn. 14; Hassel, S. 106 f. 378
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strument in der Übernahmepraxis weit verbreitet hat.382 Während man also bei der Frage, „ob“ eine Due Diligence gewöhnlich durchgeführt wird, eine tatsächlich herrschende, gefestigte Übung bejahen kann, lässt sich aufgrund der vielen Gestaltungsmöglichkeiten die Frage, „wie“ sie durchgeführt wird, nicht ohne weiteres beantworten.383 Ein im Detail gefestigtes Prüfungsprogram ist jedoch gerade für die Beurteilung eines sorgfaltsgemäßen Verhaltens hinsichtlich der Untersuchung des Kaufgegenstands von entscheidender Relevanz. Sowohl in den vielen Praxishandbüchern als auch bezüglich den von Böttcher erwähnten IDW-Grundsätzen und Erhebungsbogen, wird stets darauf hingewiesen, dass Checklisten und Maßgaben lediglich den Anwender zur Orientierung dienen sollen und diese im konkreten Fall anzupassen und zu ergänzen sind.384 Selbst wenn für die Bewertung einer Verkehrssitte eine Verallgemeinerung betreffend Umfang und Durchführung keine zwingende Voraussetzung ist385, so dass man tatsächlich von der Due Diligence als Verkehrssitte sprechen könnte, lässt sich daraus kein vorvertraglicher Sorgfaltsmaßstab ableiten, anhand dessen ein grob fahrlässiges Verhalten des Käufers gem. § 442 Abs. 1 S.2 BGB ermittelt werden könnte. Das Fehlen eines gefestigten Prüfungsprogramms führt zur Ungewissheit hinsichtlich des Ergebnisses der Due Diligence Prüfung. Die Stellung des Käufers, der mit der Durchführung der Due Diligence einen immensen Kostenaufwand auf sich nimmt, ist insoweit ungewiss, weil nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, unter welchen Voraussetzungen die Due Diligence mit Erfolg versteckte, für den Vertragsschluss wesentliche Umstände aufdecken kann. Je weniger Anhaltspunkte dem Käufer über bestimmte Fehler vorliegen, desto größer wird diese Ungewissheit und zugleich geringer die Zumutbarkeit für den Käufer, eine Due Diligence durchzuführen. Auch wenn dem Käufer mit den Due Diligence-Informationen in der Hand neue Möglichkeiten der Vertragsgestaltung eröffnet werden, die auch zu einer wesentlich stärkeren Verhandlungsposition führen, ist eine Obliegenheit zur Due Di382 Über den Verbreitungsgrad der Due Diligence vgl. die empirischen Studien von Marten/ Köhler, FB 1999, 337 ff. und Berens/Strauch, WPg 2002, 511 ff.: Nach Marten/Köhler ergaben als Verbreitungsgrad für die Financial Due Diligence 97, 39 %, für die Legal Due Diligence 86,44 % und für die Tax Due Diligence 82,66 %. Berens/Strauch kommen für die Financial und Tax Due Diligence auf 94,7 %, für die Legal Due Diligence auf 89,8 % und für die Commercial Due Diligence auf 84,9 %. 383 Ähnlich auch Böttcher, ZGS 2007, 20, 22, wenn er die Frage neu formuliert: Es gehe nicht darum, ob eine Verkehrssitte vorliege, sondern vielmehr, was der Inhalt dieser Verkehrssitte sei. 384 Vgl. nur Pöllath, FS Bezzenberger, 2000, S. 549, 552; Angersbach, S. 31. m.w.N.; das IDW selbst betont ausdrücklich, dass der Erhebungsbogen weder einen Leitfaden für die Unternehmensbewertung noch eine Anleitung zur Erstellung eines Gutachtens darstelle, vgl. http://shop.idw-verlag.de/product.idw?product=11347. 385 Böttcher, ZGS 2007, 20, 23, verweisend auf das Merkblatt des DIHT (Deutscher Industrie- und Handelstag, seit 2001 Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) genannt) für die Feststellung von Handelsbräuchen, wonach der Gegenstand des festzustellenden Handelsbrauchs nicht der konkrete Einzelfall, sondern der typische Gehalt gleichartiger Geschäfte ist.
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ligence, deren Unterlassen zu einem Verlust seiner Gewährleistungsrechte führen kann, ihm nicht zumutbar. Festzuhalten gilt, dass aus der verbreiteten Praxis der Due Diligence keine gefestigte, tatsächlich herrschende Übung zu entnehmen ist, die dem Käufer eine Obliegenheit zur Due Diligence aus Verkehrssitte auferlegt. 4. Due Diligence und die grob fahrlässige Unkenntnis gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB Anerkanntermaßen trifft den Käufer im deutschen Kaufrecht vor Vertragsschluss keine Prüfungsobliegenheit.386 Die Rechte des Käufers hängen nicht davon ab, ob er den Kaufgegenstand vor dem Vertragsschluss untersucht hat.387 Mängel liegen grundsätzlich in der Sphäre des Verkäufers, die dieser, soweit sie ihm bekannt sind, zu offenbaren hat. Ausnahmen bestehen in Bezug auf die Kenntnis des Käufers von Mängeln. § 442 Abs. 1 BGB stellt in Satz 1 und 2 Kenntnis vom Mangel und grob fahrlässige Unkenntnis gleich. Das bedeutet, dass die Ansprüche an den Käufer, tunlichst vor Kaufabschluss auf den Mangel hinzuweisen, zum Gegenstand einer gewissen Sorgfaltspflicht gemacht worden sind.388 Die Frage nach dem Bestehen einer grob fahrlässigen Unkenntnis von Mängeln bedarf einer zweistufigen Untersuchung: Zum einen anhand der Prüfung, ob der Käufer bei einer durchgeführten Due Diligence hätte einen später aufgetretenen Mangel erkennen können, zum anderen, ob die Unkenntnis auf eine überhaupt unterlassene Due Diligence zurückzuführen ist. Liegen bestimmte Mängel schon vor der Durchführung einer Due Diligence offen zutage oder sind besondere Verdachtsmomente erkennbar, hat der Käufer weitere Nachforschungen anzustellen. Eine Obliegenheit diese gerade in Form der Due Diligence durchzuführen, kann allerdings nicht mit einer Verkehrssitte begründet werden.389 Die Grundentscheidung, dem Käufer keine Obliegenheit oder gar Ver386
Picot, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen,S.295, 317 f. leitet dieses rechtssystematisch aus § 377 HGB ab, wonach beim beiderseitigen Handelskauf erst ab der Zeit nach Ablieferung der Kaufsache eine Obliegenheit zur Untersuchung derselben auf mögliche Mängel vorgesehen ist; RGZ 72, 435, 436; 131, 343, 353; Thiessen, Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005, S. 296, dass dem Unternehmenskäufer keine Untersuchungspflicht gem. § 377 HGB treffe; gegen eine direkte oder analoge Anwendung des § 377 HGB beim Unternehmenskauf etwa Schröcker, ZGR 2005, 63, 95 ff. 387 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 844. 388 MünchKommBGB/Westermann § 442 Rn. 1. 389 Vgl. auch Hassel, S. 95, dass man vom Bestehen einer Untersuchungspflicht in Bezug auf das Unternehmen nicht sofort auf eine Pflicht zur Durchführung einer Due Diligence schließen könne, weil aufgrund der Unterschiedlichkeit der Unternehmen ein feststehender Umfang und Intensität einer Due Diligence fehle.
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pflichtung zur vorvertraglichen Kontrolle der Kaufsache aufzulegen, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass man den Käufer bei unterlassener Prüfung des Zielobjekts mit dem Vorwurf der grob fahrlässigen Mangelunkenntnis belegt.390 Das Unterlassen einer Due Diligence kann dem Käufer neben der Tatsache, dass er etwaige Informationsmöglichkeiten selbst aufgibt und seine Verhandlungsposition dadurch erheblich schwächt, jedenfalls nicht nach § 442 Abs. 1 BGB zum Nachteil gereichen. Unabhängig von der Due Diligence kann § 442 Abs. 1 BGB natürlich dann eingreifen, wenn ein Mangel so offensichtlich zu Tage tritt, dass er auch ohne eine nähere Durchleuchtung hätte erkannt werden müssen. 391 Für den Fall der Durchführung einer Due Diligence liegen die Umstände anders. Dann ist zu prüfen, wann eine unsorgfältig durchgeführte Due Diligence als grob fahrlässig zu bewerten ist, wenn aus den im Datenraum offengelegten Unterlagen Mängel oder besondere Verdachtsmomente erkennbar werden. a) Die Zulässigkeit der Anwendung Hinsichtlich der Frage, wann nach der Durchführung einer Due Diligence die Unkenntnis des Käufers von Mängeln auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist, divergieren die Meinungen. Nach einer Auffassung kann eine unsorgfältig durchgeführte Due Diligence grundsätzlich keinen Gewährleistungsausschluss gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB mit sich bringen. Fleischer/Körber sehen einen Wertungswiderspruch darin, dass der Käufer, der überhaupt keine Due Diligence durchführt, seine Gewährleistungsansprüche behält, wohingegen jenem Käufer, der „überobligationsmäßige“ Anstrengungen unternimmt und dabei lediglich unsorgfältig verfährt, die Rechte ausgeschlagen werden.392 Angesichts dieser willkürlichen Ungleichbehandlungen werde man einen Verlust des Gewährleistungsrechts bei durchgeführter Due Diligence nur annehmen dürfen, „wenn der Käufer die übersehenen Mängel auch ohne nähere Durchleuchtung des Zielunternehmens hätte erkennen müssen“. Zu berücksichtigen 390
Gaul, ZHR 2002, 35, 64. Eingehender über die Frage, ob und unter welchen Umständen die Nichtdurchführung einer Due Diligence den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit mit sich bringt, vgl. etwa Semler, in: Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf, Teil VII Rn. 55 unterscheidet zwischen dem Bereich des professionellen Unternehmenserwerbes durch geschäftsgewandte Käufer und dem Erwerb eines Kleinunternehmens oder einer freiberuflichen Praxis: Im ersteren Fall sei es grobfahrlässig, wenn er auf eine Due Diligence verzichtet, im letzteren Fall nicht. Das OLG Oldenburg NZG 2007, 434 hat es für fahrlässig gehalten, dass der Geschäftsführer einer GmbH beim Erwerb eines Unternehmens keine Due Diligence durchführte und daraus eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber seiner Gesellschaft abgeleitet (§ 43 GmbHG). 392 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 848; ähnlich auch Picot, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, 2011, S. 295, 316; Müller, NJW 2004, 2196, 2198; Beisel/Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 5 Rn. 19; Fritzen, S. 191, Larisch, S. 152. 391
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sei ferner, das eine Due Diligence oftmals unter großem Zeitdruck durchgeführt werde und der Unternehmenskäufer innerhalb weniger Tage die vom Verkäufer zur Verfügung gestellten Unterlagen sichten und für sich auswerten müsse, so dass es ihm nur unter großen Anstrengungen möglich sei, sorgfältig und vollständig alle ihm vom Verkäufer zur Einsichtnahme bereitgestellten Unterlagen auszuwerten.393 Sofern der Unternehmenskäufer eine – wenn auch grob fahrlässige – Unternehmensprüfung durchführe, könne ihm dies grundsätzlich nicht zum Nachteil gereichen. Insoweit dürfe der Unternehmenskäufer nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der eine Due Diligence gar nicht durchgeführt habe.394 Ferner weisen Fleischer/Körber darauf hin, dass auch, wenn man unterstellte, dass die Due Diligence beim Unternehmenskauf statistisch ein Regelfall wäre, dies nicht zwangsläufig zum Verlust der Gewährleistungsrechte nach § 442 Abs. 1 S. 2 BGB (§ 460 S. 2 BGB a.F.) führe, weil eine „multiple Motivationslage“ vorliege395: Mit der Durchführung der Due Diligence gehe die Geschäftsleitung primär ihren eigenen Sorgfaltspflichten gem. §§ 93 AktG, 43 GmbHG nach, worauf sich der Schutz außenstehender Dritte wie dem Verkäufer nicht stützen ließe. Es greife daher zu kurz, aus der rechtstatsächlichen Verbreitung der Due Diligence auf eine Verkehrssitte im Verkäuferinteresse zu schließen. Nimmt man die hier betroffenen Vorschriften in den Blick, so ergibt sich die „multiple Motivationslage“ aus der Anwendung zwei unterschiedlicher Regelungen, die unterschiedliche Rechtsverhältnisse zum Gegenstand haben. §§ 93 AktG, 43 GmbHG regeln die Haftungsfrage im Innenverhältnis zwischen Geschäftsführung und Gesellschaft; § 442 Abs. 1 S. 2 BGB regelt dagegen die Haftungsverteilung im „relativen“396 Außenverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer. Bei der Durchführung der Due Diligence sind also unterschiedliche Interessen und Interessenlagen betroffen, die im Wege der Vorschriften zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen, die wiederum für jeden Betroffenen eine andere Motivationslage schaffen. Dies bezüglich weist Böttcher zu Recht darauf hin, dass es sich bei der Frage, ob eine tatsächliche Übung vorliegt, um eine tatbestandsmäßige Frage handelt, deren Ermittlung nicht mit der daraus abzuleitenden Rechtsfolgen vermengt werden darf.397 Andere Auffassungen bejahen im Falle der unsorgfältig durchgeführten Due Diligence den Gewährleistungsausschluss nach § 442 Abs. 1 S.2 BGB.398 Der 393 Picot, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 295, 316 f. 394 Ebenso Gaul, ZHR 2002, S. 35, 64; Larisch, S. 152; Müller, NJW 2004, 2196, 2198. 395 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 846. 396 Relativ nur im Vergleich zum gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis zwischen Vorstand/Geschäftsleitung und Gesellschaft. Im Vertragsrecht bilden Käufer und Verkäufer das eigentliche Innenverhältnis. 397 Böttcher, ZGS 2007, 20, 22. 398 Vgl. etwa Staudinger/Honsell § 460 BGB Rn. 9, der etwa einen Rechtsverlust möglich hält, wenn der Käufer die Kaufsache besichtigt und dabei wegen Oberflächlichkeit einen
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Käufer, der ein Zielunternehmen unter bestimmten Gesichtspunkten prüfe, mache nicht nur deutlich, dass er ein Interesse an diesen Umständen habe, sondern er gebe auch zu erkennen, dass er die für ihn wichtigen Umstände selbst beurteilen könne und wolle. 399 Daraus folge, dass der Verkäufer sich „eher darauf verlassen dürfe, dass der Käufer die für ihn relevanten Umstände erkennen und beurteilen könne und gegebenenfalls Fragen stelle. Nach Thiessen verliert der Käufer seine Gewährleistungsrechte, wenn er eine Due Diligence durchführt, und die hier gegebenen Informationsmöglichkeiten grob fahrlässig ungenutzt lässt. Das Argument, dass der Käufer, der eine Due Diligence unsachgemäß durchführe, gegenüber dem Käufer, der völlig auf eine Due Diligence verzichte, benachteiligt sei, sei kein Widerspruch; vielmehr handele es sich um zwei verschiedene Situationen: Die Parteien sind zwar nicht verpflichtet, den Kaufgegenstand zu untersuchen, vereinbaren sie aber eine solche Untersuchung, sind sie auch gehalten, deren Erfolg zu fördern, weil andernfalls die Due Diligence sinnlos wäre. Thiessen orientiert sich am Zweck der Due Diligence und den Risiken, die der Verkäufer mit der Informationsoffenlegung eingeht. Die Obliegenheit zur sachgemäßen Durchführung der Due Diligence bezieht er unmittelbar auf die Entscheidung eine Due Diligence durchzuführen. Verletzt der Käufer diese Obliegenheit in grober Weise, ist er nicht schutzbedürftig. Im Maßstab der groben Fahrlässigkeit sieht er ein effizientes Instrument zum einen die Käuferrechte zu gewährleisten und zum anderen eine situationsgebundene variable Anwendung je nach Intensität zu ermöglichen.400 Nimmt man den Zweck des § 442 Abs. 1 S. 1 BGB wieder zur Hand, durch eine offene Verständigung die ökonomische Effizienz der Vertragsgestaltung und Durchführung zu schaffen, dann gilt es mit einer ausgewogenen Informationslastund Risikoverteilung eine den Interessen beider Parteien gerecht werdende Informationsgrundlage für die beabsichtigte Transaktion zu gewährleisten. Dem Käufer kommen infolge der extensiven Informationseinsicht Optionen zugute, einen Preisabschlag zu verhandeln oder möglicherweise sogar vom Kauf Abstand zu nehmen.401 Die Offenlegung von Unternehmensinterna ist zwar für den Verkäufer
auffälligen Mangel übersieht; ähnlich OLG Köln NJW 1973, 903, bei welchem als Erwerb eines Gebrauchtwagens „wie gesehen“ eine Untersuchungsobliegenheit des Käufers bestand und der Rechtsverlust abgelehnt wurde, wenn der Mangel erst mit Hilfe eines Sachverständigen erkennbar war. 399 Werner, ZIP 2000, 989, 990. 400 Vgl. Thiessen (2005), S. 298: Entscheidet sich der Käufer für eine stichprobenartige Untersuchung, kann ihm nicht vorgeworfen werden, dass einzelne Dokumente unberücksichtigt geblieben sind. Ist mit dem Verkäufer jedoch eine intensive Prüfung vereinbart, darf der Verkäufer auch davon ausgehen, mit leicht zu ermittelnden Mängeln nicht mehr konfrontiert zu werden. 401 Vgl. Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 847, der eine weitere Möglichkeit in der Ausbedingung vertraglicher Garantien sieht.
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auch mit Risiken verbunden402, je mehr Informationen er gibt desto mehr Garantien können vereinbart werden, die für den Verkäufer zu einem Preisaufschlag führen. D.h. die Durchführung der Due Diligence ist für beide Parteien sowohl mit Aufwendungen und Risiken als auch mit Vorteilen verbunden. Wie von Thiessen richtig erkannt, erweist sich der Sorgfaltsmaßstab der groben Fahrlässigkeit als ein effizientes Instrument dem Zweck der Due Diligence gerecht zu werden und zugleich den Rechtsverlust des Käufers nicht unnötig zu einzuschränken. Die entscheidende Frage ist daher, welche Sorgfalt von den jeweiligen Parteien bei ihren gegenseitigen Informationshandlungen erwartet werden kann. b) Die Prüfungswirklichkeit und die Organisationsmöglichkeiten im Datenraum Die Prüfungswirklichkeit ist durch verschiedene Aspekte erschwert. Primär ist es die Zeitnot, mit welcher die Zuständigen zu kämpfen haben. Die verbreitete Verwendung von virtuellen Datenräumen könnte die Durchsicht erschweren, weil die Zusammenhänge zwischen verschiedenen aktenmäßig erfassten „Vorgängen“ durch eine Bildschirmpräsentation wahrscheinlich nicht so deutlich werden wie bei einer herkömmlich gestalteten Due Diligence.403 Obwohl auch in diesem Verfahren dem Käufer die Möglichkeiten zu Fragen und auf diesem Wege durch „Vorlage“ von Dokumenten beantwortet werden, sei, so Westermann, „die Herrschaft des (möglichen) Verkäufers über den Informationsvorgang wohl doch größer, als wenn er den Beraterkreis des Kaufinteressenten in einen data room in seinen Geschäftsräumen einlassen und ihm dort anhand von ausführlich zu studierenden Akten Auskunft zu erteilen [habe]“.404 In den strukturierten Verkaufsprozessen wird der Zeitrahmen für die Due Diligence häufig vom Verkäufer bestimmt, der auch den Kaufvertragsentwurf vorlegt und den Zeitplan bis zum Vertragsschluss vorgibt.405 Insbesondere beim Bieterverfahren ist der Käufer einem enormen Zeitnot ausgesetzt, dass man sich hier fragen muss, wie verlässlich der Kenntnisstand sein kann, den ein Käufer in solch kurzer Zeit erlangt, selbst wenn er, mit massiver „Manpower“ den Dataroom durchforstet.406 Während die inhaltliche Breite primär anhand der in der Praxis üblichen Due Diligence-Checklisten geprüft werden kann407, erweist sich die Prüfung der inhalt402 Absicherungsmaßnahmen hierfür sind etwa Regelungen im Letter of Intent, besondere Geheimhaltungsvereinbarungen oder Kontrollmechanismen im Datenraum (Zugangsbeschränkungen, Kopierverbote etc.). 403 Westermann, ZHR 2005, 248, 263. 404 Westermann, ZHR 2005, 248, 263. 405 Hübner, BB 2010, 1483, 1486. 406 Sachs, SchiedsVZ 2004, 123, 127. 407 Die Vollständigkeit wird dann problematisch, wenn weiterführende Unterlagen fehlen, so dass weitere Unterlagen und Informationen zu den bekannten Themenbereichen in formellen
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3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
lichen Tiefe schwieriger, weil ein tiefer gehendes Problembewusstsein erst in der interdisziplinären Absprache und im Austausch zwischen den jeweiligen Abteilungen entsteht. Die Dokumente bedürfen einer umfassenden, allseitigen Prüfung408: Viele Dokumente aus dem juristischen Bereich müssen auch von den anderen Beratern geprüft werden. Auch der Jurist muss sich mit dem Jahresabschluss befassen, es beginnt schon bei der gesellschaftsrechtlichen Basisdokumentation des Zielunternehmens. Der Handelsregisterauszug ist nicht nur für den gesellschaftsrechtlichen Prüfer von Interesse, sondern auch der Vertriebsverträge prüft, mag sich vergewissern wollen, wer zu welchem Zeitpunkt für das Zielunternehmen vertretungsberechtigt war. Für den steuerlichen Bearbeiter ist der Handelsregisterauszug ebenfalls wichtig, weil er die Eintragung von Gewinnabführungsverträgen zu prüfen hat. Andreas bringt diesbezüglich ein interessantes Beispiel409 : Der an sich unproblematische Vertriebsvertrag mag z. B. in einem anderen Licht erscheinen, wenn man weiß, dass er mit einer anderweitigen Tochtergesellschaft des Zielunternehmens abgeschlossen ist. Kommt es wegen der bisherigen Einbindung des Zielunternehmens in die Vertriebsorganisation des Verkäufers auf ihn ganz besonders an, haben die vertraglichen Konditionen, Laufzeiten und Kündigungsmöglichkeiten eine vollkommen andere Bedeutung, als wenn er mit einem neutralen Dritten abgeschlossen wäre. Das Steuerteam muss den Vertriebsvertrag daraufhin prüfen, ob die in der Vergangenheit konzernintern abgerechneten Verrechnungspreise einer steuerlichen Überprüfung standhalten oder nicht. Für die Bearbeiter der Markt-Due Diligence ergeben sich daraus wichtige Hinweise zur heutigen und künftigen Positionierung des Zielunternehmens. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass die Due Diligence nur dann zu einer für den Mandanten erforderlichen umfassenden Beleuchtung der Merkmale des Zielunternehmens führen kann, wenn gesellschaftsrechtliche, vertragliche, steuerliche und marktbezogene Aspekte so bearbeitet werden, dass die Ergebnisse der jeweils anderen Bereiche möglichst frühzeitig in die eigenen Prüfungshandlungen einfließen.410 c) Der anzulegende Sorgfaltsmaßstab Grundsätzlich kann von grober Fahrlässigkeit dann gesprochen werden, wenn der Käufer es in besonders schwerem Maße vernachlässigt hat, das im Einzelfall gebotene Mindestmaß an Information und Aufmerksamkeit einzuhalten.411 Ausgangspunkt bleibt, dass es bei der Durchsicht von Datenrauminformationen nicht darum geht, versteckte Mängel zu entdecken. Diesbezüglich betont Westermann zu Verfahrensschritten erst beschafft werden müssen, so Andreas, in: Beck’sches MandatsHandbuch Due Diligence, § 9 Rn. 5. 408 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 9 Rn. 9. 409 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 9 Rn. 10. 410 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 9 Rn. 11. 411 Palandt/Weidenkaff § 442 BGB Rn. 11.
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Recht, dass es für die Frage der groben Fahrlässigkeit i.S.d. § 442 Abs. 1 BGB dem Käufer nicht schade, wenn er den Angaben des Verkäufers oder dem Eindruck, den das ihm vorgelegte Zahlenwerk macht, nicht im Einzelnen kritisch nachgegangen sei.412 Ebenso wenig schade es dem Käufer nicht, wenn er die ihm zur Verfügung gestellten Angaben nicht oder nicht in erster Linie zur Prüfung auf Unternehmensmängel nutze, sondern hauptsächlich für seine Preiskalkulation oder zur Ermittlung der sogenannten „Synergieeffekte“ genutzt habe. Die Frage, wann bei der Durchsicht der Due Diligence-Unterlagen dem Käufer hinsichtlich unbekannt gebliebener Mängel der Gewährleistungsausschluss wegen grober Fahrlässigkeit gerechtfertigt ist, wird im Schrifttum im Zusammenhang mit den zum § 442 Abs. 1 BGB entwickelten Fallgruppen der augenfälligen Mängel oder besondere Verdachtsmomente diskutiert. Nach einer Ansicht ist dann ein Gewährleistungsausschluss gerechtfertigt, wenn der Käufer die ihm im Rahmen einer Due Diligence zur Verfügung stehenden Unterlagen ansieht und einen auffälligen Mangel wegen Oberflächlichkeit übersieht.413 Andere konkretisieren die Situation weiter, indem sie verlangen, dass der Käufer die übersehenen Mängel auch ohne nähere Durchleuchtung des Zielunternehmens hätte erkennen müssen.414 Das ist dann der Fall, wenn dem Käufer evidente Widersprüche zu den ihm sonst gegebenen Erläuterungen oder Zusagen entgangen sind bzw. eine Gelegenheit zur Nachfrage gegeben hat.415 Grobe Fahrlässigkeit kann dem Käufer auch dann vorgeworfen werden, wenn er einem deutlich offenliegenden Mangel oder den Nachweisen des Verkäufers nicht nachgeht oder übergebene Unterlagen nicht durchsieht, so dass es unverständlich erscheint, warum er auf den Hinweis nicht mit weiteren Informationshandlungen reagiert hat.416 Entscheidend für die Bewertung eines grobfahrlässigen Verhaltens ist, ob ein Mangel so offenkundig ist, dass ein passives Unterlassen weiterer Erforschungen dem Effizienzgedanken einer Due Diligence widerspricht und der spätere Verlust von Gewährleistungsrechten daher gerechtfertigt ist. Angesichts der Ausgangslage, dass der Käufer keiner allgemeinen Untersuchungspflicht unterliegt, muss eine tatsächliche Offenlegung des kritischen Umstands von Seiten des Verkäufers vorliegen.417 Der dem Unternehmenskäufer bei der Due Diligence anzulegende Sorgfaltsmaßstab muss sowohl die aus der Prüfungswirklichkeit gegebenen Schwierigkeiten 412
Westermann, ZHR 2005, 248, 260. Staudinger/Honsell § 460 BGB Rn. 9; ähnlich auch Loges, DB 1997, 965, 968, dass beim Übersehen „wesentlicher Umstände“ grob fahrlässiges Verhalten des Käufers vorliege. 414 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 848; Müller, NJW 2004, 2196, 2199; Picot, in: Berens/ Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 295, 317 f. 415 MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 59, ebenso Goldschmidt, ZIP 2005, 1305, 1310; Gaul, ZHR 2002, 35, 65; zustimmend Beisel/Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 5 Rn. 19. 416 Beisel/Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 5 Rn. 19. 417 Beisel/Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 5 Rn. 19. 413
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als auch die Informationsmöglichkeiten des Käufers berücksichtigen: Art und Umfang der ihm zugänglich gemachten Unterlagen, Möglichkeiten der Mitarbeiterbefragung, Einsatz sachverständiger Berater, die zur Verfügung stehende Zeit, der Sachverstand des Käufers im Vergleich zu dem des Verkäufers etc. 418 Angesichts des immensen Gesamtvolumens des Datenmaterials liegt die Schwierigkeit der Bewertung darin, unter welchen Umständen Mängel bzw. Deal Breaker für den Käufer offensichtlich sind und in Kenntnis genommen hat. Häufig ergeben sich Verdachtsmomente und die Grundlage für die tatsächliche Kenntnis oder das Kennenmüssen des Käufers erst durch ein Nachfragen des Käufers. In diesem Zusammenhang wird auch die Kenntnis des Verkäufers, insbesondere die Arglist des Verkäufers relevant, da die Kenntniserlangung des Käufers erschwert sein kann, wenn der Verkäufer bewusst bestimmte Umstände dem Käufer vorenthält. Im Folgenden soll anhand der üblichen Praxisinstrumente und ihres Zusammenspiels mit der gesetzlichen Regelung des Parteiwissens versucht werden, die für die Bewertung eines grobfahrlässigen Verhaltens relevanten Voraussetzungen näher zu bestimmen. 5. Die Bedeutung der Due Diligence-Checklisten a) Die Standardisierung des Due Diligence-Verfahrens durch Due Diligence-Checklisten Bei der Durchführung der Due Diligence bedient sich der Käufer sog. Due Diligence-Checklisten, welche Fragenkataloge über vertragswesentliche Punkte des Zielunternehmens enthalten.419 Angesichts der Komplexität des Unternehmens als Kaufgegenstand soll die Verwendung von Checklisten der Vollständigkeit des Verhandlungsinhalts beitragen.420 Sachverständige Mitarbeiter und eigene Berater werden sich für die Erfüllung ihrer Informationspflichten der von Fachleuten erarbeiteten Checklisten bedienen, um keine erfahrungsgemäß wichtigen Tatsachen und/ oder Fragen zu übersehen.421 Checklisten orientieren sich nach der Art der Due Diligence. Als die gängigsten Arten der Due Diligence sind die Legal Due Diligence422, Financial Due Diligence, 418
MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 59, der auch die gesellschaftsrechtlichen oder wertpapierhandelsrechtlichen Umstände betont, aufgrund dessen bestimmte Daten nicht weitergegeben werden dürfen, so dass eine gewisse Zurückhaltung des Verkäufers den Käufer nicht unbedingt zu weiteren Untersuchungen anregen muss. 419 Hier sei auf die einschlägigen Praxishandbücher verwiesen, die generell anhand von Checklisten die Due Diligence-Prüfung besprechen: Beisel/Klumpp, 20. Kapitel, Rn. 22 – 29; Beisel/Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, Holzapfel/Pöllath. 420 Loges, DB 1997, 965, 968. 421 MünchKommBGB/Westermann § 453 Rn. 59, dass es dem Käufer zugemutet werden könne. 422 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 12 Rn. 5 hebt diesbezüglich die prozessorientierten Checklisten hervor, als bereits die Teamzusammenstellung, aber
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Tax Due Diligence, Commercial Due Diligence, Environmental Due Diligence zu nennen.423 Unter diesen allgemeinen Zweckbestimmungen der Due Diligence Kategorien wird in den Praxishandbüchern auf standardisierte Checklisten mit wesentlichen Fragen über das Zielunternehmen verwiesen, die bei genauer Betrachtung ähnliche Dokumente anfordern.424 Trotz dieser Tendenz zur Standardisierung der verschiedenen Due Diligence-Verfahren wird in der Praxis wiederholt von einer starren Anwendung der Listen ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls gewarnt, weil jede Transaktion von unterschiedlichen Einflussfaktoren abhängig ist, ohne deren Berücksichtigung keine Due Diligence ihrer Gewährleistungs- und Risikoermittlungsfunktion gerecht werden kann.425 Angesichts dieser Tatsache, kann der durchschnittliche Inhalt von Checklisten als solchen keinen rechtlich bindenden Standard wie etwa für die Bestimmung des objektiven Fehlers gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstellen oder zur objektiven Grenzziehung der Aufklärungspflicht genommen werden. Ferner stellen sie auch keinen Bewertungsmaßstab für ein grobfahrlässiges Verhalten des Käufers dar. Die Verwendung oder nicht Verwendung von Checklisten sagt nichts darüber aus, ob der Erwerbsinteressent die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erbracht hat oder nicht. Allerdings kommt die Standardisierung des Due Diligence-Verfahrens gerade in der Verwendung der Checklisten zum Ausdruck, so dass bei der rechtlichen Bewertung der Due Diligence man nicht um die Fragestellung kommt, welche Folgen dann die Verwendung von Checklisten tatsächlich auf das vorvertragliche Pflichtenprogramm der Parteien und der Vertragsgestaltung hat. b) Der Inhaltswert der Due Diligence-Checklisten Inhaltlich versuchen die Checklisten ein möglichst weites Informationsspektrum abzudecken, so dass vordergründig mehr die inhaltliche Weite als die Tiefe bestimmter Gesichtspunkte von Interesse ist.426 Standardisierte Checklisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf Grund ihrer Allgemeingültigkeit eine Vielzahl von Positionen erfassen, die entweder für das auch die Durchführung der Legal Due Diligence in der Art und Weise zu erfolgen habe, wie sich Juristen spezialisieren. 423 Zu den verschiedenen Due Diligence-Arten siehe oben Einleitung § 1 B. III. 2. 424 Böttcher, ZGS 2007, 20, 23, der daraus eine Verkehrssitte in der Durchführung der Due Diligence sieht. 425 Beisel/Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 5 Rn. 26. 426 Vgl. auch Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 9 Rn. 5, der den Datenraum samt Gesamtvolumen der vorgelegten Themenbereichen und Dokumenten sowie der zur Verfügung stehenden Zeit „vierdimensional“ auffasst: Es geht darum das Gesamtvolumen des vorgelegten Datenmaterials, nämlich die Länge der Aktenreihen, die inhaltliche Breite, also die Vollständigkeit des Prüfungsstoffs zu den einzelnen Themen, die inhaltliche Tiefe, z. B. die Frage, ob und inwieweit zu den einzelnen Dokumenten weitere Erläuterungen und Informationen angeboten werden, innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit zu erfassen.
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Zielunternehmen generell oder für die spezifische Situation unwesentlich sein können.427 Allerdings kann bei genauer Betrachtung der Gesichtspunkte neben absoluten Informationswerten auch Informationen normativer Art wahrgenommen werden, die explizit auf die wirtschaftliche Bedeutung von Umständen für die konkrete Transaktion gerichtet sind. Exemplarisch sei hier zunächst die Checkliste für Patente (gleiches gilt auch für Gebrauchsmuster) genommen.428 Als Oberkategorien werden 1. Patente 2. Patentanmeldungen, 3. Konflikte, 4. Arbeitnehmererfindungen aufgeführt. Die unter der ersten Oberkategorie aufgeführten Fragen sind wie folgt: 1. Worin bestehen die Schlüsseltechnologien des targets? 2. Besteht für die Schlüsseltechnologien Patentschutz? 3. Worin besteht der Gegenstand des geschützten Patents? 4. Wer ist Inhaber des Patents? 5. Unter welchem Datum wurde das Patent angemeldet? 6. Welches ist die beanspruchte Priorität des Patents? 7. Wann wurde die Verlängerungsgebühr zuletzt bezahlt? 8. Wie lange ist die verbleibende Schutzdauer? Die Antworten auf diese Fragen sind auf bestimmte Fakten hinsichtlich des Patents gerichtet, die unabhängig vom Zielunternehmen einen absoluten, eigenständigen Informationswert über das Patent haben und auf ihre Richtigkeit hin geprüft werden können. Nimmt man die Unterkategorie der „Konflikte“ dann sind folgende Punkte ausgeführt: 1. Verfahrensart, 2. Beteiligte, 3. Verfahrensstand, 4. Ausgang des Verfahrens bzw. Erfolgsaussichten, 5. Wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrensausgangs bzw. möglichen Verfahrensausgangs, 6. Unterlassungserklärungen. Während die ersten drei Punkte wiederum absolut und eigenständig das Verfahren betreffen, ist die Frage 5. schon von normativer Art, indem sie den Verfahrensaus427
Werner, ZIP 2000, 989. Im Folgenden vgl. die Checkliste bei Hartmann, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 14 Rn. 82. 428
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gang mit der wirtschaftlichen Bedeutung für das Zielunternehmen verknüpft. Macht der Käufer diesen Punkt geltend, kann er mit den hiervon betroffenen Risikofaktoren die Verhandlungen vertiefen und die Vertragswesentlichkeit durch die weitere Anforderung von Informationen erkennbar machen. Ein anderes Beispiel sei aus dem Immobiliarsachenrecht genommen. Die immobilienrechtliche Due Diligence umfasst das gesamte Grundvermögen des Zielunternehmens und dessen dingliche Belastungen, sowie dingliche Rechte am Grundbesitz Dritter zu Gunsten des Zielunternehmens.429 Die hierzu empfohlene Checkliste unterteilt sich in wie folgt430: 1. Grundbuch/Kataster/Baulastverzeichnis, 2. Grundstückskaufverträge/ gesellschaftsrechtliche Übertragungsverträge/ Erbbaurechtsverträge/ Dauernutzungsverträge, 3. Genehmigung für Rechtsgeschäfte in Sanierungsgebieten/Umlegungsgebieten/ etc./Genehmigungen im Falle von Zweckentfremdungsverordnungen, 4. Interne und externe Gutachten/Untersuchungen, 5. Technische Unterlagen (soweit verfügbar), 6. Liste laufender gerichtlicher und außergerichtlicher Rechtsstreitigkeiten (ab Streitwert EUR […]) mit detaillierten Unterlagen, 7. Alle sonstigen grundstücksbezogenen Unterlagen, Schriftwechsel, Genehmigungen und Erlaubnisse. Die immobilienrechtliche Prüfung über den Grundbesitz und seine eingeschränkte Substituierbarkeit ist für den Erwerber von wichtiger Bedeutung, als die Transaktionskosten für den Erwerber erheblich erhöht werden können, wenn der Zugriff auf den Grundbesitz nicht in dem Maße rechtlich dauerhaft gesichert ist, wie er benötigt wird.431 Die in der Checkliste aufgeführten grundlegenden Dokumente werden zum größten Teil im Datenraum zu finden sein, ansonsten wird der Käufer diese unschwer vom Verkäufer anfordern können. Aktuelle Auszüge aus Grundbuch und Erbbaugrundbuch dienen als erste Quellen für die Prüfung von eingetragenen Belastungen zu Gunsten und zu Lasten der Zielgesellschaft. Nimmt man die erste Oberkategorie, dann wird neben den Auszügen des Grundbuchs, Katasters und Baulastverzeichnisses auch auf nicht eingetragene Belastungen einschließlich altrechtlicher Dienstbarkeiten hingewiesen, da in nicht seltenen Fällen die dingliche Rechtslage sich außerhalb des Grundbuches verändern kann, z. B. im Wege der Universalsukzession (Erbschaft gem. § 1922 BGB oder Tatbestände nach dem UmwG, wie etwa übertragende Umwandlung nach UmwG oder Umwandlung des Gesellschaftsvermögens einer Personengesellschaft in Alleinvermögen bei Aus429 430 431
Lang, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn. 14. Lang, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn 109. Lang, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn. 13.
