Von der Reliquie zum Ding: Heiliger Ort - Wunderkammer - Museum 9783050057439, 9783050049281

Das Christentum nimmt zur materiellen Kultur eine ambivalente Haltung ein. Einerseits schöpft es sein Selbstverständnis

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German Pages 599 [600] Year 2012

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Von der Reliquie zum Ding: Heiliger Ort - Wunderkammer - Museum
 9783050057439, 9783050049281

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Von der Reliquie zum Ding

Heiliger Ort – Wunderkammer – Museum

Stefan Laube

Von der Reliquie zum Ding

Heiliger Ort – Wunderkammer – Museum

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. Abbildung auf dem Einband: Animalienschrank der Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen in Halle (Foto: Klaus E. Göltz)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

©� ��������������������� 2011 Akademie Verlag ������ GmbH, ������� Berlin Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie-verlag.de

Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Druck: MB Medienhaus Berlin Bindung: Buchbinderei Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-05-004928-1 eISBN 978-3-05-005743-9

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Raum – Ding – Kult

XI 1

1. Materielle Kraftfelder im Kirchenraum 21 Sphären der Schau Topoi des Übergangs Raum der Dinge Die Kirche als Naturalienkabinett

33 41 47 62

Inseln der curiositas Raritäten und ihre architektonische Rahmung Dingbilder und Bilddinge Automat und Wachsfigur

86 87 114 127

2. Vom Heiltum zur Kunst- und Wunderkammer

139

Horten und Herrschen in einer Zeitenwende Reliquien als Währung politischer Geltung Leidenschaften des Sammelns und ihre Grenzen

145 145 152

Spektakel von Glauben und Macht Die Stiftskirche als Bühne der Dinge

162 164

Präfigurationen des Neuen Enzyklopädie des Heiltums Trennung des Reliquiars von der Reliquie Vielfalt des Hybriden

179 182 184 189

VI  Inhaltsverzeichnis

3. Das Haus, die Stube und die Sachen

197

Reliquie – Relikt Spuren des Glaubens Splitter der Magie Neugier, Erinnerung und Gefühl

204 207 213 218

Dimensionen der Musealität in der frühen Neuzeit Monumente des Ewigen Orte auf der Durchreise Nachbarschaften des Kuriosen

232 234 244 249

4. Gottessucher im Kabinett zwischen Haptik und Vision

265

Heilsgewissheit durch Naturbetrachtung Dinge als Sprache des Nonkonformismus

269 269

Konzepte des Theatralen Von hermetischen zu enzyklopädischen Zugängen

287 289

5. Reich Gottes – Schulstadt – Kunstkammer

307

Kraftquellen der Entgrenzung Metaphern der Transformation Orientierung in weiten Räumen

313 314 319

Pietas Halensis als topographische Frömmigkeit Markenzeichen und materielle Wirklichkeiten Auffälligkeiten der Architektur

326 328 335

Kabinette der Dinge Anschauung als Kulturtechnik Panoptikum der Schränke Experimente im Laboratorium

347 350 356 367

Wissenstheater und Theaterkunst Theaterkampf in Halle Theatralität im Zeitalter der Theaterprohibition

370 371 376

VII  Inhaltsverzeichnis

6. Theologie zwischen Schaubühne und Laboratorium

387

Zahlen – Bilder – Dinge

393

Artefakte des Monumentalen – Präparate des Wissens Kirchengeschichte im Sog der Naturwissenschaft Das Museum in der Universität Die Ordnung der sakralen Dinge Objekt-Geschichten aus nah und fern

402 403 407 417 425

Bildmedien als „System von Copien“ Das Bild als Ding Das Ding als Bild

434 434 443

7. Das Schreien der Steine

453

Anhang

465

Literaturverzeichnis Register Bildnachweis

467 559 583

Le Lapon, qui adore une roche, le Nègre qui se prosterne devant un serpent monstrueux, voient au moins ce qui´ils adorent (...) mais le raissonneur subtil qu´on nomme Théologien dans les nations civilisées & qui, en vertu de sa science inintelligible se croit en droit de se moquer du Sauvage, du Lapon, du Nègre, de l´Idolâtrie, ne voit pas qu´il est lui-mème à genou devant un être qui n´éxiste que dans son propre cerveau, & dont il lui est impossible d´avoir aucune idée, à moins que, comme le sauvage ignorant, il ne rentre promptement dans la nature visible pour lui donner des qualités possibles à concevoir. [Paul Thiry d’Holbach], Système de la Nature ou des loix monde physique et du monde moral (...), 2. Teil, London 1780, S. 94f.

[Der Lappländer, der einen Fels anbetet, der Neger, der sich vor einer ungeheuerlichen Schlange niederwirft, sehen wenigstens das, was sie verehren (…) während der spitzfindige Denker, in zivilisierten Nationen Theologe genannt, der kraft seiner intelligiblen Wissenschaft sich im Recht fühlt, sich über den Wilden, den Lappländer oder den Neger lustig zu machen, vor einem Wesen auf Knien liege, das nur in seinem eigenen Gehirn existiert, und von dem ihm jegliche Vorstellung verbaut ist, es sei denn, er greift wie der unwissende Wilde unmittelbar auf die sichtbare Natur zurück, um es mit begreifbaren Eigenschaften auszustatten.]

Vorwort

Wir sind von Dingen umgeben, sammeln sie, bewahren sie auf oder entledigen sich ihrer wieder. Gegenstände sind wertvoll, sie können Bedeutungen tragen, vermögen zu wirken – oft stehen sie aber einfach nur im Weg. Jedenfalls glauben wir nie, ohne Dinge auszukom­men. Das war immer so und wird sich auch nicht ändern. Diese angedeutete anthropologische Weite des Verhältnisses von Mensch und Ding schreit nach Begrenzung. In dieser Studie geschieht dies durch die Frage nach dem Menschen im christlichen Europa und dessen Verhältnis zu sakralen und post-sakralen materiellen Objekten. Ihr Interpretationsrahmen fügt sich nicht in das gerade in der deutschen Forschung lange Zeit dominante Konzept einer Moderne, die als ein Zeitalter zunehmender Verweltlichung beschrieben wurde und die der Religion allenfalls eine marginale Rolle in der Gesellschaft einzuräumen gewillt war. Stattdessen werden Übergänge zwischen Sakralem und Profanem, gegen­seitig sich bedingende Beziehungen, Schnittmengen und Scharnierfunktionen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Das vorliegende Buch macht das Anschauungspotenzial von Dingen in der christli­chen Tradition zum Thema, worauf die gesamte museale Ausstellungsversessenheit von heute fußen mag. Im Zentrum stehen religiöse Lebensformen, die sich materiellen Ausdruck verschaffen. In diesem Kraftfeld eröffnet sich dem Glauben ein populärer Weg, Geltung zu beanspruchen. Der Bericht beginnt im Mittelalter, der Schwerpunkt liegt in der frühen Neuzeit, der behandelte Zeitraum reicht bis an das Ende des 19. Jahr­hunderts. Inspiriert von bild- und raumwissenschaftlichen An­ sät­zen beschäftigt sich die Studie mit der ambivalenten Kultur des Christentums: Einerseits schöpft dieselbe ihr Selbstverständnis aus der Ablehnung oder Domestizierung idolatrischer Praktiken, andererseits greift sie in vielfältiger Weise auf einen Kult der Dinge zurück. Die Abhandlung will zeigen, dass die christliche Kultur jenseits von Wort und Sprache einer auratisch geladenen Sogwirkung des Materiellen ausgesetzt war. Ohne die unmittel­bare Anmutung der Dinge sind weder die im Kirchenraum ausgestellten Exotika noch die hybrid gestalteten Reliquiare in fürstlichen Heiltumssammlungen zu erklären. Weitgehend textunabhängige, sich in Dingen konzentrierende Medienwelten entstehen im Dienst der Erinnerung an Luther sowie in der Gestalt des pietistischen Wissenstheaters. Die sich im Kabinett verdichtende frühmo­derne Wissenschaftsauffassung schuf sich eine Bühne, auf der gesammelte Gegenstände in

XII  Vorwort

epiphanischen Momenten der Haptik und Vision erfahren werden konnten. Die Eroberung der Dingwelt durch die evangelische Theologie des 19. Jahr­hunderts zeigt sich nicht zuletzt im Programm einer auf christliche Artefakte aufbauenden „Monumentalen Theologie“. Derartigen von religiöser Aura ummantelten Dingarrangements begegnen die für die Religion zuständigen Wissenschaften bis in unsere Tage mit wirkungsvollen Strategien der Verdrängung. Theologie und Geschichtswissenschaft verstehen sich im Wesentlichen als textbasierte Wissenschaften, d. h. als Philologien. In der Geschichtswissenschaft werden schriftliche Zeugnisse als die aussagekräftigsten bewertet, der Blick auf materielle Objekte ist Sache von Hilfswissenschaften und einer Spezialdisziplin: der Kunstgeschichte. Die Religionswissenschaft orientiert sich bis in die Gegen­ wart an der Trias „religiöse Texte, kultische Praxis und religiöse Organisa­tion“ – so Jörg Rüpke in dem Handbuch Historische Religionswissenschaft von 2007. Die Ethnologie ist bis heute vom sozialanthropologischen Ansatz geprägt: Über eine ethnische Gruppe informiert das Studium seiner Verwandtschaftsmuster und Sozial­verhält­nis­ se, nicht das Studium seiner im ethnographi­schen Museum gesammelten Artefakte. Versuche, diese einseitige Betrachtungsweise durch ein neues Wissenschaftskonzept zu durchbrechen, sind in der Vergangenheit immer wieder gescheitert. Erst in den letzten Jahren scheint sich eine Wende anzubahnen, die den Dingen ein neues, nicht mehr durch alte Vorurteile behindertes kulturwissenschaftliches Interesse entgegenbringt. Drei Autoren dokumentieren mit ihren Büchern das neue Klima der Forschung – mir waren sie stets Ermutigung, nach einem Zugang zu suchen, der Kirchengeschichte, Kunstgeschichte, Ethnologie und Kulturwissenschaft stimmig miteinander verknüpft: Colleen MacDannell, die als amerikanische Religionshistorikerin die materielle Frömmigkeitskultur im Amerika des 19. und 20. Jahrhunderts untersucht (Material Christianity: Religion and Populär Culture in America, New Haven 1995); Karl-Heinz Kohl, der als Ethnologe die in seinem Fach ausgeblendeten Dinge neu ins Blickfeld rückt und interkulturelle Perspektiven andeutet, die bis ins Museum unserer Zeit reichen (Die Macht der Dinge, München 2003) sowie Hartmut Böhme, der als Germanist und Kulturwissenschaftler eine auf Dinge fokussierte Kulturtheorie entwirft, welche die Moderne als technisch und wissenschaftlich maskierte Naturreligion zu dekouvrieren vermag (Fetischismus und Kultur, Reinbek 2006). Der Titel des Buches hätte auch „zwischen Reliquie und Ding“ lauten können, denn es kann nicht um das Konstrukt einer teleologischen Entwicklung gehen, wie es die leichter von der Zunge gehende Formel „von der Reliquie zum Ding“ suggeriert. Der Untertitel bringt drei Raumbegriffe ins Spiel. Ganz offensichtlich ist das beim „heiligen Ort“, aber auch die beiden anderen Termini – „Wunderkammer“ und „Museum“ – sind erst dann sie selbst, wenn man sie in ihrer räumlichen Dimension begreift. Das Thema wird in sechs Kapiteln vorgestellt, die durchaus auch ohne Berücksichtigung der anderen jedes für sich gelesen und verstanden werden können. Da das Ding stets einen Raum einnimmt – das ist sein materiales Apriori –, ist die Abfolge der Kapitel nach Orten organisiert: Kirchenräume als theatrale Räume der Liturgie, Kunst- und Wunderkammern als verdichtete Welten von Sammlern, Häuser und Stuben als Erinnerungsorte, urbane Einheiten als ­ realisierte Utopien

XIII  Vorwort

sowie Lehrmuseen als universitäre Spezialsammlungen. Diese aus fünf Orten beste­ hende historische Topologie wird in einen chronologischen Rahmen gestellt, so dass mit dem mittelalterlichen Kirchenraum begonnen wird; Wunderkammer, Erinnerungsort, Naturalienkabinett und reale Utopie der frühen Neuzeit den Mittelteil bilden, und die – heute nicht mehr bestehende – Berliner theologische Schausammlung des 19. Jahrhunderts am Ende behandelt wird. Von zufällig gesammelten Notizen bis zur zündenden Idee, der man dann in konzentrierter Forschung eine Buchform geben kann, ist es ein langer Weg. Manches fügt sich erst im Nachhinein. Durchbrüche geschahen meist aus unterschiedlichen Anlässen, unabhängig voneinander, über größere Zeiträume verstreut. Zu Beginn stand als Gastforscher der TU Dresden im Jahre 2004 meine Bekanntschaft mit Gustav Klemms 1838 erschienener Geschichte der Sammlungen für Wissenschaft und Kunst in Deutschland, worin der Autor in einem Kapitel „die Kirchen als Museen des Mittelalters“ bezeichnete. Seine Gedanken waren ebenso anregend wie kursorisch. Sogleich drängte sich die Frage auf, warum in den letzten gut eineinhalb Jahrhunderten niemand auf die Idee gekommen ist, dieses Themenfeld erschöpfend zu behandeln. Schon der erste Blick zeigte, dass in Kirchen mit naturalia, mirabilia und exotica Dingkategorien verbreitet waren, die man in der Regel nicht mit deren Kernaufgabe, Mes­sen zu lesen, in Verbindung bringt. Umgekehrt verflüchtigte sich in den vermeintlich säku­larisierten Räumen und Epochen keineswegs jene energetische Strahlung, jene auratische Aufladung der Dinge, wie sie angeblich für magischanimistische Kul­turen so charakteristisch sind. Zwischen der mit göttlicher Kraft geladenen Reliquie und dem durch Technik und Wissenschaft vergegenständlichten Ding scheint es eine Fülle von Bezugnahmen zu geben, die eine Objekt-Auffassung, wie sie von der universalisierenden Rationalität propagiert wird, nicht nivellieren kann. Das Problem war da und nicht wegzudiskutieren. Es ging darum, die jeweiligen historisch gewachsenen und wandelbaren Physiognomien der Dingwelten zu rekonstruieren und dabei typische Gemengelagen zu bestimmen, die den Dingen zwischen den Polen magischer Aura und profaner Rationalität, zwischen adorierendem Kult und technischem „Zeug“ eigen sind. Aby Warburg hat es – in unnachahmlicher Weise – vorgemacht, indem er disziplinäre Grenzen systematisch überschreitend ein besonderes Interesse an Figuren des Übergangs, der Interferenz und Konversion entwickelte, die als epochenspezifische Seismographen gelesen werden können. Kontur gewann das Buch in Gesprächen mit Gia Toussaint. Sie hat mich in meiner Forschung ebenso kompetent wie verlässlich begleitet. Fast täglich habe ich mich mit ihr über Themen, die das Buch behandelt, ausgetauscht. Dabei hat sie mich stets ermuntert, mitunter ermahnt, meine Interessen zu bündeln, so dass aus den einzel­nen Baustellen tatsächlich ein architektonisches Gebäude entstehen konnte. Dass Bücher wie Theater sein können – dieses Gespür entwickelte ich als Mitarbeiter des von Nikola Roßbach ins Leben gerufenen DFG-Projekts „Bühnen des Wissens. Theatrum-Literatur in der Frühen Neuzeit“. Die Quel­lenforschung in vorliegender Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die großarti­gen Arbeitsmöglichkeiten, die mir in

XIV  Vorwort

Berlin die Staatsbibliothek sowie das Preußische Geheime Staatsarchiv, in Gotha die Forschungsbi­blio­thek, in Halle die Franckeschen Stiftungen, in Wittenberg die Stiftung Luthergedenkstätten sowie in Wolfenbüttel die Herzog August Bibliothek geboten haben; ihren Direktoren und Mitarbeitern danke ich dafür herzlich. Jochen Brüning ebnete mir den Weg in das Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität zu Berlin und damit in die vielfältige Welt der Universitätssammlungen. Gerlinde Strohmaier-Wiederanders hatte stets ein offenes Ohr bei meinen Bemühungen, eine verloren gegangene Sammlung zu reanimieren. Mitte 2010 hat die Philosophische Fakultät III der Humboldt-Universität zu Berlin die Arbeit als Habilitationsschrift angenommen. Schreibt man über religiöse Ding­ kultur vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert eine Studie, ist man auf intellektuelle Offenheit angewiesen, die sich nicht von zeitlichen und disziplinären Entgren­zungen irritieren lässt. Diese fand ich im Institut für Kulturwissenschaft der HU Berlin. Besonders verpflichtet bin ich Hartmut Böhme, der die vorliegenden For­schungen in ihrer Endphase mit Rat und Tat unterstützte. Dass ich mich in meinem Zugang auf dem richtigen Weg befinde, vermittelten mir in Gesprächen – jeder auf seine Weise –Horst Bredekamp und Bernhard Lang. Insbesondere letzterer half mir, meine Ideen zu präzisieren, bei allem Detailwissen nicht Struktur und Leitfragen zu vergessen. Mit dem Berliner Akademie Verlag habe ich für meine bildgesättigte Stu­die den genau passenden Verlag gefunden. Der großzügige Druckkostenzuschuss stammt von der Fritz Thyssen Stiftung, die mich in meinen Forschungen intensiv gefördert hat. Stefan Laube, Berlin im August 2011

Raum – Ding – Kult

1: Vittore Carpaccio, Die Vision des heiligen Augustinus, Öl auf Leinwand (1502), Venedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni

Dinge. Indem ich das ausspreche (hören Sie?) entsteht eine Stille; die Stille, die um die Dinge ist. Alle Bewegung legt sich, wird Kontur, und aus vergangener und künftiger Zeit schließt sich ein Dauerndes: der Raum, die große Beruhigung der zu nichts gedrängten Dinge. (…) Denn vielleicht waren die frühesten Götterbilder Anwendungen dieser Erfahrungen, Versuche, aus Menschlichem und Tierischem, das man sah, ein Nicht-Sterbendes zu formen, ein Dauerndes, ein Nächsthöheres: ein Ding. Rainer Maria Rilke Im Jahre 1502 erhielt die Scuola di San Giorgio degli Schiavoni in Venedig eine kostbare Reliquie ihres Patrons, des heiligen Georg. Zugleich schickte sich Vittore Carpaccio (1455–1526) an, für die Kapelle dieser dalmatinischen Vereinigung in der Lagunenstadt einen Gemäldezyklus mit Heiligenlegenden zu schaffen. Auf dem Bild Sant‘ Agostini nello studio visualisiert der Künstler mit der Zelle eines gelehrten Kirchenvaters im Stile einer humanistischen Studierstube eine zentrale Idee der Renaissance (Abb. 1). Auf Regalen sind eine Antikensammlung sowie Bücher in prächtigen Leder­

2: Die Muschel zwischen Altar und Schreibtisch (Ausschnitt aus Abb. 1)

einbänden zu erkennen. Der Hausaltar in der hinteren Mitte des Bildes erinnert an einen Kunstkammerschrank: Wo sonst ein Antependium den geschlossenen Altar bedeckt, setzt ein geöffneter Vorhang Fächer mit einzelnen Objekten der Betrachtung aus. Eine auffallende Position innerhalb des Bildes nimmt eine größere, in der Bildmitte befindliche Muschel ein, die – perspektivisch links außen auf dem Schreibtisch platziert – in der flächigen Bildanordnung zugleich in der Altarnische direkt neben Altar und Bischofstab positioniert ist (Abb. 2). Es scheint, als schaffe die Muschel eine optische Verbindung von Altar und Apsis zum Schreibtisch des Augustinus, d. h. vom sakralen Zentrum zum säkular-wissenschaftlichen Bereich. Die von Bischofsstab und Altar ausgehende sakrale Aufladung der Muschel steht der durch �������������������������������������������� Rainer Maria Rilke, Auguste Rodin, 2. Teil ����� [1907], ������������������������� Leipzig 1913, S. 77, ���� 79. �����  MacGregor (1994), S. 65; Liebenwein (1977), S. 134.

  Raum – Ding – Kult

Kunstkammer­allusion profanierte Altar gegenüber, dem die benachbarte Muschel einen zusätzlichen Akzent der Naturalisierung verleiht. In der von Entdeckungen geprägten frühmodernen Epoche, in der sich der Mensch einem immer größeren patchwork von Objekten aus frühen Zeitaltern und fernen Kulturen ausgesetzt sah, war das semantische Feld des von Kräften aufgeladenen Dings noch für einige Zeit durch ein Nahverhältnis zur Reliquie gekennzeichnet. Die von Protagonisten des Humanismus und der Reformation im Namen der Rationalität und Textsteuerung propagierte Entzauberung der Dingwelt setzte in einer gegenläufigen Bewegung mächtige Energien der Resakralisierung frei, die auf komplexe, bisher kaum analysierte Weise die frühmoderne Gesellschaft zu integrieren in der Lage war. Der frühneuzeitliche Dingkult wirkte als Erinnerungs­speicher und sozialer Kitt, band ­Affekte und schuf neue Loyalitäten. Er steht in pointiertem Kontrast zur Verdinglichung der Moderne als ­Pathologiebefund philosophischer Gesellschaftskritik. Gerade in der deutschen Philosophie- und Wissenschaftslandschaft, die sich in verschiedene Grundsatzpositionen des Idea­lismus, aber auch des Materialismus entzweite, verkümmerte die von einzelnen Dingen ausgehende historische Betrachtungsweise. Raumbezogene Konversionen und Übergänge, an denen gegenseitig sich bedingende Beziehungen zwischen Diesseits und Jenseits virulent werden, verändern die Bedeutung der Dinge, obwohl diese materialiter weitgehend unverändert bleiben. Wenn man sich auf die Suche nach auratischen Spuren in der Kunstkammer sowie nach säkularen Resten im Kirchenraum begibt, verschwimmen die seit der Moderne so eindeutig gezogenen Grenzen zwischen sacrum und profanum.  Reliquien können ebenso den Status eines auratischen Dings annehmen wie Dinge in die Rolle einer säkularen Reliquie zu schlüpfen vermögen. Mit der Perspektive „von der Reliquie zum Ding“ eröffnen sich materielle Kraftfelder zwischen Glauben und Wissen. Vor dem Hintergrund aktueller Fragestellungen der Kul­turanthro­pologie und Religionswissenschaft, der Rezeptionsästhetik und Wissenschaftsgeschichte sowie der modernen Bild- und Raumforschung soll das Gewebe von Ding, Raum und Kult in bestimmten Mustern unter die Lupe genommen werden. Zwischen einer sich mitunter in akribischer Schriftexegese erschöpfenden Theologie bzw. der nur auf Wortvermittlung beruhenden, wenn auch größere Gesellschaftskreise ansprechenden Predigt und Katechese auf der einen sowie eher spontan sich Ausdruck verschaffenden Praktiken der Volksfrömmigkeit auf der anderen Seite kann ein konzis zu nutzendes Feld des Sehens, Zeigens und Inszenierens von devotionalen Orten und Gegenständen abgesteckt werden. Von Interesse sollen visuelle Einsichten bzw. Kulturen des Blicks 

Zur Symbolik der Muschel: Kuechen (1979); Bachelard (1957, 2003), S. 117–144; Eliade (1986, 1952), S. 141–167.  �������������� Daston (2004).  Georg Lukàcs formulierte in Geschichte und Klassenbewußtsein (1923) eine kulturkritische Theorie der Verdinglichung; vgl. auch Honneth (2005).  ������������������������������������������������������������������������������������� Diese Trennung bzw. Marginalisierung gilt inzwischen selbst für die Moderne als überholt, Habermas (2005); Schieder (2001).

  Raum – Ding – Kult

ebenso sein wie Raumbezüge kollektiven Handelns. Dabei lassen sich Formen unhin­ tergehbarer Materialität freilegen, denn ohne materiellen Ausdruck, dem nicht selten eine Signal- bzw. Kultwirkung innewohnt, bleibt menschliche Erfahrung leer. Gefäßen gleich sind Dinge in der Lage, Bedeutungen zu „beinhalten“, sich dieser wieder zu entledigen und neue Inhalte aufzunehmen, ohne dabei selbst ihre Form zu verändern. Oft gehen ������������������������������������������������������������� Objekte nicht darin auf, Ideen zu illustrieren, vielmehr vermögen sie selbst, Geschichten zu verlebendigen.�������������������������������� Dinge oszillieren zwischen Konstrukt und Widerfahrnis, zwischen vorgefassten Deutungsmustern und Eindrücken aus empirischer Erfahrung. Übergreifende Konzepte der Dingkultur, die von Krzysztof Po­mians „Semiophore“, über Karl-S. Kramers „Ding­bedeut­sam­keit“ bis zu Günter Bandmanns „Materialikonologie“ reichen, haben eindringlich auf die den Din­gen eingeschriebene Semantik hingewiesen. Diese Studie baut darauf auf, ohne bei der Aufschlüsselung der Bedeutungsmomente stehen zu bleiben. Vielmehr soll zusätzlich vermittelt werden, dass Dinge im Sprachlichen nicht aufgehen, können sie doch den Kontakt mit dem genuin Anderen, dem Kern der Religion, zum Ausdruck bringen. Während bei einer durch Texte medial vermittelten Religion die Bezieh­ ung zwischen Gläubigen und Gott beinahe zwangsläufig als eine Partnerschaft auf Augenhöhe, die sich einer gemeinsamen Sprache bedient, erscheint, ist das Ding in seiner Sperrigkeit prädestiniert, auf die grundlegende Verschiedenheit menschlicher und göttlicher Sphäre zu verweisen. Dinge besitzen eine nicht vollständig aufzudeckende Individualität; sie entziehen sich in ihrer jeweiligen Eigenheit letztlich allen Versuchen der Einordnung in vorgefasste Schemata.10 Wie die menschliche Ratio das Schweigen der sprachlosen Dinge brechen muss, so muss sie im Begriff deren unerschöpfliches Sein verfehlen. Schon Leonardo da Vinci (1452–1519) hatte am Beispiel der Medizin betont: „ (…) denn je genauer ihr beschreibt, desto mehr führt ihr vom beschriebenen Ding weg.“11 Wie Rilke vorführt, vermag allenfalls die Dichtung dem Ding besonders nahe zu kommen, ohne es doch ganz zu erreichen.12 Diese Trans­zendenz der Dinge entspricht einer Kluft zwischen Mensch und Ding, die durch Sprache bestenfalls überbrückt, aber nicht aufgehoben werden kann. Diese Unzulänglichkeit des menschlichen Erkenntnisapparats tritt in der frühen Neuzeit zunehmend ins Bewusstsein. Die „Subtilität“ der Dinge sei viel feiner, als die der Worte, Argumente, Begriffe und der Sinne und könne daher von diesen auch nicht adäquat eingefangen werden.13 In   ��������������������� Pomian (1993), S. 23.   � Kramer (1995); siehe auch Jeggle (1983); Lüdtke (1994); zur Systematik, sozialen Biografie ������� �������� ������ ����� ������� �������� ������� �������� ���� ������������ ��������� ���������� und Psychologie der Dinge: Baudrillard (1991, 1968); Appadurai (1986); Heubach (1987).   ������������������������������������������������������� Bandmann (1969); siehe auch Raff (1994); Wagner (2001). 10 ��������������� Daston (2004). 11 Zit. nach Kemp (2005), S. 120. 12 ���������������������������������������������������������������������������������� Zum Mysterium der sprachlosen Welt in der Dichtung Rilkes um 1900: Müller (1999); Haart ­Nibbrig (1981), S. 168ff. 13 ���������������������������������������������������������������������������������� Universalwissenschaftler wie Girolamo Cardano (1501–1576) und Francis Bacon (1561– 1626) versuchten, mit der Kategorie der Subtilität der überbordenden Varietät der Dinge gerecht zu werden.

  Raum – Ding – Kult

einer Zeit, als durch Entdeckungen und intensiven Handel von Sachen ein immer größerer ­Eigenwert ausging, verfügten Dinge über einen Wahrnehmungsüberschuss. Sie gingen in ihrer Funktion als Projektionsfläche von Perzeption und Alltagshandeln nicht restlos auf. Gerade im Bezug auf Dinge war das von der mittelalterlichen Philosophie überlieferte Diktum Individuum est ineffabile gültig. Insofern hat man es auch hier mit dem alten Problem zu tun, das die Nominalis­ten haecceitas nannten, das „dieses da“. Die Wirklichkeit besteht aus zahllosen derartiger „Dies-da-heiten“. Jedes ist etwas Einmaliges, gebunden an einen bestimmten Raum- und Zeitpunkt. Ebenso wie das Ganze oder Gott nicht erfasst werden könne, so könne auch das jeweils Einzelne, vor Augen liegende nicht erschöpfend dargestellt werden. Das Religiöse bzw. Mysteriöse beginnt also beim einzelnen Ding, an seiner Wahrnehmung kann sich metaphysische Reflexion entzünden. Die als Titel gewählte und das Ergebnis der Untersuchung andeutende Formel „von der Reliquie zum Ding“ ist weniger zeitlich als räumlich gemeint, denn ihr ist vor allem ein Nebeneinander, eine Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen inhärent. Hinter diesem Motto verbergen sich Narrative der Topographie bzw. Dimensionen von Materialität und Erfahrungsnähe, die in der Regel nicht entlang der Zeitachse und deren implizier­ten Entwicklungs- und Fortschrittsannahmen verlaufen.14 Zur Raum­orientierung der Studie gehört auch, die Phänomene aus unterschiedlichen Höhen immer wieder zu umkreisen. Gegenüber Darstellungen, die allein dem Primat der Zeit, des Vorher und Nachher folgen, hat eine auf synoptische Wahrnehmung beruhende und sich in Clustern der Spiegelung und Resonanz Ausdruck verschaffende Herangehensweise, den Vorzug, unmittelbare Eindrücke mitein­ander in Beziehung zu setzen, wodurch auch wieder die historische Tiefendimension aktiviert wird.15 „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben (Joh 20, 29). Wie wir aus dem langen Brief des Paulus an die Hebräer wissen, heißt Glauben, nicht zu zweifeln an dem, was wir nicht sehen (Heb 11,1). Die Praxis sieht anders aus: Der Wille, den Glauben auf Tast- und Sehsinn zu gründen, ist weit verbreitet; in der Bibel belegt ihn besonders anschaulich die Geschichte vom ungläubigen Thomas, der erst glauben will, wenn er die Wunden des auferstandenen Meisters mit eigenen Augen gesehen, mit eignen Händen betastet hat (Joh 20,24-29).16 Sich des Heiligen auch materiell bzw. visuell zu versichern, scheint eine anthropologische Konstante religiösen Lebens zu sein. In vielen Religionen und Epochen ist ein Bedürfnis nach heiliger Schau, nach Enthüllung des Verborgenen, nach Materialisierung religiöser Inhalte und Ideen nachweisbar. Im breiten Dazwischen von Glauben und Wissen waren konkrete 14 ������������� Böhme (2005). 15 So wirft die Ansicht von Epitaphien im mittelalterlichen Kirchenraum Fragen nach den Umgangsformen einer neuen Zeit mit mittelalterlichen Traditionsbeständen auf; zur zäsuralen Kraft der Reformation, Wartenberg (1997); Hamm (2000). 16 ���������������������������������������������������������������������������������� Im Johannesevangelium gibt es keinen Textbeleg für die Berührung. Auf das Angebot Jesu, die Finger in die Wunden des Herrn zu legen, antwortet Thomas – wohl ohne ihn zu be­rühren – „Mein Herr und mein Gott!“ Most (2007).

  Raum – Ding – Kult

Objekte des Schauens, ob nun als Zeichen, Symbol, Bild oder Bildwerk positioniert. Auch das Chris­tentum steht von Anfang an im Spannungsfeld von verinnerlichtem Glauben und anschaulichem Ding. Die Studie beleuchtet aus verschiedenen Perspektiven die Kultur einer Religion, die aus der Domestizierung bzw. Verdammung idolatrischer Praktiken ihr Selbstverständnis schöpft, in der Praxis aber dennoch zugleich in vielfältiger Form auf einen Kult der Dinge zurückgreift. Ebenso wie Judentum und Islam versteht sich das Christentum als eine spirituelle Buch- und Textreligion. Die Vorstellung eines reinen Monotheismus, d. h. eines Glaubens an einen transzendenten, allmächtigen und allgegenwärtigen Gott, „der sich nicht in ein von Menschenhand gefertigtes Bild bringen läßt“,17 hat bis heute die Tatsache verdeckt, wie intensiv die christlich geprägte Kultur auch Dinge in ihren Dienst stellt. Schon in dem aus dem trivium und quadrivium bestehenden christlichen Wissenschaftskanon des Mittelalters wird zwischen einem eher sprachlichen und einem eher realen, d. h. dingbezogenen Zugang zu den Phänomenen der Welt unterschieden. Obwohl die christliche Doktrin den Dingbegriff als „letzte Dinge“ nur in eschatologischer Form berücksichtigt zu haben scheint,18 verweist der Ausspruch des heiligen Augustinus (354– 430) in De doctrina christiana, dass alle Lehre entweder von Dingen oder von Zeichen handele19, auf einen schon von Anfang an in der christ­lichen Religion verankerten Dingdiskurs. Thema der Studie wird sein, wie sich dieser immer wieder selbst, d. h. aus dem Ding heraus, begrün­den konnte. Schon von Beginn an hatte sich das Christentum mit systemwidrigen Medien auseinanderzusetzen: „Heilige und Nothelfer, also Halbgötter, dringen in die Kirche ein. Lokalkulte und lokale heilige Stätten werden gegründet; die Gebiete des Lebens werden an Schutzgeister aufs neue verteilt; die alten Götter ziehen ein, nur mit neuen Masken; rauschende Jahresfeste werden gefeiert, Amulette und Sakramentalien, Reliquien und heilige Knochen werden begehrenswerte Gegenstände. Die Religion – einst, als streng geistige, jede Materialisierung verbietend und bekämpfend – materialisiert sich in jeder Beziehung. Sie hat die Welt und Natur getötet, nun aber beginnt sie, sie wieder zu erwecken.“20 Hinter Adolf von Harnacks (1851–1930) These von der Repaginisierung des Christentum in seinem frühchristlichen Stadium verbirgt sich nicht nur dessen idealtypisches protestantisches Kirchenbild, sie bringt auch die tief verankerte Skepsis früher Christen zum Ausdruck, an der religiösen Wahrheit allein durch das Wort zu partizipieren. Im Laufe der Kirchengeschichte sollte eine Vielfalt heilspotenter Dinge zur Entfaltung kommen, die nicht zuletzt die Funk17 ���������������� Kohl (2003), S. 31. ��� 18 ��������������������������������������������������������������������������������� Gerade dieser metaphysische Diskurs um Tod, Jüngstem Gericht, Weltende und Leben nach dem Tod sollte zur Veranschaulichung in großer Vielfalt Bilder, Instrumente sowie expositionelle ­Arrangements in seinen Dienst stellen, siehe Göttler (2010); zum dinglichen Charakter der Himmelsvorstellung bei Emanuel Swedenborg (1688–1772): Lang/McDannell (1990), S. 258–269. 19 Omnis doctrina de rebus vel de signis (1,2), Patrologia Latina 3, Paris 1887, S. 49. 20 ������������������� Harnack (1924), S. ��������������������������������������� 328; vgl. jetzt auch Cox Miller (2009).

  Raum – Ding – Kult

tion hatte, die Monopolstellung der Kirche in Fragen des Wunders zu fundamentieren.21 Zur 1542 gegründeten Römischen Inquisitionsbehörde (Congregatio Sancti Officii) gehörte stets auch eine Asservatenkammer, in der Dinge aufbewahrt wurden, die vom Volk verehrt wurden, ohne kirchlich approbiert zu sein.22 Der hohe Stellenwert von Dingen in der christlichen Kultur zeigt, dass auch in dieser Religion ein Medium anschaulicher Konkretion erforderlich ist, ohne das sich das religiöse Gefühl wohl im Unbestimmten verloren hätte.23 So entsprach es den Maximen der Kirche, die Kraft Gottes in der eucharistischen Materie – Brot und Wein – zu vergegenwärtigen sowie auf heilsvermittelnde Reliquien zu verweisen.24 In einer den Libri Carolini aus dem 9. Jahrhundert entnommenen Hierarchie von Repräsen­ tationsmedien göttlicher Kraft wurde der höchste Präsenzgrad der Eucharistie ­zugesprochen, ihr folgen Altar, Reliquien und Kruzifix.25 Seit der Spätantike besteht – fußend auf Traditionen des antiken Heroenkults sowie der jüdischen Patriarchengräber 26 – ein Bewusstsein, dass von Grab bzw. von unverhüllten Reliquien eine besondere virtus ausgeht, wohingegen den von Menschen gemachten Bildern lange Zeit himmlische Kraft abgesprochen wurde.27 Ihnen sei eine Hypostasierung eigen, die als Bedrohung empfunden wurde, da sich der Eindruck aufdrängte, im menschlich Abgebildeten sei der Kern der Glaubenswahrheit vergegenwärtigt.28 Im lateinischen Christentum war es lange Zeit üblich, Skulpturen oder Tafelbildern den Status von Heiligkeit nur dann zuzugestehen, wenn sie als Träger sakraler Materie dienten, d. h. wenn sie buchstäblich bestückt waren. Nur wenn dreidimensionale Figurationen zugleich als Behälter von Reliquien fungierten, schien eine auch bildhafte Gestaltung einbeziehende Adoration gerechtfertigt.29 Darüber hinaus waren Praktiken des Bilderkults allenfalls dann erlaubt, wenn Bilder glaubhaft den Status eines acheiropoieton – eines nicht von Menschenhand gefertigten Kunstwerks – vermitteln konnten.30 Im Kraftfeld einer christlichen Escha­tologie, die von einer leiblichen Auferstehung des menschlichen Körpers ausgeht, konnten hingegen weitgehend unproblematisch Körperteile eines Heiligen und Sachen, die mit seinem Leben 21

Signori (2007). S. 160f. Gerade in Reaktion auf sinnenfeindliche häretische Bewegungen, wie der Katharer oder Hussiten, setzte die offizielle Kirche auf die Rehabilitation der Materie; Duby (1992), S. 256f.; vgl. auch Ozment (1974). 22 Diese konfiszierten Devotionalien, wie mit Tränenflüssigkeit gefüllte Ampullen, sind während der Französischen Revolution verloren gegangen. Ich bedanke mich für diese Information bei Hermann H. Schwedt. 23 ����������������� McDannell (1995). 24 �������������������������������������� Dinzelbacher (1990); Angenendt (1994). 25 ������������������ Schreiner (2002). 26 Pfister (1909/1912), bes. S. 527–550; Hartmann (2010), S. 264ff. �������� ������������� ����� ��� ��������� ��������� �������� ��� ������ 27 �������������������������������������������������������������������������������������������� Klauser (1960). „In der Stufenleiter der Kulturgeschichte ist wohl die Reliquie der älteste ideale Gegenstand, auf ihn folgt das Bild und zuletzt das Wort und die Schrift als Andenken“, so der Schweizer Archäologe und Kunsthistoriker Ernst Alfred Stückelberg (1902, S. LXXIV, Anm. 1). 28 Angenendt (1993), S. 113f. 29 Angenendt (1993); Belting (1990, 2004); zur Fides-Figur aus Conques: Fricke (2008). 30 Zum Schweißtuch der Veronika mit dem Abdruck von Christi Antlitz: Belting (2006).

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in Beziehung standen, zu Kultobjekten aufsteigen. Einen bloßen Dingkult sah die Kirche in der Reliquienverehrung keineswegs, vielmehr war sie Folge eines Konzepts, die den heiligen Menschen in den Mittelpunkt stellt, dessen Leben mit dem biologischen Tod nicht zu Ende war, sondern erst begann. Dem Reliquienkult ist ein anthropozentrischer Charakter eigen, seine Dinge waren Sache des menschlichen Körpers.31 Im Zentrum steht der Mensch in seiner vertikalen Beziehung zum Jenseits und weniger magisch aufgeladene Orte aus der außermenschlichen Natur. Das Individuum selber als Abbild Gottes ging über jede Form eines von Menschen gemachten Bildes, über jede Form einer von der Natur kreierten Gestalt hinaus. Dennoch: Wenn auch jene das irdische Leben überdauernden körperlichen Relikte, die heilige Menschen nach ihrem Tod zurückließen, keine neutralen Dinge im modernen Verständnis sein konnten, dienten sie als Motor einer Materialisierung, die zunehmend auch von außermenschlichen Relikten angetrieben wurde, zumal man annahm, die Vielfalt der unmittelbar wahrgenommenen Natur spiegele die Weisheit des Schöpfers.32 Warum messen wir bestimmten Gegenständen den Rang von Kultobjekten bei?33 Kultdinge grenzen an Magie. Nur was wie ein Wunder erfahren wird, kann einen Kultstatus erhalten. Darüber hinaus ist Kultdingen eine Raumdimension konstitutiv eingeschrieben. Im Unterschied zu Gebrauchs- und Tauschgütern sind sie nicht nur durch ihre praktische Nutzlosigkeit und Unveräußerlichkeit gekennzeichnet, sondern auch dadurch, dass sie in einer besonders markierten und daher öffentlichkeitswirksamen Sphäre wahrgenommen werden. Kultdinge müssen im emphatischen Sinne auf Räume bezogen sein, da sie davon abhängig sind, betrachtet zu werden. Gerade im Bezug zum Rezipienten entfalten sich Attrak­tion und Dynamik. Sakral wirken Kultobjekte besonders dann, wenn sich an ihre Materialität – wie bei einer Spur – Glaubensvorstellungen, Hoffnungen oder Imaginationen binden.34 Kult­ objekte bleiben materialiter unverändert, können aber je nach Perspektive ihren Charakter verändern. Sie können Sammelobjekt oder Exponat, Kunstwerk oder Forschungsgegenstand sein. Der Doppelaspekt aus Formkonstanz und inhaltlicher Varianz, aus bleibender Gestalt und veränderlichem Gehalt ist stets in Rechnung zu stellen, entsprechend dem Diktum von André Malraux (1901–1976), dass ein romanischer Kruzifixus von vornherein ebenso wenig eine Skulptur darstelle wie Duccios „Madonna“ ein Bild.35 Kultobjekte sind – zwischen sakraler und profaner Bedeutung changierend – in je unterschiedlicher Gewichtung äußerer Transformierung, subtiler Chiffrierung, manchmal auch kühner Umwertung unterworfen. Ein Trans31 ����������������������������� Brown (1982); Walsham (2010). 32 Im Christentum kann sich Materie transzendieren. Dem Unikat eines Schöpfungsaktes ist ein Materialfetischismus eigen, der im weiteren Verlauf den Kult in Kunst transformiert, Brückner (1995), S. 19. 33 �������������������������� Böhme (2006); Kohl (2003). 34 ���������������������������������������������������������������������������������� Kohl (2003). Wunschmaschinen sind auch die Dinge der heutigen Konsumgesellschaft, wie Autos, die Fahrspaß oder Duschgels, die Attraktivität verheißen; Baudrillard (1991, 1968); Ullrich (2006). 35 ��������������������� Malraux (1947), S. 6.

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formationsprozess, der sie oft begleitet, ist der von ihrer ursprünglichen sakralen Funktion über ihre profane Bedeutung bis zur ästhetischen Eigenexistenz im Museum. Dabei stellt sich die Frage, ob die virtus bzw. Aura eine Eigenschaft des Objekts selbst darstellt, oder ob sie sich erst im Auge des Betrachters konstituiert. Welchen Einfluss übt die atmosphärische Gesamtsituation auf Dinge aus? Als Manifestation von Beziehungen, aus der ein spezifisches Fluidum hervorgeht, ist das Ding stets mehr als ein selbstgenügsames Objekt.36 Kultobjekte sind krafterfüllte und heilbringende Gegenstände: das gilt für christliche Reliquien ebenso wie für Fetische von Naturvölkern, die seit der Renaissance verstärkt in den Gesichtskreis des Abendlandes treten. Die Wörter feitiço und fétiche tauchen in den Berichten der frühen portugiesischen und französischen Seefahrer und Kaufleute auf, die damit Kultgegenstände, wie z. B. Holzfiguren oder Steine westafrikanischer Küstenbe­wohner bezeichneten.37 Die Übertragung dieses Begriffs auf Devotionalien ihrer eigenen Kultur, auf Rosenkränze, Kruzifixe, Votivbilder und Reliquien, hätte nahe gelegen, wurde aber erst später von Protestanten – von Briten und Niederländern – forciert. Dass Verfechter der Aufklärung und Moderne die Verehrung von Gegenständen unter dem Kampf­begriff des Fetischs als irrational denunzierten, erklärt sich nicht zuletzt aus deren Sozialisation in einer textbasierten Religion.38 Die Religionsentwicklung beginnt mit der Verehrung heiliger Gegenstände, was bereits Charles de Brosse (1709–1777) in seiner Abhandlung Du culte de dieux ­fétiches (1760) festgestellt hat.39 Das Christentum scheint sich in der Hinsicht kaum von Naturreligionen zu unterscheiden. Analogien zwischen Fetisch und Reliquie liegen auf der Hand. Dennoch fällt ein Unterschied ins Auge. Während dem Fetisch seinem Wortsinn nach unterstellt wird, er sei künstlich und „gemacht“ (lateinisch factitius), ist die Reliquie zunächst radikal unabhängig von menschlicher Gestaltungsbemühung. Allerdings bleibt der Fetisch, sobald er hergestellt ist, sich selbst genug. Er benötigt keinen Behälter, besteht er doch meist aus einer plas­tischen Figur und einer magischen Ladung, die beide zusammen den kompletten Fetisch ausmachen.40 Dagegen sind es im Christentum Gehäusestrukturen, die die den Dingen anhaftende virtus beschirmen bzw. kanalisieren, ob man nun an Sarkophage, Reliquiare oder die 36 ������������� Böhme (1995). 37 ��������������������������������������������������������������������������������������� Indem sie für die westafrikanischen Gegenstände den Begriff Fetisch wählten, leugneten sie „die Äquivalenzen, die zwischen den Anbetungsobjekten einer monotheistischen ­Religion und den kultischen Objekten der Eingeborenen bestehen. Möglichkeiten, die fremde Kultur auf der Folie der eigenen und vice versa in einem realen Austausch zu verstehen, waren damit gleich von Anfang verbaut.“ Sachs/Sefrin (1990), S. 425. Die Devotionalien der Christen galten als „religiös“, während die Fetische als „magisch“ verunglimpft wurden; Böhme (2006), S. 190f. 38 ���������������������������������������������������������������������������������������� Dabei ist ein „inneres Mittelalter“ der Reliquienverehrung auch in modernen Gesellschaften virulent geblieben; dazu grundlegend Böhme (2006); vgl. auch Latour (1995). 39 ����������������������� Böhme (2006), S. 199ff. 40 ����� Kohl (2003), S. 52 (nach Friedrich Pfister). �������� ��� ��� ������ ���������� ���������� ������������� Als Analogie mag man im Christentum das ���� ���� ��� ������������ ���� Kreuz ansehen, das in seiner Symbolik nach Schreiner (1993) zwischen „Heilszeichen“ und „Fetisch“ schwankt.

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Kirchengebäude selber denkt. Der sakrale Gegenstand im lateinischen Westen zeichnet sich durch eine Doppelheit zwischen gemachter Form und ungemachtem Inhalt aus. Hier hat es Methode, dass zwischen dem Behältnis und dem, was derselbe enthält, verdinglichte Interaktion stattfinden. Das Gefäß kann ohne Reliquie keine Wirkung entfalten, stellt es doch lediglich ein im weltlichen Sinne wertvolles Objekt dar, dem keine sakrale Bedeutung zukommt. Auch die Reliquie ohne Gefäß bleibt unvollständig, ohne besondere Aussagekraft. Um das in der Regel nur dem Besitzer der Reliquie zugängliche Wissen zu kollektivieren, bedarf es weiterer Medien, nicht nur heiliger Texte, sondern gerade auch wertvoller äußerer Hüllen, deren bildhafte Gestaltung das Gedenken zu intersubjektivieren und auf Dauer zu stellen vermag. Sie erst verleihen einem unscheinbaren, unansehnlichen Gegenstand seinen besonderen Rang.41 Verblasst das narrative Wissen um die Reliquie, tritt automatisch ihr Gefäß in den Vordergrund. Gerade wenn es ausgefallen genug gestaltet ist, kann sich das Ding verselbstständigen, was in der Renaissance immer öfter geschehen sollte. Dass das sakrale Ding im lateinischen Westen seine Kraft aus Gefäßstrukturen schöpft, kann in jedem Kirchenraum beobachtet werden.42 Die Sainte Chapelle in Paris war nichts anderes als ein gigantisches Reliquiar für die Dornenkrone, die König Ludwig IX. (1214–1270) aus Byzanz erhalten hatte.43 Der Dom zu Halberstadt hätte wohl nicht seine großzügige gotische Hülle erhalten, wenn er nicht als Gehäuse der Reliquienbeute aus Konstantinopel hätte dienen sollen.44 Besonders gut ist dieser Zusammenhang auch in der Basilica S. Andrea von Mantua nachzuvollziehen, in einer Kirche, die durch die nach Plänen von Leon Battista Alberti (1404–1472) gestaltete Westfassade sowie durch das Grab Andrea Mantegnas (1431–1506) in der Kunstwelt berühmt geworden ist. ­ Auch diese Kirche wäre wohl nicht gebaut worden, wenn sie nicht als Gehäuse für heilige Materie hätte fungieren sollen.45 Seit dem 16. Jahrhundert befindet sich blutdurchtränkte Erde in gläsernen, reich verzierten Kelchen, die Benvenuto Cellini (1500–1571) zugeschrieben werden (Abb. 3). Diese wiederum werden unsichtbar – sichtbar sind nur die Kopien derselben – in einem Altarschrein aufbewahrt, der wiederum in der Krypta aufgestellt ist, die als acht­ eckige Kapelle gestaltet ist. Dieser unterirdische Raum ist genau unter der Kuppel in der Vierungs­zone positioniert, im weiträumigen Kircheninneren gekennzeichnet durch eine marmorne Balustrade in Form eines Oktogons, die einen nicht betretbaren, heilig anmutenden Raum abgrenzt.46 Eine mehrstufige dinggesättigte Raum41 ��������������������������������������������������� Kohl (2003), S. 57f.; Reudenbach/Toussaint (2005). 42 ������������������������������������������������������������������������� Bereits in der Antike gilt die Kirche als großes Reliquiar, Crook (2000). 43 ���������������������������������� Kimpel/Suckale (1995), S. 400–405. 44 ����������������������� Janke (2006), S. 64–91. 45 ��������������������������������������������������������������������������������������� Der römische Soldat Longinus soll nach der Kreuzigung Blut aus einer Seitenwunde Chris­ ti aufgefangen haben; es heißt, dass diese blutige Materie im frühen Mittelalter nach Mantua gelangt sei. 46 �������������������������������������������������������������������������������������� Um die Inschriftplatte herum gruppieren sich in Form von Medaillons acht Reliefs; auf einem ist zum Beispiel das Schweißtuch der Veronika zu sehen, auf einem anderen Kelch, Nagel und Hammer. Auf der mittig eingesetzten Platte ist eine Inschrift angebracht, die den Pilger auffordert, sich niederzuwerfen und für seine Erlösung zu beten.

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3: Benvenuto Cellini zugeschrieben, heilige Kelche – „sacri vasi“ (Mitte des 16. Jh.), Mantua, Basilica S. Andrea, Krypta

verdichtung ist in dieser Kirche Programm: Vom gesamten Kirchengebäude über den Kuppelraum mit dem Oktogon und der darunter befindliche Krypta sowie dem dort aufgestellten Schrein bis zum Kelch und der darin mit Blut behafteten Erde. Sakrale Räume im Christentum sind nach Art russischer Puppen angelegt: innerhalb einer äußeren Hülle verbergen sich immer heiligere Zonen; als müsse sich der Gläubige asymptotisch dem Kern der Heiligkeit annähern. Wie ein Zitat des dem christlichen Kultding eingeschriebenen Matrjoschka-Prinzips erscheint auch das von Giulio Romano (1499–1546) geschaffene Fresko aus dem Jahr 1534 in der dritten Kapelle auf der rechten Seite von S. Andrea, die dem heiligen Longinus gewidmet ist. Dargestellt ist die zweite Auffindung des kostbaren Blutes aus dem Jahre 1048, die den Anlass gab, eine damals noch relativ kleine Kirche zu bauen.47 Man sieht, wie ein Geistlicher eine von zwei Arbeitern aus einer Grube geborgene Kiste öffnet. Der

47 ���� Die erste Auffindung fand 804 statt. Als wenig später die Ungarn Mantua belagerten, soll�������������������������� ������� ���������� ������� ���� ������� ������������������� ����� te die Reliquie begraben werden und zunächst nicht wiedergefunden werden.

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4: Giulio Romano, Die zweite Auffindung des heiligen Blutes (1534), Mantua, Basilica S. Andrea, LonginusKapelle

Zeigegestus erschöpft sich im Verbergen, denn was zum Vorschein kommt, ist nicht die Heilsmaterie selber, sondern mit dem Kelch ihr Behälter (Abb. 4). Kirchenräume sind Dingräume. Sie zeigen, dass ohne die Materialität des Raumes – seine Architektur und mediale Ausstattung – die Dinge nicht sein können, was sie sind.48 Dinge und Räume sind unentbehrliche Bestandteile der Ordnung des Erfahrund Sichtbaren und verführen deshalb dazu, sie als selbstverständlich vorauszusetzen, in den Worten von Hartmut Böhme: „Raum und Räumlichkeit muß, um überhaupt gedacht werden zu können, erfahren werden (…). Raum ist dasjenige, das die Kompaktheit und Trägheit, die Widerständigkeit und Schwere der Dinge und unserer Selbst erfahren lässt.“ 49 Der Raum wird durch konkrete Orte bestimmt – ein Haus 48 �������������������������������������������������������������������������������� Zwischen Ding und begrenztem Raum besteht ein konstitutiver Zusammenhang; siehe dazu den klassischen Text bei Husserl (1907, 1991); vgl. auch Rang (1990); hingegen zur Anbindung der Dinge an die Zeit als Morphologie der Dauer, Serie und Sequenz, Kubler (1961, 1982). 49 ���������������������� Böhme (2005), S. XVf.

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oder Quartier, ein besonderer Platz –, die alle durch Umgrenzung, Stetigkeit und Kontextgebundenheit bestimmt sind. Aus dem Raum wird dann ein Ort, wenn er dauerhaft architektonisch und handwerklich gerahmt, d. h. wenn er angeschaut und begangen werden kann.50 In der vorliegenden Studie gilt es, eine Vielzahl konkreter Räume, Schauplätze und Aktionsorte zu erörtern. Ob es sich nun um Erinnerungsräume, Erlebnisräume oder touristische Räume handelt: Menschen agieren nicht in neutralen Raumgefäßen, sondern in Bedeutungsräumen.51 Diese historisch vorgezeichneten, gesellschaftlich vermittelten Räume können statisch oder dynamisch wahrgenommen werden, aus dem ortsfesten Blickwinkel des Einheimischen oder mit den beweglichen Augen des Reisenden.52 Im Gegensatz zur „Zeit“ ist in der christlichen Religion die Kategorie „Raum“ als Thema stark vernachlässigt. 53 Dabei kann sich eine Phänomenologie des Raumes in dieser Religion von Ansätzen Gaston Bachelards (1884–1962) und Michel Foucaults (1926–1984) inspirieren lassen. Foucaults Begriff der „Heterotopie“, verstanden als En- bzw. Exklave, in der eine Gesellschaft ihr Anderes ein- bzw. ausschließt, lässt sich mit Bachelards emotionaler Nahraumorientierung paaren. Bachelards poetisierender Ansatz zeigt, dass wir in einem Raum leben, der mit zahlreichen Qualitäten behaftet ist, der möglicherweise voll gestopft ist mit Erinnerungen und Phantasmen. Positiv besetzte Wahrnehmungen des Raumes, Bilder intimer Räumlichkeit, wie Haus, Schlupf­winkel, Höhle oder die „Ästhetik des Versteckten“54 in Schubladen, Truhen, Nestern und Muscheln, beschreibt er in seiner Topophi­lie. Foucaults Raumkonzept der liminalen Krisen-, Abweichungs- und Illusionsorte bezieht sich auf tatsächlich existierende Orte, die mehr oder weniger körperlich zugänglich sind. Heterotopien sind „wirkliche, zum institutionellen Bereich gehörige Orte, die gleichsam Gegenorte darstellen, tatsächlich verwirk­lichte Utopien, in denen die realen Orte, all die anderen realen Orte, die man in der Kultur finden kann, zugleich repräsentiert, in Frage gestellt und ins Gegenteil verkehrt werden. Es sind gleichsam Orte, die außerhalb aller Orte liegen, obwohl sie sich durchaus lokalisieren lassen.“55 Stets an ein System von Öffnung und Schließung gebunden, sind Heterotopien nicht ohne weiteres für jeden zugänglich; ihr Betreten und Verlassen ist meist an bestimmte Ein- und Ausgangsrituale geknüpft. Phänomenologische Ansätze, die Raum als kulturelles Konstrukt und relationale Größe verstehen, schließen die Betrachtung des Raumes als Behälter nicht aus.56 Ganz im Gegenteil: Dinge, Körper und Raum erscheinen der Phänomenologie als 50 Augé (1994); Bachelard (1957, 2003). 51 ������������������ Bausinger (1998). 52 ������������� Groys (1997). 53 ������������������� Jooß (2006), S. 17. 54 ������������������������������ Bachelard (1957, 2003), S. 27. 55 Foucault (1967, 2005), S. 320. 56 ���������������������������������������������������������������������������������� Während in den meisten neueren Konzepten der Raum als soziale Konstruktion und relationales Gefüge beschrieben wird – Dünne (2006); Sturm (2000); Löw (2001) –, findet in jüngster Zeit die Behälterfunktion des Raumes wieder Beachtung, Schroer (2006), S. 178; Bachmann-Medick (2006), S. 305; vgl. auch Günzel (2006); Günzel (2006a).

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Behälter, in denen sich Leben ereignet.57 Die Bedeutung der Behältermetapher lässt sich empirisch vielfältig nachweisen. Gerade historisch zeigt sich, dass sowohl der eher vertikalen Raumkonzeption des Mittelalters als auch der eher horizontalen der frühen Neuzeit die imaginäre Folie eines Behälters zugrunde liegt.58 Das Kirchen­ gebäude ist ein hervorragendes Beispiel für einen Raum, von dem quasi a priori eine Schwerkraft ausgeht, die Verhalten und kommunikative Handlungen prägt und strukturiert.59 Die Containerfunktion des Raumes scheint die gesamte Dingwelt zu bestimmen. Dementsprechend ist es auch kein Zufall, dass Martin Heidegger (1889–1976) die universale Mittlerfunktion des Dinges am Beispiel eines Kruges exemplifiziert hat.60 Gerade als Container steigen Dinge zu Medien vielschichtiger, auch kontextuell sich verändernder Bedeutung auf. Die Gefäßstruktur mit ihren Mechanismen von Innen und Außen, Form und Inhalt, Sichtbarkeit und Verbergen macht die Dinge zur Bühne von Prozess, Transfer und Magie. Die Vasen der Medici beispielsweise, die in Sammlungen als Glieder einer Kette gleichartiger Objekte Symmetrien erzeugen, bleiben immer auch Gefäße für Anderes.61 Fungieren sie als Reliquiar, dann transformiert die Natursubstanz „Knochen“ das Artefakt „Vase“ in einen zwischen Glauben und Schauen schillern­den Gegenstand. Den Status einer Art „Hausreliquie“ für das welfische Herzoghaus Braunschweig erlangte das Mantuanische Onyxgefäß – ein ursprünglich aus der Kunstkammer Ferdi­nands Albrechts (1636–1687) in Bevern stammendes, als Meisterwerk der antiken Steinschneidekunst geltendes Fläschchen – nicht zuletzt deswegen, weil es als Salbölgefäß dem weisen König Salomo zugeschrieben wurde (Abb. 5).62 Wie Masken verbergen Gefäße etwas, indem sie sich zeigen. Vom Gral – dem geheimnisvollen Abendmahlskelch Christi – scheint deswegen eine so starke Wirkung auszugehen, weil er in den meisten Quellen weniger als erratisch-opakes Ding beschrieben wird, sondern als Lebenskraft spendendes Gefäß.63 Ein Gefäß ist auch in der antiken Überlieferung die Unheil, aber auch Hoffnung spendende Büchse der Pandora gewesen.64 57 ��������������������������� Schroer (2006), S. 174–181. 58 �������������������������������������������������������������������������������������� Foucault nimmt für das Mittelalter den Raumtyp der „Verortung“, der in einer transzendenten religiösen Ordnung verankert ist, als dominant an. Wichtigstes Instrument dieser Verortung ist dabei die Unterscheidung von heiligen und profanen Räumen, die Foucault Mircea Eliades Konzeption entlehnt. 59 ����� Dass die Spezifik der jeweiligen ���� ��������� ���� ����������� �������������� Raumsituation die neurologische ������������������������������ Disposition des �������� Menschen stark beeinflusst, zeigt sich schon daran, dass die Abrufbarkeit der im Unterbewussten gespeicherten Erinnerungspartikel vom Ort abhängig ist, an dem er sich gerade befindet. Bestimmte Orte sind es, die spezifische Erinnerungen wachrufen. 60 ����������������������� Heidegger (1950, 2000). 61 Pomian (1986); Heikamp/Grote (1974). 62 ������������������������������������������������� Ausstellungskatalog Braunschweig (2004), S. 130f. 63 ������������������������������������������������������������������������������������� „Daz war ein dinc, daz hiez der Grâl.“ Wolfram von Eschenbach, Parzival, 235, 20–24. Dieses „dinc“ oszilliert in seiner Beschaffenheit meist zwischen „Gefäß Gottes“, Reliquiar, Kelch und Schale; Barber (2004), S. 102–121; Burdach (1938, 1974). 64 ���������������� Panofsky (1992).

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5: Salbölfläschchen, sog. Mantuanisches Onyxgefäß, Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum

Die in dieser Studie ausgewählten Beispiele zeichnen sich durch materielle Polarität aus, changieren sie doch zwischen Reliquie und Ding. Neben Gefäßstrukturen, die die strukturbedingte Relationalität des Dinges gleichsam mikroskopisch freilegen, werden auch größere Raumstrukturen bedacht: externe Gefäßstrukturen wie Kunstkammer und Gelehrtenstube, Kirchenraum und Universitätsmuseum bis hin zur urbanen Topographie. Ausgehend vom stabilen Referenzgegenstand eines fest umrissenen Raums gilt es dabei aber auch, die jeweils implizierten Differenzen, Über­ gänge und Verschiebungen aufzudecken. Räume sind in ihrer Komplexität stets geprägt von Überlappungen, Überlagerungen, Konstruk­tionen des Gegenraums sowie Ungleichzeitigkeiten des Simultanen, die die von Zentrums- und Peripherievorstellungen geprägte Raumhierarchie unterminieren. Wie die Nischen der Musealität im Kirchenraum oder die Demarkationslinie von Innen und Außen im ­Pietismus zeigen werden, scheint Bedeutung nicht mehr primär im kulturellen Zentrum zu entstehen, sondern in spaces-in-between, von der aus die dominante Kultur konterkariert werden kann.65 65 ����������������������������������������������������������������������������������� Jeder Dualismus, ob er nun zwischen Subjekt und Objekt, Immanenz und Transzendenz, Utopie und Heterotopie konstruiert wird, geht zugleich mit Zwischenräumen einher. Den Konzeptualisierungshorizont des „Dritten Raums“ als Raum des Dazwischen hat der

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„Jenseits der Sprache existieren gewaltige Räume von Sinn, ungeahnte Räume der Visualität, des Klanges, der Geste, der Mimik und der Bewegung. Sie benötigen keine Nachbesserung oder nachträgliche Rechtfertigung durch das Wort.“ (Gottfried Boehm) 66 Inspiriert von bildwissenschaftlichen Ansätzen legt die vorliegende Studie materielle Signaturen frei, die bislang die wissenschaftliche Fokussierung auf Texte verdeckt hat. Exemplarische Untersuchungen, deren Gegenstände vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert reichen, erörtern Brückenschläge bzw. performative Praktiken, die ein Nahverhältnis zwischen Mensch und Ding herstellen sowie konkrete Orte, an denen sich das Spannungsfeld zwischen Glauben und Wissen zeigt. Vor allem jene Epochen sind von Interesse, in denen das Ding noch nicht durch bewusstseinsphilosophische Prozesse mediatisiert bzw. entmaterialisiert war; Epochen also, in denen von materiellen Objekten eine heute weitgehend unterschätz­te eigenmächtige Dignität sowie wissenserschließende bzw. identitätsstiftende Kraft ausgehen konnte.67 Die Darstellung gliedert sich in sechs Einzeluntersuchungen. 1. Die Kirche als Raum der Dinge zwischen Imagination und ­E rfahrung – Der Kirchenraum war nicht nur bevorzugter Ort, biblische Topoi zu imaginieren, wie jenen vom „himmlischen Jerusalem“; dort konnte man auch – ganz innerweltlich – Neugier spielen lassen, den eigenen empirischen Erfahrungsschatz erweitern.68 Einerseits schuf der Kirchenraum Rezep­tionsbedingungen für meist vorgefertigte, von Tradi­tionen und Vorwissen geprägte Deutungsmuster – der gläubige Kirchengänger nimmt das Gebäude dann als ein spirituelles „Mnemotop“69 wahr –, andererseits fanden im Kirchenraum auch materiell gespeiste Erfahrung bzw. Beob­ achtungswissen, das sich oft spontan einstellt, ihren Ort.70 Der Dingkult im Kirchenraum ging über die Verehrung herkömmlicher Reliquien weit hinaus. Hier, wo das Wunder zum Alltag gehörte, wurden auch kuriose Artefakte und Raritäten aus der Natur präsentiert. Es gilt zu untersuchen, welche Funktion derartige paraliturgische Gegenstände im Kirchenraum ausübten, wie sie mit Bedeutung aufgeladen wurden. Assimilierten sie sich an Bestehendem und Gewusstem oder wurden sie als fremd markiert? Konnte das kuriose Ding exotisch bleiben, oder ging es in vertrauten, gerade auch biblisch konnotierten Projektionen auf?71 Zweifellos wirkte das als Behälter für Exponate dienende Gehäuse des Kirchenraums als Generator der Transformation. Dinge waren hier dem Sog ausgesetzt, sich in Utensilien der Liturgie zu verwandeln. amerikanische Stadt­planer und Geograph Edward Soja geprägt; Bachmann-Medick (2006), S. 203–206. 66 ������������������� Boehm (2004), S. 4. 67 ���������������������������������������������������������������� Daston/Park (2002) Soentgen (2002/2003); Lang (2007), S. 133ff. 68 ������������������ Wenzel (1995), S. 99–104; ��������������������� Sedlmayr, S. ������������������������������� 39f.; Bandmann (1951), S. 62ff. 69 Assmann (1992), S. 59ff. 70 Fried (1986); Goetz (2003). N������������������������������������������������������������� ach Jacques Heers (1986, S. 65) geht es in Kirchenräumen darum, „Botschaften verständlich zu machen und die Neugier der Menschen zu befriedigen, sie sinnlich zu beeindrucken, die Monotonie zu durchbrechen und Anziehungskraft zu gewinnen, dem Geschmack der Zeit Genüge zu tun.“ 71 ������������������������������������������������������������������ Eine zentrale Quelle stellen dabei Reiseberichte dar; Esch (1991).

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Doch bestimmte Dinge entzogen sich dieser Anziehungskraft und entfalteten so eine irreduzible spatiale und ikonische Valenz. Auf sakral eingerahmten Inseln konnten Dinge als abgrenzbare Entitäten, d. h. individuell begriffen werden.72 2. Die Geburt der Kunstkammer aus der Trennung des Reli­ quiars von der Reliquie – Die Transformation der Reliquie in ein auratisches Objekt wird besonders deutlich in den berühmten Reliquien- oder besser Reliquiarsammlungen, wie sie Kurfürst Friedrich der Weise (1463–1525) in Wittenberg oder Kardinal Albrecht (1490–1545) in Halle zusammengetragen haben. Schon Thiofrid von Echternach hatte in seinen um 1100 entstandenen Flores Epytaphii Sanctorum dafür plädiert, den Unterschied zwischen Behälter und Inhalt, zwischen Reliquiar und Reliquie, einzuebnen.73 Nach seiner Darstellung fließt die Heilskraft der Reliquie über das Reliquiar zum Empfänger umso ungehinderter, je vollkommener das Reliquiar geformt ist. Spätestens seit der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1204 während des Vierten Kreuzzugs verwandelte sich die Interaktion zwischen Reliquie und Reliquiar so, dass immer öfter Schauöffnungen im Reliquiar die Heilspartikel dem Blick freigaben.74 In der Zeitenwende zwischen Spätmittelalter und Renaissance verschob sich das reizvolle Zusammenspiel natürlicher Authentizität und künstlerischer Virtuosität nun auf den Behälter selber, wohingegen die tatsächliche Wahrnehmung der Reliquie selber an Relevanz einbüßte. Die dem Gefäß inhärente Dingstruktur entfaltete sich so stark, dass es am Ende auf eigenen Füßen, d. h. ohne Inhalt bestehen konnte. Die Trennung zwischen Reliquie und Reliquiar war vollzogen, als sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Mitteleuropa die Sammlungsform der fürstlichen Kunstkammer durchsetzte, in der nach persönlichem Interesse des jeweiligen fürstlichen Besitzers seltene, kostbare und wundersame Gegenstände aus Kunst, Naturwissenschaft und Technik unter enzyklopädischen Gesichtspunkten zusammengetragen wurden. Mit der Trennung des Reliquiars von der Reliquie ging also der Aufstieg der Kammer zu einem großen Behälter einher, in dem sich nicht nur die Welt in Korrespondenzen zwischen naturalia und artificialia spiegelte, sondern auch drei Dingtypen zu Hause waren: das Präparat, die Memorabilie und die „Reliquie“, d. h. das Forschungsobjekt, das Souvenir sowie der religiös aufgeladene Bedeutungsträger.75 3. Dinge des Alltags als Medien einer weltgeschichtlichen ­Z äsur – Es gehört zum Selbstverständnis des reformatorischen Erbes, den Dingen ihre religiöse Aussagekraft zu nehmen und den Buchstaben als Bedeutungsmedium wie nie zuvor zu monopolisieren.76 Reden, Hören und Lesen stiegen zu den zentralen Wahrnehmungsformen auf, während Schauen und Anfassen diskreditiert wurden. Das 72 ��������������������������������������������������������������������������������������� Zu den mittelalterlichen Wurzeln der Individualisierung: Gurjewitsch (1994); Bredekamp (2000). 73 ��������������� Ferrari (2005). 74 ����������������� Toussaint (2005). 75 ������������������������������������������������������������������������������ Findlen (1994); Bredekamp (2002, 1993); Pomian (1998, 1987); MacGregor (2007). 76 ��������������������������������������������������������� Belting (1990), S. 510–523; Hofmann (1983); Rohls (2002).

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um die Inner­lichkeit des gläubigen Gewissens und die durch das Wort vermittelte Gnade kreisende Selbstverständnis der evangelischen Kirche hat lange Zeit verdeckt, dass es von Anfang an auch eine sinnliche Wirkungsgeschichte Luthers und seiner Reformation gegeben hat, die in Orten, Dingen und Bildern ihren Ausdruck fand. Der mit der ­Reformation einhergehende Traditionsbruch war mit der Konstruktion neuer Ursprungs­geschichten verknüpft, die zur Beglaubigung im besonderen Maße authentischer Objekte bedurften. Erst über diese identitätsstiftenden Materialisierungen konnte die ­ Memoria Breitenwirkung entfalten. Werden Dinge ernst genommen, gewinnt die Reformationszeit nicht nur an Plastizität, sondern es weicht auch ihr angeblich zäsuraler Charakter einer von Einzelfall zu Einzel­fall neu zu bestimmenden Gemengelage von Momenten der Beharrung und des Wandels.77 Dass die Lutherstube von Protestanten als „Reliquie“ bezeichnet wurde, zeigt, dass sie nicht nur in konfes­ sionspolemischer Absicht von Reliquie sprachen, sondern diesen Terminus bisweilen auch affirmativ zu nutzen verstanden, um durch einen altehrwürdigen Begriff ihre noch junge Tradition zu legitimieren. Je nach Kontext und Rezipient kann das evangelische Reliquienverständnis zwischen konfessionell-ideologischem, symbolisch-magischem und säkular-aufgeklärtem Deutungs­muster variieren. 4. Dinge als Initialzündung reformierter Wissensräume – Während sich die Orthodoxien der aus der Reformation hervorgegangenen neuen Kirchen dem Prinzip sola scriptura verschrieben, verliehen Nonkonformisten, wie Jakob Böhme (1575–1624), Bernard Palissy (1510–1589) oder Heinrich Khunrath (1560–1605) den Dingen als Repräsentanten nichtsprachlicher Wirklichkeit eine geradezu souveräne schöpferische Kraft. Die Naturanschauung, die sich in alchemistischem Experiment, physiko-theologischer Positionsbestimmung und Sammlungsambition Ausdruck verschaffte, schuf eine spezifische konfessionell-epistemische Identität, die über einen theo­logischen Diskurs weit hinausgehend konstitutiv auf den media­len Transfer von ­Exponaten und raumgreifenden Dingen angewiesen war. Je mehr Momente der Magie aus den Kirchenräumen der Reformation verschwanden, umso stärker schienen sie sich ein Ventil in Gelehrtenstuben zu suchen.78 In geheimnisumwitterten Laboratorien setzten sich alchemis­tische Denker auf der Suche nach dem Stein der Weisen als Anbeter der Dinge in Szene. Aber auch das Naturalienkabinett des empirisch arbeitenden Gelehrten kam nicht ohne einen reliquienähnlichen Objektkult aus, wenn gesammelte Pflanzen zu Bausteinen eines wiederherzustellenden Garten Eden gesammelt, oder Tiere als Bestandteile des Schöpfungsplans klassifiziert wurden. Ein Streben, möglichst nahe an die nicht von Menschen geschaffenen Dinge heranzukommen, ist zu erkennen mit dem Ziel, die dahinter verborgenen Strukturen des Schöpfungszusammenhangs zu erfassen.79

77 ������������������������������������ Hamm (2000), Jäggi/Staecker (2007). 78 ������������������������������������������������������������������������� Dass Luthers Zeit allenfalls in Theorie und Propaganda ein Zeitalter von sola scriptura gewesen ist, zeigte bereits Warburg (1920, 1998). 79 ����������������������������� Webster (1982), Blair (2000).

20  Raum – Ding – Kult

5. Der Hallesche Pietismus als Topographie der Frömmigkeit – Die Entstehungsgeschichte und Blüte der Franckeschen Stiftungen als eine Geschichte expandierender Materialisierung ist bisher noch nicht systematisch behandelt worden. ­August Hermann Francke (1663–1727) verwirklichte nicht nur mit seinen imposanten Bauten – mit dem Stammgebäude des Waisenhau­ses, dem Pädagogium sowie der raschen Schließung eines länglichen Rechtecks als geschlossene urbane Ganzheit – eine reale Utopie. Zu seiner Kartographie des Glaubens gehören auch eine Kunst- und Naturalienkammer und der damit einhergehende Realienunterricht sowie Apotheke und Medikamenten-Vertrieb. Als ob er sich mit Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) abgesprochen hätte, der zeitgleich sein Projekt eines theatrum naturae et artis propagierte, setzte Francke seine auf verschiedenen Sammlungen und Projekte fußende experimentale Pädagogik öffent­lichkeitswirksam in Szene und vermittelte einen Pietismus, der von haptischer und ikonischer Wahrnehmung geprägt war.80 Für ihn war Gott quasi in Stein gemeißelt. Sein Wirken manifes­tierte sich im Ding: vom gesamten Bauensemble bis zum einzelnen Exponat in der Kunst- und Naturalienkammer. Bei Francke sind Dinge als Medien der theologischen Erkenntnis etabliert, die oft im ­Modus augenblicklich sich einstellender Offensichtlichkeit Gestalt annehmen. Wie bei Jakob Böhme ein Jahrhundert früher und den Romantikern ein Jahrhundert später, muss sich das göttliche Licht an einem körperlichen Gegenstand brechen, um für den Menschen real zu werden. 6. Kirchengeschiche zwischen Museumsbildung und Forschungslabor – Während in der frühmusealen Epoche, im Zeitalter vor der ­Objektspezialisierung, an fremden Exponaten noch die ars combinatoria zwischen den Reichen der Natur und der Kultur geübt werden konnte, setzten sich im 19. Jahrhundert Sammlungen durch, die – nach aufgeklärt-wissenschaftlichen Kriterien zusammengestellt – ihre Objektbereiche räumlich und institutionell trennten. Das in der Universität behei­matete Museum vereinigte hingegen noch bis tief ins 19. Jahrhundert vielfältige Funktionen, die im Laufe der bildungsbürgerlichen Diversifizierung auseinander treten sollten. Hier konnte sich unter einem Dach in engster Nachbarschaft ein Kosmos materialisierten Wissens entfalten.81 So gesellte sich in der Berliner Universität die vom Theologen Ferdinand Piper (1811–1889) im Jahre 1850 gegründete Christlich-archä­ologische Kunstsammlung zu den schon bestehenden der Anatomie, Mineralogie und Zoologie. Mit Pipers Konzept einer „Monumentalen Theologie“ war die Errichtung eines ambitionierten Wissenssystems der Kirchengeschichte verknüpft, das aus dem Anschauungspotential aussagekräftiger Dinge schöpft.82 Mit dieser universitären Schausammlung wurde eine Experimentierbühne geschaffen, auf der die textbasierte evangelische Theologie um das Prinzip Anschauung erweitert werden konnte.

80 ������������������������������������������������������� Sträter (2001); Müller-Bahlke (1998); Bredekamp (2004). 81 ��������������� Brüning (2006). 82 ����������������� Bredekamp (1978).

1. Materielle Kraftfelder im Kirchenraum





In einigen Kirchen pflegen sie Straußeneier und ähnliche Dinge aufzuhängen, die Bewunderung erregen und die selten zu sehen sind, damit dadurch das Volk zur Kirche gezogen und mehr ­beeindruckt wird. Durandus von Mende (1280)

Die Affinität von Sakralität und Musealität kann architektonisch auf zweierlei Weise zum Ausdruck kommen. Zum einen findet eine Reihe von modernen Museen ihr Zuhause an Orten, die ursprünglich Stätten des Glaubens gewesen sind, d. h. in umgenutzten Kirchen oder Klöstern. Zum anderen eröffnen Kirchen selber, ohne dass sie ihre Rolle als Gotteshaus verlieren, einen Rahmen für Praktiken, die als museal gelten können. Dass es Museumsräume des Sakralen gibt, ist allgemein bekannt, seit Alexan­dre Lenoir (1761–1839) während der Französischen Revolution dem Vandalismus Einhalt gebot und mittelalterliche Kunstwerke hinter Klostermauern der Petits Augustins in Paris in Sicherheit brachte, woraus im Jahr 1796 das Musée des Antiquités et Monuments Français entstehen sollte, eine Attraktion insbesondere für gebildete Bürger. Ein Paradebeispiel aus Deutschland stellt das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg dar, dessen architektonischer Kern aus einem spätmittelalterlichen Karthäuserkloster mit Kirche, Kreuzgängen und Mönchshäusern besteht. Auch neu errichtete Museen, wie das 1830 von Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) in Berlin errichtete, erscheinen mit Tempelfront und Rotunde als heiliger Mitte im sakralen Gewand. Sakral anmutende Raumordnungen umgaben im 19. Jahrhundert In nonnullis ecclesiis ova structionum et huiusmodi, que admirationem inducunt et que raro videntur, consueverunt suspendi, ut per hoc populus ad ecclesiam trahatur et magis afficiatur. Durandus, Rationale divinorum officiorum, hrsg. von A. Davril/T.M. Thibodeau (Corpus Chris­ tianorum Continuatio Mediaevelis CXL), Turnhout 1995, I, III, 43 (S. 49).  Humboldt (1799, 1980). Aus dieser musealen Einrichtung wiederum sollte 1844 das Musée Cluny hervorgehen, in dem die Exponate nicht selten mit der Sakralarchitektur verschmolzen; Bann (1978). Zur „ikonoklastischen“ Praxis der Kuratoren, die aus Ikonen der Religion Kunst schaffen: Groys (2007).  Bott (1992). Auch das Luthermuseum in Wittenberg ist aus einem – nicht vollendeten – Augustinerkloster erwachsen; Laube (2003); schon 1765 wanderte das von Herzog Carl I. (1713–1780) in Braunschweig gegründete Kunst-und Naturalienkabinett von der Burg Dankwarderode in das Paulinerkloster, in dessen Kirchengebäude das herzogliche Zeughaus untergebracht war; Walz (2004), S. 15; Klössel (2004).  „Galerien als Kapellen der Kunst“ bei Sheehan (2002), S. 78–81; Offe (2005), S. 573f.; Schra de (1936), S. 53ff. 

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6: Antonello da Messina, Der heilige Hieronymus im Gehäus, Tafelbild (1475), London, National Gallery

Schreine der Kunst, denen sich der Betrachter in ritualisierter Geste, d. h. im Glauben an die Idee der Schönheit anzunähern hatte. Die romantische Kunstwahrnehmung machte aus dem Museum eine „ästhetische Kirche“. Wilhelm H. Wackenroder (1783–1853) schlüpfte in die Rolle eines „kunstliebenden Klosterbruders“ und ver­ glich den Kunstgenuss mit einem Gebet. Bereits auf Gemälden der frühen Renaissance fällt die sakrale Einfassung von humanistischer Studierstube bzw. Sammlungsraum auf. So schuf Antonello da Mes­ sina (1430–1479) eine gotische Phantasiearchitektur, die deutlich das Interieur eines Kirchenraums wachruft (Abb. 6). Als Bild in einem Bild ist im Profil auf einem büh­ nenartigen Podest der in die Lektüre versunkene Kirchenvater Hieronymus dargestellt, von Regalwänden umgeben, in denen Bücher und Gegenstände, vor allem  ��� So ����������������������������� Friedrich Hölderlin in einem ���������������� Brief an seinen ������� Bruder ������������ [1799], in: ����������������� Sämtliche Werke, ������� Bd. 3, hrsg. von Norbert von Hellingrath/Ludwig von Pigenot, Berlin 1923, S. 403.  ����������������������������������������������������������������������������������������� Wackenroder (1797, 1991), S. 106; siehe auch Johann Wolfgang Goethes Zitate des Sakralen nach seinem Besuch der Dresdner Gemäldegalerie: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, Bd. 2, Achtes Buch, Frankfurt am Main 1982 (Insel-Ausgabe), S. 358.  ������������������������� Jahrzehnte später sollte ����������������������� Vittorio Carpaccio die ���������������������������������������� Vision des heiligen Augustinus hingegen in einer Räumlichkeit platzieren, die durch Form und Kassettendecke eher symmetrischhorizontale Bedürfnisse der Renaissancezeit anspricht (vgl. Abb. 1).

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7: Fiktion einer Kunstkammer, aus Relationes Curiosae (1687)

Gefäße, aufgestellt sind. Auch frühneuzeitliche Idealansichten von Kunstkammern zeigen, dass sich Musealität besonders gut im Rahmen sakraler Architekturelemente entfaltet. So sieht man auf einer Abbildung einer Kunstkammer in den Relationes Curiosae (1687) zahlreiche Besucher unter hängenden Schiffen und einem Krokodil in einer sakral ausstrahlenden dreigeteilten Wandelhalle. (Abb. 7). Ebenso der berühmte Kupferstich zur Wunderkammer von Athanasius Kircher (1602–1680), die in ihrer Mixtur aus galleria und studiolo, ein mundus combinatus in einer Räumlichkeit vermittelt, die an ein monumentales Kirchenschiff erinnert (Abb. 8). Im linken Raumfeld des musaeum erkennt man unterschiedliche Exponate, wie Muscheln, Hörner, kosmische Modelle, Heiligengemälde, liturgische Gefäße, zudem fehlt auch hier ein von der Decke herabhängendes Krokodil nicht.10 Bereits im 1565 publizierten Traktat Inscriptiones vel tituli theatri amplissimi von Samuel Quiccheberg (1529–1567) ist mit theatrum eigentlich ein sakraler Gebäudetyp gemeint. Über einem ovalen Grundriss

  ���������������������� Beßler (2009), S. 40f.   Siegel (2003), S. 172f. 10 Mayer-Deutsch (2008), S. 284–286; zur Struktur von Kirchers Wissenschaftsauffassung im Barock: Leinkauf (1994).

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8: Kunstkammer des Athanasius Kircher in Rom,­­ ­anonyme Radierung (1678)

erhebt sich eine Wandelhalle, die einen Kreuzgang zitiert.11 Dieses ideale Konstrukt versteht sich als ein Behältnis zur Aufbewahrung, systematischen Ordnung und Präsentation einer Sammlung, die von Landkarten bis Möbeln, von Goldschmiedearbeiten bis Skeletten, von Jagdwerkzeugen bis Kupferstichplatten und von Edelsteinen bis zu Musikinstrumenten reichen soll.12 Kunstkammern, die in ihrer räumli­ chen Fassung ein Kirchenschiff figurieren, fungieren als Embleme einer wohl geordneten Schöpfung. Das Museum in seiner Eigenschaft als Gottesdienst, so hatte 11 ��������������������������������� Quiccheberg (1565, 2000), S. 106. 12 In Hamburg ����������������������������������������������������������������������������������� beispielsweise befanden sich auf dem Gelände von ehemaligen Klosteranlagen in abgetrennten Räumlichkeiten Regale für Bücher und Vitrinenschränke mit Raritäten, Neickel (1727) S. 51f.

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9: Salomon als Sammler, der die Einrichtung seines NaturalienKabinetts dirigiert, ������������ Kupferstich (1732),�������������������������� aus Noël Antoine Pluche, Spectacle de la nature

es der Begründer der Museologie, Johann Da­niel Major (1634–1693), bereits auf den Nenner gebracht, galt es doch, die unermessliche Vielfalt der Schöpfung zu veranschaulichen.13 Das Naturalienkabinett schien den Besucher – nur ohne sanktionierte Sakra­mente und Riten – in eine Kirche zu versetzen, wenn Caspar Friedrich Neickel in seiner Museographia (1727) schreibt: „Keine bessere Gelegenheit findet man zu dieser fast mit himmlischer Betrachtung der Natur, als in Museis oder solchen Orten, welche ausdrücklich darzu an einer bequemen und einsamen Stelle angeordnet sind, woselbst man gleichsam alle unnütze Geschäffte und weltlichen Rumor verläst, dage­gen aber seine Sinnen und Gedancken zusammen rufft, und einig und allein zur Ehre Gottes in der Betrachtung aller seiner Wunder anwendet.“14 Als biblischer Bezugspunkt diente meist Psalm 24, wo es heißt: „Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist.“ Die Welt selbst konnte also als eine Kunstkammer Gottes verstanden werden. Abbé Noël Antoine Pluche (1688–1761) leitete sein achtbändiges Spectacle de la nature mit einem Titelkupfer ein, das den weisen König Salomon bei der Einrichtung seiner Naturalienkammer zeigt (Abb. 9). Salomon stieg in der frühen Neuzeit zur zentralen Identifikationsfigur religiös grundierter Sammlungskultur auf; es hieß, er habe bereits ein Kuriositätenkabinett begründet, um alles verfügbare Wissen zu vereinen: „Und der redete von Bäumen, von der Zeder an auf dem Libanon bis an den 13

J. D. Major, Unvorgreiffliches Bedencken von Kunst- und Naturalien-Kammern insgemein, Kiel 1674, nach Berliner (1928), S. 333. 14 ����������������������� Neickel (1727), S. 447.

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9a: Kloster und Kunstkammer. Das Beispiel Stift Göttweig,������������������ Salomon Kleiner, Kupferstich (1744)

Ysop, der aus der Wand wächst. Auch redete er von Vieh, von Vögeln, von Gewürm und von ­Fischen.“15 Major stellte sich in seiner Grundlagenschrift zur Museumskunde (1674) im sechsten Kapitel die Frage „Ob König Salomon einige Kunst- und Naturalien-Kammer zu Jerusalem gehabt?“.16 Schon Francis Bacon (1561–1626) hatte in seiner unvollendeten, postum veröffentlichen Fabel Nova Atlantis als Kern seiner Utopie ein „Haus Salomon“ entworfen, in dem sich fromme Forscher einer systematisch betriebenen Arbeit des Sammelns, Experimentierens und Interpretierens widmen, um auf diese Weise das Natur­wissen und dessen praktischen Nutzen zu vergrößern.17 Im Einflussfeld dieser Deutungen kann es kaum überraschen, dass Kunst- und ­Naturalienkabinette gerade in kirchlichen Institutionen blühten, bei den Jesuiten in Rom durch Athanasius Kircher ebenso wie bei den Benediktinern in Paris durch Claude du Molinet (1620–1687) oder bei den lutherischen Pietisten durch August Hermann Francke (1663–1727). Die berühmte, in der Renaissance in einem separaten Gebäude untergebrachte Klosterbibliothek von St. Gallen war zugleich mit zahlreichen Kuriositäten bestückt.18 Auf den Salzburger Fürstbischof Guidobald Graf Thun (1616–1668), der als Prinzipalkommissar und damit Stellvertreter des Kaisers hohe diplomatische Aufgaben auf dem Reichstag zu Regensburg wahrzunehmen 15 ����������������������������������������������������������������������������������� 1 Könige 5, 12–14. Schon die Geschichte der Arche Noah hatte zum Sammeln und Untersuchen der Natur angeregt; zur Wissensarchitektur und biblischer Metaphorik: Ausstellungskatalog ­Oxford (1998). 16 Wiederabdruck ���������������������������������������������������� der Passage bei Klamt (1999), S. 444f. 17 Bredekamp ������������������������������������������������ (2002, 1993), S. 63f.; Bennett (2010). 18 Tremp ��������������������� (2007), S. 14f.

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10: Kloster und Kunstkammer. Das Beispiel Kremsmünster, Ansicht von Südost, F. Runk, Aquarell (um 1810)

hatte, geht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Gründung eines Kuriositätenkabinetts im Domkomplex zu Salzburg zurück.19 Kaum ein Benediktinerkloster überregionaler Bedeutung verzichtete auf eine Kunstkammer, in der Erweiterung des Wissenshorizonts und göttliche Verehrung Hand in Hand gingen. Im südöstlichen Turm des barock umgestalteten, österreichischen Stiftes Göttweig, im Musaei Contignatio Superior, fand nicht nur die berühmte graphische Sammlung des Benediktinerklosters ihr neues Zuhause.20 Zugleich zeigte Abt Gottfried Bessel (1672–1749) dort Waffen, Rüstungen, Vogel­präparate, Geweihe und Kleinskulpturen. Auf einem von der Decke herabhängenden Lattenrost waren Lanzen, Hellebarden, Sägefische sowie ein Narwalzahn ausgelegt (Abb. 9a).21 Was sich hier schon selbstbewusst in Szene zu setzen wusste, erfuhr 150 Kilometer südwestlich noch eine eindrucksvolle architektonische Steigerung. Im Benediktinerstift Kremsmünster überragt der zwischen 1748 und 1760 errichtete „Mathematische Turm“ mit seinen Sammlungen aus Natur, Wissenschaft und Kunst sogar die doppeltürmige barocke Klosterkirche (Abb. 10). Das auch als Sternwarte dienende Hochhaus verkörperte zugleich eine Wertehierarchie des Sammlungskosmos – vom Unbeseelten zum Beseelten. In den unteren Etagen wurden naturalia gezeigt, in den mittleren scientifica und mechanica, in den oberen artefacta, ganz oben befand sich die aula astronomica, über die sich im siebten Stock als memento des Schöpfers all dieser Dinge bezeichnenderweise noch 19 ��������������� Watteck (1981). 20 ���������������������������������� Lechner/Grünwald (2010), S. 18–20. 21 Im ���������������������������������������������������������������������������������� darüberliegenden Geschoss waren Münzen, antike Figuren, Elfenbeinschnitzereien und Fos­silien untergebracht.

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das Kapellenzimmer stellte. Gerade dem kirchlich strukturierten Weltbild entsprach es, die über die menschliche Vorstellungskraft triumphierende, unermess­liche Schöp­ ferkraft und Phantasie Gottes zu veranschaulichen, die der Betrachter umso mehr bestaunen müsse, da Gott – so die Propaganda – diesen dinglichen Reichtum in wenigen Tagen geschaffen hatte. Der ursprünglich vertikal ausgerichtete Kirchenschatz, in dessen Zentrum das vornehmlich aus Reliquien bestehende Heiltum gestanden hatte, dehnte sich horizontal auf die Staunen erregenden Phänomene der Welt aus, ohne von ihrem transzendent-vertikalen Bezug einzubüßen.22 Hatten sich Fürstbistümer und geistliche Orden in früheren Zeiten noch mit musealen Nischen innerhalb ihrer Kirchengebäude begnügt, wenn es galt, außergewöhnliche Objekte zu zeigen, baute man sich jetzt zu diesem Zweck ein eigenes Hochhaus. Die museale Funktion von Kirchenräumen ist bisher kaum in das wissenschaftliche Blickfeld getreten. Das Wort „Museum“, eine Neubildung aus dem Humanismus, bedeutete zunächst nicht mehr als das Studierzimmer eines Gelehrten; wenig später übertrug sich dieser Begriff auf einen Raum, der unterschiedlichste Dinge ausstellt.23 An die musealen Qualitäten, die auch dem Kirchenraum innewohnen, dachten die Nutzer dieses Terminus kaum. Dabei gibt es „Mu­seumskirchen“24 bereits, bevor die moderne Museumsidee geboren wurde, bevor in säkularisierten Klös­tern und profanier­ten Kirchenräumen die ersten modernen, öffentlich zugänglichen Museen ihre Pforten öffneten. Versteht man mit dem Museumshistoriker Krzysztof Pomian unter einer Sammlung ganz allgemein „eine An­häufung natürlicher oder künstlicher Gegenstände, die zeitweilig oder endgültig dem Lauf der wirtschaftlichen Aktivitäten entzogen, einer speziellen Obhut unterworfen und in einer hierfür eingerichteten Räumlichkeit ausgestellt sind“25, dann sind museale Akzente schon im Kirchenraum des Mittelalters und der frühen Neuzeit unübersehbar.26 Ehe im Zeitalter der Romantik mit der Säkularisation die Musealisierung des Kirchengebäudes als Ganzes voranschreiten konnte, waren kirchliche Räume durch museale Teilfunktionen geprägt, die sich im Laufe der frühen Neuzeit immer mehr verselbstständigen konnten.27 Neben Reliquien, illuminierten Handschriften und Kunstwerken verfügte jede bedeutende Kirche auch über einen Fundus an Schätzen und Kuriosa. Insbesondere Raritäten aus der Natur erregten Aufsehen. Gustav Klemm (1802–1867) zählt sie in seiner Geschichte der Sammlungen für Wissenschaft und Kunst in Deutschland (1838) auf: „So finden wir an mehreren größeren Kirchen, z. B. im Stephansdome zu Wien Riesenknochen aufgehängt …; so in der Kreuzkirche zu Breslau an gewaltiger eiserner Kette eine Riesenrippe, in der Peterskirche zu Lübeck 22 Klamt (1999), S. 315–339; Wintz (2009); Lechner (2008), S. 244f. 23 Findlen (1989); zum Typus „Arbeitszimmer“ im Mittelalter: Ebert-Schifferer (1993). 24 Calov (1965), S. 20. 25 Pomian (1994), S. 107. 26 Kohl (2005), S. 232f. 27 Danielle Gaborit-Chopin, aus Ausstellungskatalog Paris (1991), S. 310f.

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große Walfischknochen …; Meteorsteine, ausgegrabene Gebeine der riesenhaften Thiere der Urwelt, dann Seltenheiten, welche fromme Pilger oder Ritter aus dem heiligen Lande, aus Spanien oder von gefahrvollen Meerfahrten heimgebracht, wurden in den Kirchen zu ewigem Gedächt­niß aufgestellt; wie im Dome zu Braunschweig eine Greifenklaue hängt, welche Heinrich der Löwe mitgebracht.“28 Sowohl vor Ort Gefundenes als auch Pilgermitbringsel aus der Ferne fanden im Kirchenraum eine neue Heimat.29 Sobald wir den Stellenwert solcher Kuriosa behandeln, werden wir auf einen komplexen kirchen- und kulturgeschichtlichen Kontext aufmerksam gemacht, der dieser Dingwelt manchmal neue äußere Gestalt, manchmal neue Bedeutung verschaffte. Fragen drängen sich auf: Galten die Objekte als sakral oder eher als profan? Durfte das kuriose oder fremde Objekt ausgefallen bleiben, oder wurden darauf biblische oder dogmatische Bedeutungen projiziert? Es ist nicht abwegig, in mittelalterlichen Kirchenräumen eine Avantgarde der Kunst- und Wunderkammern zu sehen.30 Julius von Schlosser (1866–1938) und David Murray (1842–1928), Bahnbrecher der Forschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sahen eine Entwicklungslinie von Kirchenschätzen des Mittelalters über die Kunstund Wunderkammern der frühen Neuzeit bis zu den Museen der Moderne. Schon Klemm gab einem Kapitel seiner Abhandlung den Titel „die Kirchen als Museen des Mittelalters“.31 Entsprechend hat auch Friedrich Nietzsche (1844–1900) in Kirchen weniger „Grabmäler Gottes“ gesehen, sondern „eine Enzyklopädie von vorzeitlichen Kulten und Anschauungen“.32 So manchem Kunstwerk in der Kirche muss heutzutage ein Verbotsschild vorangestellt werden: „Nur für Beter – keine Besichtigung“. Ernst Jüngers (1895–1998) Klage zur musealen Zweckentfremdung der Kirchenräume – „es gibt eine unmerkliche Art, in der sich die Grenze verwischt, die den Küster vom Kustos trennt. Dem entspricht u. a. eine merkwürdige Verwandlung der Reliquie aus einem sakralen in ein museales Instrument“33 – offenbart eine Nähe von sakral und profan, heilig und mu­seal, die den Schriftsteller und Philosophen irritiert. Für die Gelehrsamkeit des Barock verstand sich dieser Gedanke von selbst. Als 28 Klemm (1838), S. 142f. 29 Tripps (2005); Murray (1904), S. 7f.; Otte (1883), S. 48, S. 213, Klemm (1838) S. 142. 30 In der Regel begannen Fürsten in ihren Residenzen oder Bürger in ihren Rat- und Zeughäusern erst später, ihre Sammlungen anzulegen; Reinle (1988), S. 298f.; MacGregor (2007), S. 2–9. 31 Klemm (1838), S. 135–143. 32 �������������������������������� Friedrich Nietzsche, Morgenröte ��������������� [1881], Erstes �������������������� Buch, 70; vgl. auch ���������������� François (2010). 33 Ernst Jünger, In den Museen [1979], nach Museumsbesuche (2004), S. 251. Bisweilen konnten Musealien wieder ihre liturgische Funktion zurückgewinnen, so in Kassel, als der in jungen Jahren zum Katholizismus konvertierte Landgraf Friedrich II. (1720–1785) seine neuerbaute katholische Elisabeth-Kirche mit Objekten, wie Altarblätter und Reliquienbehälter ausstattete, die ursprünglich für das von Rudolf Erich Raspe (1736–1794) konziperte „Gotische Kabinett“ im Kunsthaus des Ottoneums vorgesehen waren, aus dem wenig später das Fridericianeum hervorgehen sollte; Linnebach (2005).

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11: Preziosen einer Schrankvitrine, St. Denis, Klosterschatz, Kupferstich (1706), aus Michel Felibien, Histoire de l´abbaye royale de Saint-Denys, Tafel IV

musealer Ort in der Sammlungstopographie der früh­en Neuzeit spielt die Kirche eine herausragende Rolle. Einen Ansatzpunkt besonderer Art bildet dafür das Kloster Saint Denis.34 Als Grablege der französischen Könige, Benediktinerkloster und Schatz­haus verkörpert Saint Denis die Koinzidenz von heiligem Ort und modernem Museum. Von Abt Suger (1081–1151) angelegt und in seinen Schrif­ten mit theologischer Bedeutung belegt, war die Sammlung dieses Klosters zum königlichen Schatz Frankreichs herangewachsen, der seit dem 16. Jahrhundert zur Besichtigung durch Neugierige offenstand.35 Bereits 1505 entstand auf Geheiß von König Ludwig XII. (1462–1515) ein schriftliches Inventar des Schatzes, und seit 1659 wird der Schatz in einem mehrfach aufgelegten, mit Illustrationen versehenen Abrégé de l’inventaire du thrésor de St. Denys präsentiert. Die Beschreibung der Gegenstände ist nach den Schränken gegliedert, in denen sie aufbewahrt bzw. zur Schau gestellt waren, pour la satisfaction des personnes curienses, wie es im Titel des Führers heißt. Großformatige Kupferstiche in einem repräsentativ ausgestatteten Prachtband aus dem Jahr 1706 machten den Schatz von Saint Denis berühmt (Abb. 11).36 Der italie­nische Universalgelehrten Girolamo Cardano (1501–1576), der in seinem Werk De rerum varietate (1557)

34 Burkart ��������������������������� (2009), S. 173–196. 35 Die Schatzkammer sollte immer stärker museale Züge annehmen, ihre Besichtigung fehlte in kaum einer Kavaliersreise; Coryat (1608), S. 44; Doublet (1620), S. 320; Evelyn (1641– 1706, 1890), S. 42; Browne (1664, 1923), S. 13. 36 Félibien (1706).

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Gedanken zum Sammlungswesen am Beispiel der Sammlung von Saint Denis erörtert, geriet ins Schwärmen: Unus vero scopus est in delectu rei – „Der einzig wahre Zweck einer Sache besteht im Wohlgefallen daran.“37. Auch in Deutschland fand Saint Denis große Beachtung. Michael Bernhard Valentini (1657–1729) thematisiert Saint Denis in seinem Musei Museorum (1712) und Neickel schreibt: „So ist auch der curiöse herrliche Schatz in dieser Kirche billig zu bewundern, indem die Religiosi, die den Schatz sehen lassen, nicht ermangeln, den Reisenden, und denen, so selbigen Schatz besichtigen, genaue Nachricht zu geben, und alles nettement zu erklären.“38 Bei aller Begeisterung für Saint Denis wurden die Kirchen anderer Länder nicht vergessen. Neickel widmet in seiner Museographia allein den Kirchen Hamburgs zehn Druckseiten,39 und Christian Kundmanns Promptuarium rerum naturalium et artificalium vratislaviensae (1724) beginnt mit einem ausführlichen Kapitel über die „Merk­wür­digkeiten“ der Kirchen Breslaus.40 Wer Freude an alten und kuriosen Ob­jek­ ten hat, weiß als Besucher einer Stadt, wohin er zu gehen hat: in die alten Kirchen.

Sphären der Schau In Kirchengebäuden materialisiert sich besonders augenfällig der christliche Glaube.41 Durch Architektur und Ritual nahm hier ein heilig besetzter Raum Gestalt an.42 Seine Eigenart hat Horst Wenzel als „Schauraum“ zu bestimmen gesucht, während Friedrich Ohly – auf die zyklisch organisierte Liturgie verweisend – das Gehäuse als „Zeitenraum“ versteht.43 Liturgische Requisiten, Schatzobjekte und Votivgaben lassen den Raum jedoch auch als „Dingraum“ charakterisieren. In Sakristeien und Schatzkammern vor der Profanierung des Alltags geschützt, werden die sakralen Objekte zu großen Kirchenfesten und Prozessionen hervorgeholt und zur Schau gestellt.44 Gläubige und Pries­ter orientieren sich am Liturgie- und Ritualangebot der jeweili­ gen Kirche, durch Gebete, Kniefall und andere Zeremoniepraktiken. Rituale verbinden das materiale Gehäuse mit den Erfahrungen der Gläubigen. Sie markieren einen Raum, innerhalb dessen besondere Regeln gelten.45 Das grundsätzliche Bedürfnis der materiellen Verkörperung der christlichen Botschaft ist bereits in den ältesten christlichen Zeugnissen und Institutionen spürbar. Schon in frühester Überliefe37 Cardanus (1557, 1663, 1966), S. 340. 38 Neickel (1727), S. 33. 39 Ebd., S. 44–54. 40 ������������������������ Kundmann (1726), S. 225. 41 Rau/Schwerhoff (2008). 42 Kohlschein/Wünsche (1998); aus anthropologischer Perspektive Möbius (2008). 43 Ohly (1983, 1972); Wenzel (1995); S. 99–104; vgl. Sedlmayr, S. 39f.; Jungmann (1948), S. 34; Herwegen (1926). 44 U. a. Kohl (2005), S. 232f.; am Beispiel der Volksfrömmigkeit des Spätmittelalters Scribner (1990, 2002), S. 115. 45 Offe (2005), S. 176.

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rung wird die Geburt Christi als Fleischwerdung Gottes, als Materialisierung von etwas Geistigem betrachtet. Das Sakrament des Altares, das Brot und Wein auf geheimnisvolle Weise verwandelt, stellt die Notwendigkeit einer Verdinglichung vor Augen. Aber auch praktische Erfordernisse verwandelte Kirche in einen Ding­raum. Die Spende materieller Güter, die von den Gläubigen etwa in der Form von Naturalgaben erwartet wurde, machte die Kirche zu einem Speicher, und es verwundert nicht, dass so mancher Dachboden einer Kirche von der örtlichen Bauernschaft als Vorratskammer genutzt wurde.46 Nicht zuletzt dienten die gut zu sichernden, aus feuerfestem Material erbauten Kirchen als Aufbewahrungsort von Wertgegenständen und Dokumenten.47 Funktionen, die in der Moderne von Museum und Archiv, aber auch vom Theater übernommen werden, fanden ihre frühe Heimstatt oft in der Kirche. In Zeiten ohne institutionalisierte Kultureinrichtungen war die Kirche zumindest partiell Schauplatz kultureller Vielfalt. Von jeher war sie als Ort liturgischer Dramen und exponierter Objek­te ebenso theatral wie auch museal geprägt. Man denke nur an ausklappbare Altarretabeln, „handelnde Bildwerke“48, mit Orgeln und mechanischen Uhren verbundene Figurenautomaten49 sowie an den Brauch jener liturgisch ge­rahm­ ten Heiltumsweisungen, die große Volksmassen anzuziehen pflegten.50 Kirchen, insbesondere Kathedralen, stellten lange Zeit die einzigen überdachten, geschützten und zugleich geräumigen Gebäude der Stadt dar, in denen es möglich war, „lebende Bil­der“51 zu inszenieren und großformatige Einrichtungsgegenstände aufzustellen.52 Jenseits rein gottesdienstlicher Funktionen eröffneten die Kirchen ebenso wie ­a ntike Tempel stets auch Räume für außergewöhnliche Musealien:53 Memorabilien, die an denkwürdige Ereignisse erinnerten; rätselhafte Kuriosa, wie Mammutknochen, die die von Gott geschaffene Vielfalt der Natur verkörperten; schließlich auch technische Erfindungen, wie astronomische Uhren und automatisch bewegte Fi­gu­ 46 Suckale (1999), S. 20. 47 In der Forschung gibt es noch immer Nachholbedarf, wenn es um die Bestimmung des profanen Stellenwerts von Kirchenräumen geht. „Unseres Wissens ist nie ein Buch geschrieben worden über die Funktionen der gotischen Kathedralen in der Alltagswelt wie über das tägliche Leben in diesen Kirchen.“ Kimpel/Suckale (1995), S. 256; vgl. Reinle (1988). 48 Herausragende Beispiele sind der Esel mit Christusfigur, der an Palmsonntag durch die Straßen geführt wurde oder der vom Kreuz abnehmbare Kruzifixus mit beweglichen Armen, der an Karfreitag in ein „Heiliges Grab“ gelegt wurde; zu den Bildwerken als Akteuren: Tripps (1998), Jezler (1983), vgl. auch Scribner (2002, 1989), S. 130. 49 Heers (1986), S. 69ff.; Berns (2003), S. 207. 50 Kühne (2000) siehe in vorliegender Studie, S. 175–179. 51 Helas (1999). 52 Pochat (1990), S. 1–52; Heers (1986), S. 53. Separate Theatergebäude entstehen vereinzelt erst im 17. Jahrhundert. 53 Schlosser (1908), S. 4f; Hartmann (2010), S. 107–119.

35  Materielle Kraftfelder im Kirchenraum

ren, in denen der erfinderische Mensch die Rolle Gottes als Demiurg nachzuahmen suchte. ���������������������������������������������������������������������� D��������������������������������������������������������������������� ie räumlichen Gegebenheiten von Kirchen waren geeignet, Ge­genstände dauerhaft auszustellen und zugleich vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Während einige Objekte ihr Dasein in verborgenen Kabinetten der Kirche fris­teten, um lediglich bei bestimmten liturgischen Anlässen hervorgeholt und ausgestellt zu werden, waren andere dem Blick der Besucher permanent zugänglich.54 Skulpturen, Bilder, Kuriosa, ob in der Klosterkirche Saint Denis oder im Straßburger Münster: „alle diese Dinge waren ihrer Natur nach öffentlich und, wenn auch Eigen­thum der Kirche, doch im vollsten Sinne Gemeingut; an ihnen erfreute sich das Publikum, an ihnen bilde­ten sich Künstler heran, ja an vielen Orten wurden die Kirchen – eben wie bei uns die Museen – der Mittelpunkt der Kunstschulen“.55 Wenn auch die Liturgiewissenschaft zwischen vollzogenem Ritus und mimetisch repräsentierter Handlung im Gottesdienst ebenso fein wie strikt unterscheidet, muss man aus dem Blickwinkel der Wahrnehmung spätmittelalterlicher Devotion nach Jan-Dirk Müller davon ausgehen, dass die Grenzen zwischen Kirche und Theater stets fließend waren: „Mittelalterliche Liturgie ist theatralisch, und mittelalterliches Theater ist liturgisch.“56 Wie sehr der mittelalterliche Kirchenraum von Theatralität geprägt war, zeigt die Tatsache, dass sich Papst Innozenz III. (1160–1216) im Jahr 1210 genötigt sah, in den Kirchen ludi theatrales zu verdammen, 57 nicht ohne aber in einer Glosse zu diesem Dekret diejenigen Darstellungen gutzuheißen, die der Geburt sowie dem Tode des Herrn gewidmet waren, regten diese doch die Menschen zur Verehrung an.58 ��������������������������������������������������������������������� Medien der Theatralität, die sich bei Mysterien- bzw. Mirakelspielen bis zur burlesken Komik steigern konnte, hatten die Funktion, Interesse und Neugierde bei den Gläubigen zu wecken bzw. wach zu halten.59 Eine ausgefeilte Festagen­ da versetzte die Objekte in ein subtiles Spiel des Verhüllens und Enthüllens mit unterschiedlichen Graden der Prachtentfaltung. Auf Altären konzentriert, waren Schauobjekte, wie Kreuze, Pyxiden, eucharis­tische Tauben und anderes Gerät zu finden.60 Überhaupt entwickelte sich der Altar, wo in Sepulkren schon seit früher Zeit Reliquien deponiert waren, zu einem demonstrativen Bild- und Objektträger,61 durch Kultgefäße bzw. vasa sacra, wie Teller, Becher, Patene und Kelch, dann durch Monstranzen und Reliquiare, die auf der Mensa ausgestellt wurden, schließlich 54 Auch Klemm (1838, S. 138) unterscheidet Schatzkammern in Kirchen von dauerhaft ausgestellten Objekten im Kirchenraum. 55 Klemm (1838), S. 138. 56 Müller (2004), S. 113. 57 Nach Tripps (1998), S. 22. 58 Zur szenischen Veranschaulichung der Heilsgeschichte:��������������������������������� Sedlmayr (1950), S. 41ff.; Duby (1976, 1992), S. 388f.; Young (1933, 1951), S. 79–112. 59 Tripps (2002). 60 Os (2001), S. 117; Reudenbach (1999). 61 Braun (1924); ohne Dinge ist ein Altar geradezu sinnlos, siehe den ethnographischen Überblick bei Peltier (2001).

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durch Retabelkonstruktionen, die sich – hinter dem ­Altar an demselben befestigt – auftürmten.62 Insbesondere an Festtagen der Heiligen, aber auch an anderen hohen Kirchenfesten oder zu lokal bedeutsamen Gelegenheiten wurden die jeweiligen Altäre mit Kerzen, Leuchtern, Teppichen oder textilen Behängen, mit Figuren und Reliquiaren geschmückt. Flügelaltäre wurden in den Dienst einer aufklappbaren Bildererzählung bzw. einer expositio reliquiarum gestellt.63 Subtile Mechanismen des Zeigens und Verbergens aktivierten Bilder und Dinge im Rhythmus des Kirchenjahres, der vom Zyklus der wiederkehrenden kirchlichen Feste und Gedenktage gesteuert war. So zeigt sich nur zu Weihnachten, Ostern und zur Feier der Transfiguration (6. August) in der Kirche San Salvador zu Venedig den Gläubigen die Pala d’Argento, ein prächtiger, auf dem Altar stehender Aufsatz aus dem späten 14. Jahrhundert, wenn die große Leinwand von Tizian (1490–1576) mit der Darstellung der Verklärung Christi, die üblicherweise davor hängt, in den Altartisch versenkt wurde.64 Keineswegs abwegig ist es, in liturgischen Gegenständen Requisiten eines religiösen Schauspiels zu sehen. Auf dem im Kirchenschatz von Saint Denis auf­bewahrten und vielfach bewunderten so genannten Ptolemäer-Kelch sind dionysische Requisiten, wie Masken und Gefäße, ausgebreitet auf einem Tisch, eingraviert (Abb. 12).65 Mit großem Aufwand wurden in mittelalterlichen Kathedralen regelrechte Ge­samtkunstwerke in Szene gesetzt, die alle Sinne gleichermaßen anregten. Die Auferstehung vom Tode wurde mit Hilfe von beweglichen Heilanden und fahrbaren Grabschreinen, Himmelfahrten durch Szenen des Aufstiegs bis unter das Kirchendach veranschaulicht.66 In der Florentiner Karmeliterkirche Santa Maria del Carmine war beispielsweise seit dem Himmelfahrtstag des Jahres 1422 eine von Filippo Brunelleschi (1377–1446) entworfene Installation zu bestaunen. Auf der linken Seite des Mönchschors war die Stadt Jerusalem, auf der rechten Seite der Ölberg kulissenhaft dargestellt. Zu Festbeginn kündigte Donnergetöse die Erscheinung Jesu Christi auf der Spitze des Berges an. Dann öffnete sich der Himmel, d. h. die im offenen Dachstuhl der Kirche hängende sphaera und der Herr selber nahm im Strahlenkranz zahlloser Kerzen Gestalt an: „Die größeren Engel, die auf einer runden ­Scheibe gemalt sind, bewegen sich im Kreis, so dass sie wie lebend erscheinen. Vom Himmel, dort, wo Gott Vater sich befindet, senkt sich eine sehr schöne, genial kon­stru­ierte ‚Wolke‘ 62 Braun (1924), S. 71–92. 63 Keller (1965); Krüger (2001); Humburg (1978). 64 Gerade im Zeitalter des Manierismus standen museal-theatrale Eigenschaften des Flügelaltars im Blickfeld. Auf Anregung von Samuel Quiccheberg (1529–1567), des Autors des ersten Standardwerks zur Museologie, soll Hans Mielich (1516–1573) aus Anlass der Säkularfeier der Universität in Ingolstadt im Jahre 1572 einen Altar errichtet haben, der ein Panoptikum der Universitätsgeschichte entfaltet. Er besteht aus hundert, in Bezug zum Jubiläum stehenden Einzeltafeln; Würtenberger (1962), S. 115. 65 Montesquiou-Fezensac/Chopin (1977), S. 54; Ausstellungskatalog Paris (1991), S. 83–87; zum prekären Verhältnis von kirchlichem Ritus und geistlichem Spiel: Müller (2000). 66 Krause (1987).

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12: Theatrale Requisiten auf dem Ptolemäer-Kelch, Klosterschatz von Saint Denis, Kupferstich (1706), aus Michel Felibien, Histoire de l´abbaye royale de Saint-Denys, Tafel VI

herab: Sie ist rund und von Scheiben umgeben, die sich drehen. (…) Dann steigt er [Jesus] mit Hilfe der sieben Seile in die Höhe, auf die Wolke zu, und segnet gleichzeitig Maria und die Apos­tel. Die Seile werden von unsichtbaren, auf das kunstvollste konstruierten Winden in Gang gesetzt: und zwar so, dass die Person, die Jesus darstellt, von selbst nach oben zu schweben scheint; und ohne zu schwanken gewinnt sie bald beträchtlich an Höhe. (…) Dann entzünden sich die vielen Lichter, die sich in der Wolke befinden, und verbreiten ein strahlendes Licht. Aber Jesus steigt, begleitet von den beiden Engeln, immer höher, und im Augenblick, als er beim Vater angelangt ist, schweigt die Musik, und Donnergetöse bricht aus.“67 Ging es darum, Lebendigkeit zu vermitteln, konnte dieser Effekt auch ganz ohne Mechanik, auf natürliche Weise bewirkt werden. So besaß der Dom zu Mainz zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein mit Wasser gefülltes Gefäß aus Smaragd in Form einer 67

Pochat (1990), S. 90, nach Ausstellungskatalog Florenz (1975), S. 60f.; allg. Berns (2008).

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Melone, in dem einige Goldfische hin und her schwammen; aufgehängt war es mit zwei goldenen Ketten an einer Pertika. Eine scheinbar selbsttätige Bewegung des Steins war die Folge.68 Theatraliät als ebenso spektakuläres wie ephemeres Ereignis der Schau, Muse­ alität als erratische Schwerkraft des ausgestellten Dings zeigen sich in der Veroneser Kirche S. Maria in Organo ������������������������������������������������������� an den������������������������������������������������� „Reliquien“ desjenigen Esels, der Jesus an Palmsonntag getragen haben soll. Der französische Reiseschriftsteller Maximilien Misson (ca. 1650–1722) kolportierte die Geschichte, derzufolge dieser Esel aus dem echten der biblischen Überlieferung hervorgegangen sei, nachdem er auf wunderbare Weise nach Italien gelangt und dort verendet war. Seine Überreste seien als Reliquien in den Leib eines ausgestopften Esels transferiert worden.69 Nicht wenige Reisende, wie der hessische Landgraf Karl I. (1677–1738), zeigten sich enttäuscht, dann vor Ort nur eine Figur aus Holz vorzufinden.70 Das ganze Jahr über ist bis heute in einer Kapelle ein aus dem 14. Jahrhundert stammender hölzerner Esel, dem eine polychrome Jesusfigur aufsitzt, zu besichtigen.71 Immerhin wurde diese reliquienhafte Puppe zu einem zweiten Leben erweckt, wenn sie – insbesondere an Palmsonntag – eine Prozession anführen durfte. Den Eigenwert der Dinge vermittelten in Kirchen insbesondere ihre mitunter bis ins frühe Mittelalter zurückreichenden Schätze. Als Repositorien von Reichtum, magischer und symbolischer Macht waren mittelalterliche Kirchenschätze vor allem Kompositionen von Generationen und Institutionen, weniger von Einzelnen.72 In museologi­scher Hinsicht besteht ein Unterschied zwischen dem meist verborgenen Kirchenschatz, bei dem gerade das unsichtbare Arkanum eine besondere Aura entfalten konnte, und dauerhaft im Kirchenraum ausgestellten Dingen.73 Schon Bischof Durandus von Mende (1230–1296) hatte sich die Frage gestellt, warum die Schätze in der Kirche ­öffentlich ausgestellt werden: „Zuerst zur Betrachtung der Sorgfalt: damit nämlich sichtbar wird, wie vorsichtig derjenige, der gehalten ist, jenen (Schatz) zu schützen, beim Aufbewahren gewesen ist. Zum zweiten wegen aus Ehrfurcht vor

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Otte, Bericht über Ausstattung und Schatz zur Zeit des Erzbischofs Christian II. (1249– 1251), in: Bischoff (1967), Nr. 45, S. 53; Toussaint (2003), S. 45f. Auf dem Wallfahrtskomplex der Heiligen Thekla bei Seleucia wurden zur Freude der Kinder exotische Vögel in Käfigen gehalten, die sich mit ihren eigentümlichen Lauten bemerkbar machten, nach Frank (2008), S. 832. 69 Misson (1688, 1713), S. 195f. Protestantische Italienreisende des 18. Jahrhunderts ergatter ten immer wieder Partikel vom Palmesel als Reisemitbringsel, Rognini (2002), S. 52. Um die Frage, ob der Esel „Reliquien“ des echten Esels beinhalte, brach noch 1910 eine bis nach England und Amerika Wellen schlagende Polemik aus, Marchi (1962), S. 150f. 70 Klaute (1722), S. 83. 71 ���������������������������������������������� Rognini (2002), S. 51f.; Pochat (1990), S. 38. 72 Pomian (1999), S. 157; Rehberg (2006), S. XV. 73 Zu Kirchenschätzen des Mittelalters: Frazer (1986/87); Burkart (2009).

39  Materielle Kraftfelder im Kirchenraum

der Festlichkeit. Zum dritten wegen der Erinnerung an ihre Spendung, d. h. nämlich in Erinnerung an jene, welche jene Dinge der Kirche zuvor geopfert haben.“74 Der Ort, wo tägliche Utensilien der Liturgie, wie Geräte, Messgeschirr, Paramente, liturgische Bücher, Gewänder und Reliquienbehälter aufbewahrt wurden, war in der Regel die Sakristei.75 Für Preziosen, die weitaus seltener hervorgeholt werden mussten, richtete man besonders sichere Kammern ein, regelrechte Tresorräume.76 Der mittel­alterlichen Ästhetik folgend sollte von Dingen der Glanz des Ewigen ausgehen. Darum wurden Reliquiare und Altargerät mit Gold und Edelsteinen überzogen.77 Je mehr Glanz im Schatz vorhanden war, desto sicherer konnte angenommen werden, die Gegenwart Gottes sei in ihm imprägniert. Typisches Merkmal vieler Schatzkammern in der Kirche war ihre Zweiräumigkeit, die oft eine doppelgeschossige Gestalt annahm (Supraposition), wobei die eigentliche Schatzkammer, die gewöhnlich im Obergeschoss lag, meist mit der darunter befindlichen Sakristei in Verbindung stand.78 Die bereits 1148 erwähnte Schatzkammer von St. Matthias in Trier bietet ein treffendes Beispiel, wie eine Kammer zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Schaulust der Kirchenbesucher entgegenkam.79 Zwischen zwei Pfeilern an der Nordseite des Chores ist dem Dom um 1200 eine mehrgeschossige Schatzkammer als eigener Baukörper eingepflanzt worden, mit kleinen Öffnungen und erschwertem Zugang. Zwischen 1512 und 1514 wurden die beiden oberen Etagen vereinigt und spätgotisch eingewölbt; in ihnen waren in sechs Wandschränken und auf dem Altar die Kostbarkeiten und Reliquien untergebracht. Geradezu theatrale Effekte gingen in Paris von der Grande Châsse aus. Für die in Nachahmung der heiligen Kapelle der byzantinischen Kaiser in Konstantinopel entstan­dene Sainte Chapelle, in der für die Seelen des französischen Königshauses gebetet und kostbare Reliquien, wie die Dornenkrone, aufbewahrt wurden, ließ König Ludwig IX. (1217–1270) ein spektakuläres Gehäuse mit Drehmechanismus konstruieren. Vor der Apsis über dem Altar auf einer Tribüne erhob sich die capsa sanctorum reliquiarum unter einem etwa drei Meter hohen Baldachin. Zwei symmetrisch ange74 Primo propter considerationem cautele, ut videlicet appareat quam cautus fuerit in servando qui illum servare tenetur. Secundo propter sollempnitatis venerationem. Tertia prompter oblationis memoriam, videlicet in memoriam illorum qui prius ea ecclesie obtulerunt. Durandus, Rationale divinorum officiorum, hrsg. von A. Davril/T.M. Thibodeau, Turnhout 1995 I, III, 42 (S. 48f.) Übersetzung von Drevs-Faupel (2000), S. 397. 75 Bandmann (1956), S. 21f., 26, 36ff., 42. Auch weltliche Personen und Körperschaften be wahrten Geld, Urkunden und andere Wertgegenstände in Sakristeien auf, Masser (1966), S. 141ff.; Liebenwein (1977), S. 170 (Anm. 37), S. 171 (Anm. 57). 76 Reinle (1988), S. 140ff. 77 ���������������������������������������������������������������������������������������� Zu Abt Suger und dem Schatz in Saint-Denis; Eco (2000, 1987), S. 28–30; vgl. auch Wintz (2009), S. 385f. 78 Oft konstituierte sich in Kirchen in abgetrennten Räumen eine enge Verbindung von ­A rchiv, Biblio­thek und Schatzkammer; Liebenwein (1977), S. 22f. 79 Ronig (1972); Masser (1966), S. 156–158.

40  Materielle Kraftfelder im Kirchenraum

13: Gehäusestrukturen in der Sainte Chapelle von Paris: La Grand Châsse, Tuschzeichnung (Ende 17. Jh.)

14: La Grand Châsse im geöffneten Zustand, Kupferstich (1790)

legte Wendeltreppen gewährten zu dieser oberen Plattform den Zugang. Es war nicht nur möglich, das Gehäuse zu öffnen und den Reliquienschatz sichtbar zu machen, sondern auch, es zu drehen, so dass die Rückseite zur eigentlichen Schauseite avancieren konnte.80 (Abb. 13 und 14). Dass die Musealisierung bereits früh einsetzt, zeigt das Bedürfnis, dieser spektakulären Heiltümer auch außerhalb der Festzeiten ansichtig zu werden. So zeigen die mittelalterlichen Flügeltüren des Andechser Heiltumskastens auf den Außenseiten in gemalter Abbreviatur die im Innern aufbewahrten Gefäße.81

80 Branner (1971); Schellewald (2010), S. 162–166. 81 Wintz (2009), S. 386.

41  Materielle Kraftfelder im Kirchenraum

Topoi des Übergangs Der Kirchenraum umfasst das Kirchengebäude selbst, das Innere des Kirchenschiffs sowie dessen Ausgestaltung durch Dingwelten und Artefakte. Als öffentliche Kult­ räume stellen Kirchen ebenso Orte der Transparenz wie Stätten des Mysteriums dar.82 Sie verkörpern zunächst einen heiligen Ort und ihre Funktion besteht darin, liturgischen Akten eine passende und symbolisch aufgeladene Behausung zu bieten. Vom Selbstverständnis eines Hauses Gottes im symbolisch-allegorischen Sinne – eines Abbilds der Gottesstadt, einer das Paradies verheißenden Himmelspforte, eines architektonischen Reliquiars – ist vor allem in normativen Quellen, wie in Messformularen oder libri ordinarii die Rede. Zugleich verkörperte die in der Regel zentral gelegene, in der Mitte von Hauptachsen gelegene und solide gebaute Stadtkirche immer auch einen herausragenden Ort von Öffentlichkeit und Repräsentation im städtischen Gefüge.83 Bei ­jeder sonntäglichen Messe, bei jedem herausgehobenen Kirchenfest konstituierte sich die Stadt in der Kirche demonstrativ als sakrale Gemeinschaft. Durch die das Stadtbild prägende Wirkung des Kirchturms, dessen Glocken den Zeitrhythmus der Bewohner über Jahrhunderte bestimmte,84 durch ­liturgische Veranstaltungen, die den Kirchhof und bisweilen auch Teile des Stadtraums einbezogen, wiesen Kirchenräume über sich selbst hinaus. Historische Stadtpläne zeigen, wie sehr sich Profanes und Sakrales im Stadtbild mischte. In jedem Straßengeviert einer größeren Stadt befanden sich eine oder mehrere Kirchen, Kapellen oder Oratorien; allen voran war das sich mitten in einer Stadt aufrichtende, meist höchste und größte Gebäude eng mit den Bedürfnissen der Bewohner verflochten. Kirchen sind räumliche Brückenköpfe ins Jenseits. An diesen Orten sakraler Verdichtung verehrte man die Schutzheiligen im Glauben, dass selbst unscheinbare Ereignisse von ihnen gelenkt würden. In Hansestädten beispielsweise wäre es vermessen gewesen, ohne am Altar eines der Schifffahrt geneigten Heiligen sein Anliegen vorgebracht bzw. durch eine Stiftung bekräftigt zu haben, eine damals stets riskante Seereise anzutreten. Kirchen zogen Stadtbewohner magisch an: „In der Kirche muss ein Kommen und Gehen gewesen sein, ein beständiger Wechsel von Erwartung und Erfüllung. Die Gaben der Bittenden klangen mit denen der Dankenden zusammen zur beredten Sprache menschlicher Antwort auf göttliche Zeichen.“85 Als Erinnerungsorte überstandener Gefahren wurden in ihnen Fundstücke und Trophäen aufgehängt. Selbst wenn es um für die Stadtgeschichte prominente Memori82 Vgl. Dürr (2005), S. 452; Böhme (2001). 83 Ausdruck fand dieses Selbstverständnis, wenn in einer Bischofsstadt ein König oder ein anderer hoher Würdenträger mit seinem Gefolge zunächst den Dom und nicht das Rathaus aufsuchte. 84 Zum Glockenklang als Wegweiser des Zeit und Raumgefühls im 19. Jahrhundert: Corbin (1995). 85 Zaske (1964), S. 26.

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alobjekte ging, fand das Rathaus in der Kirche immer wieder einen willkommenen bzw. konkurrierenden Ort der Aufbewahrung und Ausstellung.86 So hängt bis heute mitten im Kirchenraum des Münsters St. Nikolaus von Überlingen am Bodensee eine schwedische Kanonenkugel, die an die erfolglose Be­lagerung der Stadt während des Dreißigjährigen Krieges erinnert (Abb. 15). Gewiss hätte jenes Objekt auch im Rathaus ausgestellt werden können, aber nur im Kirchenraum war automatisch eine Atmosphäre geschaffen, die abgewehrte Belagerung als himmlischen Willen in Szene zu setzen. Vielleicht fungierte sie auch – wie das aufgehängte Krokodil – als magisches Beutestück, die das Unheilvolle bannen sollte.87 Striktes Trennungsdenken zwischen „sakral“ und „profan“ dominierte insbesondere das normative Bewusstsein des seelsorgerisch tätigen Klerus. Kirchen hatten weihevolle Kultstätten zu sein, denen man sich in Demut und Frömmigkeit, in hingebungsvoller Aufmerksamkeit für die Riten und das liturgische Geschehen anzunähern habe. Oft stellte sich die symbolische Ordnung des Kirchenraums als prekärer heraus, als es den Anschein hatte; Grenzüberschreitungen, ausgelöst durch Bildersturm, illegale Prakti­ken der Magie oder alltägliche Profanierung stellten sie in Frage. Zumindest sporadisch erwies sich der Kirchenraum als flexibel genug, Funktionen von Gerichtsstätte, Markthalle, Gasthaus sowie Rathaus zu inkorporieren.88 Komplexe metaphorische Raumvorstellungen des Sakralen hatten sich immer wieder mit den Erfordernissen des täglichen Lebens auseinanderzusetzen, denn ein großer Teil des bürgerlichen Lebens spielte sich innerhalb des Kirchenraums ab, nicht nur weil jede Zunft oder wohlhabende Kaufmannsfamilie dort ihren eigenen Altar pfleg­te. Die Hauptkirche der Stadt stellte – bevor Rathäuser errichtet wurden – als ecclesia civitatis das politischen Zentrum dar. Der Kirchenraum diente der Bürgerschaft als Festhalle, im Ratsgestühl versammelten sich die Ratsmitglieder. In Stralsund war es die Nikolaikirche, wo wichtige Ratssitzungen und amtliche Ver­ hand­lun­gen stattfanden.89 Darüber hinaus wirkte die Kathedrale inmitten einer pros­ 86 Oft ist es an Zufälle gebunden, welche der tragenden städtischen Einrichtungen sich der Objekte bemächtigen. Die „Reliquie der edlen Sau“, die in Lüneburg die Salzquellen entdeckt haben soll, war als einbalsamierte Antiquität in einem Glaskasten in einer Ratsstube „zum ewigen Gedächtniß“ aufgehängt und hätte ebenso gut in die Hauptkirche gepasst; Neickel (1727), S. 69. Auch das Wirtshaus dient als beliebter Ausstellungsort; so gab ein riesiger Oberschenkelknochen dem Wirtshaus „Zum Riesen“ in Oppenheim seinen Namen; Richter (2005), S. 52. 87 Eine aus Blech gefertigte Nachbildung einer großen Kanonenkugel mit farbigem Feuerschweif hing seit 1663 von der Decke des Hauptschiffes der Leipziger Nikolaikirche herab. Genau dreißig Jahre zuvor war das Kirchendach von einer Kanonenkugel durchschlagen und zerstört worden. In Kugel und kometartigen Feuerschweif nahmen die Schrecken des Krieges sowie das drohende Strafgericht Gottes symbolische Gestalt an; Medick (2010), S. 169. 88 Dürr/Schwerhoff (2005); Rau/Schwerhoff (2004), S. 33–40. 89 Zaske (1964), S. 37, S. 61.

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15: Schwedische Kanonenkugel aus dem Dreißig­jährigen Krieg im Münster zu Überlingen

perierenden Stadt wie ein ökonomischer Magnet, was sich bis heute in der Doppelbedeutung des Wortes „Messe“ zeigt.90 So war das Straßburger Münster auch Ge­häuse profaner, ja banaler Verrichtun­gen. Als Mittelpunkt einer geschäftigen Stadt schlugen dort bisweilen Krämer ihre Buden auf. Immer wieder musste der langjährige Müns­ terprediger Johann Geiler von Kaysersberg (1445–1510) die Respektierung des Sa­kralraumes, des Gottesdienstes und der heiligen Zeiten einfordern.91 Die an Diözesansynoden zum Ausdruck gebrachten Monita sowie rügende Visitationsprotokolle zur Amtsführung des Klerus – eine Litanei von Warnungen und Verboten, die eine gegenteilige Praxis spiegelt – sprechen eine deutliche Sprache; häufig berichten sie von der profanen Umnutzung der Kirchenräume.92 Tatsächlich war zu Beginn der frühen Neuzeit der Kirchenraum ein multifunktionaler Zweckraum. Der im späteren Mittelalter aufkommende Lettner als materielle, sichtbare Schranke zwischen

90

Siehe dazu Sebastian Brants (1457–1521) Verse eines „Lärm der Kirche“ gewidmeten Ge dichts aus dem Narrenschiff, nach Heers (1986), S. 64. 91 Winckelmann (1907), S. 254f.; vgl. die von Geiler im Jahre 1501 formulierten 21 Artikel nach Voltmer (2005), S. 491ff. 92 Lang (2002).

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Chor und Kirchenschiff hatte die Funktion, im Kirchenraum wenigstens einen Bezirk der Ungestörtheit zu schaffen.93 Als mit der Reformation das Kirchenpatronat auf den Rat überging, standen die Kirchen im Einflussfeld einer disziplinierenden Funktionsteilung. Einerseits verwandelten sie sich in Hörhallen christlicher Erbauung; der Kultraum wurde zum Predigtraum, in dessen Zentrum nicht mehr der Altar, sondern die Kanzel stand. Die leeren geweißten Kirchenräume, wie sie niederländische Gemälde des 17. Jahrhunderts eindrucksvoll überliefern, bringen eine Frömmigkeit zum Ausdruck, die nicht mehr aus Bildern, Altären und Reliquien schöpft, sondern nach Gott in der Geistigkeit des Raumes und im Klang der Musik strebt.94 Andererseits sorgte die an das städtische Bewusstsein gekoppelte reformatorische Identität dafür, dass sich an dem Ort, der dem Gottesdienst gewidmet war, zugleich politische Interessen entfalten konnten.95 Der sich in ausgefeilten ­Liturgien und elaborierten Geräten Ausdruck verschaffende Glaube der alten Kirche wurde zugunsten verinnerlichter Wahrnehmung und sozialer Repräsentation aufgehoben. Die eher vertikal ausgerichtete Fürbittgemeinschaft zwischen Lebenden und Toten wich nun einem vornehmlich horizontal ausgerichteten Raumgefüge. Allein, dass es jetzt für die langen Predigten ein Gestühl gab, erwies sich als effektive Maßnahme gegen die Gewohnheit des permanenten Kommens und Gehens (Abb. 16). Für Martin Luther (1483–1546) war die Verkündigung von Gottes Wort nicht an einen besonderen Ort gebunden.96 Unabhängig von der Gewährleistung eines Rahmens für den Gottesdienst kam dem Raum keinerlei Bedeutung zu. In theologischer Hinsicht galt er als adiaphoron, als eine Nebensächlichkeit.97 Nichtsdestotrotz war eine repräsentative und disziplinierte Haltung Vor­aussetzung, den Gottesdienstraum zu nutzen. Vor der reformatorischen Zäsur waren die in Gotteshäusern gebundenen sakra­ len Konzentrate mit eruptiven Phasen der Verweltlichung einhergegangen, sei es, dass die Kirche besonders in der Karnevalszeit – durchaus im Konsens mit dem örtli­ chen Klerus – zu einem Ort des Tanzes und der Maskaraden, der ausschweifenden Feste, der auf den Kopf gestellten Hierarchien gemacht wurde,98 sei es, dass zum Leidwesen der Geistlichkeit Stadtbewohner den Kirchenraum in eine Markthalle umfunktionierten. Erst mit der Reformation scheint es erstmals gelungen zu sein, 93 94 95 96

Heers (1984), S. 64. Burschel (2005). Rau/Schwerhoff (2004), S. 38. Vgl. Luthers Predigt zur Einweihung der Schlosskirche in Torgau 1544, Martin Luther, WA 49, S. 588–615. 97 Dennoch wurde die Vorstellung von der „Heiligkeit“ des Raumes theologisch nicht gänzlich aufgelöst. So generierte auch der lutherische Kirchenraum heilige Orte als Abbild des „salomonischen Tempels“ beispielsweise; Dürr (2005a); Karant-Nunn (2008); Isaiasz (2009).   98 Heers (1986), S. 10; S. 37.

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16: Gläubige in Reih’ und Glied. Stein bei Nürnberg, Saal der Reformierten Kirche, Lorenz Strauch, Radierung (1630)

den Raum einer systematischen Uniformierung zu unterziehen, in dem der Ort nicht nur von ausufernden kirchlichen Festen, sondern auch von privaten Geschäften des Alltags befreit wurde. Der Kirchenraum, ob nun vor oder nach der Reformation, scheint nie ausschließlich das eine oder das andere, d. h. nie nur heiliger Ort oder ausschließlich profane Stätte gewesen zu sein. Als Sammelbecken diverser Übergänge – zwischen innen und außen, heilig und profan, Alltag und Wunder, Ding und Reliquie – offenbart das Innenleben einer Kirche – ganz im Kontrast zu den Bestimmungen der Religions­ phänomenologie – die Struktur eines Zwischenraums. Dem mythischen Raum vergleichbar, in dem es keine scharfe Grenze zwischen Transzendenz und Immanenz gibt, in dem diffuse Verhältnisse der Wechselwirkung kausale Zuordnungen ersetzen,99 ist dem Kirchenraum ein bis zur Metamorphose reichendes „Transitiotop“ eigen.100 Statt polarisierten Gegenüberstellungen zwischen Sakralem und Säkularem,101 treten mit der durch diesen Terminus assoziierten Raumvorstellung hori  99 Siehe dazu Cassirer (1930, 2006), S. 495–497. 100 In Kontrast dazu Transiträume, die nach Augé (1994) durch Identitätslosigkeit, Flüchtigkeit und ­einen provisorischen Status gekennzeichnet sind. 101 Eliade (1957, 1998); Otto (1924).

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zontale Kontaktzonen zum – wie auch immer vorgestellten – Jenseits in den Vordergrund, d. h. Felder der Transformation ohne strikte Trennungen, ohne deutliche Grenzziehungen.102 Von derartigen Übergangszonen erfährt man in normativen Texten, wie z.B. in Agenden zur Kirchweihliturgie, kaum etwas. Dort ist allenfalls von einer sakralen Aufladung des Ortes und seiner pointierten Abgrenzung gegenüber dem Profanen die Rede.103 Dabei positio­nierte sich die Kirche, wo regelmäßig die Fleischwerdung Gottes zelebriert, die Erzählungen der Bibel repetiert und Reliquien verehrt wurden, in der das Wunder ebenso zum Alltag gehörte, wie das Banale in den Sog des Mirakulösen geriet, strukturell zwischen zwei Welten.104 Als Medium der Gottes­begegnung stellte der sich in Kreuzform ausbreitende Kirchenraum eine Kreuzungssphäre dar, auf der sich Jenseitiges und Diesseitiges, Geist und Materie, Norm und Realität begegnen. So übten die aus bestimmten Anlässen in Szene gesetzten mirabilia sowohl eine diesseitige als auch eine jenseitige Funktion aus, ging es doch darum, durch diese Medien nicht nur Gläubige anzuziehen, sondern auch dem Auge Gottes zu gefallen.105 In diesem Deutungsrahmen erweist sich die Kategorie des „heiligen Raums“ als eine pathetische Formel, als Konstrukt, die kaum den Grauzonen der historischen Realität gerecht werden kann. Als Resultat der Mittelalterbegeisterung im 19. Jahrhundert ist die strikte Abgrenzung von Sa­kralräumen zur Banalität des Profanen eine moderne Erscheinung. Sie verstellt bis heute den Blick für die Frage, wie Kirchenräume in Mittelalter und früher Neuzeit tatsächlich gestaltet waren.106 Vor den Maßnahmen ihrer Purifizierung müssen die Kirchen mit Kuriosa geradezu überhäuft gewesen sein.107 Die Kirche als Zone des Erhabenen und Heiligen, die pointiert der Alltagswahrnehmung entzogen gewesen sei, ist ein Wunschbild, vielmehr sind in Kirchen Strategien der Vermittlung dominant, die auf dem Grat zwischen Sakralem und Säkularem balancierten.108 102 Hamm (2003), S. 628f. 103 Siehe dazu exemplarisch Abt Sugers Schrift De consecratione aus Anlass der 1144 vollzogenen Weihe des Chors der Kirche Saint Denis; Suger von Saint-Denis (2000), S. 200–256; vgl. auch Neuheuser (1998); Sauer (1964), S. 374. 104 Angenendt (1994), S. 353. 105 Mariaux (2005), S. 30–33. 106 „Ein Aufschrei würde sich allerorts erheben, wenn durch einen Zeitsprung irgendeine bedeutendere mittelalterliche Kirche wieder mit ihrer vollständigen Ausstattung etwa im Zustand um 1500 erfahrbar würde. Sie wäre so angefüllt mit Altären samt Vorhängen, Teppichen, Leuchtern und Reliquiaren, mit Grabmälern und Denksteinen, Votivbildern und Votivgaben, Epitaphien, Totenschilden, alten Rüstungen und von Motten zerfressenen Fahnen, mit Inschriftentafeln und angeketteten ­Büchern, Gestühlen, Schranken, Gittern und dergleichen, daß jede, auch noch so reich dekorierte Barockkirche im Vergleich übersichtlich und klar geordnet erschiene.“ Suckale (1999), S. 15; siehe auch Heers (1984), S. 54. 107 Suckale (1999), S. 17; zur noch nicht geschriebenen Geschichte der Purifizierung: Réau (1994). 108 Heers (1984), eher gegenteiliger Akzent bei Wenzel (1995), S. 104.

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Raum der Dinge Bereits Durandus lässt in seinem Rationale divinorum officiorum erkennen, dass die geis­tigen und allegorischen Deutungen nur dann funktionieren, wenn man zuvor ihre materiellen Bestandteile zur Kenntnis genommen hat. Unter der Überschrift De ecclesia et ecclesiasticis locis widmet er diesem Aspekt das erste von insgesamt acht Büchern.109 In seinem Rundgang durch eine ideale Kirche unterschied Durandus zunächst zwischen der geistlichen Kirche, der Versammlung der Gläubigen, und der materiellen Kirche, dem Gebäude, worin der Gottesdienst gefeiert wird und die Gläubigen sich zum Gebet versammeln. Anschließend wird das Innere des Kirchengebäudes erläutert; der Reihe nach folgen Altar, Gebäudeausschmückung, wie Gemälde und Vorhänge, schließlich die Glocken.110 Wenn er auch nicht versäumt, entsprechend der allegorischen Methode die tiefere Bedeutung der einzelnen Teile des Gebäudes, des Bodens, der Mauern, der Fens­ter etc. hervorzuheben, geht Durandus’ Musterkirche als eine konkrete Räumlichkeit der Praxis, die ohne Dinge nicht denkbar ist, über das Abbild einer geistigen communio sanctorum hinaus.111 So manches Sakralgebäude ist in der frühchristlichen Zeit in Hainen auf ehemaligen Thingplätzen, wo sich germanische Stämme zur Rechtspflege versammelt hatten, errichtet worden. Wenig später wurde es zum Dingplatz, fanden doch in ihm Dinge in handfesten Umrissen ein Zuhause. Dinge verkörpern das, was sie bedeuten. Entsprechend der mittelalterlichen Bedeutungslehre verliefen zwischen Ding und Gott direkte Verbindungslinien.112 Im mittelalterlichen Bildungskanon gilt das Ding als Erschaffenes, dessen Eigenschaften im Schöpfungsakt wurzeln, wobei „Gott“ das Unbedingte als Voraussetzung und Quelle jeder Bedingtheit ausmacht. Es war gängige Auffassung, dass die Semantik des Dings durch Gott gesetzt sei, die der Worte durch den Menschen.113 Man unterschied also eine zweifache Bedeutung, ein109 Durandus, Rationale divinorum officiorum, hrsg. von A. Davril/T.M. Thibodeau, Turn hout 1995, S. 1–119; Faupel-Drevs (2000). Das Rationale fand große Verbreitung: neben den zahlreichen Handschriften sind allein zwischen 1460 und 1500 43 Drucke überliefert. Im 15. und 16. Jahrhundert soll es nach den heiligen Büchern am häufigsten gedruckt worden sein. 110 Buijssen (1966), S. 15–25; Faupel-Drevs (2000), S. 36f. 111 Faupel-Drevs (1998), S. 684; Masser (1966), S. 118f. Das materielle Gehäuse hatte die Funktion, über eine Leiter von Analogien und Konkordanzen zu Gott, zum Unerschaffenen, zu führen, das Nicht-Sichtbare des Himmlischen erfahrbar zu machen; vgl. Duby (1992, 1976), S. 178f. Auch im Kirchenraum wird das vom Abt Suger (1081–1151) am Beispiel der Kirchenschätze und der Poetik des Lichts propagierte anagogische Prinzip spürbar; Suger von Saint Denis (2000), S. 345. 112 Zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, die von einer Priorität der Dinge gekennzeichnet ist: Ohly, (1958, 1983); Reudenbach (1980), S. 311f. 113 Nach Ohly (1958, 1983), S. 11; siehe auch Meier (1977), Signori (2002), S. 14f.; Evans (1896), S. 58.

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mal eine menschlich vermittelte von der vox zur res, also vom Wortklang zum Ding und eine höhere, direkt an das Ding gebundene.114 Jedes mit einem sprachlichen Laut bezeichnete Ding, weist über den Wortsinn auf einen höheren Sinn hinaus, ist Zeichen von etwas Geis­tigem, hat eine significatio. In Bestiarien, wie dem Physiologos, stellten Tiere Gefäße ewiger Wahrheiten dar, die Gott seinem Schöpfungswerk einverleibt hat. Auch Walfischknochen, Natterzungen, Nautilusmuscheln, Haifischzähnen, Kokosnüssen, Straußeneiern, Greifenklauen, Antilopenhörnern, einbalsamier­ ten Krokodilen, Versteinerun­gen und Fossilien war eine emblematische, gleichsam hieroglyphische Kraft eigen. Allein die Tatsache, dass sie nicht von Menschenhand gemacht waren, reichte aus, ihnen den ­Status eines Werkes Gottes zu verleihen.115 SAKRAMENTE UND SAKRAMENTALIEN – In der Kirche kann das Zeichen das Bezeichnete vergegenwärtigen. Im liturgischen Vollzug erinnert es nicht nur an das Bezeichnete, sondern verlebendigt es geradezu. Das Haus Gottes, in welchem die Sakramente gefeiert werden, werde nicht nur Kirche genannt, es bedeute auch Kirche, so Thomas von Aquin (1225–1274) zum Kirchengebäude in seinem zwischen 1266 und 1273 entstandenen Hauptwerk Summa theologica.116 Dinge sind konstitutiver Bestandteil gottesdienstlicher Praxis, so in Form der Sakramente, der „sichtbaren Zeichen göttlicher Dinge“ (Augustinus), wie Wasser für die Taufe oder Öl für den Sterbenden.117 Sakramentalien hingegen bewegen sich in der Grauzone zwischen offiziell approbierter Kirchenreligiosität und Deviationen volksfrommer Praxis. Für die Laien spielen sie eine nahezu gleichwertige Rolle wie die Sieben Sakramente.118 Substanzen, wie Wasser oder Salz, die in Segensgebeten angesprochen, regelrecht „beschworen“ wurden, machten aus der Dingwelt Speichermedien göttlicher Kraft. Konsekriertes Weihwasser hatte die Funktion, bestimmte Gegenstände zu segnen.119 Die als heilig eingestufte Sache wird somit durch ein materielles Zeichen gekenn114 Da das Ding eine Reihe von Eigenschaften hat, ist es weit vieldeutiger als das Wort, das es bezeichnet. Im symbolischen Denken ist Raum für eine unermessliche Vielfalt von Beziehungen der Dinge zueinander. Kein Ding ist zu niedrig, als dass es nicht das Höchste bedeuten und zu seiner Verherrlichung dienen könnte; Eco (1987, 2000), S. 80; Huizinga (1941, 1987), S. 237–251. 115 Schon herkömmliche Reliquien waren als Naturobjekte nicht von Menschenhand gemacht. Ebenso repräsentierten Antiquitäten aus der biblischen Zeit, wie Steine, mit denen Stephanus gesteinigt wurde, Relikte vom Dornbusch Moses oder Federn und ein Ei vom Heiligen Geist die Natur in ihrer Wunder spendenden Variabilität; Martin Luther, New Zeitung vom Rhein (1542), in: WA 53, S. 404f.; vgl. Traeger (1988), S. 196. 116 Domus, in qua sacramentum celebratur, ecclesiam significat et ecclesia nominatur (3, q 83, a 3 ad 2). 117 Bloch (1924, 1998), S. 222; zu den „heiligen Spielen“ im Gottesdienst, die „Requisiten“ benötigen: Lang (1998). 118 Scribner (1990, 2002), S. 112. 119 Zu den sich in Exorzismen ausdrückenden Beschwörungen für Sachen und Gegenstände: Bartsch (1967), S. 1; Jungmann (1948), S. 36; Scribner (2002, 1990), S. 107f.

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zeichnet (sacramentum est rei sacrae signum).120 Aufgrund ihrer Konsekration sollen Gegenstände eine besondere virtus besessen haben. Geweihten Glocken sprach man die Kraft zu, Unwetter fernzuhalten; Weihwasser vermochte Dämonen zu vertreiben. Legendär geworden sind die auf Salböl beruhenden thaumaturgischen Fähigkeiten der französischen Könige.121 Derartige Praktiken standen im Einflussfeld apotropäischer Kräfte und waren von Missbräuchen des Aberglaubens kaum zu tren­nen.122 Sakralstoff, im Rahmen einer liturgischen Handlung erzeugt, konnte auf Seiten der Gläubigen geradezu eine Gier nach demselben auslösen.123 RELIQUIEN – Ohne dass sie extra beschworen bzw. konsekriert hätten werden müssen, verdichtet sich bei Reliquien der Dingkult in Kirchen in signifikanter Weise. Reliquien flechten nicht nur ein Netzwerk zwischen Himmel und Erde, sondern ebenso zwischen verschiedenen irdischen Orten. Sie sind es, die die Bedeutung von Orten festlegen, sie miteinander verknüpfen. Für Kirchengebäude ging lange Zeit von Reliquien – obwohl verborgen, d. h. nicht sichtbar – eine besondere identitätsstiftende Funktion aus. Nicht selten stellten sie die Initialzündung dar, ein Sakralgebäude zu bauen. Seit dem 4. Jahrhundert errichtete man über Märtyrergräbern Altäre und Gotteshäuser. Im frühen Mittelalter waren Reliquien im Kirchengebäude an verschiedenen Orten platziert. Mit der Zeit wurden sie dem Hauptaltar angenähert, wo sie in den Sepulkren geweihter Altäre einen dauerhaften Aufbewahrungsort fanden.124 Darüber hinaus vollzog sich auch die Parzellierung des Kirchenraums in Kapellen und Krypten im Takt des Reliquienkults.125 Reliquien konnten sich im Kirchenraum regelrecht akkumulieren. Kaiser, Könige und Fürsten sammelten Reliquien in ihren Hofkapellen oder schenkten sie an die von ihnen bevorzugten Kirchen und Klöster. Auch Kreuzfahrer und fromme Pilger mehr­ten die Reliquienschätze der Kirchen. Verwahrt wurden sie dort im Altarraum in einem großen Schrank, in einem armarium, oder in besonderen Schatzkammern.126 Reliquien eroberten nicht nur den inneren Kirchenraum, sondern auch den Platz vor der Kirche, wo sie einem größeren Publikum gezeigt werden konnten. Von einer kurzfristig errichteten Bühne, dem so genannten Heiltumsstuhl, oder von dauerhaft am Außenbau der Kirchen angebrachten Balkonen oder Galerien wurden die Partikel in ihren kostbaren Behältern

120 Angenendt (1997), S. 389ff.; Franz (1902). 121 Bloch (1924, 1998), S. 271ff. 122 Angenendt (1997), S. 390f.; Probst (1857), S. 33. 123 Angenendt (1997), S. 392ff.; Franz (1902), S. 93; zur abergläubischen Verkehrung der offizi ellen Riten: Schmitt (1994), S. 112ff. 124 Herrmann-Mascard (1975), S. 169ff. 125 Bauer (2002). 126 Zur Reliquiensammlung als Kirchenschatz: Bischoff (1967); Hahn (2005); Burkart (2005); ­Elsner (1997); Lugli (1983), S. 21–27.

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gezeigt.127 Unmittelbar neben dem Stephansdom in Wien diente seit 1485 ein gesondertes Gebäude als Schauplatz einer regelmäßig stattfindenden Reliquienweisung.128 Heiltumsbücher verbreiteten seit Mitte des 15. Jahrhunderts massenwirksam die Schaustellung von Reliquien.129 Der Reliquienkult ist Bestandteil einer Geschichte des menschlichen Körpers und der Bilderverehrung.130 Nach der Religionsphänomenologie sind Reliquien als sterbliche Überreste der Heiligen machterfüllte Objekte, die mit ­ Tabus belegt sind und Gegenreaktionen des Menschen herausfordern.131 Reliquien machen eine unsichtbare virtus präsent. Wie bei einer Spur besteht ihr Selbstverständnis darin, gegenständlich zu sein, ohne darin aufzugehen.132 Ohne ihre Physizität ist keine Reliquie denkbar, nur im Kraftfeld von Materialität, Körperlichkeit und Sinnlichkeit kann der Reliquienkult seine verweisende Struktur offenbaren. Während nach der Auferstehungslehre die Seele in den Himmel aufsteigt, bleiben auf der Erde materielle Träger ihres Daseins übrig, wie vor allem der Leib, aber auch Dinge, die der Verstorbene an seinem Körper trägt. Den hinterlassenen Materien wurde auch nach dessen Ableben eine Bedeutung und Kraft zugesprochen, da man annahm, sie stünden in Beziehung zur himmlischen Existenz des Toten. Im Reli­ quienkult vereinigen sich zwei disparate Welten miteinander. Zwischen Diesseits und Jenseits stellen Reliquien eine Verbindung her, dem vergänglichen Körper auf Erden steht die ewige ­ Präsenz des Heiligen im Himmel gegenüber.133 Die sich an Reliquien entzündende Erzäh­lung sich ständig wiederholender Geschichten sowie die bildhafte Ausgestaltung von Reli­quienbehältern stellen Medien parat, diese Kluft zu überbrücken. Es scheint so, dass Erinne­rungsleistung und Gemeinschaftsbildung zur Bewältigung der Todestatsache authentischer Relikte bedürfen. Relikte heiliger Personen, ob nun als Körper- oder Berührungsreliquien, verschaff­ ten auch objektiv wertlosen Dingen eine ungeahnte Aura.134 Im Span des Kreuzes, in einem Stück Stoff des Marienmantels, im Knochen eines Märtyrers konzentrierte sich überirdische Kraft. Wie sehr sich die Geschichte der Evangelien materialisieren konnte, zeigt der mittelalterliche Reliquienschatz in der Braunschweiger Stiftskirche 127 Ein bedeutender Anreiz für die Teilnahme an Heiltumsweisungen stellte die Möglichkeit dar, einen Ablass zu erwerben; zu architektonischen Weisungsanlagen und Heiltumskapellen: Kühne (2000), S. 74–79 siehe in vorliegender Studie, S. 175–179. 128 Ebd., S. 334ff. 129 Zur Entwicklung der Heiltümer: Kühne (2000); Beissel (1892, 1976), S. 120f.; Koch (1967), S. 34; vgl. auch Cárdenas (2003). Derartige Heiltumsweisungen können als temporäre Ausstellungen mit hohem Ereignischarakter betrachtet werden; Diedrichs (2008); Shalem (1998) S. 159. 130 Hüllen (1994), S. 124–126; Marek/Preisinger/Rimmele/Kärcher (2006); Cordez (2006). 131 Nach Leeuw (1977), § 3.1–5, § 4.1, § 30.1 und § 69.3. 132 Zur Materialität von Spuren: Krämer (2007), S. 15f. 133 Zu Reliquien als Verbindungsglieder: Pazzini (2003), S. 77f. 134 Angenendt (1997), S. 394f.

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17: Die Ketten des Petrus, Rom, San Pietro in Vinculi

St. Blasius: Steine vom Stadttor, durch das Christus in Jerusalem einzog, Fragmente von der Martersäule, der Dornenkrone, das Schweißtuch, zudem ein Pfennig, der von einem Nagel aus dem Kreuz Christi durchbohrt worden war, allein 22 Partikel des heiligen Kreuzes, Teile von der Lanze des Longinus, vom Vorhang des Tempels sowie des Grabtuchs Jesu und vieles andere mehr wurden dort aufbewahrt.135 Die unscheinbare Kirche San Pietro in Vinculi auf dem Esquilin in Rom heißt deswegen so, weil in einem Glaskasten unter dem Altar die Ketten ausgestellt sind, mit denen Petrus im Gefängnis zu Jerusalem gefesselt worden war (Abb. 17). Durch die Gebeine des Heiligen oder durch einen Gegenstand, den der Heilige berührt oder den man später mit seinem toten Leib in Berührung gebracht hat, sollte das fromme und gottgefällige Leben einer verstorbenen Person dem Gläubigen unmittelbar spürbar werden. Reliquien sind Dinge, denen ein narrativer, bisweilen auch performativer Kern innewohnt. Als appellative Objekte scheinen sie den Betrachter aufzufordern: Erzähle meine Geschichte! Hintergrundwissen, wie die Kenntnis von Heiligenlegenden war Voraussetzung des von der Kirche gesteuerten Reliquienkults, während man sich im volkstümlichen Verständnis meist damit begnügte, in Reliquien Träger 135 Aus der Handschrift mit dem Titel Registrum in quo conscripte sunt Reliquie que habentur in / ecclesia sancti Blasii Brunswicensis Et manebit / in altari circa reliquas von 1482, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, Boockmann (1997), S. 69; vgl. auch Kroos (1985), S. 28.

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magischer Kräfte zu sehen, von denen man sich im Notzeilen sofortige Hilfe und Heilung, Schutz und Segen erhoffte. Vor der Reformation scheint im Christentum das Ding einen natürlichen Anspruch auf Kult und Verehrung gehabt zu haben. „Was man Bildern absprach, das genau besaßen Reliquien: Leben und Kraft.“136 Sie waren es, die auch Statuen und Bildern eine Aura einflößten, vorausgesetzt, sie waren darin integriert. Die Priorität des aufgeladenes Dings im Christentum zeigt sich allein darin, dass ausufernder Bilderkult dann legitim war, wenn sich in der Bildfigur eine Reliquie verbarg,137 was beson­ders eindrucksvoll bei der heiligen Fides von Conques gezeigt werden kann.138 Durch das inkorporierte Ding der Reliquie schien das Abbild mit dem Abgebildeten konzis zu koinzidieren. Wer wollte entscheiden, ob der Betrachter nun über das Bild oder die Partikel verzehrend meditierte? Das Phänomen der Symbiose von Ding und Bild zeigt sich auch an den Reliquienkapseln, die in den Rahmungen der Heiligenporträts über den Edelsteinwänden der Kreuzkapelle auf dem böhmischen Karlstein eingelassen sind.139 Die Reliquie wurde in das Bild einbezogen, sie heiligte dadurch das Bild, während sich das Bildsujet auf die heilige Person und damit die Reliquie bezog.140 Reliquien dienten natürlich auch als Talismane, die der Gläubige als Anhänger direkt an seinem Körper trug. Der Kirchenhierarchie waren derartige Reliquien, die der Gläubige als „Phylakterien“, als Schaden abwehrende Schutzmittel bei sich führte, eher verdächtig. Stattdessen verfolgte sie die Strategie, sich der Kraft der Reliquien durch Gehäusestrukturen zu bemächti­gen, sei es durch Reliquiare oder auch durch das Kirchengebäude selbst. Auf ihrer Grundlage konnte ein heiliger Ort geschaffen werden, an den sich der Gläubige zu begeben hatte. Dort bedurfte die Reliquie, die meist nur aus einem amorphen Fragment bestand, zur visuellen Vermittlung eines bildhaften Behälters, wobei sie – selbst wenn sie hinter einer kleinen Fensteröffnung sichtbar blieb – gegenüber dem Bildwerk zunehmend in den Hintergrund trat.141 Reliquiare gleichen durch ihr prunkvolles Erscheinungsbild das Defizit aus, das Reliquien als unscheinbaren und unattraktiven Objekten in der Regel eigen ist; zudem werden dadurch die Reliquien mit einem vielfältigen Bild- und 136 Angenendt (1994), S. 114; zum Vergleich von Ikonen und Reliquien: Wortley (2002–2003). 137 Suckale (1999), S. 21. Arnold Angenendt, der 1993 in seiner Studie zu Figur und Bildnis auf Beltings Ansichten aufbaut, stellt die These auf, dass erst am Ende des Mittelalters sich die Bilderverehrung von den Reliquien trennte. Bis dahin sei den Plastiken die alleinige Funktion zugekommen, das Heiltum zu bergen, um dazugehörige Heilige in figura zu komplettieren; über den Zusammenhang zwischen dem Reliquienkult und der Entstehung des Kultbildes Belting (1990, 2004); Keller (1965); Reudenbach (2008), S. 109–114. 138 Fricke (2007); Ginzburg (1992), S. 15–18. 139 Legner (1995), S. 220ff. 140 Besonders verdichtet gestaltete sich die Präsenz der heiligen Materie bei acheiropoieta, Belting (2006). 141 Reudenbach/Toussaint (2003).

