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German Pages 134 [132] Year 1998
EDMUND
HUSSERL
Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins Herausgegeben von Martin Heidegger
3. Auflage
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2000
ι. Auflage 1928 In: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung. Bd. IX
2. Auflage 1980 Die vorliegende Ausgabe ist ein unveränderter Nachdruck. Die in den „Berichtigungen" verzeichneten Änderungen wurden, obwohl die gleiche Schrift nicht zur Verfügung stand, in den Text eingearbeitet.
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Husserl, Edmund: [Sammlung] Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins / Edmund Husserl. Hrsg. von Martin Heidegger. - 3. Aufl., unveränd. Nachdr. [d.] 1. Aufl. 1928 Tübingen: Niemeyer, 2000 ISBN 3-484-70127-7 kart.
ISBN 3-484-70127-7 Kt. © Max Niemeyer Verlag Tübingen 2000 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: A Z Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Nadele Verlags- und Industriebuchbinderei, Nehren
Bibliographische Vorbemerkung Edmund Husserls Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins, herausgegeben von Martin Heidegger, erschienen 1928 im Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. IX, 367-498, lind zugleich als Sonderdruck im Buchhandel bei Max Niemeyer, Halle a. d. S. Innerhalb der Gesammelten Werke-Husserliana (Martinus Nijhoff, Den Haag) erschienen die Vorlesungen als Band X mit handschriftlichen Beilagen im Anhang 1966.
Inhalt. Edmund Hufferls Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins. Herausgegeben von Martin Heidegger
(Marburg a. d. L.). Seite
Vorbemerkung des Herausgebers Er ft er Die
367
[i]
369 373
[3] [7]
Teil.
Vorlefungen über das innere Zeitbewußt· f e i n a u s d e m J a h r e 1905. Einleitung.
§ §
1. flusfchaltung der objektiven Zeit 2. Die Frage nach dem »Uvfpntng der Zeit« Erfter Brentanos
Lebre
flbfebnitt.
vom
Urfpvung
der
Zeit.
§ 3. Die urfprünglichen flffoziationen § 4. Die G e w i n n u n g der Z u k u n f t und der unendlichen Zeit . . § 5. Die A b w a n d l u n g der Vorftellungen durch die Zeitcharaktere . § 6. Kritik Zweiter flnalyfe
des
374 [8] 377 [9] 378 [12] 378 [12]
flbfebnitt.
Zeitbewußtfeins.
§
7. Deutung der Erfaffung v o n Zeitobjekten als Momentanerfaffung und als dauernder A k t 382 [16] § 8. Immanente Zeitobjekte und ibre Erfcheinungsweifen . . . . 385 [19] § 9. Das Bewußtfein von den Erfcheinungen immanenter Objekte . 387 [21] § 10. Die Kontinua der flblaufspbänomene. - Das Diagramm der Zeit 388 [22] § 11. Urimpreffion und r e t e n t i o n a l Modifikation 390 [24] § 1 2 . Retention als Intentionalität 392 [26] § 13. Notwendigkeit des V o r a n g e b e n s einer Impreffion für jede Retention. — Evidenz der Retention 393 [27] § 14. Reproduktion von Zeitobjekten (fekundäre Erinnerung) . . . 395 [29] § 15. Die Vollzugsmodi der Reproduktion 397 [31] § 16. Wahrnehmung als Jet)tiet)ung im Gegenfat> zur Retention . . 397 [31] § 17. Wahrnehmung als felbftgebender A k t im Gegenfat) zur Reproduktion 400 [34] § 18. Bedeutung der Wiedererinnerung für die Konftitution von ZeitObjekten
§ 19. Unterfchied von Retention und Reproduktion (primärer und fekundärer Erinnerung b z w . Pbantafie) § 20. Die »Freiheit« der Reproduktion § 21. Klarbeitsftufen der Reproduktion § 22. Evidenz der Reproduktion § 23. Deckung des reproduzierten Jetjt mit einem Vergangen. Unter· febeidung von Pbantafie und Wiedererinnerung
401
[35]
404 406 407 407
[38] [40] [41] [41]
408 [42]
VI
Inhalt. Seite
§24. §25. §26. § 27. § 28. §29. § 30. § 31. § 32. § 33.
Protentionen in der Wiedererinnerung Die doppelte Intentionalität der Wiedererinnerung Unterfchiede zwifeben Erinnerung und Erwartung Erinnerung als Bewußtfein vom Wahrgenommen -gewefen- fein Erinnerung und Bildbewußtfein. Erinnerung als fegende Reproduktion Gegenwartserinnerung Erhaltung der gegenftändlichen Intention in der retentionalen Abwandlung Urimpreffion und objektiver individueller Zeitpunkt . . . . Anteil der Reproduktion an der Konftitution der einen objektiven Zeit Einige apriorifche Zeitgefetje
410 411 413 414
[44] [45] [47] [48]
416 [50] 417 [51] 418 [52] 420 [54] 425 [59] 426 [60]
Dritter HbfAnitt. Die Konftitutionsftufen der und der Zeitobjekte.
Zeit
§ 34. Scheidung der Konftitutionsftufen § 35. Unterfchiede der konftituierten Einheiten und des k o n f l u i e r e n den Fluffes § 36. Der zeitkonftituierende Fluß als abfolute Subjektivität . . . § 37. Erfcheinungen tranfzendenter Objekte als konftituierte Einheiten § 38. Einheit des Bewußtfeinsfluffes und Konftitution von Gleichzeitigkeit und Folge § 39. Die doppelte Intentionalität der Retention und die Konftitution des Bewußtfeinsfluffes §40. Die konftituierten immanenten Inhalte § 41. Evidenz der immanenten Inhalte. Veränderung und Unveränderung § 42. Impreffion und Reproduktion § 43. Konftitution von Dingerfcbeinungen und Dingen. Konftituierte Huffaffungen und Urauffaffungen § 44. Innere und äußere Wahrnehmung § 45. Konftitution der nid>tzeitlid>en Tranfzendenzen Zweiter
427
[61]
428 [62] 429 [63] 430 [64] 431
[65]
433 [67] 437 [71] 438 [72] 441 [75] 443 [77] 446 [80] 448 [82]
Teil.
Nachträge und E r g ä n z u n g e n zur flnalyfe des Z e i t b e w u ß t f e i n s aus den J a h r e n 1905-10. Beilage I. » II. »
Urimpreffion und Kontinuum der Modifikationen . . . . 450 [84] Vergegenwärtigung und Pbantafie. — ImprefGon und Imagination 452 [86] III. Die Zufammenbangsintentionen von Wahrnehmung und Erinnerung. - Die Modi des Zeitbewußtfeins 455 [89]
»
IV.
»
V.
Wiedererinnerung und Konftitution von Zeitobjekten und objektiver Zeit 459 [93] Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Wahrgenommenem 461 [95]
Inhalt. Beilage VI. Erfaffung des abfoluten Fluffes. - Wahrnehmung in vierfachem Sinn . VII. Konftitution der Gleichzeitigkeit . . . . » VIII. Doppelte Intentionalität des Bewußtfeinsftromes • IX. Urbewußtfein und Möglichkeit der Reflexion X. Objektivation der Zeit und von Dinglichem in der Zeit » XI. Hdäquate u n d inadäquate Wahrnehmung . XII. Das innere Bewußtfein und die Erfaffung von Erlebniffen » XIII. Konftitution fpontanerEinheiten als immanenter Zeitobjekte; Urteil als Zeitgeftalt und abfolutes zeitkonftituierendes Be· wußtfein
VII Seite 463 468 469 471 473 478 481
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486 [120]
Edmund Hufferls Vorleiungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins. Herausgegeben von Martin
H e i d e g g e r (Marburg a. d. L.)·
Vorbemerkung des Herausgebers. Die nachftebenden flnalyfen zur »Phänomenologie des innerer» Zeitbewußtfeins« zerfallen in zwei Teile. Der erfte umfaßt das letjte Stück einer vierftündigen Göttinger Vorlefung »Hauptftücke aus der Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis« aus dem Winterfemefter 1904/5. Während der zweite Band der »Logifrf>en Unter« fuebungen« (1901) die Interpretation der »höheren« Akte der Erkenntnis zum Thema hatte, iollten in diefer Vorlefung die »zu unter ft liegenden intellektiven Akte: Wahrnehmung, Pbantafie, Bildbewußtfein, Erinnerung, Zeitanfcbauung« unterfuebt werden. Der zweite Teil ftammt aus Nachträgen zur Vorlefung und aus neuen ergänzenden Studien bis zum Jahre 1910. Weiterführende, befonders feit 1917 wieder aufgenommene, mit dem Individuationsproblem zufammenhängende Unterfucbungen über das Zeitbewußtfein find einer fpäteren Veröffentlichung vorbehalten. Das durchgehende Thema der vorliegenden Unterfucbung ift die zeitliche Konftitution eines reinen Empfindungsdatums und die einer folchen Konftitution zugrunde liegende Selbftkonftitution der »phänomenologifeben Zeit«. Entfcheidend wird dabei die Herausftellung des intentionalen Charakters des Zeitbewußtfeins und die waebfende grundfät)licbe Klärung der I n t e n t i o n a l i t ä t überhaupt. Das allein macht fchon, von dem befonderen Inhalt der einzelnen Flnalyfen abgefeben, die folgenden Studien zu einer unentbehrlichen Ergänzung der in den »Logifchen Unterfucbungen« zum erftenmal aufgenommenen grundfätjlichen Erhellung der Intentionalität. Auch heute noch ift diefer Ausdruck kein Lofungswort, fondern der Titel eines zentralen P r o b l e m s . Dem Text wurde, von äußeren, den Stil nicht berührenden Glättungen abgefeben, der bewegliche Charakter der Vorlefung ge-
368
(2
Edmund Huffetl,
laffcn. Die freilich immer wieder wechfelnden Wiederholungen w i cht i g e r flnalyfen blieben im Intereffe einer konkreten Nachprüfung des Verftändniffes abfichtlich erhalten. Die Kapitel· und Paragrapheneinteilung wurde von Frl. Dr. S t e i n gelegentlich der Übertragung des ftenographifchen Konzepts im teilweifen flnfchluß an Randbemerkungen des Verfaffers eingefügt. Das Inhaltsverzeichnis und Sachregifter hat Herr Dr. L a n d · g r e b e hergeftellt. M a r b u r g a. d. L., flpril 1928.
Erftec Die V o r l e f u n g e n bewußtfein
Martin
Heidegger.
Teil.
über
das
innere
aus dem J a b r e
Zeit,
1905.
Einleitung. Die Hnalyfe des Zeitbewußtfeins ift ein uraltes Kreuz der deikriptiven Pfychologie und der Erkenntnistheorie. Der erfte, der die gewaltigen Schwierigkeiten, die hier liegen, tief empfunden und fich daran faft bis zur Verzweiflung abgemüht hat, war fluguftinus. Die Kapitel 1 3 - 2 8 des XI. Buches der Confessiones muß auch heute noch jedermann gründlich ftudieren, der fich mit dem Zeitproblem befcbäftigt. Denn herrlich weit gebracht und erheblich weitet gebracht als diefer große und ernft ringende Denker hat es die wiffensftolze Neuzeit in diefen Dingen nicht. Noch heute mag man mit Huguftinus lagen: si nemo a me quaerat, scio, si quaerenti explicare velim, nescio. Natürlich, was Zeit ift, wiffen wir alle; fie ift das flllerbekanntefte. Sobald wir aber den Verfuch machen, uns über das Zeitbewußtfein Rechenfchaft zu geben, objektive Zeit und fubjektives Zeitbewußtfein in das rechte Verhältnis zu fetjen und uns zum Verftändnis zu bringen, wie fid> zeitliche Objektivität, alfo individuelle Objektivität überhaupt, im fubjektiven Zeitbewußtfein konftituieren kann, ja fowie wir auch nur den Verfuch machen, das rein fubjektive Zeitbewußtfein, den phänomenologifchen Gehalt der Zeiterlebniffe einer Hnalyfe zu unterziehen, verwickeln wir uns in die fonderbarften Schwierigkeiten, Widerfprüche, Verworrenheiten. His Husgangspunkt kann unterer Unterfuchung eine Darfteilung von B r e n t a n o s Zeitanalyfe dienen, die er leider nie publiziert,
3]
Vorleiungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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fondern nur in Vorlefungen mitgeteilt bat. Ganz kurz dargeftellt hat fie M a r t y in (einer Schrift über die Entwidmung des Farbenfinnes, die Ende der (iebziger Jahre erfdrienen ift, und mit einigen Worten auch S t u m p f in der Tonpfychologie. § 1. H u s f c h a l t u n g d e r o b j e k t i v e n
Zeit.
Einige allgemeine Bemerkungen müffen noch vorausgeschickt werden. Unfer Hbfehen geht auf eine phänomenologifche Hnalyfe des Zeitbewußtfeins. Darin liegt, wie bei jeder folchen Hnalyfe, der völlige flusfchluß jedweder Annahmen, Feftfetjungen, Überzeugungen in betreff der objektiven Zeit (alter tranfzendierenden Vorausfetjungen von Exiftierendem). In objektiver Hinßcht mag jedes Erlebnis, wie jedes reale Sein und Seinsmoment, feine Stelle in der einen einzigen objektiven Zeit haben - fomit auch das Erlebnis der ZeitWahrnehmung und Zeitvorftellung felbft. Es mag fleh jemand dafür intereffleren, die objektive Zeit eines Erlebniffes, darunter eines zeitkonftituierenden, zu beftimmen. Es mag ferner eine intereffante Unterfuchung fein, feftzuftellen, wie die Zeit, die in einem Zeitbewußtfein als objektive gefetjt ift, fich zur wirklichen objektiven Zeit verhalte, ob die Schalungen von Zeitintervallen den objektiv wirklichen Zeitintervallen entfprechen, oder wie tie von ihnen abweichen. Aber das find keine Aufgaben der Phänomenologie. So wie das wirkliche Ding, die wirkliche Welt kein phänomenologifches Datum ift, fo ift es auch nicht die Weltzeit, die reale Zeit, die Zeit der Natur im Sinne der Naturwiffenfchaft und auch der Pfychologie als Naturwiffenfehaft des Seelifchen. Nun mag es allerdings fcheinen, wenn wir von Hnalyfe des Zeitbewußtfeins, von dem Zeitcharakter der Gegenftände der Wahrnehmung, Erinnerung, Erwartung fprechen, als ob wir den objektiven Zeitverlauf fchon annähmen und dann im Grunde nur die fubjektiven Bedingungen der Möglichkeit einer Zeitanfchauung und einet eigentlichen Zeiterkenntnis ftudierten. Was wir aber hinnehmen, ift nicht die Exiftenz einer Weltzeit, die Exiftenz einer dinglichen Dauer u. dgl., fondern erfcheinende Zeit, erfcheinende Dauer als folebe. Das aber find abfolute Gegebenheiten, deren Bezweiflung finnlos wäre. Sodann nehmen wir allerdings auch eine feiende Zeit an, das ift aber nicht die Zeit der Erfahrungswelt, fondern die i m m a n e n t e Z e i t des Bewußtfeinsverlaufes. Daß das Bewußtfein eines Tonvorgangs, einer Melodie, die ich eben höre, ein Nacheinander aufweift, dafür haben wir eine Evidenz, die jeden Zweifel und jede Leugnung finnlos erfdieinen läßt.
370
Edmund Huffetl,
[4
Was die flusfchaltung der objektiven Zeit betagt, das wird vielleicht nod) deutlicher, wenn wir die Parallele für den Raum durchführen, da ja Raum und Zeit fo viel beachtete und bedeutfame Analogien aufweiten. In die Sphäre des phänomenologifd) Gegebenen gehört das Raumbewußtfein, d. h. das Erlebnis, in dem »Raumanfchauung« als Wahrnehmung und Phantafie fleh voltzieht. Öffnen wir die Rügen, fo leben wir in den objektiven Raum hinein - das heißt (wie die reflektierende Betrachtung zeigt): wir haben vifuelle Empfindungsinhalte, die eine Raumanfchauung fundieren, eine Erfcheinung von fo und ίο gelagerten Dingen. Rbftrahieren wir von aller tranfzendierenden Deutung und reduzieren die Wahrnehmungserfcheinung auf die gegebenen primären Inhalte, fo ergeben fie das Kontinuum des Geflchtsfeldes, das ein quafi-räumliches ift, aber nicht etwa Raum oder eine Fläche im Raum: roh gefprochen ift es eine zweifache kontinuierliche Mannigfaltigkeit. Verhältniffe des Nebeneinander, Übereinander, Ineinander finden wir da vor, gefchloffene Linien, die ein Stück des Feldes völlig umgrenzen ufw. Aber das find nicht die objektiv-räumlichen Verhältniffe. Es hat gar keinen Sinn, etwa zu fagen, ein Punkt des Geflchtsfeldes fei 1 Meter entfernt von der Ecke dietes Tifches hier oder fei neben, über ihm ufw. Ebenfowenig hat natürlich auch die Dingerfcheinung eine Raumftelle und irgendwelche räumlichen Verhältniffe: die Hauserfcheinung ift nicht neben, über dem Haus, 1 Meter von ihm entfernt ufw. Ahnliches gilt nun auch von der Zeit. Phänomenologifche Data flnd die Zeitauffaffungen, die Erlebniffe, in denen Zeitliches im objektiven Sinne ericheint. Wieder find phänomenologifch gegeben die Erlebnismomente, welche Zeitauffaffungen als folche fpeziell fundieren , alfo die evtl. fpezififch temporalen Inhalte (das, was der gemäßigte Nativismus das urfprünglicb Zeitliche nennt). Hber nichts davon ift objektive Zeit. Durch phänomenologifche Hnalyfe kann man nicht das Mindefte von objektiver Zeit vorfinden. Das »ur· fprüngliche Zeitfeld« ift nicht etwa ein Stück objektiver Zeit, das erlebte Jetjt ift, in iich genommen, nicht ein Punkt der objektiven Zeit ufw. Objektiver Raum, objektive Zeit und mit ihnen die objektive Welt der wirklichen Dinge und Vorgänge - das alles find Tranizendenzen. Wohl gemerkt, tranfzendent ift nicht etwa der Raum und die Wirklichkeit in einem myftiichen Sinne, als »Ding an iich«, fondern gerade der phänomenale Raum, die phänomenale räum-zeitliche Wirklichkeit, die erfcheinende Raumgeftalt, die erfcheinende Zeitgeftalt. Das alles find keine Erlebniffe. Und die Ordnungszufammenbänge, die in den Erlebniffen als echten Im-
5)
Votlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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manenzen zu finden find, laffcn ficb nicht in der empirifchen, objektiven Ordnung antreffen, fügen fid) ihr nicht ein. In eine ausgeführte Phänomenologie des Räumlichen gehörte auch eine Unterfuchung der Lokaldaten (die der Nativismus in pfycbologifcher Einteilung annimmt), welche die immanente Ordnung des »Gefien Sinne erfaffen, eine objektive Wirklichkeit in dem Sinne, in welchem von objektiven Dingen, Ereigniffen, Verhältniffen, von objektiver Raumlage und Zeitlage, von objektiv wirklicher Raumgeftalt und Zeitgeftalt ufw. die Rede ift. Blicken wir auf ein Stück Kreide hin; wir fchließen und öffnen die fiugen. Dann haben wir zwei Wahrnehmungen. Wir fagen dabei: wir fehen diefelbe Kreide zweimal. Wir haben dabei zeitlich getrennte Inhalte, wir erichauen auch ein phänomenologifches zeitliches Auseinander, eine T r e n n u n g , aber am Gegenftand ift keine Trennung, er ift derfelbe: im Gegenftand Dauer, im Phänomen Wechfel. S o können wir auch fubjektiv ein zeitliches Nacheinander empfinden, wo objektiv eine Koexiftenz feftzuftellen ift. Der erlebte Inhalt wird »objektiviert«, und nun ift das Objekt aus dem Material der erlebten Inhalte in der Weife der fiuffaffung konftituiert. Der Gegenftand ift aber nicht bloß die Summe oder Komplexion diefer »Inhalte«, die in ihn garnitht eingehen, er ift mehr als Inhalt und anderes. Die Objektivität gehört zur »Erfahrung« und zwar zur Einheit der Erfahrung, zum erfahrungsgefetjlichen Zufammennang der Natur. Phänomenoiogifch gefprochen: die Objektivität konftituiert fich eben nicht in den »primären« Inhalten, fondern in den
7]
Vorlefungen zur Phänomenologie dee inneren Zeitbewußtfeins.
373
Huffaffungscharakteren und in den zu dem Wefen diefer Charaktere gehörigen Gefetjmäßigkeiten. Das voll zu durchfchauen und zum klaren Verftändnis zu bringen, ift eben Erkenntnisphänomenologie. §2.
Die
Frage
nach
dem
»Urfprung
der
Zeit«.
Wir verfteben nach diefen Reflexionen auch den Unterfcbied der pbänomenologiieben (bzw. erkenntnistbeoretifchen) Urfprungsfrage von der pfycbologifchen hinfichtlicb aller f ü r E r f a h r u n g konftitutiven Begriffe, und fo auch binfichtlich des Zeitbegriffs. D i e e r k e n n t nistheoretifebe F r a g e natb der Möglichkeit der E r · f a b r u η g (die zugleich die F r a g e nach d e m W e s e n d e r E r f a h · r u n g ift) e r f o r d e r t den Rückgang zu den pbänomenologifchen Daten, aus denen das E r f a h r e n e phänomenologifch beftebt. Sofern das E r f a h r e n durch den Gegenfat; zwifchen »uneigentlich« und »eigentlich« gefpalten wird und die eigentliche E r f a h r u n g , die intuitive und letjtlicb adäquate, das Richtmaß d e r E r f a b r u n g s b e w e r t u n g hergibt, b e d a r f es befonders der Phänomenologie der »eigentlichen« Erfahrung. D e m g e m ä ß führt auch die F r a g e nach dem Wesen der Zeit zurück auf die F r a g e nach dem » U r f p r u n g « d e r Z e i t . Dieie U r f p r u n g s f r a g e ift a b e r auf die p r i m i t i v e n Geftaltungen des Zeitbewußtseins gerichtet, in denen die primitiven Differenzen des Zeitlichen fich intuitiv und eigentlich als die originären Quellen aller auf Zeit bezüglichen Evidenzen k o n f l u i e r e n . Diefe Urfprungs* frage darf nicht verwecbfelt w e r d e n mit d e r F r a g e n a c h d e m p f y c b o l o g i f c b e n U r f p r u n g , der S t r e i t f r a g e des E m p i r i s m u s u n d N a t i v i s m u s . B e i der letjteren ift gefragt nach dem urfprünglichen E m p f i n d u n g s m a t e r i a l , aus dem die o b j e k t i v e R a u m - u n d Z e i t a n f c b a u u n g im menfchlichen Individuum und fogar in der Gattung entftebt. Uns ift die F r a g e nach der empirifeben Genesis gleichgültig, uns intereffieren die E r · lebniffe nach ihrem gegenftändlicben Sinn und ihrem defkriptiven Gebalt. Die pfychologifche Apperzeption, welche die Erlebniffe als pfychifcbe Zuftände von empirifeben P e r f o n e n , p f y c b o p b y f i f c b e n S u b j e k t e n , a u f f a ß t und zwifchen ihnen fei es rein pfychifcbe, fei es pfycbopbyfifcbe Zufammenbänge aufdeckt und das W e r d e r , Sicbgeftalten und Umgeftalten der pfychifchen Erlebniffe η a t u r · g e f e t j l i c b v e r f o l g t , diefe pfychologifche Apperzeption ift eine ganz andere als die p b ä n o m e n o l o g i f e b e . Die Erlebniffe werden von uns keiner Wirklichkeit eingeordnet. Mit der Wirklichkeit haben wir es n u r zu tun, infofern fie gemeinte, vorgeftellte, ange-
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Edmund Huffed,
(8
fchaute, begrifflich gedachte ift. Bezüglich des Zeitproblems heißt das: die Zeit e r l e b η i f f e intereffieren uns. Daß fie felbft objektiv zeitlich beftimmt Find, d a ß f i e i n d i e W e l t d e r D i n g e u n d p f y c h i f c h e n S u b j e k t e h i n e i n g e h ö r e n und darin ihre Stelle, ihre W i r k f a m k e i t , ihr empirifches Sein und Entftehen haben, das geht uns nichts an, davon wiffen wir nichts. Dagegen intereffiert uns, daß in diefen Erlebniffen »objektiv zeitliche« Daten g e m e i n t find. Es gehört zum Bereich der Phänomenologie eben diese Be» fchreibung, d a ß die betreffenden Akte diefes oder jenes »Objektive« m e i n e n , genauer die flufweifung der apriorifchen Wahrheiten, die zu den konftitutiven Momenten der Objektivität gehören. Das H p r i o r i d e r Z e i t fuchen wir zur K l a r h e i t zu bringen, indem wir das Z e i t b e w u ß t f e i n durchforfchen, feine wefentliche Kon· ftitution zutage fördern und die evtl. der Zeit fpezififch zugehörigen fluffaffungsinhalte und flktcharaktere herausftellen, zu welchen die apriorifchen Zeitcharaktere effentiell gehören. Natürlich meine ich hierbei Gefetje diefer felbftverftändlichen Hrt: daß die fefte zeitliche Ordnung eine zweidimenfionale unendliche Reihe ift, daß zwei verfchiedene Zeiten nie zugleich fein können, daß ihr Verhältnis ein ungleichfeitiges ift, daß Tranfitivität befteht, daß zu jeder Zeit eine frühere und eine fpätere gehört ufw. — Soviel zur allgemeinen Einleitung. Erfter
flbfcbnitt.
Brentanos Lehre vom Urfprung der Zeit. §3.
Die
u r f ρ r ü n g l i ch e n
Hffoziationen.
Wir wollen nun verfuchen, durch Anknüpfung an Brentanos Lehre vom Urfprung der Zeit einen Zugang zu den aufgeworfenen Problemen zu gewinnen. Brentano glaubt die Löfung gefunden zu haben in den urfprünglichen flfioziationen, in der »Entftehung der unmittelbaren Gedächtnisvorftellungen, die ficb nach einem ausnabmslofen Gefet) an die jeweiligen Wahrnebmungsvorftellungen ohne jede Vermittlung anfchließen«. Wenn wir etwas fehen, hören oder überhaupt wahrnehmen, fo gefchieht es regelmäßig, daß das Wahrgenommene eine Zeitlang gegenwärtig bleibt, aber nicht ohne iich zu modifizieren, flbgefeben von anderen Veränderungen, wie der Intenfität und Fülle, die bald in geringerem, bald in merklicherem Grade eintreten, ift ftets noch eine andere und befonders eigentümliche zu konftatieren: daß nämlich das folcher Art im Bewußtfein Verbleibende uns als ein mehr oder minder Vergangenes, als ein gleichfam zeitlich Zurückgefchobenes erfcheint. Wenn ζ. B. eine
9l
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
375
Melodie erklingt, fo verfcbwindet der einzelne Ton nicht völlig mit dem Aufhören des Reizes bzw. der durch ihn erregten Nervenbewegung. Wenn der neue Ton erklingt, ift der vorangegangene nicht fpurlos verfchwunden, fonft wären wir ja auch unfähig, die Verbältniffe aufeinanderfolgender Töne zu bemerken, wir hätten in jedem Augenblick einen Ton, evtl. in der Zwifchenzeit zwischen dem finfchlag zweier Töne eine leere Phafe, niemals aber die Vorftellung einer Melodie, flndererfeits bat es mit dem Verbleiben der Tonvorftellungen im Bewußtfein nicht fein Bewenden. Würden iie unmodifiziert bleiben, dann hätten wir ftatt einer Melodie einen Akkord gleichzeitiger Töne oder vielmehr ein disharmonifches Tongewirr, wie wir es erhalten, wenn wir alle Töne, foweit Tie bereits erklungen find, gleichzeitig anfchlagen. Erft dadurch, daß jene eigentümliche Modifikation eintritt, daß jede Tonempfindung, nachdem der erzeugende Reiz verfchwunden ift, aus fich felbft heraus eine ähnliche und mit einer Zeitbeftimmtheit verfebene Vorftellung erweckt, und daß diefe zeitliche Beftimmtheit fich fortgefetjt ändert, kann es zur Vorftellung einer Melodie kommen, in welcher die einzelnen Töne ihre beftimmten Plätje und ihre beftimmten Zeitmaße haben. Es ift alfo ein allgemeines Gefetj, daß an jede gegebene Vorftellung fich von Natur aus eine kontinuierliche Reibe von Vorftellungen anknüpft, wovon jede den Inhalt der vorhergehenden reproduziert, aber fo, daß fie der neuen ftets das Moment der Vergangenheit anheftet. So erweift fich hier die Phantafie in eigentümlicher Weife als produktiv. Es liegt hier der einzige Fall vor, wo fie in Wahrheit ein neues Moment der Vorftellungen fchafft, nämlich das Zeitmoment. So haben wir auf dem Gebiet der Phantafie den Urfprung der Zeitvorftellungen entdeckt. Die Pfychologen bis auf Brentano haben iicb vergeblich bemüht, die eigentliche Quelle diefer Vorftellung aufzufinden. Es lag dies an einer allerdings nahe liegenden Vermifchung von fubjektiver und objektiver Zeit, welche die pfychologifchen Forfcher beirrte und fie das eigentliche Problem, das hier vorlag, garnicht fehen ließ. Viele meinen, die Frage nach dem Urfprung des Zeitbegriffs fei nicht anders zu beantworten als die nach dem Urfprung unterer Begriffe von Farben, Tönen ufw. So wie wir eine Farbe empfinden, fo empfinden wir auch die Dauer der Farbe; wie Qualität und Intenfität, fo fei auch zeitliche Dauer ein immanentes Moment der Empfindung. Der äußere Reiz errege durch die Form der phyfifchen Prozeffe die Qualität, durch ihre
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Edmund Hufferl,
no
lebendige K r a f t die Intenßtät und durch (eine F o r t d a u e r die fubjektiv empfundene Dauer, fiber das ift ein handgreiflicher Irrtum· D a m i t , daß der Reiz d a u e r t , ift noch nicht getagt, daß die Empfindung als dauernd empfunden w i r d , fondern n u r , daß auch die Empfindung dauert. D a u e r der Empfindung und Empfindung der D a u e r ift zweierlei. Und ebenio fteht es mit der Sukzeffion. Sukzeffion von Empfindungen und Empfindung d e r Sukzeffion ift nicht dasfelbe. Genau denfelben Einwand müffen wir natürlich denjenigen m a c h e n , welche die Vorftellung der D a u e r und Sukzeffion auf die Tatfache d e r Dauer und Sukzeffion der pfychifcben fikte zurückführen wollen. Indeffen führen wir die Überlegung fpeziell für Empfindungen durch. E s w ä r e nun denkbar, daß untere Empfindungen dauerten oder aufeinander folgten, ohne daß w i r doch das Geringfte davon wüßten,. weil unfere Vorftellungen nicht das mindefte von zeitlicher Beftimmtheit an fich trügen. Betrachten wir ζ. B . den Fall einer Sukzeffioit und nehmen w i r a n , die Empfindungen verfchwänden mit den verurfachenden Reizen, dann hätten wir eine Sukzeffion von Empfindungen ohne eine Ahnung von einem zeitlichen Verlauf. Mit dem Auftauchen der neuen Empfindung hätten w i r ja keine E r i n n e r u n g m e h r an das Gewefenfein der f r ü h e r e n ; wir hätten in jedem Moment n u r Bewußtfein von der eben erzeugten Empfindung und nichts weiter, fiber auch ein F o r t d a u e r n der bereits erzeugten Empfindungen w ü r d e uns noch nicht zur Vorftellung der Sukzeffion verhelfen. Würden im Falle einer Sukzeffion von T ö n e n die f r ü h e r e n , fo wie fie w a r e n , fich forterbalten, während zugleich neue und neue erklingen, dann hätten wir gleichzeitig eine S u m m e von T ö n e n , a b e r keine Sukzeffion von Tönen in unterer Vorftellung. Gegenüber dem F a l l , daß alle diefe Töne zugleich e r k l ä n g e n , beftände kein Unterfchied. Oder ein anderes Beifpiel: würde im Fall einer B e w e g u n g der bewegte Körper in feiner jeweiligen Lage unverändert im Bewußtfein feftgehalten, dann erfchiene uns der durchlaufene Raum kontinuierlich erfüllt, a b e r wir hätten nicht die Vorftellung einer B e w e g u n g . Erft dadurch kommt es zur Vorftellung der Sukzeffion, daß die frühere Empfindung nicht unverändert im Bewußtfein verh a r r t , fondern fich in der befchriebenen Weife eigentümlich modifiziert und zwar von Moment zu Moment fortgelegt modifiziert. S i e erhält beim Übergang in die Phantafie den fich ftetig verändernden zeitlichen Charakter, von Moment zu Moment erfcheint fo der Inhalt m e h r und mehr zurückgefchoben. Diefe Modifikation ift
Ii)
Votlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
377
aber nicht mehr Sache der Empfindung, Tie wird nicht durch den Reiz bewirkt. Der Reiz erzeugt den gegenwärtigen Empfindungsinhalt. Verfchwindet der Reiz, fo verfchwindet auch die Empfindung. Aber die Empfindung wird nun felbft fchöpferifd): fie erzeugt fid) eine inhaltlich gleiche oder nahezu gleiche und durch den zeitlichen Charakter bereicherte Phantafievorftellung. Diefe Vorftellung weckt wieder eine (ich ftetig an fie angliedernde neue uff. Diefe ftetige Anknüpfung einer zeitlich modifizierten Vorftellung an die gegebene nennt Brentano »urfprüngliche flffoziation«. In der Konfequenz feiner Theorie kommt Brentano dazu, die Wahrnehmung von Sukzeffion und Veränderung zu leugnen. Wir glauben eine Melodie zu hören, alfo auch eben Vergangenes noch zu hören, indeffen ift dies nur Schein, der von der Lebhaftigkeit der urfprünglichen flffoziation herrührt. § 4.
Die G e w i n n u n g der Z u k u n f t u n d die unendliche Zeit.
Die Zeitanfchauung, die durch urfprüngliche flffoziation entfteht, ift noch keine flnfchauung von der unendlichen Zeit. Sie erfährt eine weitere flusgeftaltung und zwar nicht n u r hinfichtlich der Vergangenheit, fie erhält einen ganz neuen Zweig durch die Hinzufügung der Zukunft, fluf die Erfcheinung des Momentangedächtniffes geftütjt, bildet die Phantafie die Vorftellungen der Zukunft in einem Prozeß, der demjenigen ähnlich ift, durch den wir unter Umftänden zu Vorftellungen gewiffer neuer Arten von Farben und Tönen gelangen, indem wir den bekannten Verhältniffen und Formen folgen. In der Phantafie können wir eine Melodie, die wir in einer beftimmten Tonart, auf Grund ganz beftimmter Tonfpezies gehört haben, auf andere Lagen übertragen. Dabei kann es ganz wohl fein, daß wir, von bekannten Tönen ausgebend, zu Tönen kämen, die wir noch gar nicht gehört haben. So ähnlich bildet die Phantafie aus der Vergangenheit die Vorftellung der Zukunft, nämlich in der Erwartung. Es ift eben eine irrige Anficht, daß die Phantafie nichts Neues zu bieten vermöge, daß fie fich in Wiederholung derjenigen Momente erfchöpfe, die bereits in Wahrnehmungen gegeben waren. Was endlich die volle Zeitvorftellung, die Vorftellung der unendlichen Zeit anlangt, fo ift fie ein Gebilde des begrifflichen Vorftellens ganz fo wie die unendliche Zahlenreihe, der unendliche Raum ufw.
378
Edmund Hufferl,
§ 5.
(12
D i e A b w a n d l u n g d e r V o r ft e H u n g e n durcfc d i e Z e i t c b a r a k t e r e .
Noch eine befonders wichtige Eigentümlichkeit muß man nach Brentano innerhalb der Zeitvorftellung beachten. Die Zeitfpezies der Vergangenheit und Zukunft haben das Eigentümliche, daß fie die Elemente der finnlichen Vorftellung, mit denen fie fid> verbinden, nicht fo wie dies fonftige hinzutretende Modi tun, determinieren, fondern alterieten. Ein lauterer Ton c i f t doch ein Ton c , ein weicherer Ton c desgleichen; dagegen i f t ein g e w e f e n e r Ton c k e i n Ton c , ein gewefenes Rot kein Rot. Die zeitlichen Beftimmungen determinieren nicht, fie alterieren wefentlich, ganz ähnlich wie die Beftimmungen »vorgeftellt·, »gewünfcbt« und dgl. es tun. Ein vorgeftellter, ein möglicher Taler i f t kein Taler. Nur die Beftimmung »jeijt« macht eine Ausnahme. Das jet)t feiende Α ift ja ein wirkliches A. Die Gegenwart alteriert nicht, aber fie determiniert andererfeits auch nicht. Füge ich zur Vorftellung eines Menfdien hinzu das Jetjt, fo gewinnt der Menfch dadurch kein neues Merkmal, bzw. es wird an ihm kein Merkmal bezeichnet. In der Wahrnehmung kommt dadurch, daß fie etwas als Jetziges vorftellt, zu der Qualität, Intenfität und örtlichen Beftimmtbeit nichts hinzu. Die modifizierenden Zeitprädikate find nach Brentano irreale, real ift nur die Beftimmung des Jetjt. Dabei ift das Merkwürdige, daß die irrealen Zeitbeftimmungen zu einet kontinuierlichen Reihe gehören können mit einer einzigen wirklich realen Beftimmtheit, an die fie fich in infinitefimalen Differenzen anfchließen. Das reale Jetjt wird nun immer wieder irreal. Fragt man, wie das Reale durch Hinzutreten der modifizierenden Zeitbeftimmungen zum Irrealen werden könne, fo läßt fich keine andere Antwort geben als die: daß an jedes Entftehen und Vergehen, das in der Gegenwart ftattbat, zeitliche Beftimmungen jegliAer Art in gewiffer Weife als notwendige Folge geknüpft find. Denn alles, was ift, das wird, wie völlig evident und felbftverftändlich ift, in Folge davon, daß es ift. g e w e f e n f e i n , und es ift in Folge davon, daß es ift, ein zukünftig Gewefenes. § 6. Kritik. Gehen wir nun zur Kritik der dargeftellten Theorie über, fo muffen wir zunäcbft fragen: was leiftet fie und was will fie leiften? Offenbat bewegt fie fich nicht auf dem Boden, den wir als notwendig für eine pbänomenologifcbe flnalyfe des Zeitbewußtfeins erkannten: fie arbeitet mit tranfzendenten Vorausfetjungen, mit exil i e r e n d e n Zeitobjekten, die .Reize« ausüben und in uns Empfin-
13j
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
379
düngen »bewirken« und dgt. Sie gibt Geh atfo als eine Theorie vom pfychologifcben Urfprung der Zeitvoriteltung. Zugleich aber enthält fie Stücke einer erkenntnistheoretifchen Erwägung über Bedingungen der Möglichkeit eines Bewußtfeins von objektiver Zeitlichkeit, das felbft als Zeitlichkeit erfcheint und foil ericheinen können. Dazu kommen die fiuseinanderfetjungen über die Eigentümlichkeiten der Zeitprädikate, die zu pfychologifdien und phänomenologifchen Prädikaten in Beziehung ftehen müffen, Beziehungen, die aber nicht weiter verfolgt find. Brentano fpriebt von einem Gefetj urfprünglicher flffoziation, wonach fich an jeweilfge Wahrnehmungen Vorftellungen eines momentanen Gedächtniffes anfcbließen. Gemeint ift damit offenbar ein pfychotogifches Gefet) der Neubildung von pfychifchen Erlebniffen auf Gcund gegebener pfychifcher Erlebniffe. Diefe Erlebniffe find pfychifche, fie find objektiviert, fie haben felbft ihre Zeit, und von ihrem Werden und Hervorgebrachtwerden ift die Rede. Dergleichen gehört ins Gebiet der Pfychologie und intereffiert uns hier nicht. Jedoch fteckt ein phänomenologifcher Kern in diefen Betrachtungen, und an den allein wollen fich die folgenden Ausführungen halten. Dauer, Sukzeffion, Veränderungen erfcheinen. Was liegt in diefem Ericheinen? In einer Sukzeffion ζ. B. erfcheint ein »Jetjt« und in Einheit damit ein »Vergangen«. Die Einheit des Gegenwärtiges und Vergangenes umfpannenden Bewußtfeins ift ein phänomenologifches Datum. Es ift nun die Frage, ob wirklich, wie Brentano es behauptet, das Vergangene in diefem Bewußtfein in der Weife der Phantafie erfcheint. Wo Brentano von der Gewinnung der Zukunft fptiebt, fcheidet er zwifchen originärer Zeitanfchauung, die nach ihm das Gefchöpf der urfprünglichen flffoziation ift, und erweitertet Zeitanfchauung, die auch der Phantafie 1 } entfpringt, aber nicht der urfprünglichen flffoziation. Wir können auch fagen: der Zeitanfchauung fteht gegenüber die uneigentliche Zeitvorftellung, die Vorftellung der unendlichen Zeit, der Zeiten und Zeitverhältniffe, die nicht anfchaulich realifiert find. Es ift nun höchft auffallend, daß Brentano den fich hier aufdrängenden Unterfchied von Zeitwahrnehmung und Zeitphantafie, den er unmöglich überfehen haben kann, in feiner Theorie der Zeitanfchauung garnicht berückfichtigt. Mag er auch die Rede von Wahrnehmung eines Zeitlichen (mit Ausnahme des Jetytpunktes 1) »Phantafie« umfpannt hier immer alle vergegenwärtigenden Hkte, ift nicht im Gegenfatj zu fetjenden Akten gebraucht.