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scheiden des vorletzten Gesellschafter432) oder durch Rechte wie. z. B. gesetzliche Vorkaufsrechte, die nicht eintragungsfähig sind.433 Der Schutz des öffentlichen Glaubens an die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs (§§ 892, 893, 899a BGB) umfasst nicht solche Rechte, die nicht eintragungsfähig oder nicht eintragungsbedürftig sind; im Falle des Share Deals hilft der öffentliche Glaube des Grundbuchs dem Erwerber nicht, da er nicht die Vermögensgegenstände erwirbt, sondern deren Eigentümer – die Zielgesellschaft.434 Die Checkliste gibt also Aufschluss darüber, welche Informationen besondere Aufmerksamkeit des Käufers verlangen und die er vom Verkäufer anfordern muss, weil sie nicht aus den sonst im Datenraum meist vorliegenden Dokumenten zu entnehmen sind. Darüber hinaus können bestimmte Gesichtspunkte ihrem Wesen nach nicht für eine Prüfung im Rahmen der rechtlichen Due Diligence geeignet sein, so dass der Erwerber auf eine umfassende und spezifische Gewährleistung durch den Veräußerer angewiesen ist. Betroffen von diesen strukturellen Leistungsdefiziten der Due Diligence sind etwa gesetzliche Ansprüche auf Begründung dinglicher Rechte, deren Entstehung von einer Reihe tatsächlicher Umstände abhängen435 oder auch der Bereich des Mobiliarsachenrechts, da das Ergebnis jeder mobiliarsachenrechtlichen Due Diligence durch das Fehlen eines dem Grundbuch vergleichbaren Registers mit größeren tatsächlichen und rechtliche Unsicherheiten behaftet ist.436 In solchen Fällen wird der Erwerber entscheidend auf umfassende und spezifische Gewährleistungen des Veräußerers verwiesen, die etwa die Vollständigkeit der wesentlichen Bestands- und Inventarlisten erfassen.437 Neben der Anforderung weiter Informationen, können Checklisten also auf notwendige Maßnahmen der Vertragsgestaltung deuten. Dies wird auch aus der rechtlichen Prüfung der dinglichen Belastungen von Grundstücken deutlich, wo die Grundpfandrechte im Vordergrund stehen, die in der Regel in Abteilung III des Grundbuchs eingetragen sind. Hinsichtlich der Bereinigung der Grundpfandrechte werden verschiedene Möglichkeiten der Vertragsgestaltung hingewiesen438 : Kann die Bereinigung der Grundpfandrechte nicht vor Abschluss der Erwerbsverträge durchgeführt werden, sollte im Kaufvertrag klargestellt werden, welche Grundpfandrechte nicht vom Erwerber übernommen werden und eine Gewährleistung des Veräußerers enthalten, dass die Darlehensforderungen 432
Palandt/Bassen § 873 BGB Rn. 8. Lang, in Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn 15 f., etwa Ansprüche des Werkunternehmens auf Eintragung einer Bauhandwerksicherungshypothek (§ 648 BGB) oder der Finanzbehörden auf Eintragung einer Zwangshypothek im Rahmen der Vollstreckung von Abgabenschulden (§ 322 Abs.5 AO). 434 Lang, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn. 17, mit dem Hinweis, dass sich beim Share Deal die rechtliche Due Diligence auf die Frage verlagert, ob der Rechtserwerb durch die Zielgesellschaft durch deren guten Glauben abgesichert ist. 435 Lang, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn. 25 436 Lang, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn. 112. 437 Lang, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn. 116. 438 Lang, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 15 Rn. 77. 433
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erfüllt sind. Zusätzlich kann die Fälligkeit des Kaufpreises davon abhängig gemacht werden, dass die für eine Löschung der Grundpfandrechte oder eine Grundbuchberichtigung erforderlichen Erklärungen der Grundpfandgläubiger dem beurkundenden Notar in grundbuchrechtlicher Form (§ 29 GBO) vorliegen. In der Entscheidung des BGH über die Aufklärungspflicht eines Grundstücksverkäufers, wurde eine Garantie der Übergabe sämtlicher Mietvertragsunterlagen inklusive der Mieterkorrespondenz439 vereinbart, worin das Gericht die entscheidende Grundlage für die vertragliche Informationspflicht gesehen hat.440 c) Zwischenergebnis: Die Informationstiefe durch Informationshandlungen Aus den obigen Ausführungen kann der Informationswert der Due Diligence Checklisten wie folgt zusammengefasst werden: Zunächst geben die jeweils nach Art der Due Diligence aufgestellten Checklisten einen Überblick über die wesentlichen Prüfungspunkte des Zielunternehmens. Die gängigen Checklisten bestimmen in erster Linie die Weite des Prüfungsstoffes, wobei bestimmte Checklistenpunkte aber auch schon geeignet sind die Verhandlung in transaktionsbezogenen Punkten zu vertiefen oder bestimmte Maßnahmen zur Vertragsgestaltung zu indizieren.441 Der konkret im jeweiligen Einzelfall erforderliche Informationswert wird erst durch weitere Informationshandlungen, insbesondere durch den Austausch zwischen den jeweiligen Due Diligence Arten erreicht. Durch das Geltendmachen von Checklistenpunkten wird der Verkäufer grundsätzlich zur Offenlegung grundlegender Informationen aufgefordert, die – wenn er die Antwort nicht abgelehnt – richtig und vollständig zu erfolgen hat. Im Hinblick auf die subjektive Grenzziehung der Aufklärungspflicht dienen die Checklisten dem Käufer zur Orientierung und der Strukturierung der weiteren Informationshandlungen. Transaktionsbezogene Checklistenpunkte machen unmittelbar die Vertragswesentlichkeit deutlich, andere bedürfen weiterer Informationshandlungen des Käufers, die diese erkennbar machen. Des Weiteren wurde ersichtlich, dass Checklisten die Informationslage im Datenraum, die Weite der vom Verkäufer zur Verfügung gestellten Informationen und zugleich die Lücken und die fehlende Tiefe der Informationswerte wiederspiegeln. Die Vertiefung des Informationstandes durch Informationshandlungen gewährleistet die Risikoermittlungs- und Gewährleistungsfunktion der Due Diligence, weil nur 439
Vgl. oben Checklistenpunkt 7. BGH NJW 2013,1807= BeckRS 2013, 06243 unter Ablehnung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht zu tatsächlich erzielbaren Mieteinnahmen. 441 Vgl. auch Hassel, S. 140, dass der Erwerber mittels der due diligence request list zeige, auf welche Umstände er erkennbar wert lege. 440
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anhand solcher Ergebnisse es zur Offenlegung von Deal Breaker kommen kann, der Kaufpreis zugunsten des Käufers gemindert wird oder der Veräußerer zusätzlich vertragliche Garantien in Kauf nimmt. 6. Die Informationslastverteilung durch Informationshandlungen des Käufers Die Durchführung der Due Diligence dient dem Käufer primär als Informationsinstrument, in der Verhandlungsphase die für die beabsichtigte Transaktion notwendigen Informationen zu erhalten, um sie bestmöglich in die Vertragsgestaltung einzubringen. Sekundär dient der Informationsprozess, die Informations- und damit die Risikolast hinsichtlich einer nachträglichen Haftungssituation zu seinen Gunsten zu lenken. Entscheidend ist daher die Informationslastverteilung, die gem. der analogen442 Anwendung der §§ 442, 444 BGB ausschlaggebend für den Rechtsverlust und -durchsetzung sein wird. Mit Berücksichtigung der Erkenntnisse durch die Prüfungspraxis kann die hier zu klärenden Frage, welche Sorgfaltsanforderungen dem Käufer bei der Durchsicht der Due Diligence Unterlagen zu stellen sind, wie folgt konkretisiert werden: Wie intensiv müssen die Informationshandlungen und das Geltendmachen der Informationen in der Vertragsgestaltung sein, um die Informationslastverteilung zugunsten des Käufers zu verlagern? Wie auch schon oben angesprochen, lässt die inhaltliche Oberflächlichkeit der Checklisten den Schluss auf den Informationswert der im Datenraum offengelegten Materialien zu, dass er zwar in ähnlicher Weise ein weites Spektrum an Informationen enthält, jedoch auf dem ersten Blick nicht die für den Erwerber tatsächlich interessanten, kritischen Punkte erkennen lassen wird. Diese Parallele der inhaltlichen Weite von Checklisten und Datenraummaterial verdeutlicht zum einen wiederholt, dass die Offenlegung des Datenraums nicht den endgültigen Informationswert enthält, sondern seiner Vertiefung es weiterer Informationshandlungen bedarf. Es mögen zwar im Datenraum Unterlagen über schwebende Patentstreitigkeiten vorliegen, die Frage, welche wirtschaftlichen Auswirkungen der Ausgang dieser Verfahren konkret auf das Zielunternehmen und seiner Marktstellung haben wird, bedarf weiterer Informationen. Wem ist die Informationslast aufzuerlegen, wenn später sich herausstellt, dass aufgrund der Ungültigkeit eines Patents enorme Gewinnverluste mit Einbüßen in der Marktstellung gerechnet werden müssen? Man nehme etwa den Fall über den Verkauf eines Pharmaunternehmens vor der DIS (Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit), im welchen die Verlängerung des Patentschutzes für ein für den Umsatz des verkauften Unternehmens besonders
442 Der Regelungsgedanke findet nicht nur begrenzte Anwendung auf Beschaffenheitsvereinbarungen oder -garantien, sondern auch auf die in der Kautelarpraxis üblichen selbständigen Garantien.
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wichtiges Arzneimittel problematisch wurde.443 Relevant wurde die Frage, ob der Unternehmensverkäufer den Käufer von sich aus auf Schwierigkeiten bei der Verlängerung des Patentschutzes hätte hinweisen müssen, oder ob es ausreichend war, dass der Käufer Gelegenheit zur Dokumenteneinsicht und zur Befragung qualifizierten Personals bekommen hatte. Ähnliche Probleme der Informationslastverteilung bestand in einem Fall vor dem BGH, im welchen der Käufer längere Zeit nach den Umsätzen gefragt, später aber dann nicht mehr auf eine Beantwortung seiner Frage, etwa auf die Vorlage von Bilanzen vor Vertragsschluss beharrt, woraus er auf einen aufklärungsbedürftigen Mangel hätte schließen können.444 In der Prüfungswirklichkeit werden Mängel des Unternehmens selten so offen im Datenraum zu Tage liegen, dass ein Übersehen solcher Mängel einen eindeutigen Schluss auf das grobfahrlässige Verhalten des Käufers liefern wird. In einer nicht so eindeutigen Situation kann der Käufer mit Informationshandlungen zum Ausdruck bringen, dass er über einschlägige Informationen nicht ausreichend aufgeklärt worden ist, dessen Vertragswesentlichkeit er durch die Geltendmachung von Checklistenpunkten in den Verhandlungen erkennbar gemacht hat. Diese sind geeignet dem aufklärungsnotwendigen Inhalt seine subjektiven Grenzen zu verleihen. Beim oben genannten Fall des Pharmaunternehmens, hätten die Schwierigkeiten der Verlängerung nicht offensichtlich aus den übergebenen Unterlagen erkennbar sein können. Hat der Verkäufer jedoch einmal die Möglichkeit gewährt, in die Unterlagen einzusehen und die Mitarbeiter zu befragen, dann hätte der Erwerber, wenn es ihm gerade auf die problematischen Medikamente ankam, diese durch Forderungen weiterer Dokumente verlangen und die Wesentlichkeit dieses Umstands für den Verkäufer erkennbar machen können. In der jüngsten BGH-Entscheidung über die Aufklärungspflicht des Grundstücksverkäufers eines Einkaufszentrums hatten die Parteien die Wesentlichkeit der Mietverhältnisse in Form einer Informationsgarantie festgehalten, dass der Verkäufer alle relevanten Dokumente inklusive der Korrespondenz vollständig offenlegen musste.445 Daran fehlte es gerade. Eine vorvertragliche Aufklärungspflicht über die tatsächlichen Mieteinnahmen hat der BGH verneint, weil der Verkäufer angesichts der Umstände, die den Verkauf eines Einkaufszentrums an eine Investmentgesellschaft begleiteten (hier u. a. erheblicher Leerstand, geringe Restlaufzeit von Hauptmietverträgen), berechtigt davon ausgehen durfte, für die Investitionsentscheidung spielten andere Kriterien als die Mieteinnahmen die ausschlaggebende Rolle. Für die Begründung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht hätte der Erwerber die Wesentlichkeit dieser Umstände für seinen Erwerbszweck deutlicher erkennbar machen müssen. Interessant ist diese Entscheidung jedoch im weitergehenden Punkt, dass der Käufer durch die Anforderung von weiteren Unterlagen sein „Informationsinteresse“ so
443 444 445
Sachs, SchiedsVZ 2004, 123, 127 f. BGH DB 1970, 42, 43. BGH NJW 2013, 1807.
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deutlich gemacht hat, dass das Gericht eine „vertragliche“ Informationspflicht des Verkäufers anerkannt hat. Gelingt dem Käufer die Begründung der Aufklärungspflicht, bedarf es nur noch eines kleinen Schrittes, um eine Verletzung der Aufklärungspflicht zu begründen und die Grundlage für eine arglistige Täuschung durch Unterlassen zu schaffen, wodurch der Käufer seiner Sorgfaltspflicht gerecht wird und sogar auch auf ausgeschlossene gesetzliche Rechtsbehelfe zurückgreifen kann. Hinsichtlich solcher Angaben, die einer Aufklärungspflicht unterfallen, kann dem Käufer bei Unkenntnis zumindest keine grob fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden. Unter diesen Voraussetzungen liegt der Vorwurf an den Unternehmensverkäufer nahe, Angaben einfach „ins Blaue hinein“ gemacht zu haben, die sich als irreführend oder falsch erweisen. Nach der Rechtsprechung ist dies dann als arglistige Täuschung zu werten, wenn dem Verkäufer – wie er weiß – entgegen der offensichtlichen Erwartung des Erklärungsempfängers jegliche zur sachgemäßen Beurteilung des Erklärungsgegenstandes erforderliche Kenntnis fehlt und er dies verschweigt.446 7. Funktion des Parteiwissens a) Die gesetzliche Regelung des Parteiwissens Wie die Privatautonomie durch das Gesetz (ferner noch durch die Verfassung) garantiert wird, werden auch ihre Grenzen durch das Gesetz bestimmt. In der Kautelarpraxis, die sich insbesondere den selbständigen Garantien und Haftungsausschlussklauseln bedient, findet die analoge Anwendung von Wissensnormen, die verschiedene Einwendungen für beide Vertragsparteien vorsehen, wichtige Bedeutung. Grundsätzlich sind zwar die Ansprüche des Käufers auch dann ausgeschlossen, wenn diesem der Mangel grobfahrlässig unbekannt geblieben ist, der Käufer kann dem allerdings entgegensetzen, dass der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat (§ 442 Abs. 1 S.2 BGB). Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat (§ 442 Abs. 1 S.2 BGB). Der Regelungsgedanke der Wissensnormen steuert das Verhandlungsverhalten der Parteien und setzt der informationellen Handlungsfreiheit und der vertraglichen Gestaltungsfreiheit Grenzen. Hat der Käufer Kenntnis über einen bestimmten Umstand erlangt, wird er diesbezüglich eine Garantie oder eine Preisanpassungsklausel verlangen.447 Bringt er trotz Kenntnis von bestimmten Mängel diese nicht in 446
BGH NJW 1980, 2460. Vgl. BGH NJW 2013, 1807, hier hatte sich die Erwerberin mit der Überprüfung des Kaufgegenstands – zu deren Durchführung die Unterlagen vorzulegen waren – das Recht vorbehalten, noch nach dem Vertragsschluss innerhalb einer bestimmten Frist eine Nachverhandlung zur Anpassung des Vertrages zu verlangen. 447
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die Verhandlungen ein, kann die Kenntnis – vorausgesetzt, dass dem Verkäufer dessen Beweis gelingt – seine Position nachteilig beeinflussen, weil er aufgrund dessen seine Gewährleistungsrechte nicht mehr geltend machen kann. Hat der Käufer einmal Kenntnis erlangt, wird er darauf bedacht sein, diese möglichst in die Vertragsverhandlungen einzubringen.448 Die für ihn nachteiligen Folgen der grob fahrlässigen Unkenntnis kann er nur dann abwenden, wenn er die Arglist des Verkäufers beweisen kann oder dieser eine Garantie hinsichtlich des problematischen Umstands übernommen hat. Somit gewinnt das Tatbestandsmerkmal des arglistigen Verschweigens entscheidende Bedeutung in der Praxis, weil es die privatautonom getroffenen Entscheidungen wie den Haftungsausschluss oder die Haftungsbeschränkung ungültig machen und auch den Rechtsverlust des Käufers wegen unsorgfältigen Informationshandlungen abwenden kann. Die Arglisthaftung stößt zwar seit jeher wegen Beweisschwierigkeiten auf ihre Grenzen bei der Vollstreckung von Gerichten, das für die Begründung der Aufklärungspflicht wesentliche Vertrauenselement449 lässt jedoch den Schluss zu, dass je eindeutiger eine Aufklärungspflicht begründet werden kann, desto höher die Chancen für den Käufer liegen, eine Täuschungssituation vorzulegen. Die Ursache des Scheiterns des Unredlichkeitsvorwurfs liegt häufig auf der objektiven Tatbestandsebene, dass der objektive Täuschungstatbestand unzureichend begründet ist. Durch eine präzise und konkret erfassbare Täuschungshandlung kann diese Schwelle realistisch überwunden werden. Wie auch im nächsten Kapitel gezeigt wird, ist eine durch Unterlassen von Informationen begründete Täuschung zumindest im Zusammenhang mit der Due Diligence naheliegender als eine positive Täuschungshandlung. Die Aufklärungspflicht ist das entscheidende Mittel im Falle von Täuschungen die Haftungsbegrenzung zu überwinden. Die Grenzen des stark Einzelfall bezogenen Voraussetzungen von vorvertraglichen Aufklärungspflichten (bedingt auch durch den Vorrang des subjektiven Fehlerbegriffes und zugleich des engen Anwendungsbereiches von objektiven Fehlern beim Unternehmenskauf) soll hier der Fokus wieder auf den prozeduralen Mechanismus gesetzt und offenbart werden, inwieweit die Grenzziehung der Aufklärungspflicht mit Hilfe der Due Diligence als Informationsinstrument standardisiert werden kann. 448 Vgl. auch Hasselbach/Ebbinghaus, DB 2012, 216, dass es gerade dem ökonomischen Zweck der Due Diligence entspreche, alle aufgedeckten kaufpreisrelevanten Probleme entweder im Wege der Kaufpreisreduzierung oder der vertraglichen Risikoübernahme im vertraglichen Haftungsgefüge abzubilden, um so einen späteren Rechtstreit zu vermeiden. 449 Vgl. BGH NJW 1983, 2493, 2494: „Eine derartige Situation kann dann vorliegen, wenn sich die Vertragsverhandlungen über einen längeren Zeitraum hinwegziehen, ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern entstanden ist und seitens des Verkäufers im Rahmen dieser Verhandlungen Angaben gemacht werden, die für die Kaufentscheidung erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind, deren tatsächliche Grundlagen aber noch vor Vertragsschluß entfallen und die sich damit als unrichtig herausstellen.“
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b) Kenntnis des Verkäufers als subjektives Element der objektiven Tatbestandsebene Nach der Rechtsprechung kann eine vorvertragliche Aufklärungspflicht bezüglich Mängeln dann bejaht werden, wenn der Verkäufer den Mangel kennt, er zugleich wissen bzw. billigend in Kauf nehmen muss, dass der Käufer bei Kenntnis den Vertrag nicht oder nicht mit solchem Inhalt geschlossen hätte.450 Dass Wissen etwaiger Auskunftspersonen im Zielunternehmen, insbesondere die während der Durchführung der Due Diligence und in der Q&A-Phase befragten Mitarbeiter, kann dem Verkäufer insoweit zugerechnet werden, weil sie als Verhandlungsgehilfen des Verkäufers betrachtet werden können und sie mit ihren Auskünften den Verkäufer vertreten.451 Die in die Rolle des Wissensvertreters i.S.d. 166 Abs. 1 BGB geratenen Mitarbeiter des zum Verkauf angebotenen Unternehmens sind zudem verpflichtet, auf Fragen des Kaufinteressenten richtig und vollständig zu antworten.452 Für die Kenntnis reicht insoweit bedingter Vorsatz aus, der in einem hypothetischen Zusammenhang mit der Willensentschließung des anderen gestellt wird. Der Unredlichkeitsvorwurf des Verkäufers liegt gerade darin, dass der Verkäufer Beschaffenheitsvereinbarungen bezüglich der Kaufsache trifft, obwohl er weiß oder für möglich hält, dass die Kaufsache dem nicht genügt.453 Redlichkeit kann dem Verkäufer nur dann zugesprochen werden, wenn er über versteckte Mängel keine Kenntnis hatte und bekannte Mängel nicht verschwiegen hat.454
450
BGH NJW 1992, 1953 = BGHZ, 117, 363; BB 1992, 810; NJW 1996, 1205; NJW 2007, 835 Rn. 8. 451 Hartung, NZG 1999, 524, 527, dass der Verkäufer unrichtige Auskünfte sich zurechnen lassen müsse, sei es, dass die Informanten selbst die Unrichtigkeit kannten oder kennen mussten, sei es, dass der Verkäufer Grund zur Annahme oder Befürchtung hatte oder haben musste, die Informanten könnten ihr unrichtiges Wissen weitergeben, oder sei es, dass beide Situationen vorliegen. 452 Hartung, NZG 1999, 524, 529. 453 Erman/Grunewald § 438 BGB Rn. 23; vgl. auch MünchKommBGB/Grundmann § 276 Rn. 163, wonach es bei der Arglist um das Wissen des Verkäufers geht, dass gemachte Angaben nicht zutreffen, die jedoch für die Entschließung eines anderen von Bedeutung sind. Erfasst ist auch der Fall, dass die Angaben „ins Blaue“ gemacht werden, zwar nicht im sicheren Wissen um deren Fehlerhaftigkeit, aber doch in dem Wissen, dass man selbst für deren Richtigkeit nicht, wie implizit mit behauptet, stehen kann; damit erfasst der Tatbestand der Arglist nicht nur die betrügerische Absicht des Verkaufenden, sondern ist im Sinne eines (bloßen) „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ zu verstehen, mit denen kein „moralisches vorwerfbares Verhalten“ verbunden sein muss; vgl. BGH NJW 1990, 975; NJW 1992, 1953, 1954; NJW 1994, 253, 254; 2006, 2839. 454 BGH NJW-RR 2003, 989 f., dass die die Versicherung im notariellen Vertrag, keine versteckten Mängel zu kennen und keine bekannten Mängel zu verschweigen, keine Zusicherung einer Eigenschaft der Kaufsache darstelle, sondern eine Aussage zum Kenntnisstand und zur Redlichkeit des Verkäufers enthalte.
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Dieser spezifische Bezug der Kenntnis des Verkäufers über den Mangel auf den Willen zum Vertragsschluss oder zur Beschaffenheitsvereinbarung des Käufers ist kennzeichnend für die Anforderungen, die an die Aufklärungspflicht des Verkäufers in der vorvertraglichen Phase gestellt werden. Auf dieser Grundlage lässt sich auch für die Frage, ob der Verkäufer alle, die ihm (wörtlich genommen) „bekannte“ Mängel offenzulegen hat, im geltenden Recht eine vernünftige Lösung finden. Denn eine Verpflichtung des Verkäufers bezüglich aller ihm bekannten Mängel führt zu einer erheblichen Erweiterung der Aufklärungspflicht, die im Hinblick auf die gegensätzliche Interessenlage der Vertragsparteien – insbesondere beim Unternehmenskauf – bedenklich sein kann.455 Alle Mängel, die bei der Willensentschließung des Käufers, sei es für den Vertragsschluss als auch für einzelne Beschaffenheitsbzw. Klauselvereinbarungen, keine Bedeutung zu kommen, für den Käufer also „unerhebliche“ Mängel, unterliegen nicht der Aufklärungspflicht des Verkäufers.456 Die Aufklärungspflicht entfällt ferner, wenn der Verkäufer erst gar nicht über die Kenntnis vom betroffenen Umstand verfügt.457 Arglist wird zwar meistens als Verschuldenselement auf der subjektiven Tatbestandsebene geprüft, im Zusammenhang mit der Begründung der Aufklärungspflicht dient sie – als besondere Ausdrucksform der Kenntnis in der vorvertraglichen Phase – zugleich als subjektives Element des objektiven Tatbestandmerkmals. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Kenntnisform der Arglist durch ihren Bezug auf den Willensentschluss des Verhandlungsgegners kennzeichnet. Die Selektion des aufklärungspflichtigen Inhalts im Falle der Arglist erfolgt nach dem gleichen Prinzip der vorvertraglichen Vertragszweckbestimmung anhand des Merkmals der Erkennbarkeit, sie wird nur wesentlich erleichtert, weil der Verkäufer eindeutig über die Kenntnis der vertragsschlussrelevanten Umstände und der Unkenntnis des Käufers über ihr mögliches Fehlen verfügt. Folglich wirkt die Prüfung der besonderen Aufklärungspflicht auf der objektiven Tatbestandsseite oft schon überflüssig, weil in der Praxis häufig nur darauf abgestellt wird, ob der Verkäufer von dem Mangel wusste oder mit ihm rechnete.458 Diese Vorgehensweise wird am Beispiel des Gebrauchtwagenkaufs besonders deutlich. Der Gebrauchtwagenverkäufer muss grundsätzlich über einen früheren Unfall des Fahrzeugs, der ihm bekannt ist oder mit dessen Vorhandensein er rechnet, 455
Gröschler, NJW 2005, 1601 f. So auch Erman/Grunewald § 438 BGB Rn. 23, die die Offenbarungspflicht auf erhebliche Mängel begrenzt; a.A. Staudinger/Matusche-Beckmann § 438 BGB Rn. 100, die im Hinblick auf die Erweiterung der Mängelrechte auf unerhebliche Mängel die Pflicht zur Offenbarung ohne jede Einschränkung für sämtliche Mängel bejaht. 457 So wurde in einer Entscheidung (BGH BeckRS 1979, 31068311 = DB 1980, 679), bei welchem es um die Anforderungen an die Aufklärungspflicht des Verkäufers beim Aktienkauf ging, die Täuschung durch bewusstes Verschweigen von Tatsachen abgelehnt, weil sich aus Plankostenrechnungen, in denen Ist- und Sollkosten und Ist- und Sollumsätze gegenübergestellt werden, für den Verkäufer keine Rückschlüsse auf Verluste in bestimmter Höhe ergaben. 458 Erman/Grunewald § 438 Rn. 23. 456
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auch ungefragt dem Käufer offenbaren, wenn er sich nicht dem Vorwurf arglistigen Verschweigens aussetzen will.459 Bezüglich der Begründung der Aufklärungspflicht wird hier der subjektive Bestimmungsprozess des Vertragszwecks gar nicht erst notwendig, weil dieser Umstand auch aus Sicht des Verkäufers für den Gebrauchtwagenkäufer objektiv erkennbar vertragsschlussrelevant ist. Da die Unredlichkeit des Verkäufers aus der billigenden Inkaufnahme der Unwissenheit des Käufers resultiert, wird die Arglist grundsätzlich dann verneint, wenn der Verkäufer davon ausgeht, dass der Käufer den Mangel kennt.460 Auch über solche Mängel, die einer Besichtigung zugänglich oder auch sonst für den Käufer unschwer erkennbar sind hat der Verkäufer nicht aufzuklären. So verneinte der BGH die Offenbarungspflicht des Verkäufers eines Hausgrundstücks, in dem das Mauerwerk starke Durchfeuchtungen aufwies, die für den Käufer ohne weiteres sichtbar gewesen wären.461 Indessen führt die Möglichkeit, sich Kenntnis anderweit – etwa aus übergebenen Unterlagen – zu verschaffen, nicht von vornherein zum Ausschluss der Offenbarungspflicht.462 Der BGH unterscheidet hier bewusst zwischen der Besichtigungsmöglichkeit von Konstellationen, in denen dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich Kenntnis von einem Mangel des Kaufobjekts zu verschaffen. Beim Letzteren wird die Erkennbarkeit des Mangels nicht von vornherein abgesprochen. Eine Gleichstellung, d. h. der Entfall der Aufklärungspflicht durch klare Erkennbarkeit des Mangels, sei nur dann gerechtfertigt, wenn ein Verkäufer auf Grund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen als Grundlage seiner Kaufentscheidung durchsehen werde. 463 Solche Umstände seien etwa dann gegeben, wenn der Verkäufer dem Käufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein Sachverständigengutachten überreiche. Ein verständiger und redlicher Verkäufer könne dagegen nicht ohne weiteres erwarten, dass der Käufer Finanzierungsunterlagen auf Mängel des Kaufobjekts hin durchsehen werde.464 In der jüngsten Rechtsprechung des BGH wurde diese Ansicht noch einmal bestätigt. Es ging um die Größe eines umfriedeten Grundstücks, wobei der Verkäufer dem Unredlichkeitsvorwurf nicht entgehen konnte, wenn er erwartet hatte, dass ein Käufer Finanzierungsunterlagen oder einen ihm übergebenen Ordner mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt darauf durchsieht, ob in die Einfriedung des
459
Vgl. nur BGH NJW-RR 1987, 436. BGH NJW-RR 1996, 690, jüngst wieder BGH, Urteil vom 11. November 2011 – V ZR 245/10. 461 BGH NJW-RR 1994, 907. 462 BGH NJW 2011, 1280. 463 BGH NJW 2011, 1280. 464 BGH NJW 2011, 1280 f., im konkreten Fall wurde daher als irrelevant erachtet, dass die Asbestverwendung der ersten Seite der Baubeschreibung zu entnehmen ist. Abgesehen davon hatte der Verkäufer seiner eigenen Aussage nach die Kenntnis von der Asbestverwendung nicht aus der Baubeschreibung erlangt. 460
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Grundstücks möglicherweise fremder Grund einbezogen wurde.465 Auch hier wurde wiederholt betont, dass ein Verkäufer mit der Übergabe von Unterlagen seine Aufklärungspflicht nur dann erfülle, wenn er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zwecke allgemeiner Information, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen werde. Solche Umstände lägen etwa vor, wenn der Verkäufer dem Käufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein Sachverständigengutachten überreiche.466 Die Arglist des Verkäufers konnte deshalb bejaht werden, weil er die Unkenntnis des Käufers von den tatsächlichen Grundstücksgrenzen gewusst oder zumindest damit gerechnet und billigend in Kauf genommen haben musste. Für die Due Diligence ergeben sich auf der Grundlage der jüngsten Rechtsprechung folgende Wertungen: Erstens, die Eröffnung des Datenraums lässt zwar nicht von vornherein die Aufklärungspflicht entfallen, der Verkäufer, der einem Kaufinteressenten die Einsicht in Unternehmensunterlagen gewährt, darf jedoch redlicherweise darauf vertrauen, dass dieser erkennbare Mängel des Unternehmens auch zur Kenntnis nimmt. Die Redlichkeit des Verkäufers setzt die Erkennbarkeit des Mangels aus den Unterlagen voraus. Nach dem objektiven Empfängerhorizont darf der Verkäufer auf eine Kenntnisnahme durch den Käufer nur vertrauen, wenn der mangelbegründende Umstand aus den Unterlagen hervor geht. Das etwa im Rahmen der Legal Due Diligence geprüfte Sachverständigengutachten muss Aussagen über mögliche Mängel des Grundstücks treffen, allgemeine Finanzierungsunterlagen oder Beschreibungen über Vermögensobjekte des Unternehmens verfügen – so betonend die Rechtsprechung – nicht über eine solche Auskunftskraft.467 Für die Due Diligence bleibt es weiterhin der schwierigen Bewertung überlassen, wann ein Mangel aus den Unterlagen tatsächlich ersichtlich ist. Aus der Rechtsprechung sind dafür zumindest strenge Maßstäbe zu entnehmen. Zweitens, mit der Offenlegung der Unternehmensinterna wird der Verkäufer seiner Aufklärungspflicht nur gerecht, wenn er aufgrund der Umstände berechtigt erwarten kann, dass der Kaufinteressent während des Due Diligence-Prozesses die übergebenen Unterlagen auf bestimmte Gesichtspunkte hin gezielt durchsehen werde. Führt man sich das mittlerweile standardisierte Informationsverfahren beim Unternehmenskauf vor Augen, das mit Hilfe der verschiedenen Due Diligence-Arten und ihr angepasster Checklisten das Unternehmen gezielt unter spezifischen Gesichtspunkten durchleuchtet, dann könnten in der Tat die Ansprüche der höchst465 Dieses wurde dadurch bestärkt, dass der Käufer hier aufgrund des ausdrücklichen Hinweises in der Objekt- und Lagebeschreibung auf die Umfriedung des Grundstücks mit Zaun und Eingangstor ersichtlich keinen Grund für die Annahme hatte, dass in diese Teile des Nachbargrundstücks einbezogen sein könnten, und er daher erkennbar auch keinen Anlass hatte, die Frage des Grenzverlaufs einer näheren Prüfung zu unterziehen; hier lehnt das Gericht daher auch die Zumutbarkeit der Frage von Seitens des Käufers ab und lässt es erst gar nicht auf die subjektive Vertragszweckbestimmung durch den Käufer ankommen. 466 BGH NJW 2013, 1671. 467 Siehe oben BGH NJW 2011, 1279, 1280.
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richterlichen Entscheidung hinsichtlich der berechtigten Erwartung des Verkäufers für die Kenntnis des Käufers bejaht werden. Fraglich ist jedoch, ob die formalisierten Strukturen der Due Diligence allein eine solch einseitige Belastung des Käufers rechtfertigen. Dieses wäre schon mit der Dynamik der Due Diligence, mit welcher sich der Wissensstand des Käufers erst im Laufe des Prozesses entwickelt, nicht zu vereinbaren. Zugleich ist unumstritten, dass die Einsicht des Käufers in den Datenraum die Wahrscheinlichkeit, dass er mögliche Mängel des Unternehmens zur Kenntnis nimmt, erhöht. Die Wertungen aus der Rechtsprechung liefern einen interessengerechten Lösungsansatz für beide Parteien: Der Mangel muss aus den im Datenraum offengelegten Materialien explizit hervorgehen, sei es in Form von Sachverständigengutachten oder Erfahrungsberichten. Liegen diese erkennbar offen im Datenraum, kann der Unternehmensverkäufer darauf vertrauen, dass der Käufer, der die Datenraummaterialien anhand von Checklisten auf bestimmte Gesichtspunkte hin untersucht, die Mängel in Kenntnis nehmen wird. c) Darlegungs- und Beweislastverteilung beim arglistigen Verschweigen Die Grenze zwischen Redlichkeit und Unredlichkeit des Verkäufers bzw. Kenntnis und Unkenntnis des Käufers, liegen eng bei einander, so dass für die Praxis von wesentlicher Bedeutung ist, wie sich der Arglistvorwurf prozessual darlegen und beweisen lässt. Sie ist dadurch erschwert, dass es sich um gänzlich innere Tatsachen handelt. Dass eine Partei jedoch eine innere Tatsache zu beweisen hat, und die Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht ohne weiteres zu Beweiserleichterungen.468 So bleibt es dabei, dass grundsätzlich der Käufer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Umstände trägt, die den Arglisttatbestand ausfüllen, wozu bei einer Täuschung durch Verschweigen auch die fehlende Offenbarung gehört.469 Da es sich beim arglistigen Verschweigen jedoch um eine negative Tatsache handelt, kommt der BGH dem Käufer mit den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast entgegen.470 Der Käufer kann sich zunächst auf die fehlende Offenbarung berufen, indem er die vom Verkäufer in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu spezifizierende Aufklärung ausräumt.471 Der Verkäufer darf 468
BGH NJW 2011, 1279, 1281 BGH NJW 2011, 1279, 181 m.w.N. 470 BGH NJW 2011, 1280, vgl. dazu auch Lorenz, LMK 2011, 323580. 471 Vgl. BGHZ 64, 46, 51 ff. über das Verhältnis von Beweislastumkehr und Zweck der Aufklärungspflicht: Eine Umkehr der Beweislast wurde auch dann angenommen, weil der Zweck derartiger Aufklärungspflichten auch darin besteht, Klarheit darüber zu schaffen, ob der Vertragsgegner, wenn ihm das jeweilige Risiko in seiner ganzen Tragweite bewusst gemacht wird, trotzdem an der ins Auge gefassten Maßnahmen festhalten oder von ihr Abstand nehmen will. Er soll daher, wenn diese Frage nur hypothetisch zu entscheiden ist, von der ihn typischerweise treffenden Beweisnot entlastet werden. 469
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hierbei nicht auf allgemein gehaltenen Aussagen verweilen, sondern muss Art, Inhalt und Tragweite des betroffenen Mangels in den wesentlichen Zügen darlegen.472 Gelingt dieses dem Verkäufer nicht, behauptet er gleichwohl, er sei davon ausgegangen, dass der Käufer aufgeklärt worden sei, gilt mit Blick auf die Darlegungslast nichts anderes: Es ist ebenfalls Sache des Verkäufers, diejenigen Umstände in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu konkretisieren, auf Grund deren er trotz unterbliebener eigener Aufklärung davon ausgegangen sein will, der Käufer habe Kenntnis von dem Mangel gehabt. Zu prüfen ist daher, wie die Grundsätze der sekundären Darlegungslast im konkreten Rahmen der Due Diligence Prüfung auf die Beweisführung der Parteien anzuwenden ist. Zunächst ist auf die Besonderheiten der heut zu Tage üblichen digitalen Infrastruktur des Due Diligence-Verfahrens einzugehen. Mit dem virtuellen Datenraum wird eine zeitliche Prozessverschlankung bzw. erhebliche Steigerung der Effizienz und damit des endgültigen Arbeitsergebnisses der Due Diligence-Prüfung erzielt.473 Die beteiligten Personen erhalten mittels eines Zugangscodes Zugriff auf die dort eingestellten Dateien, wodurch die gleichzeitige Einsicht verschiedener Personen und auch verschiedener Interessenten möglich wird.474 Der virtuelle Datenraum ermöglicht dem Verkäufer eine nahtlose Kontrolle darüber, welche Dokumente wann und von wem eingestellt und wann von wem abgerufen worden sind, so dass eine Archivierung für spätere Nachweiszwecke, insbesondere für den Kenntnisnachweis, bereits automatisch gegeben ist.475 Da Fragen sowie Anforderungen ergänzender Informationen und Dokumente auf der eingerichteten Arbeitsplattform geordnet gesammelt und über sie beantwortet werden476, wird auch die Dokumentation der Q&A-Phase garantiert. Diesbezüglich weist Beisel darauf hin, dass der virtuelle Datenraum in Bezug auf das Verfahren tendenziell zu einer Kontrollasymmetrie führe, da der Verkäufer über seinen Dienstleister den Zugriff, die gestellten Fragen etc. jeweils genau abrufen könne, der Käufer jedoch diese Vorteile der virtuellen Plattform für sein eigenes Projektmanagement nur dann habe, wenn er zeitnah derartige Auswertungen vom Dienstleister des Verkäufers erhalte oder er eine jederzeit nachvollziehbare Koor472 BGH NJW 2011, 1279, 1281, dass die Aufklärung des Verkäufers die baurechtliche Beschränkung konkret erfassen müsse und die bloße Vorstellung der bislang genehmigten Planung wegen der Wirkung der Baulast in die Zukunft nicht ausreiche. 473 Lauszus/Hosenfeld/Hock, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 477, 484; Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 31. 474 Lauszus/Hosenfeld/Hock, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 477, 484. 475 Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 32; vgl. auch Westermann, ZHR 2005, 248, 263 über die Informationsherrschaft des Verkäufers. 476 Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 32.