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Zeichenangebot verknüpft. Die ästhetische Vermittlung der Reliquie durch das Reliquiar kam den sinnlichen Bedürfnissen der Gläubigen entgegen.142 Reliquiare waren so etwas wie das Gesicht der Reliquien; für den Betrachter wurde die „présentation“ identisch mit der „répresentation“ der Reliquie im Bild.143 Zwei Bestandteile machten so eigentlich erst die Reliquie aus: der organische Stoff, bei dem es sich meist um Über­reste eines Menschen handelte, und das meist aus anorganischen Materialien gefertigte Gefäß, in dem die Körpersubstanz aufbewahrt wurde. Das Gefäß hatte die Funktion, Aufmerksamkeit zu erzeugen, die Andacht zu kanalisieren, auch indem es die Geschichte, die an der Reliquie geknüpft ist, bildhaft vermittelt.144 Von der Interaktion von Reliquie und Reliquiar sind schon Thiofrid von Echternachs Überlegungen in seinen um 1100 entstandenen Flores Epytaphii Sanctorum geprägt: „Was die Seele in Fleisch und Gebein wunderbar tut, dasselbe tut sie noch wunderbarer im aufgelösten Staub und strahlt aus auf alles, das Äußere wie auch das Innere, auf jedwede Materie und Kostbarkeit der Ornamentik und der Bedeckung. (…) Wer festen Glaubens mit seiner Hand das außen umschließende Gerät berührt, etwa ein Plättchen aus Gold oder Silber, einen gleichwie wertvollen Edelstein oder sonst ein Stück Gewe­be, Ziermetall, Bronze, Marmor oder Holz – berührt wird, was im Inneren verborgen ist.“145 Obwohl sich hier schon die Aufwertung des Behälters ankündigt, blieb es in der ­Theorie so, dass selbst die prunkvollsten Reliquiare keinesfalls über ihre Rolle, als Hülle für einen viel größeren Schatz zu dienen, hinauswachsen sollten. Thesaurus super aurum et topazion nobis dilectus146: Die Reliquie, die damals für kostbarer gehalten wurde als Gold und Edelsteine, wollte man im Mittelalter nicht nur sehen, sondern auch berühren, küssen, bisweilen sogar hineinbeißen.147 Fixpunkt des Reliquienkults ist die sinnliche Wahrnehmung, die sich nicht nur in visuellem Kontakt, sondern auch in der Suche nach Nähe und vielfältigen Formen der Haptik Ausdruck verschafft. Diese sinnlichen Einverleibungsversuche waren der Kirche ein Dorn im Auge.148 Nachdem auf dem Lateran-Konzil von 1215 festgelegt worden war, dass Reliquien nicht mehr außerhalb ­ihrer Gefäße gezeigt werden dürften, präsentieren

142 Reudenbach/Toussaint (2005). 143 Gauthier (1982), S. 56f. 144 Kohl (2003), S. 57f. 145 Thiofrid von Echternach, Flores Epytaphii Sanctorum, II, 3, hrsg. von Michele Ferrari, Turnhout 1996, S. 37, Übersetzung bei Angenendt (1994), S. 132f. 146 Das auf Psalm 119 zurückgehende Diktum stammt von Konrad Krosigk (†1225), Bischof von Halber­stadt, der am Vierten Kreuzzug und an der Plünderung Konstantinopels teilgenommen hatte und 1208 seine aus Byzanz stammenden Reliquien dem Halberstädter Dom vermachte, ­Bischoff (1967), S. 151. 147 Dinzelbacher (1990), S. 136f.; Kroos (1985), S. 30ff. 148 Zum Küssen von Reliquien: Snoek (1995), S. 236–238.

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sie sich in transparenter Abgeschlossenheit.149 Zwischen Gläubigen und Reliquie trat somit das mit einer Vitrine ausgestattete Reliquiar.150 Der Wandel der Reliquiare vom geschlossenen Kasten zum Ostensorium spiegelt weniger das gestiegene Bedürfnis, den Heiligen besonders nahe zu sein. Vielmehr hatte die Herrschaft der Kirche nun ein Instrument, der Sinnlichkeit entgegenzukommen und sie zugleich zu kontrollieren: Sinnlichkeit wurde auf Visualität verdichtet bzw. verengt, auf einen Sinn, der ebenso wie das Gehör, die fragilen Dinge in ihrem So-sein belässt.151 Dahinter verbarg sich eine neue Sensibilität des Sehens, die der mit den Kreuzzügen einhergehende Kulturtransfer ausgelöst hatte.152 Fasziniert und keineswegs ohne Begehr­ lichkeit schildert während des Vierten Kreuzzugs im Jahre 1204 Robert de Clari (um 1170–nach 1216) als Augenzeuge der Eroberung von Konstantinopel die edle Pracht der Heiligen Kapelle im Palast des byzantinischen Kaisers:153 „Alles war aus Silber; und es gab keine Säule, die nicht aus Jaspis oder Porphyr oder aus edlem Stein gewesen wäre. Der Boden der Kapelle war aus weißem Marmor, so glänzend und klar, dass man glaubte, er sei aus Kristall. Diese Kapelle war so prächtig und so edel, dass man Euch gar nicht die große Schönheit und die große Vornehmheit dieser Kapelle beschreiben kann. In dieser Kapelle fand man die kostbarsten Reliquien, denn man fand zwei Teile des wahren Kreuzes, so groß wie das Bein eines Mannes und ungefähr ein halber Klafter lang, und weiter fand man die eiserne Lanze, mit der unserem Herrn die Seite geöffnet worden war, und die zwei Nägel, die man in Hände und Füße geschlagen hatte“.154 Der gegen Jerusalem gerichtete, aber in Konstantinopel endende Kreuzzug verkam zu einem Beutezug. Mit ihm gelangte eine Flut von Reliquien der Ostkirche in Richtung Westen, was eine innovative Ins­zenie­ rung in Gang setzten sollte: die Sichtbarkeit der Reliquie, d. h. der bloße Knochen hinter Glas im Reliquiar. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts fasste auch im Westen die auf permanente visuelle Präsentation des nackten, entblößten Knochens ausgerichtete Praxis Fuß. Bis dahin hatte man die heiligen Knochen im Reliquiar – einem Grab vergleichbar – beigesetzt. Tatsächlich erscheint das Verbergen des Gebeins wie eine Parallele jenes ­alten, gerade von Christen gepflegten Brauches, die Toten so in die Erde zu bestatten, dass sinnliche Akte des Sehens und Berührens der Knochen tabui­siert 149 Viertes Lateran-Konzil, Constitutiones Nr. 62, nach Josef Wohlmuth (Hrsg.), Konzilien des Mittelalters, Paderborn 2000, Bd. 2, S. 263. 150 Zwischen ca. 1170 und ca. 1200 tauchen die ersten Reliquiare mit Öffnungen aus Bergkris­ tall auf; Hahnloser (1973); Braun (1940), S. 52, 101, 109; Tripps (1998), S. 136–138; Diedrichs (2001); Pazzini (2003), S. 82. 151 Reudenbach (2000), S. 4f.; zum „Auge als Substitut des Tastsinns“: Böhme (2003), S. 115; dagegen Meyer (1950), Legner (1995), S. 277. 152 Dazu insbesondere Toussaint (2005). 153 Zur Zeit der Kreuzfahrer war man der Überzeugung, dass zwei Drittel des Reichtums der ganzen Welt in Konstantinopel konzentriert seien. Zugleich befanden sich dort die kostbarsten Reliquien der Christenheit. 154 Clari (1204, 1998), S. 128 (Kap. 82).

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18: Armreliquiar des heiligen Nikolaus und sein mumifizierter Finger hinter Glas (rechts) – (Anfang 13. Jh.) Halberstadt, Domschatz

waren. Nur bei besonderen Gelegenheiten – bei Translationen oder bei der Umbettung von Reliquien in neue Gefäße – waren die entblößten Knochen kurzfris­tig zugänglich, aber auch dann allenfalls einem ausgewählten Kreis zumeist hochrangiger Kleriker. Dass nach der Eroberung Konstantinopels auch älteren Reliquiaren Schauöffnungen zur Visualisierung heiliger Materie eingeräumt wurden, belegt, dass der Osten den Wes­ten nicht nur um seine Reliquien, sondern auch um eine neue Sehpraxis bereichert hat.155 Wie das Armreliquiar sowie die Staurothek im Domschatz zu Halberstadt zeigen, war die Scheu angesichts unverhüllter Gebeine gefallen (Abb. 18 und 19)156; Sinnlichkeit wurde in den Verehrungskodex der römischen Amtskirche integriert, aber in domestizierter Form: Das Anfassen, Schmecken oder Riechen der Reliquie war nun nicht mehr möglich, dafür war es als Resultat einer vom Klerus wohl dosierten Zeigefrömmigkeit erlaubt, sich einer nie zuvor gekannten Schaulust hinzugeben. Der Gläubige war nicht mehr nur ein in sich gekehrter homo religiosus, sondern konnte auch ein die Außenwelt registrierender Betrachter sein. Indem das 155 Liturgische Reformen wenige Jahrzehnte zuvor, wie z. B. der Ritus der vom Priester nach der Wandlung elevierten Hostie, hatten diese Tendenz zum unmittelbaren Blickkontakt heiliger Substanz angebahnt, Browe (1931, 2003); Toussaint (2009). 156 Toussaint (2011), S. 167–178.

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19: Tafelreliquiar (Anfang 13. Jh.) mit sichtbaren Partikeln des Kreuzes sowie der zwölf Apostel, Halberstadt, Domschatz

Reliquiar der Reliquie einen sichtbaren Ort des Unberührbaren und Auratischen einräumte, verwandelte es sich in ein performatives Medium par excellence, bediente es sich doch einer Inszenierungsform, die durchaus mit dem modernen Begriff der Musealisierung bezeichnet werden kann.157 VOTIVE – Das Kirchengebäude war darüber hinaus bevorzugter Ort, Dingzeugnisse als Pfand der dort vermuteten Wunderkraft zu hinterlegen.158 So sind Wallfahrtskirchen dadurch gekennzeichnet, dass dort die Verehrung der wertvollen Überreste von Heiligen und Märtyrern mit dem Spektakel aufgehängter ex votos verknüpft war. Beide Dingtypen, Reliquien und Votive, hatten die Funktion, ein Nahverhältnis zur göttlichen Welt zu belegen bzw. zu verkünden, wie schon Theodoret von ­ Kyrrhos († 458) zu berichten weiß: „Dass sie [die Pilger] aber erlangten, worum sie vertrauensvoll gebetet, das beweisen deutlich ihre Votivgeschenke, die die Heilung kundtun. Die einen bringen Bilder der Augen, andere Füße, andere Hän157 Zum Blick des Betrachters, der im Museum auf der Oberfläche der Dinge verharrt: Groys (1997), S. 16; vgl. auch Bann (1995). 158 Signori (2007), S. 50–52.

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20: Hans Wertinger, Leben und Wirken des hl. Sigismund, Ausschnitt (Tafel 10) aus der 16-teiligen Tafel (1498), Freising, Dom

de, die zuweilen aus Gold, zuweilen aus Holz gefertigt sind – Es offenbaren diese Gaben die Heilung von den Leiden – weswegen sie von den Gesundgewordenen gebracht wurden – und sie bezeugen die Macht derer, die hier ruhen, und diese Macht erweist ihnen Gott als der wahre Gott.“159 Wenn auch das Heilige überall wirksam werden kann, verdichtet es sich doch signifikant an ganz bestimmten Orten, in Märtyrerbasiliken bzw. Wallfahrtskirchen. Auf dem sechzehnten Feld der Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Tafel mit der Legen­de des heiligen Sigismund, die früher in der Sigismund-Kapelle des Freisinger Domes aufgehängt war, stellte der Maler Hans Wertinger (1470–1533) auf einer Stange über dem Grab des Heiligen aufgehängte wächserne Gaben dar, die Bein, Arm, Babykörper und Haus verkörpern (Abb. 20).160 Die unsichtbaren Reliquien im Grab sowie diese exponierten Votive stehen in visueller Beziehung und scheinen sich gegenseitig aufzuladen. Sie 159 Quod vero votorum compotes fiant qui fideliter petunt, palam testantur illorum donaria, corationem indicantia. Alii enim oculorum, alii pedum, alii manum simulcra suspendunt, ex argento aurove confecta. – Haec autem morborum depulsionem indicant, cui testandae ab iis posita sunt qui sanitatem receperunt. Eadem ibi sepultorum virtutem praedicant: horum porro virtus, horum Deum verum esse Deum declarat. Patrologia Graeca 93, 1032. 160 Kriss-Rettenbec����������������� k (1972), S. 81.

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bestimmen das mira­kulöse Kraftfeld dieser Gnadenstätte. Die Nähe von Reliquienkult und Votivpraxis zeigt sich auch darin, dass auch der gesamte Kirchenbau nicht nur als Reliquiar, sondern auch als Votiv bezeichnet werden kann. So geht der Bau der großen einschiffigen Basilika Santa Maria delle Grazie bei Mantua auf ein Gelöbnis von Francesco I. Gonzaga (1363–1407) zurück, das er während einer Pestseuche im Jahr 1399 abgelegt hatte. Mit ihrer Errichtung war ein unübersehbarer Markstein in der Landschaft geschaffen, der die Wunderkraft der Muttergottes bzw. das Nahver­ hältnis der Landesherrn gegenüber dieser Wunder wirkenden Gestalt propagierte. Bei Votiven handelt es sich um heterogene Objekte, die der Votant gemäß einem Gelübde als Zeichen des Dankes für die Rettung aus einer Notlage an heiliger Stätte für alle sichtbar darbringt. Vom Gebet unterscheidet sich die Votation durch das Versprechen und schließlich durch die Darbringung einer Gabe. Der Vorgang gleicht einem Rechtsakt: Erfüllt die eine Seite die Bitte, muss die andere Seite die Leistung in Form eines Votivs erbringen. In diesem do ut des-Verhältnis zwischen Mensch und Wunder wirkender Macht aus dem Jenseits kommt eine instrumentelle und mechanis­ tische Beziehung zum Ausdruck.161 Als Anwesenheitsbeweis zeigt sich im Votiv die Intention des Gläubigen, seine Präsenz am heiligen Ort über die eigene Besuchs­ dauer hin­aus sichtbar zu verlängern.162 Während bemalte Täfelchen Gefahren visualisieren, denen man entkommen ist, konnten plastische ex-votos so etwas wie einen echten Beleg des Wunders bieten. In der florentinischen Taufkapelle von San Giovanni befindet sich das ex-voto di Anichino Corsi, ein als maurische Spolie unter abenteuerlichen Umständen eroberter großer Korallenzweig.163 Die Funktion von derartigen Dingen bestand darin, dem Wunder ein authentisches Gesicht zu geben. Auch der Verismus der wächsernen Nachbildungen erkrankter bzw. geheilter Körperteile oder Organe bis zu den Effigien zum Leben erweckter Säuglinge sollte die vermeintliche Tatsache des bereits stattgefundenen Wunders für die Nachwelt so anschaulich wie möglich verbürgen. Augenblickliche Verständlichkeit steht bei Votiven im Vorder­grund und nicht – wie bei Reliquiaren – deren künstlerisch-wertvolle Gestaltung. Die Gaben verstehen sich als Form der Mitteilung, keineswegs als Opfer. Sie sollen als eine Art Hieroglyphe allen Gläubigen auf den ersten Blick vermitteln, um was es geht; dass die Gnadenstätte Wunder wirken kann. Quantitative Momente treten dabei ins Blickfeld, denn erst die große Menge an Votiven vermittelt den Pilgern einen glaubwürdigen Eindruck vom Ausmaß der an dieser Stätte gebündelten Heilskraft. Während Reliquien einen Ort als sakral abstecken und das gesamte Potenzial der Wunderkraft sich in diesen Heilspartikeln verkörpert, haben Votive die Funktion,

161 Angenendt (2004), S. 97f.; Angenendt (1997), S. 373–378; Angenendt (1995). 162 Kriss-Rettenbeck (1972), S. 13; Reinle (1988), S. 11. 163 Becherucci-Brunetti (1970), S. 246; Lugli (1983), S. 13.

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21: Votivgaben als Girlande, Montserrat, Kupferstich (18. ���� Jh.)

anschauliches Zeugnis von bereits geschehenen Wundern abzulegen, d. h. göttliche Hilfe retrospektiv zu aktualisieren und zu konkretisieren. Im Kontrast zur abstrakten Reliquie, deren Wunderkraft sich im unbestimmten Raum der Zukunft und Hoffnung verflüchtigt, dokumentieren Votive für andere Gläubige auf konkrete Weise die schon geleistete Wundertätigkeit der Heiligen, was übrigens auch Mirakelbücher massenwirksam wachhielten.164 Museale Qualitäten sind besonders in beliebten Wallfahrtskirchen spürbar, die sich in dicht bestückte Depots verwandelten.165 Dort galt es, einer ungeheuren Gabenakkumulation Herr zu werden, bestehend aus Votivfiguren für einen konkre­ ten Anlass, Weihegaben und fürstlichen Stiftungen. Auf dem Gelände von Gna­den­ stätten entstanden Umschlagplätze, auf denen unterschiedlichste Objekte ge­tauscht, mitgenommen, verkauft und erworben wurden. Gianfrancesco I. Gonzaga (1395– 1444) sah sich im Jahre 1424 genötigt, eine päpstliche Bulle zu erwirken, quod nullus audeat vendere seu alie­nare ornamenta ecclesiae S. Mariae Gratiarum sub poena excommunicationis.166 Die meisten traditionellen Wallfahrtsorte in Europa besitzen umfangreiche Samm­lungen so genannter ex-votos, die meist auch von der illiteraten Bevölkerung spontan entziffert werden konnten. Einen kleinen Katalog gebräuchlicher Bildvotive oder zeichenhafter Weihegaben stellt ein Stich des 18. Jahrhunderts als Ornament für Montserrat in Katalonien dar (Abb. 21). Rings um die Inschrift sieht man auf einer Girlande aufgereiht einen wächsernen Kinderkopf, eine Gefangenen-

164 Kriss-Rettenbeck (1972), S. 87–113. 165 Ebd., S. 7; Janotta (1990). 166 [dass keiner unter Strafe der Exkommunikation es wagt, Gerätschaften der Kirche Santa Maria Gratia zu verkaufen oder zu verfremden.] bolla 1424, 7 Kal. April, nach Davari (1899), S. XIII.

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22: Vittore Carpaccio (Umkreis), Die Vision des Priors Francesco Antonio Ottoboni aus Venedig in seiner Kirche S. Antonio di Castello, Öl auf Leinwand (um 1515), Venedig, Galerie dell´Accademia

kette, eine Kette mit zwei Schellen, eine Lampe, auf deren Ölbehälter eine menschliche Figur kniend in Gebetshaltung graviert ist, ein Hemd als Kleideropfer, zudem Waffen wie Gewehr, Pistole und Dolch, einen Turban mit Halbmond, zwei Krücken, zwei Löffel, ein Schiff mit zerbrochenen Masten, ein Krokodil, zwei Kerzen, ein Fuß, ein Arm, ein Bein, ein Augenpaar, Haare, zwei Zöpfe etc.167 Auf einem wohl um 1515 entstandenen Gemälde, das dem venezianischen Maler Vittore Carpaccio (1455–1526) zugeschrieben wird und das eine Vision des Priors des Konvents von S. Antonio a Castello in Venedig während der Pestzeit darstellt,168 erkennt man unter dem Gewölbe eines Kirchenraums und an der eingezogenen Empore Stangen und Lattengerüste, an denen zahlreiche Votive hängen: Große und kleine Modelle von Segelschiffen, zahl167 Amades (1952), S. 19. 168 Man sieht die am Ararat gekreuzigten Märtyrer, wie sie mit ihren Kreuzen in die Kirche S. Antonio einziehen. An einem Altar des Vorraumes steht Petrus im päpstlichen Ornat und segnet die Vorüberziehenden.

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23: Barocke Schatzkammer, Loreto, Basilica Santa Casa

reiche Straußeneier, Kerzen, Wachskugeln, zudem Formen von Armen, Händen, Füssen und Brüsten (Abb. 22).169 Nicht als Vision, sondern als handfeste Realität sollte sich in der schon mehrfach erwähnten Wallfahrtskirche in Curtatone bei Mantua ein museo votivo a testimonianza dei miracoli della Madonna170 herausbilden. Schiffe, Ritterrüstungen, von Franziskanern vor Ort hergestellte veristische Wachsfiguren sind als ex-votos der Kirche vermacht worden. Der Franziskaner Francesco da Acquanegra hatte im Jahre 1517 aus dem Kirchenraum zugleich einen Museumsraum für Votive gemacht, der bei Besuchern Bewunderung erregen sollte.171 Die Anlässe der Bitten oder Danksagungen wurden in krasser Naturalistik dargestellt, entweder in szenischer Narration oder abgekürzt als fragmentiertes Zitat. An besonders frequentierten Wallfahrtsstätten, wie in Loreto, stellte man später zur Aufbewahrung und Repräsentation der Votiv- bzw. Weihgaben separate Schauräume bereit, die wie Schatz­ kammern und Kunstkabinette wirken (Abb. 23).172 Der barock gestaltete Saal von Loreto war nach Auffassung des hessischen Hofrates Johann Balthasar Klaute (1653– 1733) so geräumig und reichhaltig bestückt, dass eine Armee etliche Jahre dort hätte unterhalten werden können.173 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts soll es dort 67 169 Kriss-Rettenbeck (1972), S. 84; vgl. auch Bock (2005), S. 161. 170 [Ein Votivmuseum zur Bezeugung der Wunder der Madonna] Zanca (1999b), S. 153. 171 Donesmondi (1603), S. 111. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Rüstungen ursprünglich auch an der Decke hingen, wie das Krokodil und die Schiffe; Zanca (1999b), S. 150. 172 Kriss-Rettenbeck (1972), S. 133. 173 Klaute (1722), S. 90.

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Schränke mit Votivgaben bzw. Weihegeschenken gegeben haben. Darin befanden sich zahllose Kinderstatuen aus Silber und reinem Gold aus der Hand hochadliger Familien als Dankesbeweise für die erflehte Nachkommenschaft.174 Von der „Lorettischen Raritäten-Kammer“ berichtet anschaulich Eberhard Werner Happel (1647– 1690) in seinen Relationes curiosae: „Dieß ist ein weiter Raum 40 Schuh lang und über 15 breit, als ein lange Capelle, gewölbet und bemahlet allenthalben, zur lincken des Raums stehen große Schräncke, worinn unschätzbare Schätze, welche von oben werden gesehen, aber mit den Händen nicht können begriffen werden.“175 Der Reisende konnte dort auf einen Schrank mit Korallen stoßen, die von Habsburger Erzherzog Leopold (1586–1632) gestiftet worden waren oder gab sich optischen Täuschungen hin: „In einem andern sahe ich das Bild Mariae, mit Indianischen Federn künstlich gewürcket von allerley Farben, welche allemahl ihr Farben verändern, wann sie anders wohin gesetzt werden, oder du an einem andern Ort gehst.“176

Die Kirche als Naturalienkabinett Dass Votive und Reliquien in die Kirche gehören, versteht sich von selbst. Erklärungsbedürftiger sind mirabilia der Natur, die im Kirchenraum ausgestellt waren.177 Teilweise in Schmiedeeisen gefasst, waren Knochen und Zähne von Mammuts und Elefanten an Ketten aufgehängt, in bedeutenden Kathedralen, wie in Canterbury oder in Wien ebenso wie in den Stadtpfarrkirchen von Schwäbisch Hall oder Heilbronn. Sie galten als vorsintflutliche Überreste, wie sie damals eine biblisch geprägte Vorstellung zu identifizieren meinte. Italienische Sakralbauten, wie die Kathedrale von Arezzo, schmück­ten sich gerne mit Rippen, Wirbeln oder Kiefern von Walen.178 Aber auch in norddeutschen Sakralräumen sind sie bezeugt. Seit dem 18. Jahrhundert liegt auffällig ein Unterkiefer eines fünfzehn Meter langen Buckelwals in der

174 Der französische König Ludwig XIII. (1601–1643) schenkte nach der Geburt seines Sohnes eine aus 12 Kg Gold bestehende Statue; Herrmann (2003), S. 100. Loreto galt als hoch geschätztes Pil­gerziel bei Päpsten und Herrschern; aber auch Descartes, Mozart, Goethe und Casanova und Cag­lio­s­tro ließen es sich nicht nehmen, diesen Ort aufzusuchen. 175 Happel (1687), S. 131f.; Klaute (1722), S. 90f; zu Happels Wissenskompilation: Schock (2011). 176 Happel (1687), S. 132. 177 Bock (2005), S. 73f.; Lugli (1983), S. 12f.; Sauer (1964), S. 211f.; Schlosser (1908), S. 13; Murray (1904), S. 9–12; Otte (1883), S. 213f.; Klemm (1838), S. 142f. 178 1560 gefunden, wurde das Objekt noch im 19. Jahrhundert dort gezeigt; Bock (2005), S. 74. ­Einen Walfischknochen, zusammen mit einem angeblich von Kolumbus (um 1451–1506) gestifteten exotischen Schild, bewahrt die Chiesa di Fontegiusta in Siena auf; Otte (1883), S. 213.

63  Materielle Kraftfelder im Kirchenraum

24: Krokodil im Kirchenschiff, aus Paolo Macchi, Emblemata (1627)

Stiftskirche von Bad Gandersheim direkt neben einem Sarkophag.179 Gerade im mediterranen Raum sind oft Reptilien zu bestaunen.180 Noch heute hängen ausgestopfte Krokodile in Santa Maria delle Grazie bei Mantua und im Santuario della Madonna della Pace bei Verona von der Decke herab. Im Dom zu Sevilla war in der Capilla del lagarto, neben einem großen Elefantenzahn und dem angeblich vom Pferd des Cid stammenden Zaum auch ein Krokodil an der Decke aufgehängt. Nach Auffassung des Naturforschers Pierre Belon (1517–1564) gehörten große Echsen offenbar zur Ausstattung zahlreicher Kirchen im 16. Jahrhundert; anscheinend waren sie so häufig

179 Er soll von einem aus der Stadt stammenden Seemann mitgebracht worden sein. Da man glauben wollte, dass der Unterkiefer von dem im Alten Testament überlieferten Wal stammte, der Jona verschlungen und nach drei Tagen ausgespieen hatte, wurden dem Knochen heilende Kräfte zugeschrieben. Man bohrte ihn an, um ein fiebersenkendes Pulver zu gewinnen. Die Bohrlöcher sind immer noch gut zu erkennen; ­Nathan (2008). 180 Deu Domènech (2000/2001).

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25: Andrea Mantegna, Madonna della Vittoria, Öl auf Leinwand (1496), Paris, Louvre

anzutreffen, dass das Phänomen auch Eingang in die Emblematik fand (Abb. 24).181 In Paolo Maccios Emblemata lautete das dazugehörige Motto Mali malos absterrent, was bedeutete: Unheilvolle Substanzen sollten nicht unkontrolliert im Raum herumschwirren, sondern sich stattdessen am aufgehängten Reptil, in einer den Menschen unzugänglichen Zone, bündeln. Dem Krokodil im Kirchenraum wurde gleichsam eine physische Kraft zugesprochen – die Kraft eines Magneten – oder es funktionier­ te nach dem mathematischen Grundsatz, dass die Multiplikation von zwei Minuswerten eine positive Zahl ergibt. Dementsprechend konnte sich das Böse, das das Böse anzieht, zum Guten verwandeln. Kirchenräume des Mittelalters und der frühen Neuzeit müssen übersät gewesen sein von Kuriosa. Bildquellen, wie das über der thronenden Maria aufgehängte 181 Papagno/Coda/Brunelli u.a. (1999), Abb. S. 4, S. 171ff.; siehe in vorliegender Studie, S. 82ff.

65  Materielle Kraftfelder im Kirchenraum

26: Piero della Francesca, Thronende Madonna mit Heiligen und Engeln (Brera-Tafel), Öl und Tempera auf Holz (1472–74), Mailand, Pinacoteca di Brera

Korallengeflecht in Andrea Mantegnas (1431–1506) Gemälde Madonna della Vittoria von 1496 oder das berühmte an einem Faden aufgehängte eiförmige Objekt in Piero della Francescas (1420–1492) Altarbild für Federigo da Montefeltro, den Herzog von Urbino, dessen Identifizierung und Funktion bis heute Rätsel aufwirft, sprechen eine deutliche Sprache (Abb. 25 und 26).182 Während das tiefe Rot der Korallenkette – gepaart mit ihrer Seltenheit – auf das Martyrium Jesu Christi verweist, symbolisiert das Ei – oder die Perle – Anfang und Entstehung aus dem Nichts.183 Kardinal 182 Meiss (1976); Os (2001), S. 117; Mauriès (1994). 183 Warncke (1987, S.302ff.) hat in dem Gemälde einen Vexiermechanismus ausgemacht, indem sich durch Wechsel des Betrachterwinkels das Straußenei in eine Perle verwandele.

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Gabriele Paleotti (1522–1597) aus Bologna, bedeutender Theoretiker des gegenreformatorischen Kunstverständnisses, bezieht sich in einem vollen Kapitel seines letztlich nicht veröffentlichten Buches explizit auf Kuriosa im Kirchenraum: Dell‘ altre cose, come armature, insegne militari, galere, crocodilli, corna de‘ cervi, onocrotali, ova de‘ struzzi, animali stranieri, et cose simili, se si convengono nelle chiese.184 Paleotti, der in engem Meinungsaustausch mit dem Naturforscher Ulisse Aldrovandi (1522–1605) stand, wird sich auch die Frage gestellt haben, ob derartige Dinge als Devotionalobjekt zu betrachten seien oder als Musealie eher in die sich inzwischen immer mehr ausbreitenden Naturalienkabinette gehörten. Museumsgeschichtlich betrachtet kündigt sich mit Aldrovandis unermüdlicher Sammlungstätigkeit die Ablösung der Kirche durch das Naturalienkabinett an.185 Mitten in der Aufklärung sollte eine riesige Meeresschildkröte, die sich in den Netzen der Fischer im Tyrhennischen Meer bei Ostia verfing und als Präsent des dortigen Landesherrn Papst Clemens XIII. (1693– 1769) in seine Heimat und frühere Wirkungsstätte Padua gelangte, ihren Ausstellungsort nicht mehr in einem Kirchenraum, sondern im Naturalienkabinett der Universität finden.186 Die Funktion so mancher in der Kirche ausgestellter exotischer Naturalie scheint sich – wie im Museum – in ihrer Schaubarkeit erschöpft zu haben. Rudolf Berliners (1886–1967) Definition – ��������������������������������������������������� „Man kann es als Wesensmerkmal des Museums bezeichnen, daß es dem idealen Ziel der Befriedigung des auf schaubare Objekte bezogenen Bildungsbedürfnisses in seiner Universalität nachstrebt“187 – findet auch im Kirchenraum des Mittelalters und der frühen Neuzeit eine intensive, beinahe konkurrenzlose Anwendung, was von der Forschung bislang weitgehend unbeachtet geblieben ist. ������������������������������������������������������ Visu­elle Formen der Religiosität, wie sie in der das Sanctissimum bergenden Monstranz oder in der transparent gemachten Präsenz des Heiligengebeins in den Reliquiaren Ausdruck fanden, erzeugten museale Kraftfelder, in denen auch außergewöhnliche naturalia rasch heimisch werden konnten. Kuriosa wollen gesehen werden. Im Kontrast dazu stehen all jene dämonischen und tierhaften Mischwesen im 184 [Von anderen Sachen wie Waffen, militärische Insignien, Schiffe, Krokodile, Hirschge weihe, Pelikane, Straußeneier, merkwürdige Tiere sowie ähnliche Dinge, die sich in einer Kirche befinden] zit. nach Ossola (1971) S. 277. 185 Die Instrumentalisierbarkeit der Bilder verband Aldrovandi und Paleotti, ersterer für die Wissenschaft, letzterer für den Glauben. Kardinal Gabriele Paleotti veröffentlichte 1582 seine grundlegende Rechtfertigungsschrift über den Gebrauch der Kunst in der Religion, den Discorso intorno alle imagini; vgl. auch Lechner (2008), S. 245. 186 Am 22. Dezember 1760 wurde die Kiste in einem feierlichen Geleitzug vom Dom in die Universität gebracht. Hatte man bisher Knochen von Heiligen in Prozessionen zur Schau gestellt, verwandelte sich im Zeitalter der Aufklärung ein außergewöhnliches Exemplar der Natur in eine „Reliquie“ zum Wohle der Wissenschaft, zumal der Papst in seinem Begleitbrief davon sprach, dass man sich beim Anblick der Riesenschildkröte der allumfassenden Schöpferkraft Gottes bewusst werden könne; Turchetto/Nicolosi (2008). 187 Berliner (1928), S. 327.

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Bildschmuck der Kathedrale, die an marginalen Stellen, an entfernten Kapitellen oder in Höhlungen unter den architektonischen Konsolen-Baldachinen geduldet waren.188 Als Bild ohne Betrachter hatten sie die Funktion, einer transzendenten Visu­ alität, d. h. einer die menschliche Sehkraft übersteigenden Perzeption Plastizität zu verleihen.189 Ganz anders waren die Staunen erregenden Objekte aus der Natur positioniert. Manches war unter der Kirchendecke oder an der oberen Kirchenwand aufgehängt und von weitem sichtbar, anderes hingegen verschwand im Sakristei­ schrank, um bei passender liturgischer Gelegenheit in Szene gesetzt zu werden. Jenseits der Wahrnehmungsmuster einer himmlischen Welt, wie sie im Skulpturenschmuck und in den Glasfenstern verbildlicht war, trugen naturalia dazu bei, in breiten Kreisen neue Erfahrungsräume zu öffnen. Anders als die frühneuzeitlichen Kunstkammern, die nur einem ausgewählten Publikum – in der Regel Angehörigen europäischer Höfe und gebildeten Bürgern zugänglich waren – waren die Kirchen des Mittelalters und der frühen Neuzeit gegenüber der Öffentlichkeit kaum abgegrenzt. Naturobjekte waren in Kirchen, wo schon immer Elemente des Naturalismus zu Hause waren, keineswegs Fremdkörper. Während in der Romantik nicht selten gotische Räumlichkeiten mit einem steinernen Gewächshaus oder Wald verglichen wurden, die Kathedrale galt als Baum mit unzähligen Zweigen, Ästen und Blättern,190 stellte man schon viele Jahrhunderte zuvor in der Romanik auf Kapitellen im Kirchenschiff Pflanzen und Tiere dar, die als individualisiertes Exemplar ihre Wirkung entfalteten und weniger die Idee eines Typus figurierten (Abb. 27).191 Mit dem nominalistischen Blickwinkel sollte immer mehr das je individuell Dingliche am Ding freigelegt werden. Auch im Kirchenraum scheint sich der Ockham´sche Nominalismus zu spiegeln, indem sich die Realitätsebene von den Begriffen auf die einzelnen Dinge verschiebt.192 Der religiös begründeten Metaphysik trat zunehmend ein Sinn für das Tatsächlich-wirkliche zur Seite. So ist auf der schmalen Handleiste des Treppengeländers zur um 1500 geschaffenen Kanzel im Wiener Stephansdom eine naturalistische Phalanx aus der Tierwelt skulptiert: ein Hund, der Eidechsen, Schlangen und Kröten anbellt.193 Zusätzliche Elemente der Natur konnte die Heiligenlegende freilegen. Das Kreuz auf der Spitze des Giebels der im 17. Jahrhundert neu errichteten Basilica di Sant’Eustachio in Rom ist einem lebensecht wirkenden Hirschkopf aufgepflanzt. 188 Sedlmayr (1950) S. 138; Dinzelbacher (2003), S. 253. 189 Ledderose (2006). 190 Zur gotischen Architektur als Wald: Camille (1996), S. 147; Baltrušaitis (1984, 1957)., S. 90–114; Behling (1964), S. 120–128; Traeger (1988);. 191 Panofsky (1951), S. 6f.; Bredekamp (2000), S. 228ff.; Dieckhoff (1978), S. 69f.; 192 Flasch (1986), Ozment (1974); Wellmuth (1944), S. 37; Dieckhoff (1978), S. 69f.; Pochat (1986). S. 195–198; zum „Niedergang des Symbolismus“: Huizinga (1941, 1987), S. 237ff. 193 Die Kanzel schuf Anton Pilgram (1460–1515); Gerhardt (1985).

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27: Kapitell mit Blättern, Soisson, Kathedrale

Polyvalente Dinge aus der Natur vermochten den Glauben ebenso zu fördern wie den Wissenshorizont zu erweitern. Dass im Kirchenraum auch das Naturalienkabinett avant la lettre beheimatet war, bezeugen bereits Quellen aus dem Hochmittelalter, wie allen voran der eingangs zitierte Durandus.194 Von der Angewohnheit, ungewöhnliche Naturobjekte an heiligen Orten aufzubewahren, ist auch bei Giovanni Boccaccio (1313–1375) im vierten Buch seiner Genealogia Deorum die Rede. Nachdem sich bei Berührung ein prähistorischer Körper in einer Grotte auf Sizilien pulverisiert hatte und nur drei Zähne enormer Größe zurückblieben, wurden diese sogleich in die Kirche dell’ Annunciata von Trapani transportiert, in eterna memoria dei posteri.195 Daran knüpfen Autoren der Mitte des 16. Jahrhunderts an. So wissen Sebastian Münster (1488–1552) oder Conrad Gesner (1516–1565) von animalischen Exponaten in Kirchen und ihrer magisch-apotropäischen Aura zu berichten.196 Als ob die Größe eines Walfischknochens im weiträumigen Kirchenraum seine passende Rahmung fände, war in der Kathedrale von Bourges ein „Großes risenbein“ aufgehängt;197 Alb194 Durandus, Rationale divinorum officiorum, hrsg. von A. Davril/T.M. Thibodeau (Corpus Chris­tianorum Continuatio Mediaevelis CXL), Turnhout 1995, I, III, 43 (S. 49). 195 Boccaccio (1360–1374, 1998), S. 303 [Viertes Buch, LXVIII]. Das Relikt sollte im 17. Jahrhundert von Athanasius Kircher untersucht werden, der ihn für den Schädel eines Elefanten hielt, Kircher (1678), S. 59. 196 Gesner (1557), S. 237; Münster (1548), fol. 807. 197 Platter (1605, 1892, 1979), S. 525.

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recht Dürer (1471–1528) fielen einst die Gebeine eines „gros­sen risen“ in der Kathedrale von Antwerpen auf.198 In den konfessionellen Turbulenzen des Dreißigjährigen Krieges fand ein von Schwedentruppen bei Schanzenarbeiten in Krems gefundener Riesenzahn seinen Ausstellungsort in der dortigen Jesuitenkirche, wie die Jahrhundertchronik Theatrum Europaeum (Bd. V, S. 974) zu berichten weiß.199 Nicht selten wurden großflächige Häute und Knochen Überresten eines Drachen zugeschrieben. Diesen Abstrakta der Riesenhaftigkeit standen vollständig ausgestopfte Krokodile als Konkretum diabolischen Schreckens gegenüber. Der unmit­telbaren Wirkung naturalistisch präparierter Objekte konnte sich kaum ein Besucher entziehen. Sowohl Drachenfragment als auch ausgestopftes Krokodil hatten die Funktion, den Triumph über den Teufel oder das Böse zu symbolisieren.200 Fossilien, Knochen und ausgestopfte Tiere erschienen dem Kirchenbesucher einerseits als pure Kuriosität, andererseits waren ihnen historische Exempel eingeschrieben, die die lokale Geschichte als bedeutenden Bestandteil der biblischen Heilsgeschichte veredelten. Wenn sie biblisch gelesen, d. h. mit Ereignissen aus der Bibel in Beziehung gesetzt wurden, konnten sie trotz ihrer Fremdheit sowohl Vertrautheit wie auch Bedeutung ausstrahlen. In sichtbare Zeugnisse der Sintflut mutierten sogleich versteinerte Muscheln auf einem Berggipfel. Das Schulterblatt eines Seeungetüms in der Johanniskirche zu Lüneburg wurde zum Relikt des biblischen Goliath.201 Narwalzähne verwandelten sich in das Horn des Einhorns, wie es der Physiologos überlieferte. Eine Walfischrippe auszustellen, erinnerte an die biblische Geschichte des vom Wal verschlungenen Jona.. Kuriosa waren daher nicht nur Objekte des Spektakulären oder Mittel der Naturwahrnehmung, sondern auch Medien, damit unglaubliche Passagen der Bibel weiterhin beim Wort genommen werden konnten. Der im sakralen Raum sich entfaltende „heiligende Blick“202 war Motor, aus Kuriositäten Erinnerungsträger, d. h. konforme Objekte der Kirche zu machen. Aus einem bauchigen großformatigen Gefäß aus dem Zithergewölbe der Stiftskirche in Quedlinburg machte die Wahrnehmung des gläubigen Betrachters sogleich einen der sechs Wasserkrüge, die bei der Hochzeit zu Kanaan benutzt worden seien.203 Heutzutage sind derartige Dinge nicht mehr als profane Kuriosa, wie Ernst Jünger erzählt: „So zeigt man hier auf der Reichenau einen uralten Krug, an dem Jahrhun198 Albrecht Dürer, Schriftlicher Nachlaß, hrsg. von Hans Ruprich, Bd. 1, Berlin 1956, S. 158; zur „Bewältigung fremder Wirklichkeit“ in Reiseberichten: Esch (1991). 199 Scholz-Williams (2006), S. 356. 200 Eslava Galán (1991); Le Goff (1983). 201 Dieser Knochen hing dort bis 1814 und gelangte dann ins Städtische Museum, Otte (1883), S. 213; vgl. allg. Kuechen (1979). 202 Os (2001), S. 157. 203 Für diese Konversion gebe es keine schriftlichen Belege, auch keine päpstliche Bulle: „Daher bleibt nur noch die Beschaffenheit dieses Gefäßes, nebst den daher genommenen Merkmaalen.“ Wine­ken (1761), S. 21.

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derte hindurch kein Zweifel darüber möglich war, daß man ihn bei der Hochzeit in Kana auftischte. Heute wird das als Kuriosum erwähnt; die Achtung, die man für ihn in Anspruch nimmt, gleicht eher der, die auch der Besitzer einer Vase aus der Zeit der Ming-Zeit erwarten darf.“204 In Kirchenräumen konnte sich in Kontrast zu einer schrift- und bildgestützten Memorialkultur die Schwerkraft eines an Dingen gebundenen Gedächtnisses etablieren.205 Im Domschatz zu Aachen wird ein von einem arabischen Künstler verzierter Elefantenstoßzahn aufbewahrt, von dem man annahm, dass es sich um jenen Olifanten handelt, der in Roncisvallo von Roland zum Erklingen gebracht worden war.206 Die 1707 erst­mals schriftlich belegte, lange Zeit an Ketten aufgehängte Elefan­ tenrippe oder „Rippe des Goliath“ in der Braunschweiger Stiftskirche hatte die Funktion, an Reisen und Abenteuer von Heinrich den Löwen zu erinnern.207 Sie war Bestandteil der Heinrich-Memoria und im Kontext von Braunschweiger Löwen, Evangeliar und Residenzbildung situiert, heute wird sie mit angeblichen anderen Pilgermitbringseln Heinrichs des Löwen in einer Vitrine im Kirchenraum von St. Blasien gezeigt. Insbesondere bei erfolgreich bestandenen Kriegen dienten diese profanen Reliquien als memoriale Katalysatoren. Zahlreiche ausgestellte Trophäen im Markusdom von Venedig machten die Eroberung Konstantinopels von 1204 dingfest.208 Drachenköpfe, Galionsfiguren von Schiffen, mit denen norwegische Könige Byzanz angegriffen hatten, fanden sich in den Kirchen am Bosporus als Ausstellungsstücke wieder.209 Unter freiem Himmel war auf der Spitze des Ostgiebels des Domes zu Pisa bis 1828 der so genannte Pisa Griffin als Trophäe aus dem Krieg gegen die Türken zu sehen.210 Dinge verändern ihre Natur, je nachdem in welchen Räumen sie aufgestellt sind. In Kirchenräumen transformierten sie sich im äußersten Fall nach dem Modell des wichtigsten Vorgangs der mittelalterlichen Liturgie, der Transsubstantiation.211 Auch andere Dinge erfuhren dort zumindest eine Konversion, indem sie den Bedürfnissen der kultischen Praxis angepasst wurden. Die Option, in die Rolle von Utensilien der Liturgie zu schlüpfen, machte aus Olifant, Greifenklaue und Straußenei Reliqui-

204 Jünger (1979), S. 252. 205 Wenzel (1995), S. 99–115. 206 Grimme (1972), S. 17f. 207 Oexle (1994); Schlosser (1908), S. 13. 208 Reinle (1988), S. 298 f.; Schlosser (1908), S. 10. 209 Ciggaar (1996), S. 112 und 127. 210 Shalem (1998), S. 161f. 211 Lang (1998), S. 345–355.

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28: Straußeneiziborium (1320), Halberstadt, Domschatz

are,212 aus dem Nautilus ein Weihrauchschiffchen und aus dem Horn ein Behälter für Salböl (Abb. 28). Behälter islamischer Provenienz wurden bisweilen wie Reliquien geringeren Grades behandelt. Offiziell geadelt waren sie allein deswegen, weil sie in der Kirche gezeigt wurden, ähnlich wie in der Moderne Objekte der Rahmung eines Museums bedürfen, um als Kunst zu bestehen. Islamische Kunstgegenstände oszillieren allein deswegen zwischen Reliquie und Ding, weil sie – aus Elfenbein oder Glas – von einer hervorragenden Kunstfertigkeit zeugten.213 Ob man nun an exotische Naturalia denkt oder an islamische Kunstobjekte, ihre Präsentation in kirchlichen Räumen, in unmittelbarer Nähe zu hoch geschätzten liturgischen Kunstwerken umhüllte sie mit einer christlich-sakralen Atmosphäre, so dass sich ihr ursprünglicher Charakter verschob.214 Aber selbst wenn außergewöhnliche Naturobjekte im Kirchenraum eine Konversion erfuhren, die sich aus den Notwendigkeiten der Kult­ praxis ergab und sie als liturgisches Instrument oder Behälter für Reliquien fungier212 So beherbergte der angeblich vom Bischof von Angers zu Beginn des 13. Jahrhunderts vom Osten in dessen Heimat gebrachte Olifant Reliquien von Abraham, Isaac, Jacob and Sarah, siehe dazu das Inventar der Kathedrale von 1255, nach Kühnel (1971), S. 88 (Nr. 36); vgl. Shalem (2004), S. 120f. Über aus Horn angefertigte Reliquienbehälter beginnt die Überlieferung schon im 10. Jahrhundert; Braun (1940), S. 249ff. 213 Shalem ����������������������� (1998), S. 323f. 214 Ebd., S. 159–164.

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ten,215 kann die besondere, die Sinne weckende Form des Behälters ein ungeahntes Poten­zial der Verdinglichung freisetzen. Zwischen exotischen Dingen sowie Reliquien und spezifischen Heilssubstanzen besteht seit jeher ein Nahverhältnis. Das bei der Krönungszeremonie französischer und englischer Könige verwendete Salböl beispielsweise war in seiner Materialität nichts Exklu­sives,216 ebenso wie Knochen von Heiligen sowie von ihnen getragene Kleidungsstücke. In ihrer Wirkung sprengten sie aber sogleich den innerweltlichen Rahmen. Die materielle Substanz von Reliquien war ebenso unspektakulär wie vertraut; außeralltäglich war hingegen die prunkvolle Hülle – das Reliquiar – als Verweis auf die jenseitige Ebene des Himmlischen. Diese transzendente Brückenfunktion blieb den natürlichen Kuriositäten in der Regel verwehrt, auch wenn sie sich schnell in Reliquien profaner bzw. innerweltlicher Natur zu wandeln vermochten.217 In Kirchen waren nicht nur miracula, sondern auch mirabilia zu Hause, d. h. nicht nur Objekte, die auf Gott und Transzendenz bezogen sind, sondern auch das Universum spiegeln.218 Letztere versetzten in Erstaunen, sprengten den Rahmen des Üblichen und dehnten den Blickwinkel horizontal spürbar aus; bei ihnen war das Reich des Innerweltlichen in seiner denkbar weites­ten Ausdehnung abgesteckt.219 Ihre physische Präsenz hatte die Funktion, eine Ahnung von der Vielfalt der Schöpfung als Spiegel göttlicher Macht und Weisheit zu vermitteln.220 Kuriosa waren in ihrer Dinghaftigkeit mitunter deutlich präsenter als herkömmliche Reliquien; in ihrem sperrigen So-Sein blieb immer ein Rest, der nicht in metaphysischer Virtualisie­rung aufging. Sobald hingegen Reliquien ins Blickfeld gerieten, waren die entsprechen­den Deutungsmuster durch den Klerus weitgehend vorgegeben. Allein die hagiographi­ sche Überlieferung garantierte, das sich um den Heiligenkult fest gefügte Vorstellungen rankten. Die Kirche als Wunderkammer stellte mit kuriosen Naturobjekten und Reliquien somit sowohl innerweltliche als auch übernatürliche Wunderdinge aus. Das Ding als 215 Neumann de Vegvar (2003); Ebitz (1986); Magnusdottir (1998); Kühnel (1971), S. 6–14. 216 Bloch (1998). 217 Mariaux (2005), S. 38–41. 218 Zur ontologischen Unterscheidung zwischen miracula und mirabilia: Bynum (1997). Schätze wurden erstmals in mirablia und miracula eingeteilt beim Zeitgenossen von Petrarca, dem Uhrmacher, Altertumswissenschaftler und Astronomen Giovanni de Dondi (1318– 1389), der damit zum Ausdruck brachte, dass es Wunderbares auch im Endlichen, d. h. in der Natur gebe, Muens­terberger (1995), S. 255. 219 Zur Reliquie als Kuriosität: Lugli (1983), S. 13–21; zum Exotischen, das, „um überhaupt als außergewöhnlich oder märchenhaft empfunden und suggestiv wirksam zu werden, als spezifisch fremdartig erkannt und aus der Umgebung des Alltäglichen hervorgehoben werden“ muss: Pochat (1970), S. 17. Nicole Oresme (1330–1382) und Pietro Pompanazzi (1462–1525) hingegen hatten sich vorgenommen, Naturwunder zu entdämonisieren und auf natürliche Weise zu erklären; Das­ton/Park (1998, 2002), S. 188ff. 220 ���������������� Daston (1991).

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Reliquie sowie das Ding als Kuriosum markieren einen sakral eingerahmten Unterschied zwischen göttlichem und weltlichem Ding, dem sich Theologen und Philosophen bewusst gewesen sein mochten; bei Laien im Kirchenraum hingegen dürfte es immer wieder zu Überblendungen gekommen sein. Insbesondere der lokal verankerte Volksglauben zeigt, wie nah sich das Verhältnis zwischen Heiligenreliquie und außergewöhnlichem animalischen Ding gestalten konnte, wenn aus dem Walknochen in der Kölner Kirche St. Maria im Kapitol „St. Marias Rippe“ gemacht wurde.221 Ebenso wurde in der Stadtkirche des sächsischen Nossen zwischen der zur Schau gestellten Rippe eines Wales und der in Gold gefassten Rippe der heiligen Katharina im benachbarten Kloster Altzella eine Identität behauptet.222 Aber auch ohne liturgische Motivation war die Kirche lange Zeit bevorzugte Stätte, Knochen zu zeigen. Bevor anatomische Theater errichtet wurden, stellte der Kirchenraum oft die Bühne für anatomische, ursprünglich unter freiem Himmel stattfindende Sektionen an der menschlichen Leiche dar, so in Wien in der Friedhofskapelle des Spitals oder in Basel in der Elisabethenkirche. Der Friedhof war ein idealer Ort zur Leichenakquise, der kalte Steinbau der Kirche kam der Frischhaltung des Menschenköpers bei seiner Offenlegung entgegen.223 Bereits unter dem Kirchendach verwandelte sich der materielle Mensch vom Leib zum Körper, d. h. zu einem Ding, das man von außen objektiv beobachten konnte. Jetzt war es nicht die Heiltumsweisung, sondern die Sektion, die die Knochen freilegte, im Unterschied stammten sie nicht von namhaften Heiligen, sondern von anonymen Delinquenten. Dennoch stellten beide Veranstaltungen Opfer von Gewalttaten – Märtyrer und Hingerichtete in ihren Dienst – auseinander. Auch zwischen Reliquie und Präparat fallen bei näherer Betrachtung Gemeinsamkeiten auf. Bei beiden handelt es sich um konservierte Körperteile, auch werden beide ausgestellt, um eine bestimmte Überzeugung zu propagieren. Beide Objekttypen schaffen Autorität, die Reliquie soll die Wundermacht belegen, das Präparat den Fortschritt der Wissenschaft. Es ist nicht so, dass alles, was in die Kirche gelangte, sogleich sakralisiert wur224 de. Die Kategorie, die mit exotischen Fundstücken verbunden ist, ist die des Selte­ nen, ob es sich nun um eine Schildkrötenschale, das Horn einer Antilope, einen Meteo­riten oder auch Monströseres handelte.225 Gerade bei an Pfeilern befestigten Mammutknochen, von der Kirchendecke herabhängenden Straußeneiern und ausge­ stopf­ten Krokodilen hat man es mit einer Verehrungs- und Schaupraxis zu tun, deren Bedeutung in der Regel nicht im Rahmen der regulären liturgischen Repräsentation aufgeht. In ihrer Erratik stehen Kuriosa aus der Natur quer zu Bildwerk 221 Nathan �������������� (2008). 222 Köhler (1886, 1978), S. 183f. 223 In den meisten Kirchen war auch eine Wasserquelle vorhanden, Wolf-Heidegger/Cetto (1967), S. 65. 224 U. a. Witkowsky (1908). 225 Murray (1904), Bd. 1, S. 6–12; vgl. Gesner (1565), S. 66.

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und Ikone.226 Als nicht banale, paraliturgische Dinge können sie auf die Einmaligkeit der Heilsgeschichte verweisen; als Naturalie haben sie den Vorzug, frei von menschlicher Gestal­tung und Einwirkung zu sein; allein deswegen suggerieren sie einen direkten Bezug zu einer göttlich bestimmten Sphäre. Ernst von Dobschütz (1870– 1934) hat in seiner immer noch maßgeblichen Studie Christusbilder (1899) herausgestellt, dass es dem Christentum als Religion geschichtlicher Offen­­barung im weiten Feld der vom Himmel, wie Regen, Blitz oder Meteoriten gefallenen Bildwerke auf die Verehrung des legendär überlieferten Menschenantlitzes angekommen sei: „Nicht der Kultus des Stein­idols oder des rohen Holzschnitzbildes, sondern die Verehrung des wunderbaren Porträts ist es, die das Christentum, von echt griechischem Geiste geleitet, in dem Achiropoiïtenglauben zum Ausdruck brachte.“227 Im Kirchenraum gezeigte Kuriosa aus der Natur zeigen, dass sich die acheiropoetische Kraft im Chris­ tentum keineswegs in derartigen Christusporträts erschöpfen musste. Unterhalb ihrer Rolle als Medium einer höheren, mystischen Wahrheit zu fungieren, waren sie besonders geeignet, Schaulust zu fördern.228 Ihnen war die Tendenz eingeschrieben, eine ungehemmte „körperliche Schau“229 zu animieren, d. h. ein von der kirchengeschichtlichen Zunft abgewerteter Typus des Schauens, der durch eine sinnliche Symbiose zum betrachteten Gegenstand gekennzeichnet ist. Statt nur das zu sehen, was man glaubt, schien hier die Devise „ich glaube nur, was ich sehe“ zu greifen. Hinzu kommt, dass bei Walfischrippen und Mammutknochen die Ablassdoktrin nicht griff, derzufolge ein pflichtbewusster mechanischer Blick ausreichte, um der Sündenvergebung teilhaftig zu werden. Vielmehr hat im Angesicht der Kuriosa die Wahrnehmung des Dings Priorität; dessen Symbolik erst durch angeeignete Erläuterungen oder mitgebrachtes Wissen manifest wird. Selbst Kuriosa, die in ihrer Symbolik in eine jenseitige Sphäre hineinragten, gingen also nicht darin auf, Zeichen für anderes zu sein. Ihr nicht aufzulösendes physisches Potenzial fällt immer wieder ins Auge, was hier im paraliturgischen Umgang mit Straußenei, Einhornhorn und Krokodil näher erläutert sei.230

226 Im christlichen Abendland sind es die Feiertagstexte und Inhalte, die in entsprechenden Bildwerken Gestalt annehmen, während die vom Himmel gesandten, angeblich nicht von Menschenhand gemalten byzantinischen Ikonen infolge ihrer Entstehung einen Kult um sich entwickelt haben; Tripps (1998), S. 26f. 227 Dobschütz (1899), S. 268. 228 Der Anspruch der Diaphanie als sakramentale Schau besteht darin, die sinnliche Wahrnehmung in eine spirituelle Schau des Göttlichen zu überführen; Scribner (1990, 2002), S. 110; zur Problematik der Kategorie „Schaufrömmigkeit“: Toussant (2011), S. 17–25; Schnitzler (2002); Kühne (2000), S. 513–519. 229 Mayer (1938), S. 235; vgl. auch Tyrell (2002). 230 Siehe zur genauen Verortung dieser Objekte im Kirchenraum in vorliegender Studie, S. 87.

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29: Hängende Straußeneier, Kaiserbogen und Katholikon (Aufnahme vor 1925), Jerusalem, Grabeskirche

DAS STRAUSSENEI – Wie so manch andere exotisches Relikt war auch das Straußenei Produkt von Handelsbeziehungen und damit des Kulturtransfers.231 Aufgrund ihrer großen Verbreitung in mittelalterlichen Kirchenschätzen des Westens kann man in diesen Objekten „stumme Zeugen der lebhaften, besonders durch die Kreuzzüge rege gewordenen Beziehungen zwischen Occident und Orient“232 sehen. Bis heute bezeugen die in christlichen Wallfahrtskirchen Palästinas befindlichen zahlreichen Öllampen mit darüber angebrachten Straußeneiern, wie in der Grabeskirche von Jerusalem oder in der Geburtskirche Jesu von Bethlehem,233 diese in Moscheen 231 Neben Bock (2005) vgl. allg. zum Straußenei: Mariaux (2005), S. 35f.; Kohlhaussen (1968), S. 138–142, 148–154; Tripps (2005), S. 181–183. 232 Bock (2005), S. 51; Shalem (2004); Kühnel (1971); Falke (1929). 233 Heute hat man dort 43 Ampeln gezählt, die den vier verschiedenen Religionsgemeinschaften gehören – je dreizehn den Lateinern, den Griechen und den Armeniern, vier den Kopten; Bock (2005), S. 67; Gröber (1925).

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häufig anzutreffende Dekorationspraxis (Abb. 29). Es liegt nahe, dass Kreuzfahrer – von den in Moscheen hängenden Straußeneiern nicht unbeeindruckt – diese Angewohnheit auch in Kirchenräumen etablierten.234 Die Attraktivität von Straußeneiern speiste sich aus dem Fremden im Vertrauten: „Im Fall des Straußeneis wird das Bekannte seine aus der alltäglichen Erfahrung mögliche Erkennbarkeit als Schale eines Vogeleies gewesen sein, das Fremdartige, Unbekannte hingegen seine außerordentliche Größe (und wohl auch Härte), womit sie sich gegenüber den in Europa üblichen Eischalensorten als etwas ,Wundersames‘, und damit eben Exotisches deutlich abhoben.“235 Zudem mag sich mancher Kirchenbesucher an eigene Praktiken des Alltags erinnert haben. So hing am Hauptbalken so manchen Hauses ein Ei.236 In Kontrast zu Kreis und Kugel konnte das Ei auf Oval und Ellipse verweisen und damit besonders gut bipolare Spannungen, von denen das Christentum geprägt ist, verkörpern. Wenn sich auch heutzutage wegen seiner meist fragilen Beschaffenheit nur wenige erhalten haben, müssen hängende Straußeneier in Kirchenräumen eine weit verbreitete Erscheinung gewesen sein.237 In enzyklopädischen Werken der frühen Neuzeit stößt man oft auf Hinweise, wie beim französischen Naturforscher Pierre Belon: Grande partie des œufs que nous voyons pendus par les eglises, sont œufs de Crocodille: & toutesfois pensons qu‘ils sont œufs d‘Autruche.238 Sebastian Münster hob zum Straußen hervor: „Er legt vil eyer/ vnd die seind groß/ wie man sie dann hin vnd haer in Teutschland in der Kirchen auffgehenckt.“239 Neben Girolamo Cardano fiel auch Conrad Gesner diese kirchliche Ausstellungspraxis ins Auge, als er in seiner Tier­ enzyklopädie auf den „Straußenvogel“ einging.240 Schon bei Bartholomäus Anglicus (ca. 1190–1250) Mitte des 13. Jahr­hunderts ist die Aufhängung von Straußeneiern in Kirchen des Okzidents belegt.241

234 Rossacher (1966), S. 11; Rowland (1978), S. 113; Galavaris (1978), S. 77; Bock (2005), S. 56; allg. zum Transfer von Exotika im Zeitalter der Kreuzzüge: Pochat (1970), S. 55–75. 235 Bock (2005), S. 51. 236 Als Fruchtbarkeitssymbol wurde dem Ei eine prominente Stelle im Haus eingeräumt, um diesem dadurch Schutz, den Bewohnern Wohlstand und Gedeihen zu sichern; zum Ei im Brauchtum: Lechner (1953), S. 19. In der Türkei oder in Nordafrika übten aufgehängte Straußeneier in Wohnungen oder Moscheen als Abwehrzauber die Funktion eines Talismans aus; Seligmann (1999), S. 292. 237 Bocks Forschungen (2005, S. 5) haben 407 schriftlich überlieferte Straußeneiobjekte älterer Zeit (bis 1800) ausfindig gemacht, davon viele aus dem deutschsprachigen Raum. 238 Belon (1555, 1997), S. 233. 239 „Von den Straussen” bei Münster (1548), S. 807. 240 Gesner (1557), S. 237; Cardanus (1550, 1663, 1966), S. 241. 241 Ova autem struthionis in Ecclesiis suspenduntur ad ornatum, propter eorum magnitudinem & raritatem [Aber die in Kirchen wegen ihrer Größe und Seltenheit zum Schmuck aufgehängten Straußeneier], Bartholomäus Anglicus, De proprietatibus rerum (livre 19, chap. 110).

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Von Anfang an bewegen sich Straußeneier im Spannungsfeld von dinghafter Ausstrahlung und symbolischer Aufladung. Ausführlich ging der Kanoniker und in kurialen Diensten stehende Diplomat Durandus von Mende in seinem Rationale auf dieses Phänomen ein. Die zu Beginn dieses Kapitels als Motto vorangestellte Argumentation von Durandus mutet modern an. Ein derartiges Objekt errege Bewunderung und zöge die Menschen an, den Kirchenraum zu betreten und nicht so rasch zu verlassen.242 Im weiteren Verlauf seiner Abhandlung setzte er sich mit den Eigen­ schaften dieses Vogels auseinander: „Wiederum sagen einige, dass der Strauß, gleich­ sam ein vergesslicher Vogel, seine Eier im Sand zurückgelassen hat, schließlich, sobald er einen bestimmten Stern gesehen hat, sich erinnert und zu jenen zurückkehrt und sie mit seinem Blick wärmt. Die Eier werden deshalb in den Kirchen aufgehängt, um auszudrücken, dass der Mensch, der wegen der Sünde von Gott verlassen ist, wenn er schließlich, durch das göttliche Licht erleuchtet, sich erinnert hat, Reue ob seiner Fehler empfunden hat und zu ihm zurückgekehrt ist, durch den Blick seiner Barmherzigkeit gewärmt wird, (…).“243 Bei Durandus, aber auch in verschiedenen Versionen des Physiologos und den anderen mittelalterlichen Bestiarien bzw. christlichen Naturenzyklopädien, ist von einem Strauß die Rede, der in der Lage ist, mit seinem gezielten Blick seine Eier aus­ zubrüten. In Brutvergessenheit sei er zu den Sternen aufgestiegen, habe sich gerade noch rechtzeitig erinnert, sei zurückgeflogen, um seine Eier anschauend zu letzten Reife zu bringen.244 Selten haben Legenden das auf ein Ding konzentrierte Sehen so gefördert, wie diejenigen, die sich um das Straußenei ranken. Begab man sich auf die Ebene symbolischer Bedeutung, schien sich das Objekt in einen Köder der Visualität zu verwandeln. Der Zweck des Straußeneis bestand gerade darin, betrachtet zu werden. Auch das von Piero della Francesca gemalte Ei bzw. die Perle vor einer muschelförmigen Apsiswand zog magisch die Blicke der Betrachter an. Alles, was auf dem Bild dargestellt ist, ist Artefakt, nur die Menschen selber sowie das ominöse 242 Durandus, Rationale divinorum officiorum, hrsg. von A. Davril/T.M. Thibodeau (Corpus Christianorum CXL), Turnhout 1995, S. 49 (I, III, 43); vgl. Sauer (1964, 1902), S. 211f.; Das­ ton/Park (2002), S. 93. 243 Rursus aiunt quidam quod structio tamquam avis obliviosa dereliquit in sabula ova sua, demum quedam stella visa recordatur et redit ad illa et aspectu suo fovet ea. Ova ergo in ecclesiis suspenduntur ad notandum quod homo propter peccatum a Deo derelictus, si tandem divino lumine illustratus recordatus, delictorum suorum penituerit et ad ipsum redierit, per aspectum misericordie illius fovetur, (…). Durandus, Rationale divinorum officiorum, hrsg. von A. Davril/T. M. Thibodeau, Turnhout 1995, I, III, 43, (S. 49); Übersetzung nach Faupel-Drevs (2000), S. 397f. 244 Bock (2005), S. 68f.; Lauchert (1889), S. 38. Zu Straußeneiern, die durch einen Blick ausgebrütet werden, schon: Isidor von Sevilla (560–636), Etymologiae XII, 7, 20 sowie Albertus Magnus, De animalibus XXIII, 139. In den eigentlichen Physiologus-Fassungen ist die Version des durch seinen Blick die Eier zum Ausbrüten bringenden Straußenvogels hingegen nicht überliefert; Bock (2005), S. 72; Henkel (1976); Ursula Treu (Hrsg.), Physiologos: Naturkunde in frühchristlicher Deutung, Hanau 31988, S. 102.

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Hängeobjekt sind nicht von Menschen gemacht und suggerieren einen direkten Draht zu Gott.245 Dass der gezielte Blick die Eier zum Ausbrüten brachte, – denn die Eier würden verderben, wenn man die Augen von ihnen abwandte – sollte die Kirchenbesucher anspornen, diese Dinge andächtig und eindringlich zu betrachten. Die Aufwertung des Gesichtssinns zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die mitten im Kirchenraum aufgehängten Straußeneier den Blicken der Gläubigen von allen Seiten gleichförmig ausgesetzt waren.246 Die Blicke konnten das Ding geradezu animieren, so dass es sich in ein Sinnbild verwandeln konnte.247 Im Sehen konstituiert sich eine sinnliche Handlung, eine physische Verbindung zwischen Betrachter und betrachtetem Gegenstand.248 Obwohl dem Straußenei keine gegenständlichen Augen aufgesetzt waren, fühlte sich der Gläubige von ihm beobachtet. Es schien den Betrachter zu verfolgen, auch wenn er es gerade nicht anschaute. Zugleich verkörpert das Straußenei für den Kirchenbesucher ein unübersehbares Memento, in seiner Aufmerksamkeit nicht nachzulassen. In diesem Sinne stellten sie weniger einen Anlass allegorischer Interpretation dar, sondern fungierten als Merkzeichen.249 DAS EINHORN – Beschäftigt man sich mit Zeugnissen früher Sammlungen, so stößt man sehr bald auf einen aus heutiger Sicht skurrilen, aber im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit ebenso seriösen wie wertvollen Gegenstand: Den spiralig gedrehten, zu einem langen Spieß ausgewachsenen oberen Eckzahn des Narwals.250 Dieses reale Tier war Ausgangspunkt phantastischer Vorstellungen, innerhalb derer der Spitzzahn des Narwals in das Horn des legendären Einhorns mutierte. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts sah man sich in der Lage, zwischen fossilem, fiktiven, marinem und medizinischem Einhorn zu unterscheiden (Abb. 30). Der Physiologos, 245 Siehe Abb. 26. 246 Im normanisch-englischen Raum wurden Straußeneier œuf de griffon, Greifeneier genannt, die symbolische Bedeutung des Straußen konnte also dort nicht greifen. Man hätte also eine Erklärung, falls dort keine demonstrativ aufgehängten Straußeneier überliefert sind. 247 „Sehen und Angeschautwerden galten in dieser Logik als Vermittlungsinstanzen zwischen Himmel und Erde.“ Lentes (2002), S. 179; vgl. Belting (2007), zu den theologischen Implikationen des Sehens: Bergdolt (1991). 248 Zur spätmittelalterlichen Sehpraxis: Lentes (2002); Marchal (1993), S. 263f.; Scribner (1989, 2002). 249 Bock stellt die These auf, dass das Aufkommen des Interesses an Straußeneiern und einigen anderen exotischen naturalia sowie die damit verbundene kulturelle Aneignung hauptsächlich mit dem Aspekt des Faszination auslösenden Fremd- und Andersartigen zu erklären sei. So seien bei Gefäßen aus Kokosnuss keine allegorischen Deutungen überliefert, Bock (2005), S. 79; vgl. Kemp (1995), S. 185; ähnlicher Befund bei Nautilusmuscheln, Rasmussen (1983), S. 51, 54; vgl. hierzu auch Mette (1995), S. 59: „Denn es gibt interessanter­ weise keine nur für den ‚Nautilus pompilius‘ spezifisch ausgebildete und signifikant ­fixierte Ikonographie.“ Dagegen Kuechen (1979). 250 Lavers (2009); Einhorn (1998, 1976); Faidutti (1996); Schönberger (1935/36).

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30: Einhorn im Spannungsfeld zwischen Fiktion und Realität, aus Valentini, Museum Museorum (1714)

die Kirchenväter und nach ihnen zahlreiche mit­telalterliche Autoren bestätigten die Gleichsetzung der Einhornjagd mit der Menschwerdung Christi durch die Jungfrau Maria. Denn: �������������������������������������������������������������������� Nur von einer Jungfrau habe sich das Fabeltier zähmen lassen, indem es seinen Kopf in deren Schoß legte. ����������������������������������������������� Der als Stange des Einhorns interpretierte Narwalzahn gewann so den Rang eines äußerst wertvollen Gegenstandes, schien er doch die Wahrheit der Schrift und damit mittelbar die physische Existenz des Erlösers zu beweisen.251 Derartige Dinge waren in Kirchen besonders gut aufgehoben. Der dänische Arzt und Theologe Thomas Bartholin (1616–1680) erwähnt in seiner Studie über Einhörner fünfzehn Beispiele, von denen die bekanntesten diejenigen von Saint-Denis, Venedig und Straßburg gewesen seien.252 Das Horn des Einhorns, das das Chorgewölbe der Abteikirche Saint Denis zierte, soll legendäres Geschenk Harun al Raschids (763–809) an Karl den Großen (747–814) gewesen sein (Abb. 31). Dieser Narwalzahn von Saint-Denis hatte den Status einer überaus begehrten Reliquie, von der man hin und wieder ein Stück abbrach, was sich dann im schwindenden Gewicht des Zahns ausdrückte.253 Gleich drei Hörner dieses sagenhaften Tiers waren in der

251 ������������������������������ Cherry (1995, 2009), S. 73–80. 252 Bartholin (1645), Bd. 1, S. 200, Bd. 2, S. 169. 253 Faidutti (1996), S. 304–312; Hansmann/Kriss-Rettenbeck (1977), S. 126

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Kapitelkirche Sint-Marie zu Utrecht zu sehen (Abb. 32).254 Thomas Cantimpratensis (1201–1270) spricht in seinem Bienenbuch von einem sieben Fuß langen Horn, das in der Kirche von Brügge ausgestellt war.255 Conrad Gesner zählte die beiden Exemplare aus der Kathedrale von San Marco in Venedig zu denjenigen, deren Authentizität nicht angezweifelt werden könne.256 Heute besitzt der Markusdom drei solcher Hörner, bei einem von ihnen sind die Spiralrillen weggefeilt, um daraus Pulver zur Heilung von Krankheiten zu gewinnen. Um dieses zu unterbinden, ordnete die Obrigkeit an, die Hörner mit Silber zu überziehen.257 Der berühmte Arzt ��������� Ambroise Paré (1510–1590) erwähnt neben den Hörnern von Saint-Denis und Venedig, auch das vom Straßburger Münster: laquelle est de longueur de sept pieds et demi, encore l’on a coupé furtivement le bout de la pointe, laquelle sans cela serait plus longue.258 Wie bei kaum einen anderen Naturobjekt����������������������������������� , war beim vermeintlichen Horn des Einhorns����������������������������������������������������������� biblische Heilsgeschichte und Magie miteinander verquickt. Durch zahlreiche Versuche galt es als erwiesen, dass das Horn in Gegenwart von Gift Wasser ansetzte, d. h. zu „schwitzen“ begann. Spinnen und Skorpione ließen offenbar bei Kontakt mit der Hornsubstanz ihr Leben. Heilkundige schlossen aus Experimenten, dass der Gebrauch von ­Bechern oder Geschirr aus der Stange des Einhorns vor Giftanschlägen immunisiere. Darüber hinaus setzten Ärzte Einhornpulver als Antidot bei schon erfolgten Vergiftungen sowie als Heilmittel gegen die Pest ein.259 Für den Besitzer bedeutete die Einhornstange oder auch nur ein Bruchstück davon mehr als den scheinbaren physischen Schutz vor Mord und Pestilenz; gegenüber seinen Unter­ tanen umgab es ihn mit der Gloriole der Unverletzbarkeit. Für wie wertvoll das Einhornhorn gehalten wurde, zeigt der Umgang mit diesem Objekt durch Geistliche des Straßburger Münsters. Philippe André Grandidier (1752–1787), Abt, Archivar und Kirchenhistoriker schrieb aus dem Blickwinkel eines nüchter­nen Zeitgenossen der Aufklärung über diese Schenkung von König Dagobert (ca. 608–638) aus der Frühzeit der Domgeschichte, que plusieurs ont regardé comme une

254 Shepard (1930), S. 253; Schönberger (1935/36), S. 196; näheres auch bei Schnapper (1988), S. 89. Wann und wie sie in diese Kirche kamen, ist unbekannt. Immerhin gibt es eine Quelle aus dem 15. Jahrhundert, die besagt, dass Kaiser Heinrich IV. (1050–1106), der Stifter dieser Kirche, sie an den dortigen Bauherrn, Bischof Konrad, geschenkt haben soll; Os (2001), S. 177; Vlierden (1989). 255 Bonum universale de apibus, Liber II, Cap. XXIX, ����������������������������������������� nach Einhorn (1976, 1998). S. 203f. 256 Gesner (1551, 1603), S. 693f. 257 ��������������������������� Cherry (1995, 2009), S. 91. 258 Paré (1582, 1841, 1970), S. 499. Eine ähnlich präzise Beschreibung findet sich bei Gesner (1551, 1603), S. 693f. 259 Minges (1998), S. 14; schon bei Plinius dem Älteren (23–79) ist überliefert, dass dem Horn des Einhorns die Fähigkeit zugesprochen wurde, Gift sichtbar zu machen und es sogar zu neutralisieren; Pigeaud (1990), S. 139–152, S. 153–166; Evans (1896), S. 94f., S. 104f.; Schnapper (1988), S. 87–94; Murray (1904), S. 40–43; Cherry (1995, 2009), S. 87–90.

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31: Horn des Einhorns von St. Denis, Paris, Musée de Cluny

32: Drei Einhornhörner, Utrecht, Kathedrale Sint-Marie

des prin­cipale raretés de la ville de Strasbourg.260 Schon Gesner hatte geschrieben, dass ein Dieb vom Horn die Spitze weggebrochen habe, weil er davon überzeugt war, es sei ein wirkungsvolles Mittel gegen Pest und Gift.261 Tatsächlich ist überliefert, dass im Jahre 1380 einer der Domherrn, Rudolf von Schauenburg, für derartige Hörner eine besondere Verehrung an den Tag legte. Er suchte Schutz vor Gefahren und Feinden und fand ihn in der Materie des Horns, dessen äußeres Ende er abbrach, um es als Amulett gegen Gift oder die Pest permanent bei sich zu tragen. Die strengen Sanktionsmaßnahmen seitens des Domkapitels belegen, welch große Bedeutung dieser exotischen Naturalie beigemessen wurde. So schlossen sie den Domherr nicht nur sofort aus dem Domkapitel aus; darüber hinaus entschieden sie, dass künftig kein Mitglied der Familie von Schauenburg mehr Aufnahme finden sollte.262 Auch in den Religionskriegen spielte die animalische Reliquie eine wichtige Rolle. Zunächst verschwand sie auf mysteriöse Weise im Jahre 1584; ein Verlust, den Bischof und das Kapitel sehr beunruhigte, als würde daran das Schicksal der gesamten Kathedrale hängen. Im Jahre 1638 tauchte der selbst von den Bischöfen als Talisman der Kathe-

260 Grandidier (1782), S. 56f. Modern und aufgeklärt, betont er, dass es Einhörner nicht gibt: M. de Buffon, ce sublime confident de la nature, n´en parle aucunement. Stattdessen handelte es sich um die Waffe oder Zahn eines Narwals, eines Fischs aus Grönland, licorne de la mer. 261 Gesner (1551, 1603), S. 693f. 262 Grandidier (1782), S. 57.

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drale betrachtete Gegenstand in einer Schachtel aus Tannenholz, mit drei Schlössern versehen, wieder im Schatz des Straßburger Münsters auf.263 DAS KROKODIL – „Wir bewundern sie aufgehängt in Kirchen und an öffentlichen Plätzen“,264 schrieb der französische Naturforscher Pierre Belon zu Krokodilen. Ob nun in Italien oder Frankreich, die Liste von Kirchen ist lang, in denen präparierte Reptilien zu sehen waren.265 Wie oft Krokodile in iberischen Sakralräumen anzutreffen waren,266 zeigt das Itinerarium sive peregrinatio per Hispaniam, Franciam et Alemaniam (1494/95) des Nürnberger Humanisten Hieronymus Münzer (1447–1508). In Evora, am Eingang der Kirche San Blas, sah er ein hängendes Krokodil aus Guinea, das man als „Schlange“ bezeichnete.267 In Lissabon, im Chor des Minoritenkonventes der Santisima Trinidad, fiel ihm das nächste Reptil ins Auge, das diesmal „Drache“ genannt wurde.268 Im Kreuzgang der Esglesia vella von Montserrat waren eine Reihe von Krokodilen und Kaimane zu besichtigen.269 Mit der Entdeckung Amerikas wurde Spanien von getrockneten Echsen geradezu überflutet, wodurch neben den bisher verbreiteten asiatischen und afrikanischen Krokodilen vermehrt amerikanische Arten traten.270 Insbesondere Ägypten unterhielt einen schwunghaften Handel mit getrockneten Krokodilshäuten.271 Ritter Arnold von Harff (1471–1505) fiel auf seiner Rückreise aus dem Heiligen Land auf, wie Händler aus einem Krokodil den sagenumwobenen „Lindwurm“ machten und ihn feilboten.272 Diese Metamorphose schöpfte aus der Evi-

263 Letztlich verloren gegangen ist der Zahn während der Französischen Revolution; zum ähnlich gelagerten Fall in Utrecht: Vlierden (1989), Os (2001), S. 177. 264 Belon (1589), S. 244. 265 In Italien sind Krokodile im Santuario della Madonna de Campagna zu Verona und in San Giorgio di Almenno zu Bergamo (12. ��������������������������������������������������� Jahrhundert) nachgewiesen bzw. erhalten; ebenso in Santa Maria delle Lagrime in Ponte Nossa bei Bergamo (16. Jahrhundert), auf dem Sacro Monte bei Varese (15. Jahrhundert; Lombardei), in Monteallegro bei Rapallo (1695), Santa Maria delle Vergini bei Macerata in den Marken (1581 errichtet). Für Frankreich ist ein Krokodil zu Saint-Bertrand-de-Comminges bei Toulouse überliefert, das an einer Säule im Inneren der Kirche hing; für die Abtei von Saint-Victor zu Marseille ist ein weiteres verbürgt; in Belgien hing eines in der Kapelle Notre-Dame bei Audenard; Bock ��������������������������� (2005), S. 52; Deu Domènech (2000/2001), S. 273. 266 Bis heute haben sich in Spanien mindestens 25 Exemplare erhalten, die zwischen der Mit te des 15. und Ende des 18. Jahrhunderts in die Kirchenräume gelangten, nach ��������� Deu Domènech (2000/2001). 267 Münzer (1494/95, 1924), S. 204; Tripps (2006), S. 82; Classen (2003). 268 Deu Domènech (2000/2001), S. 272. 269 ����������������������������������������������������������������������������������� Während der napoleonischen Besatzung wurden viele zerstört; Baraut (1968), vgl. zu Montserrat Albareda (1977). 270 Tripps (2006), S. 83f.; Zanca (1999b), S. 173. 271 Tripps (2006), S. 80. 272 Arnold von Harff (1496–1496, 1860), S. 82f; Lecouteux (1979).

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denz der in der Bibel tradier­ten Apokalypse, worin der Drache durch den Engel in Ketten gelegt wird (Offb 20,1-3). ������������������������������������������������� Das große Reptil, das auch im Buch Hiob eine eindringliche Beschreibung gefunden hat, galt als Personifikation des Bösen und des urtümlichen Chaos, als lebendiges Abbild des Leviathan.� Zu den Motiven, warum im Kirchenraum so auffällig ein Krokodil hängt, schweigen die Quellen, so dass man spekulieren muss. Die im Manierismus verbreiteten Embleme, die die Tränen eines Krokodils visualisierten, um so auf heuchlerischen Verhalten hinzuweisen, sind hier nicht besonders aussagekräftig.273 Stattdessen muss bei derartigen Praktiken stets der apotropäische Gesichtspunkt in Rechnung gestellt werden, wie er ebenfalls in Emblematiken reflektiert wird: „Das Krokodil, an die Decke von Kirchen gehängt, soll durch seinen Anblick das Böse fernhalten, entspricht es doch der Erfahrung, dass Schlechtes Schlechte einschüchtert, dass Böses bösen Sitten feind ist.“274 Krokodile zu überwältigen und sie in Kirchen aufzuhängen, bedeutete also, die Macht des Bösen zu domestizieren. Gerade weil das Reptil selber böse gewesen ist, ist es nach dem Konzept similia similibus in der Lage, das Böse anzuziehen, so dass es an einem bestimmten Ort gebündelt bzw. gebannt ist. Dass Krokodile fast nie im Chor ausgestellt waren, könnte darin begründet sein, dass der Chorbereich frei von Unheil bringenden Atmosphären zu sein hatte. Die Wallfahrtskirche Santa Maria delle Grazie bei Mantua erhielt ihr Krokodil zu Anfang des 16. Jahrhunderts, wie Ippolito Donesmondi (1560–1630) berichtet (Abb. 33).275 Der Zeitpunkt des Erwerbs des Krokodils deckt sich weitgehend mit der Errichtung der macchina votiva276, der Phalanx von Wachsfiguren durch Francesco da Acquanegra im Jahr 1517. Dieser Franziskaner könnte das Krokodil von den Gonzagas erhalten haben, nachdem es in deren Menagerie verendet war. Die Legende um dieses furchteinflößende Reptil musste natürlich dramatischer ausfallen. Ein knappes Jahrhundert später erzählt Donesmondi in seiner historischen Darstellung, das Krokodil habe in den Gräben von Curtatone sein Unwesen getrieben. Demnach waren zwei Brüder über den Damm eines der Gräben gegangen. Die Bestie tauchte auf, ergriff

273 Paolo Giovio (1483–1532) schreibt in seinem Dialogo dell’imprese militari e amorose, dass sich Sigis­mondo Gonzaga (1469–1525) der Kardinal und Bischof von Mantua, eine Imprese mit dem Motto Crocodili lacrimae an der Wand seines Studios anbringen ließ; Giovio (1555, 1978), S. 125. 274 Suspendus templis fertur Crocodilus in altis / Arceat ut visu noxia monstra suo / Sic terrere malos est consuetudo malorum, / Moribus improbitas sic inimica malis; Verse zum Emblem 37 Mali malo absterrent in der Emblematik von Macchi (1628), S. 153, siehe auch Abb. 24 ������������� in vorliegender Studie; zur Symbolik von Krokodilen im Mittelalter: Druce (1909). 275 Donesmondi (1603), S. 122. 276 Zanca (1999b), S. 172.

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33: Hängendes Krokodil im Kirchenschiff, Cur­tatone bei Mantua, Santa Maria delle Grazie

einen von beiden und fraß ihn auf. Als sie nach dem zweiten schnappte, empfahl sich dieser der Mutter Gottes. Erst dann gelang es ihm, das Tier zu überwältigen.277 Aber auch handelndes Bildwerk konnte sich mit derartigen zur Strecke gebrachten Ungeheuern verbinden. In Frankreich fanden Drachenprozessionen im Vorfeld von Chris­ti Himmelfahrt statt.278 Eine artifizielle Drachenfigur namens Graoully hängt heute noch in der Krypta der Kathedrale von Metz (Abb. 34). Bis in das 19. Jahrhundert wurde sie in Prozes­sionen durch die Stadt getragen, bevor sie von Kindern ausgepeitscht wurde.279 ����������������������������������������������������������� Die Erscheinung und den Mechanismus dieser Figur beschrieb Franços Rabelais (1494–1553) in seinem Pantagruel wenig respektvoll: Effigie ridicule et terrible aux petits enfants, ayant la tête plus grosse que le corps, avec larges, amples et 277 Prandi (2006); Signorini (1986). Donesmondi erklärt dabei die Entdeckung eines Krokodils an ungewohntem Ort, eben in der Umgebung von Mantua, nicht nur als Akt des göttlichen Willens, sondern auch auf Basis seines gelehrten Wissens, das damals geneigt war, auch die aus dem Rahmen fallende Rarität als natürlich zu betrachten. �������������������� Er zitiert Giuseppe Rosaccio (1530?–1620?) und sein 1595 in Venedig erschienenes Teatro del cielo e della terra, nach Zanca (1999b), S. 169. 278 Siehe ausführliche Schilderung der Prozession von Chartres in der Legenda aurea von Jacobus de Voragine (1230–1292) aus der von Richard Benz herausgegebenen Ausgabe (S. 361– 363). 279 Der Graoully war der Legende nach ein Drache, der in den Ruinen des römischen Amphitheaters der Stadt Metz hauste, bis ihn der heilige Clemens, erster Bischof von Metz, im 3. Jahrhundert vertrieb. Die Legende wird als Symbol für den Sieg des Christentums über das Heidentum gedeutet; Tripps (2006), S. 85–87.

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34: Der Drache „Graoully“ in der Krypta, Metz, Kathedrale, Krypta

35: Katzenhai, Stralsund, St. Nikolaikirche

horrifiques mâchoires bien endentelées tant en-dessus qu´au dessous, lesquelles avec l´engin d´une petite corde, on faisait l´une contre l´autre, terrifiquement, cliqueter.280 In Kirchen des deutschsprachigen Raums sind hingegen heute derart ebenso naturalistisch wie abschreckend gestaltete Exponate deutlich unterrepräsentiert. Allenfalls mag man in diesem Zusammenhang an den in der älteren Literatur titulierten�������������������������������������������������������������������������� „ausgestopften Haifisch“ von St. Nikolai in Stralsund denken, hinter dem sich das Skelett eines Katzenhais verbarg.281 Angebracht ist es am südlichen Turmpfeiler an einem Balken hängend unterhalb der 1840 eingebauten Orgelempore (Abb. 35). Falls dieser Hai erst Mitte des 19. Jahrhunderts in die Kirche kam, dürfte es sich bei ihm wohl nicht um einen apotropäischen Gegenstand handeln. Stattdessen könnte er in einer Stadt, in der die institutionelle Musealisierung noch nicht weit vorangeschritten war, von vornherein den Status einer spektakulären Musealie erhalten haben. In protestantisch geprägten Regionen Deutschlands ersetzte Verbalpräsenz das handelnde Bildwerk, wodurch dem liturgischen Kult seine Selbstwirksamkeit, sein ex opere operato genommen wurde.282 Der Drache trat dort nicht mehr als externe handgreifliche Gefahr in Erscheinung, sondern als visueller Protagonist der alten Kirche. Auf einer Illustration aus der Cranach-Werkstatt in der Luther-Bibel von 1534 zur Apokalypse werden mitten im Kirchenraum die mit Feuerzungen ausgestatteten Prediger mit einem Drachen, der eine Tiara trägt, konfrontiert (Abb. 36).283 Das Bedroh­ 280 Rabelais, Pantagruel (IV, Kap. 59), nach Tripps (2006), S. 88. 281 Hagemeister (1900), S. 20; Uhsemann (1924), S. 37. Der Hai ist angeblich bei einer Überschwemmung im benachbarten Rathauskeller gefangen worden; Kirmis (2001), S. 47 mit Abb. Ich bedanke mich für die Auskunft bei Sabine-­Maria Wetzel. 282 Schreiner (2002), S. 20. 283 Nr. 1176 (Blatt CXCI recto), Füssel (2002), S. 61; vgl. zum von Cranach beeinflussten „Meis­ ter MS“: ebd., S. 54.

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36: Ein päpstlicher Drache im Kirchenraum, aus der illustrierten Luther-Bibel (1534)

liche in Gestalt des Drachens war nur noch Gegenstand einer Zeichnung; ein Indiz, dass es sich internalisiert hatte. Die Kirche stand in Gefahr, von innen zersetzt zu werden. Statt auf Requisiten wie Ketten, mit denen das Reptil im Status der Überwältigung gleichsam als Trophäe aufgehängt werden konnte, setzen Reformatoren auf das unverfälscht ausgesprochene Wort Gottes.284

Inseln der curiositas Von imaginären Phantasmen bis zu konkreten empirischen Erfahrungen: so vielfältig waren die Vorstellungen der Kirchenbesucher geprägt. Der Kirchenraum war der geeignete Ort, sich biblische Sprachbilder vorzustellen, wie das vom „himmlischen Jerusalem“. Formeln, wie das Gotteshaus im Schnittpunkt zwischen Himmel und Erde, die Kirche als Sinnbild der ewigen Himmelstadt oder als Symbol auf dem Weg 284 „Wo das Wort Gottes gehet, da wohnte Gott gewisslich; und wiederum, wo das Wort nicht ist, da wohnet er nicht, man baut ihm ein Haus, so groß man wolle.“ Luther, 1527, WA 24, S. 499.

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zu Gott kennzeichnen Vorstellungsmuster im Modus der Idealisierung.285 Im Kirchenraum ließ man aber auch seine Neugier spielen, um seinen Erfahrungsschatz zu erweitern.286 In der Kirche als Ort des strukturellen Dazwischen – nie vollkommen im Jenseits, noch ganz im Diesseits – standen Kuriosa als Vehikel symbolischer Referenzen sowie konkreter Erfahrungsbestände im Spannungsfeld von Glauben und Wissen. Den von Kuriositäten und prachtvollen Materialien überbordenden Sakralraum mit Wänden aus Onyx, Fenstern aus Beryll und Kristall, subtilen Automaten und Mechanismen, wie ihn Albrecht von Scharffenberg um 1270 im Jüngeren Titurel am Beispiel des Tempels des heiligen Grals auf dem Berge Montsalvatsch beschreibt, hat es in seiner die Augen blendenden Fülle wohl nie gegeben.287 In Kirchen gab es aber von jeher Inseln der curiositas, punktuelle Erfahrungsräume, wo Dinge, die nicht sogleich unter einem allgemeinen Begriff zu fassen sind, die Protagonisten sind und die nur darauf warteten, angeschaut zu werden.288 Für den Naturforscher Conrad Gesner, dem in Kirchen zahlreiche ausgefallene Objekte aus der Natur auffielen, ist experientia gegenüber der Gottesgabe ratio deshalb als Erkenntnisquelle ausgezeichnet, weil sie allein von der Initiative des Menschen und seinen Sinnen selbst abhänge.289 Von den Rezeptionsbedingungen, von den Wahrnehmungsmustern des jeweiligen Betrachters hängt es ab, ob sie nun in symbolischer Aufladung oder in ihrem dinghaf­ten Sosein betrachtet werden. Vor dem Hintergrund der typischen Strukturen eines Sakralgebäudes sollen nun diejenigen Orte unter die Lupe genommen werden, an denen die Dinge tatsächlich gezeigt wurden. Auch die Frage, inwiefern sie in liturgische Dramaturgien integriert waren, wird gestellt.

Raritäten und ihre architektonische Rahmung Der Kirchenraum konstituiert eine Zone, in der sich Transzendenz und empirische Realität begegnen. Während sein symbolisches Programm stets über die Vergänglichkeit der profanen Welt hinaus weist, haben seine architektonischen Merkmale

285 Bandmann (1951), S. 62ff. Schon die Lehre von der Transsubstantiation wies den Weg, in der Materie etwas anderes zu sehen, als das, was sich zeigt. Sichtbar und materiell gegenwärtig ist Christus nur in Brotgestalt; Macy (1994). 286 Hans Blumenberg (1920–1996) hat herausgefunden, wie stark das Prinzip der Neugier schon im Mittelalter die Gemüter beschäftigte; siehe „Antizipation einer künftigen Grenzüberschreitung“ bei Blumenberg (1984), S. 145–166; zur Begriffsgeschichte auch: Vinken (2000). 287 Albrecht von Scharfenberg (1968); Piper (1867), S. 637; Ernst (2003a); Hammerstein (1986), S. 187–209; Finckh (1999), S. 334–344; vgl. dazu die Beschreibung des „himmlischen Jerusalem“ in der Offenbarung des Johannes (21, 18ff.). 288 Ausstellungskatalog Frankfurt (1975), S. 14f. 289 Müller (1986), S. 329.

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die Funktion, sakral unterschiedlich angereicherte Zonen abzubilden.290 Formen räumlicher Symbolisierungen heiliger Orte sind ebenso variantenreich wie begrenzt: „Licht und Dunkel, Schrein und Altar, auf- oder absteigende Treppen, Dome, Türme und Katakomben, Säulen und Podeste bilden ein sich wiederholendes Repertoire in der europäischen und außereuropäischen Repräsentationsgeschichte von Religion.“291 Schematisch betrachtet besteht das Kirchengebäude aus drei Teilen, aus einer Vorhalle bzw. einem Vorhof (narthex), aus dem Kirchenschiff (navis) sowie dem Chor (chorus). In dieser Dreiteilung spiegelte sich die Gliederung der Gemeinde; die Vorhalle war den Büßern und Häretikern,292 das Schiff den Gläubigen, der Chor der Geistlichkeit vorbehalten. In der Regel handelt sich bei einer christlichen Gemeindekirche um einen lang gestreckten, nach Osten, in das Licht der aufgehenden Sonne ausgerichteten Bau. Das Durchschreiten der Kirche vom Portal über das Langhaus bis zum Altar stellt eine Bewegung zur Helligkeit dar, für Christen bedeutet sie den Weg zu Gott. Kirchen wurden formal wie inhaltlich als Architektur des Lichts ge­plant und ausgeführt, sei es in der Frühform der romanischen „Himmelsburg“ oder später, im Zeitalter des Barock und der Gegenreformation, als architektonische Umsetzung eines theatrum sacrum. Meist waren die Kirchen auch deswegen geostet, weil in dieser Richtung Jerusalem lag, wo der Ursprung des Heils bzw. der Ort des kommenden Jüngsten Gerichtes vermutet wurde.293 Dem Kirchenbau war die Symbolik der Himmelsrichtungen eingeprägt; der Osten galt als Region des Lichtes, wo der Hauptaltar stand, der Westen hingegen als Region der Finsternis, wo in romanischen Bauten noch heute aus dem Westwerk wuchtige Türme emporragen, die wie Festungstürme gegen feindliche Mächte wirken.294 Als Bauwerk der Mitte verkörpert die Kir­che universale Ordnungsvorstellungen, ob nun deren Grundriss das Kreuz, den menschlichen Körper oder geometrische Modelle abbildet. Eine Hierarchie unterschiedlicher Raumwertigkei­ten bildete sich mit Hilfe der Körpersymbolik des menschlichen Leibes heraus: der Chor galt als Haupt, das eingeschobene Querhaus als ausgebreitete Arme und das Langhaus als Rumpf.295 Liturgische Veranstaltungen sollten die metaphorische Kraft des Bauwerks noch erhöhen. So verwandelten die in 290 Turner (1979), S. 185–189; Jäggi (2006); zur Sakralisierung des Raums durch die Kirchweihe: Blaauw (2006), zur christlichen Raumsymbolisierung, die in der Kreuzfigur kulminiert: Jooß (2006), S. 232f.; vgl. auch Warnke (1984). 291 Offe (2005), S. 576. 292 Neben der pragmatischen Funktion, als nächtliches Refugium großer Pilgerströme zu dienen, hatte der Narthex auch die liturgische Aufgabe, für Katechumenen, d. h. für Taufbewerber, oder für Büßer, die zeitweilig von der Feier der Sakramente ausgeschlossen waren, einen bereits kirchlich kontaminierten Raum zur Verfügung zu stellen, ohne sie schon tatsächlich in die Kirche lassen zu müssen. 293 Suckale (1999), S. 18; Reudenbach (2008), S. 90–103; Faupel-Drevs (2000), Sauer (1902 , 1964), S. 66f. 294 Sedlmayr (1950). 295 Allg. dazu Möbius (2008).

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37: Walfischwirbel, Kloster Alpirsbach, Kalefaktorium (vormalig in der Vorhalle zur Klosterkirche)

Italien üblichen sacre rappresentazioni Teile des Kirchengebäudes zu Bildformeln, wie die Pforte des Tempels Salomos, das himmlische Jerusalem, das Himmelsgewölbe, die Hölle, das Haus Mariens und vieles andere mehr.296 Da in Kirchen die Sakralisierung bzw. Säkularisierung des Raums topologischarchi­tektonisch ablesbar ist, ist die zentrale Frage aufgeworfen, an welchen Standorten die kurio­sen Musealien genau platziert waren. SCHWELLENZONEN – Eine besondere symbolische Bedeutung kommt dem Kircheneingang, dem Portal an der Westfassade, zu. In idealen Zuschreibungen ist hier ein Grenzbereich markiert, die Schwelle zu einer strukturell anderen Raumsitua­ tion.297 Portale und Türen zeigen an, dass der dahinter liegende Bereich in greifbare Nähe gerückt ist. Sie sind transparent und opak zu gleich. Je nachdem, ob sie verschlossen oder geöffnet sind, markieren sie abgrenzende Undurchdringlichkeit oder einladende Durchlässigkeit. Innerweltliche Wunderdinge scheinen bevorzugt in diesen Grauzonen zwischen innen und außen, heilig und profan zur Schau gestellt worden zu sein. Sie waren an der Schwelle zum eigentlichen Sakralraum positioniert, entweder in der Vorhalle oder in der Portalzone der Fassade des Westwerks, als ob negative Kräfte, die von derartigen Dingen hätten noch ausgehen können, so am ehesten zu bannen waren, ohne die Heiligkeit des Ortes zu beeinträchtigen. 296 Pochat (1990), S. 86–102. 297 Eliade (1957, 1998), S. 24; Schmitt (2011).

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38: „Riesenknochen“, Wien, Naturhistorische Sammlungen der Universität (vormalig Dom St. Stephan, Portalzone)

Geradezu offensiv begrüßten sie in Vorhallen oder in den Laibungen von Haupt­ portalen die Besucher. Dennoch kann man davon ausgehen, dass sich so mancher Zeremonienmeister des zweifelhaften liturgischen Status exotischer Naturobjekte bewusst gewesen ist und Skrupel hatte, sie gleichberechtigt und vollständig in die Kirchenausstattung zu integrieren. Ob man nun an große Kathedralen denkt oder einfache Pfarrkirchen: An der Schwelle zum Heilsraum fanden oft Kuriosa oder Exotika ihren bleibenden Ort der Betrachtung. Im Giebel des Hauptportals der Stadtkirche von Nossen hängt bis heute eine Rippe eines Wals oder Elefanten.298 In der stattlichen Vorhalle der Abteikirche von Alpirsbach 299 waren über dem Portal an Ketten fossile Überreste eines Mammuts sowie ein Walfischwirbel gut sichtbar angebracht (Abb. 37), während die das Portal schließende, mit romanischen Beschlägen und löwenköpfigen Türklopfern ausgestattete Flügeltür mit der Haut eines Rhinozeros überzogen ist.300 Im Jahre 1535 führte ein Bildersturm zum Verlust der Reliquien, mit denen die Klosterkirche zahlreich ausgestattet gewesen war.301 Die fossilen Überreste hingegen blieben unangetastet. Von ihnen fühlten sich die Ikonoklasten nicht provoziert, weil sie wohl als innerweltliche Dinge, denen keine heilsgeschichtliche Substanz innewohnte, wahrgenommen wurden.302

298 Die Rippe gelangte Anfang des 17. Jahrhunderts in die königliche Kunstkammer nach Dresden und kehrte 1657 wieder nach Nossen zurück. 299 Die im Westen stehende Vorhalle ist eine schlichte Pfeilerhalle mit drei Rundbögen gegen Westen, einem vermauerten gegen Norden. Ursprünglich war die Vorhalle noch mit einer vergoldeten Holzdecke versehen; Glatz (1877), S. 205f. 300 Der Sage nach sind es die Knochen, das Horn und die Haut eines riesigen Ochsen, der die Säulenschäfte der Basilika herbeizog und beim letzten Stein tot zusammenbrach. 301 Zimmersche Chronik, nach Glatz (1877), S. 209, S. 381. 302 U. a. Reinitzer (1987).

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39: Knochen-Fragmente, Krakau, Kathedrale auf dem Wawel

Das so genannte Riesentor der Wiener Kathedrale St. Stephan verdankt seinen Namen einem Mammutknochen, der 1443 bei den Grundaushebungen zu dem unvollendeten zweiten Turm gefunden und sogleich innerhalb des Portals aufgehängt wurde; er war dort noch im 18. Jahrhundert zu besichtigen (Abb. 38).303 Die zwischen den „Heidentürmen“304 errichtete Eingangszone ist im dunklen Westwerk integriert.305 Ebenfalls Fundstücke von riesigen Knochen waren in der Kathedrale auf dem Wawel in Krakau zu bestaunen und zwar in einem kleineren quadratischen Vorraum des Westeingangs. An der dortigen nördlichen Seitenwand, hinter der sich die Dreifaltigkeitskapelle befindet, sind bis heute große Knochen, die an Ketten befestigt sind, aufgehängt (Abb. 39).306 Eine visuelle Konkretisierung im kirchlichen Sinne dieser eher abstrakten organischen Dinge stellen Sandsteinreliefs aus dem 14. Jahrhundert dar: auf der südlichen Wand, auf denen die heilige Margarethe bzw. Małgorzata mit dem Drachen, auf der nördlichen Wand, wo der die Bestie bezwin303 Jetzt befindet er sich, mit der bekannten Devise „AEIOU“ – Austriae est imperare orbi universo – von Kaiser Friedrich III. (1415–1493) versehen, in den naturhistorischen Sammlungen der Universität; Schlosser (1908), S. 13; ein vergleichbares, heute verschwundenes Relikt, wurde in der Kreuzkirche zu Breslau gezeigt, Kundmann (1726), S. 12; Brückmann (1742), S. 5. 304 Ihr �������������������������������������������������������������������������������� Name rührt wohl von dem zu ihrem Bau verwendeten römischen Baumaterial her, das damals, im 12. Jahrhundert, noch reichlich in Form von Stadtmauerresten und römischen Grabmälern vorhanden gewesen war. 305 ��������������������������������� Schmidt (1949–50); Grass (1980). 306 1937 klassifizierte Henryk Hoyer (1864–1947), Biologe und Professor an der Jagiellonen Universität, sie als Nashornschädel, Mammutknochen und Rippenknochen eines Wals, nach Firlet (1996), S. 116.

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gende Erzengel Michael zu sehen ist. Assoziationen verbanden sich mit diesen Relikten nicht nur zur globalen Hagiographie, sondern ebenso zu einer tief im lokalen Bewusstsein verankerten Sage. Hinter der Drachenlegende verbirgt sich der Gründungsmythos der Stadt Krakau, wobei es hier wohl zu einer Kompilation von paganen und christlichen Elementen gekommen ist.307 Ganz konkret hatten die Knochen die Funktion, den im Wawel in einer Höhle hausenden Drachen mit Authentizität aufzuladen. Nachdem am Weichselstrand Überreste riesi­ger fossiler Ur-Tiere gefunden worden waren, brachte man sie sogleich in die Kirche, wo man sie seit dem 14. Jahrhundert, vielleicht schon früher, ausstellte. Nicht zuletzt wurde ihnen die Kraft eines magischen, Unheil abwehrenden Gegenstandes zugeschrieben. Erstmals erwähnt Marcin Fox († 1588), ein Naturforscher der Krakauer Akademie, diese Knochen im Jahre 1583 in einem Brief an seinen berühmten Bologneser Kollegen Ulisse Aldrovandi: „Ich denke, dass dies Knochen monströser Ungeheuer sind, deren Art, wie ich vermute, ausgestorben ist.“308 Im Kirchenraum hingegen war der Knochen auch Bestandteil eschatologischer Vorstellungen.309 Auch mitteldeutsche Dome in Merseburg und Halberstadt verfügten in ihrem Eingangsbereich über Kuriosa aus der Natur. Inventare bzw. Beschreibungen über die Domkirche in Merseburg berichten davon, dass eine Schildkrötenschale bis weit ins 19. Jahrhundert in der Vorhalle ausgestellt war.310 Eine mit der Dombaugeschichte verknüpfte Sage war mit dieser Standfestigkeit verkörpernden Naturalie verbunden.311 Schon mehr innerhalb der Kirche, in der Passage zwischen Eingangszone und Hauptschiff ist im Dom zu Halberstadt bis heute an der Seitenwand an schweren Ketten ein großer versteinerter Knochen aufgehängt (Abb. 40). Im ersten, 1728 erschie­ nenen Domführer steht dazu geschrieben: „Gehet man weiter an die Ecke wo der Buchstab o stehet / so siehet man daselbst, so hoch von der Erden als man mit der Hand reichen kann, an einer Kette hängen, eine alten grossen Knochen, welchen 307 Wincenty Kadłubek (1150–1223) beschreibt die ruhmreichen Taten des Königs Grakch/ Krak in den Polnischen Kroniken zu Beginn des 13. Jahrhunderts; Plezia (1971). 308 So Fox, nach Firlet (1996), S. 115f. Im Zeitalter von Renaissance und Humanismus wurde sowohl die Drachenhöhle als auch die damit verknüpfte Sage in ganz Europa bekannt, nicht zuletzt durch die Stadtbeschreibung Krakaus in Sebastian Münsters (1488–1552) 1544 erschienener Cosmographia. 309 Alljährlich würde am Knochen eine kleine Partikel abgebrochen, um es dem angeblich im Wawel hausenden Drachen zuzuführen. Das im Eingang aufgehängte, sich auflösende Relikt fungierte somit auch als Memento; im Volk kursierte der Glaube, dass das Jüngste Gericht beginne, sobald das letzte Stück gefallen sei Belova (2003). 310 Norddeutsche Sagen (1848), S. 229. 311 Unter Hunold VI., zwischen 1040 und 1050 Bischof von Merseburg, war das Gewölbe des Chores in der Domkirche zu Merseburg eingebrochen, zur gleichen Zeit, als eine große Schildkröte sich einen Weg durch die Fundamente bahnen wollte. Angeblich habe sie mit ihrem Rücken den Boden dermaßen in die Höhe getrieben, dass die Pfeiler eingestürzt seien.

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40: Walfischknochen, Halberstadt, Dom

etliche für einen Knochen vom Riesen ausgeben, andre aber meynen / es sey ein Stück vom Rück-Grad deßjenigen Wallfisches, der den Propheten Jonam verschlungen hat / gleich wie man zu Magdeburg, im Dom, eine Rippe oder Gräte von diesem Wallfische zeiget.“312 Dem Knochen direkt gegenüber befindet sich eine prähistorische Steinaxt, die im 16. Jahrhundert als Konkretisierung des Blitzes angesehen wurde. Ihr wurde eine Blitz ableitende Funktion zugeschrieben, zudem sollte sie vor Trockenheit und Überschwemmung schützen.313 „Zu Gripswald in Pommern ist auch ein Walfisch gefangen worden, daselbst in den obersten Tempel abgemahlet, mit schönen Sprüchen deselben, soll 22 Schuch lang gewesen seyn.“314 Nachdem 1545 im Greifswalder Bodden ein Schwertwal gestrandet war, sollten nicht dessen Knochen im Kirchenraum aufgehängt werden. Stattdessen wurde er in seiner originalen Größe, d. h. in seiner stattlichen Länge von über sieben Metern, auf eine Wand innerhalb der Marienkirche gemalt und zwar an 312 Haber (1728), S. 18f.; siehe auch Janke (2006), S. 264f. Nach der freundlichen Auskunft des Kustos Jörg Richter schweigen die Quellen, wenn man etwas über die Bedeutung dieses Objekts an dieser Stelle erfahren will. 313 Als pietra ceraunia stellte ein derartiger Stein ein obligatorisches Stück in jedem Natura­ lienkabinett dar; Lugli (1983), S. 13. 314 Gesner (1558, 1670, 1995), S. 122.

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41: Aufgemalter Schwertwal in Originalgröße (1545), Greifswald, St. Marien

der Südseite der nördlichen Turmseitenhalle gegenüber einem ehemaligen, längst vermauerten Kircheneingang, also an einem marginalen Ort, an dem Taufen stattgefunden haben könnten (Abb. 41).315 Dieses großformatige Gemälde dürfte ebenso die biblische Geschichte um Jona veranschaulicht wie auch als Vorlage empiri­scher Natur­ beschreibung gedient haben. Der Zürcher Naturforscher Conrad Gesner er­wähnt dieses Walgemälde in seinem Fisch-Buch von 1558. An der länglichen Rücken­flosse sei sogar zu erkennen, dass es sich um ein männliches Tier han­delt.316 Das aus einer prächtigen Moschee hervorgegangene kirchliche Ensemble in Sevil­ la beherbergt nicht nur die riesige Kathedrale selbst, sondern auch angrenzende Gebäude, die sich um einen Innenhof schmiegen und wo sich heute u. a. Museum, Archiv und Bibliothek befinden. ������������������������������������ Die Kathedrale wurde im 15. und 16. ������������ Jahrhundert in gotischer Bauweise über den Resten einer im 12. Jahrhundert gebauten Moschee errichtet, deren Bauteile als Spolien im christlichen Bauwerk zum Teil sichtbar bleiben.317 In einer Art Kreuzgang, der in den Dom führt, waren zusammen mit einem Elefantenstoßzahn und Zaum­zeug eines Tieres – vielleicht einer Giraffe – auch ein Krokodil aufgehängt (Abb. 42). Der überdachte Gang, der die östliche Seite des Patio de los Naranjos schließt, erhielt den Namen Nave del Lagarto, die Tür, die in das Innere der Kathedrale führt, wurde Puerta del Lagarto genannt. Beide Namen waren 315 Engemann (1994). 316 Zum dokumentarischen Potenzial von Naturbildern: Fischel (2009); zum Verhältnis von naturkundlicher Beschreibung und allegorischer Naturdeutung am Beispiel des Eisvogels: Harms (1975). 317 Die Moschee war zu einer christlichen Kathedrale geworden, als die Stadt im Jahre 1248 durch Fernando III. von Kastillien (1201–1252) erobert wurde��������������������� ;�������������������� Cómez ������������������� Ramos (1990).

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42: Schiff der Echse – „Nave del Lagarto”, Sevilla, Kathedrale

einem Krokodil geschuldet, der über derjenigen Tür aufgehängt war, die in das Innere der Kathedrale führt.318 Spätestens seit dem Elefanten, den Karl der Große (747–814) von Harun el Raschid (766–809) erhalten hatte, konnte es sich bei Kroko­ dilen und anderen exotischen Tieren um Diplomatengeschenke handeln. So auch hier: 1260 hatte der Botschafter des Sultans von Ägypten König ­Alfons X. (1221–1284) von Kastilien und Leon diese außergewöhnlichen Exemplare aus der Tierwelt vermacht.319 Im Unterschied zur Kathedrale in Wien oder Krakau waren in Sevilla exotische Naturerlebnisse und das Allerheiligste räumlich enger situiert, denn wenn man durch diese Tür tritt, ist man nach wenigen Schritten im zentralen Altarbereich der Kirche (Abb. 43). �������������������� Aufgewertet war der� Nave del Lagarto auch dadurch, dass es sich hierbei um den zentralen Durchgang handelte, wenn man in das Innere der Kathedrale gelangen wollte. Dort befand sich zudem der Eingang zum Turm, der sich – 318 Das Krokodil zerfiel mit der Zeit und wurde bereits 1465 durch eine Kopie aus Holz er setzt; laut anderer Tradition soll das hölzerne Exemplar ein ex-voto sein; Schlosser (1908), S. 16; Zanca (1999b), S. 171. 319 Cómez Ramos (1990), S. 89f.

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43: Grundriss der gesamten Anlage, Sevilla, Kathedrale mit dem genauen Standort von Horn und Krokodil (siehe Pfeil)

auch ein Kennzeichen der Hybridität des Bauwerks320 – nicht im Westen, sondern im Osten aufrichtet. ����������������������������������������������������������������� Horn und Krokodil befinden sich somit nicht nur auf der Schwelle – zwar innerhalb des weiträumigen Kathedralkomplexes, aber deutlich außerhalb des eigentlichen Kirchenraums – sondern auch an der architektonischen Nahtstelle zwischen ����������������������������������� Moscheengeviert und Kathedralapsis�.321 QUERHAUS- UND LANGHAUSDIALOGE – Quer- und Langhäuser nehmen beinahe das gesamte Raumvolumen einer Kirche ein. Wenn sie auch über deutlich sakra­lere Akzente als die Vorhallen und Portale verfügen, sind sie keineswegs frei von säkularen Momenten. Im Kirchenschiff brachte sich oft eine unterschiedliche Wertigkeit zwischen links und rechts zum Ausdruck, zwischen der als dunkler geltenden nördlichen und der sakraler ausgerichteten südlichen Seite. Von der Apsis aus gesehen war es umgekehrt, da im Chorbereich auf der rechten Seite die Evange320 Zu „unschicklichen Verbindungen“ in der Architektur: Nußbaum (2006). 321 Jimenéz Martín (1991), S. 86f.

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44: Innenansicht Schlosskirche Wittenberg, Längsschnitt nach Norden, Radierung (1760), aus: ­Christian Sigismund Georgi; Wittenbergische Klagegeschichte. Walfischknochen und Olifanten ­befinden sich am mittleren Pfeiler der Nordwand bei der Orientierungnummer 56

lien, auf der linken nur Episteln verlesen wurden.322 Querhäuser schnitten zwar die Altarzone, mündeten aber in die Innenseiten von mitunter prunkvoll verzierten Seitenportalen, vor denen Recht gesprochen und repräsentative Stadtpolitik betrieben wurde. Sie konnten – selbst während des Gottesdienstes, wie im Straßburger Münster belegt – als Abkürzungen dienen, wenn Händler ihre Waren auf direk­tem Wege zum Markt bringen wollten. Bis heute ist in der Kirche St. Maria im Kapitol von Köln genau oberhalb eines Beichtstuhls ein fragmentarisches Knochengestell an der Wand des südlichen Seitenschiffs aufgehängt. Tief im Kirchenraum war an einer Säule in der Kilianskirche von Heilbronn die Rippe eines Mammuts angebracht, „welche früher für die eines menschlichen Riesen ausgegeben worden ist.“323 Mitten im Kirchenschiff an der nördlichen Seitenwand der Schlosskirche von Wittenberg befand sich nicht nur die Rückseite der Tür, an der Martin Luther angeblich seine Thesen angeschlagen hat, sondern auch zwei Walfischrippen, durch eiserne Ketten an einem westlich benachbarten Pfeiler befestigt (Abb. 44).324 Nach der Überlieferung stammte eine von ihnen 322 Suckale (1999), S. 18; Lurker (1980), S. 102f. 323 Titot (1833), S. 16. 324 Faber (1717), S. 233.

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von einem Wal, der im Jahre 1332, als es diese Schlosskirche noch nicht gab, bei Damerow auf Usedom angeschwemmt worden war.325 Die andere Rippe soll später Kurfürst Friedrich der Weise (1463–1525) erworben haben.326 Darüber hinaus war am gleichen Pfeiler ein aus Süditalien oder dem Vorderen Orient stammender Elefantenstoßzahn aus dem 12. Jahrhundert angebracht, der von manchen für eine Greifenklaue gehalten wurde. Friedrich der Weise hatte das um 1760 während des siebenjährigen Krieges verloren gegangene Stück im Jahre 1493 von seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land mitgebracht. Diese Exotika interagierten auf eigentümliche Weise mit der hier seit Beginn des 16. Jahrhunderts regelmäßig stattfindenden Reliquienpräsentation. Morphologisch und organisch entsprach die Rippe eines Walfisches an der Kirchenwand der Rippe des heiligen Sebald im Heiltum von Wittenberg, funktionell unterschieden sie sich beträchtlich (Abb. 45 und 46). Während die Rippe vom hei­ligen Sebald zusammen mit anderen zahlreichen Heiligenreliquien im Zentrum konfessionspolitischer Destruktion stand, blieb – wie in Alpirsbach – die Walfischrippe erhalten. Luthers Diktum „Alles todt ding, das kein Mensch heiligen kann“327 bezog sich auf Reliquien und nicht auf Exotika der Natur. Walrippen schienen die Möglichkeit freier Verkündigung des Wortes Gottes nicht zu beeinträchtigen.328 Wahrscheinlich war es in der Schlosskirche der nachreformatorischen Zeit nur noch darum gegangen, an diesen Gegenständen ein memorial-museales Interesse zu hegen. Nachdem die Seitenaltäre ihre liturgische Funktion verloren hatten, stellte sich an den Seitenwänden zumindest kein Raumproblem. Zudem liegt es nahe, dass derartige Objekte auch der Beglaubigung von Geschichten aus der Bibel zu dienen hatte. So ging das Buch Hiob im 39. Kapitel ausführlich auf die Wunder der Tierwelt ein, in denen sich Gottes Weisheit verkörpere.329 Das Querhaus des Straßburger Münsters, das sich seit 1439 fast unverändert über Straßburg erhebt, fällt deswegen aus dem Rahmen, weil dort in Sichtweite Maschine und Naturalie, Automatenhahn und Büffelhorn aufgestellt bzw. aufgehängt waren. In dieser berühmten Kathedrale konstituierte sich vor dem Hintergrund stadtpolitischer Interessengegensätze, konfessioneller Konflikte und kulturpolitischer Grenzziehungen zwischen deutschen und französischen Einflussbereichen auch ein Dialog zwischen erfindungsreicher Maschine und exotischem Horn. Über letzteres hat sich schon Gesner Gedanken gemacht: „Ein groß Horn hanget zu Straßburg im Müns­ ter an einer Seulen / jederman unbekandt, klafferig / vileicht von einem grossen 325 Die Rippen verschenkten die Herzöge von Pommern nicht nur nach Wittenberg, sondern auch nach Brandenburg und Stralsund; Faber (1717), S. 140–142; Otte (1883), S. 213; Das­ ton/Park (1998, 2002), S. 93. 326 In den Kammereirechnungen von 1537/38 wird dafür ein Fuhrmann bezahlt, nach Bell mann (1979), S. 253. 327 Luther im Großen Katechismus (1529); WA 30/1, S. 145. 328 Wessel (1966); Harasimowicz (2004) 329 Dunphy (1999).

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45: Walfischrippe, früher Schlosskirche Wittenberg, Wittenberg, Stadtgeschichtliches Museum

46: Lucas Cranach d. Ä., Rippe des heiligen Sebald aus dem Wittenberger Heiltum, Federzeichnung, Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv

alten Uhrochsen. Dessen meinung ich so lang zustimm / biß jemand etwas gewissers davon berichtet.“330 Der schon erwähnte Abt und Archivar Grandidier verwies in seiner grundlegenden Geschichte des Straßburger Münsters auch auf seinen berühmten Zeitgenossen Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707–1788), der dieses Relikt in seiner Histoire naturelle einem urus oder Auerochsen zugeordnet habe. Angeblich belegte er mit diesem Ding seine These sur l´énorme-grandeur des premiers animaux du nord. 331 Die ungewöhnliche Größe des Horns fand also in den außergewöhnlichen Ausmaßen des Straßburger Kirchenraums ihre adäquate Rahmung. Oseas Schadaeus (1585–1625) gibt in seiner Kirchenbeschreibung von 1617 eine genaue Positionsbestimmung dieser Naturalie: „Vor dieser Capell und hart daran ist S. Lorentzen Capell / darinn ein schön steinere Cantzel und erhabener Tauffstein / darvon wir auch droben gehandelt: Es henckt auch in dieser Capellen an einer Runden Seulen an Ketten ein krummes spitzen holes Horn / welches man für eins Greyffen

330 Gesner in der Historia quadrupedum animalium, S. 34, zit. nach Schadaeus (1617), S. 68. 331 Grandidier (1782), S. 262f.

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kloen außgeben will / ob dem also ist mir unbewußt / ist aber groß genug zu einem kloen.“332 Auch mit diesem überdimensionierten Horn verbanden sich bestimmte Legenden aus der Entstehungsgeschichte der gotischen Kathedrale. Das Horn des Auerochsen war nicht nur Kuriosum, sondern auch Memorialobjekt, das in die legendär aufgeladene Bauphase der Kathedrale zurückversetzte, in die Zeit Erwin von Steinbachs (1244–1318). Damals hatte ein Wagner aus Ungarn seine Dienste angeboten. Sein Karren mit den Steinbrocken wurde von einem mächtigen Auerochsen mit zwei stattlichen, spitz zulaufenden Hörnern gezogen. Eines Tages verendete das Tier im Angesicht der neu entstehenden Kathedrale.333 Das Domkapitel beschloss sogleich, eines der Hörner an einem Pfeiler an einer Kette aufzuhängen, und zwar in der St. Lo­ renz-Kapelle im nördlichen Querhaus gegen­über der steinernen Kanzel sowie dem Taufstein. Mit dem Argument, dass es Tiere, wie Esel und Ochse gewesen seien, die mit ihrem Atem das Jesukind gewärmt hätten, versuchte man diesen prominenten Platz für das Horn zu rechtfertigen. Vielleicht hatte das Horn des Auerochsen auch die Funktion, den Bau der Kathedrale mit der Aura eines acheiropoeteion zu umgeben. Im Rückblick mehrerer Jahrhunderte stieg die Zeit des Kathedralbaus, als in bisher unbekannter Steigerung das Christentum in Stein gehauen wurde, zu einem gleichsam mythischen Zeitalter auf, wobei es kaum vorstellbar schien, dass die Kathedrale anders als auf letztlich wunderbare Weise hätte entstehen können.334 Es galt, die auf Erden geschaffene Kirche nicht als von Menschen gemacht darzustellen, vielmehr war ihr Bauplan ein Werk Gottes und wurde auserwählten Menschen durch Gnade in Visio­nen und Träumen offenbart. Auf der anderen Seite des Querhauses im Straßburger Münster, d. h. an der Westwand des südlichen Querhauses, war Mitte des 14. Jahrhunderts eine astronomische Uhr errichtet worden, welche ein Spielwerk mit den Figuren der Heiligen Drei Könige enthielt und die von einem Hahn bekrönt war, der sich aufrichten, mit den Flügeln schlagen und krähen konnte.335 Dieselbe gut einen Meter hohe, mechanisch bewegte Hahnenfigur war auch attraktiver Bestandteil der durch Conrad Dasypo­ dius (1532–1601) und Tobias Stimmer (1539–1584) neu entworfenen astronomischen Uhr, die seit Mitte des 16. Jahrhunderts bis heute auf der gegenüberliegenden Seite

332 Schadaeus (1617), S. 68, siehe auch vergleichbare Schilderung bei Grandidier (1782), S. 211ff.; Behr (1747), S. 97. 333 Mit einer fast identischen Begründung haben sich derartige Relikte in Worms erhalten, die aber nicht in der Kathedrale, sondern im dortigen Münzhaus ausgestellt waren; Nei­ ckel (1727), S. 133; zum Hörnermotiv zwischen Amulett und Symbol der Stärke in anderen Religionen, Scheftelowitz (1912). 334 Schadaeus (1617), S. 11. 335 Bach/Rieb (1993), S. 13–21; allg. zum „Theater der künstlichen Tiere“: Rieger (2008).

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47: Astronomische Uhr, Straßburg, Münster, Kupferstich nach dem Holzschnitt von Tobias Stimmer (1619)

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48: Bewegliche Schnitzfiguren ­unterhalb der Orgel im Straßburger Münster, Lithographie

49: Seitenansicht des „Roraffen“ mit dem Bewegungsmechanismus

aufgestellt ist.336 Der Standort der Uhr innerhalb der Kathedrale befindet sich somit in einem Terrain, der zunehmend vom städtischen Bürgertum reklamiert wurde (Abb. 47).337 Sowohl die alte als auch die neue Uhr war an der Südseite des Querhauses und damit in unmittelbarer Nähe zum skulpturenreichen Seitenportal positioniert, vor dem sich ein repräsentativer Platz der Stadt erstreckte, auf dem Rechtshandlungen wie Einungsschwüre stattfanden sowie Streitigkeiten geschlichtet wurden.338 Die astronomische Uhr als Ausdruck bürgerlichen Bauwillens wurde somit in einem Teil des Münsters errichtet, der in beson­derem Maße in das Stadt­ 336 Sie stellt das einzige erhaltene Stück von der ersten Münsteruhr dar. Günther Oestmann (1993, S. 146f.) hat herausgearbeitet, dass für Dasypodius die Rezeption der vitruvianischen Architekturtheorie eine wichtige Rolle spielte. Als Inhaber einer reichhaltigen Handschriftensammlung war es ihm möglich, Kenntnisse der antiken Mathematik und Mechanik direkt zu rezipieren; vgl. auch Bach/Reib (1993), S. 23–29. 337 Wiek (1959). 338 Die berühmten Pfeilerfiguren des Südportals – ein Richterkönig (wahrscheinlich �������� Salomo) mit Chris­tus als Weltenrichter vor dem Mittelpfeiler, flankiert von den Skulpturen der Ecclesia und Synagoge – sind als Gerichtsszene gedeutet worden; Ackermann (1993); Deimling (1996); Erler (1954).

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leben einbezogen war.339 Zwischen diesem Hahn und einer weiteren lebensgroßen bärtigen Automatenfigur namens „Roraffe“ unterhalb der Orgel ent­wickelte sich eine regelrechte Automatenrivalität (Abb. 48 und 49).340 In einem öffentlich inszenierten Wettstreit ging es um die Frage, wer von beiden größere Bewunderung von Seiten der Kirchenbesucher auf sich zu ziehen vermochte.341 DER GEWÖLBEBEREICH ALS BÜHNE VON APOKALYPSE UND HERMETISMUS – Das Oben hat in den hohen Kirchenräumen stets eine positiv besetzte Symbolik für sich beanspruchen können. Den aus Schlusssteinen und Kreuzrippen bestehenden Gewölbemustern eignete zudem eine spezifische großformatige Bildsprache.342 In der gotischen Kathedrale beispielsweise assoziierte man die großen Gewölbebaldachine, aus denen sich der gesamte Kirchenraum aufbaut, mit dem Himmel, oder besser den Himmeln. So manches Kirchengewölbe, wie das der Sainte-Chapelle in Paris oder das von San Francesco in Assisi waren – ganz naturalistisch – mit goldenen Sternen auf blauem Grund bemalt.343Aus liturgischen Gründen war in so manchem Gewölbe ein so genanntes Himmelsloch befestigt, durch das „handelnde Bildwerke“ herab- und hin­aufgelassen werden konnten.344 In der schon mehrfach behandelten Wallfahrtskirche Santa Maria delle Grazie bei Mantua eröffnet die Gewölbezone durch florale Motive, skulptierte Schlusssteine und ein herabhängendes Krokodil mehrdeutige Lesarten, die von der biblischen Apokalypse bis zur subtil zu erschließenden astrologisch-hermetischen Symbolsprache reichen (Abb. 50).345 Wie 339 Braunfels (1983), S. 154 ff.; Sauerländer (1966); Simson (1972); Grodecki/Recht (1971). 340 Der „Roraffe“ oder „Brezelmann“ ist einer von drei figürlichen Automaten, die 1385 unter dem Orgelschwalbennest angebracht wurden. Durch ein Hebelsystem, das in der Nähe der Orgeltastatur angebracht war, konnte der „Roraffe“ Unterkiefer und rechten Arm, in dem er eine Brezel hielt, bewegen, während ein Mann, der sich im Orgelgehäuse befand, ihn mit der Kraft der Stimme belebte, Winkelmann (1907), S. 247ff. 341 Dasypodius überliefert in seiner Beschreibung ein Gedicht, das er im Inneren des Automaten gefunden haben wollte; darin klagt der „Roraffe“ darüber, dass ihm nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werde, seit der Hahn auf der Uhr krähe und mit den Flügeln schlage; Laugel (1888); Behr (1747), S. 57–63; Kraus (1876), S. 484, Schneegans (1851), S. 31–36; während der Pfingstfeier machte sich der Roraffe durch seine amüsanten Sprüche beliebt; Winckelmann (1907). S. 256f.; zu Klangautomaten im Rahmen des byzantinischen Kaiserzeremoniells: Berger (2006); siehe zu diesem Automatenhahn in vorliegender Studie, S. 128ff. 342 Nussbaum/Lepsky (1999), S. 315–321; vgl. auch Kemp (2000), Bürger (2007). 343 Sedlmayr (1950), S. 136. Der Altarraum der Alten Sakristei von San Lorenzo in Florenz zierte ein Nachthimmel mit unterschiedlich zu deutenden Sternenkonstellationen, Beck (1989). Eine Kuppelautomatik, durch die Sterne in Form leuchtender Karfunkel auf dem mit blauem Saphir ausgekleideten Gewölbe bewegt werden konnten, wird im Jüngeren Titu­rel beschrieben. 344 Tripps (1998) S. 198f. 345 Dazu die Deutung von Attilio Zanca (1999b, S. 169–190), auf die ich mich im Folgenden stütze.

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50: Curtatone bei Mantua, Santa Maria delle Grazie

51: Gewölbeschlussstein mit Sonnenmotiv, Curtatone bei Mantua, Santa Maria delle Grazie

das Bildprogramm der astronomischen Uhr in Straßburg scheint auch die Gewölbezone dieser Wallfahrtskirche von einer Simultaneität theologischer Heilsgeschichte und kosmologischer Weltschau geprägt gewesen zu sein. Eine kaum zu unterschätzende Bedeutung hatte die Einfassung des mit Stroh gefüllten Reptils, dessen Kiefer durch Seile zusammengehalten wird, 346 durch den Kirchenraum, war doch so zwangsläufig ein bestimmter Erzählkontext geschaffen. Nicht selten sind Ursprungsmythen an heiligen Orten des Christentums von Drachenlegenden geprägt.347 Maria und die Engel hatten mit Ungeheuern zu kämpfen, die sie schließlich siegreich überwanden, auch Heilige, wie Georg oder Margarete 346 Donesmondi (1603), S. 122f. 347 Canby (1995, 2009), S. 55–64.

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52: Frontispiz (Ausschnitt), aus Oswald Croll, Basilica Chimica (1609)

hatten Drachenkämpfe zu bestehen. Das Krokodil im Zusammenhang mit den anderen Gewölbefiguren liest sich wie eine symbolische Repräsentation einer Passage aus der Apokalypse. Im Zentrum der drei Rippengewölbe sind nämlich Reliefs als Schlusssteine angebracht – auch eine Bildform ohne Betrachter. Von unten ist nicht zu erkennen, dass am ersten Kreuzungspunkt Maria mit ihrem Kind dargestellt ist, am zweiten eine strahlende Sonne mit dem Monogramm IHS (Abb. 51) und am dritten Schlussstein ein Mond. Da die Sonne Christus symbolisiert, der Mond Maria – die Sonne erleuchtet den Mond, wie Gottvater die Mutter Gottes348 – können diese Requisiten mit dem zwölften Kapitel der Apokalypse in Beziehung gebracht werden, in der eine hochschwangere Frau – mit der Sonne bekleidet und dem Mond zu ihren Füssen – auf einen siebenköpfigen gefräßigen Drachen trifft.349

348 Diese Symbolik funktioniert v.a. in den romanischen Sprachen, in denen „Sonne“ männlich und „Mond“ weiblich ist. 349 Die Künstler legten bis weit in das 17. Jahrhundert hinein der Himmelskönigin eine gläserne, ätherische Mondkugel zu Füßen, um so der Lehre einer makellosen Madonna zu entsprechen.

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Diese Deutung kann noch deutlich erweitert werden, wenn man sich die Frage stellt, warum das Krokodil gerade in der Renaissance, in einer Zeit, in der alterna­ tive kosmische Erklärungsmodelle der Alchemie und des Hermetismus Konjunktur hatten, in der Kirche aufgehängt wurde. Die Franziskaner von Santa Maria delle Grazie blieben von universalen Ordnungsmustern, von der Suche nach dem Stein der Weisen, von Graden der Perfektion der Seele auf ihrer Reise zum Kern der Wahrheit, nicht unbeeinflusst.350 Auf dem Frontispiz eines 1609 in Frankfurt erschienenen Schlüsselwerks der Alchemie sind neben Hermes Trismegistos auch die Franziskaner Roger Bacon (1214–1292) und Raymundus Lullus (1233–1316) abgebildet. Gerade in diesen Bildfeldern befindet sich ein reptilartiges Wesen: 351 Lullus mit dreiblütiger Blume und dem Kampf von Löwe und Drache, Bacon mit dem Krokodil im Zentrum der Sonne (Abb. 52).352 Die wohl Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene florale Motivik im Gewölbe scheint grafisch die Monate mit ihren Tagen nach dem Mondkalender zu repräsentieren. 353 Die Anzahl der Blüten in ihren jeweiligen Farben kann mit der Planetenlehre verquickt werden, bei der nach den Forschungen von Attilio Zanca jeder Planet für eine Farbe bzw. ein bestimmtes Metall steht (Abb. 53).354 Die Weiträumigkeit und Höhe der Kirche war nun wie geschaffen, eine kosmologische Stufenfolge durchzuspielen. Ganz oben im Gewölbe sind in Form von Schlusssteinen Sonne und Mond als Symbole Christi und Mariens in Szene gesetzt; es folgt die planetarische Ordnung der Zeit mit Hilfe der kaleidoskopisch angelegten Pflanzenmuster, ein wenig niedriger das Krokodil als Symbol des Diabolischen im Status seiner Überwindung, demgegenüber noch niedriger in den Nischen der Holzgalerien, die Votive der Wachsstatuen als Figurationen der von Nöten geplagten Menschheit aufgestellt sind. Vom Niederen zum Höheren entfalten sich also Korrespondenzen, entsprechend des ersten Lehrsatzes der Tabula Smaragdina des Hermes Trismegistus, dass das Unten meist wie das Oben gestaltet sei. Gott, Maria und Jesus sowie die Planeten sind mit der irdischen Welt und den Elementen durch eine Kette verbunden. Als Verkörperung überstandener Gefahr verkörpert das Krokodil an der Scharnierstelle zwischen Materie und ihrem Aufstieg zum Spirituellen die Schnittfläche zwischen Mikro- und Makrokosmos.

350 Gatto Trucchi (1990), S. 21. 351 Oswald Croll (um 1560–1608) ließ für die Titelseite seines Buches Basilica Chymica (Frankfurt 1609) durch Egidius de Sadeler ein großes Titelkupfer stechen, das sechs große Alchemisten zeigt. Da die Alchemie ihrer Natur nach nicht Neues entdecken, sondern die von den „alten Meistern“ gefundenen Wege nachvollziehen wollte, war das Vertrauen auf die Glaubwürdigkeit mythischer oder auch historischer Autoritäten groß; Croll (1611, 1996). 352 Zum Drachen als dem Symboltier der Alchemie: Canby (2009, 1995), S. 62f. 353 Zur Astrologie in der Architektur von Kirche und Palästen: Dezzi Bardeschi (1975); Pacciani (1975). 354 Ein Monat ist in vier Phasen zu je sieben Tagen eingeteilt, jeder Tag ist einem der sieben Planeten geweiht; Battisti (1962), S. 556; Zanca (1999b), S. 173ff.

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53: Florales Gewölbemotiv, Curtatone bei Mantua, Santa Maria delle Grazie

PROFANE RELIQUIEN IN ALTAR- UND CHORBEREICH – Die Trennung zwischen Klerus und Laien war dafür verantwortlich, dass sich in der Kirche eine räumliche Hierarchisierung entfalten konnte, wenn auch die funktionale Unterscheidung zwischen Altar- und Chorbereich sowie Kirchenschiff oft eher einem idealtypischen Konstrukt als der historischen Realität entsprach.355 Die Mitte spielt in topographischen Ordnungen stets eine im wahrsten Sinne des Wortes zentrale Rolle. Abgesehen von frühchristlichen und byzantinischen Zentralbauten befand sich in Kirchenräumen das Zentrum aber nicht tatsächlich in der geometrischen Mitte, sondern dort, wo sich das Langhaus mit dem meist kürzeren Querhaus in der Vierung schnitt. In der Vierungszone, in medio ecclesiae, war der Hochaltar positioniert. Als wichtigste Installation der mittelalterlichen Kirchenausstattung fixiert er den Ort, an dem der Priester die zentrale christliche Kulthandlung der heiligen Messe vollzieht.356 Der geweihte Altar, in dessen Sepulkrum Reliquien inkorporiert waren, stellte einen sakrosankten, einen „heilig-gemachten“ Ort dar, der Gottespräsenz garantierte.357

355 Suckale (1999), S. 17. 356 Reinle (1988), S. 3–23, 357 Zum Altar orientiert verrichteten die Gläubigen ihre Gebete, hier vollzogen sich die Segnungen. In der Kirche und möglichst nahe am Altar wollte man sein Grab finden. Asylschutz hatte immer derjenige, der den Altar berührte; Sedlmayr (1950) S. 32–34.

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In diesem exponierten Bereich des von zahlreichen Besuchern einsehbaren Sanktuariums bot es sich geradezu an, auch durch kuriose Medien die Sinne zu fesseln. Das Skizzenbuch des Villard de Honnecourt überliefert im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts einen mechanischen Adler als Evangelienpult inklusive Erläuterung seiner Funktionsweise.358 Exotische Objekte aus der Natur waren an dieser herausgehobenen Stelle nur legitim, wenn sie als Reliquiare fungierten oder wenn von ihnen – wie bei Einhornhörnern – eine evidente Symbolik des Heiligen ausging.359 Im Dom des polnischen Płock zeigte man bereits Mitte des 12. Jahrhunderts ein Straußenei, das mit mehr als 40 Reliquien verschiedener Heiliger gefüllt und mit einer an der Decke fixierten, eisernen Kette vor dem Altar der Jungfrau Maria angebracht war. Nimmt man die Quellen beim Wort, müssen Straußeneier auch ohne Reliquieninhalt in der Altarzone aufgehängt worden sein.360 Die 1819 bis auf ein Fragment abgerissene Kathedrale von Goslar soll ein an der Kette hängendes Straußenei besessen haben, das direkt über dem Altar aufgehängt war.361 Von den insgesamt fünf Straußeneiern, die in den verschiedenen Inventaren der Kathedrale von Siena aus dem früheren 15. Jahrhundert erwähnt werden, waren zumindest zwei am Hochaltar hängend fixiert.362 Auch die durch Seitenkapellen in Kirchen geschaffenen zahlreichen Seitenkapellen als dezentrale Mitten waren bisweilen in die Straußeneipräsentationen einbezogen. Ab dem 16. Jahrhundert hingen in der Kathedrale zu Krakau in der dortigen Grabkapelle von König Sigismund I. (1467–1548) unter dem Gesims des Gebälks direkt über der Altarnische zwei Straußeneier.363 Eines der frühesten Bilder eines über einem Altar hängenden Olifanten findet man im Sala di Costantino im Vatikan. Das Fresko La Donazione di Costantino al papa Silvestro zeigt das Kirchenschiff der Kathedrale von St. Peter. Linker Hand des Hauptaltars, fast angeschmiegt an die von ihm weitest entfernte Spiralsäule, ist deutlich ein Elefantenzahn erkennbar (Abb. 54a).364 Angeblich war der Stoßzahn Kaiser Konstantin des Großen 358 Daston/Park (1998, 2002), S. 114; zum Themenfeld „Technik und Kirche“ im Mittelalter: Stürner (1990). 359 Über dem Hauptaltar der Kathedrale zu Canterbury hing ein wohl auch mit Reliquien gefülltes ­Elfenbeinhorn: In majori cornu eburneo pendente sub trabe ultra magnum altare. Die Raumformel des Zentralen – in medio ecclesiae – erwähnt eine Quelle bei Schilderung eines Elefantenzahns, eines dente eburneo, in der Kathedrale zu Lund; Shalem (2004), S. 126; Nilsson (1989), S. 78. 360 Meiss (1976), Ragusa (1971). 361 Hölscher (1905). 362 Bock (2005), S. 170 363 Fischinger (1986), S. 404. 364 Giacomo Grimaldi, der die Basilika von St. Peter im 17. Jahrhundert beschrieb, erwähnt das ­ Elfenbein eines Elefanten über dem Oratorium von Sixtus IV. (1471–48). Pendebat ibi magnus elephantis dens longitudine et crassitudine insignis, pendet hodie in sacrario basilicae, nach Shalem (2004), S. 127f.; siehe auch Guarducci (1978–1980). Im Kunstkammerjahrhundert sollte hingegen aus Knochen eines Elefanten eine Sitzgelegenheit gebastelt werden,

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54a: Raffael und seine Schüler, Geschenk Konstantins an Papst Silvester (Auschnitt), Fresco (1520), Rom, ­Vatikan, Apostolischer Palast, Sala di Costantino 54b: Stoßzahn eines Elefanten, Rom, Vatikan, Schatzkammer, St. Peter

(um 280–337) zur Ausstattung der Basilika geschenkt worden. Dass auch das Objekt selber in eine Reliquie mutieren konnte, zeigt der Roland zugeschriebene Olifant von Bordeaux, der über dem Hauptaltar von Saint-Seurin hing. Man kann annehmen, dass das Objekt als Memorabilie des mutigen Helden Roland verehrt wurde. Nicht zuletzt in seiner Rolle als heroische Märtyrerreliquie eines Helden, als Trophäe des Krieges, war es an so prominenter Stelle in dieser Kirche aufgehängt. Seine deutlich sichtbaren Beschädigungen schienen seine Authentizität noch zu erhöhen, denn im Rolandslied ist die Rede davon, dass Roland den Olifanten als Waffe nutzend auf die Helme der Sarazenen geschmettert haben soll.365 Die auf Köpfen von steinernen Tierskulpturen montierten Zähne eines Narwals, die für das Horn eines Einhorn gehalten wurden, verkörperten ebenfalls den Status von Reliquien, insbesondere dann, wenn sie vor dem Hochaltar aufgestellt waren. Exemplare, die etwas ausgehöhlt waren, dienten bei bestimmten Zeremonien als Trinkgefäß, wobei es hieß, dass ein daraus eingenommener Schluck Wasser lebensverlängernde Kraft verlieh.366 Während die Einhörner von Venedig wohl nur im Rahmen groß angelegter Prozessionen gezeigt wurden,367 war das 1505 erstmals schriftlich tradierte Horn eines Einhorns von Saint-Denis – es handelte sich um den fast

so das Exemplar aus dem Jahr 1554 in der Kunstkammer von Kremsmünster, Wintz (2009), S. 387f.; Tafel II bei Lugli (1983). 365 The Song of Roland, übersetzt von Dorothy L. Savers, Baltimore 1957 (Kapitel 3683–87); vgl. Ebitz (1984), S. 20, Anm. 34. 366 Zum Horn als Heilmittel: Einhorn (1976, 1998), S. 338–346. 367 Faidutti (1996), S. 313f.

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zwei Meter langen Zahn eines Narwals, dessen Basis bis 1634 in eine Silberkrone eingefasst war – längere Zeit dauerhaft an zentraler Stelle in der Kirche ausgestellt, direkt hinter dem Altar der Dreifaltigkeit bzw. in der Nähe des Suger-Kreuzes.368 Nicht zuletzt weil das Einhornhorn permanent an so herausgehobener Stelle – in unmittelbarer Nähe zum Altar – zu sehen war, entwickelte es eine ganz besondere Aura. Forscher, wie Cardano oder Belon waren überzeugt, ein echtes Relikt des Fabelwesens vor Augen zu haben.369 Erst 1638 erkannte der Arzt und Naturforscher Ole Worm (1588–1655) die vermeintliche Einhornstange als Narwalzahn und machte dem Missverständnis ein Ende, ohne aber seine Wirksamkeit als Arznei in Frage zu stellen.370 Schon Ambroise Paré, der sich 200 Gramm von dem Einhorn für experimentelle Zwecke geben ließ, sollte ganz nüchtern das Objekt von allen wunderbaren Wirkungen entkleiden. Stets im Verdacht, ein Hugenotte zu sein, wurde ihm sogleich der Vorwurf gemacht, dass er faire tort à leurs majestés, donnant à entendre au peuple qu‘ils gardent précieusement une corne de néan. 371 Selbst der stark gekrümmte Stoßzahn eines Mammuts wurde als Horn eines Einhorns gedeutet. Er befindet sich noch heute im Chorumgang der spätgotischen Hallenkirche St. Michael in Schwäbisch Hall, gleich hinter dem Altar.372 Gefunden wurde er in der Region im Jahr 1605. Auf dem Frontispiz einer 1734 erschienenen Disser­ tation von Johann Friedrich Beyschlag erscheint der Mammutstoßzahn in repräsentativer Pose im Zentrum eines Sakralraums, der als Chor zu identifizieren ist (Abb. 55).373 Nach symbolischer Lesart trugen im Chorumgang die Umgangspfeiler das himmlische Paradies. An seinem Scheitelpunkt befand sich in der Nikolaikirche von Stralsund zum Beispiel die aus dem 14. Jahrhundert stammende astronomische Uhr als mechanisches Gerät zur Identifizierung des Himmels.374 Wenn auch mit der Reformation in evangelischen Kirchen der Chorbereich einiges von seiner sakralen Valenz eingebüßt hatte, sollte der chorartige Raum­eindruck auf dem Kupferstich so etwas wie ein sakrales Mag­netfeld schaffen, vielleicht im Sinne der damals in protestantischen Kreisen florierenden Physiko-Theologie. Eine beigefügte Inschrift unterstreicht nicht nur die Musealität dieses Objekts, sondern verwickelt den 368 Seit Anfang des 17. Jahrhunderts war es in einem Wandschrank in der Kapelle Saint Louis ausgestellt, nachdem der Chor neu gestaltet worden war; seit 1919 ist es Bestandteil des Musée de Cluny; Conway (1915), S. 107, 133; Montesquiou-Ferenzac/Gaborit-Chopin, Bd. 2 (1977) S. 269; Ausstellungskatalog Paris (1991), S. 310f., siehe Abb. 31 in vorliegender Abhandlung. 369 Cardanus (1557, 1663, 1966), S. 341f.; Belon (1555), S. 15f. 370 Schnapper (1988), S. 90, S. 93; Schönberger (1935/1936), S. 213–215; Shepard (1930), S. 205. 371 Réponse au discours d‘Ambroise Paré touchant l‘ usage de licorne, vue et approuvée par M. Grangier, doyen des écoles de médecine, Paris 1583, S. 9. 372 Bei dem Stoßzahn handelt es sich wahrscheinlich um das beeindruckendste Elfenbeinstück in ­einer Kirche Europas, Shalem (2004), S. 129. 373 Beyschlag (1734). 374 Zaske (1964), S. 62–84, S. 141.

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55: Horn eines Mammuts, St. Michael, Schwäbisch Hall, Titel­ seite, aus Johann Friedrich Beyschlag, De Ebore Fossili (1734)

Betrachter durch einen performativen Akt in ein Wissensspiel: „Tausend Sechshundert und Fünff Jahr, / Den Dreyzehenden Februarii ich gefunden war, Bey Neunbronn an dem Hällischen Land, / Am Bühler Fluß zur linken Hand, Samt grossen knochen und langen Gebein, Sag lieber, was arth ich mag seyn.“375 Figuren an der Installation geben die Richtung der Antwort vor. In ihrer netzartigen Fassung aus Eisen kann man zwei Pferde mit einem spitzen Nashorn erkennen, die Einhörner darstellen sollten. Entsprechend wurde der Stoßzahn von Beyschlag auch licorne fossile genannt. Der prominente Ort in der Kirche übte einen derart großen Einfluss aus, dass ein krummes Mammuthorn gegen allen Augenschein zu einem geraden Einhornhorn mutieren konnte. Wie bei den Fundstücken von Krakau auch, potenzierte die globale Heilsgeschichte eine lokale Überlieferung. 375 Ebd., S. 8

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Nicht in der benachbarten Erde gefunden, sondern buchstäblich vom Himmel fiel ein 130 Kilogramm schwerer Steinbrocken, der in der Pfarrkirche von Ensisheim im Hochelsaß ebenfalls im Chor zur Schau gestellt wurde. Der Meteorit, der die Form eines griechischen Delta gehabt haben soll, war am 7. November 1492 unter donnerndem Lärm in der Nähe von Ensisheim auf dem Acker eingeschlagen (Abb. 56).376 Ein Stein, der vom Himmel fiel, musste eine besondere sakrale Wirkung entfalten.377 Man nahm ihn als leuch­tendes fliegendes Objekte wahr, Resultat der Kollision mit den Luftmolekülen, sobald der elsässische Himmelskörper in die Erdatmosphäre eintritt. Zahlreiche Augenzeugen hatten den Meteoriteneinschlag beobachtet: „Da sah ein Knab in aim Acker im oberen Feld einschlagen – und kamen viel Leut allhier den Stein zu sehen, auch wurden viel seltsame Reden von dem Stein geredet. Aber die Gelehrten sagten, sie wissen nicht, was es war, denn es wäre übernatürlich, daß ein solcher Stein sollt von den Lüften her abschlagen, besonders es wäre ain Wunder Gottes, denn es zuvor nie erhört, noch geschrieben befunden worden war.“378 Im Jahr der horizontalen Bewusstseinserweiterung durch die Entdeckung Amerikas wurde Deutschland also durch ein vertikales Ereignis erschüttert. Flugblätter machten das unerklärliche Naturereignis europaweit bekannt. Sebastian Brant (1457–1521) verbreitete zum Meteoriteneinfall einen Einblattdruck und deutete darin das Naturereignis übernatürlich, als Fingerzeig Gottes und Wunder. Zugleich nutzte er dieses Ereignis, um auf Kaiser Maximilian I. (1459–1519) politischen Einfluss auszuüben.379 Albrecht Dürer (1471–1528) hielt seine Eindrücke in einer farbigen Zeichnung fest. Dass dieser Stein im Chorbereich aufgehängt und mit einer ausführlichen lateinischen Inschrift versehen wurde, könnte nicht nur an seiner himmlischen Provenienz, sondern auch am Habsburger Kaiser gelegen haben, der die Übergabe dieses Naturwunders an die Kirche veranlasste, nicht ohne sich zuvor ein Stück davon für sein Kurio­sitätenkabinett zu sichern. Er hatte sich gerade in Vorbereitung auf einen Feldzug gegen Frankreich im Elsaß aufgehalten und machte kurz nach dem Einschlag einen Abstecher nach Ensisheim. Neben dem Stein wurde eine große Tafel aufgehängt, auf der die Begebenheit erzählt wurde.380 Nur an diesem sakralen Ort schien der außer­irdische Steinbrocken vor den Begehrlichkeiten der Reliquienjäger sicher. Dort betrachtete ihn noch Goethe im Jahre 1771: „In Ensisheim sahen wir den ungeheuren Aerolithen in der Kirche aufgehängt und spotteten, der Zweifelsucht jener Zeit gemäß, über die Leichtgläubigkeit der Menschen, nicht vorahnend, dass dergleichen luftgeborene Wesen, wo nicht auf unsern eignen Acker herabfallen, 376 Hoppe (1992); Bühler (1988), S. 15–22; Chladni (1819), S. 205ff.; Gesner (1565), S. 66. 377 Auch bei dem in der Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islam, eingemauerten schwarzen Stein Hadschar al-Aswad handelt es sich offenbar um einen Meteoriten; Hansmann/ Kriss-Rettenbeck (1977), S. 29. 378 Bericht von Diebold Schilling aus der Luzerner Chronik von 1513; nach Schlüter (1996), S. 9. 379 Wuttke (1976). 380 Chladni (1819), S. 206.

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56: Meteoriteneinfall von Ensisheim, Buchmalerei, Luzerner Chronik des Diebold Schilling (1513), Luzern, Zentralbibliothek

doch wenigstens in unsern Kabinetten sollten verwahrt werden.“ 381 Als Revolutionäre 1793 den Stein aus seinem kirchlichen Gewahrsam „befreiten“ und in die Natio­ nalbibliothek nach Colmar überführten, wurden sogleich wieder einzelne Partikel abgeschlagen. In der Kirche, wohin er 1804 erneut gelangte, war er sicherer untergebracht. Fünfzehn Jahre später sollte ihn dort der Physiker und Begründer der modernen Meteoritenkunde Ernst F. F. Chladni (1756–1827) besichtigen. Er fand ihn „mit vielen Inschriften umgeben, an seiner vormahligen Stelle, nicht weit vom Altare auf der linken Seite, auf einer Console, etwa in einer Höhe von 10 Fuss.“382 Erst als 1854 die Kirche in Ensisheim einstürzte, war die Zeit gekommen, das mittlerweile nur wenig mehr als ein Zentner schwere Reststück im Palais de la Régence von Ensisheim auszustellen.

381 Johann Wolfgang Goethe, Dichtung und Wahrheit, Dritter Teil, Elftes Buch, Frankfurt am Main 1982 (Insel-Ausgabe), S. 553. 382 Chladni (1819), S. 206.

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Nachdem der Fall von Steinen aus dem Himmel lange Zeit von höchster wissenschaftlicher Autorität für unmöglich erklärt wurde,383 sollte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Funktion des Steines darin bestehen, als wissenschaftliche Reliquie in den Dienst der aufblühenden Geologie und Meteoritenforschung zu treten. Auf Grundlage seiner chemischen Zusammensetzung war es möglich, mehr über die materiellen Bestandteile des Weltalls zu erfahren.384 In der nüchternen Wissenschaftsauffassung der Aufklärung, die alle Erscheinungen der Natur auf Naturgesetze zurückführte, hatten derartige Phänomene keinen Platz.

Dingbilder und Bilddinge Kuriosa im Kirchenraum sind nicht nur Bild, ihre Dreidimensionalität macht sie zuallererst zu einem Ding. Das Ding, vor Bild oder Zeichen positioniert, ist zunächst in der unmittelbaren Wahrnehmung präsent. Selbst wenn es in Zeichnung, Skulptur oder Gemälde visualisiert ist, bedeutet es eigentlich nur sich selbst; erst als Zeichen verweist es auf eine darüber hinausgehende Bedeutung, die sich nicht aus Materialität bzw. Pikturalität erschließen lässt. Das Kuriose scheint sich vornehmlich aus dem Spannungsfeld von Bild und Ding zu speisen, in besonderer Konzentration erscheint es, wenn sich eine Kongruenz von Bild und Ding Ausdruck verschafft. So sind Artefakte des Stilllebens und trompe l´œils, die die Idee der Mimesis perfektionieren, nichts anderes als Dingbilder; Zufallsbilder, wie natürlich entstandene Figurationen auf Stein – lapides ideomorphoi, wie sie Michele Mercati (1541–1593) in seiner vatikanischen Metal­lotheca genannt hat – können als Bilddinge der Natur be­zeichnet werden. Sowohl Dingbilder als auch Bilddinge fanden ihren bevorzugten Platz im Kirchenraum, wo materielle Potenziale des Bildes ebenso freigelegt wurden wie ikonische des Dinges. Aus dem Blickwinkel des Rezipienten treffen sie sich in der Wahr­ nehmung des Kuriosen. Die „Allianz von Reliquie und Bildwerk“385, der Zusammenhang zwischen dem Reliquienkult und der Entstehung des Kultbildes scheint im Zeitalter der Kunst- und Wunderkammern zunehmend von einer ästhetischen Koinzidenz zwischen Bild und Ding ergänzt bzw. ersetzt worden zu sein. STILLLEBEN UND TROMPE L´ŒIL – Frömmigkeit im mittelalterlichen Kirchenraum gestaltete sich im Spannungsfeld von Körperhaftigkeit und Visualität, Ding und Bild. Bilder waren „der layen schrift“, wirksamer als gelesene Texte spornten 383 Hoppe (1992), S. 57. Insbesondere die Akademie der Wissenschaften in Paris ist mit derar tigen Ansichten hervorgetreten. Entgegen den Fehlinterpretationen führender Wissenschaftler der Vergangenheit, wie u. a. Johannes Keplers, etablierten Chladnis ausgiebige Recherchen in der Fachwelt die These von der kosmischen Herkunft der Meteoriten. 384 Zahlreiche Naturalien-Sammlungen in aller Welt, allen voran die in Paris oder in Berlin, verfügen über Stücke dieses Himmelskörpers. 385 Belting (1990, 2004), S. 336.

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57: Dingwelten der arma Christi auf dem Bux­heimer Altar, Tafelbild (1500), Ulm, Museum

58: Giotto di Bandone, Kapellennische – „coretto” (13. Jh.), Padua, Capella degli ­Scrovegni, Triumphbogen

dargestellte Gegenstände – „gemalte dingkch“ 386 – zur Frömmigkeit an; was auf Bildern dargestellt ist, prägte sich stärker dem Gedächtnis ein. 1300 im Kirchenraum auftauchende arma Christi-Darstellungen, bestehend aus Bildsequenzen aus der Passionserzählung, zeigen piktogrammatische Dingbilder, deren Illusionismus noch durch die schematische Anordnung gebrochen ist (Abb. 57).387 Ein größerer Täu386 Nach Schreiner (2002), S. 14. 387 Zu den arma Christi auf Bildmedien als dinghafte Erinnerungsträger der Heilsgeschichte: Berliner (1955); Suckale (1977), S. 188ff; Berns (2000), S.30–39.

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schungseffekt ging auf der Wand des Triumphbogens in der Capella degli Scrovegni in Padua von zwei Kapellennischen, coretti genannt, aus. Sie waren nicht tatsächlich vorhanden, sondern aufgemalt. Giotto di Bandone (1266–1337) hatte es mit malerischen Mitteln verstanden, die Wand durch einen illusionistischen Raum aufzulösen (Abb. 58). Zum Vorschein kommen zwei Kreuzrippengewölbe; in einem von ihnen hängt von der Decke ein vogelkäfigähnlicher Leuchter herab.388 Bei Dingbildern der Kunst steht das im Bild dargestellte Ding mit dem Bild als Ding in einer Korrelation. Ein Dingbild ist zweierlei: ein mit Farbe bedecktes Stück Leinwand, also ein reales Objekt, zugleich aber auch ein Bild, auf dem mit Hilfe von Farben Dinge möglichst naturnah in Erscheinung treten.389 Schon Thomas von Aquin (1224–1275) maß dem Bild eine doppelte Qualität zu. In seiner Materialität ist es als res quaedam einfach nur Sache, Material; als imago alterius zugleich das Bild von etwas anderem.390 Entsprechend soll die Verehrung vor dem Bild nicht auf das materielle Bild übergehen, sondern auf den, dessen Bild es ist und damit auf eine imaginäre Sphäre abgeleitet werden.391 In der Regel fällt dem Betrachter die Dinglichkeit des Bildes erst dann ins Auge, wenn es die räumliche Illusion negiert bzw. unterläuft.392 Die Kunstentwicklung, die durch den Medienwechsel von dreidimensionalen Relief­ figuren zur Flachware der Tafelbilder geprägt war, schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Vom Kunstwerk sollte eine Scheinwirkung ausgehen, das bildlich Dargestellte für die konkrete Wirklichkeit zu halten. Auf der Alltagsseite des 1432 von den Brüdern van Eyck für die Genter St. BavoKathedrale geschaffenen weltberühmten Altarensembles zeigt die zentrale mittlere Zone in vier Tafeln die Verkündigungsszene in einem niedrigen Innenraum (Abb. 59). In einer Mixtur aus bürgerlichem Interieur und Kircheninnerem eröffnet ein gotisches Fenster den Blick auf eine flämische Stadt.393 Bekannt wurde die geschlossene Altarfront insbesondere durch das Nischenbild in der Manier eines Stilllebens. Ein Bildsegment, auf dem scheinbar so unbedeutende Dinge, wie Handtuch, Schale und Kanne zu sehen sind, stand außerhalb der hohen Kirchenfeste in zentraler Position auf Augen­höhe den Blicken offen. In ihrer minutiösen Naturalistik stellen sie 388 Kohnen (2004), zur Deutung der Nischen als Grabmäler: Schlegel (1957); vgl. auch Milman (1982), S. 20ff. 389 Lammers (1979). 390 Im Englischen gibt es für diese beiden Bildtypen mit picture und image zwei Ausdrücke: You can hang a picture, you can´t hang an image. Mitchell (2009), S. 322. 391 Schreiner (2002); zur „ikonischen Differenz“: Boehm (1994), S. 30. 392 Bereits in der Renaissance sind derartige transparenzkritische oder opake Bilder anzutreffen, Marin (1989, 2004); Bredekamp (2010), S. 278f; zum Diktum der „starken Bilder“: Boehm (1994), S. 35. Auch in der abstrakten Kunst des 20. Jahrhunderts trat mit der Preisgabe mimetischer Verfahren die Stofflichkeit, die Materialität des Kunstwerks in den Vordergrund, wodurch auch die formalste Abstraktion einen inhaltlichen Akzent erhält; Groys (2008), S. 151f. 393 Schneider (1986), S. 26f.

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59: Brüder van Eyck, Altarbild-Ensemble, geschlossener Zustand (1432), Gent, St. Bavo-Kathedrale

60: Stillleben (Ausschnitt von Abb. 59)

ihre Dinghaftigkeit zur Schau, was die separate Rahmung noch unterstreicht.394 (Abb. 60) Wenn es auch vom Betrachterstandpunkt abhängt, was in den dargestellten Dingen gesehen wird – das Ding oder die dahinter stehende Symbolik – sticht an diesen Darstellungen nicht ihr disguised symbolism (Ernst Panofsky) ins Auge, sondern ihr eindringlicher Realismus, der mit Hilfe des neuen Bindemittels Öl, das den Farben eine bis dahin unbekannte Leuchtkraft und Tiefe verleiht, erzeugt wird. Die Frage drängt sich auf, wer überhaupt wusste, dass das Handtuch auf die Stiftshütte (Num 16,36ff.) anspielt, die als tragbares Heiligtum der Israeliten während der Wüs­ 394 Lammers (1979), S. 480ff.

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tenwanderung den Tempel vertrat (Ex 27,1ff.). Jenseits symbolischer Bedeutung indizieren die in einer Nische befindliche Piscina bzw. Kesselkanne und das Handtuch als Accessoires eines auf Reinlichkeit bedachten Priesters vielmehr den inzwischen bildwürdigen Status der unmittelbaren Alltagswahrnehmung, die auch das winzige Detail berücksichtigt.395 Die sich ab Mitte des 15. Jahrhunderts im Kirchenraum ausbreitende akribische Wiedergabe der sichtbaren Dinge durch die illusionistische Malerei ist zugleich anschauliches Dokument dafür, dass die dargestellten Dinge in ihrem autonomen Eigenwert zuvor im menschlichen Wahrnehmungsapparat eingebildet worden sein müssen oder in den Worten von Ernst Panofs­ky (1892–1968): „Die Kunstanschauung der Renaissance charakterisiert sich also der mittelalterlichen gegenüber dadurch, dass sie das Objekt gewissermaßen aus der innersten Vorstel­ lungswelt des Subjekts herausnimmt und ihm eine Stelle in einer festgegründeten Außenwelt anweist, dass sie (wie in der Praxis der Perspektive) zwischen Subjekt und Objekt eine Distanz legt, die zugleich das Objekt vergegenständlicht und das Subjekt verpersönlicht.“396 Aus der Sicht des Malers gilt es bei der Herstellung von Dingbildern auf einen paradoxen Zusammenhang aufmerksam zu machen. Je lebensechter die Dinge auf der zweidimensionalen Leinwand erscheinen, desto mehr muss man sich über die Alltagswahrnehmung der Dinge hinwegsetzen, muss der Malerblick doch lernen, durch Formen und Farben dreidimensionale Erscheinungen auf eine gedachte Fläche zu projizieren. Derartige Stillleben haben die Funktion, den Gesichtssinn zu täuschen, erst dann sind sie gelungen. Noch frappierender verschmelzen Bild- und Dingebene bei trompe l’œils. Das Auge des Betrachters soll – zumindest für den ersten Augenblick – durch verblüffende Wirklichkeitsnähe so getäuscht werden, dass er Artifizielles von Natürlichem nicht zu unterscheiden vermag. So stößt man in italienischen Kirchenräumen Mitte des 15. Jahrhunderts auf Intarsienbilder, die Chorgestühle und Sakristeischränke schmückten und die in ihrer Gegenständlichkeit einen bisher nicht für möglich gehaltenen Verismus zeigen.397 In einer Sammlung rhetorischer Schriften, die der Gelehrte Matteo Colacio (1457–) im Jahre 1491 herausgab, pries der Text Laus perpectivae cori in Aede Sancti Antonii das zwischen 1462 und 1469 entstandene Gestühl in der Basilika des heiligen Antonius von Padua.398 Bücher, Alltagsgegenstände, Kerzen, ein Apfel, Musikinstrumente und anderes seien in unterschiedlicher Anordnung so real dargestellt, dass alle erzielten optischen ­ Effekte mit dem Pinsel nicht 395 Suckale (2002), S. 272f.; Schneider, S. 13; Auerbach (1953); Roeck (2004), S. 150–158. 396 Panofsky (1924, 1960), S. 25f. 397 Lammers (1979), S. 486. ������������������������������������������������������������������� Nach André Chastel (1965, S. 245) stellten Intarsien als typisches Bildmedium der Renaissance „die Kreuzung aller Künste“ dar. Der weitaus größte Teil der erhaltenen Intarsienarbeiten befindet sich in sakral genutzten Gebäuden; Rohark (2007), S. 37–41, S. 76–81. 398 Es war unter der Leitung von Lorenzo und Cristoforo Canozzi da Lendinara (1426–nach 1477) errichtet worden; Rohark (2007), S. 96f.