380
Edmund Hufferl,
als der Grenze zwifeben Vergangenheit und Zukunft) ablehnen: der Unterfcbied, welcher der Rede vom Wahrnehmen einer Sukzeffion und vom Sieberinnern einer dereinft wahrgenommenen Sukzeffion (oder auch der bloßen Phantafie einer foleben) zugrunde Hegt, läßt lieh doch nicht wegleugnen und muß irgendwie aufgeklärt werden. Ift fchon die originäre Zeitanfchauung ein Gefchöpf der Phantatie, was unterfcheidet dann diefe Phantafie von Zeitlichem von derjenigen, in welcher ein vergangenes Zeitliches bewußt ift, ein folches alfo, das nicht in die Sphäre der urfprünglichen fiffoziation gehört, nicht in einem Bewußtfein zufammengefchloffen ift mit der MomentanWahrnehmung, fondern es dereinft mit einer vergangenen Wahr» nehmung w a r ? Bedeutet die Vergegenwärtigung der geftern erlebten Sukzeffion eine Vergegenwärtigung des geftern originär erlebten Zeitfeldes und ftellt fieb diefes felbft fchon als ein Kontinuum von urfprünglicb affoziierten Pbantafien dar, fo hätten wir es jet>t mit Pbantafien von Pbantafien zu tun. W i r ftoßen hier auf ungelöfte Schwierigkeiten der Brentanoichen Theorie, die die Richtigkeit feiner Analyfe des originären Zeitbewußtfeins in Frage ftellen.') Daß er der Schwierigkeiten nicht Herr werden konnte, liegt außer an dem angegebenen noch an anderen Mängeln. Brentano febeidet nicht zwifeben Akt und Inhalt bzw. zwifchen Akt, ftuffaffungsinhatt und aufgefaßtem Gegenftand. Wir müffen uns aber klar werden, auf weffen Rechnung das Zeitmoment zu fetjen ift. Wenn die urfprüngliche Hffoziation eine ftetige Folge von Vorftellungen an die jeweilige Wahrnehmung anfchließt und dadurch das Zeitmoment erzeugt wird, fo müffen wir fragen: was ift das für ein Moment? Gehört es zum fiktcharakter als eine wefentlicb ihm eigene Differenz oder zu den Huffaffungsinhalten, etwa den flnnlicben Inhalten, wenn wir ζ. B . Farben, Töne in ihrem zeitlichen Sein betrachten? Nach Brentanos Lehre, daß das Vorftellen als folches keine Differenzierungen zulaffe, daß es zwifeben den Vorftellungen als folchen, abgefehen von ihren primären Inhatten, keine Unterfchiede gäbe, bliebe nur übrig, daß fid) den primären Inhalten der Wahrnehmung kontinuierlich Phantasmen und wieder Phantasmen anfchließen, qualitativ gleichen, nur etwa nach Intenfität und Fülle abnehmenden Inhalts. Parallel damit fügt die Phantafie ein neues Moment hinzu, das zeitliche. Diefe Ausführungen find in verfebiedener Hinficht unbefriedigend. Zeitcharaktere, Sukzeffion und Dauer finden wir nicht bloß an den primären Inhalten vor, 1) Di2 entfpreebenden pofitiven
fiusfübrungen
vgl. § 19, S . 404 ff.
15]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
38t
fondern auch an den aufgefaßten Objekten und den auffaffenden Akten. Eine Zeitanalyfe, die lieb auf eine Schicht befchränkt, ift nicht zureichend, fie muß vielmehr allen Schichten der Konftitution folgen. Sehen wir aber von allen tranfzendierenden Deutungen ab und verfuchen wir für die immanenten Inhalte die fluffaffung durchzuführen, daß die zeitliche Modifikation durch das Hinzutreten eines mit dem fonftigen Inhaltsablauf, mit Qualität, Intenfität ufw. fich verflechtenden Moments, genannt Zeitmoment, zu verftehen fei. Ein erlebter Ton fl fei jet)t eben erklungen, e r fei durch urfprüngliche flffoziation erneuert und feinem Inhalt nach kontinuierlich feftgehatten. Das hieße a b e r : fl ift (allenfalls bis auf Intenfitätsfchwächungen) g a r nicht vergangen, fondern gegenwärtig geblieben. Der ganze Unterfebied beftände darin, daß die flffoziation auch fchöpferifch fein foil und ein neues Moment, genannt »vergangen«, hinzufet)t. Diefes Moment ftuft fich ab, ändert fich kontinuierlich, und je nachdem ift Fi mehr oder minder vergangen. Es müßte alfo die Vergangenheit, foweit fie in die Sphäre der originären Zeitanfchauung fällt, zugleich Gegenwart fein. Das Zeitmoment »vergangen« müßte in demfelben Sinne ein gegenwärtiges Erlebnismoment fein wie das Moment Röte, das wir aktuell erleben — was doch ein offenbarer Widerfinn ift. Man wird vielleicht einwenden, Η felbft fei vergangen, im Bewußtfein aber fei vermöge der urfprünglichen flffoziation ein neuer Inhalt fl mit dem Charakter des »vergangen«. Indeffen, wenn ein gleicher Inhalt fl immerfort im Bewußtfein ift, fei es auch mit einem neuen Moment, dann ift eben fl nicht vergangen, fondern gegenwärtig; fomit ift es jet)t gegenwärtig und immerfort gegenwärtig und dies mitfamt dem neuen Moment »vergangen«, vergangen und gegenwärtig in eins. - flber woher wiffen wir denn, daß ein fl früher gewefen, fchon vor dem Dafein diefes gegenwärtigen gewefen ift? Woher haben wir die Idee der Vergangenheit? Das Gegenwärtigfein eines fl im Bewußtfein, durd> Anknüpfung eines neuen Moments, mögen wir es auch Moment des Vergangen nennen, vermag nicht das tranfzendierende Bewußtfein zu erklären: es fei fl vergangen. Es vermag nicht die entferntefte Vorftellung davon zu geben, daß das, was ich je$t als fl im Bewußtfein habe mit feinem neuen Charakter, identifch fei mit etwas, was je^t nicht im Bewußtfein ift, vielmehr gewefen ift. - Was find denn die jetjt erlebten Momente der urfprünglichen flffoziation? Sind fie etwa felbft Zeiten? Dann kommen wir auf den Widerfprucb: all diefe Momente find jetjt da, find im felben Gegenftandsbewußtfein befcbloffen, fie
Edmund Hufferl,
382
[16
find alio gleichzeitig. Und doch fcftließt das Nacheinander der Zeit das Zugleich aus. Sind fie etwa nicht die zeitlichen Momente felbft, fondern vielmehr Temporalzeichen? Aber damit haben wir ziinächft nur ein neues Wort, das Bewußtfein der Zeit ift noch nicht ana· lyfiert, es ift noch nid>t klar gemacht, wie Bewußtfein von einer Vergangenheit fich auf Grund folcher Zeichen konftituiert, in welchem S i n n , in welcher A r t , durch welche Auf faff ungen diefe erlebten Momente anders fungieren als die Qualitätsmomente und fo fungieren, daß eben Beziehung des Bewußtfeins, das ein Jetjt fein foil, auf ein Nicht-Jetjt zuftande kommt. S e h r bedenklich ift auch der Verfuch, das Vergangene als ein Nichtreelles, Nichtexiftierendes hinzuftellen. Ein hinzutretendes pfydjifches Moment kann doch nicht Irrealität machen, nicht gegenwärtige Exiftenz fortfchaffen. In der Tat ift der ganze Bereich der urfprünglichen Affoziationen ein gegenwärtiges und reelles Erlebnis. Zu diefem Bereich gehört die ganze Reihe der durch urfprüngliche Affoziation erzeugten originären Zeitmomente mitfamt den übrigen Momenten, die dem zeitlichen Gegenftand zugehören. Wir fehen alfo, daß eine Analyfe des Zeitbewußtfeins unbrauchbar ift, welche die intuitive Zeitftrecke bloß verftändlich machen will durch kontinuierlich abgeftufte neue Momente, die {ich irgendwie denjenigen Inhaltsmomenten anftücken oder einfchmelzen, die das zeitlich lokalifierte Gegenftändliche konftituieren. Kurz getagt: die Zeitform ift weder felbft Zeitinhalt, noch ift fie ein Komplex neuer, an den Zeitinhalt fich irgendwie anfchließender Inhalte. Wenn nun Brentano auch nicht in den Irrtum verfallen ift, in der Weife des Senfualismus alles auf bloße primäre Inhalte zu reduzieren, wenn er fogar als der Erfte die radikale Scheidung in primäre Inhalte und Aktcharaktere erkannt hat, fo zeigt feine Zeittheorie, daß er doch gerade auf die für fie entfdieidenden Aktcharaktere nicht Rück« ficht genommen bat. Die F r a g e , wie Zeitbewußtfein möglich und zu verftehen ift, bleibt ungelöft. Zweiter flbfcbnitt. flnalyfe §7.
des
Zeitbewußtfeins.
D e u t u n g der E r f a f f u n g von Z e i t o b j e k t e n als M o m e n t a n e r f a f f u n g und als d a u e r n d e r Akt. In Brentanos Lehre wirkt als treibendes Motiv ein Gedanke, der von Η e r b a r t berftammt, von L ο t) e aufgenommen wurde und in der ganzen Folgezeit eine große Rolle fpielte: der Gedanke näm-
17]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
383
lieb, es fei für die Erfaifung einer Folge von Vorftellungen (a u. b ζ. B.) nötig, daß diete die durchaus gleichzeitigen Objekte eines be· ziehenden Wittens find, welches völlig unteilbar fle in einem einzigen und einigen Akte zufammenfaßt. Alle Vorftellungen eines Weges, eines Übergangs, einer Entfernung, kurz alle, welche eine Vergleichung mehrerer Etemente enthalten und das Verhältnis zwifchen ihnen ausdrücken, können nur als Erzeugniffe eines zeitlich zufammenfaffenden Wiffens gedacht werden. Sie würden alle unmöglich fein, wenn das Vorftellen felbft ganz in zeitlicher Sukzeffion aufginge. Es erfcheint diefer fluffaffung als eine evidente und ganz unausweichliche Annahme, daß die flnfchauung einer Zeitftrecke in einem Jetjt, in einem Zeitpunkt, ftatthabe. Es erfcheint überhaupt als Selbftverftändlichkeit, daß ein jedes Bewußtfein, das auf irgendein Ganzes, auf irgendeine Vielheit unterfcheidbarer Momente gebt (alfo jedes Relations- und Komplexionsbewußtfein) in einem unteilbaren Zeitpunkt feinen Gegenftand umfpannt; wo immer ein Bewußtfein auf ein Ganzes gerichtet ift, deffen Teile fukzeffiv f.nd, kann es ein anfchauliches Bewußtfein diefes Ganzen nur fein, wenn die Teile in Form von Repräfentanten zur Einheit der Momentanfchauung zufammentreten. Gegen diefes »Dogma von der Momentaneität eines Bewußtfeinsganzen« (wie er es nennt) hat W. S t e r η Einfpruch erhoben. 1 ) Es gäbe Fälle, in denen die einheitliche Huffaffung auf Grund eines zeitlich ausgedehnten Bewußtfeinsinhaltes zuftande käme, fich über eine Zeitftrecke (die fogenannte »Präfenzzeit«) ausdehne. So kann ζ. B. eine diskrete Sukzeffion unbefchadet der Ungleichzeitigkeit der Glieder durch ein Bewußtfeinsband, durch einen einheitlichen Huffaffungsakt zufammengehalten fein. Daß mehrere aufeinanderfolgende Töne eine Melodie ergeben, ift nur dadurch möglich, daß die Aufeinanderfolge pfychifcher Vorgänge fich »ohne weiteres« zu einem Gefamtgebilde vereinige. Sie find im Bewußtfein nacheinander, aber fie fallen innerhalb eines und desfelben Gefamtaktes. Wir haben nicht etwa die Töne auf einmal, und wir hören die Melodie nicht vermöge des Umftandes, daß beim letzten Ton die früheren nachdauern, fondern die Töne bilden eine fukzeffive Einheit mit einer gemeinfamen Wirkung, der fluffaffungsform. Natürlich vollendet fich die letztere erft mit dem legten Ton. Dementfprechend gibt es eine Wahrnehmung von zeitlich fukzedierenden Einheiten, ebenfo wie von koexiftierenden und fodann auch eine 1) »Pfychifche Präfenzzeit-, Zfchr. f. Pfycfcologie, Bd. XIII (1897) S. 325ff. Vgl. auch W. S t e r n , Piychologie der Veränderungsauffaffung 1898.
3S4
[18
Edmund Hufferl,
direkte
fluffaffung
von Identität, Gleichheit, Verfchiedenheit.
»Es
bedarf nicht der künftlichen Annahme, daß die Vergleichung immer dadurch zuitande komme, daß neben dem zweiten Ton das Erinnerungsbild des erften beftebe; vielmehr w i r d der ganze innerhalb der Präfenzzeit abrollende Bewußtfeinsinhalt gleichmäßig zur Grundlage der refultierenden Gleichheits- und Verfchiedenheitsauffaffung.« Was in diefen Ausführungen und der ganzen Diskuffion, die iich daran geknüpft hat, einer Klärung der ftrittigen Probleme im W e g e fteht, ift der Mangel an den durchaus notwendigen Unterfcheidungen, den w i r fchon bei Brentano feftgeftellt haben. einmal zu f r a g e n : w i e ift die
fluffaffung
Es bleibt
von tranfzendenten Zeit-
objekten zu verftehen, die (ich über eine Dauer erftrecken, iie in kontinuierlicher
Gleichheit
( w i e unveränderte Dinge) oder ftändig
wechfelnd ( ζ . B. dingliche V o r g ä n g e , B e w e g u n g , Veränderung und dgl.) erfüllen? faltigkeit
Objekte diefer A r t konftituieren fich in einer Mannig-
immanenter Daten
und
fluffaffungen,
die felbft als ein
Nacheinander ablaufen. Ift es möglich, diefe nacheinander ablaufenden repräfentierenden Daten in einem Jetjtmoment zu vereinen?
Sodann
erbebt (ich die ganz neue F r a g e : w i e konftituiert fich neben den »Zeitobjekten·, den immanenten und tranfzendenten, die Zeit felbft, die Dauer und Sukzeffion der Objekte?
Diefe verfchiedenen RiAtungen
der Befchreibung (die hier nur flüchtig angedeutet find und noch weiterer Differenzierung
bedürfen) müffen bei der
flnalyfe
wohl
im Huge behalten werden, obgleich alle diefe Fragen eng zufammengehören und nicht eine ohne die andere gelöft werden kann.
Es
ift ja evident, daß die Wahrnehmung eines zeitlichen Objektes felbft Zeitlichkeit
bat, daß Wahrnehmung
der
Dauer
felbft Dauer
der
Wahrnehmung vorausfetjt, daß die Wahrnehmung einer beliebigen Zeitgeftalt
felbft ihre
Zeitgeftalt
bat.
Und
fehen
wir
von
allen
Tranfzendenzen ab, fo verbleibt der Wahrnehmung nach allen ihren pbänomenologifeben Konftituentien ihre phänomenologifche Zeitlichkeit, die zu ihrem unaufbebbaren Wefen gehört.
Da fich objektive
Zeitlichkeit jeweils phänomenologifch konftituiert und nur durch diefe Konftitution für uns als Objektivität und Moment einer Objektivität erfebeinungsmäßig
da fteht, fo kann eine phänomenologifche Zeit-
analyfe die Konftitution der Zeit nicht ohne Rückficht auf die Konftitution
der
fpeziellen
Zeitobjekte
aufklären.
Unter
Zeitobjekten
im
S i n n verftehen w i r Objekte, die nicht nur Einheiten
in der Zeit find, fondern die Zeitextenfion auch in fich enthalten.
Wenn
ein Ton erklingt, fo kann meine objektivierende Fluffaffung fich den Ton, welcher da dauert und erklingt, zum Gegenftand machen und
19l
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
385
doch nicht die Dauer des Tones oder den Ton in feiner Dauer. Dieter als folcber ift ein Zeitobjekt. Dasfelbe gilt f ü r eine Melodie, f ü r jedwede Veränderung, aber auch jedes Verharren als folches betrachtet. Nehmen wir das Beifpiel einer Melodie oder eines zufammenhängenden Stückes einer Melodie. Die Sache fcheint zunächft fehr einfach: wir hören die Melodie, d. h. wir nehmen fie wahr, denn Hören ift ja Wahrnehmen. Indeffen der erfte Ton erklingt, kommt der zweite, dann der dritte ufw. Müffen wir nicht fagen: wenn der zweite Ton erklingt, fo höre ich i h n , aber ich höre den erften nicht mehr ufw. ? Ich höre alfo in Wahrheit nit die Melodie, fondern nur den einzelnen gegenwärtigen Ton. Daß das abgelaufene Stück der Melodie f ü r mich gegenftändlich ift, verdanke ich — fo wird man geneigt fein zu fagen — der Erinnerung; und daß ich, bei dem jeweiligen Ton angekommen, nicht vorausfetje, daß das a l l e s fei, verdanke ich der vorblickenden Erwartung. Bei diefer Erklärung können wir uns aber nicht beruhigen, denn alles Gefagte überträgt fich auch auf den einzelnen Ton. Jeder Ton hat felbft eine zeitliche Extenfion, beim flnfchlagen höre ich ihn als jetjt, beim Forttönen hat er aber ein immer neues Jetjt, und das jeweilig vorangehende wandelt fich in ein Vergangen. Fllfo höre ich jeweils nur die aktuelle Pbafe des Tones, und die Objektität des ganzen dauernden Tones konftituiert fich in einem flktkontinuum, das zu einem Teil Erinnerung, zu einem kleinften, punktuellen Teil Wahrnehmung und zu einem weiteren Teil Erwartung ift. Das fcheint auf Brentanos Lehre zurückzuführen. Hier muß nun eine tiefere Hnalyfe einfetjen. §8. I m m a n e n t e Z e i t o b j e k t e u n d Erfcheinungsweifen.
ihre
Wir ichalten jetjt alle tranfzendente fluffaffung und Setjung aus und nehmen den Ton rein als hyletifches Datum. Er fängt an und hört auf, und feine ganze Dauereinheit, die Einheit des ganzen Vorgangs, in dem er anfängt und endet, »rückt« nach dem Enden in die immer fernere Vergangenheit. In diefem Zurückfinken »halte« ich ihn noch feft, habe ihn in einer »Retention«, und folange fie anhält, bat er feine eigene Zeitlichkeit, ift er derfelbe, feine Dauer ift diefelbe. Ich kann die flufmerkfamkeit auf die Weife feines Gegebenfeins richten. Er und die Dauer, die er erfüllt, find in einer Kontinuität von »Weifen« bewußt, in einem »beftändigen Fluffe«; ein Punkt, eine Pbafe diefes Flufles, beißt »Bewußtfein vom anhebenden Ton«, und darin ift der erfte Zeitpunkt der Dauer des Tones in der Weife des Jetjt bewußt. Der Ton ift gegeben, d. h. er ift als
386
Edmund Hufferl,
[20
jetjt bewußt; er ift aber als jetjt bewußt, »folange« irgendeine feiner Pbafen als jetjt bewußt ift. Ift aber irgendeine Zeitpbafe (entfprecbend einem Zeitpunkt der Tondauer) aktuelles Jetjt (ausgenommen die Hnfangsphafe), fo ift eine Kontinuität von Pbafen als »vorbin« bewußt, und die ganze Strecke der Zeitdauer vom Anfangs» punkt bis zum Jetjtpunkt ift bewußt als abgelaufene Dauer, die übrige Strecke der Dauer ift aber noch nicht bewußt. Hm Endpunkt ift diefer felbft als Jetjtpunkt bewußt und die ganze Dauer als abgelaufen (bzw. fo ift es am Anfangspunkt der neuen Strecke der Zeit, die nicht mehr Tonftrecke ift). »Während« diefes ganzen Bewußtfeinsfluffes ift der eine und felbe Ton als dauernder bewußt, als jetjt dauernder. »Vorher« (falls er nicht etwa erwarteter war) ift er nicht bewußt. »Nachher« ift er »eine Zeitlang« in der »Retention« als gewefener »noch« bewußt, er kann feftgebalten und im fixierenden Blick ftehend bzw. bleibend fein. Die ganze Dauerftrecke des Tones oder »der« Ton in feiner Erftreckung fteht dann als ein f. z. f. Totes, fich nicht mehr lebendig Erzeugendes da, ein von keinem Erzeugungspunkt des Jefct befeeltes Gebilde, das aber ftetig fich modifiziert und ins »Leere« zurückfinkt. Die Modifikation der ganzen Stredte ift dann eine analoge, wefentlich identifche mit derjenigen, die während der flktualitätsperiode das abgelaufene Stück der Dauer im Übergang des Bewußtfeins zu immer neuen Erzeugungen erfährt. Was wir hier befchrieben haben, ift die Weife, wie das immanentzeitliche Objekt in einem beftändigen Fluß »erfcheint«, wie es »gegeben« ift. Diefe Weife befcbreiben, beißt nicht die erfcbeinende Zeitdauer felbft befchreiben. Denn es ift derfelbe Ton mit der ihm zugehörigen Dauer, der zwar nicht befchrieben, aber in der Befchreibung vorausgefetjt wurde. Diefelbe Dauer ift jetjige, aktuell fich aufbauende Dauer und ift dann vergangene, »abgelaufene« Dauer, noch bewußte oder in der Wiedererinnerung »gleicbfam« neu erzeugte Dauer. Derfelbe Ton, der jetjt erklingt, ift es, von dem es im fpäteren Bewußtfeinsfluß beißt, er fei gewefen, feine Dauer fei abgelaufen. Die Punkte der Zeitdauer entfernen fich für mein Bewußtfein analog wie fich die Punkte des ruhenden Gegenftandes im Raum für mein Bewußtfein entfernen, wenn »ich mich vom Gegenftand entferne«. Der Gegenftand behält feinen Ort, ebenio behält der Ton feine Zeit, jeder Zeitpunkt ift unverrückt, aber er entflieht in Bewußtfeinsfernen, der flbftand vom erzeugenden Jeftt wird immer größer. Der Ton felbft ift derfelbe. aber der Ton »in der Weife wie- erfcheint als ein immer anderer.
21]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
§ 9.
367
Das B e w u ß t f e i n von den E r f c h e i n u n g e n immanenter Objekte.
Genauer beieben können wir hier noch verfcbiedene Richtungen der Befchreibung unterfcbeiden: 1. Wir können evidente flusfagen über das immanente Objekt in fleh felbft machen: daß es jetjt dauere, daß ein gewiffer Teil der Dauer verfloffen fei, daß die im Jetjt erfaßte Dauer des Tones (mit ihrem Toninhalt natürlich) ftetig in das Vergangen zurückfinke und ein immer neuer Punkt der Dauer ins Jetjt trete oder jetjt (ei; daß die abgelaufene Dauer Geh vom aktuellen Jetjtpunkt, der immerfort ein irgendwie erfüllter ift, entferne, in immer »fernere« Vergangenheit rücke und dgl. 2. Wir können aber auch von der Weife fprechen, in der alle folche Unterfchiede des »Erfcheinens« des immanenten Tones und feines Dauerinhalts »bewußt« find. Wir fprechen hinfichtlich der in das aktuetle Jeht hineinreichenden Tondauer von Wahrnehmung und fagen, der Ton, der dauernde, fei wahrgenommen, und jeweils fei von der Dauer» erftreckung des Tones nur der als Jetjt charakterifierte Punkt der Dauer voll eigentlich wahrgenommen. Von der abgelaufenen Strecke fagen wir, fie fei in Retentionen bewußt, und zwar feien die nicht fcharf abzugrenzenden Teile der Dauer oder Phafen der Dauer, die dem aktuellen Jetjtpunkt am nächften liegen, mit abfteigender Klarheit bewußt; die ferneren, weiter zurückliegenden Vergangenheitsphafen feien ganz unklar, leer bewußt. Und ebenfo nach Hblauf der ganzen Dauer: je nad> der Ferne vom aktuellen Jetzt hat das ihm nod) Nächftliegende evtl. ein wenig Klarheit, das Ganze verfchwindet ins Dunkel, in ein leeres retentionales Bewußtfein ur.d verfchwindet fchließlich ganz (wenn man das behaupten darf), foba'id die Retention aufhört 1 )· Dabei finden wir in der klaren Sphäre eine größere Deutlichkeit und Ruseinandergehaltenheit (und zwar um fo mehr, je näher fie dem aktuellen Jetjt liegt). Je weitet wir uns aber vom Jet3t entfernen, bekundet fich eine um fo größere Verfloffenheit und Zu« fammengerücktheit. Eine reflektive Verfenkung in die Einheit eines gegliederten Vorgangs läßt uns beobachten, daß ein artikuliertes Stück des Vorgangs beim Zurückfinken in die Vergangenheit fich 1) Es liegt nabe, diefe Erfcheinungs · und Bewußtfeinsweifen der Zeit* Objekte in Parallele zu fetjen zu den Weifen, in denen ein Raumding bei wechfelnder Orientierung erfebeint und bewußt ift; ferner den -zeitlichen Orientierungen« nachzugeben, in denen Raumdinge (die ja zugleich Zeit' Objekte lind) erfebeinen. Doch verbleiben wir vorläufig in der immanenten Sphäre.
388
[22
E d m u n d Huffert,
»zufammenzieht« - eine Art zeitlicher Peripektive (innerhalb der originären zeitlichen Erfcbeinung) als flnalogon zur räumlichen Peripektive. Indem das zeitliche Objekt in die Vergangenheit rückt, zieht es fich zufammen und wird dabei zugleich dunkel. E s gilt nun näher zu unteriuchen, was wir hier als Phänomen des zeitkonftituierenden Bewußtfeins, desjenigen, in dem fich die zeitlichen Gegenftände mit ihren zeitlichen Beftimmtheiten konftituieren, vorfinden und befchreiben können. Wir unterfcheiden das dauernde, immanente Objekt und das Objekt im Wie, das als aktuell gegenwärtig oder als vergangen bewußte. Jedes zeitliche Sein »ericheint« in irgendeinem und einem kontinuierlich fich wandelnden flblaufsmodus, und das »Objekt im flblaufsmodus« ift in diefer Wandlung immer wieder ein anderes, während wir doch lagen, das Objekt und jeder Punkt feiner Zeit und diefe Zeit felbft fei ein und diefelbe. Das »Objekt im flblaufsmodus« werden wir nicht Bewußtfein nennen können (fo wenig wir das Raumpbänomen, den Körper in feiner Erfcbeinung von der oder jener S e i t e , von nah oder ferne ein Bewußtfein nennen werden). Das »Bewußtfein«, das »Erlebnis« bezieht fich auf fein Objekt vermittelft einer Erfcbeinung, in der eben das »Objekt im Wie« dafteht. Offenbar müffen wir die Rede von der »Intentionalität« als doppelfinnig erkennen, je nachdem wir die Beziehung der Erfcbeinung auf das Erfcheinende im Huge haben oder die Beziehung des Bewußtfeins einerfeits auf das »Erfcheinende im Wie«, andererfeits auf das Erfcheinende fchlechthin. § 10.
Die Kontinua der Das D i a g r a m m
der
flblaufspbänomene. Zeit.
F ü r die Phänomene, welche immanente Zeitobjekte konftituieren, werden wir nun die Rede von »Erfcheinungen« lieber vermeiden; denn diefe Phänomene find felbft immanente Objekte und find »Erfcheinungen« in einem ganz anderen Sinne. Wir fprechen hier von »flblaufspbänomenen« oder beffer noch von »Modis der zeitlichen Orientierung« und hinfichtlich der immanenten Objekte felbft von ihren »flblaufscbarakteren« (ζ. B . jetjt, vergangen). Von dem flblaufspbänomen wiffen wir, daß es eine Kontinuität fteter Wandlungen ift, die eine untrennbare Einheit bildet, untrennbar in Strecken, die für fich fein könnten, und unteilbar in Phafen, die für fich fein könnten, in Punkte der Kontinuität. Die Stücke, die wir abftraktiv herausheben, können nur im ganzen Ablauf fein und ebenfo die Phaten, die Punkte der flblaufskontinuität. fluch können
23]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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wir evidentermaßen von diefer Kontinuität tagen, daß fie in gewiffer Weife i h r e r F o r m nach unwandelbar ift. E s ift undenkbar, daß die Kontinuität der Phafen eine folche w ä r e , die denfelben Pbafenmodus zweimal enthielte oder ihn g a r ausgebreitet enthielte über eine ganze Teilftrecke. S o wie jeder Zeitpunkt (und jede Zeitftrecke) von jedem »individuell· fozufagen unterfchieden ift, k e i n e r zweimal v o r k o m m e n k a n n , fo kann kein flblaufsmodus zweimal vorkommen. Doch w i r w e r d e n hier noch w e i t e r fcheiden und deutlieber beftimmen müffen. Zunächft beben w i r h e r v o r , daß die Hblaufsmodi eines i m m a n e n t e n Zeitobjektes einen Anfang haben, fozufagen einen Quellpunkt. E s ift derjenige flblaufsmodus, mit d e m das immanente Objekt zu fein anfängt. E r ift charakterifiert als Jetjt. Im fteten F o r t g a n g finden w i r dann das M e r k w ü r d i g e , daß jede fpätere flblaufsphafe felbft eine Kontinuität ift und eine ftetig fich e r w e i t e r n d e , eine Kontinuität von V e r g a n g e n h e i t e n . D e r Kontinuität der flblaufsmodi der Objektdauer ftellen wir gegenüber die Kontinuität der flblaufsmodi eines jeden P u n k t e s der Dauer, die Ρ OE
Reihe der Jetjtpunkte.
9
OE'
Herabfinken.
)
E E ' t— P b a f e n k o n t i n u u m ( J e t j t p u n k t genheitshorizont).
E*
mit
R e i h e d e r evtl. m i t a n d e r e n Objekten
Vetgan·
erfüll-
ten Jet)t.
felbftverftändlicb in der Kontinuität j e n e r erften flblaufsmodi befcbloffen ift: alio die flblaufskontinuität eines dauernden Objektes ift ein Kontinuum, deffen Phasen die Kontinua der flblaufsmodi d e r v e r m i e d e n e n Zeitpunkte der Objektdauer find. Geben wir die konkrete Kontinuität entlang, fo fdireiten w i r in den fteten Abwandlungen f o r t , und es wandelt fich darin ftetig der flblaufsmodus, d. i. die flblaufskontinuität der betreffenden Zeitpunkte. Indem i m m e r ein neues J e ^ t auftritt, wandelt fich das J e ^ t in ein V e r gangen, und dabei rückt die ganze flblaufskontinuität d e r Vergangenheiten des vorangegangenen Punktes » h e r u n t e r « , gleichmäßig in die Tiefe der Vergangenheit. In unterer F i g u r illuftriert die ftetige Reibe der Ordinaten die flblaufsmodi des dauernden Objektes. Sie wachten von Ο (einem Punkt) an bis zu einer beftimmten Strecke,
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Edmund Huffett,
[24
die das letzte Jetjt zum Endpunkt bat. Dann hebt die Reibe der Hblaufsmodi an, die kein Jet)t (diefer Dauer) mebc enthalten, die Dauer ift nicht mehr aktuelle, (ondern vergangene und ftetig tiefer in die Vergangenheit finkende. Die Figur gibt alfo ein vollftändiges Bild der Doppelkontinuität der Fiblaufsmodi. § 11.
Urimpreffion
und
retentionale
Modifikation.
Der »Quellpunkt«, mit dem die »Erzeugung« des dauernden Objektes einfetjt, ift eine Urimpreffion. Dies Bewußtfein ift in be· ftändiger Wandlung begriffen: ftetig wandelt fid> das leibhafte Ton· jetjt in ein Gewefen, ftetig löft ein immer neues Tonjetjt das in die Modifikation übergegangene ab. Wenn aber das Tonjetjt, die Urimpreffion, in Retention übergeht, fo ift diefe Retention felbft wieder ein Jetjt, ein aktuell Dafeiendes. Während fie felbft aktuell ift (aber nicht aktueller Ton), ift fie Retention v o n gewefenem Ton. Ein Strahl der Meinung kann fleh auf das Jeljt richten: auf die Retention, er kann fid) aber auch auf das retentional Bewußte richten: auf den vergangenen Ton. Jedes aktuelle Jet)t des Bewußtfeins unterliegt aber dem Gefetj der Modifikation. Es wandelt fich in Retention von Retention und das ftetig. Es ergibt fich demnach ein ftetiges Kontinuum der Retention derart, daß jeder fpätere Punkt Retention ift für jeden früheren. Und jede Retention ift fchon Kontinuum. Der Ton fet)t an, und ftetig ictyt »er« fich fort. Das Tonjetjt wandelt fich in Tongewefen, das i m p r e f f i o n a l e Bewußtfein gebt ftändig fließend über in immer neues r e t e n t i o n a l e s Bewußtfein. Den Fluß entlang oder mit ihm gebend, haben wir eine ftetige zum Einfatjpunkt gehörige Reibe von Retentionen. Überdies jedoch fchattet fich jeder frühere Punkt diefer Reibe als ein Jetjt w i e d e r u m ab im Sinne der Retention. fln jede diefer Retentionen fchließt fich fo eine Kontinuität von retentionalen Abwandlungen an, und diefe Kontinuität ift felbft wieder ein Punkt der Aktualität, der fich retentional abfAattet. Das führt aufkeinen einfachen unendlichen Regreß, weil jede Retention in fich felbft kontinuierliche Modifikation ift, die fozufagen in Form einer flbfehattungsreibe das Erbe der Vergangenheit in fich trägt. Es ift nicht fo, daß bloß in der Längsrichtung des Fluffes jede frühere Retention durch eine neue erfetjt ift, fei es auch ftetig. Jede fpätere Retention ift vielmehr nicht bloß kontinuierliche Modifikation, hervorgegangen aus der Urimpreffion, fondern kontinuierliche Modifikation desfelben Einfatjpunktes. Bisher haben wir vornehmlich Wahrnehmung bzw. originäre Konftitution von Zeitobjekten in Betracht gezogen und verfuebt, das
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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in ihnen gegebene Zeitbewußtfein analytifch zu verftehen. Bewußtfein von Zeitlicbkeit votlzieht ficb aber nicht bloß in diefer Form. Wenn ein Zeitobjekt abgelaufen, wenn die aktuelle Dauer vorüber ift, fo erftirbt damit keineswegs das Bewußtfein von dem nun vergangenen Objekt, obfchon es jetjt nicht mehr als Wabmebmungsbewußtfein oder beffer vielleicht impreffionales Bewußtfein fungiert. (Wir behalten dabei wie bisher immanente Objekte im Rüge, die fich nicht eigentlich in einer »Wahrnehmung« konftituieren). Hn die »Impreffion« fchließt fich kontinuierlich die primäre Erinnerung oder, wie wir tagten, die Retention an. Im Grunde haben wir diefe Bewußtfeinsweife fcbon in dem bisher betrachteten Fall mit analyfiert. Denn die Kontinuität von Phafen, die fich an das jeweilige »Jetjt« anfchloß, war ja nichts anderes als eine folche Retention, bzw. eine Kontinuität von Retentionen. Im Falle der Wahrnehmung eines Zeitobjektes (es fpielt für die jetzige Betrachtung keine Rolle, ob wir ein immanentes oder transzendentes nehmen) terminiert fie jederzeit in einer Jet)t-fluffaffung, in einer Wahrnehmung im Sinne einer His - Jetjt - Setjung. Während eine Bewegung wahrgenommen wird, findet Moment für Moment ein His - Jet)t - Erfaffen ftatt, darin konftituiert fich die jetjt aktuelle Phase der Bewegung felbft. Aber diefe Jet}t - Huffaffung ift gleichfam der Kern zu einem Kometenfchweif von Retentionen, auf die früheren Jetjtpunkte der Bewegung bezogen. Findet aber keine Wahrnehmung mehr ftatt, fehen wir keine Bewegung mehr, oder — wenn es ficb um eine Melodie bandelt - ift die Melodie abgcfpielt und Stille eingetreten, fo fchließt fich an die letjte Phafe keine neue Phafe der Wahrnehmung an, fondern eine bloße Phafe frifcher Erinnerung, an diefe aber wiederum eine folche uff. Dabei findet fortgefetjt eine Zurückfchiebung in die Vergangenheit ftatt, die gleiche kontinuierliche Komplexion erfährt fortgefetjt eine Modifikation, bis zum Verfchwinden; denn mit der Modifikation gebt eine Schwächung Hand in Hand, die fchließlich in Unmerklichkeit endet· Das originäre Zeitfeld ift offenbar begrenzt, genau wie bei der Wahrnehmung. Ja, im großen und ganzen wird man wohl die Behauptung wagen dürfen, daß das Zeitfeld immer diefelbe Extenfion hat. Es verfchiebt ficb gleichfam über die wahrgenommene und frifch erinnerte Bewegung und ihre objektive Zeit, ähnlich wie das Gefichtsfeld über den objektiven Raum 1 ) ")· 1) Huf die B e g r e n z t h e i t des Zeitfeldes il"t im D i a g r a m m keine R ü c k ficht g e n o m m e n . Dort ift kein E n d e n der R e t e n t i o n v o r g e f e h e n , und idea liter ift wohl auch ein Bewußtfein möglich, in d e m alles r e t e n t i o n a l e r halten bleibt 2) Vgl. z u m v o r g e h e n d e n § 11 die B e i t a g e !. S . 450ff.
Edmund Hufferl,
392 §12.
Retention
als
eigentümliche
[26
Intentionalität.