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dination seines Teams über ein eigenes System, ggf. eine gemeinsame Bearbeitungsplattform des Mandanten und aller seiner Berater quasi nachstellen könnte.477 Dem Kaufinteressenten wird daher geraten, zunächst die technischen Möglichkeiten einer Bearbeiterkoordination des eingesetzten Datenraumsystems sowie die technischen Koordinationsmöglichkeiten des Mandanten und seiner anderweitigen Berater zu klären und dann ein gemeinsames internes Berichtssystem vorzuschlagen und aktiv nachzuhalten.478 Möge sich der Käufer die Vorzüge der digitalen Plattform bei der Durchführung der Due Diligence erst nach aktiver Verhandlung mit dem Verkäufer sichern können, die detaillierte Dokumentation der Informationsoffenlegung im virtuellen Datenraum und des ihr folgenden Informationsaustausches kann dem Käufer für den späteren Beweisnachweise insofern zu Gute kommen, weil – wenn tatsächlich eine offensichtliche Aufklärung ausgeblieben ist – es für den Verkäufer schwierig sein wird die inhaltlich spezifizierende Aufklärung darzulegen, wenn die Dokumentationen der Datenraummaterialien und des inhaltlichen Austausches in der Q&APhase nur auf allgemein gehaltenen Aussagen verweilen, woraus sich der Käufer die Tragweite des betroffenen Mangels erst selbst erschließen musste. Umgekehrt kann die Dokumentation natürlich aber auch dem Verkäufer zugutekommen, die Aufklärung über den problematischen Umstand räumlich, zeitlich und inhaltlich darzulegen. Die Digitalisierung des Due Diligence-Verfahrens ermöglicht eine genaue Dokumentation des Informationsflusses zwischen den Parteien, die ein effizientes Mittel ist, um ex post einen möglichst wahrheitsgetreuen Informations- und Kenntnisstand der Parteien nachzuweisen.479 Für den enttäuschten Käufer besteht eine realistische Chance mit Hilfe dieser Dokumentation und den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast dem Verkäufer die arglistige Verletzung der Aufklärungspflicht vorzuwerfen. 8. Kenntnis des Käufers a) Subjektives Element der objektiven Tatbestandsebene Darf der Verkäufer annehmen, dass der Käufer den Mangel ohnehin kennt, besteht keine Aufklärungspflicht. Kenntnis des Käufers lässt die Begründung der Aufklärungspflicht als solches entfallen.480 Der Frage des Mitverschuldens (im Rahmen der c.i.c.-Haftung) ist insoweit wenig Bedeutung zuzusprechen, da bereits das Bestehen einer Aufklärungspflicht das 477
Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 33. Beisel, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 33. 479 Ähnlich die Beweisfunktion des virtuellen Datenraums betonend Hassel, S. 147. 480 BGHZ 132, 30 = BB 1996, 924 ff.; BGH, NJW-RR 2003, 772; a.A. Hassel, S. 138, der es der Kausalitätsproblematik zwischen Aufklärungspflichtverletzung und Vertragsschluss bzw. Schaden zuordnet. 478
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Vertrauen des Käufers auf die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit einer Information voraussetzt, so dass ein „Mitverschulden“ nur zur Verneinung einer Aufklärungspflicht als solcher und damit auf der objektiven Tatbestandsebene zum Ausschluss der Haftung führt.481 Nach der Aussage des BGH darf der Verkäufer dem Käufer nicht gem. § 254 BGB entgegenhalten, dass er ohne eigene Prüfung der fehlerhaften Information hätte nicht vertrauen dürfen.482 b) Relevanter Personenkreis Bei größeren Transaktionen wirkt bei der Durchführung der Due Diligence und der Bewertung ihrer Ergebnisse eine Vielzahl von Personen mit. Nach § 166 Abs. 1 BGB muss sich der Käufer die Kenntnis seiner gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Vertreter zurechnen lassen und zwar selbst, wenn die wissende Person nicht unmittelbar beim betreffenden Rechtsgeschäft mitgewirkt hat.483 Kauft etwa eine AG ein Unternehmen, so muss sie sich die Kenntnisse ihrer Vorstandsmitglieder zurechnen lassen ohne Rücksicht auf die Kenntnisse der unmittelbar handelnden Personen. Darüber hinaus muss sie der Käufer auch die Kenntnis derjenigen Personen zurechnen lassen, die für ihn als „Verhandlungsgehilfe“ oder „Wissensvertreter“ aufgetreten sind.484 „Wissensvertreter“ ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten. Er braucht weder zum rechtsgeschäftlichen Vertreter noch zum „Wissensvertreter“ ausdrücklich bestellt zu sein.485 Als „Verhandlungsgehilfen“ oder Wissensvertreter des Käufers kommen daher nur Personen in Frage, die in bestimmten, vorgegebenen Funktionen für den Käufer tätig sind, jedenfalls sich nicht nur lediglich mit mechanischen Tätigkeiten befassen.486 I.V.m. der Due Diligence werden daher das Wissen aller Personen, die vom Käufer damit beauftragt worden sind für ihn das Zielunternehmen zu untersuchen bzw. das Wissen für den Auftraggeber zu verschaffen, auch diesem zugerechnet werden.487 481
Lorenz, in: FS Heldrich, S. 312; jüngst BGH NJW 2013, 1807, dass der wegen schuldhafter Verletzung vertraglicher Informationspflichten zuzuerkennender Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen wäre. 482 BGH NJW 1995, 2159, 2160. 483 Schon zu Zeiten des Reichsgerichts RG, JW 1935, 2044; ständige Rechtsprechung des BGH vgl. NJW 1995, 2159, 2160 f. 484 Semler, in: Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf, Teil VII Rn. 49. 485 BGH NJW 1992, 1099, dass eine Gemeinde, die einen mit fehlerbehafteten Grundstück verkauft sich nicht das Wissen eines Sachbearbeiters des mit dem Verkauf nicht befassten Bauaufsichtsamtes zuzurechnen habe. 486 Semler, in: Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf, Teil VII Rn. 50. 487 Semler, in: Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf, Teil VII Rn. 50.
204
3. Kap.: Die Due Diligence als Instrument zur Verdichtung
Inwieweit dem Verkäufer das Wissen anderer juristischer Personen, wie etwa des Zielunternehmens, zugerechnet werden kann, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Eine instanzgerichtliche Entscheidung hat aus Gründen des Verkehrsschutzes die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation auch innerhalb des Konzernverhältnisses anerkannt.488 Der neueren Rechtsprechung des BGH zufolge kann das Wissen verschiedener Organisationseinheiten jedoch nur dann gegenseitig zugerechnet werden, wenn diese aufgrund eines konkreten Anlasses bestimmte Informationen austauschen und dadurch „faktisch eine aufgabenbezogene Handlungs- und Informationseinheit“ bilden.489 I.V.m. dem Unternehmenskauf wird diese Entscheidung vereinzelt dahin gehend bewertet, dass eine Zurechnung dann bejaht werden könnte, wenn der Verkäufer das Wissen der Zielgesellschaft gezielt abfragt, z. B. um im Rahmen der Q&A-Phase die Fragen des Käufers beantworten zu können.490 Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Verkauf des Unternehmens auch den Interessen der Zielgesellschaft gerecht wird, daher die Zielgesellschaft bezüglich der Informationsübergabe an den Käufer positiv gestimmt ist. Konkrete Fragen diesbezüglich bleiben allerdings weiterhin offen, wie etwa die Frage, ob das Wissen der Zielgesellschaft auch dann zugerechnet werden kann, wenn die Zielgesellschaft im Verhältnis zum Käufer gar nicht Erscheinung getreten ist.
E. Zusammenfassung Die Ausführungen haben ergeben, dass die Grenzen der Aufklärungspflicht beweglich sind und der aufklärungsnotwendige Inhalt durch Informationshandlungen des Käufers sich verdichten lassen. Die Due Diligence als dynamisches Informationsverfahren kann dem Käufer in seiner sehr belastenden Ausgangssituation hinreichend zugutekommen, die Informationslast zu seinen Gunsten zu lenken. Entlastend für den Käufer wirken auch mängelbegründende Umstände, die der Verkäufer von sich aus zu offenlegen hat. Um einen Mangel zu begründen, müssen jedoch Erwartungen Eingang in den Vertrag gefunden haben. Falsche Bilanzangaben des Verkäufers, die Aufschluss über die Ertragsfähigkeit des Unternehmens geben, können als Angaben zur Beschaffenheit des Unternehmens die Gewährleistungshaftung des Verkäufers begründen.
488
OLG München, Urteil vom 27. 07. 2006 – 23 U 5590/05, BeckRS 2006, 13017. BGH 2011, 2791, 2792: Nutzt […] eine Behörde bei ihrer Tätigkeit in Zusammenarbeit mit anderen Behörden gezielt deren Wissen zum Vorteil des gemeinsamen Rechtsträgers bei der Abwicklung eines konkreten Vertrags, besteht insoweit auch eine behördenübergreifende Pflicht, sich gegenseitig über alle hierfür relevanten Umstände zu informieren. Hinsichtlich der Abwicklung dieses Vertrages wird faktisch eine aufgabenbezogene neue Handlungs- und Informationseinheit gebildet.“ 490 Hasselbach/Ebbinghaus, DB 2012, 216, 220. 489
§ 2 Die Grenzziehung der Aufklärungspflicht im Due Diligence Prozess
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Entscheidend für die Informationslastverteilung ist der Kenntnisstand bzw. der mögliche Kenntnisstand über vertragsschlussrelevante Umstände. Die subjektive Vertragswesentlichkeit muss der Käufer zunächst erkennbar machen, indem er Checklistenpunkte verwendet, anhand jener einzelnen Gesichtspunkte die Vertragswesentlichkeit konkretisiert. Daraufhin ist der Verkäufer verpflichtet, die betroffenen Umstände explizit offenzulegen, die die Vorstellungen des Käufers enttäuschen können. Informationsmaterial, wie Handelsregisterauszüge, Grundbücher, Genehmigungen, Verfahrensunterlagen etc., welche häufig im Datenraum vorzufinden sind und die der Verkäufer meist von sich aus offenlegt, verfügen über eine begrenzte Informationskraft hinsichtlich des konkreten Transaktionsvorhabens, so dass sie häufiger als erwartet, nicht ausreichend sein können, den vorausgegangenen Informationshandlungen des Käufers gerecht zu werden. Mit Hilfe der Due Diligence-Checklisten kann der Käufer ein weitreichendes Informationsspektrum abdecken und je nach Bedarf die für die Informationslastverteilung notwendigen, die Materie vertiefenden Informationshandlungen anhand der einzelnen Checklistenpunkte vornehmen. Die Informationshandlungen, die der Käufer während der Due Diligence-Phase tätigt, dienen nicht nur der subjektiven Grenzziehung der Aufklärungspflicht des Verkäufers, wodurch ihm auch die Vorteile der sekundären Darlegungslast zugutekommen, sondern sind auch ein Indiz dafür, dass er bei der Durchführung der Due Diligence-Prüfung die notwendige Sorgfalt gem. §§ 442, 444 BGB erbracht hat. Um dem Käufer grob fahrlässige Unkenntnis vorwerfen zu können, muss der Mangel aus den im Datenraum offengelegten Materialien explizit hervorgehen. Dann darf der Unternehmensverkäufer darauf vertrauen, dass der die Due Diligence durchführende Käufer die Mängel in Kenntnisnehmen wird. Die Mechanismen der beweglichen Grenzen der Aufklärungspflicht und der Due Diligence als Praxisinstrument können dem Unternehmenskäufer helfen, die Doppelbelastung aus rechtlicher und tatsächlicher Sicht zu überwinden und die Grundlage für einen selbstbestimmten und gerechten Vertragsschluss zu schaffen.
4. Kapitel
Die Störung der Willensbildung durch fehlerhafte Information § 1 Einleitung Unternehmenskäufe erweisen sich häufig als „Fehlkäufe“, da sich der Käufer über seine Fehlvorstellungen über den tatsächlichen Zustand des Kaufobjektes und dessen Werthaltigkeit erst im nach hinein bewusst wird. Der Käufer wird seinen Kaufpreis nicht mehr äquivalent empfinden und daraufhin vom Verkäufer eine Entschädigung verlangen, mit der Begründung, der Verkäufer habe seine Fehlvorstellung verursacht und schulde ihm daher Schadensersatz. Alle betroffenen Gewährleistungsansprüche, die das BGB für die Korrektur der Störung vorsieht, namentlich die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB, der Ersatz des Schadens wegen der Verletzung der Informationspflicht im Rahmen der c.i.c.-Haftung, sowie Gewährleistungsansprüche nach § 434 BGB wegen einer mangelhaften Sache, liegt eine Verschiebung der Interessenlage durch gestörte Willensbildung und -erklärung vor.1 Dieser gemeinsame Nenner führt zu Überlappungen auf der Tatbestandsebene, so dass sie allesamt im Element der Irreführung zusammenlaufen, der eingebettet im jeweiligen Regelungsmechanismus auf der Rechtsfolgenebene unterschiedliche Rechtsfolgen auslöst, welche in einem Konkurrenzverhältnis zu einander stehen.2 Während das Verhältnis von § 123 BGB und c.i.c.-Haftung allein die Störung auf der Willensbildungsebene betrifft, geht es beim Konkurrenzproblem von c.i.c.-Haftung und Gewährleistungsrecht um die Wiederherstellung des Äquivalenzverhältnisses, die auf die gestörte Willensbildung zurückzuführen ist. Wird die Fehlvorstellung über den Vertragsgegenstand vor Vertragsschluss nicht behoben, führt die Störung der Willensbildung unmittelbar zur Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses. Dieser innere Kausalzusammenhang stellt die eigentliche Ursache für das Konkurrenzproblem von der Haftung aus c.i.c. und Gewährleistungsrecht dar. 1
Lorenz (1997), S. 38. Natürlich bestehen auch auf der Tatbestandsebene Unterschiede insbesondere hinsichtlich des subjektiven Elements. Nimmt man das Konkurrenzproblem von c.i.c.-Haftung und Gewährleistungsrecht, dann bleibt es auf der Tatbestandsebene dabei, dass eine Haftung über das Gewährleistungsrecht in Bezug auf die Rückabwicklung des Vertrags bzw. die Minderung kein Vertretenmüssen voraussetzt, dagegen eine aus c.i.c. Fahrlässigkeit verlangt. 2
§ 1 Einleitung
207
Bei Unternehmenskaufverträgen kommen die oben genannten gesetzlichen Rechtsbehelfe selten zum Zug, weil sie in der Kautelarpraxis üblicherweise vollständig ausgeschlossen werden. Stattdessen gibt der Verkäufer selbstständige Garantieversprechen gem. § 311 BGB ab, auf welche er seine Haftung beschränkt, die wiederum durch Haftungsfreigrenzen, Haftungsfreibeträge („de minimis“), Haftungshöchstbeträge („cap“) und durch Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen eingegrenzt werden. In vielen Fällen wird der Käufer vom Verkäufer kaum verwertbare Garantieversprechen bekommen, insbesondere fehlen z. B. häufig diejenigen Garantien, welche erst die Beschaffenheit des Unternehmens hinreichend konkretisieren.3 Die Gestaltungsfreiheit bewegt sich jedoch nicht ganz jenseits des positiven Rechts. Ihre Grenzen werden durch das Gesetz vorgeben: Für den Fall der arglistigen Täuschung oder der vorsätzlichen Vertragsverletzung, worunter auch die vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung fällt, bleiben dem Käufer seine gesetzlichen Ansprüche erhalten (§§ 276 Abs. 3, 444 BGB). Gleichwohl erscheint die Schwelle zum Gesetz, nämlich dem Verkäufer im Einzelfall vorsätzliches, rechtswidriges Verhalten nachzuweisen, dem Käufer häufig unüberwindbar. Zur Frage der Täuschung und Aufklärungspflichtverletzung beim Unternehmenskauf, wird in der Branche wenig diskutiert, als man angesichts der vielen Fehlinvestments bei Unternehmenskäufen eigentlich würde erwarten können.4 Fraglich ist daher, ob der vom Verkäufer angestrebte Haftungsausschluss tatsächlich so unangreifbar ist, wie er erscheint und welche Möglichkeiten dem Käufer offenstehen, die abbedungenen Rechtsbehelfe wieder für sich zu gewinnen. Für eine sachgerechte Lösung in der Ausübung der konkurrierenden Rechtsbehelfe bedarf es zunächst der Konkretisierung des Informationsflusses, der zwischen den Verhandlungsparteien gegeben ist. Denn Fehlvorstellungen über den Vertragsgegenstand aufgrund von Fehlinformationen des Verkäufers, können rechtlich nur kompensiert werden, wenn ihre Ursachen während des Informationsvorgangs identifiziert sind. Die erste wichtige Frage, die sich i.V.m. dem Haftungsproblem auf der Tatbestandsebene stellt ist, auf welches Verhalten des Verkäufers die Fehlvorstellungen des Käufers über das Zielunternehmen zurückzuführen ist, das den Tatbestand der Irreführung erfüllt. Es soll auf jene Fälle des Vertragsschlusses eingegangen werden, in welchen ein Verhandlungspartner durch falsche oder unzulängliche Angaben über den Vertragsgegenstand, den sonstigen Vertragsinhalt oder andere vertragswesentliche Umstände Leistungserwartungen weckt, die durch den Vertragsinhalt nicht gedeckt sind.5 Dabei müssen Behauptungen, Angaben, oder Mitteilungen von Seiten des Verkäufers – ungeachtet dessen, ob sie mündlich oder schriftlich erfolgt sind – falsch oder irreführend sein. 3 4 5
Hübner, BB 2010, 1483. Hübner, BB 2010, 1483; jüngst Hasselbach/Ebbinghaus, DB 2012, 216. Vgl. Stoll, in: FS Ernst v. Caemmerer, S. 435 ff., 460.
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4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
Im Schrifttum wird diesbezüglich die Unterscheidung zwischen der Täuschung durch aktives Tun und passives Unterlassen als Ausgangspunkt genommen: Die aktive Weitergabe falscher Informationen und die passive Aufrechterhaltung bestehenden Irrtums. Trotz der dogmatisch klaren Grenzlinie zwischen den Handlungsformen ist ihre praktische Anwendbarkeit durchaus mit Schwierigkeiten verbunden. Insbesondere die Tendenz der Rechtsprechung diese nicht konsequent zu beachten, wurde von der Literatur allseits kritisiert. Zu prüfen ist, inwieweit diese Kritik gerechtfertigt ist.
§ 2 Die Irreführung als Pflichtverletzungstatbestand A. Die Zuordnung des Pflichtverletzungsmaßstabs mit Hilfe der Abgrenzung der Handlungsformen I. Vorgehensweise im Schrifttum Dem Rechtsanwender wird die Beurteilung in mancher Hinsicht erleichtert werden, wenn er sich den verschiedenen Formen der Täuschungshandlung – der Irreführung durch positives Tun und unterlassener Information – annimmt, weil sie tatbestandlich unterschiedlich erfasst werden. Die strenge Trennung der Handlungsformen wird vor allem im Schrifttum gefordert6, mit der Begründung, dass dadurch die Vermengung oder gar Gleichsetzung der Frage des vorvertraglichen Pflichtenmaßstabs mit Fragen der Aufklärungspflicht verhindert werde.7 Zunächst sei eine Abgrenzung notwendig, da für eine Falschinformation durch positives Tun nämlich wesentlich strengere Grundsätze als für die Verletzung von Aufklärungspflichten durch das bloße Unterlassen eines gebotenen Tuns gelten.8 Es gilt der Grundsatz: Wer Angaben macht, muss die Wahrheit sprechen und sich nötigenfalls vorher über die Richtigkeit seiner Behauptung vergewissern.9 Die Wahrheitspflicht ergibt sich zwanglos aus der allgemeinen Redlichkeitserwartung des Rechtsverkehrs; unabhängig von einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners trifft die Wahrheitspflicht einen Verhandlungspartner grundsätzlich 6 Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 160; Lorenz (1997), S. 409; MünchKommBGB/ Emmerich § 311 Rn. 70. 7 Lorenz (1997), S. 410, der durch die konsequente Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen die Vermengung oder gar Gleichsetzung der Frage des vorvertraglichen Pflichtenmaßstabs mit Fragen der Aufklärungspflicht verhindert sieht. 8 MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 70; vgl. auch Lorenz (1997), S. 410, der durch die konsequente Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen die Vermengung oder gar Gleichsetzung der Frage des vorvertraglichen Pflichtenmaßstabs mit Fragen der Aufklärungspflicht verhindert sieht. 9 Hildebrandt, S. 161.
§ 2 Die Irreführung als Pflichtverletzungstatbestand
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gegenüber jedem Verhandlungsgegner.10 Gleichgültig ist daher, um welche Art des Geschäfts11, welchen Gegenstand, sowie welches Mittel der Aussage vorliegt.12 Sie hat weder eine Zuwiderhandlung noch eine Aufklärungspflicht13 oder sonstige Umstände zur Voraussetzung.14 Im Gegensatz zur Aufklärungspflicht wird sie unabhängig von der Frage, ob ein gesteigertes Vertrauen innerhalb der vorvertraglichen Beziehung oder die Unzumutbarkeit der Selbstinformation vorliegt15, begründet. Bei der Wahrheitspflicht muss die Pflicht nicht „aktiv“ begründet werden, während die Pflichtenbegründung bei der Aufklärungspflicht einen wesentlichen Teil ausmacht.16 Jede positive Täuschung ist – von engen Ausnahmefällen bei besonderer Interessenbzw. Zwangslage abgesehen17 – eo ipso rechtswidrig und stellt damit grundsätzlich immer eine Pflichtverletzung dar.18 Der dogmatische Wert der Abgrenzung von aktiver und passiver Täuschungshandlung wird darin gesehen, dass sich der Pflichtverletzungsmaßstab hinsichtlich der vorvertraglichen Willensstörung klar zuordnen lasse: Während eine Täuschung durch aktives Tun die allgemeine Wahrheitspflicht verletze, sei bei der Täuschung durch Unterlassen die Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht zu prüfen. Weil ein Unterlassen nur dann tatbestandlich relevant werde, wenn eine Rechtspflicht zur Aufklärung bestehe, erübrige sich die Begründung einer Aufklärungspflicht, wenn die Irreführung auf eine aktive Falschangabe zurückgeführt werden könne.19 Hierbei wird bei einer Täuschung durch schlüssiges Verhalten der gleiche Pflichtverletzungsmaßstab wie bei der aktiven Täuschung, also die Verletzung der Wahrheitspflicht geprüft.20 Insoweit kann der Verhaltensform des Unterlassens eine subsidiäre Stellung gegenüber der aktiven Form zugesprochen werden.21 10
Lorenz (1997), S. 412. Zutreffend daher auch für riskante, insbesondere hoch spekulative Geschäfte, weil es hier nicht um die „Verwirklichung des Vertragsrisikos, sondern um dessen fehlerfreie Übernahme“ gehe, vgl. Lorenz (1997), S. 412. 12 Hildebrandt, S. 161. 13 BGH NJW 1991, 1673, 1674 hebt zutreffend hervor, „daß es zwar bei der Täuschung durch Verschweigen darauf ankommt, ob die Umstände, die zurückgehalten werden, für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind und deshalb […]mitgeteilt werden müssen, daß solche Gesichtspunkte aber für die Täuschung, die durch positives Tun herbeigeführt wird, keine Rolle spielen.“ 14 Hildebrandt, S. 161. 15 Lorenz (1997), S. 412. 16 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 313 über die Besonderheiten des Unterlassens, der wegen seiner „strukturellen Andersartigkeit“ gegenüber dem positiven Tun stets einen „zusätzlichen Argumentationsaufwand“ erfordere, durch den überhaupt erst seine „rechtliche Relevanz oder Tatbestandsmäßigkeit“ begründet werden könne. 17 MünchKommBGB/Bachmann/Roth § 241 Rn. 132 zur besonderen Problemlage des „Lügerechts“ des Arbeitnehmers bei unzulässigen Fragen. 18 Lorenz (1997), S. 409; BGH NJW 1997, 938. 19 Lorenz (1997), S. 411. 20 Lorenz (1997), S. 411. 11
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4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
Folglich lautet in diesem Zusammenhang der erste Prüfungspunkt stets, ob der eine Teil den anderen durch eine positive Handlung getäuscht hat. Diese Prüfungsfolge wird sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung anerkannt.22 Fehlt es an einer eindeutigen, aktiven Täuschungshandlung werde danach zu fragen sein, ob dem Verhalten einer Partei ein auf Irreführung gerichtetes Gesamtverhalten zu entnehmen sei, welches nach der Verkehrsanschauung als eine konkludente Erklärung zu verstehen sei (§§ 133, 157 BGB).23 Nur wenn nach Treu und Glauben von einem schlüssigen Verhalten nicht die Rede sein kann, bedürfe es der Frage, ob eine Aufklärungspflicht bestünde, weil erst nur dann das Schweigen einer Partei als arglistige Täuschung bewertet werden könne.24 II. Kritische Betrachtung Mit Blick auf die klar definierbaren Prüfungsschritte, erfüllt die Normanwendung mit Hilfe der Abgrenzung der Handlungsformen die Anforderungen der systematischen und logischen Konformität. Unbestritten ist, dass die Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen einen ersten Zugang zur Normanwendung bzw. Haftungsbegründung eröffnet, nämlich zu der Frage, ob der Pflichtwidrigkeitsvorwurf an die informierende Partei in der positiven Falschinformation oder negativen Vorenthaltung vertragswesentlicher Informationen zu sehen ist.25 Das in der Strafrechtsdogmatik vorgeschlagene „Vorwerfbarkeitskriterium“ kann mit der gebotenen Vorsicht 21
Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 160. MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 70 f.; OLGZ 1972, 402: Arglistige Täuschung ohne die Prüfung von Aufklärungspflichten wurde etwa beim Verkauf eines Gebrauchtwagens anerkannt, weil der Verkäufer Bremsen, die zwar gerade noch in Ordnung, aber nahe der Verschleißgrenze waren, als „neue Bremsen“ angeboten hatte. 23 Vgl. Lorenz (1997), S. 410 f.; deutlicher zwischen positivem und konkludent positivem Tun differenzierend Emmerich, NJW 2011, 2321, 2321, dass erst wenn Ersteres fehle es des Rückgriffes auf §§ 133, 157 BGB bedürfe. 24 Ganz diesen Prüfungsschritten folgend der BGH in NJW 1992, 1222: Das Gericht stellte fest, dass der Kfz- Käufer bei der Bestellung eines Pkw bei einem Vertragshändler bezüglich seinen Weiterveräußerungsabsichten weder unrichtige Erklärungen abgegeben noch – mangels entsprechender Fragen – unrichtige Antworten gegeben hatte. Ferner wurde ausgeführt, dass man bei der bloßen Bestellung eines Pkws bei einem Vertragshändler zwar die Vermutung nahelegen könne, der Kunde wolle den Wagen für den Eigenbedarf erwerben, ein solcher Schluss jedoch keineswegs zwingend sei, so dass eine entsprechende Erklärung des Käufers durch schlüssiges Verhalten nicht angenommen werden könne. Anschließend wurde geprüft, ob der Käufer entsprechend von einer Offenbarungspflicht über seine Weiterverkaufsabsichten betroffen war, weil ihm nur dann eine arglistige Täuschung wegen Verschweigen angelastet werden könne. Letzteres wurde jedoch verneint. 25 MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 91; vgl. auch schon Hildebrandt, S. 160 f., der die Unterscheidung der Erklärungsformen fordert, die auf der Tatbestandsebene zu der scharfen und logischen Trennung zwischen „Wahrheitspflicht“ (die Pflicht zur Unterlassung unrichtiger Angaben) und „Anzeigepflicht“ (die Pflicht zur Tätigung richtiger Anzeige über erkennbar wesentliche Tatsachen) führen. 22
§ 2 Die Irreführung als Pflichtverletzungstatbestand
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und den nötigen Modifizierungen auch auf die zivilrechtliche Problematik der vorvertraglichen Aufklärungspflichten übertragen werden.26 Umso fragwürdiger erscheint deshalb die Tendenz in der Spruchpraxis der Gerichte, die in vielen Fällen mit Aufklärungspflichten arbeiten oder wegen Verneinung einer Aufklärungspflicht eine Haftung ausschließen.27 Ein Grund liegt sicher in der Schwierigkeit Irreführung durch aktives Tun von derjenigen durch Unterlassen zu unterscheiden, so dass der praktische Wert der strengen Formel in Zweifel gezogen wird.28 Problematisch sind gerade jene Fälle der Irreführungen, die nicht eindeutig mit einer Handlungsform erfasst werden können. Hiervon betroffen sind Informationen, die wegen ihrer Unvollständigkeit irreführend sind. Diese Form der Irreführung ist schwieriger zu erfassen, weilhier Wahrheit und Teilwahrheit eng verschachtelt beieinander liegen.29 Die Täuschung beruht typischerweise auf einer gefährlichen Mischung aus selektivem Reden und partiellem Schweigen.30 Von Interesse sind insbesondere diejenigen Fälle des „selektiven Schweigens“, bei denen der Verkäufer die tatsächlich vorhandenen Vorzüge des Kaufgegenstands anpreist, eventuelle Nachteile in Schweigen hüllt.31 Fraglich ist, ob und wie diese Mischform der Täuschungshandlung mit der vor allem im Schrifttum vertretenen zweigleisigen Subsumptionsformel erfasst werden kann. Bedenkt man, dass die Abgrenzung der Handlungsformen lediglich Mittel zum Zweck der Bestimmung des Irreführungstatbestands ist, verfehlt die Forderung auf eine konsequente Trennung zumindest in solchen Fällen, in denen die eindeutige Zuordnung einer Handlungsform nicht möglich ist, das Ziel dieser Funktion, indem auf eine Kategorisierung beharrt wird, die ohne die notwendigen Abgrenzungskriterien32 zu keiner greifbaren Lösung führen. Zu Recht wird von Keyßner darauf 26
Über die Heranziehung der Strafrechtsdogmatik vgl. Stengel/Scholderer, NJW 1994, 158, 160. 27 Kritisch zu dieser Spruchpraxis Lorenz (1997), S. 411; MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 71. 28 I.V.m. der c.i.c.-Haftung wendet sich Erman, AcP 139 (1934), 273, 285 ff. ausdrücklich gegen sie, mit der Begründung, sie sei in diesem Bereich „weder gerechtfertigt noch praktisch“, weil es um die Verletzung einer „einheitlichen Pflicht zur Unterlassung fehlerhaften Verhandelns“ gehe, die in Form des Tuns und des Unterlassens auftreten könne. 29 Dazu schon RGZ 91, 80, 82, dass es nicht erforderlich sei, dass die Angaben objektiv falsch, sondern es genüge, dass sie irreführend seien; illustrativ eine frühe Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 62, 149, 152: Der Käufer einer elektrischen Anlage mit einem Gasmotor fragte vor Vertragsabschluss den Verkäufer, wie alt der Motor sei. Der Verkäufer antwortete: Älter als drei Jahre. Das war richtig, aber unvollständig. Die vollständige Antwort hätte lauten müssen: Der Motor ist nicht nur älter als drei Jahre, er ist sogar älter als zwölf Jahre. Der Senat würdigte das Verhalten des Verkäufers als arglistiges Verschweigen des wahren Alters. 30 BGHZ 117, 280, 283. 31 Busch, S. 84. 32 Der im Schrifttum oft vorzufindende Vorschlag die aktive Täuschung aus dem schlüssigen Gesamtverhalten gem. der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB herzuleiten, verlagert nur das Problem auf die ebenfalls schwierige Wertungsfrage, wie der Informationsempfänger die
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4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
hingewiesen, dass die Unschärfe einer solchen Abgrenzung kaum fähig sei Rechtsklarheit zu vermitteln, da sie vorwiegend im Rechtsgefühl wurzele.33 Bedenken gegen eine wertende Typenbildung seien auch deshalb zu vermerken, weil der Ausgangspunkt – die Typenbildung – hier jeweils schon einen Vorgriff auf das rechtliche Ergebnis erforderlich mache. Denn der Schwerpunkt einer konkreten Irreführungshandlung lasse sich nur aufgrund einer „vorweggenommenen, summarischen Subsumtion“ ermitteln. Nichtdestotrotz werde die Abgrenzung der Handlungsformen als Arbeitshypothese berücksichtigt werden müssen, da die Rechtsprechung – wenn auch nicht immer konsequent – mit ihr operiere.34 Keyßner ist hier voll zuzustimmen, zumal die vorvertraglichen Pflichtverletzungstatbestände diese widerspiegeln. Neben diesen genannten Grenzen der strengen Abgrenzung der Handlungsformen, worauf an anderer Stelle noch näher eingegangen wird35, soll an dieser Stelle auf einen weiteren Punkt verwiesen werden, die in der Diskussion um die tatbestandliche Behandlung von Täuschungshandlungen als selbstverständlich angenommen wird. Es geht um die allgemeine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage, die besagt, dass derjenige, der gefragt oder ungefragt Auskünfte erteilt, diese richtig, vollständig und damit unmissverständlich zu erteilen hat.36 Die Rechtsprechung stützt die Haftung für unrichtige Erklärungen häufig auf die Aussage, dass wer erkläre vollständig erklären müsse.37 Näher betrachtet handelt es sich bei der Richtigkeit und Vollständigkeit jedoch um zwei unterschiedlich Wertungsmaßstäbe. Nimmt man die Richtigkeitsprüfung, die anhand des absoluten Wahrheitsmaßstabs erfolgt, so liefert sie ein klares Ergebnis: Die vom Verkäufer positiv gemachte Angabe ist entweder falsch oder richtig – tertium non datur. Damit liegt auch die Ursache der Irreführung auf der Hand, nämlich die aktive Täuschungshandlung in Form einer Falschangabe. Dagegen ist die Vollständigkeitsprüfung von wesentlich komplexer Art. Gegenüber der Unrichtigkeit einer Aussage, die anhand vorliegender Tatsachen objektiv geprüft wird und bei welcher es keiner „Auswertung“ in diesem Sinne bedarf, wird bei der Irreführung durch Unvollständigkeit eine normative Auswertung des Informationsgehaltes einer Aussage erforderlich. Fraglich ist, ob bei einer Wahrheitspflichtverletzung der Pflichtwidrigkeitsvorwurf tatsächlich immer in einer aktiven Handlung liegt, wie es bei der Verletzung der Wahrheitspflicht grundsätzlich angenommen wird. Denn auch die Praxis der Rechtsprechung knüpft das Vollständigkeitspostulat unter anderem an die Aufklä-
konkludente Erklärung redlicherweise erwarten durfte; kritisch darüber auch Busch, Informationspflichten im Wettbewerbs- und Vertragsrecht, 2008, S. 86, 126. 33 Keyßner, S. 24. 34 Siehe nur oben BGH NJW 1992, 1222. 35 Siehe unten § 2 C. über die Irreführung durch unvollständigen Information. 36 Lorenz (1997), S. 412. 37 Schon das Reichsgericht in RGZ 91, 80; OLG Köln VersR 1994, 1247.
§ 2 Die Irreführung als Pflichtverletzungstatbestand
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rungspflicht.38 Wie Schwarze richtig hervorhebt, müsste die aus der Wahrheitspflicht ableitbare Verhaltensnorm dann richtigerweise lauten: Wer erklärt, muss richtig erklären.39 Da jedoch Unrichtigkeit auch auf Unvollständigkeit beruhen kann, wenn zugleich der „Anschein der Vollständigkeit“ erweckt wird40, bleibt zu klären, im welchen Verhältnis die „relative“ Wahrheitsmaxime der Vollständigkeit mit der vorvertraglichen Aufklärungspflicht steht. Für die vorliegende Untersuchung der Irreführungstatbestände im Due DiligenceVerfahren wird in folgenden Schritten verfahren: Als erstes wird auf die Irreführung durch objektive Falschangaben eingegangen, die eindeutig eine Verletzung der Wahrheitspflicht begründen. Angesetzt wird bei der Offenlegung des Datenraums durch den Verkäufer, die eine aktive Informationshandlung des Verkäufers darstellt. Danach sollen die problematischen Fälle der unvollständigen Information untersucht werden. Angesichts der faktischen Abgrenzungsschwierigkeiten strebt auch diese Kategorisierung keine begriffliche Lösung an, sondern dient primär einer besseren Veranschaulichung und Lösungsfindung des Problems.