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61: Johannes-Sakristei, Loreto, Basilica Santa Casa

hätten besser dargestellt werden können. Erst der haptische Kontakt würde die Wirkung als Illusion entlarven.399 Besonders gut gelang der Täuschungseffekt im Fall der häufig dargestellten Wandschränke mit halbgeöffneten Türen, da bei diesen das Holz der Einlegearbeit mit dem auch in der Realität verwendeten Material übereinstimmt.400 Schränke auf Schränken schmücken den Raum. Der materielle Bildträger des Schrankbildes stellt selber einen Schrank dar. Der auf Bilder eingestellte Betrachter sieht hingegen Türen, die sich wie in der unmittelbaren Wahrnehmung nicht an die Bildrahmung halten. Die Verwirrung wird noch dadurch gesteigert, dass die im 399 Savettieri (1998), S. 17–20. Auch studiolos der Renaissance, in denen eine zweiteilige Wandgliederung, bestehend aus einem Bildprogramm über einer holzgetäfelten Zone typisch sind, zeichnen sich durch ihre trompe l‘œil-Intarsien aus. So verfügt der heute noch erhaltene Studienraum des Federico da Montefeltro (1422–1488) im herzoglichen Palast von Urbino über eine illusionis­tische Intarsienzone.; Liebenwein (1977), S. 87–90; Beßler (2009), S. 40–43; zu Illusionismus und Perspektive bei Intarsien: Rohark (2007), S. 99–106. 400 Ebert-Schifferer (1998), S. 35.

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62: Luca Signorelli, Szene vom ungläubigen Thomas, Kuppelfresko (1480), Johannes-Sakristei, Loreto, Basilica Santa Casa

natürlichen Maßstab abgebildeten Gegenstände tatsächlich an diesem Ort hätten aufbewahrt werden können oder auch tatsächlich aufbewahrt waren.401 Von den vier Sakristeien, die sich in den vier Kreuzarmecken des Santuario della Santa Casa in Loreto befinden und jeweils einem Evangelisten geweiht sind, sticht die Johannes-Sakristei mit den illusionistischen Intarsien der Wandschränke besonders ins Auge (Abb. 61).402 Sakristeien waren damals nicht nur Aufbewahrungsraum für Messgerät, sondern auch Versammlungsraum für unterschiedliche Anlässe, bisweilen wurde dort auch die Messe zelebriert.403 Die Aufgabenvielfalt erforderte ent401 Liebenwein (1977, S. 89f.) hingegen relativiert den trompe l´œil-Effekt der Intarsien und sieht in ­ihnen kein Bildinventar real existierender Gegenstände, sondern eher Medien der Künstlichkeit, Unwirklichkeit und des Platonismus; als „Werkzeuge des Geistes“ würden sie auf eine kontemplative Lebensweise verweisen; vgl. auch Chastel (1961). 402 Sie werden Domenico Indivini (ca.1446–1501) oder den Gebrüdern Benedetto und Giulia no da Maiano (1432–1490) zugeschrieben; Santorelli (1994), S. 98f. 403 Rohark (2007), S. 39f.

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63: Illusionäre Schätze zum Greifen nahe, Intarsienschrank, Johannes-Sakristei, Loreto, Basilica Santa Casa

sprechende Möbel, wie Bänke inklusive angefügter Rücklehnen oder Schränke bzw. eine Kombination aus beidem, wobei sich in der Renaissance ein Bedürfnis nach größtmöglicher Zier und Schönheit Ausdruck verschaffte.404 Halboffene Gittertüren und dahinter aufgestellte Wertgegenstände sind vielleicht deswegen so täuschend echt gestaltet worden, um der Schaulust der Pilger bzw. des Klerus gerecht zu werden, ohne die sich – möglicherweise – dahinter befindlichen fragilen Objekte tatsächlich zeigen zu müssen. Suggestionen des trompe l‘œil stehen in Beziehung zu einem von Luca Signorelli (1445/50–1523) zwischen 1477 und 1480 geschaffenen Kuppelfresko,405 wo u. a. die Geschichte vom ungläubigen Apostel Thomas visualisiert ist (Abb. 62). Dieser machte seinen Glauben davon abhängig, die Wundmale des auferstandenen Christus zu sehen bzw. zu berühren.406 Die durch die Thomas-Geschichte anvisierte Aufwertung des Sehens und Berührens spiegelt sich in den darunter befindlichen Intarsien, deren künstlerische Darstellung hinter der illusionistischen Präsenz der dargestellten Gegenstände zurücktritt. Der trompe-l‘œil-Künstler schafft einen ursprünglichen, von der Kunst bisher nicht besetzten Raum, einen Raum, in dem der Betrachter von den Gegenständen beherrscht wird. Die Distanz zwischen Betrachter und Bildinhalt scheint aufgehoben, die dort dargestellten Gittertüren und die sich dahinter befindlichen Bücher und prunkvollen Geräte sind mit Händen zu greifen, gleich wie Thomas seine Hand in die Wunde legen möchte (Abb. 63). Zugleich handelt es sich aber um eine Brechung des Visuellen. Spätestens bei Berührung entlarven sich die Dinge als Täuschung und damit als ein Memento, das Sehen nicht zu 404 Ebd., S. 41–44. 405 Santorelli (1994). 406 Vgl. Most (2007).

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überschätzen, entsprechend dem biblischen Motto „Selig, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20, 29).407 Illusionistische Intarsien vollziehen ein Spiel mit dem Begehren nach Berührung, das letztendlich unerfüllt bleiben soll. Dem Betrachter wird die Evidenz der getäuschten Sinne, die Erkenntnis ­ ihrer Unzuverlässigkeit und ihrer kog­nitiven Grenzen vor Augen geführt. LUSUS NATURAE – Ein Stein, dessen mineralische Adern ein menschliches Gesicht, ein Stück Holz, das die Fratze eines Dämons zeigt: derartige Zufallsbilder pflegten die Aufmerksamkeit zu erregen und wurden als Kuriosa gesammelt. Sie stellen etwas dar, was es eigentlich nicht geben kann: nicht von menschlicher Hand gemachte Bilder. Spontan entstanden, weisen sie gleichwohl sinnvolle Strukturen auf, die an ein Gemachtsein denken lassen. An Erklärungsversuchen fehlte es nicht. Waren hier himmlische Einflüsse am Werk? Oder waren es unterirdische Dämpfe oder Gorgonen-Geister, die Reste von Lebewesen und Pflanzen versteinerten? Haben Samen, in Felsspalten gerutscht, im Stein ihre gewöhnliche Form produziert? Von figurierten Steinen aus Marmor und Achat ging zunächst Fremdheit aus, da sie mit dem Osten, ja mit der orientalischen Exotik in Zusammenhang gebracht wurden; Vertrautheit hingegen vermittelten die Bildsujets. Die angeblich zufällig entstandene Buchstabenfolge „XCRISTO“ verwandelte die aus einem einzigen Block geschnittene große Achatschale in der Schatzkammer der Wiener Hofburg in eine Reliquie. Dieses „Naturwunder“ führte sogar zu der Annahme, bei der Schale handele es sich um den Heiligen Gral, d. h. jenes Gefäß, in dem das Blut Christi bei der Kreuzigung aufgefangen worden ist.408 Schon Albertus Magnus (1200–1280) präsentierte eine magische Mineralogie. Das dem Marmor gewidmete Kapitel von De mineralibus ist nach Bildthemen geordnet, die dieser Gesteinsart von der Natur aufgeprägt sind. Albertus beschäftigte sich auch mit einem antiken Kameo und fragte, ob es sich um ein Kunstgebilde von der Art einer ­Medaille handelt oder um ein Werk der Natur nach Art eines Fossils.409 Den ursprünglich auffällig auf der Trapezplatte der Kopfseite angebrachten PtolemäerKameo aus Achat auf dem Dreikönigenschrein im Kölner Dom, der heute im Kunsthistorischen Museum von Wien aufbewahrt wird, konnte Albertus Magnus wegen dessen Feingliedrigkeit nur als ein von Sternenkraft geschaffenes Objekt ansehen (Abb. 64 und 65).410 Er zeigt ein Herrscherpaar, Ptolemäus II. und seine Frau Arsinoe; ein dritter kleiner Kopf befindet sich auf dem Helmschild des Königs und ist für einen Ammonskopf gehalten worden. Diese Dreifigurenkonstellation könnte gemein­ 407 Lehmann ��������������� (2009). 408 Die Achatschale, die 1204 bei der Eroberung von Konstantinopel erbeutet worden sein soll und später in burgundischen Besitz gelangte, ist heute „unveräußerliches Erbstück des Hauses Habsburg“ 409 Albertus Magnus (1256/1890),������������������������������������ Lib. 2, tract. III, cap. 2, S. 50A. 410 Hoster (1967); Zwierlein-Diehl (1998), S. 50–61.

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64: Dreikönigsschrein, Köln, Dom

65: Ptolemäerkameo, Sardonyx, 3. Jh. v. Chr., ursprünglich zentral auf der Trapezplatte des Dreikönigsschreins appliziert, Wien, Kunsthis­ torisches Museum

sam mit der dem Achat naturgemäß inhärenten magischen Kraft einen unmit­ telbaren Bezug zu den Drei Königen in ihrer Eigenschaft als Magier aus dem Morgenland hergestellt haben, deren Gebeine sich direkt hinter der abnehmbaren Trapezplatte befinden.411 Wie das zur Kunst mutierte Objekt im Museum erfuhr auch dieser Kameo als prominent appliziertes Stück auf dem Schrein eine Konversion, indem das von ihm aufgerufene illegitime antike magische Wissen christlich eingehegt und spirituell geadelt wurde. Auch geschnittene Gemmen, nach 1300 häufig als „Steine Israels“ bezeichnet, galten nicht als Menschenwerk, sondern als Naturwunder; als obras de natura bezeichnet sie ausdrücklich das spanische Lapida­rium von König Alfons dem Weisen (1221–1284). Auf derselben Linie liegt die Meinung von Leon Battista Alberti (1404–1472), der es sich nicht nehmen lässt, in seinem Traktat über die Malerei (De pictura, Erstdruck 1540, II, 27) für in Stein eingeprägte Zufallsbilder zu erwähnen: „Schließlich ist mit Händen zu greifen, dass sogar die Natur selbst ein Vergnügen daran findet, sich als Malerin zu betätigen. So stellen wir fest, dass sie häufig auf Marmorflächen Hippokentauren und bärtige Antlitze von 411 Cordez (2010); zum Zusammenwirken von Reliquien und Edelsteinen: Toussaint (2003).

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Königen abbil­det. Ja, es wird sogar berichtet, dass die Natur selbst auf einer Gemme des Pyrrhus ganz deutlich die neun Musen gemalt habe, erkennbar an ihren Wahrzeichen.“412 Wie für andere Kuriosa ist der Kirchenraum auch für die Zufallsbilder der Natur ein bevorzugter Aufbewahrungsort. Frühneuzeitliche Berichte darüber sind in großer Zahl vorhanden. François Savary de Brèves (1560–1628), Gesandter des fran­ zösischen Königs in Konstantinopel und zugleich einer der bedeutendsten Orien­ talisten seiner Zeit, geht in seinen Reiseberichten auf mehrere im Kirchenraum be­find­liche lusus naturae ein. Ein Beispiel ist das angebliche Bild des heiligen Hieronymus in der Marienkirche zu Bethlehem: Rechts vom Altar glaubt man auf einer Marmorsäule einen alten Mann mit Bart zu erkennen.413 Naturspiele aus Marmor waren auch in den großen Kirchen von Venedig und Konstantinopel zu bewundern, wo in komplexer Räumlichkeit das diffuse Licht den Bildern zusätzlich Lebendigkeit einzuflößen schien.414 Georg Agricola (1494–1555) wusste zu berichten, dass in der Hagia Sophia die Osmanen nicht versäumen, schaulustigen Christen zwei weiße marmorne Tafeln zu zeigen: „Die Flecke auf beiden, durchaus von aschgrauer Farbe, laufen von Natur aus so auseinander, dass sie das Gesamtbild des heil. Johannes des Täufers, der mit dem Kamelfell bekleidet ist, darstellen, von dem einen Fuß abgesehen, den sie nicht recht zum Ausdruck bringen, diese zeigen die Türken sogar den Christen.“415 Der Reiseschriftsteller Johann Georg Keyßler (1693–1743) berichtet von einem Kruzifix im Kloster S. Giorgio Maggiore von Venedig, das auch ­Aldrovandi in seinem Musaeum Metallicum in einem Holzschnitt verewigt hat:416 „Nahe bey der Cappella maggiore ist der Altar des Vincenzo Morosini deswegen merkwürdig, weil etliche Flecken seiner Seulen, die von weißem und violettem (pavonaceo) Marmor sind, Köpfe von Menschen, desgleichen Vögel und Fische vorstellen. Zur Erblickung der letzten gehören zwar viel Einbildung und ein starker Glaube, es ist aber ein menschlicher Leib mit ausgestreckten Aermen und zusammengefügten Füßen gar 412 Alberti (1540, 2000), S. 243. 413 Breves (1630), S. 176f.; dort auch ein Hinweis zum Kruzifix bei S. Giorgio Maggiore in Venedig. 414 Zum „pygmalionischen“ Effekt von Skulpturen unter Fackellicht: Bätschmann (1997), S. 355ff. 415 Agricola (1546, 198), Libri VII, S. 312 (189); Baltrušaitis (1984, 1957), S. 72. Neben ������������� Ulisse Aldrovandi (1522–1605) zählt Georg Agricola zu den zentralen Autoren der Neuzeit, die eine Entstehung von Kunst weit vor aller menschlichen Schöpfungskraft in die Natur selbst platzierten. 416 Aldrovandi (1648), S. 759. Aldrovandi sammelte Marmorbruchsteine, in denen Katzen, Hunde, Fische und Menschen natürlich gestaltet waren. Sein postum publiziertes Musaeum Metallicum ist gefüllt mit Beispielen von derartigen Naturspielen. Im Kapitel über den Marmor präsentiert er – wohl nicht ohne Retouchierung – Bilder von Tieren und Menschen, wie das angeblich allein von der Natur geschaffene icon – so das zeitgenössische Wort – eines Eremiten; vgl. Bredekamp (1993, 2002), S. 20.

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kenntlich daran, und ob zwar nichts von einem Stamme des Kreuzes dahinter zu sehen ist, so machet man doch insgemein den am Kreuz hangenden Heiland daraus.“417 Den aus Tirol stammenden, aber in Preußen Kar­riere machenden Sagenforscher und Geis­terseher Otto von Graben zum Stein (1690–1756) faszinierte im Markusdom zu Venedig eine im Marmorstein erkennbare menschliche Gestalt: „Er war mit allen seinen Gliedmaßen und Musceln so natürlich vorgestellet, dass kein Mahler mit aller seiner Geschicklichkeit es so eigentlich zu entwerffen dem Stande seyn wird.“418 Als acheiropoieta – nicht von Menschenhand Geschaffenes – suggerieren Zufallsbilder, wenn im Kirchenraum ausgestellt, eine gesteigerte Präsenz Gottes, muss er doch als ihr Schöpfer gelten. In San Vitale von Ravenna befand sich ein alter Marmorstein, auf dem man die Gestalt eines Priesters bei der Wandlung der Hostie zu erkennen meinte. Nach Guido Pancirolli (1523–1599) hat Papst Paul III. (1468–1549) die Adern am Stein genau inspiziert, denn nur ein nicht von Menschenhand geschaffenes Bild konnte zur adorierenden Betrachtung empfohlen werden.419 Im Vatikanischen Palast war auf einem Porphyrstein, dem Symbol der auf dem Fels erbauten Kirche, das Konterfei eines die Tiara tragenden Papstes zu erkennen.420 An Zufallsbildern wird eine unmittelbare Kongruenz von Bild und Ding sichtbar, eine materielle Bildhaftigkeit. Vielen Betrachtern ist bewusst, dass solche Bilder eigentlich menschlicher Phantasie entspringen, dass es sich um Projektionen handelt wie beim Rorschachtest, bei welchem dem Prüfling zehn sinnfreie kleksartige Figuren zur Deutung vorgelegt werden.421 Schon Leonardo da Vinci (1452–1519) verstand Zufallsbilder als vom Maler in das natürliche Medium – etwa eine durch Nässe fleckig gewordene Mauer – hinein­gesehene Strukturen. Alberti hingegen beschrieb die gemalten Zufallsbilder als im Stein gegenwärtig.422 Dementsprechend drängt sich tatsächlich eine neue Ästhetik auf. Natürliche Achatbilder zum Beispiel unterscheiden sich von gemalten durch ihr Eindringen in die Tiefe; sie befinden sich nicht bloß an der Oberfläche. Die gesamte Dicke des Steins wird von bildhaften Strukturen durchdrungen, eine Vielfalt von Figuren taucht aus ihrer geäderten Substanz auf, so dass Bild und Ding zu einer Einheit verschmelzen. In Kirchenräumen fanden sich bisweilen auch dreidimensionale Zufallsbilder. Die Kapelle der Festung auf Korfu schmückte seit dem Vorabend der Schlacht bei Lepanto (1571) ein vom stürmischen Wetter erzeugtes hölzernes Kreuz.423 Zeitgenös417 Keyßler (1740–42, 1776), S. 1145. 418 Graben zum Stein (1728), S. 62. 419 Guidonis Pancirolli, Rerum Memorabilium sive Deperditarum [1660], Kap. 17; siehe auch Graben zum Stein (1728), S. 63. 420 In Bergamo könne man auf einem Taufstein eine von Natur in den Stein abgebildete Schlange ­erkennen, Graben zum Stein (1728), S. 62. 421 Gombrich (1959, 1986), S. 206–225. 422 Janson (1961); Bredekamp (2010), S. 317–323. 423 Breuning von und zu Buchenberg (1612), S. 23.

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sische Reise­berichte belegen, dass von Alraunwurzeln in der Form eines Kruzifixes oder von Perlen, auf denen Gesichter zu erkennen waren, eine kaum zu unterschätzende Anziehungskraft ausgehen konnte. In der sala del tesoro der Wallfahrtsbasilika von Loreto fand sich neben zahlreichen prunkvollen Votiv- und Weihegaben, wie der mit Juwelen besetzten Krone der konvertierten schwedischen Königin Christina (1626–1689), ein bemerkenswertes Naturspiel. Einer seltsamen Perle, auf der ein Madonnenbild zu erkennen war, galt die größte Aufmerksamkeit: „Eine Perle, welche deswegen als unschätzbar und für das vornehmste dieses Ganzen Schatzes gehalten wird, weil die Natur auf selbiger das Bildniß der h. Mariä, die gleichsam auf der sitzt und das Kind Jesus auf dem arme hält, ausgedrücket hat. Die Kunst hat hiebey nichts gethan, weil die Perlen sich nicht verarbeiten lassen; dieses aber ist nicht zu leugnen.“424 Die Perle galt als göttliche Schöpfung aus dem Nichts.425 Man glaubte, hier liege ein ebenso bedeutendes Wunder vor wie jenes andere, das in der von Engeln vollzogenen Überführung des Wohnhauses der heiligen Jungfrau von Nazareth nach Loreto bestand. Eine Kohlwurzel in Form eines Kruzifixes zierte seit 1480 eine silberne Monstranz im Zisterzienserinnenkloster von Harvestehude, das heute zu Hamburg gehört (Abb. 66). Eine Gärtnerin hatte eine geweihte Hostie vergraben in der Hoffnung, das Gemüse würde besser gedeihen. Stattdessen wuchs an der Stelle eine Kohlwurzel in der Gestalt des Gekreuzigten. Das der gläubigen Bevölkerung als Hostienwunder ausgestellte Stück gelangte nach der Reformation in das Johanneskloster. Anfang des 17. Jahrhunderts erwarb es Kaiser Rudolf II. (1552–1612) für seine Kunstkammer.426 Der aus dem Holz einer Säule an der Kanzel gewachsene Fruchtkörper eines Pilzes in der Kirche zu Moisall bei Bützow in Mecklenburg hatte eine so ungewöhnliche Form, dass er im Jahre 1594 in gereimten Versen beschrieben wurde. Man glaubte, eine Hand mit Fingern oder auch ein Gesicht zu erkennen.427 Dass viele der Zufallsfiguren nur mit viel Phantasie und Einbildung zu identifizieren seien, ist auch ein Topos des Reiseschrifttums. Ließ sich ein Bild gut erkennen, meldete sich sogleich der Verdacht, die menschliche Hand habe hier nachgeholfen.428 Zu einem Kruzifix in der Kathedrale von Paris hinter dem Hauptaltar, das auf einem mit weißen und roten Flecken versehenen Marmor zu identifizieren war, meinte Keyßler: „Ob die Kunst der Natur in diesen Stücken allzeit behülfliche Hand leiste, will ich nicht sagen; dass aber solches an den Augen und der Nase eines großen Todtenkopfes (der gleichfalls durch die abwechselnden Farben der Adern in 424 62. Brief, April 1730 bei Keyßler (1740–42, 1776), S. 905; Misson (1688, 1713), S. 415; siehe auch Mercati (1719), S. 341. Auch in der Kirche von Toledo soll es eine derartige Perle gegeben haben; Happel (1683), S. 508. 425 Zum dichterischen Potenzial der Perle: Ohly (2001). 426 Hauschild (1999). 427 Freundt (1594); Stopp (2001), S. 14f.; Wiechmann (1857) 428 Breves (1630), S. 176.

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66: Alraune aus Harvestehude in Form eines Kruzifixes, Wien, Kunsthistorisches Museum

einem Marmor vor dem obgedachten ­ Altare der Kirche S. Giorgio maggiore abgezeichnet ist) geschehen, kann schwerlich in Zweifel gezogen werden.“429 Solche Zweifel konnten der Beliebtheit der lusus naturae jedoch keinen Abbruch tun. Nicht die Hand von Menschen, sondern die Hand Gottes glaubte man in solchen Spielformen zu erkennen.

Automat und Wachsfigur Nicht nur bei Zufallsbildern der Natur und artifiziellen Bildern, auf denen Dinge ebenso selbstgenügsam und detailgenau dargestellt waren, konvergierte die materiale mit der ikonischen Ebene. Museale Kuriositäten in Kirchen, die durch Überblendung piktora­ler und physischer Elemente charakterisiert sind, zeigen sich ebenfalls in mechani­schen Formen des Automatentheaters sowie in panoptischen des Wachsfigurenkabinetts;430 besonders prägnant noch heute im Straßburger Münster sowie in der Wallfahrtskirche Madonna delle Grazie bei Mantua zu besichtigen.

429 Keyßler (1740–42, 1776), S. 1145. 430 Zu Wachsfiguren in der Abteikirche von Westminster in London zwischen Funeraleffigies und wächserner Memorabilie: Buckland (1882); Harvey/Mortimer (1994); Kornmeier (2006), S. 207ff; zur Typologie von „Sakralautomaten“: Berns (2003); S. 222; siehe auch Reinle (1984), S. 322–325; Frieß/Steiner (2003).

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DER AUTOMAT – Heilige Rituale und Texte, die aus einmaligen Begebenheiten bestehen, aus ebenso flüchtigen wie unwiederholbaren Momenten der Offenbarung, bedürfen der Unterstützung technischer Medien, damit sie zu einem lebendigen Ereignis werden bzw. in den Dienst von „Überwältigungserfahrungen“431 gestellt werden können.432 In Vicenza trat zu Pfingsten 1379 eine künstliche Taube als Funken sprühende Rakete auf, die – an einer Schnur gezogen – vom Turm des bischöflichen Palastes bis in die Kirche flog. Wie ein Chronist bezeugt, warf sich die Gemeinde „erschüttert von dem Wunder“ zu Boden und sprach „in fremden Zungen“.433 In Kirchen aufgestellte Automaten müssen insbesondere im byzantinischen Raum verbreitet gewesen sein.434 Im Westen spiegelt sich diese Praxis in der mittelalterlichen Romanliteratur, wie im Jüngeren Titurel des Albrecht von Schar­fenberg. Darin wird der Tempel des heiligen Gral als oktogonaler Kuppelbau beschrieben, in dem sich unter anderem ein Baum mit künstlichen singenden Vögeln befand.435 Schon bei Heron von Alexandria (um 10 – um 75) ist ein Tempel als hydraulische Konstruktion überliefert, dessen Türen sich automatisch öffnen, solange das Opferfeuer brennt; erlischt es, schließen sich die Tempeltüren selbsttätig.436 Die „Kathedrale als Zeitenraum“437 musste auch komplexen Uhrenarchitekturen Platz einräumen.438 Die astronomische Uhr im Straßburger Münster ist ein mechani­ scher Apparat in einem architektonischen Gehäuse; ein komplexes Ding, das das allmäh­liche Voranschreiten der Zeit steuert und vor allem sichtbar macht.439 Die ersten Räderuhren wurden noch nicht von Federn, sondern von einem Gewicht in Gang gesetzt. Kaum etwas kann die Opazität des Dings besser veranschaulichen als seine Schwerkraft, ging es doch beim Antrieb darum, die vom widerständigen Ding verkörperte Hemmung zu überwinden, indem die Erdanziehung als Kraftquelle genutzt wurde.440 Aber diese Technik bleibt weitgehend im Verborgenen. Sichtbar sind hingegen dreidimensionale, selbstbewegliche Figuren, die die Funktion haben, 431 Macho (2004), S. 31. 432 Zu einer noch zu schreibenden Technikgeschichte der Religion: Stöcklein (1969); Rassem (1990); Schütt (1990). 433 Villon-Lechner (1988), S. 20; Macho (2004), S. 26. 434 Berger (2006). 435 Vers 329–438; Hammerstein (1986), S. 187–209. 436 Heron von Alexandria, Druckwerke und Automatentheater. Übersetzt und herausgegeben von Wilhelm Schmidt. Leipzig 1899, S. 111–113. 437 Ohly (1972, 1983). 438 Zur Uhr als Himmelsmaschine: Berns (2003); zur Entstehungsgeschichte der mechanischen Uhr: Bilfinger (1892); Maurice (1976); Maurice/Mayr (1980); vgl. auch Le Goff (1978, 1987). 439 Zur Zeitwahrnehmung im späten Mittelalter: Borst (1990, 2004), S. 106ff. 440 Das Gewicht verursacht einen Zug, der sich auf die rotierende Spindel als Antrieb auswirkt; Burckhardt (1994), S. 54ff.; vgl. Behr (1747), S. 71–79; Kraus (1876); Ungerer (1922); Oestmann (1993).

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67: Hahn, Automatenfigur der Astronomischen Uhr (um 1350), Straßburg, Musée des Beaux-Arts, Château des Rohan

Realität zu simulieren: sie produzieren Illusionen und lenken vom mechanischen Innenleben ab.441 Neben dem vom Uhrwerk gesteuerten Astrolabium und einem fortlaufenden Kalender besitzt die Uhr ein automatisch bewegtes Figurenwerk von Maria mit dem Christuskind, vor der die Heiligen Drei Könige defilieren. Dazu erklingen von einem selbst spielenden Glockenwerk kirchliche Hymnen. An der Spitze befindet sich der schon erwähnte mechanisch bewegliche Hahn. In einer Zeit als echte Hähne – insbesondere bei Kriegszügen – als lebendige Wecker die Menschen begleiteten, müssen die künstlichen Schreie des mit den Flügeln schlagenden Imitats großes Erstaunen erregt haben.442 Der berühmte Hahn war ein Ding der die Natur imitierenden Kunstfertigkeit, dessen Kuriosi­tät sich aus der Selbstbewegung speiste (Abb. 67): „Linckerseits ist ein Kasten, in welchem die Uhr Gewichter hangen, solcher ist durch Tobiam Stimmer mit unterschiedlichen Gemählden gezieret worden. Oben auf steht ein Hahn, welcher nachdem die Glöcklein aufhören zu schlagen, mit Ausstreckung des Halses und Bewegung der Flügel zum zweytenmahl krähet, unten an diesem Hahn ist ein Frauen-Bild, mit Nahmen Urania, so uns die Mathematische Wissenschaft vorstellet.“443 Mit dem Spielwerk der Heiligen Drei Könige 441 Ernst (2003a), S. 118f.; Friedrich (2003), S. 91. Zugleich ist intendiert, die Illusion letztlich als ­Illusion zu entlarven; Bredekamp, (1993, 2002), S. 11ff.; Möbius/Berns (1990), S. 7ff. 442 Dieckhoff (1978), S. 67; zur Mechanik des Hahns: Bach/Rieb (1993), S. 18f.; René Descartes (1596–1650) kannte den Straßburger Automaten. Der mechanische Hahn entsprach seiner Naturdeutung, in Tieren seelenlose Automaten am Werke zu sehen; Mayr (1974). S. 31. 443 Behr (1747), S. 78; zum Räderwerk für den Hahn und das Glockenspiel: Oestmann, S. 89–91.

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steht der Hahn in keinem erkennbaren symbolischen Zusammenhang. Neben der bereits in antiken Texten vorkommenden apotropäischen Bedeutung des Hahnenschreis werden in der christlichen Interpretation die Wachsamkeit des Tieres und seine Symbolik als Rufer und Mahner in der biblischen Verleugnungsszene betont.444 „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“, hatte Jesus zu Petrus gesagt (Mt 26,34). In Kontrast zu den nicht von Menschen gemachten Kuriosa aus der Natur konnte sich hier ein Kult um die der Menschennatur eigene erfindungsreiche Kunstfertigkeit entwickeln, die in der Nachahmung des Schöpfers ungeahnte Höhen erreicht. Der kräh­ende, sein Gefieder bewegende Vogel verkörpert das Vermögen des Menschen, aus Unbelebtem belebt Aussehendes zu schaffen. Der Gefahr der Hybris begeg­nete man mit dem ­Argument, gerade durch technisches Geschick als imitator creatoris Gott adäquat zu loben und preisen.445 Da sich Gott gemäß der Schöpfungsgeschichte als Erschaffer, Handwerker, Demiurg oder Geometer betätigte, galt es als höchstes Ziel der Kunst, ihn nachzuahmen. So wunderbar Gott sich in seinen Werken und seinen Heiligen manifestierte, so sollte die Kirche in ihren Inszenierungen brillieren. Das Natürliche verhielt sich zur göttlichen Kunst ebenso wie alles Künstliche zur menschlichen Kunst.446 Der Bau von Maschinen konnte also einen Weg in ein neues Paradies bahnen.447 Die von Athanasius Kircher und Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658) vorgeführten Experimente hatten nicht zuletzt die Funktion, biblische Wunder künstlich nachzuahmen.448 So ließ Harsdörffer den Schatten auf der Sonnenuhr rückwärts gehen, entsprechend einer Bibelstelle bei Jesaia.449 Indem der Effekt des Wunders künstlich nachgestellt wird, stellt sich der Mensch auf eine gottähnliche Ebene. Zwischen 1529 und 1681 diente das Straßburger Münster als Kirche der Reformation.450 Zu Beginn des Umbruchs waren durch mehrmalige Bilderverbote fast alle Altä­re abgeräumt worden. Erhalten blieb neben Kanzel, Orgel, Taufbecken und

444 Sauer (1964), S. 143–145. In diesem Zusammenhang wird der mechanische Hahn auch von Conrad Dasypodius (1580, S. 5) gedeutet. 445 Zentral ist der Genesis-Vers (1,27) „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn“. In dieser Textstelle erkannte man den göttlichen Funken, sie galt als Beginn menschlicher Schöpfungskraft, welche die Gottes nachzuahmen habe; siehe dazu am Beispiel Marsilio Ficinos (1433–1499) Trinkaus (1970) S. 482f. Die Idee Gottes als Geometer war bereits in der Weisheit Salomos (11, 20) vorgegeben. Dort heißt es: „Du hast alles geordnet nach Maß, Zahl und Gewicht“, Stöcklein (1969), S. 42f. 446 Maurice (1976), Bd. 1, S. 5; Berns (2003). 447 Stöcklein (1969), S. 46. 448 Mayer-Deutsch ��������������������� (2006). 449 Jes 38,8, ��������������������������� Harsdörffer (1651), S. 327. 450 Braunfels (1983), S. 166f.

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68: Simultaner Blick auf Straßburger Münster und Astronomische Uhr, Kupferstich von Wenzel Hollar (1630)

Skulpturen auch die astronomische Uhr.451 Dem Zeitalter zwischen Kopernikus und Kepler war die Weltordnung Erkenntnisziel und Beispiel, nicht mehr das Heilswunder der Sakramente. Angemessener als ein Altar konnte eine derartige monumentale Uhr das gewandelte Weltverständnis verkörpern. Für den Humanisten Jakob Wimpfeling (1450–1528) war das Münster zu Beginn des 16. Jahrhunderts den großen Bauwerken der Antike vergleichbar, so dass er ihnen die Kathedrale als achtes Weltwunder beigesellte.452 Durch die mit Abstand anspruchsvollste Bauaufgabe des 16. Jahrhunderts in diesem Münster sollte auch die astronomische Uhr den Weltwunderstatus fundamentieren. Im Gehäuse einer mittelalterlichen Kathedrale, die durch ihre Entstehung in ihrem Selbstverständnis beinahe zwangsläufig mit dem alten Glauben assoziiert blieb, stieg die astronomische Uhr zu einem reformatorischen Kontrapunkt auf. Tatsächlich war sich dieses technologische Artefakt – kaum mit 451 Ebenfalls verschont blieb zunächst noch, freilich seiner Altäre entkleidet, der Lettner. Erst der Französischen Revolution sollten zahlreiche Skulpturen zum Opfer fallen. 452 Piccolomini (1458, 1962), S. 94f.

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der übrigen Kirchenausstattung verbunden – selbst genug; das mit der Wand fest verbundene Uhrengehäuse lässt sich gewissermaßen ablösen und für sich darstellen, wie es auf einem Stich aus dem 18. Jahrhundert geschehen ist. Als zweite Hauptattraktion steht die stark vergrößerte Münsteruhr in simultaner Gegenüberstellung neben der weltberühmten, von nur einem Turm bekrönten Westfassade. Die Betonung des Eigenwertes der Münsteruhr im direkten Gegenüber zur weltberühm­ ten Fassade unterstreicht den exzeptionellen Charakter dieses Ausstattungsstücks (Abb. 68). DIE WACHSFIGUR – In der Wachsskulptur trafen Ehrfurcht vor dem Stoff und magische Ängste vor der Kraft ihrer Lebensechtheit zusammen.453 Der burgund­sche Herzog Karl der Kühne (1433–1477) soll sich zu seinen Lebzeiten im 15. Jahrhundert von Wachsskulpturen noch existentiell bedroht gefühlt haben. Allein die zahlreichen Prozesse, die die Kirche Ende des 14. Jahrhunderts gegen „Wachsbildzauber“ angestrengt hat, vermitteln den Eindruck einer Bildmacht, die berührt und aufwühlt, kaum eine Distanz zulässt und Züge eines fetischartigen Kults annahm. Bei den königlichen Funeralpraktiken in Frankreich und England trat an die Stelle des verwesenden Körpers mit einer wächsernen Puppe ein Ding, das dem König frappant ähnlich sah.454 Aby Warburg (1866–1929) machte 1902 in seinem Aufsatz Bildniskunst und florentinisches Bürgertum auf die fundamentale Rolle der wächsernen Votivporträts in italienischen Kirchenräumen als Kontrastfolie für die Entstehung porträtähnlicher Freskendarstellungen aufmerksam.455 Votivfiguren, die ihre Stifter als Ganzkörperporträts in ­ Lebensgröße täuschend echt repräsentierten, verwandelten so manchen Kirchenraum in ein Panoptikum.456 Das überfüllte Innere der Annunziata in Florenz beschreibt der Kunstschriftsteller Vincenzo Carducci (1578–1638) im Jahre 1634 als „so voll mit Wunderbildern und Skulpturen, dass man kaum die Wände oder die Decke sieht: denn … sie hängen von oben herab wie Lampen.“457 Die Hauptmänner und Condottieri zeigten sich beispielsweise in ihren Rüstungen und mit Fahnen und Schilden, gelegentlich sogar zu Pferde; manche waren in den tatsächlich zu Lebzeiten getragenen Kleidern zu sehen. Das prominenteste Beispiel dieser figuralen Praxis stellten die drei Votivfiguren Lorenzo de’ Medicis (1449–1492) dar, die 453 Brückner (1963), S. 235ff.; zum Wachs als „Stoff der Seltsamkeit“: Didi-Huberman (1999a), S. 10ff. 454 Giesey (1960); zum daran sich anknüpfenden Begriff der Repräsentation: Ginzburg (1992); zur Fune­raleffigies als heiliger Körper: Marek (2009). 455 Zur Aura aus Medienwechseln am Beispiel der Kunst von Diego Velázquez (1599–1660): Ausstellungskatalog London (2009). 456 Klier (2004), S. 18 f.; Mazzoni (1908); Bredekamp (1995); Warburg (1902); Schlosser �������������������� (1910/11) prägte das Diktum von einem „historischen Porträtmuseum“. 457 Tutta la chiesa è cosi piena di moracoli dipinti e di scolture, che appena si veggon le pareti nè il soffitto: perchè (…) pendono come lampade dall´alto. Vincenzo Carducci, Dialogus de la Pintura, Madrid 1634, nach Manzoni (1908), S. 16.

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69: Zum Tode Verurteilter als Wachsfiguration (Anfang des 16. ���������������������������������������������� Jh.), Curtatone bei Mantua, Santa Maria delle Grazie

seine Verwandten und Freunde als Dank für seine Rettung bei einem Anschlag, der auf den Fürsten am Ostersonntag des Jahres 1478 im Dom Santa Maria del Fiore verübt wurde (Pazzi-Attentat), aufstellen ließen.458 Eine von ihnen zeigte Lorenzo im blutigem Gewand, mit dem er verwundet aus der Kirche geflohen war. Das blutige Kleidungsstück verlieh der Votiv­figur eine unübertreffliche Authenzität. „Nichts hätte besser oder lebensechter sein können“, wusste Jahrzehnte später Giorgio Vasari (1511–1574) zu berichten.459 Besonders spektakulär waren die mit der zeitgenössischen Kleidung und den damals gebräuchlichen Waffen ausgestatteten naturalistischen 458 Kress (1996); Bredekamp (1995), S. 33–37; zu den Figuren: Warburg (1902), S. 11; Mazzoni (1908), S. 12. Die Figuren gelangten in drei Kirchen: nach Florenz in die Annunziata und die Kirche des Monache di Chiarito sowie nach Assisi in die Santa Maria degli Angeli. Bredekamp sieht in der mehrfachen Repräsentation Lorenzos einen Anklang an die Theorie der zwei Körper; Kantorowicz (1957, 1994), S. 415–432. 459 Vasari (1568, 1906), Bd. 3, S. 373f.

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70: Körperfragmente aus Wachs in Serie befestigt (Anfang des 16. Jh.), Curtatone bei Mantua, Santa Maria delle Grazie

Figuren in den Nischen der Seitenwände von Santa Marie delle Grazie bei Mantua, die die wichtigsten Mirakel theatralisch visualisierten.460 Votivfiguren sind in dramatischen Momentaufnahmen zu sehen: Eine wächserne Darstellung zeigt einen Mann, der mit einem Stein beschwert in einem Brunnen versenkt werden soll, eine andere einen zum Tode Verurteilten mit gefesselten ausgestreckten Armen über seinem Kopf (Abb. 69).461 Darüber hinaus nagelten die Franziskaner zwischen den plastischen Nischen­figuren hölzerne bzw. wächserne Augen, Hände, Füße in geometri­schen Mustern und Ornamenten an die seitlichen Innenwände. Das Positive, Geheilte wurde ebenso in Wachs gegossen, wie das Negative, Kranke. Pestbeulen scheinen – ähnlich wie das Krokodil – das überwundene Unheil zu signalisieren. Bei in Serie aufgehängten anatomischen Votivgaben verdinglicht sich der Körper geradezu, zugleich verwandeln sich die aus Wachs hergestellten, gleichsam amputierten Körperteile in symmetrischer Anordnung in Figuren, die das Auge positiv stimulieren. Die anschau­ liche Konkretisierung, die ihnen als einzelnes Objekt eigen ist, verliert sich in der Reihung (Abb. 70).462 Es wäre falsch, im musealen Apparat von Mantua ausschließlich eine gegenreformatorische Bildstrategie zu vermuten, was schon an der Chronologie scheitern würde. Bereits 1517 wurde die Phalanx der Wachsfiguren vom Franziskaner Francesco da Acqua­negra umgesetzt.463 Die Florentiner Kirche Annunziata mit ihrem wundertätigen Madonnenbild war schon 1401 als Aufstellungsort für die lebensgroßen 460 Die Rekonstruktion des Innern der Gnadenstätte ist nachzulesen bei Donesmondi (1603), S. 110ff.; Zanca (1999b), S. 143–192. 461 Ebd., S. 151f. 462 Eine spezifische Form der Magie und des Bildzaubers sieht darin Pazzini (1935); vgl. auch Zanca (1999b), S. 162. 463 Ebd., S. 148f.

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Figuren aus Wachs so beliebt, dass der Zugang neuer Skulpturen aus Platzgründen auf die soziale Elite beschränkt werden musste. ÜBERGANG – Von einem heiligen Raum kann man eigentlich nur im Modus des heiligen Ortes sprechen, also einer punktuellen Verdichtung des Sakralen, die von einem weiten, sakral nicht konnotierten Raum eingerahmt ist. Ein heiliger Raum zieht eine Grenze zwischen sich und dem Profanen, zwischen innen und außen. Jenseits der Grenze gelten andere Gesetze und Gepflogenheiten. Die Überwindung der Grenze bedeutet nicht, dass das Heilige selbst einfach anwesend wäre. Innerhalb des ausgegrenzten Bereichs ist allenfalls ein Kontakt mit dem Heiligen möglich. Das Heilige gehört stets zu einer anderen Welt, wobei der heilige Raum Schnittstellen oder Kontaktzonen zur dieser anderen Welt gewährt. Bestimmte man im 19. Jahrhundert die Religion im Rahmen von Animismustheorien als Geisterlehre, geht die religionswissenschaftliche Forschung seit Emile Durkheims epochaler Studie Les formes elementaires de la vie religieuse (1912) von einer fundamentalen Abgrenzung zwischen Heiligem und Profanen aus.464 Wenn diese Trennung zu strikt konstruiert wird, können materielle Kraftfelder im Kirchenraum kaum zur Entfaltung kommen. Vielmehr haben sich immer wieder chiasmatisch anmutende Spannungsräume gezeigt, in denen Heiliges und Profanes oszillieren. Im Kirchengebäude findet der mit „Von der Reliquie zum Ding“ etikettierte Problemkomplex eine kongeniale Verortung. Sind es heute die Museen, die aus dem ökonomischen Verkehr entzogene, nur noch dem symbolischen „Verzehr“ dienende Dinge aufbewahren und zur Schau stellen, übernahmen über Jahrhunderte hinweg Kirchen neben ihrer angestammten Funktion, eine Stätte für den Gottesdienst zu bieten, auch diese Funktion. Genauso wie sich das Museum nicht wahllos Dinge einverleibt – vielmehr sind es nur bestimmte Dinge, die für es von Bedeutung sind; Dinge, die zum Nachdenken anregen und die Sinne schärfen – waren auch für die Kirche Dinge nur insoweit von Interesse, als sie Zeugnis von der Heilsgeschichte ablegen konnten. Dennoch vermochte schon frühzeitig ihr ungewöhnliches Material, ihre aus dem Rahmen fallende Gestalt, Neugier zu wecken. Museen und Kirchen sind Raumtypen mit spezifischem Kolorit. Im Einflussfeld der Stimmung, die in derartigen Räumen herrscht, verändern dort gezeigte Dinge ihre Wertigkeit.465 Insofern gibt es in der Museumsgeschichte kein isoliertes Exponat, das unabhängig von einer sie bergenden räumlichen Hülle ist oder das nicht in Dialog mit anderen Dingen steht, die dort gezeigt werden. In der Kirche, in direkter Nachbarschaft 464 Diese Differenz wird wesentlich über Raumdistinktionen vermittelt, indem heilige Sphären universal von profanen Zonen unterschieden werden. Gerardus van der Leeuw (1890– 1950), Friedrich Heiler (1892–1967) und Mircea Eliade (1907–1986) sollten eine Religionsphänomenologie entwerfen, die den Raum zu einer systematischen Kategorie der Disziplin aufwertet. 465 Zum modernen Kunstmuseum als „eine Kirche für Dinge“, die dort „ihre Umkehr, ihre Neugeburt, ihre Parusie“ erleben: Groys (1997), S. 9.

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von Abendmahlskelch und Hostie, Kruzifix, Votiven und Reliquien waren Straußenei, Narwalzahn oder Krokodil nicht mehr das, was sie zerstreut unter freiem Himmel hätten bleiben können. Wie die Objekte, die in ein modernes Museum gelangen, waren auch die so verschiedenen Dinge aus der Natur, sobald sie kirchlich eingehegt waren, einem permanenten Homogenitätssog ausgesetzt. ������������������������������������ Jeder, der ein Fundstück oder Reisemitbringsel in der Kirche Platz einräumte, musste es in seinem Status aufladen, machte es zu einem Stück der auch im Lokalen zu verankerten Heilsgeschichte. ������������� Dennoch ging die Konnotation des Sakralen im Gehäuse der Kirche meist nie so weit, ihr säkulares Potenzial gänzlich zu absorbieren. Vielmehr ist es so, dass die Dinge in der bisweilen stillgestellten, dem Alltag enthobenen Zone erst in ihrem Eigenwert entdeckt wurden. Schon der Zisterzienser Bernhard de Clairvaux (1090–1153) brachte in seiner viel zitierten Philippika gegen monströse Skulpturen in üppig ausgestatteten Kirchenräumen wider Willen zur Sprache, wie sehr sich Gläubige von Kuriositäten ablenken ließen: „Überall also zeigt sich eine so große und seltsame Vielfalt verschiedenartiger Formen, dass man sich mehr dazu hingezogen fühlt, den Marmor zu lesen anstatt die Heiligen Schriften, (…).“466 Die auf einer longue durée fußende, spätestens seit der Renaissance spürbare Konjunktur der Dinge hat sich nicht gegen, sondern mit der Geschichte des Christentums entwickelt. An ebenso auffallenden wie ausgefallenen Dingen, wie dem Straußenei, konnten gezeigt werden, dass die Blickrichtung auch vom Objekt zum Betrachter wanderte.467 Kirchen sind Dingräume; als Aufführungsorte von rituellen Handlungen wurden die Besucher zu sinnlichen Erfahrungen animiert, deren Fokus nicht nur auf den herkömmlichen Kirchenschatz ausgerichtet war, sondern auch auf zahlreiche kuriose Dinge, auf Zufallsbilder und trompe l´œils, die später in Kunst- und Wunderkammern Furore machen sollten. Gerade sie zogen die vom heiligen Augustin so gegeißelte curiositas auf sich. Die Omnipräsenz von Bildwerken und Dingen musste die Kirche zu Strategien der Rechtfertigung herausfordern. Das reicht vom Konzept des acheiropoieton über die Deutung des Kircheninneren als ein in den Dingen verkörpertes Mnemotop bis zur semiotischen Auffassung, wonach die Dinge die Gefäße sind, welche der Aufnahme der Gegenwart Gottes – oder eines Heiligen – dienen. Während auf der normativen Ebene nur das in ihnen aufbewahrte, unsichtbare Heilige zu verehren war, verhielt es sich in der Realität meist so, die materiell-sichtbaren Dinge in die Adoration einzubeziehen. Durch diese schon im Mittelalter überlieferten Praktiken und Konzepte im Kirchenraum konnte sich in gesonderten Räumen die Wertschätzung der Dinge und ihre Versammlung vorbereiten.

466 Tam multa denique, tamque mira diversarum formarum apparet ubique varietas, ut magis legere libeat in marmoribus, quam in codicibus, (…) Bernhard de Clairvaux, Apologia ad Guillelmum, PL 182, Sp. 915f., zit. nach Eco (1987, 2000), S. 21f. 467 Zur Extro- bzw. Intromission beim Sehen im Mittelalter: Camille (2000).

137  Materielle Kraftfelder im Kirchenraum

Dass zwischen Ding und Raum substantielle Zusammenhänge bestehen, zeigt auch folgende Fallstudie, die mit den Stiftskirchen von Halle und Wittenberg zwei eng miteinander verbundene Sakralorte in der Zeitenwende zwischen spätem Mittelalter und Renaissance bzw. Reformation vorstellt. Differenzierte performative Dingräume kommen ins Blickfeld, deren kultische Potenz aus einem überbordenden Reliquienschatz schöpfen kann. Die schon im großen Maßstab deutlich erkennbare Behälterstruktur des Raumes kehrt im Kleinen wieder, im Zusammenspiel von Gefäß und Partikel, wobei die Reliquie den Impuls gibt, immer anspruchsvoller gestaltete Reliquiare zu schaffen.

2. Vom Heiltum zur Kunst- und Wunderkammer

Ein vergoldetes Straußenei in Silber gefasst und übersät mit viel Steinen und Korallen […] Eine silberne Monstranz mit einem Vogel aus Kristall […] ein vergoldetes Kleinod in der Gestalt eines Apfels. Inhalt 9. Partikel. Hallesches Heiltumsbuch

In Sammlungen, die in sakralen Räumen des Mittelalters zusammengetragen wurden, vereinigen sich Gesichtspunkte der Ausstellung und des Horts, des musaeum sowie des thesaurus. Als Produkte der longue durée waren sie Werke von Generationen und Körperschaften. Sie stellten gewissermaßen „Sammlungen ohne Sammler“ dar, in Kontrast zu der den Kunst- und Wunderkammern innewohnenden Bindung an eine bestimmte Person, die sich der Leidenschaft des Sammelns hingab. Das älteste erhaltene Inventar des Kirchenschatzes der Kollegiatstiftskirche St. Blasius in Braunschweig aus dem Jahr 1482 nennt 138 verschiedene Reliquiare, bzw. 1220 Reliquienpartikel von 286 Heiligen. Die dortige Sammlungsbewegung hatte schon Mitte des 11. Jahrhunderts eingesetzt und entwickelte sich innerhalb von drei Jahrhunderten zu einem der umfangreichsten Kirchenschätze, ohne dass man sie – wenn man vielleicht von Heinrich dem Löwen (1133–1195) absieht – den Initiativen eines bestimmten Individuums hätte zuordnen können. Mittelalterliche Kirchenschätze zeichnen sich durch eine Anhäufung von Artefakten und Reliquien aus, wobei neben Kostbarkeit und Symbolik insbesondere der Gedanke des pars pro toto im Vordergrund steht. Jeder Splitter wurde zum Depot göttlicher Macht deklariert. Als Repositorium von Reichtum, magischer und symbolischer Macht war mit dem mittel­ alterlichen Kirchenschatz kein Mikrokosmos und Studienort verbunden, in dem Wun­der der Kunst und Natur zur Freude ihrer Besitzer und zur Erbauung von Gelehrten zur Schau gestellt wurden. Dennoch gewährleistete die kapitale Räumlichkeit der Kirche sowie eine streng reglementierte liturgische Agenda mit ihren ausgefeilten Gerätschaften und Einrichtungsgegenständen, die vor allem Mons

„Eyn strwssEyr im Silber gefast vund ubergult mit viel stynen vund Chorallenn […] Eyn silbernn Monstrantz mit eynem cristallenn Vogel […] Eyn Silbernn vergult Cleynot gestalt wye eyn Apfel.“ Prachtcodex [1526], Hofbibliothek Aschaffenburg, Ms. 14, fol. 46v/ 47r, fol. 48v/49r, fol. 63v/64r.  Legner (1995), S. 199–219; Fritz (2001).  Pomian (1994), S. 157.  Boockmann (1997), S. 65.  Kötzsche (1973); Boockmann (1997).  Kirchenschätze gingen nicht zuletzt in der Funktion auf, Tresore zu sein, die in

Notzeiten zu Geld gemacht wurden.

142  Vom Heiltum zur Kunst- und Wunderkammer

tranzen und Flügelaltären in eine expositio reliquiarum eibezog, eine Vielfalt unterschiedlicher Zeigepraktiken. Erst in der Zeitenwende zwischen spätem Mittelalter und früher Neuzeit ist es zunehmend möglich, die opulente Ausstattung von Kirchen konzise auf Initiativen einflussreicher Fürsten zurückzuführen, die als individuelle Sammlerpersönlichkeiten be­strebt waren, einen umfangreichen materiellen Kirchenschatz zusammenzustellen. Im Zeitalter von Humanismus, Renaissance und anbrechender Reformation stellten der Wettiner Kurfürst Friedrich III. bzw. Friedrich der Weise (1463–1525) und sein um 27 Jahre jünge­rer Vetter zweiten Grades, Kardinal Albrecht (1490–1545) aus dem Hau­se der Hohenzollern besonders umfangreiche Heiltumssammlungen zusam­ men, die in unmittelbarer Nachbarschaft – in der Wittenberger Schlosskirche und im Neuen Stift von Halle – gehütet und ergänzt, gepflegt und geordnet, ver­edelt und zur Verehrung den Gläubigen gezeigt wurden. Die Besitzer dieser großen Reliquiensammlungen waren zugleich wichtige Herrschafts­träger des Heiligen Römi­schen Reichs Deutscher Nation mit herausgehobenen Repräsentationsfunktionen: Weltlicher Kurfürst und Reichserzmarschall der eine, geistlicher Kurfürst und Reichs­ erzkanzler der andere. Bei beiden ist eine himmelstürmerische Motivation offenkundig, die Totalität des Heils real greifbar zu machen und sich nicht mehr mit dem Verweischarakter auf das Ganze zu begnügen. Nicht weniger als 19.013 Re­liquien, deren erstes Viertel 1509 katalogisiert und durch sein Heiligtumsbuch der stau­nenden Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, sammelte Friedrich der Weise; Kardinal Albrecht gelang es, ihn im Jahr 1521 mit insgesamt 21.441 heiligen Partikeln – darunter 42 vollständigen Heiligenleibern – zu überflügeln. Auffallende Parallelitäten bestimmen den Werdegang der beiden Fürsten: „Spät­ mit­telalterliche Reliquiengläubigkeit und viele andere Frömmigkeitsformen bestimm­ ten ihren Jahresablauf, dieselben religiösen und standespolitischen Überzeugungen waren maßgebend für ihre Bibliotheksankäufe, ihre Kunstsammlungen und ihre mäzenatische Auftragsvergabe an Gelehrte und Künstler, dieselbe Anhänglichkeit an Herkunft, Stand und Familie, dasselbe Reichs- und Nationalbewusstsein … bestimmten die Maximen ihrer Reichs- und Territorialpolitik wie auch ihrer Reli­ gions- und Kirchenpolitik.“ Aus den vornehmsten fürstlichen Häusern des Reiches stammend, war ihnen ein Bewusstsein ihres Ansehens und ihrer gesellschaftlichen Stellung bereits in die Wiege gelegt. Ihr huma­nistischer Hintergrund spornte sie an, mit den besten Künstlern und Geistesgrößen ihrer Zeit in Kontakt zu treten. Friedrich der Weise war der älteste Sohn des Kurfürsten Ernst von Sachsen (1441– 1486) und dessen Ehefrau Elisabeth (1443–1484), einer Tochter des bayerischen Herzogs. Durch den Tod seines Vaters im Jahr 1486 fiel dem 23-Jährigen aus der ernestinischen Linie der Wettiner das sächsische Kurland und die Kurwürde zu; zusammen  Tripps (1998); Legner (1995), S. 188; zum Flügelaltar: Keller (1965); Krüger (2001).  Immenkötter (1994), S. 11.  Hierbei ging es weniger um intellektuellen oder künstlerischen Austausch, als vielmehr darum, das eigene Ansehen mit Hilfe von Koryphäen wie Erasmus, Dürer, Cranach oder Grünewald zu erhöhen, Decot (2006), S. 63; Stephan (1982).

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mit seinem Bruder Johann dem Beständigen (1468–1532) regierte er darüber hinaus über die übrigen weit verstreuten Herrschaftsgebiete. Die Einnahmen aus den Erzund Silberminen der sächsischen Bergwerke machten ihn finanziell unabhängig. Verwurzelt im Glauben, lebte Friedrich der Weise gemäß der Glaubenspraktiken seiner Zeit: täglicher Messbesuch, Werkfrömmigkeit, Marien- und Heiligenverehrung und Reliquienkult: „Offensichtlich stand die Religion im Mittelpunkt von Friedrichs Leben.“10 1502 gründete Friedrich der Weise die Universität, die Leucorea zu Wittenberg, die sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer der bedeutendsten deutschen Universitäten entwickelte. Als Territorialfürst setzte er sich für eine Stärkung fürstlicher Souveränitätsrechte ein, was zwangsläufig mit einer Eindämmung der kai­serlichen Zentralgewalt und des immer offener finanzielle Ansprüche stellenden Papsttums einherging; ein politischer Kompass also, der sich gut mit Luthers Zielen ver­einbaren ließ.11 Friedrich war traditionsbewusst und knüpfte mit seiner Residenz- und Stiftsgründung an die askanische Herrschaftsüberlieferung an. Weit mehr als Kardinal Albrecht fügte er sich in die Gegebenheiten von Macht und Herkommen ein und setzte seinen Ambitionen immer wieder Grenzen. Wahrscheinlich hätte er, wenn er unbedingt gewollt hätte, den Kaiserthron besteigen können. Der Kardinal hingegen stand im Bewusstsein, sein Territorium nicht vererben zu können, unter besonderem Zeitdruck und musste eine Tradition neu setzen, die allein an seine Person gebunden war. Albrecht, 1490 als letztes von sieben Kindern des brandenburgischen Kurfürsten Johann Cicero (1455–1499) und seiner Gattin Mar­ garetha von Sachsen-Thüringen (1449–1501) im Schloss Cölln an der Spree bei Berlin geboren, wollte sich letztlich nicht in die Orte der Repräsentation seines Vorgängers Erzbischof Ernst (1476–1513) aus dem konkurrierenden Herrschergeschlecht der Wettiner einfügen und baute sich in der Nachbarschaft der Moritzburg mit Neuem Stift und Neuem Bau ein eigenes Herrschaftszentrum. Das Voraussetzungslose dieses sakralen Zentrums in Halle zeigt sich bereits an der expliziten Betonung des „Neuen“ der Gebäudebezeichnungen. Einzigartig im Alten Reich war Albrechts kirchliche Stellung. So hatte er die Macht über die beiden Erzbistümer Mainz und Magdeburg sowie des Bistums Halberstadt inne. Bereits in jungen Jahren wurde er Kardinal und wohl auch päpstlicher Legat.12 Albrecht war als Kurfürst von Mainz – er beanspruch­ te die Primaswürde – der wichtigste geistliche Kurfürst und damit in der Hierarchie im Reich nach dem Kaiser der zweite Mann. Die liturgischen Pflichten seines Amtes hat Albrecht dabei stets ernst genommen, was für geistliche Fürsten seiner Zeit keineswegs selbstverständlich war.13 Mit besonderer Vorliebe ließ er sich in Ausübung

10 Ludolphy (1984), S. 366. 11 Gegenüber den theologischen Überlegungen des Reformators blieb Friedrich der Weise hingegen langte Zeit reserviert. 12 Decot (2006), S. 61. 13 In Albrechts Kirchenfrömmigkeit sind auch neuere Aspekte der devotio moderna oder ­einer huma­nistischen Bibeltheologie eingeflossen; Decot (2006), S. 76.

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seiner bischöflichen Pflichten in Pontifikalgewändern porträtieren.14 Als Bauherr der Stiftskirche, dem heutigen so genannten Dom, der Residenz und der Marktkirche prägte er in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert – bis er 1541 der sich ausbreitenden Reformation weichen musste – das Gesicht der Stadt Halle, die unter seiner Ägide zu einer Residenz- und Kunststadt von überregio­nalem Rang aufstieg.15 In Albrecht und Friedrich verband sich in bemerkenswerter Weise Frömmigkeit und Politik. Die enge Durchdringung von Weltlichem und Geistlichem, von Zeitlichem und Ewigem, von Diesseits und Jenseits, von Erde und Himmel, von Profanem und Heiligem ist typisch für beide Kurfürsten.16 Albrecht blieb auch als Kurfürst Propagandist der Kirche, Friedrich der Weise ging in seiner Rolle als mächtiger Territorialfürst auf. Während Friedrich der Weise in der Reformation ein Instrument sah, die ständisch-fürstliche Macht gegenüber Kaiser und Papst zu stärken, setzte Kardinal ­Albrecht durch überwältigende Prachtentfaltung und beispiellose Stiftertätigkeit kontrastreiche Dämme gegen­über den Wellen der sich als nüchtern definierenden Reformation. Beiden war klar, dass die Bedeutung einer Kirche vom Heiltum abhängt, das sie beherbergt.17 Für die immer mehr an­schwellende Reliquiensammlung schufen beide ein sakrales Gehäuse, einen gleichsam überdimensionierten Reliquienschrein.18 So wird in dem von Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) illustrierten Heiltumsführer von 1509 der Bilderreigen der einzelnen Heiltümer in Wittenberg von einer Ansicht der Wittenberger Stiftskirche eröffnet, die den Aufbewahrungsort der Reliquien genau wiedergibt. In der Halleschen Version von 1520 ließ sich Albrecht gemeinsam mit einem Vorgänger Ernst als Stifter mit dem Modell der neuen Stiftskirche in Halle visuell verewigen.19 Diese Kirchenräume in Halle und Wittenberg wurden in fürstlicher Prachtliebe reichlich mit weiteren Kunstwerken ausgestattet, so dass ein abwechslungsreicher, sich theatralisch entfaltender Dingraum entstehen konnte. Diese Stiftskirchen waren nicht in ländlicher Einsamkeit platziert, sondern in aufstrebenden Städten, in unmittelbarer Nähe zur fürstlichen Residenz, so dass – dingtopographisch gesprochen – die in der Kirche aufbewahrten kostbaren Kleinodien mit den Liebhaberstücken des Fürsten in der Residenz in eine Interak­ tion treten konnten. Nach dem Vorbild der Palastkapellen königlicher Residenzen konstituierte sich ein sakral fundamentiertes Kräftefeld, dessen Aura auch auf die 14 Immenkötter (1994), S. 14f. Als einem Laien musste Friedrich eine derartig weitgehende Ins­ze­nie­rung verwehrt bleiben. 15 Schauerte (2006). 16 Obwohl sie professionell Politik betrieben, blieben sie für apokalyptische Himmelserscheinungen und göttliche Fingerzeige keineswegs unempfänglich. 17 Unmittelbar vor Luthers Ansiedlung in Wittenberg im Jahr 1507 hatte ein Student das damalige Erscheinungsbild der Stadt mit Rom verglichen, nicht zuletzt weil die Schlossund Stiftskirche zum zentralen Kultort der Reliquienverehrung aufgestiegen und reich mit päpstlichen Privilegien ausgestattet war; Meinhardi (1507, 1986). 18 Als Vorbild fungierte die Sainte Chapelle in Paris, die nichts anderes als ein monumentales Reliquiar kostbarer Passionsreliquien darstellt, die der später heilig gesprochene König Ludwig IX. (1214–1270) vom lateinischen Kaiser Balduin II. (1217–1273) erworben hatte. 19 Cárdenas (2006), S. 247f.

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Dinge säkularer Herkunft abfärbte. Auf der anderen Seite konnten hier relativ ungefiltert säkulare Komponenten der Dingverehrung im Kirchenraum heimisch werden.

Horten und Herrschen in einer Zeitenwende Reliquien zeichnen sich durch besondere Merkmale aus; neben der ihnen innewohnenden talismanischen Qualität war den Knochenpartikeln der Gedanke der Un­sterblichkeit aufgeprägt. Gläubige heben Schädel und Knochen ihrer Vorfahren auf und verleihen den Verstorbenen dadurch eine über deren Tod hinausgehende, gleichsam ewige Existenz – ein metaphysisches Potenzial, das sich ebenso dem Sammler und Besitzer einschreiben soll. Als Sammler von Reliquien verstanden sich der Wettiner und Hohenzoller wohl als pyramidiale Existenzen; sie sammelten im Bewusstsein ihrer eigenen Endlichkeit und des für die Sammlung angestrebten Überdauerns. Ihr Selbst stellte sich in eine Aura der Unsterblichkeit, die Reliquien versprachen. Die Anhäufung von Reliquien spiegelt zunächst typische Merkmale des Sammelns überhaupt. Trotz ihrer Auflösung sind die Reliquiensammlungen, ohne die Friedrich der Weise und Kardinal Albrecht noch weit anonymer geblieben wären, gut dokumentiert. Gerade dasjenige, was sie erwarben und ausstellten, übersahen oder wegließen, bietet nicht nur Einblicke in ihre Frömmigkeitsstruktur, sondern macht auch ihre Herrschaftsauffassung und ihr Traditionsverständnis transparent.20 Einige Indizien sprechen dafür, in den Reliquiensammlungen Kurfürst Friedrichs und Kardinal Albrechts Sammlungen eines neuen Typs zu sehen, den es vorher und nachher nicht gegeben hat. Sie stellen mitnichten, wie die bisherige Forschungsliteratur behauptet hat, lediglich eine Fortsetzung mittelalterlicher Praxis dar, die sich von ihren Vorläufern nur quantitativ unterschieden hätte. Vielmehr wird bei starkem Anstieg der Objekte ein ausgeprägter Akzent auf die Verpackung, d. h. die Reliquiare gelegt, so dass in der Interaktion von Form und Inhalt von einer neuen qualitativen Stufe gesprochen werden muß.21

Reliquien als Währung politischer Geltung Reliquien war nicht zuletzt die Dimension politischer Propaganda und Repräsentation inhärent.22 Wie der Umgang mit den Reichskleinodien zeigt, garantierte erst der Besitz von heiligen Sachen die Herrschaft, sie verkörperten geradezu das Reich.23 Auch die Reliquien­sammlungen von Albrecht und Friedrich spiegeln die besondere politische Macht des Heiligen Römischen Reiches, wie sie sich im späteren Mittelalter herauskristallisiert hat. Kaiser Karl IV. (1316–1378) hatte Mitte des 14. Jahrhundert 20 21 22 23

��������������������������������������������������������������������� Zur Sammlung als Spiegelung der Herrschaft: Rehberg (2006), S. XIIIf. Laube ������������� (2005). �������������������������������������������������� Mitterauer (2000), S. 289f.; Wintz (2009), S. 386. Pleticha ����������������� (1989).

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71: Nikolaus Wurmser von Straßburg, Kaiser Karl IV. legt einen Splitter vom Heiligen Kreuz in das Kreuz-Reliquiar ein, Wandmalerei (um 1360), Karlstein, Stiftskirche Unserer Lieben Frau (Detail)

in Böhmen das Exempel gegeben. Vorrangige Legitimationsinstanz seines theokratischen Herrschaftsverständnisses stellten die Reichskleinodien sowie eine repräsentative Sammlung von Heiligenreliquien dar, die er mitten im Wald auf seiner extra dafür errichteten Burg Karlstein konzentrierte (Abb. 71).24 Dahinter verbarg sich keineswegs eine Marotte des Kaisers, sondern eine politisch zielstrebige Intention. In seiner Gier nach Reliquien fand die spezifische Herrschaftssymbolik des Heiligen Römischen Reiches ihren Ausdruck, ihre aus Gottesherrschaft begriffene Einheit von weltlicher und geistlicher Sphäre, die sich in Humanismus und Reformation zunehmender Kritik ausgesetzt sah. Bei Friedrich dem Weisen spiegelt sich dieses sakra­lisierte Herrschaftsverständnis konkret in einer Ergänzung der illuminierten Jenaer ­Perikopen-Handschrift von 1507, dem an den Seitenrändern reich illustrierten Fest-Epistolar, wo neben Bibelstellen zu den achtzehn Hauptfesten des Kirchenjahres zwei Nachträge aufgezeichnet sind: die Episteln zur Ostensio Reliquiarum, der Heiltumsweisung in Wittenberg am Montag nach Misericordias Domini, d. h. in der dritten Woche nach Ostern sowie die Epis­teln zum Festum lanceae et clavorum, dem Fest der Lanze und der Nägel, das am Freitag nach der Osteroktav zur Verehrung der Reichs24 Hier setzte er sich nicht nur als weltlicher König, sondern auch – durch seinen Anspruch eines gesalbten Herrschers – als unmittelbar zu Gott in Beziehung stehender geistlicher Würdenträger in Szene; Boehm (2006). Auch Maximilian I. (1465–1515), der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, fühlte sich als ein deutscher, vom Papst gesalbter Christ, ein Streiter Christi auf Erden für das christliche Römische Reich; vgl. Da Costa Kaufmann (1998), S. 72ff.

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72: Der westfränkische König Karl III. überreicht im 10. Jahrhundert die Reliquie der Hand des Hl. Dionysios an König Heinrich I., aus Georg Spalatin, Sächsische Chronik (Anfang des 16. Jh.), Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv

kleinodien gefeiert wurde.25 Mit diesem, zwischen 1424 und 1525 alljährlich in Nürnberg auf dem Marktplatz begangenen Fest stellte sich die sakrale Fundierung der weltlichen Herrschaftsspitze auf das Podest.26 Im Wittenberger Heiltum hatte sich ein Kreuznagel schon mindestens seit 1507 befunden, gewiesen wurde er meist unmittelbar vor dem berühmten Dorn aus der Dornenkrone. Eine Partikel der heiligen Lanze wird erstmals in dem Register von 1513 erwähnt.27 Zur Unterstreichung dieses theokratischen Herrschaftsverständnisses, aber auch um ein Nahverhältnis zum Kaiser zu betonen, waren in Wittenberg also nicht nur die zentralen Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches splitterhaft vorhanden, sie wurden auch zum gleichen Zeitpunkt wie in Nürnberg feierlich präsentiert.28 Um Reliquien musste sich ein politischer Kult entwickeln, ihr Erwerb glich einer Staatsak­tion (Abb. 72).29 In der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1517 – unmittelbar vor Luthers epochalen Schritt, sich mit seinen 95 Thesen in die Öffentlichkeit zu wagen – korres­pondierte Kurfürst Friedrich der Weise mehrmals mit dem französischen König Franz I. (1494–1547). Vorrangiges Thema: die Schenkung von Reliquien, wobei 25 Fest-Epistolar (1507, 1983), Bl. 24 und Bl. 25. 26 Kühne (2000), S. 133–153. 27 Kratzsch (1983), S. 37. 28 Albrecht hingegen konnte nicht nahtlos an die Kontinuität einer fürstlichen Reliquientradition anknüpfen und musste eine ding- und machtgesättigte Tradition erst noch konstruieren. 29 Rollason (1986).

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unklar blieb, von wem die Initiative ausging.30 Nach mehreren Abtastversuchen und verpassten Gelegenheiten konnte der von Frankreich eingesetzte Botschafter, Ritter Joachim von Maltzan (1492–1556), im Frühjahr 1518 aus dem Reliquienschatz des französischen Königs unter anderem ein Stück des hl. Martin und eine Partikel der hl. Maria Magdalena, die der König „sammtlich hat fassen lassen in ein Reliquiarium, gemacht aus lauterem Gold“31, dem gerade im Jagdschloss Lochau verweilenden sächsischen Kurfürsten übergeben. Im Mai 1519 sollte Friedrich erneut Reliquien vom französischen Königshaus bekommen, diesmal aber nur im Austausch gegen kleinformatige Cranachtafeln.32 An dieser Stelle soll weniger ein theologisches Forschungsgefecht aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert – dem „zweiten konfessionellen Zeitalter“ – rekapituliert werden. Damals wurde die Frage kontrovers diskutiert, ob und vor allem ab wann Luthers Thesenanschlag die Frömmigkeitspraxis seines Kurfürsten veränder­ te, inwiefern sein Plädoyer für eine auf das Wort vertrauende Religion dessen Reliquienkult aus den Angeln hob.33 Vielmehr soll die Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden, dass in mächtigen Herrschaftshäusern des Reiches Reliquien als Währung politischer Geltung angesehen wurden. Marcel Mauss (1872–1950) hat systematisch herausgestellt, dass Gaben Abhän­gigkeiten und Verpflichtungen schaffen: „Je größer der Wert des Geschenkes ist, desto größer sind auch die Obligationen, die der Empfänger der Gabe eingeht.“34 Entsprechend handelte es sich beim Geschenk des französischen Königs an den sächsischen Kurfürsten nicht um eine rein private oder selbstlose Gepflogenheit unter Standesgenossen. Diese Reliquiengabe hatte vor dem Hintergrund der Wahlwerbungskampagne für einen Nachfolger Kaiser Maximilians (1469–1519) eine eminent politische Bedeutung,35 von der sich sowohl Franz als auch Friedrich Nutzen versprachen. So konnte sich der mächtigste König Europas davon erhoffen, den wohl einflussreichsten Fürsten im Reich – über ihm stand nur noch Papst und Kaiser – auf seine Seite zu ziehen; letzterer wiederum versprach sich von spektakulären Reliquien eine Aufwertung seiner Sammlung, wo­durch er seine Anwartschaft auf den höchsten Titel im Reich unterstreichen konnte. Aus Reliquiengeschenken politische Identität zu schöpfen, hatte in Wittenberg Tradition. In der Korrespondenz zwischen Friedrich und Franz wird auf den wohl berühm­testen Reliquientransfer in die Stadt Wittenberg Bezug genommen, auf den Dorn der Krone Christi, den König Philipp VI. (1293–1350) von Frankreich dem Askanierherzog Rudolf I. (1298–1356) Mitte des 14. Jahrhunderts zum Geschenk

30 Im Thüringischen Hauptstaatsarchiv von Weimar behandelt die Akte Reg. C/366 vornehmlich den Schriftwechsel zwischen Kurfürst Friedrich und König Franz I., worin es fast ausschließlich um den Erwerb von Reliquien geht. 31 Deutsche Reichstagsakten. Hrsg. von der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Jüngere Reihe, 1, S. 43, S. 49f. 32 Ludolphy (1984), S. 110. 33 Kirn (1926), S. 169 f.; Kalkoff (1907), insb. S. 66–84; Köstlin (1892). 34 Mauss (1923, 1984), nach Kohl (2003), S. 60. 35 Wiesflecker (1981), S. 404–415; Ludolphy (1984), S. 204–224.

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ge­macht hatte.36 Mit dessen legitimatorischer Kraft war damals das Allerheiligenstift gegründet worden, an das eineinhalb Jahrhunderte später das Wittenberger Heiltum in der Schlosskirche anknüpfen konnte.37 Dieser damaligen Transaktion war es vor allem zu verdanken, dass Friedrich der Weise auf der Suche nach einer neuen Residenz nach Teilung des wettinischen Erbes im Jahre 1484 Wittenberg Torgau oder Weimar vorzog, denn nur in Wittenberg gab es eine kurfürstliche Vergangenheit und nur dort gab es in der Allerheiligenkapelle der Burg einen Bestandteil der Dornenkrone Christi aus der Pariser Sainte-Chapelle, den von den Askaniern vererbten Dorn (Abb. 73). Der Dorn aus der Krone Christi – übrigens nicht irgendein Dorn, sondern derjenige, der „durchdrungen hat sein heiligs gehirne“38 – war in einer kleinen Monstranz sichtbar eingeschlossen, die auf der inneren linken Handfläche einer silbernen Statuette stand, die den König mit Krone und Lilienstab darstellte. Ebenso verfügte Kardinal Albrecht als mächtiger Kirchenfürst über einflussreiche Beziehungen, an Reliquien zu gelangen. Dabei kamen auch ihm bestimmte Gaben hoch gestellter Persönlichkeiten entgegen. Allen anderen Schenkern voran stand Papst Leo X. (1475–1521), dessen Kunstmäzenatentum Albrecht ansprechen musste. Derselbe zeichnete Albrecht mit dem hohen päpstlichen Rangzeichen der „Goldenen Rose“ aus, die ihm im Oktober 1520 durch den päpstlichen Gesandten in Halle überbracht wurde.39 In materieller Hinsicht war damit ein dekoratives Schmuck­ ensemble gemeint, in dem auch Reliquienpartikel eingefügt waren. Durch die kolorierten Zeichnungen in der berühmten, um 1526 entstandenen, von verschiedenen Künstlern in Wasser- und Deckfarben ausgeführten Prachthandschrift aus der Aschaf­fenburger Hofbibliothek kann man sich eine anschauliche Vorstellung von diesem Meisterwerk der Goldschmiedekunst der italienischen Hochrenaissance machen (Abb. 74). Die Handschrift zeigt ein freistehendes Rosenbäumchen mit beidseitig sich gleichmäßig neigenden, fünf dicht belaubten Zweigen, auf denen viele 36 Aus einem Entwurf eines Werbebriefs des sächsischen Gesandten am französischen Hof, Veit Warbeck (um 1490–1534), geht hervor, dass der König am Kurfürsten ähnlich handeln möge, wie frühere französische Herrscher an Friedrichs Vorfahren. Nach der archivalischen Notiz von Herrn Krencker auf dem inneren Aktendeckel, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar A Reg C/366. 37 Schon wenige Jahre zuvor hatte sich die große Politik in den Dingen gespiegelt, als Herzog Rudolf I. im Jahre 1342 für sein Engagement in der Reichspolitik vom luxemburgischen, in Prag residierenden Kaiser Karl IV. mit Reliquien des heiligen Wenzel belohnt worden war; Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 259; umfassend Wentz (1941), S. 75–161; zu Wittenberg im Mittelalter: Stier (1860). 38 Handschriftlich auf der Rückseite der hier abgebildeten Federzeichnung aus dem so genannten Weimarer Skizzenbuch: Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Reg. O/213; vgl. Kalkoff (1907), S. 61, Anm. 4. 39 Jährlich wurde eine neue Rose durch einen Goldschmied im Auftrag des Papstes angefertigt, die dann am vierten Fastensonntag, dem Sonntag Laetare (Rosensonntag), einer Persönlichkeit, einem Staat, einer Stadt oder einer Organisation verliehen wurde, die sich um die katholische Kirche besonders verdient gemacht hatte. Wie Papst Leo X. in seinem Begleitbrief ausführt, verlieh er sie mit dem Kardinal erstmals einem geistlichen Fürsten; Cornides (1967), insbesondere S. 45–54; Cárdenas (2006), S. 261–263; Redlich (1899), S. 53.

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73: Lucas Cranach d. Ä., Die Figur des französischen Königs mit dem heiligen Dorn aus dem Wittenberger Heiltum (Anfang des 16. Jh.), Zeichnung, Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv

74: Die päpstliche Goldene Rose aus dem Halleschen Heiltum, kolorierte Federzeichnung (1526), Aschaffenburg, Hofbibliothek

Rosenblüten appliziert sind. In dieser Figuration war nicht nur ein Reliquien­partikel eingeschlossen, in den Rosenblüten sollen sich sogar Duftstoffe verborgen haben.40 Keineswegs zufällig leitete die „Goldene Rose“ das in Halle 1520 gedruckte und sicherlich im Auftrag des Kardinals entstandene Hallesche Heiltumbuch ein.41 „Erstlich wirt hie getzeiget ein gantz güldene Rose die babst Leo der tzend unserm gnedigsten herrn dem Cardinal zcu bsunder e[h]re dieser löbliche [n] Stifftkirch/en gegebe[n] un[d] geschickt hat“.42 Die prominente Stelle der Rose als Auftakt sollte Albrechts kaum zu überbietenden Rang als Kirchenfürst demonstrieren. Sie fungierte als segensbringendes Zeichen päpstlicher Gunst. Abwegig wäre es gewesen, wenn Friedrich der Weise, der vom Papst ebenfalls die Auszeichnung einer Goldenen Rose 40 Prachtcodex, �������������������������������������������� Hofbibliothek Aschaffenburg����������������� , Ms. 14, Bl. 2v. 41 Heiltumbuch (1520, 2001), S. 3r–v, S. 292–296; siehe Schröter (2006), S. 184f. 42 Heiltumbuch (1520, 2001), S. IV. Als zweite Abbildung folgt dann das silberne und vergoldete, mit dem Papstwappen und dem Namen Leos X. sowie mit Rankenornamenten und Grotesken verzierte Schwert, das der Papst Kaiser Maximilian I. geschenkt hatte und das dieser anlässlich der Kardinals­ernennung Albrechts demselben vermachen sollte.

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verliehen bekam, mit einem derartigen Objekt politische Propaganda betrieben hätte, denn als mächtiger Territorialfürst musste ihm daran liegen, päpstlichen Herrschaftsansprüchen entgegen zu treten. Reliquien waren auch deswegen so geschätzt, weil durch sie politische Kontinui­ tätslinien in Szene gesetzt werden konnten. Das Konstrukt sakraler Herrschaft und dynas­tischer Tradition, die Suche nach einem heiligen Anfang beschäftigte damals die Gemüter vieler Kanzleien. Die im Humanismus aufsteigende Kontinuitätsidee und Geschichtsvorstellung wird nicht nur in der von Friedrichs Geheimsekretär und Hofhistoriographen Georg Spalatin (1484–1545) im Jahre 1513 verfassten Chronik der Sachsen greifbar, in der die Herkunft der Wettiner bis nach Troja zurückprojiziert und damit dem zerstückelten Land eine formidable Traditionsideologie präsentiert wurde.43 Ebenso sind die zugleich von Kurfürst Friedrich dem Weisen gestifteten Grabplatten für Otto III. (980–1002), dem ersten mittelalterlichen Herrscher, der sich „Kaiser der Römer“ nannte, im Aachener und Augsburger Dom mit ausdrücklichem Hinweis auf die Herkunft des Ottonen-Kaisers aus der sächsischen Sippe Widukinds dieser Motivation geschuldet.44 Auch der Besitz von Reliquien schien die Herrscherautorität mit der Aura einer bedeutungsvollen Vergangenheit zu umgeben, ob es sich nun um die Erinnerung an die askanischen Kurfürsten handelte oder darum, die postulierte Abstammung vom sächsisch-ottonischen Königshaus dingfest zu machen. Der hier zu Tage tretende Ahnenkult zeigt sich auch darin, dass bei der Weisung bedeu­tender Reliquien nicht versäumt wurde, deren Provenienz­geschichte zu verkünden. So wurde beim Dorn hervorgehoben, dass Karl der Große (ca. 748–814) die Dornenkrone vom Patriarchen in Jerusalem erhalten habe: „Darnach uber dreihundert jar ungeferlich, da Herzog Rudolf zu Sachsens, der Elder gnant, dem konig Philipp zu Frankreich in einem Krieg treulich und ritterlich gedienet het, erwarb er unter ander königliche begabung diesen Dorn, (…).“45 Das Interesse an herrschaftlicher Aufwertung stand auch Pate, als unter Friedrich dem Weisen die Heiltumsweisung mit einem Glas der mit dem Fürstenhaus Wettin verwandten heiligen Elisabeth (1207–1231) begann. Der wettinische Kurfürst stellte sich also bewusst in die Tradition dieser populären deutschen, schon 1235 heilig gesproche­nen Frau. Brüchiger und durchaus gewollter erschien das anschauliche Kontinuitätsgerüst bei Kardinal Albrecht, das sich vor allem auf den heiligen Mauritius stützte. So war das klein­formatige, prächtige Reliquiar eines Standbildes des Soldatenheiligen der Thebäischen Legion im Neuen Stift – vor dem Hochaltar unter einem eigenen Baldachin aufgestellt – kaum zu übersehen.46 Zu diesem Baldachin oder Tabernakel gehörten dreizehn Leuchter sowie sieben weitere große Lampen, die um die Statue angeordnet waren. Wie im Aschaffenburger Prachtcodex zu sehen, steht Mauritius 43 Spalatin (1541); Ludolphy (1984), S. 116ff.; Bierende (2004), S. 246–255. 44 Ludolphy (1984), S. 118. 45 Nach Kalkoff (1907), S. 63. 46 Prachtcodex, Hofbibliothek Aschaffenburg, Ms. 14, fol. 227v–228; Redlich (1900), S. 165f.; Hallesches Heiltum (1526, 1931), Nr. 174b, Tafel 97; zum Schwert des Mauritius: Schramm/ Mütherich (1962), Nr. 159.

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75: Der Heilige Mauritius aus dem Halleschen Heiltum, kolorierte Federzeichnung (1526), Aschaffenburg, Hofbibliothek

auf einem roten Brokatkissen. Seine silberne Rüstung ist teilvergoldet und mit Perlen und Edelsteinen verziert (Abb. 75). Der Kopf aus Holz und Metall trägt einen ausladenden, mit Straußenfedern geschmückten Hut aus Goldbrokat. Am Ende jeder Feder befindet sich ein gelber Edelstein in Tropfenform, ein ������������������������ Accessoire, ������������ das die Statue des Heiligen noch lebendiger erscheinen lässt. Mauritius trägt die Ordenskette des Goldenen Vlieses, eine Bezugnahme auf den Habsburger Kaiser Karl V. (1500– 1558), der als Großmeister dieses berühmten, von seinen burgundischen Vorfahren gegründeten Ritterordens amtierte. Zudem umfasst Mauritius ein großes Schwert. Es symbolisiert – wenn auch historisch nicht korrekt – seine Rolle als Soldatenheiligen und zugleich die Macht kaiserlicher Gewalt. Sein Vorbild gehörte zu den Reichsheiltümern und -insignien, die seinerzeit in Nürnberg aufbewahrt und alljährlich gezeigt wurden.

Leidenschaften des Sammelns und ihre Grenzen Aus dem Grundstock der von den Askaniern bzw. Ernst von Wettin übernommenen Reliquien sollten Friedrich der Weise und Kardinal Albrecht die umfassendsten Reliquiensammlungen der abendländischen Christenheit zusammentragen. Während sich bei anderen europäischen Höfen zu jener Zeit schon modernere inhaltliche Maximen der Sammlungspolitik und Herrscherlegitimation durchzusetzen began-

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nen und Italien neue Kunstideale des Quattrocento etabliert hatte, fand Friedrich der Weise ähnlich wie seine ottonischen Vorbilder ein halbes Jahrtausend zuvor in den mobilen heilsgeschichtlichen Erinnerungspartikeln den geeigneten Gegenstand, eine weitgehend geschichtsarme Region aufzuwerten und sich dabei in Szene zu setzen. Instrumentelles Sammeln gehörte zum Handwerkszeug eines jeden Fürsten, galt es doch, mit Hilfe prunkvoller Sammlungen im Kreis der Mächte seine Bedeutung zu steigern. Gerade bei Reliquien bedienten sie sich einer traditionellen Gattung, die prädestiniert war, im Römischen Reich, das sich explizit als heilig verstand, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Mit Reliquien konnte man im Wettstreit um die Gunst des Kaisers punkten. Zugleich stellten die beiden Kurfürsten sie in den Dienst eines heilsgeschichtlichen Landespatriotismus, um auch so die Homogenität ihrer Herrschaft sicherzustellen. Gewiss verbarg sich im Sammeln von Reliquien eine Religiosi­ tät der guten Werke, der die Überzeugung zugrunde liegt, der Gnade Gottes umso mehr teilhaftig zu werden, je mehr Reliquien man zusam­mentrug. Diese keineswegs zu unterschätzenden Impulse privater Frömmigkeit mussten bei Albrecht und Friedrich in ihrer Eigenschaft als machtvolle Fürsten aber stets mit Akzenten öffentlicher Repräsentation einhergehen. Gesten und Rituale devotionaler Einstellung gegenüber diesen Reliquien waren kaum von Posen machtvoller Demonstration und symbolischer Aufladung der kurfürstlichen Herrschaft zu trennen. RELIQUIENSAMMLER – Wie die Umstände der Reliquienübergabe zwischen dem französischen König Franz I. und Kurfürst Friedrich gezeigt haben, sind Motive der Repräsentation und politischen Geltung unschwer aus den Quellen herauszulesen. Schwieriger ist es hingegen, die Leidenschaft des Sammelns zu messen. Zunächst kann die These aufgestellt werden, dass ein tief religiöser Mensch es im Grunde nicht nötig hat, sich der Passion des Sammelns hinzugeben. Im systematischen Sammelns drückt sich eine säku­lare Tätigkeit aus, selbst wenn es sich dabei um Reliquien handelt. Die Motivation, möglichst viele Heilspartikel sein eigen nennen zu können, kann sich also keineswegs in Religiosität und Frömmigkeit erschöpfen. Ähnlich wie König August der Starke (1670–1733) in der Barockzeit mit seinen Sammlungswelten im Dresdner Grünen Gewölbe im Konzert der euro­päischen Mächte seinen hohen Rang dokumentierte, dienten die Reliquiensammlungen Friedrichs des Weisen und Kardinal Albrechts ihrem politischen Geltungsbedürfnis im Machtgefüge des Heiligen Römischen Reiches. Vieles muss bei Personen der Herrschaft, denen man aus quellenimmanenten Gründen nur selten ganz nahe kommt, Spekulation bleiben. Meist abgeschirmt von ihren Beratern sind sie nie ganz privat. Stets müssen sie qua Amt eine Funktion ausüben, eben repräsentieren. Dass sich Friedrich als Reliquiensammler in Szene setzen wollte, zeigt besonders eindring­lich der einleitende Text zum Wittenberger Heiltumsbuch, der nicht mit den sonst üblichen Gebeten, Fürbitten oder Pilgeranweisungen beginnt, sondern mit einem his­torischen Abriss zur Entstehung der Sammlung sowie einem genealogischen Überblick zu ihrem Sammler. Manche Indizien sprechen dafür, in dieser Selbstdeutung eher politische Rhetorik zu vermuten als tatsächlich existente persönliche Sammelleidenschaft. Gerade bei Friedrich kann das Verhältnis

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gegen­über Reliquien, wenn nicht als distanziert, so doch als spirituell-rational, mitunter instrumentell bezeichnet werden. Wenn auch eine frühe Quelle aus dem Jahr 1493 verlautet, dass Friedrich sich – offenbar mit einer Reliquie – bestreichen ließ,47 lag ihm ein exstatisch-magisches Verhältnis gegenüber den Reliquien fern, wie es vom spanischen Habsburger Philipp II. (1527–1598) Ende des 16. Jahrhunderts überliefert ist.48 Dementsprechend ist Friedrichs persönliches Engagement, der Reliquien wirklich habhaft zu werden, nur schemenhaft zu erkennen. Auch manische Eigen­ schaften eines Sammlers sind aus den Quellen kaum herauszulesen; weder eine permanente Wiederkehr der Unruhe vor dem Nicht-Haben und Nicht-Bekommen, noch Triumphgefühle bei Eroberung bestimmter Objekte.49 Dazu passt, dass er als weltlicher Fürst weniger selbst sammelte, sondern sammeln ließ, von Vikaren in bestimmten Klös­tern,50 besonders aber durch seinen Beichtvater, den Franziskaner Jakob Vogt († 1522)51 und seinen Kanzler und Kämmerer Degenhart Pfeffinger (1471– 1519)52, mit denen er ins Heilige Land gepilgert war. Nachdem die entscheidenden Antreiber der Reliquienerwerbungen verstorben waren,– Pfeffinger im Jahre 1519, Vogt drei Jahre später53 – ist bei Friedrich kein aus­geprägter Eifer mehr zu erkennen, entweder selbst oder durch Mittelsmänner an Heilspartikel zu gelangen. Auch eine Phasenbestimmung von Friedrichs Reliquiensammeltätigkeit schient ­diese These zu bestätigen. Die Ausweitung von Friedrichs Reliquiensammlung wird in der Lite­ratur stets mit dessen Pilgerfahrt in das Heilige Land im Jahre 1493 erklärt, von wo er zahlreiche Mitbringsel nach Wittenberg gebracht hatte sowie mit dem vom Kurfürsten erwirkten päpstlichen Breve von 1507, das alle Bischöfe und Prälaten im Reich aufforderte, dem sächsischen Kurfürsten Teile aus ihrem Reliquienbesitz zu überlassen. Eigenartig ist nur, dass sich die Sammlung zwischen 1494 und 1512 nur unerheblich vermehrte. Erst zwischen 1513 bis 1516 explodierte sie gleichsam von 5.262 Stücken auf mehr als 17.000, bis 1519 sollten noch weitere 2.000 Partikel hinzukommen.54 Von den fünf Gängen der Heiltumsweisungen, von denen jeder etwa aus zehn bis vierzehn Reliquiaren bestand, stieg die Zahl der Sektionen in den beiden ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts auf zwölf. Insgesamt konnten nun 174 Kleinodien gezeigt werden.55 Zum Reliquienerwerb sind heute im Thüringischen Hauptstaatsarchiv von Weimar zwei Akten im Umfang von je fünfzig Seiten vorhan47 Hundt (1593/94, 1883), S. 99; Ludolphy (1984), S. 356f. 48 Die Reliquiensammlung Philipps II. im Escorial stellte mit 7.500 Stück eine der größten in der nachmittelalterlichen Zeit dar; Legner (1995), S. 188; Blom (2004), S. 54f. 49 Hinske/Müller (1984); Elsner/Cardinal (1994); Muensterberger (1995); Sommer (1999); Blom (2004). 50 ������������ Bünz (1998). 51 Zur Person: Flemming (1917), S. 88; Ludolphy (1984), S. 360–362. 52 Der fromme Erbmarschall in Niederbayern war Mitglied von mindestens 43 Bruderschaften und ebenfalls Eigentümer einer Reliquiensammlung in seiner niederbayerischen Besitzung; Theobald (1925). 53 Kirn (1926), S. 25f. 54 Ludolphy (1984), S. 357ff. 55 Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 259.

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den.56 Sie belegen, dass das expansive Reliquiensammeln erst 1516 einsetzt und nicht 1493 oder 1507. Paul Kalkoffs Annahme, dass sich die Akten nach 1507 nicht erhalten hätten57, steht der Zweifel gegenüber, ob sie je existiert haben. Zieht man die Zahlenangaben aus den Heiltumsregistern zu Rate, muss der Beginn des stürmischen Wachstums auf das Jahr 1513 festgelegt werden. Dieser Zeitpunkt ist kein Zufall: Albrecht von Brandenburg war Ernst von Sachsen auf dem Bischofsstuhl in Magdeburg gefolgt und stellte sogleich eine Bedrohung gegenüber den herrschaftlichen Ambitionen des sächsischen Fürstenhauses dar, zumal Albrecht wenig später Erzbischof in Mainz und Kardinal werden sollte.58 Hatte Friedrich von Sachsen seine Stadt Wittenberg durch Gründung einer Universität, Errichtung einer Stiftskirche und Ausstellung des Heiltums zu einem Mittelpunkt gemacht, so beabsichtigte sein entfernter Vetter in Halle ihn ebenso nachzuahmen wie zu überbieten. Umgehend begann der junge Kardinal mit dem Ausbau seiner Reliquiensammlung, die im Vergleich zur Wittenberger Sammlung, wo Friedrich der Weise eine traditionsreiche Sammlung geerbt hatte, bisher eher bescheidene Ausmaße angenommen hatte. Gerade auf dem Sammelgenre heiliger Überreste, das ihm als Geistlichen besonders nahe liegen musste, holte Albrecht seinen um eine Generation älte­ren Konkurrenten rasch ein. Das Heiltum erscheint in diesem Rahmen als typisches Sammelsujet von ver­ mögen­den Landesherrn, seine massive Ausweitung war aus Konkurrenzdruck und Geltungssucht geboren,59 mit genuiner Frömmigkeit hatte es weniger zu tun. Insgesamt ist der massive Zuwachs von 1513 bis 1519 in Wittenberg als ein Reflex auf die Wettbewerbssituation mit Halle zu bewerten, zusätzlich verstärkt durch Gabenoffensiven während der Präliminarien der Königswahl im Heiligen Römischen Reich Deutscher Na­tion. Zahlreiche Gelegenheiten zum Erwerb von Reliquien in jener Zeit wurden von Friedrich nicht gesucht, stattdessen erkannten viele Agenten von bedeutenden Herrschern die Chance, mit Reliquienangeboten die Gunst des Kurfürsten gewinnen. Dementsprechend ist auch die an die Regentin der Niederlande, Margarethe von Österreich und Burgund (1480–1530) gerichtete Bitte des Kurfürsten um Reliquien einzuordnen. Wahrscheinlich reagierte Friedrich in diesem Fall auf vorherige Avancen von habsburgischer Seite, die sich damals lebhaft um die Zustimmung des Kurfürsten für die Wahl Karl V. zum römischen König bemühte.60 Die Beinahe-Vervierfachung der heiligen Fragmente in Wittenberg in nur sechs Jahren – von 1513 bis 1519 – ist um so erstaunlicher, da der Kurfürst oft nur an neue Partikel im Tausch mit eigenen Reliquien gelangte. Noch im Jahr 1518 erwarb der 56 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Reg. C/366, Reg. O/214. 57 Kalkoff (1907), S. 68. 58 Immenkötter (1994). 59 Auch der Neffe von Kardinal Albrecht, Kurfürst Joachim II. von Brandenburg (1505–1571), trug ab 1532 in Berlin einen umfangreichen Reliquienschatz zusammen, der überraschenderweise nicht aufgelöst werden sollte, nachdem das Territorium sieben Jahre später evangelisch wurde; Tacke (1989). 60 Kalkoff (1907), S. 71f.

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Kurfürst den Arm seines Namensvetters, des Bischofs Friedrich aus Utrecht (um 780–838), nachdem er Reliquien der heiligen Bonifatius (ca. 673–755) und Willibrod (658–739) dem niederländischen Kirchenschatz übereignet hatte. Nur mit dieser Gegenleistung konnte die dortige Bürgerschaft beruhigt werden.61 Wahrscheinlich verbarg sich hinter der sagenhaften Reliquienvermehrung in Wittenberg zu einem nicht geringen Teil ebenfalls eine Teilung schon vorhandener Reliquien. Überliefert ist, dass Kurfürst Friedrich mit seinem Kanzler Pfeffinger gelegentlich Reliquien teilte.62 Allein die Idee des pars pro toto garantierte, dass auf jedem der Teilstücke die ursprüngliche Ablassmenge weiterhin imprägniert war. Der immense Anstieg könnte auch darin begründet sein, dass nicht selten eine Neuerwerbung Hunderte von Partikeln umfasste, von denen nicht wenige anonym waren. So befanden sich bei der Heiltumsweisung in einem silbernen Schrein Partikel, die nicht zugeordnet werden konnten. 1.678 Stück waren es im Jahre 1509; im Register von 1518 zählte man schon 6.769 anonyme unbestimmbare Reliquien.63 Der steile Anstieg im ersten Gang war vornehmlich auf diese undefinierte Reliquienklasse, die dem Wunschdenken besonders offen stand, zurückzuführen. Etwas anders gestaltete sich das Sammeln der Reliquien bei Kardinal Albrecht. Auf Grundlage der Reliquiensammlung seines Vorgängers Ernst von Wettin setzte Albrecht von Brandenburg in den Jahrzehnten zwischen 1520 und 1540 alle Geldund Machthebel in Bewegung, ganze Leiber, einzelne Partikel sowie bereits vollendete Reliquiare zu erwerben und seiner Sammlung einzuverleiben. Als Kardinal Albrecht den Grundstock der Sammlung übernahm, verfügte er lediglich über fünfzig Reliquiare. Diese Stückzahl sollte sich unter seiner Ägide versiebenfachen.64 Man kann sagen, dass Albrecht deutlich auffälliger als Friedrich das Sammeln von Reliquien zu seinem persönlichen Anliegen machte und Friedrich mit dem Sammelvirus infizierte. Gegenüber Friedrich hatte Albrecht allein deswegen einen Startvorteil, weil er als Mann der Kirche besonderen Einfluss auf die Reliquien beherbergenden geistlichen Einrichtungen ausüben konnte. Zudem hatte der Kardinal die Möglichkeit, auch auf Bestände der Domschätze von Mainz, Magdeburg und anderer Kirchen seiner Bistümer zurückzugreifen. Die päpstliche Erektionsbulle für das Neue Stift aus dem Jahr 1519 enthielt die ausdrückliche Erlaubnis, Reliquien aus anderen Klöstern und Kirchen seiner Diözesen in das zu gründende Stift zu transferieren, auch wenn dem Verpflichtungen der Geber, die Heiligtümer nicht zu veräußern, entgegenständen. So musste das Kloster Gottesgnaden bei Calbe das Haupt des heiligen Viktor, das Prämonstratenserstift Unser Lieben Frauen in Magdeburg mehrere Partikel des von Albrecht besonders geschätzten heiligen Erasmus (240–303) abtreten.65 Eine weitere Vermehrung des Reliquienschat­zes resultierte aus den Aufhebungen verschiedener hallescher Klöster. Emsig erstand Kardinal Albrecht Reliquien 61 Bruck (1903), S. 209f. 62 Theobald (1925), S. 52. 63 Kalkoff (1907), S. 56. 64 Timann (2006), S. 257. 65 Redlich (1900), S. 273f.

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und Reliquiare von Gemeinden, die gerade zum Protes­tantismus konvertiert waren. Albrechts Reliquienschatz profitierte ironischerweise von der Reforma­tion, deren Ausdehnung korrelierte fast zwangsläufig mit der Zunahme seines Reliquienschat­zes.66 Obwohl der Großteil von Albrechts Reliquiaren verschollen ist, sind wir durch zwei Bildinventare – das Heiltumsbuch von 1520 und die Pergamenthandschrift von 1526/27 – bemerkenswert gut über seine Sammlung informiert. Das letztere enthält Miniaturen von 350 sowie Beschreibungen von insgesamt 353 Reliquiaren. Im Pracht­ codex ist das Heiligtum in der Weise dargestellt, dass sich auf der verso-Seite eines Blattes stets die Abbildung des Reliquienbehälters befindet, während auf der gegenüberliegenden recto-Seite des nächsten Blattes der das Reliquiar beschreibende und erläuternde Text verzeichnet ist, so dass man Abbildung und Text simultan betrachten kann. Wie Dagmar Eichberger beobachtet hat, ließ Albrecht in den Jahren, die zwischen diesen beiden Texten liegen, eifrig Reliquien erwerben, entfernen oder neu anordnen;67 von den 235 Reliquiaren, die im Heiltumsbuch von 1520 verzeichnet sind, tauchen lediglich 199 im Prachtcodex von 1526/27 wieder auf. Durch Käufe und Schenkungen fügte Albrecht diesen bis 1526 weitere 154 Reliquiare hinzu. Albrechts Reliquiensammlung war also keineswegs statisch angelegt, fertig war sie nie. Durch eigenhändige Eintragungen brachte Albrecht selbst das Inventar auf den neuesten Stand.68 Auf extra leer gebliebenen Seiten im Prachtcodex konnten neu hinzukommende Objekte problemlos hinzugefügt werden.69 Über die Funktion dieser illustrierten Handschrift gehen bis heute die Meinungen auseinander. Paul Redlich (1869–1901) behauptete – wohl irrtümlich –, dass mit dem im handschriftlichen Hallenser Breviarium von 1532 genannten liber ostensionis reliquiarum, dem die Geist­ lichkeit die Einzelheiten über die Zeigung der Heiltümer entnehmen sollte, der Prachtcodex gemeint sein müsse.70 Eher handelt es sich dabei um ein privates LuxusInventar, das den bibliophilen Neigungen Albrechts ebenso entgegenkam wie seiner ausgeprägten Freude an wertvollen und künstlerisch anspruchsvollen Objekten. Im Stile eines Sammelalbums zum persönlichen Vergnügen des Kardinals verfasst, diente es als Kompensation für eine Heiltumsweisung, die seit wenigen Jahren aus Rücksicht vor den Neugläubigen nicht mehr unter freiem Himmel stattfinden konnte und die nun per Aquarell bequem präsent gemacht werden konnte.71 KUNSTSAMMLER – Unbestritten förderten Friedrich und Albrecht intensiv die Kunst,72 doch bleiben Zweifel, inwiefern sich darin eine Leidenschaft des Sammelns spiegelt, sammelten sie doch vornehmlich Dinge als Mittel zum Zweck, um sie zu 66 Scholz (1998), S. 224. 67 Eichberger (1996), S. 26. 68 Ebd., S. 33. 69 Redlich (1899), S. 19; Halm/Berliner (1931), S. 7. 70 Redlich (1900), S. 245; diese Auffassung findet sich wieder bei Hamann (2006), S. 336f. 71 Eichberger (1996), S. 33. Es ist nicht gänzlich ausgeschlossen, das Kardinal Albrecht den Prachtcodex auch als eine Art Tageskalender zu nutzen gedachte, jedenfalls erreichten die 350 Zeichnungen beinahe die Zahl der Tage im Jahr. 72 Bruck (1903); Gurlitt (1897).

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gebrauchen oder um etwas gelten. Bei einem Fürsten eines Landes, der sich das Motto Spartam nactus es, hanc orna73 gab, musste jede Sammeltätigkeit bei Friedrich dem Weisen unter Instrumentalisierungsvorbehalt stehen. Da die Residenz im Vergleich zu ­ denen Süddeutschlands einen recht ärmlichen Eindruck machte, galt es, sie reichlich auszustatten.74 So erwarb Kurfürst Friedrich Teppiche und Gemälde, um schöner zu wohnen; Becher und Pokale, um standesgemäß zu speisen; Harnische, um Turniere zu bestreiten; Bücher, um den Bildungsstandort Wittenberg zu erhöhen. Aber allein das Selbstverständnis der Universitätsbibliothek als kurfürstliche Schlossbibliothek, wo zudem kostbare illuminierte Handschriften aufbewahrt wurden, zeigt an, dass auch das Sammeln um des Sammelns willen bzw. das ästhetische Zusammentragen bei Friedrich Wurzeln schlug. Auch bestimmte Raritäten, wie Münzen, Steine, Ringe, emaillierte Döslein, Büsten, Gläser, geschnitzte Schiffe, Diamanten und andere Edelsteine wie sie uns Hans Hundts Rechnungs­buch aus dem Jahr der kurfürstlichen Pilgerreise überliefert,75 sowie Friedrichs Vorliebe für Uhren ließen sich hinzufügen. Ebenso waren Jagdtrophäen ein Steckenpferd Kurfürst Friedrichs: 383 Hirschgeweihe, von denen er insbesondere Abnormitäten schätzte, hingen an den Wänden in einem kleinen Saal seines Jagdschlosses Lochau. Friedrich verstand es, sie als Tauschobjekt einzusetzen. Ein Hirschgeweih und eine Bärenhaut waren im Jahre 1510 der Preis für ein Stück des Kreuzes von der Insel Rhodos und ein Stoffrest vom ungenähten Rock Christi, das ihm der Graf von Poitou zukommen ließ.76 Für all die eben genannten persönlichen Liebhaberstücke boten sich in Wittenberg zwei Aufbewahrungsorte an: Die Silberkammer im Schloss und der Innenraum der Schlosskirche, denn auch letztere diente zur Aufbewahrung seltener Gegen­ stände.77 Das zweckfreie Sammeln scheint bei Kardinal Albrecht von Brandenburg stärker ausgeprägt gewesen zu sein. Bei Handschriften betätigte sich Albrecht als kundiger ­Akquisiteur; er muss zu den bedeutendsten Handschriftensammlern seiner Zeit gezählt werden.78 Sein systematisches Vorgehen bei Kauf und Bestellung, sein Blick für das Qualitätsvolle belegen den engen Bezug, der hier zwischen Sammler und seinen Objekt waltete.79 Wie Friedrich in Wittenberg betrachtete auch Albrecht seine Handschriften als Grundstock einer zu gründenden Universitätsbibliothek.80 Wie sein entfernter Vetter musste sich Albrecht allein deswegen als Sammler betätigen, weil 73 [Du hast Sparta erlangt, schmücke es]; siehe auch Ludolphy (1984), S. 40. 74 Ebd., S. 76ff. 75 Hundt (1493–94, 1883), S. 37–43. 76 Flemming (1917), S. 87; Kalkoff (1907), S. 69. 77 An Ketten waren hier z.B. als Geschenk der pommerschen Herzöge zwei Walrippen aufgehängt; siehe in vorliegender Studie, S. 97f. 78 So soll er nicht weniger als vierzehn Miniaturhandschriften in Auftrag gegeben haben. ­Albrecht kannte sich aus mit den Ton angebenden Miniaturmalern von Nürnberg – Nikolaus Glockendon († 1534) oder Brügge – Simon Bening (um 1483–1561), Biermann (1975), S. 260f.; Redlich (1900), S. 213–226. 79 Biermann (1975), S. 15f. 80 Zum Universitätsprojekt: Redlich (1900), S. 54–83.

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76: Lukas Cranach d. Ä., Albrecht von Brandenburg als heiliger Hieronymus im Gehäuse, Tafelbild (1526), Sarasota (Florida), The John and Mable Ringling Museum of Art

er eine Residenz und Kirche auszustatten hatte. Den Grundstein zur Moritzburg, einer kastellartigen quadratischen Burganlage, hatte 1484 sein Vorgänger Erzbischof Ernst von Sachsen gelegt. Durch Kardinal Albrecht sollte sie eine repräsentative Ausstattung mit elaborierten Holztäfelungen, prachtvollen Kachelöfen, prunkvollen Teppichen, Wandmalereien und kostbaren Gemälden der großen Künstler der Zeit – darunter Cranach, Grünewald und Dürer – erhalten. Aber auch hier zeigt sich zweckfreies Sammeln. So gab es auf der Moritzburg einen mit den üblichen Accessoires versehenen Bibliotheksraum, wo der Kardinal vermutlich eines seiner von Cranach gemalten Porträts aufhängte, das ihn als Hieronymus in der Studierstube zeigt (Abb. 76).81 Weiterhin befand sich in der Moritzburg ein Raum namens „Wunderstube“ mit persönlichen Liebhaberstücken des Kardinals. Während Julius von Schlosser 1908 den Begriff der „Kunst- und Wunderkammer“ populär machen sollte – er konnte sich dabei auf die Erwähnung einer „Kunst- oder Wunder desgleichen Rüst- und Jarnisch-Cammer“ im Ambraser Inventar von 1594 berufen – ist die griffige Formel einer „Wunderstube“ in Halle schon ein Jahrhundert zuvor zu belegen.82 Seit 1531 soll Kardinal Albrecht diese Räumlichkeit, wo u. a. Andachtsbilder, Porträts und der mit der Geschichte der Bath­seba bemalte Tisch von Hans Sebald Beham (1500–1550)83 zu sehen waren, genutzt haben.84 Möglicherweise diente die „Wunder81 Ebd., S. 105ff. 82 Holst (1949), S. 222f; Beßler (2009), S. 78f.; Bauer/Haupt (1976), S. XIV. 83 Ausstellungskatalog Halle (2006), Bd. 2, S. 251f. 84 Zur Lokalisierung dieses Raums: Scholz (1998), S. 157f.

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stube“ auch als Privatkapelle, denn als Erz­bischof Albrecht 1531 nach fünfjähriger Abwesenheit nach Halle zurückzukehren beabsichtigte, befahl er, dass „in dieselbige nawe wunde stuben sal der altar mitt sampt der taffel wider hinneyn gesetzt werdenn“85 sollte. Eine Mixtur aus Oratorium und Kunstkammer, wie sie schon Vittore Carpaccio auf seinem Gemälde Die Vision des heiligen Augus­tinus aus dem Jahre 1502 unübertroffen dargestellt hat (Abb. 1) und wie sie von Lukas Cranach d. Ä. aufgegriffen wurde, fand somit auch auf der Moritzburg ein Zuhause.86 Aus den Quellen lässt sich nachweisen, dass Albrecht Interesse für naturkundliche Realien und erst recht exotische Kuriositäten gehabt haben muss.87 Die Tochter Kaiser Maximilians I., Erzherzogin Margarethe von Österreich, schenkte ihm une masse de courmaline, einen Haufen von Karneol. Aus den reichhaltigen Mechelner Sammlungen erhielt Albrecht weitere Kostbarkeiten, wie fünf Teile des in seinem Testament genannten „india­nisch federgewandt[s]“.88 Seit der Entdeckung Amerikas gelangten hochgeschätzte exotica von den indianischen Stämmen Mexikos und Perus in großem Umfang in die Sammlungen bzw. Kunst- und Wunderkammern der Habsburger. Es ist davon aus­zugehen, dass derartige Objekte aus Albrechts Besitz dem Kabinett in der Moritzburg den Titel einer „Wunderstube“ gegeben haben.89 Wenn es ein Vorbild für Albrechts umfassende Sammeltätigkeit gegeben hat, dann könnte am ehesten Herzog Jean de Berry (1340–1416) aus Burgund genannt werden. Nach dem genauen und ausführlichen Inventar von Robinet des Estampes aus dem Jahr 1413 waren bei ihm auf engsten Raum antike Münzen, Gemmen und Gefäße; Goldschmiedearbeiten, Uhren und Instrumente; Naturalia, wie Narwalzähne, Straußeneier und Bezoare sowie auch herkömmliche Reliquien, wie der Verlobungsring des heiligen Josef oder ein Milchzahn der heiligen Jungfrau Maria vereinigt.90 Jean und Albrecht legten aus einer vergleichbaren hochadligen Position heraus – direkt unterhalb des allerhöchsten gesellschaftlichen Rangs – ihre großen Sammlungen an, um auf diese Weise ihre Bedeutung zu steigern.91 Während jedoch der dritte Sohn des französischen Königs ein zunehmend vereinsamter, von Herrscherverpflichtungen befreiter Mensch war, stand Kardinal Albrecht in seiner Sammlungstätigkeit weit stärker im politischen Rampenlicht.

85 Nach ebd.; Redlich (1900), Beilage 8, S. 16f. 86 Tacke (2006). Vor der „Wunderstube“ befand sich die „grüne Kammer“, in die 1531 ein Bett aus dem langen Saal geschafft werden sollte und wo mehrere Gemälde und Kristallgläser zu sehen waren; Redlich (1900), Beilage 8, S. 16f.; Krause (1991), S. 310. 87 Siehe Inventoire des parties de meubles der Erzherzogin Margarete von 1524, in: Jahrbuch der kunsthis­torischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 3 (1885), S. CXIX; Eichberger (2002), S. 184; Rogge (2003), S. 201f. 88 Das Testament erwähnt neben Privatbibliothek als unsere liberaria persönliche Wertobjekte wie Gold- und Silbermünzbücher, Porträtgemälde und eben diesen Federschmuck; Redlich (1900), Beilage 37, S. 177; Gönna (1991), S. 386. 89 Rogge (2003), S. 202f. 90 Schlosser (1908), S. 31. 91 Daston/Park (1998, 2002), S. 98.

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77: Stadtansicht von Halle mit der alten Residenz der Moritzburg (links) und der neuen Residenz (Mitte), Kupferstich von Johannes Mellinger (um 1580)

78: Halle, Neue Residenz und Neues Stift, Grundriss

Da Albrecht zusätzlich zur Moritzburg den ebenfalls erzbischöflichen „Neuen Bau“ errichten ließ, liegt die Vermutung nahe, dass er für seine vielfältigen persönlichen Sammlungsgegenstände ein geeignetes Gehäuse benötigte (Abb. 77 und 78).92 92 Was Kardinal Albrecht mit dem Neuen Bau beabsichtigte, hatte also gleichermaßen private wie reprä­sentative Züge. Mit diesem Anspruch ist er den Palästen anderer Kardinale des Heiligen Römischen Reichs vergleichbar, wie den Magno Palazzo des Castello del Buonconsiglio in Trient (1528–1536) oder dem fürstbischöflichen Palais in Lüttich (1526–1538); Rogge (2003), S. 205; Schröter (2006); Krause (2003).

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Ursprüng­lich sollte wenige hundert Meter südlich der Moritzburg eine Universität entstehen, nachdem 1531 Albrecht die päpstliche Genehmigung zu ihrer Gründung erwirkt hatte.93 Wahrscheinlich war sie als ein altgläubiges Gegengewicht zu der kurfürstlich-sächsischen Leucorea vorgesehen. Südlich der Stiftskirche auf dem Gelände des Cyriacus-Hospitals ließ er einen, durch Arkaden geöffneten Gebäudekomplex errichten. Gelehrte Stiftsherrn, wie Crotus Rubeanus (1480–1545) und Michael Vehe (1485–1539), sollten hier als Dozenten fungieren. Aber die Kanoniker und auch der Großteil der Bevölkerung neigten der Reformation zu, so dass der Universitätsplan aufgegeben wurde, nicht ohne den im Entstehen begriffenen Komplex in ein komfortables Wohnschloss mit Privatkapelle und Bibliothek umzufunktionieren.94 Wahrscheinlich kam Albrecht dieser Nutzungswechsel nicht ungelegen, entsprach er doch seinem Wunsch nach einem separaten Refugium, wo er seinen privaten Vorlieben frönen konnte.95 Es handelte sich um einen Bau zu her churf. gnaden behawssunge,96 worauf auch die Ausgaben für Lustbad, Lustgarten und Labyrinth hindeuten. Anton Schenitz, Bruder des 1535 hingerichteten erzbischöflichen Kämmerers, sollte dem Erzbischof vorwerfen, er habe Baumaterial von abgebrochenen Gotteshäusern an ein gemein lusthaus und in prophanum verwendet.97 Der Standort direkt neben dem Neuen Stift war absichtsvoll gewählt. Durch die unmittelbare Nachbarschaft von Stift und landesherrlicher Wohnung konnte sich die Stiftskirche auch als privater Entfaltungsraum entpuppen. Obwohl schon im Jahr 1521 die letzte Heiltumsweisung stattgefunden hatte, ist das Heiltum bis weit in die dreißiger Jahre hinein erheblich ausgeweitet worden. Für mehrere Altäre entstanden neue Retabel, auf denen neue Reliquiare aufgestellt werden konnten. Als Liebhaber christlicher Liturgie konnte Albrecht in der Stiftskirche, die durch zwei ­ Gänge mit dem Nordflügel der neuen Residenz verbunden war, weiterhin in differenzierter Akzentuierung zelebrieren. Dem Kardinal gelang es, sich ein weites Spielfeld des Sammelns zu verschaffen, wenn auch in zunehmender Isolierung gegenüber der städti­ schen Öffentlichkeit.

Spektakel von Glauben und Macht Fürstliche Sammlungen haben die Funktion, magnificentia auszudrücken bzw. zu steigern. Dieses geflügelte Wort aus dem Italien der Renaissance war im Heiligen Römi­ schen Reich lange Zeit in einem ganz bestimmten Bedeutungsrahmen verortet, der nicht zuletzt von der Reliquie geprägt war.98 Mit Reliquien war unweigerlich eine ortsbezogene Propaganda des Sakralen verknüpft. Seit jeher fungieren sie als Ini­ tialzündung und Legitimation, angemessene architektonische Hüllen zu schaffen 93 Dreyhaupt (1749/1750), Bd. 2, S. 540; Redlich (1900), S. 92; Tacke (1994), S. 26. 94 Nickel (2001), S. 277f. 95 Rogge (2003), S. 192. 96 Redlich (1900), Beil. 9, S. 24, nach Scholz (1998), S. 261. 97 Schenitz (1538), fol. C2v; vgl. auch Redlich (1900), Beil. 12a, S. 34. 98 Schramm (1954–1956), S. 913ff.; Schramm/Mütherich (1962), S. 24–31; Schlosser (1920).

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und prunkvoll auszustatten. In Halle und Wittenberg stellten Reliquiensammlungen Motoren dar, eine neue sakrale Topographie in die Welt zu setzen. Albrecht und Friedrich lebten in einer Zeit, in der religiöse Vorstellungen und Glaubensinhalte unvollständig blieben, wenn sie keinerlei materiellen Ausdruck fanden.99 Spätmittelalterliche Frömmigkeit war in hohem Grade verdinglichte Religiosität.100 In der sinnlichen und emotionalen Vermittlung des Glaubens nach außen suchten sich beide gegenseitig zu übertreffen.101 Albrecht und Friedrich muss klar gewesen sein, dass dingliche und visuelle Wahrnehmung die frommen Gemüter am nachhaltigsten stimuliert. Je ungewöhnlicher und einfallsreicher ein Bild oder Ding gestaltet ist, desto ungehinderter scheinen sie als Vehikel religiöser Andacht gedient zu haben. Bloße Sinnenfreude hatten beide keinesfalls im Auge, vielmehr sollten ihre aus Dingen und Bildern bestehenden Kompositionen dem andächtigen Betrachter eine höhere religiöse Erkenntnis aufschließen.102 Das neue Repräsentationsbedürfnis des ernestinischen Wettiners spiegelt sich in der Größe und Einrichtung der Schlosskirche, deren Allerheiligen-Patrozinium auf den überdimensionierten Heiltumsschatz verweist. Zudem war die Kirche kostbar mit Gemälden von Lukas Cranach und Albrecht Dürer ausgestattet. In Gestalt von lebensgroßen, farbig gefassten Alabasterfiguren demonstrierten Friedrich der Weise sowie sein Bruder und Nachfolger, Johann der Beständige, ihre Frömmigkeit unüber­ sehbar an prominenter Stelle vor dem Altar, gleichsam in ewiger Anbetung.103 Mit frommen Stiftungen war Friedrich nicht nur um sein eigenes Seelenheil besorgt, zugleich gewährleistete er dadurch eine auf Familie und Untertanen bezogene Memoria.104 Eine „Maschinerie der Prachtentfaltung“105 schuf Albrecht mit dem Neuen Stift in seiner bevorzugten Residenz Halle. 1519 war der Plan gefasst, im Erzbistum ein neues sakrales Zentrum zu errichten. Bereits 1523 erfolgte die feierliche Weihe des Neuen Stiftes, dessen Möblierung und Ausstattung wenig später weitgehend abgeschlossen war.106 Die Kirche wurde in geradezu verschwenderischer Manier mit einem vollständig neuen Altarprogramm von über 140 einzelnen Tafelgemälden versehen. Die in der weiten Räumlichkeit aufgestellten farbenfroh-leucht-

  99 Moeller (1965); Ausstellungskatalog Amsterdam (1994); Smith (2004), S. 119–196. 100 Huizinga (1941, 1987), S. 177–205; vgl. auch Moeller (1965). 101 Kardinal Albrecht war nicht nur geistlicher Oberhirte einer Erzdiözese, sondern zugleich auch Landesherr über ein Territorium. Im Heiligen Römischen Reich des späten Mittelalters war in der Herrschaftspraxis Sakrales und Profanes nie voneinander getrennt, am wenigsten in jenen Territorien, in denen geistliche Würdenträger zugleich fürstliche Funktionen wahrnahmen, einer Sonderform der Herrschaft, die neben dem Heiligen Römischen Reich allenfalls noch im Kirchenstaat oder in Ordensstaaten, wie im späteren Ostpreußen, zu beobachten ist; Hartmann (2006), S. 9f. 102 Smith (2006), S. 22. 103 Kirn (1926), S. 22f.; Wimböck (2004), S. 189–191. 104 Stephan (1979), S. 104–125. 105 DaCosta Kaufmann (1995), S. 190. 106 Krause (1991), S. 320; Scholz (1998), S. 192 mit Anm. 82; Kühne (2000), S. 429f.

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enden Gemälde Lukas Cranachs und seiner Werkstatt müssen auf die Zeitgenossen einen großen Eindruck ausgeübt haben. Die Frömmigkeitsdemonstrationen waren machtpolitisch aufgeladen, beim Kardinal fast noch deutlicher als bei Friedrich dem Weisen. Besonders eindringlich zeigte sich die Allianz zwischen Kaiser und Erzbischof am exponierten Ort des Hochaltars der Hallenser Stiftskirche. An den jeweiligen Seiten des Altars standen die edelsteingeschmückten und perlenbesetzten Büsten von Karl dem Großen und Bischof Adalbert von Prag (956–997), die auf zeitgenössischer Ebene als Kaiser Karl V. und Erzbischof Albrecht von Brandenburg zu identifizieren waren.107 Aber die Kritik der Reformatoren sollte das Frömmigkeitskonzept Kardinal Albrechts immer mehr in den Untergrund der Privatsphäre drängen.

Die Stiftskirche als Bühne der Dinge Die Anziehungskraft der von Friedrich und Albrecht neu errichteten Stiftskirchen bestand zu einem wesentlichen Teil aus der Inszenierung ihrer Kunstschätze, die nicht wie heute üblich als unbewegliche und museal wirkende Installation rezipiert wurden, sondern in stets wechselnder Anordnung und unterschiedlichen Graden der Prachtentfaltung. In der Hallenser Stiftskirche sieht Jeffrey Chipps Smith ein „ganzheitliches Konzept“ verwirklicht, „das durch Altarflügel, die man öffnen und schließen konnte, durch zeitweilige Prozessionen und die Weisungen der umfangreichen Reliquiensammlung des Kardinals sowie durch die ständig wechselnde Zurschaustellung von Teppichen und liturgischem Gerät immerfort in Bewegung war. Die täglichen Obliegenheiten der Kanoniker, Christen und Kirchgänger unterstrichen das dynamische Potential eines Ortes.“108 Durch Requisiten des Temporären avancierte der Kirchenraum zu einem Handlungsraum. Im Rhythmus des Kirchenjahres öffnete man Altäre, stellte bestimmte Reliquiare zur Schau und hängte einzelne Teppiche auf, die sonst in Kisten und Schränken verschlossen blieben.109 Im Vollzug der Liturgie zeigt sich der Sinn der Ins­zenierung; erst das künstlerisch-liturgische Konzept der Aktion, die Korrelation zwischen Kunstwerk und Messfeier erweckte diesen Raum zum Leben und verlieh der Stiftskirche ihre eigentliche Bedeutung, entsprechend ­Albrechts biblischem Motto: Domine dilexi ­decorum domus tuae (Ps 26,8).110

107 Diese Bildnisse sind nicht überliefert, aber durch Quellen belegt; Wolters (1882), S. 24; ­Tacke (1989); Redlich (1900), S. 163; Steinmann (1968), S. 104. 108 ��������������������� Smith (2006), S. 23. 109 Redlich (1900), S. 201–212. 110 [Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt.] Während seines Besuches in Mainz am 20. August 1660 zeichnete der Jesuitenpater Daniel Papebroch (1628–1714) diesen Leitspruch Albrecht von Brandenburgs, der hier zusätzlich in Luthers Übersetzung wiedergegeben ist, auf; gesehen hatte er ihn, in Edelsteinen geschrie­ ben, auf einem Reliquiar in der Sakristei des Domes; Kindermann/Papebroch (1660, 2002), S. 85, 324.

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DIE STIFTSKIRCHE in HALLE – Das Neue Stift gehört als ehemalige Dominikanerkirche zum Typus einer gotischen Hallenkirche, deren Innenraum mit 68,5 Meter Länge, 20 Meter Breite und 18 Meter Höhe sie zur größten Kirche der Stadt macht.111 Albrecht hatte weder Zeit noch Geduld, einen Neubau zu errichten. Die schlichte äuße­re Erscheinungsform bereicherte er durch auffällige Akzente, wie den Giebelkranz in Formen der Frührenaissance. Die Bekrönung des Gebäudes mit einer Phalanx von Rundbögen mag in der Form an ein Hausreliquiar erinnern.112 Mit der Stiftskirche wurde der Residenz eine spektakuläre Raumeinheit hinzugefügt, um die Machtansprüche des Fürsten sakral zu fundamentieren.113 Inspiriert vom Projekt der Schlosskirche in Wittenberg, die Friedrich der Weise hatte errichten lassen,114 gestaltete sich für Albrecht die Gründung und Ausstattung der Stiftskirche sowie deren Einbindung in die Stiftsliturgie zum Dreh- und Angelpunkt seines Herrschaftsanspruchs.115 Die Innenausstattung unterwarf sich einer Inszenierung der Heiligen­ verehrung, wobei die Gottesdienstordnung genau festlegte, zu welchem Feste die jeweiligen Reliquiare auf den ­ Altären auszustellen waren. Oft bezog sich der Reliquieninhalt auf den an den Seitenflügeln der Wandaltäre dargestellten Heiligen.116 Als Gehäuse eines umfangreichen Heiltums war die Stiftskirche in Halle der Motor eines vielfältigen visuellen Dingkults.117 Kardinal Albrecht wandte große Summen für kostspielige Reliquiare auf, für erlesene Altarvorsätze, liturgische Gewänder und eine ganze Reihe anderer Gegenstände, nicht nur um den Heiligen der Kirche die ihnen gebührende Ehre zu erweisen, sondern auch um fürstliche Macht zu demonstrieren.118 Mit beachtlichem materiellen Einsatz hatte Albrecht die Ausstattung zu steigern gewusst. In seiner Elegie aus dem Jahr 1535 über die Hallenser Stiftskirche beschreibt Georg Sabinus (1508–1560) als Augenzeuge anschaulich die ihn überwältigende, feierliche Pracht und den Glanz der außergewöhnlichen Dinge: die Fülle der mit Seiden- und Goldfäden durchwirkten flämi­schen Bildteppiche, die mit Edelsteinen besetzten, vergoldeten und silbernen Reliquiare auf den Altären, die Farbigkeit der Altargemälde, den dröhnenden Klang der Orgel und den

111 Scholz (1998), S. 187; ausführlicher Überblick bei Schönermark (1886), S. 218–260. 112 Diese Umgestaltung stammte vom überregional angesehenen Steinmetzen Bastian Binder (†  um 1540), der zuvor die Magdeburger Domtürme vollendet hatte; Schröter (2006), S. 184; Krause (1967), S. 106–110; Magirius (2004), S. 161, Abb. 10, S. 162, Abb. 12. 113 Redlich (1900), S. 8; Krause (1991), S. 312.; Scholz (1998), S. 183–185; Kühne (2000), S. 428–430. 114 Am 24. Januar 1519 schrieb Albrecht an Friedrich und ersuchte ihn um Abschriften der Ceremonien und der fundacion der Wittenberger Kirche; Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Reg. B, 523, f. 6r.; gedruckt bei Redlich (1900), S. 8, Anm. 1; Kühne, (2000), S. 428. 115 Albrechts Vorgänger Ernst von Wettin war noch bescheidener in seinen Ambitionen gewesen. Er ließ ab 1484 die Moritzburg erbauen und lebte dort seit 1506. Seine Idee, eine Stiftskirche in Halle zu gründen, konnte er nicht realisieren; Redlich (1900), S. 2–5, Beilage 1, S. 1–8. 116 Nickel (2001), S. 266. 117 Scholz (1998), S. 179–201. 118 Zur Innenausstattung der Kirche: Scholz (1998), S. 190–200.

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melodischen Gesang der Chöre, ferner die mit Perlen und Edelsteinen bestickten liturgischen Gewänder des Kardinals in der Sakristei.119 Im Zentrum der Ausstattung stand Cranachs Passionszyklus, der dem Betrachter eine aufklappbare Erzählwelt von Bildern aus dem Neuen Testament eröffnete. Mehrflügelige Retabel schmückten die meisten der sechzehn Altäre, die mit wenigen Ausnahmen einen thematisch zusammenhängenden und optisch einheitlichen Zyklus bildeten. Die Gemälde visualisierten in erzählerischen Etappen die Passion Christi, von seinem Einzug in Jerusalem über seine Auferstehung bzw. Himmelfahrt bis zur Ausgießung des Heiligen Geistes und dem Jüngsten ­Gericht. Ein großformatiges museales Bilderbuch war für den Gläubigen in Szene gesetzt, der zum eigenen Seelenheil von Altar zu Altar schreiten und sich so die Heilsgeschichte vor Augen führen konnte.120 Auf Grundlage des systematisch erstellten Inventariums uber die Kelche, Ornat, Antependia uund andere Cleynot121 der Hallenser Stiftskirche aus dem Jahr 1525 sowie des für die Ausstellung Der Kardinal von 2006 erstellten Grundrisses ist es möglich, den Passionszyklus zu beschreiben und zu verorten. Demnach bestand der Heiligen- und Passionszyklus aus nicht weniger als 142 Gemälden.122 Alle ­Altäre waren Wandelaltäre, die zwei oder drei Variationen zuließen. An gewöhnlichen Tagen waren Heiligendarstellungen zu sehen, die ganzfigurig die Flügelaußenseiten einnahmen. An hohen Festtagen wurden alle Altäre aufgeklappt����������������� , so dass es����� dem Kirchenbesucher möglich war, die Darstel­lungen inhaltlich miteinander zu verknüpfen. Der Gemäldezyklus begann im Osten des südlichen Seitenschiffes und zog sich dann im Uhrzeigersinn hufeisenförmig durch den Innenraum, bis er am Ostende des nördlichen Seitenschiffes mit der Kreuzigungsdarstellung seinen ers­ten Höhepunkt erreichte (Abb. 79).123 Schlusspunkt war nach „Beweinung“ und „Grablegung“ schließlich der Magdalenenaltar, auf dessen Mittelbild die triumphale Auferstehung Christi aus dem Grab dargestellt ist. Doch damit nicht genug: Das Hochaltarensemble in der Apsis war von zwei großen, silbernen Heiligenschreinen gesäumt, deren Gestalt im Aschaffenburger Prachtcodex festgehalten ist.124 Auf der rechten Seite stand ein Sarg in Form eines Hauses. Zwei große Leuchter beleuchteten den Altar Tag 119 Nach Redlich (1900), Beilage 26, S. 112; Tacke (1989), S. 138–140 sowie Dokument 5 und 6; Tacke (1991), S. 369. 120 Die meisten Gemälde gingen beim Aschaffenburger Schlossbrand 1552 zugrunde; Tacke (1992), S. 16ff.; Tacke (2006a); Smith (2006), S. 28ff. Von den achtzehn Passionstafeln sind noch zwei – die Beweinung Christi des Peter-und-Paul-Altares und die Auferstehung des Magdalenen-Altares – im Original erhalten. Elf weitere können nach den Forschungen ­Ulrich Steinmanns und Andreas Tackes rekonstruiert werden, während sechs als vollständig verloren gelten müssen. 121 Redlich (1900), Beilage 17, S. 42–55. Laut Inventar war das Passionsgeschehen insgesamt auf achtzehn Bilder – auf sechzehn Altäre und zwei Einzeltafeln – verteilt worden; Tacke (1989), S. 135–142; Ausstellungskatalog Halle (2006), Katalog, S. 200f.; Redlich (1900), Beilage 17, S. 51–55. 122 Redlich (1900), S. 178–200; Tacke (1994), S. 16–169�. 123 Steinmann (1968), S. 69–104; Tacke (1994), bes. S. 71–169. 124 Smith (2006), S. 32f.

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79: Grundriss der Hallenser Stiftskirche Albrechts von Brandenburg mit dem Verlauf des Heiligenund Passionszyklus

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und Nacht. Neun Schreine, die mit weiteren 980 Reliquien gefüllt sind, standen in drei Reihen hinter dem Altar an der Rückwand des Chors, dort, wo Kardinal Albrecht den Ort seiner Grabstätte vorgesehen hatte.125 Altarbilder vom Leidensweg Christi, dessen Tod und der Aufersteh­ung kulminierten in einem Schreinensemble, das das Martyrium der Heiligen prunkvoll materialisierte. Nicht nur die Altäre mit Klappmechanismus, auch die Teppiche und zahlreichen litur­gischen Geräte sowie die Reliquiare unterzogen die Kirche einem täglichen Wandel.126 Utensilien und Dekorationen des Temporären versahen jeden Tag mit einem besonderen Akzent.127 Insbesondere war dieser Kirche ein Bühnenraum für das Requisit „Reliquiar“ eingeschrieben. Ständig mussten Reliquiare aus dem sicheren Gewahrsam der Moritzburg in die neue Stiftskirche gebracht worden sein, um in Einklang mit dem Kirchenkalender und den liturgischen Festen die Altäre und Wände zu schmücken. DIE STIFTSKIRCHE IN WITTENBERG – Das Muster der Halleschen Repräsenta­ tion des Sakralen gaben entsprechende Praktiken im kaum fünfzig Kilometer entfernten Wittenberg vor. Bis heute markiert weithin sichtbar der schlanke, hohe Schlosskirchenturm das westliche Ende der Altstadt. Es handelt sich bei dem Turm um den Wehr- und Wohnturm des Schlosses, nicht aber um den Kirchturm; die Glocken der Schlosskirche trug ursprünglich der heute noch vorhandene Dachreiter.128 Nach Plänen Konrad Pflügers (um 1450–1505) wurde zunächst auf den Fundamenten des abgebrochenen Askanierschlosses ein neues Wohnschloss errichtet, das auch als Befestigung der Südwestecke der Stadt fungieren sollte. Die zwischen 1497 und 1503 als letzter Bauabschnitt der Schlossanlage neu errichtete Schlosskirche ­bildete den Nordflügel des hufeisenförmig errichteten kurfürstlichen Schlosses (Abb. 80).129 Entstanden war ein gestreckter einschiffiger Sakralbau von ca. sechzig Metern mit dreiseitigem Ostabschluss und einem axial aus der Westmauer vortretenden, ebenfalls polygonalen kleinen Chor. Diese Schlosskirche sollte sich nach der Gründung der Wittenberger Universität im Jahre 1502 zusätzlich zum repräsentativen Ort der Universität entwickeln.130 Hier war der Ort, wo den Studenten ihre Promotionsurkunden feierlich überreicht wurden, wo Philipp Melanchthon (1497– 1560) seine berühmte Antrittsrede hielt, auch wurden in diesem Kirchenraum die akademischen Würdenträger der Universität beigesetzt. Das Hauptportal auf der 125 Prachtcodex, Hofbibliothek Aschaffenburg, Ms. 14, Fol. 351v–352r; Hallesches Heiltum (1526, 1931), Nr. 272, Tafel 152. Die Schreine wurden zwischen 1520 und 1525 speziell für diesen Ort angefertigt; zur „Jenseitsorientierung“ Albrechts: Merkel (2004). 126 Vgl. ihre Aufzählung im Inventar von 1525 bei Redlich (1900), Beilage 17, S. 42–48; Smith (2006), S. 33–39. 127 ����������������������� Wolters (1882), S. 35f. 128 Im Turm soll es ein Gemach des Kurfürsten gegeben haben, das Glasscheiben für seine sechs Fenster erhielt und in dem ein Kachelofen aufgestellt war; von dem Gemach führte eine Tür auf die Empore der Kirche; Harksen (1967), S. 353. 129 Zur Raumaufteilung des Schlosses: Harksen (1967), S. 345–347. 130 Stier (1860); Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 90f.

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80: Archivalische Grundrisszeichnung der Residenz in Wittenberg, Ende des 15. Jh., Stadtarchiv ­Wittenberg

Nordseite, an dem Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen angeschlagen haben soll, diente als Anschlagbrett für Bekanntmachungen der Universität.131 Wenig Jahrzehnte später hatte die Kirche auch die Funktion, ein Denkmal der Reformation zu sein. Lange Zeit waren nur vereinzelte Orte der Kirche, wie die Thesenanschlagstür sowie Luthers Grab Objekte der Reformationserinnerung. Die umfassende Neugestaltung unter intensiver Einflussnahme des deutschen Kaiserhauses gegen Ende des 19. Jahrhunderts sollte dann die im neuen Glanz erstrahlende Kirche in toto zu einem Nationaldenkmal des protestantischen Deutschlands machen.132 Im Gegensatz zu der für das Neue Stift lediglich adaptierten hochgotischen Dominikanerkirche war die Wittenberger Schlosskirche ein vollständiger Neubau.133 Weil der Kurfürst hier seine Reliquiensammlung zur Schau stellen wollte, ließ er die Schlosskirche weitaus größer ausführen, als es für die Kapelle eines Schlosses üblich war. Cranachs Frontispiz aus dem 1509 erschienenen Heiltumsbuch machte den auf 131 Harksen (1967), S. 364; Leppin (2008). 132 Treu (1997); Krüger (1995). 133 Immenkötter (1994), S. 29f.

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81: Lucas Cranach d. Ä., Ansicht der Schlosskirche in Wittenberg von Norden, Holzschnitt (1509), aus Wittenberger Heiltumsbuch

seinen sakralen Kern verdichteten Fürstensitz populär (Abb. 81). Die Räumlichkeit hatte vorrangig dem Klerus des Allerheiligenstifts und seinen Aufgaben zu dienen. Friedrich der Weise, der zum Gedenken seiner Vorfahren Stiftungen errichtete, bestimmte die Hofkirche – mittelalterlichem Stifterbrauch folgend – vor allem zum memoriengesättigten Ort seiner eigenen Grablege. Es ist schon behandelt worden, dass Kurfürst Friedrich nicht zuletzt deswegen sammelte, weil er die Schloss­kirche opulent ausstatten wollte.134 Neben dem Hauptaltar gab es etwa zwanzig Nebenaltäre mit ihren Retabeln, prunkvolle Grabmäler und Epitaphien. Die Emporen schmückten zum Teil Skulpturen, die Seitenwände farbig gestaltete Fenster. Schließlich waren, wie in einer Wunderkammer, naturkundliche Kuriositäten ausgestellt.135 In einem Inventar aus dem Jahr 1515 ist die Vielfalt der Geräte, Ornamente und Paramente aufgelistet.136 Die Schlosskirche war sowohl temporäre Bühne von liturgischen Veranstaltungen im Sinne eines theatrum sacrum, wie Heiltumsweisungen und Kreuzabnahmedarstellungen, als auch permanenter Ausstellungsort von Kunst134 Zur Rekonstruktion der weitgehend verloren gegangenen Ausstattung der Wittenberger Schloss­kirche zur Zeit Friedrichs des Weisen: Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 242– 257. 135 Stier (1855), S. 38f. Wie der französische König Ludwig XI. (1461–1483) zeigte auch Friedrich Interesse für Reliquien und fremdartige Tiere; Mitterauer (2000), S. 290. 136 Meissner (1668), S. 118–129.

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werken und exotischen mirabilia. Zusätzlich ließ Kurfürst Friedrich im Kirchenraum auch eine großformatige visuell gestaltete Landkarte des Heiligen Landes aufhängen, vermutlich zusammengesetzt aus neun kleinformatigen Cranach’schen Holzschnitten, auf der alle Orte, die er während seiner Pilgerfahrt im Jahre 1493 aufgesucht hatte, markiert waren.137 Der Gedanke liegt nahe, dass die direkt vom Schloss aus zugängliche Kirche außerhalb der Gottesdienste für Friedrich als eine Art Klause fungierte, ein Refugium in eine von ihm gestaltete Welt.138 HOHE KIRCHENFESTE – Im Zeitalter Friedrichs des Weisen und Kardinal Albrechts war die Idee von Kunstkammern kaum verbreitet, geschweige denn die von Museen. Was es aber en masse gab, waren Kirchen und Kirchenfeste. An Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Christi Himmelfahrt sowie an den Patronatstagen zogen in Kirchen die Zere­monienmeister alle Register der Prachtentfaltung. An diesem Ort und aus diesem ­Anlass war es geradezu zwingend erforderlich, Objekte zu präsentieren. Die Schlosskirche von Wittenberg und das Neue Stift zu Halle standen in vorderster Front, wenn es darum ging, sich in ein liturgiegesteuertes theatralisches Museum zu verwandeln, wo an herausgehobenen Tagen des Kirchenjahres kostbare Requisiten in Szene gesetzt wurden. In ein subtiles Spiel des Verhüllens und Enthüllens einbezogen, bestand diese Dingwelt der Stiftskirchen keineswegs aus Distanz generierenden Objekten, sondern waren Bestandteile eines Geschehens, das von allen Beteiligten vergegenwärtigt bzw. vollzogen werden musste.139 Die Vielfalt liturgischer Veranstaltungen lässt sich aufgrund der günstigen Quellenlage am Beispiel des Neuen Stifts besonders gut nachvollziehen.140 In der 1532 verfassten Schrift Breviarius Hallensis wird minuziös die Verwendung aller liturgischen Geräte vorgeschrieben.141 Die Kleidung der Stiftsmitglieder – die Statuten führen 59 Personen an – ist darin ebenso festgelegt wie die Aufstellungsordnung bei 137 Erhalten sind nur zwei Stücke, und auch die sind derzeit verschollen, Koepplin/Falk (1974), S. 51. 138 Von italienischen Herrschern waren dafür seit dem Ende des 14. Jahrhunderts studiolos vorgesehen, französische Könige bedienten sich der estudes; Ebert-Schifferer (1993), S. 171f. 139 Bei ihnen war mehr verlangt als eine Interpretation in reflexiver Objektivierung, zumal es im Mittelalter keinen Terminus der ars pulchra, der Schönen Kunst, gegeben hat; v.a. Eco (1987, 2000). 140 Neben den erhaltenen Kunstwerken sind Quellen, wie das Inventar der Kirche von 1525, ­Albrechts Testament von 1540, die gedruckte Ausgabe des Heiltumsbuches von 1520 sowie ­Albrechts Prachtcodex von 1526/27 des Kardinals zentral. Der Breviarius Hallense von 1532 schließlich enthält eine vollständige Jahresübersicht der Messen des Neuen Stifts mit genauen Anweisungen für jeden Altar. Das älteste erhaltene liturgische Buch, das Missale Hallense, das Nikolaus Glockendon in den Jahren 1523 und 1524 geschaffen hat, ist zugleich der umfangreichste und kostbarste Codex; zu den litur­gischen Büchern des Neuen Stiftes Redlich (1900), S. 213–226; Biermann (1975), S. 182–203, 215f. 141 Der Breviarius Hallensis oder liber ordinarius des Kardinals für das Neue Stift ist 1532 als Pergamentcodex abgefasst worden und befindet sich heute unter der Signatur Msc. lit. 119 in der Staatsbibliothek Bamberg; vgl. Hamann (2006), S. 332; zur dortigen Beschreibung von Christi Himmelfahrt: Krause (1987), S. 289–296.

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Prozessionen. Auch die Musik spielte im Stift eine große Rolle.142 Ins Profane übertragen könnte man das Zusammenwirken der unterschiedlichen Künste mit einem Gesamtkunstwerk vergleichen, vielleicht auch als Aktionskunst bezeichnen.143 Ob Kleriker oder Laie, erste Pflicht der mehr als fünfzig Stiftsangehörigen war die Teilnahme an den täglichen Gottesdiensten, die dem Tagesablauf Struktur verliehen, was der Kardinal im Vorwort des Breviarius Hallensis so zum Ausdruck brachte: „Tag und Nacht sollen sie das Gotteslob singen und die Danksagung ausrufen. Wenn wir statt [dessen] von weltlichen Geschäften zerstreut werden, beherrschen uns häufig ängstliche Sorgen: Doch das Pensum unseres Officiums darf nicht zurückgehen, wer auch immer von uns würdig vorsteht.“144 Diese Gottesdienste wurden meist im Chor der Kirche gefeiert, wo im Chorgestühl die Stiftsangehörigen entsprechend ihres Ranges als Prälat, Kanoniker, Vikar bzw. Chorsänger bestimmte Plätze einnahmen. Dieser besondere Bereich der Kirche, in dem sich auch der Hochaltar befand, durfte aus Ehrfurcht nur von den liturgisch Berechtigten betreten werden.145 Der Grad der Festlichkeit richtete sich nach der Bedeutung des Festtages. Waren nur einzelne Reliquiare an den entsprechenden Feiertagen aufzustellen, wurden diese von zwei dazu deputierten Kanonikern und dem magister fabrice entnommen, bei der Ausstellung aller Reliquiare – und dies geschah außer zur Heiltums­weisung noch an den Hochfesten Ostern, Pfingsten, Fronleichnam, Maria Magdalena, Maria Himmelfahrt, St. Moritz und Weihnachten – assistierten die Vikare. An attraktiven Heiligentagen standen Reliquiare auf Bänken oder Staffeln treppenähnlich angeordnet auf zahlreichen Altartischen.146 Die Patronatstage zu Ehren von Mauritius († 290) und Maria Magdalena gehörten in Halle zu den Höhepunkten des Kirchenjahres. Magdalenas Hauptgedenktag am 22. Juli wurde am Magdalenenaltar, darüber hinaus auch am Hauptaltar begangen. 1513 vollendete der Hallenser Goldschmied Hans Huiuff das besonders kunstvoll gestaltete Büs­tenreliquiar dieser Heiligen für Erzbischof Ernst von Wettin.147 Er stellt sie als strahlend schöne Frau mit langem blondem Haar dar, kostbar gekleidet in ein Gewand, dessen tiefrote Ärmel hervorleuchteten. Die Reliquien Maria Magdalenas beschränkten sich jedoch nicht nur auf Huiuffs Büste. Vierzehn weitere Reliquiare, die Teile ihres Körpers oder Gegenstände, die mit ihr in Zusammenhang standen, enthielten, wurden zur Schau gestellt.148 Die liturgischen Feiern des heiligen Mauritius sowie anderer Märtyrer der Thebäischen Legion durchzogen faktisch das ganze 142 Serauky (1935), S. 63–130. 143 Jappe (1993); Fischer-Lichte (2003). 144 dies noctesque divinas laudes ac gratiores actiones concinent acclamentque. Siquidem nos pro negociis distrahimur, pre anxiis curis crebro uillicamur: nec in reddendo penso officii nostri, quicumque digne praestamus. Breviarius Hallensis [1532], nach Hamann (2006), S. 323. 145 Hamann (2006), S. 323f. 146 Redlich (1899), S. 38f. 147 Vgl. Prachtcodex, Hofbibliothek Aschaffenburg, Ms., fol. 409v–410r; Redlich (1900), Beilage 1, S. 6; Beilage 22, S. 87; zu Huiuff siehe Rasmussen (1977), S. 116–121. 148 Prachtcodex��������������������������������������������������������������������������������� , ������������������������������������������������������������������������������� Hofbibliothek Aschaffenburg, �������������������������������������������������� Ms. 14, ������������������������������������������ Fol. ������������������������������������� 4v, 17v, i8v, 21v, 23v, 29, 30, 43v, 55v, 58v, 293v, 328v, 410v und 416v.

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82: Nikolaus Glockendon, Pontifikal- oder Reliquienmesse, aus dem Missale Hallense (1523/24), Aschaffenburg, Hofbibliothek

liturgische Jahr.149 Mit dem Mauritiustag war eine Oktav verbunden, die am 28. September mit dem Reliquienfest Adventus capitis sancti ��������������� Mauritii endete.����������������� Der Festtag des Mauritius war dem Festrang entsprechend vor allem dadurch ausgezeichnet, dass „Das gantz heyligthumb“150 auszusetzen war.151 Eine Miniatur im Missale Hallense von Nikolaus Glockendon († 1534), die sich eng an die Vorlage einer Feder­zeichnung Dürers anlehnt, vermittelt einen anschaulichen Eindruck von den liturgischen Pflichten Albrechts an derartigen Festtagen.152 Darin wird der Kardinal gezeigt, wie er während der missa reliquiarum das Meßopfer weiht (Abb. 82).153 Er ist bekleidet mit einem goldenen Messornat und einer mitra pretiosa. Auf dem Altar, der mit einem

149 Am 25. Februar, 7. Mai, 22. und 28. September, 10. und 17. Oktober; Hamann (2006a), S. 313. 150 Breviarius Hallensis (1532), Bl. 193v. 151 Hamann (2006a), S. 296f. 152 Zu Glockendon: Biermann (1975), S. 148–152. 153 Missale Hallense, fol. 430v.; siehe auch Biermann (1975), S. 165.

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Leinentuch und einem kostbaren Antependium geschmückt ist, stehen außer Gefäßen für die Eucharistie zwei Leuchter mit brennenden Kerzen sowie ein Pult mit aufgeschlagenem Missale. Der Altaraufbau ist mit zahlreichen Reliquiaren geschmückt: Auf drei Ebenen sind zwei Schreine, zwei Monstranzen, neun Statuen und drei Büsten zu erkennen. Auch hinter dem Retabel stehen Reliquienstatuetten. Zeitgenossen bezeugen die Pracht der dort abgehaltenen Zeremonien: „Bered muss wahrlich der sein, der den wunderbaren Schmuck des Tempels der Stiftsherrn mit Worten erreichen oder die Reliquien der Heiligen, in Gold und Silber gefasst, in würdigen Worten verherrlichen will. Niemals genug können die Augen derer sich weiden, die solches sehen. Aber es weiden sich nicht allein die leiblichen Augen, mehr noch wird angezogen der innere Beschauer im Menschen. Denn selten schweigen da fromme Hymnen und mystische Psalmen, auch wird an bestimmten Tagen durch Predigten dem Volke das Evangelium verkündet.“154 Angehörige aus fürstlichen Häusern, wie Kurfürst Joachim II., der Neffe Albrechts, der an Ostern 1536 in Halle verweilte, oder der Erzbischof von Köln, der im darauf folgenden Oktober nach Halle kam, blieben bei Betrachtung des Frömmigkeitsspektakels nicht unbeeindruckt.155 Insbesondere von der Tatsache, dass der Kardi­nal persönlich die Weihehandlungen vornahm, war das elitäre Publikum angetan. Zum Frömmigkeitsspektakel des späten Mittelalters gehörte der Ablass.156 Nur wenn man über ein potentes, Gnaden spendendes Heiltum verfügte, spru­delte der Ablass als Geldquelle.157 Begleiterscheinung differenzierter Ablassbestim­mun­gen war, dass sich die Gläubigen intensiv vor den jeweiligen Kunstwerken zu positionieren hatten.158 Derjenige, der in Halle vor der Allerheiligenkapelle kniend drei­mal das „Vater unser“ und den „englischen Gruß“ betete und dafür mit einem Ablass von 100 Tagen belohnt wurde, warf sicher mehr als nur einen flüchtigen Blick auf die dort aufgetürmten Reliquiare. Eine andächtige Betrachtung der Gemälde forderte eine Ablassbestimmung, die den Gläubigen in der Fastenzeit und an hohen Kirchenfesten abnötigte, vor sieben ausgewählten Altären Gebete zu verrichten. Dafür konnte eine Ablassmenge erworben werden, die derjenigen entsprach, die man beim Besuch der sieben römischen Stationskirchen erhielt.159 Zwischen Kirchenraum, Heiltum und Ablass besteht ein konstitutiver Zusammenhang, wie auch die Geschichte zur Wittenberger Schlosskirche zeigt. ����������������������������������������������� Schon unter den Askaniern hatte sie eine Reihe 154 Rubeanus Crotus (1480–1545) in seiner Apologia von 1531, nach Redlich (1900), S. 314. 155 ����������������������� Redlich (1900), S. 314. 156 Vom 13. April 1519 datiert die Bulle Papst Leos X., in der nicht nur die Gründung des Neuen Stiftes genehmigt wurde, sondern der neu zu errichtenden Stiftskirche und ihren Reliquien auch reiche Ablässe zugesprochen wurden; Scholz (1998), S. 214f. 157 Albrechts Machtanspruch und Repräsentationsentfaltung war kostspielig. Die Anhäufung der Ämter musste er sich von der Kurie gegen Geldzahlungen genehmigen lassen. 158 Redlich (1899), S. 2f. 159 Schon bald musste Albrecht im Einflussfeld der Reformation auf diesen Ersatz für die „Ablassquelle“ Rom verzichten. Das Ablass­potenzial bei Reliquienzeigung und den Altar­ inszenierungen konnte in Halle nur unvollständig umgesetzt werden; Miedema (2006), S. 286.

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von Ablässen erhalten, darunter 1398 für das Allerheiligenfest einen Plenarablass, den „Portiuncula-Ablaß von Assisi”. An diese Tradition knüpfte Friedrich der Weise ein Jahrhundert später wieder an. Albrecht sollte ihn dabei rasch überflügeln.160 HEILTUMSWEISUNG – Ein herausragendes spectaculum stellten die alljährlich stattfindenden Heiltumsweisungen dar; in Wittenberg fand sie am Montag nach dem zweiten Sonntag nach Ostern statt, in Halle am Sonntag nach Mariae Geburt in der zweiten Septemberwoche.161 Die prunkvolle Materialisierung der christlichen Heilsgeschichte durch Reliquiare, Monstranzen, Kruzifixe und andere Gerätschaften, bei der kaum ein Protagonist fehlte, beschrieb ausführlich der damalige Studiosus Andreas Meinhardi († 1524/25) im Jahre 1507 in seiner Laudatio auf die Stadt Wittenberg: „Im ersten Gang zeigt man den Kopf einer Statue des heiligen Königs und Märtyrers Sigismund. Hier ist ein großer Teil vom Leichnam dieses heiligen Königs aufbewahrt und zu sehen. (…) Im zweiten Gang wird ein goldenes Kreuz, das mit sehr wertvollen Juwelen verziert ist, ausgestellt. Der Kirche schenkte es der berühmte Fürst und Herr, Herr Friedrich. Es enthält Partikel von der Leinwand, mit der Christus bekleidet war, als er seinen Jüngern die Füße wusch, (…) Im vierten Gang wird zuerst eine vergoldete Monstranz in Form eines Königs gezeigt. Sie enthält ein wirklich echten Dorn von der Krone des Heilandes, die auf sein Haupt gepreßt wurde. Er ist vom großmächtigen König Rudolph dem Älteren, Herzog von Sachsen, für seine vielen Verdienste geschenkt worden, zusammen mit einem auserlesen schönen Echtheitsnachweis.“162 Die Frage, wie das Heiltum konkret gezeigt wurde, ist aufgrund der Quellenlage kaum befriedigend zu beantworten. Auf Grundlage der überlieferten Heiltumsregis­ ter ist nur die Reihenfolge nachzuvollziehen, nach der die Reliquiare gewiesen wurden. Die Präsentation des Heiltums in Wittenberg, aber auch die von Halle, dürfte sich aber nicht darin erschöpft haben, dass der Heiltumsschreier, der vocalissimus, die Reliquiare in die Höhe hob und den damit verknüpften Ablass verkündete.163 Dafür waren die einzelnen Behältnisse zu aufwändig und prunkvoll gestaltet. Dass es noch weitere Präsentationsformen gegeben haben könnte, geht aus einem Brief Luthers an Spalatin aus dem Jahr 1522 hervor, worin es heißt, dass die Reliquiare – wohl vor und nach der Zeigung – auch auf einer langen Tafel mitten im Chor aus160 Die Erlangung des Vierzigfachen des Wittenberger Ablasses pro gezeigter Reliquie war – eine Folge der Freigiebigkeit Papst Leos X. auf diesem Gebiet – ein deutlicher Pres­tigeerfolg des Hohenzollern, obwohl es ihm damals noch nicht gelungen war, den Wettiner in der Zahl der Reliquienpartikel zu übertreffen; Redlich (1900), S. 236. 161 Darüber hinaus wurden alle vorhandenen Reliquiare aber auch an hohen Festtagen unkommentiert ausgestellt, d. h. ohne extra gewiesen zu werden, sowohl beim Patronatsfest der Stiftskirche in Wittenberg an Allerheiligen, in Halle am Gedenktag des heiligen Mauritius oder der heiligen Maria Magdalena, höchstwahrscheinlich aber auch an Ostern, ­Chris­ti Himmelfahrt und Pfingsten. 162 Meinhardi (1507, 1986), S. 119ff. (Übersetzung von Martin Treu). 163 Es ist davon auszugehen, dass der Heiltumsschreier auch über die Legenden der Heiligen sowie über die Herkunft der Reliquien berichtete.

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gestellt wurden. Wenn aber, außer­halb der Festtage, „imants frömbdes kommen und das heiligtum zu sehen begeren würd, sollte es ihm im Heiligtumgewölbe gezeigt werden.“164 Vielleicht standen die Reliquiare nach der Weisung zur allgemeinen Besichtigung dutzendfach auf den Empo­ren der Kirche. Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Terminus „Gang“, der in den Heiltumsverzeichnissen oft auftaucht und vornehmlich im Sinne von Teil oder Folge, entsprechend des Auftischens der Gerichte bei Mahlzeiten verstanden wird, infolge der expansiven Sammlungsentwicklung topographisch immer mehr auflud. Zum Fixpunkt im Raum mutiert, könnten jetzt damit ebenso die Gänge gemeint gewesen sein, in denen die Exponate in Reihe und Glied aufgestellt waren, bot sich doch während der Weisung kaum Gelegenheit, die Objekte adäquat zu betrachten. Luther stand der Reliquienausstellung keineswegs so strickt ablehnend gegen­ über.165 Viel stärker als die Präsentation provozierte ihn die reiche Ausstattung der sie beherbergenden Kirche mit päpstlichen Privilegien und Ablässen: „Über die Aufstellung der Reliquien denke ich so: man hat sie freilich leider bereits übergenug vorgezeigt, gar sehr damit geprahlt und sie der ganzen Welt zur Schau gestellt. Doch mag man es so einrichten, daß sie mitten im Chor öffentlich ausgelegt werden, so dass sie alle auf einem Tisch zu sehen sind, während alle anderen Zeremonien nach dem Brauch beibehalten werden.“166 Schon kurz zuvor, im Jahre 1521, hatte das Stiftskapitel in Wittenberg beschlossen, die Gerätschaften nur noch auszustellen, d. h. ohne den Ablass zu erwähnen.167 Dass es der mit der Zeigung verknüpfte Ablass und weniger die Präsentation selber Stein des Anstoßes war, zeigt sich auch in Luthers Brief an Kardinal Albrecht vom 1. Dezember 1520, in dem der Reformator mit der Veröffentlichung der Schrift Wider den Abgott drohte, sollte der Erzbischof ihm nicht innerhalb von zwei Wochen eine befriedigende Antwort über die Rücknahme des Ablasses anlässlich der Heiltumsweisung zukommen lassen. Luther musste seine Drohung nicht wahrmachen: Schon wenige Tage nach Erhalt des Briefes versicherte ihm Albrecht in einem versöhnlichen Schreiben, die Ursach sei längst abgestellt.168 Luthers Intervention scheint die Praxis der Ablasspropaganda in Halle beendet zu haben. Von nun an schien in Halle ein in den öffentlichen Raum ausgreifender Reliquienkult nicht mehr oppor-

164 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Reg. O/216, nach Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 260. 165 Bruck (1903), S. 210 f. 166 Luther an Spalatin, 24. April 1522, in: Martin Luther. Die Briefe, aus: Kurt Aland (Hrsg.): Luther Deutsch. Die Werke Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart, Bd. 10, Göttingen 1983, S. 120. 167 Einige Mitglieder des Stiftskapitels, wie der Propst Justus Jonas (1493–1555) oder Nikolaus von Amsdorf (1483–1565) wollten noch weitergehen und die Aufstellung ganz verbieten; Bruck (1903), S. 211. 168 Nach Scholz (1998), S. 222f.

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tun.169 Da sich die Reformation in der Stadt immer mehr ausbreitete, konnte eine öffentliche Heiltumsweisung in Halle allenfalls zweimal stattfinden. Es ist aber ein Trugschluss, aus dem Ende der Ablassverkündigung auf das Ende der Reliquienverehrung oder das Ende der Heiltumsweisungen zu schließen. Vielmehr lag es in einer zunehmend reformatorischen Umgebung nahe, das Heiltum zu privatisieren. Albrecht verlegte nach der Konfrontation mit Luther die Heiltumsweisung in den geschlossenen Kirchenraum und veranstaltete sie dort weitgehend unter Ausschluss der städtischen Öffentlichkeit. Nur so ist zu erklären, dass auch ohne öffentliche Heiltumsweisungen die Sammlung der in Reliquiaren geborgenen Reliquien stetig anwuchs.170 Augenzeuge der mit magnificam pompam begangenen Prozession einer im Jahre 1533 stattgefundenen Heiltumsweisung im Kirchenraum war der Dichter und Diplomat Georg Sabinus.171 Während die demonstrative Praxis des Reliquien- und Ablasskults unter freiem Himmel auf diejenigen, die sich zum neuen Glauben bekannten, provozierend wirken musste, blieb den Klerikern um Kardinal Albrecht innerhalb der Kirchenmauern noch ein beträchtlicher Handlungsspielraum. Abhängig von den jeweiligen Festtagen im Kirchenjahr war es dort weiterhin möglich, die Reliquiare in unterschiedlicher Zusammensetzung auf die verschiedenen Altäre zu stellen. So entfaltete das Hallesche Heiltum seine Wirksamkeit mehr oder minder in der privaten Sphäre. Nicht ohne Grund hatte sich Albrecht im Neuen Bau auch einen rechteckigen Saal mit halbkreisförmiger Apsis errichten lassen.172 In diesem Privat­ oratorium außergewöhnlicher Größe, einer Mischung aus Schatzraum und begehbarem Reliquiar, stand Albrecht eine weitere – strikt selbstbezogene – Spielfläche zur Aufstellung des Halleschen Heiltums zur Verfügung.173 Aber auch unabhängig von der Heiltumsweisung, die in öffentlicher Form bereits 1521 einschlief und die in ihrer Bedeutung für das Selbstverständnis des Stiftes bisher eher überschätzt wor-

169 Außerhalb der Kirche war ein Heiltumspodest aufgebaut. Unter freiem Himmel strömte das ablassbegierige Volk auf dem Platz vor der Kirche zusammen, wo eine Prozession von Domherrn die Reliquiare zur Schau stellte; Diedrichs (2006), S. 315; zum konkreten Ablauf der Feier auch: Hamann (2006), S. 336; Redlich (1899), S. 38f. 170 In den 1530er Jahren sollte die Raumnot in der Allerheiligenkapelle, die zugleich als Depot der �������������������������������������������������������������� Reliquiare���������������������������������������������������� diente, immer größer werden; Rogge (2003), S. 194f. 171 Bekannt geworden ist Sabinus als Dichter einer langen kunstvollen Elegie, die er nach seinem fünftägigen Aufenthalt in Halle im September 1533 über die von Kardinal Albrecht zwischen 1520 und 1525/26 umgestaltete und prachtvollst ausgestattete Stifts­ kirche verfasste; Sabinus (1535, 1900). Abdruck des Teils über die Hallenser Stiftskirche in Redlich (1900), Beilage 26, S. 110–117; Redlich (1900), S. 315; Wiegand (1984), S. 71–79; Schröter (2006), S. 181. 172 Krause (1991), S. 334f. 173 Gönna (1991), ���������������������������������������������������������������������������� S��������������������������������������������������������������������������� . 475ff. Herrschaftliche Privatoratorien haben sich zunächst in Frankreich und Ita­lien überliefert. Auch Kaiser Karl IV. besaß auf der Burg Karlstein neben der schon weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmten Heiligkreuzkapelle mit der Katharinenkapelle ­ ebenfalls einen zusätzlichen Raum absoluter Isolation, wo auf einem Altar ein Kreuzreliquiar aufgestellt war; Legner (1995), S. 201f.; Liebenwein (1978); Michalak (1978).