Nod) bleibt näher zu erörtern, welcher Art die Modifikation ift, die wir als retentionale bezeichneten. Man fpricht von Abklingen, Verblaffen ufw. der Empfindungsinhalte, wenn eigentliche Wahrnehmung in Retention übergebt. Nun ift es aber fchon nach den bisherigen Ausführungen klar, daß die retentionalen »Inhalte« gar keine Inhalte im urfprünglichen Sinne find. Wenn ein Ton abklingt, fo ift er felbft zunächft mit befonderer Fülle (IntenQtät) empfunden, und daran fcbließt fich ein rafthes Nachlaffen der Intenfität. Der Ton ift noch da, ift noch empfunden, aber im bloßen Nachhall. Diefe echte Tonempfindung ift zu unterfcheiden von dem tonalen Moment in der Retention. Der retentionale Ton ift kein gegenwärtiger, fondern eben im Jetjt »primär erinnerter«: e t ift im retentionalen Bewußtfein nicht reell vorhanden. Das tonale Moment, das zu diefem gehört, kann aber auch nicht ein reell vorhandener anderer Ton fein, auch nicht ein fehr fchwacher qualitätsgleicher (als Nachhall). Ein gegenwärtiger Ton kann zwar an einen vergangenen erinnern, ihn darftellen, verbildlichen; das aber fetjt fchon eine andere Vergangenheitsvorftellung voraus. Die Vergangenheitsanfchauung felbft kann nicht Verbildlichung fein. Sie ift ein originäres Bewußtfein. E s foil natürlich nicht geleugnet werden, daß es Nachklänge gibt. Aber wo wir fie erkennen und unterfcheiden, da können wir bald konftatieren, daß fie nicht etwa zur Retention als folcher gehören, fondern zur Wahrnehmung. Der Nachklang des Geigentones ift eben ein fchwacher gegenwärtiger Geigenton und ift von der Retention des eben gewefenen lauten Tones icblecbtbin verfchieden. Das Nachklingen felbft, die Nachbilder überhaupt, die von den ftärkeren Empfindungsgegebenheiten zurückbleiben, haben mit dem Wefen der Retention gar nichts zu tun, gefchweige denn, daß fie notwendig ihm zuzurechnen wären. Wohl aber gehört es zum Wefen der Zeitanfdiauung, daß fie in jedem Punkt ihrer Dauer (die wir reflektiv zum Gegenftand machen können) Bewußtfein v o m e b e n G e w e f e n e n ift und nicht bloß Bewußtfein vom 3et)tpunkt des als dauernd erfcheinenden Gegenftändlichen. Und in diefem Bewußtfein ift das eben Gewefene in gehöriger Kontinuität bewußt, und in jeder Phafe in beftimmter »Erfcheinungsweife« mit den Unterfchieden von »Inhalt« und »Auffaffung». Man achte auf die eben ertönende Dampfpfeife: in jedem Punkt ftebt eine Extenfion da und in einer Extenfion die »Erfcheinung«, die in jeder Phafe diefer Extenfion ihr Qualitätsmoment und ihr Auffaffungsmoment bat. Andererfeits ift das Qualitäts-
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
393
moment keine reelle Qualität, kein Ton, der jetjt reell wäre, d. h. der als jetjt feiender, wenn auch immanenter Toninhalt angefprochen werden könnte. Der reelle Gehalt des Jetjtbewußtfeins enthält evtl. empfundene Töne, die dann in der objektivierenden fluffaffung notwendig als wahrgenommene, als gegenwärtige zu bezeichnen Ond, aber in keiner Weife als Vergangenheiten. Das retentionale Bewußtfein enthält reell Vergangenheitsbewußtfein vom Ton, primäre Tonerinnerung, und ift nicht zu zerlegen in empfundenen Ton und fluffaffung- als Erinnerung. So wie ein Phantafieton kein Ton, fondern Phantafie vom Ton ift, oder wie Tonphantafie und Tonempfindung etwas prinzipiell Verfchiedenes find und nicht etwa dasfelbe, nur verfchieden interpretiert, aufgefaßt: ebenfo ift primär an« fcbaulicb erinnerter Ton p r i n z i p i e l l etwas anderes als wahrgenommener, bzw. primäre Erinnerung (Retention) von Ton etwas anderes als Empfindung von Ton. § 13. N o t w e n d i g k e i t d e s V o r a n g e b e n s e i n e r Impreffion vor jeder Retention. Evidenz der Retention. Befteht nun das Gefetj, daß primäre Erinnerung nur in kontinuierlicher Anknüpfung an vorgängige Empfindung bzw. Wahrnehmung möglich ift? Daß jede retentionale Phafe nur als Phafe denkbar ift, d. h. nicht auszubreiten ift in eine Strecke, die in allen Phafen identifcb wäre? Man wird etitfchieden fagen: das ift durchaus evident. Der empirifche Pfychologe, der gewohnt ift, alles Pfychifcbe als bloße Abfolge von Vorkommniffen zu behandeln, wird das freilich leugnen. Er wird fagen: warum foil ein anfangendes Bewußtfein nicht denkbar fein, das mit einer frifchen Erinnerung beginnt, ohne vorher eine Wahrnehmung gehabt zu haben? Es mag faktifch Wahrnehmung notwendig fein, um frifche Erinnerung zu erzeugen. Es mag faktifd) fo fein, daß ein menfchliches Bewußtfein Erinnerungen, auch primäre, erft haben kann, nachdem es Wahrnehmungen gehabt hat, aber denkbar ift auch das Gegenteil. Dem gegenüber lehren wir die apriorifcbe Notwendigkeit des Vorangehens einer entfpred>enden Wahrnehmung bzw. Urimpreffion vor der Retention. Man wird zunäcbft darauf beftehen müffen, daß eine Phafe nur als Phafe denkbar ift und ohne Möglichkeit einer Extenfion. Die Jet)tphafe ift nur denkbar als Grenze einer Kontinuität von Retentionen, fo wie jede retentionale Phafe felbft nur denkbar ift als Punkt eines folcben Kontinuums und zwar für jedes Jetjt des Zeitbewußtfeins. Nun foil aber auch eine ganze fertige Serie
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Edmund Huffecl,
(28
von Retentionen nicht denkbar fein ohne vorangehende entfprechende Wahrnehmung. Darin liegt: die Serie von Retentionen, die zu einem Jetjt gehört, ift felbft eine Grenze und wandelt ficb notwendig ab; das Erinnerte »finkt immer weiter in die Vergangenheit«, aber nicht nur das - es ift notwendig etwas Gefunkenes, etwas, das notwendig eine evidente Wiedererinnerung geftattet, die es auf ein wiedergegebenes Jetjt zurückführt. Nun wird man aber fagen: kann ich nicht eine Erinnerung, auch eine primäre, an ein fl haben, während Η in Wahrheit gar nicht ftattgehabt hat? Gewiß. E s gilt ja fogar noch mehr. Ich kann auch eine Wahrnehmung von Η haben, während Η in Wirklichkeit gar nicht ftatthat. Und fomit behaupten wir nicht etwa dies als Evidenz, daß, wenn wir eine Retention von fl haben (vorausgefetjt, daß fl ein tranfzendentes Objekt ift), fl vorangegangen fein muß, aber wohl, daß fl wahrgenommen gewefen fein muß. Mag es nun primär beachtet worden fein oder nicht, es ftand leibhaft in bewußter, wenn auch unbemerkter oder nebenbei bemerkter Weife da. Handelt es ficb aber um ein immanentes Objekt, fo gilt: wenn eine Folge, ein Wechfel, eine Veränderung von immanenten Daten »ericheint«, fo ift fie auch abfolut gewiß· Und ebenfo ift innerhalb einer tranfzendenten Wahrnehmung, die zu ihrem Hutbau wefentlich gehörige immanente Folge abfolut gewiß 1 )· E s ift g r u n d v e r k e h r t zu argumentieren: wie kann ich im Jefyt von einem Nicht-Jetjt wiffen, da ich das Nicht-Jet)t, das ja nicht mehr ift, nicht vergleichen kann mit dem Jetjt (nämlich dem im Jet)t vorhandenen Erinnerungsbild). His ob zum Wefen der Erinnerung gehörte, daß ein im Jefyt vorhandenes Bild für eine andere ihm ähnliche Sache fupponiert würde und ich wie bei bildlicher Darftellung vergleichen könnte und vergleichen müßte. Erinnerung bzw. Retention ift nicht Bildbewußtfein, fondern etwas total anderes. Das Erinnerte i f t freilich jetjt nicht — fonft wäre es nicht Gewefenes, fondern Gegenwärtiges, und in der Erinnerung (Retention) ift es nicht als jetjt gegeben, fonft wäre Erinnerung bzw. Retention eben nicht Erinnerung, fondern Wahrnehmung (bzw. Ur-Impreffion). Ein Vergleichen des nicht mehr Wahrgenommenen, fondern bloß retentional Bewußten mit etwas außer ihm hat gar keinen Sinn. Wie ich in der Wahrnehmung das Jetjtfein erfchaue und in der extendierten Wahrnehmung, fo wie fie ficb konftituiert, das dauernde Sein, fo erfchaue 1) Vgl. auch § 44, S . 446 ff.
die Untericbeidung
innerer
und äußerer
Wahrnehmung
29J
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
395
ich in der primären Erinnerung das Vergangene, es ift darin gegeben, und Gegebenheit von Vergangenem ift Erinnerung. Wenn wir jetjt die Frage wieder aufnehmen, ob ein retentionales Bewußtfein denkbar ift, das nicht Fortfe^ung eines impreffionalen Bewußtfeins wäre, fo müifen wir fagen: es ift unmöglich, denn jede Retention weift in fich auf eine Impreffion zurück. »Vergangen« und »Jetjt« fchließen fich aus. Identifch dasfelbe kann zwar jetjt und vergangen fein, aber nur dadurch, daß es zwifAen dem Jet)t und Vergangen gedauert hat. § 14.
R e p r o d u k t i o n von Zeitobjekten Erinnerung).
(fekundäre
Wir bezeichneten die primäre Erinnerung oder Retention als einen Kometenfd>weif, der fich an die jeweilige Wahrnehmung anfchließt. Durchaus davon zu fcheiden ift die fekundäre Erinnerung, die Wiedererinnerung. Nachdem die primäre Erinnerung dahin ift, kann eine neue Erinnerung von jener Bewegung, von jener Melodie auftauchen. Den bereits angedeuteten Unterfchied beider gilt es nun ausführlicher klarzulegen. Wenn an die aktuelle Wahrnehmung, fei es während ihres Wahrnehmungsfluffes, fei es in kontinuierlicher Einigung nach ihrem ganzen Ablauf Retention fich anfchließt, fo liegt es zunächft nahe (wie Brentano es getan hat) zu fagen: die aktuelle Wahrnehmung konftituiert fich auf Grund von Empfindungen, die primäre Erinnerung auf Grund von Phantafien als Repräfentation, als Vergegenwärtigung. Ebenfo gut nun, wie fich unmittelbar Vergegenwärtigungen an Wahrnehmungen anfchließen, können auch ohne flnfchluß an Wahrnehmungen felbftändig Vergegenwärtigungen fich einftellen, und das find die fekundären Erinnerungen. Dagegen erbeben fich aber (wie wir fchon in der Kritik der Brentanofchen Theorie ausführten)') ernfte Bedenken. Betrachten wir einen Fall fekundärer Erinnerung: wir erinnern uns etwa einer Melodie, die wir jüngft in einem Konzert gehört haben. Dann ift es offenbar, daß das ganze Erinnerungsphänomen mutatis mutandis genau die· felbe Konftitution hat wie die Wahrnehmung der Melodie. Sie hat wie die Wahrnehmung einen bevorzugten Punkt: dem Jetytpunkt der Wahrnehmung entfpricht ein Jetjtpunkt der Erinnerung. Wir durchlaufen die Melodie in der Pbantafie, wir hören »gleichfam« zuerft den erften, dann den zweiten Ton ufw. Jeweils ift immer ein Ton (bzw. eine Tonpbafe) im Jetjtpunkt. Die vorangegangenen 1) Vgl. o b e n S. 378 ff.
396
Edmund Huffcrl,
[30
find aber nicht aus dem Bewußtfein ausgelöfcbt. Mit der Huffaffung des je^t erfcbeinenden, gleicbfam jetjt gehörten Tones verfchmelzen die primäre Erinnerung an die foeben gleicbfam gehörten Töne und die Erwartung (Protention) der ausftehenden. Der Je^tpunkt bat für das Bewußtfein wieder einen Zeitbof, der fleh in einer Kontinuität von Erinnerungsauffaffungen vollzieht. Die gefamte Erinnerung der Melodie beftebt in einem Kontinuum von foleben Zeitkontinuen, bzw. von Huffaffungskontinuen der befebriebenen Hrt. Endlich aber, wenn die vergegenwärtigte Melodie abgelaufen ift, fchließt fich an diefes Gleichfam-Hören eine Retention an, eine Weile klingt das Gleichfam-Gehörte noch nach, eine fluffaffungskontinuität ift noch da, aber nicht mehr als gehörte, Alles ift fonacb g l e i ch mit der Wahrnehmung und primären E r i n n e r u n g , und doch ift es nicht felbft Wahrnehmung und primäre Erinnerung. Wir hören ja nicht wirklich und haben nicht wirklich gehört, indem wir in der Erinnerung oder Pbantafie eine Melodie Ton für Ton fich abfpielen laffen. Im früheren Falle hieß es: wir hören wirklich, das Zeitobjekt ift felbft wahrgenommen, die Melodie ift felbft Gegenftand der Wahrnehmung. Und ebenfo find die Zeiten, Zeitbeftimmungen, Zeitverbältniffe felbft gegeben, wahrgenommen. Und wiederum: nachdem die Melodie verklungen ift, haben wir fie nicht mehr wahrgenommen als gegenwärtige, aber wir haben fie noch im Bewußtfein, fie ift nicht jetjige Melodie, aber foeben vergangene. Ihr Ebenvergangenfein ift nicht bloße Meinung, fondern gegebene Tatfacbe, felbft gegebene, alfo »wahrgenommene«. Im Gegenfat) dazu ift in der Wiedererinnerung die zeitliche Gegenwart erinnerte, vergegenwärtigte. Und ebenfo ift die Vergangenheit erinnerte, vergegenwärtigte, aber nicht wahrgenommene, nicht primär gegebene und angefebaute Vergangenheit. Hndererfeits ift die Wiedererinnerung felbft gegenwärtig, originär konftituierte Wiedererinnerung und nachher foeben gewefene. S i e baut fich felbft in einem Kontinuum von Urdaten und Retentionen auf und konftituiert (oder vielmehr: re-konftituiert) in eins damit eine immanente oder tranfzendente Dauergegenftändlicbkeit (je nachdem fie immanent oder tranfzendent gerichtet ift). Die Retention dagegen erzeugt keine Dauergegenftändlichkeiten (weder originär noch reproduktiv), fondern hält nur das Erzeugte im Bewußtfein und prägt ihm den Charakter des »foeben vergangen« a u f ' ) . 1) Ü b e r w e i t e r e Unterfcbiede zwifeben R e t e n t i o n und R e p r o d u k t i o n vgl. § 19, S . 404 ff.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins. §15. D i e V o l l z u g s m o d i
der
397
Reproduktion.
Die Wiedererinnerung kann nun in verfchiedenen Vollzugsformen auftreten. Wir vollziehen fie e n t w e d e r in einem fcblichten Zugreifen, wie wenn eine E r i n n e r u n g »auftaucht« und w i r auf das E r i n n e r t e in einem Blickftrabl hinfehen, wobei das E r i n n e r t e vage ift, vielleicht eine bevorzugte Momentanpbafe anfcbaulicb beibringt, aber nicht wiederholende E r i n n e r u n g ift. Oder w i r vollziehen wirklich nacherzeugende, wiederholende Erinnerung, in d e r in einem Kontinuum von Vergegenwärtigungen lieh der Zeitgegenftand wieder vollftändig a u f b a u t , wir ihn gleicbiam wieder w a h r n e h m e n , aber eben n u r gleicbfam. Der ganze Prozeß ift Vergegenwärtigungsmodifikation des Wahrnebmungsprozeffes mit allen Phaien u n d Stufen bis hinein in die Retentionen: aber alles bat den Index der reproduktiven Modifikation. Das fchlichte Hinfehen, Hinfaffen finden w i r auch unmittelbar auf Grund der Retention, fo, wenn eine Melodie abgelaufen ift, die innerhalb der Einheit einer Retention liegt, und wir auf ein Stück zurückachten (reflektieren), ohne es wieder zu erzeugen. Das ift ein A k t , der für jedes in fukzeffiven Schritten gewordene, auch in Schritten der Spontaneität, ζ. B. der Denkfpontaneität gewordene, möglich ift. A u c h Denkgegenftändlichkeiten find ja fukzeffiv konftituiert. Es fcheint a'.fo, daß w i r tagen können: Gegenftändlicbkeiten, die fleh originär in Zeitprozeffen gliedweife oder pbafenweife konftituierend a u f b a u e n (als Korrelate kontinuierlich und vielgeftaltig zufammenbängender und einheitlicher Hkte), laffen fieb in einem Zurückfchauen fo erfaffen, als wären tie in einem Zeitpunkt fertige Gegenftände. Aber d a n n weift diefe Gegebenheit eben auf eine andere »urfprüngliche« zurück. Das Hinfehen oder Zurückfeben auf das retentional Gegebene — und die Retention felbft - erfüllt fieb n u n in d e r eigentlichen Wiedervergegenwärtigung: das als foeben gewefen Gegebene erweift fich als identifch mit dem Wiedererinnerten. Weitere Unterfcbiede zwifchen p r i m ä r e r und fekundärer Erinnerung w e r d e n fich ergeben, wenn wir fie zur Wahrnehmung in Beziehung fetyen. §16. W a h r n e h m u n g a l s G e g e η w ä r t i g u η g im U n t e r febied von R e t e n t i o n u n d W i e d e r e r i n n e r u n g . Die Rede von » W a h r n e h m u n g « bedarf allerdings hier noch einiger Erläuterung. Bei der »W a b r n e b m u n g d e r M e l o d i e « febeiden wir den j e t y t g e g e b e n e n Ton und nennen ihn den
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E d m u n d Hufferl,
[32
»wahrgenommenen« und die v o r ü b e r g e g a n g e n e n Töne und nennen fie »nicht wahrgenommen«, flndererfeits nennen wir die g a n z e M e l o d i e e i n e w a h r g e n o m m e n e , obfchon doch nur der Jet)tpunkt ein wahrgenommener ift. Wir verfahren fo, weil die Extenfion der Melodie in einer Extenfion des Wabrnebmens nicht nur Punkt für Punkt gegeben ift, fondern die Einheit des retentionalen Bewußtfeins die abgelaufenen Töne noch felbft im Bewußtfein »feftbält« und fortlaufend die Einheit des auf das einheitliche Zeitobjekt, auf die Melodie bezogenen Bewußtfeins berftellt. Eine Objektivität derart wie eine M e l o d i e kann nicht anders als in diefer Form »wahrgenommen«, originär felbft gegeben fein. Der konftituierte, aus Jetjtbewußtfein und retentionalem Bewußtfein gebaute A k t i f t a d ä q u a t e W a h r n e h m u n g d e s Z e i t o b j e k t s . Diefes will ja zeitliche Unterfchiede einichließen, und zeitliche Unterfdiiede konftituieren fich eben in folchen Phafen, in Urbewußtfein, Retention und Protention· Ift die meinende Intention auf die Melodie, auf das ganze Objekt gerichtet, fo haben wir nichts als Wahrnehmung. Richtet fie fich aber auf den einzelnen Ton für fich, oder einen Takt für fich, fo haben wir Wahrnehmung, folange eben dies Gemeinte wahrgenommen ift, und bloße Retention, fobald es vergangen ift. In objektiver Hinfidit erfcheint der Takt dann nicht mehr als »gegenwärtig«, fondern »vergangen«. Die ganze Melodie aber erfdieint als gegenwärtig, folange fie noch erklingt, folange noch z u i h r g e h ö r i g e , in e i n e m fluffaffungszufammenhang gemeinte Töne erklingen. Vergangen ift fie erft, nachdem der le^te Ton dahin ift. D i e f e R e l a t i v i e r u n g überträgt fich, wie wir nach den früheren Ausführungen tagen müffen, auf die e i n z e l n e n T ö n e . Jeder konftituiert fich in einer Kontinuität von Tondaten, und nur eine punktuelle Phafe ift jeweils als je^t gegenwärtig, während die anderen fich als retentionaler Schweif anfchließen. Wir können aber fagen: ein Zeitobjekt ift wahrgenommen (bzw. impreffional bewußt), folange es noch in ftetig neu auftretenden Urimpreffionen fich erzeugt. Wir haben fodann d i e V e r g a n g e n h e i t felbft als w a h r g e n o n t m e n bezeichnet. In der Tat, nehmen wir nicht d a s V e r g e b e n wahr, find wir in den befchriebenen Fällen nicht direkt des E b e n g e w e f e n f e i n s , des »foeben vergangen« in feiner Selbftgegebenheit, in der Weife des S e I b ft g e g e b e η f e i η s bewußt? 1) Ü b e r Akte nls k o n f t i t u i e r t e E i n h e i t e n im uriprünglicben fein vgl. § 37, S . 430 f.
Zeitbewußt-
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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Offenbar deckt fich der hier obwaltende Sinn von »Wahrnehmung« nicht mit dem früheren. Es bedarf weiterer Scheidungen. Wenn wir in der Erfaffung eines Zeitobjektes w a h r n e h m e n d e s u n d e r i n n e r n d e s ( r e t e n t i o n a l e s ) Bewußtfein u n t e r f c h e i d e n , fo entfprid>t dem Gegenfatj von Wahrnehmung und primärer Erinnerung am Objekt der Gegenfat) zwifdben »jetjt gegenwärtig« und •vergangen«. Z e i t o b j e k t e , das gehört zu ihrem Weten, breiten ihre Materie über e i n e Z e i t ft r e c k e aus, und folche Objekte können fich n u r konftituieren in Akten, die eben die Unterfchiede der Zeit konftituieren. Zeitkonftituierende Hkte find aber Akte — und zwar wefensmäßig —, die auch Gegenwart und Vergangenheit konftituieren, fie haben den Typus jener »Zeitobjekt-Wahrnehmungen«, die wir nach ihrer merkwürdigen fluffaffungskonftitution ausführlich befchrieben haben. Zeitobjekte müffen fich fo konftituieren. Das betagt: ein Akt, der den Hnfpruch erbebt, ein Zeitobjekt felbft zu geben, muß in fich »Jetjtauffaffungen«, » Vergangenheitsauffaffungen« ufw. enthalten und zwar in der Weife urfprünglich konftituierender. Beziehen wir nun die Rede von Wahrnehmung auf die G e g e b e n b e i t s u n t e r f c h i e d e , mit denen Zeitobjekte auftreten, dann ift der G e g e n tat) v o n W a h r n e h m u n g die hier auftretende p r i m ä r e E r i n n e r u n g u n d p r i m ä r e E r w a r t u n g (Retention und Protention), wobei W a h r n e h m u n g u n d N i c h t W a h r n e h m u n g k o n t i n u i e r l i c h ineinander übergeben. In dem Bewußtfein direkt anfehauender Erfaffung eines Zeitobjektes, ζ. B. einer Melodie, ift wahrgenommen der jetjt gehörte Takt oder Ton oder Tonteil und nicht wahrgenommen das momentan als vergangen flngefchaute. Die fluffaffungen geben hier kontinuierlich ineinander über, fie terminieren in einer Huffaffung, die das Jetjt konftituiert, die aber nur eine ideale Grenze ift. Es ift ein S t e i g e · r u n g s k o n t i n u u m g e g e n e i n e i d e a l e G r e n z e bin; ähnlich wie das Kontinuum der Rotfpezies gegen ein ideales reines Rot konvergiert. Wir haben in unterem Falle aber nicht einzelne Auffaffungen, den einzelnen Rotnuancen entfpreebend, die ja f ü r fich g e g e b e n f e i n k ö n n e n , fondern wir haben immer n u r und können dem Weten der Sache gemäß nur haben Kontinuitäten von Auffaffungen oder vielmehr e i n e i n z i g e s K o n t i n u u m , d a s f t ä n d i g fich m o d i f i z i e r t . Teilen wir diefes Kontinuum irgendwie in zwei angrenzende Teile, fo ift derjenige, der das Jet3t einfchließt, bzw. es zu konftituieren befähigt ift, ausgezeichnet und konftituiert das »grobe« Jet)t, das fofort wieder in ein feineres Jetjt und in ein Vergangen zerfällt, fowie wir es weiter teilen ufv/.
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Edmund Huffed,
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Wahrnehmung ift alfo hier ein AktAarakter, der eine Kontinuität von Aktcharakteren zuiammenfcbließt und durch den Befitj jener idealen Grenze ausgezeichnet ift. Eine ebenfolche Kontinuität ohne diefe ideale Grenze ift bloße Erinnerung. Im idealen Sinne wäre dann Wahrnehmung (Impreffion) die Bewußtfeinsphafe, die das reine Jet)t konftituiert, und Erinnerung jede andere Phafe der Kontinuität. Aber das ift eben nur eine ideale Grenze, etwas Hbftraktes, das nichts für fich fein kann. Zudem bleibt es dabei, daß auch diefes ideale Jetjt nicht etwas toto coelo Verfchiedenes ift vom Nicht-Jetjt, fondern kontinuierlich fich damit vermittelt. Und dem entfpricht der kontinuierliche Übergang von Wahrnehmung zu primärer Erinnerung. § 17.
W a h r n e h m u n g a l s f e l b ft g e b e n d e r A k t 4m G e g e n f a t ) z u r R e p r o d u k t i o n . Der Wahrnehmung oder Selbftgebung der Gegenwart, die ihr Korrelat hat im gegebenen Vergangenen, tritt nun ein anderer Gegenfat) gegenüber, der von Wahrnehmung und Wiedererinnerung, fekundärer Erinnerung. In der Wiedererinnerung »erfcheint« uns ein Jetjt, aber es »erfAeint« in einem ganz anderen Sinne, als in dem das Jetjt in der Wahrnehmung erfcheint1). Diefes Jet)t i f t n i c h t » w a h r g e n o m m e n « , d . h . f e l b ft g e g e b e n , f o n dern vergegenwärtigt. Es ftellt ein Jet)t vor, das nicht gegeben ift. Und ebenfo ft e 111 der Ablauf der Melodie in der W i e d e r e r i n n e r u n g ein »foeben vergangen« v o r , g i b t es aber nicht. Buch in b l o ß e r P h a n t a f i e ift jedes Individuelle ein zeitlich irgendwie Extendiertes, hat fein Jet)t, fein Vorher und Nachher, aber das Jetjt, das Vorher und Nachher ift ein bloß eingebildetes wie das ganze Objekt. Hier fteht alfo e i n g a n z a n d e r e r W a h r n e h m u n g s b e g r i f f i n Frage. W a h r n e h m u n g ift hier der Akt, der etwas als es f e l b ft v o r R ü g e n ftellt, der Akt, der das Objekt u r f p r ü n g l i c h k o n f t i t u i e r t . Das Gegenteil ift V e r g e g e n w ä r t i g u n g , Re-Präfentation als der Akt, der ein Objekt nicht felbft vor Augen ftellt, fondern eben v e r g e g e n w ä r t i g t , gleichfam im Bilde vor Augen ftellt, wenn auch nicht gerade in der Weife eines eigentlichen Bildbewußtfeins. H i e r i ft von einer kontinuierlichen V e r m i t t l u n g der Wahrn e h m u n g m i t i h r e m G e g e n t e i l g a r k e i n e R e d e . Vor1) Vgl. Beilage II: Vergegenwärtigung und Pbantafie. - Impreffion und Imagination, S. 452.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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bin war das Vergangenbeitsbewußtfein, nämlich das primäre, keine Wahrnehmung, weil Wahrnehmung als d e r das Jetjt originär konftituierende Akt genommen w a r . Das Vergangenbeitsbewußtfein k o n f t i t u i e r t a b e r nicht ein Jet)t, vielmehr ein » f o e b e n g e w e f e η «, ein dem Jetjt intuitiv Vorangegangenes. Nennen w i r aber Wahrnehmung den A k t , i n d e m a l l e r » U r f p r u n g « liegt, der o r i g i n ä r k o n f t i t u i e r t , fo ift die p r i m ä r e E r i n n e rung Wahrnehmung. Denn n u r i n d e r p r i m ä r e n E r i n n e r u n g f e b e n w i r V e r g a n g e n e s , n u r in ihr konftituiert fid) Vergangenheit, und zwar n i c b t r e p r ä f e n t a t i v , f o n d e r n p r ä f e η t a t i v. Das Soebengewefen, das Vorher im Gegenfat) z u m Jetjt kann n u r in der primären Erinnerung direkt erfcbaut werden; es ift ihr Wefen, diefes Neue und Eigentümliche z u r primären, direkten Rnfchauung zu bringen, genau fo wie es das Wefen d e r Jetjtwabrnebmung ift, das Jetjt direkt z u r finfchauung zu bringen. Wiedererinnerung hingegen wie Phantafie bietet uns bloß Vergegenwärtigung, fie ift »gleichfam« dasfelbe Bewußtfein wie d e r zeitfchaffende Jetjtakt und Vergangenbeitsakt, »gleichfam« dasfelbe, aber doch modifiziert. Das pbantafierte Jctjt ftellt ein Jetjt vor, gibt aber nicht felbft ein Jetjt, das pbantafierte Vorher und Nachher ftellt ein Vorher und Nachher n u r vor ufw. § 18. für die
Die B e d e u t u n g der W i e d e t e r i n n e c u n g K o n f t i t u t i o n des B e w u ß t f e i n s von D a u e r und Folge.
Etwas anders ftellt ficb die konftitutive Bedeutung von p r i m ä r e r und fekundärer Erinnerung dar, wenn wir ftatt der Gegebenheit dauernder Gegenftändlichkeiten die Gegebenheit d e r D a u e r u n d F o l g e f e l b f t ins Fluge faffen. Nehmen wir a n , fl trete als Urimpreffion auf und dauere eine Weile fort und ineins mit der Retention von fl in gewiffer Entwicklungsftufe trete Β auf und konftituiere ficb als dauerndes B. Dabei ift das Bewußtfein während diefes ganzen »Prozeffes« Bewußtfein desfelben »in die Vergangenheit rückenden« H, desfelben im Fluß diefer Gegebenbeitsweifen und desfelben nach feiner zu feinem Seinsgebalt gehörenden Seinsform »Dauer«, nach allen Punkten diefer Dauer. Dasfelbe gilt von Β und dem flbftand der beiden Dauern bzw. ihrer Zeitpunkte. Dazu tritt aber hier etwas Neues: Β f o l g t a u f fl, es ift eine Folge zweier dauernder Daten gegeben mit einer beftimmten Zeitform, einer Zeitftrecke, die das Nacheinander umfpannt. Das S u k z e f f i o n s b e w u ß t f e i n ift ein
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Edmund Hufferl,
[36
originär gebendes Bewußtfein, es ift »Wahrnehmung« von diefem Nacheinander. Wir betrachten nun die reproduktive Modifikation diefer W a h r n e h m u n g , und z w a r die Wiedererinnerung. Ich » w i e d e r h o l e « d a s B e w u ß t f e i n d i e f e r S u k z e f f i o n , ich verg e g e n w ä r t i g e fie m i r erinnernd. Das » k a n n « ich, und z w a r »beliebig oft«, fl p r i o r i liegt V e r g e g e n w ä r t i g u n g eines Erlebniffes im Bereich m e i n e r » F r e i h e i t « . (Das »ich kann« ift ein praktifd>es »ich kann« und nicht eine »bloße Vorftellung«.) Wie fieht nun die V e r g e g e n w ä r t i g u n g der Erlebnisfolge aus, und was gehört zu i h r e m W e f e n ? Man wird zunädjft tagen: ich v e r g e g e n w ä r t i g e m i r erft Η und dann B ; hatte ich urfprünglich Η — Β , ίο habe ich jctjt ( w e n n der Index E r i n n e r u n g befagt) F i — Β . Aber das ift unzureichend, denn es hieße, daß ich jetjt eine E r i n n e r u n g R ' habe und »nachher« eine E r i n n e r u n g B', und z w a r im Bewußtfein einer Folge diefer E r i n n e r u n g e n . A b e r dann hätte ich eine »Wahrnehmung« der Folge diefer E r i n n e r u n g e n und kein Erinnerungsbewußtfein davon. Ich muß es alfo darftellen durch ( f l - B ) ' . Diefes B e wußtfein fchließt in der Tat ein Fi', Β , a b e r auch ein — ein. Freilich ift die F o l g e nicht ein drittes Stück, als ob die Schreibweife der Zeichen nacheinander die Folge bezeichnete. Immerhin kann icf) das Gefet) hinfchreiben: (Η — B ) ' = fl—'B' in dem S i n n e : es ift ein Bewußtfein der E r i n n e r u n g an FI und an Β vorhanden, a b e r auch ein modifiziertes Bewußtfein des »es folgt auf FI das B « . F r a g e n wir nun nach dem originär gebenden Bewußtfein für eine F o l g e dauernder Gegenftändlicbkeiten — und fcfton der D a u e r f e l b f t - , fo finden w i r , daß Retention u n d Wiedererinnerung notwendig dazu gehören. Die Retention konftituiert den lebendigen Horizont des Jet)t, ich habe in ihr ein Bewußtfein des »foeben vergangen«, a b e r originär konftituiert fich dabei - etwa im Fefthalten des foeben gehörten Tones - n u r die Zurückfchiebung der Jet)tphafe bzw. der fertig konftituierten und in diefer Fertigkeit fich nicht m e h r konftituierenden und nicht m e h r w a h r g e n o m m e n e n Dauer. In »Deckung« mit diefem fich zurückfAiebenden »Refultat« kann ich a b e r eine Wiedererzeugung v o r n e h m e n . Dann ift mir die Vergangenheit der Dauer gegeben, eben als »Wiedergegebenheit« der Dauer fAlechthin gegeben. Und es ift zu beachten: n u r vergangene Dauern kann ich in wiederholenden Akten »originär« anfchauen, wirklich anfchauen, identifizieren und als identifches Objekt vieler Akte gegenftändlich haben. Die Gegenwart kann ich nachleben, aber fie
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Vortefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbcwußtfeins.
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kann nicht w i e d e r g e g e b e n fein. Wenn ich, wie ich jederzeit kann, auf eine und diefelbe Sukzeffion zurückkomme und fie als dasfelbe Zeitobjekt identifiziere, fo vollziehe ich eine Sukzeffion von w i e d e r · erinnernden Erlebniffen in d e r Einheit eines ü b e r g r e i f e n d e n Sukzeffionsbewußtfeins, alfo (H — B ) - ( H — B ) ' - ( f l - B ) " Die F r a g e ift: wie fieht diefes Identifizieren a u s ? Zunächft ift die F o l g e eine F o l g e von Erlebniffen: das erfte die originäre Konftitu= tion einer F o l g e von Η — B , das zweite die E r i n n e r u n g an diefe Folge, dann noch einmal diefelbe ufw. Die Gefamtfolge ift originär gegeben als Präfenz. V o n diefer F o l g e k a n n ich a b e r m a l s eine E r i n n e r u n g haben, von einer folchen W i e d e r e r i n n e r u n g a b e r m a l s eine folche in infinitum. Wefensgefetjlicb ift nicht n u r jede E r i n n e rung iterierbar in dem S i n n e , daß beliebig hohe S t u f e n Möglichkeiten find, fondern es ift das auch eine S p h ä r e des »Ich k a n n « . Prinzipiell ift jede S t u f e eine Tätigkeit d e r F r e i h e i t (was H e m m · niffe nicht ausfchließt). Wie iiebt die erfte W i e d e r e r i n n e r u n g j e n e r Sukzeffion a u s ? l(fl-B)-(fl-B)T. Dann kann ich nach d e m f r ü h e r e n Gefet) a b l e i t e n , daß darin fteckt {R — B ) ' und l(H — B ) ' ] \ alfo eine E r i n n e r u n g zweiter S t u f e , und z w a r im Nacheinander; und natürlich auch die E r i n n e r u n g an die Folge ( — ' ) . Wiederbole ich noch einmal, fo habe ich noch h ö h e r e Erinnerungsmodifikationen und zugleich das B e w u ß t f e i n , daß ich mehrmals nacheinander eine wiederholende V e r g e g e n w ä r t i g u n g vollzogen habe. Dergleichen k o m m t fehr gewöhnlich vor. Ich klopfe zweimal auf den Tifch, ich v e r g e g e n w ä r t i g e m i r das Nacheinander, dann achte ich darauf, daß ich zuerft die F o l g e w a h r n e b m u n g s m ä ß i g gegeben hatte und dann mich e r i n n e r t h a b e ; dann achte ich darauf, daß ich eben diefes Hebten vollzogen hatte und z w a r als drittes Glied einer Reibe, die ich m i r wiederholen kann ufw. Das alles ift befonders in der pbänomenologifeben A r b e i t s m e t h o d e fehr gewöhnlich. In der F o l g e gleicher (inbaltsidentifcber) O b j e k t e , die nur in der Sukzeffion und nicht als Koexiftenz g e g e b e n find, haben w i r nun eine eigentümliche Deckung in der Einheit eines B e w u ß t f e i n s : eine fukzeffive Deckung. Natürlich uneigentlicb gefprochen, denn fie find ja auseinandergelegt, find als Folge bewußt, getrennt durch eine Zeitftrecke. Und doch: haben wir im Nacheinander ungleiche Objekte mit gleichen abgehobenen M o m e n t e n , fo laufen gewiffermaßen »Gleichbeitslinien« von einem zum anderen und bei Ähnlichkeit Ähnlich-
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Edmund Huffed,
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keitslinien. Wie haben hier eine Hufeinandecbezogenheit, die nid>t in beziehendem Betrachten konftituiert ift, die v o r aller »Vergleichung« und allem »Denken« liegt als Vorausfetjung der Gleich· heitsanfebauung und Differenzanfchauung. Eigentlich »vergleichbar« ift nur das Ähnliche, und »Unterfchied« fetjt »Deckung« voraus, d. i. jene eigentliche Einigung des im Übergang (oder in der Koexiftenz) verbundenen Gleichen. § 19. D e r U n t e r f c h i e d v o n R e t e n t i o n u n d R e p r o d u k t i o n ( p r i m ä r e r u n d f e k u n d ä r e r E r i n n e r u n g bzw. Ρ h a n t a f i e). Nunmehr ift untere Stellungnahme zur Lehre Brentanos, daß der Urfprung der Zeitauffaffung im Gebiete der Pbantafie liege, endgültig entfehieden. Pbantafie ift das als Vergegenwärtigung (Reproduktion) diarakterifierte Bewußtfein. Es gibt nun zwar vergegenwärtigte Zeit, aber diefe weift notwendig zurück auf urfprünglicb gegebene, nicht pbantafierte, fondern präfentierte. Vergegenwärtigung ift das Gegenteil von urfprünglicb gebendem Rkt, keine Vorftellung kann ihr »entfpringen«. D. b. Pbantafie ift kein Bewußtfein, das irgendeine Objektivität oder einen wefentlichen und möglichen Zug in einer Objektivität als felbft gegeben binftellen kann. Nicht felbft zu geben ift ja gerade das Wefen der Pbantafie. Selbft der Begriff der Pbantafie entfpringt nicht der Pbantafie. Denn wollen wir originär gegeben haben, was Pbantafie ift, fo müffen wir zwar Pbantafien bilden, aber diefes felbft befagt noch nicht das Gegebenfein. Wir müffen natürlich das Pbantafieren betrachten, es wahrnehmen: die Wahrnehmung der Pbantafie ift das urfprünglicb gebende Bewußtfein für die Bildung des Begriffes Pbantafie, in diefer Wahrnehmung erfebauen wir, was Pbantafie ift, wir erfaffen fie im Bewußtfein der Selbftgegebenbeit. Daß zwifdben der wiedervergegenwärtigenden Erinnerung und der primären Erinnerung, welche das Jetjtbewußtfein extendiert, ein gewaltiger pbänomenologifcher Unterfchied beftebt, das zeigt ein aufmerkfamer Vergleich der beiderfeitigen Erlebniffe. Wir hören etwa zwei oder drei Töne und haben während der zeitlichen Extention des Jetjt ein Bewußtfein von dem eben gehörten Ton. Evidentermaßen ift diefes Bewußtfein im Wefen dasfelbe, ob aus der tonalen Geftalt, die die Einheit eines Zeitobjektes bildet, noch ein Glied wirklid·) als jet)t wahrgenommen wird, oder ob das nicht mehr ftattbat, fondern das Gebilde nur noch retentional bewußt ift. Nehmen wir nun an, es werde vielleicht, während die kontinuierliche Inten-
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Vortefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewufitfeins.