B. Die Irreführung durch Falschangaben Von einer eindeutig aktiven Täuschungshandlung ist dann auszugehen, wenn durch Falschangaben manipulativ auf das Vorstellungsbild des Kontrahenten eingewirkt wird.41 Sie setzt die Verletzung der Wahrheitspflicht durch unrichtige Tatsachenmitteilung voraus.42 In diesen Fällen bedarf es weder eines Rückgriffes auf die Irreführung durch schlüssiges Verhalten43 noch durch das Unterlassen gebotener 38
Vgl. BGH NJW 1991, 2256, 2258 („ordnungsgemäße Aufklärung“, dagegen eher auf die positive Erklärung abstellend S. 2257) 39 Vgl. Schwarze, S. 112, dass durch den Wechsel des Beurteilungsmaßstabs – von der Unrichtigkeit zur Unvollständigkeit – an die Behauptung einer Tatsache unversehens die Pflicht zu umfassender –„vollständiger“ – Beratung geknüpft werde, verweisend auf OLG Köln VersR 1994, 1247, dass trotz der im Ergebnis richtigen Entscheidung hier die mit der Behauptung einer bestimmten Tatsache verbundene Pflicht überspannt werde, weil nur eine Haftung für die Unrichtigkeit dieser Behauptung zu legitimieren wäre. 40 RGZ 91, 80, 82; Breidenbach, S. 81. 41 Fleischer (2001), S. 253. 42 Vgl. nur BGH NJW 2006, 2839, 2840 zum Gebrauchtwagenkauf, bei welchem der Verkäufer trotz der Tatsache, dass das Fahrzeug einen Unfall erlitten und nicht fachgerecht repariert wurde, mit der Angabe im Bestellformular „Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden laut Vorbesitzer: Keine“ objektiv wahrheitswidrig über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getäuscht habe. 43 Eine aktive Täuschung durch Falschangaben lag in BGH NJW 1990, 1658, 1960 vor, in welchem der Verkäufer eine unrichtige Erklärung über bereits im Ausland gezahlte Steuern und deren Absetzbarkeit im Inland gemacht hatte, so dass er aus c.i.c. haften musste, wenn der Käufer später unerwartet doch zur Einfuhrumsatzsteuer veranlagt wurde. Der BGH macht deutlich, dass es sich hier um falsche, unrichtige Angaben handelte – folgerichtig bedarf es hier nicht einer Auslegung nach dem Empfängerhorizont; unnötig ist also der Rückgriff von
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4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
Aufklärung. Enthalten die im Datenraum offengelegten Unterlagen wie z. B. Bestandsangaben, Inventarlisten, Handelsregisterangaben und Grundbücher objektive Falschangaben, so stellt die Offenlegung im Datenraum als solche eine Täuschungshandlung dar. Auch sog. „Angaben ins Blaue hinein“, mit welchen der Verkäufer den Käufer unzutreffend informiert, ohne jedoch positiv zu wissen, dass seine Angaben falsch sind, werden in der Praxis als objektive Falschangaben behandelt.44 Im Due Diligence-Verfahren können solche Fälle dann angenommen werden, wenn im Rahmen der Q&A-Phase die mit der Beantwortung der Frage betraute Person die richtige Antwort zwar nicht kennt, dennoch versucht die Frage – ohne weitere Nachforschungen – zu beantworten, um sich ihren Vorgesetzten gegenüber nicht dem Vorwurf der Inkompetenz auszusetzen.45 I. Der Begriff der Tatsache Die der Täuschungshandlung zugrunde liegende Verletzung der Wahrheitspflicht setzt voraus, dass hier objektiv nachprüfbare Angaben über Tatsachen46 vorliegen müssen, die durch ihren Bezug zu inneren47 oder äußeren Umständen der Gegenwart und Vergangenheit sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten sind.48 Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist daher, „ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist“.49 Subjektiven Werturteilen50 und marktschreierischen Anpreisungen51, kann nach der Verkehrsauffassung kein sachlicher Gehalt zugesprochen werden, anhand dessen eine Erklärung als „falsch“ oder „richtig“ beurteilt werden könnte.52 MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 84 auf die konkludente Erklärungsform, der hier einen typischen Fall für die Täuschung durch (konkludent) positives Tun sieht, weil der Käufer hier die Angaben des Verkäufers nur so hätte verstehen können, dass alle Steuern bezahlt seien. 44 Vgl. nur BGH NJW 2006, 2839 über die arglistige Täuschung bei einem Gebrauchtwagenverkauf durch Zusicherung der Unfallfreiheit des Fahrzeugs „ins Blaue hinein“. 45 Hasselbach/Ebbinghaus, DB 2012, 216, 219. 46 MünchKommBGB/Armbrüster § 123 Rn. 28. 47 Eine Täuschung über eine innere Tatsache kann dann vorliegen wenn eine gegenwärtige innere Tatsache verlautbart wird, die tatsächlich jedoch von dem Äußernden subjektiv nicht geteilt wird, z. B. die Ernsthaftigkeit eines Vertragsabschlusses und unter Umständen die Absicht, den zu schließenden Vertrag nicht zu erfüllen, vgl. Soergel/Hefermehl § 123 BGB Rn. 3; Hildebrandt, S. 163 beschreibt diese mit dem Begriff der „Überzeugungserklärungen“; Lorenz (1997), S. 413 hebt zu Recht hervor, dass hier eine fahrlässige Verletzung nicht verstellbar wäre. 48 MünchKommBGB/Wagner § 824 Rn. 14; Lorenz (1997), S. 413. 49 BGH NJW 2011, 2204; NJW 1996, 1131, 1133; NJW 2010, 760 f.; MünchKommBGB/ Wagner § 824 Rn. 15 m.w.N. über die Rechtsprechung in Zivil-, Straf- und Verfassungsgerichten. 50 Gegenüber Tatsachen sind Werturteile durch eine „subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage“ geprägt sowie durch Elemente der „Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet und lassen sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen“, vgl. MünchKommBGB/Wagner § 824 Rn. 14.
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II. Die Täuschungsfähigkeit von zukunftsbezogenen Tatsachen Eine Tatsachenmitteilung, die in ihrem Inhalt nach ungewiss ist, ist trotz ihres möglicherweise starken Beeinflussungseffekts keine Täuschung.53 So hat etwa das OLG Rostock zutreffend festgestellt, dass eine unrichtige Prognose über Bauerwartungsland kein pflichtwidriges Verhalten darstelle; ein Anspruch aus dem Rechtsinstitut der c.i.c. bestehe nur, wenn objektiv wahrheitswidrige Angaben über die Bebaubarkeit des Grundstücks gemacht worden wären.54 Bei der Prognose liegt die Ungewissheit bzw. die Unbestimmbarkeit im Wesen des „Möglichen“, da es sich hier um einen Versuch handelt, die zukünftige Entwicklung eines Umstands aufgrund kritischer Beurteilung des Gegenwärtigen vorherzusagen. Die Ungewissheit der darin behandelten Tatsache ist maßgeblich auf die Zukunftsbezogenheit der Tatsachenentwicklung zurückzuführen, die eine objektive Beurteilung von vornherein ausschließt. Die im Schrifttum teilweise formulierte zeitliche Begrenzung des Tatsachenbegriffs steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage der objektiven Nachprüfbarkeit des erklärten Umstands.55 51
OLGZ 1972, 402, 403, dass unverbindliche „reklamehaften“ Anpreisungen keine Täuschung darstellen. 52 MünchKommBGB/Armbrüster § 123 Rn. 28; Lorenz (1997), S. 413; Interessant in diesem Zusammenhang ist eine jüngst ergangene instanzgerichtliche Entscheidung OLG München BeckRS 2011, 27077 über die Täuschung über die Ertragsfähigkeit einer Gaststätte. Das Gericht lehnte hier zunächst eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Ertragsfähigkeit ab, weil die Verkäuferseite lediglich Angaben über ihre zurückliegenden Erfahrungen und Ergebnisse gemacht hatte, die „keine valide, vereinbarungsfähige Ertragsvorschau, sondern ein „persönliches Werturteil“ bildete. Damit lag bei der fehlenden Ertragsfähigkeit bereits kein Sachmangel vor, aufgrund dessen der Käufer hätte gemäß §§ 434, 437 Nr. 2 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten können. Auch eine Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB wegen falschen Informationen zum Vertragsgegenstand, die keine Sachmängel begründen, wurde abgelehnt, weil anderenfalls neben den Anpreisungen (die durch ihre wertungsmäßige Subjektivität, von vornherein nicht täuschungsfähig sind) wie das Lokal „laufe gut“, die realen Geschäftszahlen nicht offenbart worden wären, welches jedoch nicht der Fall gewesen ist. Das Gericht stellte weiterhin fest, dass die Klagepartei nicht beweisen konnte, über Tagesumsätze getäuscht worden zu sein: „Es mag sein, dass ein Tagesumsatz von EUR 800.– von den Beklagten genannt wurde. Es mag auch sein, dass dem Zeugen Sa. K. Kassenbons gezeigt wurden, aus denen sich ein Tagesumsatz von EUR 800.– ergeben hat. Dass dies aber sicher nicht der durchschnittliche Tagesumsatz, sondern allenfalls ein außerordentlich guter Tagesumsatz war, war für die Käufer angesichts der vor Vertragsschluss vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen unschwer ersichtlich.“ Da die Käufer somit vor Vertragsschluss über die richtige Ertragslage des Lokals im Bilde waren oder zumindest angesichts der vorgelegten Unterlagen im Bilde hätten sein können, blieb auch eine Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB ohne Erfolg. 53 Soergel/Hefermehl § 123 BGB Rn. 3. 54 OLG Rostock NJW-RR 1995, 1104 f. 55 Vgl. Soergel/Hefermehl § 123 BGB Rn. 3; ähnlich auch v. Tuhr, S. 605, dass keine Täuschung vorliege, wenn Erwartungen wachgerufen werden, welche nach ihrer Natur unsicher sind, z. B. wenn der Verkäufer dem Käufer einredet, dass die Konjunktur im Steigen ist oder dass
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4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
So versucht Fleischer anhand des Beispiels aus dem Unternehmenskauf den zeitlichen Aspekt des Tatsachenbegriffs herauszuarbeiten.56 Er stellt auf die Motivation zum Vertragsschluss ab, deren Verfälschung auch der Anfechtungstatbestand des § 123 Abs. 1 BGB zum Gegenstand hat.57 Darauf und im Augenblick des Vertragsschlusses muss sich die Täuschungswirkung beziehen, weil sie diesbezüglich die Motivationskraft für den Vertragsschluss entfaltet.58 Dieser sei in aller Regel nicht zeitpunkt-, sondern zukunftsbezogen: Nicht die zu einem bestimmten Datum vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten seien von besonderem Interesse, sondern der aufaddierte Gesamtnutzen während der zukünftigen Lebensdauer des Kaufgegenstandes. Für den Unternehmenskauf bedeute dies: „Der Käufer erwirbt das Unternehmen, um es im Rahmen seiner unternehmerischen Planungen gewinnbringend einsetzen zu können. Die Möglichkeit nachhaltiger Gewinnerzielung ist die Triebfeder seines Handelns; er ist vor allem an künftigen Nettoeinnahmemöglichkeiten aus dem Unternehmen interessiert.“ Die von Fleischer vorgeschlagene, am Vertragszweck orientierte teleologische Auflockerung der kategorischen Trennung zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Tatsachen ist schließlich nichts anderes als Ausdruck des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Vertragswillens hinsichtlich der zukünftigen (ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses) gültigen vertraglichen Leistung. Denn die Motivation zum Vertrag ist naturgemäß zukunftsbezogen. Sie ist der unmittelbare Grund dafür, dass der vorvertraglichen Informationspflicht ein Präventionsgedanke verbunden ist, da sie die Möglichkeit der Ausrichtung künftigen Verhaltens im Visier hat, ohne dieses Verhalten damit bestimmen zu können und zu wollen.59 Die Heranziehung des subjektiven Willens vermag daher wenig Klarheit über die objektive Nachprüfbarkeit einer Tatsache zu schaffen. Im Ungewissen bleibt die in der Zukunft liegende mögliche Entwicklung des Tatsachenumstands, im Gewissen die dem Vertragsschließenden zum Vertragsschluss zugrundeliegenden Motivationsgründe, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen. Zukunftsbezogene Tatsachen können dann als „täuschungsfähig“ anerkannt werden, wenn sie einen (in der Gegenwart) greifbaren Tatsachenkern enthalten. Von diesem Gesichtspunkt aus kann auch die höchstrichterliche Entscheidung zur vorvertraglichen Aufklärungspflicht des Verkäufers bei der Asbestbelastung eines Wohnhauses vernommen werden.60 Danach wurde die Haftungsbegründung von eine Stadterweiterung bevorsteht. Dagegen würde man von einer Täuschung sprechen können, wenn A dem B vorspiegelt, dass ein Plan zur Stadterweiterung zur Beratung steht oder ein Beschluss darüber bereits gefasst ist. 56 Fleischer (2001), S. 331. 57 Gleiches gilt für den Schutzzweck von c.i.c. 58 Fleischer (2001), S. 333. 59 Breidenbach, S. 13. 60 BGH NJW 2009, 2120 = BGHZ 180, 205.
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ihrer konkreten Gefährlichkeit je nach Art ihrer Verwendung und Nutzung abhängig gemacht: Solange es nicht zu einem Substanzeingriff komme, verbiete es sich „allein auf das abstrakte Gefährdungspotential abzustellen“. Andererseits greife es auch zu kurz, einen aufklärungspflichtigen Sachmangel erst bei Bestehen eines „akuten Sanierungsbedarfs“ anzunehmen. Vielmehr sei von einem solchen Mangel erst dann auszugehen, wenn die „ernste Gefahr“ bestehe, dass Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdenden Potenzial im Rahmen der üblichen Nutzung des Kaufobjekts austreten. Maßgeblich ist also das zum gegenwärtigen Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende und ernst zunehmende Gefahrenpotenzial und der ihn begründenden Gefahrenelemente. Beim geschilderten Tatbestand lag die Gesundheitsschädlichkeit der Stoffe ursprünglich bei der Errichtung des Hauses noch nicht vor, sondern hatte sich erst zum späteren Zeitpunkt (nach Vertragsschluss) als gravierend erwiesen. Demnach kann auch bezüglich der Prognose eine Täuschung vorliegen, wenn die tatsächliche Grundlage (gegenwärtige Tatsache) für eine Prognose fehlt.61 In einem Fall, im welchen die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens zum Gegenstand einer Zusicherung nach § 459 Abs. 2 BGB a.F. gemacht wurde, unterschied der BGH zwischen einer Zusicherung, die „den Eintritt zukünftiger Ereignisse in Gestalt bestimmter Umsätze und Erträge“ als sicher stellt und derjenigen, die „die Ertragsfähigkeit des Unternehmens als Grundlage für zukünftige Umsätze und Erträge“ zum Gegenstand hat. Während Ersteres „naturgemäß nicht möglich“ sei, sei Letzteres „ohne Einschränkung zusicherungsfähig“. Insoweit könne der Verkäufer den von außen auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens wirkenden Einflüssen Rechnung tragen, indem er klarstellt, unter welchen Voraussetzungen die von ihm zugesicherten Umsätze und Erträge zu erzielen sein sollen.62 Diese für die Eingrenzung des Eigenschaftsbegriffes notwendige Unterscheidung zwischen dem unbestimmten Eintritt zukünftiger Ereignisse in Gestalt bestimmter Umsätze und Erträge sowie der gegenwärtigen Ertragsfähigkeit des Unternehmens als Grundlage für zukünftige – noch unbestimmbare – Umsätze und Erträge zeigt sich hinsichtlich der Konturierung des Tatsachenbegriffes hilfreich.63 Zu unterscheiden ist das Werturteil – wie etwa eine Bonitäts- oder Unternehmensbewertung – von den ihm zugrundeliegenden Tatsachenangaben. Täuschungsfähig ist nur letzteres. Nach der Rechtsprechung des BGH im Zusammen61
Lorenz (1997), S. 413. BGH NJW 1995, 1547 ff. 63 In Zusammenhang mit der Reichweite des Eigenschaftsbegriffes BGH NJW 1990, 1658, 1659: „Umsatz- und Ertragsangaben stellen grundsätzlich keine zusicherungsfähigen Eigenschaften eines Unternehmens dar, wenn sie sich nicht über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstrecken und deshalb keinen verläßlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit für die Ermittlung des Wertes des Unternehmens geben.“; im gleichen Sinne auch die Entscheidung BGH NJW 1995, 1547, in welchen der Wahrheit zuwider eine Ertragsfähigkeit des Unternehmens zugesichert wurde, nach der die in der Ertragsvorschau genannten Umsätze erzielt werden könnten; vgl. dazu näher bereits 3. Kapitel § 2 C. IV. 3. 62
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4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
hang mit Ansprüchen aus §§ 823 f. BGB, stellt die durch eine Zahl repräsentierte Bonitätsbeurteilung eines Unternehmens im Allgemeinen eine Bewertung dar, die auf Tatsachen beruht, welche nach vorgegebenen Bewertungskriterien gewichtet werden und so in das letztendlich abgegebene Werturteil einfließen.64 Das Werturteil jedoch werde selbst nicht zu einer Tatsachenbehauptung. Der Bonitätsindex beinhalte eine Bewertung der derzeitigen Lage des Unternehmens und eine Prognose hinsichtlich der zukünftigen Zahlungsfähigkeit; insofern stelle das frühere Zahlungsverhalten lediglich ein Indiz dar. Die Trennung zwischen Bewertungsgrundlage und Bewertungsgegenstand spiegelt sich auch in der in Wissenschaft und Praxis vorherrschenden Ertragswertmethode wieder.65 Sie überholte die lange Zeit in Wissenschaft und Praxis vorherrschende Auffassung, dass der Wert des Unternehmens eine „objektive dem Unternehmen an sich haftende Größe sei. Diese Ansicht setzte sich insoweit im Verfahren der Unternehmensbewertung durch, als es galt den Substanzwert zu ermitteln, der sich als Summe der Einzelwerte aller Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden des zu bewertenden Unternehmens ergibt.66 Der Unternehmenswert wurde als eine Summe gegenwartbezogener Einzelwerte ermittelt, deren Wert wiederum auf Marktpreisen basierte. Diese sich durch ihre Objektivierung kennzeichnende Methode, ließ sich jedoch nicht aufrechthalten, da sie unfähig war das Unternehmen als „Instrument künftiger Zielrealisation“ zu erfassen.67 Die zukunftsbezogene Sichtweise mit Blick auf die Möglichkeit nachhaltiger Gewinnerzielung hat sich allmählich in der Art und Weise der Preisermittlung und Wert des Unternehmens durchgesetzt und sich als ein adäquates Messverfahren bei der Ermittlung des Unternehmenswertes erwiesen.68 Der Unternehmenswert wird ermittelt, indem sie die künftigen Nettoeinnahmemöglichkeiten aus dem betrieblichen Vermögen prognostiziert und mit einem Kalkulationszinsfuß auf die Gegenwart abgezinst werden.69 Die Wirklichkeitsnähe, die die Ertragswertmethode so attraktiv macht, wird jedoch nur dann garantiert, wenn die Prognose auf Tatsachen beruht, die der Realität entsprechen. Der Tatbestand der „unrichtigen Wiedergabe“, der in § 400 Abs. 1 Nr. 1 64 BGH NJW 2011, 2204, dass Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb grundsätzlich ausscheiden würden, wenn die als Meinungsäußerung zu qualifizierende Bonitätsbeurteilung auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruhte. 65 Im Folgenden über die Wandlung der Wertvorstellungen vgl. Fleischer (2001), S. 331. 66 Vgl. Kästle/Oberbracht, S. 71 f. 67 Fleischer, S. 331. 68 Widmann, in: Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf, Teil II Rn. 43 (Fn. 1), dass die Anwendungshäufigkeit des Ertragswert-Verfahrens bei der Bewertung von internationalen Mergers & Acquisitions von deutschen Unternehmen von 25 % im Jahr 1990 auf 95 % im Jahr 1998 gestiegen ist. Universalbanken, Investmentbanken und Unternehmensberatungen verwenden bis zu 100 % das Ertragswertverfahren. 69 Widmann, in: Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf, Teil II Rn. 37.
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AktG unter Strafe gestellt wird, kommt daher auch bei Prognosen und Schätzungen in Betracht, wenn diese auf objektiv unrichtigen Tatsachen beruhen oder aus zutreffender Tatsachengrundlage objektiv falsche Schlussfolgerungen gezogen werden.70 Festzuhalten gilt, dass auch zukunftsbezogene Umstände in ihrem zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestimmbaren Tatsachenkern täuschungsfähig sind. Auch innerhalb eines Risikogeschäftes kann eine zukunftsbezogene Prognose eine unrichtige Auskunft über gegenwärtige Umstände beinhalten.71 Für den Tatsachenbegriff beim Unternehmenskauf lässt sich hieraus ableiten, dass bestimmte wertbildende Umstände wie Umsatz, Ertrag, Anlagen, Kunden- und Lieferantenverträge, täuschungsfähige Tatsachen darstellen, die die zukünftige Ertragsfähigkeit des Unternehmens erheblich beeinflussen können.
C. Die Irreführung durch unvollständige Information I. Problematische Konstellationen Unumstritten ist, dass eine Falschangabe bereits dann schon vorliegt, wenn eine Information zwar zutrifft – also objektiv richtig ist72 – aber durch ihre Unvollständigkeit irreführend ist. In der Rechtsprechung sind zahlreiche solcher Fälle zu finden. Klassisch ist das Beispiel aus dem Gebrauchtwagenkauf, bei welchem der Verkäufer, der Angaben über bestimmte Unfallschäden macht, damit zugleich vorspiegeln kann, dass der Wagen im Übrigen unfallfrei sei.73 Die Aussage über die Unfallschäden ist zwar als solches richtig, jedoch ist sie dahin gehend unvollständig, dass sie offen lässt, ob der Wagen im Übrigen auch tatsächlich unfallfrei ist. Um die Vollständigkeit einer Aufklärung ging es auch in einer Entscheidung des BGH, im welchen eine Anwaltssozietät, die häufig vom Gegner der Partei mit neuen Mandaten beauftragt wird, verpflichtet war auf diesen Umstand hinzuweisen, auch wenn ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang mit den vom Gegner erteilten Aufträgen nicht bestand.74 Denn der Mandant war in seiner Willensbildung dadurch gestört bzw. irregeführt, weil er annehmen durfte, dass der Anwalt, der das Mandat annimmt seine Bereitschaft äußert, „fortan die Interessen des Mandanten ohne 70
Oetker, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 400 Rn. 5 Lorenz (1997), S. 413, vgl. auch Spatschek, DStR 2003, 173, 175, dass bezüglich der Prognose in einem Lagebericht nur dann eine unrichtige Darstellung vorliegt, wenn die der Prognose zu Grunde gelegten Gegenwartsdaten falsch sind oder die Prognose anhand evident unzutreffender Erfahrungssätze entwickelt wird. 72 Keyßner, S. 23 zum Wettbewerbsrecht: Da eine schon „in sich“ unwahre Angabe positiv und nicht erst durch ein Unterlassen der Information irreführend wirke, sei die objektive Wahrheit insofern notwendige Voraussetzung, um von Unvollständigkeit sprechen zu können. 73 OLG Köln NJW-RR 1995, 51 f.; Jauernig, § 123 BGB Rn. 3. 74 BGH NJW 2008, 1307. 71
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Rücksicht auf die gegenläufigen Interessen der anderen Seite umfassend zu vertreten“. Interessant ist auch die jüngst ergangene Rechtsprechung bezüglich Angaben über die Mieteinnahmen eines Hausgrundstücks, die ein falsches Bild über die Ertragsfähigkeit des Grundstücks vermittelt haben.75 Hier waren die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse richtig angegeben, jedoch durch die Vorlage von unvollständigen Unterlagen die vertraglich vereinbarte Informationspflicht verletzt worden. Im konkreten Zusammenhang mit der Due Diligence stellt sich die Frage, inwieweit Informationen, die der Verkäufer in den Datenraum stellt, in ihrem Informationsgehalt als vollständig zu bewerten sind oder hierfür zusätzlich weitere Informationen erforderlich werden. Auch im Zusammenhang mit der Vollständigkeit kann auf den bereits erwähnten Fall über den Verkauf eines Pharmaunternehmens vor dem DIS (Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit) verwiesen werden, ob der Unternehmensverkäufer den Käufer von sich aus auf Schwierigkeiten bei der Verlängerung des Patentschutzes für ein für den Umsatz des verkauften Unternehmens besonders wichtigen Arzneimittel hätte hinweisen müssen, oder ob es ausreichend war, dass er dem Käufer Gelegenheit zur Dokumenteneinsicht und zur Befragung qualifizierten Personals gegeben hatte.76 In einem ad-hoc-Verfahren wurde geprüft, ob der Unternehmensverkäufer ungefragt darauf hätte hinweisen müssen, dass ein für die Umsatzplanung des Unternehmens wichtiges neues Produkt aufgrund technischer Schwierigkeiten später als geplant auf den Markt kommen würde.77 In der Literatur werden diese Fälle der „halben Wahrheit“ mit verschiedenen Begrifflichkeiten gehandhabt: Je nachdem, ob der Schwerpunkt eher auf das Gesagte oder das Verschwiegene fällt, ist Teils von „unvollständigen Angaben“ die Rede, teils werden sie mit dem Begriff „Irreführung durch Unterlassen“ bezeichnet.78 Ähnlich schwer liegt die Zuordnung nach Handlungsformen bei Tatsachenangaben, die durch die Art und Weise ihrer Darstellung eine manipulative Wirkung auf das Vorstellungsbild des Gegenübers ausüben. Angesprochen sind diejenigen Fälle, in denen Vertragsrisiken geleugnet, verharmlost oder verniedlicht werden79, der 75
BGH NJW 2013, 1807 Sachs, SchiedsVZ 2004, 123,127. 77 Sachs, SchiedsVZ 2004, 123,127. 78 In Zusammenhang mit § 5 UWG Busch, S. 84 f.; für die folgenden Ausführungen wird die Bezeichnung der „unvollständigen Information“ gewählt. 79 Über die Verharmlosung von Bürgschaftsrisiken vgl. OLG Brandenburg BeckSR 2010, 31099: Das Gericht prüfte die Verletzung der Wahrheitspflicht: Umstände, von denen jedermann weiß oder wissen müsste, dass sie ihrer Natur nach risikobehaftet sind, unterfallen zwar nicht dem Täuschungstatbestand, jedoch ist von einer Täuschung dann auszugehen, wenn das Risikopotenzial wider besseres Wissen verniedlicht wird oder, vorbehaltlich einer Aufklärungspflicht, den Irrtum des Gegners von einem risikolosen Geschäft nicht berichtigt lässt. In dieser Formulierung wird der Unterschied zur Aufklärungspflicht deutlich: Während das Bestehen einer Aufklärungspflicht sich damit befasst, ob eine Information offengelegt werden muss, geht es bei der Wahrheitspflicht unter anderem um das „wie“ der Offenlegung. 76
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Vertragsgegenstand beschönigt oder bestehende Mängel der Kaufsache bagatellisiert werden.80 Die genannten Verhaltensformen zeichnen sich dadurch aus, dass die irreführende Wirkung unmittelbar vom Gesagten, genauer noch vom „auf diese Art und Weise so“ Gesagtem aus geht. Während die Rechtswidrigkeit der Täuschung durch „einfache“ Falschangaben primär auf den objektiv wahrheitswidrigen Inhalt (die Übermittlung unwahrer Tatsachen begründet das Handlungsunrecht!) zurückgeführt werden kann, liegt bei der Täuschung durch solch irreführende Darstellung die Rechtswidrigkeit darin, dass der Informierende „in dieser Art und Weise so“ tätig wird. Im Schrifttum wird diese Form der Darstellung als eine aktive Täuschungshandlung qualifiziert.81 Ob in solchen Fällen von einer aktiven Täuschung oder doch einer Täuschung durch Unterlassen wesentlicher Information gesprochen werden muss, ist dennoch nicht leicht zu beantworten.82 Macht der Verkäufer eines Gebrauchtwagens nur Angaben zu einigen bestimmten Unfallschäden, dann ist sie hinsichtlich der Tatsache, dass nicht alle Unfallschäden angegeben wurden „unvollständig“, zugleich spiegelt er aber auch „aktiv“ vor, dass der Wagen im Übrigen unfallfrei ist. Es verwundert nicht, dass die Fälle, die nur die „halbe Wahrheit“ enthalten, in der Literatur mit verschiedenen Begrifflichkeiten gehandhabt werden: Je nachdem, ob der Schwerpunkt eher auf das Gesagte oder das Verschwiegene fällt, ist Teils von „unvollständigen Angaben“ die Rede, teils werden sie mit dem Begriff „Irreführung durch Unterlassen“ bezeichnet.83 Ihnen ist gemeinsam, dass eine irreführende Wirkung durch den Informierenden erzeugt wird, die nicht unmittelbar auf eine objektive Falschangabe zurückgeführt werden kann. Begrifflich ist zwischen der irreführenden Wirkung und der – objektiven – Kategorie der Unwahrheit zu unterscheiden84, weil man mit der objektiv-formalen Sicht des Wahrheitsbegriffes bei der Vollständigkeitsprüfung nicht weiterkommt. Die irreführende Wirkung, die von der objektiv richtig gemachten Aussage ausgeht, transformiert die objektive Wahrheit zur Unwahrheit. Demnach liegt bei der Irreführung durch Unvollständigkeit ein relativer Wahrheitsbegriff zugrunde: „Teilwahrheit ist Unwahrheit“, wenn sie dazu geeignet ist, den Anschein der Vollstän80
Palandt/Ellenberger § 123 BGB Rn. 3. Fleischer (2001), S. 253; vgl. auch Lorenz (1997), S. 411, mit der Kritik an die Rechtsprechung, den Charakter der positiven Irreführung zu verkennen, wenn etwa ein bestehendes Bürgschaftsrisiko verschleiert werde, vgl. BGH NJW 1989, 1605 f. 82 Vgl. nur OLG Köln NJW-RR 1995, 51 f. über die Aufklärungspflicht des Verkäufers beim Verkauf eines Unfall geschädigten Fahrzeugs. 83 Busch, S. 84 f. 84 Keyßner, S. 24, der die Anknüpfung an die „objektive Wahrheit“ einer Angabe schon keineswegs problemlos sieht, da der Begriff nur scheinbar klar und eindeutig sei; vgl. auch unten den Wahrheitsbegriff im Handelsrecht. 81
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digkeit zu erwecken.85 Der objektiv-formale Wahrheitsmaßstab wird durch den normativen Vollständigkeitsmaßstab ersetzt. II. Die unvollständige Information als doppelte Unklarheitssituation Bei einer Täuschung durch unvollständige Information kommen zwei Unklarheitssituationen ins Spiel: Eines betrifft die Unklarheit bezüglich eines bestimmten vertragsrelevanten Umstands, worüber keine positiven Angaben gemacht wurden. Hat der Gebrauchtwagenverkäufer in dem bereits erwähnten Fall bestimmte Unfallschäden angegeben, herrscht Unklarheit darüber, ob der Wagen im Übrigen tatsächlich unfallfrei ist. Schwierig sind solche Situationen deshalb, weil beide Beteiligten86 sich über die Unklarheitssituation nicht bewusst sind, es fehlt also die Verständigung über ein mögliches Missverständnis.87 Die Kommunikationsstörung kann sodann beim Käufer zur Störung der vorvertraglichen Informationsgrundlage und zum unerwünschten Vertragsschluss führen, wenn die ihm zugrunde liegenden Vorstellungen nicht dem Tatsächlichen entsprechen. Im Falle der unvollständigen Information fehlen zwar eindeutig positive Aussagen über einen bestimmten Umstand, jedoch sind anderweitig Aussagen gemacht worden, die mit diesem inhaltlich im Kontext stehen. Hier kommt die zweite Unklarheitssituation ins Spiel: Die Unklarheit darüber, was tatsächlich als Inhalt der Erklärung aufgefasst werden kann. Nimmt man den Gebrauchtwagen- und den Mandatsfall, so wurden einzelne Schäden positiv angegeben und auch die Übernahme eines Mandats positiv erklärt. Unklar geblieben ist, ob mit den positiven Aussagen auch tatsächlich gemeint war, der Gebrauchtwagen sei im Übrigen tatsächlich unfallfrei oder der ein Mandat annehmende Rechtsanwalt sei fähig, weiterhin ohne Rücksicht auf die gegenläufigen Interessen der anderen Partei die Interessen des Mandanten umfassend zu vertreten. Der Unklarheitszustand ist auf den inhaltlichen Zusammenhang vom Gesagten und Verschwiegen zurückzuführen, die – wie von Keyßner zu Recht hervorgehoben – die „unvollständige“ Angabe auszeichnen.88 85
Breidenbach, S. 81. Ausgenommen sind also solche Fälle, in welchen der Informierende bewusst Umstände verschweigt. Hier liegt die Unklarheitssituation nur einseitig beim Getäuschten vor. 87 Vgl. Schwarze, S. 212, der i.V.m. der Auslegung von Willenserklärungen zwei klärungsbedürftige Erklärungssituationen gegenüberstellt: Im ersten Fall sei ein Erklärungssinn positiv erkennbar, aber es gäbe Anlass zum Zweifel daran, ob er von einem entsprechenden Willen getragen werde (Situation des begründeten Zweifels); im zweiten Fall sei ein Erklärungssinn positiv nicht festzustellen (Situation der Unklarheit). In beiden Fällen werde die Verständigung nur durch Herstellung von Klarheit erzielt. 88 Keyßner, S. 27 f. Bei Werbeangaben reiche der Bezug zum Produkt allein nicht aus, vielmehr sei z. B. der Bezug ein und dieselbe Produkteigenschaft, wie etwa die Qualität in den 86
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Ein erster Lösungsweg liegt in den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Zu prüfen ist, ob dem Erklärenden eine Erklärung in Form der schlüssigen Erklärung zugerechnet werden kann. Der gemeinsame „Parameter“ zwischen Gesagtem und Verschwiegenem eröffnet nämlich die Möglichkeit, dass in diesem Zusammenhang der Erklärungsgegner das Gesamtverhalten des Erklärenden so verstehen durfte, dass der Wagen auch im Übrigen unfallfrei bzw. dass die Mandatsübernahme des Anwalts unbeschränkt sei. Der Erklärungstatbestand ist im Gesamtverhalten des Erklärenden zu sehen. Führt das Auslegungsergebnis zu einer solch konkludenten Erklärung, löst sich die Unklarheitssituation hinsichtlich des vertragsrelevanten Umstands auf. Denn nach objektiv-normativer Sicht darf der Erklärungsgegner darauf vertrauen, dass der Wagen auch im Übrigen unfallfrei geliefert werde und dass das übernommene Mandat unbeschränkt sei. Aus seiner Sicht kommt es also erst gar nicht zu einer Unklarheitssituation, die ihn zu weiteren Informationshandlungen und Fragen in der vorvertraglichen Phase veranlasst bzw. verpflichtet hätte. Die Bestimmung des Erklärungswerts löst die erste Unklarheitssituation auf und liefert zugleich das Ergebnis für die Auslegung der vertraglichen Einigung. Eines anderen Lösungsansatzes bedarf es dann, wenn dem Erklärenden keine konkludent positive Erklärung zugerechnet werden kann. Hier herrscht die Unklarheitssituation hinsichtlich des vertragsrelevanten Umstandes vor, worüber sich die Parteien nicht explizit verständigt haben. III. Regelungsmechanismen Stellt man beide Unklarheitssituationen gegenüber, so werden zwei unterschiedliche Regelungsmechanismen deutlich, die hier involviert sind. Die Unklarheit des Erklärungstatbestands und seines Sinns sind den Auslegungsregeln gem. §§ 133, 157 BGB unterworfen und betreffen primär den inhaltlichen Austausch auf der Kommunikationsebene: Was wurde gesagt und was wurde verstanden bzw. durfte verstanden werden? Dagegen ist bei der Unklarheit um den vertragswesentlichen Umstand die Aufklärungspflicht im Rahmen der konkreten Vertragsanbahnung zwischen den Parteien betroffen: Was wurde gesagt und was hätte gesagt werden müssen? Die ambivalente Verhaltensstruktur des Erklärenden, wodurch Unklarheiten bezüglich des Erklärungsgehalts und des vertragsrelevanten Umstands geschaffen werden, führt zur Notwendigkeit, den Informationsflusses durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu bestimmen, welcher der späteren vertraglichen Einigung zugrunde zu legen ist. Während die Funktion des § 133 BGB darin besteht, den Rechtsanwender zur Erforschung aller auf den Willen bzw. des Verständnisses der Fällen der Diamantenwerbung erforderlich. Einen viel engeren Zusammenhang sieht er bei den sogenannten „Halbwahrheiten“, da sich hier Aussage und Auslassung auf ein und denselben „Parameter“ beziehen – die kleinstmögliche, zur Produktbeschreibung geeignete Einheit. Vgl. dazu näher unten C.V.2.a).