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den ist, eröffnet sich im Vollzug der Liturgie die gesamte Pracht der Kirche.174 Eine Aufstellung der Reliquiare, arrangiert von den Domherrn, fand in ausgeprägter Variabilität – je nach Festanlass – permanent innerhalb des Kirchenraums statt; gerade sie machte das Innere der Kirche weitaus spektakulärer als das Äußere. Nach dem Festgottesdienst ließ Albrecht die kostbaren Reliquiare in die Moritzburg bringen, genauer in die dortige Maria-Magdalene-Kapelle, wo sie hinter Fes­ tungs­mauern sicherer untergebracht waren.175 Später wurde das Heiltum in der Allen Heiligen gewidmeten Kapelle im Neuen Stift, dem kleinen, polygonal schließenden Anbau an der Nordseite der Kirche aufbewahrt und auch ausgestellt. Seine Funktion als Heiltumskapelle erklärt nicht nur die westlich anschließende, schmale und zur sicheren Schatzunterbringung hinzugefügte Kammer, sondern zugleich die Auszeichnung des Zugangs vom Seitenschiff aus durch ein prächtig ornamentiertes Frührenaissancegewände.176 In der Kammer mag es so ausgesehen haben wie auf einem Detail der gigantischen Kupferstichfolge, auf der Kaiser Maximilian I. einen Triumphbogen abbilden ließ. In einem spärlich von einem Fenster beleuchteten Gewölbe waren nicht ohne eine gewisse Ordnung Truhen, kostbare Vasen und Reliquiare aufgestellt (Abb. 83).177 In Wittenberg war das Heiltum außerhalb der Kirchenfeste zunächst im Chor in einem Schrein oder scrinium untergebracht.178 Die sprunghafte Vermehrung der Partikel führte dazu, dass 1515/16 ein gesonderter, gewölbter Raumes eingerichtet wurde, der sich wahrscheinlich in einem östlich des Chors gelegenen Gebäude befand.179 Dort sollen die kostbaren Behältnisse nebenund überein­ander in Staffeln gestanden haben.180 Die Umbrüche während der Reformation sollten das Ende dieser kultischen Präsentationsform einleiten. Das Hallesche Heiltum ist bis auf einige Reste nicht mehr existent. Selbst ein „Rettungskauf“ durch Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, der wichtige, bereits verpfändete Teile nach Berlin holte, ändert daran wenig.181 Gerade nach der Konversion des brandenburgischen Kurfürsten zum Calvinismus im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges entwickelten sich die Reliquiare mit ihren Reliquien zu begehrten Tauschobjekten gegenüber katholischen Höfen.182 In Wittenberg 174 Redlich (1899), S. 87–89. 175 Nickel (1999), S. 42 176 Schönermark (1886), S. 238f.; siehe Abb. 79 in vorliegender Studie. 177 Schnapp (2009, 1993), S. 188. 178 Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 259f. 179 Ebd.; Krause (1994), S. 34; siehe auch am Beispiel des Trierer Doms, Ronig (1972). 180 Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 260 181 Kurfürst Joachim II. erwarb etwa zwei Dutzend Reliquiare aus dem Halleschen Heiltum. Nach Einführung der Reformation fungierte der dortige Reliquienschatz eher als Sammlung von Goldschmiedearbeiten, wenn auch weiterhin, bis 1598, die Aussetzung von Reliquiaren auf dem Hochaltar erfolgt sein soll; 1631, in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, sollen die Preziosen in den Schmelzofen gewandert sein; Tacke (1989), S. 135–142. 182 Insbesondere der Augsburger Kunstagent Philipp Hainhofer (1578–1647) profilierte sich als Vermittler auch in dieser Angelegenheit; vgl. Briefwechsel (1613–1647, 1984), passim; Tacke (1989), S. 152–159.

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83: Wiener Schatzkammer Kaiser Maximilians I., Detail aus dem Triumphbogen nach dem Entwurf des Architekten Jörg Kölderer und Albrecht Dürer, Kupferstich (1515– 1517)

erhielt nach dem Tod Friedrichs des Weisen der Hauptmann von Wittenberg, Hans Metzsch, den kurfürstlichen Befehl, alle Kleinodien und Ornate aus der Schloss­ kirche nach Torgau zu bringen.183 Was mit den Reliquien selbst geschah, bleibt unerwähnt. Von den Reliquien hätte sich Friedrich der Weise wohl leichter trennen können, nicht aber von den individuellen Goldschmiedearbeiten, die ihn mit Sammlerstolz erfüllten. Sein ständig in Geldnöten befindlicher Nachfolger, Johann der Beständige, nahm darauf keine Rücksicht und löste den Schatz schon vor 1530 auf. Nur das Elisa­ bethglas, das in den Besitz Luthers gelangen sollte,184 und ein Stück blauen Samts vom Mantel Mariens blieben unversehrt,185 wohl nicht zuletzt deswegen, weil beides nicht eingeschmolzen werden konnte.

Präfigurationen des Neuen In ihrer Mixtur aus Sammlerehrgeiz, Elitenfrömmigkeit und humanistischer Gesinnung sind moderne Momente der Reliquiensammlung Friedrichs des Weisen und Kardinal Albrechts nicht von der Hand zu weisen.186 Wenn auch die Schaustellung der Heiltümer ursprünglich eine liturgische Handlung darstellte, die nicht zuletzt im Hinblick auf den begehrten Sündenablass geschah, zeugen ein enzyklopädischer 183 Müller (1989). 184 Siehe in vorliegender Studie, S. 199ff. 185 Moeller (1991), S. 149. 186 Der Aufschwung des Heiligenkults im Spätmittelalter hatte seine Ursache nicht zuletzt im Engagement der Humanisten, Signori (1999), S. 203–244.

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Anspruch, zumindest die christliche Heilsgeschichte vollständig abzubilden, gepaart mit Aspekten der Neugierde, die sich im Erwerb außergewöhnlicher Gegenstände manifestierte, von innovativen Strategien eines wissbegierigen Landesherrn, der es verstand, auf der Klavia­tur eines auf Preziosen fußenden Prestiges zu spielen. Bei den berühmten Reliquiensammlungen, die Kurfürst Friedrich in Wittenberg und Kardinal Albrecht in Halle horteten, ging es weniger um die Reliquie als um ihre ästhetische Rahmung.187 Die von ihnen zusammengetragenen Heiltümer sind durch eine besondere Nähe von Reliquie und Ding gekennzeichnet. Während Reliquien die Tradi­tion und das Erbe verkörperten, ging das Neue und Spielerische von den Fassungen, d. h. von den sie umschlossenen Goldschmiedearbeiten aus. Gerade hier konnte sich das Bedürfnis nach Originalität entfalten. Sammlungsgeschichtlich stehen diese Kollektionen in einer Zeitenwende.188 Als Pol der Tradition kann die reichhaltige Reliquiensammlung Kaiser Karls IV. auf der Burg Karlstein in Böhmen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts angesehen werden, wo – eingerahmt von edelstein­ besetzten Wänden – zahlreiche Reliquien auf Tafelbildern von Heiligen appliziert waren;189 dem gegenüber steht der Pol der Innovation, vertreten durch die ab Mitte des 16. Jahrhunderts von Fürsten eingerichteten Kunstkammern, wie die von Kurfürst August (1526–1586) in Dresden, aus der im 18. Jahrhundert das Grüne Gewölbe hervorgehen sollte.190 Die Ausbreitung der Kunstkammeridee kann in diesem Kontext als schöpferische Verdrängung der Wunderwelt und des heiligen Raums aus Kathedralen des Spätmittelalters beschrieben werden. Nachdem sich Kirchen während der Reformation in pragmatische Räume des Gottesdienstes verwandelten, fand die Sehnsucht nach Wundern ein Ventil in den nun zahlreich entstehenden Kunst- und Wunderkammern. Die dreistufige Gehäusestruktur zwischen Reliquie, Reliquiar und Kirchenraum verwandelte sich in Kunst- und Wunderkammern in ein Ensemble von Behältnissen, bestehend aus Schrank und Schubladen, die, einem Gebäude en miniature vergleichbar, in einem schlichten Zimmer aufgestellt waren.191 Reliquiare, die im Weimarer Skizzenbuch oder im Aschaffenburger Kodex abgebildet sind, weisen prononcierte Eigenarten von profanen Kunstwerken auf, die an die Kunstkammer erinnern.192 Entsprechend des von Friedrich dem Weisen im Einleitungstext formulierten Selbstverständnisses als Kunstmäzen und Sammler, sind in ­seinem Heiltumsführer nicht die Reliquienpartikel oder Heilige, sondern kunstvoll gestaltete Reliquiare mit detaillierten Objekt- und Materialbeschreibungen abgedruckt.193 Das Anschauen der Reli­quien in frommer Andacht wurde vom Bestaunen der Kuriositäten, von deren Materialien und Kunstfertigkeit überformt. Die Aufwer187 Zur Bipolarität von Reliquie und Reliquiar: Meyer (1950); Diedrichs (2006), S. 353–355. 188 Zur Epochensignatur: Hamm (2000); Jussen/Koslofsky (1999), 189 Fajt/Royt (1998); Legner (1978). 190 Syndram (2004); Menzhausen (1977); Hantzsch (1902); zu Habsburg vgl. DaCosta Kaufmann (1994). 191 Siehe in vorliegender Studie, S. 357–367. 192 Legner (1995), S. 109f. 193 Merkel (1994), S. 41f.

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84: Lucas Cranach d. Ä gezeichnet und gedruckt: Reliquienstatuette St. Margarethe aus dem Witten­ berger Heiltum, links aus dem Weimarer Skizzenbuch (Anfang des 16. Jh.), rechts aus dem gedruckten Heiltumsführer (1509)

tung des kunstvoll hergestellten Behältnisses zeigt auch der vergleichende Blick auf die Federzeichnungen im Weimarer Skizzenbuch194 und die Holzschnitte im wenig später entstandenen Wittenberger Heiltumsbuch. Im letzteren sind Halterungen, Reliquiare und Statuen noch weitaus expressiver und malerischer gestaltet; Zierrankenwerk erscheint in immer freieren, willkürlicher anmutenden Formen (Abb. 84).195 Die Schätze der Stiftskirchen in Halle und Wittenberg waren reich an derartigen Preziosen. Statt Reliquien sichtbar zu machen, bedienten sich die Reliquiare einer immer differenzierteren Formensprache, die in ihrer kunstvollen Inszenierung Momente der

194 Die dortigen Federzeichnungen stellen zum großen Teil Entwürfe für die zu fertigenden ­Reliquiare dar; Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Reg. O/213. 195 Bruck (1903), S. 214–216.

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Authentizität über­blenden konnte, ohne dass dies als defizitär empfunden wurde.196

Enzyklopädie des Heiltums Die Reliquiensammlungen Friedrichs des Weisen und Kardinal Albrechts offenbaren Strukturmerkmale des Sammelns. Neben dem Streben nach Vollständigkeit sind auch damit einhergehende Ordnungsprinzipien erkennbar.197 So weckte die immer größere Anzahl von Reliquien das Bedürfnis, die Partikel zu klassifizieren und bestimmten Behältern zuzuordnen. Georg Spalatin und seine Mitarbeiter in der kur­ säch­sischen Kanzlei befassten sich mit der Gliederung der immer größeren Reliquienmenge. Bis 1509 hatte die Folge der Gänge nur das Wachstum der Sammlung ausge­drückt, danach orientierte sich ihre Abfolge nach inhaltlichen Kriterien, indem man die Partikel nach bestimmten Personengruppen der Heilsgeschichte gruppierte. In den ersten beiden Gängen des Wittenberger Heiltums konnte der Besucher Reliquien der heiligen Witwen, Jungfrauen, Märtyrerinnen andächtig bewundern, im dritten Partikel der heiligen Ursula und ihrer 11.000 Jungfrauen, im vierten und fünften Gang die Überreste der heiligen Bekenner und Bischöfe, vom sechsten bis zum neunten die der heiligen Märtyrer, im zehnten jene der Apostel und Evangelisten, wobei jedem Apostel ein Reliquiar gewidmet war. Im elften Gang zeigte man Partikel der heiligen Patriarchen, Propheten und Freunde Christi, im zwölften schließlich Reliquien der Passion Christi. Den krönenden Höhepunkt stellte eine Statue des auferstandenen Christus dar, in der sich Partikel vom Grabe Christi befanden.198 Die Exposition kulminierte demnach in Reliquien, die sich auf das Alte und Neue Testament bezogen. Damit tat sich trotz des ausufernden Reliquienkults ein stringenter biblischer Akzent kund. Dieser Schwerpunkt findet sich auch bei den Reformatoren, die allerdings von einer Wirksamkeit der Dinge nichts mehr wissen wollten und stattdessen ausschließlich der Vermittlung von Wort und Schrift vertrauten. Gerade anhand der in den letzten beiden Gängen versammelten Reliquien, der Zeugnisse des Lebens und Leidens Christi, wird deutlich, dass Friedrich bemüht 196 Auch das Bild- und Raumprogramm an den Pfeilern der Vierungskuppel im Neubau von St. Peter in Rom visualisierte die mit den darin verborgenen Reliquien verknüpften Geschichten so intensiv, dass es nicht mehr darauf ankam, die Reliquie auch tatsächlich zu sehen; Preimesberger (1989), S. 143ff.; Legner (1995), S. 1ff. 197 Brüning (2003); Macho (2000). 198 Den endgültigen Schlusspunkt setzte als Allerheiligstes eine die göttliche Dreieinigkeit darstellende, die Hostie in sich bergende Monstranz; Kalkoff (1907), S. 50–66. Schon die Weisung der Reichskleinodien in Nürnberg war einer inneren Dramaturgie gefolgt. Im ersten Gang stand die Kindheit Christi, im zweiten die Reichsinsignien und im dritten die Passion Christi im Mittelpunkt. Dabei bildete die Weisung der Lanze und des Kreuzpartikels sowie des Nagels am Ende des dritten Ganges den Höhepunkt; Machilek (2002), S. 44. In Halle war eine sich steigernde Dramaturgie nicht so ausgeprägt. Bereits der zweite Gang enthielt eine ansehnliche Zahl von Christusreliquien, darunter ein Reliquiar mit einem Stück vom Schweißtuch Christi und eines mit zwei Partikeln vom Kreuz Christi.

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war, alle heilsgeschichtlich wichtigen Ereignisse gegenständlich zu belegen und nachvollziehbar zu machen. Bedürfnisse der Volksreligiosität sprach er damit nur begrenzt an. Hätte Friedrich nur die Massen ansprechen wollen, hätte er sich auf wenige identitätsstiftende Kult­figuren, wie die Nothelfer, die heilige Anna oder die Jungfrau Maria konzentrieren und sie besonders bildhaft inszenieren können. Der sich im Heiltum ausdrückende enzyklopädische Sammlungsgedanke stellt somit eher eine Inszenierungsform der Obrigkeit dar, angeregt von einem Fürsten, der ebenso fromm wie gebildet war. Wenn das Programm vollständig verstanden werden wollte, war eine umfassende, auch detaillierte Kenntnis der Bibel und Hagiographie Voraussetzung.199 Mit Hilfe von Körperreliquien, Berührungsreliquien und auch Antiquitäten aus dem Heiligen Land galt es, alle zentralen Ereig­nisse der Heilsgeschichte vom Alten Testament bis zu den Evangelien und der Legenden der Heiligen dinglich zu belegen und im Rahmen eines narrativen Programms nachvollziehbar zu machen. Vollständigkeit hatten auch die berühmten Sammlungen der frühen Neuzeit im Sinn. Ulisse Aldrovandis Naturmuseum in Bologna zum Beispiel, das 1577 13.000 Objekte und um die Jahrhundertwende 20.000 zählte, strebte nach einer kompletten Erfassung der Natur.200 Noch universaler, aber ebenso enzyklopädisch war ihrem Anspruch nach die berühmte Prager Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. (1552–1612) orientiert.201 Auch die Tatsache, dass die Objekte in den Schränken des von seinem Onkel Erzherzog Ferdinand II. (1529–1594) gegründeten Kuriositätenkabinetts im tirolischen Ambras nach dem jeweiligen Material, wie Gold, Silber, Stein, Holz und Kristall geordnet waren 202, kündigt sich schon bei den Heiltümern in Halle und Wittenberg an. In den sie begleitenden Texten wird – wenn als Gattung von einer silbernen Monstranz, von einem Kristallglas oder von einem Straußenei gespro­ chen wird – das Material, aus dem die Reliquiare bestanden, hervorgehoben. Darüber hinaus ist die in Kunstkammern vorgenommene Klassifizierung zwischen naturalia, artificalia und antiquitates203 – wenn noch nicht konsequent umgesetzt – so doch präfiguriert. War ursprünglich alles wunderbar, allenfalls aufgeteilt zwischen miracula und mirabilia, begann sich jetzt ein empirisches Unterscheidungsvermögen zu entwickeln, das Knochenteile, aber auch Bestandteile der Reliquiare dem Reich der Natur zuordnete, Goldschmiedearbeiten dem Reich der Kunst. Schließlich können mit Andenken aus Palästina heilsgeschichtliche Antiquitäten herausgefiltert werden, wie Steine und Erde von den Stätten, an denen der Erlöser gewandelt war oder Wasser vom Jordan und See Genezareth.204

199 Vgl. dazu auch die unermüdliche Aufzählung der gewiesenen Objekte in der Stadtbeschreibung Wittenbergs bei Meinhardi (1507, 1986), S. 119–139. 200 Von seinen Zeitgenossen als „Zweiter Plinius“ und als „Aristoteles von Bologna“ gepriesen, beschrieb Adrovandi seine Sammlung im Jahr 1595, Findlen (1994); Olmi (1976). 201 Bukovinska (1997); Fučiková (1985). 202 Nach dem ersten erhaltenen Inventar von 1596; Schlosser (1908), S. 46ff. 203 Bredekamp (1993, 2002), Berliner (1928); Schlosser (1908). 204 Pilgerandenken vom Heiligen Land boten hohes Identifikationspotenzial; Andreas (1932, 1972), S. 156f.

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Friedrichs, aber auch Albrechts Enzyklopädismus spiegelte nicht nur eine von humanistischen Impulsen gespeiste Bildung, sondern auch Hybris. Nur die wenigsten Sammler sind gegen narzisstische Sehnsüchte gefeit, in Objekten der Sammlung ihr eige­nes Selbstbild zu projizieren. Der Gedanke der Unsterblichkeit, der sich mit den zusammengetragenen heiligen Gebeinen verbindet, soll sich nicht zuletzt auch auf den Urheber dieses Schauspiels übertragen. Symbolische Formen der Kommunikation zeigen sich in den ­Demutsgesten gegenüber den Reliquien ebenso wie im Selbstbewusstsein, die eigene Stellung gerade dadurch zu erhöhen.205 Nicht genug, dass Schlosskirche und Neues Stift als „Pyramiden“ fungierten, in denen Friedrich und Albrecht, fest entschlossen nicht der Vergessenheit anheim zu fallen, ihr Gedächtnis über den Tod hinaus bewahren wollten; sie setzten sich darüber hinaus als Dramaturgen der gesamten Heilsgeschichte in Szene.

Trennung des Reliquars von der Reliquie Mit dem Sammeln von Reliquien war unmittelbar die Förderung des Kunsthandwerks verknüpft. Denn die in der Regel ungefasst nach Wittenberg und Halle gelang­ ten Reliquien bedurften für ihre Aufnahme in das Heiltum eines repräsentativen Behälters. Das Medium, das die Heilskraft zu transportieren hatte, bestand aus dreidimensionalen Figurationen, in denen sich sichtbar oder unsichtbar die heilsspendende Partikel befand; Abbildungen davon kursierten in aufwändig illustrierten Heiltumsbüchern.206 Im Mittelalter schienen Goldschmiedearbeiten vor allem als Rahmungen für Reliquien sinnvoll zu sein. Diese Indienstnahme des Kunstwerks für die Reliquie schwächte sich im Spätmittelalter deutlich ab. Goldschmiedearbeiten gingen in der Funktion, die Reliquie in Szene zu setzen, nicht mehr auf. Vielmehr gestaltete sich die Hülle so kunstvoll, dass sie am Ende ohne Inhalt bestehen konnte. Das ursprüngliche Mittel verwandelte sich zum alleinigen Zweck. Die Trennung zwischen Reliquie und Reliquiar war vollzogen, als sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Mitteleuropa die Sammlungsform der fürstlichen Kunstkammer durchsetzte. Wie in Kirchenräumen traten auch dort Naturobjekte mit Artefakten in einen Wettstreit, vom monströs verwachsenen Geweih bis zum mikroskopisch fein geschnitzten Kirschkern, allerdings war das auf eine Kammer verdichtete Kurio­se nun von Heiligkeit und kirchlichem Dogma befreit. Die Neugierde war sich nun selbst genug, um Interesse an Kuriositäten zu legitimieren. Die Instrumentalisierung des Kunstwerks für die Reliquie war nicht mehr notwendig.

205 Vgl. allg. Stollberg-Rilinger (2000). 206 Merkel (1994); Cárdenas (2002). Friedrich Bruck (1903, S. 218f.) hat aus dem Weimarer Archiv die Rechnungen der Goldschmiedearbeiten für das Wittenberger Heiltum ediert. Demnach hat der Nürnberger Goldschmied Paul Möller einen großen Teil der Fassungen hergestellt. Vielleicht hat sich auch Friedrich der Weise selbst an manchen Reliquiaren versucht. Wie von Luther und Kaiser Maximilian bezeugt, betätigte sich der Kurfürst in seinen Mußestunden als Drechsler; Ludolphy (1984), S. 77f.; Maurice (1985).

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Von Jahr zu Jahr schienen für Kardinal Albrecht und Friedrich der Weise Kunstgegenstände ein größeres Eigengewicht zu gewinnen. Das Heiltum war für sie ein willkommener Anlass, Kleinodien, Antiquitäten, Kuriositäten und Goldschmiedekunst zu sammeln und auszustellen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Die Behälter bestanden aus unterschiedlichsten Formen, aus Kapseln, Schalen, Gläsern, Kelchen, Hörnern, Kreuzen, Monstranzen, Tafeln, Schreinen, Büsten und ganzen Figuren.207 Reliquiare zeichnen sich allgemein durch besondere Formenvielfalt und Individualität aus.208 Jede Phantasiegrenze sprengend war den Gefäßformen der Sammlung von Wittenberg und Halle eine besondere Variabilität eigen.209 Dass als der eigentliche Schatz nicht die goldenen und silbernen, mit Edelsteinen und Perlen geschmückten Gefäße, sondern deren unscheinbarer Partikelinhalt zu gelten habe, war nun nicht mehr als pure Rhetorik.210 Nicht nur hybrid anmutende Objekte, auch Kreuze und Statuetten waren Ergebnis akribischer Formensprache, mit den zur damaligen Zeit modernsten Bohrern und Schneidemessern hergestellt. Das Wittenberger Heiltum spiegelte zugleich auch die ökonomische Entwicklung in Sachsen mit seinem Reichtum an Edelmetallen. Während noch im 14. und 15. Jahrhundert erstaunliche Gegenstände aus der Ferne nach Europa gelangten – Straußeneier, Elfenbeinhörner, arabische Glas- und Kristallpokale – fand jetzt durch immer differenziertere Goldschmiedearbeiten eine Verschmelzung aus eigener Produktion statt, die auch dem Landespatriotismus zugute kam. Der Prachtcodex aus Aschaffenburg gibt eine Anschauung von der exzeptionel­ len Vielfalt der Monstranzen bzw. Ostensorien, Reliquienschreine oder Figuren, der Kreuze, kostbar gefassten Hörner aus Elfenbein und Straußeneier sowie der silber­ nen Totenköpfe und Brustbildreliquiare. Diese Reliquiare, die Albrecht vorwiegend bei Nürnberger Werkstätten in Auftrag gegeben hat, gehören zum Besten, was das deutsche Kunsthandwerk der frühen Renaissance zu leisten vermochte: „Ein aus dem Aschaffenburger Codex zusammengestelltes ‚musée imaginaire‘ spätmittelalterlicher deutscher Goldschmiedekunst wäre von nahezu umfassender Breite und Vollständigkeit.“211 In vielen Fällen entsprach die Form der Reliquiare der Art der Reliquien. Eine Partikel vom Kreuz Christi war auch in einem goldenen Standkreuz gefasst. Die Skelette der Heiligen wurden in Särgen aufbewahrt, während man sonstige Reliquien von denselben gern in ein Stand- oder Brustbild des betreffenden Heiligen fasste. Das Haupt des Erasmus war beispielsweise in einer Büste des Heiligen geborgen, wogegen das zur Aufbewahrung von Reliquien der heiligen Ursula, insbesondere von Teilen ihres Schiffes, bestimmte Reliquiar auch die Form eines ver207 Bruck (1903), S. 208. 208 Braun (1940); Reudenbach/Toussaint (2005). 209 Redlich (1899), S. 32ff. 210 Siehe in vorliegender Studie, S. 53. ������������������������������������������������������ Dabei wurde keineswegs für jede Reliquie eine Fassung geschaffen, vielmehr waren in jedem Reliquiar zahlreiche Partikel versenkt, wobei die in einem Behältnis vereinigten Reliquien oft ein und derselben Gattung angehörten, je nachdem, ob nun die Partikel von Heiligen, Märtyrern, Jungfrauen, dem Alten oder Neuen Testament stammten. 211 Rasmussen (1976), S. 69.

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85: Ursulaschiffchen aus dem ­Halleschen Heiltum, kolorierte ­Federzeichnung (1526), Aschaffenburg, Hofbibliothek

goldeten Schiffchens annahm (Abb. 85). Beträchtlich ist auch die Zahl der Kristallgefäße und Gläser; hinzu kommen viele Becher und Pokale. Bemerkenswert an diesen Reliquiaren war, dass sie ursprünglich zu profanem Gebrauch bestimmt waren. Bisweilen wurde diesen weltlichen Geräten durch hinzugefügten Zierrat oberflächlich ein sakrales Gepräge verliehen, wenn z. B. der Deckel eines Pokals mit einem Marienbilde oder einem Kruzifix bekrönt wurde. Das Hallesche Heiltumbuch von 1520 besticht durch seine Illustrationen der jeweiligen Gerätschaften. Genau genommen waren es die Reliquiare und Monstranzen, die dem Volk unter Verkündigung des Inhaltes gezeigt wurden, nicht die an sich ebenso kleinen wie unansehnlichen Reliquien. In dieser Zeit konnte mit „Heiltum“ sowohl die Reliquie gemeint sein als auch das kostbare Kleinod, das sie umfasste. Der spätere Wortgebrauch ist schon angedeutet, wenn anlässlich der Übergabe der Kleinodien Erzbischof Ernsts an seinen Nachfolger 1514 ein „Vorzceichnis des heiligthumbs“ angelegt wurde, in dem dann aber lediglich die „silbern bilder und cleynote“, die das Domkapitel Albrecht übergab, aufgeführt wurden, während die darin enthaltenen Reliquien lediglich als Beiwerk Erwähnung finden.212 Selbst wenn in Halle mit den Passionsreliquien die heils­intensivste Partikelgattung überhaupt gewiesen wurde, ist im Text des Ausrufers fast ausschließlich von den sie bergenden Reliquiaren die Rede.213 Dass im Halleschen Heiltum die äußere Erscheinung des Reliquiars im Vordergrund steht und nicht die Reliquien selber, zeigen auch die 212 Redlich (1900), Beilage 23, S. 97f. 213 Siehe in Kontrast dazu die Reliquienorientierung bei der Weisung der Reichskleinodien in Nürnberg, nach Diedrichs (2006), S. 328.

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86: Tischbrunnen aus dem Halleschen Heiltum, kolorierte Federzeichnung (1526), Aschaffenburg, Hofbibliothek

Einträge im Aschaffenburger Prachtcodex, wie „Dye groste Silbernn Brandenburgische Taffell. Inhalt 67 Partikel“214. Zu einem Reliquienaltar mit zwei Kreuzreliquien heißt es: „Eyne ­ gantz güldene Taffel mitt trefflichenn Edeln stey­nenn vnd Berlenn gezciret Darinnenn seyndt zwey sehr große Partickel vom heyligenn Creutze.“215 Eine Verselbstständigung des Reliquiars von der Reliquie strahlen auch die goldenen Apfel- und Birnenpokale aus.216 Der Fuß des Birnpokals aus dem Halleschen Heiltum ist mit naturalistischem Laubwerk, mit kleinen Birnen und Geäst ausgefüllt. Hinzu kommt der empirisch gestaltete Baumstamm. Besonders weit von einem herkömmlichen Reliquiar entfernte sich ein „Eyn grosser Silbernn vergulter Tabernackel mit Bildernn“217 (Abb. 86). Jan Rasmussen hat dieses Gerät mit einer Entwurfszeichnung Albrecht Dürers für einen Tischbrunnen, die heute im British Museum aufbewahrt wird, in Zusammenhang gebracht.218 Bis heute weiß man nicht, wie diese komplexe Brunnenkonstruktion, dessen Silhouette an einen Kelch oder an 214 Prachtcodex, ���������������������������������������������� Hofbibliothek Aschaffenburg������������������� , Ms. 14, fol. 4r. 215 Hallesches Heiltum (1526, 1931), Bl. 86v.; siehe auch die Passage, die als Motto dieses Kapitels dient, S. 141. 216 Timann (2006), S. 273. 217 Er enthielt ausschließlich Passionsreliquien; Prachtcodex, ����������������������������� Hofbibliothek Aschaffenburg��, Ms 14, fol. 94v; Hallesches Heiltum (1526, 1931), S. 33. 218 Rasmussen (1976) S. 75–78; Timann (2006), S. 265; Kohlhaussen (1968), ������������������� S. ���������������� 258ff.; Ausstellungskatalog Halle (2006), Bd. 2, S. 249f. Die Präsentation kostbarer, zumeist silbervergoldeter Springbrunnen gehörte zur Attraktion eines Festbanketts der Zeit um 1500. Oft verbarg sich in ihnen ein technischer Automatismus, so dass die Wasserstrahlen wie von selbst hervorsprudelten.

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87: Kreuzigungsgruppe aus Korallen­ materie aus dem Halleschen Heiltum, kolorierte Federzeichnung (1526), Aschaffenburg, Hofbibliothek

ein Ziborium erinnert, zu einem Reliquiar umfunktioniert wurde. Jedenfalls ersetzte man die ursprünglichen profanen Figu­ren durch einen Schmerzensmann sowie Putten mit Leidenswerkzeugen, auf die Krone setzte man mit dem heiligen Mauritius einen der Patrone der neu gegründeten Stiftskirche. Die Reliquie hatte es schwer, sich in diesem bizarren Ensemble zu behaupten; schien es doch durch Kuriosität und Prunk möglich, weitaus eindringlichere Effekte zu erzielen. So konnte im Halleschen Heiltum eine 1520 gefertigte Kreuzigungsgruppe besichtigt werden, deren Kruzifix sowie Maria und Johannes aus Korallenmaterie geschnitzt waren. Die Seltenheit des Materials paart sich hier mit ihrer blutroten Farbe, um durch diesen Blickfang die Einzigartigkeit der Passion Christi zu unterstreichen (Abb. 87).219 Indizien sind unübersehbar, dass die Gestaltung allmählich einen ästhetischen ­Eigenwert annahm, die das Kraftfeld der Reliquie mehr und mehr an den Rand drängte. In Anlehnung an eine These von Jacob Burckhardt (1818–1897), dass das Sammelwesen der Renaissance im 15. Jahrhundert in Italien mit dem Erwerb der Hausandachtsbilder begann,220 kann man sagen, dass in Deutschland die Sammelkultur mit Reliquiaren einsetzte, mit immer differenzierteren Goldschmiedearbeiten, die ursprüng­lich nur deshalb Objekte von Sammlungen werden konnten, weil sie die Funktion ausübten, Behältnis für eine Reliquie zu sein. Genauso wie das Haus­an­dachts­ bild seine ­ religiöse Kultfunktion einbüßte und sich als Kunst- und Sammler­stück

219 Prachtcodex, ����������������������������������������������� Hofbibliothek Aschaffenburg�������������������� , Ms. 14, fol. 120v. 220 Burckhardt (1898, 2000).

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dem vergleichenden Blick aussetzte, trennten sich die gesammelten Goldschmie­de­ arbeiten von der Reliquie und verwandelten sich von Kultgeräten in Liebhaberstücke.

Vielfalt des Hybriden Hybride waren diese Sammlungen nicht nur deswegen, weil deren Initiatoren der Hybris verfielen, mit Hilfe von Reliquien der gesamten Heilsgeschichte habhaft zu werden. Hybride waren sie auch deswegen, weil Form und Inhalt, d. h. Reliquiar und Reliquie immer weniger zusammenpassten. Zahlreiche Objekte vermochten wie in einer Kunst- und Wunderkammer Sphären der Natur und der Kunst miteinander zu verknüpfen. Darüber hinaus scheint es ein Merkmal der von Friedrich und Albrecht praktizierten Frömmigkeit zu sein, die organische Materie als Rarität ernst zu nehmen, auf symbolische Abstrakta, wie gefasste Straußeneier, Hörner und Nautilusmuscheln zurückzugreifen.221 Schon seit jeher waren die Reiche der Natur und Kunst in der Reliquienverehrung präsent: die Knochensubstanz war von einer glänzenden, kostbaren Fassung – nicht selten sichtbar – eingeschlossen. In der Zeitenwende um 1500 verlagerte sich das reizvolle Zusammenspiel natürlicher und künstlerischer Virtuosität auf die Oberflächen der Behälter selber, wohingegen die Sichtbarkeit der Reliquie in den Hintergrund trat. Nicht wenige Fassungen im Heiltum von Wittenberg und Halle, deren spielerische Momente an Objekte in der Kunstkammer erinnern, strahlen hybriden Charakter aus: Straußeneier, auf deren Spitzen elaboriert herausgearbeitete Protagonisten der communio sanctorum dargestellt sind; eine Muschel, die als Deckelverzierung einen Löwen trägt; auf Tierfüßen stehende Hörner, auf deren Deckel Heiligenfiguren angebracht sind oder Totenschädel aus Silber, der ein Stück der Hirnschale eines Heiligen enthält. Das exotische Rohmate­rial kam meist über Venedig nach Augsburg und Nürnberg und gelangte von dort in den deutschen Kunsthandel.222 Das Gestaltungsvermögen der Natur inspirierte auch das menschliche Kunsthandwerk zu Höchstleistungen. Das zarte Schneckenhaus wurde mit noch feineren Schnitzereien verziert, der natürliche Perlmutt­schimmer durch Goldglanz übertroffen.223 Dem individuellen Geschmack des Auftraggebers waren kaum Grenzen gesetzt. Fein gearbeitet oszillierte das hybride Ding zwischen den Sphären der Kunst und Natur. Wie Giuseppe Olmi festgestellt hat, erreichte dieser ausgeprägte Hang zum Synkretismus, der letztlich in einer Vorliebe für Bizarres und Groteskes begründet ist, seinen Höhepunkt in der Kunst- und Wunderkammer der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.224 Aber schon in Friedrichs bzw. Albrechts Reliquiensammlung ist die Idee einer subtilen Korrespondenz zwischen Kunst und Natur, zwischen Mikro221 Zur Hybridität eines Antwerpener vergoldeten Silberbechers von 1530: Ginzburg (2005) 222 Zur Verbreitung von Naturmaterialien in der Goldschmiedekunst der Renaissance: Kohl­ haussen (1968), S. 351–437. 223 Daston/Park (2002), S. 330. 224 Olmi (1976).

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und Makrokosmos, zumindest in Ansätzen spürbar. Auch hier nehmen hybride Objekte, die durch ihre Beschaffenheit die strukturellen Verbindun­gen zwischen Natur und Kultur manifestieren, eine zentrale Rolle ein.225 Straußeneier zum Beispiel scheinen zu den leichter erreichbaren und weniger kostspieligen mirabilia bzw. naturalia gehört zu haben. Sie waren besonders praktisch; ohne größeren Aufwand konnten sie zur Kuppa eines Pokals verarbeitet werden.226 Straußeneipokale ohne Reliquieninhalt waren daher oft Bestandteil weltlicher Schätze. Im 1469 verfassten Inventar der Hofhaltung des Kurfürsten Ernst (1441–1486) und des Herzogs Albrecht (1443–1500) von Sachsen sind sie verzeichnet;227 der Nürnberger Rat schenkte im Jahr 1471 Kaiser Friedrich III. (1415–1493) statt eines üblichen Gold-Geschenkes im Werte von 1.000 Gulden einen Straußeneipokal, der vormals Kaiser Karl IV. gehört haben soll.228 Im Wittenberger Heiltum waren sie in ihrer Eigenschaft als Reliquiare häufig anzutreffen. Nach der im Jahre 1513 entworfenen Gangordnung bestand die gesamte vierte Abteilung aus gefassten Straußeneiern.229 Auf dem Scheitel des Deckels brachte man als Abschluss nicht mehr nur ein schlichtes Kreuzchen oder ein Ziborium an, sondern mitunter differenziert gestaltete Statu­ ettchen, wie der reitende heilige Georg in Aktion oder der mit Pfeilen gemarterte heilige Sebastian (Abb. 88).230 Auch der Nautilus war ein Objekt, bei dem sich Formenreichtum der Natur und filigrane menschliche Kunstfertigkeit begegnen. Er durfte in keiner Kunstkammer fehlen. So befand sich in der von Dresden nach der Neuordnung von 1640 im schatzkammerartigen kleinen Gemach ein Repositorium mit Perlmuttarbeiten und Gefäßen aus Nautilus- und Seeschneckengehäusen (Abb. 89).231 Inventare von Kunst- und Wunderkammern sprechen von „Berlenmutter“, „Meerschneggen“ oder „perlboot“ bzw. nautilus plynianos.232 Weniger bekannt ist die Tatsache, dass der Nautiluspokal ebenso wie das Straußenei schon seit dem Mittelalter als Reliquiar genutzt worden ist; er adaptiert in seiner formalen Struktur – Verknüpfung von naturalia und artificalia – die Dichotomie von Reliquie und Reliquiar.233 Der Nautilus, „der unter die herausragenden Wunder zu rechnen ist, weil er sich bewegte, in dem er Wasser aus-

225 Neu war diese Objektgattung keineswegs, vielmehr lässt sich ihre Tradition zum Teil bis ins frühe Mittelalter zurückdatieren. 226 Kohlhaussen (1968), S. 138–142, S. 148–154; Schade (1974), S. 166. 227 Vgl. Seidlitz (1921), S. 48, 112; Pfeiffer (1981), S. 12 . 228 Schramm/Mütherich (1962), S. 21. 229 Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 261. 230 Braun (1940), S. 229. 231 Beutel (1683), S. 48. 232 Rasmussen (1983), S. 45; zum großen imaginären Potenzial von Nautilus, Schnecke und Muschel: Bachelard (1957, 2003), S. 119f. 233 Rasmussen (1983); Braun (1940), S. 131, S. 261f. Das zur salischen Dynastie gehörige Klos­ter Limburg besaß schon im 11. Jahrhundert zwei in Gold und Silber gefasste Nautilusgefäße; Schramm/Mütherich (1962), S. 67.

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88: Lucas Cranach d. Ä., Straußeneipokal mit der Miniaturfigur des gemarterten Sebastian, Federzeichnung (Anfang des 16. Jh.), Weimarer Skizzenbuch, Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv

89: Nautiluspokale (um 1600), Dresden, Grünes Gewölbe, Fotografie (ca. 1920)

stieß, und dazu noch sein eigenes Segel setzt“,234 lebt in der größten, nach außen offenen Kammer eines spiralig gewundenen Gehäuses. Die Schale ist aus kalkartigem Sekret des Jungtieres gebildet, deren innere Kammern verschlossen bleiben und die sich hervorragend zum Trinken und Gießen eignet.235 Verbreitung finden die Nautilusreliquiare insbesondere in den Inventaren des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, so Anfang des 15. Jahrhunderts im Domschatz zu Hildesheim und Ende des Jahrhunderts in einem Inventar von Santa Maria Maggiore zu Rom. Nicht weniger als sieben dieser Reliquiare – „Monstrantz“ genannt – erwähnt das Wiener Heiligtumsbuch zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Zwei sind im entsprechenden Verzeichnis von Wittenberg abgebildet, drei führt die Hallesche Version auf, von denen zwei ausgeprägte Profanität ausstrahlen: Die Reliquien waren in perlmuttglänzenden Seeschnecken verstaut, aus deren Öffnung spielerisch ein Ritter oder eine leicht beklei-

234 Giovanni Battista Olivi in seiner 1584 entstandenen Beschreibung des Musaeum Calzorari in Verona, nach Daston/Park (1998, 2002), S. 182. 235 Patzaurek (1937), S. 40–46.

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90: Laszive Frau aus einer Nautiusmuschel, aus dem Halleschen Heiltum, kolorierte Federzeichnung (1526), Aschaffenburg, Hofbibliothek

91: Lucas Cranach d. Ä., Nautilusreliquiar, Federzeichnung (Anfang des 16. Jh.), Weimarer Skizzenbuch, Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv

dete Frau hervor­ragte (Abb. 90).236 Offenbar handelt es sich um umgewandelte Prunk­trinkgefäße.237 Das Nautilusreliquiar von Wittenberg hat einen hohen, schlanken Fuß und trägt den Nautilus wie eine Monstranz. Dem Nautilus selbst, in metallische Gurtbänder gefasst, war auf dem Deckel in Feinarbeit ein kleiner Löwe aufgesetzt (Abb. 91). Der Fuß und hohe Schaft mit seiner kapellenartigen Figuration erin­nern eher an traditionelle Formgebungen. Ebenfalls zum Wittenberger Heiltum gehörte ein silberner Hahn mit abnehmbarem, durch ein Scharnier am Halse befestigten Deckel, dessen Körperpartie aus einem Nautilus bestand (Abb. 92). Schon seit dem Mittelalter konnten Nautilus, Straußenei oder Kokosnuss als Leib in zoomorphe Gefäße, die Greifen, Hähne, Pfauen imitierten, umfunktioniert werden.238 Für den 236 Eine andere Nautilusschale stellte einen Schiffsleib dar, siehe Hallesches Heiltum (1525, 1931), n. 219, 302, 332; Rasmussen (1983), S. 50ff.; vgl. zur Vielfalt der Wesen, die geheimnisvoll aus einem Schneckenhaus hervorschlüpfen: Baltrušaitis (1955, 1997), S. 75–89. 237 Rasmussen hat herausgestellt, dass die Nautilusmuschel als Tischgerät im Frankreich des Mittelalters ihren Ursprung habe, wohingegen in Deutschland ihre Zweckbestimmung von vornherein als Reliquiar festgelegt worden sei; Rasmussen (1983), S. 50. 238 Rasmussen (1983), S. 47; zu Nautilusgefäßen in Form von Vögeln: Patzaurek (1937), S. 37f.

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92: Lucas Cranach d. Ä., Nautilushahn als Reliquiar, 93: Goldschmiederiss für einen Hahnenpokal (um Federzeichnung (Anfang des 16. Jh.), Weimarer 1350) Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissches Skizzenbuch, Weimar, Thüringisches HauptstaatsZentralarchiv archiv

sakralen Gebrauch des „Hane von Berlenmutter“239 im Heiltum von Wittenberg sprach seine Nutzung als Symbol der Wachsamkeit, der Erweckung der Welt für Jesu Christi.240 Ein vergleichender Blick auf die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandene Zeichnung eines Hahnengefäßes im Fürstlich Thurn und Taxis’schen Zentralarchiv (Abb. 93) sowie auf einen um 1600 entstandenen Hahn aus dem Grünen Gewölbe dokumentiert die schon vorausweisende Fassung des Hahns in der Reliquiensammlung Friedrichs (Abb. 94). Bei der Regensburger Variante steht der Hahn mit seinem Nautiluskörper, zur Kuppa des Gefäßes umfunktioniert, auf einem hohen Unterbau. Dessen breiter Fuß geht in einen architektonisch fein gegliederten Ständer in Form einer sechsseitigen Kapelle mit Wimpergen, Fialen und freistehenden Strebpfeilern über.241 Das Exemplar aus dem Wittenberger Heiltum gibt hingegen ein Gefäß in voller Tiergestalt wieder, ohne Schaft oder Ständer, nur mit einem Sockel versehen.242 239 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Reg. �������������� O/213, fol. 9. 240 Gerlach (1970); Müller (1943). 241 Pfeiffer (1981), S. 7; Rasmussen (1983), S. 49. 242 Die auf Holzschnitten des Wiener Heiligtumsbuchs von 1502 wiedergegebenen drei Hahnreliquiare sind ähnlich gestaltet; Rasmussen (1983), S. 49; Pfeiffer (1981), S. 14.

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94: Friedrich Hillebrand, Nautilushahn als Trinkgefäß (um 1600), Dresden, Grünes Gewölbe

Wahrscheinlich haben erst Überlegungen, wie die kostbaren exotischen Naturgebilde genutzt werden könnten, die Entwicklung so ungewöhnlicher Gefäßtypen ausgelöst.243 Dergleichen aus Silber gefertigte Tiere stellte man noch bis ins 18. Jahrhundert her, vornehmlich als Schmuckstücke für die Tische und Kredenzen. Das Nahverhältnis zwischen Reliquien und exotischen Dingen dokumentieren auch die aus Horn angefertigten Reliquienbehälter, deren Überlieferung bereits im 10. Jahrhundert beginnt.244 Ursprünglich waren die Hörner Jagd- und Trinkhörner. Während die Elfenbeinhörner nur wenig gekrümmt sind, zeigen Wisent-, Ochsenoder Auerochsenhörner eine ausgeprägte Biegung. In den Inventaren bezeichnete man diese stark gekrümmten organischen Objekte oft als ungula griffonis, als Greifenklaue, so im Heiltumsbuch aus Wien oder Halle, weil man sie für Klauen, eines monsterähnlichen Vogels ansah.245 Auch in der Druckschrift zum Wittenberger Heiltum befand sich eine vermeintlichte Greifenklaue. Das Reliquienhorn war derartig raffiniert geformt, dass an seinem Schmalende ein Löwenkopf aus Silber mit geöffnetem Rachen herausragte. Außer­dem hatte man unter dem Horn vier Löwenbeine gesetzt, wobei diejenigen am breiteren Ende länger waren. Oben auf dem Horn in

243 Pfeiffer (1981), S. 15. 244 Braun (1940), S. 249; vgl. die mittelalterlichen Beispiele im Ausstellungskatalog Brüssel (1999)������������ , 39 und 40. 245 Braun (1940), S. 55; Hallesches Heiltum (1526, 1931), n. 228, Abb. Tafel 132.

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der Mitte war die sitzende Figur eines Herrschers, vielleicht König Nebukadnezar (um 640–562), angebracht, dessen Reliquien es enthalten haben soll.246 Alle skizzierten Mischobjekte, die durch ihre Beschaffenheit die Verbindungen zwischen dem Reich der Natur und der Kunst manifestieren, waren außergewöhnlich und selten, sowohl im Material, als auch in der kunsthandwerklichen Gestaltung. Auch damals mag ihr Sinn darin bestanden haben, verborgene Zusammenhänge einer grundlegenden Affinität zwischen Objektwelten zu enthüllen, die im Alltag wenig miteinander verband. Der Betrachter konnte so einen Blick in das allen Dingen zugrunde liegende Geheimnis kosmischer Korrespondenzen werfen. Kuriose naturalia und artificalia traten in diesem Sammlungsrahmen in einen Wettstreit. Durch die Zusammenschau der Kunstwerke an einem Ort konnte das Auge des Betrachters ästhetisch geschult werden. Da man die Goldschmiedarbeiten als Reliquiare auf dem Altar gemeinsam aufstellte, war vergleichendes Sehen möglich. Die Reliquiensammlungen in Halle und Wittenberg spiegeln die Entwicklung von der Reliquie zum Ding. Dabei kann man nachspüren, wie sich die Kunst eine selbsttragende Sphäre zu erobern beginnt, eine Entwicklung, die der Kunstkammer zum Durchbruch verhalf. Im Jahr 1587 ließ der sächsische Kurfürst Christian I. (1560–1591) ein Inventar zur Kunstkammer in Dresden in Auftrag geben.247 Im gleichen Jahr verfasste der gelehrte Reisende Gabriel Kaltemarckt dazu eine Expertise. Gegen katholische Reliquien- bzw. Bilderverehrung und calvinistisches Bilderverbot plädierte er für einen dritten Weg, der zunächst noch von Didaktik und Geschichte eingehegt war, aus dem sich aber wenig später ein freier Raum zur Entfaltung von Natur und Kunst herausbildete.248 Die Objektpräsentation war jetzt zwar permanent, aber nur einem ausgewählten Publikum, in der Regel Angehörigen europäischer Höfe sowie gebildeten Bürgern, zugänglich, die sich die Mühe machten, um Genehmigung einer Besichtigung nachzufragen. Weit mehr Menschen konnten die Reliquiensammlungen in Wittenberg und Halle mobilisieren und ansprechen, wenn auch ihre Ereignishaftigkeit von den Momentaufnahmen christlicher Liturgie abhängig blieb. Kein Teilnehmer musste am Tag der Heiltumsweisung eine Erlaubnis einholen, wenn er die prunkvollen Gerätschaften zu sehen begehrte. ÜBERGANG – Sucht man nach einem Scharnierphänomen, das Kirchenraum und Kunstkammer miteinander verknüpft, so wird man in den von Kardinal Albrecht und Friedrich dem Weisen ausgestatteten Stiftskirchen in Halle und Wittenberg fündig. Sie boten Platz für eine immer größer werdende Reliquiensammlung, die vor allem eine Kollektion von Reliquiaren darstellte. Die fürstlichen Sammler setzten damit modellhaft in Szene, was später die Grundzüge der Kunst- und Wunderkammern ausmachen sollten. Bereits in den Heiltumssammlungen waren – zwar nicht permanent, aber zu herausgehobenen Kirchenfesten – sowohl von Menschen geschaffene Gegenstände als auch Objekte aus der Natur, Kuriositäten und Exotika versam246 Braun (1940), S. 252; Cárdenas (2002), S. 51. 247 Klemm (1837), S. 166–184. 248 Gutfleisch/Menzhausen (1989).

196  Vom Heiltum zur Kunst- und Wunderkammer

melt. Elaborierte Gefäße kombinierten Versatzstücke aus unterschiedlichsten Sphären, wie Korallen und andere Naturpräparate sowie Kunstgewerbliches, die im Rahmen bestimmter, je nach Festanlass variierender Arrangements Muster der vertikalen, d. h. auf den Himmel bezogenen Weltan­eignung schufen. Der Schöpferkraft Gottes als „Welt im Kleinen“ durch die Vielfalt hete­rogener Dinge nahezukommen, war auch zentrales Motiv bei Einrichtung von Kunst- und Wunderkammern, deren Geschichte wenige Jahrzehnte nach dem durch die Reformation bewirkten abrupten Ende der mitteldeutschen Reliquiensammlungen beginnt. Das vom Besucher erwartete demütige Staunen angesichts der außergewöhnlichen Objekte hatte schon der Teilnehmer an den Heiltumssammlungen von Halle und Wittenberg erprobt. Die auratische Qualität von Kunst- und Wunderkammern besteht in ihrer verzehrenden Dingbetrachtung; vorbereitet wurde sie durch Heiltumssammlungen, in denen sich die dinggeschichtlich bedeutsame Trennung des Reliquiars von der Reliquie ankündigt. Auf den Behälter, der weniger in dieser Funktion als in seiner Rolle als Kunstwerk aufging, konnte sich der ästhetische Ehrgeiz richten. Um die unscheinbaren Reliquien herum – ein Knochenstückchen, ein Kleidungsfetzen, ein Kreuzsplitter – entstanden opulente und virtuose Glanzstücke des Kunsthandwerks. Sie waren es, die den Heiltümern ein die Augen erfreuendes und imponierendes Ge­wahrsam gaben. Reliquiensammlungen waren das rote Tuch der reformatorischen Bewegung. Rigoros wurden sie zerstört, wenn es nicht gelang, sie außer Landes in Sicherheit zu bringen. Mit purem Vandalismus sind diese Akte der Destruktion keineswegs hinreichend charakterisiert. Vielmehr kristallisierte sich in ihrem Vollzug das neue Wahrheitsmodell des Glaubens. Mit der Zerstörung der Heiltümer, die vonstatten ging, ohne dass ein göttlichen Strafgericht über die Ikonoklasten hereinbrach, schien die Wirkungslosigkeit des alten Glaubens bewiesen, während der neue um das Wort zentrierte Glaube gerade daraus seine Identität schöpfen konnte. Das nächste Kapitel zeigt, dass ein transformierter Reliquienkult dennoch in protestantischen Traditionsgebieten virulent geblieben ist. Er bezog sich nicht mehr auf Heilige und war auch nicht mehr mit einem Sündenablass verknüpft, sondern stellte sich in den Dienst einer massenwirksamen epochalen Erinnerungsfigur.

3. Das Haus, die Stube und die Sachen

Qui non intellegit res, non potest ex verbis sensum elicere. Wer die Sache nicht erkennt, der kann aus Worten keinen Sinn herauslesen. Martin Luther  Schon immer beflügelten Luthers Realien die kollektive Phantasie der Nachleben den, besonders an ihren herausgehobenen Erinnerungsorten. Im „Heiligtum“ der Lutherstuben – ob in Wittenberg, auf der Wartburg oder auf der Veste Coburg – ver sammeln sich seit Jahrhunderten Lutherpilger und bewundern protestantische „Reliquien“. Damit waren meist banale Dinge gemeint, wie Becher, aus denen der deutsche Reformator trank oder Möbel, mit denen er sich umgab,  aber auch symbol trächtige, wie Kanzeln, von denen herab er predigte. Es erscheint paradox, dass sich die an Auswüchsen der Reliquienverehrung in Wittenberg entzündende Refor­mation in ihrer Traditionspflege auf Relikte nicht verzichten wollte. Die Verortung von Lutherrelikten in eine weit zurückreichende Reliquientraditi on lässt sich besonderes gut an dem so genannten Elisabethglas veranschaulichen, das der Göttinger Kirchenhistoriker Bernd Moeller in einem Aufsatz von 1982 „Reli quie Luthers“  getauft hat (Abb. 95). Entsprechend der von Krzys­z­tof Pomian bereit gestellten Kategorien kann in dem Glas – stellvertretend für alle anderen Dinge, die mit Luther in Berührung kamen – eine „semiophore“, d. h. ein Me­dium aufgeladener, vielschichtiger Bedeutung gesehen werden. Bei diesem Objekt handelt es sich um einen kleinen dickwandigen, reich verzierten Becher aus dem Hochmittelalter; sein oberer Durchmesser beträgt genau, seine Höhe wenig mehr als 10 Zentimeter. Als Bestandteil einer Serie verwandter, aber nicht identischer Gläser – den „Hedwigsbe chern“ – ist diese Rarität wahrscheinlich im östlichen oder südlichen Mittelmeer raum hergestellt worden. Manches spricht dafür, dass das Glas im Zusammenhang des dritten oder vierten Kreuzzugs, also um 1200, nach Europa gelangt ist. Glas galt damals als exotisches Wunderwerk, in Transparenz und Schliff mit nichts, was   

    

1540, WA Tischreden 5, S. 26. Laube (2003); Laube (2002); Badstübner-Gröger/Findeisen (1992); Jordan (1922). Luther erhielt von Freunden und Verehrern oft Gefäße und Becher, Heling (2003), S. 64f.; Richter (2003), S. 168; Brückner (1974), S. 268f; vgl. die im Testament erwähnten Gold- und Silbergegenstände, Kelche, Becher etc. bei Fabiny (1983), S. 39. Kutzke (1917); Poscharsky (1963). Aus Anlass der Expo 2000 war die Kanzel aus der Stadt kirche in Wittenberg in Hannover zu sehen. Angenendt (1994), S. 161. Moeller (1991). Pomian (1988). Kröger (2006); Braunfels (1996), S. 44f.; Koch (1981), S. 272–284; Sauerlandt (1912).

200  Das Haus, die Stube und die Sachen

95: Das Elisabethglas (ca. 1200), Coburg, ­Kunstsammlungen

bekannt war, zu vergleichen. War es mit Heiligenpartikeln gefüllt, lag es nahe, den Unterschied zwischen Inhalt und Form, Reliquie und Reliquiar aufzulösen. Die Geschichte dieses Glases kann von 1331 bis 2004 in sechs Statio­nen nachgezeichnet werden, wenn auch zwischen 1541 und 1910 eine erhebliche Provenienzlücke klafft, die bis heute nicht geschlossen werden konnte. –





Im 14. Jahrhundert gehörte dieses Glas zum Reliquienschatz der kleinen Franzis kaner-Niederlassung am Fuße der Wartburg, die 1331 vom damaligen Land grafen, dem Wettiner Friedrich III. (1332–1381), gegründet worden war und wo sich auch eine cella sanctae Elisabeth befand. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Objekt aus dessen Besitz, also von der Wartburg, stammt und vielleicht auch die Funktion ausübte, die glänzende Hofhaltung des thüringischen Landgrafen in staufischer Zeit zu repräsentieren. Spätestens im Jahre 1470 wechselte das Glas den Besitzer: Von den Eisenacher Franziskanern gelangte es zu dem in Weimar regierenden Herzog, dem Wetti ner Wilhelm III. (1425–1482) sowie seiner Ehefrau Katharina von Brandenstein (1463–1492), einem immer noch kinderlosen Ehepaar, dem es als Fruchtbarkeits hilfe dienen sollte. Auf Anforderung versandten diese das Glas auch an schwan gere Frauen der Verwandtschaft, die zum Gelingen der Geburt daraus Wasser

Allg. Reudenbach/Toussaint (2003).

201  Das Haus, die Stube und die Sachen









oder Wein tranken. Insgesamt elf Geburten sollen auf diese Weise beför­dert worden sein. Anfang des 16. Jahrhunderts war das Elisabethglas, wie der Holzschnitt von Lucas Cranach im Heiltumsbuch von 1509 belegt, prominenter Bestandteil der Wittenberger Reliquiensammlung Friedrichs des Weisen.10 Das nun mit Reli quien gefüllte Glas eröffnete traditionell die Reliquienschau. Mit dieser Insze nierung stellte sich der wettinische Kurfürst bewusst in die Tradition dieser populären Heiligen, mit der er sich zudem verwandt glaubte.11 Wer die Reliquien im Glas am Montag nach Misericordias Domini sowie am Allerheiligentag bei ihrer Weisung in der Schlosskirche zu Wittenberg andächtig betrachtete und bestimmte Gebete rezitierte, der erhielt einen genau definierten Ablass, d. h. ihm wurde für gebeichtete Sünden eine entsprechende Frist seiner Leidenszeit im Fegefeuer erlassen. Im Jahre 1541 war Martin Luther Besitzer dieses Glases. Jedenfalls ist in der Predigt, die sein vertrauter Schüler und Tischgenosse Johannes Mathesius (1504– 1565) im Jahre 1541 hielt, dokumentiert: „Er holet auch übern Tisch ein kristalli nen Glas, das Sanct Elisabeth sollt gewesen sein, darin schenket er selber und ließ einen Rundtrunck umhergehen.“12 Die heilige Elisabeth gehörte zu den weni­ gen Heiligen des Mittelalters, der auch Luther seine Verehrung nicht versagte. Es ist davon auszugehen, dass er dieses Glas entweder von Kurfürst Johann dem Beständigen (1468–1532) oder Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen (1503–1554) geschenkt bekommen hat. Zwischen 1541 und 1910 liegt die Geschichte des Glases im Dunkeln.13 Nach Luthers Tod könnte es mit Katharina von Bora (1499–1552) nach Torgau gelangt sein, von wo es nach bisher unerforschten Wegen in die andere ernestinische Residenz, nach Coburg, gelangte. Im Jahre 1910 wurde dieses Glas dort entdeckt. Seitdem ist es eines der kost barsten Exponate in den Kunstsammlungen der Veste Coburg.

Diese Sechs-Phasen-Skizze zeigt, dass das unverändert gebliebene Elisabethglas – isoliert betrachtet – eine eher dürftige Geschichte hat. Reichhaltig hingegen ist die Geschichte seiner Bedeutungen, die ihm zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten zugeschrieben worden sind. In Kloster und Kirche war es – mit oder ohne Partikeln der Heiligen – Teil eines Reliquienschatzes. In Burg und Schloss gehörte es fürstlichen Ehepaaren, die es als Heilmittel nutzten. In Luthers Wohnhaus, d. h. einem säkularisierten Kloster, verwandelt es sich in ein repräsentatives Objekt bür gerlichen Familienlebens. In Privatbesitz war es sowohl Kunstwerk als auch Gebrauchs gegenstand, in der Kirche transformierte sich das Glas in eine Ablass spendende Reli 10 11 12 13

Kalkoff (1907), S. 55; Cárdenas (2002), S. 3f. Siehe in vorliegender Studie, S.151. Mathesius (1565, 1898), S. 434; siehe auch Volz (1930), S. 204f. Ich stütze mich dabei auf die schriftliche Mitteilung von Clementine Schack von Wittenau (Kunstsammlungen der Veste Coburg) vom 5. Juli 2004.

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quie. Sobald das Glas in der Schlosskirche gewiesen wurde, wurde es zu einem Instrument des Austausches zwischen Gott und Menschen eingeschaltet. Das Glas bzw. sein Inhalt hatte jetzt die Funktion, die Blicke und Gedanken der Menschen auf die transzendente Ebene zu lenken. Die Biographie des Dings endet als Exponat eines staatlichen Museums. Dort ist es nur noch Kunstwerk und historisches Zeug nis, was auch bedeutet, dass aus dem Glas nicht mehr getrunken wird. Wie das Zitat seines Schülers zeigt, hatte Luther das noch praktiziert. Mit dem Szenenwechsel durch das staatliche Museum geht das Glas nun in der Vermittlerrolle zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf. Mit Ereignissen aufge laden, materialisiert es die Geschichte und dient ihr als sichtbarer Träger.14 Im ­Unterschied zu Kirchen besteht die Aufgabe der Museen nicht in der Vermittlung des Glaubens, sondern in der Bewahrung der Erinnerung. Beides – Vollzüge der Litur­gie sowie Praktiken der Musealisierung – bewirken eine Metamophose der Din ge. Sie werden dekontextualisiert und herausgehoben, so dass eine Annäherung ohne Respekt und Ehrfurcht kaum mehr möglich erscheint. Wie die Kirche die Reli quie im Reliquienbehälter, präsentiert das Museum die Dinge in einem Raum des Unberührbaren oder Auratischen.15 Wenn das Museum ein Ort der Erinnerung an vergangene und tote, fremde Kulturen ist, können seine Objekte durchaus als „Reli quien“ bezeichnet werden, als Kommunika­tionsmittel zwischen sakraler und profa ner Welt,16 wobei für die Erzeugung von Aura das „Hier und Jetzt“ (Walter Benja min) ihrer authentischen Zeugenschaft konstitutiv ist. Hier eröffnet sich für den Betrachter ein Raum der Imagination, während man über die Dinge selber letztlich wenig erfahren kann, sind doch Dinge, die eine Bedeutung haben, automatisch an­thro­pomorph verzerrte Dinge; das Dinghafte am Ding bleibt weitgehend ohne Sinn.17 Während sich der Gehalt des Elisabethglases permanent änderte, blieb seine Gestalt konstant. Derartig verdinglichte Geschichtsbetrachtungen hatten im reformato rischen Selbstverständnis, das den Buchstaben als Bedeutungsträger wie nie zuvor monopolisiert, keinen Platz. Luthers Feststellung in seinem Großen Katechismus (1529) – „Denn auf den Worten steht all unser Grund, Schutz und Wehr wider allen Irrtum und Verführung.“18 – schien die Sinne des Schauens und Anfassens zu diskreditie ren, wohingegen die des Redens, Hörens und Lesens zu den zentralen Wahrneh mungsformen aufstiegen. Denn allein das Wort war prädestiniert, der eindeutigen Wahrheit nahe zu kommen, während von Dingen und Bildern eine schillernde Mehr deutigkeit ausging. Eine Predigt Luthers aus dem Jahre 1545 brachte den Sieg des Wortes über die Anschauung auf den Punkt: „Christi Reich (ist) ein Hör-Reich, nicht

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Mitunter verweist die Beschriftung bzw. der Katalog auf die Hersteller in weit zurücklie genden Zeiten, im Idealfall auf die gesamte Provenienzgeschichte; Mitterauer (2000). Pazzini (1989), S. 132f.; Rumpf (1995, 1990); Greenblatt (1995); Geimer (2005). Fliedl (1989), S. 35; Fliedl (2000); Korff (2002). Geimer (2005), S. 111f. WA 30/1, S. 224.

203  Das Haus, die Stube und die Sachen

ein Sehe-Reich. Denn die Augen leiten und führen uns nicht dahin, da wir Christum finden und kennen lernen, sondern die Ohren müssen das tun“.19 Während die sich im Votiv- und Reliquienwesen repräsentierende römische Kir che sichtbar in Dingen und Bildern verkörperte, traten in der evangelischen Kirche Prediger des Buchstabens auf, die sich nur mit ihrer neuen wortgewaltigen Theo­ logie legitimieren wollten. Mit dem Wechsel von den sichtbaren Heilsträgern – von Ritus, Reliquien und Bildwerk – zum unsichtbaren Heilsversprechen allein durch inneren Glauben, erhielt das religiöse Bild eine neue Funktion und Bedeutung. Als didaktische Kunst schränkt sie ihr visuelles Potenzial zu Gunsten der Schrift bewusst ein. Luthers Bestreben war es nicht, Bilder abzuschaffen, sondern sie von den „Göt zen“ zu unterscheiden „wenn ein Bild auffgerichtet wird, da man sich für fürchtet und einen glauben drauff setzet, das reisse man hinweg. So ist aber nicht ein Götz ist oder ein Altar, das man die knie dafür beuget, auch nicht einen Gottesdienst daraus macht, so ist es nicht ein Götze, sondern ein Bild, das du behaltest, und ist recht und gut. Das ist der Unterschied zwischen den Bildern und Götzen.“20 Der neue Blickwinkel setzte ehe­mals sakrosankten Gegenstände, die Kirchen, Klöster und private Hauskapellen geschmückt hatten, in Bewegung: Sofern sie die Bilder stürmer nicht gleich zerschlugen und verbrannten, wurden sie versteigert, verkauft, geteilt, als neues Rohmaterial in Umlauf gebracht oder in den Häusern der Altgläu bigen verwahrt.21 Dennoch hat die mit der Lösung von Rom erfolgte Konfiszierung des kirchlichen Besitzes sakrale Bilder, Orte und Dinge keineswegs abgeschafft, son dern eine protestantische Topographie und materielle Kultur hervorgebracht, der kultische Momente nicht fremd blieben.22 So gelang es Lucas Cranach d. Ä., Luthers Botschaft eines unsichtbaren Glaubens an einen Gott, der sich jeder Darstellung ent zieht, zu visualisieren. Allein die Art und Weise, wie seine Bilder von Altgläubigen symbolträchtig beschädigt wurden, entfaltete kultisch anmuten­de Erinnerungs spuren. Im Jahre 1547, nach Ende des Schmalkaldischen Krieges, hinter­ließ ein spa nischer Soldat mit seinem Dolch Stichspuren auf dem berühmten Cranachschen Retabel in der Stadtkirche von Wittenberg, gerade in dem Bereich, wo der predi gende Luther auf der Kanzel abgebildet war. Die Szene zeigt ihn im Moment, als er mit seinem Finger auf den gekreuzigten Christus weist. Niemand unter den Prote stanten wäre auf die Idee gekommen, die Beschädigung zu beseitigen, schien doch mit dieser Spur des Vandalismus die Glaubenstat Luther sichtbar legitimiert.23 In den verschiedenen Lutherhäusern konnte sich die Beziehung zwischen Mensch und Objekt bzw. Besucher und Kunstwerk besonders feierlich und ritualisiert gestal 19

Martin Luther, Predigt über Psalm 8,3 (1545), WA 51, S. 11; siehe auch Nipperdey (1986), S. 37; zur Bilderfrage in der Reformation: Stirm (1977); Koerner (2004); Michalski (1993); Schwebel (2002), S. 50–61. 20 Luther in seiner Predigt über das 5. Buch Moses von 1529, WA 28, S. 677f. 21 Zum Wandel der liturgischen Objekte, der Bilder und Statuen durch die Reformation: ­Simon-­Muscheid (2004), S. 353. 22 ������������������������������������������������������������������������������������� Zur Bilderskepsis, die nicht so radikal war, wie lange angenommen: Reinitzer (2006). 23 Juncker (1706), S. 261.

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ten. Gerade in diesem blendenden Rahmen waren die von der Aura der Einzigartig keit umhüllten Memorabilien zugleich Objekte der Bewunderung, Verehrung und Deklamation, besonders im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter des His­torismus, als die Geschichte zur Ersatzreligion aufstieg.24 Von der langen Vorgeschichte dieser ding haften Idolisierung in der frühen Neuzeit soll nun im Folgenden die Rede sein. Der mit der Reformation einhergehende Traditionsbruch war mit der Konstruktion neu er Herkunftsgeschichten verknüpft, die zur Beglaubigung im besonderen Maße der Authentizität des Objekts bedurften,25 wobei oft auf den Begriff der Reliquie zurück gegriffen wurde. Die Motive des evangelischen Wortgebrauchs variierten: ein kon fessionell-ideologisches Deutungsmuster kann von einem symbolisch-magischen und einem säkular-aufgeklärten Begriffsfeld unterschieden werden.

Reliquie – Relikt Während in der Antike das lateinische reliquiae bzw. das griechische ta leipsana alles begreifen konnte, was von menschlichen und tierischen Körpern sowie deren Hab seligkeiten übrig geblieben war,26 sollte sich der Reliquienbegriff in christlicher Zeit heilsgeschichtlich aufladen und mitunter polemisch zuspitzen.27 Im Lateinischen be­deutet das Wort als Adjektiv lediglich „übrig“ oder „restlich“, erst als Sub­stantiv ent­faltete es eine schillernde Bedeutungsvielfalt, die vom wertlosen Rest bis zum Kult­ objekt gespannt war. In seinen Studien zur italienischen Frührenaissance war Wil helm Sebastian Heckscher (1904–1999) aufgefallen, dass bei Francesco Petrarca (1304–1374) reliquiae und nicht ruina oder fragmenta als Sammelbegriff von verehrungs würdigen Romruinen auftaucht.28 Ihnen wandte man sich als physische Überreste einer historisch gewordenen, unwiederbringlichen Epoche ehrfurchtsvoll zu. Die Segen spendende Wunderkraft herkömmlicher Reliquien transformierte sich in einen Bedeutungsstrahl, der sich auf ein einmaliges, zum Vorbild auserkorenes Zeit alter bezog. Antike Überreste fungieren dabei als Scharnier zwischen Kunst und Natur, indem sie die Welt der Materie zu vermenschlichen vermochten.29 Eine beson dere Nähe zwischen antiquitates und dem Reliquienbegriff ist auch in späterer Zeit erkennbar, gerade bei Vertretern der evangelischen Kirche. Frühgeschichtliche Gefäße, die man auf frisch gepflügten Feldern freilegte und von denen schon der evangelische Pfarrer Johannes Mathesius annahm, sie seien wie Pflanzen aus dem Boden gewachsen,30 sollte sein Kollege Leonhard David Hermann (1670–1736) ein

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Ausstellungskatalog Halle (2008), S. 305–327; Laube (2003). Assmann (1999), S. 53. Thon (1784), S. 7ff.; Hartmann (2010), S. 31–52. Zum Reliquienbegriff, der aus systemimmanenten Gründen in der Kirche immer un scharf geblieben ist: Cordez (2007); Walsham (2010), S. 11–19. 28 Heckscher (1936), S. 28. 29 Bredekamp (1993, 2002), S. 23. 30 ����������������������������� Schnapp (1993, 2009), S. 162.

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einhalb Jahrhunderte später „Reliquien“ nennen.31 Auch der prähistorische Gräber aushebende Pastor Chris­tian Detlev Rhode (1653–1717) bezeichnete seine Fund stücke, wie Urnen, Waffen und Ringe, als „Reliquien“.32 Andere, wie Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Lüneburg (1579–1666) sprachen hingegen statt von „Reliquie“ lieber von sanctas antiquitates.33 Auch zur Natur entwickelte der Reliquien begriff ein konstruktives Verhältnis. Der von Calvin inspirierte Schweizer Theologe Jean Chassanion (1531–1598) verstand unter reliquiae die Überreste großer Knochen, um so die Existenz von Riesen zu beweisen.34 Zwischen 1642 und 1654 wurden in Bologna Ulisse Aldrovandis De reliquis Animalibus exan­guibus libri IV postum veröf fentlicht. Die Bedeutung der Reliquie in der frühen Neuzeit zeichnet sich durch Polyvalenz aus, eingeschränkt wird sie erst wieder, als im Zeitalter der Aufklärung empirische Wissenschaften, wie Ethnologie und Archäologie, mit Totem, Fossil und Fetisch alternative Begriffe kreieren.35 Das Wort „Reliquie“ hat sich in allen europäischen Sprachen etabliert, daneben sind aber auch alternative Bezeichnungen verbreitet, wie im Deutschen „Rest“ oder „Überrest“, denen man aber mit „leiblich“ ein Beiwort hinzufügen hat – „leibliche Überreste“.36 In den romanischen Sprachen hingegen, wie im Spanischen, kann sowohl el resto als auch la reliquia die Bedeutung von „Reliquie“ annehmen, wobei es nun terminologisch möglich war, resto eher säkularen Persönlichkeiten zuzuordnen und reliquia dem genuin christlichen Kult vorzubehalten. So spricht man bei den leiblichen Überresten von Kolumbus (ca. 1451–1506) von restos, aber nicht von reliquia.37 Eine Abhandlung mit dem Titel Reliquiae antiquae urbis Romae konnte im Fran zösischen zu Les Restes de l’Ancienne Rome werden. 38 Im heutigen Englischen muss man hingegen auf das auch „Relikt“ bzw. „Überrest“ bedeutende relic zurück­greifen, wenn man „Reliquie“ meint, es sei denn, man weicht auf das eher ungebräuchliche sacred remains aus. Wurde noch zu Shakespeares Zeiten von reliques gesprochen,39 um damit auch ein wertvolles Ding oder Andenken zu bezeichnen, verwandelt sich sei ne orthographische Gestalt spätestens im 19. Jahrhundert zu relics, wobei die Bedeu tung, dass es sich hierbei um survivals, um überlebte Überreste handelt, in das Zen

Hermann legte in seiner Maslographia (1711) geradezu ein anatomisches Interesse an Ge steinsablagerungen an den Tag. 32 ������������� Rhode (1720). 33 Herzog August d. J. an Philipp Hainhofer, 26. November 1613, aus: Briefwechsel (1613– 1647, 1984), S. 38. 34 Chassanion (1580). 35 Mitchell (2001), S. 176–180. 36 Der Übersetzer einer wichtigen Schrift zum Reliquienverständnis der Aufklärung sprach von „Überbleibsale“, Thon (1784). 37 Tejera (1879); siehe auch Gaibrois (1991); Geimer (2005), S. 109; vgl. die Ausgabe der Revue des Scien­ces Humaines mit dem Titel „le reste, la relique“ bei Farasse (2005) 38 Overbeke (1709). 39 William Shakespeare, The Tragedy of Julius Caesar [1599], 2. ��������������� Akt, 2. Szene: ������� and that great men shall presse For Tinctures, Staines, Reliques, and Cognisance. 31

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trum rückte.40 Benutzt ein englischer Autor in dieser Zeit den Terminus „Reliquie“ wörtlich, d. h. mit „qu“, dann wohl nicht ohne demonstrative Absicht, seine Aussage mit einer besonderen Sakralität zu ummanteln. So nannte der Geologe und Paläon tologe William Buckland (1784–1856) seine 1823 erschienene englischsprachige Abhandlung nicht relics of the deluge sondern Reliquiae Diluvianae, um mit diesem Etikett auch etwas von der sakralen Aura zu transportieren, die in seiner naturwis senschaftlichen Theorie eine zentrale Rolle spielt.41 In diesem semantischen Umfeld wird verständlich, dass Protestanten, die natur gemäß Reliquien im Verständnis der katholischen Kirche rigoros ablehnen mussten, den Terminus zur eigenen Traditionsbildung keineswegs verschmähten, wobei sie sich über die konfessionelle Brisanz dieser mehrdeutigen Rhetorik durchaus im Kla ren blieben.42 Rechtfertigende Äußerungen sind Legion, galt es doch den Anschein abzuwehren, in der evangelischen Kirche gediehen Formen der Heiligenverehrung. „Die Lutheraner halten nicht viel von Reliquiis. Von ihrem Heyland selbst haben sie nicht mehr als drey Stück, sein Wort, seine Tauffe, sein Nachtmahl. Es wird ihnen deswegen niemand nachsagen, als wenn sie mit dem Andencken des seel. Lutheri einige Abgötterey trieben. Unterdessen lassen sie doch nichts umkommen und ver derben, wodurch etwa das Gedechtniß des großen Mannes kan erhalten werden.“43 Tatsächlich hatten Protestanten, die das Wort „Reliquie“ affirmativ in den Mund nahmen, nie die Absicht, auf die den Reliquienpartikeln innewohnende Sünden erlö sende Kraft hinzuweisen, die sich im Rahmen liturgischer Handlungen angeblich vollzieht. Vielmehr sahen sie in „Reliquien“ traditionsstiftende Erinnerungsobjekte. Glaubensgenossen aus Holland und England verfügen über eine zusätzliche Option. Zur Abwertung der katholischen Glaubenspraxis konnten sie damals auf einen anderen Begriff zurückgreifen, der im deutschen Sprachraum so gut wie unbekannt war, auf den des Fetisches. Nach kolonialer Erschließung der portugiesisch beein flussten Zonen in Westafrika analogisierten sie die heimischen Reliquiengebräuche der Katholiken mit der dortigen Fetischpraxis.44 40 41

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Siehe Belegstellen aus dem Oxford English Dictionary unter dem Lemma „relic“. Buckland suchte nach Kompatibilitäten zwischen den Fossilienfunden ausgestorbener Tiere, wie sie in den Höhlen von Kirkdale in Yorkshire gefunden wurden, und der bibli schen Erzählung von der Arche Noah; Buckland (1823). 1902 wurde in London eine Ab handlung veröffentlicht, die bei Shakespeare-Memorabilia bewusst von reliques und nicht von relics sprach; Way (1902); vgl. auch Shakespeare-Reliquien, in: Jahrbuch Deutsche Shakespeare Gesellschaft 26 (1891), S. 113–117. Goetze (1703), S. 259–300. Anonym (1737), S. 173f. Drastische Worte bei Rempen (1698), nicht pag.: „So wird es dem nach auch keiner können verobelen, wenn ich diesen vermaschquerten Spott-Vogel der Heiligen und ihrer Reliquien die Wunderwerck und Reliquien seines heiligen StammHerrn Lutheri vor die Nase werffe, damit er lerne einen Unterschied machen zwischen den Heiligen Gottes und zwischen den Heiligen des Teuffels.“ Zum Fetischbegriff, der im 15. Jh. aus dem Kontakt zwischen der christlichen Reliquienkul tur und den sakralen Objekten der westafrikanischen Küste hervorging: Böhme (2006), S. 178–187; Kohl (2003), S. 25–31.

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Eine begriffsgeschichtliche Annäherung zeigt den Facettenreichtum, den die Reliquie in der frühen Neuzeit bei deutschen Protestanten annehmen konnte. Der Begriff der Reliquie fächert sich auf, in seine konfessionelle Variante als Kampf- und Identitätsbegriff sowie in seine säkulare Version als Souvenir oder museales Relikt. Die magische Bedeutung der Reliquie im Sinne eines Wunder wirkenden Dings ver schwand keineswegs, wenn sie auch allmählich in den Hintergrund trat. Mit der theologischen Kritik der Reforma­tion war also keineswegs eine totale Beseitigung derjenigen religionsgeschichtlichen Elemente verknüpft, aus denen der Heiligenund Reliquienkult seit der Spätantike schöpfen konnte.45

Spuren des Glaubens Der Begriff der Reliquie war gerade im deutschsprachigen Kontext konfessionspole misch kontaminiert.46 Scharf hatte sich Martin Luther gegen den Reliquienkult gewandt. Schon in seinen 1518 vorgelegten Resolutiones zu den Ablassthesen war es ihm ein besonderes Anliegen, die „wahren Reliquien“ ins Bewusstsein zu rücken: „Viele pilgern nach Rom und nach andern heiligen Orten, um den (ungenähten) Rock Christi, die Gebeine der heiligen Märtyrer, die Wohnorte und Fußstapfen der Heiligen zu sehen (was ich zwar nicht verwerfe), aber das beseufze ich, daß wir von den wahren Heiltümern, nämlich von dem vielfältigen Leiden und Kreuz, das die Gebeine und andere Erinnerungszeichen der Märtyrer geheiligt und so großer Ver ehrung würdig gemacht hat, so wenig wissen (…).“47 Zu einem geflügelten Wort ist Luthers knappes Verdikt des „alles tot Ding“ im Großen Katechismus geworden.48 Luther konnte sich dabei die schon längere Zeit virulente massive Kritik aus Huma nistenkreisen am Reliquienglauben zu eigen machen. Dass von den zahllos überlie ferten Kreuzpartikeln ein ganzes Haus gebaut werden könne,49 stellte eine Abwand lung eines Ausspruches von Erasmus von Rotterdam (ca. 1465–1536) dar, „daß vermutlich ein ganzes Lastschiff voll zusammenkäme, wenn man die Partikel alle auf einen Haufen zusammenbrächte“.50 Schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts hatte Guibert de Nogent (1053–1124) in seiner grundlegenden Schrift De sanctis et eorum pignoribus die Unstimmigkeiten des Reliquienkults zum Thema gemacht.51 Die Jung frau Maria hätte mehr Milch geliefert, als es bei einer je auf Erden lebenden Kuh möglich gewesen wäre.52 Mit Sinn für Humor sollte sich Jean Calvin (1509–1564) in 45 46 47 48 49 50 51 52

Angenendt (1994), S. 257ff. Ebd., S. 237f. WA 1, S. 613 [dt. Übersetzung WA 12, S. 272]. WA 30, 1, S. 145. Luther in seiner Predigt zum Fest der Kreuzerhöhung am 14. September, WA 10, 3, S. 333. Erasmus von Rotterdam, Vertraute Gespräche (Colloquia familiaria), übers. von H. Schiel, Köln 1947, S. 101. Guth (1970); Schreiner (1966), S. 31f. Angenendt (1994), S. 264. Topoi der Reliquienkritik, die schon im Hochmittelalter die Ge müter beschäftigt hat, finden sich auch in der Encyclopédie Diderots und d‘Alemberts unter dem Lemma „Reliquie“, Jaucourt (1765).

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seinem Traktat von 1543 unter dem Motto La foi est une vision des choses qui ne se voient pas gegen jegliche dinghafte Adoration im Christentum aussprechen. Leicht fiel es ihm, die Authentizität von Reliquien anzuzweifeln, indem er auf Dubletten hin wies. Zum Kopf Johannes des Täufers meinte er, dass es sich hier um Relikte eines vielköpfigen Monsters handeln müsse, an so vielen Orten tauche ein Schädel dessel ben auf. 53 Der Satiriker Johann Fischart (1546–1591) verbreitete 1583 unter dem Titel Der Heilig Brotkorb Der h. Römischen Reliquien, oder Würdigen Heiligthumsprocken Cal vins Reliquienverständnis im deutschen Sprachraum.54 Auf dem dortigen Frontispiz befindet sich in der Bildmitte ein kesselartiger Behälter mit zu Müll gewordenen Gerätschaften, der die dahinter befindliche Lichtquelle verdeckt. Die von der katho­ lischen Kirche hoch gehaltenen Heiligtümer sind zu Gerümpel einer Rumpelkam mer degradiert, wobei drei Personen sich bemühen, noch das halbwegs Brauchbare herauszufischen (Abb. 96). Chaotisch arrangierte Dinge waren es, durch die auf Stichen die Praktiken der Glaubensgegner auch später kenntlich gemacht wurden. Auf dem allegorischen Bild, das dem über viele Jahrzehnte konkurrenzlosen Werk zur Reforma­tionsgeschichte, dem Commentarius historicus et apologeticus de Lutheranismo (1692) von Veit Ludwig von Seckendorff (1626–1692) vorangestellt ist, ist in ausge prägter Dramatik eine figurenreiche Komposition in einem architektonisch geglie derten Raum, wohl in einer Kirche, dargestellt. Während in der oberen Bildhälfte auf einem vierstufigen Podest, die für den Himmel Auserwählten mit Jesus in der Mitte agieren, erkennt man am Fuß des Podestes als Abbild des irdischen Kampfes gegen Irrglauben und Verführung eine durch gegenläufige Bewegungen gekennzeichnete Menschengruppe. An einem alten bärtigen Mönch, der gerade eine Monstranz und andere Devotionalien trägt, wird gezogen und gezerrt. Ein Rosenkranz, ein Toten schädel, ein Sudarium und Knochen sind dabei zu Boden gefallen.55 Aus diesen Bruchstücken konnte jeder Betrachter die Kernpraktiken der alten Kirche, wie Reli quienkult und Marienverehrung ableiten, während sich die neue Kirche in himm lischer Nähe im Abendmahlskelch spiegelt (Abb. 97).56 Überall, wo sich Neugläubige durchsetzten, waren die in den Kirchen aufbe wahrten Reliquien in ihrer Existenz bedroht. „Die bewahrende Kraft des Luther tums“57 zeigt sich zwar an erhaltenen Altären, Bildern und Figuren, aber keineswegs an Reliquien, die zerstört oder in alle Himmelsrichtungen zerstreut wurden. In wag halsigen Rettungsaktio­nen versuchten Altgläubige, Heiligenreliquien vor den Inko noklasten zu retten. Die aversive Stimmung gegenüber sakralen Dingen war dafür verantwortlich, dass die Gebeine des 1523/24 kanonisierten Bischofs Benno von Mei 53 54

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Calvin (1543, 1962), S. 74–75; vgl. zu Calvins Traité des reliquies Rey (2005); Ronchi (2009). Wegen seiner zahlreichen Worterfindungen gelten Fischarts Übertragungen als eher frei. Fischart, der erst Lutheraner, dann Calvinist war, schrieb gegen den Verfall der Sitten an, den er durch Papsttum und Jesuiten verkörpert sah. Strauch (2005), S. 169–173. Die Bildaussage steht in Kontrast zur besonnenen Methode des Autors, der sich als einer der ersten auf dem Feld der Reformationsgeschichte objektiver Verfahren der Quellenkri tik bediente. Fritz (1997); siehe auch Wartenberg (1997).

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96: Titelbild, aus Calvins Reliquientraktat in freier deutscher Übersetzung durch Johann Fischart (1584)

97: Frontispiz, aus Freiherr von Seckendorffs „Commen­tarius historicus et apologeticus de luteranismo“, Kupferstich (1688)

ßen (1110–1180) im Jahre 1580 nach München gelangten, wo derselbe sogleich zum Patron der Stadt aufsteigen sollte.58 Wer im Zeitalter der Reformation und der Glaubenskämpfe von „Reliquien“ sprach, konnte gar nicht umhin, seinen konfessionellen Standpunkt unmissverständ­ lich klar zu machen. Unter theologisch Gebildeten schien sich an der kon­troversen Reliquienfrage Identität und Wahrheit des eigenen Glaubens Gestalt anzunehmen.59 In polemischer Absicht veröffentlichte der Wittenberger lutherische Theo­loge Wolf gang Franz (1564–1628) zum Reformationsjubiläum von 1617 einen Nachdruck der Heiltums­bücher von Wittenberg und Halle, „Aus Welcher Historischen Erzehlung alle fromme Christen … an fingern greiffen … können/ mit was für grossen Betrug vnsere Liebe Vorfahren/ vnter dem dicken Babstumb geplaget worden.“60 Wie in der Einleitung ausgeführt, sollte der erneute Druck der libelli in einer quasi apotropä ischen Rezeption den Betrug der gegnerischen Kirche entlarven, als ob schon der 58 59 60

Volkmar (2002). Zeeden (1958), S. 296; Reiter (1970). Siehe in vorliegender Abhandlung S. 196. Franz (1618); vgl. dazu Niehr (2010), S. 291–296.

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Anblick der Stiche aufklärend wirkt. Auf der konfessionellen Gegenseite entfaltete Johannes Cochläus (1479–1552) in einer Streitschrift gegen die Lutheraner seine Argumente am Leitfaden der Reliquienverehrung.61 Martin Eisengrein (1535–1578), Theologieprofessor, Konvertit, kaiserlicher Hofprediger und Initiator der Universi tätsbibliothek von Ingolstadt, verteidigte in seinen kontroverstheologischen Schriften den katholischen Reliquien- und Bilderkult.62 Insbesondere die Jesuiten – allen voran Jean Ferrand (1586–1672) aus Lyon – wurden nicht müde, die Echtheit von Reliquien zu propagieren.63 Das Konzil von Trient hatte die sich an Reliquien und Bildern ent zündende Heiligenverehrung als von Anfang an in der Kirche üblich bestätigt. Spu ren reformatorischer Fundamentalkritik waren in der katholischen Argumentation aber nicht zu verkennen, wenn betont wurde: „Ferner soll jeder Aberglaube bei der Anrufung der Heiligen, der Verehrung der Reliquien und dem heiligen Gebrauch der Bilder beseitigt, jeder schändliche Gelderwerb ausgeschaltet und schließlich jede Mutwilligkeit gemieden werden.“64 Während für Luther die Heiligsprechung Bischof Bennos von Meißen, die der ihm abgeneigte Herzog Georg der Bärtige (1471–1539) von Sachsen betrieben hatte, Anlass für theologischen Protest gewesen war,65 transformierte sich für den „gemei nen Mann“ die Popularität des Reliquienkults in eine Projektionsfläche von Ironie und Parodie. So fand im erzgebirgischen Buchholz im Sommer 1524 in Nachahmung der Meißener Reliquienmesse zu Ehren des heiligen Benno eine Spottprozession statt, bestehend aus in Karnevalsmanier verkleideten jungen Menschen und herab würdigenden Requisiten wie „allten faulen fusstüchern“, kotverschmutzten Decken, Mistgabeln oder einem „allten fisschkessel“, der als Weihwasserbecken benutzt wur de. An einem alten Bergwerksschacht wurden unter dem Gelächter der Zuschauer Tierknochen als Gebeine Bennos erhoben und triumphierend zum Marktplatz zurückgebracht.66 Ein als Bischof verkleideter Schausteller hob mit einer schmut zigen Mist­gabel den Kieferknochen einer Kuh mit den Worten: „O liben andechtien, seht, das ist der heilige arschbacken des liben sanct benno.“67 Spöttern des Heiligen- und Reliquienkults begegneten Katholiken mit Parallelen zum „Wunder-Heiligen“ Luther und seinen Relikten, die unter Protestanten ehr fürchtig betrachtet würden, eine immer wieder gezogene Analogie seit den Beobach 61 62

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Cochlaeus (1538), siehe auch Vuesaliensis (1541). Postum wurde von ihm gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine Kontroverspredigt Was vom der lieben H. Gottes Reliquien und Heylthumb, welches in dem Papstumb in so grossen Ehren, zuhalten und zuglauben seye veröffentlicht. Er ist auch Autor einer häufig aufgelegten Ge schichte zur Wunderkraft der Gnadenfigur in Altötting. Ferrand (1647). Concilium Tridentinum, Sessio XXV, Dekret über die Anrufung, die Verehrung und die Reliquien der Heiligen und über die heiligen Bilder (DH), Nr. 1821–1825, S. 578–580, nach Angenendt (1994), S. 242f. Manns (1980), S. 545; Köpf (1990), S. 325 f.; Angenendt (1994), S. 238; Volkmar (2002), S. 157– 164. Mykonius (1524, 1874), Volkmar (2002), S. 175f. Mykonius (1524, 1874), S. 137.

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tungen���������������������������������������������������������������������� des päpstlichen Nuntius Hieronymus Aleander (1480–1542) auf dem Worm ser Reichstag von 1521: �������������������������������������������������������� „[…] beim Verlassen des Wagens schloss ihn [Luther] ein Priester in seine Arme, rührte dreimal sein Gewand an und berühmte sich beim Weggehen, als hätte er eine Reliquie des größten Heiligen in Händen gehabt; ich vermute, es wird bald von ihm heißen, er tue Wunder.“68 I��������������������� nsbesondere die zahl reichen Becher, die mit Luther in Verbindung gebracht wurden, zogen den Spott Andersgläubiger auf sich: „Die Papisten moquieren sich, daß sich unter D. Luthers Haußrath so viel Becher und Gläser befanden, und geben ihm deswegen die Schuld, als wenn er ein guter Schmauß-Bruder gewesen“.69 Ein antilutherisches Flugblatt mit dem „Jubel Glaß“ von 1618 schmähte Luther als genusssüchtigen Trinker.70 Aus Sicht der Altgläubigen wiederholten sich zentrale �������������������������������� Aspekte der alten, von Martin Luther entschieden abgelehnten Heiligenverehrung an seiner eigenen Per son.71 Bausteine und Motive mittelalterlicher Viten kehrten wieder in Legenden, die sich um Luthers Leben ranken.72 Wie ein Heiliger stieg er postum zu einem Vorbild auf, der in Jan Hus (um 1370–1415) seinen Vorläufer gehabt hätte. Der in der LutherIkonographie nicht selten auftauchende Schwan verwies auf den von Hus angesto ßenen reformatorischen Diskurs.73 Man feierte Luther – zumal während der großen Jubiläumsfeiern von 1617 und 1717 – als geistlichen Ritter, Märtyrer, Wundermann, Propheten, Apostel und Evangelisten.74 In diesem Sinne griffen auch Formen einer evangelischen Hagiographie.75 Eine besondere Aura ging von der Kanzel aus, ver band sich doch mit diesem sprechenden Objekt nicht nur Luthers Ausstrahlung als Prediger, sondern darüber hinaus der Kern des Selbstverständnisses der neuen, dem Wort Gottes verpflichtenden Kirche. Dreimal jährlich hielt der Pfarrer in Eisleben von der Sehenswürdigkeit der Lutherkanzel in der Stadtkirche St. Thomas seine Pre digt, an Luthers Geburts- und Todestag sowie am Tag der ersten Katechismusstun de.76 In Padua wurde außerhalb der Kirche San Philippi e Jacobi an der Mauer eine steinerne Kanzel gezeigt, von der Martin Luther gepredigt haben soll.77

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Aleander (1521, 1897), S. 167. Anonym (1737), S. 180; zur „katholischen Antilegende“: Brückner (1974), S. 278–294. Ausstellungskatalog Halle (2008), Abb. 59, S. 104. Zeeden (1950), S. 57; siehe auch Köpf (1990); Fuchs (1998); Angenendt (1997), S. 257f. Zeeden (1950), S. 66. 1531 schrieb Luther: „S. Johannes Hus hat von mir geweissagt, da er aus dem Gefängnis im Böhmerland schreibt: Sie werden jetzt eine Gans braten (denn Hus heißt eine Gans); aber über hundert Jahren werden sie einen Schwan singen hören, den sollen sie leiden.“ Zit. nach Joestel (1996), S. 9. Schönstädt (1982), S. 45. Siehe Georg Majors Vitae Patrum und Georg Spalatins Exempla et sententiae ex vitis et passionibus sanctorums, beides 1544 in Wittenberg publiziert, nach Köpf (1990), S. 334f.; vgl. auch Fuchs (1998). Burschel (2004), v. a. S. 13–81. Keyssler (1740, 1776), S. 1343. „Unser Antiquarius versicherte, dass diese Mann ‚un gran predicatore‘ gewesen, der aber wider den Glauben zu predigen angefangen, als ihm der Pabst sein Versprechen wegen eines Kardinalhuts nicht halten wollen.“ Ebd., S. 1060.

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Auf der einen Seite drohte der Kult um Stätten und Dinge die Glaubensbotschaft zu verdinglichen, zu neutralisieren,78 auf der anderen Seite schienen die Traditionen durch die Reformation derart in Frage gestellt, dass ein Vakuum zwischen Gegen wart und Vergangenheit aufbrach, das der materiellen Kondensierung bedurfte: „Wo keine Legate und Testate mehr zu holen waren, traten die Relikte in den Vor dergrund.“79 Als Relikte in diesem Sinne musste z. B. ein so genannter „PetschafftRing“, ein als Ring getragener Siegelstempel gelten, den Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (1585–1656) permanent an seinem Finger trug, um so seine Identifikati on mit der neuen Lehre zu bezeugen: „und Anno 1652 zu Prag in Böhmen bey dem Keyser selbst, im beyseyn vieler Reichsstände, sich damit sehen lassen, und öffent lich bezeuget, er wolle eher das Leben lassen, als von der Lehre, die dieser Mann gepredigt abweichen.“80 In der Leichenpredigt für den Kurfürsten wurde erwähnt, dass dieser Luthers Siegelring bis zu seinem Tod getragen habe.81 In katholischen Regionen war der Reliquienbegriff eindeutig besetzt und vor nehmlich der Liturgie der Heiligen vorbehalten. Nie wäre man hier auf den Gedan ken gekommen, seine Bedeutung auch auf die leiblichen Überreste derjenigen zu übertragen, die nicht von der Kirche kanonisiert waren. Erst recht verbat sich diese aus deren Sicht veredelnde Bezeichnung, wenn man in den Besitz von Relikten der Glaubensfeinde gelangte. Als Kriegstrophäen tauchten „des zwinglin helm“ und später auch das Schwert und die Streitaxt Hyldrich Zwinglis im 1567 erbauten Luzer ner Zeughaus auf,82 nachdem der Schweizer Reformator 1531, während des zweiten Kriegs von Kappel, gefallen war. Im 17. Jahrhundert kamen ein Säbel und eine Arm brust zur Kollektion dazu, die – beschriftet als „Ausrüstung des Erzketzers Zwingli“ und nicht als „Reliquien“ – den Schaulustigen gezeigt wurde. In der katholischen Hochburg Luzern der Barockzeit, als geschmückte Katakombenheilige hinter Glas ausgestellt wurden, war die Nutzung des Begriffs außerhalb des liturgischen Kon textes Tabu.83 „Reliquien“ wurden sie erst im 19. Jahrhundert von weltlich eingestell ten Protestanten getauft, nachdem die Stücke nach Zürich gelangt waren.84 Wenn 78 Ausstellungskatalog Hamburg (1983); Laube (2002); Müller/Rieke-Müller (2002). 79 Aleida ������������������������������������������������������������������������������������� Assmann (1999), S. 53. Auch der heilige, aus Basalt und Lava bestehende Stein in der Kaaba von Mekka, auf den hin die Muslime aller Welt ihr Gebet verrichten und nach dem die Moscheen archi­tektonisch ausgerichtet sind, mag in diesem Deutungsrahmen veror tet sein; Burton (1855). 80 Juncker (1706), S. 281f.; Goetze (1703), S. 21. 81 Weller (1657), S. 139; Arnold (1967), S. 182f. 82 Rea Rother, Zwinglis Helm und andere Reliquien, Text auf der Webseite der Reformierten Kirche Zürich [http://zh. ref. Ch /content /e3/e1939 /e10912 /e11082/ index_ ger.html; letzter Zugriff: 29. Januar 2009]; zu reliquienhaft verehrten Körperfragmenten von protes­ tantischen Märtyrern: Walsham (2010a); siehe eindringlichen Augenzeugenbericht des Dichters und Numismatikers Joachim Oudaan (1628–1692) zum gelynchten Republikaner Jan de Witt (1625–1672), Manuskript in der Koninklijke Bibliotheek Den Haag 133 M 126, f. 48r–54r, nach Cilleßen (2006), S. 290. 83 Wicki (1990), S. 237–241. 84 Ähnlich verwandelte sich die Trophäe des mit dem Einschussloch versehenen Leder wambstes, das der schwedische König Gustav Adolf (1594–1652) während der Schlacht bei

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hingegen in katholischen Gegenden abseits der Heiligenreliquien von bedeutungs vollen, kultbesetzten Dinge im weltlichen Kontext die Rede war, griff man auf ­Alternativen, wie auf den Begriff der Kleinodie, zurück.85 Im Zeitalter der Reformation und Glaubenskämpfe war der Begriff der Reliquie bei Protestanten allenfalls zur Denunzierung der Andersgläubigen gängig, aber kei neswegs zur Kennzeichnung des eigenen Selbstverständnisses, es sei denn, er wur de in einem ganz spezifischen Sinn gebraucht. Denn besonders unverfänglich war es aus protestantischer Sicht, „Reliquien“ zu spiritualisieren. Reliquia im Sinne einer zu erahnenden heilsvermittelnden vestigia (Spur) stellte einen Schlüsselterminus in innerlutherischen Polemiken der frühen Neuzeit dar. So hat sich um 1620 zwischen der Theologischen Fakultät in Wittenberg und Pastoren des Erzstifts Magdeburg eine Kontroverse, der so genannte Habitualstreit, überliefert, die sich an der Frage entzündete, ob den Menschen auch nach dem Sündenfall reliquiae von Gottes Eben bild innewohnten.86 Johannes Schrader, Pfarrer aus Alvensleben, wetterte gegen die Auffassung, dass bereits der Teufel reliquias devinae imaginis 87 innegehabt hätte und machte sich damit die von Matthias Flacius Illyricus (1520–1575) postulierte totale Verderbtheit der Menschennatur zu eigen. Die professionalisierte, akademi­sche, melanchthonianisch eingestellte, d. h. von Prinzipien der Vermittlung geprägte „Got­ tes­gelehrtheit“ in Wittenberg hingegen wehrte sich gegen diesen Fundamentalis mus.88 Während die Magdeburger Geistlichen die Erbsündenlehre zuspitz­ten, indem sie energisch dem Menschen auch noch den kleinsten Splitter prä­lapsarischer Gött lichkeit bestritten, ließ das Wittenberger gelehrte Luthertum Reliquien der Gottese benbildlichkeit im Menschen allein deswegen gelten, da der Mensch trotz seiner Sündhaftigkeit moralisch unterscheiden könne; zudem sei ihm das Verständnis der Zahlen gegeben. Überhaupt war nach deren Auffassung die Erkenntnis Gottes aus der menschlichen Vernunft heraus nur denkbar, wenn dem Menschen auch nach dem Sündenfall noch etliche göttliche „Reliquien“ inhärent geblieben sind.

Splitter der Magie Der protestantische Reliquienbegriff bliebe unvollständig, wenn er sich in seiner Ausprägung als konfessioneller Kampfbegriff oder als spirituelle Selbstvergewisse rung erschöpfte. Darüber hinaus waren ihm auch magische Konnotationen eigen. Nicht zuletzt sie verwandelten Relikte, die mit Luther in Beziehung stehen, in „Reli

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Lützen im Jahr 1632 getragen hatte, von einer Trophäe zu einer säkularen Reliquie, als das Relikt Ende des Ersten Weltkrieges von Wien in die Rüstkammer von Stockholm gelangte. Vgl. u. a. Bock (1864). Noch Julius von Schlosser nannte die in einem Kasten der Ambraser Wunderkammer aufbewahrten besonders wunderlichen Dinge, wie „ein Scheit Holz, das zu einem Stein geworden war, als es ein ungläubiger Bauersmann am Tage eines Heiligen unter gröblicher Rede spalten wollte,“ nicht bloß „Reliquien“, sondern sprach lieber von „kuriosen Profanreliquien“, Schlosser (1908), S. 59f. Theologische Fakultät Wittenberg (1620), S. 132ff. Schrader (1621), S. 155. Friedrich (2004a), S. 290–294.

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quien“. Wenn es auch von Anfang den Anhängern der Reformation ein Anliegen war, Momente des Kultes durch Memoria zu ersetzen, beeinträchtigte die Akzent verschiebung von der Anbetung zur Erinnerung, wie sie in der Stadtkirche zu Jena in lateinischen Worten über der Grabplatte mit dem ganzfigurigen Relief Martin Luthers zu lesen ist,89 die Macht der Bilder keineswegs. Vielmehr ging sie in der populären Wahrnehmung weit über das von Luther zuge­lassene Bild als Gedenkbild sowie als Illustration von biblischen Geschichten hinaus.90 Bei den Beispielen, die jetzt folgen, begnügt sich das religiöse Bedürfnis in der Regel nicht mit dem magi­ schen Potenzial, wie es der lebensechten Wiedergabe von Bildern inhärent ist,91 viel mehr ist es auf anschauliche, narrativ eingebettete Zeichen des Wunders angewie sen. Dass sich Lutheraner als „Kultbildfrevler“92 in Szene setzten, ist bekannt, weniger die Tatsache, dass sich das Bild auch bei ihnen zu einem Kultding entwickeln konn te. Andachtsbilder verwandelten sich zu einer Art Fetisch, wenn sie zerrieben wur den, um eine heilende Wirkung zu erzielen.93 Dinge und Bilder sind nicht statisch, sie agieren. In der Kirche zu Wurzen während des Dreißigjährigen Krieges war das Ding eines Bildes so wirkkräftig, dass ein katholischer Soldat, der gerade im Begriff war, dem Lutherbildnis die Augen aus­zustechen, vom Stuhl stürzte und sich das Genick brach. In Dresden wird an der Mauer der ehemaligen Schlosskirche ein Lutherbild sichtbar, auch nachdem es frisch übertüncht wurde.94 An Heiligen- und Gnaden­bilder erinnernde Lutherbilder konnten Feuch­tigkeit ansetzen oder vom Feuer unbeschädigt bleiben.95 Während in Rom Ma­rienbilder „weinten“ bzw. „blu teten“,96 gab es Kirchen im mitteldeutschen Raum, wo dort aufgehängte Lutherbild nisse zu „schwitzen“ begannen, sobald während einer Predigt aus Luthers Schriften zitiert wurde. So war das Lutherbild in der Kirche des Dorfs Ober-Roßla im Weima rer Fürstentum in den Jahren 1651, 1681 und 1705 voller Tropfen, und zwar gerade im Bereich des Gesichtes und der Bibel, „wel­ches demnach nicht von der Feuchtig keit der Mauer kann herrühren / zumahl die andern dabey stehenden Bildnisse dergleichen nicht gezeiget.“97 Auch vor einer großen Überschwemmung im Jahr 1613 89 Nos dei gratia, Joh Guilelmus dux Sax. Landgr. Duringiae Marchio Misn. Lutheri Effigiem non cultus, sed memoriae gratia huc posuimus. A. ��������� MDLXXI, nach Juncker (1706), S. 267; Goetze (1703), S. 31. Johann Wilhelm (1530–1573), Herzog von Sachsen-Weimar, hatte die Grab platte im August 1571 in der Jenaer Michaeliskirche aufgestellt, weil sie nicht an die alber tinische Linie der Wettiner gelangen sollte, in deren Herrschaftsbereich Wittenberg nach der Schlacht von Mühlberg im Jahre 1547 lag. 90 Luther, Wider die himmlischen Propheten, von Bildern und Sakrament (1525), WA 18, S. 80; allg. Michalski (1993). 91 Bredekamp (1995). 92 Kretzenmacher (1977), S. 94–106. 93 Freedberg (1989), S. 178; vgl. Clemen (1937). 94 Gruppe (1974), S. 308. 95 Brückner (1974), S. 269; zur Handlungsmacht religiöser Bilder: Bräunlein (2004), S. 211ff. 96 ���������������������������� Misson (1688, 1713), S. 642. 97 Anonym (1737), S. 174, S. 181; Tentzel (1706), S. 310.

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98: Unverbrannter Luther, Öl auf Holz (1583), Eisleben, Luthers Geburtshaus

soll das Bild dreimal am Tag „ge­schwitzt“ haben.98 Tropfen trug das Bild auch, als der Prediger am 16. November 1651 aus Luthers Schrift An die Ratsherrn aller Städte deutschen Landes (1524) zitierte. Wenn mit Luther in Zusammenhang stehende Bild nisse, Bücher und Räumlichkeiten Brände unbeschadet überstanden, war es nur ein kleiner Schritt, daraus die Unzerstörbarkeit seiner Lehre abzuleiten.99 Ein im Brand unversehrt gebliebener Kupferstich Luthers aus dem heute thüringischen Artern wurde nach der Katastrophe in der Audienzstube „des Hochgräflichen Mansfel dischen Consistoriums“ in Eisleben gezeigt. Über dem Bild war folgende Inschrift angebracht: Effigiies Lutheri in incendio Arterensi Anno 1634 mirabiliter fernata.100 Alte Stadtchroniken von Magdeburg wussten zu berichten, dass die Zelle im AugustinerKloster, wo Luther sich 1497 aufhielt, wie durch ein Wunder die Einäscherung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg (1631) überstanden hätte.101   98   99 100 101

Gruppe (1974), S. 309. Scribner (1986). Juncker (1706), S. 271–273. Anmerkung unten bei Keyssler (1740, 1776), S. 1341; Goetze (1703), S. 9; Juncker (1706), S. 275.

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Eine Holztafel mit dem ganzfigurigen Porträt Martin Luthers eines unbekannten Eislebener Malers, die seit Ende des 16. Jahrhunderts über der Haustür seines Geburts hauses in Eisleben angebracht war und die die Inschrift trug „Anno 1483 ist D. Mar tin Luther in diesem Haus geboren und zu St. Peter getauft“, erhielt die Bezeichnung „Unverbrannter Luther“ (Abb. 98).102 Einem Autor war dieses Thema im Jahre 1718 sogar eine eigene Abhandlung wert.103 Das Gemälde stellt eines der wenigen erhal tenen originalen Ausstattungsstücke aus dem Luthergeburtshaus vor dessen Zerstö rung durch den Stadtbrand im Jahr 1689 dar. Später übertrug sich die vermeintliche Unzerstörbarkeit des Gemäldes auf das gesamte Geburtshaus, was seiner totalen Zerstörung im Jahr 1689 diametral widersprach.104 Verquickt war die Mär vom „unverbrannten Luther“ mit seiner Biographie, da er selbst dem Feuer des Scheiter haufens entkommen sei. So stellten die unversehrten Artefakte als göttliche Zeichen Propagandamedien gegenüber den Gegnern der Reforma­tion dar.105 Protes­tanten griffen somit einen Topos auf, der auch beim mittelalterlichen Reliquienkult gang und gäbe war, galt doch die Feuerprobe als Mittel, um festzustellen, ob Reliquien authentisch waren, denn nur falsche Reliquien verbrannten.106 Andererseits konnten sie sich auf das Alte Testament berufen, auf die Berufungslegende des Moses, in deren Mittelpunkt ein brennender Dornbusch steht, der sich nicht in Asche auflöste. Während so mancher Betrachter eines Bildes sich einem kaum zu ertragenden physischen Druck ausgesetzt gesehen haben mag – als ob das Sehen als Form des Tastens das Gesehene in seiner Agressivität aktivierte107 –, war in der protestan tischen Volksfrömmigkeit die magische Besetzung der mit dem Reformator in Ver bindung gebrachten Gegenstände noch durchaus verbreitet. Schon Luther selber destruierte den Wunderglauben keineswegs, wenn er ihn auch als vom Bösen bzw. Teufel verursachte Erscheinung negativ besetzte. Mit Selbstverständlichkeit nahm er Mirakel an Wallfahrtsorten als übernatürliche Erscheinungen hin.108 So sehr nun Vertreter der lutherischen Orthodoxie Momente der Wunders aus dem Gottesdienst verbannten, umso stärker schienen sie sich ein Ventil im zwischenmenschlichen All tag zu suchen.109 „Ein Handwercke-Pursche hat zu Eisleben einen Splitter von dem Bette geschnitten/darinnen Lutherus gestorben/und damit als mit einem Heiligt hum aller Orten geprahlet.“110 Manche glaubten sogar, dass die Holzpartikel des 102 Steffens (2008), S. 63–65. 103 Schöpffer (1718). 104 „In Eisleben zeiget man das Haus, darinnen er ist gebohren worden. In etlichen Feuers brünsten blieb es stehen, dahero man glaubte, dass es unverbrennlich wäre“; Anonym (1737), S. 174; vgl. auch Tentzel (1706), S. 310; Alte und Neue Curiosa Saxonica (Junius 1737) S. 181. 105 Scribner (1986), S. 38–46. 106 Angenendt (1993), S. 162; Schreiner (1966), S. 9f. 107 Schon die vorreformatorische Sehtheorie eines Nicolaus Cusanus (1401–1464) vermag der artige Mechanismen aufzudecken; Bredekamp (2010), S. 239–244; Sanvito (2008). 108 WA 27, S. 510f.; Reiter (1970), S. 28. 109 Thomas (1971); Scribner (1993), siehe auch Warburg (1920, 1998). 110 G. Zeidler nach Goetze (1703), S. 31.

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Bettgestells vor Zahnweh und anderen Gebrechen helfen könnten.111 Gottfried Arnold (1666–1714) sollte an der Wende zum 18. Jahrhunderts diese Heilpraxis in seiner Kirchen- und Ketzerhistorie als „subtile Abgötterei” betrachten.112 Ähnlich ver fuhren die Besucher auf der Wartburg nicht nur mit dem Bettgestell in der Kammer der heiligen Elisabeth, sondern auch mit Holzspänen aus Luthers Stube. Auf einer Bank im Bürgerhaus zu Worms soll ein Glas Wein zersprungen sein, ohne dass es berührt worden wäre. Luther hatte es dort abgestellt, nachdem er im Eifer der Dis kussion nicht zum Trinken gekommen war. „Diese Banck ist bey allen Curiosen so remarquable, dass fast kein Fremder in diese Stadt kommt, ohne dieses Haus wegen gemeldter rarität zu besehen (…).“113 In Maximilien Missons (1650?–1722) Reisebe schreibung wird diese Begebenheit sogleich mit Luthers Auftritt gegenüber dem Kaiser in Zusammenhang gebracht. Zerbrochen sei das Glas, weil er so laut geredet habe. Zugleich sei ihm dadurch das Leben gerettet worden, denn der Wein darin sei vergiftet gewesen. „Es sey ihm aber, wie ihm wolle, so ist doch gewiß, dass der ort, worauff das glaß gestanden seyn soll, gantz ausgehöhlet war, wegen der Splitter, die davon abgeschnitten, und die einige von dennen eyferigen Lutheranern zum Anden cken D. Luthers, als etwas gar sonderliches auff­zuheben pflegen.“114 Auch das spielerische Potenzial der Natur nahm bisweilen das Markenzeichen der Reformation an. In den Bergwerken um Eisleben entdeckte die Phantasie Neu gieriger auf Schiefergestein das Porträt Martin Luthers, „welches wenigstens von eben so vielen Ansehen und Beweiß von der Wahrheit seiner Lehre seyn muß, als wenn die Römisch-Catholischen den Papbst oder einen anderen zu ihrer Lehre pas sender Figur in Mamor … entdecket haben.“115 Selbst Gottfried Wilhelm Leibniz meinte an einem Gestein ein Zufallsbild in der Gestalt Luthers zu erkennen, nach dem er im Herbst 1685 eine Reihe schwer zugänglicher Höhlen im Harz besucht hatte. Der Universalphilosoph ließ sich aber nicht täuschen und wies darauf hin, dass hier kein Naturwunder walte oder eine darüber hinaus weisende göttliche Macht, sondern dass dieses Gestein durch die menschliche Einbildungskraft so erschien, genauso wie man zum Beispiel in Wolken Gebirge oder Schlachtengebilde erkenne.116

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Keyssler (1740–1742, 1776), S. 1117f. Nach Brückner (1974) S. 26. Neickel (1727), S. 133. Misson (1688, 1713), S. 95. Der normannische Hugenotte Maximilien Misson ging nach dem Widerruf des Edikts von Nantes durch König Ludwig XIV. im Edikt von Fon tainebleau (1685) nach England. Von dort aus begleitete er als Hofmeister die Enkel des Herzogs von Ormond auf ihrer Grand Tour durch Holland, Deutschland und Italien. Seine später veröffentlichte Reise nach Italien zählt zu den wichtigsten Italienhandbüchern des 18. Jahrhunderts. 115 Keyssler, (1740–1742, 1776), S. 1117f. 116 Dagegen seien steinerne Figuren von Schalentieren tatsächlich überprüfbare Reste von einstmals ­lebendigen Organismen; Bredekamp (2004), S. 120; Keyssler (1740, 1776), S. 1118.

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Neugier, Erinnerung und Gefühl Erst in der zweiten Hälfte der frühen Neuzeit, einer Zeit, als sich die Glaubensge gensätze spürbar abschliffen, scheint es den Protestanten möglich gewesen zu sein, von „Reliquien“ zu sprechen, ohne damit den katholischen Bedeutungszusammen hang zu bejahen. Über die Gründe, weshalb deutsche Protestanten auch ihre eigene materielle Überlieferung als „Reliquie“ etikettierten, kann man nur spekulieren. Vielleicht beabsichtigten sie mit dieser Rhetorik, ihrem Glauben die Würde eines hohen Alters zu verleihen. Gerade weil Reliquien das Sakrale und eine weit in der Vergangenheit verankerte Kontinuität verbürgen, schien der Begriff für Protes­tanten attraktiv.117 Von Anfang an waren dem von magischer Aura umgebenen, ursprüng lich religiös besetzten, zur Legitimierung des eigenen Glaubens bzw. zur Abwer tung des Andersgläubigen genutzten Begriff auch säkulare Facetten eigen. Im 17. und 18. Jahrhundert sollten sie zur dominanten Bedeutungsschicht aufsteigen. Wenn im protestantischen Deutschland fortan von „Reliquien“ gesprochen wurde, bezeich nete man damit nicht zuletzt erinnerungsstiftende, bisweilen auch skurrile Gegen stände.118 Dabei lösten sich Momente der Verehrung nicht ersatzlos auf, vielmehr trans­formierten sie sich zeitspezifisch. Das Neue bestand nun darin, dass sie weit gehend losgelöst von jeglicher christlich-theologischen Fixierung zur Geltung kamen. In Abhandlungen wie De reliquiis Lutheri, diversis in locis asservatis des Lübecker Superintendenten Georg Heinrich Goetze (1667–1728) aus dem Jahre 1703 werden unter „Reliquien“ paragraphenweise Mönchszellen in Magdeburg oder Erfurt, Lutherstuben auf der Wartburg und in Wittenberg, Ringe und Becher und schließ lich – als autographi­sche Reliquien119 – Manuskripte behandelt (Abb. 99). Das hinge gen, was ursprünglich mit „Reliquie“ gemeint war – Knochen und andere Bestand teile des Körpers –, umfasst das Reliquienverständnis Goetzes ausdrücklich nicht mehr. Entsprechend der Unterscheidung des Erfurter Lehrers und Philologen Johann Gottlob Samuel Schwabe (1746–1835) stellte eine Reliquie in Abgrenzung zu einem Monument einfach nur einen handlichen Überrest dar, eine absichtslose Überliefe rung meist banaler Dinge von bedeutenden Personen.120 Aber auch raumgreifende Stücke stiegen im protestantischen Verständnis zur „Reliquie“ auf. Selbst die Luther 117 Eine Reihe von Abhandlungen über das Thema „Lutherreliquien“ erscheint zu Ende des 17. bzw. zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Kurfürstentum Sachsen. Es scheint, als ob die Konversion des sächsischen Kurfürsten Friedrich Augusts I., ohne die er 1697 als August II. nicht hätte die polnische Königskrone erringen können, eine Annäherung an katholi sche Termini bewirkt hätte. 118 Bücher, die im Titel von „Reliquien“ sprechen, finden sich gehäuft zu Beginn des 18. Jahr hunderts sowie 200 Jahre später, siehe Juncker (1706); Doleschal (1887); Kroker (1907). 119 Auch der Kult um Luthers Handschrift setzt schon zu seinen Lebzeiten ein. Manum meam petisti, ecce manum habes [Du fragst nach meiner Hand, hier hast Du sie], so lautete Luthers kürzeste Antwort auf einen Brief, Rublack (2010). 120 Ein „Moniment“ hingegen sei eine absichtsvolle Überlieferung, nicht unbedingt mobil, dafür reprä­sentativ, wie ein Epitaph zum Beispiel; Schwabe (1817).

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99: Georg Heinrich Goetzes Schrift über „Lutherreliquien“ (1703)

stube wurde so bezeichnet.121 Im 19. Jahrhundert sollte es nicht problematisch sein, im Lutherhaus von Wittenberg Memorabilien des Reformators in einem Raum zu prä sentieren, der den Namen „Reliquien-Saal“ trug.122 Darüber hinaus ging auch von Druck- oder Handschriften auf der Grundlage des von den Reformatoren mono­ polisierten Schriftprinzips reliquienhaftes Potenzial aus. Um das gedruckte und geschrie­bene Wort zu veredeln, griffen Deutsche, die evangelisch sozialisiert waren, vorzugsweise auf den Terminus der Reliquie zurück.123 Wie im theologischen „Habi­ tualstreit“ 150 Jahre früher konnte mit „Reliquie“ auch eine vollständige Entmateri alisierung verknüpft sein. In seiner 1766 veröffentlichten Abhandlung Reliquien fixierte der sich in pietistischen Kreisen bewegende, aus Württemberg stammende Politiker und Publizist Freiherr Friedrich Karl von Moser (1723–1798) diesen Begriff im Sinne eines gehaltvollen Gedankensplitters: „Welch unermessliche Summen von 121 Goetze (1703, S. 18) führt sie demgemäß unter den Reliquien Luthers auf, als das Museum im Collegium Augusteum, quo Ejus servaret memoriam. 122 Laube (2003), S. 143–155. 123 Gaedertz (1885). Diese Tendenz breitete sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr aus. So hat Maximilian Curtze 1875 eine Abhandlung unter dem Titel Reliquiae Copernicanae nach den in Uppsala befindlichen Originalmanuskripten herausgege ben. Insbesondere mit dem Aufschwung der Autographensammlungen scheint dieser Begriff intensiv genutzt worden zu sein; zur Benennung der reichhaltigen Autographen sammlung der Lutherhalle: Kornmeier (2003), S. 229ff. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg kulminierte der Kult um die Handschrift in der theatralischen Ausstellung des originalen Briefes von Martin Luther an Kaiser Karl V. im Erker der Lutherhalle; Laube (2002a).

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Reliquien enthält das Reich der Geister? Millionen unerfüllter Wünsche, zerronnener Anschläge, ungestillter Klagen, unerhörter Seufzer, zernich­teter Eitelkeiten, unge bohrener Gedanken, unausgebildeter Möglichkei­ten, Wahrheiten, zu predigen.“124 Friedrich Gottlieb Klopstocks (1724–1803) Ode „An Fanny“ wurde 1810 unter dem Titel Eine Reliquie publiziert. Von 1803 bis 1806 veröffent­lichte Herderfreund Johann Georg Müller (1759–1819) aus Schaffhausen unter dem Titel Reliquien alter Zeiten, Sitten und Meinungen vier Bände von Aufsätzen zur Kirchengeschichte – vom Urchri stentum bis zur neueren Missionstätigkeit.125 Die ­Reliquie hatte hier nichts mit einem handfesten Ding oder dürren Knochen zu tun, sondern wurde als Synonym für „Denkwürdigkeit“ gebraucht.126 Diese Spiritualisierung war bereits dem frühen her kömmlichen Reliquienkult eigen. Dementsprechend lassen sich auch die hagio­ graphisch über­lieferten Erzählungen über Märtyrer und andere Heilige in einen erweiter­ten Reliquienbegriff einbeziehen.127 Reliquien scheinen stets „in Geschichten verstrickte“ (Wilhelm Schapp) Gegenstände zu sein.128 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass im protes­tantischen Verständnis Reliquien multimedialen Charakter aufwei sen. MUSEALE SKURRILITÄTEN – Jean Berry (1340–1416) hatte es bereits im späten Mittelalter vorgemacht: Reliquien war die Dimension des Kuriosen inhärent, der Milchzahn der heiligen Jungfrau Mariens stand in einer Phalanx mit Bezoaren, Schlangenkiefern sowie einem in mikroskopischer Größe geschriebenen Evangeli entext.129 Daran konnte die nach der Reformation allmählich entstehende Museums kunde anschließen. Mit ihr ist eine erste pointiert säkulare Sphäre markiert, in der der Reliquienbegriff heimisch werden konnte, der sich an Dichtern vollziehende Geniekult sollte später folgen.130 In dem Anfang des 18. Jahrhunderts erschienenen Kompendium Musaeum Musei Musearum von Michael Bernhard Valentinis (1657– 1729) waren „die berühmtesten Reliquien Christi und Mariae (Dornenkrone, hl. Rock) … einträglich mit dem Schwert des Hussiten� žižka“131 gemeinsam abgebildet. Der museal-memoriale Charakter der Gegenstände tritt zunehmend in den Vorder grund. Auf Dinge, die in der fürstlichen Kunstkammer gezeigt wurden, stützte sich auch die zu Beginn des 18. Jahrhunderts vom Dresdner Bibliothekar und Rektor des dortigen Gymnasiums Christian Juncker (1668–1714) veröffentlichte Abhandlung 124 Moser (1766, 1866) [Vorrede]; vgl. dazu die Kontroverse bei Ortmann (1767), anonym (1767). 125 Klopstock (1810), vgl. auch die Reliquien des Fräulein von Klettenberg bei Lappenberg (1849) 126 Auch der Dichter und Seelenforscher Friedrich Carl Casimir Freiherr von Creutz (1724–1770) nutzte in Reliquien unter moralischer Quarantaine (1767) den Terminus in diesem Sinne. 127 Den traditionellen Reliquienbegriff erweiternd, bezeichnet Raymond Van Dam auch Ge schichten – etwa solche persönlich erfahrener Heilung – als relics, als Reliquien; Dam (1999), S. 668. 128 Schapp (1953, 1985). 129 Schlosser (1908), S. 31. 130 Holm (2004); Babcock (1931). 131 Schlosser (1923), S. 214.

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100: Medaillons auf dem Lutherbecher in Dresden, aus Christian Juncker, Das Guldene und Silberne EhrenGedächtniß (1706) 101: Nesen’sches Lutherglas, Dresden, Grünes Gewölbe

über Lutherrelikte.132 Ebenso zählte der Literaturkritiker und Gothaer Kunstkämme rer Wilhelm Ernst Tentzel (1659–1707) Luther-Dinge aus Dresden in seiner Curieusen Bibliothec auf.133 Besonders originell war neben einem silbernen Löffel mit kurzem Stiel, der in drei Eicheln mündet,134 ein goldener Ring aus Email mit einer sehr klei nen „Horizontal-Uhr“, auf dessen Deckel ein „Todten-Köpflein“ mit einem mementomori-Spruch eingraviert war. Auf dem Knauf eines vergoldeten Silberbechers mit breitem Fuß, dem inwändig ein Luthermedaillon mit der Jahreszahl 1537 aufgeprägt war, sah man eine eingravierte Kruzifixdarstellung, wobei das Kreuz, vor dem Jonas am Ufer des Meers kniet und betet, auf dem Kopf eines drachenähnlichen Wal fisches steckt (Abb. 100).135 In Dresden befindet sich auch das Nesen’sche Lutherglas. Das Trinkgefäß hatte Luther seinem Wittenberger Univer­sitätskollegen Wilhelm Nesen (1492–1524) geschenkt, der 1524 in der Elbe ertrank.136 Sein Sohn, der Bürger meister von Zittau werden sollte, verzierte das Glas aufwändig, so dass der Becher immer mehr das Aussehen eines elaborierten Prunkpokals annahm (Abb. 101).137 132 133 134 135

Juncker (1706), S. 259. Tentzel (1704), S. 318. Juncker (1706), S. 288. Die Umschrift besteht in einem Spruch, dessen Anfangsbuchstaben den Namen Jesus er geben, Geschenk von Justus Jonas (1493–1555) um 1540, der damit auf die Geschichte sei nes biblischen Namensvetters anspielt; Juncker (1706), S. 284; Richter (2003), S. 169f. 136 Nach Auskunft von Mirko Gutjahr (Landesamt für Denkmalpflege, Halle) ist es nicht un wahrscheinlich, dass dieses Kristallgefäß – ebenso wie das Elisabethglas – in seiner ur sprünglichen Gestalt aus dem Wittenberger Heiltum stammt. 137 Das Nesenische Lutherglas gelangte im Jahre 1793 von Zittau in die Dresdener Kunst kammer, was von Oberlausitzer Seite als „unbedachtsam“ empfunden werden sollte: „da es doch als ein schätzbares Andenken der Stadt hätte bleiben sollen, zumal da es seit 1670,

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Die 1552 gegründete Hallenser Marienbibliothek, in der nicht zuletzt Schriften Luthers und der Reformatoren gesammelt wurden, lockte Fremde mit einer beson deren Attraktion aus der Welt der Lutherrelikte – einer wächsernen Effigies. Von Mitte des 17. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert – über die genauen Daten schwei gen die Quellen – konnte man dort eine lebensgroße Lutherfigur bewundern, die, mit Talar und Barett gekleidet, auf einem Stuhl sitzend vor einem Tisch arrangiert war, auf dem eine von Luther der Kirche geschenkte Bibel mit dessen eigenhändiger Widmung auslag (Abb. 102).138 Dass die Archive sowohl über die Aufstellung des Wachs­porträts im 17. Jahrhundert, als auch zu seinem Abbau im 20. Jahrhundert stumm bleiben, zeigt das ambivalente Verhältnis der Protestanten zu diesem Objekt. Einerseits hatte man ein antiquarisches und museales Interesse am Erhalt des „ech ten“ Lutherporträts, andererseits bereitete seine formale Ähnlichkeit mit Heiligenund Votivstatuen Unbehagen. Die Lutherfigur zeichnete sich durch einen porträthaften, in Wachs gegossenen Kopf sowie Hände aus demselben Material aus. Die Wachsteile steckten auf einem körperähnlich ausgepolsterten Holzgerüst, das durch die Kleidung verdeckt wur de.139 Kopf, Arme und Beine waren beweglich wie bei einer Gliederpuppe montiert, so dass die Figur in unterschiedlicher Haltung zu arretieren war. Mit eingesetzten Haaren, Augenbrauen und Wimpern sowie mit bemalten Glasplättchen als Augen sollte der Wachskopf lebensecht wirken. Während der Körper aus wertlosem Mate rial bestand, waren die Wachsteile nicht weit von Kultobjekten entfernt. Nach der Überlieferung waren die Wachsteile aus Gipsabgüssen hervorgegangen, die man Luther kurz nach seinem Tod im Jahr 1546 abgenommen hatte.140 Die Verwendung wächserner Totenmasken für Bildnisplastiken war in der Barock zeit nicht ungewöhnlich.141 Der im Krieg gegen die Katholiken gefallene schwedische König Gustav Adolf war vor der Mitte des 17. Jahrhunderts mehrfach als Wachsfigur in Europa ausgestellt, so eine Sitzfigur, die durch ein Uhrwerk im Inneren bewegt vom Stuhl aufstehen und die Augen bewegen konnte. 1634 war dieselbe in Berlin zu sehen.142 Bildmedium der Luther-Figur war der Naturabguss. Als ein mechanisches wo ein katholischer Bischof (der Erzbischof von Prag, bei seiner Durchreise) auf das Wohl der Stadt daraus getrunken, noch merkwürdiger geworden ist“; Pescheck (1833), S. 248; Bergk/Baumgärtner (1812), S. 89–91. 1947 zierte dieses Lutherglas sogar eine amerikani sche Werbeanzeige eines Unternehmens für Glaswaren; Ausstellungskatalog Halle (2008), S. 102. 138 Die Entstehungszeit der Aufstellung ist nicht genau zu bestimmen. 1663 erhielt ein Hand werker namens Lucas Schöne den Auftrag, unter Verwendung der Maske und der Hand abgüsse eine Lutherfigur zu „verfertigen“ bzw. zu „repariren“; Nickel (1998); Kornmeier (2002). 139 Zur Herstellung von Wachsfiguren: Harvey/Mortimer (1994). 140 Justus Jonas (1493–1555) veranlasste, dass der hallesche Maler Lukas Furtenagel (1505– ca.1546) in Eisleben eine Abformung des Gesichtes und der Hände von Luther vornahm. 141 Beispiele dafür befinden sich z. B. im Naturalienkabinett der Franckeschen Stiftungen; Müller-Bahlke (1998), S. 74. 142 ���������������������� Stengel (1969), S. 55.

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102: Martin Luther als Wachsfigur, Fotografie von Fritz Möller (1917), Halle, Marienbiblio­ thek

103: Christian Gottlieb Liebe, Lutherfigur in Wachs, Radierung (1736)

Selbst-Bildnis, als nicht von Hand gemacht, fand die Schau- und Gedenkfigur, die als eine der ersten unabhängig von herrschaftlichen Bestattungsriten angefertigt ­worden ist, eine museale Nische zwischen Kuriosität und Authentizität. Da das Wachs­porträt Luther nicht in einem sakralen Kontext und auch nicht betend zeigte, sondern in der genreartigen Attitude eines Gelehrten, konnte es offenbar der refor matorischen Bildkritik gut widerstehen, zumal es in einer Bibliothek und nicht im Kirchenraum ausgestellt war. Ein Kupferstich von Christian Gottlob Liebe (1696– 1753) aus dem Jahr 1736 zeigt die Figur an einem Fenster der alten Marienbibliothek (Abb. 103). Die dazugehörige Inschrift gibt bekannt, dass es sich bei diesem Stich nicht um ein Lutherporträt handelte, sondern um eine Ansicht der Luthereffigies in der Marienbibliothek.143 Die Bildunterschrift „So sahe Luther aus, der theure Gottes= Mann, / (…) dessen Heldenmuth kein Kiel entwerfen kann“ zeigt, dass die Darstel lung des Kupferstechers der Universität Halle als echtes Abbild des Reformators angesehen wurde – und das nicht obwohl, sondern gerade weil er die Wachsfigur abbildete. Gegenüber „dem Kiel“, also dem geschriebenen Wort, war dem abgebil 143 „Dieses Kupfer ist gezeichnet nach dem Bilde, so zu Halle anno 1546 von dem toten Leich nam in Wachs gegossen und auf der Bibliothek zur L. Frau daselbst stehet.“

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deten Wachs­porträt, dem man nachsagte, als Abdruck das tote Antlitz Luthers berührt zu haben, die Aura weitaus größerer Authentizität inhärent.144 RELIQUIEN ALS ALTERTÜMER – Während im Barock skurril gestaltete Luther relikte nicht selten anzutreffen sind, tragen in der Aufklärungsepoche Gesichts punkte einer historisch verankerten Erinnerung dazu bei, das Reliquienverständnis zu verändern. Jetzt kommt es vorrangig darauf an, dass die Partikel eine kritisch abgestützte Retrospektive ermöglichen. Dass sich das Interesse an Reliquienschät zen in bedeutenden Kirchen von ihrer heilsvermittelnden Kraft zu ihrem Altertums wert verschob, zeigt der Titel des ersten touristischen Führers zum Halberstädter Dom mit seinem Reliquienschatz aus dem Jahre 1728, der von Merkwürdigkeiten, allen curieusen Gemütern und Liebhabern der Antiquität spricht.145 Ging es um geschichtliche Erinnerung und nationale bzw. regionale Identitätsstiftung, näherten sich die Pro testanten sogar den Reliquien im herkömmlichen Sinne an. Mit Bischofsstäben und Mitren, Reliquien und Reliquiar war ein reichhaltiges Sample der mittelalterlichen Kirche im „Ge­wehr­gemach“ der um 1650 gegründeten Kunstkammer des dänischen Königs Friedrich III. (1609–1670) ausgestellt – gemeinsam mit eskimoischen Trachten und Jagdgeräten, einem Stuhl, der zusammenklappte, wenn man sich daraufsetzt, und vielem anderen mehr.146 Ein Stich mit der Aufschrift ornamenta absolonis zeigt, dass diese Relikte dem kriegeri­schen Bischof Absolon von Lund (1128–1201) zuge ordnet werden müssen, der die Staatswerdung Dänemarks im Mittelalter entschei dend forcierte (Abb. 104). Die Schlosskirche in Hannover mit der Gruft der Welfen herzöge war der Ort, wo der Reliquienschatz der Braunschweiger Stiftskirche ab 1671 eine neue Heimstatt fand.147 Herzog Ernst August I. (1629–1698), der erste Kur fürst von Hannover, setzte 1697 Gerhard Wolter Molanus (1633–1722), den Konsisto rialdirektor und luthe­rischen Abt von Loccum als Konservator ein, der sogleich aus den Beständen des Welfenschatzes eine mehrmals neu aufgelegte Lipsanographia sive Thesaurus Sanctarum Reliquiarum verfasste.148 Von Interesse ist besonders das Vorwort des Verfassers. Es basiert hauptsächlich auf den von Arnold von Lübeck († 1214) verfassten Bericht über die Pilgerfahrt Heinrichs des Löwen in das Heilige Land aus dem Jahr 1172/73 und die von demselben nach Braunschweig mitgeführten Reli quien. Die zwar irrige, aber doch aus ernstem Glauben entsprungene Reliquienver 144 Kornmeier (2002), S. 357f. 145 Richter (2010), S. 409. Auch auf der katholischen Seite nennen die vom Subkustos Johannes Graff (1682–1749) erstellten Bamberger Domschatzverzeichnisse von 1736 bzw. 1743 im ­Titel „heilige Reliquien“ in einem Atemzug mit „Antiquitäten, Gold, Silber und Anderer Kostbarkeiten“, vgl. das Manuskript bei Baumgärtel-Plüschmann (1999). 146 Ausstellungskatalog Bonn (1995), S. 38f.; Wintz (2009), S. 387. 147 Er war zum großen Teil von Heinrich dem Löwen aus dem Heiligen Land im Jahre 1172 seiner Stiftskirche St. Blasius in Braunschweig vermacht worden; 1671 mit der Einnahme der Stadt, übergab Herzog Johann Friedrich (1625–1679), der zwanzig Jahre zuvor zum Katholizismus übergetreten war, das Heiltum der Schlosskirche von Hannover, wo der spätere „Welfenschatz“ nur selten gezeigt werden sollte; Boockmann (1997), S. 105. 148 Molanus (1697), die nächste Auflage wurde im Jahre 1713 veröffentlicht.

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104: Die Relikte des Bischofs Absolon von Lund in der Kunstkammer von Kopenhagen, Kupferstich aus dem Katalog Museum Regium (1710), Kopenhagen, Nationalmuseet 105: Säule, antik oder mittelalterlich – Grüner Stein, Braunschweig, Herzog Anton UlrichMuseum

ehrung des Welfenherzogs habe dem welfischen Haus einen einzigartigen Kirchen schatz hinterlassen, so heißt es bei Molanus. Als Medium dynastischer Memoria, die jeden Zweifel am Wert und an der Erhaltung der in der Schlosskirche zu Hannover verwahrten Stücke ausschloss, kam traditionellen Reliquien auch im protestan tischen Milieu eine besondere Pflege zu gute. Einer ähnlichen Transformation war ein Säulenfragment aus grünem Stein und helleren Flecken im herzoglichen Kunstund Naturalienkabinett von Braunschweig ausgesetzt, die – auch mit der Fahrt Hein­ richs des Löwen ins Heilige Land in Verbindung gebracht – zur Geißelsäule Christi bzw. zum Relikt aus der Palastanlage von Pontius Pilatus mutierte (Abb. 105). Erst mals erwähnt wurde das Stück, als es noch im Wolfenbütteler Zeughaus ausgestellt war, vom Arzt und Naturforscher Franz Ernst Brückmann (1697–1753): Die Romano­catholici seien in ihrer Verehrung so weit gegangen, dass sie versuchten, kleinere Stücke

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von der Säule abzubrechen.149 Das ���� British Museum in London lockte in der damaligen Zeit die Besucher mit einem gebrannten Ziegel, der angeblich vom Turm zu Babel stammte.150 ����������������������������������������������������������������������� Auch auf der konfessionellen Gegenseite entfernte sich der Reliquienbe griff von Motiven des Wunders und der Heil bringenden Potenz und lud sich memo rial immer mehr auf, was zum Beispiel im 1681 entstandenen Sacrarum Ecclesiae Sancti Clementis in Iburgh des Mauriners Maurus Rost (1633–1706) deutlich wird. Wie Jean Mabillon (1632–1707) setzte sich der Abt des im Teutoburger Wald gelegenen Klos­ters Iburg interessiert und kritisch mit der Geschichte auseinander. Kein Wort verliert Maurus Rost hingegen über die religiöse, theologische Bedeutung von Reliquien.151 Im 19. Jahrhundert, im Zeitalter des Sammelns und des Historismus sowie der Annäherung von Souvenir und Reliquie, schlossen sich Reliquienkult und LutherMemorabilien nicht mehr aus. So machte sich der Halberstädter Domprediger Chris­ tian Friedrich Bernhard Augustin (1771–1856), dessen Geschichtsbewusstsein sich an der sichtbaren Erhaltung von materiellen Dingen entzündete, nicht nur als einer der eifrigsten Sammler von Luther­überresten einen Namen.152 Er betreute auch die Schatzkammer in der Kathedrale als eine Art Kunstkammer, die Interessierte unter seiner Führung besichtigen konnten. Aus Anlass des Besuchs des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. (1797–1840) im Jahr 1839 soll Augustin den Kapitelsaal auf dem Domareal zum Standort einer vielfälti­gen Ausstellung gemacht haben. Dort waren Altertümer der heidnischen Vorzeit, Kirchen­schmuck, liturgische Geräte und Reliquien sowie Luthermemorabilien simultan zu besichtigen. Schon Jahrzehnte zuvor hatte er sich energisch den Begehrlichkeiten der napoleonischen Besatzung in den Weg gestellt und dafür gesorgt, dass prunkvolle Reliquiare mit ihren Reliquien, die mit Konrad von Krosigks Kreuzzugsbeute von 1204 aus Konstantinopel nach Halberstadt gelangt waren, nicht in alle Winde zerstreut oder gar eingeschmolzen wurden.153 Dem Luther-Sammler Augustin ist es zu verdanken, dass es heutzutage in Halberstadt einen der gehaltvollsten Domschätze nördlich der Alpen gibt.

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Brückmann (1752), S. 895; Ausstellungskatalog Braunschweig (2004), S. 117f. . Rymsdyck (1791), S. 34. Meinz (1980); Niehr (2010), S. 296–301. Augustins Bericht im Kirchenkalender der Stifts- und Domkirche zu Halberstadt (1840); Schu macher (2004); Janke (2006), S. 121. Augustin war über Jahre hinweg in Halberstadt der Mittelpunkt der dort stattfindenden Bestrebungen zur Geschichtsforschung und Denk malpflege. Seine Luthersammlung wurde vom König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) von Preußen für das Wittenberger Lutherhaus erworben. Aus diesem Fundus sollte im Jahr 1883 die Lutherhalle hervorgehen; Laube (2003), S. 155–165. Seine umfangreiche archä­ ologische Sammlung erwarb Graf Botho zu Stolberg-Wernigerode (1805–1881). 153 Mit der Einführung der Reformation am Halberstädter Dom im Jahre 1591 war der Reli quienschatz nicht aufgelöst worden. Hier sollte eine seltene kirchenrechtliche Regelung greifen. Das Domkapitel bestand aus Protestanten und Katholiken. Unter der Obhut des paritätischen Domkapitels blieben die mittelalterlichen Ausstattungsstücke des Doms be wahrt und fanden zum Teil weiterhin im Gottesdienst Verwendung; Pregla/Richter/ Schmitt (2008), S. 30–33.

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IDOLE DER AUFKLÄRUNG – In der Aufklärung hatten Reliquien, wenn man sie nicht historisch oder memorial mediatisierte, einen schweren Stand. Aus Sicht der Kritiker verwesten die Leiber, waren die Toten wirklich tot. Dem toten Leib gebühre Pietät, mehr nicht. Eine ihnen innewohnende besondere virtus müsse ihnen abge sprochen werden.154 Dennoch verpuffte ihre heilsgeschichtliche Kraft keineswegs; sie verlagerte sich vielmehr auf eine Aura, die sich aus gefühlsbetonter Erinnerung speist. Das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend verinnerlichte Empfindungsvermögen ließ das Bedürfnis nach verdinglichten Andenken entste hen. Vermehrt tauchten Erinnerungsstücke von Personen auf, deren diesseitige Exis­ tenz und Wirkung in Dingen wenigstens zum Teil gespeichert werden sollten. Die physische Abwesenheit einer geliebten oder verehrten Person hat die Menschen seit jeher veranlasst, Bildnisse, persönliche Gegenstände oder gar Teile des Körpers der vermissten Person aufzubewahren. Schon der Humanismus hatte die Transformie rung eines Mediums christlicher Frömmigkeit, die an Dinge gebundene Erinnerung an einzelne Personen forciert. Herrscher, Künstler, Dichter und Gelehrte wurden auf das Podest erhoben, wobei deren Lebens­leistung gehuldigt wurden und nicht deren Abstammung. Die persönlichen Gegenstände, die Erasmus von Rotterdam in Basel Bonifa­cius Amerbach (1495–1562) vermachte, wanderten sogleich in eine schreinar tige Truhe.155 Die Dürer-Verehrung verdichtete sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in einer authentischen Haarlocke des Malers.156 Die auf prominente Persönlichkeiten bezogene Erinnerungspraxis schien auf Dinge als Übertragungsmedium angewie sen zu sein. In der Epoche der Empfindsamkeit beginnt sich das „Andenken“, bisher meist als Verbform von Andacht gebraucht, als individuelle Vergegenwärtigung einer Person oder einer Begebenheit zu verdinglichen. Das Andenken – ein neues Substantiv, ein Dingwort war geboren.157 Der Wert dieser Objekte liegt weniger im Materiellen, als im Sentimentalen oder Auratischen. Die Verwandlung der Reliquie in ein sentimentales Souvenir kann bei einem Nachfolger von Molanus nachvollzogen werden, bei Johann Heinrich Jung (1715– 1799), dem Leiter der Königlichen Bibliothek in Hannover, der auch die Aufgaben eines Kustos des in der Schlosskirche verwahrten welfischen Reliquienschatzes wahr­nahm. 1783 verfasste er eine lateinische Schrift zum Selbstverständnis der Reli quien, die er gemeinsam mit einer Neuauflage der Lipsanographia des Abtes Gerard Molanus herausgab. Eine deutsche Übersetzung mit Auszügen aus Jungs Werk erschien umgehend: „Da der unstudirte Katholik sowohl als der unstudirte Protes­ tant seine Reliquien für sich hat: so ist es auch und wohl diesem so wie jenem zu gönnen, wenn seine Begriffe davon aufgeklärt und berichtigt, und, welches sehr zu wünschen ist, wenn auf diese Weise eine gegenseitige Duldung selbst im gemeinen 154 155 156 157

Angenendt (1994), S. 261–274. Bouvier (2006), S. 107. Schmitt (2003). Das ursprünglich auf dem Tastsinn beruhende Verständnis des Gefühls hingegen läd sich in der Auflösung immer mehr innerseelisch auf, wird zur „Empfindung“. Benthien (1999), S. 223f.; Böhme (1997); Ananieva/Holm (2006), S. 159.

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Leben befördert wird.“158 Ein Rezensent der Göttingischen Anzeigen wusste den Autor zu loben, da er die Reliquienverehrung „mit großer Unparteylichkeit aus den Gren zen des Wortstreits in das Gebiete der Empfindung“ transponiert habe: „Ueber­haupt hat er diesen so kitzlichen Gegenstand auf eine Weise behandelt, daß er vernünf tigen Catholiken und Protestanten gleich völlige Genüge zu thun hoffen kann.“159 Im Zeichen ökumenischer Toleranz war es Jung sogar möglich, sich auf eine klassische jesuitische Abhandlung zur Reliquienverehrung zuberufen.160 Ausgangspunkt von Jungs Überlegungen waren keine theologischen Dogmen, sondern die anthropologische Konstante der Liebe: „Ueber die Verehrung der Reli quien selbst erinnert der Hr. V. wie unzureichend alle bisher dazu gebrauchten Aus drücke, wegen ihrer schwankenden Bedeutung sind; und schlägt dagegen das Wort Amor vor: so dass die ganze Frage über die Verehrung der Reliquien von zwey Untersuchungen abhängt: liebt man das Andenken der Person, von deren Reliquien die Rede ist? und ist man von der Aechtheit dieser Reliquien überzeugt? Der Amor wird bestimmt, als der Trieb der Seele zu dem Schönen und Guten, so daß sie an der Betrachtung desselben Vergnügen findet, und nach einer beständigen Vereinigung mit demselben strebt.“161 So könnten Dinge, „die an sich, wie man zu reden pflegt, nicht einer Feige werth sind“, einen immensen Wert erlangen, vor­ausgesetzt sie sind im Besitz derjenigen Person gewesen, die man liebt.“162 Jung griff aus der Schar herausragender Personen, von denen authentische Reste liebevoll „als Vergegenwär tigungen des abwesenden Anderen“163 in Ehren gehalten wurden, Petrarca, Leibniz und Luther heraus. Wenn auch Petrarca selber nur in seinen Schriften überdauern wollte, hat das seine Bewunderer nicht davon abgehalten, sich seiner wenigen dinglichen Hinter lassenschaften zu bemächtigen. Sprechender Beweis der Sehnsucht nach materieller Memoria, ist der Kult um Schreibtisch, Stuhl und – besonders skurril – Haustier.164 „So wird es auch manchem lächerlich vorkommen, und manchem doch gefallen, wenn er hört, dass die erlauchte Familie der Gabrieli in Italien (im Gebiet von Padua 158 Thon (1784), Vorrede, S. 3f. 159 Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 50. Stück, den 29. März 1783, S. 490. 160 Jean Ferrand S. J. hatte sich der Frage zur Echtheit der menschlichen Überreste gestellt und deren Authentizität allein deswegen behauptet, weil niemand das Gegenteil bewei sen könne; Ferrand (1647). 161 Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 50. Stück, den 29. März 1783, S. 491f.; zur Liebesbeziehung gegenüber persönlichen Dingen aus psychologischer Sicht: Habermas (1999); Boesch (1982). 162 Thon (1784), S. 22; Jung (1783), S. 60f.; zur Transposition in die Gegenwart vgl. Stewart (1984), besonders S. 132–139. Das sich eine unerfüllte Liebe Ausdruck in gesammelten Din gen verschafft, die sich dadurch auszeichnen, von der Geliebten berührt worden zu sein, kann in Orhan Pamuks Roman Museum der Unschuld (2008) nachgelesen werden, vgl. auch das Ausstellungskonzept Musée Sentimentale des Schweizer Künstlers Daniel Spœrri. 163 Habermas (1999), S. 305. 164 Bouvier (2006), S. 105; Aurnhammer (2005); zum Schreibtisch als Erinnerungsmöbel: Pelz (1996).

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im Dorfe Arquati) den Schreibtisch, den Stuhl und selbst das Skelet der Katze des Franz Petrarca aufbehält. Und gleichwohl ists doch so. Ließ doch gar die Witwe Florispina Docta jenes Skelet in ein krys­tallenes Gehäuse verschließen, damit es von den neugierigen Zuschauern nicht verletzt würde.“165 Giacomo Filipo Tomasini (1597– 1655) aus Padua, der von 1642 bis zu seinem Tod Bischof von Cittànova in Istrien war und sich auch als Astrologe einen Namen machte, trieb den Kult um die Devotiona lien Petrarcas, um Stuhl, Schrank und Katze, auf die Spitze.166 Obwohl eine Fäl schung, interessierten sich für das Grab einer mumifizierten Katze im Sterbehaus des Dichters und Humanisten viele Italienreisende, nicht zuletzt Dichter aus Deutsch land, von Martin Opitz (1597–1639) über Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) bis zu August von Platen (1796–1835), die postum selber „Epigonenwallfahrten“167 aus lösen sollten. Auch der Stuhl, auf dem Leibniz saß, erfuhr eine Metamorphose, die sich aus der Zuneigung der Nachwelt speiste: „Man wird es kaum glauben, wie viele gelehrte Männer und Standespersonen, auch Damen von Range, aus verschiedenen und entfernten Gegenden in Hannover von jeher angekommen sind, und sich auf den auf königl. Bibliothek daselbst befindlichen Stuhl, worauf der große Leibniz gesessen hat, niedergelassen und dies mit einem sichtbaren Wonnegfühl.“168 Schließ lich durften Luthers Überreste in Jungs Auflistung nicht fehlen, wie ein vergoldeter Löffel Martin Luthers aus der Königlichen Bibliothek in Hannover, der als ein unver fälschtes Zeugnis der emotionalen Verbundenheit seiner Nachwelt zu verstehen ist.169 Eine Reihe von weiteren Beispielen könnte man hinzufügen, wie den Kult um Shakes­peare-Souvenirs in Stratford.170 Im Foyer der Comédie Française in Paris steht noch heute der mit brüchigem, dunklem Leder bezogene berühmteste Stuhl der Thea­tergeschichte. Auf ihm sitzend, spielte Molière (1622–1673) einst seinen Malade imaginaire, als er sich während der Aufführung am 17. Februar 1673 in einen tatsäch lichen Kranken verwandelte und noch in der darauffolgenden Nacht verstarb.171 Ein ähnlicher Fall ist der Hut des Kardinals Wolsey, den man in der Bibliothek des Christ Church College in Oxford ausstellt.172 Die Verehrung um Galileo Galilei (1564–1642) ging so weit, dass dem Leichnam der rechte Mittelfinger abgetrennt wurde, als er 1737 in das repräsentative Grabmal der Florentiner Kirche Santa Croce umgebettet wurde, das sich genau gegenüber der letzten Ruhestätte Michelangelos befindet.173 165 166 167 168 169 170 171

Thon (1784), S. 23; Jung (1784), S. 61f. Tomasini (1635, 2004), S. 129–145. Blumenberg (1990). Thon (1784), S. 23; Jung (1783), S. 61. Thon (1784), S. 24; Jung (1783), S. 64. Kahan (2001). Chevalley (1971). 1879 sollte das abgenutzte Sitzmöbel eine Glasvitrine erhalten, im Jahre 2010 war es Gegenstand einer Kunstinstallation unter freiem Himmel. 172 Vgl. Greenblatt (1995, 1990), S. 8. 173 Der Finger gelangte wenig später in die Florentiner Bibliotheca Medicea Laurenziana, wo er ab Mitte des 18. Jahrhundert öffentlich zur Schau gestellt wurde. Heute ist er gemeinsam mit Instrumenten aus der Sammlung der Medici Bestandteil des Museo di Storia della Scienza; Fricke (2009).

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106: Die Lutherbuche bei Altenstein, C. Bögehold, Stahlstich (1819), Wittenberg, Stiftung Luther­ gedenkstätten

Der mumifizierte Mittelfinger wurde wie eine Reliquie in einem Reliquiar in Szene gesetzt, als ob dadurch Galileis gebrochenes Verhältnis zur Katholischen Kirche har monisiert werden könnte.174 Wenn sich für deutsche Protestanten derartige mimetische Zitate aus dem Reli quienkult der mittelalterlichen Kirche verbaten, erlebte der Begriff der Reliquie bei ihnen als devotionales Souvenir eine regelrechte Konjunktur. Protestanten nutzten Dinge als Initialzündung, um ihre Andachtspraxis zu vertiefen bzw. zu beglau­bigen,175 174 Auch die Linse seines Fernrohrs – seit 1841 im Museo di Storia della Scienza zu sehen – ist einem Sakramentsreliquiar vergleichbar in einem kunstvoll dekorierten Rahmen aus Holz und Elfenbein eingebettet. 175 Günter ���������������������������������������������������������������������������� Oesterle plädiert für eine strenge Unterscheidung zwischen dinglichem Anden ken und Reliquie, was nur dann funktioniert, wenn mit „Reliquie“ ausschließlich das ge meint ist, was die offi­zielle Kirche darunter verstand; Oesterle (2006); Holm/Oesterle (2005).

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107: Carl Munkel, Kelch, Buchenholz gedrechselt (nach 1841), Wittenberg, Stiftung Luthergedenkstätten

eine Praxis, die den dänischen Theologen Erik Ludvigsen Pontoppidan (1698–1764) durchaus irritierte: „Ich nahm meinen Weg über Wittenberg, nur damit ich Cathe dram Lutheri, und andere Erinnerungs-Zeichen dieses so hochverdienten Mannes sehen möge. Man zeigt sowohl zu Eisleben, seiner Geburtsstadt, als zu gedachten W. seine Kammer, Bett-Stelle, Thinte-Faß und andere Kleinigkeiten, die er berührt oder täglich gebrauchet hat. [Diese Dinge werden zwar nicht angebetet, wie die Papisten mit den Reliquien ihrer Heiligen thun, gleichwohl aber kommt die Hochachtung, so man dafür hegt, der Anbetung ziemlich nahe].“176 Während sich die katholische Reliquienpraxis auf Körperteile und Kleidungs stücke konzentrierte, d. h. mit Objekten auseinandersetzte, die sehr eng der verehrten Person angehört hatten, ging der protestantische Dingkult so weit, auch außermensch liche Faktoren zu personifizieren, wenn z. B. Stühle in die Verehrung einbezogen wurden, die aus dem Holz einer Buche bei Altenstein hergestellt waren, die Luthers fingierte Entführung „miterlebt“ hatte (Abb. 106).177 Als diese Buche im Jahre 1841 von einem Orkan dahingerafft worden war, schenkte der Herzog von Sachsen-Mei ningen und Hildburghausen das Holz der Kirchengemeinde Steinbach. In der dor tigen Kirche „heilig aufbewahrt“, wurde es partikelweise vom Pfarramt an „Verehrer des heiligen Baumes“ gegen einen Obolus ausgegeben.178 Zudem ließ der dortige Pfarrer Johann Conrad Ortmann daraus Andenken herstellen. So entstanden höl zerne Spazierstöcke, Becher, Kelche, Salzgefäße und Tintenfässer (Abb. 107).179 Die­se 176 Pontoppidan (1746), Bd. 3, S. 179. Bezeichnenderweise wurde diese Passage in der zweiten Auflage gestrichen. Ich bedanke mich für diesen Hinweis bei PD Dr. Christian Soboth. 177 Ortmann (1844), S. 271–273; Kleindorfer-Marx (1996). Auch diverse „Luthersteine“ oder sogar einzelne Landstriche, wie z. B. „Wo Luther fror“ nahe Unterrißdorf bei Eisleben, konnte zum Fokus protestantischen Gedenkens werden; nach Gutjahr (2008), S. 100. 178 Allgemeiner Anzeiger der Deutschen, Nr. 210, 5.8.1841 nach Brückner (1974), S. 269. 179 Joestel/Strehle (2003), S. 45f.

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Reliquienpraxis erinnert an den angeblich von William Shakespeare gepflanzten Maulbeerbaum im Garten von New Place in Stratford.180 In Deutschland kam der protestantische Pfarrer nicht umhin, sich vom herkömmlichen Reliquienverständnis abzugrenzen: „Man hat die Sache, in Beziehung auf die Lutherbuche, die Werth schätzung des Holzes hin und wieder bespöttelt, lächerlich zu machen gesucht und den Verkauf des Holzes dem Reliquienhandel der katholischen Kirche vergleichen mögen. Aber ich sage – die Spötter haben unrecht und lhr Vergleich mit dem Reli quienhandel in der katholischen Kirche hinkt zwar sehr. Dort werden Reliquien aufgesucht und verkauft, wohl hier und da nur im edlen Sinne, d. h. aus Achtung und Liebe gegen einen einstigen frommen Erdenpilger; (…) Aber ein anderes ist es, wenn die katholische Kirche das Volk nicht nur in Irrtum stürzet, sondern auch darin erhalt, indem sie den Gebeinen und sonstigen Uberbleibseln von für heilig gehaltenen Männern und Frauen, wunderthätige Kniffe beilegt; wenn sie lehrt, daß diese oder jene Reliquie, diese oder jene Krankheit heile; daß bloßer Anblick, bloße Berührung einer solchen gesund mache etc. (…).“181 Die Aura des Gegenstandes hat nichts mehr mit der ihr innewohnenden Wunderkraft zu tun, sie schöpft aus Erin nerung. Statt mit Ablass und Wunderkraft behaftet, wie in Regionen katholischer Religiosität, stellten „Reliquien“ im protestantisch-modernen Sinne ausschließlich Medien einer sentimental gefärbten Erinnerung dar. Die Reliquie bei Ortmann war ebenso räumlich vorhanden, wie derjenige, auf den sie sich bezog, abwesend war. Memorative Medialität zeichnet sich dadurch aus, dass sie „den Gegenstand bei aller affektiven Nähe über eine zeitliche Ferne begreift.“182

Dimensionen der Musealität in der frühen Neuzeit Mit Alltagswelten, die sowohl konfessionell, magisch und memorial konnotiert sind, eröffnet sich ein breitenwirksamer Topos der Anschauung, der sich bewusst abhebt von der wortgewaltigen Theologie und Predigt und stattdessen eine spezifische spa tiale, ikonische und performative Logik entfaltet. Der Kult um Martin Luther war in ganz Deutschland von mythisch aufgeladenen Orten abhängig, die mit dessen Lebens­stationen verknüpft waren.183 Es scheint so, dass erst über das an Dinge gebun­ dene, meist eigentümlich zwischen Faktizität und Fiktion changierende Konkretum, Memoria wirksam werden kann.184 Wenn es die daraus erwachsenden populären 180 Der neue Besitzer des Anwesens fühlte sich von den Touristen so belästigt, dass er 1759 den Baum fällte. Zehn Jahre später beschenkten die Stadtvertreter den Schauspieler David Garrick mit einem aus dem Holz des Baumes angefertigten Kästchen. „Shakespeares Maulbeerbaum“ lebte seither in Stratford in so vielen Souvenirs weiter, wie sie eigentlich nur ein ganzer Wald hätte hergeben können; Kahan (2001), Babcock (1931). 181 Ortmann (1844), S. 271–273. 182 Holm/Oesterle (2005), S. 441. 183 Steitz (1861); Eich (1863); Biereye (1917); Badstübner-Gröger/Findeisen (1986). 184 Halbwachs (1996, 1925), S. 178–222.