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tion auf den eben gehörten Ton oder tonalen Verlauf lebendig ift, diefer felbe nod) einmal reproduziert. Den Takt, den ich eben noch gehört habe und auf den meine flufmerkfamkeit noch gerichtet ift, vergegenwärtige ich mir, indem ich ihn innerlich nod) einmal nachvollziehe. Der Unterfcbied fpringt in die Hugen. In der Vergegenwärtigung haben wir nun den Ton oder die Tongeftalt mitfamt ihrer ganzen zeitlichen Extenfion noch einmal. Der vergegenwärtigende Hkt ift zeitlich genau fo extendiert wie der frühere Wahrnehmungsakt, er reproduziert ihn, er läßt Tonphafe f ü r Tonphafe und Intervall für Intervall ablaufen, er reproduziert dabei auch die Phafe der primären Erinnerung, die wir für den Vergleich ausgewählt hatten. Dabei ift er nicht eine bloße Wiederholung, und der Unterfd)ied befteht nicht etwa bloß darin, daß wir einmal eine fchlichte. Reproduktion haben und das andere Mal eine Reproduktion von einer Reproduktion. Wir finden vielmehr radikale Unterfchiede im Gehalt. Sie treten hervor, wenn wir etwa fragen, was den Unterfd)ied zwifchen dem Erklingen des Tones in der Vergegenwärtigung ausmacht und dem nachbleibenden Bewußtfein, das wir von ihm doch aud) in der Phantafie zurückbehalten. Der reproduzierte Ton während des »Erdingens« ift Reproduktion vom Erklingen. Das nachbleibende Bewußtfein nach dem reproduzierten Erklingen ift nicht mehr Reproduktion des Erklingens, fondern des eben gewefenen, eben noch gehörten Er-klingens, und diefes ftellt fich in ganz anderer Weife dar als das Erklingen felbft. Es bleiben die Phantasmen, welche die Töne darftellen, nicht etwa im Bewußtfein ftehen, als ob nun in der Vergegenwärtigung jeder Ton als ein identifcb verharrendes Datum konftituiert wäre. Sonft könnte es ja gar nicht zu einer anfchaulichen Zeitvorftellung, der Vorftellung eines Zeitobjektes in der Vergegenwärtigung kommen. Der reproduzierte Ton vergebt, fein Phantasma bleibt nicht identifcb ftehen, fondern es modifiziert fid) in eigentümlicher Weife und begründet das vergegenwärtigende Bewußtfein von Dauer, Veränderung, Aufeinanderfolge ufw. Die Modifikation des Bewußtfeins, die ein originäres ]e^t in ein r e p r o d u z i e r t e s verwandelt, ift etwas ganz anderes als diejenige Modifikation, welche, fei es das originäre, fei es das reproduzierte Jetjt verwandelt in das V e r g a n g e n . Diefe letjtere Modifikation hat den Charakter einer ftetigen flbfd>attung ; wie das Je$t fid) ftetig abftuft in das Vergangen und weiter Vergangen, fo ftuft fich auch das intuitive Zeitbewußtfein ftetig ab. Dagegen ift von einem ftetigen Übergang von Wahrnehmung in Phantafie, von Impreffion in Reproduktion keine Rede. Der letztere Unterfchied
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Edmund Huffecl,
(40
ift ein diskreter. Wir müffen daher fagen: das, was wir originäres Bewußtfein, Impreffion oder auch Wahrnehmung nennen, das ift ein fid) ftetig abrufender Akt. Jede konkrete Wahrnehmung impliziert ein ganzes Kontinuum folcher Hbftufungen. Genau diefelben Hbftufungen verlangt aber auch die Reproduktion, das Phantafiebewußtfein, nur eben reproduktiv modifiziert. Beiderfeits gehört es zum Wefen der Erlebniffe, daß fie in diefer Weife extendiert fein müffen, daß eine punktuelle Phafe niemats für fid> fein kann. Natürlich betrifft die flbftufung des originär wie des reproduktiv Gegebenen (wie wir bereits früher fahen) fchon die fluffaffungsinhalte. Die Wahrnehmung baut fid> auf Empfindungen auf. Die Empfindung, welche für den Gegenftand präfentativ fungiert, bildet ein ftetiges Kontinuum, und ebenfo bildet das Phantasma für die Repräfentation eines Pbantafieobjekts ein Kontinuum. Wer einen wefentlichen Unterfdbied zwifchen Empfindungen und Phantasmen annimmt, darf natürlich die fluffaffungsinbalte für die eben vergangenen Zeitphafen nicht als Phantasmen anfprechen, denn diefe gehen ja kontinuierlich in die Huffaffungsinhalte des Jetjtmomentes über. § 20.
Die » F r e i h e i t « der
Reproduktion.
Im originären und im reproduzierten Ablauf des »Zurückfinkens« treten bemerkenswerte Verfchiedenheiten auf. Das originäre Erfdieinen und Abfließen der Hblaufsmodi im Ericheinen ift etwas Feftes, etwas durch »Hffektion« Bewußtes, auf das wir nur hinfehen können (wenn wir überhaupt die Spontaneität des Zufehens vollziehen). Dagegen das Vergegenwärtigen ift etwas Freies, es ift ein freies Durchlaufen, wir können die Vergegenwärtigung »fcbneller« oder »langfamer«, deutlicher und expliziter oder verworrener, blitjfchnell in einem Zuge oder in artikulierten Schritten ufw. vollziehen. Die Vergegenwärtigung ift dabei felbft ein Ereignis des inneren Bewußtfeins und hat als folcbes ihr aktuelles Jetjt, ihre Hblaufsmodi ufw. Und in derfelben immanenten Zeitftrecke, in der fie wirklich erfolgt, können wir »in Freiheit« größere und kleinere Stücke des vergegenwärtigten Vorgangs mit feinen Hblaufsmodis unterbringen und fomit ihn fchneller oder langfamer durchlaufen. Dabei bleiben die relativen Hblaufsmodi (unter der Vorausfetjung der fortgefeljten identifizierenden Deckung) der vergegenwärtigten Punkte der Zeitftrecke unverändert. Ich vergegenwärtige immerfort dasfelbe, immer diefelbe Kontinuität der Hblaufsmodi der Zeitftrecke, immer fie felbft im Wie. Hber wenn ich fo
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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immer wieder zu demfelben Anfangspunkt zurückkehre u n d z u derfelben Folge von Zeitpunkten, fo flnkt doch derfelbe Anfangspunkt felbft i m m e r weiter und ftetig zurück. §21.
Klarheitsftufen der
Reproduktion.
Dabei fdiwebt das Vergegenwärtigte in m e h r oder minder k l a r e r Weife vor, u n d die verfchiedenen Modi diefer Unklarheit beziehen fich auf das Ganze, das vergegenwärtigt ift, u n d feine Bewußtfeinsmodi. Fluch bei der originären Gegebenheit eines Zeitobjektes fanden wir, daß es zuerft lebendig, klar erfdjeint, dann mit abnehm e n d e r Klarheit ins Leere übergeht. Diefe Modifikationen gehören zum Fluß. Aber w ä h r e n d diefelben Modifikationen eben in d e r Vergegenwärtigung des Fluffes a u f t r e t e n , treten u n s da noch andere »Unklarheiten« entgegen, nämlich fchon das »Klare« (im erften Sinn) fteht wie durch einen Schleier gefehen, unklar da, und z w a r mehr oder minder unklar ufw. Alio die einen u n d anderen Unklarheiten find nicht zu verwechfeln. Die fpezififchen Modi d e r Lebendigkeit und Unlebendigkeit, der Klarheit und Unklarheit d e r Vergegenwärtigung gehören nicht zum Vergegenwärtigten oder zu ihm n u r vermöge des Wie der Vergegenwärtigung, fie gehören zum aktuellen Erlebnis der Vergegenwärtigung. §22.
Ε ν i d e n z d e r R e ρ r ο d u k t i ο n.
Ein b e m e r k e n s w e r t e r Unterfchied beftebt auch hinfichtlich d e r Evidenz der primären und fekundären E r i n n e r u n g l ) · Was ich retentional bewußt habe, fo faben wir, das ift abfolut gewiß. Wie fteht es n u n mit der f e r n e r e n Vergangenheit? E r i n n e r e ich mich an etwas, was ich geftern erfahren habe, fo reproduziere ich den geftern erfahrenen Vorgang evtl. nach allen Schritten d e r Sukzeffion. Während ich das tue, habe ich das Bewußtfein einer Folge: eins w i r d zuerft reproduziert, dann in d e r beftimmten Folge das zweite ufw. Aber abgefehen von diefer Folge, die d e r Reproduktion als gegenwärtigem Erlebnisverlauf evidentermaßen zukommt, bringt fie einen vergangenen zeitlichen Verlauf zur Darftellung. Und es ift wohl möglich, daß nicht n u r die einzelnen Schritte des erinnerungsmäßig gegenwärtigen Vorgangs von denen des vergangenen abweichen (daß diefe nicht fo erfolgt find, wie fie jetjt vergegenwärtigt werden), fondern auch, daß die wirkliche Reihenfolge eine andere w a r als die erinnernde Reihenfolge es eben meint. Hier find alfo Irr1) Vgl. S. 394 f.
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Edmund Huflerl,
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tümec möglich und zwar Irrtümer, die der Reproduktion als folcher entfpringen und nicht zu verwechfeln find mit den Irrtümern, denen auch die Wahrnehmung von Zeitobjekten (von tranfzendenten nämlich) unterworfen ift. Daß und in welchem Sinne dies der Fall ift, wurde auch bereits erwähnt: wenn ich eine zeitliche Folge originär bewußt habe, (o ift es zweifellos, daß zeitliche Folge ftattgehabt hat und ftatthat. Aber es ift nicht getagt, daß ein — objektives Ereignis wirklich in dem Sinne ftatthat, in dem ich es auffaffe. Die einzelnen fluffaffungen können falfche fein, folche, denen keine Wirklichkeit entfpricht. Und bleibt nun in der zeitlichen Zurückgefchobenbeit die gegenftändliche Intention des ftufgefaßten (nach feinem konftituierenden Gehalt und nach feinem Verhältnis zu anderen Gegenftänden) erhalten, fo durchzieht der Irrtum die ganze zeitliche Huffaffung des erfcheinenden Vorgangs. Befchränken wir uns aber auf die Folge von darftellenden »Inhalten« oder auch von »Erfcheinungen«, fo bleibt eine zweifellofe Wahrheit beftehen: es ift ein Vorgang zur Gegebenheit gekommen, und diefe Folge von Erfcheinungen hat ftattgefunden, wenn auch vielleicht nicht die Folge von Ereigniffen, die mir ericheinen. Es ift nun die Frage, ob diefe Evidenz des Zeitbewußtfeins ficb in der Reproduktion erhalten kann. Es ift dies nur möglich vermittelft einer Deckung des reproduktiven mit einem retentionalen Verlauf. Wenn ich eine Folge von zwei Tönen c, d habe, fo kann ich, während noch die frifche Erinnerung befteht, diefe Fotge wiederholen und zwar in gewiffer Beziehung adäquat wiederholen. Ich wiederhole innerlich c, d mit dem Bewußtfein, es hat zuerft c und dann d ftattgefunden. Und während dies »noch lebendig« ift, kann ich wieder fo verfahren ufw. Sicherlich kann ich auf diefe Weife über das urfprüngliche Gebiet der Evidenz hinauskommen. Zugleich fehen wir hier die Art, wie fich Wiedererinnerungen erfüllen. Wenn ich wiederhole c, d, fo findet diefe reproduktive Vorftellung der Sukzeffion ihre Erfüllung in der noch eben lebendigen früheren Sukzeffion ΟΙ 23. D e c k u n g d e s r e p r o d u z i e r t e n J e t ) t m i t e i n e m V e r g a n g e n . U n t e r f c h e i d u n g von P h a n t a f i e und W i e d e r e r i n n e r u n g . Nachdem wir das reproduktive Bewußtfein von Vergangenem abgehoben haben gegen das originäre, ergibt fich ein weiteres 1) Man kann es auch umgekehrt nehmen, indem die Reproduktion die bloß retentional bewußte Folge anfchaulid) macht.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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Problem. Wenn ich eine gehörte Melodie reproduziere, fo vergegenwärtigt das phänomenale Jetjt der Wiedererinnerung ein Vergangen: in der Phantafie, in der Wiedererinnerung erklingt jetjt ein Ton. E r reproduziert etwa den erften Ton der Melodie, die gewefene Melodie ift. Das mit dem zweiten Ton gegebene Vergangenheitsbewußtfein reproduziert das »ioeben vergangen«, das früher originär gegeben war, alio ein vergangenes »foeben vergangen«. Wie kommt nun das reproduzierte Jetjt dazu, ein Vergangen zu repräfentieren? Unmittelbar ftellt doch ein reproduziertes Jetjt eben ein Jetjt vor. Wie kommt die Beziehung auf ein Vergangenes hinein, das doch originär nur gegeben fein kann in der Form des »foeben vergangen«? Für diefe Frage ift es nötig, eine Scheidung vorzunehmen, die wir bisher nur berührt haben, nämlich zwifdien bloßer Phantafie von einem zeitlich extendierten Objekt und Wiedererinnerung. In der bloßen Phantafie ift keine Setzung des reproduzierten Jetjt und keine Deckung desfelben mit einem vergangenen gegeben. Die Wiedererinnerung dagegen fetjt das Reproduzierte und gibt ihm in diefer Setjung Stellung zum aktuellen Jetjt und zur Sphäre des originären Zeitfetdes, dem die Wiedererinnerung felbft angehört 1 )· Nur im originären Zeitbewußtfein kann fid> die Beziehung zwifchen einem reproduzierten Jetjt und einem Vergangen vollziehen. Der Vergegenwärtigungsfluß ift ein Fluß von Erlebnisphafen, der genau fo wie jeder zeitkonftituierende Fluß gebaut, alfo felbft ein zeitkonftituierender ift. All die Hbfcbattungen, Modifikationen, die die Zeitform konftituieren, finden (ich hier, und genau fo, wie (ich im Fluß der Tonphafen der immanente Ton konftituiert, fo konftituiert fid) im Fluß der Tonvergegenwärtigungsphafen die Einheit der Tonvergegenwärtigung. Es gilt eben allgemein, daß wir von allem im weiteften Sinne Erfcbeinenden, Vorgeftellten, Oedachten ufw. zurückgeführt werden in der phänomenologifchen Reflexion auf einen Fluß von konftituierenden Phafen, die eine immanente Objektivation erfahren: eben die zu Wahrnehmungserfcheinungen (äußeren Wahrnehmungen), Erinnerungen, Erwartungen, Wünfchen ufw. als Einheiten des inneren Bewußtfeins. fllfo auch die Vergegenwärtigungen jeder Art als Erlebnisabflüffe von der univerfellen zeitkonftituierenden Geftaltung konftituieren ein immanentes Objekt: »dauernder, fo und fo abfließender Vorgang der Vergegenwärtigung«. 1) Vgl. Beitage III: Die Zufammenbangsintentionen von Erinnerung und Wahrnehmung. - Die Modi des Zeitbewußtfeins, S. 455 ff.
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Hndererfeits haben aber die Vergegenwärtigungen das Eigene, daß fie in ficb felbft und nach allen Erlebnispbaien Vergegenwärtigungen »von« in einem anderen Sinne find, daß fie eine zweite, andersartige Intentionalität baben, eine folche, die ihnen allein und nicht allen Erlebniifen eigen ift. Diefe neue Intentionalität bat nun aber die Eigentümlichkeit, daß fie der Form nach ein Gegenbild der zeitkonftituierenden Intentionalität ift, und wie fie in jedem Elemente ein Moment eines Gegenwärtigungsfluffes und im Ganzen einen ganzen Gegenwärtigungsfluß reproduziert, fo ftellt fie ein reproduktives Bewußtfein von einem vergegenwärtigten immanenten Objekt her. Sie konftituiert alfo ein Doppeltes: einmal durch ihre Form des Erlebnisfluffes die Vergegenwärtigung als immanente Einheit; dadurch fodann, daß die Erlebnismomente diefes Fluffes reproduktive Modifikationen von Momenten eines parallelen Fluffes find (der im gewöhnlichen Fall aus nicht reproduktiven Momenten befteht) und dadurch, daß diefe reproduktiven Modifikationen eine Intentionalität bedeuten, fchließt ficb der Fluß zufammen zu einem konftituierenden Ganzen, in dem eine intentionale Einheit bewußt ift: die Einheit des Erinnerten. § 24.
P r o t e n t i o n e n in d e r
Wiedererinnerung.
Um nun die Einordnung diefer konftituierten Erlebniseinheit Erinnerung« in den einheitlichen Erlebnisftrom zu verftehen, ift folgendes mit in Rechnung zu ziehen: jede Erinnerung enthält Erwartungsintentionen, deren Erfüllung zur Gegenwart führt. Jeder urfprünglich konftituierende Prozeß ift befeelt von Protentionen, die das Kommende als folches leer konftituieren und auffangen, zur Erfüllung bringen. Aber: der wiedererinnernde Prozeß erneuert erinnerungsmäßig nicht nur diefe Protentionen. Sie waren nicht nur auffangend da, fie baben auch aufgefangen, fie baben fid> erfüllt, und deffen find wir uns in der Wiedererinnerung bewußt. Die Erfüllung im wiedererinnernden Bewußtfein ift Wieder-Erfüllung (eben in der Modifikation der Erinnerungsfetjung), und wenn die urfprünglicbe Protention der Ereigniswahrnehmung unbeftimmt war und das Anderstem oder Nichtfein offen ließ, fo baben wir in der Wiedererinnerung eine vorgerichtete Erwartung, die all das nicht offen läßt, es fei denn in Form »unvollkommener« Wiedererinnerung, die eine andere Struktur bat als die unbeftimmte, urfprünglicbe Protention. Und doch ift auch diefe in der Wiedererinnerung befchloffen. Es beftehen hier alfo Schwierigkeiten der intentionalen Hnalyfe fchon f ü r das einzeln betrachtete Ereignis
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Votierungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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und dann in neuer Weife f ü r die Erwartungen, die die Aufeinanderfolge der Ereigniffe bis zur Qegenwart angehen: Die Wiedererinnerung ift nicht Erwartung, fie hat aber einen auf die Zukunft und zwar auf die Zukunft des Wiedererinnerten gerichteten Horizont, der gefegter Horizont ift. Dieier Horizont wird im Fortfehreiten des wiedererinnernden Prozeffes immer neu eröffnet und lebendiger, reicher. Und dabei erfüllt fid> diefer Horizont mit immer neuen wiedererinnerten Ereigniffen. Die vordem n u r vorgedeutet waren, find nun quafigegenwärtig, quafi im Modus der verwirklichenden Gegenwart. §25. D i e d o p p e l t e I n t e n t i o n a l i t ä t d e r Wiedererinnerung. Unterfcbeiden wit alfo bei einem Zeitobjekt den Inhalt nebft feiner Dauer, die im Zufammenhang »der· Zeit eine verfchiedene Stelle haben können, von feiner Zeitteilung, fo haben wir in der Reproduktion eines dauernden Seins neben der Reproduktion der erfüllten Dauer die Intentionen, welche die Stellung betreffen, und zwar notwendig. Eine Dauer ift gar nicht vorftellbar oder beffer nicht fetjbar, ohne daß fie in einem Zeitzufammenhang gefegt wird, ohne daß Intentionen des Zeitzufammenhangs da find. Dabei ift es notwendig, daß diefe Intentionen entweder die Form von Vergangenbeits- oder von Zukunftsintentionen haben. Der Doppelheit der Intentionen, der auf die erfüllte Dauer und der auf ihre Zeitftelle gerichteten, entfpricht eine doppelte Erfüllung. Der Gefamtkomplex von Intentionen, der die Erfcheinung des vergangenen dauernden Objektes ausmacht, bat feine mögliche Erfüllung in dem Syftem von Erfcheinungen, die zu demfelben Dauernden gehören. Die Intentionen des Zufammenbangs in der Zeit erfüllen fieb durch Herftellung der erfüllten Zufammenbänge bis zur aktuellen Gegenwart. Es ift alfo in jeder Vergegenwärtigung zu unterfcbeiden die Reproduktion des Bewußtfeins, in dem das vergangene dauernde Objekt gegeben, d. b. wahrgenommen oder überhaupt urfprünglich konftituiert w a r , und das, was diefer Reproduktion als konftitutiv für das Bewußtfein »vergangen« oder »gegenwärtig« (mit dem aktuellen Jet)t gleichzeitig) oder »zukünftig« anhängt. Ift nun auch das Letztere Reproduktion? Das ift eine leicht irreführende Frage. Natürlich, das Ganze wird reproduziert, nicht nur die damalige Bewußtfeinsgegenwart mit ihrem Fluß, fondern »implicite« der ganze Strom des Bewußtfeins bis zur lebendigen Gegenwart. Das fagt, als ein Grundftück apriorifdv Phänomenologie
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icher Genefe: die Erinnerung ift in einem beftändigen Fluß, weil das Bewußtfeinsleben in beftändigem Fluß ift und nid>t nur Glied an Glied in der Kette iicb fügt. Vielmehr wirkt jedes Neue zurück auf das fllte, feine vorwärtsgehende Intention erfüllt iicb und beftimmt (ich dabei, und das gibt der Reproduktion eine beftimmte Färbung. Hier zeigt iicb alfo eine a priori notwendige Rückwirkung; das Neue weift wieder auf Neues, das eintretend ficb beftimmt und für das Hlte die reproduktiven Möglichkeiten modifiziert ufw. Dabei gebt die rückwirkende Kraft der Kette nach zurück, denn das reproduzierte Vergangen trägt den Charakter Vergangen und eine unbeftimmte Intention auf eine gewiffe Zeitlage zum Jetyt. Es ift alfo nid)t fo, daß wir eine bloße Kette »affoziierter« Intentionen hätten, eins an das andere, dies an das näcbfte (Strömende) erinnernd, fondern wir haben e i n e Intention, die in ficb Intention auf die Reibe von möglichen Erfüllungen ift. Hber diefe Intention ift eine unanfcbaulicbe, eine »leere- Intention, und ihr Gegenftändliches ift die objektive Zeitreihe von Ereigniffen, und diefe ift die dunkle Umgebung des aktuell Wiedererinnerten. Cbarakterifiert das nicht überhaupt »Umgebung«: eine einheitliche Intention, die auf eine Vielheit zufammenbängender Gegenftändlicbkeiten bezogen ift und in deren gefonderter und vielfältiger, allmählicher Gegebenheit zur Erfüllung kommt? S o verhält es fleh auch beim räumlichen Hintergrund. Und fo hat auch jedes Ding in der Wahrnehmung feine Rückfeite als Hintergrund (denn es bandelt fid) nicht um Hintergrund der flufmerkfamkeit, fondern der fiuffaffung). Die Komponente »uneigentliche Wahrnehmung«, die jeder tranfzendenten Wahrnehmung als wefentlicbes Beftand« ftück zugehört, ift eine »komplexe« Intention, die erfüllbar ift in Zufammenbängen beftimmter Rrt, in Zufammenhängen von Gegebenheiten. Vordergrund ift nichts ohne Hintergrund. Die erfcheinende Seite ift nichts ohne nicht erfcheinende. Ebenfo in der Einheit des Zeitbewußtfeins: die reproduzierte Dauer ift der Vordergrund, die Einordnungsintentionen machen einen Hintergrund, einen zeitlichen, bewußt. Und in gewiffer Weife fet)t fich das in die Konftitution der Zeitlichkeit des Dauernden felbft mit feinem Jetjt, Vorher, Nachher fort. Wir haben die Analogien: für das Raumding die Einordnung in den umfaffenden Raum und die Raumwelt, andererfeits das Raumding felbft mit feinem Vordergrund und Hinter· grund. F ü r das Zeitding: die Einordnung in die Zeitform und die Zeitwelt, andererfeits das Zeitding felbft und feine wechfelnde Orientierung zum lebendigen Jetjt.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren ZeitbewuGtfeins. § 26.
Unterfcbiede zwifchen E r i n n e r u n g Erwartung.
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und
Es ift f e r n e r zu unterfuchen, ob E r i n n e r u n g u n d E r w a r t u n g einander gleichftehen. Die anfchauliche E r i n n e r u n g bietet mir die lebendige Reproduktion d e r ablaufenden Dauer eines Ereigniffes, und unanfcbaulicb bleiben n u r die Intentionen, die zurückweifen auf das Vorher und vorweifen bis z u m lebendigen Jefjt. In der anfchaulichen Vorftellung eines künftigen Ereigniffes habe ich jetjt anfchaulicb das produktive »Bild« eines Vorgangs, der reproduktiv abläuft. Daran k n ü p f e n fich unbeftimmte Zukunftsintentionen und Vergangenheitsintentionen, d. i. Intentionen, die vom Anfang des Vorgangs die Zeitumgebung betreffen, die im lebendigen Jet)t terminiert. Infofern ift die Erwartungsanfchauung umgeftülpte E r i n n e r u n g s a n f A a u u n g , denn bei diefer gehen die Jetjtintentionen dem Vorgang nicht »vorher«, fondern folgen nach. Sie liegen als leere Umgebungsintentionen »in entgegengefetjter Richtung«. Wie fteht es n u n mit der Gegebenheitsweife des Vorgangs felbft? Macht es einen wefentlichen Unterfchied aus, daß in d e r Erinnerung der Gehalt des Vorgangs beftimmter ift? fluch die Erinnerung kann anfchaulich, aber doch nicht fehr beftimmt fein, fofern manche anfchaulichen Komponenten gar nicht wirklichen Erinnerungscharakter haben. Bei »vollkommener« E r i n n e r u n g allerdings w ü r d e alles bis ins einzelne klar und als E r i n n e r u n g charakterifiert fein. Aber idealiter ift das auch bei d e r E r w a r t u n g möglich. Im allgemeinen läßt fie viel offen, und das Offenbleiben ift wieder ein Charakter der betreffenden Komponenten, f i b e r prinzipiell ift ein prophetifches Bewußtfein (ein Bewußtfein, das fich felbft f ü r prophetifch ausgibt) d e n k b a r , dem jeder Charakter d e r Erwartung, des Seinwerdenden, vor Flügen fteht: etwa wie w e n n wir einen genau beftimmten Plan haben und anfchaulich das Geplante vorftellend es fozufagen mit Haut und Haar als künftige Wirklichkeit hinnehmen. Doch wird auch da manches Belanglofe in d e r anfchaulichen Antizipation der Zukunft fein, das als Lückenbüßer das konkrete Bild ausfüllt, das aber vielfach a n d e r s fein kann, als das Bild es bietet: es ift von vornherein charakterifiert als Offenheit. Prinzipielle Unterfchiede aber liegen in der Weife der Erfüllung. Vergangenheitsintentionen erfüllen fich notwendig durch Herftellung der Zufammenhänge anfchaulicher Reproduktionen. Die Reproduktion des vergangenen Ereigniffes läßt hinfichtlich i h r e r Gültigkeit (im inneren Bewußtfein) n u r Beftätigung d e r Erinnerungsunbeftimmtheiten und Vervollkommnung durch Verwandlung in eine Repro-
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duktion zu, in der alles und jedes an Komponenten als reproduktiv «barakterifiert ift. Hier handelt es tief» um F r a g e n w i e : habe ich das wirklieb geieben, wahrgenommen, babe ich diefe Erfcbeinung wirklieb gehabt, genau mit dem Inhalt? Hll das muß fid) zugleich einem Zufammenhang ebenfoteber flnfebauungen bis zum Jetjt einfügen. Eine andere Frage allerdings ift die: war das Erfcbeinende wirklich? Dagegen findet die Erwartung ihre Erfüllung in einer Wahrnehmung. Zum Wefen des Erwarteten gehört es, daß es ein Wahrgenommen-fein-werdendes ift. Dabei ift es evident, daß, wenn ein E r w a r t e t e s eintritt, d. i. zu einem Gegenwärtigen geworden ift, der Erwartungszuftand felbft vorübergegangen ift; ift das Künftige zum Gegenwärtigen geworden, fo ift das Gegenwärtige zum relativ Vergangenen geworden. Ebenfo verhält es iieb mit den Umgebungsintentionen. fluch lie erfüllen fieb durch die Aktualität eines impreffionalen Erlebens. Ungeachtet diefer Unterfcbiede ift Erwartungsanfcbauung genau ίο etwas Urfprünglicbes und Eigenartiges wie Vergangenbeitsanfebauung. §27.
E r i n n e r u n g als B e w u ß t f e i n vom Wabrgenommen-gewefen-fein.
Zur Cbarakteriftik der analyiierten fetjenden Reproduktionen ift folgendes von größter Bedeutung: es gehört zu ihrem Wefen nicht bloß reproduktive Setjung von zeitlichem S e i n , fondern eine gewiffe Beziehung zum inneren Bewußtfein. Zum Wefen der Erinnerung gehört primär, daß fie Bewußtfein vom Wabrgenommengewefen-fein ift. Erinnere ich mid) anfebautieb an einen äußeren Vorgang, fo habe ich eine reproduktive flnfebauung von ihm. Und es ift eine fetjende Reproduktion. Diefe äußere Reproduktion ift aber notwendig bewußt durch eine innere Reproduktion 1 ). Ein äußeres Erfcbeinen muß ja reproduziert werden, in dem der äußere Vorgang in beftimmter Erfcbeinungsweife gegeben ift. Das äußere Erfcbeinen als Erlebnis ift Einheit des inneren Bewußtfeins, und dem inneren Bewußtfein entfpriebt die innere Reproduktion. Es befteben nun aber für die Reproduktion eines Vorgangs zwei Möglichkeiten: es kann die innere Reproduktion eine fegende fein und demnach die Erfcbeinung des Vorgangs gefetjt fein in der Einheit der immanenten Zeit; oder es kann auch die äußere Reproduktion eine fetjende fein, die den betreffenden zeitlichen Vorgang 1) Vgl. Beilage XI, S. 481 ff.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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in der objektiven Zeit fetjt, nicbt aber die Erfcheinung felbft als Vorgang der inneren Zeit und damit weiter nicht den zeitkonftituierenden Strom in der Einheit des Gefamtlebensftromes. Erinnerung ift alfo nicht ohne weiteres Erinnerung an frühere Wahrnehmung. Da aber die Erinnerung an einen früheren Vorgang die Reproduktion der Erfcheinungen, in denen er zur Gegebenheit kam, einfchließt, befteht jederzeit auch die Möglichkeit einer Erinnerung an die frühere Wahrnehmung des Vorgangs (bzw. die Möglichkeit einer Reflexion i n der Erinnerung, die die frühere Wahrnehmung zur Gegebenheit bringt). Es wird das frühere Bewußtfeinsganze reproduziert, und was reproduziert wird, das hat den Charakter der Reproduktion und den Charakter der Vergangenheit. Machen wir uns diefe Verhältniffe an einem Beifpiel klar: ich erinnere mich an das erleuchtete Theater — das kann nicht beißen: ich erinnere mich, das Theater wahrgenommen zu haben. Sonft hieße letjteres: ich erinnere mich, daß ich wahrgenommen habe, daß ich das Theater wahrgenommen habe uff. Ich erinnere mich an das erleuchtete Theater, das fagt: »in meinem Inneren« fchaue ich das erleuchtete Theater als gewefenes. Im Jetjt fchaue ich das Nicht-Jetjt. Wahrnehmung konftituiert Gegenwart. Damit ein Jetjt als folches mir vor flugen fteht, muß ich wahrnehmen. Um ein 3et)t anfchaulicb vorzuftellen, muß ich »im Bilde«, repräfentativ modifiziert, eine Wahrnehmung vollziehen. Ober nicht fo, daß ich die Wahrnehmung vorftelle, fondern ich ftelle das Wahrgenommene vor, das in ihr als gegenwärtig Ericbeinende. Die Erinnerung impliziert alfo wirklich eine Reproduktion der früheren Wahrnehmung; aber· die Erinnerung ift nicht im eigentlichen Sinne eine Vorftellung von ihr: die Wahrnehmung ift nicht in der Erinnerung gemeint und gefetjt, fondern gemeint und gefetjt ift ihr Gegenftand und fein Jet)t, das zudem in Beziehung gefetjt ift zum aktuellen Jet)t. Ich erinnere mich an das erleuchtete Theater von geftern, d. b. ich vollziehe eine »Reproduktion« der Wahrnehmung des Theaters, fomit fchwebt mir in der Vorftellung das Theater als ein gegenwärtiges vor, diefes meine ich, faffe dabei aber diefe Gegenwart als zurückliegend in Beziehung auf die aktuelle Gegenwart der jetzigen aktuellen Wahrnehmungen auf. Natürlieh ift jetjt evident: die Wahrnehmung des Theaters war, ich habe das Theater wahrgenommen. Das Erinnerte erfcheint als gegenwärtig gewefen und zwar unmittelbar anfchaulicb; und es erfcheint fo dadurch, daß intuitiv eine Gegenwart erfcheint, die einen Hbftand bat von
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Edmund Huffett,
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der Gegenwart des aktuellen Jetjt. Die l e i t e t e Gegenwart kon« ftituiert ficb in der wirklichen Wahrnehmung, jene intuitiv ericheinende Gegenwart, die intuitive Vorftellung des Nicht - Jetyt, konftituiert (ich in einem Gegenbild von Wahrnehmung, einer »Vergegenwärtigung der früheren Wahrnehmung«, in der das Theater »gleichfam jetjt« zur Gegebenheit kommt. Diefe Vergegenwärtigung der Wahrnehmung des Theaters ift alio nicht fo zu verfteben, daß ich darin lebend das Wahrnehmen meine, fondern ich meine das Gegenwärtigfein des wahrgenommenen Objektes. § 28.
E r i n n e r u n g u n d Β i I d b e w u ß t f e i n. E r i n n e r u n g a l s f et} e n d e R e p r o d u k t i o n .
Es bedarf noch der Erwägung, welcher Art die Vergegenwärtigung ift, von der hier gehandelt wird. In Frage fteht nicht eine Repräfentation durch ein ähnliches Objekt wie im Falle bewußter Bildlichkeit (Gemälde, Büfte u. dgl.). Diefem Bildbewußtfein gegenüber haben die Reproduktionen den Charakter der Selbftvergegenwärtigung. Sie fcheiden fich wiederum, je nachdem fie nichtfegende (»bloße« Phantafien) oder fegende find. Und dazu kommen nun die Zeitcharaktere. Erinnerung ift Selbftvergegenwärtigung im Sinne des Vergangen. Die gegenwärtige Erinnerung ift ein ganz analoges Phänomen wie die Wahrnehmung, fie bat mit der entfprecbenden Wahrnehmung gemein die Ericbeinung des Gegenftandes, nur bat die Erfcheinung einen modifizierten Charakter, vermöge deffen der Gegenftand nicht als gegenwärtig daftebt, fondern als gegenwärtig gewefen. Das Wefentlicbe der Art von Reproduktionen, die Erinnerung und Erwartung beißen, liegt in der Einordnung der reproduzierten Erfcheinungen in den Seinszufammenbang der inneren Zeit, der abfließenden Reibe meiner Erlebniffe. Die Setjung erftreckt fid) normalerweife auch auf das Gegenftändtiche der äußeren Erfcheinung, aber diefe Setjung kann aufgehoben, ihr kann widerfprocben werden, und dann bleibt immer noch Erinnerung bzw. Erwartung übrig, d. b. wir werden nicht aufhören, dergleichen Erinnerung und Erwartung zu nennen, wenn wir auch die frühere bzw. künftige Wahrnehmung als bloß »vermeintliche« bezeichnen. Handelt es ficb von vornherein nicht um Reproduktion tranfzendenter, fondern immanenter Objekte, fo entfällt der gefchilderte Stufenbau der reproduktiven flnfchauungen, und die Setjung des Reproduzierten deckt fich mit feiner Einordnung in die Reihe der Erlebniffe, in die immanente Zeit.
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Votlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
§ 29.
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Gegenwartserinnerung.
Für die Sphäre der flnfchauung von äußerer Zeit und Gegen· ftändlichkeit ift noch ein anderer Typus unmittelbarer reproduktiver flnfchauung von zeitlichen Gegenftänden (auf die unmittelbare flnfchauung von Zeitgegenftänden befd)ränkten fid> ja alle unfere Ausführungen und ließen die mittelbaren, bzw. unanfchaulichen Erwartungen und Erinnerungen außer Spiel) zu berückflchtigen. Ich kann mir auch ein Gegenwärtiges als jetjt feiend vorftellen, ohne es jetjt leibhaft vor mir zu haben, fei es auf Grund f r ü h e r e r Wahrnehmungen, fei es nach einer Befchreibung oder dgl. Im erften Fall habe ich zwar eine Erinnerung, aber ich gebe dem Erinnerten Dauer bis zum aktuellen Jetjt, und für diefe Dauer habe icf> keine innerlich erinnerten »Erfcheinungen«. Das »Erinnerungsbild« dient mir, aber ich fetje nicht das Erinnerte als ein folches, das Gegenftändliche der inneren Erinnerung, in feiner ihm zukommenden Dauer. Gefetjt ift das Dauernde als (ich in diefer Erfcheinung darftellend, und das erfcheinende Jetjt fetjen wir und das immer neue Jet)t ufw.; aber wir fetjen es nicht a l s »vergangen«. Wir wiffen, das »Vergangene« bei der Erinnerung fagt auch nicht, daß wir im jetjigen Erinnern uns ein Bild machen von dem früheren, und was dergleichen Konftruktionen mehr find. Sondern wir fetjen einfach das Erfcheinende, das flngefchaute, das natürlich nach feiner Zeitlichkeit nur in den temporalen Modis anfchaubar ift. Und dem dabei Erfcheinenden geben wir in der Weife der Erinnerung durch die Umgebungsintentionen der Erfcheinung Stellung zum Jetjt der Aktualität, fllfo müffen wir auch bei der Vergegenwärtigung eines abwefenden Gegenwärtigen nach den Umgebungsintentionen der flnfchauung fragen, und diefe find hier natürlich von ganz anderer flrt: fie haben gar keine Beziehung zum aktuellen Jetjt durch eine ftetige Reihe von inneren Erfcheinungen, die fämtlieh gefegte wären. Freilich ohne Zufammenhang ift diefe reproduk» tive Erfcheinung nicht. Es foil ein Dauerndes fein, das da erfcheint, das gewefen ift und jet)t ift und fein wird. Ich kann alfo auf irgendeinem Wege hingehen und fehen, das Ding noch finden, und kann dann wieder zurückgehen und in wiederholten »möglichen« Erfebeinungsreihen die flnfchauung herftellen. Und wenn ich vorhin aufgebrochen und dahin gegangen wäre (und das ift vorgezeichnete Möglichkeit, und dem entfprechen mögliche Erfcheinungsreihen), dann hätte ich jetjt diefe flnfcbauung als Wabrnehmungsanfchauung ufw. fllio die Erfcheinung, die mir reproduktiv vorfchwebt, ift zwar nicht charakterifiert als innerlich impreffional gewefen, das Erfchei-
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nende nicht als in feinet Zeitdauer wahrgenommen gewefenes: aber Beziehung zum hic et nunc befteht auch hier, die Erfcbeinung trägt auch einen gewiffen Setjungscharakter: fle gehört in einen beftimmten Erfcheinungszufammenhang hinein (und von Ericheinungen, die durchaus »fegende«, ftellungnehmende wären), und in Beziehung auf diefen hat fie motivierenden Charakter: die Umgebungsintention ergibt für die »möglichen« Ericheinungen felbft je einen Hof von Intentionen. Ebenfo verhält es fleh mit der flnfebauung von dauerndem Sein, das ich jetjt wahrnehme und als vorher gewefen fetje, ohne es vorher wahrgenommen zu haben und jetjt zu erinnern, und das ich als künftig fein werdend fetje. § 30.
E r h a l t u n g der gegenftändlichen Intention in d e r r e t e n t i o n a l e n A b w a n d l u n g .