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Erklärung hinweisenden Indizien anzuhalten, greift § 157 BGB ein, wenn er auf Grund dieser „empirischen“ Vertragsauslegung keinen natürlichen Konsens feststellen konnte.89 Bei der unvollständigen Information in der vorvertraglichen Verhandlungsphase zeichnet sich der fehlende natürliche Konsens durch die erste Unklarheitssituation aus, die dann auch die zweite Unklarheitssituation auslöst: Unklar ist, ob der Gebrauchtwagenhändler mit der Aufzählung bestimmter Schäden, zugleich das Vorhandensein etwaiger Schäden verneint, somit bleibt weiterhin unklar, ob der Wagen weitere Schäden hat. Letzteres ist für den Käufer eines Gebrauchtwagens vertragsrelevant. Zwischen den Unklarheitssituationen besteht ein Ursachenzusammenhang, welcher ein Grund für die im Schrifttum häufig zu sehende Verknüpfung von Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB und Begründung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht (mit einer konkludent positiven Erklärung erübrige sich die Herleitung der Aufklärungspflicht!) ist. Beiden Mechanismen dienen der nachträglichen Aufhebung einer Kommunikationsstörung. Methodisch haben sie gemeinsam, dass der Verhandlungsprozess ex post auf hypothetische Handlungsalternativen hin untersucht wird, die sich aus den Pflichtsystemen des jeweiligen Regelungsmechanismus ex ante ergeben. Zutreffend spricht Heck von der „hypothetischen Auslegung“, weil das Ergebnis der objektiven Deutung von Annahmen abhängt, die bewusst oder unbewusst gemacht werden.90 Aber auch bei der Frage nach dem Bestehen einer Aufklärungspflicht ist aus der ex post Betrachtung hypothetisch zu berücksichtigen, dass es bei der korrekten Erfüllung der vorgestellten Pflicht auch um Einwirkungen auf das zukünftige Verhalten des jetzt Schadensersatz fordernden anderen Teils ging.91 Die Frage nach einer Aufklärungspflicht stellt sich immer ex post92, wenn der Käufer Schadensersatzanspruch wegen einer Handlung in der Vergangenheit begehrt, die er bei entsprechender Information oder entsprechend richtiger und vollständiger Information so nicht vorgenommen hätte. Das Bestehen einer Pflicht dagegen, also die Frage, ob der Verkäufer bestimmte Informationen hätte vermitteln müssen bzw. hätte sie in bestimmter Art und Weise so nicht vermitteln dürfen, ist dagegen ex ante zu beurteilen93. Auf das vorvertragliche Informationsverfahren übertragen bedeutet dieses, dass pflichtgemäße Informationshandlungen von beiden Seiten den gestörten Informa-
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Kramer, S. 144. Heck, AcP 112 (1914), 1, 43; vgl. auch Oftinger, ZSR 58 (1939), 178, 187, der zwischen Methode und Ergebnis der Auslegung unterscheidet. Erstere stelle nicht auf den wirklichen, sondern auf einen hypothetischen Willen ab, eben die Meinung, die sich im Verständnis vernünftiger und korrekter Leute unter den vorliegenden Umständen widerspiegelt. 91 Breidenbach, S. 2 f. 92 Breidenbach, S. 2. 93 Breidenbach, S. 3. 90
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tionsfluss verhindert hätten.94 Insofern kann auch hier über die Möglichkeit der Ausrichtung zukünftigen Verhaltens95 durch gegenseitige Verständigung gesprochen werden. In beiden Fällen geht es um Verhaltenspflichten, deren Erfüllung eine Störung des Verständigungsprozesses verhindert hätte. Deutlich wird jedoch, dass je nach Bewertungsfokus ein anderes Regelungsregime eröffnet wird. Nimmt man die Unklarheit über den vertragsschlussrelevanten Umstand als Ansatzpunkt, lässt sich für die Klärung der Unklarheitssituation die folgende Leitfrage formulieren: Hätte man eine Frage aus Sicht des Käufers erwarten dürfen oder war der Informierende zum zusätzlichen Hinweis oder Richtigstellung bzw. zur Aufklärung hinsichtlich des Umstands verpflichtet? Hier liegt die Lösung in der beweglichen Grenzziehung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht.96 Betrachtet man die Unklarheitssituation jedoch aus dem Gesichtspunkt des Erklärungsverhaltens, dann geht es um die Auslegung der während des Kommunikationsvorgangs abgegebenen Erklärungen. Für die Generierung des vertragsrelevanten Informationsflusses im Due Diligence-Prozess gilt zu prüfen, welcher Regelungsmechanismus besser geeignet ist. IV. Die Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB 1. Die Bestimmung des Erklärungstatbestands Sowohl in Rechtsprechung als auch im Schrifttum wird bei der Bestimmung der Täuschungshandlung daraufhin geprüft, ob ein auf Irreführung gerichtetes Gesamtverhalten vorliegt, welches nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist.97 Grundlage und erste Stufe der Auslegung bildet die Feststellung des Erklärungstatbestandes, seine Deutung die zweite Stufe.98 Nach der herrschenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung muss der Empfänger einer Willenserklärung nicht nur die Erklärung oder das erklärungsrelevante Verhalten selbst, sondern auch alle sonstigen äußeren Umstände, insoweit sie einen Rückschluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen, zur Kenntnis nehmen und zur Grundlage seines Verstehens machen.99 Demgegenüber sieht Busche insofern eine Einschränkung geboten, als nur 94 Vgl. Schwarze, S. 212 f.: Das einzig richtige Verständigungsverhalten des Erklärungsgegners für die Herstellung von Klarheit bestehe darin, Klarheit über den Rechtsfolgewillen des Erklärenden herzustellen, was jedoch bedeute, den Erklärenden darüber zu informieren, dass sein Erklärungsverhalten unklar sei. 95 Breidenbach, S. 3. 96 Vgl. die Ausführungen dazu im 3. Kapitel. 97 Vgl. Siehe vorne, I.1. Vorgehensweise des Schrifttums. 98 Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 8; Palandt/Ellenberger § 133 BGB Rn. 5. 99 RGZ 66, 427; BGH NJW-RR 2000, 1002, 1003; Palandt/Ellenberger § 133 BGB Rn. 15; Schwarze, S. 200 f.; MünchKommBGB/Busche § 133 Rn. 55 m.w.N.
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ein Verhalten der Beteiligten, nicht aber ein Umstand als solcher Erklärungswert haben könne.100 Die Bedeutung von Begleitumständen des Verhaltens der Erklärenden bestehe darin, dieses in einem bestimmten Licht erscheinen zu lassen, es aussagekräftig zu machen. Die Umstände seien, wenn es allein auf das Wollen des Erklärenden ankommt, nach dem Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung, wenn es auf den Empfängerhorizont ankommt, nach dem Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung zu würdigen. Unabhängig von der Auffassung, welche Bedeutung man den Begleitumständen zuspricht, besteht eine Übereinstimmung darin, dass der Kern des Erklärungswerts im Verhalten des Erklärenden liegt. So wird deshalb bei der Ermittlung des Erklärungswerts stets von der die Erklärung tragenden Verhaltensform ausgegangen. In der Regel erfolgt die Erklärung ausdrücklich, seltener schlüssig.101 Das hauptsächliche Mittel der ausdrücklichen Erklärung ist zwar die Sprache102, ein verbaler Kommunikationsakt wird jedoch nicht stets gefordert103, ausreichend ist ein erklärungsrelevantes Verhalten.104 Aufgabe der Auslegung ist es gerade auch, die Bedeutung eines Verhaltens mit Erklärungswert zu ermitteln, wenn nicht eine ausdrückliche (Willens-)erklärung vorliegt.105 Sowohl ein Schweigen als auch ein schlüssiges Verhalten kann sich daher als erklärungsrelevant erweisen.106 Die Feststellung des Erklärungstatbestandes und damit des Erklärungsinhalts ist besonders schwierig, wenn es an einer eindeutig aktiven, verbalen Erklärungshandlung fehlt. Aus dem Gesichtspunkt der Handlungsformen, ist die Unklarheit bezüglich des Erklärungstatbestands auf ein Doppelverhalten zurückzuführen, das sowohl aus einer aktiven als auch passiven Handlungseinheit besteht. Bezeichnend für diese Fälle ist, dass sich der Erklärungstatbestand weder in einer unmittelbaren Erklärung noch im Schweigen erschöpft, zumeist ein „irgendwie geartetes Tun“107 vorliegt, das sich aus verschiedenen Handlungen des Erklärenden zusammensetzt108. 100
MünchKommBGB/Busche § 133 Rn. 55. MünchKommBGB/Busche § 133 Rn. 57. 102 Larenz (1991), S. 320, den „Wortsinn“ als Ausgangspunkt der Auslegung betonend. 103 Wagner, in: Zimmermann (Hrsg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, S. 59, 73. 104 Vgl. Rhode, S. 39, zitiert in Kramer, S. 142: „Unter ,Erklärung‘ ist […], nicht das Wort, nicht der objektive Sinn der Zeichen und Umstände, sondern das ganze Verhalten des Erklärenden, ein umfassender, lebensvoller Gesamttatbestand zu verstehen, dessen Abgrenzung sich erst aus der pflichtgemäßen Wertung des Empfängers ergibt.“ 105 MünchKommBGB/Busche § 133 Rn. 55. 106 Petersen, Jura 2003, 687, 688 f.; vgl. auch Palandt/Ellenberger Einf. v. § 116 BGB Rn. 6, dass man besser von einer konkludenten Willenserklärung als von einer stillschweigenden sprechen sollte, weil „die Bezeichnung stillschweigende Willenserklärung irreführend“ sei. 107 Petersen, Jura 2003, 687, 688. 101
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Welche Bedeutung die Handlungsform für die Ermittlung des Erklärungsgehalts hat, insbesondere in welchem Verhalten der Erklärungstatbestand schließlich zu begründen ist, darüber sind im Schrifttum verschiede Ansichten vertreten. Nach dem Vorschlag des angelsächsischen Vertragsrechts ordnet Fleischer Halbwahrheiten (half-truths) und das teilweise Verschweigen wesentlicher Umstände (partial non-disclosure) den positiven Täuschungshandlungen zu.109 In die gleiche Richtung geht auch Breidenbach, der darauf hinweist, dass der Gläubiger eines Bürgschaftsvertrages, der bewusst nur die halbe Wahrheit sage, im Grunde durch positives Tun täusche.110 Ähnlich ist der Ansatz von Emmerich, der sich auf die Täuschung durch positives (konkludentes) Tun beruft.111 In zahlreichen Fällen, in denen die Gerichte mit der Verletzung von Aufklärungspflichten operiert haben, hätte die Herleitung von Aufklärungspflichten wegfallen können. Demgegenüber wendet sich Erman in Zusammenhang mit der Haftung aus c.i.c. ausdrücklich gegen die Abgrenzung von Tun und Unterlassen, als es „im Bereich der c.i.c. weder gerechtfertigt noch praktisch“ sei, weil es sich um die Verletzung einer „einheitlichen Pflicht zur Unterlassung fehlerhaften Verhandelns“ handele, das sowohl in Form des Tuns als auch des Unterlassens auftreten könne.112 Bachmann/Roth, die auf die fließende Grenze zwischen unterlassener Information und Falschinformation hinweisen, erachten die Unterscheidung als irrelevant, sofern eine Aufklärungspflicht bejaht werden könne.113 Hilfreich sind die Lösungsansätze aus dem Wettbewerbsrecht, die konkret auf die Behandlung irreführender Angaben durch Halbwahrheiten bzw. Unvollständigkeiten zugeschnitten sind. Im älteren Schrifttum zum § 3 UWG a.F. (jetzt § 5 UWG n.F.) wird für die Bestimmung einer irreführenden geschäftlichen Handlung auf die Handlungsformen eingegangen. Lindacher etwa sieht in der Fallgruppe der „lückenhaften Angaben“ bei richtiger Betrachtung einen „durch positives Tun gesetzten Erklärungsakt, dem der Verkehr wegen der Zurückhaltung bestimmter Zusatzinformationen einen Inhalt beimisst, der über das explizit Erklärte hinausreicht.“114 Hier wird der Kreis der konkludenten Angaben ausgeweitet.115 Wieder Andere versuchen den Erklärungs108 MünchKommBGB/Busche § 133 Rn. 33; BGH NJW 2010, 3510; NJW 2011, 1434 = DB 2011, 1043; ZIP 2011, 826; Palandt/Ellenberger Einf. v. § 116 BGB Rn. 6. 109 Fleischer (2001), S. 253. 110 Breidenbach, S. 81. 111 MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 71, in die gleiche Richtung auch Lorenz (1997), S. 411. 112 Erman, AcP 139 (1934), 273, 285 f. 113 MünchKommBGB/Bachmann/Roth § 241 Rn. 134. 114 Lindacher, in: UWG Großkommentar, § 3 Rn. 184. 115 Lindacher, in: UWG Großkommentar, § 3 Rn. 183: „Die Rechtsprechung arbeitet – offenbar in der (Fehl-)Vorstellung, es handele sich im angesprochenen Kontext um einen Unterlassungsdelikt, zu dessen Verwirklichung die Nichterfüllung einer Handlungspflicht
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gehalt an das Schweigen anzuknüpfen.116 Nach diesem Modell liegt der Rechtsverstoß im Falle des Verschweigens wesentlicher Umstände nicht in der Verletzung einer Aufklärungspflicht, sondern viel mehr im Schweigen selbst.117 Ähnlich wie Erman spricht etwa Keyßner für die Bestimmung der irreführenden geschäftlichen Handlung in § 3 UWG a.F. der Begehungsform keine zentrale Rolle zu, weil das Irreführungsverbot hier weniger an die Handlung (Angabe) als an den Erfolg (Irreführung) anknüpfe, insoweit auf die Begehungsform als rechtliches Kriterium verzichtet werden könne.118 So wird auch im § 5 UWG n.F. stets auf die „irreführende Wirkung“ der Angabe abgestellt, d. h. wenn sie den von ihr angesprochenen Kreisen einen unrichtigen Eindruck vermittelt.119 Fraglich ist, ob bei einer solchen Ambivalenz der Verhaltensstruktur den einzelnen Handlungsformen überhaupt eine eigenständige Bedeutung zugesprochen werden kann. Denn es gilt aus der Sicht des Informationsempfängers den von ihm verstandenen Erklärungsinhalt über einen konkreten Umstand zu bestimmen. Die Besonderheit hier liegt gerade in der Kombination von Reden und Schweigen, so dass alle Ansätze, die den Erklärungstatbestand entweder im Gesagten oder im Schweigen sehen wollen, nicht die richtige Mitte treffen. Durch die selektive Informationsgewährung wird der Käufer in einer subtilen Form beeinflusst, der etwa eine Aufspaltung der Information in positives Tun („Reden“) und Unterlassen („Schweigen“) nicht gerecht wird.120 Der Erklärungsinhalt ist aus dem Gesamtverhalten des Informierenden herzuleiten, zu prüfen ist, ob nach der Verkehrsanschauung ein auf Irreführung gerichtetes konkludentes Gesamtverhalten vorliegt.121 Der rechtserhebliche Erklärungsinhalt ergibt sich aus der Gesamtheit von einzelnen Erklärungswerten, die den jeweiligen Handlungseinheiten zuzuordnen sind. Den einzelnen Handlungseinheiten kommen hier keine eigenständige Bedeutung als Haftungstatbestand oder Pflichtverletzungstatbestand zu, weil sie nur als Teileinheiten des Gesamtverhaltens zu verstehen sind. Daher ist die Rechtserheblichkeit des Schweigens durch das Vorliegen einer Aufklärungspflicht zumindest auf dieser Ebene noch nicht von Interesse. Erst wenn hinsichtlich des relevanten Umstandes keine positive (konkludente) Erklärung vorhanden ist, wird das Verschweigen als Verletzung einer Aufklärungspflicht relevant. gehöre – traditionellerweise mit der Formel, im Verschweigen einer Tatsache liege (nur) dann eine irreführende Angabe, wenn für den Werbenden eine Aufklärungspflicht besteht.“ 116 Daunicht-Hoffrichter, S. 27 ff. 117 Daunicht-Hoffrichter, S. 33. 118 Ähnlich auch Schricker, in: FS Zweigert, S. 571. 119 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitzya, UWG, § 5 Rn. 107. 120 Busch, S. 84. 121 Lorenz (1997), S. 411; Fleischer (2001), S. 253; MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 71.
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Welchen Pflichtverletzungstatbestand die konkludente Erklärung begründet, wird erst nach der Ermittlung des Erklärungsgehalts durch Auslegung relevant.122 2. Die Auslegung als Verständigungsprozess In Rechtsprechung und Literatur wird die Diskussion über das Verständigungsverhalten dem Bereich der Auslegung von Willenserklärungen zugeordnet.123 Die Auslegung erfolgt nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB.124 § 133 BGB betrifft die Auslegung einer Willenserklärung, wonach der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist. Kennt der Erklärungsempfänger den wahren Willen nicht, ist auf die objektive Bedeutung des Erklärten abzustellen. Dem korrespondiert die objektiv normative Auslegung, die nach § 157 BGB am Maßstab von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte auszurichten ist.125 Auslegungsbedürftigkeit besteht dann, wenn der Erklärung nach Wortlaut und Zweck kein eindeutiger Inhalt zugeordnet werden kann.126 Interessant in diesem Zusammenhang sind die Ausführungen von Schwarze, der den Bedarf für eine gesetzliche Regelung von Kommunikationsvorgängen sieht, weil entschieden werden müsse, wie die Parteien sich zu verständigen haben und was bei divergierenden Auffassungen über das Erklärte gelte.127 Würde man sich allein am 122 Vgl. Petersen, Jura 2003, 687, 688, weil andernfalls sich die Rechtsfolge aufgrund einer Pflichtverletzung ergeben würde, die jedoch nicht ohne weiteres angenommen werden könne; anders Fabricius, JuS 1966, 50, 58, der für ein schlüssige Verhalten grundsätzlich ein aktives Tun voraussetzt. 123 Schwarze, S. 198 f. m.w.N. 124 BGH NJW 1995, 45 über die analoge Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Vorschriften auf geschäftsähnliche Handlungen. 125 Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 11. 126 Schon das Reichsgericht in RG JW 1919, S. 103: „Die Auslegung findet ihre Schranke in der Auslegungsfähigkeit der Erklärung, darin, daß diese in einem betreffenden Sinne überhaupt gebraucht und verstanden sein kann, und für eine Auslegung ist gar kein Raum, wenn die Erklärung durchaus klar und eindeutig ist.“; Palandt/Ellenberger § 133 Rn. 6; BGHZ 80, 246, 250 = NJW 1981, 1736, zur Auslegungsfähigkeit eines Testaments trotz „klaren und eindeutigen“ Wortlauts und zur Wahrung der gesetzlichen Form in solchen Fällen; dagegen wendet Heck, RG JW 1919, S. 102, 103 kritisch ein, dass die Frage, „ob eine Erklärung klar und eindeutig ist“, selbst „erst durch Auslegung“ beantwortet werden könne; vgl. auch Rhode, S. 41, dass auch der scheinbar klare Wortlaut einer Erklärung nicht zu der Annahme verführen dürfe, hier sei nichts auszulegen, diese Erklärung sei „eindeutig“. Denn möge der Wortsinn oder der abstrakt-objektive Sinn noch so klar scheinen, dürfe man weder am buchstäblichen, noch am objektiven Sinne des Ausdrucks haften, sondern habe zu erforschen, was der Erklärende vermutlich habe anordnen wollen. 127 Schwarze, S. 196; eine Maßnahme gegen die Willkür des Erklärenden ist etwa im § 116 S. 1 BGB zu finden, wonach eine Willenserklärung nicht deshalb als nichtig zu bewerten ist, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Staudinger/ Singer § 133 BGB Rn. 1 sieht in dieser Vorschrift das Bedürfnis nach einem Mindestmaß an
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Leitbild des egoistisch handelnden Verkehrsteilnehmers orientieren, entstünden Schwierigkeiten, denn es dürfte jeder Verhandlungspartner sowohl seine Erklärung als auch die des anderen seinem Interesse gemäß verstehen.128 Das wäre bei eindeutigen Erklärungen, erst recht aber bei weniger deutlichen der Fall, so dass beide Seiten sich unterschiedlich verstehen dürften: Die Verständigung wäre dem Zufall wirklicher Willensübereinstimmung überlassen. Durch die Pflicht zur Verständigung sieht Schwarze die Einigung dem Zufall oder besser noch der Willkür der Parteien entzogen, weil sich jede Partei um Verständigung bemühen müsse, bei der Abfassung der eigenen Erklärung ebenso wie beim Verstehen der gegnerischen Erklärung.129 Um auch nur den minimalen Forderungen des Verkehrsschutzes zu genügen, könne ihr Umfang nicht der Interpretationswillkür des Erklärenden überlassen bleiben, sondern müsse Rücksicht auf das Verstehen des anderen nehmen.130 Der hier angesprochene Aspekt der Subjektivität der Auslegung bzw. des „Auslegungsegoismus“ wird von Schutz wie folgt dargelegt131: Alle Ausdrücke haben „sowohl für den, der sie setzt, als für den, der sie deutet, nebst der objektiven Bedeutung und regelmäßig über sie hinaus auch noch einen subjektiven und okkasionellen Sinn.“ Die subjektive Komponente besteht darin, dass „jeder einzelne, welcher ein Zeichen verwendet, mit ihm einem Anderen etwas bedeuten will oder dem von einem Anderen mit ihm etwas bedeutet wird, verbindet mit diesem Zeichen einen besonderen Sinn, der seinen Ursprung in dem besonderen Wie der erfahrenen Akte hat, in denen es sich für ihn in der Weise des Vorwissens konstituierte.“ Dem subjektiven Sinn tritt die okkasionelle Bedeutung als zweite Komponente hinzu, die „dem Zeichen aus dem Zusammenhang, in dem es gebraucht wird, zuwächst.“ Nach Schutz führt der subjektive und okkasionelle Sinn darauf hinaus, dass die „Erfassung des objektiven Sinns eines Zeichens ein prinzipiell unerfüllbares Postulat bleibe. […] Die Rede ist ,präzis‘, wenn alle diese subjektiven und okkasionellen Bedeutungen den Umständen nach hinlänglich expliziert sind.“ Da jedoch diese Präzision der Sprache nie gänzlich zu erreichen sei, da die subjektive und okkasionelle Komponente eines sprachlichen Ausdrucks nicht restlos ausgeschaltet werden könne, seien nur größere oder geringere Annäherungen an einen rein objektiven Ausdruck denkbar.132
Rechtssicherheit zum Ausdruck gebracht: „Die Vorschrift stellt sicher, dass der Erklärende zu seinem Wort stehen muss und sich nicht willkürlich auf einen nicht nachprüfbaren inneren Willen zurückziehen kann.“ 128 Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 1 sieht in dieser Vorschrift das Bedürfnis nach einem Mindestmaß an Rechtssicherheit zum Ausdruck gebracht: „Die Vorschrift stellt sicher, dass der Erklärende zu seinem Wort stehen muss und sich nicht willkürlich auf einen nicht nachprüfbaren inneren Willen zurückziehen kann.“ 129 Schwarze, S. 196. 130 Schwarze, S. 193 f. 131 Schutz, S. 256 f. 132 Sich Schutz anschließend Kramer, S. 139.
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Angesichts der Komplexität der sprachlichen Äußerungen, die selbst bei begrifflicher Präzision je nach ihrem örtlichen, zeitlichen und sozialen Zusammenhang – mit den Worten von Schutz also „okkasionell“ – mehrdeutig sein können, bedarf es deshalb eines methodisch geleiteten Vorgehens, um den „richtigen“ Sinn dieser Äußerungen zu verstehen und der Rechtsanwendung zugrunde zu legen.133 Auslegung ist sodann ein „kunstmäßiges Verstehen“.134 Im Grundsatz hat sich das BGB, insoweit in Abkehr von der Willenstheorie135, dafür entschieden, dass bei unzureichendem Verständigungsverhalten die Willenserklärung mit ihrem normativ bestimmten Sinn maßgeblich ist und der unzureichende Wille insoweit nicht schadet (§ 119 Abs. 1 BGB).136 Von Rechtslehre und Rechtsprechung wird der normative Erklärungsinhalt überwiegend vom Standpunkt des Empfängers bestimmt137: Die Erklärung gelte so, wie sie der Empfänger „auffassen konnte und musste“ oder „durfte“, „nach Treu und Glauben verstehen konnte und mußte“; maßgeblich sei der Sinn, den der Empfänger in der Erklärung „finden“, den er ihr „entnehmen konnte und mußte“, der sich in der Erklärung „erkennbar erweise“. Bei der Bestimmung des Auslegungsmaßstabs ist die Unterscheidung von Heck zwischen Empfängerhorizont und Deutungsdiligenz hilfreich.138 Unter Empfängerhorizont sei die Gesamtheit des Materials zu verstehen, das dem hypothetischen Ausleger zugerechnet werde, sowohl das Umstandswissen wie das Regelwissen, also sowohl die Kenntnis der vorausgegangenen Verhandlungen, die begleitenden Umstände, als die Kenntnis von Sprache und Verkehrssitte. Die Deutungsdiligenz beziehe sich auf Anforderungen, die an die Auslegungsarbeit gestellt werden, auf den Grad der Aufmerksamkeit, dasjenige Verhalten, das erwartet oder gefordert werde, das vorgezeichnet sei durch die Gewohnheit oder ein eingreifendes Gebot. Kramer bezeichnet das Maß, das der Auslegende danach anlegen muss, als normativ-individualisierend139 : „Die Erklärung gilt nicht in der Bedeutung, die sie für einen unbeteiligten „dritten“ „bonus pater familias“ hat, sondern in derjenigen, die ihr der jeweilige aufmerksame Vertragspartner bei pflichtgemäßer Auslegung […] zu messen konnte und mußte.“ Die „Deutungsdiligenz“, wodurch der Pflichtgedanke
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Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 2. Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 2, Larenz, AT § 19 II a= S. 337, MünchKomm/Busche § 133 Rn. 3; vgl. auch Betti, in: FS Rabel (Band II), 1954, S. 78, 91, der die Auslegung als Handlung und Verfahren kennzeichnet, dessen Erfolg und zweckdienliches Ergebnis ein Verstehen sei. 135 Über die historische Entwicklung der Gesetzgebung, dem Streit zwischen Erklärungstheorie und Willenstheorie, worauf hier nicht näher eingegangen wird, sei auf die Ausführungen von Kramer, S. 119 ff. verwiesen. 136 Schwarze, S. 198. 137 Lüderitz, S. 283. m.w.N. aus Schrifttum und Rechtsprechung. 138 Heck, AcP (112) 1914, 1, 43. 139 Kramer, S. 145. 134
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für den Bereich der Auslegung so plastisch zum Ausdruck kommt140, ist innerhalb des konkreten Vertragsanbahnungsverhältnisses aufzubringen. Zu Recht betont Rhode, dass der Erklärungsempfänger nicht in Abstraktion, sondern in dessen „Lebenswirklichkeit“ wahrzunehmen sei141: „Maßgebender Inhalt der Erklärung ist also letzthin das, was dieser Erklärungsempfänger, aus dieser Erklärung dieses Erklärenden bei pflichtgemäßer Beachtung und Wertung aller Umstände dieses Einzelfalles entnehmen mußte.“ Das, was der Empfänger bei pflichtgemäßer Prüfung aus der Willenserklärung im Ganzen entnehmen kann, muss er ihr auch entnehmen, da er ansonsten sich so behandeln lassen muss, als wenn er die Erklärung richtig verstanden hätte.142 Damit verfolgt die juristische Auslegung der Rechtsgeschäfte das Ziel, das Risiko von Missverständnissen gerecht zu verteilen.143 Die Sanktion für ein unzureichendes Auslegungsbemühen ist das Gültigwerden eines normativ bestimmten Auslegungsergebnisses. Die vertragliche Einigung stützt sich nicht auf das (Miss)verstandene, sondern darauf, was hätte verstanden werden müssen. Nach § 157 BGB ist zu prüfen, wie der in Anwendung des § 133 BGB empirisch gefundene Sachverhalt normativ nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte aufgefasst werden muss und zwar wiederum sowohl vom jeweiligen Erklärungsempfänger – nach Heck also vom „Empfängerhorizont“ – als auch vom Standpunkt des Erklärenden aus gesehen.144 Besteht kein natürlicher Konsens zwischen den subjektiv denkenden und sich äußernden Parteien, kann die Willenseinigung nur durch Auslegung normativ zustande kommen. Aus der Perspektive des formalen Verständigungsrechts, so wie sie Schwarze beschreibt, führt die subjektiv-individuale Ausrichtung der vertraglichen Verständigung zu einer Verlagerung der „Verständigungslast“.145 Der Erklärende genügt 140 Kramer, S. 145, der sich kritisch gegenüber Flume (S. 135 ff.) äußert, welcher sich dem Pflichtgedanken im Bereich der Auslegung polemisierend geben will. Dadurch widerspreche er sich selbst, der den Gedanken der Selbstverantwortung im Vertragsrecht ja so betone; Rhode, S. 40 f., der den Pflichtgedanken unmittelbar aus dem Gesetzeslaut des § 133 BGB entnimmt: „Geht man von der Bestimmung des § 133 BGB aus, so ergibt sich daraus immerhin zunächst, daß auch das Gesetz demjenigen, dem eine WE zugeht, auf die er sich einlassen will oder muß, in jedem Fall ohne Ausnahme eine Pflicht, zu forschen, auferlegt.“, Rhode zieht daraus den Schluss, dass aus diesem Grunde, die Konstruktion einer besonderen, vertraglichen Pflicht, zu forschen, überflüssig sei und irreleite. 141 Rhode, S. 44. 142 Rhode, S. 43. 143 Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 2. 144 Kramer, S. 144 f.; vgl. auch Meier-Hayoz, S. 111:„Mit dem Recht, seinen Willen zu äussern ist untrennbar die Pflicht verbunden, bei dieser Aeusserung alle Sorgfalt walten zu lassen, die erforderlich ist, um dem Empfänger den Willen erkennbar zu machen. Die durch den Adressaten vorzunehmende Deutung hat ihrerseits unter höchster Diligenz zu erfolgen. Das Vertrauensprinzip fordert also nicht nur den Schutz des auf das Verhalten des Erklärenden vertrauenden Erklärungsempfängers, sondern auch den Schutz des Erklärenden, der darauf soll vertrauen dürfen, dass sein Verhalten vom Erklärungsempfänger richtig gedeutet wird.“ 145 Schwarze, S. 208.
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seiner Verständigungspflicht, indem er sich so verständlich macht, dass er vom anderen verstanden werden kann. Der dem Empfänger anzulegende individuelle Verständnishorizont hängt davon ab, nach welchen Kriterien das vom objektivformalen Sinn abweichende Verständnis einer Partei für die andere Partei „erkennbar“ ist; was dieser Partei abzuverlangen ist, um den subjektiven Sinn zu ermitteln.146 Das Kriterium der „Erkennbarkeit“, das sich bei der inhaltlichen Grenzziehung der Aufklärungspflicht als Schlüsselelement erwiesen hat, kommt auch hier zur Geltung. Ausgangspunkt für die „Erkennbarkeit“ für den Empfänger ist das individuell tatsächliche oder vorgespiegelte Wissen der um Verständigung bemühten Partei vor dem Empfang der Erklärung.147 Bei der Auslegung zeigen sich in der Praxis ähnliche Entwicklungen wie im Schadensrecht, den anzulegenden Maßstab den jeweiligen Sachlagen entsprechend zu verfeinern148 : Berücksichtigt werden Gruppenmerkmale wie Alter, Beruf und Fachkenntnis; so wird vom Verständnis eines anständigen (verständigen) Geschäftsmanns149, eines geschäftlich nicht gewandten Versicherungsnehmers150 oder eines juristisch ungebildeten Laien151 gesprochen. Die Rechtsprechung nimmt in Urteilen die „Fachkunde“ oder die „Geschäftstätigkeit“ einer Partei zum Anlass, ihre Verständigungspflicht zu intensivieren.152 Ähnlich wird von Lüderitz betont, dass nur wo Fachkenntnis zugleich geschäftliche Erfahrung bedinge, die Deutungsdiligenz verschärft und die Anforderungen des besonderen Verkehrskreises auf die vorvertragliche Beziehung erstreckt werde.153
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Schwarze, S. 209. Schwarze, S. 209. 148 Lüderitz, S. 293. 149 RGZ 90, 368, 373; RGZ 68, 126, 128 f. 150 LG Hamburg BB 1950, 354: „Eine Versicherungsgesellschaft muß ihre allgemeinen Bedingungen so gegen und für sich gelten lassen, wie sie von einem unbefangenen Dritten aufgefaßt werden müssen. Unklarheiten und verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gehen zu Lasten des Versicherers.“ 151 LG Stade VersR 1954, 458: „Unklare AVB sind stets in dem Sinne auszulegen, wie sie der Versicherungsnehmer verstanden hat und nach Treu und Glauben auch verstehen durfte. Dem Versicherer als Verfasser der AVB liegt es ob, sich klarer auszudrücken.“ 152 Vgl. etwa OGH BrZ VersR 1950, 100, im welchen das Gericht die „größere Fachkunde“ dem Empfängerhorizont des Versicherers zurechnete. Aufgrund dessen musste dieser erkennen, dass die Regelung des versicherten Risikos mehrdeutig ist. Diesbezüglich sieht Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, 2000, S. 210 die intensivierte Verständigungspflicht am tatsächlichen Wissen des Versicherers ausgerichtet, der als Gestalter der Versicherungsbedingungen und Anbieter der Versicherung deren Inhalt kenne und aufgrund dieses individuellen Wissens Undeutlichkeit und abweichenden Willen der Gegenseite erkennen könne. 153 Lüderitz, S. 293. 147
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3. Die Verständigungsstruktur im Due Diligence-Verfahren Als nächstes gilt es zu untersuchen, wie sich Unklarheitssituationen im Due Diligence-Verfahren, die durch unvollständige Informationen geschaffen werden, mit Hilfe der Verteilung der Verständigungs- oder auch der Deutungslast auflösen lassen. Ziel der Auslegung ist die Sinnermittlung vom „Gesagten“. Da das Due Diligence-Verfahren primär dem Austausch von Informationen dient, handelt es sich beim „Gesagten“ in diesem Prozess um Informationen, die der Unternehmensverkäufer dem Käufer zur Verfügung stellt. Der Vorgang beginnt mit der Offenlegung der Informationen im Datenraum durch den Verkäufer, woran sich die Q&A-Phase anschließt. Die Strukturierung des Informationsverfahrens in diesen zwei Stufen führt zu einem besonderen Verständigungsprozess: Die erste Initiative wird vom Verkäufer ergriffen, indem er die Informationen in den Datenraum stellt, sodann hat der Käufer diese zu prüfen und zu reagieren. Die in der Praxis standardisierten Checklisten illustrieren, dass diese Form der Strukturierung geradezu die Fragestellung von Seiten des Käufers voraussetzt. Zu klären bleibt, unter welchen Voraussetzungen Unklarheitssituationen dem Käufer wegen unterlassener Fragestellung angelastet werden können. Die Offenlegung als Informationshandlung ist daher kein in sich abgeschlossener Informationsakt, sondern setzt den Informationsfluss erst in Gang. Die strukturelle Dynamik des Prozesses macht deutlich, dass die Vollständigkeitsprüfung nicht anhand der im Datenraum offengelegten Informationen erfolgt, sondern erst am Ende des dynamischen Prozesses durchgeführt werden kann. Sie entwickelt sich mit den gegenseitigen Informationshandlungen der Parteien, der Verständigung zwischen ihnen. Der inhaltlichen Vollständigkeit hat die prozedurale Verständigung vorauszugehen. Dieses trifft auch für die Auslegung der unvollständigen Information im Due Diligence-Verfahren zu. Ziel der Auslegung ist, die Vermeidung von Missverständnissen im Verständigungsprozess durch Verdeutlichung des Sinns von Gesagtem und Verstandenem. Es geht also weniger um die Vollständigkeit der Information, sondern um ihre Klarheit, die die Transparenz des Informationsflusses fördern soll.154 I.V.m. der unvollständigen Information bedeutet es konkret, den Unklarheitssituationen, die durch be-
154
In der Gegenüberstellung mit der vorvertraglichen Pflichtenbegründung wird deutlich, dass die Auslegung nur mittelbar von der Vollständigkeitsfrage betroffen ist: Während die Begründung der Aufklärungspflicht neben dem prozeduralen Aspekt der Verständigung (vgl. 3. Kapitel: Dynamische Eingrenzung des aufklärungsnotwendigen Inhalts anhand des Erkennbarkeitskriteriums) durch ihren Bezug zum konkreten vertragsrelevanten Umstand auch die inhaltliche Vollständigkeit der Aufklärung erfasst, wird die Vollständigkeitsfrage bei der Auslegung nur mittelbar tangiert, weil nur die fehlerfreie Verständigung zum richtigen Verständnis der Information und damit zu ihrer Vollständigkeit führt.
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wusstes Informieren und Verschweigen geschaffen werden, durch gegenseitiges Deutungsbemühen entgegenzuwirken. Ob die Parteien dieser Obliegenheit gerecht geworden sind, ist für jede Handlung des Informierenden und seines Empfängers einzeln zu prüfen, d. h. sowohl für die Offenlegung der Informationen im Datenraum als auch für den gegenseitigen Informationsaustausch in der Q&A-Phase.155 Demnach ist für die erstmalige Bereitstellung der Informationen zu prüfen, ob sie nach der Fachkunde des Verkäufers verständlich genug aufgestellt worden sind. Hinsichtlich der Deutungsdiligenz des Käufers ist wiederum zu fragen, ob dieser hätte bestimmte Unklarheiten erkennen und die Unklarheit seinerseits dem Verkäufer erkennbar machen müssen oder den Informationen den von ihm verstandenen Sinn zugrunde legen dürfen. 4. Anwendungsbeispiel aus der Due Diligence für gewerbliche Schutzrechte Inwieweit das Instrument der Auslegung zu einer gerechten Verteilung der Verständigungslast im Due Diligence-Verfahren führen kann, sei anhand der Informationen bezüglich gewerblichen Schutzrechten dargelegt. Nimmt man die Bereitstellung der Information im Datenraum als Erklärungsverhalten des Verkäufers, so werden all jenen Schutzrechte relevant, deren Schutzrechtsbestand und Inhaberschaft anhand von Registerauszügen und schriftlichen Materialien geprüft werden können.156 Denn im Datenraum informiert und „spricht“ der Verkäufer durch seine Datenmaterialien. Erklärungstatbestand ist die Bereitstellung und Ziel ist es den darin aufgehenden Sinn und Informationsgehalt zu bestimmen. Von Interesse sind etwa Marken, die kraft Eintragung (§ 4 Nr. 1 MarkenG; Art. 6 GMV)157 entstehen und neben der Unterscheidungskraft des Zeichens durch dessen 155 Bei der Prüfung der inhaltlichen Vollständigkeit verhält es sich anders: Hier wird auf den endgültigen Informationsstand des Käufers abgestellt, auf dessen Grundlage dieser sich für den Vertragsschluss entschieden hat. Hier kommen die im Verlauf des Prozesses involvierten Informationshandlungen des Verkäufers nicht einzeln zur Geltung, sondern werden als Gesamtheit bewertet. 156 Davon ausgenommen sind z. B. geschäftliche Bezeichnungen, die nicht durch einen formellen Akt wie z. B. der Registrierung bei einer Behörde, sondern durch tatsächliche Benutzung im Geschäftsverkehr entstehen. Daher gibt es keine Urkunden oder Registrierungsunterlagen, die im Rahmen einer Due Diligence in den Datenraum gestellt werden könnten; vgl. auch Hartmann, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 14 Rn. 36, dass der Käufer deshalb auf eigene Recherchen angewiesen sei, zumal erfahrungsgemäß in den im Datenraum befindlichen Unterlagensammlungen keine oder nur sehr rudimentäre Informationen zu geschäftlichen Bezeichnungen vorhanden seien. 157 Nach deutschem Recht können Marken unter bestimmten Voraussetzungen auch kraft Benutzung (§ 4 Nr. 2 MarkenG) sowie aufgrund notorischer Bekanntheit gem. Art. 6 bis Pariser Verbandsübereinkunft (§ 4 Nr. 3 MarkenG) entstehen.