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Luthergeschichten auch nicht immer mit der historischen Wahrheit so genau nah men, verdienen sie als historisches Faktum wissenschaftlich ernst genommen zu werden. Als Zeugnisse von Ereignissen und Taten einer ruhmreichen Vergangenheit schuf man handfeste Erinnerungsorte, die zugleich ein Maß an Entfremdung gegen über dem offenbaren, an das erinnert wird.185 Eben weil die milieux de mémoire, d. h. die Zeitzeugen ausstarben, mussten lieux de mémoire geschaffen werden, wobei die Forschungsperspektive sich vornimmt, an ihnen Illusionen zu entlarven und Strate gien der politischen Instrumentalisierung freizulegen. In der Geschichte Wittenbergs und des Lutherhauses verbergen sich von Beginn an Spannungsmomente zwischen musealem und reformatorischem Selbstverständ nis. Luthers „Thesenanschlag“ am Vorabend des Hauptfesttages der Allerheiligen stiftskirche in Wittenberg, am 31. Oktober 1517, war der Anfang vom Ende der Prä sentation einer der reichhaltigsten mittelalterlichen Kirchenschätze, die sich der Pilger mit einem von Lucas Cranach illustrierten Ausstellungsführer, dem Wittenberger Heiltumsbuch, erschließen konnte.186 Nicht nur der Kirchenschatz wurde zerstört, zudem war das Areal des Augustiner-Eremitenklosters und späteren Lutherhauses Tatort eines Bildersturms.187 Unmittelbar nach dem Generalkapitel und der damit einhergehenden Auflösung des Ordens im Jahre 1521 schlug man den Skulpturen die Häupter ab; zudem wurde das gesamte Inventar der dort befindlichen Kloster kirche ein Opfer der Flammen.188 Bei der im Jahre 1655 erstmals als museum lutheri bezeichneten Lutherstube in Wittenberg, wo sich – an hölzerne Wände projiziert – die Glaubensbotschaft in einem verdinglichten, musealisierten Gewand präsentierte, bleibt der Kontrast zwischen sola scriptura und Schaulust bis heute offensichtlich. Dabei ist Luther selbst durchaus feinfühlig für Medien der Anschauung und der Dingwelt geblieben. Im März 1532 artikulierte Luther sein frühzeitiges, von einer historischen Zäsur geprägtes Denkmalbewusstsein, als er sich über Fes­tungs­bau­ arbeiten an seinem Wohnhaus beklagte, die sein klösterliches Turmzimmer gefähr deten: „Lebe ich noch ein jar, so muß mein armes Stublin hinweg, daraus ich doch das bapstumb gesturmet habe propter quam causam dignum esset perpetua memoria.189 Bis heute kommt in Wittenberg das museale Magnetfeld zwischen Umgebung, Haus und Relikten zum Tragen. ������������������������������������������������ Von Anfang an als Ausstellungsobjekt begriffen, zielte das Lutherhaus darauf ab, Form und Inhalt, Haus und Objekte in eine musea le Harmonie zu bringen. Zwischen den einzelnen Dingen und dem Gehäuse entwi­ ckelte sich ein Homogenitätssog, der im 19. Jahrhundert in eine konzise Luthermu sealisierung münden sollte; diese entstand in Abgrenzung zur ars combinatoria der 185 Nora (1984, 1998). 186 „Es war so etwas wie ein Baedecker für die Reliquiensammlung.“ Thulin (1960), S. 19, sie he auch Cárdenas (2002); in vorliegender Studie, S. 182f. 187 Allg. Michalski (1990). 188 Die insbesondere von Andreas Bodenstein von Karlstadt (1482–1541) ausgelösten Unruhen sollten Luther bewegen, die Wartburg zu verlassen, um in der Wittenberger Stadtkirche die für den protes­tantischen Bildbegriff zentralen Invokavit-Predigten zu halten; Müller (1911a); Fabian (1914); Oehmig (1995). 189 Martin Luther, WA Tischreden 2, S. 509.

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frühen Neuzeit, die sich noch von unterschiedlichsten Dingsphären inspirieren ließ. Seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts ersetzte eine Musealisierung als Spe zialisierung eine Musealität der Vielfalt.��������������������������������������� Die Aufnahme eines Objektes im Luther haus veredelte es historisch, sofern es eng mit Luther in Verbindung gebracht wer den konnte. Im ���������������������������������������������������������������������� Zeitalter des Historismus luden die�������������������������������� Konservatoren des Lutherhauses jedes Relikt, das in diesem Gehäuse Platz fand, mit Bedeutung auf; machten es zu einem Stück Reformationsgeschichte.190 Das Lutherhaus bedeutete nur ein – wenn auch sehr prominentes – Exponat im Museum „Wittenberg“. In einer Umgebung, die sich als begehbare Gedächtnisland­ schaft versteht, verkörpert es einen verdichteten Erinnerungsraum. Die in einer authentischen architektonischen Rahmung versammelten Lutherdinge machten aus dieser Stätte einen suggestiven Ort von Neugier und Frömmigkeit, Wissensvermitt lung und Kult.191 Die allgemein verbreitete, bisweilen plakativ vorgetragene Ent wicklungslinie, dass mit der Säku­larisierung der Kunst an Stelle des ursprünglich mit Ritualen verbundenen Kultwerts die Authentizität und der Ausstellungswert getreten seien, scheint hier einer strukturellen Doppeldeutigkeit zu weichen. An Stelle des Wandels künstlerischer Phänomene, der sich von ihrer sakralen Funktion über ihre profane Bedeutung bis zu ihrer ästhetischen Eigen­existenz verfolgen lässt, waren die meisten Exponate im Gehäuse des Lutherhauses sowohl sakral als auch säkular konnotiert. Immer häufiger kommerziell erworben und frei verfügbar gemacht, setzten sich hier die Dinge als Ausstellungsobjekte einer auffälligen Resakralisie rung und politischen Indienstnahme aus.

Monumente des Ewigen Ohne Objekte, die den direkten Draht zur verlorenen Zeit herstellen, sind Formen der Luthererinnerung nicht zu begreifen. Die seit 1783 überlieferten Besucherbücher des Lutherhauses in Wittenberg dokumentieren bis heute eine touristische Reforma tionserfahrung, die von originalen Raumensemblen und übrig gebliebenen Dingen lebt. Maurice Halbwachs (1877–1945) hat darauf hingewiesen, dass der Gläubige den Drang hat, sich seiner Gegenwart zu entziehen, seinen Blick unablässig auf diejenige Zeit zu richten, in der die Religion, der er angehört, entstanden ist.192 Für touristische Protes­tan­ten ist der Besuch Wittenbergs eine Reise zum Ursprung; die Stadt spiegelt als konkrete Utopie eine andere Zeitdimension, indem sie die ������������������������� Aura des immer schon Vorhandenen austrahlt. Schlosskirche, Stadtkirche und Lutherhaus sind weit mehr als wichtige Gebäude einer Stadt, vielmehr verwandeln sie sich in Monumente der Ewigkeit. ������������������������������������������������������������������������� In einem wechselseitigen Prozess speiste der Ort die Erinnerung der Besu

190 Laube (2003). 191 Vgl. allg. Beier-de-Haan (2002); Lautman (1987); Grimes (1992); Arthur (1993); Paine (1999). 192 Halbwachs (1996, 1925), S. 200.

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cher, genauso wie deren Erinnerung den Ort auflud.193 ������������������������������ Wittenbergs Identität scheint vom Blick der Reisenden�������������������������������������� auf der Durchreise definiert zu sein.194 Unmittelbar nach der Reformation musste das Reisen in protestantischen Gebiete neu legitimiert werden.195 Luther hatte mit dem Ablasswesen auch das Wallfahren verdammt. Bestimmt hatte er bei seinem Rombesuch im Jahre 1511, als er ausgestat tet mit einem Stadtführer „lieff durch alle Kirchen und Klufften“,196 nicht geahnt, dass er einmal für Wittenberg eine vergleichbare touristische Geschäftigkeit auslö sen sollte, zumal Luthers Einstellung zur Ortschaft Wittenberg keineswegs von spontaner Zuneigung geprägt war: „Die Wittenberger leben an der Grenze der Zivi lisation; wenn sie etwas weiterhin sich angesiedelt hätten, wären sie mitten in die Barbarei gekommen .“197 Bereits im 16. Jahrhundert waren Reisen zu den Gedenkstät ten der Reformation, wie in Wittenberg zur Stadtkirche, Schlosskirche und zum Luther­haus üblich. Es ist wahrscheinlich, dass im letzteren – spätestens im Jahre 1565 mit dem Wegzug der Hinterbliebenen Luthers und dem Kauf dieses Wohnge bäudes durch den Kurfürsten – ein Museumsort entstand. Obwohl der erste doku mentarische Beleg erst aus dem Jahre 1655 stammt, hat es in Wittenberg bestimmt schon im 16. Jahrhundert – wie auf der Wartburg, wo eine Baubeschreibung aus dem Jahre 1574 „Dr. Martin Stubens“ erwähnt198 – im Hintergebäude des Colle­gium Augusteum einen fixierten Ort gegeben, wo man an Luther gedachte. Erinnerungsorte vom Typus der Lutherstube verkörperten weniger ein wissenschaftlich-methodisches Realitätsverständnis, vielmehr folgen sie der rhetorischen Figur der Synek­doche, d. h. des pars pro toto. Es schien so, dass in diesem gemütlichen Raum die gesamte Reformationsgeschichte runde Gestalt annahm. WITTENBERG ALS ERINNERUNGSLANDSCHAFT – Karl Heinrich Dzondi (1770–1835) hatte in seinen Erinnerungen an die festlichen Tage der dritten Stiftungfeyer der Akademie zu Wittenberg von 1803 nur wenige Reformations-Denkmale in der durch den Siebenjäh­rigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen und an vielen Stellen nur notdürftig wieder hergerichteten Stadt erwähnt: die Gräber von Luther und Me­lanchthon in der Schloss­kirche, die Lutherkanzel in der Stadtkirche, dann das ehema­lige „Schwarze Kloster“, „wo in dem anspruchslosen Schmucke des grau en Alter­tums mit tausend, tausend Namens­zügen zu ihr wallfahrender Fremden, 193 194 195 196

Assmann (1999), S. 21. Groys (1997), S. 95ff. Zur Konfessionsgeschichte des Reisens: Maurer (1999), S. 351–354. WA 31,1, S. 226. Nur flüchtig machte sich Luther in Rom mit den Monumenten der Antike und christlichen Kunst vertraut; spärliche Belegstellen bei Piper (1867), S. 684f. 197 „Wir setzen allhie zu Wittenbergae nur einem Schindeleich testante D. Mellerstadt. Wittenbergensis sunt in termino civilitatis si paulo longius progressi fuissent, in mediam barbariam venissent“ Luther, 23.11.1532, in: WA Tischreden 2, S. 669. Als Martin Luther 1508 von Erfurt aus erstmals nach Wittenberg kam, muss er den Kontrast zwischen dem urbanen Zentrum Thüringens und einer abseits gelegenen Residenzstadt als extrem empfunden haben. Zeitlebens wunderte er sich, dass man gerade hier eine Universität gegründet habe. 198 Badstübner-Gröger/Findeisen, S. 211; Steffens (2008), S. 170f.

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gezeichnet, Luthers Stube prangt.“199 ���������������������������������������������� Im Jahre 1783, als erstmals Fremdenbücher aus gelegt wurden, stellte Wittenberg eine verkehrsgeographisch günstig auf der Post straße von Berlin nach Leipzig gelegene Stadt von 4.000 Einwohnern dar. Der dama ligen Stadtbeschreibung kann man nur wenig Luther-Memoria entnehmen.200 Die Verwandlung Wittenbergs in ein������������������������������������������������� Zentrum der reformatorischen Ge­dächtniskultur, bestehend aus Bauten, Fassaden, Denkmälern, Friedhöfen und Brunnen bestand, vollzog sich insbesondere unter preußischer Ägide im 19. Jahrhundert. Während sich in Weimar seit etwa 1825 ein Kanon der Weimarer Klassik kartographisch ein schrieb,201 war es in Wittenberg zur gleichen Zeit die Reformation mit dem Protago nisten Luther und seinen Helfern Melanchthon und Bugenhagen, die buchstäblich auf den Sockel gestellt wurden.202 Diese Entwicklung war Resultat einer bewussten preußisch-hohenzollerischen Geschichtspolitik. In der frühen Neuzeit hatte Witten berg keine konstruierten Denkmäler benötigt, die gesamte Stadtanlage Wittenbergs schien in den Rang eines Gedenkzeichens an die Reformationsepoche erhoben. Der genius loci „Wittenberg“ überstrahlte jeden punktuellen Akt der Musea­lisierung. Im 17. Jahrhundert war die Pflege des reformatorischen Erbes von bibli­scher Erinne rung absorbiert. Als sich mit dem Reformationsgedenktag 1617 die moderne Jubilä umspraxis im Rhythmus der runden Zahlen durchsetzte, wurde sogleich das zurück­ liegende Jahrhundert in eine heilsgeschichtliche, biblische Dimension gerückt: Man feierte die Sachsen als neues „Volk Israel“ oder verbreitete Graphiken mit Sujets aus dem Neuen Testament, auf denen im Hintergrund statt der biblischen Topographie die Silhouette der Stadt Wittenberg dargestellt war.203 Konfessionsbewusste Protes­ tan­ten nannten im 17. Jahrhundert Wittenberg in einem Atemzug mit Jerusalem. Gerade die standhaften Festungsmauern dieser religiösen Symbolorte gegenüber einer feindlichen Umgebung luden zu Vergleichen ein. Ohne Gräben zwischen Judenund Christentum aufzureißen, verkörperte Jerusalem dabei die Geschichte des Alten Testaments und Wittenberg die des Evangeliums.204 Von Luther selbst ist eine Äuße rung überliefert, er habe als Kind von der Prophezeiung gehört, ein Kaiser Friedrich werde das heilige Grab erlösen. Nun sei sie durch Friedrich den Weisen erfüllt, unter dem die Heilige Schrift, in der die Wahrheit Christi lange begraben lag, wieder auf getan worden sei, in dem unscheinbaren Orte Wittenberg, dem deutschen „Liba­ non“.205 Als authentischer Ort christlichen Glaubens verwandelte sich eine sächsische Ortschaft – gleichsam wie Palästina – in eine heilsgeschichtliche Erinnerungs landschaft, in ein biblisch analogisiertes „Mnemotop“ (Jan Assmann).206 Als „himm

199 200 201 202 203 204 205 206

Dzondi (1803), S. 14. Krebel (1783), S. 150f. Bollenbeck (2001). Scharfe (1984); Scharfe (1996); Burkhardt (1988). Zu dieser „Verewigungsstrategie“ der Protestanten: Müller (1998a), Fuchs (1998). Schmidt (1649). Luther, in: De abroganda missa privata (1521), WA 8, S. 475f.; vgl. dazu Schulin (1985). Assmann (1992), S. 59f.; siehe auch Halbwachs (2003, 1942).

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108: Stadtansicht von Wittenberg, Cranach-Werkstatt, kolorierter Holzschnitt (um 1558), Wittenberg, Stiftung Luthergedenkstätten

lisches Jerusalem“ projizier­ten sich auf Wittenberg imaginäre Bedürfnisse eines religiösen Ferntourismus.207 Zugleich begann sich die Raumformel „Volk Israel“ auf ganz Sachsen auszudehnen.208 Dass sich aus Raum und Religion ein konziser Zusam menhang ergibt, der er sich v.a. in der Idee des heiligen Ortes zeigt,209 ist somit auch in Traditionsgebieten der Reformation virulent geblieben.210 Ähnlich wie Pilger in der Umgebung von Jeru­salem Dornen abschnitten, Stücke von heiligen Stätten abschlugen, Abdrücke von Christi Fußspur kauften sowie Nägel aus den Kirchen Jerusalems oder Splitter von der Hebroneiche mitbrachten,211 nahm der Besucher der Lutherstube reliquien­artige Andenken mit, wie Mörtelstücke mit dem Tintenfleck, Späne vom Estrichboden oder Holzwerke von den Wandflächen. Das Spektrum von Eigen- und Fremdwahrnehmung an religiös konnotierten Orten ist weit gespannt.212 Es reicht von einer heimatlichen Projektion der Ferne im Gewand biblischer Heilsgeschichte bis zu einem aufgeklärten Regionalbewusstsein 207 Schmidt (1649). 208 Zu den Motivationen dieses rhetorischen Kunstgriffs: Müller (1998a), S. 87f.; zur Idee des „auserwählten Volkes“: Schmidt (2001), S. 35–42. 209 Eliade (1957, 1998); zur zentralen Rolle der Erinnerung im Christentum, die der Vermitt lung von verehrungswürdigen Gegenständen bedarf: Halbwachs (1925, 1996), S. 178–222. 210 Blaschke (1995); Junghans (1979), S. 15f. 211 Röhricht (1900), S. 10, S. 22, siehe zu den ihnen aufgeprägten Erinnerungen Halbwachs (1942, 2003). 212 Zur großen mentalen Kluft zwischen Einheimischen und Reisenden: Esch (1991); zu Mu seumsreisen vgl. Pütter (1990).

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und Tourismusblick mit deutschen bzw. europäischen Bezügen. Eines der frühesten Zeugnisse reformatorischen Selbstverständnisses der Wittenberger Stadterinnerung stellt die Wittenberger Chronik von Melanchthon aus dem Jahre 1556 dar, die Niko­ laus Müller (1857–1912), Berliner Professor für Christliche Archäologie und Ini­tiator des Melanchthonhauses in Bretten, 1911 im Turmknauf der Wittenberger Stadtkirche entdeckte.213 „Wittenberg, du ruhmreiche Gottesstadt, Sitz und Burg der wahren, den ganzen Erdball beherrschenden Lehre, des Kurfürstentums Sachsen Hauptstadt, die berühmteste unter den Universitäten Europas und des letzten Jahrtausende bei wei tem heiligster Ort“ lautete auf Lateinisch die mit Superlativen ­gespickte großflächige Überschrift auf einem kolorierten Holzstich von 1558 (Abb. 108).214 In Zedlers Uni­ versal-Lexicon wurde Wittenberg als „Weltberühmte Stadt“215 auf nicht weniger als 115 Spalten gewürdigt. Das Standardwerk der Reisebeschreibungen im 17. Jahrhun dert, Merians Topographica, ging hingegen sachlich und knapp auf den touristischen Wert Wittenbergs ein: „Neben besagten beyden Kirchen/ist auch das Augus­tinerCloster zu sehen/… in welchem D. Luther vormals ein Mönch gewesen ist/und her nach darin gehauset hat/wie denn seine Studirstuben noch den Frembden gewiesen wird.“216 Lange Zeit beschränkten sich die Quellen auf derart wortarme Beschreibun­ gen. Erst der Aufklärungsphilosoph Johann Gottlob Heynig (1772–1832), der sich das Pseudonym „Schalscheleth“ gab, schilderte im Jahr 1795 jene Gefühle und Eindrü cke, wie sie die Besucher beim Besuch der Lutherstube befallen: „Ein ganz von Wür mern zerfressener Tisch, dessen Platte man abheben muß, wenn man in den Tisch kasten will, ein paar hölzerne Stühle, auf welchen er gewöhnlich mit seiner Gattin gesessen haben soll, Bänke, die an die mit Brettern ausgeschlagenen Wänden herum laufen, dies sind die wenigen Geräthschaften, die man da erblickt. Welche Wohnung für einen Mann, der mit den größten und reichsten Fürsten seiner Zeit in Verbin dung stand, und doch seine ganzen Bedürfnisse auf dieses enge Zimmer ein schränkte!“217 Zentrale Aspekte, wie die Lutherstube als museum lutheri sowie der Dingkult, auf den auch die Protestanten nicht verzichten wollten und schließlich die Wahrnehmungsformen der Besucher bei Besichtigung der Dinge, vereinigt wenig später auch die Erdbeschreibung von Dankegott Immanuel Merkel (1765–1798).218 DAS LUTHERHAUS ALS NUKLEUS – Wohnstätten berühmter Personen sind seit jeher das Ziel interessierter Reisender, zu deren Lebzeiten, noch mehr aber nach deren Tod. Im alten Rom konnte man in augusteischer Zeit noch die Hütte des legen

213 Müller (1911). 214 Treu (2003), S. 58. 215 Wittenberg, aus: Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 57, Leipzig/Halle 1748, Sp. 1688–1803, hier Sp. 1688. 216 Beschreibung Wittenbergs, aus: Topographica Superioris Saxoniae, Thüringae, Misuia, Lusatiae. Herausgegeben und verlegt von Matthaeum Merian in Frankfurt 1650, S. 193– 198, hier S. 195 217 Heynig (1795), S. 206. 218 Merkel (1797), S. 78.

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109: Ansicht des Lutherhauses in Wittenberg im 17. und 18. Jahrhundert nach einer Lithographie von Eduard Dietrich (1826), Wittenberg, Stiftung Luthergedenkstätten

dären Stadtgründers Romulus besichtigen, die als heiliger Ort angesehen wurde.219 Die Bewohner von Neapel hatten das Grab Vergils nie vergessen. Die Studienorte Petrarcas in Vaucluse und Arquà waren schon frühzeitig Objekt musealer Fürsor ge.220 Auch bei Luther stand im Zentrum der kollektiven Erinnerung die Pflege eines Wohnhauses, in dem er zentrale Phasen seiner Biographie verlebte. Damit war eine streng auf das Individuum fokussierte Memoria konstituiert, die in der Antike grundgelegt worden war und im Humanismus der Frührenaissance wieder aufle ben sollte. Bei einer Wohnstube sind für die breite Masse Möglichkeiten der Identi fizierung viel eher gegeben als bei einem aufgeschlagenen Buch, dessen mitunter komplexer Inhalt nur wenigen tatsächlich zugänglich sein mag.221 Das Wohnen hin gegen lädt zur Empathie ein, denn jeder wohnt irgendwo und irgendwie.222 Im

219 Dionysius von Halikarnaß, Antiquitates Romanae I, 79, 11. 220 Liebenwein (1977), S. 44–52; Burckhardt (1860, 1928, 1960), S. 105f. 221 Die biblischen Deutungen Luthers unterschieden sich in punkto Komplexität kaum von den Spekulationen Jacob Böhmes, Bornkamm (1925). 222 Bachelard (1957); Barthes (1964).

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Lutherhaus von Wittenberg verbrachte Luther 38 Jahre seines Lebens (Abb. 109).223 Das stattliche, aus einem Gebäudetrakt einer unvollendet gebliebenen Klosteranlage hervorgegangene dreistöckige Gebäude am Ostrand der Altstadt zog seit der zwei ten Hälfte des 16. Jahrhunderts Pilger- und Bildungsreisende in seinen Bann.224 In der Lutherstube, wo Luthers Tischreden stattfanden, sowie im Hörsaal, wo Luther einige seiner Vorlesungen gehalten haben soll,225 verdichtet sich der akademische und private Werdegang des Reformators in einer Intensität wie an keinem anderen Ort. Der Umgang mit diesem Lutherhaus stellte von Anfang an eine geschichtspoli tische, denkmalpflegerische und museologische Herausforderung dar. Vergleiche mit der Walhalla in Bayern oder dem Pantheon in Paris drängen sich auf bei der „Gedächtnishalle, die des eines Mannes Gedächtnis fassen soll, sein Werk, seine Wirkungen, seinen Geist“.226 Aber das Lutherhaus war nicht nur Ruhmeshalle, son dern vor allem simples Wohnhaus, d. h. ein Tempel menschlicher Einfachheit, der nicht entrückt, sondern für die bürgerliche Lebensweise alltägliche Marksteine zur Identifikation schafft. Entsprechend der Raumvorstellungen Bachelards geht von dem an eine unvergessliche Vergangenheit verbundenen Lutherhaus eine spezifische Poesie aus. Seine Ecken und Winkel tragen Patina, hier ist das Kleine mit dem Groß en, das Banale mit der Weltgeschichte verknüpft.227 Insbesondere die Metamorphose vom Mönchskloster in ein evangelisches Pfarrhaus machte das Lutherhaus im 19. Jahrhun­dert zu einem mythenbesetzten Erinnerungsort der deutschen Geschichte.228 Die Suche des gebildeten Bürgertums nach seinem Ursprung – für den Historiker 223 Laube (2003). Auch Luthers Geburtshaus in Eisleben stand früh im Zentrum von Museali sierungsmaßnahmen. Nachdem das durch schwere Brandschäden getroffene Geburts haus Ende des 17. Jahrhunderts vom Magistrat wieder instand gesetzt worden war, ging es als Armenschule und Museum in einer Doppelfunktion auf. Das zur Straße gelegene angebliche Geburtszimmer wurde als Schulraum genutzt; der angrenzende Schöne Saal war seit 1693 Museumsraum; er machte das Geburtshaus zu einem der ersten Geschichts museen; Beschreibung des „Schönen Saals“ bei Vogler (1693); Steffens (2008), S. 61ff. 224 Die frühe Baugeschichte begann im Jahre 1504, nachdem ein Jahr zuvor die zum ersten Semester der Universität in Wittenberg eingetroffenen Augustinermönche das Grund stück des Heiliggeisthospitals am Elstertor erhalten hatten. Ursprünglich war eine Vier flügelanlage um einen Kreuzhof vorgesehen, und man begann mit dem Bau des Südflü gels an der Stadtmauer, d. h. mit dem Schlafsaal für die Mönche. Es ist davon auszugehen, dass Planungsänderungen während der ersten Bauphase des Augustinerklosters pragma tische Gesichtspunkte in den Vordergrund drängten, wie die Absicht des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, ein geeignetes Universitätsgebäude zu errichten. Der ursprüngli che Entwurf des traditionellen Gevierts einer Augustinerklosteranlage hingegen trat im mer mehr zurück; Denkmale der Lutherstadt (1979); Hennen (2002), S. 5f. 225 Ausführlich zur topolatrischen Tradition dieses Raums als „Hörsaal Luthers“: Jordan (1922), S. 101–106. 226 Oskar Thulin, „Die Lutherhalle ruft!“. Illustrirte Festausgabe zum „Wittenberger Tage blatt“ anläßlich der Luther-Festtage, 9.–13. September 1933, Lutherstadt Wittenberg. 227 Bachelard (1957). 228 Stein (1883), S. 20; vgl. auch Spiegelung der privaten Biographie Luthers im Lutherhaus bei Rietschel (1888), S. 11.

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110: Petrarca im Studiolo, aus De viris illustribus, Padua (um 1400), Darmstadt, Hessische Landes-und Hochschulbibliothek

Leopold von Ranke (1798–1876) war die Aufgabe des Zölibats dessen Geburtsstunde – fand im Lutherhaus seinen topographischen Kern.229 Schon Luther selbst hatte in diesem Haus seiner mönchischen Turmzelle Denk malwert zugestanden.230 Dieser Turm scheint vor der Entstehung des Augustinerklo sters als Befestigungswerk der Stadtmauer bereits bestanden zu haben und beim Klosterbau in dessen Anlage einbezogen worden zu sein. Im Erdgeschoss an der Außenwand sollen sich Latrinen befunden haben, die 1519 an die Ostseite verlegt wurden, um den unteren Turmraum ebenfalls Luther zur Verfügung zu stellen.231 Hier verfügte Luther über ein Refugium, über eine Mischung aus Studienraum und Oratorium. Ähnliche Akzente vermittelte übrigens Petrarcas Bibliothekszimmer im venezianischen Arquà, um das sich schon frühzeitig ein Kult entwickelte, als bekannt wurde, dass der Dichter dort 1374 verstarb (Abb. 110).232Als Frontispiz eröffnet eine 229 Lithographien von Friedrich Campe (1777–1846), Wilhelm Baron v. Löwenstein, Carl Au gust Schwerdgeburth (1785–1878) verbreiteten Sujets, wie das Lutherhaus als erstes evan gelisches Pfarrhaus sowie Luther als Hausherr und Familienvater in der Lutherstube; Ausstellungskatalog Coburg (1980); zur übergreifenden Ausstrahlung des evangelischen Pfarrhauses: Janz (2001). 230 WA Tischreden 2, S. 509. 231 Joestel (1992). Auf dem vergrößerten Ausschnitt der Stadtansicht nach einem Holzschnitt von Hiero­nymus Nützel kann man einen viereckigen Turm erkennen, der über die Längs front des Wohngebäudes in den Klostergarten vorspringt; Hennen (2002), S. 11, Abb. 5. 232 Keyssler (1740, 1776), S. 1082f.; Liebenwein (1977), S. 49.

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Interieurstudie sein Werk De viris illustribus, in der man durch eine gemalte Bogen architektur den Dichter in seiner Gelehrtenstube auf einem Katheder vor einem Schreibpult sitzen sieht.233 Die Ansicht von Ernst Kroker (1859–1927), dass man schon bald nicht mehr wusste, wo������������������������������������������������������ ����������������������������������������������������� Luthers Arbeitsstube wirklich gewesen war, „denn die sen Raum hatten wohl nur Luthers nächste Angehörige und Fremde betreten und mit ihrem Hinweggang schwand auch die Erinnerung“234, wird durch Johannes Ficker (1861–1944) widerlegt, der nachwies, dass dort eine von Glas geschützte luthe rische Inschrift angebracht gewesen war, die Fremden gezeigt wurde.235 Im Unterschied zur Bauentwicklung der beiden Lutherhäuser in Eisleben,236 legt die Geschichte des Wittenberger Lutherhauses es immer schon als ein historisch wertgeschätz­tes Gebäude offen, als ein Gebäude mit von außen herangetragenen Sinnstiftungen, das sich vom städtebaulichen Kontext abhob. Obwohl es mit Errich tung des Collegium Augus­teum im Jahr 1586 zu einem Hintergebäude degradiert wor den war, stellte das Lutherhaus weiterhin eines der repräsentativsten Gebäude Wit tenbergs dar, wozu auch der 1564 neu hinzugekommene auffällige Wendelstein beitrug. Nachdem das Vordergebäude von Kurfürst August (1526–1586) zum Kolleg für kurfürstliche Stipendiaten gemacht worden war, konzentrierte sich der Luther kult im „Schwarzen Kloster“ lange Zeit auf vier Örtlichkeiten: auf die Lutherstube, die Aula bzw. den Großen Hörsaal, das Turmzimmer und auf das 1540 entstandene Katharinenportal.237 Dass man dem Lutherhaus schon von Anfang an eine besonde re Wertschätzung entgegenbrachte, zeigt allein der Brauch, bei Baumaßnahmen, die die Außenansicht veränderten, in der Turmspitze des Wendelsteins Urkunden zu hinterlegen, die die Erinnerung in Form klandestiner sola scriptura fixierten. Die vier Gedenkurkunden waren im Jahre 1832 in einer Bleikapsel gefunden, abgeschrieben und übersetzt worden.238 Im Spiegel dieser Gedächtnisschriften aus den Jahren 1566, 1629, 1670 und 1713, denen sich dann noch die neueste aus dem Jahre 1832 hinzu­ gesellen sollte, bündeln sich wie in einem Brennglas die großen Stränge der europä ischen Geschichte im Spiegel eines Hauses. Zugleich verdeutlichten diese Dokumente das Beziehungsverhältnis zwischen vergänglicher Zeit und ewiger Monumentalität, die Beharrungskraft eines Gebäudes gegenüber den Destruktionstendenzen der Zeitläufte. Die erste aus Anlass der Fertigstellung der Spitze des Wendelsteins hinterlegte Urkunde vom 25. November 1566 erwähnt die Ankunft Luthers im Jahre 1508, dann 233 234 235 236 237

Liebenwein (1978), S. 193 Kroker (1920), S. 315. Ficker (1936). Vgl. in vorliegender Studie, S. 248. Steffens (2008), S. 61ff., S. 93ff. Katharina von Bora hatte diesen repräsentativen Eingang ihrem Ehemann zum 57. Ge burtstag geschenkt. Er ist mit Luthers Wappenbild der Luther­rose und Konterfei im Grund der Baldachine geschmückt und stellte damit das älteste, wenn auch mühevoll in Augenschein zu nehmende steinerne Lutherdenkmal dar, zu den lateinischen Inschriften; Stier (1860), S. 124. 238 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep. 76 Va, Sekt. 8, Tit. XIX, Nr. 2, Bd. 1, S. 150–172.

243  Das Haus, die Stube und die Sachen

die Auflösung des Klosters. Nach Luthers Ableben sei seine Witwe Katharina von Bora vor der Pest nach Torgau geflohen. Deren Kinder hätten das Haus noch bis 1564 besessen. Der damalige Kurfürst habe ihnen das baufällige Gebäude für 3.700 Gul den abgekauft und für 3.000 Gulden instand gesetzt.239 Die nach der Erneuerung der Turmspitze hinterlegte zweite Urkunde aus dem Jahr 1629 beschreibt die Wirren des Dreißigjährigen Krieges, so die Belagerung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen, „aber auch in Niederdeutschland suchte man mit aller Gewalt die päpstlichen Gebräuche wieder einzuführen.“ Daher möge der Turm feststehen „gegen die Feinde und den Zorn der tobenden Kriegszeit.“240 84 Jahre später hatte sich die Situation grundlegend geändert: Wittenberg wurde von einem katholischen Landesherrn regiert. Das Dokument im Jahre 1713 „Unter der Regierung des gnädigsten und mächtigsten Königs und Herrn von Polen, Churfürsten von Sachsen Friedrich August von Gottes Gnaden und unter dem Universitäts Rectorat Seiner Magnificenz Friedrich August Kron- und Erbprinz von Sachsen“ schildert ausführlich die politischen Unruhen im spanischen Erbfolgekrieg, die in den Utrechter Friedensschluss mündeten.241 Motor und Keimzelle der Luthermusealisierung stellte die Lutherstube in Witten berg dar, die durch die Tischgespräche berühmt gewordene Wohnstube des Fami­ lienvaters und gefeierten Professors. Auf sie konzentrierte sich die Adoration des Reformators bereits in früher Zeit, auf sie bezog sich das zeitgenössische Etikett museum lutheri. Die Faszination dieses Denkmals schöpfte aus dem Spannungsfeld zwischen weltgeschichtlicher Bedeutsamkeit und alltäglicher Anschaulichkeit. Die Einfachheit dieses Ortes stiftete Gemeinsamkeit über Ständegrenzen hinweg. Selbst der „glänzendste Monarch“ verlöre beim Anblick der Lutherstube seinen „Glanz durch brausende Gefühle“; er sei ebenso ergriffen „wie der gemeinste Bürger“, beide bezeugten Luther Respekt und beide verewigten sich durch ihren Namenszug an der Wand.242 Schaulustige der Lutherstube und der benachbarten Kammern waren Zimmerreisende, in ihren Gästebuchnotizen sprachen sie einerseits von „heiligen Hallen“, was ihrem tatsächlichen Umriss keineswegs entsprach, andererseits ganz schlicht von „Zimmer“.243 Die Gleichzeitigkeit von sinnlicher Nähe und geistiger Fer ne entwickelte eine auratische Atmosphäre, der sich kaum jemand entziehen konnte. Von einem Lutherstubenbesucher ist aus dem Jahr 1833 der Eintrag „Das schlichte und anspruchslose Wesen der verehrten Männer beweißt am cräftigsten unsre Unsterblichkeit“244 überliefert. 239 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep. 76 Va, Sekt. 8, Tit.XIX, Nr. 2, Bd. 1, Bl. 154f.; zu Kauf und Schenkung durch den Kurfürsten im Jahre 1564, nachdem die Erben das Anwesen schon seit 1558 loswerden wollten, vgl. Grohmann (1801), Bd. 1, S. 73ff. 240 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep. 76 Va, Sekt. 8, Tit.XIX, Nr. 2, Bd. 1, Bl. 156–157; Übersetzung Bl. 158. 241 Ebd., Bl. 164–165, Übersetzung Bl. 166–167. 242 Heynig (1795), S. 207. 243 Zum Zimmer als Weltersatz für unter Hausarrest Stehende: Stiegler (2010). 244 Adolph und Moritz Kemy, 31. Mai 1833, aus: Einschreibe Buch für die Lutherstube vom Juli 1825 bis 9. Mai 1834, Bd. 4, Stiftung Luthergedenkstätten (Aktenbestand/Wittenberg).

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Orte auf der Durchreise Insbesondere während des 19. Jahrhunderts sollte sich die Lutherstube in Witten berg zu einem herausragenden Zielort eines evangelischen Wallfahrtstourismus ent wickeln (Abb. 111).245 Hier, aber auch an anderen Lutherorten, schlüpften Besucher als Pilger und Vergangenheitstouristen in eine Zeitmaschine. An für bedeutsam gehaltenen Orten galt es, sich von Landschaft, Monumenten oder Ruinen inspirieren zu lassen. Ein wesentliches Ziel mag darin bestanden haben, die Brüche der Über lieferung aufzuheben. „Wittenberg du schöne Stadt die Luther schön gezieret hat, wenn Luther nicht gekommen wäre, so wäre ich nicht gekommen hierher“246 lautet der Eintrag eines Touristen in das Besucherbuch von 1828. Als „protestantisches Mekka“ bezeichnet ein englischsprachiger Reiseführer die Stadt Wittenberg im Jahr 1840.247 Vom Bibelwort „Zieh deine Schuhe aus, denn der Ort da du stehest, ist­ heiliges Land“ (Ex 3,5) sprach ein Lehrer und Heimathistoriker um die Jahrhundertwende, als er das Lutherhaus beschrieb.248 Nach dem Ersten Weltkrieg konnten erstmals organisierte Wochenend-Gruppenfahrten mit der Eisenbahn stattfinden. Wittenberg war sich Ziel genug. Die Stadt avancierte zu dem zentralen „Wallfahrtsort“ der evan gelischen Christenheit, zumal Massenverkehrsmittel inzwischen technisch so aus gereift waren, dass es möglich war, an einem Tag von Berlin aus die Lutherstätten zu erreichen und wieder zurückzukehren: „Was �������������������������������������������� Romfahrer sind, weiß jeder Pilger, die diese durch die Geschichte geweihte Stätte aufsuchen. Seit den letzten Jahren ist auch Wittenberg das Ziel zahlreicher Pilgerfahrer geworden, die aus religiösen Grün den die Gedächtnisstätten besuchen.“249 �������������������������������������� Jeder Wittenbergbesucher besuchte die Schlosskirche mit dem Luthergrab und der Thesentür, das Rathaus mit Marktplatz und Stadtkirche, schließlich aber vor allem das Luther­haus mit dem Museum namens Lutherhalle. Wittenberg schöpfte nur noch von seiner Lutherbedeutung, die als memorialer Monolith den gesamten Stadtkern überwölbte. Diese Art eines zielorientierten Pilgertourismus war der frühen Neuzeit noch weitgehend fremd. Damals dominierte in Wittenberg, aber auch an anderen Orten der Luthermemoria der Fremde auf der Durchreise.250 Alle Besucher, ob nun der schwedische König Karl XII. (1682–1718), der sich 1707, oder Zar Peter der Große (1672– 1725), der fünf Jahre später in die Rolle eines Luthertouristen schlüpfte, oder all die Unbekannten, die sich mit Graffiti an den Wänden verewigten, ließen es sich nicht nehmen, im Rahmen größerer Reisen in Wittenberg Station zu machen. Die günstige geographische Lage schuf einen Ort der Begegnung: Europäer, die von Osten nach 245 Zum Pilgertourismus: Hebers (1991); Ausstellungskatalog Tübingen (1981); Groys (1997). 246 Ernst Luther (23.6.1828); Einschreibe Buch für die Lutherstube vom Juli 1825 bis 9. Mai 1834, Bd. 4, Stiftung Luthergedenkstätten (Aktenbestand/Wittenberg). 247 Hand-Book for Travellers (1840), S. 325. 248 Erfurth (1903), S. 243. 249 Geibel (1927). 250 Zahlreich sind die Fremdenbucheinträge „auf der Durchreise“. Immer wieder taucht hin ter den Namen die Zusatzinformation „auf der Reise von Berlin nach Dresden“, „von Berlin nach Wien“ etc. auf.

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111: Touristen in der Lutherstube, Lithographie von Joseph Willard (1832), Wittenberg, Stiftung Luthergedenkstätten

Westen zogen; Deutsche, die von den ostmitteleuropäischen Zentren in die Kern­ regionen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wollten, passierten die sen Ort an der Elbe, ohne einen größeren Umweg in Kauf nehmen zu müssen. In Kriegszeiten blieb es nicht aus, dass fremde Soldaten in der Stadt logierten. „Und wie die Schwedische Armee Ao. 1708. in Sachsen stund, schnitten sie als eifrige Luthe raner, von Lutheri Haußrath soviel Späne ab (…)“.251 Lutherrelikte waren begehrte Souvenirs, selbst für einen polnischen General, der während der napoleonischen Freiheitskriege in das ausliegende Gästebuch schrieb: J’ai visité & enlevé de la table sur laquelle fut imposée la Bibel reformée par Luthers, a Vitemberg, un morceau de bois comme souvenir d’un grand homme, le 7 mars 1813.252 Nicht selten leben einzelne Andenken nur von ihrer behaupteten Authentizität. Nicht die Echtheit der Zeugnisse der Vergangenheit war relevant, sondern sie für echt zu halten. Die Geschichte als Erinnerung und die Geschichte als Wissenschaft weisen mitunter in entgegen gesetzte Richtungen, wenn der Wunsch, sich etwas einzubilden, überhand nimmt und so stark wird, dass man sich nicht mehr kom 251 Pontoppidan (1746), Bd. 3, S. 179. 252 Aus dem ersten Band des Besucherbuches mit dem Titel E. Hochlöbl. Universität Wittenberg Einschreibe-Buch für Diejenigen, so das Augusteum und des seel. Herrn D. Martini Lutheri Stube besehen, angefangen Mense Martio MDCCLXXXIII, März 1783–31. Oktober 1817; zu dieser Splitter-Praxis des Erinnerns: François (2001), S. 156; Souvenirpraktiken waren bereits in der Antike verbreitet, Künzl/Koeppel (2002); Hartmann (2010).

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plexe, differenzierte Tradierungszusammenhänge, die meist ���������������������� den eigenen Projektio nen zuwiderlaufen, vor Augen hält: „�������������������������������������������� Ich glaube an die Wittenberger Sagen wie an die Wahrheit von Märchen und Dichtungen, und zwar um ihres geistigen Inhalts willen, im Gegensatz zum Wissen,“ so der Dresdner Architekt und Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt (1850–1938).253 Gerade diese schillern­de Unbestimmtheit zwischen Faktizität und Fiktion schien die Dinge mit einer besonderen Aura auszustatten. Häufig kommt es vor, dass���������������������������������������������������� Besucher ������������������������������������������ in dem Bedürfnis, sich abstrakte Vorgänge zu veranschaulichen, eine Fehldeutung der Vergangenheit in Kauf nahmen. ���� Die Inszenierungen um das Portal der Wittenberger Schlosskirche, an die Luther seine berühmten Thesen angeheftet haben soll oder um sein Sterbehaus in Eisleben zeigen beispielhaft, dass�������������������������������������������������������������� von Maßnahmen kollektiver Erinnerung die Versuchung ausgeht, die Vergangenheit im Interesse der Gegenwart zu manipulieren.254 Es bleibt paradox, dass die mit diesen Hinterlassenschaften verknüpften Ereignisse die Authen­tizität des Ortes verbürgten, obwohl dieselben höchstwahrscheinlich so nicht stattge­funden hatten. Die entscheidende Größe war die Erwartungshaltung der nach Identität suchenden Besucher, die weit davon entfernt waren, ihre Wunschvorstellungen zu korrigieren oder als Einbildung zu demaskieren. Die Eventorientierung von heute bestärkt diese Tendenzen noch. So reichen Essensreste in der Abfallgrube hinter Luthers Geburtshaus aus, um diese direkt auf den Teller Martin Luthers zu projizie ren.255 D������������������������������������������������������������������������� ie Beziehung zwischen Mensch und Ding war keine starre, sondern eine mit unter höchst mobile, nicht nur auf Seiten des Objektes, sondern auch von Seiten der durchreisenden Betrachter dieser Sehenswürdigkeiten. Sich in diesem scheinbar allen Zeitläuften trotzenden Ensemble mit einem persönlichen Graffito zu verewigen, übte auf die Besucher einen großen Reiz aus. Eine ����������������������������������� Reihe von Einritzungen an der Bohlenwand und an den Fensterbänken, die in einem Fall bis ins 17. Jahrhundert zurückgehen, sind bis heute in der Lutherstube des Wittenberger Lutherhauses erhalten. Besondere Aufmerksamkeit erregt die aus Kreide bestehende Inschrift Peters des Großen über der Kammertür aus dem Jahr 1712, die schon frühzeitig hinter Glas gefasst wurde (Abb. 112). �������������������������������������������� Ausführlich beschäftigte sich Jacob Stählin (1709–1785), der als Professor für Eloquenz 1735 an die Petersburger Akademie beru fen worden war, mit den beschriebenen Wänden, als Peter der Große die Stube besuchte: „Ebendieselbe Wand [mit Tintenfleck] nahm der Monarch fast gänzlich 253 Gurlitt (1931), S. 261; zur heritage und der damit verbundenen von Legenden aufgeladenen Geschichtssicht vgl. Lowenthal (1998). 254 Zum Thesenanschlag zwischen Faktum und Fiktion, Ott/Treu (2008). Erst kürzlich konn te nachgewiesen werden, dass man seit Mitte des 19. Jahrhunderts das „falsche“ Haus als Luthers Sterbehaus musealisiert hat. Archivalisch ist belegt, dass Luther in einem „Drach stedtschen“ Haus gestorben ist. Der Bürger namens Drachstedt besaß aber zwei Häuser, nicht nur das am Andreaskirchplatz, sondern auch eines am Markt, wo sich heute ein modernes Hotel befindet; Steffens (2008), S. 94f. 255 Knochen von Geflügel sowie Gräten ausgesuchter Fische wurden suggestiv präsentiert, um die These zu untermauern, dass Luther aus einer wohlhabenden Familie stammte; Ausstellungskatalog (Halle 2008), S. 176ff.

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112: Der vitrinisierte kyrillische Kreideschriftzug Zar Peter des Großen (seit 1712), Lutherhaus, Wittenberg, Stiftung Luthergedenkstätten

von oben bis unten von Namen beschrieben wahr, und als er auf seine Frage, was diese Namen bedeuten sollten, vernahm, daß es lauter Namen von Fremden wären, die diese ehemalige Wohnung Dr. Luthers besucht und zum Wahrzeichen, daß sie daselbst gewesen, ihre Namen hingeschrieben hätten, so sagte der Zar: ‚Nun, so muß ich meinen Namen wohl auch hinschreiben,‘ zog ein Stückchen Kreide aus der Tasche und schrieb seinen Namen Peter mit russischen Buchstaben neben den oben erwähnten Tintenfleck hin. Dieses eigenhändige Denkmal des russischen Monar chen unverlöscht zu erhalten, ist über dasselbe vorlängst schon eine runde ein paar Zoll hohe Einfassung von weißem Blech, etwa 7 bis 8 Zoll im Durchschnitte mit einem Gitter von ebenderselben Materie gemacht worden, durch welches man den zarischen Namen deutlich sehen kann.“256 In ihrer überwältigenden Mehrheit ver bargen sich in den Epigrammen der Lutherstube aber unbekannte Zeitgenossen. Den Einritzungen und Kreidespuren war ein Stände nivellierender Charakter eigen, ein Merkmal, das im Zeitalter der Französischen Revolution besonders hervorgeho ben wurde: „Die getafelten Wände sind ganz mit Namen derjenigen Personen, wel che diesem verehrlichen Aufenthalte Luthers ihre Ehrerbietung darbrachten, beschrieben und gleichsam weiß überzogen; hier sieht man die Namen von Personen aus den entferntesten, aus den verschiedensten Gegenden, hier – die Namen von Hohen und Niedrigen, von Kaisern und Fürsten – und zwar in bewundernswerther Kürze, in der größten Einfachheit mit einigen schlecht gerathenen Buchstaben hin geschrieben. – Solche Oerter sind wichtig und heilig, die mächtige, starke Herrscher an ihre Unbedeutenheit, an ihre Ohnmacht gegen Männer von Geistesstärke unwi derstehlich erinnern machen; (…).“257

256 Stählin (1785), S. 68; vgl. auch Schippan (1995), S. 61. 257 Heynig (1795), S. 206f.

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In dieser Graffitipraxis kommt das Bedürfnis zum Ausdruck, sich ������������������� aus der immer zahlreicheren Touristenschar herauszuheben und seiner eigenen Existenz eine Illu sion von Ewigkeit zu geben.258 Daneben gab es auch die Variante, auf einem altgläu bigen Symbol den Schriftzug des Reformators zu verewigen. So hatte die Aufprä gung dieses textgesteuerten Erinnerungsmals ein Landsknecht des Sacco di Roma von 1527 im Sinn, als er Raffaels Triumph des heiligen Sakrament mit einem Graffito, bestehend aus dem Namenszug „Luther“, versah.259 Die�������������������������� Schreib­gewohnheiten des Reformators kamen der Graffitipraxis durchaus entgegen. Das �������������������� ikonographische Moment der Schrift, die Ausdifferenzierung von gesprochener und geschriebener Sprache zum Zweck der besseren Einprägung zeigt sich in Luthers Empfehlung, die Zimmerwände mit Sprüchen aus der Bibel zu bemalen: „Darumb ist nicht umbsonst ym alten Testament gepoten, das man solle die zehen gepot schreiben an alle wend und ecken, ia an die Kleider, (…).260 In einer seiner Tischreden ist überliefert, daß sich Luther nach dem Abendessen an den Tisch in der Wohnstube setzte und mit Kreide etwas auf die Tischplatte schrieb.261 Zudem habe er beim Ofen Verse an die Wand geschrieben.262 Dabei ging die Wortdominanz, die er mit der Angewohnheit, seine Gedanken schriftlich zu fixieren, dokumentierte und der Schauwert, die die Pilger touristen diesen Buchstaben postum beimaßen, eine Symbiose ein. Ein musealisier tes, die politischen Zeit­läufte reflektierendes Luthergraffito war bis zu seiner Zerstö rung Mitte des 18. Jahr­hunderts, die vielleicht im Zusammenhang mit der preußischen Besatzung in Siebenjährigen Krieg steht, im Turmstübchen des Lutherhauses zu betrachten. ­ Unter einer schützenden Tafel, die der Besucher wegschieben konnte, stand geschrie­ben: Millesimo Sexcentesimo veniet Turcus Totam Germaniam devastaturus.263 Damit prophezeite Luther, dass Ende des 16. Jahrhunderts die Türken ganz Deutschland verwüsten würden 264 und reaktivierte zugleich eine biblische Graffiti praxis. Denn sein Spruch erinnerte an jene Worte, die beim Festmahl des Königs Belsazer an die Wand projiziert waren und den Untergang Babyloniens voraussagten (Dan 5). Bis heute ist im angelsächsischen Raum die Redewendung The writing is on the wall verbreitet, was bedeutet „das unheilvolle Ende ist abzusehen“. Luther machte hier den Buchstaben zum Vorzeichen einer omminösen Begebenheit. Dennoch ist die Lutherstube, so wie wir sie heute kennen, spätestens 1883 end gültig von den Kreideinschriften befreit worden. Die Reisehandbücher zwischen 1817 und 1872 hatten noch auf die „sehenswürdigen“ Wandinschriften hingewiesen,

258 Adler (1934); Typologie von Kritzeleien bei Kraack (2001). 259 Monneret (1994), S. 75. 260 Luther im Großen Katechismus (1529), WA, 30, 1, S. 181f. Zur Ikonizität der Schrift: Glas­ meier (2007). 261 Luther, 1.8.1537, (Nr. 3619), WA TR 3, S. 460. 262 Mai 1541 (Nr. 4801), WA TR 4, S. 520; siehe auch Kroker (1929), S. 104. 263 Siehe dazugehörige Information aus dem Jahre 1593 auf der Innenseite des Buchdeckels des fünften Bandes der Wittenberger Ausgabe der Werke Luthers bei Ficker (1936), S. 68. 264 Zur reformatorischen Türkenwahrnehmung: Kaufmann (2008).

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erst im Baedecker von 1878 ist von den Namen an den Wänden keine Rede mehr.265 Einträge von Reisenden gingen somit unwiederbringlich verloren: „����������������� Un­zählige Namen fremder Besucher bede­ckten früher die Wände der Stube, also daß sie in Weiß gezeich net schienen, aber im richtigen Gefühle hat man diesselben wieder entfernt und stattdessen Fremdenbücher angelegt.“266 Ganz anders hatte noch Heynig alias Schal scheleth argumentiert, der den Zweck des seit 1783 ausliegenden Fremdenbuches darin sah, die an die Wand geschriebenen Namen zu erhalten.267 ������������������� Der Dissens um den Umgang mit den „Kreide-Kritzeleyen“, legt den klassischen Konflikt der Denkmal pflege zwischen Bewahrung und Rekonstruktion, Alters- und Erinnerungswert frei.268 Hinter ������������������������������������������������������������������������� der Einführung von Fremdenbüchern im Jahre 1783 verbirgt sich ein Prozess der Disziplinierung, der Zivilisierung, die Kreativität der Kreidekritzler von der Zimmerwand auf das weiße Blatt eines aufgeschlagenen Buches zu lenken.269

Nachbarschaften des Kuriosen Als ob sie sich selbst nicht genug gewesen wären, standen Lutherdinge in der frühen Neuzeit in unmittelbarer Nachbarschaft zu Kuriosa verschiedenster Herkunft. Selbst in Luther­stuben, die allein schon durch ihren genius loci einen auf Person und Werk ausgerichteten Sog ausübten, ist eine alleinige bzw. isolierte Präsentation von Luther­ gegenständen kaum anzutreffen. In einem Inventar zur Wartburg aus dem 16. Jahr hundert wird nicht nur „Dr. Martin Luthers Stuben“ erwähnt, sondern auch der Wal­ wirbel als Ausstattungsstück.270 (Abb. 113) Auch in der heterogenen Vielfalt fürstlicher Kunstkammern tauchen Luthermemorabilien auf. Inventarlisten vom Ende des 17. Jahrhunderts belegen, dass in der Kopenhagener Variante Friedrichs III. (1609–1670) ein Lutherporträt gezeigt wurde, und zwar im zweiten „Gemach“, in dem zudem Kunst gegenstände aus Gold, Silber, Bronze, Eisen und Halbedelsteine, Prunkpokale, her gestellt aus Elfenbein oder Nashorn sowie Wachsreliefs ausgestellt waren (Abb. 114).271 Zum konkurrenzlosen Bestandsensemble des Grünes Gewölbes gehören bis heute Lutherreliquien, wie der Mundbecher oder das Nesen’sche Lutherglas.272 Ebenso hing in einem der Schränke der Kunst- und Naturalienkammer des Halleschen Wai senhauses bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Lutherporträt aus der Cranach265 Mr. Reichard (aus Sachsen-Gotha), Guide des voyageurs en Allemagne, en Hongrie et la Constantinople, Weimar 81817, S. 397; Karl Baedecker, Mittel- und Nord-Deutschland. Handbuch für Reisende, Coblenz 151872, S. 181; ders., Mittel- und Nord-Deutschland. Handbuch für Reisende, Coblenz 181878, S. 199. 266 Stein (1883), S. 43f. 267 Heynig (1795), S. 206f. 268 Findeisen (1990), S. 136f. 269 Die Besucher hinterließen meist nur Namen, Datum und geographische Herkunft, manch mal auch den Beruf und längere Kommentare, die Einblicke in die Wahrnehmungen der Museums­besucher liefern; zur Auswertung der Fremdenbücher: Laube (2003), S. 109–128. 270 Gabelentz (1931), S. 156. 271 Ausstellungskatalog Bonn (1994), S. 37f. 272 Arnold (2003), siehe in vorliegender Studie, S. 221.

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113: Wartburg, Lutherstube, Blick auf Tisch, Walfischwirbel und Kachelofen, Fotografie (um 1917)

Werkstatt.273 In der Stadtbibliothek von Nürnberg soll das Lutherglas gemeinsam mit anderen Kuriositäten, wie Straußeneiern, einem Rhinozeroshorn und elaborierten Drechseleien gezeigt worden sein.274 Auch im Braunschweiger Land waren in Bibliotheksgebäuden Lutherrelikte in Nachbarschaft mit anderen Raritäten untergebracht. Die fürstliche Bibliothek in der Residenzstadt Wolfenbüttel, seit 1710 in einem Aufsehen erregenden Neubau, der Rotunde zu Hause, galt als Leuchtturm der damaligen Bildung. Bei der Bibliotheks führung wurde meist nicht auf die Präsentation von identitätsstiftenden bzw. skur rilen Dingen zur Reformation verzichtet. Neben Büchern zeigte man Schaulustigen Luthers Chorrock bzw. Stofffetzen davon, sein Tintenfass sowie ein Glasbecher, aus

273 Müller-Bahlke (1998), S. 43, S. 108. 274 Köhler (1762); Keyssler (1740, 1776), S.1349.

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114: Das Zweite Gemach und Gewehrgemach der Kunstkammer in Kopenhagen, Rekonstruktion

dem Luther selbst getrunken haben soll.275 Zudem war dort ein verrußtes Exemplar des Paradiesgärtlein zu sehen, des berühmten Erbauungsbuches von Johann Arndt (1555–1621), das nach dem Brand eines Hauses angeblich unversehrt aus der Asche zum Vorschein kam.276 Dass diese Bücher nicht vollständig verbrannten, deuteten die Zeitgenossen als wundersames Zeichen.277 Auch der Schriftenschrank der Kunstund Naturalienkammer in den Franckeschen Stiftungen enthält drei Bücher mit Brandspuren, u. a. ein nur leicht verkohltes Exemplar von Johann Arndts Paradiesgärtlein, die – so die Legende – weitgehend unbeschädigt aus dem Feuer gerettet wurden 275 Uffenbach (1753), S. 353; Ausstellungskatalog Wolfenbüttel (1979), S. 356f.; Raabe (1997), S. 77. Neben den beiden mit Luther in Verbindung gebrachten Ringen im Herzog Anton Ulrich-Museum gehen auch die Luther-Relikte der Herzog August Bibliothek in Wolfen büttel auf die Lutherverehrung der welfischen Herzöge zurück. 276 Neickel (1727), S. 134. 277 Pfefferkorn (2003).

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(Abb. 161). Während im Katholizismus Heiligenbilder und Reliquien das Wunderbe dürfnis befriedigten, war es den ausschließlich auf Gottes Wort fixierten Prote stanten möglich, einen Kult um die Unzerstörbarkeit der gedruckten Worte im Ding eines Buches zu entwickeln.278 In der Bibliotheca Rudolpha der Universitätsstadt Helmstedt wusste der gelehrte Reisende Zacharias Conrad von Uffenbach (1683–1734) in seiner Reisebeschreibung zunächst von Bildnissen Luthers und Melanchthons und von deren Autographen zu berichten.279 Der dort als Historiker und Orientalist wirkende exzentrische Bibliothe kar Hermann von der Hardt (1660–1746) beließ es aber keineswegs beim Zeigen von Porträts und bibliophilen Zimelien. Ein Schrank eröffnete ebenso Einblicke in die Kuriosa der Natur: „einen zimlich grossen Elephanten-Zahn, über eine Spanne lang, und oben Hand-breit, die man an andern Orten gemeiniglich für Riesen-Zähne aus giebt. Es war aber ein Dens maxillaris. Ingleichen ein grosses Unicornu marinum, u.s.w.“280 Dieser Schrank war auch der Standort einer kleinen Schachtel, in der Luthermemorabilien aufbewahrt wurden: „darinnen waren folgende Dinge: als D. Luthers Doctor-Ring, von Gold, sehr groß und weit, an dem Daumen zu tragen. Das Wappen darauf war nicht die Rose, die er sich nachmahls erwählet, sondern drey doppelt in einander hangende Ringe, vermuthlich die Dreyeinigkeit und Ewegkeit Gottes anzu­deuten. Ferner: Sein Braut-Ring mit einem kleinen Diamant und Rubin, mit dem Namen D. M. L. und seiner Frau C. v. B. Dieser Ring theilet sich in der Mitte, und stehet darinnen: Was Gott zusammenfügt, soll niemand scheiden.“281 In Erfurt und Wittenberg waren prominente Wirkstätten Luthers in ein vielfäl tiges Raritätenquartier eingebettet. Dort war der sich an Luther kristallisierende Dingkult in besonderem Maße mit einem Diskurs über Kuriosa, Monstrositäten und Kunstschränke verknüpft. In einer Zeit, als in Basel im Jahr 1661 mit dem AmerbachKabinett und zwanzig Jahre später mit dem Ashmolean Museum in Oxford erste der Öffentlichkeit zugängliche Museen nördlich der Alpen entstanden, etablierte sich im Erfurter Augustinerkloster und dem Wittenberger Augusteum nicht nur eine Gedenk stätte der Reformation, sondern auch ein abwechslungsreiches Wissens­museum. In diesem Umfeld des neuen Wissens hatten die Relikte Luthers die Funktion, nicht nur Erinnerungen, sondern auch Neugierde zu wecken. MUSEUMSQUARTIER IN ERFURT – Bis heute spiegelt sich im Erfurter Augusti nerkloster die Vielfalt evangelischen Glaubens und protestantischer Bildung; in den Quellen wurde es „evangelisches Zion“ genannt.282 Als im Jahre 1736 Hieronymus Annoni (1697–1770), ein Student aus pietistischen Kreisen in Basel, das Augus­tiner­ kloster in Erfurt besuchte, blieb er von der Kunstkammer des dort eingerichteten 278 François (1995); Bepler (2001); siehe in vorliegender Studie, S. 383f. 279 Uffenbach (1753), S. 201, S. 204. Die Reise fand wohl in den dreißiger Jahren des 18. Jahr hunderts statt. 280 Ebd., S. 208. 281 Ebd., S. 209. 282 Ludscheidt (2005).

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115: Anlage des Augustinerklosters in Erfurt im 16. Jh., E. Scharffenberg nach Urkunden und älteren Darstellungen (Zeichnung um 1870), Erfurt, Bibliothek des Evangelischen Ministeriums (Markierung am Gebäudetrakt des Dormitoriums, wo sich Lutherzelle und Naturalienkammer befinden)

116: Schriftzug „Naturalienkammer“ an der Fassade eines Appendixes des Dormitoriums im Augustinerkloster, Stich (19. Jahrhundert), Erfurt, Bibliothek des Evangelischen Ministeriums

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Evangelischen Waisenhauses, die sich im Ostflügel, im ehemaligen Dormitorium, befand, nicht unbeeindruckt (Abb. 115 und 116).283 Auf demselben Stockwerk, in unmittelbarer Nachbarschaft zu diesen exotischen Dingwelten befand sich nun auch die von Luther als Mönch bewohnte Zelle, für die sich Annoni kaum weniger interes sierte.284 In einer dieser Zellen wird Luther, für den von 1505 bis 1511 dieses Kloster Lebensmittelpunkt gewesen war, den größten Teil seiner wissenschaftlichen Aufga ben erledigt haben, denn die Zellen im Dormitorium waren Mehrzweckräume, nicht nur geeignet zum Schlafen, sondern auch zur geistigen Arbeit. Nachdem 1556 der letzte Mönch verstorben war, wurde das Augustinerklos­ter säkularisiert.285 Während im Dreißigjährigen Krieg, im Jahre 1634, der schwedische Reichskanzler Axel Oxen stierna (1583–1654) in Erfurt hölzerne Heiligen­figuren öffentlich zersägen ließ, um dem Publikum zu beweisen, dass es sich bei diesen um keine „leibhaftigen Reli quien“ handele,286 standen Relikte des Reformators als Memorabilien ungleich höher im Kurs, wenn auch das Augustinerkloster durch die Kriegsereignisse arg in Mitlei denschaft gezogen wurden. Der Zustand der Verwahrlosung sollte sich 1669 mit der Gründung des Evangelischen Waisenhauses grundlegend verbessern; es erhielt neben einem Neubau den gesamten Ostflügel zur Nutzung zugewiesen.287 Lutherzelle und Kunstkammer des Evangelischen Waisenhauses waren in ver schiedenen Räumlichkeiten untergebracht, bildeten aber eine museale Einheit.288 Zwar ist das Erfurter Waisenhaus älter als das berühmte von Francke in Halle,289 doch scheint das dort 1735 gegründete Raritätenkabinett nach dem Vorbild der Kunstund Naturalienkammer in Halle entstanden zu sein, nicht zuletzt, um so einen Anzieh­ ungspunkt für potenzielle Spendengeber aus der Fremde zu schaffen; ein mo­dernes

283 Annoni (1736, 2006), S. 185. 284 Ebd., S. 186 285 Um das Kloster vor dem Verfall zu bewahren, bezog das Evangelische Ratsgymnasium ab 1561 den Westflügel und das Priorat. 286 Medick (2006), S. 368–371. 287 Hotzel (1971), S. 55f. 288 Auf dem Areal des Augustinerklosters in Erfurt waren noch weitere museale Einrichtun gen zu Hause. Seit 1795 verfügte das im Kloster beheimatete Ratsgymnasium im West trakt über eine eige­ne Sammlung, die aus Büchern und – in 800 Pappkästchen – aus Mün zen, Mineralien, Konchylien und Kupferstichen bestand. Von 1736 bis 1805 war im Untergeschoss des separaten Biblio­theksgebäudes im Augustinerkloster die Naturalien sammlung der Leopoldina, der kaiserlichen Akademie der Natur­forscher untergebracht. 1735 war Andreas Elias Büchner aus Erfurt Präsident der Akademie geworden. Es war üblich, dass der Sitz der Akademie vom Wohnort des Präsidenten abhängig war. Die wis senschaftlichen Sammlungen waren in verschließbaren Schränken untergebracht; Beller mann (1797), S. 8; Ludscheidt (2005a), S. 83f. 289 Gegründet wurde es im Jahre 1669 durch wohltätige Bürger, u. a. durch Georg Heinrich Ludolf (1619–1669). Für das Waisenhaus wurde ein Neubau errichtet und auch der leer stehende Ostflügel zur Verfügung gestellt; Pohle (1821); Ludscheidt (2005a), S. 86–89.

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Mittel der Öffentlichkeitsarbeit also, das seine Wirkung nicht verfehlt haben dürfte.290 Schon lange vor 1735 wurde im Waisenhaus Luthers Zelle besichtigt. Nun verzahnte man die inzwischen restaurierte ­Luther-Sehenswürdigkeit mit zusätzlichen Attrak tionen, mit einem Bilderzyklus des Totentanzes nach Basler Vorbild291 sowie mit einer Ausstellung von Kuriosa aus unterschiedlichsten Bereichen.292 Ausführlich geht der leidenschaftliche Sammler und Direktor des Erfurter Rats gymnasiums Johann Joachim Bellermann (1754–1842) in seiner dreiteiligen Abhand lung Entstehung der vorzüglichsten Bibliotheken, Naturalien-und Kunstsammlungen in Erfurt (1797–1799) auf die einzelnen Objekte des ersten Museums in Erfurt ein. Er teilt die Dingwelt in sieben ­Abteilungen ein, dabei handelt es sich in dessen Worten um die Naturaliensammlung (I.), Kunstsachen überhaupt (II.), Gemälde insbesonde re (III.), Antiquitäten überhaupt (IV.), Münzen insbesondere (V.), Waffen (VI.) und Luthers Zelle (VII.). Als kompetenter ordnungsliebender Sammler konnte er sich die Anmerkung nicht ersparen: „Uebrigens habe ich die hier angeführten Sachen syste matisch zusammenzustellen versucht, welches weder im Kabinette, noch in den gedachten schriftlichen Verzeichnissen geschehen ist.“293 Inventare geben meist nicht die reale Ordnung wieder. Initiator der Sammlung waren Erfurter Ratsherren, die zugleich die Funktion von Inspektoren am Waisenhaus innehatten. Sie setzten sich das ambitionierte Ziel, ohne Eigen­kapital und nur durch Spenden eine Sammlung zusammen zu tragen, die einer fürstlichen Kunstkammer ebenbürtig war.294 Im April 1735 hatten Erfurter Bürger die Kaufmannschaft in Hamburg angeschrieben und sie um die Gabe von Kuriosa gebeten. Auch der Herzog von Gotha sollte Duplikate aus seiner Kunstkammer dem Erfurter Waisenhaus überlassen. Handwerker stellten Proben ihrer eigenen Kunst fertigkeit zur Verfügung.295 Besonders Siegmund Friese († 1754), der dritte Ratsmeis­ ter, zeigte für die Kunst- und Wunderkammer ein ausgeprägtes Engagement. „Von seiner Hand sind nicht allein die Gegenstände selbst bald mit Nummern, bald mit Namen versehen, sondern auch viele derselben in das ‚Allgemeine Verzeichnis der eingegangenen Beiträge‘ eigenhändig ein­geschrieben worden.“296 Bei Frieses Tod im

290 „Wie, so dachte man, wie, wenn man diesen Platz noch interessanter machte, damit ihn Einheimische und Fremde mehr besuchten, und bei dieser Gelegenheit etwas zum Besten der sich immer mehr anhäufenden elternloser Kinder beitrügen?“, Bellermann (1799), S. 8. 291 56 Ölgemälde zu diesem Sujet wurden mit Denksprüchen, die unter den Bildern platziert waren, gezeigt. 38 stammten vom Maler Jacob Samuel Beck (1715–1778); Schwarz (1997). 292 Diese Bilder sowie das Kuriositätenkabinett gingen beim Brand von 1872 unwiederbring lich verloren. Heute befindet sich im Südteil des Ostflügels der Lesesaal der Bibliothek des Evangelischen Ministeriums, im Nordteil eine Dauerausstellung über den AugustinerEremiten-Orden sowie die rekonstruierte Zelle Luthers. 293 Bellermann (1798), S. 3, Anmerkung. 294 Archiv des Evangelischen Ministeriums Erfurt, Bestand Evangelisches Waisenhaus, VII, 1: Kunst- und Naturaliensammlung. 295 Schwarz (1997), S. 99–102. 296 Bellermann (1799), S. 7f.

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Jahre 1754 umfasste dieses Verzeichnis 139 Folio­seiten.297 Ebenso machte sich der u. a. als Inspektor tätige Andreas Elias Büchner (1701–1769), der als Präsident der Leopoldina auch für deren Naturaliensammlung verantwortlich zeichnete, um die Sammlung des Waisenhauses verdient. Bellermanns Ausführungen dokumentieren die außerordentliche Vielfalt dieser Sammlung, wobei der spielerische Akzent noch ausgeprägter gewesen zu sein scheint als in Halle und in dieser Hinsicht so manche Parallele zum Grünen Gewölbe in Dresden nicht von der Hand zu weisen ist.298 Auch Exotika kommen keineswegs zu kurz, was zeigt, das das Erfurter Waisenhaus von den ausgedehnten Kontakten des Handel treibenden Erfurter Bürgertums ebenso profitierte wie das Hallesche Waisenhaus von der pietistischen Mission.299 Das gesamte Kabinett bestand aus einem Raumgefüge, bestehend aus einem zen tralen Saal mit sechs umliegenden Zimmern. Der Mittelpunkt der Sammlungen stellte der mehr als fünfzig Meter lange ehemalige Schlafsaal der Mönche dar. An den Wänden dieses Saales war Platz für eine Bildergalerie, insbesondere für Bilder vom Totentanz, die von Erfurter Bürgern gestiftet worden waren. Von der hohen gewölbten Decke hingen Kuriosa aus dem Reich der Natur herab, wie große getrock nete Fische, ein Schulterblattknochen eines Wals sowie eine Schildkröte.300 Aber auch Artefakte, wie drei Schiffsmodelle sowie zwei architektonische Modelle waren zu bestaunen. Im ersten Hauptzimmer konnte sich der Besucher mit Mineralien, Muscheln und Pflanzen, aber auch mit einigen Kunstobjekten und der Münzsamm lung beschäftigen. Auch hier hingen hin und wieder „Merkwürdigkeiten von Säuge­ thieren“ an der Decke, wie ein sechsfüßiges Kalb. Direkt neben der gegenüberliegenden Räumlichkeit, in der menschliche Skelet­te und ausgestopfte Tiere sowie Seegewächse und Kleidungsstücke auf den neugie rigen Besucher warteten, befand sich Luthers Zelle mit seinem Bildnis in Lebensgrö­ ße, verschiedenen Bibelausgaben und eine für authentisch gehaltene Reise-Schatulle inklusive Schreibzeug.301 Am auffälligsten waren hier die traditionell mit Inschriften übersäten Wände, die auch durch eine Druckschrift verbreitet wurden (Abb. 117).302 So war dort an einer weißen Bretterwand mit roten Lettern Luthers Lebensgeschich te angeschrieben. Auf einer runden Tafel über der Tür stand die Inschrift Cellula divino.303 297 In den darauf folgenden Jahrzehnten kamen nur noch zehn weitere Seiten hinzu. „Aus diesem folgt, dass man in die Geschichte dieses Kabinetts zwei Zeiträume festsetzen kön ne, 1) Die Periode räumlichen Enthusiasmus, 20 Jahr, von 1735–1754, und 2) die Periode der eingetretenen Gleichgültigkeit, 45 Jahr, von 1755 bis auf unsere Zeiten.“ Bellermann (1799), S. 8f. 298 Siehe dazu elaborierte Objekte der Bildhauer- und Bildschnitzerkunst bei Bellermann (1798), S. 9. 299 Verzeichniß (1863). Siehe in vorliegender Studie, S. 347, 358f. 300 Bellermann (1799), S. 6. 301 Pohle (1821), S. 48f. 302 [anonym (1677)]; diese Schrift wurde mehrmals neu überarbeitet und aufgelegt, wie z. B. 1702, nach Biereye (1917), S. 43f.; siehe auch Hotzel (1971), S. 61f. 303 Auch Goethe besichtigte diese Räumlichkeit, Biereye (1917), S. 47.

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117: Lutherzelle im Erfurter Augustinerkloster, Lithographie (1819), Erfurt, Bibliothek des Evangelischen Ministeriums

Der Lutherzelle benachbart befand sich eine Kammer mit Modellen des Salomo nischen Tempels und der Stiftshütte. Im Zimmer an der gegenüberliegenden Seite waren vier Glasschränke aufgestellt: Der erste enthielt in Spiritus konservierte Objekte, wie „ein Herz, an welchem die große Pulsader durch einen Polypen außer­ ordentlich weit ausgedehnt ist.“304 Der zweite Glasschrank zeigte neben Edelsteinen „Mikrotechnik“, wie „zwei Kutschen, jede mit sechs Pferden von Elfenbein, so klein, daß man sie in einen starken Federkiel stecken könnte“ oder „Figuren von drei Evan gelisten auf drei Reiskörnern.“305 In diesem Raum waren auch mechanische Rari täten zu sehen, wie eine Schiffslampe, die auch bei schwerem Seegang horizontal hängen blieb; ein Kasten, in dem die Bergwerksarbeiten durch bewegliche Figuren veranschaulicht werden; auch der Ehestand war nach der Mode mit automatischen Figuren und einer kleinen Orgel zu betrachten.306 Mit der Waffenkammer, die wie derum an das erste Hauptzimmer stieß, war der Museumsrundgang beendet.307 MUSEUMSQUARTIER IN WITTENBERG – Ähnlich abwechslungsreich gestaltete sich die Museumslandschaft auf dem Gelände der Wittenberger Universität. Im Colle­ gium Augusteum befanden sich die auf Luther bezogenen Räumlichkeiten und Dinge in der unmittelbaren Nachbarschaft von seltenen Pflanzen und anatomischen Prä 304 305 306 307

Bellermann (1799), S. 6. Bellermann (1798), S. 10. Ebd., S. 9. Bellermann (1799), S. 6.

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118: Grundriss des Museumsquartiers (Collegium Augusteum) in Wittenberg (1780). Der mit „B“ bezeichnete Gebäudeteil bezeichnet das Lutherhaus, Wittenberg, Stiftung Luthergedenkstätten

paraten.308 Die 1502 aus Mitteln des Allerheiligenstifts gegründete Universität sollte sich im 17. Jahrhundert zu einem zeitgemäßen Museumsort der Wissenschaft entwi ckeln. In der Universitätszeit bildete der lutherische Ding- bzw. Raumkult nur einen Strang einer umfassenden musealen Blüte, die aus einem Fürs­tensaal, einem Anato mischen Museum bzw. Anatomischen Theater, der Universitätsbibliothek, einer Unga rischen Bibliothek sowie dem Botanischen Garten bestand (Abb. 118).309 In erster Linie für universitäre Zwecke eingerichtet, standen diese Studiensammlungen als Wunderkammern des Wissens auf Anfrage auch auswärtigen Interessenten offen, die sich auf konzentriertem Raum eine seltene Handschrift, eine exotische Pflanze, ein Präparat eines missgebildeten Menschen sowie den von Peter dem Großen zer trümmerten Pokal Luthers anschauen wollten. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts sollte Wittenberg seine eigentlich bis heute mehr oder weniger gültige ein­dimen­sionierte Lutherprägung bekommen.310 308 Laube (2002), S. 22–30. 309 „Inventarium aller undt jeder Sache, 1620 – über alles in den beiden Gebäuden des Augus­ teums befindliche“, Universitätsarchiv Halle, Rep. I, 5203; vgl. zu dieser Museums landschaft noch die heute vorhandenen Inschriften, aus: Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 66; Neickel (1727), S. 131–133. 310 Laube (2002), S. 22–32.

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119: Innenraum des Anatomischen Museums in Wittenberg. Kupferstich von J.G. Schumann (1716) nach einer Zeichnung des Universitätsmalers Michael Adolf Siebenhaar, Wittenberg, Stadtgeschichtliches Zentrum

Im Vordergebäude des Collegium Augusteum erregte das aus Schenkungen Kur fürst bzw. König August des Starken (1670–1733) und seines Sohnes hervorgegangene Anatomische Museum besonderes Interesse: „Den Grund dazu legte jene ansehn­ liche zweite Sammlung Ruyschischer Präparate, die dieser berühmte Anatom, nach dem sein ersteres anatomisches Kabinett von Peter dem Großen um 30.000 Thlr. ihm abgekauft worden war, auf’s neue sich verfertigt hatte, und die dann in’s Dresdner Museum gekommen, und von da vom König August III. der Universität geschenkt worden war.“311 Als Peter der Große 1712 Wittenberg besuchte, bekundete er beson ders��������������������������������������������������������������������������� Interesse für das anatomische Kabinett des Mediziners Abraham Vater (1684– 1751), der ������������������������������������������������������������������������ auf seinen Reisen zahlreiche Museen und Sammlungen besichtigt hatte und auch mit dem holländischen Anatomen Frederik Ruysch (1638–1731) bekannt war.312 In einem von Vater 1736 verfassten Catalogo universali Musei anatomici Augustei kann man sich auch heute noch ein Bild über diese Sammlung machen. Erwähnt sind dort Kuriosa, wie „eine menschliche Mißgeburt mit 2 Köpfen, 4 Füßen und 4 Hän­ den, ein ungeheurer ‚Hydrocephalus‘ eines 7jährigen Mädchens, ein eben so unge heurer ‚Hydrops feroti et penis‘ und 2 künstliche Pariser Präparate, ein Mädchen und ein Knabe, an denen Körper, Knochen, Muskeln, Gefäße und Eingeweide der 311 Grohmann (1803), Bd. 3, S. 151. 312 Schippan (1995), S. 539.

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Natur sehr ähnlich nachgebildet sind.“313 Auch der überdimensionierte Magen eines Menschen namens Kahle, des so genannten „Freßkahle“, gehört hierher. Präziser kann die Innenausstattung des Königlichen Anatomischen Museums mit Hilfe eines Kupferstichs aus dem Vater’schen Katalog von 1736 nachvollzogen werden (Abb. 119). In dem zweifenstrigen, keineswegs voll gestellten Raum waren die Objekte über sichtlich in gläsernen Wandschränken verschlossen. Aufrechtstehende Menschen­ skelette mit Lanzen in Händen sind ebenso zu erkennen wie Neugeborene mit über großen Köpfen in sepa­raten Vitrinen.314 Im dazugehörigen Anatomischen Theater, das neben dem medizinischen Auditorium lag und amphitheatralisch eingerichtet gewesen zu sein scheint, fanden öffentliche Sektionen statt.315 Dort waren Skelette von Menschen und Tieren als Schaustücke in den Sitzreihen aufgestellt. Im Tage buch des schwedischen Studenten Andreas Bolinus aus dem 17. Jahrhundert heißt es: „Ein Anatomiesaal ist nahe dabei, so Skelette von allerhand Tieren hängen.“316 Im Hintergebäude, im „Schwarzen Kloster“, schälte sich mit Turmzimmer, Groß em Hörsaal und insbesondere mit Lutherstube und den benachbarten Kammern hingegen ein Geschichtsmuseum heraus. Für die Lutherstube bürgerte sich die seit 1655 erstmals belegte zeitgenössische Bezeichnung museum lutheri ein.317 Mit dem Begriff des Museums war in damaliger Zeit eine besondere Vieldeutigkeit verbun den. Jan Amos Comenius (1592–1670) verstand in seinem illustrierten enzyklopä­ dischen Kinderbuch Orbis pictus unter „Museum“ einen von Büchern umgebenen Ort, wo man sich ungestört der Lektüre widmen konnte.318 In Zedlers Universal-Lexicon heißt es dazu: „Museum heisset wol ein Tempel, darinnen die Musen verehrt wurden, als auch eine Kunst-Kammer, ein Müntz-Cabinett, Raritäten- und Antiqui täten-Kammer. Insbesondere aber ein Gebäude, darinnen die Gelehrten beysammen wohnten, einander aßen, und ihr studieren abwarteten, welche letztere Bedeutung (…) auf die Studirstuben einzelner Gelehrter sich erstrecket hat.“319 Mit musaeum konnte also ebenso ein Ort des Studiums gemeint sein wie ein Sammlungsraum.320 313 Grohmann (1803), Bd. 3, S. 152. 314 Zur Bedeutung von Ausstellungsschränken in Naturalienkabinetten vgl. Heesen (2001). 315 Es ����������������������������������������������������������������������������������� befand sich seit 1686 im Westteil des Augusteums, neben der früheren Druckerei und späteren Wohnung des Lictor Academicus, in den Nachbarräumen war seit 1736 das museum anatomicum untergebracht; Denkmale der Lutherstadt (1979), S. 66; Grohmann (1803), Bd. 3, S. 94–96; Friedensburg (1917), S. 382f. 316 Aus dem Tagebuch eines schwedischen Studenten (1667–1670), nach Meyer-Lüne (1916), S. 184. In einem ebenfalls von Vater im Jahre 1746 verfassten Anhang seines Katalogs sind weitere neu hinzugekommene Sammlungsbestände aufgelistet, wie die große Insekten-, Mineralien- und Samensammlung nebst dem Kretzschmar’schen Herbarium vivum sowie einen Bestand filigran erstellter Vogel­skelette. 317 Sennert (1655). 318 Comenius (1760), Kap. 48. 319 Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 22, Leipzig/Halle 1739, Sp. 1375; Neickel (1727), S. 409; vgl. allg. Liebenwein (1977). 320 Auch Julius Jordan (1920/21, Anm. 28) weist in seinem akribischen Beitrag zur Lutherstu be darauf hin, dass musaeum im 17. Jahrhundert auch im Sinne von „Studierzimmer“ ge braucht wurde. Viele Autoren sahen in einem Museum eine Studierstube oder ein Ar

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In Frankreich hieß dieser Raumtyp galerie oder cabinet, in Italien studiolo – hier wie dort diente er zur Aufnahme von Raritäten. Im Rahmen dieser Bestimmungsversuche kann nun die Lutherstube weder als eine Art klosterhaftes Oratorium, das mit wenig mehr als einem Lesepult, einem Buchregal und liturgischem Gerät ausgestattet war, noch als ein Studierzimmer, aus gestattet mit Instrumenten zur Beschreibung und Vermessung der Bestandteile des Universums bezeichnet werden. Allenfalls im Ansatz scheint sich die Lutherstube, wie für zahlreiche studioli im 16. Jahrhundert in Italien belegt, in einen Sammlungs raum verwandelt zu haben, wobei das Vorzimmer oft zur Aufhängung von Gemäl den und zur Aufstellung von Raritäten und Wertgegenständen diente. Wohl zu ­keinem Zeitpunkt ist die Lutherstube oder auch das Turmzimmer eine mit Sam­mel­ surien voll gestellte Rumpelkammer gewesen. Vielmehr scheint es den anonymen Gestaltern stets darauf angekommen zu sein, durch Schlichtheit Größe zu vermit teln. Die Tendenz zur Elementarisierung der Ausstattung ist unübersehbar – d��� ie Wittenberger Lutherstube ������������������������������������������������������������ war stets nur dezent mit Sammelobjekten versehen321 –, was umso mehr auffällt, als in Wittenberg eine Einbettung in eine reformationsge schichtliche Stimmungsrahmung noch nicht zeitgemäß war. Ein wesentlicher Grund mag darin bestanden haben, dass das Schaubedürfnis schon vielfältig in benachbar ten Sammlungsräumen bzw. Raritätenkammern befriedigt werden konnte. Im Gartenhof zwischen Lutherhaus, dem parallel gelegenen, 1586 fertig gestellten Collegium Augusteum und seinem kurz zuvor errichteten Westflügel war seit dem 17. Jahrhundert der Botanische Garten untergebracht, der als hortus medicus in erster Linie von Medizinern zur Beobachtung von Arzneipflanzen genutzt wurde. Nach der ältesten Ansicht des Hofes von 1711 gab er sich als eine regelmäßige Beetanlage zu erkennen.322 Zweimal im Jahr fand für die Studenten unter der Anleitung eines Professors das „Herbatum gehen“ statt. Neubegründer des Botanischen Gartens war Johann Heinrich von Heucher (1677–1747) gewesen, der wenig später als Leibarzt von August dem Starken dessen Dresdner Kunstkammer in Spezialmuseen auf dem Gelände des Zwingers verwandeln sollte.323 Der von ihm erstellte Katalog der Pflan zenarten wies unter anderem auf die kostbaren Tulpen hin, wobei die von Holland im Jahre 1637 ausgehende tulipomania mit der Unbeständigkeit religiöser Glaubens haltungen analogisiert wurde.324

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beitszimmer, Georgi (1775), S. 290; statt von musaeum sprechen Wittenberger Quellen bisweilen auch von cellula, wobei nicht entschieden ist, ob damit vielleicht das Turmzim mer gemeint ist, siehe Jordan (1920/21), S. 130f.; zum Typus „Arbeitszimmer“ im Mittel­alter: Ebert-Schifferer (1993). Gurlitt (1931), S. 260. Badstübner-Gröger/Findeisen (1992), S. 96. Zwischen 1615 und 1668 war der Hof des Augusteums als Botanischer Garten gestaltet, 1680 und 1688 unter den Medizinprofessoren Lessius und Thiele neu hergerichtet und nach abermaliger Verwahrlosung durch Heucher nach 1706 neu angelegt worden; Denk male der Lutherstadt Wittenberg, S. 67; Jordan (1920/21), S. 123f. (Anm. 7). Heucher (1711).

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In der ebenfalls im Gebäudekomplex untergebrachten Bibliothek bestand die Möglichkeit, die Seherlebnisse literarisch zu vertiefen: „Denn einen großen Hauffen Raritäten zu besitzen, und davon keinen Begriff zu haben, ist nur mühsam und bringet mehr Beschwerde als Lust“325 so ����������������������������������� Caspar Friedrich Neickel in seiner Museographia (1727). 1598 ������������������������������������������������������������������ war die Universitätsbibliothek aus dem Schloss in den Neubau des Collegium Augusteums gelangt, in dem sie Räumlichkeiten in der östlichen Hälfte des Erdgeschosses erhielt. Dort wurden die bibliophilen Kostbarkeiten interessierten Fremden gezeigt. Ein Student namens Patrick aus Straßburg vermerkte 1775 in sei nem Tagebuch, dass die Bücher „alle mit hölzernen Gitterthüren verschlossen“ seien, ein Schrank mit Glastüren die seltensten Bücher enthalte und ein anderer unter anderem Lutherreliquien unter Verschluß bewahre.“326 Nicht im Lutherhaus also, sondern im Universitätsgebäude des Augusteum, d. h. im Vordergebäude des Areals war ein Schrank mit Lutherrelikten aufgestellt. Folgendes konnte man dort ansichtig werden: „der Rosenkranz Lutheri … dem da­zugehörigen Creutze und einem dop pelten Bildnisse, beides von Messing 6) Luther sehr schön gestickt von seiner Frau Catharina von Bora nebst dem Leiden Christi, auch von ihr gestickt 7) Ein großes zerbrochenes Glas in Form eines Kelchs, woraus Luther unter seinen Freunden getrun ken hat 8) Ein Brief von eigner Hand Lutheri nebst einigen eigenhändigen Briefen Melanchthon.“327 Im Vordergebäude befand sich auch der Fürstensaal, wo Bildnisse sächsischer Kurfürsten und – ein besonderer Anziehungspunkt für Besucher – lebensgroße ganz­ figurige Porträts der Reformatoren aufgehängt waren.328 Die im Seitengebäude unter­ gebrachte Ungarische Bibliothek – nach dem Vermächtnis vom Exulanten Georg Michael Cassai hatte jeder ungarische Student vor dem Verlassen der Universität die ser Einrichtung ein Buch zu schenken – war zugleich Schauplatz eines Schiffsmo­ dells und einer Münzsammlung.329 Diese ständig anzutreffenden Nachbarschaften des Kuriosen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts von einer expandierenden Luthermusealisierung ausgemerzt. An allen her­ausgehobenen Orten von Luthers Werdegang ist diese museumsge schichtliche Entwicklung zu beobachten. In Eisleben haben sich schon um 1817 Museumsinitiativen, die nur noch auf Luther zentriert waren, überliefert. Superin tendent Christian Gottlieb Berger (1764–1829) wünschte sich, dass „alle diejenigen, welche noch ungedruckte Briefe von Luther haben, dieselben in dem wichtigen [Jubi 325 Nach Becker (1996), S. 93. 326 Patrick (1774/75, 1906), S. 149f.; vgl. zur Bibliothek als Museum am Beispiel München, Kaltwasser (1999). 327 Patrick (1774/75, 1906), hier S. 149f.; zur Authentizität dieser Gegenstände ausführliche Überlegun­gen bei Jordan (1922), S. 107f., S. 121; zur sakralen Bedeutung eines Sammlungs schranks: Bann (1995). 328 Heynig (1795), S. 203. 329 Darin ragte die Jubelmünze, die der König von Schweden im Jahr 1693 „Bey der Gedächt nißfeyer der durch den Herzog Carl IX. hundert Jahre zuvor in Schweden sicher gestellten evangelischen Kirche“ der Wittenberger Universität geschenkt hatte heraus, nach Groh mann (1803), Bd. 3, S. 222.

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läums-] Jahr 1817 drucken lassen, oder, falls sie dieß nicht wollen, entweder das Original oder eine beglaubigte Abschrift davon Luthers Haus allhier schenken.“ 330 In der Vogtei der Wartburg füllte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Lutherstu be verstärkt mit Luthermemorabilien.331 1853 wurde dort ein aus einem Gasthaus in Rudolstadt stammendes, so genanntes Lutherbett aufgestellt, auf dem der Reforma tor einst übernachtet haben soll.332 Zudem umgab man die Lutherstube im Rahmen der romantischen Geschichtspolitik des kunstsinnigen Großherzogs Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1828–1901) mit Stimmungsräumen der Reformation umrahmt, in denen parallel zur kunstgewerblichen Ausstattung im Stil der altdeut schen Renaissance das Leben ­ Luthers in fünfzehn Historiengemälden dargestellt war.333 Auf der Veste Coburg setzte Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861), der Gemahl der englischen Königin Victoria, um 1860 von England aus dem Reformator am Schauplatz seines Coburger Wirkens (1530) ein Denkmal in Gestalt einer Schaubibliothek.334 In Wittenberg, wo mit Aufgabe der Universität auch das Schicksal der dortigen Wissenschaftsmuseen besiegelt war, drückt sich die Spezialisierung ausgestellten Wissens am Leitfaden Martin Luthers besonders signifikant in der musealen Expan sion des Lutherhauses aus. Zwischen 1820 und 1850 wuchs das Hintergebäude des Augusteums unter der Bezeichnung „Lutherhaus“ zu einer eigenen musealen Größe heran. Während die Lutherstube tendenziell auf ihren – vermeintlichen – lutherzeit lichen Ursprung zurückzuführen war, wurden die von dort entfernten Gegenstände gemeinsam mit anderen noch vorhandenen Lutherrelikten und Gemälden in benach barten Räumlichkeiten gezeigt. Um die Lutherstube konnte sich so frühzeitig ein museales Raumprogramm entwickeln, was im Jahr 1883 in der von Kronprinz Fried rich (1831–1888) feierlich eröffneten Luther­halle gipfeln sollte. ������������������ Ab 1883 wurde die westliche Hälfte des ersten Stockwerks, ab 1916 die gesamte Etage musealisiert. Das zweite Obergeschoß war ab den 1930er Jahren museal genutzt.335 Dahinter verbargen sich Bestrebungen, das ausgestellte Wissens zu ordnen und zu spezialisieren. Über raschende Erkenntnisformen, die der Betrachter nur dann gewinnt, wenn er sich dem Vergleich des anscheinend Unzusammenghörigen aussetzt, wurden so eher blockiert. Fern waren die Zeiten, als Lutherdinge von sechsfüßigen Kälbern, Skelet ten und automatischen Miniaturgebilden umgeben waren. Noch in einem Band des zwischen 1803 und 1812 erschienenen Periodikums Museum des Wundervollen oder Magazin des Außerordentlichen in der Natur, der Kunst und im Menschenleben wurde in

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Berger (1827), S. 26f.; Steffens (2008), S. 74ff. Steffens (2008), S. 170–191. Es dürfte aber erst nach Luthers Tod entstanden sein; vgl. Asche (1967), S. 12. Badstübner (1994); Steffens (2008), S. 191–223. Brockmann (2007). Ab 1983 war es möglich, auch den Keller einzubeziehen. Ein Kulminationspunkt dieser Entwicklung ist im Jahre 2003 erreicht worden: Beinahe das gesamte Lutherhaus – also alle drei Stockwerke, einschließlich der Kellerräume – stehen als begehbares Museum zur Ver fügung. Wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts heißt die Einrichtung wieder Lutherhaus.

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Beiträgen nicht nur über „Sehr lange Schwangerschaften“ und „Negerreiten auf Straußen“ berichtet, sondern auch über „Das Nesenische Lutherglas.“336 ÜBERGANG – Das Memorial zu Ehren von Lady Di und Dodi Al-Fayed im Unter geschoss des Kaufhaustempels Harrod’s in London setzt suggestiv das benutzte Weinglas in Szene, aus dem die Prinzessin von Wales unmittelbar vor ihrer Todes fahrt getrunken hatte. Auch der Todeskult um Michael Jackson hat eine intensive Reliquien­industrie befördert, befeuert von der Anhänglichkeit der Fans. Es ist bemerkenswert, dass man auf der Suche nach historischen Spuren dieser irrational anmutenden Rituale der Verehrung und Bewunderung verstorbener Persönlich keiten in der Epoche der Aufklärung fündig wird. In der Aufklärung hatten Reli quien nur dann noch einen Sinn, wenn man sie memorial und sentimental mediati sierte. Dem im Zeitalter der Glaubenskämpfe zur Legitimierung des eigenen Glaubens bzw. zur Abwertung des Andersgläubigen genutzten, auch von magischer Aura umgebene Begriff der Reliquie gesellten sich im Jahrhundert der Aufklärung Facetten eines säkularen Kults hinzu. Die heilsgeschichtliche Kraft herkömmlicher Reliquien verwandelte sich dabei in eine Aura, die sich aus einer dem Ding aufge prägten gefühlsbetonten Erinnerung speist. In dieser Zeit waren Reliquien weniger Zielobjekt inbrünstiger Frömmigkeit, sondern Medium einer emotionalen Identitäts suche. So konnte sich europaweit und überkonfessionell ein Starkult avant la lettre entwickeln: um Petrarca und Galilei ebenso wie um Molière und Shakespeare; in Deutschland verdichtete er sich in der frühen Neuzeit vor allem um Luther. Ähnlich wie beim religiösen Kult nährte sich dieser Lutherkult aus einer Vielzahl von Mythen und Legenden, die aus einer Vermischung von Bild- und Textquellen, eigenen – oft verklärten – Erinnerun­gen sowie projizierten Sehnsüchten schöpfen. An Wirkungsstätten des deutschen Reformators konnte sich eine vielfältige Muse­ umslandschaft entfalten. Die Nachwelt sakralisierte eine verstorbene Persönlichkeit, dessen wenig greifbares Erinnerungspotenzial zur Unterstützung dinglicher Über tragungsmedien bedurfte. Trotz der evangelischen Skepsis gegen Bilder, Ding- und Sinnesfreuden verwandelten sich spezifische Objekte in bestimmten Räumen zu Kraftfeldern protestantischer Authentizität. Frühzeitig konnte sich in Traditionsge bieten der Reformation eine eigene Form des memorialen Reliktkultes sowie des religiösen Tourismus entwickeln, die Parallelen zu traditioneller Reliquienvereh rung und katholischen Wallfahrten nicht verleugnen kann. Ein neuer Typus von Musealisierung formte sich heraus, der später im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter des Historismus, nicht nur Dinge und Stuben, sondern auch Häuser und Plätze, ja ganze Städte in seinen Dienst stellte. Dass der neue, auf Dinge fußende Glaube mit Luther und seiner Nachwirkung bei weitem nicht erschöpft ist, dass schon im 16. und 17. Jahrhundert jenseits der sich etablierenden Orthodoxie des Luthertums ein ausgeprägter Drang virulent war, das Sakrale visuell und haptisch durch Naturbetrachtung zu fassen, will das nächste Kapitel erkunden. 336 Bergk/Baumgärtner (1812), S. 89–91.

4. Gottessucher im Kabinett zwischen Haptik und Vision

Quo magis res singulares intelligimus, eo magis Deum intelligimus. Je mehr wir die einzelnen Dinge erkennen, desto mehr erkennen wir Gott. Baruch de Spinoza

Momente der Magie und Vision fanden im 16. und 17. Jahrhundert in Studierstu­ ben und Laboratorien experimentierender Laien eine neue Heimat, nachdem reli­ quien- und bildfeindliche Protagonisten der reformatorischen Orthodoxie sie aus Kirchenräumen verbannt hatten. Nicht nur im italienischen Manierismus, auch in der calvi­nis­tischen bzw. pietistischen Tradition manifestieren Sammlungspraktiken, alchemistische Experimente sowie physiko-theologische Positionsbestimmungen ein Selbstverständnis, das konstitutiv auf die mediale Funktion von Naturobjekten ange­ wiesen war. Von ihnen umgeben, versenkten sich gottessuchende Autodidakten in die Gegenstände ihrer Betrachtung und verwandelten sie gleichsam in Reliquien. In eng umgrenzten Räumlichkeiten, in Kammern und Kabinetten, stellten sie umfang­ reiche Sammlungen zusammen, in denen der Mikrokosmos den Makrokosmos spie­ gelte, die Natur als Künstlerin begriffen wurde. Deren Schöpfun­gen stellten sie ihren eigenen, von Menschenhand gefertigten Dingwelten gegenüber, wobei keiner­ lei Grenzziehung die Sphären von Natur und Kunst separierte. Figurenreiche Kris­ talle und Korallen fanden in komplex gedrechselten Gestalten ihr Analogon. Kein Gattungsunterschied bestand zwischen Fossilien und antiken Statuen, da man beide Bildwerke in der Erde entdeckte. Mancher Gottessucher fand in Dingen eine geheime Sprache, um nonkonforme Botschaften verschlüsselt zu vermitteln, was hier an Bernard Palissy (1510–1589) und Jakob Böhme (1575–1624), des Töpfers und Hugenotten in Diensten der französischen Krone und des deutschen, mystisch veranlagten Schusters aus Görlitz, veranschau­ licht werden soll. Bei allen Unterschieden – Palissy erfasste die Dinge tatsächlich durch Sehen und Greifen, Böhme rekurrierte stärker auf innere Visionen – sahen sich beide in den Prozess der als beseelt vorgestellten Natur verwoben, die Rolle des Akteurs und Zuschauers, des Handelnden und Behandelten war ihnen eingeschrie­ ben. Beide suchten nach unmittelbaren Momenten der Harmonie zwischen Mensch, Gott und Universum und setzten sich damit den Spannungen des christlichen Selbstverständnisses aus, das davon ausging, die Sünde habe diese ursprüngliche  Spinoza (1677, 1999), S. 568 (pars Quinta, propositio XXIV).  Schütt (2002), S. 115ff.  Laube (2008); Trepp (2009).  Walz (2000); Höft (2000).

268  Gottessucher im Kabinett zwischen Haptik und Vision

Sympathie aller Dinge zerstört und das Eingreifen Gottes, d. h. die eigentliche Heils­ geschichte notwendig gemacht. Die Beziehung zwischen Mensch und Außenwelt wurde in der frühen Neuzeit von Analogievorstellungen, von Ähnlichkeitsbeziehungen dominiert. Eine Schlüs­ selrolle kommt in diesem metaphorischen Bedeutungsgeflecht der Kategorie des theatrum zu. Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels soll daher die Frage im Zentrum stehen, wie sich Protagonisten der Geistesbewegung des Frühpietismus den Phä­ nomenen und Praktiken, die theatrum bzw. „Theatralität“ inhärent sind, stellten, inwieweit sie sie förderten und akzeptierten oder sich von ihnen abgrenzten. „Thea­ tralität“ wird hier als eine optisch-räumliche, d. h. weitgehend textunabhängige Kategorie verstanden, der ein hoher Grad von augenblicksgesättigter Performativität bzw. Inszenierung innewohnt, entsprechend der von sinnlicher Vielfalt geprägten Aura des herkömmlichen Theaters. ������������������������������������������ Ob es nun Augen, Ohren oder überhaupt das Gemüt anregt: Als Ge­samtkunstwerk nimmt das Theater den Menschen mit allen seinen Sinnen in Anspruch, evoziert eine totale Hingabe an den Stoff.  Mit theatrum scheint in der frühen Neuzeit so gut wie alles bezeichnet worden zu sein, was optisch wahrnehmbar ist, insbesondere auch das, was sich auf den ersten Blick, à coup d’œil, also blitzartig, erschließt. Ins Wissenstheater zu gehen, bedeutet eine unmittelbare Verbindung zwischen Mensch und Dingwelt herzustellen, das unverstellte Erlebnis zu suchen, und weniger, ein Buch aufzuschlagen, um sich text­ gesteuerten Mechanismen zu unterwerfen. In diesem Sinne haben bereits im 16. Jahrhundert Naturforscher wie Ulisse Aldrovandi (1522–1605), Francesco Calzolari (1521–1600) und Ferrante Imperato (1550–1625) ihre Naturalienkabinette als „Theater der Natur“ bezeichnet. Ein „Theater der Erde“ stellte der botanische Garten in Padua nach Auskunft des französisches Naturforscher Pierre Belon (1517–1564) dar. Theatrum bedeutet natürlich schon damals als „Theater“ die Schauspielbühne sel­ ber bzw. das auf dieser in Szene gesetzte Stück. Auch die Vorstellung des theatrum mundi, der Welt als Theater vor Gott, und des Lebens als – mediale – Durchgangs­ station kann auf eine längere Tradition zurückblicken.10 Neu ist nun, dass theatrum auch ein Begriffskonzept für ein bestimmtes Naturverhältnis, einen bestimmten Umgang mit Wissensbeständen bereitstellte.11 Populär war theatrum allein deswe­

  Foucault (1974); allgemein zur geschichtlichen Wirksamkeit von Metaphern: Blumenberg (1997, 1960); Mattenklott (2003).   Curtius (1948, 1973), S. 148–154.   Zur kulturwissenschaftlichen Dimension dieser Kategorie: Schramm (2005); vgl. auch Grätzel (2003); zur Vielfalt der damit verbundenen Phänomene: Stafford (1998).   Findlen (1994), S. 193.   Pierre Belon, Les remonstrances sur le default du labour et culture des plantes, Paris 1588, nach Findlen (1994), S. 193. 10 González Garcia/Konersmann (1999). 11 Kirchner (1985); Bernheimer (1956).

269  Gottessucher im Kabinett zwischen Haptik und Vision

gen, weil sich in ihr sehr gut eine topi­sche Ordnung des Wissens abbilden konnte.12 Kaum eine andere Metapher war so geeignet, die Entstehung von Museen, Laborato­ rien, botanischen Gärten und anatomischen Sammlungen im frühmodernen Europa zu spiegeln. In diesen Einrichtungen wurde Wissen nicht mehr diskursiv, sondern visuell vermittelt; das Wissen verwandelte sich in ein theatrum, zu Deutsch in einen Schauplatz.13

Heilsgewissheit durch Naturbetrachtung Ein Kontinuum sinnlicher Wissensvermittlung, das vom Nahverhältnis zur Ding­ welt inspiriert war, drängt sich sowohl bei Bernhard Palissy als auch bei Jakob Böh­ me auf. Wie die Weltsicht Böhmes den konkreten Zugang zu den Dingen suchte, spiegelt sich komprimiert in einem Spruch aus einem seiner Hauptwerke: „Wann ich einen Stein oder Erden­klumpfen aufhebe und ansehe, so sehe ich das Obere und das Untere, ja die gantze Welt darinnen.“14 Nach den Worten Palissys war ein mit Muschel­ schalen belegter Stein der Auslöser gewesen, sich ernsthaft mit Geologie zu beschäf­ tigen.15 Böhme und Palissy waren Handwerker und verfügten über ein ausgeprägtes Materialbewusstsein.16 Wissenschaftsgeschichtlich waren die Jahrzehnte zwischen Palissys Discours Admirables de la nature von 1580 und Böhmes Aurora oder Morgenröte im Aufgang, die erstmals gedruckt 1634 erschien, nachdem das Manuskript schon seit 1612 kursierte, so etwas wie die Achsenzeit eines experimentellen alchemistischen Welt- und Naturverständnisses.17 Das damalige Naturwissen hatte seinen Nährboden in spekulativer Vision, alchemistischen Experimenten und handwerklicher Technik und nur selten traten diese Tätigkeiten getrennt auf. Eine seiner Hauptantriebsmo­ mente bestand darin, den Hiatus zwischen Mensch und Ding zu überwinden, indem man geradezu eine Verschmelzung mit der Vielfalt der Dinge in der Natur anstrebte.

Dinge als Sprache des Nonkonformismus Ganz im Kontrast zum sola scriptura-Prinzip lutherischer Rechtgläubigkeit, die den Blick auf die Phänomene der Natur textuell einhegt, kann in den Wissenstradi­tionen, die von Palissy und Böhme ausgehen, von einer Episteme der Materialisierung 12 Erst im 18. Jahrhundert werden Vision, Memoria und topische Erfahrung durch zeitliche Ordnungen des Wissens, durch Geschichte, Narration und Evolution ersetzt; Böhme (1996), S. 211; Lepenies (1976); vgl. auch Stafford (1994), S. 274–287. 13 Findlen (1994), S. 193; zum Wissenstheater als a system for producing, or displaying a shared experience of seeing: West (2002), S. 47f. 14 Böhme (1623, 1730, 1960), S. 8f.; vgl. dazu Metzke (1961), S. 129–158; zum eschatologischen Konstrukt einer Sympathie aller Dinge: Benz (1956). 15 Lecoq (1987), S. 29; zur Beschäftigung mit Realien in der frühen Neuzeit, die ein großes Maß an Rechtfertigung bedurfte: Daxelmüller (1995). 16 Siehe dazu am Leitfaden von „Metamorphose“, „Präsenz“ und „Anthropomorphose“ Sennett (2009). S. 162–196. 17 Greyerz (1999); Dülmen (2004).

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gesprochen werden. Nicht zuletzt im Interesse der Selbsterhaltung stellten Palissy und Böhme visuelle und dinghafte Momente ins Zentrum der Naturbetrachtung. In einem Zeitalter religiöser Verwerfungen sahen sie in der Naturbetrachtung einen Weg, den sprachlich geführ­ten, Buchstaben zersetzenden Konflikten um den wah­ ren Glauben auszuweichen. Bevor die Natur in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun­ derts zum kunstvollen Schauspiel werden sollte, das man weitgehend selbstlos und neutral betrachten konnte, entwickelten Böhme und Palissy alternative Zugänge. Ihr Naturverständnis machte das erkennende Subjekt selbst zu einem Bestandteil der dynamischen Natur, wobei sich Böhme die Natur eher nach dem lateinischen natura als eine mehr oder weniger schwere Geburt vorstellte, während Palissy eher zum Begriff der physis der Griechen zuneigte, die in der Natur ein Blühen und Aufgehen sehen.18 Die natur naturata war bei Böhme Ergebnis eines spannungsgeladenen Rin­ gens von gegensätzlichen Eigenschaften, bei Palissy erwuchs sie aus einer kaum minder ausgeprägten Dynamik der Variabilität erstarrender Wassermoleküle. Beide beriefen sich auf eigene Erfahrung und grenzten sich so von der Buchgelehrsamkeit ab, die sie als autistisch empfanden. Über das mit der Bibel schriftlich vorliegende Buch Gottes hinaus, verwiesen sie immer wieder auf das Buch der Natur als zumin­ dest gleichrangige Offenbarungsquelle.19 Das Buch der Natur flöße Ehrfurcht vor dem Schöpfer ein und leite nicht weniger als die Bibel zur Verehrung Gottes an. Das wahre Wesen der Natur – der sinnlichen Erfahrung trotz der Schwächung durch die Erbsünde zugänglich – war für Böhme und Palissy zugleich Brücke zur Transzen­ denz: In Palissys weitgehend harmonisch austarierter Natur­anschauung wurde der Gedanke der providentia dei manifest, bei Böhme erschien die „qualvolle“ Natur als permanente Gebärerin göttlicher Kraft.20 PALISSYS VERISTISCHE ARTEFAKTE – Bernard Palissy scheint der erste Künst­ ler gewesen zu sein, der es vermochte, die Natur ebenso verdinglicht wie lebens­echt zur Darstellung zu bringen.21 Als Meister in der künstlichen Herstellung von Lebens­ ähnlichkeit überwand er die Grenze zwischen Natur und Kunst.22 Die von Palissy hergestellten naturalistischen Abgüsse erforderten große handwerkliche Fertigkeit, besonders wenn er Wasserlebewesen bzw. weichleibige Tieren abformte. Dem Arte­ fakt wird durch Palissy die Illusion des Natürlichen verliehen, seine Imitation bis zum trompe l’œil gesteigert. Palissys Œuvre hält jeden Vergleich mit den elaborierten Abbildungen in den zeitgenössischen naturgeschichtlichen Bildbänden nicht nur aus, durch ihre Dreidimensionalität können sie diese sogar übertreffen.

18 Allg. zum Naturverständnis in der frühen Neuzeit: Böhme (2002), S. 474–485. 19 Rothacker (1979); Dirlinger (1997). 20 Elementares Naturerleben und die Gottesfrage angesichts des Leidens sind bei ihm zwei Seiten einer Medaille. 21 Amico (1987); Kris (1926), S. 173ff.; Klier (2004), S. 90ff.; Böhme (2003), 122f. 22 Allg. und im Bezug auf Palissy Daston/Park (2002), S. 301–355; vgl. DaCosta Kaufmann (1993).

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120: Bernard Palissy, Schale mit Schnecken, Muscheln, Schlange (ca. Mitte des 16. Jh.), London, Wallace Collection

Die berühmten Schalen des exzentrischen Töpfers werden heute in KeramikSammlungen als besondere Kuriosität präsentiert, was die Tatsache verstellt, dass für den Künstler mit diesen Artefakten eine große visuelle, philosophische und reli­ giöse Botschaft verbunden war (Abb. 120).23 Palissy war als genialer Autodidakt nicht nur Handwerker und Keramikkünstler, sondern ebenso Chemiker, Geologe, Alchemist und Naturphilosoph.24 Auf der Basis seines praktischen Wissens und sei­ nes Geschicks als Handwerker entwarf Palissy ambitionierte geologische Theorien, wie beispielsweise über den Ursprung der Fossilien, die er entsprechend seiner Arte­ fakte als Abgüsse der Natur interpretierte. Geprägt von den französischen Reli­ gionskriegen fühlte er sich darüber hinaus dem neuen Glauben verbunden. Im Jah­ re 1546 schloss er sich der Reformation an; 1555 wurde er als Verantwortlicher einer kleinen reformierten Gemeinde im südwestfranzösischen Saintes Nachfolger des Predigers Philibert Hamelin († 1557), dessen Hinrichtung ihn erschütterte. Sein außergewöhnliches Talent als Kunsthandwerker, das konfessionelle Grenzen über­ wand, bewahrte ihn vor Strafsanktionen.25 Die im Jahre 1563 durch Herzog Anne von Montmorency (1493–1567) erwirkte Haftentlassung Palissys war mit der Gestal­ tung von dessen Grotte durch denselben verquickt gewesen. Keine geringere als die französische Königin Katharina von Medici (1519–1589) protegierte ihn durch Auf­ 23 Kemp (1999). 24 Fragonard (1996); Lestringant (1992). 25 Zum Status des Künstlers außerhalb der Rechtsordnung: Bredekamp (2008).

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träge zur Verschönerung der Gärten der Tuilerien in Paris, deren Grotte er mit sei­ nen Abgüssen ausstattete. Palissy erhielt sogar den Ehrentitel eines l’inventeur des rustiques figulines du Roy.26 Oft gelang es Palissy, sich in die Schutzhülle der von ihm hergestellten Artefakte zu flüchten. Wie ein Schauspieler, der sich hinter seiner Rol­ le versteckt, scheint Palissy seine wahre Gesinnung getarnt zu haben.27 Im Jahr 1572 entkam er knapp dem Pogrom der Bartholomäusnacht und fand Zuflucht in Sedan. Drei Jahre später kehrte Palissy wieder in die Hauptstadt zurück, um dort Vorträge über Brunnen, Steine und Metalle zu halten. Das Edikt von Nemours im Jahre 1585 zwang ihn erneut, sich zu verstecken; er wurde aber von der Liga aufgegriffen und in die Bastille eingesperrt, weil er sich weigerte, dem neuen Glauben abzuschwören. Dort starb er im Jahre 1589. Texte interessieren Palissy nicht; sie waren Ursache zahlloser, immer wieder in Gewalt ausartender Glaubensstreitigkeiten. Von gebrannter, geformter Erde ging hingegen für Palissy eine besondere Aura aus. Im Jahre 1543 weckte die Schönheit einer coupe de terre, tournée et emaillée 28 in ihm den Wunsch, selbst irdene Gefäße herzustellen, so seine von Selbstüberhöhung nicht ganz freie Darstellung. Wenn es um Alltagsgegenstände geht, kann er sogar als kreativer Zerstörer bezeichnet wer­ den. So soll der Töpfer Möbelstücke in seinen Ofen geworfen haben, um nach dem Brennvorgang neue Dinge, meist Kerami­ken in auffallend realistischen natürlichen Formen und Farben hervorzubringen.29 Wenn auch Palissy alchemistischen Prozes­ sen skeptisch gegenüberstand,30 beschrieb er seine Entdeckung des weißen Emails, als hätte er den Stein der Weißen gefunden.31 Im Kapitel De l’art de terre, de son utilité, des esmaux & du feu berichtet er davon, dass es ihm erst nach sechzehnjähriger experimenteller Anstrengung gelungen sei, zum Geheimnis des Emaillierens vorzu­ stoßen und diese Kunst zu beherrschen.32 Entnommen ist dieses Geständnis den 1580 unter dem Titel Discours admirables de la nature veröffentlichten Vorträgen zur Naturgeschichte. Palissy hielt sie in Paris, nachdem er sich vor Verfolgung sicher wähnte. Darin wird die Aussage im Rahmen eines Zwei-Personen-Stücks entfaltet.33 Der eine ist ein buchverliebter Philosoph 26 Céard (1987). 27 Palissy machte sich des so genannten Nikodemismus verdächtig; er setzte sich dem Vor­ wurf aus, ein religiöses Doppelleben zu führen, indem er zwischen protestantischem und katholischem Bekenntnis lavierte; vgl. allg. Ginzburg (1970). 28 Palissy (1580, 1996)��������������� , S. 294 [274]. 29 Fragonard (1992). 30 Palissy bekämpft die Alchemie mit Zitaten aus der Bibel. Gold, Silber und alle anderen Metalle seien ein Werk Gottes, man würde den Ruhm Gottes verletzen, wenn man sich anmaßen würde, die göttlich gegebene Hierarchisierung der Materie zu verändern; zahlrei­ che Belege bei Céard (1987), u. a. S. 80. 31 Céard (1992); Thorndike (1966), S. 596–599. 32 Palissy (1580, 1996), S. 294ff. ��������� [274ff.]. 33 Einen Dialog hatte Palissy schon im Jahre 1563 mit seinem Recepte veritable, par laquelle tous les hommes de la France pourrant apprendre à multiplier et augmenter leurs thresors vorgelegt. Darin geht es um die Gestaltung und Ausstattung eines Gartens.

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namens Theorie, der andere als Handwerker und Autodidakt Palissys alter ego namens Praxis. Mehrmals kokettiert Palissy mit dem geflügelten Wort Leonardo da Vincis (1452–1519), ein Mann ohne Bildung zu sein. Der direkte Kontakt mit Metallen und Fossilien habe ihn mehr gelehrt als die gesamte aristotelische Philosophie: Je n’ay point eu d’autre livre que le ciel & la terre, lequel est conneu de tous, & est donné à tous de connoistre à lire ce beau livre; (…), 34 so Pratique, deren Argumente stets aus Beobach­ tungen der Natur schöpfen. ����������������������������������������������������� Gesteine und Metalle, die Palissy dem Schoß der Erde entnommen hat, stellte er in seinem Kabinett aus, um so den Besucher direkt mit der empirischen Realität zu konfrontieren: (…) j’ay dressé un cabinet auquel j’ay mis plusieurs choses admirables & monstrueuses, que j ’ay tirees de la matrice de la terre, lesquelles rendent tesmoignage certain de ce que je dis, & ne se trouvera homme que ne soit contraint confesser ceux veritables, apres qu’il aura vue les choses que j’ay preparees en mon cabinet, pour rendre certains tous ceux qui ne voudroyent autrement adjouster foy à mes escrits. 35 ��� In Palissys Naturalienkammer manifestierte sich nichts anderes als die mit Händen zu greifende Formenvielfalt der Erde, die letztlich Gott geschaffen habe.36 Dennoch kann nur noch mit einem großen Fragezeichen Palissy als Ahnherr der induktiven Methode bezeichnet werden.37 Im Kapitel Des Pierres stellt Palissy im Rahmen eines organisch-dynamisch anmutenden Naturtheaters Theorien zur Ent­ stehung von Stei­nen und Fossilien zur Debatte. Ganze Gebirge seien aus giganti­ schen Gussprozessen entstanden. Im Rahmen einer materiellen Identifizierung, die sich nicht davor scheut, die Ganzheit der Welt einzuschließen, begriff er das Innen­ leben seines Ofens als mikrokosmische Widerspiegelung der großen Kräfte, die die Erde gestalten.38 Palissy stellte sich vor, dass Mineralien und Metalle – ähnlich wie Pflanzen und Tiere – aus samenähnlichen Substanzen gewachsen seien.39 Dabei spielte das Wasser – ähnlich wie beim Vorsokratiker Thales (624–546) – die Haupt­ rolle.40 Wie Metalle so seien auch Steine durch Erstarrung entstanden, hervorgerufen durch das gerinnende Wasser – l’eau congelative – als Ursubstanz der Dinge. Dieses salzhaltige Wasser bildete zusammen mit Regenwasser und der an dem jeweiligen Ort, wo es erstarrt und verhärtet, vorhandenen Materie einen Körper, der sich auf diese Weise zu unendlich vielen Formen verfes­tigen kann. Tu vois aussi certaines pieces de bois qui ont esté pétrifiées dans l’eau congelative, de laquelle toutes choses sont commencées, & sans laquelle nulle chose ne peut dire je suis. Voila pourquoy je l’ay appellé element cinqiesme, combien qu’il deust estre appellé premier.41 ������������������������������ Bei Palissy zählen Dinge mehr als Worte. Das ergo sum bezieht sich bei ihm nicht – wie bei Descartes – auf das Den­

34 Palissy (1580, 1996), S. 221f. [200]. 35 Palissy (1580, 1996), S. 12 [4f.]. 36 Vgl. seine Beschreibung der seriell ausgestellten Objekte, Palissy (1580, 1996), S. 361–372 [348–361]. 37 So der Akzent bei einer deutschen Studie, ������������������� Hanschmann (1903). 38 Kemp (1999), S. 73ff. 39 Céard (1987), S. 80. 40 Palissy (1580, 1996), S. 217–271 [196–253]; Barié (1997); Böhme (1988). 41 Palissy (1580, 1996), S. 364 [352 f.]

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121: Palissys lebensechte Frösche

ken, sondern auf Dinge, welche wiederum nicht ohne die Materie des Wassers exis­ tieren können. Die Natur wächst und der Mensch verhilft der Natur, sich zu vervoll­ kommnen, indem er sie bearbeitet. Seine Kunst verschafft der Natur eine neue Form. Unter den noch erhaltenen Schalen Palissys dominiert ein oval geformter Typ (Abb. 120). Bis auf wenige Ausnahmen folgen die rustiques figulines einem Aufbau in Ufer-, Fluss- und Inselzone, die von Schlangen, Eidechsen, Fröschen, Fischen, Flusskrebsen, Muscheln und Schnecken, von „‚Wunderkammern‘ des wimmelnden Lebens“42 bevölkert werden, zwischen denen Blätter diverser Blumen und Pflanzen arrangiert sind. Im Zusammenspiel von Relief und Email entsteht der Eindruck eines wasserumspülten Biotops. Palissy evoziert die Naturtreue seiner Arbeiten nicht allein durch seine lebensechten Formen, sondern auch mit Hilfe seiner feinen, die Hauttextur und Oberflächenstruktur der Tiere und Pflanzen genau wiederge­ benden Farben. Das brillante Ineinanderwirken von feingliedrigem Relief und zer­ fließender dünn gehaltener Glasur lässt die Haut der Wassertiere feucht und glit­ schig erscheinen (Abb. 121). Palissy muss es auf eine täuschende Wirkung seiner naturgetreuen Keramiken angekommen sein. Er berief sich auf jene von Plinius d. Ä. (23–79) überlieferte Anekdote des Zeuxis, die von einer frappanten Mimesis erzählt, die so vollkommen war, dass selbst Vögel durch gemalte Trauben getäuscht wurden. Ähnliches wusste auch Palissy zu berichten: Die auf einem Felsen in einem Kabinett seines Gartens emaillierten Tiere würden selbst ihre Artgenossen täuschen: (…) et tous lesdits animaux seront insculpez et esmaillez si pres de la nature que les autres lezers naturels et serpents, les viendront souvent admirer. 43

42 Böhme (2003), S. 122. 43 Palissy (1563, 1996), S. 136. Auch ein Hund sei so täuschend durch Palissys l’art de terre re­ produziert worden, dass Artgenossen herbeigelaufen seien und ihn anbellten.

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122: Albrecht Dürer, Großes Rasenstück (1513), Wasser- und Deckfarbe auf Papier, Wien, Graphische Sammlung Albertina

Mit dem Uferbiotop von Albrecht Dürer (1471–1528) haben Palissys Schalen ein berühmtes Vorbild. (Abb. 122) Das Große Rasenstück (1513) gibt ein an sich wenig repräsentatives Sujet in einer in sich geschlossenen, Autonomie beanspruchenden Form wieder. Im Gegensatz zu den stark stilisierten mittelalterlichen Blumendarstel­ lungen ist Dürers Rasenbild schon ganz empirisch aufgefasst: In geradezu mikros­ kopischer Exaktheit werden alle botanischen Details wiedergegeben. Zudem ist Dürer bemüht, den Eindruck eines zufälligen Naturausschnitts mit seinem Gewirr von Grashalmen, Blättern und Wiesenblumen zu vermitteln.44 Palissy ging aber noch einen Schritt weiter, denn dessen Kunst etablierte einen Medienwechsel: Die bei Gemälden mit stilllebenhaften Elementen sowie bei naturwissenschaftlichen Illustra­ tionen transportierte Distanziertheit, die zwangsläufig aus deren Zwei­dimen­sionalität erwächst, weicht im Abguss einer unmittelbar wirkenden raum­greifenden Figurati­ on. Die aus Keramik und Email in Szene gesetzten lebensechten Objekte der Natur 44 Hoppe-Sailer (1986).

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sind handfeste Dinge. Schon der Rahmen, die Schale, ist weit mehr als eine Fassung, sondern ein dreidimensionales Ding, das auch als Alltags­objekt verwandt werden kann. Dabei stellt sich die Frage, ob die Naturobjekte nur an ihrem natürlichen Ort, d. h. in ihrem ursprünglichen Kontext, zeigen, was sie eigent­lich sind, oder ob nicht gerade die Dekontextualisierung der Dinge aus der gewohn­ten Lokalität sonst ver­ borgene Wahrheiten offenbaren kann. Vielleicht zeigt sich die Naturwelt in ihrer dingadäquaten, von menschlichen Projektionen weitgehend unbelasteten Beschaf­ fenheit erst in der Isolation, durch Verfremdung. Ob nun zweidimensional oder dreidimensional: Das Bildobjekt verändert sich, wenn es „gelesen“ wird. Spontan, d. h. auf den ersten Blick, vermitteln Palissys Scha­ len lebensechte Lebendigkeit, auf den zweiten Blick fallen dem Betrachter Verfrem­ dungsmomente auf. Während man – ähnlich wie bei Fotografien – die Bildhaftigkeit der Schale sogleich als konkrete Totalität aufnehmen kann, erfordert die genaue, mit einer Desillusionierung verknüpfte Identifikation ihrer Materialität nacheinander ablaufende Teilbetrachtungen. Erst wenn man die Schale optisch liest, wird man sich der verfremdeten – weil fixierten – Natur bewusst. Dennoch scheint es auf den ersten visuellen Eindruck anzukommen, der dominant bleibt. Er vermittelt Lebens­ echtheit, bisweilen auch Lebendigkeit, denn wenn tatsächlich lebendige Reptilien in Bewegungslosigkeit verharren, entspricht eben auch eine stillgestellte Momentauf­ nahme der Natur.45 Palissys Selbstentwurf als un simple artisan bien pauvrement instruit aux lettres46 verschränkt mythisches Künstlerimage mit Exklusivität göttlicher Gnade. Gerade weil er nur seinen Augen vertraute, fühlte er sich den neuen Maximen des neuen Zeitalters verbunden, mehr jedenfalls, als wenn er ausschließlich der lateinischen Textüberlieferung gefolgt wäre, die schon wegen ihrer zunehmend als elitär emp­ fundenen gelehrten Sprache mit dem als korrupt angesehenen Zeitalter des alten Glaubens assoziiert wurde. Wenn Palissy aus einem Buch zitiert, dann aus der fran­ zösischen Bibel, denn mit Bibelzitaten konnte er empirische Forschung ummanteln und dokumentieren, dass er seine Erfindungen und die von ihm enthüllten Geheim­ nisse der Natur allein der Gnade Gottes verdankt. Fast auf jeder Seite seiner Veröffent­ lichungen erwähnt Palissy Gott bzw. die von ihm ausgehende Vorsehung. Ganz Calvinist, schrieb sich Palissy einen Anteil an jener göttlichen Gnade zu, die Gott für die Auserwählten reserviert hat und die sich bei ihm in seiner Begabung zeigt, wel­ che er zur Entfaltung kommen lassen müsse.47 Besonders oft meditierte Palissy über das im Matthäus-Evangelium überlieferte Gleichnis von den Talenten.48 Dass sich das Wissen – auch in plötzlichen Erleuchtungsmomenten – demjenigen erschließt, der akribisch danach sucht, spiegelt sich im biblischen Spruch „wer suchet, der wird finden“ (Mt 7, 8). ������������������� In der Widmung der Discours Admirables heißt es: C’est chose juste et 45

Der Naturabguss changiert zwischen lebendiger Bewegung und artifizieller Starre; zur medialen Verwandtschaft von Fotografie und Abguss: Klier (2004), S. 113f. 46 Palissy in seiner Dedikation an Mareschal de Montmorancy, Palissy (1563, 1996), S. 48. 47 Palissy als konsequenter Calvinist bei Lestringant (1985), S. 6. 48 Mt 25, 14–30; vgl. Céard (1987), S. 78.

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raisonnable que chascun s’efforce de multiplier le talent qu’il a receu de Dieu, suyvant son commendement. Par quoy je me suis efforcé de mettre en lumiere les choses qu’il a pleu à Dieu me faire entendre, selon la mesure qu’il luy a pleu me departir, afin de profiter à la postérité. 49 Die intensive Berufung auf die Bibel ist bei Palissy nicht als textgesteuerte Naturbe­ trachtung zu verstehen, sondern als nachträgliche Legitimation einer bedingungslos empirisch ausgerichteten Naturforschung; ein Unternehmen, das damals alles andere als selbstverständlich war. Der Schriftsteller Palissy entnahm der Bibel auch die Pflicht, seine Erkennt­nisse zu veröffent­lichen, konnte er doch durch Bücher die Geheimnisse, die er dank göttlicher Gnade enthüllt hatte, zur Ehre Gottes verbrei­ ten. Ebenso wie das Wort Gottes in der Heiligen Schrift geoffenbart werde, müssten auch die Geheimnisse der Natur bekannt gemacht werden. Palissy verkörperte eine reformierte Wissenstradition, die allein durch die stärkere Betonung der göttlichen Vorsehung bei der Schöpfung – derzufolge Gott Schätze der Natur verborgen hat, die auf ihre Entdeckung und Nutzung harren – den Naturphänomenen eine unge­ ahnte Eigenständigkeit einräumen konnte, wohingegen der Bibeltext nicht mehr als eine willkommene Bekräftigung darstellte. Tatsächlich machte Palissy nichts anderes, als im Buch der Natur zu „lesen“.50 Weichtiere aus dem Meer, die zugleich Härtungsprozesse indizieren, hatten es Palissy besonders angetan. Der Dichter und Wissenschaftstheoretiker Gaston Buchelard (1884–1962) charakterisierte das von Naturobjekten inspirierte Einbildungsvermögen Palissys als erdverbundenen Typus: „Da aber in der materiellen Imagina­tion alles Nuance ist, müßte die Phantasie Palissys als diejenige eines terrestrischen Geistes auf der Suche nach der harten Erde präzisiert werden, nach der Erde, die im Feuer gehärtet werden muß, die aber auch durch die Wirkung eines Salzes von innen her erstarren und eine natürliche Härtung finden kann. Die Muscheln stellen diese Här­ tung dar. Das weiche, klebrige, ‚schleimige‘ Wesen ist auf diese Weise der Darsteller der harten Konsistenz seiner Schale.“51 Die geringste Schnecke, die eine sie selbst schützende Schale absondert, nährte Palissys Imagination. Es ist überliefert, dass er mitten in den Glaubenskämpfen an der Atlantikküste – fasziniert von der Vielfalt dort angeschwemmter Meerestiere – gleichsam unter dem Eindruck einer materiellen Epiphanie stand, die er sogleich mit der durch religiöse Konflikte paralysierten Gesellschaft seiner Zeit in Beziehung setzte. Ganz im Kontrast zu ihrer in der Bibel überlieferten Unreinheit,52 erschienen ihm die kleinen, mit raffinierten Tricks ausgestatteten Weichtiere als Werk göttlicher Weisheit und Vorsehung: (…) mais quant est des foibles, je trouvay que Dieu leur avoit donné industrie, de savoir faire des forteresses merveilleusement excellentes à l’encontre des

49 Palissy (1580, 1996), S. 10 [2]. 50 Zum legere in libro naturae als Charakteristikum eines von der Bibel beeinflussten Natur­ verständnisses: Gloy (1995), S. 146–148; Curtius (1948), S. 321–327; Nobis (1971). 51 Bachelard (2003, 1957); S. 136. 52 Lev 11, 41–44; Ps 58, 9. Zum Image der Schnecken in der Bibel: Kuechen (1979), besonders S. 479f.

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brigues de leurs ennemis. 53 Durch ihren Speichel baut sich die Schnecke ihre Festung. Weil „die Schlachten und Räubereien des Meeres“ größer sind als die des Landes, hat Gott den wehrlosesten Lebewesen, den Weichtieren, „die Kunstfertigkeit gege­ ben, daß jedes von ihnen ein Haus zu bauen versteht, mit einer solchen Geometrie und Architektur, daß Salomo in aller seiner Weisheit nichts Ähnliches zu machen gewußt hätte“.54 Das spiralförmige Schneckenhaus schütze sie sogar vor Fischen mit spitzen Mäulern. Obwohl die Schnecke ihre Angreifer nicht zerstören kann, ent­ kommt sie der übermächtigen Gefahr durch diese List der Natur. In Analogie sollten auch die Hugenotten aus ihren gottgegebenen Fähigkeiten und Talenten Nutzen zie­ hen. Sein Entwurf zu einer Festungsstadt war ganz konkret von tierischen Formen geprägt. So konstruierte er Schutzgehäuse, in denen ein spiralförmiger Rückzug mög­ lich ist.55 Da die Hugenotten dem Feind zahlenmäßig weit unterlegen waren, sollten sie nach dem Vorbild der Schnecken und Muscheln eine architektonische Überle­ bensstrategie entwickeln.56 Dahinter verbarg sich der auch biblisch belegte Gedanke, dass der Schwä­chere sein Handicap gegenüber dem Stärkeren durch seine besondere Geschicklichkeit zu kompensieren versteht.57 Der Rückzug der Schnecke in ihr spi­ ralförmiges Gehäuse erschien ihm als Symbol einer weisen Widerständigkeit, die den offenen Kampf scheut und stattdessen den Intellekt einschaltet. Den Verwer­ fungen zwischen Glauben und Macht begegnet Palissy also mit einer originellen Taktik. Während Calvin und jene, die sich auf ihn beriefen, aktiven militärischen Widerstand sowie Märtyrertum propagierten, stellte Palissy den sich aufrichtenden Mauern der hugenottischen Festung von La Rochelle sein Konzept innerer Resistenz entgegen. Wenn auch eine umfassende symbolische Deutung der mit Schlangen, Muscheln und anderen Weichtieren in lebensechter Konfiguration versehenen Palissy-Schalen noch aussteht, haben Schnecken gewiss nicht nur als Herausforderungen der Ästhe­ tik fungiert, sondern auch als eine zeichenhafte, aber sprachunabhängige Verkörpe­ rung eines zunehmend in die Enge getriebenen Glaubens.58 So ist die Annahme keineswegs abwegig, dass die Abgüsse von Weichtieren auch ein Medium darstel­ len, den neuen Glauben – ebenso geheim wie offen, ebenso versteckt wie sichtbar – zum Ausdruck zu bringen. In codierter Form – sozusagen als hieroglyphisches Ding59 – entfalteten sich bei Palissy hugenottische Glaubensinhalte. Er schuf eine ebenso stumme wie mobile handwerklichen Zeichensprache und konnte so identitätsstif­ tende Botschaften an Eingeweihte senden, ohne auf das oft in Polemik ausartende 53 Palissy (1996, 1563), S. 210. 54 Bachelard (2003, 1957), S. 137. Zur heiligen Kraft der Muschel, die sich auch auf dekorative Motive, wie dem Element der Spirale, überträgt: Eliade (1952, 1986), S. 156f. 55 Der Text De la ville de forteresse ist abgedruckt bei Palissy (1563, 1996), S. 206–222. 56 Bachelard (1957, 2003), S. 136–140; Kamil (2004), S. 89ff. 57 Palissy (1563, 1996)���������� , S. 214. 58 Schon Luther hat die Kreaturen als „Larven Gottes“ bezeichnet, als Masken, unter denen Gott selber sich verberge; Steiger (2003), S. 191; Sommer (1999a), S. 213–215; zum allegori­ schen Kontext: Reinitzer (1987). 59 Holländer (2005).

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Medium des geschriebenen und gesprochenen Wortes zurückgreifen zu müssen.60 Diese glaubte Palissy, Entitäten entnehmen zu können, die in ihrer organischen Ord­ nung ihre Herkunft als Schöpfung Gottes bezeugen und die er selbst so gut wie kein anderer nachzuahmen verstand.61 BÖHMES SPEKULATIVE SINNLICHKEIT – Wie Palissy war auch Böhme Hand­ werker. Allerdings stellte er keine raffinierten Abgüsse her, sondern einfache Schuhe. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide unter der Allianz von Fürsten­ macht und Glaubensbekenntnis litten, wobei Böhmes Gegner nicht mehr die alte Kirche darstellte, sondern das zunehmend verkrustete System der lutherischen Ortho­ doxie, die sich – ausgehend von der Wittenberger Universität – an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert immer mehr ausbreitete. In Böhmes Wohnort Görlitz als einem Umschlagplatz humanis­tischer Ideen und eines melanchtonianisch geprägten Luthertums mussten diese Tenden­zen besondere Spannungen erzeugen.62 Die schon bei Luther angelegten, lange Zeit vernachlässigten Ansatzpunkte natürlicher Theo­ logie wurden hier intensiv rezipiert.63 Böhme ging eigene Wege, er konnte mit Calvins Prädestinati����������������� ons�������������� - und Luthers Rechtfertigungslehre wenig anfangen. Sein Ziel war es, eine Naturphilosophie zu ent­ werfen, die die Bibel mit der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung in Einklang zu bringen vermochte. Bei ihm spiegelt sich das religiöse Ringen zwischen Gut und Böse in der Wahrnehmung elementarer Naturwirklichkeit. Gott war nach Böhme alles andere als reiner Geist, sondern er bedurfte einer „ewigen Natur“, um leben­ diger persönli­cher Gott zu sein. Sonst wäre er eine „Stille ohne Wesen, ein ewig Nichts ohne Glantz und Schein.“64 Die Natur war Böhmes Berufungsinstanz in sei­ ner Auseinandersetzung mit den überkommenen Lehren.65 Seine Frühschrift Aurora oder Morgenröte im Aufgang von 1612 trägt den bezeichnenden Untertitel: Die Wurtzel oder Mutter der Philosophiae, Astrologiae und Theologiae aus rechtem Grunde oder Beschreibung der ­Natur. Nicht zuletzt weil Böhme direkt aus der Natur sein Wissen schöpfte, deren Phänomene von sich aus wachsen, ohne der menschlichen Kunst zu bedürfen, meinte er auf Texte nicht angewiesen zu sein. 60 Allg. zum verbotenen Wissen in der frühen Neuzeit: Ginzburg (1976). 61 Ein Jahrhundert später sollte Maria Sibylla Merian (1647–1717) mit ihren frappanten Bild­ tafeln aus ihrem Raupen-Buch für Furore sorgen, nicht zuletzt, weil sie in der Metamor­ phose der Insekten ein schlagendes Bildzeichen der Wiedergeburt zu erkennen glaubte; Trepp (2009), S. 210–241. 62 Schriften der Paracelsisten und Rosenkreuzer haben sich dort in zahlreichen Erstdrucken erhalten; Lemper (1976), S. 36–50. Hauptgestalt der geistigen Blüte der Stadt ist der Mathe­ matiker, Astronom und mehrmalige Bürgermeister Bartholomäus Scultetus (1540–1614) gewesen; zum sächsischen Kontext: Crusius (2008). 63 Steiger (2003), S. 213; Bornkamm (1925). Dass Böhme diese Literatur kennt, zeigt sein Erst­ lingswerk Aurora oder Morgenröte im Aufgang von 1612, das den Anbruch eines neuen Welt­ zeitalters als Morgendämmerung eines neuen Denkens darstellt; Koyré (1929), S. 69–168. 64 Böhme (1620a, 1730, 1956), S. 320. 65 Böhme (1612, 1730, 1955), 22:9, S. 321.

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123: Jacob Böhme in seiner Schuhmacherwerkstatt beim Verfassen seiner Schriften, Joseph Mulder, Kupferstich für die niederländische Werkausgabe (1686)

Dem Hauptwerk Aurora ging eine überraschend lange Inkubationszeit voraus, die um 1600 mit visionären Erlebnissen begonnen hatte. Aber erst zwölf Jahre später funk­tionierte er seine Schuhwerkstatt in eine Schreibstube um und brachte in einem rauschhaften Akt automatischen Schreibens innerhalb von fünf Monaten 27 Kapitel zu Papier (Abb. 123). Von Anfang an scheint ihm bewusst gewesen zu sein, dass er sich durch die Verschriftlichung seiner Gedanken angreifbar machen würde. Bestimmt auch deswegen hatte Böhme wohl nie die Absicht, diese Arbeit zu veröf­ fentlichen. Später sollte er betonen, er habe die Morgenröthe lediglich als ein „Memo­ rial“ nur für sich selber geschrie­ben.66 Zur Lektüre gab er sie trotzdem und zwar jenen Freunden und Anhängern, die er im schwenckfeldianisch gesonnenen Adel in Schlesien gefunden hatte. Besonders Karl Ender von Sercha auf seinem Gut Leo­ poldshain zeigte sich für Böhmes Gedankenwelt aufgeschlossen. Auf seine drin­ gende Bitte überließ ihm der philosophierende Autodiktat, der sich immer wieder 66 Böhme (1620a, 1730, 1956), 10:2, S. 30; Koyré (1929), S. 26f.; nach Harleß (1882, S. 12) handel­ te Böhme eher im Auftrag.

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124: Handschriftliche Titelseite von Jakob Böhmes Erstschrift „Morgenröte im Aufgang“ (1612)

für seine mangelnde Bildung und seine ungelenke Handschrift entschuldigte,67 das Manus­kript (Abb. 124). Damit tappte Böhme in die Falle der von der lutherischen Orthodoxie ausgeübten Zensur, die alles, was nicht mit dem von ihr monopolisierten Schriftprinzip übereinstimmte, als „krypto-calvinistisch“ denunzierte. Schon wenig später sollte ein Exemplar der von Ender von Sercha ohne Wissen Böhmes in Umlauf gebrachten Manus­kript­abschriften in die Hände von Gregor Richter (1560–1624), des lutherischen Haupt­pastors von Görlitz, gelangen. Nachdem der pastor primarius Böh­ mes Text mit der Heiligen Schrift verglichen und fundamentale, nicht zu duldende Widersprüche festgestellt hatte, bezichtigte er ihn der Häresie und belegte ihn mit Publikationsverbot.68 Böhme habe zwischen den „Geistern der Buchstaben“, die „in geformten Worten im Verstand scheiden“ und ihm selbst, der gleich direkt in den

67 Böhme (1620a, 1730, 1956), 10:44,45, S. 347; Grunsky (1956). 68 Erst 1618 betätigte sich Böhme wieder als Schriftsteller. Es begann seine bis 1624 andau­ ernde Kreativphase; Lemper (1976), S. 68f.

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vier Elementen lebe, unterschieden.69 Seine Formel von der Natur als „Leib Gottes“70, der Gedanke, dass der Mensch zu Gott durch Naturerkenntnis finden könne, die Böhme als Bewusstwerdung des in der Natur materialisierten göttlichen Willens auffasste, konnte Richter nur befremden und anstößig erscheinen.71 Böhme hätte Gott als ein Gebilde aus Schwefel und Quecksilber gelehrt, so seine in der Stadtchro­ nik überlieferte Einschätzung.72 Was Böhmes erbitterten Kontrahent an dessen Aurora so erzürnte, war sein grundsätzliches Abweichen vom Lehrsatz sola scriptura der lutherischen Orthodoxie. Imperativen aus der unmittelbaren Naturwahrnehmung, wie „Tue deine Augen auf und gehe zu einem Baum und siehe den an und besinne dich“73 erschienen dem Pastor als Marginalisierung des biblischen Textes. Richters Angriff „Ey nun so gehe und komm nicht wieder, daß du elendglich verderbest und nim lieber einen Schuh als eine Feder zur Hand“74 übersah die grundlegende Tatsa­ che, dass Böhme – ebenso wie Palissy – von Dingen der Alltagswelt entscheidend ange­regt wurde. Abraham von Frankenbergs Lebensbeschreibung Böhmes aus dem Jahr 1637 beschreibt ausführlich, wie sich bei Böhme beim Anblick eines Zinngefäßes gerade­ zu eine kosmologische Vision auftat: „Unterdessen und nachdem er sich als ein getreuer Arbeiter seiner eigenen Hand im Schweiß seines Angesichts genehret, wird er mit des 17. Seculi Anfang, nemlich Anno 1600, als im 25. Jahre seines Alters, zum andernmal vom Göttlichen Lichte ergriffen, und mit seinem gestirnten Seelen-Gei­ ste durch einen jählichen Anblick eines Zinnern Gefäßes (als des lieblich Jovialischen Scheins) zu dem innersten Grunde oder centro der geheimen Natur eingeführet. Da er als in etwas zweyfelhaft um solche vermeintliche Phantasey aus dem Gemüth zu schlagen zu Görlitz vor dem Neyßtore (alwo er an der Brücken seine Wohnung ge­habt) ins Grüne gegangen, und doch nichtsdestoweniger solchen empfangenen Anblick je länger je mehr und klärer empfunden, also daß er vermittelst der ange­ bildeten Signaturen oder Figuren, Lineamenten und Farben, allen Geschöpfen gleich­ sam in das Hertz und die innerste Natur hinein sehen können (…), wodurch er mit 69 Böhme (1623, 1730, 1958), 36:38, S. 347. 70 Böhme (1612, 1730, 1955), 1:3, S. 32f.; Deghaye (1994); Koyré (1929), S. 415–450; Sommer (1999), S. 224. 71 Ein Strang der Böhme-Rezeption im 19. Jahrhundert, der von Hegel zu Feuerbach reicht, sieht darin pantheistische Charakterzüge. „Also können wir nicht sagen, daß Gottes Wesen etwas Fernes sei, das eine sonderliche Stätte oder Ort besitze oder habe; denn der Ab­ grund der Natur und Kreatur ist Gott selber.“ Feuerbach (1833, 1969), S. 207. 72 Lemper (1976), S. 125. 73 Böhme (1612, 1730, 1960), 9:32, S. 109; Böhme (1989). Der Titelkupferzyklus zur Amsterda­ mer Gesamtausgabe aus dem Jahre 1682 belegt die Bedeutung des Auges bei Jakob Böh­ me. Auch im Textzusammenhang fällt Böhmes Augenmetapher eine gewichtige Rolle zu. Im komplexen symbolischen Geflecht von Selbsterkenntnis und totaler Seinsfülle, der Aufeinanderbezogenheit von Geist, Sehen und Willen ist damit auch die sinnlich-empiri­ sche Gesichtswahrnehmung gemeint; Schleusener-Eichholz (1972); Geissmar (1994); Mat­ tenklott (1982). 74 Apologia contra Gregorium Richter [1624], aus: Böhme, Sämtliche Schriften, Bd. 5, S. 392.

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grossen Freuden überschüttet, stille geschwiegen, Gott gelobet, seiner Haus-Geschäfte und Kinder-Zucht wahrgenommen und mit iedermann fried- und freundlich umge­ gangen.“75 Böhmes mystische Philosophie bedurfte also der Aura eines Dings; offen­ bar war das göttliche Licht auf die glatte und opake Oberfläche eines Alltagsgegen­ standes angewiesen, um gebrochen und reflektiert zu werden.76 Böhme hatte sein Erweckungserlebnis, auf das er sich später oft berief: In einer Viertelstunde, so ver­ sicherte er, habe er mehr gelernt, als wenn er jahrelang hohe Schulen besucht hätte; habe er doch bei klarem sinnlichen Bewusstsein das All-eine gesehen.77 Alltagsdinge hatten sein eid­etisches Wahrnehmungsvermögen geweckt; sie stellten Medien dar, die ihn zur inneren Wesensschau befähigten: „Ins Hertze sehen“ könne der Mensch bei jedem Ding, „was Essentz, Kraft und Eigenschaft sie haben, es sei gleich in Crea­ turen, in Erden, Steinen, Bäumen, Kräutern, in allen bewegenden und unbewegenden Dingen.“78 Am Beispiel einer angezündeten Kerze sah Böhme alle elementaren Natur­ vorgänge veranschaulicht: „In der Kertze lieget alles untereinander in Einem Wesen, in gleichem Gewichte, ohne Unterschied, als das Fette, das Feuer, das Licht, die Luft, das Wasser, die Erde: Item der Schwefel, der Mercurius, das Saltz und das Oel, aus welchem das Feuer, Licht, Luft und Wasser urständet.“79 Während René Descartes (1596–1650) aus den Veränderlichkeiten der Eigenschaften, wie sie sich beim Wachs durch die Hitze der Flamme zeigen, die strukturelle Unsicherheit der sinnlichen Erkenntnis ableitete,80 stellte Böhme bohrende Fragen nach der Materie oder Kraft, der Gras, Kraut, Bäume, Erde und Steine ihre Existenz verdanken. Gerade der Bereich der Wirklichkeit, der nach der Tradition der christlichen Scho­ lastik die seelenärmste Stufe im Reich des Seienden ausmacht, fungierte bei ihm als Quelle der Beunruhigung und Inspiration. An der harten Materialität eines Steins schloss er das göttliche Schöpfungspotenzial auf. Die unbewegte Starre des Steins war Voraussetzung dafür, dass sich die Bewegung, die Dynamik des Lebens abzeich­ nen kann. Die materielle Beschaffenheit des Steines scheint bei Böhme Anhaltspunkt gewesen zu sein, sich an das nicht mehr physische Konkrete der Schöpfung, an ihre Gestaltideen, die Bausteine ihres Werdens anzunähern.81 Indem er sich in einen Stein hineinzuversetzen versuchte, nahm Böhme die Herausforderung des Myste­ riums einer Dingwelt an, die menschliche Wahrnehmung letztlich immer verfehlen muss. Der Stein als ein Etwas, das nicht Geist und Seele ist, aber doch als Sein ohne Bewusstsein da ist, stellt sich üblichen Gottesvorstellungen in den Weg, die auf der diskursiven Ebene des Verstehens angesiedelt sind. Der Stein diente Böhme als Meta­ 75 Frankenberg (1651, 1730, 1961), 1:11, S. 10f.; Koyré (1929), S. 19; Gilly (2007). 76 Ritman (2007); Ingen (1993). 77 Böhme (1620a, 1730, 1956), 12:7, S. 44. 78 Böhme (1619, 1730, 1960), S. 2; vgl. dazu Metzke (1961), S. 130; Sommer (1999), S. 223f. 79 Böhme (1623a, 1730, 1957), S. 17; zur poetologischen Dimension dieses Phänomens: Bache­ lard (1961). 80 Descartes (1641, 1904, 1973), S. 30 [2. �������������������������������������������������� Meditation]. Vom Objekt bleibt für ihn nur die ab­ strakteste Eigenschaft, durch die ein Körper im Denken erfasst werden kann: die Ausdeh­ nung. 81 Caillois (1966, 1983).

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pher, die sprachlose Dingwelt, die vorzustellen letztendlich unmöglich ist, zur Spra­ che zu bringen. Die Überlegenheit der neu erworbenen intuitiv-ganzheitlichen Naturerkenntnis gegenüber jeder Buchstabengelehrsamkeit kommt vor allem in seiner Qualitätenleh­ re zur Geltung. Die sinnlich wahrnehmbare Natur als drittes von Böhmes Schöp­ fungsprinzipien zeichnete sich durch sieben Qualitäten aus, die als Polaritäten vor­ gestellt sind. Was in konkreter Anschaulichkeit bei Palissy Wasser bedeutete, war in Böhmes abstrakteren Denkprozess Qualität, die er als materielle Beweglichkeit, als Quelle und Treiben eines Dings bestimmt. Unter „Qualität“ verstand er das Erschei­ nen des Inneren in seiner äußeren Form. Einem bildhaften Wortspiel entsprechend, wurde Qualität in „Qual“ geboren; das Innere, das Wesen einer Erscheinung, „quillt“ oder „quält“ sich nach außen.82 In der „qualvollen“ Qualitätenlehre ist mit dem Erschre­ cken über die Rauhigkeit und Kälte der Natur der Theo­dizee-Gedanke eingebaut. Die Geburt Gottes als Schöpfung der Natur schafft automatisch das Böse als not­ wendiges Pendant seiner Artikulation. Böhmes Naturphilosophie sind Strukturen der Theatralität inhärent.83 Dennoch spricht er nie von theatrum, um seine Gedanken mit Hilfe dieser Metapher zu ord­ nen. Gewiss war er aufgrund seiner einfachen Herkunft für den Gebrauch dieser humanis­tischen Kategorie nicht prädestiniert. Auch hätte er sich bei Nutzung dieser visualisierenden Metapher in besonderer Weise der Spannung ausgesetzt, die sich aus dem Prinzip sola scriptura ergibt. Stattdessen entfaltete er seine radikal textun­ abhängigen Gedanken im metaphorischen Geflecht von „Buch“, „Blatt“ und „Buch­ stabe“, gewiss weil es – wie schon bei Paracelsus (1493–1541) und auch Johann Arndt (1555–1621) – darum ging, die Chiffrenschrift der Natur zu entziffern,84 vielleicht aber auch deshalb, um seinen Reflexionen auf diese Weise eine Textnähe zu verleihen, die nur noch im übertragenen Sinn bestand.85 „Du wirst kein Buch finden, da du die Göttliche Weisheit köntest mehr inne finden zu forschen, als wenn du auf eine grü­ ne und blühende Wiese gehest, da wirst du die wunderliche Kraft Gottes sehen, riechen und schmecken, wiewohl es nur ein Gleichniß ist; und ist die göttliche Kraft im dritten Principio materialisch worden und hat sich Gott im Gleichnis offenbaret. Aber dem Suchenden ists ein lieber Lehr-Meister. Er findet sehr viel allda.“86 Böhme war ein naturverbundener Stubenhocker. Diesem Zugang sollte die evan­ gelische Kirche auch jenseits strenger Orthodoxie noch Jahrzehnte später fremd gegenüberstehen. Als durch die Gesamtausgabe der Schriften des Philosophicus Teutonicus im Jahr 1682, besorgt von Johann Georg Gichtel (1638–1710), eine verstärkte 82 Böhme (1612, 1730, 1955), 1:2-24, S. 24–29; Lemper (1976), S. 162. 83 Schramm (1996), S. 101–110. 84 Sommer (1999), S. 212f; Trepp (2009), S. 46f. 85 Rusterholz (1994). 86 Böhme (1619, 1730. 1960), 8:12, S. 76f. Böhmes Naturwahrnehmung erinnert an das epipha­ nische, augenblickliche Naturgefühl Jean Jacques Rousseaus (1712–1778), wie er es z.B. in seinem dritten Briefe an Malesherbes in Worte zu fassen versucht hat, Rousseau (1762, 1978), S. 485ff.

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Rezeption der Gedanken Böhmes einsetzte, profilierte sich Veit Ludwig von Secken­ dorff (1626–1692) als Gegner seiner Gedanken mit dem Ausspruch, man dürfe das „wahre Christentum“ nicht „in den Wüsten und in den Cammern“87 suchen. Böhme transformierte das von Luther forcierte Schriftprinzip, in dem er sich Traditionen des liber naturae und der Signaturenlehre bediente.88 In De signatura rerum oder von der Geburt und Verzeichnung aller Wesen 89 aus dem Jahre 1622 kam es Böhme darauf an, von den Oberflächen der Erscheinungen zum Kern vorzudringen; Sig­naturen waren für ihn nichts anderes als äußere Indikatoren eines verborgenen Inhalts, sie sind Behälter des Geistes: „und dann zum andern verstehen wir, daß die Signatur und Gestaltniß kein Geist ist sondern der behalter oder kasten des Geistes darinnen er liget, (…).“90 Auf der Suche nach der adamitischen Ursprungssprache pochte er darauf, sich nicht in den Fallstricken semiotischer Gegenständlichkeit zu verhed­ dern, in der Zeichen nur willkürlich etwas bedeuten, ohne mit den Phänomenen tatsächlich fusioniert zu sein. Zur Überbrückung dieses Hiatus begriff Böhme in seiner Sprachmetaphysik Prozesse der Natur als besonderen Ausdruck, der eng mit dem Sprechakt des Menschen, seinem Ausdrucksverhalten, verknüpft ist.91 Von der sprachlichen Dimension der Natur gingen theatrale Momente aus; jedes Ding redet aus seiner Eigenschaft heraus, sobald sich sein Inneres äußerlich offen­bart. In der Bildung und im Laut der Worte, die man – wie der Schauspieler im Theater – arti­ kulieren muss, kam nach Böhme der eigentliche Sinn der Dinge und des Geschehens zum Ausdruck, vollzog sich doch im Lautexpressionismus der Sprache ein Drang des Inneren, sich zu äußern. Bei Spaziergängen mit dem paracelsistischen Arzt Tobias Kober (ca. 1572–ca. 1612) soll er am Klang der hebräischen und griechischen Ausdrü­ cke geprüft haben, ob die Bezeichnung zum sinnlichen Eindruck der jeweiligen Pflanzen passt, wobei der Klang der Worte die Korrespondenz herstellte, nicht ihre arbiträre Buchstabenkombination.92 Dinge scheinen für Böhme hier nichts anderes zu sein als materialisiertes, ausgesprochenes Wort. Die ursprünglichen Benennungen des Menschen, die alles andere als willkürlich waren und den buchstäblichen Sinn stets sprengen, entsprangen einem empathischen Nahverhältnis zu den Dingen.93 Während rationale, klare, logisch eindeutige Sätze über die Natur für Böhme nichts­ sagend blieben, war den Silben und Lauten ein präziser ontologischer Sinn einge­ 87 Brief v. Seckendorff, 5.2.1686, Thüringisches Landeshauptarchiv Altenburg, A 1059, Bl. 172r, nach Döring (1997), S. 483. 88 Ohly (1999), S. 61–73. 89 Böhme, Sämtliche Schriften, Bd. 6, S. 1–244. 90 Nach Ohly (1999), S. 68. 91 Böhme (1989), S. 167. 92 Bericht des Görlitzer Ratsherren Ehrenfried Hegenicht im Jahr 1669, nach Lemper (1976), S. 179. Böhme schreibt wie er spricht und er spricht wie er – in eidetischen Figuren – denkt; nach Koyré (1929) S. XV. 93 Bonheim (1992); Ingen (2000). Für Böhme war es möglich, den buchstäblichen Sinn durch Lautmalerei aufzuspüren; eine andere damals verbreitete Methode bestand darin, aus dem ­Alphabet analog zur damals als Bilderschrift missverstandenen Hieroglyphik einen Bildträger der Verdinglichung zu machen, Harms (1996).

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schrieben, der über die konventionelle Bedeutung hinaus für den „erleuchteten“ menschlichen Geist eine semantische Tiefenstruktur aufzuschließen in der Lage war. Palissy und Böhme fühlten sich verfolgt aufgrund ihres Glaubens, der aus der Natur­ betrachtung schöpfte. Beide hatten die Ambition, möglichst nahe an die Dinge her­ anzukommen, zum einen, um durch sie ihren Erfahrungsschatz zu erweitern, zum anderen aber auch, um dahinter die verborgenen Strukturen des Weltzusammen­ hangs zu erfassen. Die äußere Vielfalt der Natur forderte beide heraus, nach einer Einheit, auf der sie zurückgeführt werden kann, zu suchen. Bei Palissy bündeln sich die Naturphänomene im l’eau congelative, im gerinnenden Wasser; beim spekula­ tiveren Böhme äußerte sich das belebende Prinzip in sieben, von Polaritäten ange­ triebenen Qualitäten. Bei beiden verfügt die Natur als Ganzes über einen Puls, eine sich in Kontraktionen und Extraktionen offenbarende Lebendigkeit. Dass Palissy und Böhme ihre Erkenntnisse auf dem Weg göttlicher Gnadenbezeugung gewan­ nen, war nicht ungewöhnlich, sondern entsprach dem Geist der Epoche.94 Der immer wieder in Palissys Texten auftauchende Hinweis auf göttliche Gnadenerweise und die damit einhergehende Verpflichtung, seine Talente fruchtbar zu machen, damit die Geheimnisse der Natur aufgedeckt werden können, verraten die konfessionellreformatorische Prägung eines auf empirische Weise erworbenen Wissens. Erst mit dem sich durch Descartes anbahnenden mechanistischen Weltverständ­ nis erscheint die Natur als statischer Raum, dessen Koordinaten der Mensch erfas­ sen und hierarchisch ordnen muss, wenn er sich in ihm orientieren will. Die Natur lief nun „gnadenlos“ ab. Hätte Böhme die moderne Naturwissenschaft gekannt, so hätte sie ihn enttäuscht, da ihr quantitativer Blick seiner Auffassung nach nicht in die Tiefen des Seins reicht. Die Frage drängt sich auf, ob sich diese sachlich-dis­ tanzierte Naturbetrachtung ohne das Kontrastprogramm eines Palissy oder Böhme so rasch hätte durchsetzen können. Rückblickend scheint sich im religiös grun­ dierten ambivalenten Konstrukt der Natur zwischen interna rerum und res extensa, das einen direkten und unverstellten Kontakt zu den Dingen anstrebt, ein notwen­ diges Übergangsstadium herauszubilden, aus dem sich die empirisch, induktiv vor­ gehende moderne Wissenschaft entwickeln konnte. Voranschreiten konnte das neue Paradigma nur dann, wenn sie sich von Textwelten der Tradi­tion freimachte.95 In Radikalisierung des augustinischen Ausspruchs, dass die gesamte Lehre entweder von Dingen oder von Zeichen handelt, gab sich die 1663 in London gegründete Royal 94 „In dieser Hinsicht, so möchte ich sagen, gibt es zu dieser Zeit gar keinen ernsthaften Naturbegriff, der nicht theologisch oder nicht numinös wäre.“ Leinkauf (2000), S. 404; vgl. auch Philipp (1957); zur Prägung des modernen Naturbegriffs durch theologische Vorstel­ lungen, wie den Vorsehungsglauben: Krolzik (1988). 95 Die hier skizzierte Entwicklungslinie grenzt sich demnach von der These ab, das für das protestantische Selbstverständnis zentrale wortnahe Textverständnis habe die allegori­ sche Deutung der Natur zurückgedrängt und dadurch die Entstehung der modernen Wis­ senschaft begünstigt; Harrison (1998); in Kontrast dazu Webster (1982); Copenhaver (1990); vgl. dazu auch Nelle (2003).

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Society das Motto Nullius in verba 96, was bedeutet, dass in den neuen Wissenschaften das Wort zu vernachlässigen sei und es vielmehr darauf ankomme, durch Betrach­ tung und Experiment einen direkten, objektiven Zugang zu den Dingen zu gewin­ nen. Die Welt der Dinge erhält ein eigenes Gewicht, während Gott allenfalls noch als weltferner Schöpfer präsent ist.97

Konzepte des Theatralen Wenn auch Palissy und Böhme die Wissenskategorie des theatrum nicht explizit gebrauchten; verbirgt sich bei ihnen dennoch ein theatraler Zug zur Natur. Bei ande­ ren war die Metapher eines theatrum in aller Munde, so bei Calvin und Leibniz. Welten scheinen beide zu trennen, auf den ersten Blick zumindest. Hier der Refor­ mator aus Frankreich, ebenso logisch und rational wie fromm und weltabgewandt, dort der die Vielfalt des Lebens registrierende Universalphilosoph, der von der sei­ nigen als der besten aller möglichen Welten spricht. Wie kaum ein anderer Zeitge­ nosse ließ sich Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) von der zeitspezifischen Ubi­ quität dieser Metapher inspirieren. Immer wieder griff er auf die Kategorie theatrum naturae et artis zurück. ���������������������������������������������������������� Ausgangspunkt ist das 1671 entstandene Manuskript mit dem Titel Drôle de Pensée, touchant une nouvelle sorte de Representations.98 ���������������� Im Einflussfeld einer allgemein sich ausbreitenden öffentlichen Begeisterung für alles, was sich in Lustgärten, Kuriositätenkabinetten, Anatomievorlesungen und Sektionen ereignete und ausgestellt wurde, betonte Leibniz in bisher nicht gekannter Intensität das ���� the­ atrale ����������������������������������������������������������������������� Potenzial von Sammlungen und Museen. Wie seine gesamte Philosophie auf Dynamik und einem Spiel sich ergänzender Kräfte ausgerichtet war, stellte auch sein theatrum naturae et artis alles andere als eine fixierte Angelegenheit dar. Es signa­ lisiert konkrete Bildlichkeit, Dinghaftigkeit und Lebendigkeit und war sich nicht zu schade, auch Clowns, Feuerschlucker und Wassertrinker und deren Kunststücke zu präsentieren. Um die Wissenschaften grundlegend zu erneuern, schuf Leibniz eine Einheit von Wissenstheater und Theaterkunst, in der Menschen nicht nur als Schau­ spieler auftreten, sondern ebenso als Strippenzieher hinter den Kulissen, d. h. als Regisseure und Dramaturgen. Gott scheint im Leibniz’schen Wissenstheater nur noch als rhetorischer Fluchtpunkt zur Geltung zu kommen; er begnügt sich mit der Rolle eines Zuschauers in einem von Menschen aufgeführten Spektakel. „Jedes durch Experiment oder Demonstration entdeckte Kunstwerk der Natur ist ein wahrhaf­ tiger und wirklicher Hymnus auf Gott, dessen Bewunderung dadurch vermehrt wird.“99 ������������������������������������������������������������������������ Die Schöpfungswelt versteht Leibniz als Summe von absoluten Individuen, von „Monaden“, jede Monade ist ein verwirklichter Gottesgedanke und damit leben­ diges Spiegelbild des Universums. ����������������������������������������������� Leibniz konfigurierte die Worte mit den Dingen 96

[auf niemandes Wort achtend]; zur problematischen Übersetzung dieses Mottos siehe Krohn (2006), S. 24. 97 Klueting (2001). 98 Bredekamp (2004), S. 45–49. 99 Leibniz, ohne Quellenangabe zitiert bei Troeltsch (1902), S. 494.