Es kommt oft vor, daß, während noch die Retention von eben Vergangenem lebendig iit, ein reproduktives Bild von demfelben auftaucht: aber natürlich ein Bild desfelben, wie es im Jetjtpunkt gegeben war. Wir rekapitulieren fozufagen das foeben Erlebte. Diefe innere Erneuerung in der Vergegenwärtigung feijt das reproduktive Jet)t mit dem noch in frifcher Erinnerung lebenden in Beziehung, und hier vollzieht fleh das Identitätsbewußtfein, das die Identität des einen oder anderen herausftellt. (Dies Phänomen zeigt zugleich, daß zur Sphäre der primären Erinnerung neben dem intuitiven ein leerer Teil gehört, der fehr viel weiter reicht. Während wir ein Gewefenes noch in der frifchen, obfebon leeren Erinnerung haben, kann zugleich ein »Bild« davon auftauchen.) Es ift eine allgemeine und grundwefentliche Tatfache, daß jedes Jetjt, indem es in die Vergangenheit zuriiekfinkt, feine ftrenge Identität fefthält. Phänomenologifch gefprochen: das Jetjtbewußtfein, das fich auf Grund der Materie Η konftituiert, wandelt fich ftetig in ein Vergangenheitsbewußtfein um, während gleichzeitig immer neues Jetjtbewußtfein fich aufbaut. Bei diefer Umwandlung erhält fich (und das gehört zum Wefen des Zeitbewußtfeins) das fid) modifizierende Bewußtfein feine gegenftändliche Intention. Die kontinuierliche Modifikation, welche jedes urfprüngliche Zeitfeld hinfichtlich der es konftituierenden flktcharaktere enthält, ift nicht fo zu verftehen, als ob in der Reihe der zu einer Objektphafe gehörigen fluffaffungen, angefangen von ihrem Huftreten als Jefytfetjung und herabfteigend bis an das letzte erreichbare phänomenale Vergangen, eine ftetige Modifikation in der gegenftändlichen Intention ftatthätte. Im Gegenteil: die gegenftändliche Intention ver-
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Vortefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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bleibt als abfotut diefelbe und identifche. Gleichwohl beftebt ein phänomenales Sichabftufen und z w a r nicht n u r hinfichtlich der fluffaffungsinhalte, die ihr Abklingen haben, ein gewiffes Herabfinken von der böchften Empfindungshöhe im Jetjt bis zur Unmerklichkeit. V o r allem ift das J e t j t m o m e n t charakterifiert als das Neue. Das e b e n herabßnkende J e t j t ift nicht m e h r das N e u e , fondern das durch das Neue beifeite Gefchobene. In diefer Beifeitefchiebung liegt eine V e r ä n d e r u n g . A b e r w ä h r e n d es feinen Charakter des Jetjt v e r l o r e n hat, hält es ßcb in feiner gegenftändlichen Intention abfolut ungeändert, es ift Intention auf eine individuelle Objektivität, und z w a r anfehauende Intention. In diefer Hinficht alfo liegt keinerlei V e r ä n d e r u n g vor. E s ift a b e r hier wohl zu e r w ä g e n , was »Erhaltung der gegenftändlichen Intention« befagt. Die Gefamtauffaffung des Gegenftandes enthält zwei K o m p o n e n t e n : die eine konftituiert das Objekt nach feinen außerzeitlichen B e f t i m m u n g e n , die andere febafft die Zeitftelle, das Jetjtfein, Gewefenfein ufw. Das Objekt als die Zeitmaterie, als das, was die Zeitftelle und die zeitliche Ausbreitung bat, als das, was dauert o d e r fich verändert, als d a s , was jet)t ift und dann gewefen ift, entfpringt rein aus der Objektivation d e r fluffaffungsinhalte, im Falle finnlicher Objekte alfo der finnlicben Inhalte. Daß diefe Inhalte gleichwohl Zeitobjekte find, daß fie fich in einem Nacheinander als ein Kontinuum von Urimpreffionen und Retentionen erzeugen, und daß diefe Zeitabfchattungen der Empfindungsdaten ihre Bedeutung haben für die Zeitbeftimmungen d e r mittels i h r e r konftituierten Objekte, verlieren w i r dabei nicht aus d e m Fluge. A b e r in i h r e r Eigenfchaft als Repräfentanten dinglicher Qualitäten ihrem reinen Was nach fpielt ihr Zeitcharakter keine Rolle. Die unzeitlich gefaßten fiuffaffungsdaten konftituieren das Objekt nach feinem fpezififchen Beftande, und w o diefer erhalten bleibt, können w i r fchon von einer Identität fpreeben. Wenn aber vorbin von Erhaltung der gegenftändlichen B e ziehung die Rede war, fo bedeutete das, daß nicht n u r der Gegenftand in feinem fpezififchen Beftande erhalten bleibt, fondern als individueller, alfo zeitlich b e f t i m m t e r , der mit feiner zeitlichen B e ftimmung in der Zeit zurückfinkt. Diefes Zurückfinken ift eine eigentümliche pbänomenologifche Modifikation des Bewußtfeins, wodurch in Relation zu dem i m m e r neu konftituierten aktuellen Jetjt v e r m ö g e der dahin führenden ftetigen Hnderungsreihe ein i m m e r wachfender flbftand fich ausbildet.
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420 § 31.
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Urimpreffion
und o b j e k t i v e r individueller Zeitpunkt. Scheinbar werden wir hier auf eine Antinomie geführt: das Objekt ändert im Zurückfinken ftändig feine Zeitftelle und follte doch im Zurückfinken feine Zeitftelle bewahren. In Wahrheit ändert das Objekt der fich ftetig zurückfchiebenden primären Erinnerung gar nicht feine Zeitftelle, fondern nur feinen Hb ft and vom aktuellen Jetjt und zwar darum, weil das aktuelle Jet)t als ein immer neuer objektiver Zeitpunkt gilt, während das vergangene Zeitliche bleibt, was es ift. Wie aber entgegen dem Phänomen der ftändigen Änderung des Zeitbewußtfeins das Bewußtfein von der objektiven Zeit und zunächft von identifchen Zeitftellen zuftandekommt, das ift nun die Frage. Damit hängt aufs engfte die F r a g e nach der Konftitution der Objektivität individueller zeitlicher Gegenftände und Vorgänge zufammen: im Zeitbewußtfein vollzieht fich alle Objektivierung; ohne Hufklärung der Identität der Zeitftelle ift auch keine Aufklärung der Identität eines Objektes in der Zeit zu geben. Näher ausgeführt ift das Problem das folgende: die Jetjtphafen der Wahrnehmung erfahren ftetig eine Modifikation, fie erhalten fich nicht einfach wie fie find, fie fließen. Darin konftituiert fich, was wir als Zurückfinken in die Zeit bezeichnen. Der Ton erklingt jetjt, und alsbald finkt e t in die Vergangenheit, er, derfelbe Ton. Das betrifft den Ton nach jeder feiner Phafen und darum auch den ganzen. Nun fcheint das Herabfinken durch untere bisherigen Betrachtungen einigermaßen verftändlich. Ober wie kommt es, daß wir gegenüber dem Herabfinken des Tones doch davon fprechen, daß ihm eine fefte Stellung in der Zeit zukommt, daß fich Zeitpunkte und Zeitdauern in wiederholten Hkten identifizieren laffen, wie es unfere flnalyfe des reproduktiven Bewußtfeins aufwies? Der Ton und jeder Zeitpunkt in der Einheit des dauernden Tones hat ja feine abfolut fefte Stelle in der »objektiven« (fei es auch die immanente) Zeit. Die Zeit ift ftarr, und doch fließt die Zeit. Im Zeitfluß, im ftetigen Herabfinken in die Vergangenheit konftituiert fich eine nicht fließende, abfolut fefte, identifcbe, objektive Zeit. Das ift das Problem. Überlegen wir zunächft die Sachlage des herabfinkenden felben Tones etwas näher. Warum fprechen wir von demfelben Ton, der herabfinkt? Der Ton baut fich im Zeitfluß auf durch feine Phafen. Von jeder Phafe, etwa der eines aktuellen Jetjt, wiffen wir, daß fie dem Gefety der ftetigen Modifikation unterliegend doch darum
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als gegenftändlich dasfelbe, als derfelbc Tonpunkt fozufagen ecfcfoeinen muß, weil hier eine fluffaffungskontinuität vorliegt, die von der Identität des Sinnes durchwaltet und in kontinuierlicher Deckung befindlich ift. Die Deckung betrifft die außerzeitliche Materie, die eben im Fluß Identität des gegenftändlichen Sinnes fleh erhält. Dies gilt für jede Jetjtpbafe. Aber jedes neue Jetjt ift eben ein neues und ift als das phänomenologifch cbarakterifiert. Mag der Ton völlig unverändert andauern, derart, daß nicht die leifefte Veränderung f ü r uns fichtlich ift, mag alfo jedes neue Jetjt genau den gleichen fluffaffungsinbalt befitjen nach Qualitätsmomenten, Intenfitätsmomenten ufw. und genau diefelbe Huffaffung tragen — eine urfprüngliche Verfchiedenheit liegt doch vor, eine Verfcbiedenheit, die einer neuen DimenPon angehört. Und diefe Verfchiedenheit ift eine ftetige. Phänomenologifch liegt vor, daß nur der Jetjtpunkt als aktuelles Jetjt cbarakterifiert ift und zwar als neues, daß der vorige Zeitpunkt feine Modifikation erfahren bat, der vorige feine weitergebende Modifikation ufw. Diefes Kontinuum der Modifikationen an den Huf faffungsin halten und den auf fie gebauten Huffaffungen fchafft das Bewußtfein der Extenfion des Tones mit dem beftändigen Herabfinken des bereits Extendierten in die Vergangenheit. Wie kommt nun aber entgegen dem Phänomen der ftetigen Änderung des Zeitbewußtfeins das Bewußtfein der objektiven Zeit und zunächft der identifchen Zeitftelle und Zeitausdebnung zuftande? Die Antwort lautet: dadurch, daß gegenüber dem Fluß der zeitlichen Zurückfchiebung, dem Fluß von Bewußtfeinsmodifikationen, das Objekt, das zurückgefchoben erfcheint, eben in abfoluter Identität apperzeptiv erhalten bleibt, und zwar das Objekt mitfamt der im Jetjtpunkt erfahrenen Setjung als »dies«. Die ftetige Modifikation der Huffaffung im ftetigen Fluß betrifft nicht das »als was« der Huffaffung, den Sinn, fie meint kein neues Objekt und keine neue Objektphafe, fie ergibt keine neuen Zeitpunkte, fondern immerfort dasfelbe Objekt mit feinen felben Zeitpunkten. Jedes aktuelle Jetjt fchafft einen neuen Zeitpunkt, weil es ein neues Objekt fchafft oder vielmehr einen neuen Objektpunkt, der im Fluß der Modifikation als der eine und felbe individuelle Objektpunkt feftgebalten wird. Und die Stetigkeit, in der fich immer wieder ein neues Jetjt konftituiert, zeigt uns, daß es fich nicht überhaupt um »Neuheit« bandelt, fondern um ein ftetiges Moment der Individuation, in dem die Zeitftelle ihren Urfprung bat. Zum Wefen des modifizierenden Fluffes gehört es, daß diefe Zeitftelle identifch und notwendig
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identifch daftebt: Das Jetjt als aktuelles Jet)t ift die Gegenwartsgegebenheit der Zeitftelle. Rückt das Phänomen in die Vergangenheit, fo erhält das Jetjt den Charakter des vergangenen Jetjt, aber es bleibt dasfelbe Jetjt, nur daß es in Relation zum jeweilig aktuellen und zeitlich neuen Jctjt als vergangen dafteht. Die Objektivation des Zeitobjekts beruht alio auf folgenden Momenten: der Empfindungsinhalt, der zu den verfcbiedenen aktuellen Jet)tpunkten des Objektes gehört, kann qualitativ abfolut unverändert bleiben, aber er bat bei noch fo weit gebender inhaltlicher Identität doch nicht wahre Identität; diefelbe Empfindung jetjt und in einem anderen Jet)t hat eine Verfchiedenbeit, und zwar eine pbänomenologifcbe Verfchiedenbeit, die der abfoluten Zeitftelle entfpricbt, iie ift Urquell der Individualität des »dies« und damit der abfoluten Zeitftelle. Jede Pbafe der Modifikation bat »im Wefen« den gleichen qualitativen Gehalt und das gleiche Zeitmoment, obfchon modifiziert, und fie bat es in fleh in der Weife, daß dadurch eben die nachmalige Identitätsauffaffung ermöglicht ift. Dies auf feiten der Empfindung bzw. der Auffaffungsgrundlage. Die verfcbiedenen Momente tragen verfchiedene Seiten der Huffaffung, der eigentlichen Objektivation. Eine Seite der Objektivation findet ihren Anhalt rein im qualitativen Gebalt des Empfindungsmaterials.· das ergibt die Zeitmaterie, ζ. B. Ton. Sie wird im Fluß der Vergangenbeitsmodifikation identifch feftgebalten. Eine zweite Seite der Objektivation entfpringt der Auffaflung der Zeitftellenrepräfentanten. Auch diefe Huffaffung wird ftetig im Fluß der Modifikation feftgebalten. In der Zufammenfaffung: der Tonpunkt in feiner abfoluten Individualität wird feftgebalten nach Materie und Zeitftelle, welch let)· tere erft Individualität konftituiert. Dazu kommt endlich die Huffaffung, welche wefentlich zurModifikation gehört, und die unterFefthaltung der extendierten Gegenftändlicbkeit mit ihrer immanenten abfoluten Zeit die ftetige Zurückfcbiebung in die Vergangenheit erfcheinen läßt. In unferem Tonbeifpiel hat alfo jeder Jetjtpunkt des immer neu Erklingens und Abklingens fein Empfindungsmaterial und feine objektivierende Huffaffung. Der Ton ftebt da als Ton einer angetriebenen Geigenfaite. Sehen wir wieder von der objektivierenden Huffaffung ab und blicken wir rein auf das Empfindungsmaterial bin, fo ift es der Materie nach etwa immerfort Ton c , Tonqualität und Klangfarbe unverändert, Intenfität vielleicht fchwankend ufw. Dieter Inhalt, rein als Empfindungsinbalt, wie er der objektivierenden Apperzeption zugrunde liegt, ift extendiert, nämlich jedes Jet)t bat feinen
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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Empfindungsinhalt, jedes andere Jetjt einen individuell anderen, möge er materiell auch genau derfelbe fein. flbfolut dasfelbe c jet)t und fpäter ift empfindungsmäßig gleich, aber individuell ein anderes. Was hier »individuell« heißt, das ift die urfprüngliche Temporalform der Empfindung, oder, wie ich auch fagen kann, die Temporalform der urfprünglichen Empfindung, hier der Empfindung des jeweiligen Jetjtpunktes und nur diefes. Aber eigentlich ift der Jetjtpunkt felbft durch die urfprüngliche Empfindung zu definieren, fo daß der ausgefprochene Sat) nur als Hinweis auf das, was gemeint fein foil, zu gelten hat. ImprefRon gegenüber Phantasma unterfcheidet fich durch den Charakter der Originarität'). Nun haben wir innerhalb der Impreffion die Urimpreffion hervorzuheben, der gegenüber das Kontinuum von Modifikationen im primären Erinnerungsbewußtfein dafteht. Die Urimpreffion ift das abfolut Unmodifizierte, die Urquelle für alles weitere Bewußtfein und Sein. Urimpreffion hat zum Inhalt das, was das Wort Jet)t befagt, wofern es im ftrengften Sinne genommen wird. Jedes neue Jefjt ift Inhalt einer neuen Urimpreffion. Stetig leuchtet eine neue und immer neue Impreffion auf mit immer neuer, bald gleicher, bald wechfelnder Materie. Was Urimpreffion von Urimpreffion fcheidet, das ift das individualifierende Moment der urfprünglichen Zeitftellenimpreffion, die etwas grundwefentlich Verfchiedenes ift gegenüber der Qualität und fonftigen materiellen Momenten des Empfindungsinhaltes. Das Moment der urfprünglichen Zeitftelle ift natürlich nichts für fich, die Individuation ift nichts neben dem, was Individuation hat. Der ganze Jetjtpunkt nun, die ganze originäre Impreffion erfährt die Vergangenheitsmodifikation, und erft durch fie haben wir den ganzen Jet)tbegrifF erfchöpft, fofern er ein relativer ift und auf ein »vergangen« hinweift, wie »vergangen« auf das »jetjt«. fluch diefe Modifikation betrifft zunächft die Empfindung, ohne ihren allgemeinen imprefiionalen Charakter aufzuheben. Sie modifiziert den Gefamtgehalt der Urimpreffion fowohl nach Materie als nach Zeitftelle, fie modifiziert aber genau in dem Sinne, wie es eine Phantafiemodifikation tut, nämlich durch und durch modifizierend und doch das intentionale Wefen (den Gefamtgehalt) nicht verändernd. fllfo, die Materie ift diefelbe Materie, die Zeitftelle diefelbe Zeitftelle, nur die Weife der Gegebenheit bat fich geändert: es ift Vergangenheitsgegebenheit. fluf diefem Empfindungsmaterial baut 1) Über Impreffion und Phantasma vgl. Beilage II, S. 452ff.
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Edmund Huffed,
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ficb nun die objektivierende Apperzeption auf. Schon wenn wir rein auf die Empfindungsinbalte Hinblicken (von den tranfzendenten Apperzeptionen, die iieb evtl. darauf bauen, abfebend), vollziehen wir eine Apperzeption: der »Zeitfluß«, die Dauer ftebt uns dann vor Augen als eine Art Gegenftändlicbkeit. Gegenftändlicbkeit fetjt Einheitsbewußtfein, Identitätsbewußtfein voraus. Wir faffen hier den Inhalt jeder Urempfindung als Selbft auf. Sie gibt ein TonpunktIndividuum, und diefes Individuum ift im Fluß der Vergangenheitsmodifikation identifch dasfelbe: die auf diefen Punkt bezügliche Apperzeption verbleibt in der Vergangenheitsmodifikation in ftetiger Deckung, und die Identität des Individuums ift eo ipso Identität der Zeitftelle. Das ftetige Hervorichnellen immer neuer Urimprefiionen ergibt in der Auffaffung derfelben als individueller Punkte immer wieder neue und unterfchiedene Zeitftellen, die Stetigkeit ergibt eine Stetigkeit der Zeitftellen, im Fluß der Vergangenheitsmodifikation ftebt alfo ein ftetiges, tonal erfülltes Zeitftück da, aber fo, daß nur ein Punkt davon durch Urimpreifion gegeben ift, und daß von da aus die Zeitftellen ftetig in modifizierter Abftufung erfebeinen, zurückgebend in die Vergangenheit. Jede wahrgenommene Zeit ift wahrgenommen als Vergangenheit, die in Gegenwart terminiert. Und Gegenwart ift ein Grenzpunkt. An diefe Gefetjmäßigkeit ift jede Auffaffung gebunden, wie tranfzendent fie auch fein mag. Nehmen wir einen Vogelflug, eine Reiterfcbwadron im Galopp wahr u. dgl., fo finden wir in der Empfindungsunterlage die beiebriebenen Unterfcbiede, immer neue Urempfindungen, ihren Zeitcbarakter, der ihre Individuation ergibt, mit ficb führend, und andererfeits finden wir diefelben Modi in der Auffaffung. Eben dadurch erfebeint das Objektive felbft, der VogeU Aug, als Urgegebenbeit im Jetjtpunkt, aber als Vollgegebenbeit in einem Vergangenbeitskontinuum. das in dem Jetjt terminiert, und ftetig in immer wieder neuem Jetjt, während das ftetig Vorange» gangene ins Vergangenbeitskontinuum immer weiter zurückgerückt ift. Der erfcheinende Vorgang bat immerfort die identifchen abfoluten Zeitwerte. Indem er ficb nach dem abgelaufenen Stück immer weiter in die Vergangenheit zurückfchiebt, febiebt er ficb mit feinen abtoluten Zeitftellen und damit mit feiner ganzen Zeitftrecke in die Vergangenheit: d. h. derfelbe Vorgang mit derfelben abfoluten Zeitausbreitung erfebeint immerfort (folange er überhaupt erfebeint) identifch als derfelbe, nur daß die Form feiner Gegebenheit eine verfebiedene ift. Andererfeits quillt zugleich in dem lebendigen Quellpunkt des Seins, dem ]et)t, immer neues Urfein auf, in Rela-
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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tiori zu dem der flbftand der zum Vorgang gehörigen Zeitpunkte vom jeweiligen Jet)t fich ftetig vergrößert, fomit die Erfcheinung des Zurückfinkens, Sichentfernens erwächft. § 32.
H n t e i l d e r R e p r o d u k t i o n an d e r K o n f t i t u t i o n d e r e i n e n o b j e k t i v e n Zeit.
Mit der Erhaltung der Individualität der Zeitpunkte beim Zurückfinken in die Vergangenheit haben wir aber noch nicht das Bewußtfein einer einheitlichen, homogenen, objektiven Zeit. F ü r das Zuftandekommen diefes Bewußtfeins fpielt die reproduktive Erinnerung (als anfchauliche, wie in der Form leerer Intentionen) eine wichtige Rolle. Jeder zurückgefchobene Zeitpunkt kann vermöge einer reproduktiven Erinnerung zum Nullpunkt einer Zeitanfehauung gemacht werden und wiederholt gemacht werden. Das frühere Zeitfeld, in dem das gegenwärtig Zurückgefchobene ein Jet)t war, wird reproduziert und das reproduzierte Jetjt mit dem noch in frifcher Erinnerung lebendigen Zeitpunkt identifiziert: die individuelle Intention ift diefelbe ')· Das reproduzierte Zeitfeld reicht weiter als das aktuell gegenwärtige. Nehmen wir darin einen Vergangenheitspunkt, fo ergibt die Reproduktion durch Überfchiebung mit dem Zeitfeld, in dem diefer Punkt das Jetjt war, einen weiteren Rückgang in die Vergangenheit ufw. Diefer Prozeß ift evidentermaßen als unbegrenzt fortfetjbar zu denken, obwohl die aktuelle Erinnerung praktifch bald vertagen wird. Es ift evident, daß jeder Zeitpunkt fein Vorher und Nachher hat, und daß die Punkte und Strecken vorher fich nicht verdichten können in der Weife einer Hnnäherung an eine mathematifche Grenze wie etwa die Grenze der Intenfität. Gäbe es einen Grenzpunkt, fo entfpräche diefem ein 3e|5t> dem nichts vorangegangen wäre, und das ift evident unmöglich 2)· Ein jetjt ift immer und wefentlich ein Randpunkt einer Zeitftrecke. Und evident ift, daß diefe ganze Strecke zurückfinken muß und dabei ihre ganze Größe, ihre ganze Individualität fich erhält. Freilich ermöglicht die Phantafie und Reproduktion keine Extenfion der Zeitanfcbauung in dem Sinn, als ob der Umfang reell gegebener Zeitabftufungen im Simultanbewußtfein vergrößert würde. Man fragt vielleicht mit Beziehung darauf: wie kommt es bei diefen fukzeffiven Aneinanderreihungen von Zeitfeldern zu der einen objektiven Zeit mit der 1) Vgl. Beilage IV: Wiedererinnerung und Konftitution von ZeitobjeMen und objektiver Zeit, S. 459ff. 2) Vgl. S. 400.
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E d m u n d Huffert,
einen feften Ordnung? Die Antwort bietet die fortgefetjte Über· fchiebung der Zeitfelder, die in Wahrheit keine bloße zeitliche Aneinanderreihung von Zeitfeldern ift. Die ficb überfchiebenden Partien werden beim anichaulich-ftetigen Rückgang in die Vergangenheit individuell identifiziert. Wenn wir fo von jedem wirklich erlebten, d. h. im Wahrnehmungszeitfeld originär gegebenen oder von irgend einem eine ferne Vergangenheit reproduzierenden Zeitpunkt her in die Vergangenheit zurückfchreiten, fozufagen entlang einet feften Kette zufammenhängender und immer wieder identifizierter Objektivitäten, wie begründet ficb da die lineare Ordnung, wonach jede beliebige Zeitftrecke, auch die außer Kontinuität mit dem aktuellen Zeitfeld reproduzierte, ein Stück fein muß einer einzigen, bis zum aktuellen Jetjt fortlaufenden Kette? Selbft jede willkürlich phantafierte Zeit unterliegt der Forderung, daß, wenn fie als wirkliche Zeit foil gedacht werden können Cd. i. als Zeit irgend eines Zeitobjekts), fie als Strecke innerhalb der einen und einzigen objektiven Zeit beftehen muß. § 33.
Einige
apriorifche
Zeitgefetje.
Offenbar gründet dieie apriorifche Forderung in der Geltung der unmittelbar zu erfaffenden, der fundamentalen Zeitevidenzen, die auf Grund der flnfcbauungen von Zeitftellengegebenheiten evident werden. Vergleichen wir zunächft zwei Urempfindungen oder vielmehr korrelativ zwei Urgegebenheiten, beide in einem Bewußtfein wirklich als Urgegebenheiten, als Jetjt erfcheinend, fo find fie durch ihre Materie von einander unterfchieden, fie find aber gleichzeitig, fie haben identifch diefelbe abfolute Zeitftelle, fie find beide je^t, und in demfelben Jetjt haben fie notwendig denfelben Zeitftellenwert 1 )· Sie haben diefelbe F o r m der Individuation, fie konftituieren ficb beide in Impreffionen, die zur felben Imprefiionsftufe gehören. In diefer Identität modifizieren fie ficb und behalten die Identität in der Vergangenbeitsmodifikation immerfort. Eine Urgegebenbeit und eine modifizierte Gegebenheit von v e r m i e d e n e m oder gleichem Inhalt haben notwendig verfchiedene Zeitftellen; und zwei modifizierte Gegebenheiten haben entweder diefelbe oder verfcbiedene Zeitftellen; diefelbe, wenn fie aus demfelben Jetjtpunkt entipringen, verfchiedene, wenn aus verfcbiedenen. Das aktuelle J e ^ t ift e i n Jetjt 1) Zur Konftitution dec Gleichzeitigkeit vgl. § 38, S . 431 f. und Beilage VII, S . +68 ff.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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und konftituiert e i n e Zeitftetle, wie viele Objektitäten ficb in ihm gefondert konftituiecen: fie alte haben diefelbe zeitliche Gegenwart und behalten ihre Gleichzeitigkeit im ftbfluß. Daß die Zeitftellen ftbftände haben, daß diefe Größen find u. dgl., das kann hier evident erfcbaut werden; ferner Wahrheiten wie das Tranfitivitätsgefet} oder das Gefetj: wenn a früher als b, fo ift b fpäter als a. Zum aprioriichen Wefen der Zeit gehört es, daß fie eine Kontinuität von Zeitftellen ift mit bald identifchen, bald wechfelnden Objektitäten, die fie erfüllen, und daß die Homogeneität der abfoluten Zeit un= aufhebbar ΠΛ konftituiert im flbfluß der Vergangenheitsmodifikationen und im ftetigen Hervorquellen eines Jetjt, des fcftöpferifchen Zeitpunktes, des Quellpunktes der Zeitftellen überhaupt. Ferner gehört zum apriorifchen Wefen der Sachlage, daß Empfindung, fluffaffung, Stellungnahmen, daß alles an d e m f e l b e n Zeitfluß mitbeteiligt ift, und daß notwendig die objektivierte abfolute Zeit identifch diefelbe ift wie die Zeit, die zur Empfindung und Fluffaffung gehört. Die vorobjektivierte Zeit, die zur Empfindung gehört, fundiert notwendig die einzige Möglichkeit einer Zeitftellenobjektivation, die der Modifikation der Empfindung und dem Grade diefer Modifikation entfpricht. Dem objektivierten Zeitpunkt etwa, in dem ein Glockengeläute beginnt, entfpricht der Zeitpunkt der entfprechenden Empfindung. Sie hat in der Hnfangsphafe diefelbe Zeit, d. h. wird fie nachträglich zum Gegenftand gemacht, fo erhält fie notwendig die Zeitftelle, die mit der entfprechenden Zeitftelle des Glockengeläutes zufammenfällt. Ebenfo ift die Zeit der Wahrnehmung und die Zeit des Wahrgenommenen identifch diefelbe 1 ). Der Wabrnebmungsakt finkt ebenfo in die Zeit zurück wie in der Erfcheinung das Wahrgenommene, und in der Reflexion muß jeder Wahrnehmungsphafe identifch diefelbe Zeitftelle gegeben werden wie dem Wahrgenommenen. Dritter
flbfdmitt.
Die Konftitutionsftufen der Zeit und der Zeitobjekte. § 34. S c h e i d u n g d e r K o n f t i t u t i o n s f t u f e n 2 ) . Nachdem wir, von den augenfälligften Phänomenen ausgehend, das Zeitbewußtfein nach einigen Hauptrichtungen und in verfchiedenen Schichten ftudiert haben, wird es gut fein, die verfdiiedenen 1) Vgl. Beilage V : Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Wahrgenom· .menem S. 461 ff. 2) Vgl. zu diefem und den folgenden §§ Beilage VI: Erfaffung des abfoluten Fluffes. - Wahrnehmung in vierfachem Sinne, S. 463 ff.
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Edmund Hufferl,
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Konftitutionsftufen einmal in ihrem wefensmäßigen Hufbau feftzuftellen und fyftematifcb durchzugehen. Wir fanden: 1. die Dinge der Erfahrung in der objektiven Zeit (wobei noch verfcbiedene Stufen des empirifchen Seins zu fcheiden wären, die bisher nicht berückfichtigt wurden: das Erfahrungsding des einzelnen Subjekts, das interfubjektiv identifche Ding, das Ding der Phyfik); 2. die konftituierenden Erfcheinungsmannigfaltigkeiten verfchiedener Stufe, die immanenten Einheiten in d«r präempirifchen Zeit; 3. den abfoluten zeitkonftituierenden Bewußtfeinsftuß. § 35.
Unterfchiede der konftituierten Einheiten und des k o n f t i t u i e r e n d e n Fluifes1).
Diefes abfolute, a l l e r Konftitution vorausliegende Bewußtfein foil nun zunäcbft etwas näher erörtert werden. Seine Eigentümliebkeit tritt deutlich hervor im Kontraft zu den konftituierten Ein* heiten verfchiedenfter Stufe: 1. Jedes individuelle Objekt (jede im Strom konftituierte Einheit, fei es immanente oder tranfzendente) dauert und dauert notwendig, d. h. es ift kontinuierlich in der Zeit und ift Identifches in dielem kontinuierlichen Sein, das zugleich als Vorgang angefeben werden kann. Umgekehrt: was in der Zeit ift, ift kontinuierlich in der Zeit und ift Einheit des Vorgangs, der Einheit des Dauernden im Vorgeben unabtrennbar mit fich führt. Im Tonvorgang liegt Einheit des Tons, der während des Vorgangs dauert, und Einheit des Tones umgekehrt ift Einheit in der erfüllten Dauer, d. i. im Vorgang. Ift alio irgend etwas beftimmt als in einem Zeitpunkt feiend, fo ift es nur denkbar als Phafe eines Vorgangs, in welcher zugleich die Dauer eines individuellen Seins ihren Punkt bat. 2. Prinzipiell ift individuelles oder konkretes Sein Unveränderung oder Veränderung; der Vorgang ift ein Veränderungsvorgang oder eine Ruhe, das dauernde Objekt felbft ein fich veränderndes oder ruhendes. Jede Veränderung bat dabei ihre Veränderungsgefchwindigkeit oder - befcbleunigung (im Gleichnis) mit Beziehung auf diefelbe Dauer· Prinzipiell ift jede Phafe einer Veränderung in eine Ruhe auszubreiten, jede Phafe einer Ruhe in eine Veränderung überzuleiten. Betrachten wir nun im Vergleich dazu die k o n f t i t u i e r e n l ) Vgl. S . 466 ff.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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d e n Phänomene, fo finden wir einen F l u ß, und jede Phafe diefes Fluffes ift eine H b f c b a t t u n g s k o n t i n u i t ä t . Aber prinzipiell ift keine Pbafe diefes Fluffes auszubreiten in eine kontinuierlid)e Folge, alio der Fluß fo umgewandelt zu denken, daß diefe Phafe fleh ausdehnte in Identität mit ficb felbft. Ganz im Gegenteil finden wir prinzipiell notwendig einen Fluß ftetiger »Veränderung«, und diefe Veränderung hat das flbfurde, daß fie genau fo läuft, wie fie läuft und weder »fchneller« nod) •langfamer« laufen kann. Sodann fehlt hier jedes Objekt, das fleh verändert; und fofern in jedem Vorgang »etwas« vorgeht, handelt es ficb hier um keinen Vorgang. Es ift nichts da, das fleh verändert, und darum kann aud> von etwas, das d a u e r t , finnvoll keine Rede fein. Es ift alfo finnlos, hier etwas finden zu wollen, was in einer Dauer ficb einmal nicht verändert. § 36.
Der z e i t k o n f t i t u i e r e n d e Fluß als Subjektivität.
abfolute
Die zeitkonftituierenden Phänomene find alfo evidentermaßen prinzipiell andere Gegenftändlid)keiten als die in der Zeit konftituierten. Sie find keine individuellen Objekte, bzw. keine individuellen Vorgänge, und die Prädikate foleber können ihnen finnvoll nid)t zugefebrieben werden, fllfo kann es auch keinen Sinn haben, von ihnen zu fagen (und in gleicher Bedeutung zu fagen), fie feien im Jetjt und feien vorher gewefen, fie folgten einander zeitlich nach oder feien miteinander gleichzeitig ufw. Wohl aber kann und muß man fagen: eine gewiffe Erfcbeinungskontinuität, nämlich eine folebe, die Pbafe des zeitkonftituierenden Fluffes ift, gehöre zu einem Jetjt, nämlich zu dem, das fie konftituien, und gehöre zu einem Vorher, nämlich als die, die konftitutiv ift (wir können nicht fagen: war) f ü r das Vorher. Aber ift nicht der Fluß ein Nacheinander, bat er nicht doch ein Jetjt, eine aktuelle Pbafe und eine Kontinuität von Vergangenheiten, in Retentionen jetjt bewußt? Wir können nicht anders fagen als: diefer Fluß ift etwas, das wir nach dem K o n f l u i e r t e n fo nennen, aber es ift nichts zeitlich »Objektives«. Es ift die abfolute Subjektivität und bat die abfoluten Eigenicbaften eines im Bilde als »Fluß« zu Bezeichnenden, in einein flktualitätspunkt, Urquellpunkt, »Jetjt« Entfpringenden uiw. Im flktualitätserlebnis haben wie den Urquellpunkt und eine Kontinuität von Nacbballmomenten. Für all das fehlen uns die Namen
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Edmund Hufferl,
§37.
Erfdieinungen tcanfzendenter Objekte konftituierte Einheiten.
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Es ift noch zu bemerken, daß, wenn wie vom »Wabrnebmungsakt« fpreeben und fagen, er fei der Punkt eigentlichen Wabrnebmens, dem eine kontinuierliche Folge von »Retentionen« angefcbloffen fei, wir damit keine zeitlichen immanenten Einheiten befchrieben haben, iondern gerade Momente des Fluffes. Nämlich die Erfcheinung, etwa die eines Haufes, ift ein zeitliches Sein, ein dauerndes, fleh veränderndes ufw. Ebenfogut wie der immanente Ton, der keine Erfcheinung ift. Aber die Hauserfcheinung ift nicht das Wabrnebmungsbewußtfein und das retentionale Bewußtfein. Diefes kann nur verftanden werden als das zeitkonftituierende, als Moment des Fluffes. Ebenfo ift die Erinnerungserfcheinung (oder das erinnerte Immanente, evtl. der erinnerte immanente primäre Inhalt) zu unterfcheiden vom Erinnerungsbewußtfein mit feinen Erinnerungsretentionen. Wir haben überall zu fcheiden: Bewußtfein (Fluß), Erfcheinung (immanentes Objekt), tranfzendenter Gegenftand (wenn nicht ein primärer Inhalt immanentes Objekt ift). Nicht alles Bewußtfein hat Beziehung auf «objektiv« (nämlich tranfzendentes) Zeitliches, auf objektive Individualität, wie ζ. B. das der äußeren Wahrnehmung. In jedem Bewußtfein finden wir einen »immanenten Inhalt«, diefer ift bei den Inhalten, die »Erfcheinung« beißen, entweder Erfcheinung von Individuellem (einem äußeren Zeitlichen) oder Erfcheinung von Nicht-Zeitlichem. Im Urteilen z . B . habe ich die Erfcheinung »Urteil«, nämlich als immanente zeitliche Einheit, und darin »erfcheint« das Urteil im logifchen Sinne 1 ). Das Urteilen hat immer den Charakter des Fluffes. Überall ift fonacb das, was wir in den »Logifchen Unterfucbungen« »Akt« oder »intentionales Erlebnis« nannten, ein Fluß. in dem eine immanente Zeiteinheit fieb konftituiert (das Urteil, der Wunfch ufw.), die ihre immanente Dauer bat und evtl. fcbneller oder weniger fcbnell vonftatten gebt. Diefe Einheiten, die fich im abfoluten Strom konftituieren, find in der immanenten Zeit, die e i n e ift, und in ihr gibt es ein Gleichzeitig und gleichlange Dauer (oder evtl. diefelbe Dauer, nämlich für zwei immanente, gleichzeitig dauernde Objekte), ferner eine gewiffe Beftimmbarkeit nach Vorher und Nachher. 1) »Erfcheinung« ift hier im erweiterten S i n n e gebraucht.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
§38.
Einheit des B e w u ß t i e i n s f l u f f e s tion von Gleichzeitigkeit und
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und KonftituFolge1).
Mit der Konftitution iolcher immanenten Objekte, ihrem E r wachfen aus immer neuen Urempfindungen und Modifikationen haben wir uns früher bereits befchäftigt 2 ). In der Reflexion finden wir nun einen einzigen Fluß, der in viele Flüffe zerfällt; diefe Vielheit hat aber doch eine Einheitlichkeit, die die Rede von e i n e m Fluß zuläßt und fordert. Wir finden viele Flüffe, fofern viele Reiben von Urempfindungen anfangen und enden. Aber wir finden eine verbindende F o r m , fofern für alle nicht nur gefondert das Gefet) der Umwandlung von Jet)t in Nicbtmehr und andererfeits von Nochnicht in Jetjt ftatthat, vielmehr fo etwas wie eine gemeinfame F o r m des ]etjt, eine Gleichheit überhaupt im Flußmodus befteht. Mehrere, viele Urempfindungen find »auf einmal«, und wenn jede fließt, fo fließt die Vielheit »zugleich« und in völlig gleichem Modus, mit völlig gleichen fibftufungen, in völlig gleichem Tempo: nur daß die eine im allgemeinen aufhört, während die andere noch ihr Nochnicht, nämlich ihre neuen Urempfindungen vor fich bat, die die Dauer des in ihr Bewußten noch fortfetjen. Oder beffer befchrieben: die vielen Urempfindungen fließen und verfügen von vornherein über diefelben Rblaufsmodi, nur fetjen fich die Urempfindungsreihen, die konftitutiv find für dauernde immanente Objekte, verfchieden weit fort, der verfchiedenen Dauer der immanenten Objekte entfprechend. Sie machen nicht alle in gleicher Weife von den formalen Möglichkeiten Gebrauch. Die immanente Zeit konftituiert fich als eine für alle immanenten Objekte und Vorgänge. Korrelativ ift das Zeitbewußtfein vom Immanenten eine fllleinheit. flllumfaffend ift das »Zufammen«, »Zugleich« der aktuellen Urempfindungen, allumfaffend das s Vorhin«, »Vorangegangenfein« aller eben vorangegangenen Urempfindungen, die ftete Umwandlung jedes Zufammen von Urempfindungen in ein folches Vorhin; diefes Vorhin ift eine Kontinuität, und jeder ihrer Punkte ift eine gleichartige, identifche Hblaufsform für das gefamte Zufammen. E s unterliegt das ganze »Zufammen« von Urempfindungen dem Gefet), daß es fich in ein ftetiges Kontinuum von Bewußtfeinsmodis, von Modis der Abgelaufenbeit wandelt, und daß in derfelben Stetigkeit ein immer neues Zufammen von Urempfindungen originär entfpringt, um ftetig wieder in Rbgelaufenbeit überzugeben. Was ein Zufammen ift als Ur° 1) Vgl. Beilage V I I : Konftitution der Gleichzeitigkeit, S . 468ff. 2) Vgl. § 11, S . 390 ff.
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Edmund Huifert,
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empfindungszufammen, das verbleibt ein Zufammen im Modus der flbgelaufenbeit. Urempfindungen haben ihr kontinuierliches »Nacheinander« im Sinne eines kontinuierlichen Hblaufs, und Urempfindüngen haben ihr Zufammen, ihr »Zugteich«. Die zugteich find, find wirkliche Urempfindungen, im Nacheinander aber ift eine Empfindung oder eine Gruppe des Zufammen wirkliche Urempfindung, die anderen find abgelaufene. Was befagt das aber? Man kann da weiter nichts fagen als »fiehe«: eine Urempfindung oder eine Gruppe von Urempfindungen, die ein immanentes Jetjt bewußt hat, (ein Tonjetjt, im felben Jetjt eine Farbe ufw.), wandelt fich ftetig in Modi des Vorhinbewußtfeins, in dem das immanente Objekt als vergangen bewußt ift, und »zugleich«, zufammen damit tritt eine neue und immer neue Urempfindung auf, ein immer neues Jetjt ift etabliert, und dabei ift ein immer neues Tonjetjt, Geftaltjetjt ufw. bewußt. In einer Gruppe von Urempfindungen unterfcheidet fich Urempfindung von Urempfindung durch den Inhalt, nur das Jetjt ift dasfelbe. Das Bewußtfein, feiner F o r m nach, als Urempfindungsbewußtfein, ift identifch. Aber »zufammen« mit dem Urempfindungsbewußtfein find kontinuierliche Reiben von Verlaufsmodi »früherer« Urempfindungen, früheren Jetjtbewußtfeins. Diefes Zufammen ift ein Zufammen von der Form nach kontinuierlich abgewandelten Bewußtfeinsmodi, während das Zufammen der Urempfindungen ein Zufammen von lauter formidentifchen Modi ift. In der Kontinuität der Hblaufsmodi können wir einen Punkt herausnehmen, dann finden wir in diefem auch ein Zufammen von formgleichen flblaufsmodis oder vielmehr einen identifchen Hblaufsmodus. Diefe beiden Zufammen muß man wefentlich unterfcheiden. Das eine ift ein Grundftück für Konftitution der Gleichzeitigkeit, das andere Grundftück für Konftitution der zeitlichen Folge, obfchon andererfeits Gleichzeitigkeit nichts ohne zeitliche Folge und zeitliche Folge nichts ohne Gleichzeitigkeit ift, fomit Gleichzeitigkeit und zeitliche Folge fich korrelativ und unabtrennbar konftituieren müffen. Terminologifch können wir zwifchen fluxionalem Vor»Zugleich und impreffionalem Zugleich von Fluxi» onen fcheiden. Wir können nicht ein oder das andere Zugleich ein Gleichzeitig nennen. Von einer Zeit des legten konftituierenden Bewußtfeins kann nicht mehr gefprochen werden. Mit den Urempfindungen, die den retentionalen Prozeß einleiten, konftituiert fich urfprünglich die Gleichzeitigkeit etwa einer F a r b e und eines Tones, ihr Sein in einem »aktuellen Jetjt«, aber die Urempfindungen felbft find nicht gleichzeitig, und erft recht nennen wir die Phafen
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewufitfeins.