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Anmeldung und Registrierung durch die zuständige Markenbehörde geschützt werden.158 Auch für den Schutz von Patenten gelten die formellen Voraussetzungen einer Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (§ 34 PatG), einem Erteilungsbeschluss des Patentamtes (§ 49 Abs. 1 PatG) und der Veröffentlichung der Patenterteilung im Patentblatt (§ 58 Abs. 1 S. 3 PatG). Anhand der Registerunterlagen im Datenraum wird der Käufer die Bestandsaufnahme der Schutzrechte vornehmen. Zu untersuchen ist, welche Information aus ihnen hervorgeht, insbesondere aber auch, welche diese gerade nicht vermitteln, sowie welchen der Käufer hätte daraus entnehmen müssen und nicht dürfen. Wenngleich die Eintragung des Schutzrechts konstitutive Wirkung für seine Entstehung entfaltet – die Eintragung des Zeichens ist also zwingend für die Entstehung eines Markenrechts – werden nachträgliche Änderungen des Schutzrechtsinhabers nur auf Antrag im Register eingetragen (§ 27 Abs. 3 MarkenG). Aus den Markenurkunden, Registerauszügen oder Verlängerungsmitteilungen lässt sich zwar der formelle Inhaber ermitteln, unklar ist jedoch, wer zum Zeitpunkt der Durchführung der Due Diligence der materiell-rechtliche Inhaber der Marke ist.159 Unmittelbar vom Registerauszug geht also eine Unklarheit über die tatsächliche Rechtsinhaberschaft des Schutzrechtes aus. Stellt der Erwerber später die fehlende Inhaberschaft über ein wichtiges Patent fest, könnte die Unklarheitssituation mit Hilfe der Auslegung gelöst werden. Ex post ist zu fragen, ob der Verkäufer hätte einen Hinweis darauf geben müssen, dass es sich beim eingetragenen Rechtsinhaber im Register nicht um den tatsächlichen handele oder der Käufer seinerseits erkennen müsse, dass es nicht der tatsächliche Rechtsinhaber sein könnte. Beim Letzteren hätte der Käufer entsprechend nachfragen oder durch eigene Recherchen in den zuständigen Datenbanken durchführen müssen. Hat er dies unterlassen, muss ihm das Missverständnis über die Inhaberschaft nachteilig zugerechnet werden. Wie oben ausgeführt beurteilt sich die Erkennbarkeit einer solchen Unklarheit nach der „Fachkunde“ bzw. „Geschäftigkeit“ der Parteien.160 In der Praxis wird übereinstimmend darauf hingewiesen, dass der Berater bei der Prüfung eingetragener Rechte wie Marken und Patente stets zu berücksichtigen habe, dass der Registerinhalt keine abschließende Auskunft über die Rechtsinhaberschaft an einem Schutzrecht gebe.161 Angesichts der Tatsache, dass der Registerstand nicht notwendig die wahre Rechtslage wiedergibt162, wird dem Berater des Käufers stets 158
Hartmann, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 14 Rn. 18. Hartmann, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 14 Rn. 21; gleiches gilt für das Patentrecht § 14 Rn. 69. 160 Vgl. OGH BrZ VersR 1950, 100; Lüderitz, S. 293. 161 Vgl. nur Hartmann, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 14 Rn. 9; Brenner/Knauer/Wömpener, in: Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.), Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 655, 660. 162 Vgl. auch § 28 MarkenG, wonach die Registrierung als Inhaber eine bloße Vermutung der Rechtsinhaberschaft begründet. 159
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empfohlen, ggf. selbständig Recherchen zu Bestand und Inhaberschaft des Schutzrechts anzustellen, etwa durch das Einholen aktueller Registerauszüge und durch ausdrückliche Rückfragen beim Zielunternehmen. Dem Unternehmenskäufer wird genug „Fachkunde“ zugemutet, sich über die aktuelle Rechtslage zu vergewissern und Unklarheiten auszuräumen. Angesichts dieser Unsicherheiten sollte der Unternehmenskaufvertrag daher stets eine Garantie des Verkäufers enthalten, dass der Veräußerer der tatsächliche Inhaber der Schutzrechte ist und diese nicht mit Sicherungsrechten Dritter belastet sind.163 Für die von den Parteien aufzubringende Deutungsdiligenz bei der Offenlegung von Registerauszügen kann festgehalten werden, dass Unsicherheiten, die aus den Unterlagen selbst hervorgehen stets dem Empfänger anzulasten sind.164 Bei der Bestandsaufnahme von gewerblichen Schutzrechten ist die Prüfung von streitigen Auseinandersetzungen von besonderer Bedeutung. Ergibt sich aus den vom Verkäufer zur Verfügung gestellten Unterlagen, dass über bestimmte Schutzrechte Rechtsverfahren anhängig sind, dann obliegt es dem Käufer, den genauen Inhalt der rechtlichen Auseinandersetzungen, d. h. die Verfahrensbeteiligten, den Verfahrensgegenstand, die betroffenen Schutzrechte, die erhobenen Ansprüche, den Streitwert, die behördliche oder gerichtliche Zuständigkeit, den Stand des Verfahrens sowie die Erfolgsaussichten zu prüfen und soweit möglich, eine Einschätzung zu der Bedeutung des Verfahrens abzugeben.165 Die Angabe des Verkäufers, der Sinn seiner Information, beschränkt sich auf die Tatsache der Verfahrensanhängigkeit. Es würde den Rahmen der Auslegung sprengen, wenn in die Angabe des Verkäufers weitere Informationen, wie etwa die Bedeutung des Umstands für den Vertragsschluss, hineininterpretiert oder dem Verkäufer wegen mangelnden Hinweisen Unklarheit vorgeworfen würde. Aus dem Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB kann davon ausgegangen werden, dass der Käufer die klare Aussage über die Rechtsanhängigkeit in Kenntnis nimmt und etwaige Informationshandlungen anschließend selbst vornimmt. Mit den Informationshandlungen des Käufers geht der Informationsaustausch in die Q&A-Phase über. Werden hier unklare Aussagen gemacht, wird die Ermittlung der Unklarheitsursachen erschwert, weil die Informationsweitergabe des Verkäufers und ihr Empfang durch den Käufer fließend ineinander übergehen und Unklarheitssituationen im Verlauf des Austausches entstehen.
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Hartmann, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 14 Rn. 9 m.w.N. Anders verhält es sich natürlich, wenn dem Eintrag ein rechtswidriges Verhalten des Verkäufers vorangeht, wie etwa, wenn der Eintrag aufgrund von Falschangaben des Verkäufers erfolgt. Es handelt sich dann um eine Verletzung der Wahrheitspflicht mit eindeutig falschem Erklärungsinhalt. 165 Hartmann, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 14 Rn. 21. 164
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Nimmt man die enorme Masse an Informationen, die über ein Unternehmen beim Unternehmenskauf zu vermitteln sind und die dann im Due Diligence-Verfahren weitergegeben werden, dann wird ersichtlich, dass die Verteilung der Verständigungslast durch Auslegung von Unklarheitssituationen hier an ihre Grenzen stößt, weil es unrealistisch erscheint, alle einzelnen Informationsflüsse auf ihre Unklarheiten und darauf folgenden Missverständnissen hin zu prüfen. Die Untersuchung des Verständigungsprozesses auf Unklarheitssituationen, vermag nur beim Datenraummaterial, das rechtlich nachvollziehbare Unklarheiten impliziert, die ersten Ursachen der irreführenden Momente zu bestimmen. V. Die Herleitung einer konkludent positiven Täuschungshandlung 1. Problemstellung Gegenüber einer offenkundigen positiven Angabe, wie etwa bei einer klaren Antwort auf eine gezielt gestellte Frage, handelt es sich bei der konkludent hergeleiteten Erklärung um ein durch „Willensermittlung und Erforschung des Empfängerhorizonts gewonnenes Interpretationsergebnis.166 Freilich ist die Ermittlung des zugrundeliegenden Willens bzw. Sinns, den das konkludent zum Ausdruck gebrachte Verhalten vermittelt, schwieriger als wenn der Betroffene seinen Willen ausdrücklich erklärt hätte.167 Zu prüfen wäre im ersten Schritt, welche Verhaltensformen eine solche Auslegung begünstigen und ob sich Kriterien formulieren lassen, anhand derer ein konkludent positives Verhalten hergeleitet werden kann. Ohne einen greifbaren Maßstab sind auch mit diesem Lösungsansatz Einzelfallentscheidungen vorprogrammiert, die durch ihre Undurchsichtigkeit nicht mehr Rechtssicherheit und Vertragsgerechtigkeit schaffen als die vom Schrifttum häufig kritisierte Spruchpraxis des BGH, mit Aufklärungspflichten zu arbeiten. Auch wenn man in vielen Fällen tatsächlich eine aktive Täuschungshandlung im quasi-positiven Gesamtverhalten sehen könnte, somit der Rückgriff auf die Täuschung durch Verletzung der Aufklärungspflicht entbehrlich würde168, wird dabei häufig der dafür aufzubringende Aufwand und die sich dabei stellenden Schwierigkeiten unterschätzt. Denn auch diesbezüglich fehlen konkrete Auslegungskriterien. In diesem Zusammenhang wird von Busch richtig bemerkt, dass bei diesem Ansatz die Frage nach dem Bestehen einer Aufklärungspflicht lediglich durch die
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MünchKommBGB/Busche § 157 Rn. 3. Petersen, Jura 2003, 687, 688. 168 Vgl. Wagner, in: Zimmermann (Hrsg.), S. 73 mit dem Hinweis auf das englische Recht, „je großzügiger eine misrepresentation by conduct angenommen werde, je weiter die aktive Täuschung in den Bereich des arglistigen Schweigens hinein reiche“. 167
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ebenfalls nicht leicht zu beantwortende Wertungsfrage ersetzt werde, wie der Informationsadressat die unvollständige Angabe redlicherweise verstehen durfte.169 Bei der Qualifizierung des Auslegungsergebnisses als positive Täuschungshandlung ist deshalb zu Vorsicht anzumahnen, weil der Erklärende bezüglich des fraglichen Umstands gerade keine ausdrücklich falsche Erklärung abgegeben hat, die eo ipso rechtswidrig wäre. Eine aktive Täuschung gewinnt ihre Bedeutung auf der Ebene der Pflichtenbegründung: Die Zurechnung lässt sich eher an der tatsächlichen Kausalität des aktiven Tuns festmachen als durch die hypothetische des Unterlassens.170 Für aktives Tun wird „früher und umfassender gehaftet“.171 Das Gesamtverhalten muss aus objektiver Sicht ausreichend Indizien liefern, damit die Erleichterungen auf der Ebene der Haftungsbegründung, die eine aktive Täuschung zur Folge hat, berechtigterweise dem Käufer zugutekommen. Bei der analogen Anwendung der §§ 133, 157 BGB auf vorvertragliche Informationshandlungen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob aus Sicht eines objektiven Informationsempfängers eine konkludent positive Täuschungshandlung vorliegt, bedarf es insoweit einer Modifizierung, dass das aktive Handlungselement besonders ausgeprägt erfüllt sein muss.172 2. Die Verschleierung und Entstellung von Tatsachen als aktive Täuschungshandlung a) Voraussetzungen Im Falle der unvollständigen Information fehlen zwar eindeutig positive Aussagen über einen bestimmten Umstand, jedoch sind anderweitig Aussagen gemacht worden, die mit diesem inhaltlich im Kontext stehen. Dieser gemeinsame „Parameter“173 zwischen Gesagtem und Verschwiegenem eröffnet überhaupt die Möglichkeit, dass der Erklärungsgegner die einzelnen Handlungseinheiten als ein Gesamtverhalten und einen Erklärungstatbestand wahrnimmt. 169 Busch, S. 86, im Bereich des Wettbewerbsrechts würde das Problem der Informationslastzuweisung ungelöst bleiben, da sich die schwierigen Wertungsfragen und die unvermeidbare Informationsverantwortlichkeit zwischen Anbietern und Nachfragern auf diese Weise nicht umgehen ließen. 170 Schwarze, S. 5 f. verweisend auf Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 420 f., welcher den kategorialen Unterschied zwischen Tun und Unterlassen und dem daraus folgenden „strukturtheoretischen“ Unterschied zwischen Verbot und Gebot betont. 171 So Deutsch, Rn. 108. 172 In Abgrenzung zur konkludent positiven Täuschungshandlung ergibt sich der aktive Charakter bei einer einfach konkludent positiven Erklärung aus dem Gesamtverhalten als solchen. 173 Keyßner, S. 27 f.: Bei Werbeangaben reiche der Bezug zum Produkt allein nicht aus, vielmehr sei z. B. der Bezug auf ein und dieselbe Produkteigenschaft, wie etwa die Qualität in den Fällen Diamantenwerbung erforderlich. Einen viel engeren Zusammenhang sieht er bei den sogenannten „Halbwahrheiten“, da sich hier Aussage und Auslassung auf ein und denselben „Parameter“ beziehen – die kleinstmögliche, zur Produktbeschreibung geeignete Einheit – wie etwa die stoffliche Zusammensetzung eines Produktes.
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Bei Tatsachenangaben wie die Leugnung, Verharmlosung und Verniedlichung von Vertragsrisiken oder Beschönigung des Vertragsgegenstandes, die durch die Art und Weise ihrer Darstellung Tatsachen vorspiegeln, verschleiern und entstellen, ist die irreführende Wirkung auf einen leichter bestimmbaren Erklärungstatbestand zurückzuführen.174 Das Gesagte steht mit dem „verschleierten“ bzw. „entstellten“ Umstand in einem so engen Zusammenhang, dass Letzteres im Gesagten inhaltlich aufgeht. Wann man von einer solchen „Deckungswirkung“ vom Gesagten sprechen kann, veranschaulicht Keyßner in seinen Ausführungen zum Wettbewerbsrecht175: Eine Werbung, in welcher zu einem bestimmten Thema eine Aussage gemacht wird, andere im gleichen Zusammenhang stehende Aussagen aber zurückgehalten werden, beinhalte nur dann eine unvollständigen Angabe, wenn zwischen Gesagtem und Verschwiegenem ein inhaltlicher Zusammenhang bestehe.176 Hierfür reiche ein Bezug zum Produkt allein nicht aus, erforderlich sei vielmehr der Bezug auf z. B. ein und dieselbe Produkteigenschaft, wie etwa die Qualität.177 Bei den sogenannten „Halbwahrheiten“ bestehe ein noch engerer Zusammenhang: „Hier beziehen sich Aussage und Auslassung auf ein und denselben „Parameter“ – die kleinstmögliche, zur Produktbeschreibung geeignete Einheit“178. Wenn auch der Abgrenzungsversuch – insbesondere mit der Enge des Zusammenhangs als Kriterium – nicht verbergen kann, wie fließend die Grenzen zwischen den verschiedenen Fallgruppen sind179, 174 So spricht Heiderhoff, BB 2005, 2533, 2535 von der Täuschung durch „Überinformation“, wenn der Mangel zwar genannt, zugleich jedoch in einer Fülle von Informationen, die völlig irrelevant sind, gleichsam versteckt wird. 175 Keyßner, S. 27 f. 176 Keyßner, S. 27; zutreffend spricht Busch, S. 84. i.V.m. § 5 UWG von einem „kontextuellen Schweigen“, weil im Kontext des Gesagten, das Schweigen rechtlich relevant werde. 177 Vorgestellt wurde ein Fall beim OLG Köln (Urteil vom 16. 1. 1976, WRP 197, 388), das eine Schaufensterwerbung zu überprüfen hatte, bei der Diamantringe mit der Beschreibung „Halbcaräter Wesselton Piqué“ unter Preisangabe angeboten wurden. Der Antragstellende rügte die Unvollständigkeit dieser Beschreibung mit der Begründung, dass bei derartigen Angeboten, eine vollständige Qualitätsbeschreibung abzugeben sei, falls überhaupt Aussagen über die Güte des Steins gemacht würden. Das Gericht sah keine Pflicht zu solch umfassender Qualitätsbeschreibung: Der Werbende könne grundsätzlich unvollständige Angaben machen, eine Gefahr konkreter Fehlvorstellungen des Publikums bestehe nur dann, wenn in der Werbung ein positives und eindeutig günstiges Merkmal hervorgehoben und zugleich ein ungünstiges Merkmal verschwiegen werde. Gefordert sei eine spezielle Fehlvorstellung. 178 Keyßner, S. 28. verweist hier auf die „Dermatex“-Entscheidung des BGH (Urteil vom 26. 11. 1976, GRUR 1977, 494 f.), wo der Beklagte für ein bei der Verarbeitung von Wurstwaren verwendetes Produkt mit einer unvollständigen Angabe über die stoffliche Zusammensetzung geworben hatte. Die Behauptung „Dermatex ist ein molekulardestilliertes Monoglycerid“ war zwar an sich zutreffend, der BGH nahm dennoch eine Irreführung an, da das Produkt eben nicht nur aus dem angegebenen organischen Stoff bestand, sondern zu 7,5 % eine Kunststoffverbindung enthielt. 179 Schricker, in: FS Zweigert, S. 537, 566, der den Übergang zwischen der Fallgruppe der unvollständigen Angaben zu derjenigen, bei welcher gar keine Werbeangaben zum einschlägigen Thema gemacht werden, aber doch eine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht wegen der besonderen Bedeutung des verschwiegenen Umstandes angenommen wird, als flüssig bezeichnet; ihm folgend Keyßner, S. 28.
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bietet es auch für die vertragsrechtliche Bewertung irreführender Angaben ein erstes Eingrenzungskriterium für eine konkludent positive Erklärung. Schon zu Zeiten des Reichsgerichts wurde über die Täuschung über das Bürgschaftsrisiko geurteilt: „Nicht das Schweigen über die wirtschaftliche Lage des Schuldners an sich ist es, das dem Gläubiger zum Vorwurfe gemacht werden kann, sondern die Unterdrückung wesentlicher Umstände in Verbindung mit den wirklich gemachten Angaben, denen der Anschein der Vollständigkeit gegeben wurde, die ihnen nicht zukam.“180 Die Möglichkeit der Vereinheitlichung der einzelnen Handlungseinheiten zu einem schlüssigen Gesamtverhalten, das den Erklärungstatbestand begründet, ist dann gegeben, wenn der Informierende mit seiner positiven Aussage eine bestimmte Kategorie thematisiert181 und innerhalb dieser Kategorie den „Anschein der Vollständigkeit“ erweckt182 : Wenn er etwa Verdienstmöglichkeiten in rosigen Farben schildert, ohne auf die zu erwartenden Schwierigkeiten hinzuweisen183 ; wenn er das Objekt eines Time-Sharing Angebots mit „5-Sterne-First-Class“ anpreist, während es nur 3-Sterne-Standard hat184; wenn einer sich ohne Eintragung in der Architektenliste als Architekt bezeichnet185. Auch im zuvor genannten Gebrauchtwagenfall hat der Verkäufer mit der Angabe bestimmter Unfallschäden, die Kategorie der „Unfallschäden“ eröffnet, so dass sie innerhalb der Kategorie „Unfallschäden“ den „Anschein der Vollständigkeit“ vermittelt, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist. Der Anschein der Vollständigkeit ist so stark, dass dem Informationsempfänger überhaupt die Möglichkeit genommen wird, weiter nachzufragen. Aus Sicht des Rezipienten entsteht keine Unklarheitssituation, die ihn zu mehr Deutungsdiligenz veranlassen könnte. Auf der Informationslastebene bleibt der Ball beim Informierenden, weil die irreführende Wirkung beim Gegner zu einer Missbildung der In180 RGZ 91, 80, 82; RGSt 74, 296, 298 zu §§ 134 und 143 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz: „Zwischen den Begriffen der falschen Angabe und der Verschleierung läßt sich keine scharfe Grenze ziehen. Beide gehen ineinander über. Eine Verschleierung, die dazu dient, wesentliche Umstände zu verdecken, ist eine – im Gesamtbild – falsche Angabe.“ 181 Hinsichtlich der Unterscheidung von Tun und Unterlassen ein ähnlicher Ansatz von MünchKommUWG/Reese, § 5 Rn. 184 im Wettbewerbsrecht, demzufolge eine Irreführung durch Unterlassen vorliegen soll, wenn der Werbende zu einem bestimmten „Thema“ keinerlei Angaben gemacht hat. 182 Über die vom Erklärenden initiativ vorgenommene Aufklärung und dem damit verbundenen Vollständigkeitspostulat vgl. auch BGH NJW 1992, 300, 302: „Im übrigen ist derjenige, der es unabhängig vom Bestehen einer gesetzlichen Verpflichtung übernimmt, einen Vertragspartner über die rechtliche Bedeutung der einzelnen Vertragsänderungen aufzuklären, verpflichtet, auf alle Risiken hinzuweisen; er darf die auf diese Weise erweckte Erwartung des anderen Teils nicht dadurch enttäuschen, daß er bestimmte Risiken von seiner Aufklärung ausnimmt.“ 183 OLG Düsseldorf NJW-RR, 1991, 504, auf eine Aufklärungspflicht abstellend. 184 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 686, auf eine Falschangabe abstellend. 185 OLG Düseldorf BauR 1982, 86, anders liegt der Fall, wenn alle materiellen Voraussetzungen für die Eintragung vorliegen.
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formationsgrundlage führt, die es ihm unmöglich macht, über den verschwiegenen Umstand weitere Fragen zu stellen. Diese Darstellungsformen indizieren ein so evident aktives Handlungsunrecht, indem sie am Gesagten, am Positiven ansetzen, so dass sie sich als aktive Täuschungshandlungen qualifizieren lassen.186 Im Schrifttum wird diese Form der Darstellung als aktive Täuschungshandlung gewertet.187 Der BGH hat in einem Fall die Haftung des Vermittlers von Warenterminoptionsgeschäften bejaht, der trotz einer an sich zutreffenden Darstellung durch „Gestaltung, Aufmachung und Inhalt des Werbeprospekts den Eindruck vermittelt [hat], bei einer Betreuung und Beratung durch diesen Vermittler könne der Kunde die aufgezeigten Risiken weitgehend vermeiden und werde im Endergebnis Erfolg haben“.188 Der aktive Charakter der genannten Darstellungsformen wird gerade dadurch bekräftigt, als es heißt, dass Gestaltung, Aufmachung und sonstiger Inhalt der Broschüre die warnende Wirkung der aufklärenden Hinweise wieder weitgehend entwerteten. Aus Sicht der Handlungsformen liegen hier zwei aktive Handlungseinheiten vor: Zum einen die Aufklärungshandlungen, die formal gesehen, den Anforderungen der Rechtsprechung genügen, zum anderen die Darstellungsweise des Inhalts, die wiederum die warnende Wirkung der aufklärenden Hinweise aktiv zunichtemachen. Insgesamt gelangt der Senat zu der Bewertung, dass die von der Beklagten ausgegebene Broschüre nicht die gebotene Aufklärung beim Optionsgeschäft vermittelt, weil die erläuternden und warnenden Hinweise durch die Art und Weise ihrer Einbettung in den übrigen Text die Problematik des Provisionsaufschlags verschleiern und die wirklichen Risiken des konkreten Geschäfts beschönigen.189 Die Ausführungen der Entscheidung illustrieren, inwiefern objektiv wahre Informationen je nach Darstellungsweise des Informierenden eine irreführende Wirkung auf den Rezipienten ausüben können. Zugleich veranschaulicht sie, dass der Haftungstatbestand, hier die Verletzung der Aufklärungspflicht, sowohl aus passiven als auch aktiven Handlungseinheiten bestehen kann. Mit anderen Worten muss der Verletzung eines Gebots nicht ausschließlich ein passives Unterlassen zugrunde liegen. In diesem Zusammenhang zeigen sich die tatsächlichen Grenzen der Handlungsformen bei der Begründung des Haftungstatbestands. Diese Schwierigkeiten könnten ein Grund für die Spruchpraxis
186 Über die strafrechtliche Diskussion i.V.m. den Straftatbeständen der „unrichtigen Darstellung“ und des „Verschleierns der Gesellschaftsverhältnisse“ in § 331 Abs. 1 HGB, ob die Tat auch durch ein Unterlassen begangen werden könne, verneinend Spatschek, DStR 2003, 173, 175 f.; dagegen die Möglichkeit bejahend etwa MünchKommHGB/Quedenfeld § 331 HGB Rn. 44. 187 Fleischer (2001), S. 253; Lorenz (1997), S. 411. 188 BGH ZIP 1991, 1207. 189 Vgl. auch BGHZ 105, 108, 113.
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des BGH sein, der die Abgrenzung der Handlungsformen häufig nicht konsequent beachtet, welche gerade im Schrifttum kritisiert wird.190 Schwieriger liegen die Umstände im „Mandatsfall“191, weil man nicht von einer solchen Thematisierung sprechen kann, wenn der Anwalt bei der Annahme des Mandats keinerlei Einschränkungen angesprochen hat, wodurch der „Anschein der Vollständigkeit“ innerhalb dieses inhaltlichen Zusammenhangs geweckt wurde. Es fehlen aktive Handlungseinheiten, die auf ein manipulatives Einwirken auf das Vorstellungsbild des Gegners gerichtet sind, um das Gesamtverhalten als eine entsprechend aktive Täuschungshandlung zu bewerten.192 Nimmt der Anwalt das Mandat an, dann erklärt er zwar aus objektivierter Sicht des Mandanten (§§ BGB § 133, 157 BGB) konkludent, „diesen Anforderungen gerecht werden zu wollen, also seine Bereitschaft, fortan die Interessen des Mandanten ohne Rücksicht auf die gegenläufigen Interessen der anderen Seite umfassend zu vertreten“193, jedoch reicht die Auslegung der Willenserklärung allein nicht aus, dem Anwalt im Ergebnis eine aktive Täuschungshandlung bezüglich möglicher Einschränkungen des Mandats anzulasten. Wie vom BGH richtig gesehen, handelt es sich beim häufigen Tätigwerden des Anwalts für den Gegner um einen Umstand, der für die Entschließung des zukünftigen Mandanten von wesentlicher Bedeutung ist, so dass die erforderlichen Hinweise vom Anwalt auch ungefragt gegeben werden müssen.194 Damit ist eine vorvertragliche Aufklärungspflicht des Anwalts begründet.
190 Siehe nur Lorenz (1997), S. 411, dass der BGH in NJW 1989, 1605 f., den Charakter der positiven Irreführung verkenne, wenn etwa ein bestehendes Bürgschaftsrisiko verschleiert werde: Der BGH hatte hier die Haftung auf die Verletzung der Aufklärungspflicht, also auf die passive Handlungsform des Unterlassens gestützt, welches primär auf die Spruchpraxis des BGH zurückgeht bei bestimmten Vertragstypen eine allgemeine Aufklärungspflicht aus dem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis herzuleiten: „Die Beklagte als gewerbliche Vermittlerin von Warenterminoptionen ist aufgrund eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses verpflichtet, den Kaufinteressenten die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang des ihnen aufgebürdeten Verlustrisikos und die durch die Höhe der Vermittlungsprämie eingetretene Verringerung ihrer Gewinnchancen zutreffend einzuschätzen.“ 191 BGH NJW 2008, 1307. 192 Anders MünchKommBGB/Emmerich § 311 Rn. 71, dass wenn z. B. ein Rechtsanwalt ohne Einschränkung ein Mandat annehme, er damit zugleich konkludent erkläre, in keiner Weise an den Gegner gebunden zu sein, einfach, weil der Mandant die Annahme des Mandats durch den Anwalt gar nicht anders verstehen könne. Oder auch wenn jemand beim Verkauf einer Eigentumswohnung oder eines Hauses eine Mietenaufstellung vorlegt, damit wiederum konkludent erkläre, d. h. der Sache nach, dass die Wohnungen tatsächlich vermietet seien, denn anders könne der Käufer die Aufstellung überhaupt nicht verstehen, nach Emmerich liegt hier eindeutig ein positiver Erklärungswert nach dem Auslegungsmaßstab gem. §§ 133, 157 BGB vor. 193 Die Auslegung betrifft hier primär den Inhalt der vertraglichen Hauptleistung, nämlich der mit der Übernahme eines Mandats verbundenen anwaltlichen Beratung und gerichtlichen Vertretung, wofür er sich mit dieser Willenserklärung verpflichtet. 194 BGH NJW 2008, 1307, 1309.
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Im Ergebnis ist das Gesamtverhalten des Erklärenden nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB als eine konkludent positive Täuschung zu bewerten, wenn folgende drei Elemente erfüllt sind: Erstens, muss zwischen Gesagtem und Verschwiegenem ein so enger inhaltlicher Bezug bestehen, dass die einzelnen Handlungseinheiten zusammen zu einem Erklärungstatbestand zusammengefasst werden können (Eröffnung einer Kategorie). Zweitens muss aus dem Gesagten, insbesondere aus seiner Darstellungsform ein initiatives und aktives Tätigwerden des Erklärenden zu entnehmen sein (aktiver Handlungsmodus). Unzureichend ist, vom Gesamtverhalten allein auf ein aktives Tun zu schließen. Drittens, muss durch das positiv Gesagte bzw. seine Darstellung der „Anschein der Vollständigkeit“ (irreführende Wirkung) erweckt werden. Das Zusammenspiel vom inhaltlichen Zusammenhang und aktiven Handlungsmodus schafft die Deckungswirkung des Gesagten für das Verschwiegene und führt zur rechtlich relevanten irreführenden Wirkung. Dies ist etwa dann zu bejahen, wenn Vertragsrisiken geleugnet, verharmlost oder verniedlicht, der Vertragsgegenstand beschönigt, bestehende Mängel der Kaufsache bagatellisiert werden. Auch aus dem Gesichtspunkt der Deutungsdiligenz kann die Informationslast bei diesen Darstellungsformen zugunsten des Informationsempfängers verlegt werden, da ihm jegliche Möglichkeiten genommen werden, Unklarheiten oder Divergenzen zum Tatsächlichen zu erkennen und Nachfragen diesbezüglich anzustellen. Aufgrund des aktiven Handlungsmodus wird dem Verkäufer die häufige Ausrede bei später entdeckten Informationsfehler verwehrt, dass er dem Käufer die Möglichkeit zur Vorlage von Fragen und Anforderung ergänzender Unterlagen eingeräumt habe. Durch die aktive Steuerung der Informationsdarstellung wird der Deutungsspielraum, die eine dynamische Informationslastverteilung durch Fragestellungen eröffnen würde, bis auf „0“ reduziert, weil die Informationen sich zu einem eindeutigen Erklärungssinn verdichten. b) Die Verschleierung und Entstellung von Tatsachen im Datenraum Die Irreführung durch Verschleierung und Entstellung von Tatsachen beim Unternehmenskauf wird im Rahmen der Offenlegung der Unternehmensinterna im Datenraum relevant. In den sogenannten strukturierten Verkaufsprozessen, steuert der Verkäufer den vorvertraglichen Informationsprozess, indem er dem Käufer Unterlagen zur Prüfung zusammenstellt, den zeitlichen Rahmen für die Due Diligence bestimmt, den Kaufvertragsentwurf vorlegt und den Zeitplan bis zum Vertragsabschluss vorgibt.195 In der Regel kann der Käufer erwarten, dass Auskünfte über Umsatz, Gewinn und Ertragslage des Unternehmens, die offensichtlich von erheblicher Bedeutung für die Kaufentscheidung sind, vom Verkäufer freiwillig erteilt werden. 195 Hübner, BB 2010, 1483, 1486; vgl. auch Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 32 über die virtuelle Informationskontrolle des Verkäufers.
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Der Käufer wird also im Datenraum grundsätzlich eine Menge an Informationen vorfinden, zumal er während des Due Diligence-Prozesses immer weiter mit Datenmaterial „angefüllt“ (uploading of documents) wird.196 Ein gänzliches Schweigen über einen vertragsrelevanten Umstand wird in der Praxis allein aufgrund der Verwendung von Checklisten197, die in der Regel ein breites Spektrum an Informationen abdecken und ein Minimum an Informationsgrundlage für den Vertragsentschluss sichern, kaum vorkommen. Da die Auswahl der Informationen grundsätzlich durch den Verkäufer erfolgt, wird er versuchen mit Hilfe des riesigen Informationsmaterials nachteilige Umstände zu verdecken und zu verschleiern. Auch wenn die Käuferseite anhand öffentlich zugänglicher Quellen wie z. B. das Handelsregister über grundlegende Daten des Zielunternehmens verfügen wird198, werden diese in aller Regel weder für die anzustrebende umfassende Analyse der rechtlichen und wirtschaftlichen Situation des Zielunternehmens noch für die Ermittlung kritischer Punkte, die die Transaktion insgesamt unmöglich erscheinen lassen (sog. Deal Breaker), ausreichen.199 Die Due Diligence-Phase ist gerade dafür bestimmt, die für den Käufer relevanten wirtschaftlichen Informationen und Risiken zu identifizieren, die für ihn mit dem weiteren Betrieb des Zielunternehmens verbunden sein werden. Dieser Funktion kann sie schwerst gerecht werden, wenn die Darstellungen des Verkäufers nicht die erforderliche Transparenz gewährleistet. Von einer Grauzone der Informationserteilung, so Hübner, könne zwar dann gesprochen werden, wenn der Verkäufer Datenmaterial offenlegt, um lediglich den Eindruck der vorgelegten Dokumente und Urkunden in ein positives Licht zu rücken versuchen.200 Der Sektor dieser Grauzone werde jedoch dann gesprengt, wenn dem Käufer Unterlagen vorenthalten werden, die zur Gesamtbeurteilung eines Sachverhaltes von Bedeutung sind oder wenn diese zwar vorgelegt werden, jedoch so „versteckt und außerhalb des Sach- und Sinnzusammenhangs“, dass der Käufer kaum vermag, die sich daraus ergebenden zutreffenden Schlussfolgerungen zu ziehen. In diesem Sinne werde man bei der Übergabe von Due Diligence-Informationen dann eine unzutreffende Aufklärung201 annehmen 196
Hübner, BB 2010, 1483, 1486. Ein anderes Problem stellt sich, wenn die Auswahl des Informationsmaterials ausschließlich vom Verkäufer bestimmt und Due Diligence-Checklisten nicht zugelassen werden, vgl. Hübner, BB 2010, 1483, 1486 f. 198 Über weitere öffentlich zugänglichen Informationsquellen vgl. Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 8 Rn. 5 f. 199 Andreas, in: Beck’sches Mandats-Handbuch Due Diligence, § 2 Rn. 33; vgl. dazu bereits oben 3. Kapitel § 2 D. II. 5. über die Bedeutung der Due Diligence Checklisten gerade den Informationsgehalt des Datenraummaterials weiter zu vertiefen. 200 Hübner, BB 2010, 1483, 1487. 201 Hübner, BB 2010, 1483, 1486 behandelt die unvollständige und irreführende Auskunftserteilung – in Abgrenzung zur Verletzung der „originären“ Aufklärungspflicht – unter dem Aspekt der „sekundären“ Aufklärungspflicht“: Den Verkäufer treffe die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufklärung, wenn er freiwillig Informationen verteile, unter anderem sei er verpflichtet, ihm gestellte Fragen zutreffend und vollständig zu beantworten. 197
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4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
können, wenn man den Käufer zwar über einen Schaden an Gegenständen des Anlagevermögens informiert habe, den dafür eingeholten (unüblich hohen) Kostenvoranschlag aber nicht vorlegt oder wenn hinsichtlich der Arbeitsverträgen wichtiger Mitarbeitern, der Hinweis darauf fehle, dass diese Mitarbeiter ihr Arbeitsverhältnis bereits gekündigt haben. Gleiches sei bei der Nichtvorlage wesentlicher Anlagen zu gültigen Verträgen. Fraglich ist jedoch, ob und wie sich solche Informationsdarstellungen als eine konkludent positive Täuschungshandlung qualifizieren lassen. Unzweifelhaft weisen die vorangestellten Angaben mit dem Verschwiegenen einen engen inhaltlichen Bezug auf. Innerhalb der thematisierten Kategorie vermittelt das Gesagte den „Anschein der Vollständigkeit“. Schwieriger dagegen ist zu beantworten, ob diese Art der Darstellung das Kriterium des aktiven Handlungsmodus erfüllt. Bei der Bereitstellung der Informationen in den Datenraum wird zwar der Verkäufer als Informationsgeber aktiv tätig, jedoch wohnt diesem Tätigwerden zugleich eine passive Form der Darstellung inne, denn der Verkäufer stellt die Informationen ja lediglich in den Datenraum, ohne ihre Darstellung besonders zu gestalten. Der Beweis also, dass das Datenmaterial in der Art und Weise zusammengestellt sei, dass dadurch der tatsächliche Informationswert der Unterlagen verschleiert oder entstellt werde, wird kaum möglich sein. Der Verkäufer wird sich stets darauf berufen, dass er alle Unterlagen nach bestem Wissen und Gewissen ausgewählt habe und Informationsfehler, wenn sie ans Tageslicht kommen, häufig mit einem Versehen zu entschuldigen.202 Auch wenn der Verkäufer in der Praxis das ausgewählte Datenraummaterial häufig bewusst unvollständig hält, wird dieses Verhalten selten als eine (konkludent) aktive Täuschung in Form der Verschleierung oder Entstellung von Informationen erfasst werden können. Zu untersuchen bleibt, ob eine kleinere Handlungseinheit, wie etwa die Offenlegung einer Bilanz, die verschiedene Informationswerte in einem Informationsakt bündelt, eine Verschleierung oder Entstellung von Informationen darstellen kann. c) Die Bilanzfälschung aa) Der Grundsatz der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit Wie auch schon aus dem letzten Kapitel deutlich geworden, sind beim Unternehmenskauf jene Fälle von Bedeutung, bei welchen es um die Fehlvorstellungen des Erwerbers über wirtschaftliche und finanzielle Kennzahlen (Umsatz- und Ertragsangaben, Wertansätze) des Unternehmens geht.203 Eine wichtige Informationsgrundlage für den Käufer stellt der Jahresabschluss dar (§ 242 Abs. 2 HGB), der aus der Bilanz (§ 242 Abs. 1 S. 1 HGB) und der Gewinnund Verlustrechnung (im Folgenden GuV) (§ 242 Abs. 1 HGB) besteht. Er ist nach 202 203
Hübner, BB 2010, 1483, 1486 f. Vgl. 3. Kapitel § 2 C. IV. 3.