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neu, indem er über eine nur sprachliche Erfassung dieser Verhältnisbestimmung hinausgehend im Sinne der herkömmlichen Bedeutung des Theaters einen authen­ tischen Zugang zur Lebendigkeit freilegte.100 Mit theatrum naturae et artis steckte Leib­ niz eine spezifische Örtlichkeit wissenschaftlicher Praxis ab, die von unmittelbarer Wahrnehmung gespeist war; ein Zugang, der im Unterschied zum eher philologischrhetorischen theatrum-Ansatz eines Giulio Camillo (1480–1544) bereits im „Dingthea­ ter“ von Samuel Quiccheberg (1529–1567) angelegt war.101 Bei Jean Calvin (1509–1564) muss angesichts seiner Polemik gegenüber der Thea­ terkunst der häufige Gebrauch der Theatrum-Metapher überraschen. Allein fünfmal ist im Grundlagenwerk Institutio Religionis Christianae – in der Fassung von 1559 – von theatrum die Rede,102 weitere Belege finden sich in seinen Reden und Kommen­ taren.103 Calvins theatrum tritt meist in der Formel eines theatrum gloriae dei auf, eines Theaters zum Ruhme Gottes. Demnach sind alle Dinge in der Natur dazu da, Gottes Größe zum Ausdruck zu bringen. Auch der Mensch ist nur auf der Welt, um Gottes Ehre zu preisen, ohne sich dabei ein Verdienst aus dieser Pflicht anrechnen zu kön­ nen. Calvin konnte aus einer humanistischen Tradition schöpfen, die sich wenig später Jean Bodin (1529–1596) zu eigen machte: Die Natur ist Schauspiel, in dem nur ein Akteur auftritt, Gott selbst, der sich in seinen Werken, d. h. in der Vielfalt der Naturerscheinungen zu erkennen gibt.104 Gottes Wunder in der Natur vor Augen, stand beim Reformator demnach der kontemplative Gebrauch der Theater-Metapher im Vordergrund. Calvin räumt zwar ein, dass der Mensch die Welt mit eigenen Augen sieht, die Erde mit seinen Füßen betritt und unzählige Dinge mit seinen eige­ nen Händen berührt. Aber letztlich hatte die sinnliche Wahrnehmung die Funktion, die passive, rein empfangende Rolle des Menschen zu unterstreichen; das Natur­ schauspiel diente ihm als Medium der Meditation über Gott. Dass die Natur nicht in Chaos und Katastrophen versinkt, folgte aus der Interaktion zwischen Gottes Macht und Güte sowie der Gottessehnsucht der Menschen, wobei die Kluft zwischen dem in Sünden verstrick­ten Menschen und dem sich in der Schönheit der Natur evident machenden Gott unermesslich groß bleibt. Dementsprechend erklären sich Störfak­ toren der Natur, wie rostendes Metall oder nicht feste Grenzen zwischen Land und Meer, wie damals immer wieder an der von Überschwemmungen heimgesuchten holländischen Küste zu beobachten, aus dem Sündenfall.105 Gäbe es ihn nicht, wäre 100 Bredekamp (2004), S. 34–43. 101 Friedrich (2004), S. 208–211. Siehe Camillos L’Idea del theatro (1552) und Quiccebergs Inscrip­ tiones del tituli theatri amplissinni (1565), Yates (1990), S. 150–162. 102 Calvin (1559, 1955), 1.5.8., 1.6.2., 1. 14. 20., 2.6.1. Das verwandte Wort spectaculum hat in der Institutio nicht weniger als 23 Fundstellen. 103 Lane (2001); White (1994); Dyrness (2004), S. 72–84. 104 Blair (1997). 105 Calvin (1559, 1955), 3.25. 2 u.11; siehe dazu auch Lang /McDannell (1990), S. 211; zur Natur­ gewalt des Meeres im Rahmen einer geographischen Sittenlehre: Schama (1988), S. 27–65. Zu Calvins Konzept eines Welttheaters zum Ruhme Gottes, das mit seinem Verständnis einer prekären Natur, die sich aus dem Sündenfall ergibt, untrennbar verbunden ist: Schrei­ ner (1991).

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die Natur ohne Verfallsprozess, ohne Verblühen und Sterben. Mit Hife des theatrumKonzepts konnte Calvin die Natur in seine Theologie und Spiritualität integrieren; weitaus systematischer und umfassender als das bei Luther geschehen sollte.106 Par­ allelen dazu finden sich hingegen bei Philipp Melanchthon (1497–1560), für den die Natur den Menschen nämlich „wie ein Theater“ vor Augen gestellt sei,107 in dem man durch weltliche Erkenntnis die Spuren Gottes erkennen kann. Im deutlichen Unterschied zu Leibniz kannte Calvins Theater keine Menschen als Künstler und Schauspieler; überhaupt scheint bei ihm jedes Artefakt dem Verdikt der Idolatrie zu verfallen. Während das Leibnizsche theatrum die Natur um die vom Menschen her­ gestellten Artefakte bereichert,108 betrachtet Calvins theatrum die Natur in Anleh­ nung an die Bildauffassung von Gregor dem Großen (540–604) als lebensechtes Gemälde im Sinne eines Buches für die weniger Gebildeten.109 In diesem weiten, von Calvin und Leibniz abgesteckten Spektrum waren die theat­ rum-Vorstellungen von Heinrich Khunrath (1560–1605), Johann Valentin Andreae (1586–1654) und Jan Amos Comenius (1592–1670) verortet. Dabei lassen sich unter­ schiedliche Bedeutungen der Begriffsverwendung herausfiltern, die entweder Mo­ mente der Verdichtung oder des Überblicks bevorzugen. Anfänglich noch herme­ tisch-alchemistisch konnotiert, dominierte in Laufe des 17. Jahrhunderts zunehmend der enzyklopädische Gedanke. Theatrum entwickelte sich zur Standardkategorie von Überblickswerken des Wissens. Als Buch­titel erlebt die Metapher eine große Verbrei­ tung.110

Von hermetischen zu enzyklopädischen Zugängen Setzt man sich auf der Suche nach theatralen Begriffsspuren mit der Wirkungsge­ schichte der Reformation auseinander, denkt man sogleich an die Vorbehalte der Protagonisten des neuen Glaubens gegenüber Visualität und Haptik. Ob man nun bei Lutheranern ansetzt oder bei Calvinisten: Wenn es darum ging, theologische Gehalte zu vermitteln waren, Reden, Hören und Lesen allemal wichtiger als Schau­ en und Anfassen.111 Dementsprechend nannte Luther das Reich Christi „ein Hör­

106 Von theatrum sprach der deutsche Reformator so gut wie nie, dafür entwickelte er ein Sen­ sorium für Miniaturen der Natur, wie den Kirschkern und anderes, weniger eines für den ganzen Naturzusammenhang. Zudem steht zwischen dem Glaubenden und der Natur stets die Vermittlungsinstanz der Heiligen Schrift; Steiger (2004), S. 192f.; Krolzik (1988), S. 52–55. 107 tota haec naturae varietatis velut theatrum est, nach Hofheinz (2001), S. 68, Anm. 256; Kusuka­ wa (2004). 108 Bredekamp (2004), S. 34ff; Roßbach (2005), S. 21f. 109 Kommentar zu Genesis 1, 6, aus John Calvin, Genesis, hrsg. von Alister McGrath/J. I. Par­ ker, Wheaton (Illinois) 2001, S. 20. 110 Friedrich (2003). 111 Zu diesem konfessionsspezifischen Spannungsfeld: Rohls (2002); Laube (2002); Belting (1993), S. 25f.; Hofmann (1983); Dyrness (2004), S. 72–84.

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125: Rembrandt, „Faust“, Radierung (1652), Berlin, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen

reich und kein Sehreich“.112 Reformatoren konnten sich in dieser Frage durchaus auf die Bibel berufen, in der das von Luther mit Schauspiel übersetzte teatron nur zwei­ mal vorkommt. Die bekanntere Stelle ist die aus dem ersten Korintherbrief (1Kor 4,9). Paulus’ Diktum über die Apostel, sie seien als Schauspiel für die Welt von Gott zum Tode bestimmt, hatte weniger die Fiktionen darstellende Schaubühne als den Men­ schen verachtenden römischen Zirkus im Sinn. Das Theater als Stätte der Schauspiel­ kunst hat in der Bibel hingegen keinen expliziten Platz, wodurch es aus reformato­ rischen Blickwinkel als „Mittelding“ immerhin den indifferenten Status des weder Erlaubten noch Verbotenen erhalten konnte. Auch in pietistisch beeinflussten Denkrichtungen besteht die sich im Umgang mit dieser Metapher angelegte grundlegende Ambivalenz zwischen Ding, Bild und Performanz einerseits und der auf sola scriptura, auf den Geist des Buchstabens aus­ gerichteten Theologie andererseits fort, allerdings unter spezifischen Bedingungen. Während der spielend und schauend entrückte, sich Fiktionen hingebende Mensch ständig dem Risiko ausgesetzt war, sich dem Einfluss von Glauben und Kirche zu entziehen,113 gestaltet sich im Diskurs des Wissens das theatrale und pietistische 112 Martin Luther, Von dem Reich Christi aus dem achten Psalmen, Predigt (1545). In Merse­ burg gehalten; aus: WA 51, S. 11. 113 Siehe in vorliegender Studie, S. 372ff.

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126: Museum Wormianum in Kopenhagen, Kupferstich, G. Wingendorp (1655)

Selbstverständnis keineswegs in einem derartig antagonistischen Muster. Vielmehr war es flexibel genug, sich sowohl hermetische als auch enzyklopädische Zugangs­ weisen zu eigen machen, wie sie fast zeitgleich von Rembrandt Harmensz van Rijn (1606–1669) und Ole Worm (1588–1654) visualisiert worden sind (Abb. 125 und 126). Während auf ersterem Bild sich der visionäre Gelehrte in seinem Kabinett emblema­ tisch verdichtet, dominieren auf dem letzteren ordnungsstiftende Regalbretter, auf denen Naturobjekte nach ihrer Größe geordnet sind. HEINRICH KHUNRATH – In der Zeit, als im elisabethanischen England die ersten öffentlichen und kommerziellen, von professionellen Schauspieltruppen betriebenen Theater als Sinn- und Abbild der Welt entstanden, veröffentlichte Heinrich Khun­ rath (1560–1605) unter dem Titel Amphitheatrum sapientiae aeternae solius verae eine Studie, die zum Klassiker der christlichen Alchemie avancieren sollte.114 Darin ent­ wickelte der Arzt aus Leipzig theatralische Wissenskonzepte, die sich die Architek­ tonik der tatsächlichen Bühnen der Welt zum Vorbild nahm. Sein Verständnis eines theatrum übte auf die frühpietistische Bewegung großen Einfluss aus; insbesondere durch Johann Arndt (1555–1621), der mit ihm korrespondierte und die vier ersten 114 1595 erschien die Abhandlung in einer Kleinfassung, 1609 in Hanau postum in der Voll­ fassung; zu Khunraths Ansatz: Habrich (2001), S. 49–51.

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127: Die Schule der Natur (Ausschnitt), Kupferstich, aus Heinrich Khunrath, Amphitheatrum sapientiae aeternae solius verae (1609)

Bildgleichnisse aus seinem Amphitheatrum kommentierte.��� Vornehmlich wegen die­ ser darin abgedruckten differenzierten Kupferstiche erlangte Khunraths Abhand­ lung große Berühmtheit.116 Auf dem Kupferstich Die Schule der Natur ist eine gebir­ 115 Johann Arndt [Johann Arndt], Iudicium und Bericht eines Erfahrnen Cabalisten und Phi­ losophen über die 4 Figuren dess grossen Amphiteatri D. Heinrici Khunradi. In: Heinrich Khunrath, De igne magorum philosophorum [herausgegeben von Benedictus Figulus], Strassburg 1608, S. 107–123; Arndt selber übernahm die Theater-Metapher jedoch nicht. In seinem zentralen, 1610 erstmals erschienenen Erbauungswerk Vier Bücher vom wahren Christentum, in dem im vierten Buch, dem Liber Naturae, ausführlich auf alchemistische Verfahren eingegangen wird, nutzte er das Bild des ������������������������������������ Buches. Da es Arndt darum ging, die verschlüsselte Natur zu entziffern, war für ihn in dem Bild des Buches wohl eine größere metaphorische Aussagekraft enthalten als in dem des Theaters;������������������������������� Geyer (2001), II, S. 381–387; Neumann (2004), S. 163–178. 116 Töllner (1991); Bachmann/Hofmeister (1999) S. 157–170.

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128: Das Portal zum Amphitheater zur Weisheit, Kupferstich, aus Heinrich Khunrath, Amphitheatrum sapientiae aeternae solius verae (1609)

gige Naturlandschaft zu sehen, wobei auf dem Gipfel eine Felsformation die porta amphitheatri zu erkennen gibt, einen schmalen Eingang auf einer kleinen Aussichts­ plattform als Zugang zur einzig wahren Weisheit (Abb. 127). Eingebettet in eine malerische Naturlandschaft wirkt dieses Portal wie ein Sinnbild des von Khunraths vertretenen theat­rum-Konzept alchemistischer Konzentration: das auf das Podest erhobene Nadelöhr figuriert einen Übergang, wo sich nach komplexen Läuterungs­ prozessen die Verschmelzung der vielfältigen Phänomene der Natur zu einer ein­ zigen Substanz, zum Stein der Weisen anzubahnen scheint. Eine andere Abbildung zeigt diesen Zugang zur Höhle in frontaler Ansicht, durch den Eingeweihte auf ein Licht zuschreiten, wobei die inneren Höhlenwände mit Inschriften bedeckt sind (Abb. 128). Analogien zur Theaterwelt liegen auf der Hand: Wie ein Grottentheater in einer Parklandschaft wirkt die Anlage, wie eine Bühnentreppe erscheinen die in der Einfassung eingebauten sieben Stufen, die bis zum Licht überfluteten Ende des Tunnels emporgestiegen werden müssen, will man der ewigen Weisheit teilhaftig zu

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werden. Khunraths Amphitheatrum ist eine von theosophischen Überformungen geprägte arenenähnliche Konstruktion mit der Funktion, in einem Spiel gradueller Annäherung die Weisheit als Abbild des göttlichen Lichts zu fassen. Der untere Textbalken des Stiches, den Khunrath mit dem Satz beginnen lässt Porta Amphitheatri Sapientiae Aeternae, solius Verae, angustu quidem, sed tamen satis augusta, Jehovae 117 erin­ nert an einen später populär gewordenen pietistischen Bildtopos: Der schmale Weg, den nur die Heilsfähigen zu beschreiten in der Lage sind sowie der breite Weg, auf dem die Gleichgültigen wandeln.118 Khunrath nannte seine Abhandlung eben nicht theatrum, sondern amphi-theatrum und bringt damit eine Theaterarchitektur mit rings herum verlaufenden aufsteigenden Sitzreihen zum Ausdruck. Es erscheint nicht abwegig, hinter dem Präfix amphi- eine Potenzierung, eine Aufladung, eine Verdich­ tung des theatrum-Begriffs zu vermuten, gerade gegenüber damals gängigen enzyklo­ pädisch orientierten Konzepten, wie sie nicht zuletzt Khunraths akademischer Leh­ rer Theodor Zwinger (1533–1588) aus Basel in seinem Opus Thea­trum vitae humanae (1565) populär gemacht hatte.119 Ganz anders als derartige überblickshafte Antholo­ gien, der auch die Hauptschriften der Alchemie unter dem Titel ­Theatrum Chemicum Britannicum aus dem Jahr 1652 von Elias Ashmole (1617–1692) hinzugefügt werden könnte, verband sich bei Khunrath mit dem Gebrauch von theatrum ein hermetischer, ganzheitlicher Wissensbegriff. Wenn diese Metapher etwas sichtbar machen kann mit Hilfe von etwas Sichtbaren, dann besteht diese Visualität aus Abstraktion, geht es doch darum, einer ausgeprägten Verdichtung, in der sozusagen immer weniger, immer mehr bedeutet, Ausdruck zu verleihen.120 Nach einer älteren Forschungsansicht entstanden Amphitheater durch die Zusam­ menlegung zweier halbkreisförmiger Theater. Die damit implizierte Verdoppelung der Bühne spiegelt auch die durchgängige doppelthematische Struktur in Khun­ raths Abhandlung, die zwischen christlicher Religion und Alchemie oszilliert, para­ digmatisch visualisiert durch die berühmte, vom Antwerpener Stecher Paullus van der Doort im Jahre 1595 in Hamburg gestochenen Darstellung Orato­rium – Laborato-

117 [Die Pforte des Amphitheaters der ewigen, einzig wahren Weisheit, die zwar eng, aber dennoch erhaben genug ist, ist Gott geweiht …]. 118 Harasimowicz (1998), Scharfe (1990). 119 Khunrath wurde mit der paracelsischen Schrift De signatura rerum naturalium thesis im Sommer des Jahres 1588 in Basel promoviert, wenige Monate zuvor war Theodor Zwinger gestorben. Dass er wie Johannes Arndt ein Jahrzehnt zuvor bis zu dessen Tod bei ihm spagyrische Medizin gehört hat, kann als sicher gelten; Ausstellungskatalog Amsterdam (1986), S. 33. 120 Die Architektur hermetischer Konzentration verweist auf die Metapher des turris babel bzw. turris sapientiae, die wenige Jahre später u.a. auch von Johann Valentin Andreae be­ nutzt werden sollte; Seng (2001), S. 79–82; zur hermetischen Ikonologie der Elemente: Böh­ me (1996), S. 211ff.

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129: Das Oratorium – Laboratorium des Alchemisten, Kupferstich, aus Heinrich Khunrath, Amphitheatrum sapientiae aeternae solius verae (1609)

rium (Abb. 129).121 Zur Linken kniet ein Mann mit dem Ausdruck tiefer Andacht vor einem Oratorium in Form eines Gebetszeltes, das mit kabbalistischen und geome­ trischen Symbolen bedeckt ist. Der Laborant scheint mit voller körperlicher und see­ lischer Hingabe um Gottes Beistand zu flehen, damit das opus magnum, die Gewin­ nung des lapis als höchste Stufe der Veredlung der prima materia gelingen möge.122 Dem Oratorium gegenüber ist das Laboratorium dar­gestellt, wo man einen riesigen Ofen mit all den Werkzeugen eines Alchemisten erkennen kann. In der Mitte steht 121 Habrich (2001), S. 49; Töllner (1990), S. 197–222; Neumann (2004), S. 139–155; allg zur Ver­ quickung von Religion und alchemistischer Technik: Hoheisel (1986); zum dichtenden Pa­ stor Johann Rist (1607–1667), der in seinem Wedeler Pfarrhaus ein eigenes alchemistisches Labor betrieb: Trepp (2009), S. 166–171. 122 In der mittelalterlichen Alchemie war es verbreitet, den philosophischen „Stein“ als Ana­ logon der Erlösung mit Christus selbst zu parallelisieren; siehe grundlegend dazu Jung (1944, 1987); Hoheisel (1985), S. 72f.

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130: „Christianapolis“, Kupferstich (1619), aus Johann Valentin Andreae, Reipublicae Christianopolitanae Descriptio

ein Tisch mit Musikinstrumenten. Und das ganze befindet sich in einem perspekti­ visch dargestellten Saal, der dem Stich eine bühnenhafte Ausstrahlung verleiht. Amphitheatralisch wirkt nicht nur die Korrespondenz zwischen Oratorium und Laboratorium. Auch formal kommt durch die auf der aufgeschlagenen Buchseite, universalen Anspruch indizierende Rundform der Stiche, die von wie Zuschauer­ ränge wirkende Textblöcken eingerahmt sind, das Schema eines Kollo­seums zum Vorschein. JOHANN VALENTIN ANDREAE – Andere theatralische Akzente setzte Johann Valen­tin Andreae in seiner Utopie der Idealstadt Christianapolis, deren kompakte quadratische, mit Türmen versehene Anlage, die im Zentrum in einer Sakralarchi­ tektur kulminiert, frühneuzeitliche Vorstellungen des Salomonischen Tempels wachruft (Abb. 130).123 In der „Christenstadt“ war ein in die Zukunft weisender Rea­ lienunterricht Programm: Bilder, Zeichnungen, Pläne, optische und astronomische Instrumente, Karten, Globen, Modelle, mechanische Erfindungen, Maschinen, Werk­ zeuge, Gärten etc. stecken Orte des Wissens ab, an denen in Kontrast zum herkömm­ lichen Buchwissen Autorität und Evidenz durch die vor Augenzeugen demonstrier­ te Sammlungspraxis dingfest gemacht wurden. Andreae, der sich als Student in Tübingen übrigens auch als Komödienautor versucht hatte, etablierte in seiner Chris­ tenstadt ein System von Naturerforschung, Techniknutzung und Wissensvermitt­ 123 Nach den 1605 veröffentlichten Stichen im Eszechiel-Kommentar des spanischen Jesuiten Juan Bautista Villalpando (1552–1608) erscheint der Tempel als ein weitläufiger Renaissan­ cepalast in der Formensprache der Antike; Korey (2010), S. 14; Bennett (2010), S. 28f.

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131: Frontispiz, aus Johann Valentin Andreae, Mytho­logiae Christianae sive virtutem et vitio­rum vitae humanae imaginum Libri tres (1619)

lung, dessen medialer Ausgangspunkt und Kern die Anschauung darstellte. Konn­ ten die Objekte nicht selbst zur Beobachtung präsentiert werden, so waren als Ersatz Modelle und bildliche Darstellungen heranzuziehen. Aufgemalte Bilder auf den Mauern von Andreaes Christianapolis visualisierten astronomische Phänomene sowie die Vielfalt von Flora und Fauna in Form eines mnemotechnischen Bildtheaters.124 Die Wissenschaften sollten vornehmlich durch das Sehen angeeignet werden, nicht so sehr durch Hören und Lesen. Den Schauaspekt betonten auch einzelne Hörsäle bzw. Sammlungsräume, die theatrum mathematicum oder theatrum physicum heißen. Ohne unmittelbare Anschau­ung schien es nicht mehr möglich zu sein, Wort und Sache in kohärente Beziehun­gen zu bringen.125 Andreae wusste sich theatralischer Momente zu bedienen, auch ohne das Wort theatrum in den Mund zu nehmen. Das in Kupfer gestochene Titelblatt seiner in 124 Der Unterschied zu Franckes Anstalten scheint darin zu bestehen, dass in Halle das Bild verstärkt durch die unmittelbare Anschauung eines dreidimensionalen Objekt ersetzt wurde, sei es durch das Original aus der Natur oder durch ein Modell, siehe in vorliegen­ der Studie, S. 347ff.; siehe dagegen zur bildfreundlicheren Herrnhuter Praxis: Redlin (1999). 125 Bredekamp (1993, 2002), S. 68f.

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Straßburg im Jahre 1619 verlegten Mythologia Christiana zeigt ein durch einen Vor­ hang verhängtes bühnengleiches Tor, das von zwei Säulen begrenzt wird, auf denen dinghafte Embleme auf das hinweisen, was sich hinter dem Vorhang verbirgt. Das Schauspiel handelt von Sachwissen statt Wortwissen, von Erfahrung statt Spekula­ tion (Abb. 131).126 Der Stich fügt sich somit in eine Wissenstradition ein, die von Zwingers Theatrum vitae humanae bis zu Comenius Orbis pictus reicht und die von einer zunehmenden Bild- bzw. Dinghaftigkeit geprägt ist. Theatrale Offenheit in der Sache war bei Andreae also gepaart mit Reserviertheit im Begrifflichen. So spricht der Tübinger Geistliche und Mitbegründer der ­Rosenkreuzerbewegung im zwölften Kapitel der ersten Originalausgabe der Confessio Fraternitais R. C. von Khunrath als der Amphiteatralem histrionem, hominem ad imponendum satis ingeniosum.127 Zudem weicht er in abwertender Absicht auf andere theatrale Metaphern aus, wie auf das Schlagwort ludibrium, dem Spielwerk. Wahrscheinlich wollte Andreae so Spekula­tio­ nen derjenigen entgegen zu treten, die in seinem dritten Rosenkreuzermanifest Die Chymische Hochzeit des Chris­tian Rosencreutz von 1616 eine ernst zu nehmende alche­ mistische Handlungsanweisung zur Generalreformation gesehen hatten.128 In Peregrini in Patria errores (1618) vergleicht Andreae die Welt mit einem Amphitheater, wo permanent Fabeln produziert werden, wo niemand so erscheint, wie er tatsächlich ist, sondern alle Menschen verkleidet sind. ����������������������� Hier fungiert Andreaes theatrum-Begriff als Forum von Sinnestäuschungen und scheint gar nicht so weit entfernt von der Idolenlehre eines Francis Bacon (1561–1626) zu sein, in der die idoli theatri eine pro­ minente Rolle spielen.129 In Andreaes Theaterverständnis drückt sich nicht zuletzt eine religiös fundierte Skepsis aus, dass aus dem empirischen Augen­schein allein Erkenntnis zu gewinnen sei. Sie stand in eigentümlicher Spannung zur Verve, mit der Andreae diese Heran­ gehensweise in seiner Utopie einer „Christenstadt“ forcierte. JAN AMOS COMENIUS – Wie sein Erstling Theatrum universitatis rerum (1616–1618) zeigt, hatte Jan Amos Comenius zunächst weniger Berührungsängste mit diesem metaphorischen Begriff.130 Der Theologe, Philosoph und Pädagoge nutzte theatrum in seiner Eigenschaft als Kategorie enzyklopädischen Wissens.131 Auf dem von Come­ nius eigenhändig verfassten Titelblatt erscheinen die Worte wie ein abstrahierendes 126 Ausstellungskatalog Amsterdam (1986), S. 113. Auch der Text selbst enthält zahlreiche Anspielungen auf Drama und Theater. 127 [Amphitheatralische und zum verführen genugsam sinnreiche Historio und Comediant], zeitgenössische Übersetzung nach Ausstellungskatalog Amsterdam (1986), S. 33; vgl. auch Yates (1972, 1997), S. 151–155. 128 Ebd., S. 152; Scholtz (1957), S. 12–15. Dass gerade die mit dem Gebrauch von ludibrium ver­ knüpfte satirische Distanzierung auch die Funktion hatte, einen substantiellen Reforman­ satz zu kaschieren, dürfte auf der Hand liegen, Dülmen (1978), S. 93–97; Brecht (1987), S. 76–86. 129 Schramm (1996), S. 120–147. 130 Comenius (1616, 1969). 131 Ebd., S. 61.

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132: Jan Amos Comenius, Theatrum Universita Rerum, Titelseite des Manuskripts (1618), Prag, Bibliothek des Nationalmuseums

Kalligramm einer Bühne, die im Titel, und eines Zuschauerraums, der in den immer mehr verjüngenden Zeilen des Untertitels Kontur gewinnt (Abb. 132).132 Der spätere Bischof der Brüdergemeine, auf den sich im 18. Jahrhundert nicht zuletzt auch die Herrnhuter berufen sollten, nannte dieses Werk sein opus principale. Jahrzehntelang betrieb er dessen Ausarbeitung, bis 1656 im polnischen Leszno, wo er sich im Exil aufhielt, das meiste der noch ungedruckten 27 Bücher einem Brand zum Opfer fiel. Spätere System­entwürfe sollte Comenius dann nicht mehr mit theatrum bezeichnen. Im Spannungsfeld der Konfessionen stieg stattdessen pansophia zu seinem Schlüssel­ begriff auf. Comenius war von Johann Heinrich Alsted (1588–1638),133 seinem akademischen Lehrer in Herborn beeinflusst, als er sich entschloss, ein enzyklopädisches Werk zu verfassen, eine methodisch fundierte Zusammenschau der Resultate aller Wissen­ schaften, die er im Unterschied zu den lateinsprachigen Werken Alsteds oder Zwin­ gers in seiner Muttersprache, auf Tschechisch, veröffentlichen wollte. Nicht ohne Einfluss auf dieses volkspädagogische Vorhaben dürfte gewiss auch die Schrift Theatrum divinum des Brüderbischofs Matouš Konecný aus dem Jahre 1616 gewesen sein.134 Comenius erstrebte in diesem Theater-Projekt einen Aufstieg vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, in seiner Vorrede zu seinem theatrum formulierte er es so: „Denn 132 Zur Verbreitung von Figurengedichten im Barock: Mödersheim (2002). 133 Cervenka (1970), S. 24–42. 134 Hofmann (1992), S. 12–17; Cervenka (1970), S. 42f.

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wenn der Mensch die schöne Welt und die erhabene Vielgestaltigkeit der Sachen in ihr sieht, dann muss er darauf kommen, dass dies nicht von allein entstanden sein kann, sondern dass es irgendeinen ewigen Geist geben muss, der die Dinge kraftvoll erschuf, weise einrichtete, sie bis jetzt im Sein erhält und wiederherstellt. Darum zeigt auch der Brief an die Römer, dass die Welt der unsichtbaren Dinge eine Schau­ bühne ist.“135 Das von Comenius geschaffene theatrum lässt die Natur als Schaubühne des unsichtbaren Gottes erscheinen. Durchaus vergleichbar mit Calvins Theatrum­ver­ ständnis oder Jean Bodins 1596 erstmals publiziertem Universae naturae Theatrum wird auch bei Comenius die Verweisfunktion der Naturphänomene ins Transzenden­ te betont. Darüber hinaus ist Comenius’ theatrum-Konzept so allumfassend, dass es am Leitfaden des theatrum scriptura auch den in der Schrift geoffenbarten Geheimnis­ sen Gottes auf die Spur kommen will, was zeigt, dass für Comenius auch die Sprache topisch und bild­lich organisiert war und weniger grammatisch und syllogistisch­a rgumentativ.136 Enzyklopädie und Heilsgeschichte gehörten für ihn zusammen, wie auch schon das Titelblatt der weltlich orientierten Encyclopaedia (vermutlich 1630) von Alsted die Spannbreite von der biblischen Schöpfung der Welt zu ihrem Ende im Jüngsten Gericht visuell entwickelte. Wenn Comenius später im Rückblick in einem Brief an seinen Verleger Petrus Montanus auf seine damalige literarische Tätigkeit knapp hinzufügte, das Exil hätte ihn daran gehindert, das theatrum zu vollenden,137 dann gibt er einen Wink auf die krisenhaft zugespitzte Situation, in der er sich im Dreißigjährigen Krieg befand.138 Die von ihm wahr­genommene Welt entsprach damals in keiner Weise mehr jenem struk­ turierten, vom Schöpfer zu belehrender Augenweide ausgebreiteten Schauplatz, den er es sich in seiner theatrum-Enzyklopädie zurecht gelegt hatte. Stattdessen propa­ gierte er unter dem Eindruck des Verlustes nationaler und konfessioneller Freiheiten infolge der Niederlage der böhmischen Stände in der Schlacht auf dem Weißen Ber­ ge (1620) Labyrinthvorstellungen und zwar nicht nur in Worten, sondern auch in Form einer eigenhändigen Zeichnung (Abb. 133). Mitten im Dreißigjährigen Krieg ist es Comenius ein Anliegen, die Torheiten und Eitelkeiten des irdischen Jahrmarktes zu demaskieren. Ausgangspunkt seiner Schrift Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens (1631) ist die verirrte Menschheit.139 In Kontrast zu Andreaes Herr­ schaftsutopie einer Christianapolis scheinen hier alle menschlichen Akti­vitäten nich­ tig, alle Erkenntnis fehlerhaft zu sein. Noch in der Vorrede zu Via lucis von 1641, die erst 1668 in Amsterdam gedruckt werden konnte, beschrieb Comenius eine Welt, die einer Komödie ähnelt, die die Weisheit Gottes mit den Menschen aller Länder spielt

135 Comenius (1616, 1992), S. 67. 136 Ebd., S. 72. 137 Hofmann (1992), S. 15. 138 Zur Abhängigkeit seines Denkens von den politischen Zeitläuften: Hofmann (1992), S. 15f. 139 Yates (1972, 1997), S. 172–175; zur Labyrinthmetapher im Vergleich zur Welt als Maschine: Holländer (2000).

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133: Jan Amos Comenius, Labyrinth der Welt, eigenhändige Zeichnung des Autors (1631)

und aus der nur die Welt als Schule hinausführen kann.140 Die Bezeichnung der von Täuschungen absorbierten Welt als Theater oder Labyrinth hatte sich schon bei den Rosenkreuzern zu einem Topos entwickelt. Bei Comenius fällt auf, dass er – um der labyrinthischen Gegenwart Herr zu wer­ den – nicht mehr die Metapher theatrum reanimierte. Dominierte im Theatrum universitatis rerum eine mehr entspannte, wenn auch statische Weltsicht, so vermittelte die 1625 abgeschlossene und 1633 gedruckte Schrift namens Centrum Securitatis eine aufgeladene Spannung, die von organologisch-mechanischen Strukturbildern, von der konzentrierten Bildkraft des Baumes und Rades geprägt war.141 Die Baum­ ikonographie mit seinen Bestandteilen aus Wurzel, Stamm, Ast und Zweig geht auf Jakob Böhme zurück und sollte auf einen Blick deutlich machen, dass das Sichtbare dieser Welt aus unsichtbaren, göttlichen Wurzeln hervorwächst (Abb. 134).142 Das permanent kreisende Rad verkörpert die Welt, die darin ruhende Nabe Gott, wobei

140 Yates (1972, 1997), S. 188–189; Huber (2001). 141 Cervenka (1970), S. 52–55; Andersson (2007), S. 353–393. Comenius beschäftigte sich mit der Konzeption eines perpetuum mobile sowie anderer Maschinen, nicht zuletzt, um so Gottes Erfin­dungsreichtum zu preisen; Schaller (1997); Krolzik (1986). 142 Zur Bildsprache des Baumes: Berns (2000).

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134: Baum, Zeichnung aus dem Manuskript „Centrum Securitatis“ (1625) von Comenius, Breslauer Handschrift

135: Rad, Zeichnung aus dem Manuskript „Centrum Securitatis“ (1625) von Comenius, Breslauer Handschrift

das menschliche Leben und Bemühen gleichsam auf den sich bewegenden Speichen dieses Rades angesiedelt ist (Abb. 135). Dieser Drang zur vital-technologischen Verdichtung sollte sich vor dem Hinter­ grund eines weniger turbulenten Zeitgeschehens wieder abschwächen. Comenius eta­ blierte im Rahmen seines pädagogisches Konzepts erneut enzyklopädische Bildungs­ tradi­tionen. Eindringlich mahnte er, den Unterrichtsstoff durch Anschauung begreifbar zu machen, galt es doch, Dinge statt Worte als Unterrichtsmittel anzu­ wenden, denn „(…) nihil siquidem est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu.143 Come­ nius hatte als Gast der Familie Rákóczi auf Schloss Sárospatak im konfessionstole­ ranten, zwischen Habsburg und dem Osmanischen Reich gelegenen Fürstentum Siebenbürgen die Gelegenheit, seine theatralischen Ideen, die von Schauspielbühne und Wissensvermittlung geprägt waren, zu entfalten. So konnte er im Innenhof des Schlosses seine eigenen Stücke aufführen. Zudem verfasste er dort in den Jahren 1653 und 1654 mit Orbis sensualium pictus und Schola ludus zwei Schulbücher, die Furore machen sollten. Mit der Schule als Spiel verband Comenius das Ziel, dass Lernen Spaß machen müsse. Ganz konkret bediente er sich dabei des Mediums von Theateraufführungen, 143 Comenius (1657, 1997), Cap. XX, 7, S. 79; Briese (1887), S. 24.

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136: Johann Amos Comenius, Orbis Sensualium Pictus (1760)

um so die Ideen seiner Enzyklopädie bzw. Pansophie zu vermitteln. Ort der Hand­ lung seines schulischen Schauspiels ist der Königshof des Ptolemäus in Alexandrien, in dem sich jedoch Comenius’ zeitgenössische Zustände spiegeln. In den ersten sie­ ben Akten werden in enzyklopädischer Weise die Dinge, der Mensch, die Künste, die Schule, Tugenden und Laster und schließlich allgemein das Zusammenleben der Menschen dargestellt. In dieser pansophia im Kleid eines kleinen Theaterstücks stand handfeste Realienbildung im Zentrum: „alles aber, was sie nennen, mögen sie als­ bald mit der Hand (oder Fuß oder Augen) zeigen, berühren, hin und her wenden, es sei die Sache selbst oder eine Nachbildung von ihr!“144 Es galt, die Dinge lebendig zu vergegenwärtigen, wie es nur die Schauspielkunst vermochte. Eine szenische Unter­ richtsmethode stellten nicht zuletzt katechetische Frage-Antwort-Muster dar, durch die den Schülern die Rea­lien nahe gebracht wurden. Jan Comenius hatte bereits in seiner zwischen 1633 und 1638 entstandenen und 1657 erschienenen Didactica magna eindringlich für den Anschauungsunterricht geworben und die Vorzüge von Modellen beim Unterricht hervorgehoben. Für die Schule forderte er ein Naturalienkabinett; zudem galt es, die Kinder auf das Feld

144 Comenius (1659, 1888), S. 10.

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hinauszuführen.145 „Ich will dich führen durch alle Dinge, ich will dir zeigen alles, ich will dir benennen alles“, so der Lehrer an den Schüler in der Einleitung des Orbis pictus.146 Der Anschauung räumte Comenius die zentrale Scharnierfunktion ein, um Wort und Sache zur Deckung zu bringen.147 Die unmittelbare Anschauung der Sachen wurde dabei unterstützt durch Bilder, die wiederum ergänzt wurden durch das Wort – mediale Interaktionen also, wie sie der tschechische Pädagoge im Orbis pictus mustergültig praktizierte.148 Wenig später sollte Leibniz in seinem, diesem Werk nachempfundenen Atlas Universalis (um 1680) die Sammlung von Maschinen und Modellen zur Förderung der Imagination anpreisen.149 Seinen alten enzyklopädischen Gedanken von der zusam­menhängenden Dar­ stellung der gesamten Welt aufgreifend, probierte es Comenius diesmal mit visu­ ellen und szenischen Mitteln. Aber eine Rückkehr zur umfassenden Kategorie eines theatrum war damit nicht verknüpft, stattdessen taufte Comenius seine schülerge­ rechte Enzyklopädie orbis bzw. ludus. Die Zäsur des Visuellen und Szenischen in der bislang maßgeblich vom geschriebenen Wort dominierten Bildungssphäre ging also mit der Ignorierung der optisch-performativen Standardkategorie des theatrum ein­ her. Theatrale Kategorien, wie „Schauspiel“ und „Gauckeley“ waren in seinem Orbis sensualium pictus150 zu Gattungsbegriffen zurückgestuft und stellten nun nicht mehr als eine Sachgruppe unter vielen anderen im Spektrum des gesamten Wissensbe­ standes dar, die auch noch in späteren Ausgaben, wie der viersprachigen von 1760, durch Bibelzitate eingehegt waren (Abb. 136): „Wir sind ein Schau-Spiel worden der Welt, und den Engeln, und den Menschen. Wir sind Narren, um Chris­ti willen, ihr aber seyd klug in Christo.“151 ÜBERGANG – Schon im Kult um Luthers Sachen ist aufgefallen, dass die Kirche als Raum der Dinge stark an Bedeutung eingebüßt hat. Auch wissenschaftsgeschicht­ lich ist eine Wanderungsbewegung der curiosa, naturalia und artificialia von der Kir­ che in die Studios, Labore und Kabinette von Gelehrten und Sammlern evident. Diese Entwicklung ist durchaus noch christlich motiviert, galt es doch, in den Din­ gen selbst dem Geheimnis Gottes auf die Spur zu kommen, ob man nun nach dem hermetischen Prinzip das Obere im Unteren spiegelte oder das naturkundliche Stu­ dium physikotheologisch rechtfertigte. In ebenso fromm ausgerichteten wie textun­ abhängigen Wissenszugängen bereitete sich die Szienti­fizierung und Profanierung der Dinge vor, wie sie dann im Newton’schen Zeitalter zur Regel wird. 145 Briese (1887), S. 24; Kormann (1992); Schaller (1967). 146 Comenius (1760), S. 3. 147 Hoffmann (1931), S. 7. 148 August Hermann ������������������������������������������������������������������� Francke suchte in Halle durch Fragen und Comenius durch Erläuterun­ gen in den Sinn der Dinge hineinzuführen, während Francke aber bei den Erklärungen ausdrücklich alles Fiktive verwirft, preist Comenius den Wert von Fabeln und Märchen; Hoffmann (1931), S. 7. 149 Bredekamp (2004), S. 166f. 150 Zu dieser Bildenzyklopädie: Harms (1970); Graczyk (2001); Bredekamp (2004), S. 165f. 151 1 Kor 4, 9–10, nach Comenius (1760)��������� , S. 513.

305  Gottessucher im Kabinett zwischen Haptik und Vision

Im Gegensatz zu Luther, für den das Reich Gottes ein Hör- und kein Sehreich darstellte, der also die Gotteserkenntnis vollständig in einem textuellen Feld fest­ schrieb, kann die in Calvins Werk wiederholt verwendete theatrum-Metapher einer alternativen Medialität Spielraum eröffnen. Die kontemplative Versenkung in die vollkommen geordnete Natur eröffnet dem der Sünde verfallenen Menschen einen sinnlichen Zugang zu Gott. Diese nicht-textuelle Beziehung zwischen Mensch und Dingwelt ist auch in den Wunderkammern und alchemistischen Laboratorien wie­ derzufinden. Aus ihrem Kabinett heraus begaben sich Handwerker und theologische Laien, wie Bernard Palissy und Jakob Böhme, in die Natur und fanden so einen direkten Weg zu Gott. Ihr von der jeweiligen Orthodoxie unterdrückter Glaube fand in den Dingen ein Medium des adäquaten Ausdrucks. Wie bereits im 9. Jahrhundert bei Johannes Scotus Eriugena und wenig später bei Baruch de Spinoza (1632–1677) stellten insbesondere bei Böhme Gottesliebe und Verschmelzung mit der Natur zwei Seiten einer Medaille dar. Auch noch das unscheinbarste Ding vermag den Betrach­ ter sehend zu machen, indem es eine höhere Wirklichkeit aufschließt: „Dieser Stein oder auch dieses Holz ist mir Licht.“152 Da Gott in allem ist, galt es, jede Einzelheit als Bestandteil eines einheitlichen Weltganzen zu sehen, d.h. unter dem Gesichts­ punkt der Ewigkeit – sub specie aeternitatis. Nicht die Buchstaben des Bibeltextes, sondern die Chiffren der Natur stehen auch im Zentrum der theatralen Konzepte des Frühpietismus, deren Spektrum von her­ metischen (Heinrich Khunrath) zu enzyklopädischen Zugängen (Jan Amos Come­ nius) reicht. Sie zeigen, dass Bild- und Dingvergessenheit keineswegs das Merkmal einer substantiellen Gottesbeziehung sein musste.153 Kritisch gegenüber dem Topos des theatrum mundi eingestellt, der die gesamte gesellschaftliche Sphäre in eine ver­ kehrte Welt, in eine Welt des trügerischen Seins verwandelte, stellten pietistisch beeinflusste Denker ihre von theatralischen Elementen gespickte Theorien entgegen.154 Sie verstanden sich als Seismographen der Zeitläufte, wobei sie ihre Welt als groß angelegtes Theater wahrnahmen, deren Dramaturgie aufgedeckt werden sollte. Gerade die Natur mit ihren offenen Landschaften, unermesslichen Weiten des Meeres sowie des Himmels stieg bei ihnen zu einem Schauspiel auf. Eine Frömmigkeit, deren Selbstverständnis von Orten und Dingen geprägt ist und die viele der eben behandelten, meist im Theoretischen verbliebenen Anre­ gungen tatsächlich umsetzt, ist der Hallesche Pietismus gewesen, dem sich der fol­ gende Abschnitt widmen wird.

152 Lapis iste vel hoc lignum mihi lumen est. Johannes Scotus Eriugena, Super ierarchiam coeles­ tam Sancti Dionysii I, I, zit. nach Assunto (1963), S. 50f. 153 Vgl. ��������������������������������������������������������������������������������� dagegen Belege beim pietistischen Theologen aus dem 17. Jahrhundert Gerhard ­Tersteegen bei Langen (1968), 42. 154 Schramm ��������������� (1996).

5. Reich Gottes – Schulstadt – Kunstkammer

So wenig ein Licht, das auff dem Tische stehet, denen die im Gemache sind, und so wenig eine Stadt, die auff einem Berge lieget, denen die deßelbigen Weges reisen, verborgen seyn kan; so wenig hat auch Ihnen bis anhero verborgen bleiben können, was der lebendige Gott hieselbst zu Halle von einigen Jahren her gethan und ausgerichtet hat. August Hermann Francke

Schon im Kapitel über Kirchenräume hat sich gezeigt, dass sich Glaubensvorstellungen in Raumkonzeptionen ausdrücken können. Die Kartierung des Glaubens vollzieht sich im Spannungsfeld zwischen symbolischen Orten, den ihnen anhaftenden Imaginationen sowie realen Stätten, bei denen funk­tionelle und repräsentative Gesichtspunkte interagieren. Gerade die durch den Halleschen Pie­tismus inspirierten Raumordnungen zeichnen sich durch ein weites Spektrum aus, gespannt von biblischen Imaginationen eines Gottesreichs über die kon­krete Errichtung einer Schulstadt außerhalb der Stadtmauern von Halle bis zu den im einzelnen Ding konzentrierten Assoziationen einer Kunstkammer. Drei räumliche Ebenen sind also miteinander verschränkt: eine imaginäre und globale, die sich im geflügelten Topos vom Reich Gottes sowie – ganz geographisch – in Welt umfassenden Missionsprojekten manifestiert, eine architektonisch-reale, wie sie in den stattlichen Gebäuden der sich immer mehr ausdehnenden Schulstadt Gestalt angenommen hat sowie eine mikros­kopisch-verdichtende als Welt im Kleinen in der Kunstkammer. Regionalität und Universalität sind im Halleschen Pietismus eigentümlich verquickt. Die zunächst nach dem halleschen Ortsteil Glaucha benannten Anstalten, heute bekannt als Franckesche Stiftungen, sind eine Schöpfung August Hermann Franckes (1663–1727) gewesen. Francke setzte sich das ehrgeizige Ziel, die Anstalten so zu erweitern, dass man eine „Universal-Einrichtung mache zum allgemeinen Nutzen der ganzen Christenheit, ja der ganzen Welt“. Das auch als „Gottesstadt“ bezeichnete Erziehungs- und Bildungszentrum gab der bis dahin flottierenden pietistischen Bewegung einen Fixpunkt, der auf die ganze damals bekannte Welt ausstrahlen sollte. Mit den Anstalten von Halle verstetigte sich die pietistische Bewegung; sie erhielt eine Institution, die in ihrem Überdauern fortan nicht mehr von der Lebensspanne charismatischer Persönlichkeiten abhängig war. Franckes ebenso visio­ näre wie pragmatische Ziele waren davon geprägt, ein Territorium innovativer Religiosität zu markieren, das – wie ein Leuchtturm – weit ausstrahlen sollte. Ihm war  August Hermann Franckes Schrift über eine Reform des Erziehungs- und Bildungswesens als Ausgangspunkt einer geistlichen und sozialen Neuordnung der Evangelischen Kirche des 18. Jahr­hunderts Der GROSSE AUFSATZ [1704], hrsg. von Otto Podczeck, Berlin 1962, S. 40.  Hinrichs (1971), S. 50.

310  Reich Gottes – Schulstadt – Kunstkammer

es ein Anliegen, einer neuen Glaubensrichtung ein eigenes Haus bzw. einen eigenen Stadtteil zu geben. Francke wollte eine Frömmigkeitsarchitektur entwerfen, die zugleich eine Architektur des Wissens verkörpert und einen geographischen Raum beschreibt. Als Werk Gottes sollte sie erscheinen, der Glaucha zum Ort des Beginns der Generalreformation auserkoren hat. Das Waisenhaus wurde so sehr zum Kennzeichen des Halleschen Pietismus, das nicht wenige der Meinung waren, Francke habe diese soziale Einrichtung erfunden. „Wo immer man im Franckeschen Geiste tätig war, ob als Freund oder als Schüler, gründete man ein Waisenhaus und hätte das getan, auch wenn man keine Waisen gehabt hätte.“ Dabei war mit dem Halleschen Waisenhaus weit mehr als eine Betreuungsstätte elternloser Kinder verbunden: „In der Vorstadt Glaucha verdienen das weltberühmte Hallische Waisenhaus und das Pädagogium, wegen ihrer vortrefflichen Ein­rich­tun­gen, aller Reisenden Bewunderung. Man findet dort eine ansehnliche Kunst- und Naturalien-Kammer, eine Apotheke, das Laboratorium der berühmten Hallischen Arzneyen, eine Buchhandlung, eine Buchdruckerey, die Cansteinische Bibelanstalt, eine ansehnliche Bibliothek, Anstalten zum Seidenbau.“ Davon überzeugt, dass Dinge das Wissen effektiver vermitteln als Worte, hatte bereits Johann Valentin Andreae die Einrichtung von Laboratorien und Naturalienkammern in seiner Vision von einer Gottesstadt propagiert. Darauf aufbauend vermittelte Johann Amos Comenius in seiner kindgerechten Bildenzyklopädie Orbis sensualium pictus von 1658 einen visuellen Überblick über die komplexe Vielfalt der damals bekannten Welt. Es ist sicher, dass August Hermann Francke mit seiner Kunst- und Naturalienkammer und der damit einhergehenden Realienbildung, mit seiner Apotheke und Medikamenten-Expedition sowie mit seinen imposanten Bauprojekten – angefangen mit dem Stammgebäude des Waisenhauses, dem Pädagogium sowie der raschen Schließung eines länglichen Rechtecks als geschlossene urbane Ganzheit – zumindest implizit auf diese geistigen Vordenker rekurrierte und eine reale Utopie ins Werk setzte. Francke vermittelte einen haptisch-materiellen Pietismus; für ihn manifestierte sich Gottes Wirken im Stein, im Ding, im gesamten Bauensemble, im Realienunterricht, in der Kunst- und Naturalienkammer. Es schien so, als bedürfte die Innerlichkeit Fundamente, die sinnlich wahrzunehmen waren. Der von Francke geprägte Pietismus schrieb sich mit eigenwilligen Baulösungen als ein nicht zu übersehendes Wahrzeichen in den Raum ein: „Schaut ihr dis Waysenhaus und dessen Umfang an, / So lernt, daß Gott viel aus Wenig machen kann. / Lernt seiner Allmacht mehr als euren Sinnen trauen; / So könt ihr eitel Lust an seinen Wundern schauen.“ Dieser Spruch auf einem repräsentativen Stich mit der Ansicht der gewaltigen Haupt­  Schmidt (1966), S. 39.  Krebel (1783), S. 96.  Er ließ sich hierbei von Tommaso Campanellas Civitas soli (1602) inspirieren; siehe in vorliegender Studie, S. 296f.  Harms (1970).  Verse in der unteren Mitte zwischen den Legenden beim Kupferstich Das Hällische Waysenhaus (1730), nach Obst/Raabe (2003), S. 84.

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137: Seitenansicht der Franckeschen Stiftungen mit Legenden (1730), Halle, Franckesche Stiftungen

gebäude der Einrichtungen fordert den Betrachter zur Anschauung auf, um auf diese Weise Transzendenz zu erfahren; eine sinnliche Frömmigkeit also, die sich dadurch auszeichnet, über das Sinnliche hinauszugehen (Abb. 137). Typisch an der Idee des Halleschen Pietismus ist es, dass sie nicht Idee bleibt, sondern erst dann authentisch ist, wenn sie sich realisiert. Der Pietismus Franckes blieb trotz seines visionären Anspruchs in der Betonung, eine „reale Verbesserung“ herbeizuführen, stets auf dem Boden der Wirklichkeit. Francke, engagierter Pfarrer und innovativer Pädagoge in Personalunion, ist ohne Handlungskomponente, ohne ausgeprägte Umsetzungsquote nicht zu verstehen. In der von ihm gelebten praxis pietitatis ist das Lob Gottes stets mit dem Tun des Guten verknüpft. Die Konzentration auf die konkrete Tat weist darauf hin, dass der Kern von Franckes Selbstverständnis außerhalb der schriftlichen Überlieferung zu suchen ist. Wegen Neid und Missgunst hielt es Francke für besser, „die Sache selbst im Werck“ darzustellen „ehe man viel Redens darvon zu machet.“ Das, was er tat und umsetzte, war für Francke letztlich eine schweigsame Angelegenheit und allenfalls in Form von skizzenhaften, nostalgisch gefärbten Rückblicken oder visionären Zukunftsentwürfen Gegen­stand schriftlicher Reflexion.

 Welte (1994), S. Xf.  Francke (1701, 1969), S. 115.

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„Project“ und „Anstalten“ sind die Schlüsselbegriffe dieses visionären Pragmatismus.10 Ideen nannte Francke „Project“.11 Die im damals geflügelten Wort eines „Pro­jectemachers“ zum Ausdruck kommende Personalisierung des Projekts bezeich­ nete den nicht immer positiv konnotierten Typus eines umtriebigen Erfinders, Forschers oder Abenteurers.12 1697 hatte Daniel Defoe (1660–1731) sein Essay on Projects veröffentlicht.13 Dem, was schon umgesetzt war, gab Francke das übergreifende Etikett „Anstalten“. Nichts könnte den Kontrast zur Utopie besser bezeichnen als dieser Begriff: Der Zedler schreibt: „Anstalt, ist eine wirklich vorhandene und nach gewissen Ordnungen, Regeln oder Gesetzen mit verschiedenen Personen, Sachen, ihren Zwecken, Mitteln und Geschäfften gemachte Einrichtung, (…) eine Anstalt ist also niemals ohne ein wirklich vorhandenes Werk, woran solche durch Wirkungen zu sehen. Auf dem Pappiere kann wohl eine Anstalt entworffen und befohlen, keineswegs aber dadurch wirklich oder gemacht seyn. Jenes ist eine Glocke ohne Klöppel.“14 Franckes Projekte und Anstalten hatten ihre Kraftquelle in dem, was schon geschaffen wurde, d. h. in der Normativität des Faktischen, die in Gottes Vorsehung begründet war. Beinahe zwangsläufig schließen sich weitere Pläne an. Wie Philipp Jakob Spener (1635–1705) seine „Hoffnung besserer Zeiten“ mit der festen Zuversicht begründete, Gott werde seine Verheißungen nicht unerfüllt lassen, so beteuerte sein bedeutendster Schüler Francke bei seinen Projekten, Gott werde nicht versäumen, sein eigenes Werk, das er in Halle begonnen hatte, zu vollenden.15 Dieser in eine Theologie der Hoffnung gekleidete Geschichtsoptimismus verband den frühen Pietismus mit der Aufklärung; in diesem Punkt stehen beide in einer Linie gegen Dogma und Orthodoxie.16 Mag aus der Perspektive der Aufklärung die biblisch-religiös begründete „Hoffnung besserer Zeiten“ als irrational erscheinen, so ist doch das aus dieser Hoffnung resultierende Handeln höchst rational strukturiert und auf überprüfbare Effizienz angelegt.17 Im Automatismus von Plan und Ausführung näherte sich die pietistische Bewegung den Maximen der frühen Aufklärung an. Die darin deutlich werdende Vereinbarkeit von Glaubensgewissheit und Vernunfterkenntnis 10 Siehe dazu vor allem Franckes Project zu einem Seminario universali (1701), sein unpubliziertes, aber ausgewählten Personen handschriftlich mitgeteiltes Konzept. 11 Zum Projekt als Phänomen zwischen Utopie und Realität: Sträter (2001), S. 33f.; Gollwitzer (1972), S. 142ff. 12 Krajewski (2004); Defoe (1697, 1975). 13 In der von Harry Schmidtgall verfassten Einleitung zur deutschen Ausgabe von 1975 werden unterschiedliche Definitionen des Begriffs „Projekt“ aus dem 18. Jahrhundert vorgestellt. 14 Zedler, Universal-Lexicon, Supplement 1 (1751), Sp. 1597f. 15 Francke (1704, 1962), S. 56. 16 Baumann (1991), S. 18. 17 „Gerade die Zuversicht, sich in einem Handlungsrahmen mit nahezu garantierter Erfolgsperspektive bewegen zu können, verbunden mit dem Bewußtsein drohender Sanktionen bei Untätigkeit, hat dafür geeignete Menschen zu wissenschaftlichen und organisatorischen Höchstleistungen motiviert.“ Sträter (2005), S. 28f., siehe auch Poser (1994), S. 174.

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dauerte auch dann noch an, als sich Aufklärer und Pietisten rhetorisch voneinander abzugrenzen begannen.

Kraftquellen der Entgrenzung Zwei eng miteinander verknüpfte Gesichtspunkte prägen die Glaubensvorstellungen des Halleschen Pietismus; der eine zielt auf das Innenleben des Einzelnen und der in ihm zu festigenden Frömmigkeit, der andere auf die gesellschaftliche Außenwirkung als Resultante eines tätigen Christentums, wobei zwischen ersterem und letzterem nicht nur eine Beziehung des post hoc, sondern vor allem des propter hoc waltet, war doch Vor­aussetzung der Weltreformation immer eine Reformation der einzelnen Herzen. Auf der Suche nach geschichtlichen Wurzeln dieser Doppelstruktur wird man im Ideengut Johann Arndts und Johann Valentin Andreaes fündig. Während Arndt vor allem durch seine intensiv rezipierten Bücher vom wahren Christentum (1606–1610) eindringlich den Glauben als individuell ausgerichtete Frömmigkeit vertiefte, die alle Lebensbereiche des Menschen erfassen sollte, propagierten die noch vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges publizierten Rosenkreuzerschriften An­dre­aes in spieleri­scher Form eine grundlegende Erneuerung der Welt durch die Zusammenarbeit wahrhaft frommer Gelehrter. Francke scheint sich auf beide bezogen zu haben. Dementsprechend sollte eine durchgreifende Verwandlung des Menschen durch Bekehrung im nächsten Schritt eine bessere Welt gewährleisten. Er teilte Luthers Bestimmung des Glaubens als eines „großen lebendigen, tätigen und geschäftigen Dinges, das den Menschen selig macht und rechtfertigt“18, wenn er auch die lutherische Lehre von den „Mitteldingen“ ablehnte, da es auch in Fragen des täglichen Lebens keine Neutralität geben dürfe.19 Anstelle der zunehmend starr empfundenen Grenzziehung der lutherischen Orthodoxie zwischen Sünde und Gnade, Gesetz und Evangelium, die ihren Ausgleich in der Rechtfertigung durch den Glauben an das buchstäbliche Wort der Bibel fanden, setzte Francke auf die von Gott bewirkte, im Bekehrungserlebnis direkt erfahrene Erneuerung des Menschen. Dann war Franckes pädagogischem Reformprojekt von Anfang an eine auf die Welt ausgreifende, universelle Dimension inhärent. Seine fromme Praxis zeigt sich nicht nur in der Befolgung des christlichen Tugendkatalogs, sondern besonders in Werken der Tat. „Die Gottesgelahrtheit bestehet nicht in dem blossen Wissen oder Betrachtung, sondern vielmehr in der Regierung des Willens und der affectem, welche den Zweck hat zu bessern, nicht zu lehren.“20 Die Antriebsfeder des Handelns ergab sich bei Francke aus der Erfassung des sozialen Elends. Als er 1692 in den von der Pest schwer heimgesuchten Vorort Glaucha kam, fand er einen verwahrlosten Ort vor, der aus 200 Häusern bestand; davon waren 35 Schenken.21 Franckes Theologie als scientia affectiva non speculativa war stets auf Pra18 Martin Luther, Kirchenpostille [1522], aus: WA 10, 1,1, S. 476. 19 Obst (2000a), S. 57f. 20 Francke, Timotheus, (1695), nach Sames (1998), S. 75. 21 Albrecht-Birkner (2004).

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xis bezogen und reichte von Hilfe im Einzelfall bis zu Welt umspannenden Reformprojekten. Mit dem von ihm gegründeten Waisenhaus ist nicht nur eine punktuelle, karitative Einrichtung gemeint, sondern in den Worten von Ernst Hinrichs „der ­Mittel- und Ausstrahlungspunkt einer tatsächlichen Reform aller menschlichen Lebensverhältnisse, als das geistige Zentrum eines auf Erden zu verwirklichenden Gottesreichs“.22 Dieser Pietismus verfügt über eine Komponente, die sich nicht in gefühlsorientierter Weltflucht erschöpft; vielmehr zeichnet ihn „eine religiös-soziale Bewegung mit weltweiter, universaler Zielsetzung“ aus, um „die damalige Welt und ihre politi­schen und sozialen Verhältnisse vom Boden einer vermeintlich zweiten Reformation aus umzugestalten.“23 Die „Hoffnung besserer Zeiten“ ersetzte die lutherische Eschatologie des nahe bevorstehenden Jüngsten Tages sowie die Lehre von der vollkommenen Verderbnis der menschlichen Natur durch die Erbsünde, die eine Generation nach dem Dreißigjährigen Krieg kaum noch glaubwürdig erschien. Die aus der Bibel entnommene Formel vom „Reiche Gottes“ hat von jeher eine auf das Jenseits bezogene Bedeutung im Sinne von Himmel oder Paradies. Sie dient aber auch als Chiffre einer erfüllten irdischen Zeit, in der die Verkündigung des Evangeliums auf besonders fruchtbaren Boden fällt. Bei den Halleschen Pietisten nun bedeutete das Wort vom Gottesreich weit mehr als imaginäre Ortlosigkeit und gewann eine ungeahnte inner­weltliche, raumgreifende Bedeutung, wurde doch damit eine zwischen Einbildung und Erfahrung, Glaube und Wissen oszillierende, universal ausstrahlende Raummetapher zum Ausdruck gebracht.24

Metaphern der Transformation Bei Francke trat an Stelle scholastisch-begrifflicher Diktion orthodoxer Theologie eine bilderreiche, anschauliche, von der Bibel inspirierte Sprache. Die Heilsordnung oder „Ordnung Gottes“ erfordere den Tod des „alten Adam“; im Bußkampf komme es für den Einzelnen darauf an, vom Äußeren zum Inneren, von der Schale zum Kern vorzudringen.25 In den bisherigen Bemühungen, die Welt zu bessern, sah Fran22 Hinrichs (1953, 1981) S. 1297; vgl. auch Scharfe (1980), S. 142f.; Baumgart (1966), S. 364ff.; Kramer (1880), S. 256f. 23 Hinrichs (1953, 1981), S. 1295. 24 Der Hallesche Pietismus ist im Kontext spiritualistisch-chiliastischer Kirchen- und Gesellschaftskritik und Sozietätspläne verortet, wobei Franckes Ziele nie so utopisch waren, dass sie ihre Bodenhaftung verloren; Hinrichs (1971), nach Scharfe (1980), S. 142f.; zum Gedanken einer universalen Verbesserung: Winter (1953); Beyreuther (1957); Podczeck (1958); Hofmann (1964); Molnâr (1964). Da Francke sein Denken und Handeln auf konkrete praktisch-kirchliche Werke ausrichtet, findet der von orthodoxer Seite erhobene Vorwurf chiliastischer Schwärmerei bei ihm keine Angriffsfläche; Peschke (1977), S. 135. 25 Francke unterscheidet zwischen Schale und Kern, Innerem und Äußerem der Schrift und dementsprechend zwischen Wissen und Weisheit, Wissenschaft und Frömmigkeit. Zudem hat er die Schale-Kern-Analogie wiederholt durch den Zweckbegriff ergänzt und modifiziert; zu Franckes graduell abgestuftem Menschenbild das Nachwort bei Peschke (1969).

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cke einen zarten Anfang, „wie ein Tröpfflein gegen das Gantze Meer als ein gar geringes zu rechnen.“26 Das Bild vom Meer mag auch darauf hinweisen, dass sich Francke in weiten geographischen Räumen orientierte; seine real abgestützte Vision bestand aus einem weltweiten Netzwerk pietistischer Anhänger, Stützpunkte und Einrichtungen. Dieses kommunikative Geflecht stellte den Motor seiner global umgreifenden Reformvorstellungen, seiner Reich-Gottes-Idee dar. Insbesondere biologisch-organische Metaphern dominieren Franckes Denken. Dass aus dem Kleinen das Große wachse – wie in der botanischen Welt – war seine Maxime.27 Dahinter stand die gleichsam geschichtsphilosophische Aufladung der pietistischen Weltsicht: „[Doch:] wie der Welt Brauch ist, ihre Dinge groß anzufangen, die doch ein schlecht Ende nehmen, so ist im Gegentheil Gottes Brauch, sein Werk klein und gering anzufangen, aber es hingegen über Menschen Gedencken, und wider das Urtheil der blinden Vernunfft desto herrlicher hinaus zu führen“28 Dementsprechend sprach er von einem „seminarium nationum, das „gleich einem Senff-Körnlein bald zu einer großen Pflantze werden, und eine herrliche influenz zu einer allgemeinen Verbeßerung in der Welt geben könne.“29 VOR DEN RISS TRETEN – Gerne griff Francke auf Bilder des Alltags, der Technik und Natur zurück, auf Denkfiguren, wie die des Risses, des Werkzeuges sowie des Pflanzgartens. Der „Riss“ sollte aus sozialer Not geborene Blockaden auf dem Wege zum Reiche Gottes anschaulich machen; der „Riss“ war Synonym für Chaos, aus dem erst eine religiöse Lebensführung herausführen kann. Öfters spricht Francke davon, dass der Mensch im Dienst am Nächsten und der Verbesserung der Verhältnisse „vor den Riss treten“ müsse.30 Auslöser des Risses schien auch noch für Francke das soziale Elend sowie der Dreißigjährige Krieg mit seinen Folgen gewesen zu sein. Ob man sich dem Reich Gottes nähere oder dem Gottesgericht, hänge von der individuellen Lebensführung ab. Jeder müsse sein ganzes Talent, „so ihm Gott verliehen, dazu anwenden, dass er eine Mauer mache und wider den Riss stehe gegen Gott für das Land, damit ers nicht verderbe“.31 Der pietistische Mensch ist von Abgründen umgeben, was auch das geläufige Bild von den zwei Wegen belegt.32 Zum Reich Gottes als Weltreformation führe nicht das gemächliche Wandeln auf einem breiten Wege, sondern das beschwerliche Fortbewegen auf einem schmalen „Kreuzweg“, dessen Begängnis allen Gläubigen abverlangt werden müsse, wenn es 26 Francke (1704, 1962), S. 130. 27 Ebd., S. 127. 28 Wenn man das hallische Werk mit Stiftungen von Königen und Fürsten vergleiche, so müsse es einem „als ein Kinder-Spiel und Puppenwerck“ vorkommen; Francke (1704, 1962), S. 40f.; vgl. auch Sträter (2005), S. 31. 29 Francke (1704, 1962), S. 144; Peschke, Bd. 2 (1966), S. 218f. Siehe auch in vorliegender Studie das Emblem des Sämanns vor dem Hintergrund des Waisenhauses, S. 332 (Abb. 141). 30 Hinrichs (1971), S. 16f. 31 Vorrede (unpag.), bei Francke (1706, 1724). 32 Scharfe (1990); Bergman (1976/77); allgemein zum Wegemotiv: Harms (1970a); zur geschicht­ lichen Wirksamkeit von Metaphern allg. Blumenberg (1960, 1997); Mattenklott (2003).

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auch de facto nur einer verschwin­denden Minderheit gelänge, sich auf diesem Grat dauerhaft zu halten. Den „Riss“ kitten sollte das pietistische Grunderlebnis der Bekehrung, dem man sich auch methodisch annähern kann. Als exemplarisch schildert Francke die Erfahrung seiner eigenen Bekehrung: das Erwachen aus dem Zustande der Sicherheit des durch die gelehrte Theologie vermittelten „Wahnglaubens“, der Zustand der Gottesferne und Sünderangst, in dem ihm sein ganzes Leben und was er je gedacht und getan, „wie von einem, der auf einem hohen Thurm die ganze Stadt übersiehet“33, vor Augen tritt, und endlich aus dem dadurch hervorgerufenen „Bußkampf“ heraus der „Durchbruch“ zur „Bekehrung“, mit der die neue Lebens­ führung einsetzt.34 Aus sich selbst heraus können die mit der Erbsünde behafteten Menschen nicht zu einer wahren Bekehrung gelangen, doch Gott spendet seine Gnade allgemein und universell, so dass ­jeder Mensch eine Bekehrung erfahren könne. DER MENSCH ALS WERKZEUG GOTTES – Der Vollzug der Bekehrung schuf nun die Voraussetzung, damit der Mensch zum „Werkzeug Gottes“ heranreifen kann, eine andere metaphorische Formel, die bei Francke häufig anzutreffen ist. Der Große Aufsatz, jene unveröffentlichte Denkschrift Franckes zur christlichen Universalreform, bringt im letzten Satz dieses Bild zum Ausdruck: „Gesegnet aber müssen ja sein die Werkzeuge, die sich dem HErrn zu Dienst williglich darstellen, damit sie bequem sein mögen, dass seine Ehre nach seinem Willen durch sie gefördert werde.“35 Gott bedürfe zwar niemanden zur Ausführung seines Werkes. Es sei aber „seine Weyse“, es „mittelbar und durch gesegnete Werckzeuge“ zu tun.36 „Und ob gleich Gott seine Werckzeuge, wie seine Gewohnheit ist, dabey gebrauchet hat, so ist doch das Werck selbst denenselben gar nicht zuzuschreiben, … ja es für so thörlich halten würden, wenn sie ihnen selbst den Anfang und Fortgang des Werks zuschreiben wolten, als wenn ein dürrer krafftloser Stock sich rühmen wolte gegen den, der ihn auffhebet (…).37“ Die Formel vom Menschen als „Werkzeug Gottes“ bedingt seine völlige Unterwerfung und Hingabe an Gott.38 Wenn man ein Grundvertrauen zum allmächtigen Gott habe, könne man mit gutem Gewissen dem Nächsten zeigen, wie er sich als Werkzeug gebrauchen lassen könne.39 Hinter dieser Metapher verbarg sich nicht nur die zeittypische Vorstellung von Gott als einem Künstler und Weltkonstruk­ teur, dem Instrumente sein Tun erleichtern. Nicht zuletzt bekräftigte sie die Aufgabe 33 Kramer (1880/1882), Teil 1, S. 31. 34 Hinrichs (1971), S. 13. 35 Francke (1704, 1894), S. 70. Die Handschrift wurde in seinem Nachlass entdeckt und erstmalig 1881 von Otto Rick herausgegeben. Als der Große Aufsatz wurde sie 1894 und in kri­ tischer Edition von Otto Podczeck 1962 publiziert. 36 Francke (1704, 1962), S. 56. 37 Ebd., S. 40. 38 „von einem Menschen, der jemandem willfährig, dienstbar, wie ein Gegenstand dem Willen anderer ergeben ist. Anfangs in religiösem Sinne von Menschen als Werkzeugen Gottes, der Vorsehung, des Himmels, Schicksals, Teufels u. ä.“ Art. Werkzeug, aus: Grimm’sches Deutsches Wörterbuch, Band 29, Sp. 424. 39 Francke (1704, 1962), S. 58.

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des Menschen, selbstlos Werke in die Welt zu setzen. Francke wollte die Menschen durch reale Bekehrung zur praktischen Nachfolge Christi, d.h. zu aktiven Instrumenten Gottes heranbilden. Die Bekehrung war ihm kein isolierter seelischer Vorgang, sondern Grund und Voraussetzung für ein der Welt zugewandtes Handeln. Wer sich den Ruf Gottes erschlossen und seiner Ordnung unterworfen hat, reift allmählich zum kraftvollen Werkzeug Gottes heran, d. h. er tritt zu seiner Ehre und zum Nutzen des Nächsten in Aktion. Als instrumenta gloriae Dei bezeichnete Leibniz sich und Francke in einem an denselben gerichteten Brief.40 Schon Luther hatte den Menschen als ein „Werkzeug Gottes“ verstanden, der als Mitarbeiter („Kooperator“) Gottes wirksam ist.41 Auch die religiöse Monumentalisierung des Reformators im 17. Jahrhundert vollzog sich weniger unter persönlichen Charakter­eigenschaften als unter der Metapher „Werkzeug Gottes.“42 Diesem noch weitgehend spirituellen Terminus sollte Francke eine bisher nicht gekannte materielle Semantik hinzufügen. Entsprechend der Bedeutung des Werkzeuges als Gerät, das Dinge herstellt oder auf Gegenstände mechanisch einwirkt, hat der Mensch als Werkzeug Gottes die Pflicht, die Welt im Sinne des Evangeliums aktiv zu gestalten. Max Weber (1864–1920) hat in seinem berühmten Aufsatz über die calvinistischen Grundlagen des Kapitalismus das Handlungsmoment der Werkzeug-Metapher in Kontrast zum Bild des Gefäßes herausgearbeitet: „Der religiöse Virtuose kann seines Gnadenstandes sich versichern entweder, indem er sich als Gefäß oder, indem er sich als Werkzeug göttlicher Macht fühlt. Im ersten Fall neigt sein religiöses Leben zu mystischer Gefühlskultur, im letzteren zu asketischem Handeln. Dem ersten Typus stand Luther näher, dem letztern gehörte der Calvinismus an.“43 Beim Bild des lutherischen Menschen als „Gefäß Gottes“ ist das Erfülltsein von der Gnade Gottes, der Gedanke des sola fide die vom Individuum erwartete gottgefällige Haltung. Aktiv die Welt zu verändern, würde einen Eingriff in die Pläne und Werke Gottes darstellen, der dem Menschen nicht zustehe; es wäre ein Zeichen eines mangelnden Vertrauens in Gottes Führung.44 Ganz anders der Mensch als „Werkzeug Gottes“, der nie müde wird, die gesellschaftliche Realität im Sinne der universellen ethischen Gebote Gottes und gegen die Widerstände der existierenden gesellschaftlichen Kräfte umzugestalten. INSTITUTION EINER BAUMSCHULE – Erst nach der Erfahrung des Bruches sowie der Transformation des Menschen in ein Instrument Gottes kann die dritte Metapher, die der Baumschule oder des „Pflantz-Gartens“ in Franckes Denken und Handeln umgesetzt werden. Die Hallenser Erfolgsgeschichte beflügelte Francke 1701, im Jahr der preußischen Königserhebung sowie der Akademiegründung in Berlin durch Leibniz, eine kühne Reform zu entwerfen: Project zu einem Seminario 40 Brief vom 7. August 1697, nach Merkel (1920), S. 217. 41 Schönstädt (1978), S. 286–304. 42 Zeeden (1950), S. 47ff. 43 Weber (1904/1905, 1988) S. 108; Münch (1986), S. 690–692. 44 Münch (1986), S. 691.

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Universali oder Anlegung eines Pflantz-Gartens, von welchem man eine reale Verbesserung in allen Ständen in und auserhalb Teutschlandes, ja in Europa und allen übrigen Theilen der Welt zu gewarten. 45 Damit Menschen als Werkzeuge für das Reich Gottes aktiv werden konnten, schlug Francke die Gründung eines Seminars vor, „welches dergestalt eingerichtet wäre, und unter Göttlichem Seegen so ämsig, sorgfältig und weißlich gepflan­ zet und gewartet würde, daß man aus demselbigen stets, und von Zeit zu Zeit wohlgerathene Pflantzen und Bäume heraus nehmen, an andere Orte, und in andere Länder, ja in alle Theile der Welt, und unter alle Nationes versetzen, und von Ihnen ihre völligen Früchte erwarten, und mit Freuden geniesen könte.“46 Mit dem Bild „Pflanzstätte“ bzw. seminarium machte Francke aus der Glaubenswelt eine ­„universale Baumschule“ für die neue, Gott ergebende Menschheit. Aus einem Netz­werksystem ineinander verwobener Seminare sollte eine pietistisch erzogene, sendungsbewusste Elite heran­gebildet werden. Als Kern konzipierte Francke ein „Haupt-Seminar“, bestehend aus mindestens tausend Protagonisten aus allen Nationen und für alle Nationen, die als Multiplikatoren im Geiste des Pietismus das Erziehungswerk in alle Gegenden der Welt tragen sollten.47 In einem geradezu potenzierenden Prozess hätte sich die schon in Halle Wurzeln schlagende Baumschule massiv ausweiten können: „Welch eine unbeschreibliche Frucht wäre dann nicht davon zu hoffen, wenn jährlich eine solche Versetzung wohlgerathener und fruchttragender Bäume geschähe? Wann nun deren ein ieder nach seinem Maß dreißig, sechzig und hundertfältige Früchte brächte, welche ausbreitung der Ehre des Herren, wäre davon nicht in zehn oder zwanzig Jahren zu gewarten?“48 Im Hauptseminar, im seminarium universale, wurde eine pietistische Avantgarde herangebildet; im Pädagogium und den anderen Schulen erzog man die einzelnen Stände in pietistischem Geist; in den Armenanstalten galt es, die Verwahrlosten und Gefährdeten wieder auf den rechten Weg zu führen – so sollten sich die bisherigen Gründungen Franckes zu einem seminarium universale runden, zu einer „Stadt auff dem Berge“, zu einem cymbalum mundi, das die ganze Welt durchtönt.49 Franckes Traum von einer weltweiten Verbreitung des Hallischen Pietismus war so utopisch 45 Francke (1701,1969). Francke hat sein Projekt zu einem Seminario Universali zunächst nur wenigen Vertrauenspersonen, darunter vor allem auch Spener, zugänglich gemacht. Spener riet sogleich zum Druck, aber Francke konnte sich dazu angesichts der „Boshaftigkeit“ der Welt, die „das Gute auf alle Weise zu verhindern sieht“, nicht dazu entschließen; Hinrichs (1971), S. 52. 46 Francke (1701, 1969), S. 109. 47 Als Initialzündung hatte er bereits ein Collegium Orientale Theologium zur biblischen Exe­ gese eingerichtet. Zwölf Theologiestudenten bildeten den Kern dieses Kollegs. Voraussetzung war die Beherrschung des Griechischen und Hebräischen, aber auch Kenntnisse in anderen orientalischen Sprachen waren erforderlich. Unter der Direktion des Orientalis­ten und Theologen Johann Heinrich Michaelis (1663–1738) arbeiteten sie u. a. an der kritischen Ausgabe der hebräischen Bibel mit, die 1720 in Halle erschien; Francke (1704, 1962), S. 96. 48 Francke (1701, 1969), S. 113f. 49 Francke (1701, 1969), S. 114. Die Formel Cymbalum mundi taucht schon bei Plinius dem Älteren (Naturalis Historia, § 25, Präfatio) auf.

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nicht. Die Zeichen der Zeit standen auf Mitarbeit am großen Reich-Gottes-Werk. Francke wies auf die weltweiten Wirkungen seiner Einrichtungen in den europäischen Ländern und im Orient hin, in die Seelsorger und Lehrer gekommen waren.50 Sein größter Erfolgsgarant bestand in der Sogwirkung der bisherigen Entwicklung: „Man mag auch sicherlich sagen, daß vor 6. Jahren es noch viel unglaublicher und unwahrscheinlicher würde gewesen seyn, daß in so kurtzer Zeit, und von so gar geringen Anfange das Werck so weit kommen sollte, wie es doch nun der Augenschein giebet, als es etwa nunmehro der Vernunfft unglaublich vorkommen ��������� kan, ���� daß auff diesen gelegten Grund in wenig Jahren ein ������������������������������� Seminarium �������������������� Universale von weit grösserer Extension und viel besserer Einrichtung erbauet werden solle.“51 Die Metapher des sich organisch entwickelnden „Pflantz-Gartens“ hatte nicht zuletzt die Funktion den Aktionismus, wie er im mechanisch-technologischen Bild des Werkzeugs zum Ausdruck kommt, harmonisch zu ummanteln. Franckes Rhetorik zielt stets darauf ab, die Vorstellung eines offenen Ausgangs zu vermitteln. Massiv wehrte er sich dagegen, nach einem vorher festgelegten Masterplan zu handeln, hätte er doch dann den Eindruck erweckt, der göttlichen Lenkung vorzugreifen. Wie es sich für universale Pflanzstätten gehört, sollte ein vorab fixierter statischer Charakter der Anstal­ten ausgeschlossen sein, ihre Festlegung auf einen vorab bestimmten und begrenzten Umfang zugunsten einer urwüchsigen Kraft zur Ausweitung vermieden werden.

Orientierung in weiten Räumen Obwohl Francke in Halle Wurzeln schlug, blickte er weit über die eigene Region hin­ aus, nicht nur weil er Glaubensverwandte in großen Teilen Europas unterstützte, ob in Ungarn oder Siebenbürgen, in Böhmen oder Schlesien, ob in Lettland, Estland oder Russland; selbst Indien oder Nordamerika lagen in seinem Horizont. Francke nahm mit ihnen Kontakt auf, schickte Mitarbeiter, die oft in der Ferne Schulen nach Halleschen Vorbild errichteten. Umgekehrt kamen aus allen Himmels­richtungen junge Erweckte nach Halle, damit sie in Franckes Schulen erzogen würden oder an der Universität studierten. Der Wille, Räume zu prägen, Häuser zu bauen, eine „Stadt Gottes“, ein „Neues Jerusalem“ auf Erden zu errichten, setzte ein engmaschiges weltweites Kommunika­ tionsnetz voraus.52 Erfüllt von den letzten Worten des auferstandenen Christus – „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur“ (Mt 28, 19-20) – schickte Francke seine Schüler als Boten aus. Im Dienst der pietistischen Erweckung gingen sie unter der Maxime „Weltverwandlung durch Menschenverwandlung“ als Missionare, Prediger, Erzieher und Kaufleute in die Ökumene. In Franckes umfangreichen Briefwechsel, den sein Sohn Gotthilf August (1696–1769) fortsetzten sollte, ist diese weltoffene, alle Länder übergreifende Tätigkeit eindringlich überlie50 Francke (1704, 1962), S. 123; Peschke (1964), Bd. 2, S. 218f. 51 Francke (1701, 1969), S. 114f.; Sträter (2001), S. 20f. 52 Ausstellungskatalog Halle (1995), S. 11.

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fert. Das Netz der Korrespondenten, die in Halle den geistigen Mittelpunkt ihres Lebens sahen, reichte von Kopenhagen bis Jerusalem, von Boston bis Archangelsk, von London bis Madras. In Amsterdam, Venedig, Stockholm und Riga, in St. Petersburg, Moskau, Oxford und Preßburg lebten zu Beginn des 18. Jahrhunderts Pie­tisten, die Franckes Rat nicht nur in theologischen und pädagogischen Angelegenheiten, sondern auch in kaufmännischen oder handwerklichen Belangen suchten. Nach hallischem Vorbild entstanden in Russland Waisenhäuser in Narva, Astrachan und im sibirischen Tobolsk.53 Schlüsselfigur in Franckes Reformwerk, wenn es um globale Dimensionen ging, war der weit gereiste Gelehrte und Diplomat Heinrich Wilhelm Ludolf (1655–1712). Dabei halten sich Franckes Reiseaktivitäten in Grenzen. Eine geographische Prägung erfuhr er über Halle hinaus von Lübeck und Gotha. In der Hansemetropole ist er im Jahre 1663 geboren worden. Die dort aus Handelsbeziehungen gespeiste Welt­ offenheit sollte sich später in den globalen Unternehmungen Franckes und seiner Mitarbeiter spiegeln.54 In der thüringischen Residenzstadt, wo Francke aufwuchs, war er in einem innovativen Duodez-Fürstentum zu Hause.55 Dort lernte er noch die von Herzog Ernst des Frommen (1601–1675) initiierte christlich-aufgeklärte Reformpolitik aus eigener Anschauung kennen. Veit Ludwig von Seckendorffs Christenstaat (1685) entstand in Gotha, zudem bahnte sich von hier erstmals ein systematischer Bildungstransfer in Richtung Russland zum Zarenhof seinen Weg. Die Initialzündung für eine systematische, weltweite Mission in der evangelischen Kirche ging vom Halleschen Pietismus aus. Fast 200 Jahre lang hatte es in den lutherischen Kirchen keine zielgerichtete Mission gegeben.56 Nun waren es pietis­ tische Kreise, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Anregung König Friedrichs IV. von Dänemark (1671–1730) bereitwillig aufnahmen und Missionare in die dänische Handelsniederlassung Tranquebar schickten, nachdem sich die dänische lutherische Kirche diesem Ansinnen versagt hatte. Für August Hermann Francke und seine Mitstreiter war Mission christliche Pflicht, zugleich aber auch geeignetes Betätigungs­ feld, Spenden im großen Stil einzuwerben. Unter dem Titel Der Königlich Dänischen Missionaren aus Ostindien eingesandte ausführliche Berichte wurde ein eigenes Periodikum geschaffen, das in 108 Tei­len zwischen 1718 und 1770 in Halle erschien und ähnlich wie die Berichte des ersten nach Nordamerika entsandten lutherischen Pastors Heinrich Melchior Mühlenberg (1711–1787) nach einem sorgfältig ausgeklügelten System an potenzielle Spender verschickt wurde.57 Isaac Newton (1643–1727) hatte den Raum als Sensorium Gottes bestimmt. Auch Franckes globale Orientierung kann in den Worten von Max Jammer (1915–2010) als 53 Hier konnte zeitweise eine vorbildliche Gefangenenfürsorge für schwedische Kriegsgefangene, die nach der Schlacht bei Poltawa nach Sibirien abtransportiert worden waren, Fuß fassen; Ausstellungskatalog Halle (1995), S. 27. 54 Goltz (1998), S. 185. 55 Ebd., S. 186; Schmidt (1966), S. 24f. 56 Obst (2006), S. 34 57 Jeyaraj (1999); Wellenreuther (2004).

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„Vergottung des Raumes verstanden werden, die so gut zu der allgemeinen Neigung einer Zeit passte, für die Wissenschaft gleichbedeutend war mit einem Studium der Werke Gottes“.58 Frankes Idee eines Reiches Gottes blieb im Unterschied zu Andreae nicht pure Imagination, sondern gründete in Form von zeitgenössischen Welt- und Kulturmissionsideen auf einer reellen Topographie. Das war neu. Standbein von Franckes ausgreifenden Ambitionen war die von ihm gegründete „Gottesstadt“ im südwestlichen Zipfel von Brandenburg-Preußen, von hier griff er auf dem Nährboden entgrenzender Gottesreich-Ideen ebenso beherzt wie konkret auf den Globus aus.59 Francke setzte sich nichts Geringeres zum Ziel, als die Welt durch Bekehrung der Menschen zu revolutionieren. Durch systematische Erweckung von Königen, Staatsmännern, Lehrern und Untertanen sollten wohlhabende christliche Gemeinwesen entstehen, zwischen denen Kriege einmal unnötig würden. Sein Verständnis eines dyna­mischen Gottesreiches löste das Statische auf, das dem Begriff der Kirche als territorial begrenzter Staatskirche anhängt. FRANCKE ZWISCHEN COMENIUS UND LEIBNIZ – Umfassendstes Dokument des Halleschen Pietismus über die von ihm angestrebte „Generalreformation“ ist Franckes Großer Aufsatz aus dem Jahre 1704.60 Halle war in Franckes Augen zugleich Modell und Keimzelle einer universalen Reformbewegung. Dass Francke dabei die ganze Welt meinte, zeigt die in eine Frage gekleidete Überschrift des fünften Kapitels, wie eine grundlegende Reform „nicht allein in der evangelischen Kirche, sondern auch allenthalben in der Welt zu suchen sey.“61 Die Nähe zu comenianischen Gedankengut ist nicht von der Hand zu weisen.62 Kaum überraschen würde es, wenn das universale Seminarsystem Franckes von Comenius’ collegium lucis angeregt worden wäre. Die von Comenius entworfene pansophia sollte von einem geis­ tigen Weltzentrum, einer Art Weltkollegium von Gelehrten als Einheitspunkt von Glauben und Wissen ausgehen: sie setzen sich zum Ziel mit Hilfe universaler Bücher, universaler Schulen und einer universalen Sprache eine Generalreformation umzusetzen.63 Schon Francis Bacon (1561–1626) hatte in seinem Fragment Nova Atlantis ein „Schatzhaus der Wissenschaften“ konzipiert, ein Gelehrten- und Forscherkollegium, dessen Aufgabe darin bestand, alles Wissenswerte und Wissbare zu erforschen, sodann die Ergebnisse dieser Spezialarbeit zu einem Ganzen zusammenzufügen, um so die Voraussetzungen für eine Umwandlung der Welt und der Gesellschaft zu schaffen. 58 Jammer (1960), S. 139. 59 Schmidt (1966), S. 34f. 60 Podczeck (1962), S. 9; siehe auch Übersicht bei Leube (1924). 61 Francke (1704, 1962), S. 140. Auch in Franckes Project. Zu einem Seminario Universali fehlt nicht der Hinweis „und allen übrigen Theilen der Welt“. 62 Vermutlich ist Francke zu seinem Project zu einem Seminano universale durch die Lektüre von Comenius-Handschriften angeregt worden, die er damals herauszugeben beabsichtigte, Raabe (2002), S. 168. Francke war zur Zeit der Niederschrift seines Großen Aufsatzes über die Persönlichkeit, das Schrifttum und die Gedankenwelt des Comenius gut informiert; Hofmann (1964), S. 79 ff.; Molnâr (1964); Peschke (1967); Hofmann (1992), S. 9. 63 Hinrichs (1971), S. 37f.; Ausstellungskatalog (1995), S. 42f.

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Nicht nur Comenius, auch Leibniz knüpfte mit seinen im Akademiegedanken kulminierenden universalen Reformplänen daran an. Mit Leibniz korrespondierte Francke seit den 1690er Jahren. Leibnizens Berliner Akademieplan und der neue universale Aspekt, den Francke zeitgleich seinen neu begründeten Anstalten in Halle gegeben hatte, scheinen vom gleichen Geist inspiriert. Ebenso wie Leibnizens Ziele waren auch Franckes Bestrebungen zunächst weit über die Grenzen des preußischen Staates hinaus auf die ganze damalige Welt gerichtet. Beide wollten die Welt durch Fortschritt und Reform mit Gott versöhnen bzw. in Übereinstimmung bringen, beide das Reich Gottes auf Erden errichten.64 Für Leibniz war die beste aller möglichen Welten durch Harmonie gekennzeichnet; er sah darin einen Ausdruck der göttlichen Schöpferkraft. Es galt, das menschliche Handeln diesem Harmoniestreben unterzuordnen und Politik als praktischen Gottesdienst zu betreiben.65 Ein Menschenleben lang war Leibniz darauf aus, sein Ideal zumindest partiell zu verwirklichen. Schon sein Grundriß eines Bedenckens von aufrichtung einer Societät in Teutsch­land zu auffnehmen der Künste und Wißenschafften von 1671 erinnert stark an Franckes Erziehungskonzept. So heißt es u. a.: „Mehrere conspiration und engere correspondenz erfahrner Leute zu erwecken. Gleichsam einen handel und commercium mit wißenschafften anzufangen […]. Ein seminarium artificum […] anzurichten. Mit vortheil eigne druckereyen und papyr=mühlen aufzurichten. […] Eine eigne Bibliothec so nichts als Kern und realität sey, aufzurichten […] Ja gar ein un=umb­ schräncktes Waisenhaus, darinn alle arme waisen und findel=kinder ernehret, hingegen zur arbeit, und entweder Studien oder mechaniek und commercien erzogen würden, aufzurichten […] Kunst= und raritaeten=, Schilderey= auch Anatomiae= Cammern, anders als ietzt geschieht bestellte Apothecen, Hortos medicos complétas, Thiergärten, und also Theatrum Naturae et Artis, umb von allen dingen lebendige impressiones und connoissance zu bekommen, einzurichten.“66 Auch Leibnizens Maxime Si non possumus quod volumus, velimus quod possumus,67 in die diese Ideen eingebettet waren, musste Francke in seiner pragmatischen Einstellung ansprechen. Während sich aber bei Francke seit 1695 Schritt für Schritt eine architektonische Struktur von Schulen, Internaten, Waisenhäusern, von einer Bibliothek und Apotheke herausbildete, konzentrierten sich die globalen Reform­pläne bei Leibniz auf die Gründung von Gelehr­ten-Akademien. Um der erstreb­ten Weltharmonie und der menschlichen Glückseligkeit näher zu kommen, entwarf er ein System von zunächst sich über Europa, später über die ganze Erde ausbreitende Forscher­kollegs. In ihnen beabsichtigte Leibniz alle diejenigen Gelehrten zu sammeln, die den überholten Wissenschaftsmethoden abgesagt hätten. Sie sollten eine République des esprits bilden, jene übernationale und überkonfessionelle Gemeinschaft der Geister, die als Nukleus das Leibnizsche Ideal der im Wissen und Glauben geeinten Menschheit 64 Hinrichs (1971), S. 45. 65 Knobloch (1997), S. 105f. 66 Leibniz (1671), S. 538–540. 67 [Wenn wir nicht können, was wir wollen, so mögen wir wollen, was wir können.] Ebd., S. 536.

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verkörperte; sie seien die wahren Baumeister der civitas dei schon in dieser Welt.68 Die Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden bedeutete, die irdischen Zustände derart umzuformen, dass sie die Weltharmonie abzubilden vermochten.69 Leibniz hatte auf dem Weg zu einer Gesamtharmonie eine Vereinigung der Reli­gionen als unerlässliche Voraussetzung im Sinn und traute hierbei dem Protestantismus die Kraft zur ständigen Selbstreinigung der geeinten christlichen Religion zu. Die christliche Weltmission à la Leibniz schottete sich nicht ab, sondern öffnete sich fremden Religionen und integrierte sie in eine allumfassende Harmonie, die aus gemeinsamer Anbetung des Schöpfers erwächst; Religion, Wissenschaft und Kunst sollten zur Ehre Gottes zusammenwirken. Während Leibnizens Projekte an der Spitze der Bildungspyramide ansetzten, baute Francke von unten auf. Gegenüber der die Weltharmonie spiegelnden Akademiekonzep­tion des Universalphilosophen trat bei Francke der orga­nisch, vom Kleinen zum Großen sich erhebende Seminargedanke. Die von ihm nach und nach gegründeten und untereinander in Zusammenhang gebrach­ ten Schulen sollten Multiplikatoren einer neuen, praktisch ausgerichteten ­Reformation sein, der geistige Kern zur Um­wandlung des Menschen und der Welt. Dass Francke und Leibniz zum Chinaverständnis in brieflichen Kontakt gelangten, kann angesichts der von beiden gepflegten globalen Perspektiven kaum überraschen. Leibniz schickte Francke ein Exemplar seiner 1697 erschienenen Abhandlung Novis­sima Sinica – Das Neueste über China.70 Mit dieser Sammlung lateinischer Be­rich­ te und Nachrichten aus China verfolgte Leibniz ehrgeizige Ziele. Von einer akademisch gebildeten protestantischen Elite sollte die Begegnung zweier Hochkulturen, der europäischen und der chinesischen, zu einer propagatio fidei per scientias, zur Kulturmission genutzt werden, um einer einheitlichen Weltkultur auf christlicher Grundlage den Weg zu bahnen. Die jüngsten Fortschritte in den Naturwissenschaf­ ten bestätigten geradezu die Wahrheit der christlichen Religion.71 Die Beschäftigung einer Persönlichkeit von europäischem Ansehen wie Leibniz mit ökumenischen und missionarischen Gedanken kam Franckes Interessen entgegen.72 Leibniz wiederum hoffte, in Francke, der sich gerade anschickte, in der jüngsten deutschen Univer­sitäts­ stadt das Zentrum einer großen Reformbewegung einzurichten, einen Mitstreiter für seine weit reichenden Pläne zu finden. Nicht zuletzt auf Anregung des pietis68 Beyreuther (1957), S. 90f. 69 Kramer (1882), S. 262f. 70 Poser (2000); Beyreuther (1957), S. 84f.; siehe den edierten Briefwechsel zwischen 1697 und 1699 bei Merkel (1920), S. 214ff. 71 Dass Wissenschaft und Christentum unmittelbar miteinander zusammenhängen und eine Missionsarbeit sich infolgedessen auf die Verkündigung des Glaubens durch die Wissenschaften zu stützen habe, wurde damals schon seit Jahrzehnten von Jesuiten propagiert; Rudolph (1997); zur Leibnizens Konzept einer natürlichen Theologie, die Chinesen und Christen gemeinsam sei: Li (2000), S. 232–325; zur Wirkung auf den Pietismus: Utermöhlen (2000). 72 Nach Erhalt der Abhandlung ließ Francke sein Dankesschreiben durch seinen vertrauten Mitarbeiter Georg Heinrich Neubauer (1666–1726) persönlich bei Leibniz in Hannover überreichen.

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tisch eingestellten Diplomaten und Weltreisenden Heinrich Wilhelm Ludolf richtete Francke sein Augenmerk zunächst auf Russland, wo seit 1695 hallische Pietisten als Prediger und Lehrer ihren Einfluss geltend machten.73 Darüber hinaus bezogen Francke und die Pietisten schon sehr früh auch den Vorderen Orient, Zentralasien und Indien in ihre Missionspläne ein.74 Wie Leibniz erblickten sie in Russland eine notwendige Zwischenstation auf dem Weg in den ferneren Osten. Ihr besonderes Augenmerk lag auf Südostrussland, zumal auf das untere Wolga­gebiet und den Vorkaukasus. Astrachan, die wichtige Handelsmetropole an der Mündung der Wolga ins Kaspische Meer, damals ein Zentrum des internationalen Edelsteinhandels, wurde zum Stützpunkt auf dem Weg nach Ost- und Mittelasien. Justus Samuel Scharschmid (1664–1724) versuchte dort, „Anstalten“ nach hallischem Muster zu gründen.75 Auf diese global ausgreifende Schularbeit machte Francke Leibniz aufmerksam.76 An Ludolf schreibt Leibniz anerkennend: j’applaudis fort aux travaux tels que mr. Francke a entrepris. Il ����������������������������������������������������������������� faut quelque chose de semblable dans toutes les grandes villes.77 ����������� In der Tat drängte Leibniz später Francke, Schulen nach Hallischen Vorbild in Russland einzurichten, „was der Anfang sein könnte, den Unsrigen den Zugang zu den Chinesen zu verschaffen.“78 Eine Orientreise Ludolfs im Jahre 1698/99 sollte den ökumenisch-missionarischen Bestrebungen des hallischen Pietismus eine neue Richtung geben, die mit Leibnizens Zielen nicht unbedingt kompatibel war. Es war nun vorgesehen, dass Franckes Sendboten in Griechenland und in den Landschaften der unter türkischer Oberhoheit stehenden griechisch-orthodoxen Kirchen ihren Glauben verbreiteten. Leibniz zeigte hingegen kein Interesse für den nahe liegenden Zusammenhang, der zwischen der russischen und orientalischen Kirche, zwischen Russland- und Orientpolitik bestand, zu sehr stand für ihn die Brückenfunktion Russlands für China im Vordergrund. Francke hingegen betrachtete Russland vor allem in seiner Verbindung mit den übrigen slawischen Ländern und dem Vorderen Orient. Noch stärker in kirchlichen Räumen denkend, stellte für ihn der Osten gewissermaßen eine Tota73 Ohne eingehende methodische Vorbereitung, ohne genauere Kenntnis des Landes, der Sprache, der Literatur wären derartige Terraingewinne in Russland für den Pietismus undenkbar gewesen. Francke, der selbst die russische Sprache erlernte und Ludolf, der Verfasser der ersten Grammatik der gehobenen russischen Umgangssprache, machten aus der jungen Universität Halle das Zentrum der russischen bzw. slawischen Sprachstudien in Deutschland. Kurz nach der Jahrhundertwende wurde in Halle auch eine Druckerei für russischsprachige Texte eingerichtet. So konnte diese Stadt tatsächlich zum „Ausgangspunkt der deutschen Rußlandkunde im 18. Jahrhundert“ (Eduard Winter) werden; Winter (1953); Fundaminski (2003). 74 Baumgart (1966), S. 372f. 75 Winter (1953), S. 53ff.; Baumgart (1966), S. 370f. 76 Beyreuther (1957), S. 86f. 77 Brief von Leibniz an Ludolf, 11./21. Mai 1698, nach Kramer (1880/1882) Teil I, S. 259. 78 Nach Beyreuther (1957), S. 86f. Leibniz forderte die Errichtung der halleschen Schulpyramide in allen europäischen Zentren, in London, in Berlin, in Kopenhagen, in Stockholm, in Moskau.

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lität unter dem Schirm der griechischen Kirche dar. Den Leibniz’schen Begriff der Kulturmis­sion konnte sich Francke nicht ohne Vorbehalte zu eigen machen. Dass mit der Verbreitung der europäischen Wissenschaften auch virtus und pietas der christlichen Kultur befördert wurden, stellte bei Francke keinen Automatismus dar. Während sein Missionsbegriff weitaus stärker durch den Inhalt der biblischen Botschaft bestimmt war, ließ sich Leibniz in seinem Denken nicht konfessionell einengen. Pietis­mus war für ihn bisweilen gleichbedeutend mit Zank: „[…] wer weiß ob Gott nicht eben deswegen die Pietistische sonst fast ärgerliche Streittigkeiten unter den Evangelischen zugelassen, auf daß recht fromme und wohlgesinnte Geistlichen, die unter Churfürstl. Durchl. Schutz gefunden, dero beyhanden seyn möchten, dieses capitaliste Werck fidei purioris propagandae besser zu befördern, und die Aufnahme des wahren Chris­tenthums bey uns und ausserhalb, mit dem Wachsthum realer Wissenschafften und Vermehrung gemeinen Nutzens, als funciculo triplici indissolubili zu verknüpfen.“79 ���������������������������������������������������������� Nach Ernst Troeltsch (1865–1923) bildeten Leibniz und der Pietismus „die beiden Hauptereignisse in dem geistigen Leben Deutschlands während seiner unseligsten Periode, wo sich die Reste des Mittelalters und der neue Geist der westlichen Kultur auf seinem kraftlosen und zerteilten Boden bunt vermischten.“ Der Pietismus sei aber im Vergleich zum Werk des Universalphilosophen „einseitig“ und „verzagt“ gewesen.80 Leibnizens pantheistisch anmutender Gottesbegriff hatte wenig mit dem per­ sönlichen Gott pietistischer Christen gemein.81 Er deckte sich fast mit dem Wort „Harmonie“ als eine unermessliche Fülle lebendiger individueller Formen, die einer schöpferischen und fruchtbaren Einheit zustreben. Der Zusammenhang des Akademiegedankens bei Leibniz mit seiner Philosophie der Weltharmonie, die auf Monaden und prästabilisierter Ordnung basierte, ist unverkennbar.82 Leibniz ging von der in Gott verkörperten Harmonie aus, die jede Monade in ihrer sphaera activitis nicht nur erkennend widerspiegelt, sondern handelnd in der Welt befördert; Francke hingegen von der Vorstellung des zürnenden und richtenden Gottes, gegen den jeder nach Stand und Beruf „vor den Riß treten muß“.83 So sehr Leibniz und Francke also von verschiedenen religiösen Hintergründen und Gottesvorstellungen ausgingen, so trafen sich beide im Ziel der realen Veränderung und Verbesserung der Welt. Es ist schon mehrfach hervorgehoben worden: Ausgangspunkt dieser bemerkenswerten universalen Impulse war eine Einrichtung auf brandenburgisch-preußischen Boden. Zwischen den eben skizzierten Gesichtspunkten der Globalität sowie der Terri­ torialität musste es zu Spannungen kommen.84 Ebenso wie die preußische Staatsraison garantierte, dass der Hallesche Pietismus sich nicht in lokalen Zwistigkeiten 79 Leibniz’ Denkschrift II [1700], nach Brather (1993), S. 79. 80 Troeltsch (1902, 1925). 81 Beyreuther (1957), S. 88. 82 Hinrichs (1971), S. 40. 83 Ebd., S. 45. 84 Diese Spannung ist auch bemerkbar am Beispiel des Brandenburgischen Sozietätsentwurfs von 1666/1667, Lazardzig (2003).

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aufrieb, ebenso musste sie der Expansion des „Reiches Gottes“ in globalen Maßstab Grenzen setzen.85 So sehr Francke die brandenburgisch-preußische Obrigkeit in seinen Dienst stellte – nur so war es ihm möglich, sich gegenüber den Instanzen vor Ort, die ihm ständig Steine in den Weg rollten, zu behaupten – so sehr war damit beinahe zwangsläufig eine Territorialisierung seines global-universellen Reformansatzes verbunden. „Ist es denn auch wahr? Es ist weit hin“ – so lapidar reagierte König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) bei seinem Besuch der Anstalten im Jahr 1713, als er auf einen demonstrativ auf dem Tisch ausgelegten Brief eines bekehrten Malabaresen aufmerksam gemacht wurde.86 Gerade in der Regierungszeit des Soldatenkönigs kündigte sich ein Abschied des Halleschen Pietismus von über Preußen hinausgehenden Reformansätzen bzw. eine provinziellen Einhegung der Universalpläne des Pietismus an. Indem der Hallesche Pietismus von dem territorialen Prinzip eines aufstrebenden, absolutis­tisch ausgerichteten Staatswesens profitierte, entfernte er sich zugleich von den universalen Zielen der Weltreforma­tion.

Pietas Halensis als topographische Frömmigkeit Im Halleschen Pietismus steckt, wie der Name schon sagt, eine topographischer Be­ stimmung. Topographische Frömmigkeit soll hier nicht nur eine Religiosität bedeuten, die sich einem bestimmten geographischen Ort verpflichtet weiß, darüber hin­ aus ist damit der Blick auf eine Glaubensströmung gerichtet, die zu ihrer Entfaltung im buchstäblichen Sinne des Wortes Platz braucht. Innerweltliche Marksteine speisen das Selbstverständnis des Halleschen Pietismus. Auch der geglückte Bau von Gebäuden sowie die wirtschaftliche Prosperität gemeinnützig betriebener Unter­ nehmen fallen bei Francke unter das Kriterium eines funktionierenden Glaubens. Halle lag mitten in Deutschland, in einer Region, die schwer an den Ereignissen und Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte. Dieser Raum evozierte in der Raumwahrnehmung Kontraste, die als Projektionsflächen für biblische Analogien dienen konnten. So hätten sich die Leid geprüften Hallenser in das auserwählte Volk des Neuen Bundes verwandelt. Nur wenige Jahrzehnte später war auf dem Sektor von Bildung und Erziehung Epochales entstanden.87 Die „Glauchaschen Anstalten“ waren Forschungs-, Lehr- und Wirtschaftsorganismus in einem und strebten nach Autarkie. Hinzu kam die Nähe zur noch jungen Universität. Zwischen Anstalten und Universität fand ein permanenter Austausch von Lehrern und Studenten statt. An kaum einem anderen Ort hätten sich die Anstalten besser entfalten können. Anders als bei Leibniz lebten Franckes Reformprojekte vom Konstrukt eines herausgehobenen geographischen Ortes. In seinem Project zu einem Seminario universali (1701) spricht er davon, dass das Werk in Halle „gleichsam Cymbalum mundi werden, als eine Stadt, die auf dem Berge liegt, jedermann in die Augen fallen und

85 Scharfe (1980), S. 142f. 86 Hinrichs (1971), S. 102; Müller-Bahlke (2001a), S. 105f. 87 Ausstellungskatalog Halle (1998a); Hammerstein (1994).

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also dieses Exempel selbst andere zum Nacheifern reizen soll.“88 Der Ort war keine Projektion ferner Zukunft oder Vergangenheit, sondern unmittelbar gegenwärtig: „daß bereits ein Ort vorhanden, da ein würcklicher Anfang zu allen diesen Semi­ nariis gemachet.“89 Franckes auf den Standort „Halle“ bezogenes Plädoyer bestand aus vierzehn Argumenten.90 Er erwähnt die Unterstützung des Landesherrn durch „approbation, Aucto­risirung und privilegirung“, dann seine eigene, seit nunmehr sechs Jahren er­folg­reiche Arbeit, die bisherigen Ausbildungserfolge und den guten Ruf der Einrichtung im In- und Ausland, die Selbstlosigkeit der Mitarbeiter und ihre Harmonie untereinander. Auch den eben vollendeten Bau des so genannten Waisenhauses, der zum Symbol des Halleschen Pietismus und Erkennungszeichen einer ganzen, sich auf Halle beziehenden Bewegung werden sollte, hob er hervor. Wenn sich Francke eher vorsichtig auf Andreae berief,91 so war er doch überzeugt, eine Christianopolis zu verwirklichen, ein vorbildhaftes Gemeinwesen, eine Stadt auf dem Berge, die von ganz Europa gesehen würde.92 Auf dem Gelände der Franckeschen Anstalten war kein herkömmliches Kirchengebäude vorgesehen, sondern nur ein repräsentativer Bet- und Versammlungssaal. Dessen Gestaltung mit einer Kanzel in der Mitte führt das veränderte Gemeindeverständnis im Pietismus vor Augen, bei dem sich die Gemeinschaft der Gläubigen um das Wort versammelt, um darüber miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Kirche als räumlich-architektonischer Ausdruck besonderer Heilssuche, die auch von Luther nicht vollkommen negiert wurde, spielte bei den Pietisten keine Rolle mehr. Franckes Kirchenbegriff ist von Unsichtbarkeit gekennzeichnet. Die wahre Kirche lebe unter der sichtbaren Kirche im Verborgenen.93 Die Kirche des Neuen Testaments ist „nicht an ein Land und Volck gebunden“, sondern wird „angerichtet und gebauet“, „wo GOtt durchs Wort sein Gnaden-Werck an den Seelen der Menschen führet“.94 Die Kirche im eigentlichen Sinne waren also die Kinder Gottes bzw. die Bekehrten. Der Gegensatz zwischen den Kindern Gottes und den Kindern der Welt ging somit bei Francke mitten durch die organisierte und damit auch gebaute Kirche, der gegenüber die spiritualistische Kritik an der Stein- und Mauerkirche nachwirkte. Während sich nun in Luthers Bild alle Gemeindemitglieder schon mehr oder weniger innerhalb der Kirchengrenzen aufhielten – je nach ihrer Glaubensfestigkeit befanden sie sich entweder im Kirchhof, im Kirchenschiff oder im Chor95 – domi88 Francke (1701, 1969), S. 114. 89 Ebd., S. 110. 90 Ebd., S. 110f. 91 In seinem Großen Aufsatz (1704) hat sich Francke immerhin an einer Stelle zu Johann Valen­ tin Andreaes Staatsutopie einer Christianopolis bekannt; Beyreuther (1957), S. 91f. Francke soll sein Werk selbst einmal eine „Stadt Gottes“ genannt haben, nach Hinrichs (1971), S. 46. 92 Andreae (1619, 1972); Dülmen (1978). � 93 Peschke, Bd. 1, (1964), S. 74f. 94 Francke in seinen Sonn- und Fest-Tags-Predigten (1740), S. 427, nach Peschke, Bd. 1 (1964), S. 72f. 95 In drei konzentrischen Kreisen gleicht die Kirche dem Aufbau der mosaischen Stiftshütte. Ein innerster Kern, ein sanctum sanctorum ist umrundet von einem sanctum, das wiederum umgeben ist von einem atrium, Kittsteiner (1995), S. 159

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niert im Pietismus eine Demarkationslinie zwischen Innen und ­ Außen, zwischen pietistischer Innenwelt und antipie­tistischer Außenwelt. Erst die Wiedergeburt durch das Bekehrungserlebnis ermöglichte dem Gläubigen, die Grenze in das Innere zu überschreiten. Der Hallesche Pietismus zeigt, dass sich das Christentum in Kirche und Kirchlichkeit nicht erschöpfen muss. Da er aber danach strebt, die soziale Wirklichkeit im weitesten Sinne zu gestalten, benötigt er einen raumbezogenen Schwerpunkt. Diese Glaubensrichtung, die herkömmliche Kirchenmauern abstreifte, errichtete sich sogleich eine ganze Stadt.96

Markenzeichen und materielle Wirklichkeiten Göttliche Vorsehung, praktische Frömmigkeit und materielle Wirklichkeit waren im Halleschen Pietismus eng miteinander verzahnt. Mit dem geflügelten Wort Pietas Halensis bezeichnete man in der englischen Übersetzung Franckes programmatische Schrift Segensvolle Fußstapfen (Abb. 138).97 An Abstract of the Marvellous Footsteps of Divine Providence, In the Building of a very large Hospital, or rather, a Spacious College; so hieß der englische Titel eines gut 60-seitigen Auszuges der Pietas Halensis aus dem Jahre 1706.98 ���������������������������������������������������������������������� Der Pietismus Hallescher Provenienz entwickelte sich zu einer international ausstrahlenden Marke. Selten ist eine Richtung innerhalb des Protestantismus derart mit räumlichen Dispositionen und dinglichen Medien verquickt gewesen, wie der Hallesche Pietismus. Schon die topographische Begriffsformel „Halle­scher Pietismus“ spricht Bände. Ohne diese Ortsbestimmung schien die Reformbewegung kaum denkbar. Offen­sichtlich bedurfte die Glaubensrichtung des Pietismus zu ihrer Legitimation eines örtlichen Fixpunktes, einer sichtbaren Physizität. Die immensen spirituellen Energien hatten sich an bestimmter Stelle in institutionellen Projekten zu verkörpern, wenn sie glaubwürdig bleiben wollten. Vor den Toren Halles wuchs in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Gebäudekomplex gewaltigen Ausmaßes empor. Seit 1698 entstand innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten eine komplette Stadt mit einer zukunftsweisenden Infrastruktur. Sie nahm mit der Gründung einer Armenschule und der Einrichtung einer Waisenanstalt für vernachlässigte Kinder ihren Anfang, sie wurde mit den deutschen und lateini­schen Schulen, dem Pädagogium weitergetrieben sowie mit kommerziell ausgerichteten Wirtschaftsbetrieben, wie Buchhandlung, Buchdruckerei, Apotheke und 96 Hinrichs (1971), S. 46; Sträter (2001), S. 26f. 97 Der Volltitel nannte ausführlich die geschaffenen Sichtbarkeiten des neuen Glaubens, nicht ohne hervorzuheben: Without any visible fund to support it. ��������������������� Übersetzer war Anton Wilhelm Böhme (1673–1722), der unter Francke in Halle studiert hatte und 1705 als Hofprediger an die lutherische Kapelle des Prinzgemahls Georg von Dänemark (1653–1708) nach London kam. Seine pietistischen Aktivitäten in England führten dazu, dass englische Zöglinge nach Halle geschickt wurden, für die Francke 1709 ein eige­nes „Englisches Haus“ baute und die im Speisesaal an einem „englischen Tisch“ saßen; Ausstellungskatalog Halle (1995), S. 54–58. 98 Mit einem Vorwort von Josiah Woodward (1657–1712) und einem Appendix von A. W. Böhme zur Geschichte des Pietismus versehen: Ausstellungskatalog Halle (1995), S. 58.

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138: Englische Übersetzung der „ Segensvollen Fußstapfen“ von August Hermann Francke mit der emblematischen Fassade des Waisenhauses (1705), Halle, Franckesche Stiftungen

landwirtschaftliche Unternehmen vollendet.99 Die breite Basis der Franckeschen Erziehungspyramide bildeten die „deutschen Schulen“ für den „Haus- oder Nährstand“ sowie die Volksschule für Bauern und Handwerker. Darauf bauten die zum Universitätsstudium führenden „lateinischen Schulen“ für den „Lehrstand“, für künftige Theologen, Juristen, Mediziner auf. Daneben gab es separate Real- und Bürgerschulen für den status oeconomicus, d. h. für Kaufleute, Beamte, Verwalter, Schreiber etc. Über ihnen allen stand das Paedagogium regium für den „Regierstand“, eine Art Ritterakademie unter pietistischen Vorzeichen, die hauptsächlich Adligen vorbehalten blieb. Die Spitze des ganzen Schulsystems schließlich war die FriedrichsUniversität zu Halle, damals die modernste und rasch auch größte in Deutschland. In diesem in verhältnismäßig kurzer Zeit mit erstaunlich geringen Anfangsmitteln errichteten Schulsystem garantierte zwar jede Schulart eine abgeschlossene Erziehung, jedoch war jedes Segment mit der Totalität des Erziehungssystems verbunden. Das Novum des pyramidialen Bildungsstruktur bestand vor allem darin, den Aufstieg von Begabten unabhängig von Herkunft und Besitz zu ermöglichen.100 Die An­stalten, die Schüler aus zahlreichen Ländern aufnahmen, wuchsen auf eine in   99 Zaunstöck (2010), S. 31f. 100 Allein das große Waisenhaus bot dafür ein großes Reservoir an Talenten.

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Deutschland bis dahin unbekannte Größenordnung.101 Schon nach einer Generation, im Jahr 1727, dem Todesjahr August Hermann Franckes, lebten, wirkten, arbeiteten und lernten hier annähernd 3.000 Menschen, während die durchschnittliche Frequenz der größten deutschen Universitäten jener Jahre bei etwa gut 1.000 Studenten lag. Das Modell „Halle“ entwickelte sich zu einem Exportartikel. „Klein-Halle“ wurden Teile von Städten, wie in Kopenhagen, Pressburg oder im russischen Tobrusk genannt, wo im pietistischen Geist Waisenhäuser, Apotheken und Druckereien sowie Schulen, deren Unterricht auf einem anschaulichen naturwissenschaftlichen Unterricht fußte, entstanden102 Auffällig bleibt, dass eine Glaubensrichtung so sehr die Anschauung eines Ortes in den Mittelpunkt stellte. Im Gespräch im Reich der Todten aus dem Jahr 1729 – kurz nach dem Ableben von Christian Thomasius (1655–1728) und August Hermann Francke veröffentlicht – sind auf dem Titelblatt die beiden Protagonisten vor ihren jeweiligen Unterrichtsgebäuden ganzfigurig abgebildet, wobei die imposante Kulisse der Franckeschen Bauten sofort zu erkennen ist (Abb. 139). In Franckes schon mehrfach erwähnten Project zu einem Seminario universali von 1701 ist nicht nur an vielen Stellen vom „selbigen Ort“ die Rede.103 Darüber hinaus fällt auf, wie oft Francke als frommer Mensch Vokabeln wie „Augenschein“ oder „augenscheinlich“ benutzt, um sein Werk zu charakterisieren: „(…) an die lieblosen Urtheile, so von denen darüber ergehen möchten, die sich nicht wollen auf den Augenschein und hinlängliches Zeugniß weisen lassen. Wer hierauf gebührend achtet, kann von der Wahrheit zur Genüge versichert werden. Die übrigen mögen dann gegen den Augenschein selbst ferner an der ­sache (5) zweifeln, und mich fleischlicher Absichten bey dem, was ich zur Verherrlichung des Namens GOttes melde, beschuldigen.“104 Franckes Wahrheitskriterium beruhte auf „Augenschein“. Wenn Francke sagt, „daß die Göttliche Providentz, Allmacht, Treue und Weisheit sich dabey so augenscheinlich und so offenbar zu erkennen gibt,“105 steckt in den Adjektiven der Sichtbarkeit nicht zuletzt der imposante Gebäudekomplex, durch den die verinnerlichte Frömmigkeit eine greifbare Gestalt angenommen hat. Zugleich zeigt sich in Franckes Aussagen vom Augenschein puritanisches Glaubensgut, weil materielle Wirklichkeiten als Beleg göttlicher Providenz und Auserwähltheit betrachtet werden. Die mit Händen zu greifende Beziehung zu Gott konnte sich auch in kleinen Dingen, wie in Geldstücken, zeigen, die man als Spende eingenommen hat.106 So installierte Francke

101 Sogar aus Griechenland und Rußland schickte man Schüler nach Halle, um sie dort erziehen zu lassen. Sie studierten im 1702 gegründeten Collegium Orientale Theologicum. 102 Beyreuther (1980), S. 128; Ausstellungskatalog Halle (1995), S. 42f. Ebenso erhielten vorhandene Einrichtungen, wie das St. Anna-Gymnasium in Augsburg, durch die von Halle beeinflussten Samuel Urlsperger (1685–1772) und Hieronymus Mertens, einen zeitspezifischen halleschen ­Akzent, der von Realienunterricht geprägt war; Bregenzer (1994). 103 Zur Relevanz von festen zentralen Orten für alle Weltreligionen: Eliade (1957, 1998). 104 Francke (1709, 1994), S. 135f. 105 Ebd., S. 188. 106 Vorwort von Erich Beyreuther, aus Francke (1963), S. 8.

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139: Die Gründungsprofessoren der Universität Halle August Hermann Francke und Christian Thomasius vor dem Waisenhaus und dem Universitätshauptgebäude (1729), Halle, Franckesche Stiftungen

im Jahre 1694 eine metallene Spendenbüchse an seinem Pfarrhaus (Abb. 140).107 „Da ferner etwa ein Viertel-Jahr die Armen-Büchse in der Pfarr-Wohnung befestigt gewesen, gab eine gewisse Person auf einmal vier Thaler und Sechzehn Groschen hinein. Als ich dieses in die Hände nahm, sagte ich mit Glaubens-Freudigkeit: Das ist ehrlich Capital, davon muß man etwas rechtes stifften, ich will eine Armen-Schule damit anfangen.“108 Im taktilen Bezug zu ein paar Taler- und Groschen-Stücken sah Francke „ein ehrlich Capital“ konstituiert, das im Kräftefeld seines aus „Gottvertrauen“ bestehenden Vermögens in den nächsten Jahren ungeahnte Zinsen abwerfen sollte. Aus „vier Talern und 16 Groschen“ seien Armen­schule und Waisenhaus, Latina und Paedagogium Regium, Buchdruckerei und Apotheke, Freitische und Krankenhaus, Collegium Orientale und Dänisch-Hallesche Mis­sion, Großhandel und Medikamentenexport erwachsen, so die legendär aufgeladene interne Überlieferung der Franckeschen Stiftun­gen.109 Am materiellen Selbstverständnis des Halleschen Pietismus konnte die Kritik von Vertretern der lutherischen Orthodoxie ansetzen. Dass das, was auf Gott zurück107 Sträter (1998), S. 15. 108 Francke (1709, 1994), S. 29. 109 Sträter (1998), S. 21; Raabe (1998), S. 157; Obst (2000a), S. 26.

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140: Francke im Kirchenraum bei der Armenbüchse, anoynmer Holzschnitt (1870), Halle, Franckesche Stiftungen

zuführen war, sinnlich wahrnehmbar sein sollte, irritierte vor allem Franckes ­orthodoxen Kontrahenten Valentin Ernst Löscher (1673–1749) aus Dresden.110 Während Francke unermüdlich aus der Umsetzung des ambitionierten Gebäudekomplexes göttlichen Segen ableitete, stellte Löscher, der später als Bauherr der Frauenkirche in Dresden selbst ein Wahrzeichen ins Stadtbild setzen ließ, in seinem Aufsatz aus dem Jahr 1707 eine „bedenkliche Neigung“ fest, „aus dem äußeren Erfolg seiner Unternehmungen auf eine göttliche Legitimation seines Tuns zu schließen.“111 Gottes Name sei einfach zu hoch, als dass man ihn auch dann im Munde führen müsse, wenn es um handfeste materielle Interessen gehe.112 Das allzu prosaische Einsammeln von Almosen vertrüge sich nicht mit der Berufung auf göttliche Providenz, denn göttliche Werke bedürften keiner Öffentlichkeitsarbeit. 110 Zwischen Valentin Ernst Löscher und den Hallensern, insbesondere Francke, war es zu einem ersten Zusammenstoß gekommen, als Löscher 1707 in den Unschuldigen Nachrichten einen Aufsatz veröffentlichte, der sich kritisch mit dem Waisenhaus in Halle auseinandersetzte; Kramer (1880/1882), Teil 2, S. 72ff. 111 Löscher (1707), S. 898; Rotermund (1959), S. 26f.; Greschat (1971), S. 299–318; Kramer (1880/ 1882), Teil 2, S. 72–84. 112 Löscher (1707), S. 901.

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141: Verlagssignet der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle, Franckesche Stiftungen

Nichtsdestotrotz entwickelte sich die Evidenz des materiell greifbaren Ins-Werksetzens zum Markenzeichen des Pietismus.113 Der Hallesche Pietismus ist eine Frömmigkeit der Sichtbarkeit, die den Raum gleichsam systematisch beschreibt. Wenn auch in Franckes frommen Augen die Realität stets sehr viel mehr bedeuten musste, als das, was sich in Gebäuden und Dingen zeigt,114 ist durch seinen Ansatz – ganz im Kontrast zur Charakterisierung des Pietismus als eines Rückzugs ins Gehäuse der Innerlichkeit – ein nicht zu übersehender Markstein in der Landschaft geschaffen, mit dem man sich allein wegen seines unverrückbaren, ins Auge stechen­den „Hier und jetzt“ auseinanderzusetzen hatte.115 „Was hier steht, auf diesem Gelände, das Francke im Laufe zweier Jahrzehnte zusammengekauft hat, ist für uns alle realiter begehbar. Alles hier ist handfest, hier scheint alles begreifbar, konkret und naheliegend.“116 Francke hatte etwas zu zeigen. Anlässlich des Besuches von König Friedrich Wilhelm I. am 12. April 1713 brachte er diese Moti­vation zum Ausdruck: „Das reuet mich nicht, daß ichs groß und von Steinen gebauet habe. Denn wenn ich kleine Kiffen gebauet hätte, so wäre Niemand hinein kommen, es zu besehen. Nun ich aber ein rechtschaffen Haus gebauet habe, nun kommen Fürsten, Grafen und andere vornehme Leute und besehens; da denn keiner kommt, der nicht etwas daließe. So bringets wieder was ein.“117 Francke hatte eine Sehenswürdigkeit geschaffen. Kaum ein Besucher der Saalestadt ließ sich die Besichtigung dieser Attraktion ent113 Kramer (1880/1882), Teil 2, S. 72; Podczeck (1962), S. 10. 114 Zum Zeichen- und Verweischarakter der Anstalten: Sträter (2001). 115 Francke (1701, 1969), S. 114. 116 Sträter (2001), S. 19; zur materiellen Kraft des Christentums: McDannell (1995). 117 Zit. ���������������������������� nach Kramer (1875). S. 149f.

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142: Das Modell des Waisenhauses mit einem Blick aus einem imaginären Raum auf das Hauptgebäude der Franckeschen Stiftungen (1744), Halle, Franckesche Stiftungen 143: Modell des Waisenhauses in der Kunstund Naturalienkammer (18. Jh.), Halle, Franckesche Stiftungen

gehen und stellte sich somit automatisch in den Dienst der dortigen Öffentlichkeitsarbeit. Wie zahlreiche von den Anstaltsgebäuden überlieferte Kupferstiche belegen, entwickelte sich der Gebäudekomplex und insbesondere die Fassade des Hauptgebäudes zum steinernen Emblem des gesamten Erziehungswerks.118 Die Gebäude sind auch Bestandteil von allegorischen Darstellungen, wie beim Signet des Waisenhausverlags. Im Hintergrund ist das Waisenhaus zu sehen, im Vordergrund ein Sämann 118 In den Sammlungen der Stiftungen sind die Sujets der Bildquellen sehr beschränkt, sie zeigen entweder Gebäude oder Personen aus dem unmittelbaren Anstaltskontext; Müller (1998), Raabe/Müller-Bahlke (2005), S. 12.

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auf dem Feld. Der dazugehörige Wahlspruch lautet Illo splendente levabor – Unter diesem Glanz werde ich aufgehen (Abb. 141). Auf dem Frontispiz eines Standardwerks zur Architektur von Johann Friedrich Penther (1693–1749) spielen Putti in einem Raum mit dem Waisenhausmodell; von diesem imaginären Zimmer aus kann man durchs Fenster einen Blick auf das tatsächliche Waisenhaus werfen (Abb. 142).119 In der Kunst- und Naturalienkammer war das Waisenhaus in Form eines detaillierten Modells Exponat. Bis heute ist es mit den angrenzenden Bauten des vorderen Lindenhofes in einer eigenen Vitrine zu sehen, wobei jedes Stockwerk abnehmbar ist (Abb. 143).

Auffälligkeiten der Architektur Der Franckesche Komplex zeichnet sich durch eine rational entworfene Plananlage aus. Trotz der Sparsamkeit im Ornament sowie der funktional angewandten Architekturformen verleihen allein Höhe und Größe der jeweiligen Bauten dem Ensemble Merkmale von Monumentalität, gleichsam als sichtbare Bestätigung der am Giebel des Waisenhauses geschriebenen Devise „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.“ Der Spruch aus der Bibel (Jes 40, 31), in goldenen Lettern als Band zwischen den beiden flügelschlagenden schwarzen Adlern zu lesen, kann man als Triumph der Pietisten über diejenigen deuten, die an deren persönlichen Glauben Anstoß nahmen.120 Aus seinem Glauben erwuchs dem barocken Tatmenschen Francke Kraft, eine Stadt zu errichten.121 Dass jenseits des Fürsten-Staates (Freiherr von Seckendorff, 1656) ein derartig ambitioniertes Bauprojekt umgesetzt werden konnte – es war ein Bürger, der als Bauherr und Unternehmer auftrat – war für die damalige Zeit eher ungewöhnlich (Abb. 144).122 Für das seit 1698 entstehende Stammhaus hatte Francke eine vor und neben der Wirtschaft „Goldener Adler“ gelegene Brache gewählt, die sowohl dem Rat zu Halle gehörte als auch dem Amt Giebichenstein und damit dem Kurfürsten unterstand. Gustav Kramer (1806–1888) in seiner Francke-Biografie schreibt dazu: „Die Wahl konnte gar nicht glücklicher sein, und muss geradezu als providentiell bezeichnet werden, indem sich an diese Stelle … eine Anzahl von Gärten schloß, welche die Möglichkeit einer weiteren Ausdehnung der Bauten bot, wie sie später auch erfolgt ist.“123 Es ist ein religionswissenschaftlicher Gemeinplatz, dass eine in vier Himmels119 Penther (1745). 120 Raabe/Müller-Bahlke (2005), S. 109. Die Gestaltung des als Relief ausgebildeten Frontispizes, das mit der gesamten Symmetrie der Vorderfrontgestaltung des Gebäudes eine innere Einheit bildet, sollte dem Betrachter den Eindruck des Aufstrebens vermitteln; Harasimowicz (2004), S. 463ff. 121 Die aus virtus herzuleitende „Kraft“ entwickelte sich im damaligen philosophischen Diskurs zu einem geflügelten Wort. Metaphysischen Charakter hatte er bei Leibniz; Substanzen seien als „beseelten Punkten“ zur Ausprägung ihrer Entelechie Kraftpotenziale eingeschrieben; Lang (2007), S. 30f.; zum Kraftbegriff im 18. Jahrhundert: Menke (2008). 122 Ausstellungskatalog (1984), S. 12; Funkat (1993). 123 Kramer (1880/1882), Teil 1, S. 174f.

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144: Auf dem Titelkupfer von Freiherr von Seckendorffs „Fürsten-Staat“ (1656) zeigen schildartige Kartuschen eine Festung und ein Kirchen­ gebäude

richtungen ausgreifende Siedlung eine Welt für sich, ein ­sakrales Ganzes konstituiert. Seit 1703 befand sich ein von West nach Ost ausgerichtetes schmales, längliches Grundstück namens Mateweis’scher Garten im Besitz der Anstalten, so dass es nahe lag, auf diesem Grundstück in die Länge und Höhe zu bauen, um möglichst schnell ein geschlossenen Ensemble entstehen zu lassen. Also wurde an einem leicht aufsteigenden Hang, der auch Transzendenz andeuten konnte, eine längliche Siedlung errichtet. Dieses bebaute und mit Mauern eingefasste Gelände figurierte einen länglichen rechteckigen Komplex (Abb. 145). „Das Gebäude des Waisenhauses … ist prächtig. Es hat die Form eines Oblongum; ein Vordergebäude, zwey Flügel, und ein Hintergebäude, welche ihm auf 820 Fuß entgegen steht“124 heißt es in einem Reisebericht von 1779. In Reisebeschreibungen war mit „Wai­senhaus“ somit meist nicht nur das barocke Vordergebäude mit der weit bekannten Fassade gemeint, sondern der gesamte weiträumige Gebäudekomplex.125 Zum eigentlichen Waisenhaus, das zusammen mit schmaleren Flügelanbauten von 1698 bis 1701 entstand und zunächst auch Druckerei, Buchhandlung und Apotheke beherbergte, kamen in rascher Folge weitere Gebäude hinzu: ab 1709 der Ostflügel des Binnenhofs sowie der Flügel mit dem Speise- und Singsaal sowie mit dem Englischen Haus und dem Mägdeleinhaus; zwischen 1711 und 1713 wurde gleichsam als bauliche Entsprechung zum Waisenhaus das auf der Anhöhe des Terrains 124 Grimm (1779), S. 146. 125 In alten Plänen wird das Waisenhaus „Vorderhaus“ genannt

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145: Grundstück des „Rectangulums“ (Mathe­weis’scher Garten) in Form eines schmalen B im Jahr 1667, Kupfer­stich (1796), Halle, Franckesche Stiftungen

befindliche, genau gegenüberliegende Pädagogium errichtet, wenig später als oberer Nordflügel das Lange Haus als Wohnhaus für Studenten (1713–1714), das neue Mägdeleinhaus gegenüber dem alten Mägdeleinhaus (1716), das Krankenhaus (1721), das Bibliotheksgebäude gegenüber dem Langen Haus (1726–1728), das Gebäude der Cansteinschen Bibelanstalt (1727–1754), das neue Back- und Brauhaus (1738) sowie die Druckerei (1744) (Abb. 146). In Anlehnung an Kloster-, Schloss-, Festungs- und Kasernenarchitektur schuf Francke ein großformatiges längliches Rechteck, an dessen westlicher Schmalseite sich das Waisenhaus sowie an der östlichen das Pädagogium befindet und an dessen länglichen Seitenflügeln sich auf nicht weniger als 200 Me­ tern Länge homo­gene Gebäudereihen erstrecken (Abb. 147).126 Durch die Einweihung des Waisenhauses, des Or­pha­­notrophiums, im Jahre 1701 sowie des königlichen Pädagogiums genau gegenüber im Jahre 1713127 waren die Pole festgelegt, 1716 schon war die geometrische Disposi­tion eines rectangulums weitgehend geschlossen.128 Auf diese Weise in die Vertikale zu bauen, bedeutete auch, auf engstem Raum möglichst viel 126 Ein Gebäude, „das an Art und Weitläufigkeit einem großen und reichen Kloster gleicht“; Annoni (1736, 2006), S. 199f.; siehe Stiche mit Aufrissen von Kasernen bei Penther (1748), Tab. 65, Tab. 66. 127 Niemeyer (1796), S. 28. 128 Weise (1824), S. 106, S. 111f. Der Grundriss der Himmelsstadt in der Offenbarung Johannis stellte auch ein Viereck dar, aber in quadratischer Form, die als Symbol des Ebenmaßes und der Vollendung galt.

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146: Seitenansicht und Grundriss der Gebäude der Glauchaschen Anstalten, teilkolorierter Kupferstich (um 1715/18), Halle, Franckesche Stiftungen

147: Das Waisenhaus als längliches Rechteck, Fotografie (2007), Halle, Franckesche Stiftungen

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148: Blick vom Hauptgebäude über den Lindenhof zum Pädagogium mit der Beschriftung der einzelnen Gebäude, Gottfried August Gründler, Kupferstich (1750), Halle, Franckesche Stiftungen

optisch unter Kontrolle zu bringen.129 Unter freiem Himmel entstand ein ebenso geschlossener wie unverbauter Innenraum. Als Adaption barocker Bühnenarchitektur zeigt ein zeitgenössischer Stich, der auch als koloriertes Guckkas­tenblatt vertrieben wurde, den tiefen Blick in den Hof, wobei der Innenhof in dieser Perspektive eine zusätzliche urbane Aufwertung erfuhr (Abb. 148). Mit ein wenig Phantasie wirkt das Ensemble aus der Vogelperspektive wie eine amphitheatralische Anlage, die Gebäude wie Zuschau­erränge, die auf ein circus maximus blicken, auf dem allerdings theatralische Wettkämpfe verpönt waren. Diese im schlichten Fachwerk sowie im Stile des klassizierenden Barock gehaltene Waisenhausstadt erinnerte an Schloss Friedenstein in Gotha, in dessen Schatten Francke aufgewachsen war. Es stellte nicht nur den Wohnsitz der fürstlichen Familie dar, ausgestattet mit allen für eine Hofhaltung notwendigen Räumlichkeiten, sondern barg auch sämtliche für eine Residenz erforderlichen Einrichtungen, von den Einrichtungen für die Landes­verwaltung bis hin zum Zeug- und Reithaus, vom Theater bis zur Kunst- und Wunderkammer und Bibliothek.130 Vergleichbar multifunktional und geradlinig schuf Francke seine „Stadt auf dem Berge“. Sie entsprach moder­ nen architektonischen Ansichten, wie sie z. B. der dänische Jus­tizrat Johann Peter 129 Linden, die die Gasse boulevardesker gestalten sollten, wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts gepflanzt. Das gesamte Grundstück der Franckeschen Anstalten sollte den Raum, der durch das Geviert eingenommen wurde, noch weit übertreffen. Insgesamt umfasst das Areal 18 Hektar. 130 ������������������ Rohrmüller (2001).

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Willebrand (1719–1789) in seinem Grundriß einer schönen Stadt von 1775 formuliert hatte: „Von einem modelmäßigen Waisenhause. So man solche Einrichtungen in den Vorstädten anlegen will, so wüsste ich keine modelmäßigere Anstalt dieser Art gesehen zu haben, als das vortreffliche Waysenhaus zu Glaucha vor Halle, ein ewiges Denkmal des unsterblich-verdienten Frank. Alles, was zur Vollkommenheit eines solchen Gebäudes erfordert wird, am Äusserlichen und Innerlichen, ist hier anzutreffen.“131 DAS STAMMHAUS – Zum Kern- und Ausgangspunkt der sich auf Basis von Spenden und kurfürstlicher Subventionen entwickelnden Glauchaschen Anstalten mit ihren zahlreichen Gebäuden und vielfältigen Einrichtungen wurde das 1698 begonnene und 1701 vollendete Vordergebäude, eben das Waisenhaus im eigentlichen Sinn. Franckes Aufseher und Gehilfe Georg Heinrich Neubauer (1666–1726) war im Vorfeld der Grundsteinlegung eigens nach Amsterdam gereist, um sich vom dortigen Waisenhaus anregen zu lassen.132 Tatsächlich zeigt der dortige Aufriss Ähnlichkeit mit dem Bauplan der Franckeschen Einrichtungen. In Halle entstand anstelle der bisherigen Gast- und Schankwirtschaften ein monumentales, mit einem Mansardendach gedecktes fünfzehnachsiges Gebäude. Mit insgesamt fünf Stockwerken und einer Höhe von sechzehn Metern überragte das stattliche Mehrzweckgebäude alle anderen Häuser seiner Umgebung. Bis heute präsentiert sich das Haupt­ gebäude mit Mittelrisalit und Freitreppe in der Pose eines Herrenhaus (Abb. 148a). Gegner sahen darin eine ironische, Befürworter eine würdevolle Demonstration der Armen, die es beherbergen sollte. Ursprünglich befanden sich dort die Wohnräume der Waisen und ihrer Lehrer, der Schlafraum, ein Versammlungs- und Speisesaal, wie auch die Klassenräume der Lateinischen Schule. Im Erdgeschoss war rechts die Bücherei, links die Apotheke untergebracht, im Unterdachgeschoss richtete man das Naturalien- und Kunstkabinett ein, im Oberdach die Bibliothek, während sich auf dem Dach selber ein Altan befand, wo die Zöglinge ihr astronomisches Wissen durch eigene Himmelsbeobachtung vertiefen konnten.133 Architektonische Richtlinien für schulische Institutionen waren damals Mangelware. Während sich Joseph Furttenbach (1591–1667) in seinem Teutsches Schul-Gebäw (1649) als einer der Ersten mit der Anlage „teutscher Elementarschulen“ auseinandersetzte, so mit Fragen der Belüftung, der richtigen Anordnung der Bänke und den räumlichen Bedingungen des Unterrichtsablaufs, ohne allerdings die Gebäudeformen zu berücksichtigen,134 blieb es dem Mathematiker Leonhard Chris­toph Sturm 131 Willebrand (1775), S. 229; Nelles (1991), S. 95, siehe in Kontrast dazu das Herrnhuter Beispiel, Rudolph (1938). 132 Das Waisenhaus der holländischen Metropole war ein weiträumiger Gebäudekomplex, in dem 1.400 Kinder lebten. Ihnen standen ein Feldscher, ein Bader, ein Apotheker und für den Unterricht Schulmeister zur Verfügung; Axt (2004), S. 90f. 133 Harasimowicz ������������������������������ (2005), S. 463ff. 134 Ausstellungskatalog Wolfenbüttel (1984), S. 208. Schon Comenius empfahl, Schulen an abseits gelegenen ruhigen Orten zu errichten, sie angenehm zu gestalten und auf diese Weise eine fruchtbare Atmosphäre für Lernende und Lehrende zu schaffen, z. B. durch helle und saubere Räume sowie Blumen, Schulgärten, Wandtafeln; Reble (1951, 1989), S. 118–120.

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148a: Vorderansicht des Waisenhauses, kolorierte Zeichnung (vor 1750)

(1669–1719) vorbehalten, im zweiten Kapitel des vierten Buches „Von den Schulen“ seiner 1699 erschienenen Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst prinzipielle Hinweise auf Anlage und Strukturen pädagogischer Einrichtungen zu geben. Von einer Zusammenarbeit oder Freundschaft zwischen Francke und Sturm ist nichts bekannt.135 Ein Einfluss, den die Halleschen Anstalten auf Sturms eigene Entwürfe ausübten, was sich u. a. im Aufriss des Herrenhauses der Ritterakademie von Wolfenbüttel zeigt, liegt hingegen nahe (Abb. 149).136 Drei Jahre nach der Grundsteinlegung konnte Francke verkünden: „Das WaysenHaus stehet ja würcklich da.“137 Mit dem Gebäude war etwas Unverrückbares geschaffen worden, was am „hellen Tage ist“.138 Das Gebäude kann in seinem Entwurf kaum als pietistisch bezeichnet werden. Zu sehr sind die Bauformen aus dem damals gängigen Formenrepertoire entliehen. Allenfalls bei der inneren Ausstattung sowie der Rhetorik, die die Entstehung des Gebäudes begleitete, waren pietistische Akzente deutlich zu vernehmen, erregte doch die äußere Erscheinung des Gebäudes schon 135 Dass Sturm sich zeitweilig in Halle aufhielt, kann vorausgesetzt werden, zumal er nach einem Bekehrungserlebnis anlässlich eines Besuches bei Spener zu einem überzeugten Pietisten geworden war; Wotschke (1932). 136 Auch am Fassadenentwurf und Grundriss des seit 1700 im Bau befindlichen Leipziger Zucht- und Waisenhauses sind deutlich Anlehnungen zum Franckeschen Waisenhaus zu erkennen; Ausstellungskatalog Halle (1995), S. 138. 137 Francke (1708, 1994), S. 139. 138 Ebd., S. 140.

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149: Leonhard Christoph Sturm, Aufriss des Herrenhauses für die Ritterakademie, aus Vollständige Anweisung, Allerhand Oeffentliche Zucht- und Liebes-Gebäude (1720)

während seiner Entstehung Aufsehen. Die magdeburgischen Stände monierten bei einer Eingabe an den Kurfürsten, dass das Gebäude mit seinem Frontispiz und ­seiner Freitreppe mehr einem Palast als einem Armenhause gliche.139 Francke konnte damals nicht erwidern, dass sein Bau für weit mehr als für ein Armen­haus vorgesehen war. Stattdessen wies er geschickt auf die praktischen und gesundheitlichen Bedürfnisse der zahlreichen Kinder hin, die hohe und luftige Räume verlangten. Die gute Ordnung und Symmetrie des Hauses sei keine Kostbarkeit, sondern dem „Nachsinnen“ des Baumeisters zu verdanken, der darin den höchsten Baumeister nachgeahmt hätte.140 Francke verteidigte die Bevorzugung der vertikalen Bauweise – das Waisenhaus besitzt fünf Stockwerke – aus Gründen der Rentabilität, denn es sei billiger in die Höhe als in die Breite zu bauen. Mit einer Demonstration von Hoch­ mut habe das nichts zu tun.141 Ganz im Sinne seines Glaubens – und gleichsam moder­ ne Bauhaus-Prinzipien antizipierend – stellte Francke als Bauherr Nutzen vor Prunk, koppelte Form an Funktion. In den Segensvollen Fußstapfen forder­te er, dass „derjenige, welchen ich über den Bau bestellet, recht darauf meditiret, wie er alles, was nicht zur Festigkeit, guter Ordnung, nützlichem Gebrauch und Nothdurft, sondern nur zum Zierath und Ansehen dienet, gänzlich“ vermied. Dennoch scheint sich Francke zumindest der vitruvianischen Hauptkategorien der Ordnung und Symmetrie be­dient zu haben, um „dem Hause ein feines Ansehen“ zu geben. „Künstlerische Arbeit aber, wovon man ein Gebäu auch kostbar nennet, wird ein Bauverständiger in und an 139 Tatsächlich ist die Fassade bei weitem nicht so schlicht wie die der Residenz von Gotha z. B., die Ernst der Fromme Mitte des 17. Jahrhunderts für sich hatte errichten lassen. 140 Hinrichs (1971), S. 22. 141 Deppermann (1958), S. 137.

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diesem Gebäu so wenig finden, […].“142 Mit einer Ausnahme: Die von klarer Symmetrie geprägte Fassade gehört ebenso zur pietistischen Eigen­werbung wie das kunstvolle Relief auf dem Tympanon unter dem Giebel mit den zur Sonne aufsteigenden ­Adlern, der seit dem 18. Jahrhundert als Teil des ex-libris auch tausende Bände der historischen Bibliothek ziert. Die einen brachten die Darstellung mit dem „Güldenen Adler“, dem Schild einer sich dort befundenen Gastwirtschaft, in Verbindung,143 die in den Anfangsjahren das Waisenhaus beherbergte, andere mit dem preußischen Wappentier.144 Aber auch eine Adaption des alten Symbols vom Sonnenadler ist nicht von der Hand zu weisen:145 „Der Adler, der zur Sonne steigt und un­geblendet deren Licht ertragen kann, wird zum Symbol der zu Gott aufsteigenden Seele.“146 Im damaligen Wissenschaftsdiskurs stand dieses Symbol für die Gewinnung von Erkenntnis.147 Es gehört zur Mentalität Franckes, keine weit in die Zukunft reichenden detaillierten Masterpläne zu entwerfen. Sein lebendiger Vorsehungsglaube bewährte sich in der alten Weisheit, dass derjenige am weitesten kommt, der gar nicht so genau weiß, wohin er geht.148 Francke betonte, er habe überhaupt nicht das Geld gehabt, um ein kleines, geschwei­ge denn ein „großes publiques Haus“ zu bauen: er habe „mehr auf Gott als auf den gegenwärtigen Mammon“ gesetzt.149 Nicht die Sicherheit eines angesammelten Kapitals ließ Francke also sein Werk beginnen, sondern sein tief in Gott verankertes Vertrauen. Dass in Zeiten leerer Kassen, als die Bauleute bereits ihren Lohn forder­ten, doch noch – oft in letzter Minute – Spenden einliefen, rechnete Francke unter die Wunder, die den Bau des Waisenhauses begleiteten. Für ihn vollzog sich darin ein immer wiederkehrender aktueller Gottesbeweis, und in den Segensvollen Fußstapfen veröffentlichte er eine Anzahl markanter Exempel, „wie GOttes wunderbare Provi­dentz und Vorsorge sich mit und bey dem Wercke gantz offenbarlich zu erkennen gegeben.“150 In der Propaganda Franckes erschien der Gebäudekomplex als von Gott geschaffenes Wunder, als acheiropoieton gleichsam. Da für den frommen Francke als oberster Bauherr und Baumeister Gott selbst galt, ist es nur konzequent, dass in den Akten kein Name auftaucht, den man einem Architekten hätte zuordnen können.151 Beim „Baumeister“ bzw. „Besteller“, wie Francke 142 Franckes Antwort Auf die Beurtheilung des neuen Waysen-Hauses, Francke (1709, 1994), S. 128– 132. 143 Eckstein (1863), S. 8. 144 Hinrichs (1971), S. 21. 145 So die These von Hans Joachim Kertscher, der in Anlehnung an Rudolf Wittkower (1901–1971) den Adler mit der Lichtmetaphysik verbindet; Wittkower (1996), S. 25–31; Kertscher (2001). 146 Langen (1968), S. 197. 147 So prägte das Frontispiz der Ephemeriden, der 1670 gegründeten medizinisch-naturwissenschaftlichen Zeitschrift der Academia Naturae Curiosorum, der späteren Leopoldina, ein gegen die Sonne fliegender bekrönter Adler. 148 Heinrich Julius Elers (1667–1728) in seinem Tagebuch, nach Kramer (1880/1882), II, S. 195. 149 Francke (1709, 1994), S. 30; Welte (1994), S. XV; Hinrichs (1971), S. 21. 150 Nach Sträter (1998), S. 22. 151 Es stellt ein Topos der Baugeschichte von Kathedralen dar, dass Gott selbst die Hand des Architekten geführt habe, Böhme (2001), S. 17.

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ihn bezeichnete, dessen Namen man in den Fußstapfen vergeblich sucht, handelt es sich wahrscheinlich um Franckes engsten Mitarbeiter, Georg Heinrich Neubauer,152 der sich ebenfalls voll in den Dienst der göttlichen Vorsehung stellte: „Es leuchten die Gebäude vielen Menschen so in die Augen, dass sie den Finger Gottes darin erkennen und preisen.“153 Im Vollzug der Baufortschritte sollte sich der Schöpfer aller Dinge spiegeln: „Der ist es, der dieses alles geschaffen hat, und der es von Anfang bis hieher väterlich gesegnet; und zwar nicht aus einigem ����������������� grossen Vorrath, den er mir dazu vorher in Verwahrung gegeben hätte, wie einige es gantz irrig deuten, sondern da nichts war, da hat Er gemacht, daß etwas sey (…).“154 PIETISTISCHE ZITATE – Es ist fraglich, ob es eine spezifische pietistische Architektur gibt.155 Zu unterschiedlich sind allein schon die Baulösungen der geschlossenen Anlage von Halle und der offenen von Herrnhut. Primär pädagogische und nicht archi­tektonische Überlegungen motivierten Francke zum Aufbau seines Werkes. Dennoch spiegelt sich sein Erziehungskonzept in einer Architektur mit hohem Wiedererkennungswert.156 Allein das Internatssystem, die ganztägige Kontrolle der Schüler, erforderte einen Bautypus, der ebenso übersichtlich wie umgrenzt war. Wenn es so etwas wie eine architektonische Struktur des Pietismus gibt, dann ist es die ins Auge fallende Grenzziehung zwischen Innen und Außen. In deutlicher Abgrenzung zur „nicht-erweckten“ Gesellschaft und zur Amtskirche wurde die pie­ tistische Eigenkultur getragen von dem Bewusstsein einer besonderen religiösen Sendung und eines herausgehobenen Status derjenigen, die sich dafür berufen fühlen.157 Dualistische Denkmuster sind in Franckes Theologie strukturbildend. Nach Francke stehen sich die Menschen in zwei fest umrissenen Gruppen gegenüber. Der Unterschied zwischen den Kindern Gottes und den Kindern der Welt entsteht „eigentlich daher/weil in jenen das Reich Gottes/in diesen aber das Reich des Satans zu finden ist.“ Daher kommt es, „daß ein Kind Gottes mit den Kindern dieser Welt keine wahre Gemeinschafft haben kann“.158 Dieses Denken in Gegensätzen verkör152 Axt (2004), S. 107ff. Grote vermutet Martin Grünberg als Baumeister, Hinrichs legte sich auf den kurfürstlichen Baumeister Gödeler fest; Grote (1998), S. 135; Hinrichs (1971), S. 21; siehe dazu jetzt Zaunstöck (2010a). 153 G.H. Neubauer an A. W. Böhme, 24. 12. 1714, Archiv der Franckeschen Stiftungen / H A 185:77. Das Zitat ausgegraben hat PD Dr. Holger Zaunstöck. 154 Francke (1708, 1994), S. 139. 155 Hinrichs (1971), S. 32–34; Harasimowicz (2005). 156 Francke (1709, 1994), S. 128ff. 157 „In diesen pietistischen Gruppen, die ihrem Anspruch nach nicht nur eine Vereinigung gleichgesinnter, sondern auch gleichberechtigter Christen sein wollten, und in der sich Standesgrenzen tatsächlich abschwächten, bildeten sich dennoch hierarchische Strukturen heraus, wobei aber weniger der soziale Status als vielmehr der charismatische Habitus, der Grad der Heiligung und die Fähigkeit zur ‚wahren‘ Auslegung der Bibel zur Führung qualifizierten.“ Jakubowksi-Tiessen (2004), S. 199. 158 Francke in seinen Sonn- und Fest-Tags-Predigten (1740), nach Peschke, Bd. 1, (1964), S. 66f.; Sparn (2004), S. 242.

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pert sich nun in hermetisch anmutenden Attributen der Architektur. Die bauliche Gesamtanlage der Franckeschen Anstalten ist im Unterschied zur späteren, auch aus dem Pietismus hervorgegangenen Herrnhuter Brüdergemeine, als Stadt in der Stadt konzipiert, in der Schul- und Wohnhäuser von Mauern und Toren begrenzt sind.159 Das Tor oder die Pforte stellt für den religiösen Menschen ebenso einen Übergang wie eine Trennung dar, eine Verbindungszone, die zugleich den Bruch zur profanen Welt markiert. An der Schwelle zwischen Innen und Außen, genau am Eingang der Anstalten befand sich nun gerade das Direktorenhaus.160 Der Gründer der Chris­ten­ stadt hatte seine Behausung direkt am schmalen Toreingang zu den Anstalten und schien die Funktion eines Torwächters, die in der pietistischen Tradition oft zitiert ist, auszuüben.161 Zudem mag hier im Sinne des Bildes von den zwei Wegen der „enge“, zum ewigen Heil führende Weg Gestalt angenommen haben (Abb. 150).162 Im Hof der ehemaligen Gastwirtschaft – nunmehr des Direktorenhauses – war zudem ein alchemistisches Laboratorium untergebracht,163 wo die Metapher einer alchemis­tischen Festung, die den Stein der Weisen umgibt und ihn vor Unwissenden schützt, wirksam werden konnte.164 Analog zur Grenze zwischen Innen und Außen, die bei der Anlage der Francke­ schen Stiftungen prägnanten Ausdruck gefunden hat, befanden sich die Schüler bei ihren Eintritt in die Anstalten in einem Zustand der Liminalität.165 Losgelöst aus ihren bisherigen Sozialbeziehungen, traten sie in ein von neuen Symbolen, Riten und Verhaltensmaßregeln geprägtes Klassifikationssystem ein. Wie so manches Jesuitenkolleg wirkte auch der Gebäudekomplex der pietistischen Bildungseinrichtung wie eine Festung. Die strenge Schlichtheit der Fassaden verweist auf eine umfassende Disziplinierung, die hinter den Mauern dominierte. Die Imposanz, vor allem aber lückenlose Übersichtlichkeit des Gebäudekomplexes wirkt wie eine ansehnliche Variante der von Jeremy Bentham (1748–1832) entwickelten Idee einer panoptischen Architektur der Total­überwachung. Die Anlage der Franckeschen Stiftungen scheint die machttechnologischen Ansichten Michel Foucaults (1926–1984) zu bestätigen.166 159 Axt (2004), S. 110f.; Harasimowicz (2004), S. 466f.; Reiter (2001). 160 1702 hatte Francke die Wirtschaft namens „Goldene Rose“ gekauft und bis 1715 bewohnt; Hertzberg (1898), S. 34. 161 Bereits in Andreaes Chymischer Hochzeit (1616) bildet die Geschichte der wunderbaren Berufung Christians zum Türhüter den Rahmen der Erzählung; Frey-Jaun (1989); zur Schwelle als religiösen Topos: Eliade (1957, 1998), S. 24; zur Dialektik zwischen Drinnen und Draußen: Bachelard (1957, 2003), S. 211–229. 162 Zum Motiv der zwei Wege: Harasmowicz, S. 478f.; zur Tür, Tor, Pforte im pietistischen Wortschatz: Langen (1968), S. 82 f.; vgl. auch Jakubowksi-Tiessen (2004), S. 196. Wenig später wurde zwischen dem Waisenhaus und dem Obergeschoss des Direktorenhauses ein überdachter Verbindungsgang gebaut; Schulze/Knapp/Niemeyer (1792), Bd.1, S. 282. 163 Schulze/Knapp/Niemeyer (1799), S. 20. 164 Es hieß, dass nur diejenigen, die den Torwächter Mercurius kennen, ins Innere gelangen. Über die Schwelle hinweg hilft die Erleuchtung durch Gott; Töllner (1991), S. 223f. Siehe in vorliegender Studie, S. 367–370. 165 Zum Begriff: Turner (1969, 1989), S. 101ff. 166 Brückner (2010).

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150: Franckes rekonstruiertes Wohnhaus am Schwarzen Tor (2008)

Tatsächlich entfaltete sich hinter pietistischen Mauern ein ausgeklügelter Disziplinar­ apparat. Die Zöglinge standen unter strenger Aufsicht. Die Stundenpläne und Speiseordnungen, Briefe, Tagebücher und Selbstbiographien zeugen von einem strikten Programm der Maßregelung. Der gesamte Tag war von morgens bis abends durch Lernen, nützliche Tätigkeiten und Beten gekennzeichnet, nie dagegen von Zerstreuung und Spiel. Auch die Motion, die Bewegungen und Spaziergänge, stellten keine Muße dar, denn auch hierbei musste anschaulicher Unterricht stattfinden; Außengänge wurden genutzt, um das thematische Beten einzuüben. Francke vertrat die Vorstellung, dem Wort Gottes wohne eine mechanische Wirkungskraft inne, die durch systematisches Lernen zur Entfaltung komme. Der preußische Staat benötigte Beamte und Prediger, die sich von Einflüssen der Stände und der lutherischen Orthodoxie lossagten. So wurde die auf ganz Preußen ausstrahlende Schulstadt zu einer „preußischen Pflanzstätte“, und der Pietismus zur Beamtenreligion.167 Ab Mitte des 18. Jahrhunderts schien es so, als ob mit dieser uniformier­ten Schulstadt eine Stein gewordene Phalanx des Preußischen geschaffen worden war. Der soldatisch eingestellte König Friedrich Wilhelm I. ließ es sich nicht nehmen, intensiv mit der Bildungseinrichtung in Halle zu kooperieren. Das Berliner Kadettenhaus sowie das Potsdamer Militärwaisenhaus ließ er nach dem Halleschen Vorbild errichten.168 Den dazugehörigen Überbau schuf der Pietismus, er war nicht neu, sondern entsprach

167 Hinrichs (1971), S. 110. 168 Hübner/Mies (2001).

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dem barocken Weltbild.169 In seinen Schrifttmäßigen Lebens-Regeln von 1717, einem Kodex für die christliche Lebensführung propagierte Francke eine strenge Reglementierung.170

Kabinette der Dinge „In der Bibliothec desselben trifft man eine ansehnliche Zahl Griechische und Rußi­ scher Bücher an, und so viele Malabarische Manuscripta auf Palmen-Blättern, als vielleicht keine Bibliothec in Europa aufweisen kann. Seit langen Jahren hat man auch angefangen verschiedene Curiositäten zu sammeln; worunter viele Naturalia und andere merckwürdige Dinge von der See-Küste, desgleichen allerley Mineralien, die Materia Medica, Conchylien, eine Zauber-Drommel und dergleichen mehr anzutreffen sind. In einem besonderen Zimmer werden die zwey Systemata coelestia des Tychonis und Copernici mit allen in die Augen fallenden Sternen gezeiget … von den Prediger an der hiesigen Ulrichs-Kirche, M. Semler verfertigt, welchem man auch die hier befindliche Stiffts-Hütte nebst der Vorstellung der Stadt Jerusalem mit ihrer Gegend zu dancken hat.“171 Nicht nur dem Reiseschriftsteller der Aufklärung Johann Georg Keyßler (1693–1743) fiel auf, dass die konfessionelle Identität des Halleschen Pietismus ohne die mediale Vermittlung von raumgreifenden Dingen bzw. Exponaten nicht denkbar ist. Alchemistische Experimente, phy­siko-theologische Positionsbestimmungen und Sammlungspraktiken steckten ein Tableau ab, das die Grenzen des konventionellen theologischen Diskurses immer wieder durchbrach. Schon in der Frühzeit der Anstalten gehörte die Einrichtung eines Naturalienkabinetts zum pädagogischen Konzept Franckes. Der Gedanke, eine Naturalien-Sammlung anzulegen, soll ihm durch einen grünen Jaspis, den er einst als Geschenk erhalten hatte, gekommen sein.172 Dieser Sammlungstyp war Francke schon von Jugend auf vertraut. Es ist wahrscheinlich, dass er aus eigener Anschauung das Kabinett des Gelehrten Andreas Reyher (1601–1673) in Gotha sowie das Museum Cimbricum von Johann Daniel Major (1634–1693) in Kiel kannte.173 Im Zeitalter des Barock ging von der Idee einer Kunstkammer Universalität aus; ihr Ziel bestand darin, die Welt in der Stube zu spiegeln oder zumindest das Große im Kleinen zur Schau zu stellen. In den 1741 erschienenen „Instruktionen für den 169 Die mechanistische Naturauffassung in der Philosophie eines René Descartes (1596–1650) kommt auch in kirchlichen Traditionen zum Ausdruck. So liegt sie dem katechistischen Prinzip zugrunde, das ein mechanisches Frage- und Antwortmuster vorgibt, mit dem Ziel, Glaubensinhalte zu verinnerlichen. 170 Parallelen zu den Erziehungsanstalten der Jesuiten tun sich auf. „Bei beiden [Francke und Loyola] waren die Schüler an einer freien Bewegung gehindert. Die Beaufsichtigung artete in ein förmliches Spioniersystem aus“; Mertz (1899), S. 408f. 171 Keyßler (1741), S. 1115f. 172 Dieck (1863), S. 220; Schulze/Knapp/Niemeyer (1799), S. 161–168. 173 Auch in Halle bestanden solche Einrichtungen bereits, so das Kabinett des Mediziners Laurentius Hoffmann (1582–1630) oder das des Mathematikers Johann Jacob Spener (1669– 1692); Storz (1965), S. 104.

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Herum­führer“ durch die Naturalienkammer des Halleschen Waisenhauses heißt es: „Da nun der Haupt Zweck ist, die große Welt (und zwar Natur und Kunst) allhier im kleineren beisammen zu haben.“174 Neickels Museographia (1727) weiß davon zu berichten, dass ihre Selbstbezeichnung beinahe so variabel wie ihr ­Inhalt war: „Die Teutschen haben auch unterschiedene Namen erdacht, womit sie ihre Curio­sitätenBehältnisse zu benennen pflegen, als: Eine Schatz-Raritäten-Natura­lien-Kunst-Vernunfft-Kammer, Zimmer oder Gemach.“175 In den Quellen der Franckeschen Stiftungen ist meist nur von der „Naturalien-Cammer“ im „Waysenhaus“ die Rede.176 Dabei stellte die naturkundliche Sammlung nur einen Teil der gesamten Kollektion dar. Zudem lagen die Ursprünge dieser Sammlung keineswegs im Waisenhaus, sondern im Pädagogium, in Franckes vornehmster Schule. Überhaupt scheint der Begriff der Kunstkammer inzwischen weitaus treffender zu sein, nicht nur weil die Sammlung aus zahlreichen Artefakten bestand und sie theatral in kunstvoll-raffinierten Schränken präsentiert wurde, sondern weil es damals üblich war, die Natur als Kunstwerk des sich als Geometer in Szene setzenden Gottes verehrend zu betrach­ ten. Da die Dingwelt – allen voran die Naturalia – auf Gott als ihrem Demiurgen zurückzuführen war, kann begrifflich von „Kunstkammer“ im Vergleich zu „Naturalienkabinett“ eine größere religiös-transzendente Konsistenz abgeleitet werden. Kunst­kammern entstanden nicht nur, um kosmologische Ordnungsmuster abzubilden. Die in der Kunstkammer zusammengetragenen Raritäten aus der Ferne hatten auch die Funktion, einen Herrschaftsanspruch zu formulieren, der weit über das eigene Territorium hinausging. Für Halle galt es, eine facettenreiche Welt in die Stube zu holen, eine Welt die zunehmend unter pietistischen Einfluss zu stehen schien. Gründungsdokument für die Einrichtung in Halle ist ein Brief, den Francke 1698 an Kurfürst Friedrich III. (1657–1713) richtete. Darin bat er seinen brandenburgischen Landesherrn, der wenige Jahre später preußischer König werden sollte, um Duplikate aus dem Reich der naturalia und rariora der kurfürstlichen Kunstkammer in Berlin.177 Auf diese Weise gelangte der Zahn eines Flusspferdes, mehrere Walpenisse und ein Straußenei nach Halle. Aus diesen Anfängen ging in wenigen Jahren eine stattliche Sammlung hervor.178 Als Mittel der Werbung in eigener Sache zeigte Francke sie Besuchern, nicht ohne sie zu ermuntern, Objekte der Sammlung zu vermachen.179 Seit jeher hatte die Kammer eine besondere Rolle in der Öffentlichkeits­arbeit 174 Nach ����������������������������� Müller-Bahlke (1998), S. 37. 175 Neickel (1727), S. 409. 176 Noch Max Sauerlandt (1880–1934) nannte die Hallenser Einrichtung „Naturalienkammer“, Sauerlandt (1911). 177 Acta die An- und Einrichtung der Naturalien-Cammer des Waisenhauses betr., Bd. l, S. l; Archiv der Franckeschen Stiftungen/W ������������������������������������� XI/-/14������������������������������ ; Müller-Bahlke (1998), S. 13. 178 Der Wachstum der Sammlung ist anschaulich in Franckes Segensvollen Fußstapfen dokumentiert. 179 Historische Nachricht von dem ersten Anfange des Paedagogii, S. 7, Archiv der Franckeschen Stiftungen /S A I 200. Von 1698 stammt auch das erste Verzeichnis der Sammlung mit über fünfzig Objekten. Noch waren die Anstalten Franckes über mehrere, meist gemietete Häuser in Glaucha verteilt.