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des fluxionalen Vor-Zugleich nicht gleichzeitige Bewußtfeinspbafen, ebenfowenig wie wir das Nacheinander des Bewußtfeins eine Zeitfolge nennen können. Was diefes Vor-Zugleich ift, wiffen wir aus unferen früheren flnalyfen: das Kontinuum von Phafen, die Geh an eine Urempfindung anfchließen und deren jede retentionales Bewußtfein vom früheren Jet}t (»urfprüngliche Erinnerung« von ihm) ift. Dabei ift zu beachten: wenn die Urempfindung zurücktritt, fich ftetig modifiziert, fo haben wir nicht nur überhaupt ein Erlebnis, das eine Modifikation des früheren ift, fondern wir können den Blick fo in es hineingewendet haben, daß wir im modifizierten f. z. f. das früher nichtmodifizierte »feben«. Wenn eine nicht zu fchnelle Tonfolge abläuft, können wir nach dem Ablauf des erften Tones nicht nur auf ihn »binfeben« als auf einen »noch gegenwärtigen«, obfehon nicht mehr empfundenen, iondern darauf achten, daß der Bewußtfeinsmodus, den foeben diefer Ton hat, eine »Erinnerung« ift an den Bewußtfeinsmodus der Urempfindung, in dem er als jetjt gegeben war. Dann muß aber fcharf gefchieden werden zwifchen dem Vergangenheitsbewußtfein (dem retentionalen und ebenfo dem »wieder«-vergegenwärtigenden), in dem ein immanentes Zeitobjekt als vorhin bewußt ift, und zwifchen der Retention, bzw. der wiedererinnernden »Reproduktion« (je nachdem es fich um den urfprünglichen Fluß der Empfindungsmodifikation bandelt oder um feine Wiedervergegenwärtigung) der früheren Urempfindung. Und ebenfo für jede andere Fluxion. Ift irgend eine Phafe der Dauer eines immanenten Objektes Jetjtpbafe, alfo in Urempfindung bewußt, fo find im Vor-Zugleich mit diefer Urempfindung vereint kontinuierlich fich aneinanderfchließende Retentionen, die in fich charakterifiert find als Modifikationen der Utempfindungen, die zu den fämtlicben übrigen zeitlich abgelaufenen Punkten der konfluierten Dauer gehören. Jede diefer Retentionen bat einen beftimmten Modus, dem der Zeitabftand vom Jet}tpunkt entfpricht. Jede ift Vergangenheitsbewußtfein von dem entfpreebenden früheren Jetjtpunkt und gibt ihn im Modus des Vorbin, der feiner Stellung in der abgelaufenen Dauer entfpricht. §39. Die d o p p e l t e i n t e n t i o n a l i t ä t der Retention und die K o n f t i t u t i o n des B e w u ß t f e i n s f t u f f e s 1 ) · Die Doppelbeit in der Intentionalität der Retention gibt uns einen Fingerzeig zur Löfung der Schwierigkeit, wie es möglich ift, 1) Vgl. Beilage VIII: Doppelte Intentionalität des Bewußtfeinsftromee S. 469 ff.
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von einer Einheit des legten konftituierenden Bewußtfeinsfluifes zu wiifen. Eine Schwierigkeit liegt hier ohne Zweifel vor: ift ein gefchloffener (zu einem dauernden Vorgang oder Objekt gehöriger) Fluß abgelaufen, fo kann ich doch auf ihn zurückblicken, er bildet, wie es icheint, in der Erinnerung eine Einheit, fllfo konftituiert fich offenbar auch der Bewußtfeinsfluß im Bewußtfein als Einheit. In ihm konftituiert fich ζ. B. die Einheit einer Tondauer, er felbft aber als Einheit des Tondauerbewußtfeins konftituiert fich wieder. Und müffen wir dann nicht weiter auch fagen, diefe Einheit konf l u i e r e fich in ganz analoger Weife und fei ebenfogut eine konftituierte Zeitreihe, man müffe alfo doch von zeitlichem Jetjt, Vorhin und Nachher fprechen? Nach den legten Ausführungen können wir folgende Antwort geben: es ift der eine einzige Bewußtfeinsfluß, in dem fich die im* manente zeitliche Einheit des Tons konftituiert und zugleich die Einheit des Bewußtfeinsfluffes felbft. S o anftößig (wo nicht anfangs fogar widerfinnig) es erfcheint, daß der Bewußtfeinsfluß feine eigene Einheit konftituiert, fo ift es doch fo. Und es läßt fich aus feiner Wefenskonftitution verftändlich machen. Der Blick kann fich einmal d u r c h die im ftetigen Fortgang des Fluffes fich »deckenden« Phafen als Intentionalitäten vom Ton richten. Der Blick kann aber auch a u f den Fluß, auf eine Strecke des Fluffes, auf den Übergang des fließenden Bewußtfeins vom Tonanfatj zum Tonende gehen. Jede Bewußtfeinsabfchattung der Art »Retention« hat eine doppelte Intentionalität: einmal die für die Konftitution des immanenten Objektes, des Tones dienende, das ift diejenige, die wir »primäre Erinnerung« an den (foeben empfundenen) Ton nennen, oder deutlicher eben Retention des Tones. Die andere ift die für die Einheit diefer primären Erinnerung im Fluß konftitutive; nämlich die Retention ift in eins damit, daß fie Noch-Bewußtfein, zurückhaltendes, eben Retention ift, Retention der verfloffenen Tonretention: fie ift in ihrem ftetigen Sichabfchatten im Fluß ftetige Retention von den ftetig vorangegangenen Phafen. Faffen wir irgendeine Phafe des Bewußtfeinsfluifes ins Huge (an der Phafe erfcheint ein Tonjetjt und eine Strecke der Tondauer in dem Modus der Soeben • flbgefloffenheit), fo befaßt fie eine im Vor-Zugleich einheitliche Kontinuität von Retentionen; diefe ift Retention von der gefamten Momentankontinuität der kontinuierlich vorangegangenen Phafen des Fluffes (im flnfatyglied ift fie neue Urempfindung, im ftetig erften Glied, das nun folgt, in der erften Rbfchattungsphafe, unmittelbare Retention der vorangegangenen Urempfindung, in der nächften Momentanphafe
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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Retention der Retention d e r v o r a n g e g a n g e n e n Urempfindung ufw.). Latten w i r nun den F l u ß fortfließen, fo haben w i r das Flußkontinuum im Ablauf, das die eben befebriebene Kontinuität fieb r e t e n tional abwandeln läßt, und dabei ift jede n e u e Kontinuität von momentan-zugleich-feienden Pbafen Retention in B e z i e h u n g auf die Gefamtkontinuität des Zugleich in der v o r a n g e g a n g e n e n Phafe. S o gebt alio durch den F l u ß eine Längsintentionalität, die im Lauf des Fluffes in ftetiger Deckungseinheit mit fiefo felbft ift. Im abfoluten Übergehen, fließend, wandelt fieb die erfte Urempfindung in Retention von ihr, diefe Retention in Retention von diefer Retention ufw. Zugleich aber mit der erften Retention ift ein n e u e s »Jetjt«, eine n e u e Urempfindung da und mit j e n e r kontinuierlich-momentan v e r b u n d e n , fo daß die z w e i t e Phafe des Fluffes Urempfindung des neuen J e t j t und Retention des f r ü h e r e n ift, die dritte Phafe a b e r m a l s neue Urempfindung mit Retention d e r zweiten Urempfindung und Retention von der Retention der erften ufw. Hierbei ift mit in Rechnung zu ziehen, daß Retention von einer Retention nicht n u r Intentionalität bat in Beziehung auf das unmittelbar R e t i n i e r t e , fondern auch in Beziehung auf das im Retinieren Retinierte z w e i t e r S t u f e und zulet)t in Beziehung auf das U r d a t u m , das hier durchgehend objektiviert ift. Analog wie eine V e r g e g e n w ä r t i g u n g e i n e r Dingerfcheinung nicht n u r Intentionalität bat in Beziehung auf die Dingerfchein u n g , fondern auch in Beziehung auf das erfebeinende D i n g , oder beffer noch, wie eine E r i n n e r u n g von Α nicht n u r die E r i n n e r u n g , fondern auch das Α als E r i n n e r t e s der E r i n n e r u n g b e w u ß t macht. Demnach, meinen w i r , konftituiere fieb im Fluffe des B e w u ß t feins v e r m ö g e der Stetigkeit der retentionalen Abwandlungen und des Umftandes, daß fie ftetig Retentionen von den ftetig vorangegangenen find, die Einheit des Fluffes felbft als eine eindimenfionale, quafi-zeitliche Ordnung. Nehme ich die Richtung auf den T o n , lebe ich mich a u f m e r k e n d in die »Quer-Intentionalität« ein (in die Urempfindung als Empfindung vom jeweiligen T o n j e t j t , in die retentionalen Abwandlungen als primäre E r i n n e r u n g e n der Reibe d e r abgelaufenen Tonpunkte und im Fluß der retentionalen Abwandlungen der Urempfindungen und der iebon vorhandenen Retentionen die Einheit i m m e r f o r t e r f a h r e n d ) , fo ftebt der dauernde Ton da, fieb in feiner D a u e r i m m e r f o r t erweiternd. Stelle ich mich auf die »Längs-Intentionalität« ein und auf das in ihr fieb Konftituierende, fo w e r f e ich den reflektierenden Blick vom Ton (der fo und folange gedauert bat) auf das im Vor-Zugleich nach einem Punkt Neue der
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Edmund Hufferl,
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Urempfindung und das nach einer ftetigen Reihe »zugleich« damit Retinierte.
Das Retiniecte ift das vergangene Bewußtfein nach feiner
Pbafenreibe (zunächft feiner vorangegangenen Phafe), und nun im ftetigen Fortfluß des Bewußtfeins erfaffe ich die retinierte Reibe des abgelaufenen Bewußtfeins mit dem Grenzpunkt der aktuellen Urempfindung und der ftetigen Zurückfchiebung diefer Reibe mit der Neuanfet)ung von Retentionen und von Urempfindungen. Man kann hier fragen: kann ich in einem Blick das ganze, in einem Vor-Zugleich befchloffene, retentionale Bewußtfein des vergangenen Bewußtfeinslaufes finden und faffen? Offenbar ift der notwendige Prozeß der, daß ich erft das Vor-Zugleich felbft er faffen muß, und das modifiziert fieb ftetig, es ift ja nur, was es ift, im Fluß; und nun ift der Fluß, foweit er diefes Vor·Zugleich abwandelt, intentional mit fieb felbft in Deckung, konftituiert Einheit im Fluß, und das Eine und Identifcbe erhält einen ftetigen Modus der Zurückfchiebung, immer Neues fetjt fieb vorne an, um alsbald ebenfo wieder zu verfließen in feinem Momentanzufammenbang.
Während diefes
Prozeffes kann der Blick fixiert bleiben auf das Momentan-Zugleich, das berabfinkt; aber die Konftitution der retentionalen Einheit reicht darüber hinaus, fügt immer Neues hinzu. Darauf kann fich in diefem Prozeß der Blick lenken, und es ift immer Bewußtfein im Fluß als konftituierte Einheit. Demnach find in dem einen einzigen Bewußtfeinsfluß z w e i trennbar
un-
einheitliche, wie zwei Seiten einer und derfelben Sache
einander fordernde I n t e n t i o n a l i t ä t e n
miteinander verflochten.
V e r m ö g e der einen konftituiert fieb die immanente Zeit, eine objektive Zeit,
eine echte,
in der es Dauer und Veränderung
von
Dauerndem gibt; in der anderen die quafi-zeitliche Einordnung der Pbafen des Fluffes, der immer und notwendig den fließenden «Jetjt«punkt, die Phafe der Aktualität hat und die Serien der voraktuellen und nacbaktuellen pbänomenale,
(der noch nicht aktuellen) Phafen.
präimmanente
Zeitlicbkeit
konftituiert
Diefe präfich
inten-
tional als F o r m des zeitkonfrituierenden Bewußtfeins und in ihm felbft.
Der Fluß des immanenten zeitkonftituierenden Bewußtfeins
i f t nicht nur, fondern fo merkwürdig und doch verftändlicb geartet ift er, daß in ihm notwendig eine Selbfterfcheinung des Fluffes befteben und daher der Fluß felbft notwendig im Fließen erfaßbar fein
muß.
Die Selbfterfcheinung des Fluffes fordert nicht einen
zweiten Fluß, fondern als Phänomen konftituiert er fich in fich felbft l ). 1) V g l . B e i l a g e I X : U r b e w u ß t f e i n und M ö g l i c h k e i t der R e f l e x i o n , S. 471 ff.
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Vorleiungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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Das Konftituierende und das Konftituierte decken fich, und doch können fie fich natürlich nicht in jeder Hinticht decken. Die Phafen des Bewußtfeinsfluffes, in denen Phafen desfelben Bewußtfeinsfluffes fich phänomenal konftituieren, können nicht mit diefen konftituierten Phafen identifch fein und find es auch nicht. Was im Momentanaktuellen des Bewußtfeinsfluffes zur Erfcheinung gebracht wird, das ift in der Reihe der retentionalen Momente desfelben vergangene Phafe des Bewußtfeinsfluffes. §40.
Die konftituierten
immanenten
Inhalte.
Gehen wir nun über in die Schicht der immanenten »Inhalte«, deren Konftitution die Leiftung des abfoluten Bewußtfeinsfluffes ift, und betrachten wir fie etwas näher. Diefe immanenten Inhalte find die Erlebniffe im gewöhnlichen S i n n : die Empfindungsdaten (feien es auch unbeachtete), etwa ein R o t , ein Blau und dgl.; ferner die Erfcheinungen ( Hauser fcheinung, Umgebungserfcheinung utw.), ob auf fie und ihre »Gegenftände« geachtet wird oder nicht. Sodann die »Akte« des Husfagens, Wünfchens, Wollens ufw. und die zugehörigen reproduktiven Modifikationen (Pbantaüen, Erinnerungen). HU das find Bewußtfeinsinbalte, Inhalte des Zeitgegenftände konf l u i e r e n d e n Urbewußtfeins, das nicht felbft wieder in diefem Sinne Inhalt, Gegenftand in der phänomenologifchen Zeit ift. Die immanenten Inhalte find, was fie find, nur fofern fie während ihrer »aktuellen« Dauer vorweifen auf ein Zukünftiges und zurückweifen auf ein Vergangenes. Bei diefen Hin- und Rückweifen ift aber noch Verfchiedenes zu unterfcheiden: in jeder Urphafe, die den immanenten Inhalt urfprünglich konftituiert, haben wir Retentionen der vorangegangenen und Protentionen der kommenden Phafen eben diefes Inhaltes, und diefe Protentionen erfüllen fich, folange eben diefer Inhalt dauert. Diefe »beftimmten« Retentionen und Protentionen haben einen dunklen Horizont, fie gehen fließend über in unbeftimmte, auf den vergangenen und künftigen Ablauf des S t r o m e s bezügliche, durch die fich der aktuelle Inhalt der Einheit des Stromes einfügt. Wir haben fodann von den Retentionen und Protentionen zu fcheiden die Wiedererinnerungen und Erwartungen, die nicht auf die konftituierenden Phafen des immanenten Inhalts gehen, fondern vergangene bzw. künftige immanente Inhalte vergegenwärtigen. Die Inhalte dauern, fie haben ihre Zeit, fie find individuelle Objektivitäten, die Einheiten der Veränderung oder Unveränderung find.
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§ 41. E v i d e n z d e r i m m a n e n t e n I n h a l t e . Veränderung und Unverändetung. Spricht man von der evidenten Gegebenheit eines immanenten Inhalts, fo kann die Evidenz felbftverftändlich nicht bedeuten die zweifeltofe Sicherheit bezüglich des punktuellen zeitlichen Dafeins des Tones; eine fo gefaßte Evidenz (wie fie ζ. B. noch von Brentano angenommen wurde) möchte ich f ü r eine Fiktion halten. Gehört zum Wefen eines in der Wahrnehmung zu gebenden Inhalts, daß er zeitlich extendiert ift, fo kann die Zweifelloßgkeit der Wahrnehmung nichts anderes bedeuten als Zweifelloßgkeit hinfichtlich des zeitlich extendierten Dafeins 1 ). Und das heißt wiederum: alle F r a g e , die fich richtet auf individuelle Exiftenz, kann nur ihre Beantwortung finden durch Rückgang auf die Wahrnehmung, die uns individuelle Exiftenz im ftrengften Sinne gibt. So weit fich mit Wahrnehmung felbft noch folches mifcht, was nicht Wahrnehmung ift, foweit befteht in ihr noch Fraglichkeit. Handelt es fich nun um immanente Inhalte und nicht um empirifche Dinglichkeiten, fo ift Dauern und Siebverändern, Koexiftieren und Hufeinanderfolgen in Wahrnehmungen voll und ganz zu realifieren und ift oft genug wirklich realifiert. Es gefchieht das in Wahrnehmungen, die eben rein fchauende, die dauernden oder (ich verändernden Inhalte als folche im eigentlichften Sinne konftituierende Wahrnehmungen find; Wahrnehmungen, die in fich felbft nichts mehr von möglichen Fraglichkeiten enthalten: auf fie werden wir bei allen Urfprungsfragen zurückgeleitet, aber fie felbft fchließen eine weitere Frage nach dem Urfprung aus. Es ift klar, daß die viel beredete Evidenz der inneren Wahrnehmung, die Evidenz der cogitatio jede Bedeutung und jeden Sinn verlieren würde, wenn wir die zeitliche Extenfion aus der Sphäre der Evidenz und wahrhaften Gegebenheit ausfchließen wollten. Betrachten wir nun dies Evidenzbewußtfein der Dauer und analyfieren wir diefes Bewußtfein felbft. Wenn der Ton c (und zwar nicht bloß die Qualität c, fondern der gefamte Toninhalt, der ganz und gar unverändert bleiben foil) wahrgenommen und als dauernd gegeben ift, fo ift das c über eine Strecke des unmittel· baren Zeitfeldes gedehnt, d. h. in jedem Je^t tritt nicht ein anderer Ton auf, fondern immerfort und kontinuierlich derfelbe. Daß immerfort derfelbe auftritt, diefe Kontinuität der Identität ift ein innerer 1) Über innere Wahrnehmung vgl. § 44, S. 446 ff.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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Charakter des Bewußtfeins. Die Zeitftelten find nicht voneinander gefcbieden durch fleh abfondernde Akte, die Einheit der Wahrnehmung ift hier bruchlofe Einheit, die aller (ich abfegenden inneren Unterfchiede entbehrt. Andererfeits beftehen doch Unterfchiede, fofern jeder Zeitpunkt individuell verfchieden ift von jedem anderen, aber eben v e r f c h i e d e n und nicht gefcbieden. Die ununterfebeidbare Gleichheit der Zeitmaterie und die Stetigkeit der Modifikation des zeitfegenden Bewußtfeins fundiert wefentlich die Verfchmolzenheit zur Einheit der bruchlofen Ausdehnung des c , und damit erwächft erft eine konkrete Einheit. Erft ats zeitlich gedehnter ift der Ton c ein konkretes Individuum. Das Konkrete ift jeweils das allein Gegebene, und felbftverftändlich find es intellektive Prozeffe der Analyfe, die Ausführungen wie die eben verfuchten ermöglichen. Die bruchlofe Einheit des c , die das Erftgegebene ift, erweift fich als eine teilbare Einheit, als eine Verfchmolzenheit von ideell darin zu unterfcheidenden und eventuell darin zu findenden Momenten, ζ. B. durch das Hilfsmittel gleichzeitiger Sukzeffion, durch welche in der parallel ablaufenden Dauer Abfchnitte unterfcheidbar werden, in Beziehung auf welche dann ein Vergleichen und Identifizieren ftatthaben kann. Im übrigen operieren wir bei folchen Befchreibungen fchon ein wenig mit idealifierenden Fiktionen. E s ift eine Fiktion, daß der Ton abfolut ungeändert dauere. In irgendwelchen Momenten wird ein größeres oder geringeres Schwanken immer ftatthaben, und fo wird die kontinuierliche Einheit hinfichtlich eines Momentes verbunden fein mit einer ihr indirekte Teilung verfchaffenden Unterfchiedenheit eines anderen Moments. Der Bruch der qualitativen Identität, das Springen von einer zu einer anderen Qualität innerhalb derfelben Qualitätsgattung an einer Zeitftelle — ergibt ein neues Erlebnis, das Erlebnis des Wecbfels, wobei es evident ift, daß nicht in jedem Zeitpunkt einer Zeitftrecke eine Diskontinuität möglich ift. Diskontinuität fetjt voraus Kontinuität, fei es in Form der änderungslofen Dauer oder der ftetigen Veränderung. Was die letjtere, die ftetige Veränderung, anbelangt, fo geben die Phafen des Änderungsbewußtfeins ebenfalls brucblos, alfo in der Weife des Einheits-, des Identitätsbewußtfeins ineinander ü b e r , fo wie im Fall der änderungslofen Dauer. Ober die Einheit erweift fich nicht als unter» fchiedslofe Einheit. Was zunächft unterfchiedslos ineinander übergebt, ftellt im Fortgang der kontinuierlichen Synthefis Abweichung und immer größere Abweichung heraus, und fo mifcht fich Gleichheit und Unterfcbiedenbeit, und eine Kontinuität der Steigerung der
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Edmund Hufferl,
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Unterfcbiedenbeit mit wachfender Extenfion ift gegeben. Die ur· fprünglicbe J e t j t · Intention etfeheint, indem fie fich individuell fort» erbält, im neuen und immer neuen Simultanbewußtfein in eins gefegt mit Intentionen, die, je ferner fie ihr zeitlich ftehen, eine fich immer fteigernde Unterichiedenheit, einen Abftand hervortreten laffen. Das zunächft fich Deckende und dann fait Deckende tritt immer mehr auseinander, das Alte und Neue erfcheint nicht mehr als im Wefen völlig dasfelbe, fondern als ein immer Anderes und Fremdes trot) gattungsmäßiger Gemeinfamkeit. S o erwäcbft alfo das Bewußtfein des »allmählich geändert« des fich fteigernden fibftandes im Fluß ftetiger Identifizierung. Im Falle der veränderungslofen Dauer haben wir ftetiges Einbeitsbewußtfein, das im Fortfehreiten immerfort homogenes Einheits« bewußtfein bleibt. Die Deckung fetjt fich durch die ganze Reibe der ftetig fortfehreitenden Intentionen hindurch, und die durchgehende Einheit ift immerfort Einheit der Deckung, fie läßt· kein Bewußtfein des »anders«, des Siebentfernens, des Abftandes aufkommen. Im Bewußtfein der Veränderung findet auch Deckung ftatt, die ebenfalls in gewiffer Weife hindurchgeht durch die ganze zeitliche Extenfion; aber in der Deckung nach dem Allgemeinen tritt zugleich und fich fteigernd Abweichung nach der Differenz hervor. Die Art, wie in der Zeitftrecke die Materie der Veränderung fich verteilt, beftimmt das Bewußtfein der fcbnellen oder langfamen Veränderung, ihrer Gefcbwindigkeit und Befchleunigung. In jedem Fall aber, und nicht nur im Fall der ftetigen Veränderung, fetjt das Bewußtfein der Andersbeit, der Unterfcbiedenbeit, eine Einheit voraus. Im Wecbfel muß etwas Dauerndes da fein und ebenfo in der Veränderung, etwas, was die Identität desfelben, das fich verändert oder das einen Wecbfel erfährt, ausmacht. Selbftverftändlicb weift das zurück auf wefentlicbe Formen des Bewußtfeins von einem Individuellen. Bleibt die Tonqualität ungeändert und ändert fieb die Tonintenfität oder die Klangfarbe, fo fagen wir, d e r f e l b e Ton wecbfelt feine Klangfarbe oder verändert fich binficbtlicb der Intenfität. Bleibt im ganzen Phänomen nichts ungeändert, ändert es fich »nach allen Beftimmtbeiten«, dann ift doch immer genug da- um Einheit berzuttellen: eben die Unterfcbiedslofigkeit, mit der angrenzende Pbafen ineinander übergeben und damit das Einbeitsbewußtfein berftellen. Die Art und F o r m des Ganzen bleibt gattungsmäßig diefelbe. Ähnliches gebt in Ähnliches über innerhalb einer Abnlicbkeitsmannigfaltigkeit, und umgekehrt: Ähnliches ift folebes, was einet Einheit des kontinuierlichen Übergangs angehören kann, oder alles, was einen Ab-
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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ftand hat - ebenfo wie Gleiches dasjenige ift, was Einheit einer ändetungslofen Dauer (Ruhe) begründen kann oder was keinen fibftand hat. So ift es alio überall, wo immer von Veränderung und Wecfofel die Rede ift. Ein Einheitsbewußtfein muß zugrunde liegen. §42. I m p r e f f i o n u n d R e p r o d u k t i o n . Dabei ift zu bemerken, daß, wenn wir nicht die Konftitution von impreffionalen Inhalten in ihrer Dauer verfolgen, fondern etwa von erinnerungsmäßigen, wir nicht von Urimpreffionen fprechen können, die dem Jetjtpunkt derfelben entfprechen. fln der Spitje ftehen hier Urerinnerungen (als abfolute Phafen), nicht ein · ν ο η außen«, »bewußtfeinsfremd« Hereingefetjtes, Urgezeugt-Entfprungenes, fondern ein Aufgetauchtes, Wiederaufgetauchtes, könnten wir auch fagen (wenigftens bei der Erinnerung). Diefes Moment, wiewohl felbft keine Impreffion, ift doch gleich der Impreffion kein Erzeugnis der Spontaneität, fondern in gewiffer Weife ein Rezeptives. Man könnte hier auch von paffiver Empfängnis fprechen und unterfcheiden das paffive Empfangen, das Neues, Fremdes, Originäres hereinbringt, und das paffive Empfangen, das n u r wiederbringt, vergegenwärtigt. Jedes k o n f l u i e r t e Erlebnis ift entweder Impreffion oder Reproduktion, es ift als Reproduktion ein V e r - gegenwärtigen oder nicht. In jedem Fall ift es felbft ein (immanent) Gegenwärtiges. Aber jedem gegenwärtigen und gegenwärtigenden Bewußtfein entfpricht die ideale Möglichkeit einer genau entfprechenden Vergegenwärtigung v o n diefem Bewußtfein. Dem impreffionalen Wahrnehmen entfpricht die Möglichkeit einer Vergegenwärtigung von ihm, dem impreffionalen Wünfchen eine Vergegenwärtigung von ihm ufw. Diefes Vergegenwärtigen betrifft auch jeden finnlichen Empfindungsinhalt. Dem empfundenen Rot entfpricht ein Phantasma Rot, ein Vergegenwärtigungsbewußtfein vom impreffionalen Rot. Hierbei entfpricht dem Empfinden (d. i. dem Wahrnehmen hyletifcher Daten) eine Vergegenwärtigung des Empfindens. Jedes Vergegenwärtigen ift aber felbft wiederum gegenwärtig durch ein impreffionales Bewußtfein. In gewiffem Sinne find alfo alle Erlebniffe bewußt durch Impreffionen oder imprimiert. Unter ihnen find aber folche, die als Reproduktionen, als vergegenwärtigende Modifikationen von Impreffionen auftreten, und jedem Bewußtfein entfpricht eine iolche Modifikation (Vergegenwärtigen ift dabei nicht zugleich als aufmerkendes Meinen verftanden). Ein Wahrnehmen ift Bewußtfein von einem Gegen-
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ftande. Es ift zugleich als Bewußtfein eine Impreffion, ein immanent Gegenwärtiges. Diefem immanent Gegenwärtigen, dem Wahrnehmen eines fl, entfpricbt die reproduktive Modifikation: Vergegenwärtigung des Wahrnehmens, Wahrnehmen in der Phantafie oder in der Erinnerung. Eine folche »Wahrnehmung in der Phantafie« ift aber zugleid) Phantafie vom wahrgenommenen Objekt. In der Wahrnehmung fteht ein Gegenftand, fagen wir ein Ding oder dinglicher Vorgang, als gegenwärtig da. Die Wahrnehmung ift alfo nicht nur felbft gegenwärtig, fondern fle ift zugleich ein Gegenwärtigen, in ihr fteht ein Gegenwärtiges da, das Ding, der Vorgang. Ebenfo ift eine Vergegenwärtigungsmodifikation der Wahrnehmung zugleich Vergegenwärtigung vom wahrgenommenen Objekt: das Dingobjekt ift phantafiert, erinnert, erwartet. Im urfprünglichen Bewußtfein konftituieren fich alle Impreffionen, die primären Inhalte wie die Erlebniffe, die »Bewußtfein von« find. Denn in diefe beiden fundamentalen Erlebnisklaffen teilen fich die Erlebniffe: die einen find Akte, find »Bewußtfein von«, find Erlebniffe, die »Beziehung auf etwas« haben, die anderen nidbt. Die empfundene Farbe hat keine Beziehung auf etwas 1 ). Ebenfowenig Phantafieinhalte, ζ. B. ein Phantasma Rot als vorfchwebendes (wenn auch nicht beachtetes) Rot. Wohl aber das Phantafie-Bewußtfein v o n Rot: alle primitiven Vergegenwärtigungen. Wir finden alfo Impreffionen, die Vergegenwärtigungen von impreffionalem Bewußtfein find: wie das impreffionale Bewußtfein Bewußtfein von Immanentem ift, fo ift auch die impreffionale Vergegenwärtigung Vergegenwärtigung von Immanentem. Die Impreffion (im engeren Sinne, im Gegenfat) zur Vergegenwärtigung) ift als primäres Bewußtfein zu faffen, das hinter fich kein Bewußtfein mehr bat, in dem es bewußt wäre, dagegen ift Vergegenwärtigung, auch die primitivfte immanente Vergegenwärtigung, fchon fekundäres Bewußtfein, es fetjt primäres voraus, in dem es impreffional bewußt ift. 1) S o w e i t man ein Recht b a t , das Urbewußtfein, den die immanente Zeit und die ihr zugehörigen Erlebniffe k o n f l u i e r e n d e n Fluß felbft als Akt zu bezeichnen, bzw. nach den Einheiten und Akten zu zerlegen, könnte und müßte man wohl fagen: ein Urakt oder Uraktzufammenbang konftituiect Einheiten, die felbft entweder Akte find oder nicht. Das ergibt aber Schwierigkeiten.
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Vortefungen zur Phänomenologie des inneren ZeitbewuOtfeins.
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§43. K o n f t i t u t i o n v o n D i n g e r f c h e i n u n g e n Dingen. K o n f t i t u i e r t e A u f f a f f u n g e n und Urauffaffungen. Betrachten wir ein folcbes primäres Bewußtfein, etwa die Wahrnehmung diefes kupfernen Afchenbechers: er ftebt als dauerndes dingliches Sein da. Eine Reflexion läßt unterfcheiden: die Wahrnehmung ielbft (Wahrnebmungsauffaffung konkret ineins genommen mit den Auffaffungsdaten: die Wabrnebmungserfcheinung im Modus der Gewißheit etwa) und das Wahrgenommene (das in evidenten, auf Wahrnehmung fundierten Urteilen zu befchreiben ift); es ift zugleich Gemeintes, das Meinen »lebt« im Wahrnehmen. Die Wahrnehmungsauffaffung in ihrem Modus ift, wie die Reflexion lehrt, felbft etwas immanent-zeitlich Konftituiertes, in der Einheit der Gegenwärtigkeit daftehend, obfchon es nicht Gemeintes ift. Es ift konftituiert durch die Mannigfaltigkeit von Jetjtpbafen und Retentionen. Sowohl die Auffaffungsinbalte als die Auffaffungsintentionen, zu denen der Modus der Gewißheit gehört, find in diefer Weife konftituiert. Die Empfindungsinhalte konftituieren (ich als Einheiten in finnlichen Impreffionen, die Fiuffaffungen in anderen, mit ihnen verflochtenen Aktimpreffionen. Die Wahrnehmung als konftituiertes Phänomen ift ihrerfeits Wahrnehmung von dem Ding. Im primären Zeitbewußtfein konftituiert fich die Ding-Erfcheinung, Ding-Huffaffung als dauerndes, unverändertes Phänomen oder als fich veränderndes. Und in der Einheit diefer Veränderung ift eine neue Einheit »bewußt«: die Einheit des unveränderten oder fich verändernden Dinges, unverändert oder fi nur während eines Zeitdifferenzials — k o n f l u i e r t fein muß, ehe die befeelende fluffaffung einfetjen kann. E s fcheint, daß dies letjtere zutrifft. Dann ift in dem Moment, in dem die fluffaffung einfetjt, ein Teil des Empfindungsdatums fchon abgelaufen und nur noch retentional erhalten. Die fluffaffung befeelt nun nicht nur die jeweilige Urempfindungsphafe, fondern das gefamte Empfindungsdatum einfchließlich der abgelaufenen Strecke; das befagt aber, daß fie das Objekt in der dem Empfindungsablauf entfprechenden Befchaffenheit für die ganze Dauer des Empfindungsablaufes fetjt, alfo auch für den Zeitabfchnitt, der ihr felbft - der Wahrnehmungsauffaffung — vorausgeht. Demnach befteht eine zeitliche Differenz zwifdien dem Anfangspunkt der Wahrnehmung und dem Anfangspunkt des Objektes. Durd? Aufklärung der »äußeren Bedingungen·, unter denen das Auftreten eines Empfindungsdatums fteht, läßt ficb vielleicht auch die oben erwähnte naturaliftifche Behauptung von der Ungleichzeitigkeit der Wahrnehmung und des Wahrgenommenen einfichtig machen. Schalten wir jet)t die tranfzendenten Objekte aus und fragen wir, wie es in der immanenten Sphäre mit der Gleichzeitigkeit von
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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Wahrnehmung und Wahrgenommenem fteht. Faffen wir Wahrnehmung hier auf als den Akt der Reflexion, in dem immanente Einheiten zur Gegebenheit kommen, fo fet)t er voraus, daß bereits etwas konftituiert - und retentional erhalten - ift, worauf er zurückblicken kann: dann folgt alio die Wahrnehmung auf das Wahrgenommene und ift nicht mit ihm gleichzeitig. Nun fetjen aber - wie wir gefehen haben — Reflexion und Retention das impreffionale »innere Bewußtfein« des betreffenden immanenten Datums in feiner urfprünglichen Konftitution voraus, und diefes ift mit den jeweiligen Urimpreffionen konkret eins, von ihnen untrennbar 1 ): wollen wir auch das »innere Bewußtfein« als »Wahrnehmung« bezeichnen, fo haben wir hier in der Tat ftrenge Gleichzeitigkeit von Wahrnehmung und Wahrgenommenem. Beilage VI. E r f a f f u n g des abfoluten Fluffes. - W a h r n e h m u n g in v i e r f a c h e m Sinn2)· Die Objekte, um die es fieb hier handelt, find Zeitobjekte, die fieb konftituieren müffen. Der iinnliche Kern (die Erfcheinung ohne fluffaffung) ift »jetjt« und ift foeben gewefen und noch früher gewefen ufw. In diefem Jetjt ift zugleich die Retention des vergangenen Jet)t aller Stufen der jeljt bewußten Dauer. Jedes vergangene Jetjt birgt retentional in fich alle früheren Stufen. Ein Vogel fliegt foeben durch den fonnigen Garten. In der Phafe, die ich eben ethafche, finde ich das retentionale Bewußtfein der vergangenen Hbfebattungen der Zeitlage, in jedem neuen Jetjt ebenfo. Aber der Zeitfchwanz jeder Phafe ift felbft etwas, was in die Zeit zurückfinkt und feine Hbfcbattung bat. Der ganze Inhalt jedes Jet)t finkt in die Vergangenheit, diefes Sinken ift aber kein Vorgang, der in infinitum reproduziert würde. Der Vogel ändert feinen Ort, er fliegt. In jeder neuen Lage hängt ihm (d. b. feiner Erfcheinung) der Nachball der früheren Erfcheinungen an. Jede Phafe diefes Nachhalls klingt aber ab, während der Vogel weiter fliegt, und fo gehört zu jeder folgenden Phafe eine Serie von »Nachklängen«, und wir haben nicht eine einfache Reibe von Folgepbafen (etwa jedes aktuelle Jet)t mit einer Phafe), fondern zu jeder einzelnen Folgephafe eine Serie. Jede zeitliche Erfcheinung löft fieb alio nach der pbänomenologifchen Reduktion in einen folchen Fluß auf. Das Bewußtfein, in 1) Über das »innere Bewußtfein« vgl. Beilage XII, S. 481 ff. 2) Zu § 34, S. 427 ff.
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E d m u n d Huffed,
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das fich all das auflöft, kann ich aber nicht felbft wieder wahrnehmen. Denn diefes neue Wahrgenommene wäre wieder ein Zeitliches, das zurüdtweift auf ein k o n f l u i e r e n d e s Bewußtfein ebenfolcber Art und fo in infinitum. Es erbebt fich alfo die Frage, woher ich von dem k o n f l u i e r e n d e n Fluß Kenntnis habe 1 ). Die Stufen der Befchreibung (und der Konftitution) von Zeitobjekten find nach den bisherigen Ausführungen die folgenden: wir haben 1. die Wahrnehmung der empirifchen Objekte im gewöhnlichen Sinn: da ftehen fie ufw. 2. In der phänomenologifchen Betrachtung nehme ich das Objekt als Phänomen, id) bin gerichtet auf die Wahrnehmung, auf Erfcheinung und Erfcheinendes in ihrer Korrelation. Das wirkliche Ding ift im wirklichen Raum, dauert und verändert fid) in der wirklichen Zeit ufw. Das erfcheinende Ding der Wahrnehmung hat einen Erfcheinungsraum und eine Erfcheinungszeit. Und wiederum haben die Erfcheinungen felbft und alle Bewußtfeinsgeftaltungen ihre Zeit, nämlich ihr Jetjt und ihre Zeitausbreitung in der Form des Je^t-Vorher: die fubjektive Zeit. Dabei ift zu beachten: das Wahrnehmungsobjekt erfcheint in der »fubjektiven Zeit«, das Erinnerungsobjekt in einer erinnerten, das Phantafieobjekt in einer phantafierten fubjektiven Zeit, das erwartete Objekt in einer erwarteten. Die Wahrnehmung, Erinnerung, Erwartung, Phantafie, das Urteil, Gefühl, der Wille - kurz alles, was Objekt der Reflexion ift, erfcheint in derfelben fubjektiven Zeit, und zwar in derfelben, in der die Wahrnehmungsobjekte erfcheinen. 3. Die fubjektive Zeit konftituiert fich im abfoluten zeitlofen Bewußtfein, das nicht Objekt ift. Überlegen wir nun, wie diefes abfolute Bewußtfein zur Gegebenheit kommt. Wir haben eine Ton· erfcheinung, wir achten auf die Erfcheinung als folche. So wie der (dinglich gedachte) Geigenton, fo bat die Tonerfcheinung ihre Dauer und in diefer Dauer ihre Unveränderung oder Veränderung. Ich kann auf irgend eine Phaie diefer Erfcheinung achten: Erfcheinung ift hier der immanente Ton oder die immanente Tonbewegung, abgefehen von feiner »Bedeutung«. Das ift aber nicht das letzte Bewußtfein. Diefer immanente Ton »konftituiert« fich, nämlich kontinuierlich mit dem jeweiligen Tonjetjt haben wir auch die Tonabfchattungen, und zwar ftellt fich in diefen die Strecke der TonVergangenheiten, die zu diefem Jctjt gehören, dar. Wir können auf 1) Vgl. § 40, 5. 437.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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diefe Reihe einigermaßen achten. Bei einer Melodie ζ. B. können wir einen Moment f. z. f. zum Stehen bringen und finden darin die Erinnerungsabfchattungen der vorangegangenen Töne. Es ift offenbar, daß dasfelbe für jeden einzelnen Ton auch fd)on gilt. Wir haben dann das immanente Tonjetjt und die immanenten Tonvergangen in ihrer Reihe bzw. Kontinuität. Zudem fallen wir aber folgende Kontinuität haben: Wahrnehmung des Jetjt und Erinnerung des Vergangen, und diefe ganze Kontinuität (oll felbft ein Jeljt fein. In der Tat: im Gegenftandsbewußtfein lebend blicke ich in die Vergangenheit vom Jetjtpunkt aus zurück. flndererfeits kann ich das ganze Gegenftandsbewußtfein als ein Jetjt faffen und fagen: Jet)t. Ich erhafche den Moment und faffe das ganze Bewußtfein als ein Zufammen, als ein Zugleich. Id) höre foeben einen langen Pfiff. Er ift wie eine gedehnte Linie. In jedem Moment habe id) baltgemacht, und von da aus dehnt fich die Linie. Der Blick diefes Moments umfaßt eine ganze Linie, und das Linienbewußtfein wird als gleichzeitig gefaßt mit dem Je^tpunkt des Pfiffs, fllfo id) habe in mehrfachem Sinne Wahrnehmung: 1 ) 1. Ich habe Wahrnehmung der Dampfpfeife oder vielmehr des Pfiffs der Pfeife. 2. Ich habe Wahrnehmung des Toninhaltes felbft, der dauert, und des Tonvorgangs in feiner Dauer, abgefehen von feiner Einordnung in die Natur. 3. Wahrnehmung des Tonjetjt und zugleich FIchtfamkeit auf das mitverbundene Tonfoeben-gewefen. 4. Wahrnehmung des Zeitbewußtfeins im Jefjt: ich achte auf das Jet)t=Erfcbeinen des Pfiffs, bzw. eines Tons, und auf das JetjtErfcbeinen eines fid) fo und fo in die Vergangenheit erftreckenden Pfiffs (mir erfcbeint in diefem Jef)t eine 3 e 6t- Pfiff-Phafe und eine Kontinuität der flbfchattung). Was für Schwierigkeiten beftehen hinfichtlid) der legten diefer Wahrnehmungen? Natürlich, das Zeitbewußtfein habe id), ohne daß es felbft wieder Objekt ift. Und wenn ich es zum Objekt mache, fo hat es felbft wieder eine Zeitftelle, und wenn ich ihm von Moment zu Moment folge, fo hat es eine Zeitausbreitung. Daran ift kein Zweifel, daß folche Wahrnehmung befteht. Ein erhafd)ender Blick kann, wie auf den Fluß der Tonphafen, fo auf die Kontinuität derfelben im Jetjt des Erfcheinens achten, in dem fich das Dinglich Objektive darftellt, und wieder auf die finderungskontinuität diefer 1) Vgl. § 17, S . 400 ff. und § 18, S . 401 ff.