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den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen und muss klar und übersichtlich sein (§ 243 Abs. 1, 2 HGB; Grundsätze der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit). Der Jahresabschluss hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln (§ 264 Abs. 2 S. 1 HGB). Führen besondere Umstände dazu, dass dies nicht der Fall ist, sind im Anhang zusätzliche Angaben zu machen (§ 264 Abs. 2 S. 2 HGB). Während in den §§ 246 ff., 252 ff. HGB die Ansatz- und Bewertungsvorschriften für den Jahresabschluss geregelt sind, sind die Gliederungsvorschriften für die Bilanz und die GuV in den §§ 266 ff., 275 ff. HGB vorzufinden. Die Verhältnisse des Geschäftsverlaufs sind aus dem Lagebericht zu entnehmen (§ 289 Abs. 1 HGB), der eine ausgewogene und umfassende, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit entsprechende Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft zu enthalten hat. Dabei sind die bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren einzubeziehen und zu erläutern (§ 289 Abs. 1 S. 2, 3 HGB). Ferner ist die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern (§ 289 Abs. 1 S. 4 HGB). Der Informationswert der ausführlichen Berichte kann nur dann gewährleistet werden, wenn sie die gesetzlichen Forderungen an ihre rechtmäßige Aufstellung erfüllen. Wann eine Bilanz tatsächlich die Grundsätze der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit verletzt, somit geeignet ist, auch beim Käufer eine falsche Vorstellung über die Unternehmensverhältnisse hervorzurufen, ist schwer zu bestimmen, zumal die Bewertung der bilanziellen Vollständigkeit stark von den Umständen des Einzelfalls abhängt.204 Einen Einblick über die möglichen Täuschungshandlungen in der vorvertraglichen Phase gewinnt man durch die Straftatbestände der Bilanzfälschung in § 331 HGB205 . Unter strafrechtlicher Sanktion stehen die unrichtige Wiedergabe oder die Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in Eröffnungsbilanz, Jah204 Vgl. etwa BGH BeckRS 2002 30237967 vom 6. 2. 2002: Bei der Übernahme sämtlicher Geschäftsanteile an einer Verwaltungsgesellschaft hatte sich der Kläger als künftiger GmbHGeschäftsführer im notariellen Kaufvertrag verpflichtet, bei zwei Forderungen, wenn sie realisiert werden, bis zur Höhe von 70000 DM an die Beklagten auszuzahlen. Da sie vereinbart hatten, dass diese im wirtschaftlichen Ergebnis nicht der Zielgesellschaft zustehen sollten, genau genommen hätten die Forderungen deshalb mit dieser Bewertung auch in den Passiva ausgewiesen werden müssen. Das Fehlen dieser Beträge in den Aktiva änderte nichts am Bilanzergebnis, so dass die bilanziellen Auswertungen nicht erkennbar unvollständig waren. Als vollständig wurden auch die Angaben zum Eigenkapital bewertet, da über den Kassenbestand und das Anlagevermögen in Höhe von 18577 DM hinaus, dass im beigefügten Abschreibungsverzeichnis näher aufgeschlüsselt war, weitere Angaben nicht erforderlich waren. Der BGH führte zudem aus, dass gem. § 266 Abs. 2 HGB und Abs. 3 HGB eine Bilanz auf der Aktivseite das ursprünglich eingezahlte Stammkapital nicht zu enthalten habe. Nicht zu beanstandet wurde auch die Tatsache, dass in der Bilanz kein Betrag für stille Reserven der Zielgesellschaft ausgewiesen war. Denn stille Reserven der Gesellschaft könnten nach dem vorgelegten Abschreibungsverzeichnis über das Anlagevermögen nicht in nennenswertem Umfang vorhanden gewesen sein. 205 Für Aktiengesellschaften findet § 400 AktG Anwendung.
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resabschluss, Lagebericht oder im Sonderfall des Zwischenabschlusses bei Kreditinstituten nach § 340a Abs. 3 HGB. Dabei beschränkt sich die Darstellung nicht nur auf Tatsachen, sondern erfasst auch Schlussfolgerungen auf Grund von Tatsachen, wie insbesondere Bewertungen aber auch Schätzungen, Prognosen und Beurteilungen.206 Die Abgrenzung der Handlungsalternativen ist schwierig, in der strafrechtlichen Praxis wird ihr keine große Bedeutung beigemessen, weil die Übergänge fließend sind.207 Eine weitgehende Übereinstimmung besteht jedoch darüber, dass die unrichtige Wiedergabe sich auf die objektiv unrichtige Darstellung der Verhältnisse bezieht, während das Verschleiern die Klarheit und Übersichtlichkeit, d. h. die Form der Darstellung betrifft208 : Die unrichtige Wiedergabe verletzt die Bilanzwahrheit, das Verschleiern die Bilanzklarheit. Da es sich hier um strafrechtliche Tatbestände handelt, unterliegen ihre Auslegung und die Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit dem strafrechtlichen Regime.209 Als ein Handlungsdelikt setzt § 331 HGB keinen tatbestandlichen Erfolg voraus210, er ist bereits durch das im Tatbestand umschriebene Tätigwerden erfüllt. Ferner handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, da Verhaltensweisen erfasst sind, von denen generell erhebliche Gefährdungen für die Schutzgüter ausgehen.211 Im vertragsrechtlichen Kontext, insbesondere im Zusammenhang mit der Haftung wegen vorvertraglicher Täuschung haben diese Verhaltensformen eine andere tatbestandliche Bedeutung: Eine abstrakte Gefährdung allein vermag den objektiven Tatbestand für eine zivilrechtliche Haftung nicht auszulösen. Für die Anfechtung des Vertrags gem. § 123 BGB muss der Kausalzusammenhang zwischen Täuschungshandlung und Vertragsschluss bestehen, für einen Schadensersatzanspruch die Täuschungshandlung ursächlich für den entstandenen Schaden gewesen sein (§ 249 BGB). Nicht desto trotz sind die Tatbestandsmerkmale der „unrichtigen Wiedergabe“ und „Verschleierung“ auch für die vertragsrechtliche Diskussion aufschlussreich, weil sie die Täuschungshandlung durch Bilanzfälschung konkretisieren. Von Interesse ist daher die Tat der unrichtigen Darstellung als solche. 206
MünchKommHGB/Quedenfeld § 331 Rn. 41. MünchKommHGB/Quedenfeld § 331 Rn. 40; MünchKommAktG/Schaal § 400 Rn. 40. 208 So schon RGSt 37, 433, 434: „unwahr dargestellt ist der Stand der Verhältnisse der Genossenschaft insbesondere auch dann, wenn in der Bilanz Außenstände erheblich über ihre wahrscheinlichen Werte angegeben, zweifelhafte Forderungen, die hinter dem Nennwerte erheblich zurückstanden, nach dem Nennwerte angenommen sind.“; MünchKommHGB/ Quedenfeld § 331 Rn. 40. 209 Wie etwa die erhöhte Schwierigkeit des Nachweises der Unrichtigkeit im Prozess wegen der Geltung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebotes (Art. 103 Abs. 2 GG) und des Zweifelsgrundsatzes („in dubio pro reo“), mit der Folge, dass sich die bestehenden Unsicherheiten zu Gunsten eines Beschuldigten auswirken, vgl. Spatschek, DStR 2003, 173, 175. 210 Spatschek, DStR 2003, 173, 176. 211 MünchKommHGB/Quedenfeld § 331 Rn. 3; MünchKommBil/Waßmer § 331 HGB Rn. 4; zum § 400 AktG MünchKommAktG/Schaal § 400 Rn. 38. 207
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bb) Unrichtige Wiedergabe und Verschleierung i.S.v. § 331 HGB Die Feststellung, ob die betreffende Darstellung unrichtig ist, ist komplex und bildet das Kernproblem des Bilanzfälschungstatbestands. Von Unrichtigkeit kann dann gesprochen werden, wenn die Darstellung objektiv nicht dem Tatsächlichen entspricht bzw. die beinhalteten Wertungen auf Grundlage der anerkannten Erfahrungssätze nicht vertretbar sind.212 Bezüglich des Lageberichts kann eine unrichtige Darstellung nur vorliegen, wenn die der Prognose zugrunde gelegte Gegenwartsdaten falsch sind oder die Prognose anhand evident unzutreffender Erfahrungssätze entwickelt wird.213 Klassische Beispiele für die unrichtige Darstellungen bei Bilanzangaben sind: die Aktivierung nicht existierender oder der Gesellschaft nicht (mehr) gehörender Wirtschaftsgüter, die Nichtaufnahme der Gesellschaft gehörender Vermögensgegenstände, die Überbewertung von Forderungen, Warenbeständen oder Anlagevermögen, das Verschweigen oder die falsche Bewertung von Verbindlichkeiten, die Fingierung von Umsätzen und die Manipulation von Warenbeständen etc.214 Dem gegenüber liegt eine Verschleierung der Gesellschaftsverhältnisse vor, wenn die Darstellung zwar objektiv richtig ist, die Erkennbarkeit der Verhältnisse aber durch die Art der Darstellung derart erschwert wird, dass auch für den kundigen Leser der Bilanz etc. die Gefahr einer unzutreffenden Beurteilung entsteht.215 Wie im vertragsrechtlichen Zusammenhang stellt sich auch hier das Abgrenzungsproblem, wenn erhebliche Umstände verschwiegen werden, weil dann sowohl der Gesamtgehalt der Aussage unrichtig wiedergegeben wird, wie auch das Gesamtbild der Darstellung verfälscht und verschleiert werden kann.216 Es ist die Erheblichkeit des Umstands, deren Verschweigen der Aussage insgesamt einen falschen Aussagewert verleiht, weil allein die Offenbarung des Umstandes ihren wahren Gehalt erkennen lässt.217 Schaal macht die Rechtswidrigkeit der gesamten Aussage an der Wesentlichkeit des verschwiegenen Umstands fest, weil in einem solchen Fall der Erklärende schlüssig zum Ausdruck bringe, dass seine Äußerung einen nicht der Wirklichkeit entsprechenden Inhalt habe.218
212
Spatschek, DStR 2003, 173, 175. Spatschek, DStR 2003, 173, 175, dass hiervon abgesehen eine Prognose aus sachlogischen Gründen keine „unrichtige Darstellung“ beinhalten könne; siehe auch oben die Diskussion über die Täuschungsfähigkeit zukunftsbezogener Tatsachen. 214 MünchKommHGB/Quedenfeld § 331 Rn. 41; Spatschek, DStR 2003, 173,175. 215 Spatschek, DStR 2003, 173, 175; MünchKommAktG/Schaal § 400 Rn. 40. 216 MünchKommAktG/Schaal § 400 Rn. 40. 217 MünchKommAktG/Schaal § 400 Rn. 37, auch die Eigenschaft als Äußerungsdelikt betonend. 218 MünchKommAktG/Schaal § 400 Rn. 37. 213
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4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
Für die konkludente Täuschungshandlung im Rahmen der vorvertraglichen Verhandlung bedeutet es, dass die Wesentlichkeit des verschwiegenen Umstands auf die Rechtswidrigkeit des Erklärungsverhaltens schließen lässt, welche wiederum nach dem Grundsatz des Interessenantagonismus vom Käufer erkennbar gemacht werden muss. Legt der Verkäufer unvollständige Bilanzangaben vor, werden sie sich dann als eine konkludent positive Täuschungshandlung hinsichtlich des Vertragsschlusses qualifizieren, wenn dem Verkäufer die Wesentlichkeit der Bilanzangaben für den Käufer bewusst waren. cc) Die Grenzen der Bilanzmanipulation als Haftungstatbestand I.V.m. der Verkäuferhaftung beim Unternehmenskauf, bedarf es einer Klärung der Frage, wie die Bilanzmanipulation als Haftungstatbestand innerhalb des geltend gemachten Anspruchs behandelt wird. Die Rechtsprechung macht deutlich, dass es keinen Grundsatz gibt, dass allein schon die schlichte Übergabe einer fehlerhaften Bilanz in jedem Fall und zwangsläufig den Schluss zulässt, dass die Bilanzangaben für den Kaufentschluss des Unternehmenskäufers überhaupt bedeutsam ist.219 Interessant ist auch die Tendenz in der Rechtsprechung, dass auch bei aktiven Bilanzfälschungen die Lösung des Haftungsproblems oft bei der Verletzung einer Aufklärungspflicht angesetzt wird.220 Angesprochen ist wieder das Verhältnis von Täuschungsform und Haftungsbegründung. Trotz des evidenten Handlungsunrechts, das aus der Bilanzfälschung hervorgeht, wird in der Praxis kaum eine Schadensersatzpflicht unmittelbar mit der aktiven Täuschungshandlung begründet. Probleme stellen sich unter anderem im subjektiven Element der Arglist, dass durch die zeitliche Divergenz zwischen Bilanzfälschung und Verhandlungsphase der Bezug zum Vertragsschluss schwer zu beweisen ist.221 Dieser Bezug kann jedoch dann bestehen, wenn die maßgebliche Erklärungshandlung in der Übergabe der falschen Bilanz gesehen wird. In diesem Zusammenhang weist der OLG Hamburg darauf hin, dass „sich derjenige, der dem Interessenten in dem konkreten Bewußtsein, daß es jenem auf die Richtigkeit betreffender Angaben ankommt, eine fehlerhafte/nichtige Bilanz in Kenntnis dieses Umstands übergibt, nicht berechtigt auf weiter mögliche Hinterfragungen und Überprüfungen durch den Kaufinteressenten zurückziehen.“222
219
BGH BB 1974, 152 f.; OLG Hamburg DStR 1994, 1019, 1020. BGH BeckRS 1979, 31068311 = DB 1980, 679; OLG Hamburg DStR 1994, 1019, 1020; vgl. Auch BGH, NJW 1996, 2503, dass die Angabe falscher Umsatzzahlen auch eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten des Verkäufers darstelle, für die er unter dem Gesichtspunkt des c.i.c. schadensersatzpflichtig sein kann. 221 Vgl. nur BGH BeckRS 1979, 31068311 = DB 1980, 679. 222 OLG Hamburg DStR 1994, 1019, 1020. 220
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Die einschlägige Erklärungshandlung liegt zwar in der aktiven Übergabe der falschen Bilanz, als Haftungstatbestand wird jedoch nicht auf die positive Handlung der Übergabe, sondern auf die Verletzung der Aufklärungspflicht abgestellt. Hat der Verkäufer zum Zeitpunkt der Bilanzübergabe erkannt, dass für den Erwerber die Richtigkeit der Angaben für den Vertragsschluss bedeutsam war, dann kann der Verkäufer die vorvertragliche Informationslast hinsichtlich dieser Umstände nicht auf den Käufer verlagern und muss den Käufer über die Unrichtigkeit der Angaben informieren. Die Aufklärungspflicht des Verkäufers bezieht sich auf den Hinweis der Unrichtigkeit und nicht der Aufklärung darüber, wie die Bilanzzahlen hätten richtigerweise lauten müssen. Nach den Mechanismen der beweglichen Grenzziehung der Aufklärungspflicht trägt der Käufer die Informationslast, dem Verkäufer erkennbar zu machen, dass es ihm tatsächlich auf die Richtigkeit der Bilanzzahlen ankommt. Die Rechtswidrigkeit der Bilanzübergabe ergibt sich aus der Vertragswesentlichkeit der Bilanzrichtigkeit, die schließlich von der Erwerbsmotivation des Käufers abhängig ist. Bei einer Inanspruchnahme wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten des Verkäufers ist es dann allerdings nicht Sache des Käufers zu beweisen, dass die unzutreffenden Angaben des Verkäufers für den Vertragsschluss, auf dem der geltend gemachte Schaden beruht, ursächlich geworden sind; vielmehr muss der Verkäufer die Behauptungen des Käufers widerlegen, er hätte bei Angabe richtiger Umsatzzahlen vom Vertragsschluss Abstand genommen.223
VI. Zwischenergebnis Gegenstand der Auslegung ist die Sinnermittlung der Angaben und Erklärungen, die im situativen Kontext des Verständigungsprozesses gegeben worden sind. Ziel ist die Ermittlung des Informationsflusses, der im Austausch der Parteien entstanden ist. Die Prüfungsstufen der Auslegung, welche die Ermittlung des Erklärungstatbestandes zum einen und der Sinnermittlung zum anderen sind, führen zu einem situativen Moment der Auslegung.224 Es ergibt sich aus dem konkreten Verhaltensbezug des Erklärungstatbestandes225 und dem personalen Bezug auf den subjektivnormativen Empfängerhorizont der Beteiligten. Die Auslegung befasst sich mit der kommunikativen Transparenz, die durch die Pflicht zum normgemäßen Vermitteln und Verstehen geschafft werden soll. Der Kontext des Verständigungsprozesses ist deshalb situativ, weil er von der geplanten Vertragsanbahnung losgelöst ist. 223
BGH NJW 1996, 2503; vgl. auch bereits oben 2. Kapitel § 2. D. II. 7. c). In Abgrenzung zur vorvertraglichen Aufklärungspflicht, die sich aus dem konkreten Vertragsanbahnungsverhältnis ergibt. 225 Vgl. Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 8: „Auslegungsgegenstand ist das Verhalten des Erklärenden, dem die Bedeutung einer Willenserklärung zukommt, als die Worte, Zeichen oder Gebärden, denen sich dieser zur Verlautbarung seines Rechtsfolgewillens bedient“, für die entsprechende Anwendung bei vorvertraglichen Informationshandlungen. 224
252
4. Kap.: Die Störung der Willensbildung
Das Auslegungsergebnis des vorvertraglichen Verständigungsverhaltens bildet zwar die Grundlage für die vertragliche Einigung, so dass es später als Mittel der Vertragsauslegung dient226, jedoch steht der Inhalt des Austausches bei der Auslegung nicht unmittelbar im Vordergrund, weil die Auslegung primär die fehlerfreie Verständigung zwischen den Parteien zum Ziele hat. Welchen Inhalt die vorvertragliche Verständigung, im Besonderen aus Sicht des Verkäufers, zu haben hat, wird im Mechanismus der vorvertraglichen Informationspflichten geregelt. Grundsätzlich handelt es sich zwar auch hier um ein Kommunikationsproblem, jedoch geht es weniger um ein prozedurales Missverständnis in der Verständigung, sondern eine Informationslücke über einen vertragsrelevanten Umstand, also um ein Informationsproblem. Es liegt eine Störung der Willensbildung bezüglich eines konkreten vertraglichen Umstands vor und weniger eine Störung im Verständigungsprozess. Die Grenzen der Auslegung für die Lösung dieses Informationsproblems sind durch den engen Bezug zum Informationsverhalten und Verständigungsmoment gegeben, die die Störung der Willensbildung durch unvollständige Information nur begrenzt erfassen kann. Es wurde gezeigt, dass die im Datenraum offengelegten Materialien häufig über einen eindeutigen Erklärungswert und damit über einen Informationswert verfügen oder zumindest der Deutungsspielraum der Informationen so gering ist, um die Informationslast bei Unklarheiten auf den Informationsempfänger zu verlagern. Auch die Herleitung einer konkludent positiven Täuschungshandlung erweist sich schwieriger als von manchen Ansichten des Schrifttums angenommen. Schwierig ist die hypothetische Rekonstruktion der situativen Wirklichkeit, den vertragswesentlichen Umstand inhaltlich zum Gegenstand der „konkludenten“ Erklärung werden zu lassen. Die Bestimmung des normativen Informationsflusses erweist sich besonders für den Verständigungsprozess in der Q&A-Phase gegenüber der Informationsoffenlegung im Datenraum als schwierig, weil hier die gegenseitig aufeinanderfolgenden Erklärungsverhalten nach dem zwar objektiv-normativen Maßstab individuell bestimmt werden müssen. Der Lösungsansatz am Inhalt des Gesagten bzw. Sinn des Erklärungsverhaltens des Verkäufers kommt zu kurz, zumal das wesentliche Problem bei der unvollständigen Information darin liegt, dass über einen bestimmten Umstand nicht explizit gesprochen wurde. Schließlich erweist sich die Unterscheidung zwischen Erklärungs- und Informationswert als hilfreich.
226 Vgl. Staudinger/Singer § 133 BGB Rn. 8: „Mittel der Auslegung sind die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Umstände, die Rückschlüsse auf den Sinn der Erklärung, ihren Inhalt und ihre Eigenschaft als Willenserklärung ermöglichen.“
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Während die Auslegung die Ermittlung des Erklärungswertes aus dem Erklärungsverhalten zum Zweck hat, dienen vorvertragliche Aufklärungspflichten einen bestimmten Informationswert in der vorvertraglichen Verständigungsphase zu sichern. Von der Unklarheit einer (Willens)Erklärung ist die informative Unvollständigkeit einer Erklärung abzugrenzen. Die von der Rechtsprechung in vielen Fällen bevorzugte Haftungsbegründung durch Aufklärungspflichten kann dahin gehend verstanden werden, dass es gilt den die Unvollständigkeit oder Unzulänglichkeit der Information und der darauf folgenden Störung der Willensbildung zu sanktionieren.
D. Schlussfolgerung Die begrenzten Anwendungsmöglichkeiten der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB bei der Ermittlung von Täuschungshandlungen im Due Diligence-Verfahren führt den Fokus schließlich auf die Information über vertragsschlussrelevante Umstände im Rahmen der konkreten Vertragsanbahnung zurück. Die Zuordnung der Informationsverantwortung im Falle der Unklarheit oder der Unkenntnis des Käufers über einen vertragsschlussrelevanten Umstand lässt sich wie im Falle der unterlassenen Information nach dem Mechanismus der beweglichen Grenzziehung der Aufklärungspflicht auflösen. Wie bereits im letzten Kapitel ausgeführt, steht die Aufklärungspflicht des Verkäufers mit der Informationslast des Käufers, seine subjektiven Motive dem Verkäufer durch konkrete Fragestellung und Nachfrage erkennbar zu machen, im Alternativverhältnis. Die für den Unternehmenskäufer belastende Rechtslage, aktiv Initiative bei der Begründung der Aufklärungspflicht zu zeigen, kann dieser umso einfacher überwinden, je mehr er seine möglichst konkreten Vorstellungen vom Sollzustand des Zielunternehmens für den Verkäufer erkennbar in den Due Diligence-Prozess einbringt. Das Regime der vorvertraglichen Aufklärungspflicht kommt hinreichend zur Geltung, um den Inhalt der vorvertraglichen Verständigung über den Vertragsgegenstand zu regulieren und ein möglichst dem tatsächlichen Zustand des Vertragsgegenstands entsprechendes Bild vom Zielunternehmen zu vermitteln. Störungen der Willensbildung durch Fehlvorstellungen über das Zielunternehmen, die schließlich auch Störungen des Äquivalenzverhältnisses verursachen können, kann der Käufer sodann mit Hilfe der Erleichterungen auf der Beweislastebene erfolgreich auf die Irreführung des Verkäufers zurückführen.
5. Kapitel
Zusammenfassung und Ergebnis I.
Die Gestaltung des Unternehmenskaufs erfolgt auf schuldrechtlicher und dinglicher Ebene. 1. Nach dem Prinzip der Privatautonomie orientiert sich die Qualifizierung eines schuldrechtlichen Unternehmenskaufvertrags am Element des Parteiwillens. Die einzelnen Gegenstände und Rechte werden durch die unternehmerische Tätigkeit des Unternehmens zu einer „Wirtschaftseinheit“ zusammengefügt, so dass im Ziel des Unternehmenskäufers, mit dem Erwerb des Objekts von dessen Wirtschaftlichkeit zu profitieren, der Wille zum Vorschein kommt, das Unternehmen in seiner Gesamtheit als ein Objekt zu übernehmen. Die von der Rechtsprechung angewandte Wirtschaftlichkeitsformel gelangt zu einer Gleichschaltung von Inhaberschaft an der gesellschaftlichen Beteiligung und Eigentum am Unternehmen, wenn der Anteilseigner über eine wirtschaftliche Leitungsmacht über das Unternehmen in der Gesellschaft verfügt. In einer Kapitalgesellschaft ist dafür mindestens der Erwerb einer für einen satzungsändernden Beschluss erforderliche Mehrheitsbeteiligung notwendig (§ 53 Abs. 2 GmbHG, § 179 Abs. 2 AktG). Ferner setzt die Übertragung des Unternehmens als „betriebsfähige Wirtschaftseinheit“ das Ziel der Fortführung durch den Erwerber voraus, welche sodann die einzelnen Vermögensgüter und -positionen zu einem Kaufgegenstand vereint. Neben diesen subjektiven und objektiven Voraussetzungen eines Unternehmenskaufs lassen Leistungspflichten, die dem Unternehmenskauf typische Leistungs- oder Handlungspflichten zum Inhalt haben (wie etwa die Übertragung von unkörperlichen Wertpositionen, das Verzichten auf Kündigungsrechte von wichtigen Vertragspartnern, oder auch die Sicherung von Finanzierung und Genehmigungen) den Schluss auf einen Unternehmenskauf zu. 2. Während es auf der schuldrechtlichen Ebene keine unmittelbar positivrechtlichen Anhaltspunkte gibt, wird auf der dinglichen Ebene zwingend auf die tatsächlich zu übertragenden Gegenstände abgestellt, weil es zwar an einem gesetzlichen Typenzwang für die Übertragung des Unternehmens fehlt, jedoch die Typenfixierung sich durchsetzt. Aus dieser Ausgangssituation haben sich Share Deal und Asset Deal als Vollzugsformen des Unternehmenskaufs herausgebildet, die in erster Linie dinglichen Ursprungs sind. Die Transaktionsgestaltung bestimmt nicht nur die dingliche Vollzugsform des Unternehmenskaufs, sondern gibt zugleich Aufschluss
5. Kap.: Zusammenfassung und Ergebnis
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darüber, welche Schwerpunkte man bei der Gestaltung des schuldrechtlichen Vertragsinhalts und damit bei der Durchführung der Due Diligence-Prüfung setzen muss. Die sachenrechtliche Eigentumsübertragung beim Share Deal ist sehr viel einfacher gestrickt als beim Asset Deal, da „nur“ die Anteile zur Veräußerung bestimmt und übertragen werden müssen. Während beim Share Deal die Substanz des Unternehmens als Ganzes erhalten bleibt und damit der Blick der Dogmatik auf die übergehenden Anteile und ihren „Durchgriff“ auf die wirtschaftliche Substanz gerichtet ist, geht es beim Asset Deal darum, die funktionale Verbundenheit der einzelnen Vermögensgüter im wirtschaftlichen Gefüge des Unternehmens zu bestimmen. Der Asset Deal erfordert besondere Sorgfalt darüber, wie vorhandene Vertragsverhältnisse, die ökonomisch wichtige „Assets“ des Zielunternehmens darstellen können, erfolgreich übertragen werden können. Hingegen führt die Zwischenschaltung der Gesellschaft beim Share Deal zur Erweiterung des Problemkreises auf gesellschaftsrechtliche Aspekte. II.
1. Wird der Unternehmenskauf im Wege der Anteilsübertragung vollzogen ergibt sich eine besondere Ausgangslage für den vorvertraglichen Informationsprozess. Dem vorvertraglichen Informationsproblem ist die Lösung des Interessenkonflikts zwischen Verkäufer (Mehrheitsgesellschafter) – Zielgesellschaft – Käufer auf gesellschaftsrechtlicher Ebene vorzuschalten. Ist die Zielgesellschaft eine Aktiengesellschaft, so liegt die Entscheidungsbefugnis für die Weitergabe von Unternehmensinterna zum Zwecke einer Due Diligence an den Erwerbsinteressenten beim Vorstand. Gegenüber der Rechtslage in der AG, wo für die hier relevanten Entscheidungsbefugnisse des Vorstands aufgrund der ihm nach § 76 Abs. 1 AktG eingeräumten umfassenden Leitungskompetenz weiter reicht, ist bei der GmbH die Zuständigkeit der Letztentscheidung über die Zulassung einer Due Diligence durch den Erwerbsinteressenten bei der Gesellschafterversammlung zu sehen. Für die Beschlussfassung genügt eine qualifizierte Mehrheit. Da sich die Veräußerung von Anteilen nur dann als ein Unternehmenskauf qualifiziert, wenn eine Mehrheitsbeteiligung von 100 % oder eine ihr entsprechende Beteiligung veräußert wird, wird sich im Falle der GmbH die Zuständigkeitsfrage erst gar nicht stellen, weil der Verkäufer nach seinem Ermessen entscheiden kann, ob er einer Due Diligence durch den Käufer zustimmt oder nicht. Das ausgeführte Problem der Zuständigkeitsverteilung beim Unternehmenskauf betrifft primär die AG (natürlich auch eine GmbH, die nicht eine Alleingesellschafter-GmbH ist) und die Möglichkeit für den Mehrheitsgesellschafter, vertragsschlussrelevante Informationen zum Zwecke einer Due Diligence zu erlangen. Aber auch für den veräußerungswilligen Alleingesellschafter einer GmbH ist die weitergehende Frage, unter welchen Voraussetzungen die Due Diligence-Informationen dem Unternehmenskäufer überlassen werden dürfen von Interesse, weil sie sich
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5. Kap.: Zusammenfassung und Ergebnis
damit beschäftigt, inwieweit die Offenlegung der Informationen im Due DiligenceVerfahren allen hier involvierten Interessengruppen gerecht werden kann. Angesicht der Tatsache, dass das Transaktionsvorhaben nach der Durchführung der Due Diligence nicht zu einem erfolgreichen Closing kommen und die Weitergabe der Informationen an Dritte das Interesse der Gesellschaft und darüber hinaus auch des Gesellschafters gefährden kann, liegt es auch im Interesse des Alleingesellschafters einer GmbH, eine besondere Sorgfalt hinsichtlich der Weitergabe der Informationen an den Erwerbsinteressen zu wahren. Beide Rechtslagen haben gemeinsam, dass Schweigepflichten der zuständigen Organe (vgl. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, §§ 51a Abs. 2, 85 GmbHG) betroffen sind. Denn der Kaufinteressent begehrtzum Zwecke der Due Diligence Unternehmensinterna, die meist von der Verschwiegenheitspflicht umfasst sind, und ohne ein „objektives Interesse der Gesellschaft“ nicht weitergegeben werden dürfen. Der Konflikt zwischen dem Interesse der Gesellschaft an Vertraulichkeit und dem Interesse des Gesellschafters/des Kaufinteressenten an der Informationsweitergabe lässt sich sinnvoll lösen, wenn man das Unternehmensinteresse in transaktions- und informationsbezogene Interessen differenziert betrachtet. Grundvoraussetzung für eine vermeintliche Offenlegung der Unternehmensinterna im Rahmen einer Due Diligence ist, dass Vorteile für die Zielgesellschaft aus der geplanten Transaktion objektiv begründet sind. Je mehr sich das Unternehmen vom Verkauf versprechen kann, desto eher wird die Durchführung einer Due Diligence im Interesse des Unternehmens liegen. Was das Unternehmensinteresse betrifft, nimmt der Mehrheitsaktionär/-gesellschafter, der zugleich Verkäufer ist, eine intermediäre Rolle ein. Er ist zwar nicht unmittelbar von diesen zukunftsbezogenen Unternehmensvorteilen betroffen, für ein erfolgreiches Transaktionsgeschäft ist jedoch das damit verbundene Unternehmensinteresse auch für ihn essentiell. Denn um die für die Verhandlungen notwendigen Informationen seinem Verhandlungspartner weitergeben zu können, muss er die Geschäftsführung von den transaktionsbezogenen Vorteilen für das Unternehmen, um einen hohen Kaufpreis auszuhandeln muss er den Käufer von demselben überzeugen können. Weil die Veräußerung des Zielunternehmens zu angemessenen Konditionen auch im allgemeinen Interesse des Unternehmens liegt, kann im angemessenen Preis eine unmittelbare Interessendeckung von Verkäufer und Zielunternehmen entnommen werden. Je größer das Interesse des Unternehmens an der Transaktion ist, desto sichererer können Rechtfertigungsgrundlagen für die Weitergabe der Due DiligenceInformationen an den Erwerbsinteressenten begründet werden. Der Vorstand des Unternehmens wird ein beträchtliches Interesse daran haben, die Verhandlungen mit einem erfolgreichen Closing abzuschließen, weil die transaktionsbezogenen Interessen nur verwirklicht werden können, wenn der Unternehmenskaufvertrag erfolgreich abgeschlossen und vollzogen wird. Dafür spielt die Due
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Diligence als zentrales vorvertragsrechtliches Informationsinstrument eine entscheidende Rolle. Während transaktionsbezogene Interessen des Unternehmens aus den Erwerbsmotiven und zukünftigen Integrationsstrategien des Kaufinteressenten sowie objektiv vorliegenden Daten abgeleitet werden können, ist die Konkretisierung des unternehmerischen Informationsinteresses bzw. Informationsgefahr im Rahmen des Due Diligence Prozesses dagegen sehr viel konfliktreicher, weil sich der unternehmensinterne Radius des Konfliktfeldes auf unternehmensexterne Verhältnisse, nämlich auf die Beziehung von Zielunternehmen und Käufer, sowie Verkäufer und Käufer erweitert. Das im Zusammenhang mit der Weitergabe der Due DiligenceInformationen einschlägige Konfliktfeld liegt daher nicht im Verhältnis von Gesellschaft und Geschäftsführung/Gesellschafter innerhalb der Zielgesellschaft, wo die Annahme einer Interessenidentität zugrunde liegt, sondern verlagert sich auf das Außenverhältnis der Gesellschaft und den Vertragsparteien. Die Schweigepflicht in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist nicht als ein absolutes, sondern nur als ein relatives Verschwiegenheitsgebot zu verstehen, so dass im Wege der Abwägung der kollidierenden Interessen das objektive Informationsinteresse des Unternehmens konkretisiert werden kann. Eine umfassende Einschränkung des Informationszugangs, so wie sie von Lutter für den Fall vorgeschlagen wird, dass der Erwerbsinteressent ein Konkurrenzunternehmen ist, ist abzulehnen. Denn sie läuft gegen den Zweck des vorvertraglichen Informationsprozesses, der sich die Kompensation des Informationsgefälles zwischen den Parteien für die Bildung eines interessengerechten vertraglichen Äquivalenzverhältnisses zum Ziele setzt. Die Dynamik des Due Diligence-Verfahrens, die durch die vorvertraglichen Interessen der Parteien selbst gesteuert wird, ermöglicht eine inhaltliche Abwägung der Informationsweitergabe je nach Verhandlungsgegner und Verhandlungsstadium. Da der Käufer eines Unternehmenskaufvertrages mit dem Erwerb des Unternehmens die Fortführung des Unternehmens beabsichtigt, stimmt das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft insoweit, dass Unternehmensinteressen bezogen sind, auch mit denjenigen des Käufers zusammen. Der Verkäufer wird seinerseits einen möglichst guten Zustand des Unternehmens wahren wollen, um einen hohen Preis verlangen zu können. Prozedurale Schutzmaßnahmen wie etwa ein Letter of Intent, strenge Geheimhaltungsvereinbarungen, sowie dem Erfordernis eines (Gesamt)Vorstandsbeschlusses dienen zusätzlich der Wahrung von Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft. 2. Das Ziel der Parteien eines Austauschvertrages wie dem Kauf ist, ihre Interessen durch einen äquivalenten Austausch gegenseitiger Leistungen wahrzunehmen und darüber eine verbindliche vertragliche Einigung zu erreichen. Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, als vertragsrechtliche Wertungsgrundlagen im deutschen Zivilrecht prägen das vorvertragliche Verhältnis, indem sie den grundsätzlichen Handlungsspielraum der Parteien und die Reichweite des Vertragsinhalts bestimmen
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5. Kap.: Zusammenfassung und Ergebnis
und ferner wegweisend für prozedurale Schutzmaßnahmen sind. Löst man das Konkurrenzverhältnis der beiden Prinzipien nach dem von Canaris geäußerten Grundsatz des „Primat der Vertragsfreiheit“ auf, so ist ein korrigierender bzw. ergänzender Eingriff im Namen der Vertragsgerechtigkeit dann gerechtfertigt, wenn die tatsächliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird. Beim Unternehmenskauf kommt die inhaltliche Gestaltungsfreiheit in vollen Zügen zur Geltung, da dieser sich durch die umfassende, individuelle Gestaltung von einzelnen Vereinbarungen und Garantieabreden auszeichnet. Zugleich ist jedoch die Gefahr tatsächlicher Beeinträchtigungen der Vertragsfreiheit darin zu vernehmen, dass zwar wirtschaftlich gleich starke Parteien sich gegenüber stehen, jedoch das stark ausgeprägte vorvertragliche Informationsgefälle zwischen Verkäufer und Käufer die Entscheidungsfreiheit des Käufers beeinträchtigen kann. Daher stellt der im deutschen Recht gültige Grundsatz der Selbstinformation und Informationsverantwortung für den Unternehmenskäufer eine zusätzliche Belastung dar. Betrachtet man Informationspflichten aus der Perspektive von Vertragsfreiheit und -gerechtigkeit, so lassen sich zwei Eigenschaften konturieren: Erstens dienen Informationspflichten dem Abschluss interessengerechter und selbstbestimmter Verträge, so dass sie niemals einen Selbstzweck, sondern eine exogene Zielausrichtung auf die tatsächliche Vertragsfreiheit der Vertragsparteien haben. Daraus ergibt sich die zweite Eigenschaft, dass ihr Wesen als Kompensationsmittel für etwaige Gefahren der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit, vom Prinzip der Vertragsgerechtigkeit geprägt ist. Nimmt man den prozeduralen Charakter der Vertragsgerechtigkeit, so lässt sich dieser bei Informationspflichten darin vernehmen, dass ein selbstbestimmter Vertragsinhalt vom Prozess der Verständigung erwartet wird und Informationspflichten dort den konkreten Informationsfluss bestimmen. Der Verkäufer wird alle Informationen offenlegen müssen, die einer Aufklärungspflicht unterliegen, der Käufer wird versuchen, für alle Informationen, die für seine Entscheidung relevant sind eine Aufklärungspflicht zu begründen. Präzise Voraussetzungen und Mechanismen von Informationspflichten im Due Diligence-Verfahren können dazu führen, dass die Due Diligence als Kernverfahren der vorvertraglichen Informationsphase zur Schaffung der Vertragsgerechtigkeit und Verwirklichung der tatsächlichen Vertragsfreiheit beitragen kann. III.