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des Waisenhauses gespielt. Zwar hatte August Hermann Francke sie zu schulischen Zwecken ins Leben gerufen, aber sehr schnell erkannte er ihren Wert als Publikums­ attraktion und die Möglichkeit, durch sie neue Förderer für sein Werk zu gewinnen. Im Jahr 1713 bekannte Francke gegenüber dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. anlässlich seines Besuchs: „Diese Kammer bringt mir mehr ein, wie alle an­dere; denn da kommen manche Leute umb d. Naturalien -Cammer, u. besehen denn das gantze Werck, u. laßen denn was fürs Hauß zurück.“180 Die Naturalienkammer in Halle ist ein Spiegelbild globaler pietistischer Vernetzung. Die Orientierung in weiten geographischen Räumen durch die Halleschen Pietisten war zwangsläufig mit einer Ausdehnung der Sammlung im geschlossenen Raum verbunden. Bis in die entferntesten Winkel der Erde knüpfte Francke mit seinen Mitarbeitern Kontakte und aus allen Himmelsrichtungen gelangten exotische Gaben nach Halle: Gegenstände aus Rußland, aus Schweden, den Balkanländern, aus dem Vorderen Orient, aus Indien und Nordamerika. Ohne großen finanziellen Aufwand konnte somit eine florierende Kunst- und Naturaliensammlung angelegt werden, mit deren Zunahme auch der Bekanntheitsgrad der gesamten Erziehungseinrichtung gesteigert werden konnte.181 Bereits in der ersten eigentlichen Inventarliste von 1701 waren eine Reihe von Exponaten aus der Ferne verzeichnet: Artefakte, wie ein „samogetisches Kleid von Rennthier-Fellen“; „eine Mückenhaube aus Astracan“, „ein Türkisch Beschneidungs Messer“, Kuriosa der Natur, wie ein „Ele­phantenZahn“; „ein weisser Maulwurff“, eine „grosse Perlen-Muschel“ oder eine „ausgeleerte Cocus-Nuß, so an stat eines Bechers gebrauchet worden“; sowie einen „Lapis inflammatus ex Monte Vesuvio“ schließlich „eine Indianische Ente“.182 Interessierte machten in Halle Station, um sich derartige Objekte im Waisenhaus zeigen zu lassen. Es wurde eigens ein Student zum Aufseher über die Sammlung ernannt, der die Besucher zu festgelegten Zeiten über das Gelände und durch die Naturalienkammer führte. Um 1720 sollen pro Tag mehr als fünfzig Besucher gekommen sein. Auch die Fachwelt nahm allmählich Notiz von der Sammlung.183 Die Idee der Kunstkammer war in den Franckeschen Anstalten mit dieser Sammlung aber keineswegs erschöpft. Schon in seinem Plan von 1698 zur weiteren Ausgestaltung des Pädagogiums hatte Francke die Anlegung eines ganzen Samples von Sammlungen vorgesehen.184 Neben botanischem Garten und Observatorium ließ er noch mathematische und physikalische, astronomische, Münz- und Modellsammlungen 180 Protokoll des königlichen Besuchs am 12. April 1713, Bl. 13v, Archiv der Franckeschen Stiftungen/W II/-/U; allg. zur Zugänglichkeit deutscher Museen im 18. Jahrhundert: Savoy (2006), S. 20–22. 181 Becker (1996), S. 66–70. 182 153 Objekte sind aufgelistet; Specification derer Sachen / Welche zu der für die Glauchi sche Anstalten anfangenen / Natuarlien-Cammer / bis anhero verehret worden. A. 1701, Archiv der Franckeschen Stiftungen/W XI/–/14, Bd. 1. 183 Neickel (1727), S. 56; Brückmann (1749), S. 1011–1025. 184 Projecte wie die Anführung Herren-Standes / Adelicher und anderer führnehmen Jugend veranstaltet / Und guten Theîls wircklich eingerichtet und angefangen. Halle 1698, § X, nach Müller-Bahlke (1998), S. 15.

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zusammentragen. Er gründete eine Bibliothek, ließ eine Anatomiestube einrichten, und in den kommerziellen Einrichtungen, wie der Verlagsdruckerei, der Apotheke und dem Medikamentenlabor, setzten sich die Kollektionen fort. Bereits im 1565 erschienenen Traktat zur Sammlungstheorie von Samuel Quiccheberg war die ideale Kunstkammer in derartige Einrichtungen eingebettet.185 Für Halle fasst Thomas Müller-Bahlke treffend zusammen: „Die einzelnen Sammlungen und Sammlungsteile waren nicht streng voneinander getrennt, sondern alles schien untrennbar ineinander verwoben, konzeptionell und in der Praxis: Die Naturaliensammlung ent­hielt auch Artefakte, auf der Bibliothek standen mechanische Modelle zur Vorführung, biblische Landschaftsmodelle waren teils im Waisenhaus, teils im Pädagogium aufgebaut. Dort veranstaltete man in der Anatomiestube auch Sektionen an Tierkörpern. Der Anstaltsarzt hielt Schulunterricht im botanischen Garten ab, und anhand von Ingredienzien aus der Waisenhaus-Apotheke wurden mit den Schülern Physikexperimente angestellt.“186 Entsprechend bildeten die in der Naturalienkammer erfassten Stücke nur den Sammlungskern in den Anstalten. Nahm der Besucher über die eigent­liche – vergleichsweise kleine – Kammer alles in den Blick, was die Anstalten an kurio­sen, seltenen, sehenswerten und belehrenden Dingen zu bieten hatte, eröffnete sich ihm eine abwechslungsreiche Topographie sich ergänzender Dingwelten.

Anschauung als Kulturtechnik In der Kunst- und Naturalienkammer von Halle konnte sich auf engem Raum der Schauwert unterschiedlichster Dinge entfalten, ohne durch Beschriftungstafeln domestiziert zu sein.187 Schon Francke war es ein Herzensanliegen, dass junge Leute durch Anschauung und Erfahrung lernten. Deshalb gab es an seinen Schulen auch neue, auf Sachen bezogene Unterrichtsgegenstände und Fächer: neben Lesen, Schreiben, Rechnen, dem Erlernen von Sprachen, Geographie und Geschichte auch Physik, Botanik, Zoologie, Mineralogie, Anatomie, Ökonomie und Astronomie. Die Schulund Lehrordnung von 1702 bestimmte den Besuch des Naturalien-Kabinetts zu einem festen Bestandteil der Erziehung. Aus der benachbarten Bibliothek konnte Literatur geholt werden, die über die einzelnen Ausstellungsstücke informierte; der darüber liegende Altan auf dem Dach, von dem aus die Schüler den Himmel betrachteten, ermöglichte die Anwendung astronomischer Geräte; in den Wirtschaftsbetrieben und Werkstätten der Anstalten fand eine praxisnahe Ausbildung statt. Realien standen hoch im Kurs. Mit Hilfe von Modellen wurde den Kindern Architektur, anhand ausgestopfter Tiere, gesammelter Steine, Muscheln, Korallen Phänomene der Natur vermittelt. Die Schüler wurden animiert, Kräuter und Pflanzen zu sammeln und Herbarien anzulegen, wozu ein Schulgarten auf dem Anstaltsgelände diente.188 185 Quiccheberg (1565, 2000), S. 78–87. 186 Müller-Bahlke (1998), S. 15. 187 Dafür waren in einem Schrank Handbücher aufgestellt. 188 Zur Naturanschauung außerhalb der Lehrstunden: Niemeyer (1796), S. 20; Trepp (2009), S. 338–372.

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MODELLE UND REALIEN – Innovative und zukunftsweisende Elemente prägten das Schulwesen im Halleschen Pietismus, insbesondere der Realienbezug des modernen naturwissenschaftlichen Unterrichts setzte Maßstäbe. Friedrich Hoffmann (1660–1742) schrieb in seinem Vorwort zur 1734 veröffentlichten Einleitung in die Botanic des Berliner Realschulgründers Johann Julius Hecker (1707–1768): „Es haben mir daher vor vielen andern Schulen besonders wohl gefallen die Anstalten, welche sich bey dem hiesigen Pädagogio Regio und Waysenhause befinden: weil die Jugend daselbst mehr auf Realitäten und Wissenschaften, die den Verstand excoliren; als solche Dinge, so das Gedächtniß beschweren, geführet wird. (…) Denn es fehlet ihnen weder an genügsamen Vorrahte der kostbarsten Instrumenten, so zur Erforschung der Natur und Kräften der Elementen, als der Luft, des Wassers, des Feuers und der übrigen natürlichen Dinge, nöthig sind: noch an auserlesenen Naturalien, welche von allen, die sie sehen, admiriret werden. Hiernechst findet man auch daselbst schöne Gelegenheit in der Anatomie durch Secirung der Thiere, in der Materia medi­ ca, und in der Botanic zu profitiren.“189 Oft entspann sich die Wissensvermittlung an einem Modell, ob nun damit die Zimmermannsarbeit, die Salzgewinnung, die Pferdehaltung, die Baukunst oder das chemische Laboratorium veranschaulicht werden sollte. Am Modell wurden einzelne Bestandteile erläutert, die notwendigen Fachbegriffe erklärt; wenn nötig, ließ es sich in Bewegung versetzen. Christoph Semler (1669–1740), Prediger an der Ulrichs­ kirche in Halle, pries den Unterricht an einem Modell als höchste Form der Erkenntnisvermittlung und stellte eine aus Modellen bestehende „Mechanische Kammer“ zusammen, die – 1718 in die Obhut der Anstalten gegeben – Bestandteil der Kunstund Naturalienkammer werden sollte.190 Wenige Jahre zuvor hatte sich Francke vorgenom­men, die Realschulpläne Semlers erneut aufzugreifen und eine eigene „mechani­sche Schule“ zu gründen.191 Diese von Francke und Semler ausgehenden Anstöße inspirierten Hecker bei der Gründung der ersten Realschule in Berlin im Jahre 1747.192 Im Rückenwind der von Johann Joachim Becher (1635–1682) konzipierten „Werkhäuser“ sowie Leibnizens Forderung nach Handwerkerschulen193 breitete sich Franckes Idee einer Verbindung von Frömmigkeit und Nützlichkeit durch anschaulichen praktischen Unterricht, der auf einer breiten Lehrmittelsammlung basierte, über ganz Europa aus. Sein auf Effizienz ausgerichtetes Handeln musste technisch gewandt sein. Also suchten Francke und seine Mitstreiter stets nach den praktika189 Unpaginiert; nach Müller-Bahlke (2004), S. 367. 190 Zu der ������������������������������������������������������������������������������� ersten ������������������������������������������������������������������������ Realschulgründung in Halle siehe unpag. Vorwort bei Semler (1709); Dreyhaupt (1749/1750), Bd. 2, S. 215f.; Müller-Bahlke (1997), S. 48f. 191 Schicketanz (1972), S. 733. 192 Müller-Bahlke (2004), S. 360f.; ausführlich zu den Anfängen des Realschulwesens in Halle Müller-Bahlke (1997). Hecker ist in der zweiten Generation des Halleschen Pietismus der bedeutendste Protagonist dieser neuen Schulbildung Franckescher Prägung geworden; zum Leben und Werk Heckers: Bloth (1968); zu Heckers enger Verbindung zu Halle: Ment­ zel (1999). 193 Briese (1887), S. 24.

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belsten Methoden. Jedes Hilfsmittel, jede Methode und jede Technik war willkommen, solange sie nicht gegen die Zehn Gebote verstieß. Dabei war das Technikinteresse keineswegs grenzenlos. Es endete abrupt dort, wo die Technik zum Selbstzweck mutierte. So teilten die Halleschen Pietisten nicht die weit verbreitete Freude an Automaten aller Art, wie sie in zahlreichen Wunderkammern des 17. und 18. Jahrhunderts anzutreffen waren, oder zum Vergnügen der Allgemeinheit auf Jahrmärkten vorgeführt wurden.194 Denn diese Art von Techniken – mochte sie auch noch so kunstfertig sein – diente lediglich der Zerstreuung und gehörte so zu den abgelehn­ ten „Mitteldingen“ dieser Welt. Gleiches galt für Technik, die lediglich zur Reprä­ senta­tion oder Dekoration taugte.195 So wurde die ursprünglichen Pläne, auf dem Altan des Waisenhauses eine „Wasserkunst“ zu installieren, nicht umgesetzt. Gerade auf dem Sektor der Realienbildung wandelte Francke in den Fußstapfen von Andreae und Comenius.196 Die Kulturtechnik der Anschauung strahlte damals universale Gültigkeit aus; sie setzte sich über jede fachdisziplinäre Grenzziehung hinweg. So trafen sich in der Realienbildung sowohl Pietisten als auch Philosophen. Gerade auf diesem Sektor offen­bart sich eine Allianz zwischen Frühaufklärung und Pietismus. Noch nach der Vertreibung von Christian Wolff (1679–1754) im Jahr 1723 durch die pietistische Fraktion von der Halleschen Universität rezipierten die An­stal­ ten aus seinem Mathematischen Lexikon (1734) Anweisungen zum Modellieren der fünf Platonischen Körper. NATUR ALS GOTTESBEWEIS – In polymathischen Kuriositätenkabinetten präsentierte sich die Natur oft so, als ob sie ein von Gott in Szene gesetztes Schauspiel wäre.197 Ihre Betrachtung war bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein von der Idee der großen „Kette der Wesen“ beherrscht, eine im Grunde philosophisch-theologische Vorstellung, deren Anfänge sich bis in die Hochscholastik zurückverfolgen lassen.198 Dem Aufbau der Welt lag dieser Idee zufolge eine hierarchische Ordnung zugrunde, die in kleinsten Abstufungen vom niedrigsten Wesen bis zu den Engeln am Throne Gottes reicht. Von Prinzipien der Fülle und Kontinuität beherrscht, stellte das Universum ein geschlossenes Ganzes dar. Im Plan der Schöpfung hatte jedes Wesen seinen festen Platz. Dass die Natur sich im Laufe der Geschichte grundlegend 194 Am 29. Mai 1748 berichtete der Augsburger Pietist Samuel Urlsperger (1685–1772) mit Abscheu von der öffentlichen Vorführung der automatischen Ente und des mechanischen Flötenspielers, mit denen Jacques de Vaucanson (1709–1782) in ganz Europa Berühmtheit erlangte; Weigelt (1990), S. 190. 195 Müller-Bahlke (2004), S. 371, einen spielerischen Umgang mit der Technik pflegte hingegen Comenius; Schaller (1997). 196 Auch Andreas Reyher und John Dury (1596–1680) sind zu nennen. Reyher war für die Konzeption und Umsetzung der Gothaer Schulreform verantwortlich und regte in seiner Abhandlung Von den natürlichen Dingen (1656) eine umfassende Naturkunde bzw. Realienbildung an. Er plädierte für die Einrichtung von Sammlungen in den Schulen des Landes; Collet (2007), S. 40f. Zu Franckes Comeniusrezeption: Peschke (1975); Hofmann (1968). 197 Stafford (1994), S. 262–273. 198 Ohly (1999).

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verändert haben könnte, erschien abwegig; die Natur hatte keine eigene Geschichte. Sie war das Werk Gottes, der im Verlauf seines siebentägigen Schöpfungswerks alle Wesen geschaffen hatte. Der Widerspruch, der sich zwischen biblischer und naturwissenschaftlicher Wahrheit auftut, war noch nicht dominant. Vielmehr schien um 1700 das Buch der Natur das Wissen aus der Bibel sinnvoll zu ergänzen. Immer mehr verbreitete sich die Ansicht, dass es nicht nur durch das Lesen der Schrift möglich sei, Gott zu erkennen, sondern auch – als „Irdisches Vergnügen in Gott“199 – durch die Aktivierung der Natur­­wahrnehmung bzw. des sinnlichen Erkenntnisvermögens. Physiko-theologische Impulse machten aus Kuriositäten und Exotika Medien, den Geheimnissen des großen Schöpfungszusammenhangs auf die Spur zu kommen.200 Francke stimmte mit Andreae, aber auch mit Leibniz darin überein, dass die wissenschaftliche Erforschung und Nutzung der Naturkräfte Güte, Weisheit und Größe des Schöpfers veranschau­licht. Erkenntnisse der Naturwissenschaften galt es der Allgemeinheit vor allem deswegen nutzbar zu machen, weil man sich auf diese Weise der Allmacht Gottes bewusst werden könne.201 Zwischen Wissenschaft und Glaube wurde ein Pakt geschlossen. Die Verbindung von chiliastischer Zukunftserwartung und naturwissenschaftlicher Forschung ist nachgewiesen für eine Reihe führender Gestalten im Vorfeld der Gründung der Royal Society.202 Schon Johannes Kepler (1571–1630) hatte die großen Fortschritte auf physikalischem und astronomischem Gebiet mit einem Fortschritt der Gotteserkenntnis verquickt, erhebt sich doch im Naturerkennen der menschliche Geist zum Schöpfer.203 Auch Johann Arndt diente die Natur als Gottesbeweis.204 Demnach ist Gott aus dem Buch der Natur und aus dem Buch der Bücher, der Heiligen Schrift, zu erkennen. Entsprechend betonte Arndt die Beweiskraft der Natur für die Existenz Gottes. „Entfernet und doch zugegen“ ist der Merkspruch ­ einer emblematischen Abbildung in Arndts Bücher vom wahren Christentum, die in surrealistischer Anmutung ein überdimensioniertes vereinzeltes Auge vor einem Fernrohr zeigt (Abb. 151).205 Dieser physiko-theologische Ansatz pflanzte sich im Halleschen Pietismus fort. Auch er sieht in Dingen der Schöpfung den Verweis auf den Schöpfer. Je genauer also die Kenntnis von den Dingen, desto fundierter gestaltet sich das Wissen um Gott. Die empirische Methode der Welterkenntnis wird hier zum theo­logischen Werkzeug. Der Mensch ist nicht mehr das hoffnungslos der Erbsünde verfallene Geschöpf, sondern ein Mikrokosmos, der die Gesetze des Makrokosmos durch Anschauung bzw. Theatralität zu klarer Erkenntnis entwickeln und anwenden kann.

199 So der Titel einer mehrbändigen Gedichtausgabe von Barthold Heinrich �������������� Brockes (1680– 1747). 200 Hommel (2006); Nehring (1999); Ehrhardt-Rein (1996). 201 Beyreuther (1957) S. 96f. 202 Webster (1982); Westfall (1964); Schaller (1991). 203 Blair (2000). 204 Bei ihm findet die Zwei-Bücher-Lehre Raimund von Sabundes († 1436) aus dem Spätmit telalter Ausdruck. 205 Zur vergleichbaren Bildpraxis bei Johan Jakob Scheuchzer (1672–1733): Felfe (2003).

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151: Emblem aus Johann Arndts „Wesen des Christentum“ (1696), Halle, Franckesche Stiftungen

Aktivitäten der in Halle ausgebildeten Schüler und Studenten Franckes, die als Mediziner, Theologen, Missionare in aller Welt auf Forschungs- und Sammlungsreisen den materiellen Fundus erweiterten, zeigen, dass es sich bei der Zusammenstellung von Sammlungen, selbst wenn sie aus fremden Dingen bestanden, um eine Weltsprache handelte, die jeder verstand.206 Gerade von Fremdem ging ein Sog aus, sich der materiellen Vielfalt in einer bisher unbekannten Intensität hinzugeben: Material novelties…. were so varied and so new to European travelers and traders that they created a crisis of meaning only solved by attention to the material world, i.e., by envisioning ways to explain and use it.207 So führte der Arzt Daniel Gottlob Messerschmidt (1685–1735) – von Francke motiviert – zwischen 1720 und 1727 im Auftrag des Zaren als erster eine Sibirienexpedition zur Vermehrung der Natur- und Kunstsammlungen der neu gegründeten Petersburger Akademie der Wissenschaften durch.208 Anschauliches Naturwissen war so universal, dass es in Indien als Vehikel dienen konnte, Missionare und einheimische Bevölkerung einander anzunähern. Von den Missionaren 206 Das moderne Europa und das Museum entstanden ungefähr zur gleichen Zeit, als die Europäer begannen, sich mit den außereuropäischen Völkern zu vergleichen und dadurch ein neues Selbstbewusstsein begründeten. Es wurden große Sammlungen von Kuriositäten und Ethnographika fremder Völker angelegt, die schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Beweis dafür liefern sollten, dass es „die anderen“ gibt; vgl. Bitterli (1986); Greenblatt (1991, 1998); Kohl (2003); Bujok (2004); Collet (2007). 207 Mukerji (1983), S. 21. 208 Jahn (1994) S. 492.

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Christian Friedrich Schwartz (1726–1798) und Christian Wilhelm Gericke (1742–1803) erzogen und ausgebildet, aber seinem Hinduglauben treu geblieben, widmete sich Serfoji II. (1777–1832), der Rajas von Than­javur, zeitlebens naturwissenschaftlichen und musischen Studien und eröffnete in seinem Palast nach dem Modell der Franckeschen Stiftungen ein Kuriositätenkabinett sowie eine Bibliothek.209 Mit Christoph Samuel John (1747–1813) sollte die pietistische Missionstätigkeit in Tranquebar ab 1771 eine pointiert naturgeschichtliche Programmatik gewinnen. Unter dem Einfluss epochaler Werke, wie der Systema naturae (1735) vom Arzt und Botaniker Carl von Linné (1707–1778) oder dem Katechismus der Natur (1777) vom Philosophen, Theologen und Naturforscher Johannes Florentinus Martinet (1729–1795) entwickelte sich John zu einem angesehenen Naturforscher und Naturaliensammler. Johns physiko-theologisches Grundverständnis beruhte auf der Gewissheit, „dass die Offenbarung Gottes in der Natur die einzige allgemeine ist.“210 Vor dem prägenden Hintergrund seiner alltäglichen Erfahrungen mit der polytheistischen Glaubenswirklichkeit in Südostindien und einer als unumgänglich erachteten Reform der Missionsverhältnisse in Tranquebar sah John in Natur bezogener Gotteserkenntnis einen viel versprechenden Ansatz zur Bekehrung der Tamilen, insbesondere aus höheren Kasten. In Gesprächen mit Einheimischen bekannte sich der Missionar gegenüber einem Einheimischen zur Astronomie als einer der „aller edelsten“ Wissenschaften, „die Gott in seiner unendlichen Größe am aller deutlichsten darstellt u. zur tiefsten Bewunderung u. Anbetung leitet.“211 Zur Veranschaulichung der Naturerscheinungen bediente er sich oft wissenschaftlicher Instrumente. Besonders das Mikroskop löste bei den Einheimischen ein andächtiges Staunen aus: „Mein großes zusammengesetztes Mikroscop habe ich dabey im Fenster stehen und unter demselben einige Objekte, die ich sie betrachten lasse und sie nachher selbst aufmuntere, die kleinsten und unansehnlichsten Insekten, Gräßchen oder Blümchen darunter zu legen, die sie selbst suchen und wählen mögen. Das Erstaunen und Bewundern, das sie dabey zeigen, ist nicht zu beschreiben. Ein Brahmaner wurde dabey so entzückt, dass er ausrief: ‚Ihr braucht nicht mehr viel zu sprechen, ein Blick durch euer Mikroscop ist genug zur Überzeugung und mehr als eine ganze Predigt.“212 Was John in der Ferne wahrnahm, fiel auch in seiner Heimat auf fruchtbaren Boden. Als Verwandter in seinem Geiste kann Franz Heinrich Ziegenhagen (1753– 1806) gelten, ein pietistisch erzogener Kaufmann aus Hamburg, der sich im Laufe seines Lebens zunehmend Maximen der Freimauerlehre zu eigen machte. In seinem von Da­niel Chodowiecki (1726–1801) illustrierten Werk Lehre vom richtigen Verhältnis zu den Schöpfungswerken (1792) zeigt ein Stich eine repräsentative Versammlung in einem ­ hohen, geräumigen Saal. Als Randfiguren sind mit Kaiser und Kurfürst, 209 Viswanathan Peterson (1999), S. 176f. 210 John an Schulze, 15. Oktober 1792, Archiv der Franckeschen Stiftungen/M 1 C 29b:14, nach Hommel (2006), S. 171. 211 Tagebuch von John 1793, Archiv der Franckeschen Stiftungen/M 2 E22:7, nach Hommel (2006), S. 172. 212 John an Schulze, 14. März 1797, nach Neue Hallische Berichte 52 (1798), S. 369.

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Pastor, Rabbiner und Sultan die Vertreter der alten Konfessionen zu erkennen. Im Zentrum steht eine neue, auf große Plakate mit Naturabbildungen starrende Glaubensgemeinde, die die Natur zur Führerin der Gotteserkenntnis erkoren hat (Abb. 152). Die Betrachtung der Natur als Schöpfung Gottes war kein Phänomen, auf das eine einzelne Konfession ein Monopol gehabt hätte. In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhundert finden die pietistischen Kunstkammern von Herrnhut und Halle ihr konfessionelles Analogon in vergleichbaren Gründungen katholischer Orden, wie der Sternwarte bzw. dem Turm der Wissenschaften der Benediktiner in Kremsmünster.213 Schon Jahrzehnte davor hatte der Benediktiner Claude du Molinet (1620–1687) in der Abtei von Sainte Geneviève in Paris ein cabinet de curiosités gegründet. Auch die weltberühmte Museumswelt in Rom des Jesuiten Athanasius Kircher (1602–1680) ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Dennoch blieben die jeweiligen Sammlungswelten strikt getrennt in dem Sinne, dass wohl niemals ein Pietist auf die Idee gekommen wäre, mit seiner Gabe eine jesuitische Sammlung zu bereichern oder ein Jesuit einer pietistischen Sammlung ein Objekt stiftete. Über Jesuiten als Museumsbesucher in Halle wissen wir nichts. Vor dem Religionsschrank der Halleschen Kunstund Natura­lienkammer wären sie auf katholische Relikte, wie den Rosenkranz, in direkter Nachbarschaft mit Exotika, wie hinduistischen Tragaltären, gestoßen. In der Rezeption scheinen sich die konfessionellen Gruppen aus dem Weg gegangen zu sein; umso mehr fallen die museologischen Gemeinsamkeiten ins Gewicht.214 Realienbildung stand auch bei Jesuiten hoch im Kurs, ebenso die Leidenschaft, vielfältige Sammlungen zur Wei­terbildung zusammenzustellen. Ein direk­ter Zeitgenosse Franckes war der Jesuit und Sammler P. Ferdinand Orban (1655–1732). Noch im Jahre 1725 errichtete ihm das Ingolstädter Jesuitenkolleg für dessen Kuriositätensammlung im Garten einen eigenen Museumsbau, in der sich unter vielem anderen als Geschenk von John Churchill, des Herzogs von Marlborough (1650–1722), ein so Aufsehen erregender Gegenstand wie Cromwells Hirnschale befand. Orbans Bekanntschaft mit regierenden Fürsten und die Welt umspannende Missionstätigkeit des Jesuitenordens machten sich in der Erwerbung seltener Ausstellungstücke bezahlt.215 Fern der Heimat sammelten pietistische und jesuitische Missionare Naturalien und Artefakte, und schickten sie in ihre jeweilige Naturalienkammer, ob nun nach Halle oder Herrnhut, nach Rom oder Ingolstadt.

Panoptikum der Schränke Der Schrank zählt zu den grundlegenden Gegenständen eines Museums, da jedes ausgestellte Wissen Behälter benötigt. In Kunst- und Wunderkammern wurden zahlreiche Gegenstände der Kunst und Natur in den Raum eines sie bergenden 213 Becker (1996), S. 72–90; Wintz (2009). 214 Schon früh ist auf Parallelen zwischen Pietisten und Jesuiten und die hohe Bedeutung, die bei beiden Glaubensrichtungen pädagogische Fragen spielen, aufmerksam gemacht worden; Merz (1899). 215 Hofmann (1994).

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152: Daniel Chodowiecki, Das Studium der Natur als neue Religion (1799), Berlin, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen

Schrankes transferiert. Das Behältnis im Kabinett, schreibt der Architekt Leonard Christoph Sturm 1707 „verdienet am allermeisten“, dass es „wohl untersuchet würde/in deme das gröste Theil der Vollkommenheit einer Raritäten-Kammer darauf beruhet. Nichts destoweniger ist bisher auff diese Sache fast am wenigsten gedacht worden. In theils Orten gebrauchet man bloß lauter Tische / in anderen Schräncke / in andern Repositoria, endlich in andern in Fächer eingetheilete Pulte.“216 Das Möbel „Schrank“ stellt das zentrale Medium dar, die Welt der Natur und Kunst in einen zu überblickenden Raum zu bringen. Ein Schrank, „ein Behältniß mit Thüren, dessen Höhe die Breite, noch mehr aber die Tiefe übertrifft, allerley Dinge darin zu verwahren“,217 ist stets Raum in einem Raum, der ihn umgibt; er stellt ein Zimmer im Kleinen für Dinge dar.218 Aus dem Vorformen der Truhe, des Reliquienregals und 216 Kapitel „Von Schräncken und anderen Repositoriis auff denen die Raritäten ausgeleget werden“ bei Sturm (1707), S. 57f.; zum Schrank als Ausstellungsträger für Objekte im 18. Jahrhundert: Stafford (1994), S. 217–294. 217 Johann Christoph Adelung/Friedrich Carl Fulda, Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der hochdeutschen Mundart […]. Bd. 4, Leipzig 1780, Sp. 256f. 218 Bachelard (1957, 2003), S. 27; S. 90–104.

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des Buffets entwickelte sich in der frühen Neuzeit der schrankartige Sammlungsbehälter mit verglasten Türen.219 Bei einem Schrank handelt es sich um ein materielles Gefüge, das Grenzen markiert. Seine grundlegende Praxis besteht im Öffnen und Schließen. Zunächst war der Schrank unter Repositorien – ein häufig gebrauchter Begriff, der Schränke, Regale und Abstell­tische gleichermaßen bezeichnen konnte – nicht besonders herausgehoben; erst im 18. Jahrhundert scheint der Schrank zum zentralen Ordnungsmedium aufgestiegen zu sein, bestehend aus Vitrine und Magazin. Schubladen im Schrank verkörpern eine „Ästhetik des Versteckten“ (Gaston Bachelard), während die Verlagerung von den Schubladen in den Schauteil des Schrankes veränderte Sehgewohnheiten indiziert.220 Gerade im Angesicht des Fremden und Ungewohnten konstituierten Schrankvitrinen so etwas wie eine vertraute Distanz. Die Spiegelung der Welt im Schrank war zugleich Ausdruck der zunehmenden Bedeutung ursprünglich fremder bzw. fremd gewordener Dinge, mit denen man sich zwischen Abwehr und Aneignung auseinanderzusetzen hatte.221 Das Fremde, das der Besucher der Naturalienkammer in ­Halle zu verarbeiten hatte, befand sich zum größten Teil hinter Glas: Ein indisches Vogelnest, ein tätowierter Fischkörper oder ein filigran beschnitztes Straußenei, ein präparierter indischer Medinawurm, der einem Einheimischen aus dem Fuß gezogen wurde, oder ein Fakirpantoffel, aus dessen Fußbett spitze Nägel aufragen. Die Objekte, durch Vitri­nen eingehegt, vermochten dennoch eine ars combinatoria zwischen den Reichen der Natur und der Kultur zu entfalten, was z. B. an der Kokospflanze und ihren Objektivierungen gezeigt werden kann. Das größte Stück ist eine Doppelnuss der Seychellen-Palme, mit der auch medizinisch experimentiert wurde. Im Indienschrank liegen hingegen dekorative Fächer aus Palmblättern und Palmblattmanuskripte aus. Ein ande­rer Schrank mit Alltagsobjekten zeigt verschiedene Speisegeschirre und Schmuck­gegenstände aus Kokos.222 Die Aura speiste sich vor allem daraus, dass die Exponate als fremd markiert waren und in der Präsentation auch so stehen gelassen wurden, was bei sakralen Objekten nicht ohne Destruierung einherging. So entkleideten Pietisten Kultobjekte fremder Religio­nen, die von hinduistischen Tragaltären bis zu katholischen Rosenkränzen reichten, von ihrer autochthonen Macht, um sie stattdessen mit Musealität zu ummanteln.223 Neben ihrer Funktion als Wissenstheater des Fremden konnte mit Hilfe der Schränke Repräsentationsbedürfnisse gestillt bzw. Ambitionen pietistischer Selbst­ inszenierung genährt werden. Indem der Hallesche Pietismus exquisite Objekte zur Schau stellte, propagierte er zugleich seinen Bildungsanspruch und seine globale Reichweite. Die Kunstkammer verwandelte sich so in einen Spiegel seiner Erfolgsgeschichte. Exponate, die das eigentlich unsichtbare Bekehrungserlebnis veranschau219 Heesen (2007), S. 92. 220 Vgl. dazu auch Bohr (1993) und Alfter (1986). 221 Collet (2007); Bujok (2004). 222 Müller-Bahlke (1998), S. 38ff. 223 Bergunder (1999a); in Kontrast dazu die Bemühungen der Missionare vor Ort, Ziegenbalg (1713, 2003).

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lichen sollten, errangen den Status „pietistischer Reliquien“. Hier konnte die Kraft Gottes, die den Sünder auf dem Pfad der Besserung führt, die Gestalt eines Skeletts sowie eines Fakirpantoffels annehmen. Beim Skelett handelte es sich um die Überreste einer hingerichteten Frau, die kurz vor ihrem Tod Reue gezeigt hat.224 Das „Paar stachlichte Poenitenz-Pantoffeln“225 gehörte einem indischen Wanderprediger, der sich zum Christentum bekehrte. SCHRÄNKE IM RAUM – Topische Wissensformen als umschlossener Raum in seiner größeren Einheit als Zimmer, in seiner mittleren als Schrank sowie in seiner kleinen als Schublade oder Gefäß226 fanden in der heute mehr als 250 Jahre alten Kunst- und Naturalienkammer eine adäquate Spielwiese. Bevor die Wissenserweiterung und der Erfahrungsdruck in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Wissensordnung temporalisierten,227 war es Ziel der Kunst- und Naturalienkammer von Halle, durch ein Raumgefüge ein miniaturhaftes Spiegelbild der Welt zu schaffen. Räumliche Vorstellungsmuster dominierten damals das gesamte naturgeschicht­ liche Wissen, umso wichtiger waren die realen Raumverhältnisse einer Sammlung, zumal Ordnung und Systematisierung des Wissens einer Topologie bedurften, die Klassifizierung des Wissens nicht vom materiellen Sammlungsbehälter zu trennen war. In Halle bergen bis heute sechzehn zum großen Teil reich verzierte Sammlungsschränke ca. 3.000 Naturalien, Kuriositäten und Artefakte und vermitteln den Eindruck sowohl einer Wunderkammer des Außergewöhnlichen, Neuen und Seltenen als auch einer Enzyklopädie der Vielfalt.228 Sie umfasst Naturalia-Schränke, in denen Steine, Pflanzen und Tierpräperate ausgestellt sind, während die mit Artefakten bestückten Schränke diversen Kulturtechniken, wie der Schrift, dem Bild, der Kleidung, dem Essen und Trinken sowie der Religion gewidmet sind. Ein geographischer Fokus geht vom so genannten Malabaren-Schrank aus.229 Schon von Anfang an wurden die Kunstkammerstücke in Halle in Schränken aufbewahrt. Ob sie verglast waren, ist nicht ­sicher. Immerhin zeigt das Waisenhausmodell in der Dachkam­ mer schrankartige Vorbauten mit Öffnungen, die so interpretiert werden können (Abb. 153).230 Mit der alten Naturalienkammer aus den Anfangsjahren der Anstal­ten 224 Siehe in vorliegender Studie, S. 380. 225 Müller-Bahlke (1998), S. 92. 226 Heesen (1996), S. 30. 227 Der enormen Akkumulation an Wissen entsprach ein nicht weniger großer Zuwachs aller möglichen naturalia und artificialia, die im Verlauf der Überseereisen und der archäologischen Ausgrabungen gesammelt worden waren. Der Anspruch, in einem einzigen Raum die Welt in ihrer ganzen Fülle zu zeigen, wurde rasch obsolet. Notgedrungen musste man dazu übergehen, die Kunstkammern aufzulösen bzw. in Einzelabteilungen zu untergliedern. 228 Jahn (1994), S. 492. 229 Zu diesem Schrank mit Exponaten aus der Missionstätigkeit in Indien: Dolezel (2007); zum Schriftenschrank: Link (2003). 230 Zunächst waren die Naturalienschränke in einer eigenen Kammer bei den Stuben des Pädagogiums untergebracht.

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war die repräsentative Schau, die 1741 ihre Pforten öffnete, kaum zu vergleichen. Während sie ursprünglich für den Unterricht geplant war und einen festen Platz im Lehrplan des Pädagogiums innehatte, stellte sie nun primär eine Attrak­tion für den Fremdenverkehr dar. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts gehörte sie zweifellos zu den Anziehungspunkten in der Stadt.231 Räumlich konnte die neue Kunstkammer den alten Schlafsaal, den größten zusammenhängende Raum im Unterdach des repräsentativen Stammhauses, nutzen, der 1734 frei geworden war. Schnell entschloss man sich, alle in Frage kommenden Objekte und Teilsammlungen aus den Anstalten dort zu konzentrieren und erstmals als geschlossenes Ensemble zu präsentieren.232 Zwischen 1736 und 1741 gab der Alten­bur­ger Kunstmaler und Kupferstecher Gottfried August Gründler (1710–1775) dem Saal nach den modernsten museumskundlichen Erkenntnissen seiner Zeit eine neue Prägung.233 Er ordnete nicht nur die Sammlung neu und katalogisierte sie sorgfältig,234 er verpasste dem Kabinett mit ebenso dekorativen wie funktionalen Barockschränken auch ein neues Gewand.235 Die Schränke selbst, deren Giebelaufsätze Gemälde schmücken, die auf den jeweiligen Schrankinhalt Bezug nehmen, sind bereits eine Sehenswürdigkeit. Wenn auch Großformate, wie ein sechsbeiniges Kalb, ein Krokodil sowie Walfischknochen außerhalb der Schränke gezeigt werden mussten, bestand das Charak­teristikum dieser Kammer in den differenzierten Schrankwelten. Für diesen 24 Meter langen und sechs Meter breiten Raum wurden eigens angefertigte Sammlungsschränke geschaffen, die im unteren abgeschlossene, im oberen Teil verglaste Fächer aufweisen. Im Rahmen der grundlegenden Unterscheidung zwischen naturalia und artificialia wurden an der östlichen Schmalseite naturalia, an der gegenüberliegenden Wand artificialia gezeigt.236 Traditionelle Kunstschränke als universal angelegte Behälter von Kleinodien waren in Halle nicht mehr gefragt.237 Wäh231 Die Dreyhaupt’sche Regionalchronik (1749/1750, Bd. 2, S. 224–226), die sich rühmte, „Sachen nicht Worte“ zu beschreiben, behandelte sie ausführlich. Johann Abraham Rüdeis war der Verfasser des informativen Überblicks. Vgl. zum wenig später gegründeten Herzoglichen Kunst- und Naturalienkabinett in Braunschweig, Ausstellungskatalog Braun­ schweig (2004) sowie zum „Mathematischen Turm“ im Benediktinerstift zu Kremsmüns­ ter, Klamt (1999). 232 Müller-Bahlke (1998), S. 17f. 233 Gründlers Begabungen als Künstler und als Naturforscher ergänzten sich gegenseitig. Er war bekannt für seine ausgezeichneten Zeichnungen und Kupferstiche aus der Tierwelt, die Sachverstand und präzises Beobachtungsvermögen erforderten, aber er betrieb auch selbst Forschung und legte für sich ein privates Naturalienkabinett an. 234 Franckes Sohn und Nachfolger, Gotthilf August, hatte Gründler mit der Neuaufstellung der durch Schenkungen und gezielte Ankäufe stark vermehrten Bestände und der Abfassung eines Inventars beauftragt, das drei Jahrzehnte nach den ersten Anfängen der Sammlung schon 375 Quartseiten umfasste. Durch die Zusammenführung aller Bestandteile wuchs die Sammlung von 1.182 auf 4.696 Stücke an. 235 Müller-Bahlke (1998), S. 29–32. 236 Becker (1994), S. 66–70. 237 Kabinettsschränke waren zumeist reich verziert und im Innern mit einer Vielzahl von mechanisierten Laden und Geheimfächern ausgestattet. Seit Philipp Hainhofers (1576–

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153: Blick in das ursprüngliche Naturalienkabinett (vor Gründlers Neukonzeption), Modell (18. Jh.), Halle, Franckesche Stiftungen

rend die von Georg Hinz (1630–1688) Mitte des 17. Jahrhunderts in augentäuschender Technik geschaffenen Gemälde geöffnete Kunstkammerschränke zeigen, die noch das gesamte Spektrum der Dingwelt in ein Gitter von Regalfächern vereinten, sind in den Kunstkammerschränken von Halle Kunst- und Naturobjekte streng vonein­ ander getrennt.238 Als Vorbild seiner Umgestaltung diente Gründler offensichtlich das museumskundliche Standardwerk Museographia Oder Anleitung Zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum oder Raritäten-Kammern von Caspar Friedrich Neickel aus dem Jahr 1727. Neickel empfiehlt für die Unterbringung einer Sammlung einen hellen Raum, der im Grundriss doppelt so lang wie breit sein soll. Die Wände sind weiß zu kalken und dürfen keinen Zierrat tragen; der Eingang liegt in der Mitte der Längswand (Abb. 154). Für die Unterbringung der Objekte, die strikt in Naturalien und Artefakte zu unterteilen sind, werden Repositorien vorgeschlagen, die in ihrer Konstruktion eine Sortierung der Gegenstände nach ihrer Größe erlauben. Diese Schrankvitrinen dürfen mit Verzierungen versehen sein und sind entlang der Wände aufzustellen, möglichst direkt vom Tageslicht beschienen. Zudem ist vorgesehen, die Ausstellung von Exponaten außerhalb der Schränke fortzusetzen, z. B. durch 1647) Kunstschränken, den glänzendsten Schöpfungen der Augsburger Spätrenaissance mit den ihnen eingeschriebenen unzähligen Emblemen, Allegorien und Mythologien, ist bekannt, dass der Schrank mehr sein kann als nur ein Gehäuse, konnte sich doch bereits in der Rahmung die Komplexität des Kosmos zeigen; Ausstellungskatalog Hamburg (1996); Hausmann (1959); Boström (1994); Beßler (2009), S. 117–127. 238 Schon der Kunstkammerforscher Johann Daniel Major (1634–1693) lieferte in einer 1674 erschienenen Schrift dafür Argumente; Major (1674), Kap. VII, §6.

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154: Frontispiz, aus Neickels Museographia (1727)

große Tierpräparate, die von der Decke hängen oder durch Gemälde an den Wänden. Neickel empfiehlt auch, einige Globen frei in den Raum sowie einen langen Arbeitstisch in die Mitte für die eingehendere Beschäftigung mit den einzelnen ­Stücken zu stellen. Die museale Raumkonzeption in Halle erinnert nicht nur an Neickels Mustersammlung sondern auch an das tatsächliche, von einem Jesuiten gegründete Orban’sche Museum in Ingolstadt, das ebenfalls aus einem einzigen, lang gestreckten Saal besteht.239 Stuck, Fresken und Deckenbilder sind hier der Decke vorbehalten, der Forderung ­Leonhard Christoph Sturms Rechnung tragend, „damit nicht der Zierrath der Gemacher die Gemüter von Betrachtung der darinnen aufbehaltenen Raritäten abstrahiere.“240 Bildhafte Akzente setzen im Orban-Saal in Ingol-

239 Der Saal verbindet zur Seite des Gartens Stifts- und Kolleggebäude des Jesuitenkollegs miteinander und erhebt sich über einem siebzehnjochigen, früher offenen, heute geschlossenen Arkadengang. 240 Sturm (1704), nach Krempel (1968), S. 178.

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155: Ein Krebs, der Schatten wirft, Schrankgiebel, Kunst- und Naturalienkammer, Halle, Franckesche Stiftungen

stadt mythologische Deckenfresken,241 in der Naturalienkammer von Halle Schrankgiebelbekrönungen in Form einladender Stillleben bzw. trompe l’œil-Darstellungen.242 Sie dienen als Exposition in die jeweiligen Teilsammlung, die sich im Inneren des Schrankes entfaltet. Gründler verwandte dafür hochwertige Farben aus der anstaltseigenen Apotheke, die einen besonders plastischen Effekt hervorriefen. Die täuschend echt wirkende Bemalung diente dazu, Wirklichkeit und Illusion, Natur und Kunst ineinander fließen zu lassen.243 Den lebendigen Eindruck unterstrich Gründler, indem er die Schatten hinter den jeweils gemalten Objekten genau dem tatsächlichen Einfall des Tageslichts anpasste. Je nachdem, an welcher Stelle des Saals der jeweilige Schrank stehen sollte, befinden sich die Schatten links oder rechts von den gemalten Gegenständen, während dort, wo der Schrank im direkten Lichteinfall positioniert ist, die Schatten unmittelbar hinter den Malereien angebracht sind (Abb. 155). Diese von vornherein festgelegten Schattenspiele auf den Giebeln weisen darauf hin, dass die Schränke Bestandteil eines fixierten Gesamtensembles waren, das keine konzeptionell tief greifende Veränderung vertrug. Sie sind – passend zur damaligen statischen 241 Die Raumfassung stellt mit ihren Stuckreliefs, den Gelehrtenporträts und den ins Mythologische verweisenden Deckenfresken mehr als eine bauliche Hülle dar, sie formuliert zugleich eine schlüssige Interpretation des Orban‘schen Mikrokosmos in einem von der Theologie und den ihr dienenden Wissenschaften beherrschten Makrokosmos; Rupprecht (1974). 242 Vielleicht sollten die Giebelbekrönungen eine Schönheit der Natur vermitteln, die sich in den Originalobjekten nicht immer adhoc zeigt. 243 Ebenso zierte auf dem Giebel eines stattlichen Kabinettschranks mit Mineralien aus Clausthal die Nachbildung eines Kopfes der Laokoongruppe. Sowohl der Kopf des Laokoon als auch die Mineralien sind Schätze des Bodens und spiegeln die Polarität zwischen der Natur der Dinge und der menschlichen Kunstfertigkeit; Mineralienkabinett (1795); Heesen (1996), S. 48f.

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Naturauffassung – ruhende monumentale Behälter, die durch ihr Material und dessen Eigengewicht einen Zeiten überdauernden und unverrückbaren Eindruck ausstrahlen sollen. Einer inneren Mobilisierung, die sie zu modernen Wissenschaftsmöbeln gemacht hätte, sind bei einer derartigen Schrankkonzeption enge Grenzen gesetzt.244 RÄUME IM SCHRANK – Die von Gründler geschaffenen raffinierten Schrankensembles bestehen aus einem Magazinsockel mit Schubladen, einem Schauteil mit Fächern und einer kunstvoll bemalten Bekrönung. Mit ihnen etablierte sich auch in Halle der klassische Sammlungs- und Präsentationsschrank für wissenswürdige Dinge, im oberen Teil mit Glas versehen und im unteren mit durch Türen geschützten Stauraum ausgestattet. In der Kunst- und Naturalienkammer von Halle fungierten die auffälligen Schränke somit als Mischung aus Zeige- und Ordnungsmöbel.245 Gründlers Leistung, das Wissen einzuräumen, sei hier nur an einem Beispiel der Naturaliensammlung erläutert.246 So waren die naturalia nach der Systematik Carl von Linnés aufgestellt, dessen Systema naturae durch Gründler 1740 in Halle erstmals auf Deutsch publiziert worden war. Dementsprechend nahm der Hallenser Künstler eine Einteilung nach den drei Naturreichen vor, dem Stein-, dem Pflanzen- und dem Tierreich. Innerhalb dieser drei Bereiche unterschied er verschiedene Klassen. Der erste Schrank, versehen mit der Signatur „I.A.“ ist der unbelebten Natur gewidmet und mit der Gesteinssammlung gefüllt. Er enthält im Magazinteil neunzehn unterschiedlich große Schubladen, in denen Steine – nach Sorte und Größe geordnet – aufbewahrt werden können. Im darüber liegenden Schauteil sind in drei Abstufungen neun terrassenartige Böden konstruiert, auf denen eine Vielzahl von Petrefakten präsentiert werden. Auf diese Weise konnte ein höchstmögliches Maß an Transparenz erreicht werden; zudem eine optimale Ausnutzung des Schrank­ raums. Auch wurde hierdurch die Demonstration bestimmter Gesteinsproben erleichtert, weil es für den „Herumführer“ problemlos möglich war, beispielhafte Stücke aus den einzelnen Gruppen hervorzuziehen. Die Bekrönung bemalte Gründler mit einer Steingirlande (Abb. 156). Das größte Hindernis, um die Naturgeschichte zu erlernen, sei die „Menge der Dinge“, schrieb Mitte des 18. Jahrhunderts Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707– 1788), der in Paris die Natursammlungen des französischen Königs ordnete.247 Lange Zeit schienen Schränke in der Lage, der Fülle Herr zu werden. Mit eigens gebauten verglasten Kabinettschränken versuchte Gründler, der Herausforderung einer jeden 244 Siehe dagegen den Exerpierschrank von Leibniz oder den Herbarschrank von Linné, dessen Fächer sich dem neu hinzukommenden Material anpassen konnten. Ihre Schränke waren eher Speicher- und Ordnungsbehälter, deren vorgegebener materialer Rahmen maximale Variabilität erreichte; Heesen (2007), S. 94. 245 Typologische Annäherung bei Heesen/Michels (2007), S. 11. 246 Gesamtkatalog der Kunst- und Naturalienkammer, erstellt von Gründler [Katalog B]; ­A rchiv der Franckeschen Stiftungen Halle; Müller-Bahlke (1998), S. 44. 247 Buffon (1750), S. 4; siehe Titelkupfer mit Sammlungsschränken aus dem königlichen Kabinett in Buffons Histoire naturelle (1749) bei Stafford (1998), S. 278f.; zum 16. Jahrhundert in Italien: Findlen (1994).

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156: Gesteinsproben im Schrank, Kunst-und Naturalienkammer, Halle, Franckesche Stiftungen

Sammlung zu begegnen, die Dinge von ihrer organisch-chaotischen Fülle in einen geordnet-rationalen Zustand zu überführen. Insbesondere mit Hilfe der Schränke gelang es Gründler, aus einem weit verstreuten Konglomerat unterschiedlichster Sammlungsgegenstände ein geschlossenes Ensemble, ein schlüssiges Ordnungskonzept zu schaffen. Erst Schränke verkörperten eine Ordnung der Dinge. Allein die Signatur, die nun jedem Objekt zugeschrieben wurde, ordnete es einem bestimmten Schrank zu. Dieses Möbelstück wird somit zum Taktgeber der Einteilung der Dinge. Zudem erstellte Gründler in doppelter Ausführung ein Inventarverzeichnis, das aus je sechzehn Heften besteht, in denen der Inhalt der jeweiligen Schränke verzeichnet ist. In jedem Schrank war das dazugehörige Verzeichnis in Heftform gelegt.248 Die Sammlungsobjekte waren somit eingebettet in ein Ensemble aus Bild (Bekrönungsbemalung), Schrift (Katalog) und Raum (Schrank). 248 Müller-Bahlke (1998), S. 17.

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Als Schranktyp sind die Kabinettschränke in Halle den entsprechenden Darstellungen aus dem Frontispiz der D‘Amboinsche Rariteitkamer des Georg Eberhard Rumphius (1627–1702) verwandt.249 Diese Schränke gleichen Bühnen, die Distanz schaffen, ebenso wie die bühnenhafte Rahmung des Sammlungsraums auf repräsentativen Stichen als Ausdruck der Distanzierung des Betrachters gegenüber der unmittelbaren Objekt-Anmutung vor dem Hintergrund der Auflösung universal angelegter Ordnungsschemata gedeutet werden kann.250 Die Fülle der Natur war in Klassen geordnet, in einen Schrank verbracht und dort auf einen Blick erkennbar. Die Vitrinen ermöglichten eine Demonstration der Objekte, ohne sie anzufassen bzw. aus dem Schrank nehmen zu müssen. Das Öffnen und Schließen des Schranks ist eine zentrale Handlung im sozialen Gefüge des Kabinetts. In Halle war der Aufseher der einzige, der die mitunter komplizierten Mechanismen von Schubladen und kleinen Türen bedienen durfte und konnte.251 Gleich einem Zeremonienmeister verstand er den Schrank, deren Türen durch eine besondere Schließtechnik mit nur einer Hand zu öffnen sind, zu einem Schauobjekt zu machen. Der Führer war es auch, der die Objekte aus dem Schrank entnahm, um sie den Besuchern zu zeigen.252 Damit folgte er dem Verhaltenskodex für die Naturalien- und Kunstkammern: „Selbst muß man nichts angreiffen man empfange es denn aus des Raritäten-Kämmerers Händen.“253 Wie schnell konnten fragile Stücke der Glasbläserkunst oder eine fein verästelte Koralle in „unwissenden Händen“ zu Bruch gehen. Auch war der Aufseher Gewährsmann, die Ordnung zu bewahren. Die Instruktion der Halleschen Kammer von 1741 schrieb daher vor: „Ein jegliches vorgewiesenes Stück ist nicht nur just an den vorigen Ort wieder hinzulegen, sondern auch in der Stellung und Lage, darin es vorhin war, weil der Confusion und Regulirung kein Ende seyn könte. Demnach müßen niemals viele Stücke, viel weniger zu viele auf einmal vorgewiesen werden, weil man sonst keine Zeit hätte jedes wieder praecise an seinen Ort wieder hin zu rangiren.“254

249 Auch die vom italienischen Künstler Guiseppe Arcimboldo (1526–1593) für die kaiserliche Galerie in Wien geschaffenen Schränke mögen als Vorbild gedient haben; Storz (1965), S. 106f. 250 Felfe (2003a); vgl. auch Siegel (2003), S. 167f.; Dekoninck (2002). 251 Die frühe museumskundliche Literatur thematisiert die Rolle des Aufsehers, Leonhard Christoph Sturm widmet ihm ein ganzes Kapitel; Sturm (1707), S. 14f.; Heesen (1996), S. 44; siehe in vorliegender Studie, S. 378f. 252 Instructionen fur den Herumführer [1741], § 18, Archiv der Franckeschen Stiftungen WVII/ I/20. 253 Sturm (1707), S. 7; siehe auch Neickel (1727). Aus beiden Texten geht hervor, dass der Besuch in der Kunstkammer stets in Begleitung eines Führers stattfand. 254 Instructionen für den Herumführer [1741], § 18; Archiv der Franckeschen Stiftungen/ W VÏI/I/20.

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Experimente im Laboratorium Die Franckeschen Stiftungen maßen der Dingwelt einen zentralen Stellenwert zu. Dinge wurden nicht nur als Spiegel der Welt offen in Schränken ausgebreitet, sondern auch im Geheimen bis in ihre Essenzen verdichtet. Stand beim ersteren Verfahren Bildung und Repräsentation im Vordergrund, so beim zweiten Heilung und Gewinn. Im Jahre 1698 war durch Kurfürst Friedrich III. der Betrieb einer Apotheke privilegiert worden.255 Sie verfügte neben einem Laboratorium, über eine Materialund eine Vorratskammer sowie einen Apothekergarten mit Heilpflanzen und Heilkräutern. Am Beginn der Medikamentenherstellung stand eine großzügige Stiftung, denn ohne die Rezepte, die August Hermann Francke um Ostern 1700 von einem gewissen Dr. Fischer geschenkt erhalten hatte, dem wiederum von einem Kranken verschiedene Manuskripte über chemische Untersuchungen vermacht worden waren, wäre er wohl nicht auf den Gedanken gekommen, ein Laboratorium zu errichten und den jungen Waisenhausarzt Christian Friedrich Richter (1676–1711) von seinen ärztlichen Pflichten weitgehend zu befreien.256 Unter der Leitung dieses Anstaltsarztes, einem von vier Brüdern, die als Mediziner leitende Stellen der Glauchaschen Anstalten innehatten, entwickelte sie sich rasch.257 Insbesondere bewährte sich dieser Richter bei der Herstellung neuer Medikamente, wie einer Goldtinktur, die als Geheimmittel unter dem Namen Essentia dulcis Furore machen sollte. Die von ihm gegründete Medikamenten-Expedition, wie das sich bald zum pharmazeutischen Großbetrieb entwickelnde Unternehmen genannt wurde, vertrieb diese Heilmittel profitträchtig in alle Welt – von Russland bis Nordamerika, von Skandinavien bis Spanien. 1746 veröffentlichte David Samuel von Madai (1709–1780) eine Kurtze Nachricht von dem Nutzen und Gebrauch einiger bewährten Medicamenten, welche zu Halle im Magdeburgischen in dem Waisen­hause dispensiret werden, eine Schrift, die in Übersetzungen durch Missionare im Ausland vertrieben wurde, was den internationalen Absatz der Medikamente, besonders der Reiseapotheke, erheblich förderte.258 Ihre Vermarktung auf Etiketten von Glasgefäßen vollzog sich unter dem Emblem von Sonne und Adler. Auf den kommerziellen Erfolg reagierten Vertreter der lutherischen Orthodoxie mit Argwohn: „Man preise doch Gott in dem, was Gottes ist, und lasse menschlich sein, was menschlich ist, und schreibe sich nicht selbst apos­ tolische Thaten zu. Sonst komme man nur zu leicht dazu, wie es in Halle geschehen sei, die weite Verbreitung und erfolgreiche Anwendung der in der Apotheke des Waisenhauses erfundenen essentia dulcis zu einem neuen Beweise dafür zu machen, 255 Ernst (1998); Friederich (1998); Druckerschwärze und Goldtinktur (1998). 256 Poeckern (1984), S. 8. 257 Toellner (2001); Ernst (2003). Richter machte sich auch als Schriftsteller einen Namen; sein 1705 veröffentlichter Kurzer und deutlicher Unterricht von dem Leibe und natürlichen Leben des Menschen nebst einem selectu medicamentorum zu einer kleinen Haus-, Reise- und Feldapotheke erschien noch 1791 in 17. Auflage. 258 Poeckern (1998), S. 13. Über die ersten Jahre der Medikamenten-Expedition gibt eine tagebuchartig geführte Chronik, die der Stifter August Hermann Francke seinem Mitarbeiter Neubauer diktierte, Auskunft; ��������������������������������������������������������� Archiv der Franckeschen Stiftungen/W, ������������������� IX. II. 12. S. ���� 2ff.

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dass Gott auf außerordentliche Weise und wunderbar die Wahrheit der Hallischen Sache bestätigte.“259 Adelige Damen hingegen machten als „Musterpatientinnen“ erfolgreich Pro­paganda für die Heilkraft dieser Arznei.260 Sie sammelten Schmuck, der für die Zubereitung der berühmten Essentia dulcis eingeschmolzen wurde. Bei dieser Substanz, deren Name aus einem Traum Franckes herrührt,261 handelte es sich um ein goldhaltiges Präparat in kolloider, roter Lösung, das nach einer geheimen Rezeptur hergestellt wurde.262 Sie wurde dank moderner Reklame über die Grenzen Deutschlands hinaus in fast ganz Europa bekannt, ja bis nach Übersee exportiert und war vor allen Dingen als Schmerzmittel gefragt, wurde aber auch als Heil- und Hilfsmittel für fast alle Gebrechen genutzt. Entsprechend der Position der Sonne im Zentrum des Planetensystems wurde der Goldarznei eine besondere Wirkung auf das menschliche Herz, das zugleich das zentrale Organ pietistischer Frömmigkeit und Symbolik darstellte, zugeschrieben. Die Essentia dulcis mag als Allheilmittel der Alchemie, d. h. als panazee und aurum potabile den sprichwörtlichen Stein der Weisen dargestellt haben.263 Querelen und Urheberstreitigkeiten begleiteten die Herstellung dieses vermeintlichen Wundermittels. Richter ließ es sich nicht nehmen, die von ihm kreierten Medikamente, insbesondere die Essentia dulcis, unter seinem eigenen Namen zu vertreiben. Er fühlte sich als ein von Gott begnadeter Adept, der allein es vermochte, das Gold in eine kolloide, rote Lösung zu bringen oder – wie man sich nach alchemistischer Tradition ausdrückte – „das Blut des Löwen zu sehen“.264 Vor der Existenz effektiver Patentgesetze konnte ein Forscher sein Produkt nur durch Geheimhaltung schützen. So wurde vorwiegend nachts gearbeitet, damit der zur Goldlösung benötigte Kampfer, der aufwändig mit Spiritus aus der Lösung gewaschen werden musste, durch seinen Geruch nicht potenziellen Plagiatoren Hinweise geben konnte. Die Notwendigkeit, den Kampfer als das entscheidende Mittel zur Gewinnung ihrer Goldtinktur geheim zu halten, ließ die verantwortlichen Männer der Medikamenten-Expedi­tion von Anfang an alle Vorsichtsmaßregeln treffen, um einer Entlarvung vorzubeugen. So redete man nach alchemistischer Tradition

259 Valentin Ernst Löscher aus seinen Unschuldigen Nachrichten 1707, nach Engelhardt (1856), S. 144f. 260 Diese Berichte fanden oft Eingang in die Selbstdarstellungen der Hallenser Mediziner und dienten u. a. der Abwehr von Kritik, die z. B. Georg Ernst Stahl (1659–1734), Professor für Medizin in Halle, an der Franckeschen Goldtinktur übte. Ich bedanke mich für diese Information bei Elisabeth Quast (Göttingen); zum Spannungsfeld von Aufklärung und Alchemie: Schütt (2000); Schlögl (1996); Goltz (1972). 261 „Ich gab dann dieser Gold-tinctur, occasione eines Traumes, den ich nicht lange zuvor in der Neu-Jahrs-Nacht gehabt, von einer bis in Spanien reichenden süßen Quelle, den Namen der Essentiae dulcis, weil diese Gold= tinctur solche coleur zeigte, als die im Traum mir vorgekommene süße Quelle hatte.“ Francke, nach Poeckern (1984), S. 14f. 262 Poeckern, S. 12f. Zur Alchemie als Vehikel von Wohlstand und Wirtschaftswachstum am Beispiel Johann Joachim Bechers: Smith (1994). 263 Habrich (2001). 264 Poeckern (1998), S. 11.

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verschlüsselt nur vom „Menstruum“ oder „Strick, den Löwen zu binden“.265 Das arkane System zeigte sich auch darin, dass die Herstellung der Goldtinktur auf drei Laboratorien verteilt war.266 Das erste Labor übernahm die Fällung des Goldes, das zweite seine Bearbeitung mit Kampfer bis zum Lösen des Bodensatzes in alko­ holischem Salmiakgeist, das dritte schließlich die Endfertigung der Essenz aus dem „dicken Brey“. Den Gasthof „Zur Güldenen Rose“ ließ Francke nicht nur für sich zur Wohnung „aptiren“, sondern im zweiten Stockwerk richtete er „auch die Laboratoria zur Ausarbeitung der Essentia dulcis“ ein.267 Die Entwicklung einer einzelnen Einrichtung der Franckeschen Stiftungen kann nicht losgelöst von den anderen betrachtet werden. Ursprünglich war die Apotheke entstanden, weil im Waisenhaus und für die Kinder der Schulen Bedarf an Arzneimitteln bestand. Gleichzeitig entstand mit der Gründung der Druckerei eine Einrichtung, in der das Werbematerial für die Waisenhaus-Arzneien gedruckt werden konnte, das dann Missionare zusammen mit den Medikamenten bis nach Indien, Rußland, Australien und Amerika verbreiteten.268 Der Apotheke kam also eine Art Knoten- bzw. Drehscheibenfunktion zu. Die sich aus dieser als selbstständige Einrichtung entwickelnde Medikamentenexpedition avancierte zum erfolgreichsten und rentabelsten Unternehmen des Waisenhauses. Zwischen 1720 und 1730 konnten 15.000 Taler jährlich eingenommen werden. Neben der Herstellung ganzer Hausund Reiseapotheken, produzierte sie größere Mengen anorganischer Produkte wie Schwefelsäure, Salpetersäure und Salzsäure. Christian Friedrich Richter gehörte auch zu den treibenden Kräften, Manufakturpläne zu forcieren. So plante er, aus seinem chemisch-pharmazeutischen Laboratorium eine chemische Fabrik zu machen, zudem wollte er die im Waisenhaus eingerichtete Gold- und Silberscheideanstalt zu einer Manufaktur ausweiten, um so in großem Maßstab Salpetersäure zu gewinnen.269 Motor der Experimente im Labor war nicht zuletzt das Streben nach Gewinn, der bei Francke in seinem pietistischen, dem Calvinismus verwandten Arbeitsethos verwurzelt war: Arbeit zum Ruhme Gottes belohnt der Herr mit Erfolg in dieser Welt. Die Allianz zwischen „Kommerz und Frömmigkeit“270 war vollkommen neu im luthe­rischen Protestantismus.271 Die religiös fundierte Arbeitsethik, die Francke in 265 Poeckern (1998), S. 45. 266 Zu Laboratorien der Alchemie allg. Smith (1994), S. 228–246. 267 Annales Hallensis et Orphanotrophie (1698–1714), Archiv der Franckeschen Stiftungen/ W II-2, nach Axt (2004), S. 156f. 268 Wilson (2000). 269 Im Frühjahr 1704 kam er mit Francke und Heinrich Julius Elers (1667–1728) überein, mit Hilfe von Ehrenfried Walter von Tschirnhaus (1651–1707) eine eigene Glashütte zu gründen, Ullmann (2001). 270 Klosterberg (2001). 271 Francke stellte in vielen Predigten die Frage, wie eine aus persönlicher Glaubenserfahrung erwachsene Frömmigkeit und wirtschaftliches Unternehmertum zusammenpassten, schien doch nach biblischer Gedankenwelt der Beruf des Kaufmanns geradezu ein Hindernis zur Erlangung des Heils darzustellen; Klosterberg (2001); Raabe (1998); Kriedte (2004).

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seinem Großen Aufsatz und besonders in der Predigt über Die Klugheit der Kinder des Lichts formulierte, lieferte ihm die notwendigen Argumente zur Rechtfertigung seines Handelns als Großunternehmer. Der in den Betrieben erwirtschaftete Gewinn diente fast ausschließlich dem Unterhalt des Waisenhauses und der Schulen. Zur Finanzierung der Anstalten trug die erwähnte Gold- und Silberscheideanstalt bei, wo gestifteter Schmuck verwertet wurde.272 Die Pietisten wetterten so überzeugend gegen den éclat, gegen Schmuck, Perlen, Gold- und Silberstickereien an Kleidern, Westen und Röcken, dass es unter dem Adel üblich wurde, Gold- und Silberstickereien von den Kleidern zu entfernen und dem Waisenhaus zu spenden. „Man wird nicht ganz ohne Ironie an dem Selbstwiderspruch vorübergehen dürfen, in den der Pietismus, der doch gegen Tanzen, Kartenspielen, Kleiderpracht, Trinken und allen anderen Aufwand eiferte, durch den Handel mit derartigen Waren geriet.“273

Wissenstheater und Theaterkunst Anschauliche Kulturtechniken, die sich der Hallesche Pietismus so intensiv zunutze machte, hatten die Funktion, ein Theater des Wissens aufzuführen. Beim Theater in der frühen Neuzeit hat man es aber nicht nur mit einer Kategorie der Wissensrepräsentation zu tun, sondern immer auch mit der lebendigen Inszenierung eines Schauspiels auf der Bühne. Es bietet sich an, die semantischen Dimensionen des mehrdeutigen Theater­begriffs aufeinander zu beziehen, d.h. Einflussfelder und Schnittmengen ausfindig zu machen, die sich ebenso auf die Theaterkunst wie auf das Wissensthea­ ter beziehen. Gerade in der frühen Neuzeit überlagern sich beide Perspektiven immer wieder, erzeugen wechselseitige Referenzen und Spannungen.274 Reale Bühne und metaphysische Daseindimension waren eng miteinander verquickt, wenn über „Theater“ gesprochen wurde, wie nicht zuletzt Shakespeares Diktum All the world is a stage in As you like it belegt.275 Der Hallesche Pietismus stand nun dem Theater in seiner Spannung von Realität und Illusion, Sein und Schein, das sich in ein Laboratorium zu verwandeln vermochte, in dem man mit dem Menschsein in all seinen Verstrickungen experimentieren konnte, äußerst reserviert, ja feindselig gegenüber. Angriffe auf das Theater als Ort von fiktiven Schauspielen scheinen der Ikonoklasmus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gewesen zu sein. Im Kreuzfeuer kontroverser Bewertungen kolorierten 272 Die Einrichtung einer Gold- und Silberscheideanstalt sollte Francke bei seinen Gegnern den Ruf der Falschmünzerei einbringen. 273 Hinrichs (1953, 1981), S. 1302; zur Formel vom „weltweiten Reichsgotteskapitalismus“, die Hinrichs von Bornkamm übernimmt: Scharfe, (1980), S. 142f.; vgl. auch Kriedte (2004). 274 Auf diesen Zusammenhang hat schon Frances A. Yates (1966, 1990, S. 313–336) am Beispiel von Robert Fludd (1574–1637) und Giulio Camillo (1480–1544) hingewiesen. Ihr zufolge ist das Theater als Wissenskategorie nicht zu trennen von realen Schauspielen und insofern alles andere als pure Metaphorik. 275 In London war im Jahre 1599 das Globe Theatre eröffnet worden. Der Neubau soll über den Eingang das Motto Totus mundus agil histrionem getragen haben; Fischer-Lichte (1990), S. 95–103.

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Antagonismen, wie Schein und Sein, Pomp und Askese den Zeitgeist zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und der Frühaufklärung. Das gegenreformatorische Lager wählte das carpe diem des barocken Rausches der Sinne, das pietistische hatte nur ein Ziel: vor der vanitas zu fliehen und sich in der Verinnerlichung des Geistes einzurichten.276 Zunächst stand die Theaterfrage unter der Doktrin der adiaphora oder „Mitteldinge“ – darunter verstand man Phänomene und Praktiken, die von der Bibel weder erlaubt noch verboten sind und die erst durch die Art ihres Gebrauchs positiv oder negativ beurteilt werden könnten.277 Der flexiblen Einstellung der Lutheraner, die sich auf ein ausdrückliches Plazet ihres Reformators stützen konnten,278 stand die unversöhnliche Haltung der Calvinisten gegenüber, die den Begriff der Mitteldinge auf dem Gebiet der Kunst überhaupt nicht gelten ließen und alle schauspielernden Regungen verwarfen. Die Folge war, dass sich am Me­dium des Theaters Kulturkämpfe kristallisierten, im zwinglianischen Zürich ebenso wie im calvinistischen Genf, wo Voltaire (1694–1778) sich lange Zeit vergeblich um die Etablierung eines Theaters bemühte.279 Das am Pranger calvinistischer Kritik stehende Theater wurde durch Schlagworte, wie Illusion, Vorspiegelung, Betrug, Schurkerei, bewusste Täuschung, Zerstreuung oder Zeit- und Geldverschwendung charakterisiert.280 Derartige Vorwürfe, die nicht nur von rigiden Protestanten, sondern in Frankreich auch von Reformkatholiken, wie den augustinisch eingestellten Jansenisten formuliert wurden, trafen nicht zuletzt die Jesuiten, die sich zur Propaganda ihrer Glaubensinhalte intensiv der Theaterkultur annahmen.281

Theaterkampf in Halle In Deutschland sollten die Pietisten – obwohl nominell Lutheraner – das Erbe der Calvinisten antreten und gerieten sogleich in der Frage zur Zulässigkeit der Schauspiele in einen pointierten Gegensatz zur orthodoxen lutherischen Geistlichkeit. In Hamburg war im Jahre 1681 die polemisierende Schrift des dortigen Hauptpastors Anton Reiser (1628–1686) Teatromania oder die Mächte der Finsternis in den öffentlichen Schauspielen erschienen. Darin übernahm der Autor die patristische Theaterkritik und übertrug sie auf die eigene Gegenwart.282 Das Theater wurde von den Pietisten 276 Lindberg (1973). 277 Bestimmung des „Mitteldings“ im Vorwort bei Elmenhorst (1688, 1978). 278 Vgl. die kanonische Stelle in einer Tischrede, Martin Luther: WA, Tischreden 2, S. 431f. Ähnlich wie Bilder ließ Luther auch Theateraufführungen gelten, d.h. der rechte Umgang würde nicht schaden, sei aber auch nur von begrenztem Nutzen. Ein notwendiges Mittel der Gotteserkenntnis waren sie keineswegs; Bacon (1976); Kelly (1973). 279 Barth (2002), S. 190f; Thomke (1995). 280 Berufungsinstanzen der Theatergegner waren neben den Confessiones (3. Buch, 2. Kap.) von Augus­tinus Tertullians De spectaculis (ca. 200), wo heidnische Schauspiele als pompes diaboli verdammt werden; Alt (1846), S. 310–320. 281 Dramatisches und pädagogisches Prinzip des im Barock florierenden Jesuitentheaters war die Vorstellung des theatrum mundi; Valentin (1990); Bauer (1994). 282 Geffken (1951).

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alles andere als gleichgültig bzw. belanglos angesehen, vielmehr unterstellten sie ihm eine gleichsam magische Macht, die Gemüter zu verwirren. Geradezu verpönt war das Lachen über Scherze und Narreteien.283 Auf einer grundsätzlicheren Ebene wurde in Szene gesetzten Fiktionen unterstellt, die innere Wahrhaftigkeit des Individuums zu untergraben. In den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts erschien mit Pia Desideria (1675) von Philipp Jakob Spener die Grundlagenschrift des Pietismus; wenig später wurde in Hamburg am Gänsemarkt die erste stehende Oper in deutscher Sprache gegründet. Spener selbst, von dem das Diktum „Mein Jesu der du mich zum lustspiel ewiglich dir hast erwählet“284 überliefert ist, verhielt sich zwar in der Theater-Frage durchaus zurückhaltend: – „Daß die repraesanationes theatrales seyn eigentlich so genannte lügen und heucheley / ist nicht zur genüge erwiesen /(…).“285 –; Vertreter des von ihm beförderten Halleschen Pietismus begegneten hingegen der Schauspielkunst in ihrer sinnlichen Vielfalt, in ihrer Mischung aus Sprache, Gestik, Kostümen, Dekorationen, Musik und Beleuchtung ohne Kompromissbereitschaft. Besonders drastische Ausmaße sollte der Theaterstreit in Halle annehmen, wo das Gemeinwesen durch Uni­versität und Kaserne, durch die Ansiedlung von hugenottischen Flüchtlingen sowie durch den Wegzug des Hofes von starker Fluktuation gekennzeichnet war. Hier gelang es Protagonisten der 1694 ins Leben gerufenen Universität, beim preußischen Kurfürsten Friedrich III., dem späteren König Friedrich I., um 1700 ein Theaterverbot durchzusetzen, ein Verbot, das mit kurzen Unterbrechungen das gesamte 18. Jahrhundert hindurch in Kraft blieb.286 Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert sollte sich im Großraum Halle die Situation entspannen, als im fünfzehn Kilometer entfernten, zu Kursachsen gehörigen Bad Lauchstädt, ein lebhaftes Theaterleben entstand.287 Was die lutherische Orthodoxie noch zu tolerieren bereit war, stellte in pietistischen Augen bereits Sünde dar. Für den Waisenhausgründer Francke hatte der Theologe zu meiden „alle Comoedien / Opern und öffentliche Narren-Spiele / und anderen Zeit-Vertreib irdisch gesinnter Menschen / alles eitele Spatzieren gehen / reiten / fahren […]. Er gewöhnet sich aber vielmehr zur Eingezogenheit und Arbeitsamkeit.“288 Auch für Gottfried Vockerodt (1665–1727), den Erzieher von Speners Sohn und Rektor des Gymnasiums in Gotha, war die Schaubühne keineswegs eine moralische Anstalt, zu der sie hundert Jahre später Friedrich Schiller (1759–1804) 283 Aus pietistischer Sicht konnte es angesichts der Kostbarkeit der Zeit überhaupt kein Theater als „Mittelding“ geben; Schmitt (1958), S. 12–16. 284 Philipp Jakob Spener, Frommer Christen erfreuliche Himmels Lust (…) [1676], S. 43 zit. nach Langen (1968), S. 300. 285 Spener (1711, 1987), S. 270. 286 Meyer (1950a); Martens (1998); Wöbkemeier (2004). 287 Seit 1776 wurde alljährlich in der Saison in einem eigens dazu erbauten Haus gespielt. Insbesondere als das unter Goethes Leitung neu gegründete Weimarer Hoftheater ab 1791 hier seine Sommerbühne aufschlug, nutzten zahlreiche Hallenser die Gelegenheit, ihrer Theaterfreude nachzukommen; Lenk (1990), S. 32f. 288 Francke über den Lebenswandel des Theologen in seiner Idea Studiosi Theologiae, oder Abbildung eines der Theologie Beflissenen aus dem Jahre 1712, nach Martens (1998), S. 190.

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machen sollte, sondern geradezu ein Produkt des Teufels. Rigoros rechnete Vockerodt mit dem Theater ab, selbst das geistlich-erbauliche Theater fiel seinem Verdikt zum Opfer.289 Noch Jahrzehnte später ließ Hieronymus Freyer (1675–1747), Rektor des Pädagogiums auf dem Gelände der „Glauchaschen Anstalten“, das Theater selbst als moralische Anstalt nicht gelten: „Manche wollen eine Comödie gern als ein bequemes Mittel ansehen, die Leute zu bessern; und den Willen so wol zur Tugend anzumahnen, als von Lastern abzuschrecken: es wäre aber viel besser gethan, wenn man mit solcher unbefugten Bekehrungsmethode, hinter welcher insgemein ein Pelagianischer Sinn stecket, nur zuhause bliebe und dis wichtige Werk der einfältigen Predigt des Evangelii überließe.“290 Carl Heinrich von Bogatzky (1690–1774), der einen Großteil seines Lebens innerhalb der Mauern der Franckeschen Anstalten verbrachte, sah in seinem immer wieder neu aufgelegten und 1718 erstmals erschienenen pietistischen Erbauungsbuch Güldenen Schatz=Kästlein der Kinder Gottes in der Präsenz der französischen Truppen im Land während des Siebenjährigen Krieges eine Gottesstrafe, weil man sich so „viele Spiele, Tänze und Eitelkeiten“, nicht zuletzt auch Komödien und Opern der französischen Nation zum Vorbild genommen habe.291 In die geschlossenen Reihen der Theatergegner eine Bresche zu schlagen, war nicht möglich, wenn es auch der Schauspielerin Catharina Elisabeth Velten (1650?– 1712?) im Jahre 1701 gelang, gegen die im mitteldeutschen Raum grassierenden pietistischen Tendenzen zur Verteidigung des Theaters die erste deutsche Streitschrift zu verfassen.292 Ihr diente der Topos des theatrum mundi als Legitimation: Weil das Universum permanent Beob­achtungssituationen erzeugt und daher immer schon ein Theater darstellt, kann auch seine Abbildung im eigentlichen Theater nicht als sündhaft verworfen werden. „Ja die gantze Natur spielet gleichsam für ihren Schöpffer […]. / Die grosse weite Welt ist nichts anders als eine Comödia, darinnen ohne Unterlaß theils die uralten Creaturen / Sonnen Mond und Sternen / theils andere / auch neue Creatu­ren / aufgeführet / und zu unserer Observation, imitation und Correction uns allen sammt praesentiret und fürgestellet werden.“293 Den Generalverdacht, unter dem das Theater stand und wie er bei Vockerodt, Freyer und Bogatzky zum Ausdruck kommt, konnte sie mit diesem Argument kaum entkräften. Selbst wenn moralische Beweggründe, wie die Regulierung der Affekte und Vermittlung belehrender Stoffe, die dramaturgische Absicht leiteten, änderte sich in deren Augen 289 Mit dem Hofkapellmeister und Altisten Johann Beer (1655–1700) lieferte er sich eine Kontroverse, Busch (2001); Martens (1998), S. 192–197. 290 Freyer (1745), S. 214. 291 Bogatzky (1860), S. 233; zu diesem Dichter: Raabe (2001), S. 5f. Viele Geistliche interpretierten Brandkatastrophen, die mit der Zerstörung der Schauspielbühne endeten, als Strafgericht, nachdem man allzu sehr der Theaterliebe gefrönt hatte; Diebel (1968), S. 181. 292 Zeugnis der Warheit Vor die Schau-Spiele oder Comödien/Wider Hn. Joh. Joseph Winckler Diaconi an der hohen Stiffts-Kirchen in Magdeburg/Herausgegebenen Schrifft/Worinnen er Dieselbe heftig angegriffen (…) zusammen getragen und auffgesetzt Von Frauen C. E. Velthemin/Principalin der König. Polnischen und Chur-Fürstl. Sächsischen HoffComödianten, Gedruckt/Anno 1701. 293 Velten (1701, 1940), nicht pag. [8r].

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nichts am verwerflichen Scheincharakter des Theaterstücks. Das Theater spiegele Lügen und Fiktionen, zudem werde der Zuschauer vom Wesentlichen abgelenkt, wenn man ihm suggeriere, das Dargestellte sei wahr. Die Einstellung des Halleschen Pietismus stand durchaus derjenigen Calvins nahe, den sie aber in ihrer Radikalität noch zu übertreffen schienen. Plakativ positionierte sich die Wahrheit des Glaubens gegen die Lüge des Theaters; eine Polarität, die noch August Tholuck (1799–1877) in seiner 1824 erschienenen Schrift Eine Stimme wider die Theaterlust repetieren sollte. Im Zentrum des pietistischen Selbstverständnisses steht in eminentem Maße der einzelne Mensch, der um seinen Glauben ringt. Ohne eine intensive innere Selbstprüfung, eine permanente Bereitschaft, seine Gefühle aufrichtig offen zu legen, gehörte man nicht dazu. Diese emotionale Authentizität bzw. Kongenialität zwischen Gedanke, Wort und Tat im Individuum musste der Schauspielkunst mit ihren wechselnden Rollen, Identitäten und Verkleidungen diametral entgegenstehen. Wenn auch pietistische Topoi wie Wiedergeburt, Bekehrungserlebnis und Bußkampf einen Identitätsbzw. Rollenwechsel geradezu voraussetzten 294, fehlte ihnen zur Theatralik die unerlässlichen Ingredienzen des spielerischen „als ob“.295 Dabei hatte das Theaterleben in der Stadt Halle in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geblüht. Geprägt war es von der Hofoper, hinzu kamen die von Wanderbühnen inszenierten Schauspiele, schließlich die auf Jahrmärkten ihre Kunststücke vorführenden Gaukler und Seiltänzer, Possenreißer, Schaubudenbesitzer und Mario­ nettenspieler.296 Ein anderes Theaterzentrum der Stadt stellte das lutherische Gymnasium dar, wo regelmäßig Schulkomödien aufgeführt wurden. Insbesondere die dramaturgische Kreativität von Schulrektoren luthe­rischer Gymnasien sollte im Kreuzfeuer ätzender pietistischer Kritik stehen. Schon in der präfranckeschen Zeit hatte sich der musenfreundliche Rektor Valentin Berger (1620–1675) so begeistert als Regisseur von Komödien betätigt, dass die Schulinspektoren seinen theatralischen Eifer bremsen mussten.297 Als Halle 1680 aus einer sächsisch-weißenfelsischen Residenzstadt zu einer preußischen Provinzstadt geworden war, endete zugleich das Zeitalter von Hofoper, Hofschauspiel und Schulkomödie. Pietistisch eingestellte Vertreter der 1694 gegründeten Universität agitierten darüber hinaus beim Magistrat und beim Kurfürsten Friedrich III. gegen Kirchweih, Maskeraden, Tanz, Jahrmärkte und Karneval.298 Das 294 Zum „Bekehrungstheater“ bei den Pietisten: Kittsteiner (1995), S. 350f.; vgl. zu vergleichbaren Praktiken auf katholischer Seite Edgerton (2003); Mayer-Deutsch (2006). 295 Zur Bezeichnung der Vereinigung mit Gott ist im Pietismus bisweilen von „Spiel“ die Rede, nach Langen (1968), S. 299f; zu Praktiken des Losens und Däumelns von Bibelsentenzen im Pietismus: Brückner (2010a). 296 Halle kann als Theaterhochburg gelten, hier wurde Johannes Velten (1640–1692), mit dem sich die Etablierung des Berufsschauspielertums in Deutschland verbindet, geboren; die Leitung seiner Schauspieltruppe, die immer wieder auch in Halle auftrat, sollte nach seinem Tode seine Frau Catharina Elisabeth übernehmen. Auch das Musiktheater von Georg Friedrich Händel (1685–1759) ist mit der Theatertradition seiner Geburtsstadt verknüpft. 297 Vgl. ihre Eingabe von 1672, nach Serauky (1939), S. 360. 298 Lenk (1990), S. 18–23; Thomke (1995 ), S. 64ff.

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Verbot von oberster Stelle ließ nicht lange auf sich warten. Nicht nur Darbietungen von Wanderbühnen wurden drastisch eingeschränkt. Auch das am Gymnasium gepflegte Schultheater gehörte nun der Vergangenheit an. Das Prinzip sola scriptura fand im Thea­terleben in der Weise Ausdruck, dass bei Aufführungen von nun an nur noch Reden und Dialoge erlaubt waren, wenn die Stücke nicht überhaupt nur noch gedruckt und gelesen wurden. Dass in den Schulen, die zu den Waisenhausstiftungen gehörten, wie der Lateinschule und dem Pädagogium, Schulkomödien von Anfang an unmöglich waren, verstand sich von selbst. Diese restriktive Theaterpolitik sollte sich mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. im Jahre 1713 noch verschärfen. Als reformier­ter, der puritanischen Mentalität nahe stehender Hohenzoller war er geneigt, pietistischen Einflüsterungen nachzugeben.299 Die königlichen Attacken gegen das Schauspiel wurden dabei stets sekundiert von Stellungnahmen leitender Persönlichkeiten aus den „Glauchaschen Anstalten“. 1728 verdammte Hieronymus Freyer die Komödie in einem Aufsatz Ob ein christlicher Schullehrer an statt der gewöhnlichen oratorischen Übungen mit gutem Gewissen Komödien spielen und die ihm anvertraute Jugend dazu anführen könne. 300 Die Schärfe der Polemik spiegelt das ausgeprägte Konkurrenzverhältnis zwischen Kanzel und Bühne. Ratsprotokolle vieler Städte belegen dass Geistliche den Ratsherrn ständig in den Ohren lagen, zumindest an Sonntagen Komödien zu untersagen.301 Wie eine Theatervorstellung wen­det sich eine Predigt an das Gefühl, an das emotionale Erleben der Zuhörer. Sie zielt auf eine Veränderung des Menschen (Kathar­sis), will ihr Publikum erschüttern und erbauen. Ihre soziale Funktion besteht darin, das seelische Gleichgewicht des aus der Bahn geratenen Individuums wiederherzustellen. Während im Theater das Publikum mit allen seinen Sinnen angesprochen werden kann, ist es in der nüchternen protestantischen Kirche dem Prediger allein durch Rhetorik möglich, auf sein Publikum, das nur als Zuhörer agiert, einzuwirken.302 Besonders pikant war Reichweite und Grenze der Toleranz gegenüber Schauspielen in der Schnittmenge zwischen Kirche und Theater: Inwieweit waren biblische Stoffe im Theater akzeptabel, inwieweit war es möglich, im Kirchenraum theatrale Praktiken zu etablieren? Während aus dem Blickwinkel der Anhänger protestantischer Reformbewegungen die Abschaffung von Spektakel und Schaustellerei eine Konsequenz ihrer schlichten Gottesdienstpraxis darstellte, schlugen Jesuiten allein schon deswegen eine Brücke zu herkömmlichen Theaterstücken, weil der kirchlichen Liturgie eine breite Palette von Inszenierungsformen inhärent war.303 Protes­ tantische Geistliche, die das Theater weiterhin als eine kirchliche Domäne betrachteten, forderten zumindest religiöse Themen. Für die Pietisten in Halle, wie Vockerodt, 299 V.a. Hinrichs (1971), S. 126–174. 300 Aus: Hieronymus Freyer, Latino-Germanica cum additamento Miscellaneorum vario, Halle/Saale, Magdeburg 1737, S. 351–405. 301 Diebel (1968), S. 123; Rädel (1997); Zimmermann (1984). 302 Hinzu kommt die Wirkung der Musik. 303 Zur Beziehung zwischen Sakralbau und Theater: Stabenow (2007); Brossette (2002).

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die im Theater nur den Schein dieser Welt erkannten, musste die Inszenierung religiöser Stoffe geradezu ein Sakrileg darstellen.304 Vertreter der lutherischen Orthodoxie in ihrem entspannteren Verhältnis gegenüber den Mitteldingen öffneten sich hingegen durchaus theatralischen Erscheinungen. Wie sehr sich auch in evangelischen Regionen Kirchenräume zu Bühnen verwandeln konnten, ­ zeigen Dietrich Buxtehudes (1637–1707) Abendmusiken in der Marienkirche von ­ Lübeck, die als mehrteilige Oratorien auch von szenischen Elementen getragen waren.305 Valentin Ernst Löscher, Superintendent und Pfarrer der Dresdner Kreuzkirche sowie führender Exponent des orthodoxen Luthertums und als Propagandist des malum pietisticum Kontrahent der Halleschen Pietisten,306 wusste durchhaus theatralische Architekturelemente des Kircheninneren, wie die mehrgeschossigen Emporen und der kreisförmigen Ordnung des Gestühls zu rechtfertigen, als im Jahre 1734 in Dresden die prunkvolle, alle bisherigen Kirchenbauvorstellungen des deutschen Protestantismus revolutionierende Frauenkirche eingeweiht werden konnte.307 In Halle hingegen blieb ein ganz anderes Klima als in Dresden oder Lübeck dominant. Selbst als sich das Theaterleben unter dem für Künste aufgeschlossenen preußischen König Friedrich II. (1712–1786) wieder zu entfalten begann, blieben Kirchen und Schulen weiterhin theaterfreie Zonen.308 Erst als das für unvernünftig gehaltene, zweckfrei, potenziell anarchisch sich entfaltende Schauspiel von einer Kunst abgelöst wurde, in der sich hoher Ernst zum Ausdruck zu bringen hatte, konnte das Theater in pietistischen Kreisen seine Akzeptanz stärken.309 Erst mit der aus dem pietistischen Theaterstreit geborenen Thea­terreform Johann Christoph Gottscheds (1700–1766) wurde der Weg frei für das Theater als moralische Anstalt.310

Theatralität im Zeitalter der Theaterprohibition Der Verdrängung der Schauspielbühne aus der theaterfreudigen Stadt Halle infolge der Gründung von Universität und Franckesche Stiftungen standen auf der anderen Seite durch Bauprojekte, Kunstkammer, Realienunterricht und Apotheke Phänomene der Theatralität gegenüber,311 ohne dass sie aber explizit mit theatrum bzw. Theater etikettiert worden wären. Nicht ohne Theatralik grenzte sich der Hallesche 304 Siehe Gottfried Vockerodts Missbrauch der freyen Künste von 1697; vgl. auch Diebel (1968), S. 93. 305 Die Abendmusiken wurden von Franz Tunder (1614–1667) in seiner Zeit als Organist an der Lübecker Marienkirche (1641–1667) begründet; Ausstellungskatalog Lübeck (2003); Reflexionen zwischen Kirchenmusik und Theatralität bei Ruetz (1752), S. 126f. 306 Zum Autor: Blanckmeister (1920); Greschat (1971). 307 Löscher (1734). 308 Etwas offener verhielt sich Justus Breithaupt (1658–1732), Abt des nach halleschen Vorbild gegründeten Pädagogiums von Kloster Berge bei Magdeburg; Holstein (1886), S. 26f., S. 100f. 309 Wild (2003); siehe auch Dräsecke (1815). In der Theatergeschichte scheint das Mittelalter bis weit ins 18. Jahrhundert gedauert haben, siehe Epocheneinteilung bei Devrient (1848). 310 Fischer-Lichte (1990), S. 251–268; Wild (2003), S. 359–467. 311 Müller-Bahlke (1997); Müller-Bahlke (1998); Axt (2004); Grote (1998).

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Pietismus strikt gegenüber der säkularen Gesellschaft ab: Leben stand gegen Lehre, Geist gegen Amt, Kraft gegen Schein, Innen gegen Außen.312 Dieses dialektische Mus­ ter machte sich der Hallesche Pietismus auch ikonographisch zunutze. Der in golde­ nen Lettern als Band zwischen zwei flügelschlagenden schwarzen Adlern zu entziffernde Bibelspruch aus Jesaja „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler“ im Giebelfeld der Fassade des Waisenhauses wirkt wie ein theatralisches Emblem, das auf die erstaunlichen Verwandlungsprozesse verweist, die sich im Innern des Gehäuses, bzw. im Innern der Gemüter vollzogen und von denen der äußere, nichterweckte Betrachter durch einen Graben getrennt war (Abb. 157).313 Während das Theater eine künstlich in Szene gesetzte Welt des Scheins konstituierte, entfaltete sich hinter der Abgeschlossenheit der Mauern der „Glauchaschen Anstalten“ eine Welt des Seins, ein eigenes, streng reglementiertes Leben, das aber kaum minder künstlich in Szene gesetzt war. Theatral war der Hallesche Pietismus insbesondere dann eingestellt, wenn es um die Repräsentation des Wissens ging. Ohne das Wort „Theater“ zu benutzen, bediente sich der „Projektemacher“ August Hermann Francke einer von Theatralität gesteuerten Wissensvermittlung. Er korrespondierte mit Leibniz und rezipierte Andre­aes Utopie einer Stadt Gottes, zu deren Infrastruktur eine Bibliothek, ein Archiv, eine Buchdruckerei, ein Laboratorium und eine Apotheke gehörten; Einrichtungen also, die auch Francke in seinen Anstalten etablierte.314 Ein ­ Panoptikum, bestehend aus Botanischem Garten, mathematischen, physikalischen, astronomischen, numismatischen Sammlungen, mechanischer Kammer, Anatomiestube, Bibliothek, Apotheke und Medikamentenlabor verwandelte die von Francke gegründete Schulstadt in ein Experimentierfeld des Lebens. In den 1730er und 40er Jahren, unter Franckes Sohn Gotthilf August, konnte die wirtschaftlich konsolidierte Schulstadt weiter expan­ dieren, wobei man sich jetzt noch stärker Effekten der Kunst und Visualität öffnete.315 So erfuhr der ohnehin schon stattliche Bau des Waisenhauses eine repräsentative Umgestaltung. Allein die relativ großzügige Freitreppe verlieh der Fassade einen zusätzlichen theatralischen Akzent. In dieser Zeit wurde auch die Kunst- und Naturalienkammer aufgewertet. Sowohl Francke als auch Comenius waren der Überzeugung, dass sich in der ausgestellten Natur die Kunstfertigkeit Gottes, seine elaborierte Schöpferkraft spiegelt. In Anspielung auf Psalm 24, in dem die Welt als eine Kunstkammer Gottes ausgelegt wird, sollte auch vom Menschen Geschaffenes eine Nobilitierung erfahren, womit wiederum Gott die Ehre erwiesen würde.316 Die 312 In der Position des Torwächters hatte die existentielle Spannung zwischen Innen und Außen schon bei Andreae ihren Ausdruck gefunden, während sich in Luthers Bild von Kirchhof, Kirche und Chor alle Mitglieder der Gemeinde schon mehr oder weniger innerhalb befinden. 313 Kertscher (2005), S. 412. 314 Baumgart (1966); Sträter (2001). 315 Müller-Bahlke (2001). 316 Noch in Zedlers Universallexikon aus dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts ist vom menschlichen Körper als kunstvoller Maschine, als Werkstatt der Seele und demgemäß von Gott als Techniker und höchstem Baumeister die Rede.

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157: Emblematisch gestalteter Giebel des Historischen Waisenhauses

Kunstkammer stellte für Pietisten ein Medium dar, den Forschungs- und Wissensdrang als Schauspiel und Gottesdienst zu interpretieren. Zahlreiche Maßnahmen Franckes sowie seiner Mitstreiter sind nicht anders als theatral zu charakterisieren. Als Bühnen en miniature fungierten die von Gründler geschaffenen Schränke, der sich damit das szenische Potential dieses Möbels, 317 wie es von Michele Mercati (1541–1593), dem Kurator der Vatikanischen Gärten aus dem 16. Jahrhundert in seiner erst zwischen 1717 und 1719 erscheinenden Metallotheca beschrieben worden war,318 zunutze machte. Im Öffnen und Schließen von Schranktür und Schublade wurde dem Zuzeigenden eine Bühne vor Zuschauern gegeben. Der „Herumführer“ präsentierte sich selbst mit den Stücken, die er den Besuchern zeigte.319 Erzählend schritt er von Schrank zu Schrank, d. h. von einem Bühnenraum zum nächs­ten, wobei die Bekrönungsbemalung der Schränke als Auftaktgeber dieser Inszenierung diente.320 Die mit illusionistischer Malerei, die sich bis zum trompe-l’œil steigert, versehenen Giebelaufsätze, die allegorisch auf den jeweiligen Inhalt verweisen, haben die Funktion von Bühnenbildern. So ziert ein grinsender Leopardenkopf, der einem Thea­terzuschauer gleich die Besucher amüsiert zu beobachten scheint, die Spitze des Tierschranks (Abb. 158). Wie Requisiten wirken die außerhalb der Schrän317 In jede Ecke des Saals baute Gründler ein Schrankensemble, bestehend aus einem einflü geligen Eckschrank, der jeweils von einem zwei- und einem dreiflügligen Schrank flankiert wird; siehe in vorliegender Studie, S. 360ff. 318 „Der Sammlungsschrank, der diese ‚idiomorphen‘, d.h. mit eigener Gestalt ausgestatteten Fossilien enthält, wirkt deshalb wie ein Theater.“ Nach Hölder (1989), S. 11. 319 Zum theatralen Öffnen und Schließen durch den Abt Gerhard von Loccum: Baring (1744), o. S.; Heesen (2007), S. 92f. 320 Dolezel (2007), S. 34f.

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158: Ein grinsender Leopard begrüßt die Schaulustigen vor dem Animalien-Schrank in der Kunst- und Naturalienkammerm Halle, Franckesche Stiftungen

ke befindlichen Exponate, wie ein von der Decke hängendes Krokodil, ein sechsbeiniges Kalb, Walfischknochen sowie das Skelett einer enthaupteten Frau. Die Geschich­ te zum letzteren Exponat entlarvt Franckes Hang der ihm eigenen Theatralität in beson­derer Weise. Mit dem „Sceleton oder menschliches Todten-Gerippe, nach natür­ licher Ordnung durch Kunst zusammengefüget“321 waren die leiblichen Überreste einer Bäckerin namens Dorothea Breitingen gemeint, die unter Folter einen Mord an einer reichen Witwe gestanden hatte. Francke hatte noch Gelegenheit, sie einen Tag vor ihrer Hinrichtung in der Zelle zu besuchen. Auf sein Interesse stieß sie besonders deswegen, weil sie angeblich während ihrer Haft nach einem heroi­schen Bußkampf eine grundlegende Bekehrung erlebt hatte.322 Francke soll das Schauspiel der 321 Gründler, Katalog B, 158, nach Müller-Bahlke (1998), S. 36 322 Das Erweckungserlebnis wurde sogleich Gegenstand einer Flugschrift: Die letzte Nacht Einer ����������������������������������������������������������������������������������� grossen, �������������������������������������������������������������������������� aber durch Gottes Gnade wahrhafftig bekehrten, Sünderin der Seeligen Doro-

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Hinrichtung nicht mit Schauder und Entsetzen, sondern mit Glücksgefühlen verfolgt haben, entsprechend der Freude, die im Himmel über die Ankunft dieser reuigen Sünderin ausbrechen würde. Nach der Exekution landete ihre Leiche auf dem Seziertisch der Anatomie, bevor das Skelett als Exponat in Franckes Naturalienkammer gelangte. Trotz theatraler Akzente blieb der Begriff des Theaters bei den Halleschen Pietisten konsequent tabuisiert. Auch nach Franckes Tod fand in der Hinsicht wohl kein terminologischer Kurswechsel statt. So ist in dem von Gottfried August Gründler im Jahre 1741 erstellten Catalogus derer Sachen, die Sich in der Naturalien-Kammer des Waysen-Hauses befinden323 mit keinem einzigen Wort von theatrum die Rede, obwohl er so gepasst hätte.324 Bisweilen wandten Hallesche Pietisten theatrale Praktiken an, die sich wenig später auch terminologisch niederschlagen sollten. So wurde der Begriff der Kulisse auserkoren, um damit – bezeichnend genug – eine Bibliothek zu charakterisieren. Sie war zwischen 1726 und 1728 als separates Gebäude auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen errichtet worden. Gerade die in Anlehnung an englische College-Bibliotheken kulissenhafte Aufstellung der Regale erregte Aufsehen.325 Die Regale wurden konsequent hintereinander in den Raum hinein gestellt und nicht mehr entlang der Wände. Zweckmäßigkeit und Ästhetik gingen eine Symbiose ein, gelang es doch nicht nur, in einer gegebenen Räumlichkeit weitaus mehr Bücher aufzustellen, sondern auch einen attraktiven Blickfang zu schaffen. Hier stellte sich ein perspektivischer Raumeindruck nicht durch bemalte Kuppeldecken wie in den Saalbibliotheken süddeutscher Klöster ein, sondern war Resultat hintereinander gereihter Regale, die den Eindruck einer Kulisse vermitteln. Mit einem von Gründler gestochenen ex-libris, auf dem das Kulissenmagazin als theatralische Einheit mit Raumtiefe erscheint, setzten sich die Franckeschen Stiftungen in Punkto Bildungskompetenz in Szene (Abb. 159). Tatsächlich wirken die rechts und links des Mittelgangs platzierten Regale wie die verschiebbaren Kulissen in einem barocken Theater.326 thea Breitingen … Zur allgemeinen Erbauung von einigen, welche zu ihrer Er­weckung den meisten Theil der besagten letzten Nacht ihr Gesellschafft geleistet, Halle/Saale 1720. 323 Katalog B (1741), aus: Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale). 324 Die benachbarte Universitätsstadt Wittenberg, wo die lutherische Orthodoxie dominierte, schien gegenüber dem Theaterbegriff hingegen weniger befangen zu sein. Im Collegium Augusteum direkt gegenüber dem Lutherhaus befand sich neben dem aus Schenkungen Kurfürst August des Starken und seines königlichen Sohnes – darunter die bedeutende Ruyschische Präparatesammlung – hervorgegangenen Anatomischen Museum ein theatrum anatomicum, dass amphitheatralisch eingerichtet gewesen zu sein scheint und wo öffentliche Sektionen stattfanden; Friedensburg (1917), S. 382f.; Laube (2002), S. 22–28. Siehe in vorliegender Studie, S. 258f. 325 Klosterberg (2007). 326 Die die Hinterbühne öffnende Kulissenbühne war Ende des 17. Jahrhunderts in Theatergebäuden eingeführt worden und kam mit ihren technischen Möglichkeiten nicht nur dem Repräsentationsbedürfnis höfischen Lebens entgegen, sondern visualisierte zugleich mit der Zentralperspektive das Ordnungsprinzip des absoluten Herrschers.

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159: Logo der Kulissenbibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle, Kupferstich (Mitte des 18. Jh.), Halle, Franckesche Stiftungen

In dieser separaten, sich von der Kunst- und Naturalienkammer emanzipierenden Bibliothek des Pietismus fand verstärkt das ausschließlich textgesteuerte Buch als un­übertreffliches Speichermedium seine Heimstatt.327 Bildmedien hingegen hatten es schwer, sich in diesem Buchstabenkosmos zu entfalten. Die – neben Arndts Konterfei – einzige Illustration in Johann Arndts Vier Bücher vom Wahren Christentum, 1704 im Verlag des Waisenhauses erschienen, stellte das von Gründler geschaffene Bibliothekslogo am inneren vorderen Buchdeckel dar. Die anschauli­chen Embleme, die Arndts Erbauungsbauch seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zierten und die auch eine besondere Nähe zur modernen Naturwissenschaft zeigten, sucht man in der Waisenhausausgabe hingegen vergebens.328 Wohl um nicht von Zerstreuung absorbiert zu werden, war das visuelle Potenzial bei Arndt drastisch reduziert worden. Einmal mehr zeigt sich, dass Hallesche Pietisten sehr sparsam mit Bildern um­gin­ gen, die papierne Flachware war weitgehend durch den Text monopolisiert. Dagegen war der Umgang mit Dingen auf der Ebene der unmittelbaren sinnlichen Wahr­ 327 1771 war auch die kleine Handbibliothek aus der Naturalienkammer an die Hauptbibliothek des Waisenhauses überwiesen worden. 328 Peil (1977); zur emblematischen Struktur von Arndts Theologie: Greschat (1968), siehe in der vorliegenden Studie, S. 354 (mit Abb. 151).

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160: Der Schriftenschrank in der Kunst- und Naturalienkammer des Halleschen Waisenhauses, Halle, Franckesche Stiftungen

nehmung, der augenblicklichen Konfrontation, deren begrenzter Speicherwirkung eine umso größere Authentizität gegenübersteht, sehr ausgeprägt und geradezu er­ wünscht. Was blieb, war das Buch als Ding, wie auch der Bibliothek insgesamt immer auch ein materieller Faktor innewohnte, den man bildhaft darstellen konnte.329 Gerade dem theatralen Konzept des Halleschen Pietismus gelang es, den Buchstaben in ihren vielfältigsten Formen zu visualisieren bzw. zu verdinglichen. Nicht ohne dramaturgische Absicht waren im sechzehnten und letzten Schrank in der Kunst- und Naturalienkammer Schriften und Bücher ausgestellt (Abb. 160).330 Die Wortdominanz, die sich in dieser Inszenierung dokumentierte und der Schauwert, die die Besucher diesen Schriftzeichen aus unterschiedlichen Kulturen beimaßen, schienen

329 Oechslin (2003); Dolgner (2007). 330 Zur Schreibwut der Pietisten: Gleixner (2005); zum Schauwert der Schrift: Glasmeier (2007).

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161: Aus Feuerbrünsten gerettete Exemplare von Johann Arndts Erbauungsbuch (um 1720), Halle, Franckesche Stiftungen

keine Gegensätze zu sein, sondern gehörten zusammen.331 Die Theatralität der Buchstaben spiegelt sich zudem in – gleich Reliquien – verehrten Exemplaren pietis­tischer Standardliteratur, die aus Feuersbrünsten weitgehend unversehrt gerettet worden waren.332 Das durch Materialität beglaubigte Wunder schien die Wahrheit der von Arndt vertretenen Frömmigkeitsrichtung zu bestätigen (Abb. 161). Es ist frappant, dass im Halleschen Pietismus die Ablehnung der Theaterkunst mit einer großen Offenheit gegenüber Formen des Wissenstheaters einherging. Das auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen in Szene gesetzte Wissenstheater war ebenso anschaulich wie lehrreich. Die Vielfalt theatralischer Momente konnte sich 331 Pfefferkorn ��������������������� (2003). 332 „Johann Arnds Wahres Christenthum, so im Feuer erhalten worden, die dabey stehenden Bücher aber alle verbrannt sind.“ Katalog B (1741), S. 364, Archiv der Franckeschen Stiftungen, Bepler (2001), S. 966f.; Grube-Verhoeven (1966).

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hier deswegen entfalten, weil sie in einem didaktisch-utilitaristischen Rahmen eingehegt blieb. Wissen war von Bildung und Moral nicht zu trennen. Das Hallesche Wissenstheater stand in gewisser Weise zwischen der von Gauklern und Possenreißern verkörperte Theatralität der Improvisation und Spontanität sowie der von jeglichen Harlekinelementen gereinigten Theaterkultur, die sich seit dem Sturm und Drang an den deutschen Bühnen durchsetzte. Mit Etablierung und Legitimierung des Theaters als „moralischer Anstalt“ wurde das gesamte Sinnlichkeitsspektrum zugunsten einer höhern Sittlichkeit preisgegeben. In Halle sollte sich Klopstock-Verehrer August Hermann Niemeyer (1754–1828), seit 1785 im Direktorat der Franckeschen Stiftungen, als Integrations­figur zwischen Theaterkunst und Wissenstheater profilieren.333 Das Theater als Repräsentationsmedium haptisch, optisch und akustisch vermittelter Reize und Fiktionen traf lange Zeit das Verdikt der Pietisten; erst in seiner Ausprägung als Wissenstheater traf es ihren Geschmack; in seiner späteren Variante als Moralbühne konnten sie sich mit ihm anfreunden. Wie der Glauben in der Reformation von Zierrat und anderen Ablenkungen befreit werden müsse, so sollte auch das Theater von theatralischen Elementen, wie „Harlekinaden“ und „Hanswurstiaden“, gereinigt werden, damit es ungehindert seine moralpädagogische Funk­ tion ausüben konnte. Während dem Wissenstheater im Zeitalter der Spezialisierung der Fächerwelt und Museen keine große Zukunft mehr beschieden war – zumindest nicht als Format, einer sowohl Kultur als auch Natur beherbergenden Sphäre – sollte für die hehr gewordene Theaterkunst die große Zeit erst noch beginnen.334 ÜBERGANG – Vom Hauptbahnhof in Halle führt heutzutage eine vierspurige, auf Stelzen ruhende und von Hochhäusern gesäumte Verkehrsachse nach Halle-Neustadt. Auf dreihundert Metern Länge tangiert sie die Bauten der Franckeschen Stiftungen. Diese Nahtstelle zwischen sozialistischer Moderne und pietistischem Barock markiert Glaucha, einst unscheinbare Vorstadtsiedlung, wo August Hermann Francke in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine komplette Stadt mit zukunftsweisender Infrastruktur erbauen ließ: die Glauchaschen beziehungsweise Franckeschen Anstalten. Die Urbanisierung des unkultivierten Raums war für die Pietisten ein zentrales Instrument zur Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden. Franckes gleichermaßen visionäre wie pragmatische Version eines Pietismus bedurfte zur Legitimation eines örtlichen Fixpunktes, architektonischer Präsenz und dinglicher Medien, um auf diese Weise die spirituellen Energien zu kanalisieren. Zur Baugeschichte gehörte von Anfang an die Propaganda, diesen Gebäudekomplex als von Gott geschaffenes Wunder erscheinen zu lassen. Da für den frommen Francke nur Gott der oberste Bauherr und Baumeister in Frage kam, war es nur logisch, in den Akten keinen Architekten namentlich zu nennen.335 Die Grundlage seiner Architek­tur­ 333 So übersetzte er für die Weimarer Hofbühne Stücke von Terenz und Corneille; Soboth (2005); Schmid (2005). 334 Wild (2005). 335 Böhme (2003), S. 20.

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ideen, in denen die Utopien des Theologen und Mathematikers Johan Valentin Andreae aufscheinen, dürfte der Stifter in seiner Kindheit erhalten haben, die er in Gotha verbrachte, am Fuß des Schlosses Friedenstein. Diese Residenz war nicht nur Wohnsitz der fürstlichen Familie, sondern barg sämtliche für eine Residenz erforderlichen Einrichtungen. Vergleichbar multifunktional und geradlinig entwarf Francke seine „Stadt auf dem Berge“, die auf ganz Europa ausstrahlte. In produktiver Auseinandersetzung mit den Ideen von Leibniz schuf Francke mit seiner Schulstadt ein Modell, das das Reich Gottes im Kleinen verkörpern sollte. Im noch Kleineren zeigt sich diese Durchdringung des Unteren durch das Obere in der Halleschen Bibliothek und Kunstkammer. In letzterer konnte man sich im Sammelsurium der Dinge überraschenden ­ Erkenntnisformen, dem Vergleich des anscheinend nicht Zusammengehörigen aussetzen, sich einem virtuosen Spiel der Formen und Analogien hingeben. ���������������������������������������������������������������� Das auf Realienbildung basierende Wissenstheater in Halle wurde im 19. Jahrhundert durch Spezialsammlungen und öffentliche Großmuseen verdrängt, die in ihrer Präsentation meist chronologischen Ordnungskritierien folgten.� Eine dieser chronologischen Spezialsammlungen des 19. Jahrhunderts ist Thema des abschließenden Kapitels. Als Zusammenstellung christlich-archäologischer Objek­ te will sie nicht mehr sein als eine Kunstsammlung. Dennoch kann sie als Universitätsmuseum in seiner Funktion als Schatzkammer und Bibliothek, Lektüreraum und Laboratorium Topoi eines vielfältigen Museumsverständnisses aktivieren.

6. Theologie zwischen Schaubühne und Laboratorium

(…) denn man kann Geschichte nicht ohne Denkmäler lehren, so wenig als Anatomie ohne Gerippe und Präparate. Ferdinand Piper

Die im Jahre 1850 gegründete Christlich-archäologische Kunstsammlung der Berliner Universität gibt es heute nicht mehr. Ende des Zweiten Weltkriegs verlieren sich ihre Spuren in der brandenburgischen Provinz. Mit der auch unter dem Namen „Christliches Museum“ bekannten, nicht nur Studenten, sondern auch Touris­ten offen stehenden Einrichtung war die erste geisteswissenschaftliche Lehr- und Schau­ sammlung der Berliner Universität entstanden, weltweit kann sie als erste universitäre der Christlichen Archäologie gelten. Von dem Theologen Ferdinand Piper (1811– 1889) gegründet, stand sie in den Gründerjahren des Deutschen Kaiserreichs im Zenit ihrer musealen Wirksamkeit (Abb. 162). Pipers Anliegen bestand darin, im säku­laren Zeitalter einen Modus des Glaubens zu etablieren, der durch materiellen Ausdruck Überzeugungskraft gewinnt. Also sammelte er Kunstgegenstände, Gemälde, Kupferstiche, Holzschnitte, Lithographien, Zeichnungen, epigraphische Abklat­ sche, Fotografien und Bücher. In einer Zeit, als Papyrologie und Epigraphik noch wenig entwickelt waren, legte Piper sein Augenmerk ins­besondere auf die monumentalen Überreste der kaiserzeitlichen Antike und des Mittel­alters. Seine Samm­ lung spiegelt die Fortschritte in der Reproduktionstechnik. Von Sarkophagen ließ er originalgetreue Abgüsse anfertigen, von christlichen Bauwerken Modelle herstellen. Schon früh wurde Piper auf das Medium der Fotografie aufmerksam. Die Tätigkeit eines Kurators ist auch für einen Universitätsprofessor alles andere als marginal. Pipers Museumstätigkeit kann konkrete Einblicke in die Werkstatt eines Geis­tes­ wissen­schaftlers freilegen, selbstverständliche und daher meist ungesagte Dispositionen in Forschung und Lehre zum Thema zu machen. Zudem ist darin der konstruktive Charakter der Christlichen Archäologie, ihr Fundament in einem immer ausdifferenzierteren Quellen- und Monumentenbestand, dessen Interpreta­tion sich zunehmend komplexer gestaltete, ablesbar.

 Piper, 14. Juli 1870, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 242v.  Der damalige Kurator Friedrich Gehrke (1900–1966) lagerte die Sammlung im Zweiten Weltkrieg in die Prignitz (Schloss Plattenburg) aus, wo sie unmittelbar nach Kriegsende den Plünderungswellen zum Opfer fallen sollte.  Zum heutigen fachspezifischen Spektrum der Christlichen Archäologie: Deichmann (1993); Frend (1996), S. 41–51; Finney (1993); Wischmeyer (2006).

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162: Porträtfotografie Ferdinand Piper (1880)

Die Beschäftigung mit dieser Sammlung von ihrer Gründung im Jahre 1850 bis zum Ende der Ära Piper im Jahre 1890 ist geeignet, ������������������������������� die vorwiegend auf Quellen des gedru­ckten und geschriebenen Wortes beruhende Erforschung der Theologie­ geschichte um das Ding, die materialisierte Quelle sowie das Prinzip „Anschauung“ zu erweitern����������������������������������������������������������������� . Wer sich auf Spurensuche nach dem heute nicht mehr bestehenden Museum begibt, hat sich dem Manko zu stellen, dass ein unmittelbarer Blick auf die in der Sammlung vereinigten Dinge nur noch in wenigen Einzelfällen möglich ist. Dieser materiellen Leerstelle steht aber eine besonders dichte schriftliche Überlieferung gegenüber, insbesondere aus dem Geheimen Preußischen Staatsarchiv, auf deren Grundlage es möglich ist, nicht nur die Sammlungs- und Erwerbungspolitik zu rekonstruieren, sondern auch die Objekte selber wieder zum Sprechen zu bringen. Pipers Christlich-archäologische Kunstsammlung existierte nicht im geschichtsleeren Raum. Eingebettet war sie in einen wissenschafts-, kultur- und politikgeschichtlichen Kontext, in dem ������������������������������������������������ Französische Revolution, ����������������������� napoleonischer Umbruch und Säkularisation den geschichtlichen Ausgangspunkt ausmachen. Die Aufhebung zahlreicher überkommener Besitzverhältnisse hatte viele der Objekte, die nun für kulturgeschicht­liche Sammlungen in Frage kamen, aus höfischen und geistlichen  Crane (2000); Frend (1996), S. 41–51.

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Funk­tions­zusam­menhängen gelöst und auf dem freien Markt verfügbar gemacht. Sie wurden nun in Privatsammlungen und Museen zusammengetragen, durch Denk­ malpflege konserviert, in Katalogen zu Sachgruppen geordnet und stilgeschichtlich in neue Bezüge gebracht. Sie standen nun neuen symbolpolitischen Zuschreibungen offen, denn Musealien entstehen erst dann, wenn sie in anderen Kontexten überflüssig werden, d. h. wenn sie – drastisch gesprochen – gleichsam zu geschichtlichem Müll geworden sind. Als Zeit „progressiver Musealisierung“ setzte auch im 19. Jahrhundert die Traditionspflege erst ein, als die Überreste durch Modernisierung und Industrialisierung zu verschwinden drohten. Pipers Forschungsansatz, dem diejenigen von Gustav Klemm (1802–1867), Gustav Freytag (1816–1895), Jacob Burckhardt (1818–1897) oder Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897) an die Seite gestellt werden können, operierte mit einem Begriff von Kulturgeschichte, der die Dinge als Motoren der Überlieferung ernst nimmt. „Die Einbildungskraft heftet sich an ihnen [den Objek­ten] fest, (…) man lernt besser zu verstehen und verständig zusammenfügen was der todte Buchstabe der Geschichte nur unvollkommen und einzeln zu liefern vermag.“ Die von Wilhelm von Humboldt (1767–1835) nach seinem Besuch im Musée des Petits Augustins von Alexandre Lenoir (1761–1839) in Paris formulierte wissens­ erschließende Kraft von materiellen Fragmenten hatte sich vor Piper in der Theologie nur mühsam Geltung verschaffen können. Das sollte nun anders werden. Im Zeitalter des Positivismus, der im Ausspruch Hyppolite Taines (1823–1898) „Ich will die Objekte so wieder­geben, wie sie sind oder wie sie wären, auch wenn ich nicht existierte“10 kulminierte, wurde gesammelt und registriert, geordnet und festgestellt, auch von Piper, der aus anschaulich vermittelten Monumenten eine Epistemologie des Glaubens kreierte. Spätestens ab Mitte des 19. Jahrhunderts lassen sich in der Gemengelage säkularer und sakraler Erscheinungen chiasmatische Prozesse erkennen: Während sich die Religion säkularisierte, war das säkular-politische Leben einer nicht kirchengebundenen Sakralisierung ausgesetzt. Ebenso wie sich die liturgische Funktion von Bachs Passionen und Oratorien auflöste, als sie – neu entdeckt – erstmals im Konzert­ saal aufgeführt wurden, verlor das Christentum für viele Bildungsbürger im Zeitalter des Historismus seinen Charakter als rein geistliche Orientierung: es verwandelte sich in eine historisierte, und damit auch der Musealisierung offen stehende Größe: Das Christentum schlüpfte in die Rolle einer romantischen Geschichtsreli­ gion.11 Dem um sich greifenden Materialismus stand kompensatorisch eine Sakrali-

 

Zur Neubewertung der immer vielfältigeren Dingwelt im 19. Jahrhundert: Asendorf (1984).   Lübbe (1990), S. 40.   Deneke/Kahsnitz (1977); Sheehan (2002).   Scherer (1913); Crane (2000).   Humboldt (1799, 1980), S. 519f.; vgl. zur schwachen Ausprägung dieses Zugangs in der Theologie: Müller (1910), S. 13. 10 Nach ���������������������� Freund (1936); S. 103. 11 Zum Begriff aus wissenschaftsgeschichtlicher Sicht: Hardtwig (1991).

392  Theologie zwischen Schaubühne und Laboratorium

sierung von Kunst, Bildung und Nation gegenüber,12 aber auch – nicht zuletzt durch Piper – eine Ästhetisierung der Religion. Kirchen können ebenso als Museen des Mittelalters bezeichnet werden, wie Museen als bürgerliche Sakralräume des 19. Jahrhunderts.13 Erst in einer Zeit, als sich die ����������������������������������������������������������������������������� Maßstäbe des����������������������������������������������������������������� konfessionellen Zeitalters zu relativieren begannen, war es möglich, das Christentum im Raum zu entfalten, die Religion bzw. Epoche buchstäblich aufzustellen, wobei der Katholizismus ziemlich rasch gegenüber der musealen Praxis ein unbefangenes Verhältnis gewann,14 während im Protestantismus bisweilen der Gegensatz zwischen sola scriptura und Schaulust hemmend wirkte.15 Als lebendige Traditionsgemeinschaft muss jede Kirche der Musealisierung zwiespältig gegenüberstehen, da sie in der Regel nicht dem nostalgischen Verdikt, museumsreif geworden zu sein, verfallen will. Im geschichtsseeligen 19. Jahrhundert waren die Akzente anders gesetzt. Auch die Kirche wollte ihre vielfältige Geschichte materiell präsentieren und zwar an einem Ort, für den in der Moderne nur das Museum in Frage kommen konnte.16 Die Entstehung der modernen Museumsidee, die schon vor der Französischen Revolution begann, ist bekannt.17 Ihre Übertragung auf Kirche und Religion offenbart hin­gegen Phänomene sakraler Säkularisierung, die bisher wenig beachtet geblieben sind. Gegen­stände des religiösen Kults waren im 19. Jahrhundert einem per­manenten Transformationsprozess unterworfen: von ihrer ursprünglichen sakra­ len Funktion über ihre profane Bedeutung bis zur ästhetischen Eigenexistenz. Ikonen der Religion verwandelten sich im Museum in bloße Dinge der Kunst.18 An­hand von Pipers Sammlung lassen sich konkrete Zusammenhänge zwischen Säkularisierung und Musealisierung aufspüren, die die übliche Gleichsetzung von Säkularisierung und Entchristianisierung in Frage stellen. Übergänge und gegenseitig sich bedingende Beziehun­gen zwischen Sakralem und Profanem können zum Gegenstand der Analyse gemacht werden;19 im Kontrast zum gerade in der deutschen Forschung dominanten Konzept der Moderne als eines Zeitalters zunehmender Verweltlichung, das der Religion allenfalls eine marginale Rolle in der Gesellschaft einzuräumen gewillt ist.

12 Assmann (1993), passim. 13 Klemm (1838), S. 135–143; Schlosser (1908), S. 12ff.; Calov (1965); siehe in vorliegender Studie, S. 23ff. 14 Rummel (2000); Stiegemann (1994). 15 Rhein (1991); Rhein (1997); Laube (2003); über museale Einrichtungen des Protestantismus in Frankreich Lautmann (1987), S. 178ff. 16 Seiler (2007); siehe auch als zweite Nummer aus Les Cahiers de l’École nationale du patrimoine (1998) das Themenheft Trésor d’église, musée d’art religieux: Quelle Présentation? 17 Sheehan (2002); S. 15ff.; Savoy (2006); Fliedl (1996); Grasskamp (1981). 18 Groys (2007); zur heutigen Praxis, sakrale Objekte im Museum auszustellen: Kohl (2005); Paine (1999); Grimes (1992); Ausstellungskatalog Düsseldorf (2001); Richter (2010), S. 417– 422. 19 ��������������������������������������������������������������� Zum ideenpolitischen Rahmen: Habermas (2005); Schieder (2001); ������������� Lübbe (1986).

393  Theologie zwischen Schaubühne und Laboratorium

Zahlen – Bilder – Dinge Mathematisch begabt wandte sich Piper zunächst der Chronologie zu, insbesondere der christlichen Kalenderberechnung. Von hier gelangte er auf das Feld der Christlichen Archä­ologie. Mit der von ihm ins Leben gerufenen „Monumentalen Theologie“ gelang ihm eine zeitgemäße Variante des von Friedrich Schleiermacher (1768– 1834) in Anschauung und Gefühl wurzelnden, erstmals zur Diskussion gestellten Begriffs einer „Kunstreligion“.20 Piper hatte die Begründung einer neuen wissenschaftlichen Disziplin in der Schnittmenge von Kunstgeschichte und Theologie im Sinn und stellte Zahlen, Bilder und Dinge in den Dienst von innovativen transdisziplinären Überlegungen.21 RELIGION UND MATHEMATIK – Theologie und Mathematik, Geist und Natur stellen für Piper keine antipodischen Größen dar; vielmehr vermochte er in der Gemengelage von Zahl, Natur, Kunst und Religion fruchtbar zu agieren. Ob man nun an Friedrich Schleiermacher denkt, an William Robertson Smith (1846–1894) oder Hans Lietzmann (1875–1942): Es ist nicht ungewöhnlich, dass Theologen auch in Mathematik und Naturwissenschaft beschlagen sind. Gemeinsamkeiten ergeben sich allein schon aus der Tatsache, dass sowohl Theologie als auch Mathematik ihre Grundsätze aus geistigen Konstruktionen ableiten.22 Zudem wurde der Mathematik auch die Funktion zugeschrieben, das Weltall und damit den göttlichen Schöpfungsplan begreifbar zu machen. Piper hatte als Mehrfachbegabung an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin ein Studium der evangelischen Theologie begonnen und war zum Wintersemester 1832 an die alma mater von Göttingen gewechselt, wo er sich besonders astronomischen Problemen annahm.23 Mathematisch versiert, setzte er sich mit den Konstellationen des Sonnensystems auseinander. Insbesondere unter­ stützte er Carl Ludwig Harding (1765–1834) bei dessen Berechnun­gen zur Stellung der Planeten. Aus Anlass seines Todes veröffentlichte der angehende Theologe Carl Ludwig Hardings Letzte Tage. Nachwort zu den kleinen astronomischen Ephemeriden für das Jahr 1835. Astronomische Vorlieben bewahrte Piper auch in seinem theologischen Werk. Beim ikonographischen Gehalt der Glasmalereien in der Kathedrale zu Bourges interessierte sich Piper nicht zuletzt für die Darstellung der Himmelskör20 Schleiermacher (1799, 1969), S. 168; vgl. dazu Scholtz (2000); Lehnerer (1987), S. 338ff. 21 Dass die strikte Arbeitsteilung zwischen evangelischer Theologie und Kunstgeschichte tote Winkel hinterlassen hat, zeigen fast alle Überblicksdarstellungen neueren oder älteren Datums aus der Geschichtswissenschaft, Kirchen- oder Kunstgeschichte. Sie lassen den Leser ratlos, wenn er etwas über die Materialisierung religiöser Formen, geschweige denn etwas über die Berliner Christlich-archäologische Sammlung und ihren wissenschaftsgeschichtlichen Hintergrund erfahren will. Eine Würdigung fand die originelle Wissenschaftskonzeption Pipers zwischen Kunst, Geschichte und Theologie Ende der 1970er Jahre bei damals jungen Vertretern einer Kunstgeschichte, die sich als Kulturwissenschaft verstehen wollte; Bredekamp (1978); Dilly (1979), S. 205f. 22 Reich (2000), S. 50. 23 Pipers Schwester Luise in ihrer biographischen Skizze, Piper (1897), S. 9.

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per. So stellte er sich die Frage, ob die Sterne als rote Scheiben oder nur punktförmig visualisiert sind.24 Das St. Elmsfeuer, ein mit der biblischen Überlieferung in Zusammenhang gebrachtes Wetterphänomen,25 behandelte Piper in einer naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift, in Poggendorffs Anna­len der Physik und Chemie.26 Darüber hinaus besuchte er in Göttingen Veranstaltungen des berühmten Mathematikers Carl Friedrich Gauß (1777–1855). Bereits als Schüler des Gymnasiums von Stralsund war Piper durch den Mathematiklehrer Johann Ernst Nizze (1788–1872), der sich u. a. durch Übertragungen von Archimedes-Schriften einen Namen gemacht hatte, in die Welt der Zahlen eingeführt worden. Für Zusammenhänge zwischen Zeit und Zahl in der abendländischen Geschichte27 zeigte Piper besonderes Interesse. Gerade in dieser Materie hatte er in Gauß, der bereits mehrere Arbeiten zur Berechnung des Osterfestes veröffentlicht hatte, einen genialen Mitstreiter.28 In seiner Abhandlung Kirchenrechnung von 1841 – Piper war schon wieder in Berlin – profitierte er von den Vorleistungen des Mathematikers: „Um so günstiger hat es sich in neuerer Zeit ereignet, daß Mathematiker zum Theil ersten Ranges diesem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit zugewandt haben. … Im Jahre 1800 gab Gauß seine berühmte Osterformel und eine Berichtigung derselben im Jahre 1816.“29 Pipers Wissenssystem war durch sein Museum nicht nur raumbezogen; religiöse Zeitzyklen und Kalenderberechnungen sind für sein Werk ebenso typisch. Schon in seiner Dissertation über das Leben Jesu (1835) stellte er chronologische Fragen in den Mittelpunkt. Sein kompetenter Umgang mit Zahlen kam auch seinen Forschungsinteressen im aktuellen Kalenderwesen entgegen. So gab er von 1850 bis 1870 jährlich den Evangelischen Kalender heraus und leistete damit einen wichtigen Beitrag, kirchengeschichtliches Wissen zu popularisieren. Der aus einem kalendari­schen und einem Aufsatzteil zusammengesetzte Kalender enthielt kurze Lebensbilder von geschichtlich bedeutenden Personen. Mit der 365. Lebensbeschreibung war das Kalen­derprojekt beendet, wollte doch Piper – durchaus in Anlehnung an Heiligenkalender der katholischen Kirche – aus jedem Tag einen personifizierten Gedenktag machen, wobei hier traditionelle Heilige durch Personen ersetzt waren, die sich um die evangelische Kirche verdient gemacht hatten.30 24 Piper (1851), S. 168f. 25 Für das Elmsfeuer gibt es keinen eindeutigen biblischen Beleg. Angeführt zu werden pflegt folgende Szene: Die heilige Lade Gottes, eine Truhe, wurde von einem Mann ohne Erlaubnis berührt, worauf er sofort tot niedersinkt (2 Samuel 6,6-7); nach einer Deutung hat ihn der Stromschlag getroffen, wobei das Elmsfeuer die sichtbare elektrische Ladung gewesen wäre. 26 Piper (1851), S. 168f. 27 Borst (1990, 2004). 28 Gauß hatte 1800 die „Osterformel“ entdeckt, mit deren Algorithmus sich der Ostertermin für ein beliebiges Jahr berechnen ließ. 29 Piper (1841), nach Reich (2000), S. 51. Piper berief sich in der 1845 ebenfalls in Berlin veröffentlichten Schrift Geschichte des Osterfestes seit der Kalenderreformation, zur Beurtheilung der wider das diesjährige Osterdatum erhobene Zweifel auf Gauß’ Berichtigung; Piper (1845), S. 71. 30 Zu den historischen Ursprüngen: Knodt (1998); Fuchs (1998); zu den chronologischen Bezügen des Sammelns: Macho (2000).

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MYTHEN DER ANTIKE – Neben den Zahlen öffnete sich Piper auch die Bilderwelt der vorchristlichen Mythen. 1847 erschien der erste Teilband mit dem an Friedrich Creuzer (1771–1858) angelehnten Titel Mythologie und Symbolik. Vier Jahre später sollte der zweite Teilband folgen. Während sich Creuzer in seinem zwischen 1810 und 1812 entstandenen vierbändigen fulminanten Werk Symbolik und Mythologie der alten Völker, insbesondere der Griechen von vornherein auf die vorchristliche Zeit bezog, konzentrierte sich Piper in seinem unvollendet gebliebenen Werk auf heidnische Präfigurationen der christlichen Kunst. In den ersten beiden Teilbänden setzte sich Piper mit der antiken Mythologie auseinander, der noch – in zwei weiteren Teilbänden – eine christliche Kunstsymbolik hätte folgen sollen. Darin hätte sich Piper mit den narrativen Strukturen der christlichen Welt auseinandergesetzt, entsprechend seiner Devise: „Die bisherige Betrachtung verweilt im Vorhof der Heiden; darnach treten wir in das Heiligthum des christlichen Glaubens selbst ein.“31 „Mythologie“ war für Piper ein Terminus, dessen Bedeutung durch die heidnische Welt monopolisiert war, dieselbe hatte im Christentum gleichwohl tiefe Spuren hinterlassen. Pipers Freilegung eines christlichen Bedeutungskerns auch in Mythen und mythologischen Systemen liegt ein Religionsbegriff zugrunde, den Schleiermacher geprägt hatte. Als Virtuose der Hermeneutik, der die Religion als innere Anschauung des Universums bestimmte, kam für ihn eine schroffe Abgrenzung des Christlichen vom Heidnischen nicht in Frage.32 In systematischen Bezügen zwischen heidnischer Antike und frühem Christentum offenbart Pipers Mythologie ihre Innovativität. Von einer „christlichen Mythologie“ zu reden, war nicht neu. Piper erwähnt die Mythologia christianae aus dem Jahre 1619 von Johann Valentin Andreae, setzt aber eigene Akzente.33 Piper geht es um heidnische Mythen und deren Einfluss auf das Christentum.34 Gerade Grenzgebiete der christlichen Kunst seien für jeden Kirchenhistoriker relevant; alle „eigenth­lich christlichen Kunstideen“ würden darauf aufbauen.35 „Denn die mythologischen Kunst­ ideen bleiben das ganze Mittelalter hindurch in Geltung; sie ziehen sich neben den christlichen Kunstideen hin, auch vermischen sie sich mit ihnen: es liegt hier also die wichtigste Aufgabe der Kirchengeschichte vor: das was aus der eigenthümlichen Kraft des Christenthums hervorgegangen ist von dem, was in der Einwirkung fremder Principien seinen Grund hat, zu unterscheiden, und beides in seinem Hervortreten und Zurücktreten zu messen.“36 Eines der interessantesten Beispiele aus der Zeit des Übergangs von paganen zu christ­lichen Artefakten, der Abguss des Prometheus-Sarkophags aus dem Kapito­ 31 Piper (1847), S. V. 32 Siehe unter Berufung auf § 12 von Schleiermachers Glaubenslehre Piper (1847), S. XIX. 33 Piper (1847), S. XIVf. 34 Dabei berief sich Piper ausdrücklich auf Creuzer und seine Symbolik und Mythologie; ebd., S. XIV. 35 Ebd., S. XVII. 36 Entlehnt aus Schleiermachers Kurze Darstellung des theologischen Studiums (§ 160), nach ebd.

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linischen Museum in Rom, war seit 1870 Schmuckstück in Pipers Museum.37 Das die Geschichte der prometheischen Menschenbildung zum Thema machende Kunstwerk hatte Piper bereits in seiner Mythologie der christlichen Kunst behandelt. In den mythischen Stammeltern des zweiten Menschengeschlechts Deukalion und Pyrrha, die auf der Querseite zu sehen sind, sah Piper eine Präfiguration von Adam und Eva im Paradies, zumal auch ein Baum dargestellt ist.38 Pipers Mythologie, deren Nutzen als Nachschlagewerk noch Ernst H. Gombrich (1909–2001) gewürdigt hat,39 unterscheidet „historisch-mythologische“ und „physischmythologische“ Vorstellungen: historische Mythen, die sich auf menschliche Ereignisse beziehen, und Naturmythen, die in Sonne, Mond, Sterne, Pflanzen- und Tierwelt ihren Ausgangspunkt haben.40 Bemerkenswert ist Pipers zweiter Teilband, der die christlich transformierte, im Heidnischen wurzelnde mythische Naturbetrachtung erörtert. „Ich bin hierauf um so lieber eingegangen, da ich dabei nur frühere Lieblingsstudien wieder aufzunehmen hatte. Und gebe die Resultate der Untersuchungen mit dem Wunsche, dass sie als ein Beitrag zur Geschichte insbesondere der Astronomie und Physik des Mittelalters auch bei den Naturkundigen Eingang finden mögen.“ 41 Piper profiliert sich mit seinem ersten Hauptwerk als komparativer Religionshistoriker. Die Aufspürung christlicher Antizipationen in der heidnischen Kunst einerseits sowie von Reminiszenzen des Heidentums in der christlichen Kunst ­a ndererseits standen im Zentrum seines Interesses (Abb. 163). Um diese beiden Gesichtspunkte ging es ihm auch in seinem Vortrag über die religionsgeschichtliche Bedeutung einiger Objekte aus den Königlichen Museen, den Piper 1846 vor dem wis­sen­schaftlichen Kunstverein in Berlin gehalten hat.42 Aus dem musealen Fundus wählte Piper antike Münzen und Gemmen aus, denen Symbole der Ewigkeit und göttlicher Vorsehung aufgeprägt sind: Phönix als Symbol der Verjüngung und ewigen Dauer, Zeus als höchsten aller Götter.43 Nicht zuletzt Figurationen des monotheistisch verehrten Sonnengottes kamen Pipers Analogiedenken entgegen. „Ganz rein aber, ohne polytheistische Götternamen ist der Monotheismus ausgedrückt auf einem merkwürdigen Jaspis ebenfalls der Stoschischen Sammlung – der vorne die Pietas zeigt, eine betende Frau mit ausgebreiteten Händen, – und auf der Rückseite in Griechisch ‚Gott ist einer‘.“44 Neben heidnischen Vorwegnahmen des Christlichen sind auf den Artefakten immer wieder auch christliche Bildmotive in antikem Gewand 37 Piper (1874), S. 41. 38 Piper (1851), S. 92. Entsprechend wird heute davon ausgegangen, dass auf dem Prome­ theus-Sarkophag – wenn auch in verhaltener Pose – genuin christliche Motive dargestellt sind, Zanker/Ewald (2004), S. 263f. 39 Gombrich (1971), Anm. 15. 40 Piper (1851), S. V. Wie schon im ersten Band war die Abhandlung nach einzelnen Sachgruppen und innerhalb derselben chronologisch gegliedert. 41 Ebd., S. VI. 42 Piper (1846). 43 Ebd., S. 6ff. 44 Ebd., S. 11.

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163: Dimensionen der Religionsgeschichte, Bildtafel (Ausschnitt), aus Piper, Ueber einige Denkmäler der königl. Museen zu Berlin, von religionsgeschichtlicher Bedeutung (1846)

auszumachen. Insbesondere Orpheus, der mit seiner Laute die wilden Tiere zu zähmen verstand, stieg zu einem christlichen Bildmotiv auf.45 Ähnlich verhält es sich mit der Gestalt des guten Hirten, der ein Schaf auf den Schultern trägt, dargestellt auf einer kleinen Terracotta-Lampe. Bei diesem Relief stellte Piper, astro­nomisch versiert, die Darstellung des Himmels in den Vordergrund: „Endlich über dem guten Hirten sieben Sterne; und links und rechts Sonne und Mond in menschlicher Gestalt als Brustbilder, der Sol mit der Strahlenkrone auf dem Haupt, die Luna mit halbkreisförmig über dem Haupt ausgebreiteten Schleier.“46 Andere Bildthemen vergleichender Religionsgeschichte stellten Platon als Lehrer der Unsterblichkeit oder Her­ mes in seiner Rolle als Führer der Seelen dar. Überhaupt meinte Piper heidnische Elemente in der frühchristlichen Kunst in menschlichen Gestalten feststellen zu können, die Himmel und Erde, Sonne und Mond. Wind, Berge, Flüsse, Städte verkörperten. Komparative religionswissenschaftliche Zugänge bedürfen heutzutage keiner Rechtfertigung. Wenig anzufangen vermochte mit diesem Ansatz Nikolaus Müller (1857–1912), der als Nachfolger Pipers die Sammlung von 1890 bis 1912 betreute. Freimütig räumte er seine methodische Genügsamkeit ein, als er die Sammlung umgestaltete und einige Objekte entfernte: „Die letzte Gruppe, übrigens nur die Gipsabgüsse des Zeus von Otricoli, der Büsten Platos und Sophokles‘ und von Münzen und Gemmen sowie zwei Kopien von Malereien mit Jupiter und Fortuna und einige 45 Ebd., S. 13; zu dieser im Mittelalter verbreiteten Praxis: Heckscher (1937–38). 46 Ebd., S. 14; Piper (1851a), S. 27f.

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wenige andere Gegenstände umfassend, wurde darum entfernt, weil die reli­gionsge­ schicht­liche Forschung außerhalb der Aufgaben der christlichen Archäologie und Epigraphik liegt.“47 Müller tilgte damit in der theologischen Fakultät eine viel versprechende Perspektive, die in die Richtung einer vergleichenden Religionsforschung wies, wie sie in der philosophischen Fakultät von Philologen wie Friedrich Max Müller (1823–1900) und Hermann Usener (1834–1905) schon zu Lebzeiten Pipers betrieben wurde.48 Im Fächerkanon der protes­tantischen Theologie in Deutschland hingegen hatten es derartige Zugangsweisen schwer, sich zu entfalten.49 PRIORITÄT DER DINGE – Im 19. Jahrhundert wurde das Selbstverständnis vieler Wissenschaftler in hohem Maße vom Anschauungspotenzial aussagekräftiger Dinge bestimmt. Ihr Spektrum reichte von Skeletten über Präparate bis zu Denkmälern. Es entsprach Pipers Konzept einer „Monumentalen Theologie“, ein Wissens­system der Kirchen­geschichte zu schaffen, das den direkten Zugang zum Artefakt sucht, und zwar in Kontakt mit anderen Fachrichtungen aus der Geisteswissenschaft, aus der klassischen Philologie, Numismatik und Kunstgeschichte.50 Nicht nur Piper, auch der Historiker Johann Gustav Droysen (1808–1884) und der klassische Philologe Eduard Gerhard (1795–1867) – beide in Berlin tätig – wollten ihr Wissen nicht allein auf Texte gründen, sondern alle Arten materieller Überlieferung einbeziehen. In der Naturwissenschaft und Medizin hatte sich schon längere Zeit ein Panorama von Objekten und Präparaten entfaltet, aus dem Wissen geschöpft wurde. Schon bald nach Gründung der Berliner Universität im Jahre 1810 erweckte das Hauptgebäude der Universität, das ehemalige Prinz-Heinrich-Palais, den Eindruck eines Natura­ lienkabinetts.51 Als Student und Professor war man gleichsam umstellt von Dingen, andererseits ließ man sich von ihnen in Forschung und Lehre inspirieren.52 Da der Wissenschaft geradezu eine religiöse Bedeutung zukam, wurden manche Präparate wie Reliquien präsentiert, so von Rudolf Virchow (1821–1902) in seinem Pathologischen Museum.53

47 Müller (1910), S. 21. 48 Kippenberg (1997), S. 60ff.; Achelis (1893); Mette (1979/1980); Bosch (2002). 49 Noch 1901 hatte sich Adolf Harnack (1851–1930) in seiner Berliner Rektoratsrede gegen die Einrichtung religionshistorischer Lehrstühle an den theologischen Fakultäten ausgesprochen, Harnack (1904). Erst 1910 wurde in Berlin ein Lehrstuhl für Allgemeine Religionsgeschichte und Religionsphilosophie eingerichtet und mit dem dänischen Theologen Johannes Edvard Lehmann (1862–1930) besetzt; Kohl (1988), S. 250ff; Krech (2002), S. 121–126; Kany (1989). 50 Piper (1867), S. VII. 51 Der Grundriss von 1819 zeigt, dass im ersten Obergeschoss das Anatomische Museum mit einem Hörsaal den gesamten Westflügel, das Zoologische Kabinett den Ostflügel einnahm; zur Baugeschichte des Universitätsgebäudes im 19. Jahrhundert: Gandert (2004), S. 55ff. 52 Brüning (2006), S. 109. 53 Matyssek (2002), S. 47–50.

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Die 1867 veröffentlichte Einleitung in die monumentale Theologie ist Pipers ambitio­ nierte Programmschrift, die Kirchengeschichte, Altertumswissenschaften und Kunst­ geschichte miteinander verbindet. Schon fünf Jahre zuvor hatte Piper Gelegen­heit, den Begriff „Monumentale Theologie“ in der Real-Encyclopädie für protestantische Theologie und Kirche vorzustellen. Ferdinand Piper erschloss das Material aus seiner umfassenden Kenntnis philosophischer, historischer, kirchengeschichtlicher, liturgischer, exege­tischer und literarischer Schriftquellen und zog dabei eine Linie der Kontinuität von den Monumenten der ersten Christen bis zu den Kunstformen seiner eigenen Gegenwart. Pipers „Monumentale Theologie“ füllte nicht nur eine Lücke, sondern bot zudem eine Synthese an, die im Spaltungsprozess der Wissenschaften verloren zu gehen drohte. Anstelle von Material- und Stilfragen, die die Kunstgeschichte dominiere, hatte Piper eine umfassende, Sinne und Geist erfassende Geltung des christlichen Bildes im Auge.54 Als er seine Sammlung gründete, stand eine kirchlich geprägte Kunstarchäologie noch in den Anfängen. Obwohl die Kirche des Altertums im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem zentralen Forschungsinteresse der Theologiegeschichte aufsteigen konnte, war auf materielle Überreste als Erkenntnisquelle kaum eingegangen worden. Es gab zwar frühe Ansätze bei Johann Chris­ tian Wilhelm Augusti (1772–1841) und Christian Karl Bunsen (1791–1860) und schon Schleiermacher hatte in seinem Gutachten über die Einrichtung der Theologischen Fakultät zu Berlin vom 25. Mai 1810 die „christlichen Antiquitäten“ als Unterrichtszweig vorgesehen. Diesem Vorschlag gemäß wurden bereits in den ersten Jahrzehn­ ten nach der Eröffnung der Theologischen Fakultät hin und wieder Kollegien über kirchliche Archäologie abgehalten, die sich in der Regel jedoch auf literarisches Quellenmaterial beschränkten. Mit dieser herkömmlichen Behandlungsweise sollte Piper, am 16. Juni 1842 zum außerordentlichen Professor der Theologie ernannt, konsequent brechen. Die Objekte selbst stellte er in den Vordergrund, als er erstmals im Wintersemester 1843/44 über „christliche Altertümer“ las.55 Piper wollte mehr, er wollte eine Sammlung ins Leben rufen. Gegenüber der Kultusbehörde galt es, Überzeugungsarbeit zu leisten, was Piper nicht schwer fiel. Gerade in schriftarmen Epochen – so argumentierte er – komme der materiellen Überlieferung besondere Bedeutung zu. Tatsächlich stehe man am Anfang einer neuen Entwicklung, die die Stagnation der kirchlichen Archäologie beende.56 „Das Christliche Museum im Vatikan (seit 1756) war lange Zeit das einzige seiner Art, jetzt gibt es in Paris das Musée Cluny seit 1844, in Kopenhagen ein Christliches Museum seit 1846 und im Königlichen Museum [in Berlin] ist im Jahr 1845 ein Saal für mittelalterliche Bildwerke eröffnet worden.“57 Oft verwies Piper auf Parallelen zwischen der schon weiter vorangeschrittenen Klassischen Archäologie und der Christlichen Archä­ ologie. Das Studium der Denkmäler sei in der Altertumswissenschaft unumstritten, 54

Zum „Konzept einer eher geistes- als formbezogenen Bildgeschichte“: Bredekamp (1978), S. E14. 55 Müller (1910), S. 13f. 56 Piper (1847), S. Xf. 57 Ebd., S. XIII.

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anders in der Theologie: „sie ist auf dem Standpunkt stehen geblieben, auf den sie Bingham gebracht hat.“58 Für Piper bestand zwischen bildhaften Monumenten und sprachlich fixierten Äußerungen ein Hiatus: „Obendrein hat der iconographische Ausdruck, wenn auch in Linien und Farben eingeschlossen, selbst einiges voraus vor dem sprachlichen, sonderlich diese Parrhesie, da er nicht verschweigen noch hinter Worten sich verbergen kann.“59 Die Dinge des Monumentalen gingen bei Piper gerade in ihrer musealen Inszenierung weit über ihre Illustrationsfunktion hinaus, entsprechend dem Diktum von Horst Bredekamp, dass sich die Schrift nur an das reflexive Vermögen des Menschen wendet, während „das Bild in seiner sinnlichen Anschauung auf den ‚ganzen Menschen‘“60 zielt. In diesem Zugang kommt eine Dimension zum Ausdruck, die heute unter iconic turn firmiert: „Es kann erstens nicht die Meinung sein, eine Anzahl Denkmäler zu beschaffen, welche stückweise zu benutzen wären und vorgezeigt würden, wie man Citate beibringt. Es handelt sich nicht um Belege für historische Data: wie allerdings von manchen Kirchenhistorikern der archäologische Apparat angesehen werden mag, wenn sie sich überhaupt darum bekümmern, – oder um Verwerthung archäologischer Merkwürdigkeiten. Sondern um die Aufgabe, in eine neue Art von Erkenntnißquellen einzuführen, die ihre eigene Sprache hat, von der sonst gewohnten ganz verschieden (was auch von den Inschriften gilt, wenn sie auch in der Sprache der Menschen abgefasst sind), und in eine neue Ideenwelt, die nur im Zusammenhang ihrer Glieder sich erschließt; dadurch also, dass das System des Ganzen vor Augen gestellt wird. Dazu gehört der entsprechende Raum, also ein Local, in welchem die Aufstellung, wenn auch in compendiarischen Grenzen, die Perspective auf die gesammte Entwicklung monumentaler Ideen darbietet.“61 Im Vorwort zur 1888 erschienenen Christian Archaeology von Charles W. Bennett (1828–1891) griff ­Piper auf ein Zitat von Paolo Maria Paciaudi (1710–1785) zurück, dem Bibliothekar und Antiquar in Parma, nachdem derselbe Herculaneum und das Museum in Neapel besichtigt hatte: „O welch Schätze, welche Wunder! Er wage zu sagen, dass er in diesen acht Tagen das Museum durchwandernd mehr gelernt habe, als in einem zehnjährigen Studium.“62 Piper bewegte sich in seiner Bevorzugung des Bildes bzw. Dinges im Fahrwasser des Symboltheoretikers Friedrich Creuzer, der in Symbolen Zeichen des Göttlichen sah, die mit einem Blick das Ganze vermitteln und erschließen. Als Philologe setzte sich Creuzer vor allem mit Bildern und sprachlich vermittelten Bildern auseinander; sie waren die Medien des Wissens in ältester Zeit, 58 Piper (1851a), S. 3. Joseph Bingham (1668–1723) war ein bedeutender anglikanischer Theologe und Archäologe. Der erste Band seines voluminösen Hauptwerks Origines, sive Antiquitates ecclesiaticae erschien 1708. 59 Piper in seinem Vorwort zu Bennetts Christian Archeology“ (1888), in deutscher Übersetzung, aus: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 43v; siehe auch Piper (1867), S. 754. 60 Bredekamp (1978), S. E10f. 61 Piper (1885), S. 4. 62 Version auf Deutsch bei Piper an Kaiser Wilhelm II., o.D. [März 1889], Geheimes Staats­ archiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 41–42, Bl. 43–44.

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als Schauen und Lesen noch dasselbe waren.63 Ebenso wie Creuzer misstraute auch Piper buchstabengesteuertem abstraktem Denken und syllogistischer Schlussfolgerung. „Während nehmlich in dieser die Gedanken auseinander liegen und der eine den andern verdrängt, so faßt das Bild sie alle zugleich und lässt das Ganze in allem Einzelnen erschauen: auch giebt es leicht ein größeres Detail, als durch die Schrift erreicht wird, ohne durch die Einzelheiten den Gesammteindruck zu verwischen. Daher in den Bildern Aufschlüsse zu finden sind, die man in schriftlichen Quellen vielleicht vergebens sucht.“64 Piper war in seinem wissenschaftlichen Werdegang entscheidend von Johann August W. Neander (1789–1850) gefördert worden, der, von der Erweckungsbewegung geprägt, seit 1813 den Berliner Lehrstuhl für Kirchengeschichte innehatte und der – so Adolf von Harnack (1851–1930) – die Kirchengeschichte „mit dem Auge des dankbaren Freundes betrachtete“.65 Kultivierte Herzensfrömmigkeit und einfühlsame Identifizierung mit dem Vergangenen kennzeichnet auch Pipers Persönlichkeit. Wie sein Lehrer spürte er vergangenen Frömmigkeitsformen nach, von denen er selbst inspiriert war.66 Aus der Betrachtung der vergangenen Kunst filterte er eine versöhnende Kraft heraus; Bildern und Dingen traute er die Kraft, die Konfessionsspaltung zu überwinden:67 „Aber das protestantische Volk und die mittelalterlichen Bilder? Dazwischen steht ja die Reformation. Allerdings! (…) Es ist gerade eine Hauptaufgabe der protestantischen Theologie, die Continuität der geschichtlichen Entwickelung, wodurch unsre Kirche mit der apostolischen verbunden ist, im Bewusstsein aufrecht zu erhalten. Dazu dienen ganz besonders auch die Bilder.“68 Denkmäler waren für Piper ein Medium, einen Blick in die gesellschaftliche Breite, in die Gemeindewirklichkeit der Kirche zu werfen: „In den geistigen Haushalt der Gemeinde aber lassen vor allem die Denkmäler blicken: nicht allein wegen des Einflusses, den sie haben, da sie am meisten populär sind, denn sie werden von allen gesehen; sondern auch nach ihrer Entstehung, – denn wo werden die Gedanken der Menschen offenbar, wenn es nicht auf Gräbern ist?“69 Der Bau und die Ausstattung von Kirchen sei „von der Begeisterung des Volkes“ getragen gewesen.70 Nicht zuletzt die Massenwirksamkeit, die „Macht des obiectiven Geistes in der Kirche“ und die „volksthümliche“ Atmosphäre, wusste ­ Piper an Artefakten zu schätzen. Mit der

63 Schwindt (2008). 64 Piper (1851a), S. 14. 65 Harnack (1889), S. 187; Nipperdey (1983), S. 423–430. 66 Das Manuskript von Neanders Kirchengeschichte aus dem Jahre 1831 war – mit Pipers Korrekturen versehen – Bestandteil der Christlich-archäologischen Sammlung und diente damit zur Selbstinszenierung, Inventar, Bd. 1, 2080, S. 104, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. 67 Bredekamp (1978), S. E11; Piper (1851a), S. 12f. 68 Ebd., S. 13. 69 Aus der Vorrede seiner Mythologie, Piper (1847), S. VIV. 70 Piper (1847), S. X.

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christ­lich-archäologischen Sammlung werde daher eine „Laienbibel auch unserm Volke aufgeschlagen sein.“71 Piper gelangte also über die Erweckungs- bzw. Gefühlstheologie zum Bild bzw. Monument. Diesem Ansatz musste zwangsläufig eine anti-hegelianische Note innewohnen, wie Piper auch gegenüber Friedrich Christian Baur (1792–1860) und seine Schüler aversiv eingestellt blieb.72 Insbesondere missfiel ihm die für die Tübinger Hegelschule typische Auslassung des Mittelalters. „Diese Auffassung hängt zusammen mit einer Geringschätzung des bloss Factischen wie des Individuellen, als ob nicht die Ideen darin eingeschlossen wären, auch in dem versteinerten Factum, den Monumenten (von denen aber Baur als Historiker sich fern gehalten hat); überdies ist von ihm die ideale Stimmung verkannt, die selbst den grossen Stoffsammlungen des Mittelalters nicht fehlt.“ 73

Artefakte des Monumentalen – Präparate des Wissens In einer zunehmend säkularisierten Welt dienten Piper Bilder und materielle Überreste als Quelle von Evidenz. Als Vermittlungstheologe war ihm die Überwindung des Gegensatzes von Glauben und Wissen, Frömmigkeit und Welt, Kirche und Moderne ein Herzensanliegen, doch fand er diese – anders als die meisten seiner Kollegen – in Sehen und Anschauung, in Symbolik und Erinnerung. Gewiss hatte die Theologie schon vor Piper gesammelt, gesichtet, geordnet und die disparaten Einzelaussagen überlieferter religiöser Erfahrung bewertet; das Neue bei ihm bestand aber darin, Dinge und Bilder, an denen die christliche Idee Plastizität gewann, den schriftlich vermittelten Glaubensinhalten nicht nur zur Seite zu stellen, sondern ­i hnen in der Deutung Vorrang einzuräumen. Für Schriften interessierte er sich nur insofern, als sie etwas über Dinge und Bilder aussagten. Pipers Einleitung in die Monumentale Theologie von 1867 ist nichts anderes als eine Kompilation von Exzerpten, in denen von Kunst und Denkmälern die Rede ist. Pipers Begriff des Monuments und des Monumentalen unterscheidet sich von unserem heutigen Verständnis:74 „Es werden aber unter Monumenten nicht bloss Kunstdenkmäler, sondern die körperlichen Reste des Alterthums, an die sich ein Gedächtniss knüpft, sammt den Inschriften verstanden. Der Stein, der einst zu Bethel 71 Piper (1851a), S. 14. 72 Vordergründig wandte sich Piper als Schüler Neanders gegen die von Philipp Marheineke (1780–1846) verkörperte theologische Richtung, d. h. gegen die Prägung der Theo­ logie durch die Philosophie. Dennoch sind in der von Piper auf das Podest erhobenen anschaulichen Glaubenswissenschaft Prinzipien der Entwicklung und damit auch Hegelsches Gedankengut unverkennbar. 73 Piper (1867), S. Vf.; Piper bezog sich auf die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung (1852) von Baur. 74 Zu seiner Methode und seinem Denkmalbegriff: Bredekamp (1978), E9-15; vgl. auch Thomassen (1991), S. 30–39.

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errichtet worden, wie die Trümmer des Tempels zu Jerusalem, sind, obwohl nicht Kunstwerke, monumentale Punkte, die in der Reichsgeschichte ein ewiges Gedächtniss haben.“75 „Monumental“ war für Piper somit kein Merkmal höchster Kunstform im Sinne von „gewaltig“ und „erhaben“, sondern eine neutrale Bezeichnung gestalteter Materialien, denen ein Erinnerungswert anhaftet. Damit waren christliche Kunstdenkmäler und Inschriften gemeint, zu denen in der Einleitung noch als selbstständiges Gebiet die Münzen hinzukommen. Wenn Droysen in seiner zwischen 1857 und 1883 siebzehnmal gehaltenen Vorlesung über historische Encyclopädie und Methodologie Urkunden, Inschriften, Bau- und Kunstwerke, Münzen und Wappen zu den erinnerungshaltigen „Überresten“ zählte, war der Historiker Pipers Quellenverständnis sehr nahe.76 Über die Wortwahl hinaus ließ sich Piper zudem von Eduard Gerhard inspirieren, einem der ersten ordentlichen Professoren der Archäologie in Deutschland. Aus Anlass einer Berliner Philologenversammlung im Jahre 1850 stellte Gerhard seine Ideen Zur Monumentalen Philologie77 vor; u. a. plädierte er dafür, in Gymnasien und Universitäten einen systematischen „Lehr- und Uebungs-Apparat“ aufzubauen.78 Gerhards „Archäologische Thesen“79 verfolgten dieselben Ziele wie Pipers „Mo­nu­ mentalen Theologie“. Ähnlich wie sich die Archäologie aus der allgemeinen Philologie separieren sollte, schwebte Piper eine selbstständige Stellung der „Monumentalen Theologie“ vor; jedenfalls sollte sie nicht einfach der Theologie oder Archä­ologie untergeordnet werden.80

Kirchengeschichte im Sog der Naturwissenschaft Kants Philosophie neukantianischer Prägung, die sich 19. Jahrhundert an fast allen deutschen Universitäten durchsetzte, vollzog eine radikale Trennung zwischen Natur und Geschichte. Kants grundlegende Unterscheidung zwischen kausalen Mechanismen in der physischen Welt sowie Freiheit in der moralischen Sphäre unterdrücke schon im Ansatz jede methodische Verbindung zwischen Naturwissenschaft und Geis­ teswissenschaft. Diese Kluft nicht noch zu vergrößern, war nicht zuletzt Pipers Anliegen mit seiner „Monumentalen Theologie“. Seine Argumente offenbaren ein Gespür, experimentelle Praktiken der Naturforscher mit denen der Archäologen und Kunsthistoriker in Analogie zu setzen.81 75 Piper (1867), S. III. 76 Droysen, Historik, 1977 (Nachdruck der 7. Aufl. von 1937), S. 50; Bredekamp (1978), S. E13. 77 Diese Begriffsformel mutet in gewisser Weise wie ein Oxymoron an. Aus Rücksicht vor seinem Lehrer August Boeckh (1785–1867), der archäologischen Verfahren eher distanziert gegenüberstand, hegte Gerhard seine Archäologie – zumindest rhetorisch – philologisch ein; Schnapp (1993, 2009), S. 327–334. 78 Bauer (2002a), S. 124f. 79 Archäologische Zeitung 2 (1850), S. 203f. 80 Vgl. Bredek������������������� amp (1978), S. E25; Piper (1885), S. 4. 81 Wind (1936, 2009).

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Die Christliche Archäologie setzt sich per definitionem mit materiellen Hinterlassenschaften der Christentumsgeschichte auseinander.82 Die mehrdeutige Position zwischen Kunst, Geschichte und Theologie begleitet diese Disziplin seit ihrer Entstehung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.83 In der 1810 neu gegründeten Berliner Universität konnte sich ein besonders breites Spektrum materialisierten Wissens entfalten. Allein das Prinzip der guten Nachbarschaft der einzelnen Sammlungen lud dazu ein, Brückenschläge zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu wagen. Unter dem Dach einer Universität des 19. Jahrhunderts oszillieren die Sammelobjekte zwischen Präparat und Monument. Rudolf Virchows Präparate dienten nicht nur der wissenschaftlichen Analyse, als Monumente gewährleisteten sie auch das Andenken an die Präparatoren bzw. die Betroffenen. Für Piper stellten die eifrig zusammengetragenen Gegenstände nicht nur erinnerungsgeladene Monumente, sondern auch Präparate des Wissens dar: „Nun ist aber in den historischen Wissenschaften das erforderniß anschaulicher Erkenntniß dasselbe, denn man kann Geschichte nicht ohne Denkmäler lehren, so wenig als Anatomie ohne Gerippe und Präparate.“84 Sowohl für Virchow als auch für Piper war die Ausstellung ihrer Sammlungen ein Mittel, Glauben an die Wissenschaft zu vermitteln. Zugleich wurde schon damals die Vorreiterrolle der auf technischen Fortschritt zielenden Naturwissenschaft ebenso deutlich wie die Defensivposition der Geisteswissenschaften. Als sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts die bisher gültige Verbindung von Philosophie und Naturwissenschaft auflöste, versuchte der Historismus zur Selbstverteidigung, ein allen historischen Wissenschaften gemeinsames szientistisches Methodenbewusstsein zu etablieren.85 Droysens Ausspruch aus den 1850er Jahren – „Um gegen diese hier überhandnehmende Richtung – unsere weisesten Männer in Jena lehren bereits, daß nur Mikros­kop und Waage Wissenschaft sei – … anzukommen, werde ich im Sommer ‚Methodologie und Enzyklopädie der historischen Wissenschaft‘ lesen“86 – hätte auch von Piper stammen können, nur dass er über „Monumentale Theologie“ vortrug. Die Fortschritte der Naturwissenschaft waren so immens, darwinistische Entwicklungsvorstellungen allgegenwärtig, dass Friedrich Max Müller (1823–1900) im Rahmen seiner Gifford-Vorlesungen von 1890 die von ihm ins Leben gerufene Vergleichende Religionswissenschaft innerhalb der Naturwissenschaft verortete.87 So weit ging ­Piper nicht, aber auch er unterläuft die sich anbahnende Trennung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften und erinnert in komplementärer Weise an Rudolf Vir­chow, der nicht nur

82 Deichmann (1993); Seeliger (1985). 83 Wischmeyer (1975); Herklotz (2001). 84 Piper, 28. April 1871, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 242v. 85 Riedel (1971). 86 Johann Gustav Droysen, Briefwechsel, hrsg. von Rudolf Hübner, Bd. 2, Berlin/Leipzig 1929, S. 54f.; vgl. auch Riedel (1971). 87 Müller (1890), S. 12.