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Edmund Hufferl,
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Momentankontinuität. Und die Zeit diefer »Änderung« ift diefelbe wie die Zeit des Objektiven. Handelt es ficb ζ. B. um einen unveränderten Ton, fo ift die fubjektive Zeitdauer des immanenten Tones identifch mit der Zeiterftredaing der Kontinuität der Erfcbeinungsänderung. Hber ift nicht hier ein böchft Merkwürdiges? Kann man hier im eigentlichen Sinn von einer Veränderung fprechen, wo doch eine Unveränderung, eine unverändert ausgefüllte Dauer undenkbar ift? Dem ftetigen Fluß der Erfcbeinungsphafen ift keine mögliche Unveränderung an die Seite zu ftellen. Im urfprünglichen Fluß gibt es keine Dauer 1 ). Denn Dauer ift die Form eines dauernden Etwas, eines dauernden Seins, eines Identifchen in der Zeitreibe, die als feine Dauer fungiert. Bei Vorgängen wie Gewitter, Bewegung einer Sternfchnuppe ufw. bandelt es fich um einheitliche Veränderungszufammenhänge dauernder Objekte. Die objektive Zeit ift eine Form »beharrlicher« Gegenftände, ihrer Veränderungen und fonftiger Vorgänge an ihnen. »Vorgang« ift alfo ein Begriff, der Beharrlichkeit vorausfetjt. Beharrlichkeit ift aber eine Einheit, die fich im Fluß konftituiert, und zu deffen Wefen gehört es, daß in ihm keine Beharrung fein kann. Im Fluß find Erlebnisphafen und ftetige Reiben von Phafen. Hber folch eine Phafe ift nichts Beharrliches, und ebenfowenig eine ftetige Reibe. Gewiß ift auch iie in einer Hrt eine Gegenftändlichkeit. Ich kann den Blidt auf eine fich abhebende Phafe im Fluß oder auf eine Strecke des Fluffes richten und fie in wiederholter Vergegenwärtigung identifizieren, auf diefelbe immer wieder zurückkommen und tagen: diefe Flußftrecke. Und fo auch für den ganzen Fluß, den ich in eigener Weife als diefen einen identifizieren kann. Hber diefe Identität ift nicht Einheit eines Beharrlichen und kann nie eine folcbe werden. Zum Wefen der Beharrlichkeit gehört, daß das Beharrende entweder unverändert oder verändert beharren kann. Jede Veränderung kann idealiter in Unveränderung übergeben, Bewegung in Ruhe und umgekehrt, qualitative Veränderung in Unveränderung. Die Dauer ift dann erfüllt mit »denfelben« Phafen. Im Fluß aber kann prinzipiell kein Stück Nicht-Fluß auftreten. Der Fluß ift nicht ein zufälliger Fluß, wie ein objektiver Fluß es ift, die Wandlung feiner Phafen kann nie aufhören und übergehen in ein Sich-kontinuieren immer gleicher Phafen. Hber bat nicht auch der Fluß in gewiffer Weife etwas Verbleibendes, wenn auch 1) Zu dem Folgenden vgl. insbef. § 36, S. 429.
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Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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kein Stück d e s Fluffes fieb in einen Nicbtfluß v e r w a n d e l n k a n n ? V e r b l e i b e n d ift v o r allem die f o r m a l e S t r u k t u r d e s Flufies, die F o r m des Fluffes. D. b. d a s Fließen ift nicht n u r ü b e r h a u p t Fließen, fond e r n jede P b a f e ift v o n e i n e r u n d d e r f e l b e n F o r m , die b e f t ä n d i g e F o r m ift i m m e r n e u von »Inhalt« e r f ü l l t , a b e r d e r Inhalt ift e b e n nichts äußerlich in die F o r m Hineingebrachtes, f o n d e r n durch die F o r m d e r Gefetjmäßigkeit b e f t i m m t : n u r fo, d a ß diefe Gefetjmäßigkeit nicht allein das K o n k r e t u m b e f t i m m t . Die F o r m b e f t e b t d a r i n , daß ein Jetjt fieb k o n f t i t u i e r t durch eine I m p r e f f i o n u n d d a ß an diefe ein Schwanz von R e t e n t i o n e n fieb a n g l i e d e r t u n d ein H o r i z o n t d e r P r o t e n t i o n e n . Diefe b l e i b e n d e F o r m t r ä g t a b e r d a s B e w u ß t f e i n d e s ftändigen W a n d e l s , das e i n e Urtatfacbe ift: d a s B e w u ß t f e i n d e r Wandlung d e r Impreffion in Retention, w ä h r e n d ftetig w i e d e r e i n e Impreffion da ift, o d e r im Hinblick auf das Was d e r I m p r e f f i o n das Bew u ß t f e i n d e s W a n d e l s diefes W a s , w ä h r e n d d a s foeben noch als »jetjt· b e w u ß t e in d e n C h a r a k t e r d e s »foeben gewefen« fieb modifiziert. Wir k o m m e n bei diefer fluffaffung alfo — w i e febon f r ü h e r anged e u t e t - auf die F r a g e nach d e m Z e i t b e w u ß t f e i n , in d e m fieb die Zeit des Z e i t b e w u ß t f e i n s d e r T o n e r f c b e i n u n g e n k o n f t i t u i e r t . Lebe ich im T o n - E r i c b e i n e n , fo ftebt m i r d e r T o n d a , u n d e r bat feine D a u e r o d e r V e r ä n d e r u n g . Hebte idb auf das T o n - E r i c h e i n e n , fo ftebt diefes da u n d bat n u n feine Z e i t e r f t r e c k u n g , feine D a u e r o d e r V e r ä n d e r u n g . D a b e i k a n n T o n ' E r i c b e i n e n Verfcbiedenes befagen. Es k a n n auch b e f a g e n das flehten auf die flbfebattungskontinuität 3et)t, S o e b e n u f w . N u n foil der S t r o m ( d e r a b f o l u t e F l u ß ) w i e d e r gegenftändlicb fein u n d w i e d e r feine Zeit h a b e n , fluch da w ä r e w i e d e r ein diefe Objektivität k o n f t i t u i e r e n d e s B e w u ß t f e i n nötig u n d ein diefe Zeit k o n f t i t u i e r e n d e s . Prinzipiell k ö n n t e n w i r w i e d e r r e f l e k t i e r e n u n d fo in infinitum. Ift d e r unendliche R e g r e ß hier als unfcbädlicb zu e r w e i f e n ? 1. D e r Ton d a u e r t , k o n f t i t u i e r t fieb in e i n e r K o n t i n u i t ä t v o n Pbafen. 2. W ä h r e n d o d e r f o f e r n d e r Ton d a u e r t , g e h ö r t zu jedem P u n k t d e r D a u e r eine S e r i e von flbfebattungen v o m b e t r e f f e n d e n Jetjt an in d a s v e r f c h w i m m e n d e V e r g a n g e n . Wir h a b e n alfo ein ftetiges B e w u ß t f e i n , von d e m jeder P u n k t ein ftetiges K o n t i n u u m ift. Das ift a b e r w i e d e r eine Z e i t r e i b e , auf die w i r achten k ö n n e n , fllfo g e b t d a s Spiel von n e u e m los. F i x i e r e n w i r i r g e n d e i n e n P u n k t diefer Reibe, fo febeint d a z u ein V e r g a n g e n b e i t s b e w u ß t f e i n g e h ö r e n zu m ü f f e n , das fieb auf die S e r i e d e r v e r g a n g e n e n Reiben bezieht ufw.
Edmund Huiferl,
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(102
Wenn nun auch nicht in infinitum Reflexion geübt w i r d und überhaupt keine Reflexion nötig ift, fo muß doch dasjenige gegeben fein, w a s diefe Reflexion möglich macht u n d , wie es fcheint, prinzipiell wenigftens in infinitum möglich macht. Und da tiegt das Problem.
Beilage VII. Konftitution
der
Gleichzeitigkeit').
a , etwa ein Ton, konftituiert fid) in einem Zeitpunkt einer be· ftimmten d e r Pbafen feiner Dauer nach durd) eine Urimpreffion an die fleh die und die Modifikation zufammen mit der Urzeugung neuer Impreffionen (neuer Jetjtmomente) anfchließt. b fei eine gleichzeitige immanente Einheit, etwa eine F a r b e , und es fei ins Huge gefaßt ein mit jenem Tonpunkt »gleichzeitiger« Punkt. Dem entfpriebt in der Konftitution die Urimpreffion ,1. Was haben nun α und β gemeinfam? Was macht e s . daß fie Gleichzeitigkeit konftituieren und daß zwei Modifikationen α' und ein Gleichzeitig 3 gewefen konftituieren? In eine Schicht des inneren Bewußtfeins können mannigfaltige Urimpreffionen, Urphantasmen ufw., kurz mannigfaltige Urfprungsmomente gehören (wir können auch tagen: Urmomente des inneren Bewußtfeins). Alle zu einer Schicht gehörigen Urfprungsmomente haben denfelben Bewußtfeinscharakter, welcher wefentlich konftitutiv ift f ü r das betreffende »Jetjt«: es ift f ü r alle konftituierten Inhalte dasfelbe, die Gemeinfamkeit des Charakters konftituiert die Gleichzeitigkeit, die »Gleich·Jetjigkeit«. V e r m ö g e der urfprünglichen Spontaneität des inneren Bewußtfeins ift jedes Ur-Moment Quellpunkt f ü r eine Kontinuität von Erzeugungen, und diefe Kontinuität ift von einer und derfelben Form, die Weife der E r z e u g u n g , der urtemporalen Modifikation, ift f ü r alle Urmomente diefelbe, ein und diefelbe Gefetjmäßigkeit durchherrfcht alle Modifikationen. Diefe Gefet5mäßigkeit lautet: die ftetige Er» zeugung des inneren Bewußtfeins bat die F o r m einer eindimenfionalen ortboiden Mannigfaltigkeit, alle Urmomente innerhalb einer Schicht e r f a h r e n diefelbe Modifikation (fie erzeugen diefelben Vergangenbeitsmomente). λ ΐ ί ο die Modifikationen zweier zur felben Schicht gehörigen Urmomente, die denfelben flbftand von den entfprechenden Urmomentcn haben, gehören einer und derfelben Schicht an: oder auch Modifikationen, die einer Schicht angehören, erzeugen l) Z u § 38, S. +31 ff.
103]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
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aus (ich immer wieder nur Modifikationen, die einer und derfelben Schicht angehören. Die Erzeugung gebt immer in derfelben Gefchwindigkeit vor fleh. Innerhalb jeder Schicht haben die vermiedenen Punkte der ftetigen Serie von dem Urmoment einen verfchiedenen flbftand. Dieter Hbftand irgendeines Punktes ift identifch mit dem Hbftand, den derfelbe Punkt von feinem Urmoment in der früheren Schicht hat. Das konftituierende Urfeld des Zeitbewußtfeins ift eine ftetige Extenfion, welche aus einem Urmoment und einer beftimmten Serie von iterierten Modifikationen befteht. Iterierte Modifikationen nicht dem Inhalt, fondern der Form nach. Die Beftimmtheiten diefer Modifikationen find der Form nach in allen Urfeldern (in ihrer Folge) immer wieder diefelben. Jedes Urmoment ift eben Urmoment (JetjtBewußtfein), jedes Vergangene Vergangenheitsbewußtfein, und der Grad der Vergangenheit ift etwas Beftimmtes: ihm entfpricht ein feft beftimmter formaler Charakter im urkonftituierenden Bewußtfein. In der Hufeinanderfolge der Schichten können immer wieder Momente von gleichem »Inhalt«, d. h. von gleichem inneren Beftand als Urmomente auftreten. Diefe Urmomente verfchiedener Schichten, die einen völlig gleichen inneren Gehalt haben, find individuell unterfchieden. B e i l a g e VIII. Doppeltelntentionalität
desBewußtfeinsftromes1).
Wir haben im Bewußtfeinsftrom eine doppelte Intentionalität. Entweder wir betrachten den Inhalt des Fluffes mit feiner Flußform. Wir betrachten dann die Urerlebnisreihe, die eine Reibe intentionaler Erlebniffe ift, Bewußtfein von. Oder wir lenken den Blick auf die intentionalen Einheiten, auf das, was im Hinftrömen des Fluffes intentional als Einheitliches bewußt ift: dann ftebt für uns da eine Objektivität in der objektiven Zeit, das eigentliche Zeitfeld gegenüber dem Zeitfeld des Erlebnisftromes. Der Erlebnisftrom mit feinen Pbafen und Strecken ift felbft eine Einheit, die identifizierbar ift durch Rückerinnerung mit Blickrichtung auf das Fließende: Impreffionen und Retentionen, Huftaueben und gefet)mäßiges Sicbverwandeln und Verfchwinden oder Dunkelwerden. Diefe Einheit konftituiert fich originär durch die Tatfacbe des Fluffes felbft; nämlich fein eigenes Wefen ift es, nicht nur überhaupt zu fein, fondern Erlebniseinbeit zu fein und gegeben zu fein 1) Zu § 39, S . 433 ff.
470
Edmund Hufferl,
[104
im inneren Bewußtfein, in dem ein aufmerkender Strahl auf ihn gehen kann (der felbft nicht aufgemerkt ift, den Strom bereichert, aber den zu beachtenden Strom nicht ändert, fondern ·fixiert«, gegenftändlich macht). Die aufmerkende Wahrnehmung diefer Einheit ift ein intentionales Erlebnis mit wandelbarem Inhalt, und es kann Erinnerung auf das Dahingegangene fich richten und es wiederholt modifizieren, vergleichen mit feinesgleichen ufw. Daß diefe Identifizierung möglich ift, daß hier ein Objekt konftituiert ift, das Hegt an der Struktur der Erlebniffe: daß nämlich jede Phafe des Stromes fich in Retention »von« wandelt, diefe wieder ufw. Ohne das wäre ein Inhalt als Erlebnis nicht denkbar, Erlebnis wäre fonft prinzipiell nicht dem Subjekt als Einheit gegeben und zu geben und wäre fomit nichts. Das Fließen befteht in einem Übergehen jeder Phafe des urfprünglichen Feldes (alio eines linearen Kontinuums) in eine retentionale Modifikation von derfelben, nur foeben vergangenen. Und fo gebt es weiter. Bei der zweiten Intentionalität verfolge ich nicht den Fluß der Felder, nicht den der Form »jetzt (original)-retentionale Abwandlung verfchiedener Stufe«, als einheitliche Wandlungsreibe, fondern richte mein Augenmerk auf das, was in jedem Feld und in jeder Phafe, die das Feld als ein Linearkontinuum hat, intendiert ift. Jede Phafe ift ein intentionales Erlebnis. Bei der vorigen Vergegenftändlichung waren die konfluierenden Erlebniffe die Akte des inneren Bewußtfeins, deffen Gegenftand eben die »Phänomene« des zeitkonftituierenden Bewußtfeins find. Diefe find felbft alfo inten» tionale Erlebniffe, ihr Gegenftand find die Zeitpunkte und Zeitdauern mit ihrer jeweiligen gegenftändlichen Fülle. Während der abfohlte Zeitfluß fließt, verfchieben fich die intentionalen Phafen, aber fo, daß fie in zufammengeböriger Weife Einheiten konftituieren, ineinander übergehen wie eben Phänomene von Einem, das in den fließenden Phänomenen fich abichattet, fo daß wir »Gegenftände im Wie« und in immer neuem Wie haben. Die Form des Wie ift die Orientierung: das Jetjige, das foeben Vergangene, das Künftige. Im Hinblick auf die Gegenftände können wir dann wieder vom Fluß fprechen, in dem das Jefyt fich in Vergangen wandelt ufw. Und das ift notwendig durch die Struktur des Erlebnisfluffes als Fluffes intentionaler Erlebniffe a priori vorgezeichnet. Die Retention ift eine eigentümliche Modifikation des Wahrnehmungsbewußtfeins, das im urfprünglichen zeitkonftituierenden Bewußtfein Urimpreffion ift und hinfichtlich der Zeitobjekte, fei es der immanenten — wie eines dauernden Tones im Tonfeld oder auch
105]
Votlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
471
eines F a r b e n d a t u m s im S e h f e l d - i m m a n e n t e W a h r n e h m u n g (adäquate) ift. Ift W ( t ) die W a h r n e h m u n g eines e m p f u n d e n e n T o n e s , die ihn als dauernden T o n erfaßt, fo wandelt fich W ( t ) in eine Kontinuität von Retentionen R W ( t ) . W ( t ) ift a b e r auch g e g e b e n im i n n e r e n B e wußtfein als E r l e b n i s . Wandelt fich W ( t ) in R W ( t ) , fo wandelt fid> notwendig im i n n e r e n B e w u ß t f e i n e b e n das i n n e r e Bewußtfein v o n R W ( t ) . Denn hier fällt ja S e i n und Innerlich-bewußt-fein zufammen. Nun wandelt fleh a b e r auch das innere B e w u ß t f e i n von W ( t ) in die retentionale Modifikation diefes inneren B e w u ß t f e i n s , und diefe ift felbft innerlich bewußt. fllfo ift b e w u ß t das S o e b e n - w a h r g e n o m men-haben. Wenn eine T o n w a h r n e h m u n g in ihre entfprechende Retention ü b e r g e b t (das Bewußtfein vom foeben g e w e f e n e n T o n ) , fo ift ein Bewußtfein des foeben gewefenen W a h r n e h m e n s da (im i n n e r e n B e w u ß t f e i n , als Erlebnis), und beides deckt fieb, ich kann nicht eines ohne das andere haben. Anders ausgedrückt: notwendig gehört beides z u f a m m e n : der Übergang e i n e r O b j e k t w a b r n e h m u n g in eine retentionale Modifikation diefer und d e r Übergang des W a b r n e h m e n s in eine retentionale Modifikation des W a h r n e h m e n s . Wir haben alfo notwendig zweierlei retentionale Modifikationen, die mit j e d e r Wahrnehmung gegeben find, die nicht W a h r n e h m u n g des inn e r e n Bewußtfeins ift. Das i n n e r e Bewußtfein ift ein Fluß. Sollen in diefem Erlebniffe möglich fein, die nicht »innere Wahrnehmungen« find, fo muß es zweierlei retentionale R e i b e n geben, alfo n e b e n d e r Konftitution des Fluffes als Einheit durch die »inneren« Retentionen noch eine Reibe von »äußeren«. Die letjtere konftituiert die objektive Zeit (eine konftituierte Immanenz, der erften äußerlich, a b e r doch immanent). Dabei ift zu beachten, daß das i n n e r e B e w u ß t fein als Korrelat nicht immanente Daten b a t , die dauern (wie ein Tondatum oder dauernde F r e u d e n , Leiden, dauernde V o r g ä n g e , genannt Urteile). fondern die diefe Einheiten konftituierenden Pbafen. Beilage Urbewußtfein
und
IX.
Möglichkeit
der
Reflexion1)·
Die Retention ift keine Modifikation, in der die impreffionalen Daten reell erhalten blieben, n u r eben in d e r abgewandelten F o r m ; fondern fie ift eine Intentionalität, und z w a r eine Intentionalität eigener flrt. Indem ein Urdatum, eine neue Pbafe auftaucht, g e b t die vorangebende nicht verloren, fondern wird »im Begriff be1) Zu § 39. bef. S . +36 u n d § 40. S . 437 ff.
Edmund Hufferl,
472 halten« (d. i. eben
»retiniert«),
[106
und dank
diefer Retention
ift ein
Zurückblicken auf das A b g e l a u f e n e möglich; die Retention felbft ift kein Zurückblicken, das die a b g e l a u f e n e
P h a f e z u m Objekt
macht:
indem ich die a b g e l a u f e n e P h a f e im G r i f f habe, durchlebe ich die g e g e n w ä r t i g e , n e h m e fie -
dank d e r Retention — » h i n z u « und bin
gerichtet auf das K o m m e n d e (in einer
Protention).
A b e r w e i l ich fie im Griff habe, kann ich den Blick darauf in e i n e m
neuen
A k t , den w i r -
lenken
je nachdem das a b g e l a u f e n e Er-
leben ficb noch in neuen Urdaten f o r t e r z e u g t , alfo eine Impreffion ift,
oder
bereits
rückt« — eine
abgefchloffen als
Ganzes
»in
die
Vergangenheit
Reflexion ( i m m a n e n t e W a h r n e h m u n g )
e r i n n e r u n g nennen. der Erfüllung.
oder
Wieder-
D i e f e A k t e ftehen zur Retention im Verhältnis
Die Retention
ift felbft kein
»Akt«
(d. h. eine
in
einer Reihe v o n retentionalen Phafen konftituierte immanente Dauereinheit), f o n d e r n
ein M o m e n t a n b e w u ß t f e i n
von
der
abgelaufenen
P h a f e und z u g l e i d ) U n t e r l a g e f ü r das retentionale Bewußtfein der nächften Phafe.
Indem
jede
Phafe
die
voranliegende
retentional
b e w u ß t hat, befcbließt fie in einer Kette von mittelbaren Intentionen die g e f a m t e Reibe d e r abgelaufenen Retentionen in ficb: eben durch konftituieren ficb die Dauereinheiten, die durch die
da-
Vertikal-
reiben des Z e i t d i a g r a m m s w i e d e r g e g e b e n w e r d e n , und die die Objekte d e r rückfcbauenden A k t e find. konftituierten
Einheit
( ζ . B. d e m
In diefen A k t e n k o m m t mit der dauernd
retentional
erhaltenen
u n v e r ä n d e r t e n T o n ) die Reibe d e r konftituierenden P h a f e n zur Gegebenheit.
Der
Retention
verdanken
wir
wußtfein z u m Objekt gemacht w e r d e n
es
alfo,
daß
das
Be-
kann.
Man kann nun die F r a g e a u f w e r f e n : w i e ftebt es mit der Anfangsphafe eines ficb konftituierenden Erlebniffes?
K o m m t fie auch
nur auf Grund der "Retention zur G e g e b e n h e i t und w ü r d e fie » u n · b e w u ß t « fein, w e n n ficb keine Retention daran fcblöffe? Darauf ift zu tagen: z u m ihrem
Ablauf
Objekt w e r d e n auf dem
Reflexion
(bzw.
Retention
bewußt.
kann
angegebenen
Reproduktion). fo bliebe
zeichnung als »Jettf« verleibt.
die
A n f a n g s p h a f e nur
Wege,
Aber
durch
wäre
es unverftändlicb,
fie
nach
Retention nur
was
und
durch
ihr
die
die Aus-
Sie könnte allenfalls negativ
unter-
febieden w e r d e n von ihren Modifikationen als d i e j e n i g e Phafe, die keine v o r a n l i e g e n d e
mehr
ja bewußtfeinsmäßig
durchaus pofitiv
ein Unding, v o n einem
retentional
-unbewußten«
nachträglich bewußt w ü r d e . fein
in j e d e r feiner Phafen.
bewußt
macht: aber
cbarakterifiert.
Es
ift
fie ift eben
Inhalt zu fprechen, der erft
Bewußtfein
ift n o t w e n d i g
Bewußt-
W i e die retentionale Phafe die voran-
107]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
473
liegende bewußt h a t , ohne fie zum Gegenftand zu machen, fo ift auch fchon das Urdatum b e w u ß t - und zwar in der eigentümlichen F o r m des »Jetjt« — ohne gegenftändlicb zu fein. E b e n diefes Ur= bewußtfein ift es, das in die retentionale Modifikation ü b e r g e b t die dann Retention von ihm felbft und d e m in ihm originär bewußten Datum ift, da beide u n t r e n n b a r eins find - : w ä r e e s nicht vorbanden, fo w ä r e auch keine Retention d e n k b a r ; Retention eines unbewußten Inhalts ift unmöglich. Im übrigen ift es nichts a u s Gründen Erfcbloffenes, fondern in der Reflexion auf das konftituierte Erleben als konftituierende Pbafe genau fo wie die Retentionen erfebaubar. Man darf nur diefes U r b e w u ß t f e i n , diefe Urauffaffung, oder wie man es fonft n e n n e n will, nicht als einen auffaffenden Pikt mißverftehen. flbgefeben davon, daß es eine evident falfcbe Befcbreibung der Sachlage w ä r e , w ü r d e m a n fieb dadurch in unlösbare Schwierigkeiten verwickeln. S a g t m a n : j e d e r Inhalt k o m m t nur zum Bewußtfein durch einen darauf gerichteten Fluffaffungsakt, fo e r b e b t fieb fofort die F r a g e nach dem B e w u ß t f e i n , in dem diefer fluffaffungsakt, der doch felbft ein Inhalt ift, b e w u ß t wird, und d e r unendliche R e g r e ß ift unvermeidlich. Ift a b e r j e d e r »Inhalt« in fieb felbft und notwendig »unbewußt«, fo wird die F r a g e nach einem weiteren gebenden Bewußtfein finnlos. F e r n e r ift jeder fluffaffungsakt felbft eine konftituierte immanente Dauereinbeit. Indem er fidi aufbaut, ift d a s , was e r z u m Objekt machen foil, längft v o r ü b e r und w ä r e - w e n n wir nicht das ganze Spiel von Urbewußtfein und Retentionen fchon vorausfetjten für ihn g a r nicht m e h r erreichbar. Weil a b e r Urbewußtfein und Retentionen vorbanden find, beftebt die Möglichkeit, in der Reflexion auf das konftituierte E r l e b n i s u n d auf die konftituierenden Pbafen binzufeben und fogar der Unterfcbiede inne zu w e r d e n , die e t w a zwifchen dem urfprünglicben Fluß, wie er im Urbewußtfein b e w u ß t e r war, und feiner retentionalen Modifikation befteben. Alle Einwände, die gegen die Metbode der Reflexion erhoben w o r d e n find, e r k l ä r e n fieb aus der Unkenntnis der wefensmäßigen Konftitution des B e wußtfeins. Beilage Ο b j ek t i ν a t i ο η
der
Zeit
und
X. von
Dinglichem
in
der
Zeit )· 1
Parallele P r o b l e m e find die Konftitution des einen A l l - R a u m e s ' ) , der bei jeder fpeziellen W a h r n e h m u n g mit w a h r g e n o m m e n wird, 1) Zu § 43, S . 443 ff.
474
Edmund Hufferl,
[108
fofern das w a h r g e n o m m e n e Ding feinem K ö r p e r nach in ihm liegend erfcbeint, und die Konftitution der einen Zeit, in d e r die Zeitticbkeit des Dinges liegt, in die ficb feine D a u e r einordnet, fowie die D a u e r aller z u r Dingumgebung gehörigen Dinge und dinglichen Vorgänge. In diefe felbe Zeit ordnet fid) auch das Ich ein, und nicht n u r der Ichleib, fondern auch feine »pfychifchen Erlebniffe«. Die zu jedem Dinglichen gehörige Zeit ift feine Zeit, und doch haben wir n u r eine Zeit: nicht n u r , daß fich die Dinge n e b e n e i n a n d e r ordnen in eine einzige lineare Extenfion, fondern verfchiedene Dinge bzw. V o r g ä n g e erfcheinen als gleichzeitig, fie haben nicht parallele gleiche Zeiten, fondern eine Zeit, numerifch eine. E s verhält fich hier nicht fo wie bei mehrfältiger Raumfülle, wo fich vifuelle und taktuelle Fülle decken. V i e l m e h r haben wir g e t r e n n t e , fich nicht deckende Ding· lichkeiten, die doch in der identifchen Zeitftrecke find und dauern. Dinggegebenheit vollzieht fich als ein P r o z e ß in der pbänomenologifchen Zeitlichkeit: der getarnte V e r l a u f von motivierenden Bewegungsempfindungen (K) und durch fie motivierten »Bildern« (b) ift zeitlich extendiert. Im Übergang von K 0 zu K, haben die dadurch motivierten Bilder ihren flbfluß b 0 — b , und ftehen mit den Κ in zeitlicher Deckung. Wie j e d e r erfüllte Zeitfluß, fo bat auch diefer feine Zeitgeftalt; und fie kann wechfelnde Zeitgeftalt fein, es kann der F l u ß der Κ und damit derjenige der b fcbneller oder langfamer e r f o l g e n , und dabei in verfchiedenfter Weife in gleicher oder ungleicher Gefchwindigkeit, je nachdem die Zeitfülle fich in d e r Zeitftrecke a u s b r e i t e t , mit g r ö ß e r e r oder g e r i n g e r e r »Dichte« die oder jene Partialftrecke füllt. E s kann f e r n e r dec Ablauf der Κ und damit der Bilderfolge fich umkehren, und wieder in wechfelnder Zeitgeftalt. Dem folgen die Zeitgeftalten des Gegebenheitsbewußtfeins. In gewiffer Weife ift all das für das erfcheinende und als gegeben daftehende Objekt i r r e l e v a n t , fowie aud> die g r ö ß e r e oder g e r i n g e r e Extenfion des kinäfthetifchen Bilder-Flbfluffes bzw. der größere oder geringere flbfluß der möglichen Erfcheinungen aus der ideellen Gefamtmannigfaltigkeit. Ich fage irrelevant, fofern ja immerfort dasfelbe, etwa inhaltlich unveränderte und ruhende Ding dafteht, i m m e r in derfelben Zeitgeftalt feine dingliche Inhaltsfülle ausbreitend, in überall gleichmäßiger Dichte. Und doch bat die Zeitlichkeit des Fluffes für die Objektivation etwas zu fagen: es erfcbeint ja ein Zeitliches, Zeitlichkeit gehört wefentlich zum erfcbeinenden Gegenftand und in unferem Fall Zeitlichkeit in F o r m der Dauer des unveränd e r t e n , ruhenden Dinges. Man wird nun fagen: es muß doch die Objektivation der Zeit ihren •darftellenden« Inhalt haben im Phä-
1091
Votleiungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
475
n o m e n , und worin fonft als in feiner pbänomenologifcben Zeitlid)» keit? Näher wird natürlich die Erfcheinung im engeren S i n n , die unter den jeweiligen motivierenden Umftänden ftebende Erfcheinung in F r a g e k o m m e n , und wie in ihr das Bild durch feine Örtlichkeit das objektive Örtliche darftellt, durch feine Quafi-Figur und QuafiGröße die objektive F i g u r und Größe und weiter durch feine QuafiF ä r b u n g die objektive F ä r b u n g , fo durch feine Zeitlichkeit die objektive Zeitlichkeit. Das Bild ift Bild im F l u ß der Bilderkontinuität; jeder Bildphafe in diefem F l u ß entfpricht die erfcheinende objektive Zeitphafe des D i n g e s , näher der in diefem Bild fich darftellenden Objektfeite; die präempitifche Zeitftelle des Bildes ift Darftellung der objektiven Zeitftelle, die präempirifcbe Zeitextenfion im Ablauf der Bilderkontinuität ift Darftellung der objektiven Zeitausbreitung des Dinges, alfo feiner D a u e r . Das alles ift evident. Näher befehen ift freilich diefe »Darftellung« der objektiven Zeit eine wefentlich andere als diejenige des in der objektiven Zeit feienden, in ihr dauernden Dinges als des in der Zeit identifchen und die Zeit in der Weife der D a u e r erfüllenden. Nehmen wir der Einfachheit halber eine Kontinuität gleicher, alfo gleich reicher Bilder, innerhalb der e n g e r e n S p h ä r e »deutlichften S e h e n s « , fo gebt ein intentionales S t r a b l e n b ü n d e l durch die in der Quafi-Zeitlicbkeit abfließenden Bilder fo hindurch, daß dadurch die Bilder in eindeutige Korrefpondenz gefetjt w e r d e n . Die auf demfelben intentionalen Strahl liegenden Punkte ftellen durch ihre Inhalte einen und den« felben Objektpunkt dar. Hier gebt alfo ein einbeitfetjendes B e w u ß t fein durch die präempirifch-zeitlicbe Kontinuität hindurch. E i n F l u ß von Inhalten, aufgereiht am intentionalen S t r a h l , ftellt Pbafe f ü r Pbafe denfelben Dingpunkt dar. J e d e r Bildpunkt bat auch feine präempirifche Zeitftelle. Durch die aufeinanderfolgenden Zeitftellen gebt aber nicht wieder ein fie zu identifcber Einheit objektivierendes Einbeitsbewußtfein: die in diefer Zeitftellenkontinuität fich ausbreitende P u n k t r e i b e der B i l d e r ftellt denfelben D i n g - P u n k t d a r , a b e r die Zeitftellenreibe nicht einen identifchen Zeitpunkt desfelben, fondern wieder eine Zeitreibe. Und der einzelne Bildpunkt bat diefelbe Zeitftelle wie alle anderen koexiftenten Bildpunkte. Das ganze Bild bat eine Zeitftelle. J e d e s verfcbiedene eine verfcbiedene. J e d e verfchiedene Zeitftelle im präempirifchen Bildfluß ftellt eine verfcbiedene objektive Zeitftelle dar. Sonft erfchiene ja nicht ein Ding, das als folches feine Dauer b a t , eine erfüllte objektive Zeitreibe. Das fich im präempirifchen Zeitverlauf ausbreitende Einbeitsbewußtfein fetjt Einheit im Zeitverlauf d e r darftellenden B i l d e r , in-
476
Edmund Hufferl,
(110
d e m es jedes Bild eben zum darftellenden macht, in ihm Gegebenheit fetjt und mit jedem neuen Bild Gegebenheit »desfelben«. Das in jeder Phafe Gegebene ift a b e r gegeben und gefetjt als ein Jetjt mit dem und dem Inhalt, im Übergang zur nächften Phafe wird es in feinem Jetjt feftgehalten. S o wird die n e u e und jede neue Phafe mit ihrem J e t j t feftgehalten g e g e b e n , alfo im ftetigen Übergang w e r d e n die Phafen fo in Einheit gefetjt, daß jede Phafe in der Objektivation ihr J e t j t behält, und daß die R e i b e der Jetjtpunkte (als objektiver Zeitpunkte) erfüllt ift mit einem kontinuierlich einheitlichen und identifeben Inhalt. Wenn die Phafe a aktuell ift, hat fie den Charakter des aktuellen Jetjt. fiber im Zeitfluß fchließt fieb Phafe an Phafe a n , und fowie wir die n e u e aktuelle Phafe haben, haben die e b e n »jetjt« gewefenen ihren Charakter als aktuelle geändert. In diefem Fluß der V e r ä n d e r u n g e n wird die zeitliche Objektivation vollzogen, fofern im F l u ß der pbänomenologifchen Verä n d e r u n g , die das a im Zurückfinken e r f ä h r t , kontinuierlich Setjung des identifchen a mit dem beftimmten Zeitpunkt erfolgt. Im objektivierenden Bewußtfein erfebeint der ablaufende F l u ß der Bilder als ein Veränderungsfluß von finnlichen Inhalten, wenn eben jedes Bild mit feinem Jet)t fo objektiviert w u r d e , wie es in fich ift: die Einheit diefer Mannigfaltigkeit w ä r e die in ihr »liegende«, aus ihr zu entnehmende Einheit. In der Dingobjektivation wird a b e r der Bildinhalt im S i n n e der kinäftbetifchen Motivationseinheit fo und fo tranfzendent aufgefaßt. E r wird alfo nicht einfach hingenommen, wie er ift, fondern als Darftellung, als T r ä g e r eines fo und fo charakterifierten, fich i m m e r f o r t in der Weife der reinen Deckung erfüllenden, intentionalen Bündels. Diefe Intentionalität gebt durch die Bildinbalte hindurch, während jedes J e t j t m o m e n t , das z u m jeweiligen Bild gehört, diefelbe Zeitpunkt-Objektivation e r f ä h r t , die es auch ohne die Dingobjektivation erfahren würde. E s konftituiert fich alfo eine objektive Zeitreibe überall in derfelben Weife, fiber die Erfcheinungsr e i h e , in deren Fluß fich objektive Zeitlichkeit konftituiert, ift ihrer Materie nach eine verfchiedene, je nachdem fich dingliche Zeitlichkeit oder nicht-dingliche konftituiert, ζ. B . je nachdem fich objektive Zeit in der D a u e r oder V e r ä n d e r u n g eines immanenten T o n e s oder eines Dinges konftituiert. Beide Erfcheinungsreihen haben ein Gemeinfames, eine gemeinfame F o r m , die den Charakter der Zeitobjektivation als folcher ausmacht, fiber die Erfcheinungen find einmal Erfcheinungen von I m m a n e n t e m , das anderemal von Dinglichem. S o wird die Identität des T o n e s im F l u ß der Tonphafen, deren jede
Ill]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
477
ihre zeitliche Individuation bat, Einheit in der Phafenkontinuität ift, Identität des in allen Phafen feienden und fomit dauernden Tones, fo ift die Identität des Dinges im Fluß der Erfcheinungen Identität des in allen Erfcheinungen in der Weife der Selbft- und Je^t· Gegebenheit erfcheinenden und in immer neuem Jetjt erfcheinenden und fomit dauernden Dinges. Dabei ift zu betonen, daß in der tranfzendenten Wahrnehmung die Phafen der früheren Erfd>einung nicht n u r retentional erhalten bleiben, wie dies bei jeder Erfcheinungsfolge ftatthat oder wenigftens innerhalb gewiffer Grenzen ftatthat; die jeweils im Jetjtpunkt aktuelle Wahrnehmungserfcheinung ichließt nicht mit dem, was fie zur aktuellen Gegebenheit bringt, die durch die Wahrnehmung als jetjt gefegte Realität ab. Es ift nicht fo, daß die vorangegangenen Erfcheinungen als in Retention fortlebende bloß aufbewahrt werden als Erfcheinungen von Gewefenem. Das (primäre) Erinnerungsbewußtfein der früheren Phafen ift allerdings Erinnerungsbewußtfein, aber hinfichtlich der früheren Wahrnehmung. Was f r ü h e r wahrgenommen w a r , ift jetjt nicht n u r gegenwärtig als früher Wahrgenommenes, fondern es ift ins Jetjt hinübergenommen, es ift gefegt als jetjt noch feiend. His jetjt gefetjt ift nicht nur das foeben eigentlich Wahrgenommene, fondern zugleich auch das vorhin gegeben Gewefene. Während des Fluffes eigentlicher Wahrnehmung ift nicht nur das eigentlich Qefehene als dauerndes Sein im Ruß feiner Erfcheinungen gefetzt, fondern auch das gefehen Qewefene. Und ebenfo hinfichtlich der Zukunft. Als jeijt geletjt ift auch das in der Erwartung der weite» ren Phafen eigentlicher Wahrnehmung Wabrgenommen-fein· werdende, es ift jetzt und es dauert und erfüllt diefelbe Zeit. Eben das felbe gilt für alles U n gefehene, aber Sichtbare: d. h. alles, was bei möglichem flbfluß der Κ als zugehörig wahrgenommen werden könnte. Es vollzieht fidi hier n u r eine Erweiterung der Zeitobjektivierung, die wir in Befchränkung auf immerfort Qefehenes und während des Sehens fich immer wieder anders Darftellendes befprochen haben. Alles Gefehene kann auch ungefehen fein, bleibt aber doch fichtbar. Jeder Wahrnehmungsfluß läßt feinem Wefen nach eine Erweiterung zu, die fchließlich das Wahrgenommene in ein Nichtwabrgenommenes verwandelt. Wie aber die Zeitfetjung, indem fie das Sehding, das da »vollftändig« erfcheint, im Wedifel feiner vollftändigen Erfcheinungen identifiziert, jede Zeitftelle der Erfcheinungsphafen mit objektiviert und ihr die Bedeutung einer objektiven Zeitftelle gibt, fo daß alfo ein objektiv Dauerndes fich in der Erfcheinungsferie auseinanderlegt: fo vollzieht fich auch, und in ähn-
478
Edmund Hufferl,
1112
lieber Wcifc, Zeitfetjung hinficbtlidi der GefamtertAeinungen, die ein u n d diefelbe Objektivität in unvollftändiger u n d immer wieder unvollftändiger Weife zur Darfteilung bringen.