1. Die Stellung des Unternehmenskäufers im Vorfeld des Vertragsschlusses ist mit einer doppelten Belastung behaftet. Zum einen ist das Informationsgefälle für den Käufer schon dadurch vorgezeichnet, dass dem Verkäufer allein die wichtigsten Informationen bekannt sind. Aufgrund des Fehlens eines offenen Informationsaustausches auf einem organisierten Markt, sind dem Verkäufer allein die wichtigsten Informationen bekannt und er allein bzw. mit jenen in seiner Sphäre wirkenden
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Personen die Verfügungsgewalt über die Weitergabe bzw. das Verschweigen von vertragsschlussrelevanten Unternehmensinterna zukommt. Zum anderen ist der Käufer angesichts der restriktiven Auslegung der Aufklärungspflicht von Rechtsprechung und Schrifttum dem Dilemma ausgesetzt, dass die Grenze so offen und vage verläuft, dass seine Rechtsstellung mit so viel Unsicherheit behaftet ist. Das Instrument der Due Diligence kommt ihm insoweit zugute, weil es ihm die Möglichkeit eröffnet durch eigenständige Gestaltung der Due Diligence-Prüfung den tatbestandlichen Spielraum der allgemeinen Aufklärungspflicht so einzuengen, dass die Rechtswidrigkeit der Aufklärung klarer konturiert und die Rechtssicherheit im Falle der Leistungsstörung gefördert wird. Ausgangspunkt der Diskussion, inwiefern die Durchführung einer Due Diligence den Umfang der vorvertraglichen Informationspflichten des Verkäufers beeinflusst, ist die der Due Diligence innewohnende Dynamik, denn je nach Verlauf der Prüfung verändert sich das Informationsinteresse des Käufers und bestimmt den konkreten Informationsfluss zwischen den Parteien, der die tatbestandliche Grundlage für die Begründung und Erfüllung der Aufklärungspflicht bildet. 2. Die feststehende Formel der ständigen Rechtsprechung hinsichtlich der Begründung einer Aufklärungspflicht liefert zwei Anhaltspunkte: Wesentlichkeit des betreffenden Umstands für den Vertragszweck und die Erkennbarkeit des Umstands für den Aufklärungspflichtigen. Die verschiedenen Ausrichtungsmöglichkeiten des Vertragszwecks, insbesondere im Bereich des Unternehmenskaufs, der sich durch die Individualität der Unternehmen und der Erwerbsmotivationen auszeichnet, machen es notwendig, dass die Wesentlichkeit eines Umstandes für die eine Partei stets im Zusammenhang mit seiner Erkennbarkeit für die Gegenpartei gesehen werden muss. Umstände, die so gravierend sind, dass sie objektiv erkennbar, somit unaufgefordert eine Aufklärungspflicht begründen, beschränken sich beim Unternehmenskauf auf wenige Ausnahmen, wie etwa wenn die Überlebensfähigkeit des Unternehmens als solche gefährdet ist. Für alle anderen Umstände, deren Vertragswesentlichkeit aus der subjektiven Zielsetzung des jeweiligen Kaufinteressenten hervorgehen, bedeutet es, dass sie sich nur dann zum aufklärungspflichtigen Inhalt qualifizieren, wenn die Vertragswesentlichkeit im subjektiven Bestimmungsprozess des Vertragszwecks vom Käufer erkennbar gemacht wurde. Dafür steht dem Käufer das Due Diligence-Verfahren zur Verfügung. 3. Die Spruchpraxis des BGH über die Verteilung der vorvertraglichen Informationslast beim Unternehmenskauf ist durch den realen Interessenantagonismus der Parteien und das Prinzip der informationellen Eigen- oder Selbstverantwortungsprinzip geprägt. Die Rechtsprechung hält stringent an ihrer Auffassung fest, dass es in der Sphäre des Käufers liegt, erkennbar zu machen, auf welche Umstände es ihm bei der beabsichtigten Transaktion ankommt. Neben objektiv erkennbar wesentlichen Umständen werden alle weiteren Umstände nur dann zum aufklä-
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rungsnotwendigen Inhalt erhoben, wenn der Käufer durch gezielte Nachfrage diese anfordert. Als Ausgangspunkt der beweglichen Grenzziehung der Aufklärungspflicht ist die Dynamik der Due Diligence zu nehmen, die durch den gegenseitigen Informationsaustausch der Verhandlungsparteien, insbesondere in der Q&A-Phase, in Gang gesetzt wird. Die Informationshandlungen des Käufers bestimmen maßgeblich die Dynamik des Informationsflusses: Je mehr Fragen und Nachfragen vom Käufer kommen, desto intensiver und dynamischer fällt der Informationsfluss zwischen den Parteien aus. Durch sein Eingreifen kann der Käufer die Grenzen der Aufklärungspflicht, die von der Rechtsprechung allgemein restriktiv gehalten werden, zu seinen Gunsten verlagern und damit die Tiefe und Weite der Aufklärungspflicht mitbestimmen. Innerhalb der durch die Frage konturierten Grenzen verdichtet sich der aufklärungsnotwendige Inhalt bis hin zu einer konkreten Aussage. Dadurch ergibt sich fast schon eine Kongruenz der inhaltlichen Grenzen von Aufklärungs- und Wahrheitspflicht. Das Problem der „Überinformation“ und der Möglichkeit und Zumutbarkeit der „richtigen“ Frage wird i.V.m. der Begründung der Aufklärung insoweit nicht wirklich relevant, als das im Datenraum offengelegte Material nicht als ein „Endmaterial“ betrachtet wird, anhand dessen die Informationskraft bzw. der Informationswert für den Käufer bewertet werden soll. Sowohl die Praxis des Unternehmenskaufs als auch die Rechtsprechung gehen davon aus, dass der einschlägige Informationswert sich erst durch weitere Informationshandlungen im Laufe der Q&A-Phase entwickelt. Die Zuordnung der Verdichtung der Informationen in die Sphäre des Käufers findet ihre Rechtfertigungsgrundlage darin, dass der Anreiz zur aktiven Informationstätigkeit nicht von den Informationen des Verkäufers, sondern von den Erwerbsmotivationen des ausgeht. In der Sphäre des Käufers liegt es, sich den Zugang zu den „richtigen“ Daten zu eröffnen. Die Offenlegung des Datenraums ist in der Tat eine dem Verkäufer hoch anzurechnende Informationshandlung. Der Käufer muss jedoch darauf reagieren, um die Aufklärungspflicht des Verkäufers auf Umstände hinsichtlich seiner Erwerbszwecke zu verdichten. Es geht bei der Aufklärungspflicht um den Austausch von vertragsrelevanten Informationen, die der vertraglichen Einigung zugrundeliegenden Informationsfluss bilden. Zum einen steht die materiell-vertragliche Frage, was im Hinblick auf das geplante Geschäft zum Inhalt der Verständigung zu werden hat. Zum anderen kann der Aufklärungspflicht dahin gehend eine prozedurale Eigenschaft zugesprochen werden, als sich ihre Grenzen erst durch Verfahrensmechanismen wie der subjektiven Erkennbarkeit bestimmen lassen. Werden ex post Fehlvorstellungen hinsichtlich vertragsrelevanter Umstände festgestellt, dann verteilen Aufklärungspflichten zwar in erster Linie die Informationslast, indem geklärt wird, welche Informationen unter welchen Voraussetzungen hätten offengelegt werden müssen, zugleich regeln sie aber auch die Verständi-
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gungslast über diesen Umstand, indem unerkannt gebliebene Unklarheiten demjenigen angelastet werden, in dessen Interessensphäre sie fallen. Durch die Zielsetzung der fehlerfreien Verständigung über konkrete Vertragsinhalte vereint die Aufklärungspflicht die Regelung auf beiden Ebenen, sowohl die prozedurale Kommunikationsstörung als auch die Störung der Willensbildung. 4. Die innere Kohärenz von vertraglicher Leistungspflicht und vorvertraglicher Aufklärungspflicht ist auf die exogene Ausrichtung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht zurückzuführen, deren Zweck darin liegt, eine Interessengerechte Informationsgrundlage für die beabsichtigte Transaktion zu schaffen. Unabhängig von den unterschiedlichen Ansichten zur dogmatischen Begründung, besteht Einigkeit darüber, dass der Verkäufer über ihm bekannte verborgene Mängel zur Aufklärung verpflichtet ist. Da das Gesetz zumindest abstrakt definiert, wann ein Mangel vorliegt, kann der Mangelbegriff der Aufklärungspflicht des Unternehmensverkäufers inhaltliche Grenzen verleihen. Der im Mittelpunkt des neuen Gewährleistungsrechtsrechts stehende Begriff der Beschaffenheit ist der Ansicht der Rechtsprechung folgend weit aufzufassen. Die zusätzliche Einschränkung des Parteiwillens bei der Bildung des subjektiven Äquivalenzverhältnisses, indem ein physisches Anhaften der Umweltbeziehung an die Sache verlangt wird, würde entgegen dem Gedanken des Vorrangs des Parteiwillens die Dispositionsfreiheit der Parteien unnötig eingrenzen. Entgegen den Argumenten von Grigoleit/Herresthal verdeutlichen die im Gesetz vorgegebenen Kriterien für das Vorliegen eines objektiven Fehlers, dass die Typisierung nicht anhand körperlichen Eigenschaften erfolgt, sondern anhand der gewöhnlichen und verkehrsüblichen Funktion, die der Sache in seinen rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu seiner Umwelt zukommt. Auch der Kontroll- bzw. Informationsvorsprung des Verkäufers ergibt nicht aus dem spezifischen Zusammenhang zur Körperlichkeit der Sache, sondern ist auf die Eigenschaften des Verkäufers als Eigentümer und sich daraus ergebenden Erfahrungswerten zurückzuführen. Die Beschaffenheit i.S.d. § 434 BGB umfasst alle Umstände, die in irgendeiner Weise mit dem physischen Zustand der Kaufsache zusammenhängen und fähig sind ihren Wert und Brauchbarkeit zu beeinflussen. Insoweit, dass ein Zusammenhang zur Sache besteht, ist ein dauerhaftes Vorliegen irrelevant. Ausreichend ist, wenn die mangelbegründenden Umstände gegenwärtig zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegen. 5. Die analoge Anwendung der Regeln der Sachmängelhaftung auf den Unternehmenskauf gemäß § 453 Abs. 1 BGB ist i.S.d. Ähnlichkeits- und gerade nicht des Gleichheitsvergleichs zu verstehen. Für die modifizierte Anwendung bedarf es der Berücksichtigung der Besonderheiten des Unternehmens als Kaufgegenstand und der daraus folgenden Besonderheiten der Vertragsgestaltung. Die Äquivalenzbildung im Unternehmenskaufvertrag ist mit Schwierigkeiten verbunden, als jedes Unternehmen einer eigenständigen, komplexen Bewertung
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5. Kap.: Zusammenfassung und Ergebnis
bedarf, auf deren Grundlage erst der individuelle Preis ermittelt werden kann. Entscheidend für die Preisbildung beim Käufer ist, dass er sich darüber bewusst wird, welche Bewertungsvoraussetzungen dem geschätzten (subjektiven) Unternehmenswert zugrunde gelegt wurden. Wird ein vorläufiger Preis vereinbart, ergibt der Saldo von Aktiva und Passiva der Abrechnungsbilanz (Eigenkapital) den Wert, den das übertragene Vermögen am Stichtag besitzt, woraus dann der endgültige Kaufpreis festgelegt wird. Die Kaufpreisanpassungsmechanismen zeigen, dass bilanzielle Kennzahlen unmittelbar in das Äquivalenzverhältnis einfließen und den Zustand des Unternehmens als vertragliche Leistung abbilden. Hinsichtlich des Unternehmens, das von einer Kapitalgesellschaft getragen wird, gibt die Gliederung der Bilanz in § 266 HGB Aufschluss über die wesentlichen Bestandteile des Unternehmens. Die Aktivseite im § 266 Abs.2 HGB gibt Aufschluss darüber, über welches Vermögen das Unternehmens verfügt. Die Passivseite stellt im Wesentlichen die Finanz- und Ertragslage dar. Mögen zu diesen Bilanzposten in der Praxis je nach Zweck des Unternehmenskaufs unterschiedliche Gestaltungen in Form von Garantien empfohlen werden, so kann nicht geleugnet werden, dass die Bilanz fähig ist, die Beschaffenheit eines Unternehmens sowohl in seiner Vermögenssubstanz als auch seinem wirtschaftlichem Wert aufgrund seiner Ertragsfähigkeit zu erfassen. Bilanziell wird letztere durch das Eigenkapital dargestellt. Folglich geben bilanzielle Kennzahlen ähnlich den physischen Merkmalen einer Sache Aufschluss über den Zustand eines Unternehmens und stellen die für das vertragliche Äquivalenzverhältnis entscheidenden wertbildenden Faktoren dar. Beschaffenheitsvereinbarungen können einzelne Bilanzposten betreffen aber auch auf das Eigenkapital gerichtet sein. Im Vergleich zu Verbrauchgütern liegen die Besonderheiten des Unternehmenskaufvertrags also primär auf der Ebene der Äquivalenzbildung. Insoweit sich die Parteien hinsichtlich der ihr zugrundeliegenden wirtschaftlichen Werte, sowie Bewertungs- und Anpassungsmethoden geeinigt haben, verfügt der Vertrag über Eigenmechanismen, die negativen Abweichungen des Ist-Zustands vom Soll-Zustand zu beheben bzw. zu korrigieren. Sieht man die Funktion des Gewährleistungsrechts in der Wiederherstellung bzw. der Korrektur des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses, so können die zugrunde liegenden Bewertungsmethoden, Mittel der Kaufpreisermittlung und Kaufpreisanpassung zu Hilfe genommen werden, um den hypothetischen Willen der Parteien zu rekonstruieren. Die Unrichtigkeit von Umsatz- und Ertragszahlen üben unmittelbar Einfluss auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens aus, so dass sie zugleich einen Mangel des Unternehmens darstellt. Bei der Aufstellung von Unternehmenszahlen und -werten, aber auch bei der Bewertung des Unternehmens, bedient man sich den jeweiligen Stichtagen, weil das Unternehmen als dynamischer und lebendiger wirtschaftlicher Gesamteinheit im ständigen Prozess des Erwirtschaftens steht. Die Auslegung des Zustands des Unternehmens bei „Gegenwärtigkeit“ bzw. zum Zeitpunkt des „Gefahrübergangs“ erfährt daher eine Modifizierung im Begriff des Stichtags.
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Mängel am Unternehmenssubstrat sind dann als Unternehmensmängel i.S.d. § 434 BGB i.V. m. § 453 Abs. 1 BGB zu qualifizieren, wenn der Mangel eines einzelnen Gegenstands auf das ganze Unternehmen durchschlägt und das Unternehmen in seinem Wert oder seiner Tauglichkeit beeinträchtigt. In Rechtsprechung und Schrifttum wird zwar die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Tätigkeit hervorgehoben, keineswegs werden jedoch Mängel an Güter, die nicht betriebsnotwendig sind, aber zum Wert des Unternehmens beitragen, explizit ausgeschlossen. Die Diskussion über die Anwendung des Gewährleistungsrechts im Wege des objektiven Fehlerbegriffes betrifft primär die Rolle des Gewährleistungsrechts als dispositives Recht, beim Fehlen des konkreten Parteiwillens den hypothetischen Willen zu rekonstruieren. Da der Käufer eines Unternehmens typischerweise beabsichtigt, das lebende Unternehmen mit allen zu seiner erfolgreichen und reibungslosen Fortführung notwendigen materiellen und immateriellen Gütern zu übernehmen und schließlich von dessen Wirtschaftlichkeit zu profitieren, ist die gewöhnliche Verwendung des Unternehmens in der objektiven Eignung zur Fortführung des Unternehmens zu sehen. Die Besonderheit des Unternehmenskaufs gegenüber dem Sachkauf liegt weniger darin, dass es keinen gewöhnlichen oder mindestens typischen Gebrauch für das Unternehmen gibt, sondern in der Schwierigkeit, die Fähigkeit des Erwirtschaftens, nach der üblichen Verkehrserwartung zu normieren. Kriterien sind etwa aus der Insolvenzordnung zu entnehmen, die für die Bewertung der objektiven Zahlungsunfähigkeit maßgeblich auf bilanzielle Kennzahlen und Rechenwerke abstellt. Deutlich wird, dass die Angaben zu solchen Unternehmenszahlen fähig sind, einen objektiv tragfähigen Schluss auf den Unternehmenszustand und dessen Wert und Tauglichkeit zuzulassen. Mit Hilfe des Rechnungswesens kann der Zustand des Unternehmens in seinem Kern erfasst und normiert werden, so dass für die Haftungsbegründung ein Vergleich von Ist- und Sollzustand sowohl anhand des subjektiven als auch objektiven Fehlerbegriffes möglich ist. Diese nunmehr auch durch die Schuldrechtsmodernisierung positiv angeregte Anwendung des Gewährleistungsrechts hat die Praxis nicht unbedingt dazu veranlasst, aktiv von ihr Gebrauch zu machen. Sie stellt weiterhin auf selbständige vertragliche Garantieabreden ab und bedingt gesetzliche Haftungsregelungen ab. Dieses ist auf den rechtstatsächlichen Befund zurückzuführen, dass die individuelle Vertragsgestaltung zum einen wegen der Komplexität des Unternehmens zum anderen wegen der verschiedenen Vertragszwecke notwendig wird, da diese eine Standardisierung des Vertragsgegenstandes mit der Annahme eines hypothetischen Willens tatsächlich erschweren. 6. In der vorvertraglichen Verständigungsphase kann der aufklärungsnotwendige Inhalt mit dem Mangelbegriff verdichtet werden. Die ihnen gemeinsamen Prinzipien der subjektiven und objektiven Grenzziehung verdeutlichen die Mechanismen der Äquivalenzbildung. Je nach Inhalt der Informationshandlung, wird das Verhältnis von Informationshandlung und Intensität der Haftung offenbart. Angaben über die Beschaffenheit des Unternehmens, die Eingang in den Vertrag gefunden haben und
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von den konkreten Vorstellungen vom Zweck und Gegenstand des Vertrags abweichen, rechtfertigen die Erfüllungshaftung. Eine solche kann aber auch ohne eine vertragliche Begründung dann entstehen, wenn aus objektiver Sicht die Informationen so relevant sind, dass sie den Kern des Unternehmens, seine Beschaffenheit, betreffen. Bei der individuellen Vertragsgestaltung verlagert sich die Bedeutung des vorvertraglichen Informationsproblems: Die Verletzung von vorvertraglichen Informationspflichten kommen nicht unmittelbar als Haftungstatbestand in Geltung, sondern gewinnen ihre Bedeutung darin, dass falsche und unzulängliche Informationen zur Störung des Äquivalenzverhältnisses führen. Die Besonderheit des Unternehmenskaufs liegt gerade darin, dass das Informationsproblem und das Äquivalenzproblem – jeweils von Huber und Canaris gegensätzlich hervorgehoben – wie in keinem anderen Kaufvertrag so eng miteinander verbunden sind. Ursachen des Äquivalenzproblems beim Unternehmenskauf sind in vielen Fällen dem Informationsproblem zuzuordnen. Unabhängig von der Frage, ob man die Störungen des Äquivalenzverhältnisses durch gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Rechtsbehelfe bewältigt, welche schließlich den Entscheidungen der Parteien überlassen ist, bleibt die vorvertragliche Informationsphase relevant. Je klarer die Grenzen der vorvertraglichen Informationspflichten gezogen werden können, desto interessengerechter und vor allem rechtssicherer können die Parteien eines Unternehmenskaufvertrages ihre Transaktion gestalten und durchführen. 7. Für die Bestimmung eines Verhaltensmaßstabs, dessen Verletzung zu einer für den Käufer ungünstigeren Informationslastverteilung führt, ist an der langjährigen Diskussion im Rahmen des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB anzusetzen, inwiefern eine unvollständig oder unsorgfältig durchgeführte Due Diligence als grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers von einem Mangel bewertet werden kann. Angesicht der Tatsache, dass die Durchführung der Due Diligence für beide Parteien sowohl mit Aufwendungen und Risiken als auch mit Vorteilen verbunden ist, erweist sich der Sorgfaltsmaßstab der groben Fahrlässigkeit als ein effizientes Instrument dem Zweck der Due Diligence gerecht zu werden und zugleich den Rechtsverlust des Käufers nicht unnötig einzuschränken. Da es bei der Durchsicht von Datenrauminformationen nicht darum geht, ist für die Bewertung eines grobfahrlässigen Verhaltens entscheidend, ob ein Mangel so offenkundig ist, dass ein passives Unterlassen weiterer Erforschungen dem Effizienzgedanken einer Due Diligence widerspricht und der spätere Verlust von Gewährleistungsrechten gerechtfertigt ist. Aufgrund fehlender standardisierter Bindungswirkungen von Due DiligenceChecklisten, verfügt die Ingebrauchnahme von ihnen über keine Aussagekraft darüber, ob der Erwerbsinteressent die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erbracht hat oder nicht. Die Checklisten geben jedoch Aufschluss darüber, welche Informationen besondere Aufmerksamkeit des Käufers verlangen und welche er vom Verkäufer anfordern muss, weil sie nicht aus den Datenraummaterialien zu entnehmen sind.
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Ferner können Checklisten auf notwendige Maßnahmen der Vertragsgestaltung hinweisen. In der Prüfungswirklichkeit werden Mängel des Unternehmens selten so offen im Datenraum zu Tage liegen, dass ein Übersehen solcher Mängel einen eindeutigen Schluss auf das grobfahrlässige Verhalten des Käufers liefern wird. Ist die Situation nicht eindeutig, kann der Käufer mit Informationshandlungen zum Ausdruck bringen, dass er über einschlägige Informationen nicht aufgeklärt worden ist, dessen Vertragswesentlichkeit er durch die Geltendmachung von Checklistenpunkten in den Verhandlungen erkennbar gemacht hat. Hinsichtlich solcher Angaben, die einer Aufklärungspflicht unterfallen kann dem Käufer zumindest keine grobfahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden. Durch Informationshandlungen kann der Käufer die Informationslast zu seinen Gunsten verlagern, weil hinsichtlich solcher Angaben, deren Wesentlichkeit für den Vertragsschluss der Käufer erkennbar gemacht hat, ihm zumindest keine grobfahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Das Tatbestandsmerkmal des arglistigen Schweigens gewinnt entscheidende Bedeutung in der Praxis, weil es die Grenze für privatautonom getroffene Entscheidungen wie den Ausschluss oder Beschränkung der Haftung darstellt. Die Ursachen für das Scheitern des Unredlichkeitsvorwurfs liegen häufig auf der objektiven Tatbestandsebene, dass der Täuschungstatbestand auf der objektiven Ebene unzureichend begründet ist. Durch eine präzise und konkret erfassbare Täuschungshandlung kann diese Schwelle realistisch überwunden werden. Nach der Rechtsprechung kann eine vorvertragliche Aufklärungspflicht bezüglich Mängel dann bejaht werden, wenn der Verkäufer den Mangel kennt, zugleich er wissen bzw. billigend in Kauf nehmen muss, dass der Käufer bei Kenntnis den Vertrag nicht oder nicht mit solchem Inhalt geschlossen hätte. Arglist wird zwar meistens als Verschuldenselement auf der subjektiven Tatbestandsebene geprüft, im Zusammenhang mit der Begründung der Aufklärungspflicht dient sie – als besondere Ausdrucksform der Kenntnis in der vorvertraglichen Phase – zugleich als subjektives Element des objektiven Tatbestandsmerkmals. Auf der Grundlage der Rechtsprechung, die die Arglist des Verkäufers grundsätzlich dann verneint, wenn der Verkäufer davon ausgeht, dass der Käufer den Mangel kennt, ergibt sich für die Due Diligence-Prüfung folgende Wertungen: Erstens, die Eröffnung des Datenraums lässt zwar nicht von vornherein die Aufklärungspflicht entfallen, der Verkäufer darf jedoch redlicherweise darauf vertrauen, dass dieser erkennbare Mängel des Unternehmens auch zur Kenntnis nimmt. Zweitens, mit der Offenlegung der Unternehmensinterna wird der Verkäufer seiner Aufklärungspflicht nur gerecht, wenn er aufgrund der Umstände berechtigt erwarten kann, dass der Kaufinteressent während des Due Diligence-Prozesses die übergebenen Unterlagen auf bestimmte Gesichtspunkte hin gezielt durchsehen werde. Diese Wertungen liefern eine interessengerechte Lösung für beide Parteien: Der Mangel muss aus den Datenraummaterialien explizit hervorgehen, sei es in Form von
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Sachverständigengutachten oder Erfahrungsberichten. Nur wenn diese erkennbar offen im Datenraum vorliegen, kann der Unternehmensverkäufer darauf vertrauen, dass der Käufer, der die Prüfung anhand von Checklisten untersucht, die Mängel in Kenntnis nehmen wird. Die Grundsätze der sekundären Beweislast und die digitale Dokumentation des Informationsflusses der Parteien stellen eine realistische Chance für den Käufer dar, dem Verkäufer die arglistige Verletzung der Aufklärungspflicht vorzuwerfen. IV.
1. Die Willensbildung des Käufers für den Vertragsschluss kann durch aktive Falschinformation, durch unvollständige Information und durch Unterlassen der Information gestört werden. Eine aktive Täuschung setzt die Verletzung der Wahrheitspflicht durch unrichtige Tatsachenmitteilung voraus. Enthalten die im Datenraum offengelegten Unterlagen wie z. B. Bestandsangaben, Inventarlisten, Handelsregisterangaben und Grundbücher objektive Falschangaben, so stellt die Offenlegung im Datenraum als solche eine Täuschungshandlung dar. Zukunftsbezogene Umstände sind täuschungsfähig, wenn sie einen zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestimmbaren Tatsachenkern haben. Für den Tatsachenbegriff beim Unternehmenskauf gilt, dass bestimmte wertbildende Umstände wie Umsatz, Ertrag, Anlagen, Kunden- und Lieferverträge, täuschungsfähige Tatschen darstellen, die die zukünftige Ertragsfähigkeit des Unternehmens erheblich beeinflussen können. 2. Schwieriger dagegen ist die Ermittlung der Täuschungshandlung, wenn eine Information zwar zutrifft aber durch ihre Unvollständigkeit irreführend ist. Hier kommen zwei Unklarheitssituationen ins Spiel: Eines betrifft die Unklarheit bezüglich eines bestimmten vertragsrelevanten Umstands, worüber keine positiven Angaben gemacht wurden. Da der Erklärende zwar keine eindeutig positive Aussage über einen fraglichen Umstand gemacht hat, jedoch anderweitige Aussagen, die mit diesem inhaltlich im Kontext stehen, wird durch dieses Verhalten eine weitere Unklarheit über den maßgeblichen Erklärungstatbestand geschaffen. Für die Lösung der Unklarheitssituationen stehen zwei Regelungsmechanismen zur Verfügung: Die Auslegung des Erklärungsverhaltens gem. §§ 133, 157 BGB und die Begründung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht. Die Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB als Regelungsmechanismus des Kommunikationsvorgangs bezweckt, das Risiko von Missverständnissen gerecht zu verteilen. Die Verhandlungsparteien müssen sich um „richtiges“ Verstehen seines Verhandlungsgegners bemühen. Ein unzureichendes Auslegungsbemühen führt zu einer Verlagerung der Verständigungslast, indem ein normatives ermitteltes Auslegungsergebnis als gültig erklärt wird.
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Der Zweiteilung des Due Diligence-Verfahrens in die Offenlegung der Informationen im Datenraum zum einen und die Q&A-Phase zum anderen führt zu einem besonderen Verständigungsprozess. Hinsichtlich der initiativen Bereitstellung der Informationen vom Verkäufer ist zu prüfen, ob sie seiner Fachkunde entsprechend verständlich genug aufgestellt worden sind. Für die Bewertung der Deutungsdiligenz des Käufers stellt sich die Frage, ob dieser hätte bestimmte Unklarheiten erkennen und die Unklarheit seinerseits dem Verkäufer erkennbar machen müssen oder den Informationen den von ihm verstandenen Sinn zugrunde legen dürfen. Die Analyse der Due Diligence-Unterlagen für gewerbliche Schutzrechte zeigt, dass bestimmte Informationen, wie etwa solche aus Registerauszügen eingetragener Marken und Patente nicht abschließend sind und selbst mit Unsicherheiten behaftet sind. Unklarheiten, die aus den Unterlagen selbst hervorgehen sind stets dem Empfänger anzulasten. Eindeutige Aussagen des Verkäufers, wie etwa über das Bestehen von Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich bestimmter Rechte, geben keinen Raum für Einwendungen des Käufers, dem Verkäufer etwaige Unklarheiten vorzuwerfen. Die Prüfung der Erfolgsaussichten und die Einschätzung darüber, welche Bedeutung das Verfahren für die Erwerbsmotive des Käufers hat, hat dieser selbst durch weitere Informationshandlungen vorzunehmen. Die Verteilung der Verständigungslast durch Auslegung von Unklarheitssituationen stößt im Due Diligence-Verfahren, da es eine enorme Masse an Informationen zu verarbeiten hat, an ihre Grenzen. Denn es erscheint unrealistisch, alle einzelnen Informationsflüsse auf ihre Unklarheiten und darauf folgenden Missverständnissen hin zu prüfen. 3. Die Unklarheitssituation aufgrund der unvollständigen Information kann ferner gelöst werden, wenn im Wege der Auslegung eine konkludent positive Täuschungshandlung ermittelt werden kann. Das Gesamtverhalten des Erklärenden muss aus objektiver Sicht ausreichend Indizien liefern, damit die Erleichterungen auf der Ebene der Haftungsbegründung dem Käufer berechtigterweise zukommen können. Dafür müssen drei Elemente erfüllt sein: Erstens, muss zwischen Gesagtem und Verschwiegenem ein so enger inhaltlicher Bezug bestehen, dass die einzelnen Handlungseinheiten zusammen zu einem Erklärungstatbestand zusammengefasst werden können (Eröffnung einer Kategorie). Zweitens muss aus dem Gesagten, insbesondere aus seiner Darstellungsform ein initiatives und aktives Tätigwerden des Erklärenden zu entnehmen sein (aktiver Handlungsmodus). Drittens, muss durch das positiv Gesagte bzw. seine Darstellung der „Anschein der Vollständigkeit“ (irreführende Wirkung) erweckt werden. Das Zusammenspiel vom inhaltlichen Zusammenhang und aktiven Handlungsmodus schafft die Deckungswirkung des Gesagten für das Verschwiegene und führt zur rechtlich relevanten irreführenden Wirkung. Dies ist etwa dann zu bejahen, wenn Vertragsrisiken geleugnet, verharmlost oder verniedlicht, der Vertragsgegenstand beschönigt, bestehende Mängel der Kaufsache bagatellisiert werden.
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5. Kap.: Zusammenfassung und Ergebnis
Inwieweit Informationsdarstellungen im Datenraum wegen ihrer Unvollständigkeit als eine konkludent positive Täuschungshandlung qualifizieren lassen, ist zweifelhaft. Weisen die vorangestellten Angaben mit dem Verschwiegenen einen engen inhaltlichen Bezug auf, kann innerhalb der thematisierten Kategorie der „Anschein der Vollständigkeit“ vermittelt werden. Da der Unternehmensverkäufer die Informationen lediglich in den Datenraum stellt, ohne ihre Darstellung besonders zu gestalten, fehlt ein aktiver Handlungsmodus der Täuschungshandlung. Auch wenn der Verkäufer das ausgewählte Datenraummaterial bewusst unvollständig hält, wird dieses Verhalten selten als eine konkludent aktive Täuschungshandlung erfasst werden können. Unvollständige Bilanzangaben sind dann als eine konkludent positive Täuschungshandlung bei Vertragsschluss zu qualifizieren, wenn dem Verkäufer die Wesentlichkeit der Bilanzangaben für den Käufer bewusst waren. Trotz des evidenten Handlungsunrechts, das die Bilanzfälschung aufweist, wird in der Praxis kaum eine Schadensersatzpflicht unmittelbar mit der aktiven Täuschungshandlung begründet, weil sich das subjektive Element der Arglist schwer beweisen lässt. 4. Die Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB schafft es, nur im begrenzten Rahmen das vorvertragliche Informationsproblem zu lösen. Der enge Bezug zum Informationsverhalten und Verständigungsmoment vermögen die inhaltlich-materielle Störung der unterlassenen Information durch Unvollständigkeit nicht hinreichend zu erfassen. Die Zuordnung der Informationsverantwortung im Falle der Unklarheit oder der Unkenntnis des Käufers über einen vertragsschlussrelevanten Umstand lässt sich wie im Falle der unterlassenen Information nach dem Mechanismus der beweglichen Grenzziehung der Aufklärungspflicht auflösen. Das Regime der vorvertraglichen Aufklärungspflicht kommt hinreichend zur Geltung, um den Inhalt der vorvertraglichen Verständigung über den Vertragsgegenstand zu regulieren und ein möglichst dem tatsächlichen Zustand des Vertragsgegenstands entsprechendes Bild vom Zielunternehmen zu vermitteln. Störungen der Willensbildung durch Fehlvorstellungen über das Zielunternehmen, die schließlich auch zu Störungen des Äquivalenzverhältnisses führen können, kann der Käufer sodann mit Hilfe der Erleichterungen auf der Beweislastebene erfolgreich auf die Irreführung des Verkäufers zurückführen.
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Sachwortverzeichnis Aktiengesellschaft 57, 68, 144, 247, 255, Altlast 159 Anteilserwerb 36 ff., 80 Asset Deal 28, 35, 40 ff., 46 ff., 50, 82, 158, 253 ff. Aufklärungspflicht 17, 24 ff., 31 f., 85 ff., 90 – 135, 160, 168 f., 187, 191 – 205, 207 – 253, 258 – 268 Aufsichtsrat 54, 70 Auskunftspflicht 118 Beschaffenheit 18 – 21, 35 ff., 91, 104, 111, 117 – 169, 192 – 208, 215, 261 ff. Beweislast 200 ff., 253 Bieterverfahren 30, 183 Bilanz 16, 22, 36, 47, 50, 59, 68, 75, 85, 97 f., 103 f., 113, 126, 135 – 167, 174, 193, 246 – 268 Bilanzfälschung 246 – 250, 268 Break Fee 77, Business Judgement Rule 55, 66 Checkliste 19, 167, 176 – 193, 199 – 205 Closing 142, 151, 256 Datenraum 19, 28 f., 79 f., 105, 110 – 114, 149, 169, 180, 187 – 205, 213 f., 220, 234 – 238, 244 – 268 Deal Breaker 95, 186, 192, 245 Dingliche Ebene 43 – 49 Due Diligence – Arten 19, 27, 187, 191 – Begriff 25 – 30 – Beweissicherungsfunktion 27 – Gewährleistungsfunktion 25, 191 – Vendor Due Diligence 25, 30 Eigentum 38 – 49, 53, 70 – 95, 134, 173, 176, 190, 243, 253 – 261 Eigentümerwechsel 67 – 69, 80 Eigentumsvorbehalt 96
Eintrittsrecht 109 – 111 Erklärungswert 142, 223 – 253 Ertragslage 27, 48, 59, 98, 112, 141, 146, 215, 244, 247, 262 Ertragswert 98, 153 Ertragswertmethode 151 ff., 218 Erfüllungsgeschäft 44 Garantie 18 ff., 26 – 30, 47, 75 – 84, 110, 123 – 128, 137 ff., 145 – 153, 159 – 168, 182 f., 191 – 195, 207, 218, 237, 258, 262 f. Garantiehaftung 166 Geheimhaltungsvereinbarung 77 – 81, 183, 257 GmbH 21, 37 f., 42, 46 – 52, 54, 58 – 81, 98, 146, 177, 180 f., 247, 254 Gewährleistungsrecht 19 f., 36, 42, 84, 97 – 186, 195, 206, 261 – 266 Gewerbliche Schutzrechte 27, 235 – 238, 267 Grundbuch 189 – 191, 205, 214, 266 Haftungsausschluss 166, 171, 194 f., 207 Haftungsbegrenzung 195 Haftungshöchstbetrag 207 Handelsregister 44, 184, 205, 214, 245, 266 Immobiliarsachenrecht 189 Informationspflicht 22 – 24, 31, 75, 86 – 89, 90 – 93, 109 – 123, 166 f., 186 – 191, 194, 203, 206, 212, 216, 220, 252, 258 f., 264 Informationsdefizit 66, 90, 110 Informationswert 89, 108, 111 – 114, 188 – 192, 246 – 253, 260 Insiderinformation 57 f. Jahresabschluss 16, 50, 85, 102, 145 – 153, 184, 246 ff. Kaufpreisanpassungsmechanismen 75, 146, 262 Kaufpreisbestimmung 26
Sachwortverzeichnis
281
Konkludente Erklärung 210 – 229 Konkurrenzproblem 118, 124, 136, 166, 206 Know-how 35, 67, 79, 149, 160
Treuepflicht 27, 51, 55, 60, 62, 65 f., 75, 78 Treu und Glauben 23, 86, 88, 94, 99 f., 117, 122, 210, 229, 231 ff.
Lagebericht 16, 50, 219, 247 – 250 Letter of Intent 28, 69, 78, 80 f., 183, 257 Lizenzen 20
Unterlassene Information 90, 208, 227, 253, 268 Unternehmensbewertung 140, 144 f., 148, 151, 164, 177 f., 217 f. Unternehmensinteresse 55, 66, 68, 70 – 81, 256 ff. Unternehmenskaufvertrag 17 f., 25, 33, 43, 48, 69, 75 f., 81, 86, 96, 100, 123, 144, 148, 153, 155, 161, 164 ff., 207, 237, 254, 256 f., 261 f., 264 Unternehmensmangel 139, 143, 153, 158 f., 173 ff., 185, 263 Unternehmenswert 68, 75 f., 141, 144, 151, 155, 164, 218, 262 Unternehmung 16, 21, 48, 164 Untersuchungspflicht 172, 175, 179, 185
Management Buy-Out 16, 174 Marken 235 – 238, 267 Mobiliarsachenrecht 190 Nacherfüllung 129, 152, 154, 166 Obliegenheit 31, 172, 173, 175 – 182, 235 Parteiwissen 186, 194 Patente 20, 34 ff., 97, 157, 160, 173, 188, 236, 267 Pflichtenprogramm 31, 43, 105 f., 118, 187 Pflichtentatbestand 90, 118, 120 Rechtsmangel 22, 34, 41 f., 45, 137 Richtigkeit/Unrichtigkeit 24, 87 f., 98, 104, 139, 140 – 143, 149 – 153, 188 – 191, 196, 203, 208, 212 ff., 248 – 251, 262 Sacheinlage 20, 27 Sachmangel 36, 42, 97, 118 – 169, 170 f., 215 ff., 261 Schadensersatz 23, 30, 74, 102, 121, 127 f., 135 f., 154, 165 f., 203, 206, 224, 248 ff., 268 Schuldrechtliche Ebene 45 Schweigepflicht 51, 55, 57, 66, 72, 80, 256 f. Securities Act 26 Share Deal 35, 40, 44 – 48, 50 ff., 81 f., 144, 190, 254 f. Sorgfaltsmaßstab 25, 98, 178, 183 ff., 264 Steuerrecht 28, 32, 45 ff., 68, 139, 145 Substanzwert 155, 218 Synergien 71, 79, 100 Täuschung 106, 120, 194 f., 197, 200, 206 – 222, 225, 227, 238 – 253, 265 – 268 Transaktionsgestaltung 32 f., 45, 46, 254
Verjährung 127 f., 136, 207 Verkehrssitte 172 f., 175 – 183, 187, 229, 231 f. Verständigungspflicht 88, 112, 114 ff., 233 Vertragsfreiheit 82 – 89, 155, 257 f. Vertragsgerechtigkeit 82 – 89, 238, 257 f. Vertragszweck 17, 24, 94 – 124, 149, 165, 167 f., 197 ff., 216, 259, 263 Vertraulichkeitsvereinbarung 28, 80 Vollständigkeit/Unvollständigkeit 24, 98, 183, 186 f., 190, 203, 211 ff., 219 – 253, 266 ff. Vollzug 43 – 49, 145, 254 Wahrheitspflicht 24, 88, 90, 106, 108, 208 – 214, 220, 237, 260, 266 Zielgesellschaft/-unternehmen 16 – 19, 27 – 30, 31 f., 40, 47 f., 50 – 58, 64, 67 – 81, 93 ff., 100, 111, 144 f., 149, 173 – 177, 180, 182, 184 – 192, 196, 203 f., 207, 237, 245, 247, 253, 255 ff., 268 Zurechnung 27, 204, 239 Zustimmung 31, 45, 48, 54, 58, 61, 64, 83