Beilage XI. Hdäquate
und inadäquate
Wahrnehmung1).
Die adäquate W a h r n e h m u n g als rein i m m a n e n t e und adäquate Gegebenheit eines Gegenftandes kann in doppeltem Sinne gefaßt werden, d e r e n einer nahe Hnalogie mit der äußeren W a h r n e h m u n g bat, der a n d e r e nicht. Im i m m a n e n t e n Hören eines Tones kann ich eine doppelte fluffaffungsriebtung e i n n e h m e n : einmal auf das E m p f u n d e n e im Zeitfluß, und das a n d e r e Mal auf das in diefem Fluffe fieb Konftituierende u n d doch Immanente. 1. Der Ton mag nach Qualität oder Intenfität febwanken oder aber mag m i t als d a u e r n d in völlig u n v e r ä n d e r t e r innerer Beftimmt» beit dafteben, jedenfalls finde ich einen Fluß vor, und n u r in diefem Fluß kann mir foleb eine individuelle Gegenftändlicbkeit gegeben fein. Der Ton beginnt als tonales Jetjt, und ftetig fcbließt fieb d a r a n un ein immer neues d jedes Je^t bat feinen Inhalt, auf den ich, wie e r ift, meinen Blick richten kann. So kann ich im S t r o m e diefes Fluffes febwimmen, ihm mit meinem febauenden Blick nach« gehen; ich k a n n auch auf den jeweiligen Inhalt nicht allein, fondern auf die ganze Extenfion, die hier Fluß beißt, achten, mitfamt ihrer k o n k r e t e n Fülle oder in flbftraktion von diefer. Dieter Fluß ift nicht der Fluß der objektiven Zeit, die ich mit Uhr und Cbronofkop beftimme, nicht der Weltzeit, die ich in Relation z u r E r d e und Sonne fixiere. Denn die verfällt der phänomenologifeben Reduktion. Vielmehr n e n n e n wir diefen Fluß die präempirifebe oder pbänomenologifche Zeit. Sie bietet die urfprünglicben Repräfentanten f ü r die Repräfentation der objektiv-zeitlichen Prädikate, in analogifeber Rede: die Zeitempfindungen. Bei der befebriebenen Wahrnehmung achten wir alio auf den jeweiligen Zeitinbalt in feiner zeitlichen Extenfion u n d in der gegebenen Art feiner Ausfüllung diefer Extenfion, oder auf den Zeitinbalt in abstracto oder die Zeitextenfion in abstracto: jedenfalls auf das reell Gegebene, reell der Wahrnehmung als ein Moment Einwohnende. Das ift das eine. 2. flndererfeits aber: wenn der Ton, tagen wir der Ton c, d a u e r t , fo kann untere w a h r n e h m e n d e Meinung gerichtet fein auf den Ton c, der da dauert, d. i. auf den Gegenftand Ton c, der im Zeit1) Zu § 44 S. 44e> ff.
113l
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
479
fluß d e r eine und felbe Gegenftand ift, i m m e r derfelbe in allen Pbafen des Fluffes. Und wieder, wenn der Ton fich etwa nach Seiten der Intenfität ändert oder felbft in feiner Qualität ändert, etwa febwankt, fo liegt fchon in diefem Reden eine W a b r n e b m u n g s riebtung ausgeprägt, die ein I d e n t i f i e s im Huge bat, das fieb verändert, das dasfelbe bleibt, während feine Qualität und Intenfität fich ändert. Das ift alfo ein a n d e r e r Gegenftand als vorbin. D o r t w a r es der Zeitfluß des T ö n e n s , hier ift es das Identifcbe im Fluß der Zeit. D e r Zeitfluß des T ö n e n s ift Zeit, ausgefüllte k o n k r e t e Zeit, a b e r diefer F l u ß bat keine Zeit, ift nicht in der Zeit. D e r T o n a b e r ift in d e r Zeit, er dauert, er verändert fich. E t ift als Identifches imWecbfel »fubftanziell« eins. Aber wie die Zeit präempiriiehe, pbänomenologifebe Zeit ift, fo ift die S u b f t a n z , von der hier die Rede ift, präempirifebe, präpbänomenale Subftanz. Diefe Subftanz ift das Identifcbe, d e r »Träger« dss Wecbfelnden oder V e r h a r r e n d e n , etwa der v e r h a r r e n d e n Qualität und der wecbfelnden Intenfität oder der ftetig fich v e r ä n d e r n d e n Qualität und abrupt fieb ändernden Intenfität ufw. B e i der Rede von »Subftanz« richtet fich der Blick auf das Identifcbe g e g e n ü b e r dem von Pbafe zu Pbafe des Zeitfluffes wecbfelnden, bald gleichen, bald verfebiedenen Zeitinhalt. E s ift ein Identifcbes, das alle Zeitpbafen des Fluffes durch Einheit des gemeinfamen Wefens einigt, alfo des gattungsmäßig Gemeinfamen, das a b e r nicht in einer Wefensabftraktion generell berausgeftellt und für fieb g e n o m m e n ift. Das Identifcbe ift das im Fluffe kontinuierlich gemeinfam fleh erhaltende Wefen in feinet Individuation. Im Schauen der Subftanz wird nicht flbftraktion von dem Fluß der im Schauen gegebenen Inhalte g e ü b t und der Blick auf das Generelle gerichtet, fondern der F l u ß der Zeitfülle wird im Huge behalten und aus ihm das Identifcbe, das in ihm ift, an ihn gebunden bleibt, berausgefchaut. Die Subftanz ift das Identifcbe des vollen, konkreten Fluffes. Heben wir abftrabierend ein unfelbftändiges Moment heraus wie ζ. B. die Tonintenfität, fo findet auch hier eine Identifizierung derfelben Hrt ftatt, wir fagen, die Intenfität v e r h a r r t oder verändert fieb. Diefe Identitäten find pbänomenologifebe Hkzidenzien. Der Ton, das pbänomenologifebe »Ding», bat verfchiedene »Eigenfcbaften«, und jede ift wieder ein Identifcbes im V e r h a r r e n und Siebverändern; es ilt fozufagen ein unfelbftändiger S t r a h l der fubftanziellen Einheit, eine S e i t e der Subftanz, ein unielbft.indiges Moment i h r e r Einheit, a b e r felbft ein im leiben Sinne Einheitliches. Subftanz und Akzidenz in diefem präempirifeben Sinne find phänomenologifche
480
Edmund Hufferl,
[114
Gegebenheiten: fie find Gegebenheiten in möglichen Wahrnehmungen und zwar adäquaten Wahrnehmungen. Diefe Wahrnehmungen find, fo fagte ich, verwandt mit den äußeren Wahrnehmungen. In der Tat, äußere Wahrnehmungen find ebenfalls Wahrnehmungen von Dingen oder Akzidenzien von Dingen, und der Charakter dieter Wahrnehmungen ift ein analoger wie der Charakter der Wahrnehmungen von immanent phänomenologifcher Subftanz 1 )· Wenn wir ein Haus wahrnehmen, fo hat diefer Gegenftand, und das gehört zu feinem Wefen (alfo zum Wefen des Sinnes der Wahrnehmung), feine Zeitausbreitung, erfcheint als unverändert fortdauernd, als Identifcbes in diefer Dauer, als in der Zeitextenfion verharrend. Nehmen wir ein Sichveränderndes in der äußeren Wahrnehmung, einen Vogel im Flug oder eine Flamme, ihre Lichtintenfität ändernd, fo gilt dasfelbe. Das äußere Ding hat feine phänomenale Zeit und erfcheint als das Identifche diefer Zeit und zwar als das Identifche der Bewegung und der Veränderung. Aber freilich find alle diefe Wahrnehmungen inadäquat, die Zeit mit ihrer Fülle ift nicht adäquat gegeben, ift nicht aufweisbar als Empfindung. Und ebenfo ift die Identität des Dinges und der Eigenfchaften nicht adäquat zu realifieren, nicht fo wie die Identität des Tones in feinem Tönen, im Fluß des Abklingens und Wiederanfchwellens und dgl. Es ift aber evident, daß im Grunde diefelbe Identifizierung oder Subftanzialifierung, die in der Immanenz adäquat gegeben oder vollzogen ift, in der äußeren Wahrnehmung als eine inadäquate vorliegt, fich vollziehend auf Grund tranfzendenter Apperzeptionen. Es ift auch klar, daß jede Analyfe des Sinnes von Ding und Eigenfcbaft, von Subftanz und Akzidenz, zuerft auf das immanentphänomenologifche Gebiet zurückgeben und hier das Wefen von phänomenologifcher Subftanz und phänomenologifchem Akzidenz herausftellen muß. Genau fo wie jede Aufklärung des Wefens der Zeit zurückführt auf die präempirifdbe Zeit. Wir haben fomit wichtige Typen von adäquater und inadäquater Wahrnehmung kennen gelernt. Mit Beziehung auf die Termini »innere« und »äußere« Wahrnehmung ift jetjt erfichtlich, daß fie gewiffe Bedenken erregen. Es ift nämlich nach dem Ausgeführten zu beachten, daß der Titel »innere Wahrnehmung« doppeldeutig ift. Er betagt beiderfeits wefentlich Verfchiedenes, nämlich einmal Wahrnehmung eines der Wahrnehmung immanenten Beftandftückes, das 1) Subftanz natürlich dann nicht verftanden als reale Subftanz, Träger realer Eigenfdiaften, fondern bloß als das identifche Subftrat der Phantom· Wahrnehmung.
115l
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
4SI
anderemal eines immanenten Gefchauten, aber nicht eines Stückes. Vergleichen wir die beiden Typen adäquater Wahrnehmung, fo ift ihnen gemeinfam, daß Geh in ihnen adäquate Gegebenheit ihrer Gegenftände vollzieht; alle Uneigentlichkeit, alle tranfzendente Deutung ift ausgefchloifen. Aber nur in der einen Wahrnehmungsart ift das Gegenftändliche reelles Konftituens des Wahrnehmungsphäno> mens. Der Zeitfluß des Tönens ift mit allen feinen Komponenten im Wabrnebmungspbänomen da, macht es aus. Jede Pbafe, jedes Beftandftüd< diefes Fluffes ift ein Stück des Phänomens. Dagegen ift das Identifche im Zeitfluß, die phänomenologifche Subftanz und ihre Eigenfchaften, das was verharrt oder fleh verändert, zwar ein in der zweiten Wahrnehmungsart adäquat zu Erfchauendes, aber nicht in ihr als reelles Moment oder Stück zu bezeichnen.
B e i l a g e XII. Das
innere
B e w u ß t f e i n und die E r l e b n i f f e n l ).
Erfaffung
von
Jeder Akt ift Bewußtfein von etwas, aber jeder Hkt ift auch bewußt. Jedes Erlebnis ift »empfunden«, ift immanent »wahrgenommen« (inneres Bewußtfein), wenn auch natürlich nicht gefetjt, gemeint (wahrnehmen beißt hier nicht meinend zugewendet fein und erfaffen). Jeder Akt kann reproduziert werden, zu jedem »inneren« Bewußtfein vom Hkt als einem Wahrnehmen gehört ein mögliches reproduktives Bewußtfein, eine mögliche Wiedererinnerung ζ. B. Freilich febeint das auf einen unendlichen Regreß zurückzuführen. Denn ift nun nicht wieder das innere Bewußtfein, das Wahrnehmen vom Akt (vom Urteilen, vom äußeren Wahrnehmen, vom Siebfreuen ufw.) ein Fikt und daher felbft wieder innerlich wahrgenommen ufw.? Dagegen ift zu tagen: jedes »Erlebnis« im prägnanten Sinn ift innerlich wahrgenommen. Aber das innere Wahrnehmen ift nicht im felben Sinn ein »Erlebnis«. Es ift nicht felbft wieder innerlich wahrgenommen. Jedes Erlebnis, das der Blick treffen kann, gibt fid) als ein dauerndes, dahinfließendes, fieb fo und fo veränderndes. Und das macht nicht der meinende Blick, er blickt nur darauf hin. Diefes gegenwärtige, jetzige, dauernde Erlebnis ift febon, wie wir durch Blickänderung finden können, eine »Einheit des inneren 1) Zu § 44, S. 446 ff.
482
Edmund Hufferl,
[116
Bewußtfeins», des Zeitbewußtfeins, und das ift eben ein Wabrnebmungsbewußtfein. »Wahrnehmen«, das ift hier nichts anderes als das zeitkonftituierende Bewußtfein mit feinen Phafen der fließenden Retentionen und Protentionen. Hinter diefem W a h r n e h m e n fteht nicht w i e d e r ein Wahrnehmen, als ob diefer F l u ß felbft wieder eine Einheit in einem Fluffe w ä r e . Was w i r E r l e b n i s nennen, was w i r Akt des Urteils, d e r F r e u d e , der ä u ß e r e n Wahrnehmung nennen, auch Akt des Hinfebens auf einen Akt (was eine fegende Meinung ift) - das alles find Einheiten des Zeitbewußtfeins, find alfo Wahrg e n o m m e n b e i t e n . Und j e d e r folcben Einheit entfpricbt eine Modifikation. G e n a u e r : der originären Zeitkonftitution, dem Wahrnehmen, entfpricbt ein Reproduzieren, und dem W a h r g e n o m m e n e n ein V e r gegenwärtigtes. Wir fetjen alio jet)t nebeneinander den originären Akt und feine Vergegenwärtigung. Die Sachlage ift dann folgende: Α fei irgend ein A k t , d e r im inneren Bewußtfein b e w u ß t ift (ficb in ihm konf l u i e r t bat). Dann haben wir, wenn W; das innere Bewußtfein ift, W j ( A ) . V o n Α haben w i r eine V e r g e g e n w ä r t i g u n g V j ( A ) ; diefe ift a b e r w i e d e r u m ein innerlich B e w u ß t e s , alfo gibt es Wj/V,(A)/. Innerbalb des inneren Bewußtfeins und all feiner »Erlebniffe« haben w i r demnach zwei einander entfprecbende Arten von Vorkommniffen Α und V j ( A ) . Die ganze Phänomenologie, die ich in den Log. Unt. im Auge hatte, w a r Phänomenologie der Erlebniffe im Sinn der Gegebenheiten des i n n e r e n Bewußtfeins, und das ift jedenfalls ein gefchloffenes Gebiet. Das Α kann nun Verfchiedenes fein, ζ. B . ein finnlicber Inhalt, etwa empfundenes Rot. Empfindung ift hier nichts anderes als das i n n e r e Bewußtfein des Empfindungsinbaltes. Empfindung Rot (als Empfinden von Rot) ift alfo W j ( r o t ) , und Phantasma von Rot ift V j i r o t ) , das a b e r fein Bewußtfeinsdafein b a t : VJjV^vot)]. S o verfteht es iich, w a r u m ich in den Log. Unt. Empfinden und Empfindungsinbalt identifizieren konnte. B e w e g t e ich mich im Rahmen des inneren Bewußtfeins, fo gab es dort natürlich kein Empfinden, fondern n u r Empfundenes. E s war dann auch k o r r e k t , Akte (intentionale Erlebniffe des inneren Bewußtfeins) und Nicht-Akte einander gegenüberzuftellen. Die letjteren w a r e n eben die Gefamtbeit der »primären«, d e r finnlicben Inhalte. W a s dagegen die »Phantasmen« anlangt, fo w a r es natürlich falich (im R a h m e n des inneren Bewußtfeins) von ihnen zu tagen, daß fie »Erlebniffe« feien, denn Erlebnis bedeutete Gegebenheit des inneren Bewußtfeins, innerliche Wahr-
117]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
483
genommenheit. Wir haben dann zu fcbeiden die vergegenwärtigten Inhalte, die phantafierten Sinnesinbalte etwa, und die Vergegenwärtigungen derfelben, die Vj(s), und das find intentionale Erlebniffe, in den Rahmen des inneren Bewußtfeins gehörig. Betrachten wir nun den Fall, wo das Η eine »äußere« Wahrnehmung ift. Sie ift natürlich Einheit des inneren Bewußtfeins. Und im inneren Bewußtfein gibt es von ihr eine Vergegenwärtigung wie von jedem Erlebnis. Hlfo W a (g) als W i /W a (g)7 hat fein Vj/Wa(g)7. Nun gehört es zum Wefen der Wahrnehmung als folcher, daß ihr eine parallele Vergegenwärtigung entfpricht, nämlich ein Akt, der dasfelbe vergegenwärtigt, was die Wahrnehmung wahrnimmt. »Reproduktion« ift die Vergegenwärtigung des inneren Bewußtfeins, die im Gegenfat) fteht zum originären Hblauf, zur Impreffion. Die Vergegenwärtigung eines dinglichen Vorgangs darf dann nicht Reproduktion heißen. Das Naturereignis wird nicht noch einmal produziert, es wird erinnert, es fteht im Charakter des Vergegenwärtigten vor dem Bewußtfein. Betrachten wir nun das merkwürdige Verhältnis der beiden hier zu vergleichenden und offenbar in ficb voneinander verfchiedenen Vergegenwärtigungen. 1. Dem W a fteht gegenüber V;(W a ) oder, wie wir jet)t auch fchreiben können, R(W a ) (die innere Reproduktion der äußeren Wahrnehmung) ; 2. dem W a fteht gegenüber Va (die Vergegenwärtigung äußeren Gegenftandes a).
des
Es beftebt nun ein Wefensgefet), wonach R(W a ) = V a ift. Die Vergegenwärtigung eines Kaufes ζ. B. und die Reproduktion der Wahrnehmung diefes Haufes zeigen diefelben Phänomene. Ferner können wir jetjt tagen: das im fpezififchen Sinne »objektivierende« Meinen kann 1. den Charakter der »inneren Reflexion«, der »inneren Wahrnehmung« als fegender Meinung auf Grund des »innerlich Bewußten« haben. Das Meinen kann fich in das Bewußtfein hineinleben, kann das innere Bewußtfein als Subftrat nehmen, dann kommen der Möglichkeit nach alle im inneren Bewußtfein als folchem implicite vorhandenen Gegenftändlichkeiten zur Gegebenheit, fie werden zu »Gegenftänden«. In diefer Art werden zu Gegenftänden die Empfindungen, verftanden als die finnlichen Inhalte. Und andererfeits alle im inneren Bewußtfein als Einheiten konftituierten Akte, cogitationes, die intentionalen Erlebniffe des inneren Bewußtfeins.
484
Edmund Huffetl, 2. Im
inneren Bewußtfein
(118
haben w i r alio auch
»intentionale
E r l e b n i f f e « , als da find Wahrnehmungen, Urteile, Gefühle, Begehrungen
u. dgl.
Diefe
Statt iie in der Wahrnehmung
Einheiten
können
als Subftrate
fungieren.
»inneren R e f l e x i o n « , d . i . der meinenden inneren
zu fetjen und zu vergegenftändlichen, lebt ficb ein
Meinen in ihre Intentionalität ein, und fo »entnimmt« das Meinen ihnen die in ihnen implicite intendierten Gegenftände und macht iie zu intendierten im prägnanten Sinn der objektivierenden Setjung. Dabei kann der A k t , der als Subftrat fungiert, ein leer vergegenwärtigender fein.
Es kann natürlich die Erinnerung an eine Freude,
an einen Wunfeh ufw. auftauchen, und fleh das Meinen richten auf das erfreulich Gewefene, E r w ü n f A t e als iolcbes, ohne daß lebendige Vorftellung dabei waltet. Es ift alio zu fcheiden: das präphänomenale Sein der Erlebniffe, ihr Sein v o r der reflektiven Zuwendung Phänomen.
auf iie und ihr Sein als
Durch die aufmerkende Zuwendung und Erfaffung be-
kommt das Erlebnis eine neue Seinsweife, es w i r d zum »unterfchiedenen«, »herausgehobenen«, und diefes Unterfcheiden ift eben nichts anderes als das Erfaffen und Unterfchiedenheit nichts anderes als Erfaßtfein, Gegenftand der Zuwendung fein.
Nun ift aber die Sache
nicht fo zu denken, als ob der Unterfchied bloß darin beftände, daß dasfelbe Erlebnis eben einmal mit Zuwendung, einem neuen Erlebnis, dem des Sicb-darauf-bin-Richtens, verbunden fei, alfo eine bloße Komplikation ftatthabe. wenn
Zuwendung
Sicherlich unterfcheiden wir
ftatthat, zwifchen
Gegenftand
der
evident,
Zuwendung
( d e m Erlebnis Fl) und der Zuwendung felbft. Und ficherlich fpreeben w i r mit Grund davon, daß w i r vorher anderem zugewendet waren, dann die Zuwendung zu Η vollzogen und daß Η fchon vor der Zuwendung
»da w a r « .
Es ift aber fürs erfte zu beachten, daß die
Rede von demfelben Erlebnis fehr vieldeutig und keineswegs aus ihr ohne weiteres zu entnehmen ift ( w o fie berechtigte Anwendung findet),
daß
ficb phänomenologifch
in der
Weife
des Wie
diefes
» f e l b e n « für das Erleben nichts geändert habe. Überlegen w i r näher: auch die Zuwendung, die, wie w i r fagen, einmal
dahin, das andere Mal dorthin gebt, ift etwas, das durch
neue Zuwendung
erfaßt und
fo urfprünglich
gegenftändlich
wird
(in urfprünglicher Kenntnisnahme von ihm); fomit ift auch das InBeziehung·Setjen von Zuwendungsgegenftand und Zuwendung und das urfprüngliche Kenntnisnehmen von diefer Beziehung ein neues Phänomen, zu
ebenfo wie
das In« Beziehung -Setjen der
Zuwendung
dem Gegenftand vor der Zuwendung mit der Kenntnisnahme,
119]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfcins.
485
daß die Zuwendung zu dem zuwendungsfreien Gegenftand hinzutritt. Wir veriteben ohne weiteres, was es heißt, einem Gegenftande zugewendet fein - etwa diefem Papier und fpeziell einer Ecke des Papiers, die befonders hervorgehoben ift. Etwas total anderes als das Speziell-beachtete und NicbtbeaAtete am Objekt ift diefer Unterfchied auf »fubjektiver Seite«, das Huf merken felbft in feinen Schritten. Der Gegenftand ift gegeben in einem attentionalen Modus, und auf den WeAfel diefer Modi können wir eventuell felbft wieder die Hufmerkfamkeit richten: eben auf das, was wir jetyt befchrieben haben, daß vom Gegenftand bald dies, .bald jenes in befonderer Weife gegenftändlich ift und daß, was nun bevorzugt ift, vorher fchon unbevorzugt da war, daß jedes Bevorzugte einen Hintergrund hat, eine Umgebung in jenem gegenftändlichen Gefamtrahmen ufw. Zum Wefen diefes Gegenftandes gehört es, daß er ein Unfelbftändiges ift, daß er nicht fein kann ohne »feine« Darftellungsweife, d. i. ohne die ideale Möglichkeit, diefe zum Gegenftand zu machen und wieder von diefer zu ihm überzugeben; und zum Wefen des »einen und felben« Gegenftandes, den ich in einer Reibe bewußt habe, gehört es, daß der Blick eben auf diefe Reihe von Darftellungsweifen zu richten ift ufw. Diefe Reflexionen vollziehen ficb in der Einheit eines Zeitbewußtfeins, das neu Erfaßte war - fo beißt es — fchon da, gehört zu dem früher Erfaßten als Hintergrund ufw. Jede »Wandlung der Hufmerkfamkeit« betagt eine Kontinuität von Intentionen, und andererfeits liegt in diefer Kontinuität erfaßbar eine Einheit, eine konftituierte Einheit: die Einheit desfelben, das ficb n u r in verfchiedenen attentionalen Wandlungen darftellt und von dem verfcbiedene Momente, Teile jeweils »aufgemerkt«, »im Lichte ftebend« find. Was ift nun Hufmerkfamkeit anderes als der Hblauf von Unterfcbieden folcher Modi des »Bewußtfeins als folcben« und der Um· ftand, daß folche Wabrgenommenbeiten in eins zufammengeben, in der Form »dasfelbe« und, das einmal diefen, das andere Mal jenen attentionalen Modus bat? Was beißt es nun, auf das Moment »Zuwendung auf* reflektieren? Einmal laufen die attentionalen Modi »naiv« ab: ich bin in ihrem Hblauf dem in ihnen erfcheinenden Gegenftand zugewendet; das andere Mal ift ein vergegenftändlicbender Blick auf die Reibe der Modi felbft gerichtet, ich kann fie in der Erinnerung wiederholt durchlaufen, und diefe Reibe bat als folche ihre Einheit.
486
Edmund Huffed,
[l 20
Beilage XIII. K o n f t i t u t i o n t p o n t a n e r E i n h e i t e n als immanenter Z e i t o b j e k t e . - Urteil als Z e i t g e f t a l t und abfolutes zeitkonitituierendes Bewußtfein1). Haben wir ein Urteil (ζ. B . 2 X 2 = 4), ίο ift das Gemeinte als (olcfoes eine u n z e i t l i c h e I d e e ; es kann in unzähligen Urteilsakten dasfelbe gemeint fein in abfolut identifchem Sinne, und diefes Selbe kann wahr und falfd) fein. Nehmen wir diefe als den »Satj«, und betrachten wir das »Urteil« als Korrelat des Satzes, fllfo, wird man fagen, den Urteilsakt? Das Bewußtfein, in dem eben gemeint ift, daß 2 X 2 = 4 ift? Nein. Überlegen w i r : anftatt dem Vermeinten als folchem zugewendet zu fein, richte ich meinen Blick auf das Urteilen, auf den Prozeß, in dem mir zur Gegebenheit kommt, daß 2 X 2 = 4 ift. Es geht ein Prozeß vonftatten, ich fange an mit dem Bilden des Subjektgedankens 2 X 2 und bringe diefe Bildung zu E n d e , und das dient als Grundlegung für die Darauffe^ung »ift gleich 4 · . fllfo ein fpontanes Bilden, das anfängt, fortgeht und endet. Was ich da bilde, ift aber nicht der logifche Satj: der ift das hierbei Gemeinte. Das »Gebildete« ift nicht das Gemeinte, fondern in der Spontaneität gebildet ift zunächft das » 2 X 2 « und darauf dann das » 2 X 2 = 4«. E s hat fleh fpontan vollendet (im fpontanen Bilden gebildet) das »Bewußtfein« von 2 X 2 und fcbließlich das Bewußtfein von 2 X 2 = 4. Ift diefes Gebilde fertig, fo ift es als Vorgang auch fchon vorüber, es flnkt alsbald in die Vergangenheit zurück. Dabei ift das Gebilde offenbar nicht der Bildungsprozeß (fonft wäre ja die Gleichnisrede vom Bilden falfd) angewendet), fluf das ftetig fortfchreitende Bewußtfein und auf die Einheit des fortfdireitenden Prozeffes kann ich auch achten (ebenfo wie ich beim Wahrnehmen einer Melodie auf das ftetige Bewußtfein, auf den ftetigen Ablauf der »Phänomene«, nicht der Töne felbft, achten kann). Aber diefer Prozeß ift nicht das an feinem Ende fertige Phänomen, in dem eben gemeint ift » 2 X 2 — 4«. Ebenfo ift ja der die Erfcheinung einer Handbewegung konftituierende Bewußtfeinsprozeß nicht die Erfcheinung felbft, in der die Handbewegung erfcheint. Der Erfcheinung entfpricht in unterem Falle die Meinung, es fei 2 X 2 = 4, die explizite »Prädikation«, in der fozufagen das »es ift fo« erfcheint. In die Einheit der Handbewegungserfdieinung gehören nicht die Phafen des Bewußtfeinsprozeffes, fondern die in ihnen fich konfti1) Zu § 45, S. 448 ff.
1211
Vorletungen zur Phänomenologie dee inneren Zeitbewußtfeins.
487
tuierenden Erfcbeinungspbafen. S o konftituieren fich auch im P r o z e ß des Urteilsbewußtfeins (im »Fluß« desfclben) die Beftandftüdte d e r Prädikation, das Subjektglied, das Prädikatglied u. dergl. Und das Subjektglied des Urteils als d e r einheitlichen Urteilsmeinung g e h ö r t , nachdem es fich konftituiert b a t , mit z u r Urteilsmeinung, obfchon das Bewußtfein von ihm [ich ftetig w e i t e r modifiziert ( g e n a u Co w i e zur Erfcheinung einer B e w e g u n g die i m m e r f o r t im Modus des Zurückfinkens befindliche Erfcheinung der flnfangspbafe g e h ö r t , nicht a b e r die Bewußtfeinsgeftaltungen, in denen fie im Zurückfinken fich konftituiert als beftändige Phafe der B e w e g u n g ) . Man wird alfo fagen müffen, es fei zweierlei zu unterfcheiden: 1. der Bewußtfeinsfluß, 2. das in ihm fich K o n f l u i e r e n d e , und auf der zweiten S e i t e w i e d e r u m : a) das Urteil als die fich konftituierende »Erfcheinung« o d e r Meinung von 2 X 2 = 4, die ein W e r d e n s p r o z e ß ift, und b ) das, w a s da wird, das Urteil, das am E n d e als Gebildetes, G e w o r d e n e s fteht: die f e r t i g e Prädikation. Das Urteil ift b i e t alfo eine i m m a n e n t e Vorgangseinbeit in der immanenten Zeit, ein P r o z e ß (nicht ein F l u ß des Bewußtfeins, fondern ein Vorgang, der fich im Bewußtfeinsfluß konftituiert), der anfängt und endet und mit d e m E n d e auch v o r ü b e r ift, fo wie die B e w e g u n g v o r ü b e r ift in d e m M o m e n t , w o fie fich vollendet bat. Allerdings, w ä h t e n d bei e i n e r Erfcheinung finnlicb w a h r g e n o m m e n e n Werdens es i m m e r d e n k b a r ift, daß das W e r d e n in b e h a r r e n d e s S e i n ü b e r g e b t oder die B e w e g u n g in e i n e r beliebigen Phafe in Ruhe, ift hier Ruhe überhaupt undenkbar. Damit find a b e r noch nicht alle Unterfcheidungen erfchöpft. Mit jedem flktus der Spontaneität tritt etwas Neues a u f , e r fungiert fozufagen in jedem Moment feines Fluffes als Urempfindung, die ihre flbfchattung e r f ä h r t nach dem Grundgefe$ des Bewußtfeins. Die in Schritten zu W e r k e gebende Spontaneität im Bewußtfeinsfluß konftituiert ein zeitliches Objekt und z w a r ein W e r d e n s o b j e k t , einen V o r g a n g : prinzipiell n u r einen V o r g a n g und kein dauerndes Objekt. Und diefer V o r g a n g finkt in die V e r g a n g e n h e i t zurück. Man muß dabei folgendes ü b e r l e g e n : fange ich an mit einer D i e s fetjung, fo ift die fpontane Zufaffung und Erfaffung ein Moment, der in der immanenten Zeit als Moment daftebt, um alsbald berabzufinken. Daran knüpft fich a b e r für die Bildung der ganzen Einheit des Urteilsprozeffes in d e r immanenten Zeit eine Feftbaltung,
488
[122
Edmund Hufferl,
kontinuierlich geht die Urfetjung des Dies (das »Einfehnappen·, w i e Lipps fagt) in das fefthaltende Dies-bewußtfein
über, und diefes
Fefthalten ift nicht da6 Erhalten der Urfetjung, die ja ihre immanente zeitliche Modifikation erfährt, fondern eine mit diefem Bewußtfein verflochtene F o r m ; und dabei ift das Merkwürdige,
daß
in diefem ftetigen Phänomen fieb nicht bloß konftituiert das Herabfinken der flnfatjpbafe, fondern das kontinuierlich iich forterhaltende, fortfetjende Dies-bewußtfein konftituiert das Dies als ein dauernd Gefegtes.
Das befagt, daß Einfetjen und Fortfetjen eine Kontinuität
der Spontaneität ausmachen, die wefentlich gründet in einem Prozeß des zeitlichen Herabfinkens,
das
die
flnfatjphafe
und die
darauf-
folgenden Forterhaltungsphafen in dem zeitlichen Ablauf berunterfinken läßt und damit auch berunterfinken läßt, was fie als unterliegende Vorftellungen (Anfchauungen, Leervorftellungen) und Vorftellungsmodifikationen mit iich führen.
Der Akt fetjt ein, gebt aber
in verändertem Modus als Akt (als Spontaneität) weiter, und dann fetjt ein neuer, diefen ganzen fpontanen Ablauf fortlegender
Akt
ein, etwa der
die
der Prädikat-fetjung.
Das
Refultat ift, wenn
Bildung nicht weiter fchreitet, nicht die neue, in ihrer Weife urquellende Spontaneität der Prädikatfetjung, vielmehr ift diefe Setjung auf einem Grunde: in derfelben immanenten Zeitpbafe, in der fie auftritt, ift ja in Form einer feftbaltenden Spontaneität und in der modifizierten F o r m , die lie gegenüber der urquellenden Subjektfetjung hat, Setjung des Subjektes wirklich vollzogen, und auf diefe gebaut ift die originäre Prädikatfetjung, mit ihr bildet fie eine Einheit, die Einheit des gefamten Urteils: als feiende Phafe des zeitlichen Prozeffes, als ein zeitliches Moment, in dem das Urteil aktuell » f e r t i g « ift. auf
Dieter Moment iinkt herab, aber ich höre nicht fofort
zu urteilen, d. b. eine Strecke
der
urteilenden
Fefthaltung
fchließt iich ftetig, hier w i e fonft, an das letjte vollendende Vollzugsmoment an, und damit gewinnt das Urteil als zeitlich fo und fo geftaltetes eine weitere Strecke.
Evtl. knüpfe ich daran wieder
neue höhere Urteilsbildungen, baue fie darauf ufw. Das Urteil ift fomit als immanentes Objekt im inneren Zeitbewußtfein eine Einheit eines Prozeffes, eine ftetige Einheit beftändiger »Setjung« (natürlich Urteilsfetjung), in welcher zwei oder mehrere Vollzugsmomente,
urfetjende Momente
auftreten.
Dieter
Prozeß
läuft aus in einer Strecke ohne folche Momente, in einer Strecke, die
in
»zuftändlicher« Weife
Bewußtfein
von ihm ift; Glaube an
das, was in »urfprünglicher« Weife durch die zum
Bewußtfein
gekommen
ift.
Urteil
Vollzugsaktmomente
(Prädikation)
ift nur
in
123]
Vorlefungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtfeins.
489
folcbem Prozeß möglich, darin liegt fchon, daß Retention notwendig ift für die Möglichkeit des Urteils. Scharf fcheidet fich die Art, wie eine fpontane Einheit, wie ein prädikatives Urteil fich als immanentes Zeitobjekt konftituiert, gegenüber der Art der Konftitution eines finnlicher Prozeffes, eines ftetigen Nacheinander. Nämlidi dadurch, daß im letzteren Fall das »Urfprünglidie«, das der Urquellpunkt des immer neu erfüllten Zeitmomentes ift, entweder eine fchlichte Urempfindungspbafe ift (fein Korrelat der primäre Inhalt im Jetjt) oder eine ebenfolche, geformt durch eine Auffaffung als Urerfcheinungsphafe. Das Urfprüngliche im Falle des Urteils ift aber Spontaneität der Setjung, die zugrunde liegen hat irgend ein Material der Affektion. Der Bau ift alfo fchon in diefer Hinficht komplexer. Ferner tritt hier eine doppelte Urfprünglichkeit auf. Das für das Urteil als Zeitgeftatt »urfprünglich« Konftituierende ift die Kontinuität der »Set)ung«, die in diefer Hinficht immerfort urfprünglich gebend ift. Im Zeitbewußtfein mit feinen Retentionen konftituieren fich dann die kontinuierlichen Urteilsmomente der Zeitpunkte des Urteils als der Zeitgeftalt. Aber wir haben zu unterfcheiden die Momente der eigentlich vollziehenden Setjung der leiftenden Spontaneität gegenüber den ftetigen Momenten der fefthaltenden, der das Geleiftete forterhaltenden Spontaneität. Das ift ein Unterfchied in der konftituierten Zeitgeftalt, in der die Quellpunkte ausgezeichnet find, und natürlich auch ein Unterfchied im konftituierenden Zeitbewußtfein, in welchem die originellen Pbafen in zwei Arten zerfallen: in fchöpferifche und in zuftändliche. Dürfen wir danach die Idee des Urteils als der Zeitgeftalt im Unterfchied vom abfoluten zeitkonftituierenden Bewußtfein für geklärt erachten (und eben damit die entfprechenden Unterfchiede bei anderen fpontanen Akten), fo ift nun zu fagen, daß diefes Urteil ein Meinen ift, ein Analogon der immanent-objektiven Erfcheinung, in welcher etwa ein äußeres räum-zeitliches Sein erfcheint. Es er» fcheint gleichfam in der Meinung das Gemeinte, in der Meinung (der Zeitgeftalt) » 2 X 2 = 4 « eben der propofitionale, fo und fo fyntaktifch geformte Sachverhalt. Diefer aber ift kein Ding, kein objektiv-zeitliches Sein, weder ein immanentes, noch ein tranfzendentes. E r ift dauernd Gemeintes, aber nicht felbft Dauerndes, feine Meinung fängt an, aber er fängt felbft nicht an, fo wenig als er aufhört. Seinem Wefen nach kann er in verfchiedener Weife bewußt bzw. gegeben fein, er kann artikuliert und dann in einer beftimmt gebauten Spontaneität bewußt fein, die als immanente Zeitgeftalt
490
Edmund Hufferl,
(124
• fcbneller« oder weniger fcbnell verlaufen kann, tie kann aber auch in einer zuftändlien Weife bewußt (ein ufw. Die fpontanen Zeitgeftalten haben w i e alle immanenten Objekte ihr Gegenbild in reproduktiven Modifikationen von ihnen.
Die Urteils·
phantaße ift w i e jede Phantafie felbft eine Zeitgeftalt. Die urfprüng· l i A e n Momente für ihre Konftitution find die »utfprünglicben« Phan· tafien im Gegenfat) zu den Modifikationen, die fich an fie unmittelbar nach dem Grundgefet) des Bewußtfeins anfchließen, den retentionalen. Indem fid> die Phantafie als immanentes Objekt konftituiert, kon* ftituiert fich auch vermöge ihrer eigenen Phantafieintentionalität, die den
Charakter
einer
neutralifierten
Vergegenwärtigung
hat,
das
immanente Quafi-Objekt, die Einheit des immanent Phantafierten in der immanenten Quafizeit der Phantafie. Und w o die Phantafie vergegenwärtigende Modifikation einer fich weiter
»Erfcheinung« ift, konftituiert
die Einheit eines tranfzendenten Phantafierten, fagen
w i r die Einheit eines phantafierten raumzeitlichen Objektes oder die Einheit eines phantafierten Sachverhaltes: eines folchen, der quafigegeben ift in einem Quafi-Wahrnehmungsurteil, oder quafi» gedacht ift in einem Phantafieurteilen fonftiger
flrt.