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Mediziner war, sondern auch Anthropologe und Prähistoriker.88 Ihre Wege kreuzten sich, als Virchow in seiner Rolle als Abgeordneter der liberalen Fortschrittspartei in der Budgetkommission des Preußischen Landtags den preußischen Finanzminister zu überzeugen suchte, Pipers Sammlung mit einer festen Summe in den Etat aufzunehmen, was im Jahre 1864 tatsächlich geschehen sollte. „Denn einem Anatomen und Physiologen muß sehr einleuchtend sein, daß, so wenig man in dem körperlichen Organismus Muskeln und Nerven und gar Cellen von bloßem Hörensagen kennen lernen kann, ebenso verfehlt es wäre, für das Studium der Geschichte auf das Hören sich zu beschränken und nicht sehen zu wollen, nämlich die monumentalen Spuren, welche die Jahrhunderte am Wege zurückgelassen haben.“89 Die Absicht, die Ministerialbürokratie zur Bereitstellung größerer Summen zu bewegen, ein Ansinnen, das in ihrer Argumentation an heutige Verteilungskämpfe erinnert, war Dauerthema in Pipers Schriftverkehr mit den Behörden. Gerade angesichts der üppigen Ausstattung der naturwissenschaftlichen Institute – Piper verwies auf Zuwendungen an das anatomische Theater bzw. das chemischen Laboratorium in Höhe von 100.000 Talern – seien die im Jahr überwiesenen 300 Taler zu niedrig angesetzt. In der bündigen, fast poetisch wirkenden Formel „Denn man kann Geschichte nicht ohne Denkmäler lehren, so wenig als Anatomie ohne Gerippe, ohne Präparate“ verbirgt sich somit die Frage, warum das sich von selbst Verstehende in den Naturwissenschaft – die Vermittlung des Unterrichtsstoffes auf eine wissenschaftliche Sammlung zu gründen – in Theologie und Geisteswissenschaften immer wieder der Rechtfertigung und besonderen Begründung bedarf. Dabei hatte die christlich-archäologische Sammlung den spezialisierten naturwissenschaftlichen Kollektion das Allgemeininteresse voraus, denn „niemand stellt sich eine Luftpumpe aus dem physikalischen Kabinet oder einen Gliedermann aus dem Bandagen-Kabinet auf’s Zimmer, um sich daran zu erbauen, – wohl aber edle christliche Bildwerke, Sculpturen und Malereien aus älterer und neuerer Zeit.“90 Christliche Museen seien nicht nur für Theo­logen geschaffen, verfolgten nicht nur einen isoliertwissenschaftlichen, sondern auch einen über die Wissenschaft hinausgehenden „praktisch-christlichen Zweck“.91 Auf dem Sektor musealer Präsentation setzten Sammlungen aus Kunst und Archäologie weiterhin Maßstäbe, an denen sich auch die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert florierenden naturhistorischen Museen orientieren sollten.92 88 Virchow sollte Piper im Jahre 1878 die Abhandlung Die erste allgemeine Versammlung der deutschen Gesellschaft für Anthropologie schenken. Inventar der Christlich-archäologischen Sammlung, Bd. 1, 2995/13. Mai 1878, S. 161, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. 89 Piper (1874), S. 30. 90 Piper, Denkschrift betreffend die Dotation des Christlichen Museums an der hiesigen Universität, 1. Mai 1855, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X., Nr. 71, Bl. 257v. 91 Piper an den Minister, 28.9.1856, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit X., Nr. 71, Bl. 307. 92 Kretschmann (2006).

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Über die Forschungsrelevanz von Pipers Präparaten blieben die Meinungen geteilt. Unter den staatlichen Ressorts fiel es besonders dem preußischen Finanzminis­ terium schwer, Pipers Sammlung im institutionellen Geflecht von Königlichen Museen und Königlicher Bibliothek eine eigenständige Rolle zuzubilligen; es empfahl eine „Concentrirung der Bedürfnisse“, wie es hieß, wodurch sich Piper immer wieder genötigt sah, die Eigenständigkeit seines Museums hervorzuheben. Er verwies auf den Status naturwissenschaftlicher Einrichtungen, wie des physiologischen und physikalischen Instituts, die ja auch gegenüber Universitätsbibliothek beziehungsweise Königlicher Bibliothek autonom blieben.93 „Schließlich erlaube ich mir ehrerbietigst vorzustellen, dass das christlich-­archäologische Museum in seiner Anlage von Anbeginn nicht durch die Rücksicht auf die hiesigen öffentlichen Sammlungen, Museen und Bibliotheken eingeschränkt worden ist, als habe es nur solche Gegenstände, die dort nicht schon vorhanden sind, zu erwerben, – also nur Lücken auszufüllen – wodurch es des wissenschaftlichen Charakters entkleidet würde. Es hat eine selbständige wissenschaftliche Aufgabe erhalten, die Entwicklung der christlichen Kunstideen durch die ganze Fülle der Zeiten zur Anschauung zu bringen als eines wesentlichen Bestandteils der Theologie, zum Behuf des theologischen Unterrichts.“94 In Pipers Auseinandersetzung mit dem Germanisten Camillus Wendeler (* 1843) um die Nutzung der Einblattdrucke aus dem 16. und 17. Jahrhundert im Jahre 1885 stand das Selbstverständnis einer geisteswissenschaftlichen Sammlung zwischen Forschung und Museum, Labor und Bibliothek auf dem Prüfstand.95 Die 1861 von Piper erworbenen illus­trierten Flugschriften stammten aus einer Berliner Privatsammlung: „Es sind, nachdem eine Anzahl Blätter, die nur ein culturgeschichtliches Inter­esse haben, an die hiesige Königl. Bibliothek überlassen worden, hauptsächlich fliegende Blätter von beiden Seiten des Kirchenstreites, außerdem kalendarische Stücke, im Ganzen 46 Nummern.“96 Wendelers Absicht, mit diesem Material zu forschen,97 brachte Piper in Verlegenheit: „(…) es ist weder ein Local zum Arbeiten vorhanden, noch eine Zeit dafür offen, noch Personal zur Beaufsichtigung und Bedienung angestellt. Und wenn sich zur Besichtigung der Sammlung, d. h. der zu den Wänden angeordneten Gegenstände Fremde zugelassen worden sind, so hat doch niemals, so lange sie steht, seit 37 Jahren ein Platznehmen und Arbeiten von Fremden stattgefunden, etwa mit zwei und drei Ausnahmen.“98 Als Argumentationshilfe dienten Piper die Gepflogenheiten der naturwissenschaftlichen Universitätssamm93 Piper an den Minister, 16. April 1872, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 9v. 94 Piper an den Minister, 30. November 1874, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 41v. 95 Camillus Wendeler an den Staatsminister, 22. Mai 1885; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 167–169, Bl. 250–252. 96 Piper (1874), S. 42f. 97 Wendeler (1886). 98 Piper an den Minister, betreffend den Fall Wendeler, 4. Juni 1886, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 275v.

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lungen. Nach seiner Auffassung war seine museale Einrichtung eher mit einem Laboratorium zu vergleichen als mit einer öffentlichen Bibliothek. Piper betonte, dass er die Einblattdru­cke für den eigenen Unterricht bräuchte, die zudem mit seinen Randbemerkungen versehen seien. Piper verglich diese Blätter mit dem Material eines Natur­wissenschaftlers und zitierte Hermann von Helmholtz (1821–1894) mit den Worten „Es würde kein Director eines Universitätsinstituts eine eigene Arbeit ausführen können, wenn er genöthigt wäre, sein Material preis zu geben.“ Piper berief sich auch auf Emil Du Bois-Reymond (1818–1896). Der Naturwissenschaftler, der ebenso wie der Theologe über den Tellerrand seiner Wissenschaft hinaus­blicken konnte, könne im physiologischen Institut über drei Arbeitszimmer verfügen, „in welche niemand hineinkommt, als er allein.“99 Als allmächtiger Sammler stellte sich Piper mit der christlich-archäologischen Sammlung sein eigenes Reich der Dinge zusammen, ein Refugium eigener Forschung, das er mit keinem zu teilen gewillt war. Dessen ungeachtet legte Piper großen Wert auf auswärtige Besucher, die er mit entsprechenden Hinweisen in Fremdenführern und Zeitungen anzulocken versuchte. Die Besuchszeit beschränkte er allerdings auf zwei Wochenstunden, um die Sammlung ungestört als Forschungslabor nutzen zu können. Erst Nikolaus Müller sollte die Laienöffentlichkeit ausschließen; dafür öffnete er die Sammlung für diejenigen, die an archäologischen und epigraphischen Veröffentlichungen arbeiteten.100

Das Museum in der Universität Was man in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts unter einem Museum ver­ stand, war noch keineswegs eindeutig festgelegt. �������������������������������� Der Begriff des Museums bezeichnete damals nicht nur Sammlungen unterschiedlichster Art, sondern überhaupt eine Räumlichkeit, wo man sich unabgelenkt von Verpflichtungen des Alltags informieren und unterhalten konnte.101 Insbesondere die von Dingen ausgehende symboli­ sche Sogwirkung sollte den Begriff des Museums zunehmend auf das heute gängige Verständnis zentrieren. Eine verbreitete zeitgenössische Defintition – „Museum nennt man in der Regel eine Sammlung seltener und anziehender Gegenstände ent­ weder aus dem ganzen Gebiet der Naturgeschichte oder der Künste, welche in einem Gebäude zur Ansicht der Kenner, zum Genusse der Kunstfreunde, zur Befriedigung

  99 Piper, 4. Juni 1886, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 275; zur Gegenüberstellung von Naturwissenschaft und Kulturgeschichte: Bois-Reymond (1878), zu den konkreten Arbeitsbedingungen des Physiologen: Dierig (2006). 100 Müller (1910), S. 23. 101 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert gründeten Lesegesellschaften in zahlreichen Städten so genannte Lesemuseen, wo sich interessierte Bürger in die Lektüre vertiefen konnten; vgl. zur Vielfalt des damaligen Museumsverständnisses: Vedder (2005), S.168f.; Savoy (2006), S. 12f.

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der Neugierde und zur Belehrung von Schülern ausgestellt ist.“102 – traf auch auf Universitätssammlungen, wie die Christlich-archäologische Kunstsammlung zu. Von einem Universitätsmuseum im 19. Jahrhundert gingen aber noch weitaus mehr Funktionen aus: Es war nicht nur Schatzkammer und Bibliothek, sondern auch Lektüreraum sowie Laboratorium. Wie der Gelehrte in einer frühneuzeitlichen Kunstkammer forschte und lehrte hier der sammelnde Universitätsprofessor in der Umgebung ausgestellter Objekte. VORZÜGE EINER LEHR- UND SCHAUSAMMLUNG – Schlüsselmedium von Pipers Ansatz ist eine universitäre Kunstsammlung. Deren Gegenstände stellen als Sammelobjekt oder Exponat, Kunstwerk oder Forschungsgegenstand den Humus bereit, aus dem Piper sein kirchengeschichtliches Wissen generierte. Praktiken des Zusammentragens und Bewahrens von Objekten stellte die eine Seite seiner kuratorischen Tätigkeit dar, auf der anderen ging es darum, diese Dingwelt zu institutionalisieren und zu kontextualisieren.103 Im Museumszeitalter des 19. Jahrhunderts war die Zusammenstellung, Ordnung und Präsentation von Dingen prädestiniert, eine neue Wissenskultur zu erzeugen und zu legitimieren. Wie jeder wissenschaftliche Sammler bediente sich auch Piper dabei spezifischer Regeln der Auswahl, besonderer Verweissysteme und Kriterien des Zusammenstellens. Gerade dasjenige, was er erwarb, übersah oder wegließ, kann Aufschlüsse zu seinen Wissen­schafts­ auffassungen bieten. Wie andere wissenschaftliche Sammlungen auch, folgte die Sammlung der Christlichen Archäologie dabei keinem allein aus Sammelleidenschaft genährten Selbstzweck, sondern wurde durch eine „forschende Frage“104 ins­ piriert, die stets neu gestellt bzw. verfeinert werden musste. Ergebnissen dieser Sammlungsarbeit wohnt stets eine Deutungsleistung inne, die als Ausgangs­position für neue Konstruktionen der Christlichen Archäologie dienten konnte.105 Tatsachen der Disziplinengeschichte, wie die, dass Piper einer der ersten war, der sich systematisch mit Transfer und Adaption mythologischer Motive der Antike auf die frühchristliche Kunst beschäftigte,106 oder dass für ihn die christlich-archäologische Zeit im dritten Jahrhundert begann und erst in der Gegenwart endete, werden bei Betrachtung seines Museums, bei Analyse seiner Präferenzen und Strategien als Sammler, sofort offensichtlich.

102 Artikel „Museum“, aus: Allgemeine Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände [Brockhaus], Bd. 8, Leipzig 81835, S. 620. 103 Zum Aufgabenspektrum eines Museumskurators: Bourdieu (1972). 104 Brüning (2003), S. 101. 105 Deichmann (1993), S. 27–51; Effenberger (1986). Die Forschungsgeschichte der Christlichen ­Archäologie ist über weite Strecken immer noch kaum bearbeitet; Strohmaier-Wiederanders (1999); Schmauder/Wisskirchen (1991); vgl. dazu auch die Rezension von Hans Reinhard Seliger [Römische Quartalschrift 87 (1992), S. 110–114], sein Diktum von „der Armut an wissenschaftsgeschichtlicher Literatur zur Christlichen Archäologie“ (S.112) ist auch heute noch gültig. 106 Piper (1847/1851).

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Pipers Sammlung sind nach den von Jochen Brünning bereit gestellten Kategorien Eigenschaften eines „Schatzhauses“, eines „Wissensspeichers“ und „Wissensquells“ inhärent.107 Als Gehäuse kostbarer Originale, wie des spätmittelalterlichen Einhornaltars aus der Altmark, war es Schatzhaus. Dieser Altar­schrein präsentierte sich unmittelbar, war sich selbst genug. Hier ist die Aura eines Museums im Sinne einer säkularen Kirche am ehesten greifbar. Zum Wissensspeicher verwandelte sich Pipers Sammlung, wenn Stiche und Papierabklatsche in Schubladen verstaut, Bücher und Bildbände in Regalen aufgestellt werden. Als Bestandteil des Ordnungssystems verschwinden derartige Objekte meist hinter ihrer medialen Botschaft, also der lesbaren Information, die sie tragen. Darüber hinaus kann sich die Sammlung in unmittelbarer Konfrontation mit dem in Szene gesetzten Objekt in einen Wissensquell verwandeln, insbesondere dann, wenn theatralische Impulse den Objekten eine Polyvalenz verleihen. Bei Modellen z. B. ist es möglich, den Betrachter zur Mitarbeit zu animieren. So konnte er in Pipers Sammlung einen verklei­nerten van-EyckAltar auf- und zuklappen, ein Korkmodell einer Katakombe war mit einer inneren Beleuchtung sowie mit einer Drehvorrichtung ausgestattet. Seine musealen Ideen hatte Piper im Jahre 1844 erstmals gegenüber dem Kultusministerium angedeutet.108 Vier Jahre später war die Zeit reif, in einer Denkschrift konkret zu argumentieren, „wie es im Interesse des theologischen Unterrichts sei, daß eine Sammlung kirchlicher Denkmäler bei der hiesigen Universität errichtet werde“.109 Im Rückenwind der Gepflogenheiten der Klassischen Archäologie formulierte Piper den Wunsch, dass es in Deutschland wenigstens eine Universität geben müsse, an der eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit kirchlichen Denk­ mälern ermöglicht werde: „Die kirchengeschichtliche Erkenntniß, welche aus einer nach jenem Gesichtspunkt angelegten Sammlung zu gewinnen ist, lässt sich auf keinem andern Wege erlangen, – da die Denkmäler ein ganz neues Gebiet des christlichen Lebens und Denkens aufschließen, wovon wir durch schriftliche Nachrichten entweder gar nicht oder nur unvollständig unterrichtet sind.“110 Als Bestandteile der Sammlung erwähnte Piper neben vereinzelten Originalwerken, Kopien, wie Gipsabgüsse, Modelle, Durchzeichnungen von Miniaturen sowie Abbildungen in Kupferstich und Steindruck, gerade wenn sie in Büchern abgedruckt waren. Das Ministerium holte sich Rat beim bekannten Kunsthistoriker Franz Kugler (1808–1858), der als Dezernent für Kunstangelegenheiten im preußischen Kultusministerium „ein aktives Verhältnis gegenüber den Museen“111 pflegte. Er sah in Pipers Perspektive eine willkommene Ergänzung zur eigenen Zunft, die sich vornehmlich mit der Entwicklung 107 Brüning (2006); vgl. auch Rehberg (2006). 108 Piper, 30. Mai 1844, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 52, Bl. 1–4. 1843/1844 hatte Piper erstmals über kirchliche Monumente eine Vorlesung gehalten. 109 Antrag und Denkschrift, Piper an den Minister v. Ladenburg, 31. Dezember 1848, nach Piper (1874), S. 5f. 110 Piper, Denkschrift, 31. Dezember 1848, aus Piper (1874), S. 8. 111 Bredekamp/Labuda (2010), S. 260.

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der Kunststile auseinanderzusetzen habe: „Wir dürfen bei dieser Richtung – deren einseitige Verfolgung ausschließlich nur ein trockenes chronologisches Gerippe übrig lassen würde – aber keineswegs stehen bleiben. Wir haben unsere Arbeit namentlich auch der Erforschung und Erkenntniß des Stofflichen der Kunst mit gleichem Eifer zuzuwenden112.“ Mit der Etablierung der Christlich-archäologischen Kunstsammlung im Universitätsgebäude gewann zumindest andeutungsweise ein enzyklopädischer Museumsgedanke Kontur, eben alle Relikte der Dingwelt – von naturalia über antiquitates bis zu artificalia – unter einem Dach auszustellen, ein Konzept, dass Jahrzehnte früher Jean Henry (1761–1831), der langjährige Kurator der Königlichen Kunstkammer im Berliner Stadtschloss, energisch, aber erfolglos vertreten hatte.113 Dennoch war mit der Universitätsneugründung von 1810, die den Aderlass des mit der napoleonischen Niederlage einhergehenden Verlustes der Universität in Halle beheben sollte, der Weg einer fundamentalen Trennung der Objektbereiche gebahnt, da nun die wichtigen naturwissenschaftlichen und medizinischen Sammlungen, die bisher vor allem in der Akademie der Wissenschaften beheimatet gewesen waren, in die Universität gelangten.114 Den überbordenden naturwissenschaftlichen Sammlungen der Universität korrespondierte ab 1830 der Museumsbau Karl Fried­rich Schinkels (1781–1841) im Lustgarten, der wie ein Tempel der Kunst wirkt.115 Die Universalität von Wissenschaft und Kunst, der Anspruch, Sammlung und Forschung als heterogenes, aber dennoch einheitliches Ganzes zu repräsentieren, war durch die räumliche Trennung von Kunst- und Wissenschaftsbauten im Zentrum von Berlin trotz ihrer Nähe empfindlich gestört. Sich separierende Raumeinheiten verhinderten weitgehend, dass eine ars combinatoria der einzelnen Spezialsammlungen zur Entfaltung kommen konnte.116 Keiner redete mehr vom ganzheitlichen Charakter einer Kunstkammer. Um die Dinge spezialisieren zu können, war sie regelrecht geplündert worden, bis kaum mehr etwas von ihr übrig blieb. Die verbliebenen Reste führten ein museales Schattendasein und standen auf Abruf bereit, ein neu gegründetes Spezialmuseum zu bestücken. Welche Vorzüge machten das Universitätsmuseum für Piper so attraktiv? An Universitäten bestand mit Hilfe einer Schausammlung die Möglichkeit, die Wissenschaft öffent­lich zu machen, sie aus dem Elfenbeinturm zu holen. �������������������� Piper bediente sich der Prinzipien „Sammlung“ und „Anschauung“ nicht zuletzt, um die Außenwirkung religiöser Inhalte zu erhöhen. So��������������������������������������������� galt es, das christliche Glaubenswissen aus 112 Votum, Franz Kugler, 3. Mai 1849, aus Piper (1874), S. 15–17, hier S. 16. 113 Brüning (2006), S. 107f.; Bredekamp (2000a), S. 17; Dolezel (2004); zur Korrelation von Universität und Museum in Berlin: Bredekamp/Labuda (2010), S. 237–242, Segelken (2000). 114 Am Ende der Entwicklung stand die Aufteilung der Sammlungen in wissenschaftliche Spezialsammlungen. 115 1830 waren die Antiken sowie Gemälde und Skulpturen übergeben worden, während die ägyptischen Sammlungen, nationalen Altertümer sowie die Reste aus der Kunstkammer in das Schloss Monbijou gelangten. 116 Im entstehenden Humboldt-Forum auf dem Berliner Schlossplatz käme es darauf an, vom Ding ausgehend universalen Kombinationsmöglichkeiten wieder Räume zu öffnen.

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der Reserve zu locken und öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen.117 Angesichts der um sich greifenden Entchristianisierung kurz nach der 1848er Revolution sollte Piper sogar seine letztlich nicht realisierte Idee propagieren, christliche Volksmuseen in Städten und Dörfern als Multiplikatoren zu errichten.118 Piper hatte ein Gespür für moderne Öffentlichkeitsarbeit. Kaum ein Sammlungsjubiläum ließ er aus, um sich bei einflussreichen Amtsträgern der Ministerialbürokratie ins Gedächtnis zurückzurufen und den Staat für außerordentliche Geldzuschüsse gewogen zu halten.119 Seit Mitte der sechziger Jahre berichtete er alle zwei bis drei Jahre akribisch in Staatsanzeigern, wie im Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staatsanzeiger in den Jahren 1871, 1873, 1876 und 1878, über die Veränderung des status quo seiner Sammlung.120 Auf der anderen Seite zeigen diese Berichte, dass sich der Staat des Prestigepotenzials, das von wissenschaftlichen Sammlungen ausging, bewusst war. Nicht nur das Flaggschiff der Museumsinsel, auch die Christlich-archäologische Kunstsammlung stand im „Interessenfeld der Regierungspolitik“.121 Traditionell gestalteten sich im 19. Jahrhundert in Berlin die Verbindungen zwischen Universität und Königlichen Museen besonders eng. In den Fächern der Klassischen ­ Archäologie und der Ägyptologie bestand eine Personalunion zwischen Lehrstuhl und Museumsdirektorat; Gelehrte wie der Begründer der Ägyptologie Richard Lepsius (1810–1884) oder der Archäologe Ernst Curtius (1814–1896) waren nicht nur Professoren an der Universität, sondern auch Direktoren der entsprechen­ den Abteilung auf der Museumsinsel. Aber auch auf dem Feld der frühchristlichen Kunst gab es genügend Überschneidungen. So ist belegt, dass Gustav Friedrich Waagen, langjähriger Direktor der Gemäldegalerie und seit 1844 außerordentlicher Professor für Kunstgeschichte, Pipers Sammlung intensiv für seine Vorlesungen nutzte. Im Jahre 1846 veröffentlichte Piper eine Abhandlung, in der er die religionsgeschicht­ liche Relevanz von einigen antiken Denkmälern des Königlichen Museums zum Thema machte.122 Auch der Brief, den Piper 1878 an Wilhelm Bode (1845–1929) schrieb, zeigt, wie eng sich die Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Universität und der Königlichen Museen gestalten konnte.123 Pipers Sammlung war keine private, sondern stellte von Anfang an eine staatliche Angelegenheit dar. Die Wissenschaftspolitik der Kultusbürokratie, die Vorlieben des preußischen Königs bzw. deutschen Kaisers kommen bei Beschäftigung mit 117 Zur Popularisierung der Wissenschaft allg. Daum (1998); Kretschmann (2003). 118 Piper (1856); zum historischen Kontext: Brederlow (1976); Graf (1978). 119 Siehe seine gedruckten Abhandlungen nach 25 Jahren bzw. 35 Jahren, Piper (1874), Piper (1885). 120 Für die Jahre von 1873 bis 1875: Piper, 13. März 1876, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 67–68. 121 Gaehtgens (1992), S. 9; vgl. Hardtwig (1993). 122 Siehe in vorliegender Abhandlung, S. 396f. 123 Bode hatte sich schon den Ruf eines Kunstkenners erworben. Piper erhoffte sich von ihm Aufschlüsse über eine „Räthsel“ aufwerfende Kanzel aus Siena. Der Hinweis auf „weitere mündliche Mitteilung, die sie mir gönnen wollen“ deutet auf unmittelbare Kanäle in der Kommunikation hin; Archiv der Staatlichen Museen Berlin NL Bode 4176.

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­ ieser Sammlung in das Blickfeld.124 ����������������������������������������� d Von den Hohenzollern zeigte insbesondere König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), der die Verchristlichung des Staates auf sein Banner schrieb, Interesse für diese Sammlung.125 ���������������������������� Der Beginn von Pipers akademischen Wirken fiel mit dessen Regierungsantritt zusammen.������������������� ������������������ Beide standen der Erweckungsbewegung nahe, kannten und schätzten sich, nicht zuletzt, weil sie ein ausgeprägter Sinn für die Aussagekraft von Bildern und Symbolen verband. FINANZ- UND RAUMFRAGEN – Ohne Geld kann ein weitgehend mittelloser Professor keine Objekte erwerben, ohne Platz, sie nicht unterbringen bzw. ausstellen. Die Existenz der Sammlung war zu einem großen Teil von der Raum- und Fi­nanz­­­ situation abhängig. Das Christliche Museum blieb lange Zeit auf außerordentliche, jedoch regelmäßig erfolgte Bewilligungen durch das vorgesetzte Minis­te­rium angewiesen; hinzu kamen Mittel aus dem königlichen Dispositionsfonds.126 Eine Materia­ lität der Rhetorik drückt sich auch darin aus, dass erst die Bitte um außer­ordentliche Geldbewilligungen, die Argumente der Sammlungspolitik offenlegt und damit die Objekte zum Sprechen bringt. Widerstände aus dem Finanzministerium verhinderten lange Zeit eine ordentliche Etatisierung. „Man war damals im Finanzministerium der Meinung, daß ein solches Institut nicht gerade ein Bedürfniß sei.“127 Erst 1864 erhielt die Christlich-archäologische Kunstsammlung einen eigenen Etat; die dazu gehörige Verfügung des Finanz­ministers vom 22. April nannte Piper „die zweite Gründung der Anstalt“.128 Wenn es so etwas wie einen roten Faden durch die Sammlungsgeschichte der Universität gibt, dann ist es der aus Platznot gespeiste Erfindungsreichtum, sich nutz­ bare Räume zu erschließen. Auch Pipers Erwerbungspolitik musste sich räumlichen Gegebenheiten anpassen.129 Deren Begrenztheit setzte der professoralen Sammelleidenschaft immer wieder Grenzen. Spektakuläre großformatige Neuzugänge waren gegenüber der Uni­ver­si­tätsleitung meist mit der Anmeldung von Raumansprüchen verquickt.130 Nach provisorischen Quartieren131 fand die christlich-archäo­logische Sammlung seit 1854 im zweiten Stock des Westflügels des ehemaligen Herzog-Hein124 Als Piper seine archäologische Kunstsammlung eröffnete, bestand in wissenschaftspolitischen Fragen noch „in hohem Maße eine Struktur persönlicher Einflußbeziehungen“ [Lepsius (1988), S. 9] zwischen Wissenschaftlern und Staatsbeamten, sein Nachfolger Niko­ laus Müller hatte sich in einer institutionell ausdifferenzierten, bürokratisch organisierten Wissenschaftslandschaft zurecht zu finden; vgl. Bruch (1994); Rebenich (1997). Das Spannungsfeld zwischen staatlichem Eingriffsrecht und Lehr- bzw. Wissenschaftsfreiheit begleitete die Geschichte der Theologischen Fakultät, Elliger (1960). 125 Bußmann (1990), S. 119–138, S. 308–351. 126 Piper (1874), S. 28. 127 Ebd., S. 29. 128 Ebd., S. 35. 129 Zum „Local” der Sammlung: Piper (1874), S. 18–25. 130 Piper, 26. September 1854, GStA PK, I. HA R������������������������������������������������ ep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. ����������������������� X, Nr. 52, Bl. 219–220. 131 Zunächst war sie in Pipers Wohnung aufgestellt, dann in einem Schulgebäude an der Friedrichsstraße.

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164: Grundrisszeichnung des Christlichen Museums, Berlin, Westflügel des Universitätshauptgebäudes (1883), Berlin, Geheimes Staatsarchiv

rich-Palais in den ehemaligen Räumlichkeiten des chirurgischen Ban­­dagen-Kabinetts eine dauerhafte Bleibe. Immerhin konnten ein einfenstriges sowie ein zweifenstriges Zimmer ausgestattet werden (Abb. 164). Der größere verwandelte sich zugleich zu einem Auditorium für Pipers christlich-archäologische Vorlesungen und Übun­ gen, daher konnten darin nur Tische und Stühle, aber keine Ausstellungswände aufgestellt werden. Der kleinere Raum diente auch als Arbeitszimmer des Direktors.132 Ab 1869 profitierte auch Pipers Museum von der allgemeinen Nutzung des Dachbodengeschosses, nachdem das physiologische Kabinett verlegt worden war. Das Christliche Museum konnte um mehrere kleine Räume genau in der darüber gelegenen Etage erweitert werden. Weitere Maßnahmen zur Infrastruktur, wie eine 1879 errichtete Wendeltreppe, die diese beiden Raumeinheiten mitein­ander verband sowie eine Gasleitung, die eine Nutzung der Räume auch noch in den Abendstunden ermög­lichte, machten die Forschungsarbeit im Museum komfortabler. Erst jetzt konnten die neu hinzugekommenen Artefakte im Raum platziert werden: „In Folge dieser Erweiterung hat eine Anzahl werthvoller Kunstblätter, Kupferstiche und Chromolithographien, nach Originalen im Mittelalter, dem 16. und 19. Jh., die seit kürzer oder länger im Besitz des Museums waren, aus ihren Behältern hervorgeholt, eingerahmt und an den Wänden im vierten und fünften Zimmer des Dachgeschosses 132 Piper (1874), S. 23.

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in historischer Folge ihre Stelle erhalten können (…) Auch ist Raum gewonnen für Sculpturen und Inschriften des Mittelalters: und es hat mit Beschaffung größerer Gyps-Abgüsse wieder begonnen werden können, welche so lange sistiert werden musste, weil es an Raum fehlte.“133 Durch die Intensivierung der wissenschaftlichen Forschung und Lehre wuchsen die Sammlungsbestände aller Disziplinen kontinuierlich an. „Die Lage der Universitätsmuseen hingegen war in keiner Weise stabil, da sie förmlich zur Produktionsstätte neuer Objekte wurden, durch Sammeln, Sezieren und Präparieren. Die Raumnot nahm deshalb dramatische Züge an, und simultan wuchs der Rückstand an zu leistender Erschließungsarbeit.“134 Sammlungen unter­schiedlichs­ter Provenienz okkupierten in einem derartigen Ausmaß die Räumlichkeiten des Prinz-HeinrichPalais, dass Rektor und Senat der Universität bereits im Jahre 1852 den einzelnen Instituten unter dem Betreff Revision der Inventarien sämmtlicher Sammlungen und Institute der königl. Universität eine umfassende Bestandsaufnahme abverlangten.135 1880 füllten die Sammlungen nicht weniger als zwei Drittel des Hauptgebäudes.136 Schon bald wurde klar, dass eine räumliche Einheit von Universität und Sammlungen nicht zu erreichen war. Seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zeichnete sich ab, dass die naturwissenschaftlichen und medizinischen Sammlungen das Hauptgebäude endgültig verlassen würden; ein Prozess, der mit dem Bezug des neu erbauten Naturkundemuseum in der Invalidenstraße Ende der 1880er Jahre seinen vorläufigen Abschluss fand. Piper sah in der groß angelegten Translozierung die Chance, seine Sammlung im Hauptgebäude auszuweiten, was ihm aber letztlich nicht gelang, denn der Akademische Senat machte aus den frei gewordenen Räumen dringend benötigte Vorlesungssäle; „und dieser Gesichtspunkt musste um so mehr festgehalten werden, als es in der Natur einer jeden Sammlung begründet ist, dass sie stets ein größeres Local braucht, weil sie immer wächst und nie abnimmt.“137 PIPERS ERWERBUNGSPOLITIK – Pipers Einkäufe basierten auf der Korrespondenz mit Antiquariaten und Buchhandlungen oder auf Erwerb vor Ort während seiner Reisen. Regelmäßig studierte Piper die Kataloge von Antiquariaten und baute sich ein dichtes Netzwerk des Kunsthandels auf. In Berlin hatte er Kontakt mit allen bekannten Buchhandlungen bzw. Antiquariaten wie Friedländer, Lipmanns, Stargardt etc., hinzu kamen entsprechende Geschäfte in Leipzig, Köln, Frankfurt, Augs­

133 Ebd., S. 4. 134 Brüning (2006), S. 110. 135 Rektor und Senat der Universität an das Kultusministerium, von Raumer, 2. Mai 1852, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 52, siehe diesbezüg­liche Protokolle der einzelnen Institute, ebd., Bl. 20–51. 136 Brüning (1999), S. 28. 137 Encke u. a., Rektor/Senat an Minister Raumer, 14. Oktober 1854, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 52, Bl. 223; zum Trieb der unbegrenzten Bestandsvermehrung: Brüning (2000), S. 20f.

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burg, Mailand, Bologna, Florenz, Lyon, London und vielen anderen Orten.138 Genau listete Piper in seinen gedruckten Rechenschaftsberichten auf, mit welchen Buchhandlungen und fotografischen Anstalten des In- und Auslandes Geschäfte gemachten worden sind: „Deubner in Moskau, Münster in Venedig, Verona. Ferner die photographischen Anstalten von Beck in Athen, Naya und Perini in Venedig, Brunel in Lugano, Albert in Würzberg.“139 Dann ist das Reisen Schlüsselinstrument eines jeden Sammlers. Piper setzte sich selber in Bewegung, um die jeweiligen Orte aufzusuchen, wo die Objekte seines Interesses aufbewahrt wurden. Piper kann man geradezu als Pilger im Dienste der Wissenschaft bezeichnen: „Es gilt damals wie heute, dass wenn man den religiösen Stand einer Gemeinde erkunden will, man gut thut, ihren Kirchhof aufzusuchen. (…) so wie der Wanderer, der in der heißen Zone einen hohen Berg besteigt, in wenig Stunden alle Klimata bis zur Eisregion durchschreitet; so ist dem Alterthumsforscher vergönnt, wenn er die Stätten und Denkmäler des geschichtlichen Processes aufsucht, in diesen selbst einzutreten wie ein Augenzeuge, und so die Ereignisse an sich vorübergehen zu lassen.140 Zwischen Reisen und Sammeln besteht seit jeher in der wissenschaftlichen Praxis ein Zusammenhang. Im 19. Jahrhundert haben es Alexander von Humboldt (1769– 1859) und Charles Darwin (1809–1882) vorexerziert: Keine Expedition war denkbar, ohne dass auf Schiffen Forschungsobjekte gehortet wurden. In den Wissenschaften des Geistes war das nicht anders. 1853 brach Piper zu seiner ersten Italien-Reise auf. Im Sommer des darauf folgenden Jahres hatte Piper Gelegenheit, seinen in Charlottenhof weilenden, ihm im Geist so verwandten König Friedrich Wilhelm IV. persönlich von seinen Reiseeindrücken zu berichten.141 1857 folgte eine Reise nach Frankreich und England, wo er London, Oxford und Cambridge sowie in Manchester eine Messeausstellung für Kunstdenkmäler besuchte. Über Paris, Amiens und Straßburg kehrte er wieder nach Berlin zurück.142 Auch dafür warb Piper in einer Immediateingabe an den König.143 Im Herbst 1862 stand Ober­italien auf dem Programm. Auf seiner längsten Reise in den Jahren 1869/70 war Piper acht Monate unterwegs; dabei 138 Piper, Das christliche Museum der Universität zu Berlin und sein Zuwachs in den Jahren 1878–1881, aus: Deutscher Reichs- und Königlich preußischer Staats-Anzeiger 1881, Nr. 124, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 167–169. 139 Piper, im Januar 1869, über „Das Christliche Museum der Universität zu Berlin, sein Zuwachs in den Jahren 1866, 1867, 1868“ aus der Spenerschen Zeitung, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va Sekt.2, Tit X., Nr. 74, Bd. 1, Bl. 178. 140 Piper in seinem Vorwort zu Charles W. Bennetts Christian Archeology, siehe Version auf Deutsch bei Piper an Kaiser Wilhelm II., o.D. [März 1889], Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 44. 141 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 2v. 142 Piper an den König, 31. Januar 1857, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 25–26. 143 Piper, 23. Oktober 1856, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 2–5.

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verband er seinen Besuch in Italien mit einer Besichtigungstour nach Griechenland und Konstantinopel.144 1878 nahm sich Piper erneut das westliche Europa vor: Über Aachen und Brüssel gelangte er nach Paris. Dort besuchte er unter anderem die Weltausstellung, die in einer aus fünfzehn Sälen bestehenden kunstgeschichtlichen Abteilung Kunstwerke vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert präsentierte.145 UNTERRICHTSPRAXIS – Den Studenten diente Pipers Sammlung, die ihnen seit dem Wintersemester 1854/1855 regelmäßig zur Benutzung offenstand, als Fundus aller theologischen Disziplinen, insbesondere derjenigen mit kirchengeschichtlichen und exegetischen Akzent. Seit dem Sommersemester 1860 wurde für das Studium der Monumente ein sich über drei Semester erstreckender Kurs angeboten, wobei in der ers­ten Phase der Akzent auf Kirchengeschichte gelegt wurde, in der zweiten auf Altes und Neues Tes­tament sowie abschließend in der dritten Phase auf Religionsund Dogmengeschichte. Nikolaus Müller hatte für seinen Beitrag zur Festschrift aus Anlass der Jahrhundertfeier der Universität (1910) noch das von Piper angelegte, inzwischen verloren gegangene „Teilnehmer-Album“ vor Augen. Mit an­geh­enden Kirchen- und Kunsthistorikern sowie Archäologen stellten Angehörige der theologischen und philosophischen Fakultät naturgemäß den weitaus größten Anteil, aber auch Juristen und Mediziner besuchten hin und wieder Pipers Übungen.146 Wenn Piper das Bildmaterial nicht einrahmte und hinter Glas setzte, zog er es auf Pappe. Projektoren nutzte Piper noch nicht, erst Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitete sich diese Praxis im Christlich-archäologischen Seminar.147 Vor Einführung von Diapositiven dienten Vorlegeblätter in Form von Abbildungstafeln im archäologischen Unterricht als unverzichtbares Unterrichtsmaterial, um historische Artefakte intersubjektiv zu veranschaulichen.148 Von diesen Bildtafeln konnten problemlos mehrere

144 Vgl. dazu den Reisebericht; Piper, 12. März 1870, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 213–219. 145 Erlebnisparks, Schauarchitekturen und Völkerschauen gaben den Weltausstellungen den Charakter von großen Jahrmärkten; Barth (2007); Geppert (2002); Vedder (2005), S. 171–174; Asendorf (1984), S. 22f. 146 Müller (1910), S. 23. 147 Müller (1910), S. 20. Nach Hermann Grimm (1828–1901), erster Lehrstuhlinhaber für Kunstgeschichte an der Berliner Universität, ermöglichte die Lichtbildprojektion für den Kunsthistoriker wie das Mikroskop für den Naturforscher Einsichten, die mit dem bloßen Auge nicht zu erzielen waren; Hermann Grimm, Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons [1892], nach Kemp (1980), S. 200–205; vgl. Reichle (2007), S. 187. In ähnlicher Weise beurteilte der Mediziner und Mikrobiologe Robert Koch (1843–1910) den Status mikrofotografischer Bilder, die er von seinem Untersuchungsgegenstand anfertigte; Schlich (1995). 148 Für den Unterricht der Klassischen Archäologie waren die zwischen 1869 und 1876 in acht Bänden publizierten Vorlegeblätter für archäologische Übungen von Alexander Conze (1831– 1914) zugeschnitten.

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Exemplare angefertigt werden, so dass ohne großen Aufwand im größeren Kreis eine gemeinsame Bildinterpretation möglich war.149

Die Ordnung der sakralen Dinge Piper sah sich nicht nur vor die Aufgabe gestellt, Artefakte ausfindig zu machen, Repliken herzustellen und sie zu katalogisieren. Er wollte sie auch sorgfältig angeordnet in einem Sammlungsraum ausstellen. Pipers Nachfolger Nikolaus Müller for­ mu­lierte es so: „Denn eine solche Kollektion, die zweckmäßige Auswahl und Anordnung vorausgesetzt, ist für den Lehrenden und die Lernenden unentbehrlich. Dem Dozenten bietet sie in jedem Augenblick das hauptsächlichste Material für seine Demon­strationen dar, und den Studenten, namentlich den Anfängern auf dem Feld der christlichen Archäologie und Epigraphik, dient sie als zuverlässiger Leitfaden.“150 Kompromisslösungen prägen die museale Ordnung der sakralen Dinge, die den transzendenten Verweiszusammenhang, in den die Artefakte einst eingebettet waren, verschleiern muss. Mit der Integration in ein museales Ordnungssystem emanzipieren sich die Dinge von ihrem sakral konnotierten Charakter. Die Dingwelt aus der christlichen Epoche – mit Schwerpunkt in der Frühzeit – verwandelt sich als museale Welt in ein Kollektiv oder Ensemble, in ein abgeschlossenes Ordnungssystem, in dem alles überschaubar, erklärbar und schubladisiert ist.151 Der Museumsbesucher mag von der Kunstfertigkeit dieser Artefakte fasziniert sein oder von der Geschichte, die sich mit ihnen assoziiert; aber das im Museum ausgestellte Andachtsbild beispielsweise ist für ihn in der Regel nicht mehr als ein interessantes Stück aus der fernen Vergangenheit. Auch wenn die Dinge dem Vergessen entgegenwirken, dasjenige zeigen, was nicht gegenwärtig ist, erschöpft sich ihre Funktion im Diesseitigen; eine Tatsache, die im 20. Jahrhundert von Kunstpublizisten, wie André Malraux (1901–1976) und Carl Einstein (1885–1940) nicht ohne Bedauern festgestellt wurde: „Die Schönheit eines Altarblatts bestand darin, daß es von Ängsten, Wünschen und bangendem Schreien nach Gott umringt war, es einer Handlung als beschei­denster Teil diente, daß der Schatten Gottes in ihm wohnte und statt Museumsbeamten Priester ihm dienten.“152 Der Kern des Selbstverständnisses von sakralen Objekten, dass sie den innerweltlichen Verweiszusammenhang sprengen und eine Ebene der tatsächlichen Transzendenz eröffnen, vermittelt sich im Museum nur blass.153

149 Von den Stichen aus seinen Vorträgen sowie aus seinem Evangelischen Kalender stellte Piper sogleich derartige Bildtafeln her; so ist noch die Bildtafel zu Pipers Vortrag Ueber den christlichen Bildkreis vorhanden; Piper (1852). 150 Müller (1910), S. 20. 151 Groys (2007), S. 47f; Kohl (2005), S. 36. 152 Einstein (1926, 1996), S. 446; siehe auch Malraux (1947), S. 6. 153 Kohl (2005), S. 34; Martin (2005); Kamel (2004); Lechner (2008).

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INVENTARISIERUNG – Das Inventar gewährleistet den Überblick einer Sammlung. Von jedem Institut, das sich eine Sammlung anlegte, verlangte die Universitätsleitung im Jahr 1852 ein Verzeichnis.154 Piper gab gegenüber der Universitätsleitung zu Protokoll, dass drei Inventare angelegt worden seien, von denen das erste in chronologischer Ordnung die einzelnen Kunstwerke katalogisierte. Die beiden anderen waren in einem Band zusammengefasst; das eine Verzeichnis listete die Formen und Abgüsse auf, das andere Geräte und Mobiliar, die sich im Besitz der Christlich-archäologischen Kunstsammlung befanden.155 Ferdinand Piper inventarisierte sehr sorgfältig. Sein Hauptinventar ist ein so genannter Accessions-Catalog, in der die neu aufgenommenen Objekte in chronologischer Reihenfolge aufgelistet sind. Er reicht in seinem ersten Band von 1849 bis 1880 und besteht aus fünf Parametern: Datum des Eingangs, laufende Nummer, Identität des Objekts, Art der Erwerbung und Preis. Eine Reihe von Randbemerkungen geben weitere Informationen. Bei einem der früh erworbenen Objekte heißt es zum Beispiel: „Abguß des Rauchfasses von vergoldeter Bronze aus Bucholz im christlichen Museum zu Trier. Geschenk des Herrn Domcapitular von Wilmowsky in Trier im Austausch gegen andere Abgüsse christlich-archäologischer Gegenstände – fand sich zertrümmert.“156 Die Formel „unter Glas und Rahmen“ bedeutet, dass die Kupferstiche oder Fotografien tatsächlich aufgehängt wurden. Da aber ein Standortkatalog fehlt, ist nicht mehr herauszufinden, wo genau sie platziert waren. In seiner zierlichen, gut lesbaren Schrift verzeichnete Piper während seiner Amtszeit, einschließlich der Literatur 4.800 Einheiten. 1870 hatte die Sammlung noch aus 1.920 Eingängen bestanden, was einen Jahresschnitt von 95 neu hinzugekommenen Objekten ausmacht. Zwischen 1870 und 1880, als die Sammlung ihren Kulminationspunkt erreichte, wuchs die Sammlung um 1.433 Eingänge; der Jahresschnitt konnte also mit 143 deutlich gesteigert werden. Mehr als zwei Drittel der Eingänge in dieser Dekade bestanden aus Büchern, von denen viele illustriert waren. Fotografien verbuchten 277 Eingänge, weitaus mehr als andere zweidimensionale Bildmedien, wie Lithographien, Stahlstiche oder Kupferstiche (49 Eingänge). 35 Abgüsse, insbesondere aus Gips, aber auch aus Metall konnten in die Sammlung integriert werden. Auch Originale erwarb Piper hin und wieder, 25 an der Zahl, wie altchristliche Lampen aus Terrakotta, Münzen, Gefäße, Steine mit Inschriften, russische Gemälde, Grabsteine und – besonders spektakulär – den spätmittelalterlichen Einhornaltar aus der Altmark. Zudem erweiterte Piper seine Sammlung zwischen 1870 und 1880 um fünfzehn PapierAbklatsche von Inschriften. Schließlich erwarb Piper ein Modell aus Kork von einer Katakombe. Den Großteil der Bücher, Stiche und Fotografien kaufte Piper im Kunsthandel, 33 Zu­gänge in der Zeit zwischen 1870 und 1880 resultierten aus Auktionen. 154 Rektor und Senat der Universität an das Kultusministerium, von Raumer, 2. Mai 1852, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X., Nr. 52, Bl. 16–19. 155 Piper, Dieterici, Schleusener, verhandelt Berlin dem 17. März 1852, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X., Nr. 52, Bl. 29. 156 Inventar, Bd.1, 4/12. Juli 1849, S. 2, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin.

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Fünfzig Objekte, vor allem Gips-Abgüsse, wurden in den jeweiligen Museen, wo sich die Originale befanden, in Auftrag gegeben. 126 Eingänge basierten auf Geschenken, davon stammten dreißig vom Kurator selber. Donationen machten unter den in den Rechenschaftsberichten genannten „Bezugsquellen“ einen nicht unerheblichen Posten aus. Das Inventar überliefert Gaben von angesehenen Berliner Kollegen wie Hermann Grimm, Ernst Curtius, Richard Lep­sius, Eduard Gerhard, Rudolf Virchow und anderen. AUSSTELLUNGSPARCOURS – Jede Ausstellung erzählt eine Geschichte, indem sie den Besucher am Leitfaden einer bestimmten Reihenfolge durch den Raum steuert. Der Ausstellungsraum ist ein narrativer Ort; in Pipers Museum hatten die Exponate von einer Geschichte zu erzählen, die von der Durchsetzungsfähigkeit der christlichen Kunst handelte. Auf Grundlage eines Grundrisses sowie detaillierten Einrichtungsbeschreibungen ist es möglich, diese Erzählung zumindest in ihren wesentlichen Charakterzügen zu rekonstruieren. Die Sammlungsobjekte wurden zum Teil an den Wänden bzw. freistehend oder in Schränken und Kästen aufbewahrt. Schausammlung und Depot gingen also ineinander über. Im Evangelischen Jahrbuch von 1857 ist nachzulesen, wie das aus „Vorzimmer“ und „Bildersaal“ bestehende Christliche Museum bestückt war.157 Die Beschreibung erwähnt sogar Einzelheiten der äußerlichen Gestaltung. So waren die mit Denkmälern voll gestellten Wände in einem bräunlichen Rot angestrichen, und zwar bis zur Höhe eines rings umher verlaufenden Frieses. Oberhalb des Frieses war eine Ablage angebracht mit Platz für diejenigen Bildwerke, die aus größerer Entfernung noch gut zu erkennen waren. Unmittelbar unter dem Fries waren Titelüberschriften angebracht, die sich auf Exponate der jeweiligen Ausstellungssektionen bezogen. So befand sich im ersten, kleineren Zimmer an der Längswand gegenüber dem Eingang aus dem größeren Raum die Abteilung „Christliche Architektur und kirchliches Gerät“. Dort waren Grundrisse oder Ansichten von Kirchen, wie der Hagia Sophia in Istanbul, San Marco in Venedig und der bedeutendsten Bauwerke des gotischen Stils ausgestellt. An der mit der Tür versehenen gegenüberliegenden Wand konnte man mit Denkmälern der heidnischen Antike eine besondere Vorliebe Pipers besichtigen. Dem schlossen sich „Inschriften aus dem christlichen Altertum“ an. Damit waren meist Papierabdrücke von Gräbern der alten Christen gemeint. Eingerahmt zwischen doppelten Glasscheiben konnten sowohl Vorder- als auch Rückseite betrachtet werden.158 Im 157 Evangelischer Kalender. Jahrbuch für 1857, S. 62; vgl. auch Ferdinand von Quasts Eindrücke über die Museumsaufstellung in seiner Rezension von Pipers 1856 erschienenen Abhandlung Das christliche Museum der Universität zu Berlin und die Einrichtung christlicher Volksmuseen, aus: Zeitschrift für Christliche Archäologie und Kunst 2 (1858), S. 45f. 158 Während seiner ersten Italien-Reise ließ Piper Papier-Abdrucke von 113 spätantiken Inschriften aus Italien anfertigen, davon setzte er 39 Abdrucke in Rahmen und unter Doppelglas; insbesondere in der Galleria lapidaria des Vatikanischen Palastes, wie auch im Kircherschen Museum des Collegium Romanum wurde Piper fündig; Piper, Rom, 24. Dezember 1853, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt.2, Tit X., Nr. 71, Bl. 184v.

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größeren Raum, dem so genannten Bildersaal waren in chronologischer Anordnung christliche Skulpturen und Gemälde aufgestellt. Piper nannte die Abfolge der Exponate „Bilderkreis“; sein Reigen begann mit den „Christlichen Grab-Denkmälern aus den ersten Jahrhunderten“. Im Zentrum stand dort der gipserne Abguss des berühmten Junius-Bassus-Sarkophags: „Sodann als eine Hauptzierde der ganzen Sammlung (…) die Mitte nimmt der Abguß von dem berühmten Sarkophag des Iunius Bassus ein, die Vorderseite und beide Querseiten; darunter und davor ist von einem Sarkophag aus dem Lateran-Museum der Abguß, ebenfalls die Vorderseite mit den beiden Querseiten, im Viereck aufgebaut, um von einem vollständigen Sarkophag eine Ansicht zu gewähren.“159 Die folgende Wand zeigte „Denkmäler der christlichen Kunst bis in‘s 14. Jahrhundert“, d. h. Bildmaterial von Mosaiken aus Konstantinopel, Ravenna und Rom; Faksimiles einiger Miniaturen aus Paris und Abgüsse einer größeren Anzahl von kleinformatigen Elfenbeintafeln. Die andere Hälfte dieser Wand, an beiden Seiten der Eingangstür, war mit „Denkmälern der christlichen Kunst aus dem 15. Jahrhundert“ bestückt. Hier waren Kupferstiche und Lithographien von Hans Memling (1435–1494) sowie von Fra Angelico (ca. 1400–1455) inklusive eines nach seiner Manier entstandenen Originalgemäldes aus seiner Schaffenszeit zu sehen. Unter der Überschrift „Denkmäler der christlichen Kunst in Italien aus dem 16. Jahrhundert“ zeigte Piper v.a. die Kupferstiche einiger Hauptwerke von Michelangelo (1475–1564) und Raffael (1483–1520), unter „Denkmäler der protestantischen Kunst“ Kupferstiche zentraler Kunstwerke von Albrecht Dürer (1471– 1528) und Lucas Cranach (1472–1553), dann aber auch Reproduktionen aus dem 19. Jahrhundert, wie Luther bei der Bibelübersetzung nach einer Vorlage von Gus­tav König (1808–1869). Das Museum schloss mit der Sektion „Abbildungen kirchlicher und weltlicher Personen“, in der auf Reproduktionen z. B. vier griechische Kirchenlehrer nach Mosaiken aus der Hagia Sophia oder Dante nach einem neu aufgefundenen Giotto-Gemälde in Augenschein genommen werden konnten. Pipers Christlich-archäologische Kunstsammlung spiegelt gleichsam mikroskopisch den Ausstellungskosmos der Königlichen Museen auf der Museumsinsel. Das 1880 erstmals erscheinende, von Richard Schöne (1840–1922) initiierte Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen war gegliedert in die Exponate der Königlichen National-Galerie, wo Skulpturen und Gemälde des 19. Jahrhunderts – also zeitgenössische Kunstwerke – zu sehen waren sowie in die weitaus größeren Bestände der Königlichen Museen mit der Gemäldegalerie, der Sammlung der Skulpturen und Gipsabgüsse, unterschieden nach den Abteilungen für Antike und Nachantike, dem Antiquarium (antikes Kleingerät), Münz- und Kupferstichkabinett, der Ethnologi­ schen sowie der Ägyptischen Abteilung. Es fällt auf, dass sich das aus den selbständigen Abteilungen der Museumsinsel ausstrahlende Potenzial der musealen Verdinglichung auf kleinem Raum in Pipers Kunstsammlung verdichtet. Wenn man Pipers Christliches Museum mit Wilhelm Bodes „Skulpturen der christlichen Zeit“ vergleicht, dann zeigt sich, dass die Spannbreite des Artefakts deutlich weiter gefasst war; Pipers Sammlung reichte von Originalen, Gipsabgüssen bis zu Kleingerät, 159 Piper (1874), S. 9.

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Münzen und unterschiedlichsten Bildmedien; sie verkörperte damit die gesamte heterogene Vielfalt des Kunstobjekts im weiten Sinne des Wortes. „Dabei kommen der Sammlung die engern Dimensionen, auf welche sie als ein akademisches Institut angewiesen ist, selbst zu statten: denn während in den Museen die Kunstwerke nothwendig gesondert sind nach den verschiedenen Abtheilungen, als Skulpturen, Gemälde, Handzeichnungen und Kupferstiche u.s.w., demnach ein Zusammenschauen verwandter Gegenstände aus verschiedenen Abtheilungen nicht möglich ist, so wird dies bei unsrer Sammlung keine Schwierigkeit haben, da Alles nahe beisammen ist.“160 In diesem musealen Milieu veranstaltete Piper nun seine Übungen und Vorlesungen. Besonders ins Auge stach im ersten Zimmer die Behandlung der heidnischen Zeit unter dem Titel „Vorstufe des Christentums; Uebergang zum Monotheismus“. Hier standen Denkmäler im Zentrum, „welche eine Erhebung über den heidnischen Standpunkt anzeigen, sei es, daß sie der Vielgötterei gleichsam zuvorkommen als Wahrzeichen der ursprünglichen Verehrung des Einen lebendigen Gottes in der Menschheit oder daß sie dieselbe hinter sich zurücklassen als Vorzeichen der kommenden Offenbarung. (…) Um solcher Erhebung willen über die heidnische Volksreligion sind auch von einigen Dichtern und Philosophen des griechischen Alter­ thums die Büsten aufgenommen oder sollen noch dort ihre Stelle finden, namentlich des Plato und des Sophocles.“161 Seit 1870 war rechts neben der Tür als Höhepunkt dieser Abteilung der Abguss des Prometheus-Sarkophags aus dem Kapitolinischen Museum aufgestellt. Auch im zweiten Raum setzte somit die Gattung des Sarkophags eine Dominante. Diese vor allem chronologischen Prinzipien folgende Anordnung ließ Piper bis zu seinem Tode bestehen, auch als 1879 eine Wendeltreppe die bisherigen Räume mit fünf Räumlichkeiten im Obergeschoss verband.162 Eine konsequent sachliche wie chronologische Gliederung ermöglichten auch die erweiterten Räumlichkeiten nicht: „Keines von beiden Prinzipien kann im Verhältniß der unteren zu den oberen Räumen, wie sie jetzt sind, durchgeführt werden, vielmehr findet fast durchgängig eine Zertheilung, selbst Zersplitterung der Fächer statt. Beispielsweise die Kunstdenkmäler des 15. Jahrhunderts, die nebeneinander angeordnet sein sollten, finden sich an vier verschiedenen Stellen, ja die beiden gleichzeitigen Originalwerke sind getrennt, das Gemälde aus der Schule des Fra Angelico hängt in der oberen Abtheilung, weil unten kein Raum ist, das große Altharschnitzwerk steht an einer ganz ungefügigen Stelle der unteren Abtheilung, weil es wegen seiner Dimensionen nicht nach oben transportiert werden konnte.“163 Vergeblich bat Piper zusätzlich um den benachbarten dreifenstrigen Hörsaal, ohne den eine „organische Aufstellung des ganzen christ­ lichen Museums“ nach seiner Auffassung nicht möglich war. 160 Piper (1851a), S. 8. 161 Piper (1874), S. 9. 162 Müller (1910), S. 20. 163 Piper an den Minister, 3. Oktober 1879, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74/Bd. 2, Bl. 128v.

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165: Die Kapelle des Hôtel de Cluny (1839) als Sammlungsraum, aus ­Alexandre Du Sommerard, Les Arts au Moyen Age (1838)

Während der Kunstsammler und Archäologe Alexandre du Sommerard (1779– 1842) in Paris Kultobjekte des Mittelalters in den passenden Rahmen einer authentischen Kapelle, der Chapelle haute de l’Hôtel de Cluny, aufstellen konnte (Abb. 165),164 wählte Piper für seine Sammlung ein betont sachliches Ausstellungsambiente, was auch am ehesten dem akademischen Auftrag einer Universität entsprach. Der Raum und seine Atmosphäre fungierten bei Piper nicht als Exponat. Eine Inszenierung wie aus einem Guss verbat sich allein deswegen, weil seine Objekte nicht auf ein bestimmtes Zeitalter beschränkt waren. Ein spätantiker Sarkophag verband nur 164 Sommerard wohnte im ehemaligen Pariser Palast der Äbte von Cluny. Aus seiner Sammlung sollte im Jahr 1844 das Musée Cluny hervorgehen; siehe Erlande-Brandenburg (1977).

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wenig mit einem spätmittelalterlichen Altar. So wird die Lesart der ausgestellten Objekte – rhetorisch gesprochen – eher durch dispersiv-isolierende Mechanismen der Metonymie bestimmt als durch integrativ-verbindende der Synekdoche.165 Mehr Mut zur Inszenierung lässt Piper erkennen, als der Senat der Universität – abermals mit dessen Raumwünschen konfrontiert – im Jahre 1887 ernsthaft in Erwägung zog, seine Sammlung ganz auf die Museumsinsel zu verlagern. Piper reagierte auf dieses Ansinnen keineswegs ablehnend. Vielmehr sah er die Chance, eine Lücke in der Berliner Museumswelt zwischen antiker und moderner Kunst zu schließen. „Denkmäler des christlichen Alterthums stellten eine große Bereicherung für die Königl. Museen dar, die mit Abgüssen altchristlicher Sarcophage, z. B. aus dem lateranischen Museum in Rom, dann in Südfrankreich bestückt werden könnten.“ 166 Inszenatorisch kam es Piper darauf an, „nicht blos die Gypsmassen an kalten Wänden aufzustellen, sondern den Ort der Aufstellung zu beleben durch entsprechende Wandmalerei, so dass die Umgebung zu dem Werke stimmte und die Stimmung der Besucher erhöht werde. Und mehr als das: die Gegenstände selbst zu ergänzen durch nächstverwandte Gebilde, wozu die Malereien der Krypten und Katakomben Thema und Vorbild bieten würden.“167 Piper schwebte wohl eine Art musealer Arbeitsteilung zwischen Universität und Königlichen Museen vor. Während im Königlichen Museum das christliche Altertum zur Geltung kommen sollte, hatte die Theologische Fakultät an der Universität die Aufgabe, die Rezeptionsgeschichte bis an die Gegenwart heranzuführen. Zudem sollte das museale Ensemble auf der Museumsinsel durch Gebäudemodelle komplettiert werden, da Grabmäler mit den sie umgebenden Kirchenräumen eine Einheit bildeten.168 Reinhard Lepsius war im Neuen Museum mit seinem ägyptischen Artefakten vorangegangen, die er in inszenierte Kontexte einbettete, um so die sakralen Orte der Landschaft und der kulturellen Erinnerung wieder zum Sprechen zu bringen. Wenig später sollten im Kaiser-Friedrich-Museum sowie im Märkischen Museum mit architektonischen Stimmungsräumen für mittelalterliche Kunst sakrale Atmosphären in Szene gesetzt werden.169 MUSEALE REICHWEITE DES CHRISTLICHEN – Schon die Namensgeschichte von Pipers Sammlung offenbart das Selbstverständnis eines Museumskonzepts, dass am besten als sakrale Säkularisierung charakterisiert werden kann.170 Während die preußi­sche Ministerialbürokratie sie „Christlich-archäologische Kunstsamm165 Zu diesen aus der Rhetorik stammenden Kategorien der Musealisierung am Beispiel des Musée Cluny: Bann (1984), S. 85f. 166 Piper an den Minister, 4. August 1887, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 303. 167 Ebd., Bl. 303v. 168 Ebd., Bl. 304. Piper hatte dabei Modelle von Kirchen in Zentralsyrien, Konstantinopel, Rom und Ravenna im Sinn. 169 Knüvener (2008); zu Kapellenräumen und Kirchensälen im Museum: Bernau (2001), S. 42–45. 170 Müller (1910), S. 15.

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lung“ nannte – im Vorlesungsverzeichnis wurde sie zunächst als „Christ­lich-archäologische Sammlung“ angekündigt – plädierte Piper in Anlehnung an internationale Gepflogenheiten, insbesondere in Italien, für das „Christliche Museum der Uni­ versität.“ Entsprechend war auf der Eingangstür zum Museum ein Schild mit der Aufschrift „Christliches Museum“ angebracht.171 Schon unter Papst Benedikt XIV. (1675–1758) hatte man Mitte des 18. Jahrhunderts begonnen, unter dem Dach der Vatikanischen Museen, im Museo Cristiano, frühchristliche Denkmäler zu sammeln. Neuere Funde sollten ab 1854 auf Anordnung von Papst Pius IX. (1792–1878) in einem eigenen Museum im Treppenhaus und in den Korridoren des Lateranpalastes aufgestellt und allgemein zugänglich gemacht werden.172 Initiator dieses zweiten Museo Cristiano in Rom war der Archäologe und Jesuit Giuseppe Marchi (1795–1860), der zuvor als langjähriger Leiter das einst so vielfältige Museum Kircherianum in ein archäologisches Museum verwandelt hatte.173 In Kontrast zur römischen Musealisierungspraxis verband Piper mit dem Attribut „christlich“ ein besonders weites zeitliches Spektrum. Für ihn war damit geradezu eine temporale Entgrenzung assoziiert. Piper hatte keine Probleme damit, auch Repliken von Plastiken, die zeitgenössische Künstler wie Bertel Thorwaldsen (1770– 1844) und Christian Daniel Rauch (1777–1857) angefertigt hatten, in seine Sammlung zu integrieren. Pipers Verständnis der Archäologie war eng mit seinem erweckungstheologischen Kirchenbegriff verknüpft. Eine Archäologie konnte sich bei ihm nicht in abgegrenzten Sphären der Vergangenheit erschöpfen: „Wenn jener Name, der dem Studium des klassischen Altertums entstammt, auf die Wissenschaft der Kirche übertragen wird; so ist der Unterschied zu beachten, dass das klassische Alterthum ein Ende genommen hat, die Kirche fortbesteht, – darum auch das Studium und die Wissenschaft ihrer Monumente keine willkürlichen Grenzen annimmt, sei es mit dem Ausgange des 6. oder des 15. Jahrhunderts.“174 Im Begriff „christlich“, wie er in Pipers Christlichen Museum zum Vorschein kommt, verbarg sich eine zeitspezifische Ambivalenz. Im säkularen Zeitalter konnte es als Hinweis fungieren, um Abstand zum Christlichen zu üben, da es als Gesamtheit objektiviert bzw. ausgestellt werden konnte, andererseits verknüpfte gerade Piper mit dieser Formel eine Erneuerung des christlichen Glaubens in seiner Gegenwart angesichts einer immer indifferenteren Bevölkerung. Für Piper hatte das museal Christliche nur als bis in 171 Piper, 11. Oktober 1881, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 174 –175. Nikolaus Müller sollte sie seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts „Christlich-archäologische und epigraphische Sammlung“ bezeichnen; Müller (1910), S. 15. 172 Piper (1867), S. 791f.; siehe auch Ficker (1890). 173 Ruggiero (1878). In diesem Zusammenhang ist auch Anton de Waal (1837–1917) zu nennen, der als Rektor des Campo Santo Teutonico ab 1878 Altertümer zu sammeln begann und dort im Jahre 1885 ein Museum mit christlichen Altertümern eröffnen konnte; Waal (1892). 174 Piper (1885), S. 6. Schon sein in der Theologischen Realencyclopädie erschienener Artikel über „Monumentale Theologie“ stellte klar, dass sich Piper einem zeitlich entgrenzten Konzept verpflichtet weiß; Piper (1862), S. 759f.

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die Jetztzeit reichender Einflussfaktor einen Sinn, für Wilhelm Bode hingegen, der 1880 die 35 Jahre zuvor von Gustav Friedrich Waagen eingerichtete Abteilung „Saal der Bildwerke des Mittel­alters und der späteren Zeit“ im Königli­chen Museum in „Skulpturen der christlichen Zeit“ umtaufte, hatte es in der Renais­sance aufzuhören.175 Piper ließ keine Gelegenheit aus, jüngeren Kollegen gegenüber, die in seine kuratorischen Fußstapfen treten wollten, eine zeitliche Beschränkung auszureden: „Aus Greifswald habe ich unlängst von Prof. [Viktor] Schultze die Mitteilung erhalten über die angeordnete Einrichtung eines christlichen Museums bei der dortigen Universität, (…) Ich habe in Einem Punkt mein Bedenken ausgesprochen, hinsichtlich der Zeitgrenze, wenn dieselbe beim Ausgang des Mittelalters gezogen wird (auf katholischer Seite, bei Kraus, will man sogar, in der Vorliebe für die ‚Katakombentheologie‘, beim 6. Jahrhundert stehen bleiben). Ich habe niemals anders gemeint, als dass, wie die historische Theologie, speciell die Kirchen- und Dogmen-Geschichte bis an die Gegenwart fortgeführt wird, eben so es mit der christlichen Archäologie zu halten sei (unangesehen die zum Theil antiquirte Bedeutung des Namens, an dessen stelle die ‚monumentale Theologie‘ tritt) und am wenigsten die Reformation ausgeschlossen sein darf.“176 ������������������������ Auch Charles W. Bennetts Christian ­ Archeo­logy, dem erstes Werk zur christlichen Archäologie, das auf amerikanischen Boden erschien und zu dem Piper das Vorwort verfasste, beschränkte sich zum Leidwesen Pipers auf die ersten sechs Jahrhunderte. ����������������������������������������������� Piper war viel zu stark von der zu seiner Zeit aufblühenden Museumsentwicklung der mittelalterlichen Kunst geprägt – angefangen beim 1844 eröffneten Musée Cluny in Paris über die Altertumssammlung in Basel bis zum Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg als Schöpfung des Freiherrn Hans von und zu Aufseß (1801–1872), das 1852 ihre Pforten öffnete und „welches seine Sammlungen von der ältesten Zeit bis zum J. 1650 ausdehnt“177 – um sich ausschließlich nur auf die frühchristliche Kunst des Altertums zu konzentrieren.178

Objekt-Geschichten aus nah und fern Seit 1957 ziert eine aus Nordafrika stammende kleinformatige Bleischale aus dem vierten Jahrhundert mit Reliefszenen aus dem Alten Testament – Abraham opfert Isaak, Daniel in der Löwengrube, Jonasszenen – sowie mit einem Tierfries versehen als Dauerleihgabe der Theologischen Fakultät der Humboldt Universität eine Vitrine im Museum für Byzan­tinische Kunst auf der Museumsinsel (Abb. 166). Piper konnte dieses Objekt Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts erwerben: „Ein Freund 175 Bode (1880). Die Ambivalenz von Distanz und Nähe zum Christlichen prägte die Strömung des Kulturprotestantismus, der auch Piper hinzugezählt werden kann; Graf (1985); Hölscher (1990). 176 Piper an den Minister, 8. Februar 1885, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2 Tit. X, Nr. 74, Bd. 2., Bl. 234–235. 177 Piper (1867), S. 792; Bann (1988); zur Basler Sammlung: Wackernagel (1857). 178 Piper an Kaiser Wilhelm II., o.D. [März 1889], Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep. 89/21529, Bl. 43–44.

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166: Bleischale (4. Jh.), Berlin, Museum für Byzantinische Kunst

und ehemaliger Zuhörer daselbst, der mich auf die Möglichkeit der Erwerbung aufmerksam machte, schrieb darüber (19. Juni 1885): ‚Schon vor Jahren hat das vaticanische Museum das Stück von dem jetzigen Besitzer zu kaufen gewünscht (…). Sollte nicht diese Schale zur Anschaffung sich eignen? Ich würde wenigstens sehr bedauern, wenn dieselbe in einer französischen oder englischen Privatsammlung vielleicht für immer verschwände.‘ Ich habe darauf stehenden Fußes den Ankauf autorisirt und die Schale ist durch den Besitzer selbst mir ausgehändigt worden.“179 Dass Piper kein politischer Kopf der Revolution war,180 zeigt sich auch an seinen Erwerbungen. Insbesondere aus deren Zeitpunkt können politische Schlussfolgerungen gezogen werden. So setzte Piper in der Revolutionszeit von 1848/49 einen gegenrevolutionären Akzent der Entpolitisierung, als er in enger Abstimmung mit der preußischen Minis­terialbürokratie und der monarchischen Spitze das anonyme Gemälde Harmonie der Sphären erwarb. Im August 1849, kurz nach der Niederschlagung der Revolution, hatte er sich an das Kultusministerium mit der Bitte gewandt, ihm finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit er dieses im privaten Besitz befindliches Gemälde für die Sammlung gewinnen könne.181 „Es ist ein Gemälde aus 179 Piper, 30. Juni 1886, Bericht über die Verwaltung der christlich-archäologischen Sammlung der hiesigen Universität für 1884–1886, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I.HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 265vf. 180 Bredekamp (1978), S. E5f. 181 Piper (1850),

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der Zeit und in der Weise des Fra Angelico da Fiesole, welches das Emporsteigen der Seele aus dem Meer des Weltlebens, aus welchem die Säulen des Glaubens und der Hoffnung hervor­ragen, auf sieben Stufen zu der ewigen Liebe darstellt.“182 Zunächst reagierte das Ministerium abwartend, da ihm der Preis von 600 Gulden zu hoch erschien. Wenn ein Anliegen in der Bürokratie zu versanden drohte, dann war es für Piper typisch, durch Immediatvorstellungen das direkte Gespräch mit dem König zu suchen, meist mit dem gewünschten Erfolg. Friedrich Wilhelm IV. stellte die notwendigen Mittel aus dem allerhöchsten Dispositionsfond bereit.183 Für Berlin kennzeichnend war die Konkurrenz musealer Einrichtungen, die sich für dieses Kunstwerk zuständig fühlten, hier kamen die Gemälde-Galerie des Königlichen Museums oder die Christlich-archäologische Kunstsammlung der Universität in Frage. Am Ende konnte sich Piper durchsetzen und unter der Ordnungsnummer 435 dieses Werk in sein Inventar eintragen.184 Schon die beiden Beispiele von Artefakten, die Piper erwarb, dokumentieren, dass seine Sammlungswelt weit entfernte Zeitalter miteinander verband; theoretisch reichte sie von der Gegenwart bis zur Antike und integrierte dabei unterschiedlichste Ding-Gattungen. Bei einer wissenschaftlichen Schausammlung gehen Erfordernisse von Forschung und Lehre zwangsläufig mit einer Neutralisierung des Kultwerts der zusammengetragenen Objekte einher. Hier ist der objektive Zugriff, der Blick von außen, der Vergleichsmöglichkeiten eröffnet, dominant. Dennoch gab es in Pipers Sammlung weiterhin auratische Objekte, wie der originale Einhornaltar aus einem altmärkischen Kloster oder der als Gipsabguss ausgestellte Junius-BassusSarkophag zeigen. EIN SARKOPHAG AUS GIPS – Dass auch von Reproduktionen eine originale Aura ausgehen kann, zeigt der frühchristliche Junius-Bassus-Sarkophag, den Piper Anfang 1854 auf seiner ersten Italienreise in Gips abgießen ließ. Über die Reise sind wir genau informiert, da Piper von Italien aus dem Kultusministe­rium ausführliche Berichte zukommen ließ, nicht zuletzt, um so zusätzliche Gelder für seine Erwerbungen zu erhalten.185 Dass mit einer Kopie zunächst eine Einschränkung des Kultwerts verquickt sein konnte, offenbart die zögerliche Reaktion der vatikanischen Verwaltung.186 „Dieser Sarcophag steht in den Grotten der Peterskirche, nahe der 182 Piper an Kugler, 27. August 1849, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 52, Bl. 13. 183 Friedrich Wilhelm IV., Charlottenburg, 26. 3. 1853, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kultur­besitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 52, Bl. 147; siehe auch die schematische Abbildung im Evangelischen Kalender (1856). 184 Piper an das Kultusministerium, 12.6.1853, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 52, Bl. 159. 185 Am Ende gelangten Abgüsse von fünf Sarkophagen aus Rom, sowie von zwei Sarkophagen aus Mailand, nebst etlichen Elfenbeinarbeiten nach Berlin, 2. Mai 1854, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 2. 186 Piper, Neapel, 10. März 1854, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit X, Nr. 71, Bl. 192–194.

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Confession, und war bis jetzt nicht abgeformt. Der Formung aber standen Schwierigkeiten entgegen nicht allein in der Heiligkeit des Ortes, sondern auch in der Meinung, … daß die Schätzung des Originals durch eine solche Copie vermindert werde.“187 Nur auf Umwegen erreichte Piper sein Ziel. Nachdem ihm der Präfekt der Fabbrica der Peterskirche „ohne höhere Autorisation“ die Genehmigung verweigerte, sah sich Piper genötigt, Papst Pius IX. direkt anzuschreiben. Zudem musste noch die Commissione di archeologia sacra in Kenntnis gesetzt werden.188 Während KardinalStaatssekretär Giacomo Antonelli (1806–1876) gegen die Abformung altchristlicher Sarkophage, die im Lateranischen Museum aufgestellt waren, nichts einzuwenden hatte, sah er im Aufbewahrungsort des Junius-Bassus-Sarkophags eine kaum zu überwindende Hemmschwelle. „Diese Angelegenheit hat so viel Weiterungen gemacht, da es in Rom das erste Mal ist, dass solche altchristlichen Sarcophage abgeformt werden. Es ist aber namentlich der Sarcophag des Junius Bassus in den vaticanischen Grotten vom J. 359 nach Chr. das wichtigste Denkmal des christlichen Alterthums, das für sich allein die Grundlage eines christlichen Museums bildet. Daher ich seit Jahren wegen Erwerbung eines Abgusses Schritte gethan habe; aber noch im vorigen Sommer antwortete man mir aus Rom, es sei zur Zeit unmöglich die Genehmigung dafür zu erlangen, dieser Sarkophag steht nehmlich unterhalb des Altars der Peterskirche nächst dem Grabe der Apostel.“189 Der Musealisierung bzw. Reproduktion so manchen Artefakts aus der frühchristlichen Zeit waren noch Mitte des 19. Jahrhunderts Grenzen gesetzt, insbesondere wenn sie an herausgehobenen sakralen Orten in die Kontinuität einer noch praktizierten Liturgie eingebettet waren. Am Ende gaben die vatikanischen Behörden Piper grünes Licht. Für sie war dessen Initiative sogar Anlass, auch für eigene Zwecke einen Abguss dieses Sarkophags anzufertigen: „Ein zweiter Abguss, dessen Herstellung für die päpstlichen Museen zur Bedingung gemacht war, hat im lateranischen Museum seine Stelle gefunden – jedoch sind die einzelnen Tafeln nicht zu einem Ganzen zusammengefügt, wie ich es wenigstens 1869/70 gefunden habe.“190 Als Piper König Friedrich Wil­helm IV. am 15. Juli 1854 in Charlottenhof über seine Reiseeindrücke Bericht erstattete, mag dieser Gips-Abguss im Zentrum der Unterredung gestanden haben. Piper ließ keine Gelegenheit aus, prominente Artefakte aus Italien zur Eigenwerbung zu nutzen. Piper hob die neue

187 Piper (1874), S. 42. Der prominente Ausstellungsort ist so zu erklären: Im Jahre 1596 stieß Papst Klemens VIII. (1536–1605), Speerspitze der Gegenreformation, auf der archäologischen Suche des authentischen Petrusgrabes in der Confessio der alten Peterskirche zufällig auf den Junius-Bassus-Sarkopharg, Tönnesmann (2002), S. 152f.; vgl. allg. Gerke (1936). 188 Das noch heute bestehende Institut war 1851 gebildet worden. Ihm wurde die Leitung der Ausgrabungen der Katakomben übertragen; zugleich hatte es die Aufgabe, die frühchristlichen Museen im Vatikan und Lateran zu bestücken. 189 Piper, Neapel, 10. März 1854, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit X, Nr. 71, Bl. 193r. 190 Piper (1874), S. 42.

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167: Einhorn-Altar (1474), Salzwedel, Katharinenkirche

Aufstellung in den neuen Räumlichkeiten hervor, von der sich der König im Februar 1855 persönlich ein Bild machen konnte.191 DER EINHORNALTAR – 1874 gelangte mit dem Einhornaltar, der heute in der Katharinenkirche von Salzwedel aufgestellt ist, ein stattliches Originalwerk aus dem späten Mittelalter, in Pipers Christliche Museum (Abb. 167).192 Jahrzehntelang sollte dieses durch seine Hauptfarben Gold und Blau auffällige Bildwerk aus einer altmärkischen Klos­terkirche Bestandteil dieses Museums bleiben und dort zur Attraktion

191 Immediatvorstellung Pipers an den König, 3. Dezember 1854; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 5. Beim königlichen Besichtigungstermin waren die altchristlichen Gips-Sarkophage noch nicht von Italien nach Berlin gelangt. Als sie auf dem Seeweg über Hamburg endlich den Weg ins Museum fanden, bestand für Piper wieder ein Grund, den König um eine erneute Besichtigung zu bitten; Piper an den Geheimen Kabinettsrat, 2. März 1856, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 9. 192 Knüvener (2008a); Stuhlfauth (1944).

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mittelalterlicher Kunst aufsteigen.193 Im Inventar ist unter der laufenden Nummer 2560 zu lesen: „Großes Altarschnitzwerk mit Goldgrund und bemalt mit 4 Sonnen aus dem anfang des Lebens Jesu, der Jagd des Einhorns bis zur Verkündigung. Typen der jungfräulichen Geburt. Die beiden Flügel mit den Figu­ren der 12 Apostel sind in der Kirche des Amtes Dambeck zur Verfügung des christlichen Museums zurückgeblieben bis dahin, dass hier Raum zur Aufstellung sein wird. Werk auf Vermittlung des Oberpräsidenten v. Jagow von dem Kirchenvorstand überlassen gegen Lieferung eines Druckbildes für den Altar, Christus auf dem Ölberg.“194 Für Piper lag es nahe, dass mit dem Altarschrein aus der Kirche des Klosters Dambeck bei Salzwedel auch Raumansprüche geltend gemacht werden konnten, denn eine adäquate Aufstellung des Objekts war in den bisher genutzten Räumlichkeiten kaum möglich.195 Piper hatte den Schrein aber nicht nur aus repräsentativen Gründen erworben, sondern vor allem als Demonstrationsobjekt für seine Übungen. Auf der Mitteltafel des Altarschnitzwerks von 1474 sind in gedrängter Reliefdarstellung fünfzehn Symbole der jungfräulichen Geburt Marias bzw. der Menschwerdung des Sohnes Gottes zu erkennen. Piper hatte schon in seinem Aufsatz im Evangelischen Kalender von 1859 die Einhornthematik eingehend beleuchtet. Als 1872 bei der Ausstellung älterer kunstgewerblicher Gegenstände im Berliner Zeughaus ein Teppich aus dem Jahre 1560 gezeigt wurde, auf dem die Jagd des Einhorns sowie alttestamentliche Typen der jungfräulichen Geburt Christi zu sehen war, ließ ihn Piper sogleich durchzeichnen. Mit der Überführung des Alterschreins wurde eine zentrale museumsgeschichtliche Frage aufgeworfen: Wo kommt ein Museumsobjekt besser zur Geltung, an seinem ursprünglichen Standort oder im Museum?196 Piper hatte in seiner Denkschrift von 1848 noch betont, dass Originalwerke für eine akademische Sammlung „nur ausnahmsweise“ erworben werden könnten, „da sie zu selten und zu kostbar“ sind. Zu diesen Ausnahmen gehörten in erster Linie Münzen und Lampen aus gebrannter Erde.197 Später sollte er sich stärker den Originalen öffnen. So setzte er sich das Ziel, „dass die verschiedenen Perioden der Kunst durch einzelne Originalwerke charakterisiert seien.“198 Wenig Skrupel legte Piper an den Tag, den Einhornaltar aus seinem ursprünglichen Milieu zu reißen: „Das Werk nimmt nicht mehr die Stelle des Altars ein; der Gegenstand ist der Gemeinde unverständlich und kann der Erbauung 193 Im Archiv für kirchliche Baukunst und Kirchenschmuck erschien im Jahrgang 1876 folgende Notiz: „Hiernach ist das in unseren Gegenden seltene Schnitzwerk eine Zierde des christlichen Museums (…).“ Nach Stuhlfauth (1932), S. 180f.; siehe auch Erwähnung im Katalog bei Einhorn (1976, 1998), S. 487. 194 Inventar, Bd. 1, S. 131, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. 195 Bestimmt hoffte Piper, mit dem Pfund dieses Objekts die Universitätsverwaltung gefügiger zu stimmen, ihm den benachbarten Hörsaal zu überlassen. 196 1874 war in Berlin als zentrale Einrichtung der Dekontextualisierung der Dinge aus dem Umland das Märkische Provinzialmuseum gegründet worden; Michel (2001); Engel (1995). 197 Piper, Denkschrift, 31. Dezember 1848, aus Piper (1874), S. 9f. 198 Piper an den Minister, 30. Januar 1874, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 16v.

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nicht dienen; ist aber in archäologischer Hinsicht von Wichtigkeit, so daß die Versetzung in das christliche Museum diesem einen Gewinn, ohne dass der Kirche zu Dambeck etwas vom gottesdienstlichem Werth entzogen würde.“199 Der lokale Kirchenvorstand sollte die Preisgabe dieses Kunstwerks wenig später bereuen. In den darauf folgenden Jahrzehnten diente das Artefakt als Zankapfel, weil Vertreter von Stadt und Kirche in der Altmark das Kunstwerk wieder an seinen angestammten Ort rückführen wollten, was ihnen aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelingen sollte.200 Als Pipers Nachfolger Nikolaus Müller die zum Schrein gehörenden inneren Flügelpaare mit den Aposteln, die noch in der Klosterkirche zurückgeblieben waren, überführen wollte, traf er auf energischen Widerstand der Kirchengemeinde vor Ort, so dass die Translozierung unterbleiben musste. Zeitgenossen Müllers wie Alois Riegl (1858–1905) und Georg Dehio (1850–1932) hatten sich inzwischen in Erweiterung ihres Originalitätsgedankens mit gewichtigen Argumenten gegen die Dekontextualisierung von Denkmälern zu Wort gemeldet und damit Kunstmuseen und Antiquitätenhandel direkt angegriffen, die Denkmäler aus ihrem historischen Umfeld lösten und damit um einen entscheidenden Teil ihres Wertes brächten.201 „Man gehe nicht bloß in Museen, um schöne Bilder zu sehen“, sondern eben auch zum originalen Schauplatz, so lautete das Fazit des um den Heimatschutz verdienten sächsischen Denkmalpflegers und Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt (1850–1938).202 GLOBALE KONTAKTE – Pipers Sammlung hatte einen Standortvorteil, nicht nur weil sie sich in der Hauptstadt eines aufstrebenden Nationalstaates, in unmittelbarer Nähe von Schloss und expandierenden Museen befand. Sie gehörte zudem einer Universität an, die rasch Weltgeltung erlangte. In diesem Umfeld bot sich eine Internationalisierung der Sammlung geradezu an. Nimmt man Pipers Inventar zur Hand, dann zeigt sich seine global ausgreifende Sammelperspektive, die von Russland bis in die USA reicht. Piper verfügte in Ost und West über vertrauenswürdige Kollegen, die ihm Kunstgegenstände schenkten, bzw. für die er in der Akquise tätig war. Pipers Sammlung in Berlin fungierte als Impulsgeber vergleichbarer Bestrebungen in New York, wo er im Theologen Philipp Schaff (1819–1893) und in Moskau, wo er im Sprach- und Kulturwissenschaftler Fyodor Buslaev (1818–1898) kongeniale Mitstreiter fand. Oft hatten einflussreiche Russen, die sich für die christliche Frühzeit interessierten, wie Buslaev, aber auch Graf Aleksej Uvarov (1825–1884), im Rahmen ihrer Forschungsreisen Pipers Sammlung einen Besuch abgestattet. „Er [Buslaev] sprach die Absicht aus, nach seiner Rückkehr dahin zu wirken, dass an der Universität zu Moskau, nach dem Muster der unsrigen, ein christliches Museum errichtet werde: an

199 Ebd. 200 In den Akten des Geheimes Staatsarchivs haben sich diesbezüglich noch zahlreiche Schriftwechsel überliefert. 201 Dehio/Riegl (1900, 1988); Joachimides (2001), bes. S. 92f. 202 Gurlitt (1921), S. 149

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168: Ikone Johannes des ­Täufers, Düsseldorf, Privatbesitz

Mitteln dazu, sagte er, fehle es nicht.“203 Seit Mitte der sechziger Jahre bedachte Buslaev das Christliche Museum in Berlin im jährlichen Rhythmus mit großzügigen Schenkungen aus der Welt der russischen Orthodoxie (Abb. 168). „Geschenke von Prof. Buslajeff in Moskau eine ganze Sammlung russischer religiöser und kirchlicher Bilder: nemlich ein Gemälde auf Holz, darstellend Johannes den Täufer …, eine Anzahl kleiner Metalltafeln nebst Diptychen und Triptychen mit biblischen Vorstellungen und Heili­gen-Figuren; ein Heft colorierter Lithographien, 30 Blät­ter, aus dem Kloster des h. Sergius, und andere Lithographien und Photographien: alles sehr geeignet in die Geschichte des Cultus und der Gebräuche der russischen Kirche einzuführen.“204 Die Verbindung in die USA stellte Philipp Schaff her, der ebenso wie Piper in Berlin beim Erweckungstheologen August Neander studiert hatte und nun als Professor am Union Theological Seminary in New York wirkte. Er wollte dort ebenfalls nach dem Vorbild in Berlin ein christliches Museum einrichten.205 Am 22. Februar 203 Piper, 28. Januar 1864, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2 Tit X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 138. 204 Piper an den Minister, 30. Januar 1866, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va Sekt.2 Tit X., Nr. 74, Bd. 1, Bl. 165. 205 Von einer Reise in den Orient kommend, besuchte Schaff Pipers Museum, „in welchem ich christliche Epigraphik vortrug. Er verkündete seine Absicht, beim theologischen Seminar in New York ein biblisches, sodann ein christliches Museum zu errichten.“ Piper, Bericht über die Verwaltung des Christlichen Museums 1876–1878, 5. Mai 1878, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 97v.

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1878 konnte dort bereits ein biblisches Museum eingeweiht werden.206 Die New Yorker Museumspläne wurden auch vom Professor für Altes Testament, Charles Augustus Briggs (1841–1913), forciert, der in den Jahren 1867/68 an von Piper gelei­teten archäologischen und patris­tischen Übungen teilgenommen hatte.207 Schaff gelang es, seinen ehemaligen Kommilitonen Piper zu beauftragen, für die Summe von 500 Dollar Gipsabgüsse von signifikanten Kunstwerken herstellen zu lassen, so dass innerhalb eines dreiviertel Jahres 86 reproduzierte Kunstwerke ihren Weg nach New York finden konnten.208 Ein schwungvoller Anfang der überseeischen Musealisierung christlicher Kunst war gesetzt.209 Als gewiefter Taktiker zitierte Piper gegenüber dem Ministerium den amerikanischen Kirchenhistoriker Briggs, der voller Optimismus die Auffassung vertrat, dass die Sammlung in New York schon bald die Berliner Sammlung überflügeln werde: Indeed unless the governement of Prussia is more liberal to your museum in the future, I think that we promise you that the daughter will soon outreach the mother, for we have hope of receiving many more literal gifts both in money and in objects.210 Auch Wissenschaftler aus Griechenland oder Dänemark beabsichtigten, in ihrer Heimat ähnliche Sammlungen ins Leben zu rufen und machten sich von Pipers Sammlung ein unmittelbares Bild;211 ebenso einheimische Kollegen. So besichtigte Anfang 1876 im Auftrag der Marburger Universität Ludwig von Sybel (1846–1929) die Museumsräume, nachdem Heinrich Heppe (1820–1879) als Mitglied der Theologischen Fakultät den Antrag zum Aufbau einer derartigen Sammlung gestellt hatte.212 Pipers Nachfolger Nikolaus Müller hielt in Rom im Jahre 1894 auf dem ersten internationalen Kongress für Christliche Archäologie einen Vortrag über die Ber­ 206 Ansprache dazu von Schaff in der New York Weekly Tribune vom 27.2.1878. 207 Von 1891 bis 1904 war Briggs Professor für Theological Encyclopaedia and Symbolics. Von 1880 bis 1890 schrieb er für die Zeitschrift Presbyterian Review. Aufgrund von Aussagen in seiner Antrittsvorlesung wurde er 1892 vom New Yorker Presbyterium der Häresie bezichtigt und vom Pfarramt suspendiert. 208 Piper, Bericht über die Verwaltung des Christlichen Museums 1878–1880, 8. Mai 1880, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74/ Bd. 2, Bl. 144vf. 209 Die Mail von Ruth Tonkin Cameron, Archivarin der Burke Library/Union Theological Seminary vom 10. ������������������������������������������������������������������������� September 2007 weist darauf hin, dass die Beschäftigung mit der dortigen Museumsentwicklung Neuland erschließen würde. 210 Piper, Bericht betr. eine Erhöhung der Dotation, 16. Juni 1878, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 118v. 211 Sowohl die griechische Regierung in Athen als auch die Theologische Fakultät von Kopenhagen schickte Experten zur Besichtigung von Pipers Sammlung nach Berlin; Piper, 30. Juni 1886, Bericht über die Verwaltung der christlich-archäologischen Sammlung 1884–1886; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 265ff. 212 Der Sohn des berühmten Historikers, war Klassischer Archäologe und 1874 in Marburg Direktor des archäologischen Apparats und der Sammlung der Gipsabgüsse geworden. Seine zweibändige Christliche ­Antike von 1906/1909 sollte die altchristliche Kunst vollständig in das Arbeitsgebiet der Klassischen Archäologie integrieren; Kany (1989), S. 141ff.

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liner Sammlung, dem sich der Wunsch vieler Zuhörer anschloss, alle theologischen Fakultäten und Seminare mögen derartige Institute gründen.213

Bildmedien als „System von Copien“ Nicht zuletzt durch ihre Verbreitung in Bildbänden sind Kunstwerke in der Erinnerung der Gebildeten präsent, weniger in Originalen. Die Bildungsreise offenbart Konsenserlebnisse des déja vu, wenn der Tourist sich bewusst macht, dass das Original tatsächlich so aussieht, wie man es sich zuvor auf Abbildungen eingeprägt hat. Dem Verlust der Aura des Originals in Reproduktionen (Walter Benjamin), steht also eine bis an Kult heran­reichende Wertschätzung von Artefakten gegenüber, die sich aus Reproduktionen nährt.214 Auf der anderen Seite steigert die inflationäre Verbreitung technisch reproduzierter Kunstwerke die Sehnsucht nach der Konfrontation mit dem Original.215 Technisch reproduzierte Abbildungen weisen ihre eigene, von bestimmten Interessen geleitete Geschichte auf. Auch sie können zunächst durch die Schönheit des Dargestellten erfreuen; dann retten sie, was sonst spurlos vergehen würde. Neben ihrer ästhetischen und konservatorischen Funktion übernehmen sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt die Aufgabe, Formen wissenschaftlich zu dokumentieren. An den von Piper gesetzten medialen Akzenten wird deutlich, dass das Fach Christliche Archäologie an der Berliner Universität von säkularen Tendenzen der Visualisierung, von Fortschritten in der druckgrafischen und fotografischen Technik stark beeinflusst war.216 In Denkschriften hatte Piper stets betont, dass seine Sammlung Kunstdenkmäler „als System von Copien“217 umfasse. Derartige Gepflogenheiten hatte Ludwig Feuerbach (1804–1872) im Auge, als er monierte, dass überall das Bild dem Ding, die Kopie dem Original, die Darstellung dem Sein vorgezogen werden würde.218

Das Bild als Ding Lessings Laokoon (1766) hatte die Bildhauerei der Raumkunst zugeordnet;219 auch der Abguss sowie das Modell sind von diesen Strukturmerkmalen geprägt. Ausgezeichnet durch ihre Dreidimensionalität, können sie nicht sein, ohne in den Raum auszugreifen. Als Medium der Traditionsvermittlung und Ausbildung war es mit ihnen möglich, die Ortsgebundenheit der Kunstrezeption aufzuheben.220 Ihre Mobi­lität gab 213 Müller (1910) S. 24. 214 Ullrich (2009). 215 Groys (2002). 216 Hanebutt-Benz/Wiedau (2005). 217 Piper an Kaiser Wilhelm I., 15. April 1885, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA, Rep. 89/21529, Bl. 39. 218 Feuerbach (1843), S. XVI. 219 Boehm (2005), S. 31. 220 Schwartz (1996); Didi-Huberman (1999).

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Gelegenheit, sie nach unterschiedlichen Kriterien immer wieder neu zu gruppieren.221 DAS MODELL – Ein Modell zeichnet sich durch Abstraktion aus, durch die bewusste Vernachlässigung bestimmter Merkmale. Es kann als eine verkürzende Abbildung angesehen werden, da es nicht alle Attribute des Originals erfasst, sondern nur diejenigen, die dem Modellkonstrukteur relevant erscheinen. In seiner Denkschrift von 1848 hob Piper hervor, wie nützlich es wäre, eine Modellsammlung von sakralen Bauwerken zu besitzen, „welche die Hauptepochen der kirchlichen Architectur von den Basilikenstil an bis zur Vollendung des germanischen Stils repräsentiren“222 könnte. Auch in seinem Brief von 1844 verwies Piper mit Hinweis auf entsprechende Objekte im Königlichen Museum auf die Erkenntnis fördernde Wirkung von Modellen: „Es giebt kein besseres Hülfsmittel, um in das Verständniß der kirchlichen Architectur nach ihrer geschichtlichen Entwicklung einzuführen, als solche Modelle: Zeichnungen können das bei weitem nicht leisten.“223 Piper hatte die vom Bamberger Architekten und Kunsthistoriker Georg Gottfried Kallenbach (1805–1865) zusammengestellte Sammlung von Kirchenmodellen im Auge.224 Wegen finanzieller Engpässe musste Piper aber zunächst vom Erwerb einer kostspieligen Modellsammlung Abstand nehmen und begnügte sich mit Stichen. Erst 1870 wagte es Piper, ein Modell zu erwerben. Für 600 Franken ließ er sich aus Kork von einem Tischler in Italien ein Modell der Katakombenkirche Sant’Agnese fuori le mura anfertigen.225 Im Inventar heißt es dazu unter der laufenden Nummer 1993: „Modell aus Kork von einem Teil des Coemeteriums (Begräbnisstätte) von S. Agnese, worin eine unterirdische Basilika in 1/20 der natürlichen Größe. Mit 4 Lämp­chen von Metall und eine Anzahl kleiner Marmortafeln mit altchristlichen Grabinschriften. Die Kiste dazu ein dreifüßiges Gestell von Eichenholz, worin dasselbe mittelst eines Zapfens gedreht werden kann, nach Zeichnung von Tischler ­Settele.“226 Der Begeisterung des 18. Jahrhunderts für Unterirdisches, die sich in Piranesis Stichen unübertrefflichen Ausdruck verschaffen konnte, standen im 19. Jahrhundert nur wenige Veröffentlichungen gegenüber, die diese dunklen Welten hätten adäquat veranschau­lichen können. Um so attraktiver musste Piper das Medium 221 Bauer (2002a), S. 118. 222 Piper, Denkschrift, 31. Dezember 1848, aus Piper (1874), S. 10. 223 Piper, 30. Mai 1844, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 52, Bl. 1v. Schon im Halleschen Pietismus orientierte sich der Religionsunterricht am Modell. Dort waren biblische Bauten und Landschaften detailliert nachgebildet; Müller-Bahlke (1998), S. 76. 224 Piper, 30. Mai 1844, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 52, Bl. 2. 225 S. Agnese, eine Kirche im Nordosten von Rom, gehört zu einem Komplex, der eine Katakombe, die Ruinen einer frühchristlichen Basilika und Santa Costanza, das frühere Mausoleum von Constantina, der Tochter Konstantins des Großen, umfasst. 226 Inventar, Bd.1, 1993/22. Feb. 1870, S. 100, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin; vgl. dazu auch Kockel (1993).

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eines Modells erscheinen: „Ein solches Modell ist vorzüglich instructiv für die Kenntniß der urchristlichen Kirchen und Gräber. Ein größeres ist in der Pariser Ausstellung 1867 zu sehen gewesen, zwei etwas klei­nere sind nach Moskau und London gekommen. Derselbe Tischler, der jene angefertigt, hatte mit einer Art Passion für diesen Gegenstand (sein Oheim ist der bekannte römische Archäolog Settele gewesen) dieses in Arbeit, konnte es in einigen Tagen fertig stellen und wollte es zum Preise von 600 Franken lassen.“227 Hinzu kommt, dass dieses Modell mit einer inneren Beleuchtung sowie mit einer Drehvorrichtung kombiniert war. Zudem war die Materialeigenschaft des Korks besonders geeignet, auch verwitterte Oberflächenstrukturen plastisch wiederzugeben. Im Jahre 1886 plädierte Piper dafür, für nicht weniger als 20.000 Mark ein Jerusalemer Tempelmodell zu erwerben.228 Da diese Installation viel Platz einnehmen würde, verquickte Piper dieses Ansinnen sogleich mit neuen Raumforderungen. Während in der Gemäldegalerie auf der Museumsinsel das berühmte Altarwerk der Brüder van Eyck als ein Arrangement, bestehend aus Kopien und Originalen, zu sehen war,229 war auch in Pipers Sammlung seit 1878 dieses Kunstwerk als Modell – eingerahmt und unter Glas – ausgestellt: „Copie von 20 chromolithographischen Blättern des Altarwerks der Brüder van Eycks in Berlin und Gent, unter Glas und Rahmen, so dass die Flügel geöffnet und geschlossen werden können.“230 Das Modell bestand aus zwanzig Chromolithographien, die von der Arundel-­Society for Promoting the Knowledge of Art herausgegeben worden waren. Diese kunstfördernde Gesellschaft aus England war europaweit Marktführer, wenn es darum ging, als vorbildlich erachtete Kunstwerke durch graphische Reproduktion zu popu­larisieren (Abb. 169).231 DER ABGUSS – Der Abguss bietet den unschätzbaren Vorzug, das Original in ­seinen wirklichen Dimensionen, seiner ihm eigenen Räumlichkeit zu reproduzieren. Maßstabgetreue, technisch hochwertige Abgüsse machen es möglich, das Volumen 227 Schreiben von Piper an den Minister, 13. Mai 1870, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 211f. 228 Es befand sich im Besitz des Württembergischen Geh. Baurath Schick, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 273. Zum Tempel als Paradigma eines theologischen Raumkonzepts: Turner (1979), S. 47ff.; Jooß (2009), S. 390. 229 Sechs originale Flügel waren 1821 mit der Sammlung Solly erworben worden, Waagen hatte diese Originale mit dem als Kopie vorhandenen Mittelbild arrangiert; Brüning (2006), S. 109. 230 Inventar, Bd. 1, 2953/14. Januar 1878, S. 158, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin; Piper, Verwaltungsbericht, 9. Mai 1880, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 72, Bd. 2, Bl. 145v. 231 Die Arundel Society war eine von 1849 bis 1895 in London existierende Gesellschaft, die sich den bekannten englischen Kunstsammler Thomas Howard Count of Arundel and Surrey (1586–1646) zum Vorbild auserkor. Mitglieder der Gruppe verfassten wegweisende Abhandlungen über alte Meis­ter und dokumentierten diese mit Fotos.

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169: van Eyck-Altar, Chromolithographien, aus einem von der Arundel-Society herausgegebenen Tafelwerk (1870er Jahre)

einer Skulptur, die Art ihrer Ausdehnung im Raum und ihre plastische Oberflächenmodellierung objektiv zu erfassen. Zudem gewährleistet die benachbarte Aufstellung von Abgüssen, deren Originale an weit voneinander entfernten Orten aufbewahrt werden oder sich an schwer erreichbaren Stellen befinden, eine vergleichende Betrachtung. Bevor Gipse im 20. Jahrhundert zum Inbegriff des Hohlen, Unechten und Epigonalen herabgestuft werden sollten, galten sie als Medien besonders reiner Kunstbetrachtung. Es war gängige Ansicht, dass der weiße strukturlose Gipsabguss als ein Abbild der reinen Form frei von allen ­Zufälligkeiten an der Oberfläche sei und somit eine dem Idealismus konforme Geschmacksrichtung verkörpere. So gesehen

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konnte ein Gipsabguss aussagekräftiger sein als ein fragmentarisches Originalwerk mit allen seinen zufälligen Materialfehlern und Erhaltungsspuren.232 Frühzeitig entstanden an Universitäten Abgusssammlungen antiker Kunst. In möglichst lückenloser Dokumentation schuf man ein musée imaginaire. 233 Die intensive Verwendung des Gipsabgusses durch Kunstgeschichte und Klassische Archäologie hat verdeckt, dass sich im 19. Jahrhundert auch die wissenschaftliche Lehre der Kirchengeschichte die medialen Eigenschaften des Gipsabgusses zunutze machte. Im Brief von Piper aus dem Jahr 1878 an den in Italien weilenden Wilhelm Bode, der damals als junger Direktorialassistent Abformungen von Bildwerken der Renaissance in Auftrag gab, wird ein Dialog über Medien der Reproduktion von Kunst greifbar, in dessen Mittelpunkt der Abguss steht. „Den gewaltigen Taufstein aus Siena habe ich im Abguß nahe zu fertig in der Gipserei gesehen; er bietet hinsichtlich seines Zwecks und Gebrauchs einiges Räthsel, für dessen Lösung man auf ihre Rückkehr wartet. Mit besonderem Vergnügen, weil sie älter ist, sehe ich der Vollendung und Aufstellung des Abgusses von der Kanzel in Siena entgegen. Von dieser, so meine ich, sollte auch nach New York ein Abguß kommen.“234 Lange Zeit standen bei Piper Gipsabgüsse im Zentrum medialer Vermittlung. Zunächst ließ er kleine Formate herstellen, so von Kapitellen, Weihrauchfässchen oder Elfenbeinreliefs.235 Als Piper im Jahre 1850 die Pforten seiner Sammlung öffnete, verfügte er bereits über zwei großformatige Gipsabgüsse, von der Kreuzigungsgruppe auf den ostwestfälischen Externsteinen sowie von Lorenzo Ghibertis (1378–1455) Baptis­teriumstür in Florenz.236 Mit zusätzlichen Gipsabgüssen wollte Piper – zumindest in groben Zügen – ein dreidimensionales Kompendium abendländischer Religionsgeschichte in Szene setzen. Gipsabgüsse von altchristlichen Sarkophagen aus Rom oder Mailand in der Christlich-archäologischen Kunstsammlung stiegen – obwohl vervielfältigt – zu besonders prominenten Objekten auf. Ein Abguss beruht wie jede Form eines Abdrucks auf Berührung des Originals, d. h. in jedem Abguss ­offenbaren sich Spuren, die durch einen direkten Kontakt mit dem authentischen Objekt hervorgerufen werden.237 Gipsabgüsse gehen in ihrer Funktion als Kopie nicht auf, unter bestimmten Umständen kann von ihnen als Platzhalter des schwer zugänglichen Kunstwerks sogar die Aura des Originals transportiert werden.238 Abgüsse benötigen in ihrer Dinghaftigkeit Platz, ein Gesichtspunkt, den Sammler in ihren Überlegungen stets zu berücksichtigen hatten. Durch die in Originalgröße abgegossenen und in Serie aufgestellten Exponate stieß der Sammler rasch an 232 Cain (1995), S. 201f.; Borbein (2000), S. 31. 233 Stemmer (1993); Maaz (1993); Kammel (1992); Platz-Horster (1979). 234 Piper an Bode, Berlin 4. Nov. 1878, Archiv der Staatlichen Museen Berlin, NL Bode 4176. 235 Siehe dazu schon Piper in seiner Denkschrift von Ende 1848, aus Piper (1874), S. 9f. 236 Piper, Denkschrift, 31. Dezember 1848, aus Piper (1874), S. 9f. 237 Didi-Huberman (1997, 1999), S. 190ff. 238 Die pauschalisierende Rede vom entzauberten „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ hat verdrängt, dass auch der Kopie Qualitäten des Originals eigen sein können; Ullrich (2009); siehe auch den Sammelband: Bredekamp/Schreiter/ Becker (2010).

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räumliche Grenzen. So war Piper seit 1855, nachdem er kurz zuvor einige Gipssar­ kophage hatte aufstellen können, gezwungen, auf den weiteren Erwerb von Gips­ abgüssen zu verzichten, da er nicht über genügend Ausstellungsfläche verfügte.239 Erst mit der Über­weisung neuer Räume im Jahre 1869 begann er wieder mit Erwerbungen von größeren Abgüssen. Der Abguss und die Aufstellung des religionsgeschichtlich bedeutenden Prometheus-Sarkophags aus dem Kapitolinischen Museum in Rom setzte für die vorchristliche Abteilung einen besonderen Akzent. Aber auch Impulse von außen reaktivierten das Medium des Gipsabgusses. So erwarb Piper nicht nur für sein Museum Abgüsse, er betätigte sich auch im Auftrag von Schaff im Jahre 1878 in der Akquise für das Union Theological Seminary in New York. In einzelnen Fällen ließ er nicht nur einen Abguss für die überseeische Einrichtung anfertigen, sondern auch für sein eigenes Museum, wodurch sich der Anschaffungspreis spürbar reduzierte. So erhielt von der Grabplatte des Hildesheimer Bischofs Bernward aus der dortigen Michaelskirche sowohl die Sammlung in Berlin als auch die in New York ein Exemplar. Die dem Gipsabguss inhärente Vervielfältigungsdimension und Mobilität könnte also dafür gesorgt haben, dass trotz der so gut wie vollständigen Vernichtung der Sammlung Pipers kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, von ihm in Auftrag gegebene Gipsrepliken die Zeitläufte unbeschadet überstanden haben. Auch im Lateran bzw. in den Vatikanischen Museen müssen sich noch Gipsabgüsse der Relief­platten des Junius-Bassus-Sarkophags befinden, die ohne Pipers Bemühungen nicht entstanden wären. Gipsabgüsse erwarb Piper in einer Zeit, als in Gips reproduzierte Bildwerke als weit ergiebiger angesehen wurden als Originale, die erst mühevoll erworben werden mussten und in ihren herausragenden Werken kaum zu kaufen waren. Die große Nähe des Gipsabgusses zur reinen Form, die Möglichkeit, mit Gipsabgüssen die Geschichte der Kunst als autonome, formimmanent zu begreifende Entwicklung darzustellen, veranlasste bereits den Architekten Friedrich August Stüler (1800–1865) bei den Planungen zum Neuen Museum den Abgüssen das zentrale Stockwerk zuzuweisen.240 1856 konnte die Sammlung von Abgüssen antiker, mittelalterlicher und neuzeitlicher Skulpturen im prunkvoll gestalteten Hauptgeschoss eröffnet werden; Gipsabgüsse waren zum Mittelpunkt einer Museumskonzeption geworden (Abb. 170). Der Führer durch das Museum von 1864 beschreibt 1045 Objekte allein aus dem griechisch-römischen Kulturkreis. Damals entstehende kulturgeschichtliche Museen, wie das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg oder das Bayerische Nationalmuseum in München, bestanden zu einem nicht geringen Anteil aus Abgüssen: „beide enthalten aus dem Mittelalter jedoch nicht bloss Originale, auch Nachbildungen sind aufgenommen. Die letztern, in plastischer Ausführung, gewähren die zweite Art, direct zu den Quellen zu gelangen: die um so wichtiger ist, da sie überall in beliebiger Auswahl zu haben sind und einem vergleichenden Studium zu Grunde gelegt werden können, während Originale stets nur in beschränktem 239 Piper (1874), S. 41. 240 Platz-Horster (1979), S. 273; Borbein (2000), S. 34; Berchtold (1987); Waetzoldt/Schmidt (1979).

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170: Neues Museum, Niobiden-Saal, Fotografie (1877)

Umfang beisammen sein werden.“241 Englische Museums­direktoren hatten auf der Weltausstellung in Paris 1867 angeregt, in den verschiedenen Ländern Ausschüsse für den Austausch von nachgebildeten Kunstwerken zu gründen. Richard Schöne, seit 1872 Kunstreferent im Kultusministerium, legte im Jahr 1873 Minister Adalbert Falk (1827–1900) eine Denkschrift über den Austausch von Abgüssen zwischen deutschen und österreichischen Museen vor. Schöne hatte in Rudolf von Eitelberger (1817–1885) einen interessierten Partner gefunden.242 Nach Auffassung des Direktors des Museums für Kunst und Indus­trie in Wien war die Berliner Kollektion von Gipsrepliken im Neuen Museum damals konkurrenzlos in der Museumswelt.243 Die Mode der gypsomania kulminierte in Paris. Dort stellte der Architekt und staatliche Denkmalverwalter Eugène Emmanuel ­Viollet-le-Duc (1814–1879) eine Sammlung von Abgüssen mittelalterlicher Plastiken zusammen, deren öffentliche Präsentation im Jahr 1882 er allerdings nicht mehr erleben sollte: Aus der Weltausstellung in Paris im Jahre 1878, die auch Piper besuchte, ging das Musée de Sculpture Comparée am Trocadéro hervor. 241 Piper (1867), S. 792. 242 Ferner regte Schöne an, bei der italienischen Regierung eine Aufhebung des Verbots von Abformungen zu erwirken, die bereits am 7. Dezember 1873 erfolgte. Für das Jahr 1875 bewilligte der Finanzminister 120.000 Mark für Abformarbeiten in Italien, mit denen Wilhelm Bode – seit 1872 Assistent an der Skulpturensammlung – beauftragt wurde; PlatzHorster (1979), S. 283. 243 Eitelberger (1882), S. 24, S. 31; Pallat (1959), S. 202.

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171: Brüder Alinari, Die Kanzel von Barga, Fotografie (ca. 1880)

Obwohl Piper mit seiner Vorliebe für den Gipsabguss dem damals dominanten Geschmack entsprach, kündigte er im Brief an Bode aus dem Jahr 1878 am Beispiel der Kanzel in Barga einen Medienwechsel von Platz raubenden, eher teuren plas­ tischen Reproduktionen zu Raum sparenden preiswerten Fotografien an (Abb. 171): „Die Kanzel in Barga, deren Photographie mit Dank hiebei zurückgeht, ist sehr interessant; leider kann ich weder für das hiesige Christliche Museum noch für das in New York auf einen Abguß subscribieren. Für das letztere war zur Gründung eine Summe mir zur Verfügung gestellt, demnach habe ich einen Plan entworfen, daß die verschiedenen Epochen vom christlichen Alterthum bis zum 16. Jahrhundert vertreten sind, und ausgeführt, so dass dieser Fonds erschöpft ist, und die letzten Abgüsse baldigst abgehen werden. (…) Dazu kommt, dass die Erweiterung des Raums, die eben vor sich gehen sollte, noch auf sich warten läßt, so daß es deren schwer gebricht. Doch wünsche ich sehr, dass Sie es ermöglichen einen Abguß jener Kanzel dem Königl. Museum anzueignen. Insbesondere auch, dass Sie eine photographische

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Aufnahme in hinlänglicher Größe veranlassen, zu einer solchen nehme ich gerne, zu dem üblichen Preise für das christliche Museum zwei Exemplare, zumal auch Inschriften an der Kanzel sich zu befinden scheinen.“244 Verschiedene Faktoren führten allmählich zu einer veränderten, den Gipsabgüssen aversiven Wahrnehmung. Die fotografische Wiedergabe ermög­lichte eine zügige Verbreitung der Ansicht eines originalen antiken Objekts. Sie rückte das Original derart in den Vordergrund, dass die Frage aufgeworfen ist, ob nicht der Kult um das Original eine Folge der akribischen Treue der Fotografie zum Kunstwerk darstellt. In einer Zeit, als die Fotografie als Massenmedium exak­ter als je zuvor reproduzieren konnte, gewann auch der Topos, ein Original sei nicht wirklich reproduzierbar, Überzeugungskraft.245 Hinzu trat eine Kunstauffassung, die sich unter Einwirkung aktueller Kunstströmungen stärker für die Oberfläche und deren Wirkung als für die philosophische Form interessierte. Ende des 19. Jahrhunderts sollte es im Sinne der Materialgerechtigkeit um eine perfekte Imitation aller natürlichen, insbesondere auch der farbigen Eigenheiten, die die Oberflächen der Originalwerke auszeichneten, gehen und weniger um das bloße Abbild der reinen Form als Idee des wahrhaft Schönen und Edlen.246 Zudem machten mittlerweile Ablagerungen von Staubpartikeln ältere Abgüsse unansehnlich.247 Auch Gipse waren der Zeit unterworfen. Nach einem mitunter langwierigen Erwerbungsprozess und der Aufstellung folgte das jahrzehntelange Stadium der Staubanziehung. Daher sollte Piper bei kleinformatigen Abgüssen, wie von Elfenbeintafeln, im Laufe der Zeit dazu tendieren, Abgüsse aus Metall statt aus Gips abzuformen. „Bemer­kenswerth ist ein wohlciselirter Abguss in Compositmetall von dem elfenbeinernen Weihwassergefäß im Dom zu Mailand, die in einer hiesigen Bronzehandlung angekauft ist; einen Gyps-Abguss besitzt das Museum seit 1854, den ich persönlich bestellt hatte, er war aber auf dem Transport beschädigt.“248 Auch der mit einer Inschrift versehene Ring des kolossalen siebenarmigen Leuchters des Münsters in Essen gelangte als galvanoplastische Nachbildung 1875 in ­Pipers Museum. Piper war bewusst, dass „der Gypsabguß seine Mängel hat. Aber ein ­einwandfreies Surrogat ist auch durch die Preisaufgabe der preußischen Regierung nicht erlangt worden.“249 Piper machte das Ministerium darauf aufmerksam, dass Metallabgüsse, „wenn auch bedeutend theurer, unverwüst­

244 Piper an Bode, Berlin 4. Nov. 1878, Archiv der Staatlichen Museen Berlin, NL Bode 4176; zum Verhältnis Bodes gegenüber Fotografien: Peters (2002). 245 So die These bei Ullrich (2009), S. 44ff. 246 Cain (1995), S. 209; Bandmann (1971). 247 Bauer (2002a), S. 127. 248 Piper über die Verwaltung des hiesigen christlichen Museums für 1878–1880, 8. Mai 1880, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74/ Bd. 2, Bl. 146v. 249 Piper (1885), S. 5; siehe dazu die Abhandlung Über die Behandlung von Gipsabgüssen behufs deren Erhaltung, die 1877 als Geschenk von Piper in die Sammlung gelangte; Inventar, Bd. 1, 2948/31. Oktober 1877, S. 155, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin.

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lich sind und mit der Zeit gewinnen, während der Gyps-Abguß zerbrechlich ist und mit der Zeit durch Verstaubung unansehnlich wird.“250

Das Ding als Bild Als Illustration großformatiger Bildbände führten die durch Reproduktionen ihrer Singularität beraubten Kunstwerke ein zweites mobiles, auf zwei Dimensionen zurückgestuftes Dasein. Der mit dem technischen Fortschritt einhergehende Medienwechsel ist insbesondere an zweidimensionalen Bildmedien ablesbar.251 Sie gewährleisteten eine geld- und raumsparende Variante, Kunstwerke zu sammeln und simultan zu vergleichen.252 Mit der Erfindung der Fotografie wurde das Vertrauen in den dokumentarischen Wert der zweidimensiona­len Reproduktionen immens gesteigert.253 Durch Vergrößerungen, durch die erhellende Kraft des Details, stieg die Fotografie zu einem Instrument der Wahrnehmungserweiterung auf. Der authentischen, aber oft undeutlichen Fotografie war die Grafik noch längere Zeit voraus, da sie in voller Schärfe das hervorheben konnte, worauf es ankam, bzw. weglassen konnte, was den Blick auf das Kunstdenkmal beeinträchtigte. Auch bei den in Pipers Sammlung zahlreich vorhandenen Abklatschen, die das Ikonische, das Dinghafte der Schrift speichern, gewährt das bis heute gängige Verfahren noch Erkennbarkeit, selbst wenn die Vorlage verwittert und die Fotografie schon an ihre Grenzen stößt. DER STICH UND DIE LITHOGRAPHIE – In den Anfängen von Pipers Sammeltätigkeit standen neben Gipsabgüssen Stiche im Zentrum seiner Sammelbemühungen. Abbildungen von weltbekannten Fresken italienischer Künstler der Frührenaissance kursierten als Reproduktion der Arundel Society.254 Auch Stichfolgen aus dem 1850 von Ludwig Gruner (1801–1882) vorgelegten Prachtwerk Specimens of Ornamental Art Selected from the Best Models of the Classical Epochs verleibte Piper seiner Sammlung rasch ein.255 Es fällt auf, dass Piper seine eigenen Hauptwerke nicht illustrierte, sondern sich mit textueller Vermittlung begnügte.256 Das museale Bilderlebnis 250 Piper über die Verwaltung des hiesigen christlichen Museums für 1878–1880, 8. Mai 1880, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74/ Bd. 2, Bl. 146v. 251 Zur drucktechnischen Revolution im 19. Jahrhundert von der Lithographie über den Holzund Stahlstich bis zur Fotografie: Hanebutt-Benz/Wiedau (2005). 252 Reichle (2007), S. 172–174. 253 Zur Fotografiegeschichte allg. Geimer (2002); Frizot (1994); Kaufhold (1986). 254 Siehe Artikel über den Zuwachs der Sammlung von 1857 bis 1864, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 152. 255 Inventar Bd. 1, 267–277, 21. Dec. 1850, S. 7; 370–372, 21. Juli 1852, S. 12, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. 256 Auch viele Standardwerke der Kunstgeschichte der Mitte des 19. Jahrhunderts, wie jene von Franz Kugler oder Karl Schnaase (1798–1875) erschienen zunächst ohne Bilder; Reichle (2007), S. 179–183; zur defensiven Position von Abbildungen in kunsthistorischen Werken des 19. Jahrhunderts: Krause (2005).

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eröffnete sich erst demjenigen, der seine Sammlung besichtigte. Dennoch spielten illustrierte Bücher in Pipers Sammlungswelt eine herausragende Rolle.257 Die eingegangenen Bücher versah Piper in seiner akkuraten Handschrift nicht nur mit Inventarnummer und Universitätsstempel, darüber hinaus vermerkte er auch deren Bildgehalt. So verfügte der zweite Band von de Rossis Roma Sotterranea aus dem Jahre 1867 über „67 Bildtafeln“, von denen Piper zwei „unter Glas und Rahmen“ in seinem Museum aufhängte.258 Viele derartiger Tafeln aus bekannten Werken wurden schon wenige Jahre nach der Publikation im Kunsthandel separat angeboten.259 Gerade bei kostspieligen Bildbänden war es für Piper nicht immer einfach, die Ministerialbürokratie von der Notwendigkeit der Erwerbung zu überzeugen. 1874, aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Sammlung, bat Piper das Ministerium um folgende Jubiläumsgeschenke: Das vierbändige Kompendium der graphischen Künste Histoire des Arts industriels von Charles Jules Labarte (1797–1880) sowie die Monographie de la cathédrale de Bourges von Charles Cahier (1807–1882) und Artur Martin (1801– 1856) in zwei Folio-Bänden, die „vorzügliche chromolithographische Abbildungen der Glasmalereien“ enthält.260 Die Königliche Bibliothek besitze zwar ein Exemplar, aber nicht die beigefügten instruktiven Bildtafeln. „Sie geben“ – so Adalbert Falk – „zu der in den gewöhnlichen Exemplaren befindlichen Abbildungen der Glasmalereien in der Kathedrale zu Bourges parallele und erläuternde Gemälde aus anderen Orten und Kirchen wieder und dienen nach Pipers Angaben zum tieferen Studium der in den Glasgemälden sich findenden Stoffe und der von den alten Glasmalern gepfleg­ten Vorstellungskreise.“261 Das Finanzministerium lehnte Pipers Ansinnen mit dem Argument ab, dass die Königliche Bibliothek dafür zuständig sei.262 Bereits in seiner Denkschrift von 1848 hatte Piper auf die Erwerbungskonkurrenz zwischen seiner aufzubauenden Sammlung und der Königlichen Bibliothek aufmerksam gemacht: „In solchen Fällen wird die Königl. Bibliothek einer Ergänzung durch Specialsammlungen bedürfen, wie dergleichen z. B. für die Sternwarte und andere Institute bestehen.“263 Immer wenn die Bürokratie nicht so reagierte, wie er sich dies wünschte, wandte sich Piper in

257 Zur besonderen Bildsprache illustrierter Bücher: Niehr (2005), S. 14–19. 258 Es handelte sich um Tafel XVII und XXV, siehe Inventar, Bd. 1, 1653/15. Juni 1868, S. 84, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. 259 Auch bei Boisserées Monographie zum Kölner Dom (1823) wurde der Verkauf so gehandhabt; Niehr (2005), S. 14–19. 260 Piper, 22. September 1874, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 19–21. 261 Kultusminister Falk an König/Kaiser, 7. März 1876, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 25. Zu den „Sichtbarkeiten des Mittelalters”: Carqué (2006). 262 Auch Kultusminister Adalbert Falk war nicht bereit, für diese beiden Publikationen aus Frankreich Gelder zu bewilligen, zumal die Sammlung inzwischen über einen eigenen Etat verfüge. 263 Piper, Denkschrift, 31. Dezember 1848, aus Piper (1874), S. 11f.

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direkten Eingaben an König und Kaiser.264 So auch hier: „ich beehre mich hierauf gehorsamst zu berichten, dass die Verfasser des Werkes unterscheiden zwischen den Exemplar, das außer den Text alle Abbildungen der Glasmalereien in Bourges enthalten, deren eines die hiesige königl. Bibliothek besitzt und den exemplaires d’etudes; das erstere hat 33 Tafeln in größtem Format in lithographischem Farbendruck, die andere Ausgabe zusätzlich noch 40 Tafeln in demselben Format in Kupferstich.“ Aus kunsthistorischer Sicht seien die Hilfstafeln zu den Glasgemälden zu vernachlässigen. „Sie sind aber wirklich unentbehrlich für das theologische Studium der Monumente, welches weiter als bis Bourges zu sehen begehrt.“265 DIE FOTOGRAFIE – Blättert man in dem von Piper erstellten Inventar, fällt dessen Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Reproduktionsverfahren auf. „Der Fortschritt in der Technik der reproductiven Kunst kommt den Zwecken dieser Sammlung außerordentlich zu statten, so jetzt die neuerfundene farbige Lichtdruckmanier, in welcher die Direction der k. National-Gallerie die hervorragendsten Werke der Malerei eben dieser Gallerie allgemein zugänglich zu machen sucht.“266 Wie die gleichzeitig sich ausbreitende Eisenbahn fungierte die Fotografie als Lokomotive des Fortschritts. Bereits 1854 zierten die ersten drei Fotografien „unter Glas und Rahmen“ Pipers Christliches Museum. Dargestellt waren antike Denkmäler aus Rom.267 Die damals weit verbreitete Befürchtung, dass ihre Bildkraft mit der Zeit nachlassen würde, bestätigte sich nicht. „Photographien sind bis jetzt nur ausnahmesweise aufgenommen wegen der Bedenken über ihre Dauer. Doch haben die Darstellungen des Titusbogens und Constantinsbogen, welche 1854 aus Rom mitgebracht wurden, sich erhalten, ohne im mindesten zu verbleichen.“268 Von seiner Italienreise im Jahre 1869 brachte Piper Fotografien von altchristlichen Sarkophagen aus dem Lateran-Museum mit (Abb. 172). Noch heute verfügen dieses Abbildungen über außerordentliche Qualität. Piper war davon fasziniert, durch Fotografien einen großen musealen Bestand buchstäblich in die Hand nehmen zu können: „Zu Rom hat mich vor allem das christliche Museum im lateranischen Palast beschäftigt, welches bei meinem 264 Deshalb hat sich auch in der Abteilung des Zivilkabinetts im Geheimen Staatsarchiv eine separate Akte der Christlich-archäologischen Kunstsammlung erhalten. 265 Piper an den Kultusminister, 30. November 1874, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 2, Tit X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 40. 266 Verwaltungsbericht 1886–1888, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 3, Bl. 7v. 267 Inventar, Bd. 1, 446–448, 1. Mai 1854, S. 17, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. Eine der frühesten, mit Fotografen illustrierten Kunstpublikationen war Sir William Sterling Maxwells Anals of the Artists of Spain von 1847, dann die Publikation der Werke Rembrandts seitens der Gebrüder Bisson in den Jahren 1853–55. Ab Mitte der fünfziger Jahre waren Aufnahmen italienischer Kunstwerke der Fotografen Alinari, Anderson und MacPherson erhältlich; Maffioli (1988). 268 Zeitungsartikel über den Zuwachs der Sammlung von 1857 bis 1864, Berlin im Mai 1864, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 152.

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172: Brüder-Sarkophag, Rom, Lateran, Fotografie (1866)

vorigen Aufenthalt in der Bildung begriffen war. Es enthält eine systematisch geordnete Sammlung altchristlicher Inschriften, sodann altchristliche Sarcophage, darunter alle die, welche vormals im vaticanischen Museum sich befanden. Diese Denkmäler bin ich in der Art durchgegangen, … und von den wichtigsten Sarcophagen Photographien mitgebracht, dass ich fast das ganze Mu­seum zur Hand habe.“269 Zu Beginn seiner Tätigkeit als Kurator hatte Piper noch Lithographien von auf Manuskripten befindlichen Miniaturen erworben oder sie abzeichnen lassen. Jetzt war es möglich, die Miniaturen und andere Kunstwerke abzufotografieren. Der Vorteil von Fotografien war auch, problemlos gleichwertige Abzüge von einem Bild zu erhalten.270 Intensiv nutzte Piper das Medium „Fotografie“. Im Inventar ist unter den Ordnungsnummern 2006 bis 2022 von siebzehn Fotos die Rede. Und das ist kein Einzelfall: Fotografien aus Ephesos, Pergamon und Hieropolis stießen ebenso auf Pipers Interesse, wie die fotografische Widergabe der Lipsanotheca in Brescia oder des Inneren der Hagia Sophia (Abb. 173). Entweder erwarb Piper die Fotografien im Kunsthandel oder er ließ sie in den jeweiligen Museen von Fotografen anfertigen. Als im Jahre 1879 ein Kunsthändler aus Mailand in Berlin eine Fotografie-Ausstellung ver269 Piper, 12. März 1870, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 1, Bl. 216vf. 270 Piper (1874), S. 41.

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173: Das Innere der Hagia Sophia, Fotografie (1870)

anstaltete, war Pipers Museumsbestand sogleich um 44 Fotografien reicher.271 Fotografische Bildsammlungen dienten Piper geradezu als Wissenschaftsmotor. Meist handelte es sich um Frontalaufnahmen, die möglichst viele Details erfassen sollten. Zeitgenössische Elemente wie Fußgänger oder Verkehr waren so weit wie möglich ausgeblendet. Die Normierung der Aufnahmesituation verhalf, spezifische, nicht veränderbare Bedingungen, denen die Fotografie unterliegt, abzumildern, wie zum Beispiel die Zweidimensionalität der Abbildung, die Abstrahierung durch den Wegfall der Farben – Fotografien waren damals immer schwarzweiß – oder die recht­ eckige Begrenzung des Bildes.272 Gewiss ließ sich Piper von neuen Tendenzen in der Kunstgeschichte inspirieren. Heinrich Grimm (1828–1901), der erste ordentliche Professor für Kunst­geschichte an der Berliner Universität, von dem Piper für seine Sammlung eine Fotografie eines Dürer-Gemäldes aus Basel, auf dem die Kreuzigung lebensgroß dargestellt ist, 271 Die Kunsthandlung Carlo Crippa offerierte Reproduktionen von altchristlichen Denkmälern in Rom und Ravenna; Piper über die Verwaltung des hiesigen christlichen Museums für 1878–1880, 8. Mai 1880, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74/Bd. 2, Bl. 148. 272 Nach Kopf (2007), S. 164. Zur Ausbreitung der Fotografie in der Christlichen Archäologie: Dorsch/Seeliger (2011); in der Klassischen Archäologie Lindner (1999); Alexandris/Heilmeyer (2004); Kopf (2007), S. 155–158.

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erhielt,273 förderte massiv die Fotografie als Medium der Dokumentation des kulturellen Erbes und sah in ihr das Vehikel, der modernen Kunstgeschichte ein wissenschaftliches Fundament zu geben. 1865 verglich Grimm die Leistung der Fotografie mit jener der Gipse. Die Aufnahmen von Stichen, Ölbildern und Fresken ermöglichten vergleichende Untersuchungen, die zuvor undenkbar gewesen seien. Derartige Sammlungen seien für das Studium beinahe wichtiger als die größten Galerien mit ihren Originalen. Den Staat forderte er auf, sich der Sammlung von fotografischem Material anzunehmen.274 Grimm und Piper waren ihrer Zeit voraus. Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert sollte in der Kunstgeschichte die Fotografie als „objektives“ Abbildungsverfahren anerkannt werden – mehr als sechs Jahrzehnte nach ihrer Erfindung bzw Entdeckung. Die Argumente gegen die Einführung der Fotografie waren bestimmt von einer Kritik an der Industrialisierung der Bildproduk­tion sowie der Angst vor dem Verlust der Aura des Originals. Erst nachdem die Naturwissenschaften dem Medium „Fotografie“ eine objektivierende Qualität zuge­sprochen hatten, konnte sich dieses Verfahren auch in kunstwissenschaftlichen Studien durchsetzen.275 Die Diskussion über Authentizität und Verzerrung des Kunsteindrucks durch Fotografien hatte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt.276 Die damals virulente Polemik, die von einem geistvollen Kupferstich sprach, der noch Auge und Hand eines Künstlers erkennen lasse, und auf der anderen Seite von der seelenlosen, mechanischen Fotografie,277 machte sich Piper nicht zu eigen. Piper begriff die Unmittelbarkeit und Objektivität von fotografischen Reproduktionen als Chance, mit den Originalen in einen fruchtbaren Dialog zu treten. Ebenso wie John Ruskin (1819–1900) und Jacob Burckhardt (1818–1897) sah er in der Fotografie ein Medium, Artefakte zu dokumentieren und zu vergleichen.278 Vielleicht verbarg sich für Piper in der fotografischen Wiedergabe noch ein zusätzlicher, gleichsam kultischer Wert. Wie bei der Spur vermitteln Fotografien unmittelbare Nähe – so fern dasjenige, was darauf gebildet ist, auch realiter sein mag – und bestätigen somit Benjamins Aurakonzeption.279 Darüber hinaus schien in der Fotografie – weder der Natur noch dem Artefakt eindeutig zugehörig – das Paradoxon eines von Menschen in Szene gesetzten acheiropoeiton Gestalt anzunehmen.280 Einerseits vollzieht sich die Fotografie im Rahmen eines natürlichen Vorgangs, der latent schon immer vorhanden gewesen ist, andererseits ist sie als Resultante auf273 Inventar, Bd. 1, 1835, 23. März 1869, S. 92, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. 274 Grimm (1865), S. 37–40; siehe auch Dilly (1981), S. 81f. 275 Reichle (2002), S. 42; Matyssek (2009); ��������������� Caraffa (2009). 276 Kopf (2007), S. 154f. 277 Henri Delaborde (1811–1889) und Moritz Thausing (1838–1885), nach Kemp (1980), S. 128– 151. 278 Zum Verhältnis Burckhardts gegenüber der Fotografie: Boch (2004); S. 42–50; Meier (2002). 279 Haverkamp (1993, 2002), S. 198f. 280 Zur Fotografie als Agens der Chemie sowie Domäne der Handbearbeitung: Geimer (2002), S. 13.

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wändiger Experimente ein Artefakt. Bereits beim Pionier William Henry Fox Talbot (1800–1877), der 1844 den ersten Band von The Pencils of Nature herausgab, war die Fotografie zwischen Erfindung und Entdeckung, Kultur und Natur angesiedelt.281 Als Verkörperung der Idee der unverfälschten Abbildung waren Fotografien so etwas wie Erzeugnisse „natürlicher Magie“.282 Die 1839 entdeckte bzw. erfundene Daguerreotypie war geradezu Gegenstand der Adoration, so beim Kunstkritiker Jules Janin (1804–1874): „Es gibt in der Bibel die schöne Stelle: ‚Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht‘. Jetzt kann man den Türmen von Notre-Dame befehlen ‚Werdet Bild!‘ und die Türme gehorchen.“283 Es schien so, als ob Bilder von Dingen gemacht würden und nicht mehr von einem Zeichner. „Diese Lichtzeichnungen oder Abdrücke jeder Schattennuancierung der Gegenstände sind in sich selbst so vollkommen, wie man sie in einer gewöhnlichen Darstellung durch Pinsel oder Griffel nie erreichen kann; sie sind die Natur und der Gegenstand selbst, soweit es im Bilde möglich ist.“284 In den frühen Debatten über den Status des neuen Bildmediums wurde die Fotografie nicht nur als Bild und somit als menschliches Artefakt und Kunstprodukt beschrieben, sondern auch als der zum Bild gewordene Gegenstand selbst.285 Wenn Baudelaires Fotografien die Kraft zusprach, „die Dinge so darzustellen, wie sie sind, oder wie sie wären, falls es mich nicht gäbe“286 – musste von ihnen eine besondere Faszination ausgehen; gerade für die auf Objektivität zielende Wissenschaft.287 Zwischen Fotografie und ihrem Bezugsobjekt, d. h. dem, was sie darstellt, besteht eine so enge Symbiose, dass es schwer fällt, sie voneinander zu unterscheiden, denn: die Fotografie macht sichtbar, ohne selbst sichtbar zu sein.288 Das fotografisch erzeugte Bild im Sinne einer auto­matischen, interventionsfreien Selbstproduktion fungierte „als Kontaktreliquie des Rea­len, die das Original durch mediale Metamorphose zu ersetzen vermag“.289 Mit dem Begriff der „Kontaktreliquie“ wird zum Ausdruck gebracht, dass Medium und Material physisch aufeinander bezogen sind, wodurch es gestattet ist, auch das repro­duzierte Bildnis als Abdruck des Echten zu verstehen und zu verehren.290 In Kontrast zu einem Gemälde ist jeder Fotografie – wie bei Fußabdruck und Totenmaske – die materielle Spur ihres aufgenommenen Gegenstandes eingeschrieben.291 Bisweilen gelang es der Fotografie sogar, die vermeintliche Authentizität einer vera ikon zu bekräftigen. Die Ende des 19. Jahrhunderts erstellte Fotografie des Turiner Grabtuchs zeigte das darauf angeblich echt 281 Ebd., S. 15. 282 Henry Fox Talbot, zit. nach Baier (1977), S. 85; vgl. zur Daguerreotypie als „Selbstmitteilung der Natur“: Stiegler (2006), S. 18–33. 283 Janin (1839, 1980), S. 47. 284 [Hamburger] Correspondent, 29.11.1839, zit. nach Stiegler (2001), S. 25. 285 Stiegler (2001), S. 26ff.; Wolf (2000); Sonntag (1977, 2006), S. 148. 286 Charles Baudelaire, Der Salon [1859], nach Stiegler (2006), S. 52. 287 Daston/Galison (2002, 1992). 288 Barthes (1989, 1980), S. 13. 289 Hesse (2006), S. 54. 290 Bruhn (2009), S. 135. 291 Sontag ���������������������������� (2006, 1977), S. 147.

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aufgeprägte Christusbild viel klarer als es die menschliche Wahrnehmung in direkter Konfrontation mit dem Original vermochte.292 Hier scheint sich im besonderem Maße die pointierte Analogie von Susan Sontag (1933–2004) zu bestätigen, dass vom Nagel des Kreuzes Christi und einem Shakespeare-Foto eine vergleichbare Aura ausginge.293 Es verwundert nicht, dass Piper in der Pionierzeit des Lichtbildes die Fotografien identitätsstiftend, gleichsam auratisch, in Szene zu setzen verstand. So legte er ein Album fotografischer Porträts von bahnbrechenden Forschern aus Kunstgeschichte und Archäologie an: „Solche sind, um einige Verstorbene zu nennen, Passavant, Waagen, Schnaase, Sighart, Strak, Keller (Zürich), Cavedoni, Bruzza, de Caumont.“294 In einem Akt gleichsam magischer Animation verfolgte er damit in seinen Übungen die Absicht, die Persönlichkeiten „vor Augen zu haben und gleichsam daran Theil nehmen zu lassen.“295 Hier zeigt sich die mediale Kraft von Fotos, Tote als Lebende zu repräsentieren, sie in punktueller Evidenz zu verlebendigen.296 Dass die Fotos zusätzlich mit eigenhändigen Signaturen des Abgebildeten versehen waren, verstärk­ te noch deren reliquienhaften Charakter.297 Fotografiegläubig wurde Piper jedoch nie. Im Zweifelfall zog er Farblithographien Fotografien vor. Das wird erkennbar bei einer berühmten Illumination aus dem Mittelalter. Der Codex Egberti aus Trier stand im medialen Spannungsfeld von Farbkopie und Fotografie. Während Johann Nikolaus von Wilmowsky (1801–1880) Der Codex Egberti mit Farblithographien veröffentlichte, brachte Franz Xaver Kraus (1840–1901) den Band Evangeliarium Egberti zu Trier in unveränderlichem Lichtdruck her­ aus. „Die beste Gelegenheit photographische und farbige Copien von Miniatu­ren zu vergleichen bieten für den gedachten Codex Egberti neben jener Ausgabe von Kraus die Nachbildungen des Domcapitulars von Wilmowsky, welche durch hohen Erlaß vom 26. April 1882 der Sammlung als Geschenk überwiesen sind: es zeigt sich der Vorzug, den diese mit so viel Sorgfalt ausgeführten fertigen Copien vor den absolut treuen, aber schattenhaften Lichtbildern haben.“298 Bei aller Vorliebe für das Medium der Fotografie war Piper nicht bereit, deren Mängel in Kauf zu nehmen und auf farbige Abbildungen der Objekte zu verzichten. Er verfuhr damit anders als viele Naturwissenschaftler seiner Zeit, die dem Ethos der Nicht-Intervention huldigten und ästhetisch motivierte Eingriffe verpönten. Nach deren Auffassung entsprach das mechanische hergestellte Bild dem Ideal einer sich selbst aufzeichnenden Natur, deren Abbild nicht durch einen ästhetisch motivierten Eingriff, durch einen Akt der 292 Geimer (2010), S. 175ff.; Frizot (1998), S. 283. 293 Sontag (1977, 2006), S. 147. 294 Piper (1885), S. 8. 295 Piper an Kaiser Wilhelm II. o. D. [März 1889], Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 41–42. 296 Siehe zur „Wiederkehr der Toten“ auf Fotos: Barthes (1989, 1980), S. 17; Haverkamp (2002, 1993), S. 183 f. 297 Piper (1885), S. 8. 298 Verwaltungsbericht 1882–1884, Piper, 9. Juni 1884, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 2, Bl. 226.

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Auswahl und Interpretation beeinträchtigt werden dürfe.299 Diese interpretatorische Kraft räumte Piper Stichen gerne ein, auch wenn es darum ging, die Todesruhe des gerade verstorbenen Kaiser Wilhelms I. (1797–1888) überzeugend zu visualisieren, was einer Fotografie mit der sie begleitenden unerwünschten Objektivität wohl kaum gelungen wäre.300 “Das Porträt des entschlafenen großen Kaisers giebt ein Bild des Friedens, wie es im Tode nirgendwo sprechender zu haben ist.“301 Der königstreue und von der Erweckungsbewegung geprägte Kustos sah kein Problem, auch derartiges Material in den Dienst des christlich-archäologischen Unterrichts zu stellen.302 Im späten Mittelalter verkörperte ein Double des verstorbenen Königs als Funeraleffigies das Fortdauern der Monarchie bis sein Nachfolger inthronisiert war. Im Zeitalter des Wilhelminismus hatte ein Stich die Funktion, ein erfülltes kaiserliches Leben im Moment seines Ablebens zu repräsentieren, als Spiegelbild einer harmonisch-versöhnlichen Herrschaft. Vom Stich sollte die Botschaft ausgehen, dass die Monarchie Zukunft hat.

299 Daston/Galison (1992, 2002), S. 81f.; zum unterschiedlichen Bildgehalt von Stich und Fotografie am Beispiel der Nordquerhausfassade der Kathedrale von Reims: Niehr (2005), S. 19–23. 300 ��������������������������������������������������������������������������������������� Zur Dimension der Todestatsache in der Fotografie: Därmann (1995), S. 385–411; Belting (2001), S. 184–188. 301 Verwaltungsbericht 1886–1888, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 74, Bd. 3, Bl. 8vf. 302 Piper pflegte beste Kontakte zum Hof. Seine gesellschaftliche Leitvorstellung ging von der Übereinstimmung zwischen Fürst und Volk aus. Stolz berichtete Piper von den Besuchen, die Mitglieder der preußíschen Königsfamilien seinem Museum abstatteten; siehe u. a. Piper an Kaiser Wilhelm II. o. D. [März 1889], Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 89/21529, Bl. 41–42.

Das Schreien der Steine

Ich sage euch: Wenn sie [die Jünger Jesu] schweigen, werden die Steine schreien. Lukas 19,40

Dinge sind nicht leblos, sie können im Modus des Appellativen agieren. Ferdinand Piper nutzte den im Lukas-Evangelium überlieferten Ausspruch Jesu gegenüber den Pharisäern, die die Jünger am Reden hindern wollten, als Motto für seine 1880 entstandene Porträt-Fotografie. Diese Zeilen verweisen – im diametralen Gegensatz zum Beginn des Johannes-Evangeliums – darauf, dass am Ende nur das bleibt, was sich unter Schweigegebot zeigt. Oder anders formuliert: Je authentischer Dinge auf den Menschen einwirken, desto schwieriger wird es, darüber zu sprechen. Das Paradox ist in der Welt, dass jede Sinnzuschreibung die Dinge in ihrer Präsenz amputiert. Der Brief, den Anfang des 17. Jahrhunderts ein fiktives, unter Schreibhemmung leidendes junges Dichtergenie namens Philipp Lord Chandos als alter ego von Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) an den Philosophen und Naturwissenschaftler Francis Bacon (1561–1626) schreibt, umkreist dieses Phänomen. Der Lord sucht „eine Sprache, in welcher die stummen Dinge zuweilen zu mir sprechen“. Wie Jakob Böhme findet auch Hugo von Hofmannsthal diese Epiphanien nicht in Buchstaben, sondern in der Spontaneität alltäglicher Dinge: „Eine Gießkanne, eine auf dem Felde verlassene Egge, ein Hund in der Sonne, ein ärmlicher Kirchhof, ein Krüppel, ein kleines Bauernhaus, alles dies kann das Gefäß meiner Offenbarung werden.“ Dinge sind keine Zeichen mehr, Dinge sind einfach da, ihre Bedeutung erschöpft sich in ihrem So-Sein im Hier und Jetzt. Im erleuchtenden Augenblick, der die Dinge sub specie aeternitatis erfasst, löst dabei das „Fluidum“ oder „Hinüberfließen“ der Empfindung zum Objekt der Empfindung die Grenzen des wahrnehmenden Subjekts auf. Wie kann nun jenseits der Selbstaufgabe aus einem Ding ein auratisches Objekt werden: ein Gegenstand, das besondere Aufmerksamkeit genießt und vielleicht sogar als Kultobjekt verehrt wird? Der amerikanische Philosoph Arthur C. Danto  ������������������������������������������������������������������������������������� Siehe in vorliegender Studie, Abb. 162. Auch mit diesem Gedanken übernimmt das Chris­ tentum jüdisches Erbe, beim Propheten Habakuk heißt es im Alten Testament (2,11): „Denn auch die Steine in der Mauer werden schreien, …“  �������������������������������������������������������������������������������������� „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ (Joh. 1,1-4).  Gumbrecht (2004).  ���������������������������������� Hofmannsthal (1902, 1991), S. 54; ������������������������������������� vgl. Haart Nibbrig (1981), S. 154ff.  ���������������������������������� Hofmannsthal (1902, 1991), S. 50; �������������������������� vgl. auch Bamberg (2010).

456  Das Schreien der Steine

kann uns helfen, diese Frage wenigstens ein Stück weit schlüssig zu beantworten. Seine philosophische Ästhe­tik stellt er unter den Leitbegriff det transfiguration of the commonplace, der Verklärung des Gewöhnlichen. Es handelt sich um jenen kreativen Akt, der dem, was vorher „bloßes Ding“ gewesen ist, darstellenden Charakter verleiht. Genauer gesagt: Hervorgehoben und mit Bedeutung aufgeladen, verkörpert und repräsentiert jedes Ding eine bestimmte, vom Künstler oder seiner Zeit vertretene Weltsicht. Sobald wir uns auf einen Gegenstand beziehen und über ihn sprechen, ist er bereits kein bloßes Ding mehr. Daher ist die von Marcel Duchamp (1887– 1968) an die Decke des Museums gehängte Schneeschaufel – ein provozierendes ready-made – keine bloße Schneeschaufel mehr, sondern etwas, das über die Schneeschaufel eine Aussage trifft oder zumindest zu einer solchen herausfordert und einlädt. Der Dinghaftigkeit alltäglicher Objekte wird man sich erst dann bewusst, wenn sie nicht mehr Teil des täglichen Umgangs sind, wenn sie nicht mehr für uns arbeiten und sie frei werden für ein „konstituierendes Sprechen“, das überhaupt erst ein Kunstwerk identifiziert. Allerdings erschöpft sich das Kunstwerk nicht in den Zuschreibungen und Bedeutungen, die es repräsentiert; seine Materialität, Präsenz und vor allem sein Charakter als Ereignis – Kunstwerke sind nicht einfach Dinge, sondern besitzen, auch jenseits der Aktionskunst, Ereignischarakter – verweisen vielmehr auf einen Überschuss, der es in einem Bereich des unlesbar „Anderen“ situiert. Verschiedene Aspekte der Ästhetik Dantos lassen sich durch Rückgriff auf Gedankengänge von Michel Foucault (1926–1984), Walter Benjamin (1892–1940) und Maurice Merleau-Ponty (1908–1961) verdeutlichen. Dass Dinge, Texte und Bilder verschie­ dene, nicht ineinander überführbare Ausdrucksformen sind, thematisiert Michel Foucault in seiner Abhandlung über das bekannte surrealistische Bild Ceci n’est pas une pipe (1926) von René Magritte (1898–1967).10 Das Bild einer Tabakspfeife ist in der Tat keine wirkliche Pfeife, sondern nur deren Repräsentation. Erst die dem Bild beigefügte Legende ceci n’est pas une pipe macht darauf aufmerksam, dass unser abend­ ländisches Denken dazu neigt, Bild und Gegenstand vorschnell gleichzusetzen. Maurice Merleau-Ponty (1908–1961), der der Kunst zutraute, das Unsichtbare abzu­bilden, entwickelt in seiner Phénoménologie de la perception von 1945 eine bemerkenswerte Reflexion über Ähnlichkeit und Unterschied von Ding und Bild. Bild und Ding gelten ihm als „etwas, was zu sehen, nicht zu definieren ist“.11 Doch eigne dem zweidimensionalen Bild nicht dieselbe Solidität wie dem Ding, fühlen wir doch, dass dem Bild „der Sinn seiner Existenz vorausgeht und sich lediglich in das zu seiner Kom        10 11

Über den Unterschied von Kunstwerken und puren Dingen, Danto (1981), S. 1–33; Liessmann (2010). Brown (2001); vgl. auch Clifford (1996); Droit (2005), Ferus/Rübel (2009). Liessmann (2010), S. 74. „Die Dinge stehen ihrem Wesen nach für sich; nur deshalb können sie angeeignet wer den.“ Figal (2006), S. 129. Foucault (1974). Merleau-Ponty (1945, 1966), S. 374; vgl. jetzt Kapust/Waldenfels (2009).

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munikation erforderliche Minimum an Materien einhüllt“. Dagegen fällt im Ding der Sinn mit der Existenz frappant zusammen, so dass der Sehende sich von den Dingen beobachtet fühlt – regardé par les choses12. Walter Benjamin (1892–1940) versuchte in seinem zuerst 1936 veröffentlichten Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, das zu erfassen, was bei Danto als Überschuss oder bei Merleau-Ponty als Sinn bezeichnet wird. Nicht ohne religiöse Kon­no­tation stellte er die Aura eines unmittelbar wahrgenommenen Dings, die Empfin­dung des Augenblicks, das „Hier und Jetzt“ des Gesehenen gegenüber seiner technischen Reproduktion heraus.13 Vielleicht wird die unaufhebbare Differenz von Ding, Bild und Text nirgendwo so anschaulich wie in einem Zeugnis der konzeptionellen Kunst (Concept Art). Die Installation One and Three Chairs (1965) von Joseph Kosuth besteht aus einem Stuhl, einer Fotografie dieses Stuhls sowie einem Wörterbuchartikel über den Stuhl. Auf diese Weise begegnet der Betrachter dem Stuhl in dreifacher Gestalt: Er kann ihm in der Form eines Bildes begegnen, im Medium eines Textes, oder auch ganz unmittelbar. Man mag die drei Zugangsweisen zum Stuhl unterschiedlich gewichten. Man mag sagen, die Idee des Stuhls, wie sie im Wörterbuchartikel und im Bild zum Aus­ druck kommt, sei dem zufälligen Einzelstück, das vor uns steht, überlegen. Oder man mag umgekehrt dem Einzelstück den Vorrang vor dem Bild- und Sprachmedium einräumen, denn: Sich-hinsetzen kann man sich nur auf einem tatsächlich vorhandenen Stuhl.14 In der vorliegenden Studie Von der Reliquie zum Ding kommen alle drei Formen der Kosuth‘schen Präsentation vor – Bild, Text und Gegenstand (Ding) – doch die Rolle des primus inter pares fällt dem Ding selbst zu.15 Die neue Kunst sollte ans Tageslicht bringen, was in der komplexen Zivilisation zunehmend verdunkelt wurde: Das Eigenleben der Dinge.16 Verdinglichung in der Vormoderne meint, dass dasjenige, was sich außerhalb des Ichs befindet, eine selbsttätige Substanz gewinnt, die den Wahrnehmenden in Bann schlagen kann. Mit Immanuel Kants bewusstseinsphilosophischer Mediatisierung der Dingwelt beginnt die Moderne, die in ihrer klassischen Ausprägung als ein Zeitalter menschlicher Ohnmacht gegenüber einer sinnlich nicht mehr verfügbaren Objektwelt beschrieben werden kann. Die Dinge schwanden unter den sich seit 1900 auftürmenden Abstraktionswellen aus Wissenschaft und Technik. In der zeitgenössischen Kunst führte die Verflüchtigung der Dinge zum Abbau mimetischer Referenzen, wobei sich mit der Materialität des Bildträgers auch eine geistige Entität, ein transzendenter Weltbezug herausschälen konnte.17

12 13 14 15 16

Merleau-Ponty (1964, 2001), S. 181. Benjamin (1936, 1977), S. 12; Böhme/Ehrenspeck (2007), S. 476–484. Eickhof (1995). Ginzburg (1992). Joseph Beuys, „[W]as das Holz oder der Stein will, aus sich heraus, dem spüre ich nach“, in: Volker Harlan, Was ist Kunst? Werkstattgespräche mit Beuys, Stuttgart 1988, S. 37. 17 Öhlschläger ������������������� (2005).

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Die Versuche, den Dingen nahe zu kommen, mit ihnen im äußersten Fall einszuwerden, offenbaren ein metaphysisches Potenzial.18 In der Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung, der Trennung von Wahrnehmendem und Wahrgenommenem macht sich die Religion in ihrer epiphanischen Präsenz bemerkbar.19 Als „Prä“ schlecht­ hin, ebenso vorgegenständlich wie präsubjektiv, jede Reflexion und Bedeutungs­ zuschreibung voraussetzend, ist das Religiöse zugleich auf ein konkretes Medium angewiesen, eben auf ein Ding. Ähnlich wie in Material Christianity (Colleen McDannell) und Die Macht der Dinge (Karl-Heinz Kohl) stand auch in vorliegender Untersuchung eine religiöse Stimmung im Zentrum, die sich vornehmlich aus unmittelbarer und spontaner, d. h. noch nicht sprachlich-begrifflicher, noch nicht bildlich vermittelter Wahrnehmung speist.20 Aus der christlichen Religion als belief in an object we cannot see21 (William James) entwickelte sich ein besonderes Bedürfnis nach sinnlich wahrnehmbaren Mittlern, an denen sich eine Reflexion über Heiliges entzünden kann, die mit dem körperlichen Objekt bleibend verknüpft ist, sich von ihm niemals löst.22 Exemplifiziert wird dieser Mechanismus in sechs historischen Studien, deren Ertrag hier noch einmal zusammenzufassen ist. 1) DINGE IM KIRCHENRAUM – Kirchen sind performative Dingräume, wobei die dort hängenden, dauerhaft sichtbaren, aus der Natur stammenden Kuriosa der Schaulust der Gläubigen besonders entgegenkamen. Wie in einer Wunderkammer traten sie mit den Artefakten in einen Wettstreit und zogen die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Unter dem Dach der Kirche war – schon deutlich vor der Renaissance – Neugierde als welt- und wissenserschließende Kraft geadelt.23 Kuriosa und technische Medien – „Prothesen einer Offenbarung“ (Thomas Macho)24 – verliehen sowohl dem Raum als auch den Riten eine Atmosphäre der Einmaligkeit. Exponate im Kirchenraum – vom Straußenei bis zum Krokodil, vom Menschenknochen bis zur naturalistischen Goldschmiedearbeit, vom Wachsbildnis bis zur Automatenfigur – offenbaren eine Vielfalt, die in ihrer Heterogenität an die von Jean Luis Borges (1899–1986) bzw. Foucault zitierte chinesische Enzyklopädie25 oder an surrealistische

18 ������������������ Gumbrecht (2004); ��������������� Mersch (2002); ������������� Nancy (1994). 19 ���������������������������������������������������������������������������� Insofern ist auch die etymologische Herleitung von Religion aus „rem ligare = das Ding binden“ nicht von der Hand zu weisen, Bergmann (1998), S. 67f. 20 McDannell (1995); Kohl (2003); siehe dazu auch die von Susanne K. Langer beschriebene visuell-sinnliche Bedeutungsebene von Religion, die sich auf dem Weg präsentativer, d. h. nichtsprachlicher Symbolisierung Ausdruck verschafft, Langer (1942, 1987), u. a. S. 152ff, ähnliche, aus der Psychoanalyse entlehnte Struktur bei Žižek (2003), besonders S. 64–93. 21 James (1902, 1985), S. 53. 22 Zum Begriff des Mittlers im Sinne Schleiermachers: Scholtz (2000), S. 527f.; zur Religion außerhalb des Text-Paradigmas: Bräunlein (2004a). 23 Blumenberg (1984); Daston (1994). 24 Macho (2004), S. 26. 25 Foucault (1980, 1966), S. 17.

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Ding-Arrangements erinnern mag.26 Wie dort verschwimmen auch in Kirchen die Grenzen zwischen gefundenen, erfundenen und bearbeiteten, zwischen natürlichen und artifiziellen Dingen. Allerdings blieben hier alle Gegenstände einem religiö­sem Kraftfeld verhaftet, das ihnen bestimmte Bedeutungen zuschrieb. Manchmal genügte bereits die Einfassung mit silbernen Bändern, auf denen biblische Motive eingraviert sind, um einen Gegenstand christlich zu definieren. Doch so sehr das einzelne Ding auch mit kirchlich approbierter Zuschreibung beladen wurde, verdrängen ließ sich die Unmittelbarkeit des primären Objekts nicht. Es besteht gleichsam auf seiner Natur. Als am Altar aufgehängtes, von weitem sichtbares, Symmetrie ausstrahlendes Objekt konfrontierte das Straußenei den Besucher unverstellt und direkt. In ihrer Fremdheit wurden kuriose wie exotische Dinge meist ungefiltert gezeigt, was dafür spricht, dass sie vor allem die curiositas ansprachen. So kann das Ding auch in der Kirche sich selbst genügen, entsprechend des von Petrus Aureoli (1280–1322) formulierten scholastischen Diktums: Omnis res est se ipsa singularis et per nihil aliud 27 – „jedes Ding ist durch sich selbst und nicht durch ein anderes einmalig“. Die oft unabhängig von liturgischen Vollzügen bleibenden Kuriosa und Exotika stellen einen speziellen Dingtyp dar, der seine Selbständigkeit und Aura neben anderen Dingtypen trotzig bewahrt – etwa neben den angeblich nicht von Menschenhand gemachten Ikonen im byzantinischen Raum und den für die Liturgie geschaffenen handelnden Bildwerken im lateinischen Westen. 2) FÜRSTLICHE RELIQUIENSAMMLUNGEN – Gehortete Heilspartikel dienten vielen Fürs­ten als eine Art ideologisches, ihre Herrschaft stützendes Kapital. Wichtig war dabei die Sichtbarkeit, kann der Kirchenschatz doch nur dann von der Überlegenheit politischer Macht zeugen, wenn er auch visuell zugänglich ist. Dies lässt sich auf zweierlei Weise sicherstellen: durch temporäre Inszenierung, etwa durch große Menschenmengen anziehende Heil­tumsweisungen sowie durch dauerhafte Rahmung. Die Reliquiensammlungen in Halle und Wittenberg verlangten nach variabler Präsentation, die – systema­tisch durchgeführt – von immer elaborierteren Reliquiaren bis zur Errichtung stattlicher Stiftskirchen mit repräsentativem Innenraum reicht. Nach dem Matrjoschka-Verfahren benötigten die kleinformatigen Partikel einen Behälter, der wiederum nicht selten die Rahmung zukunftsweisender Architektur herausforderte.28 Feste Architektur und ephemere Inszenierung schufen dabei eine Art magnetisches Feld, das die Dinge letztlich ihrer heilsgeschichtlichen und kirchlichen Bedeutung entfremden sollte. Wenn sich auch in dieser Zeit des Umbruchs das Neue nie Bahn brach ohne Rekurs auf das Herkommen, so lassen sich in den von Friedrich der Weise und Kardinal Albrecht angelegten Reliquiensammlungen deutliche Merkmale der Innovation ausmachen. Herrschte im Mittelalter eine eher vertiSiehe z. B. die Vitrine auf der Exposition surrealiste d’objets in Paris 1936 bei Schneede (2006), S. 203f. 27 ����������������������������� Nach Tripps (1998), S . 48f. 28 �������������������������������������� Entsprechend stellte auch die Pariser Sainte-Chapelle ein reliquiarhaftes musaeum bzw. thea­ trum der Dornenkrone dar. 26

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kal – himmelwärts – ausgerichtete Kultbeziehung, so begann sich nun durch die zunehmend privilegierte Auseinandersetzung zwischen Betrachter und Objekt eine horizontale Brücke zu festigen. Auch wird die Kunst zunehmend selbstbezüglich: Komplex gestaltete Objekte lassen das Reliquiar nicht mehr als Medium der Transzendenz, sondern als mit sich selbst im Gespräch stehendes Kunstwerk erscheinen. Es entstand eine neue Kulturtechnik, in deren Mittelpunkt das Ding steht. Hier stehen wir am Übergang von der Reliquiensammlung zur Kunstkammer. Protestantische Polemik gegen den Reliquienkult hat lange Zeit hindurch die Kontinuität zwischen beiden Einrichtungen verdeckt. Die von den Reliquien ausgehende virtus ging auch in der Reformation nicht einfach verloren; die Heilkraft wandelte sich zur ästhetischen Aura. 3) LUTHERS WELT DER DINGE – Maurice Halbwachs (1877–1945), der die zentrale Rolle historischer Erinnerung im Christentum zu einem seiner Kernthemen machte, hat darauf hingewiesen, dass diese Memoria leer bliebe, wenn sie nicht durch originale und deswegen verehrungswürdige Orte und Gegenstände konkretisiert würde. Dementsprechend waren auch in der Reformationserinnerung materialisierte Vermittlungsformen gefragt, spätestens seit die Zeitzeugen verstorben waren und sich die Erinnerung der Zeitgenossen in ein kulturell-museales Gedächtnis verwandeln musste.29 Anhand jener Gegenstände, die oft als Lutherreliquien bezeichnet werden, lässt sich die Etablierung eines modernen, profanen Reliquienverständnisses besonders gut verfolgen. So fällt auf, dass in der ersten Hälfte der frühen Neuzeit, zwischen 1520 und 1670 etwa, Protestanten von „Reliquien“ allenfalls dann sprachen, wenn gegen Glaubensgegner polemisiert wurde oder dem Ausdruck eine rein spirituelle Bedeutung beigelegt werden konnte. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts änderte sich dies: Nun konnte man von Reliquien als materiellen Zeugnissen der eigenen Tradition sprechen. Ein Tabu war gebrochen. Im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter des Historismus, sollte all dasjenige zu „Reliquien“, zu Bedeutungsträgern, mutieren, die das Wunschdenken um eine heroisierte Vergangenheit beglaubigten. Dinge Luthers schwanken in ihrem Status zwischen protestantischer Reliquie und musealem Relikt; je nach ihrem jeweiligen Nutzer oszillieren sie zwischen Andenken, Trophäe und Talisman. Menschen auf der Durchreise betrachteten diese im Spannungsfeld von heroischer Überhöhung und Banalität situierten Dinge. Deren Imagination bedurfte einer authentisch-materialisierten Initialzündung; zugleich delektierten sie sich an einer Originalität, deren Tatsächlichkeit von Fiktio­ nen verzerrt ist. 4) DIE AUSSENWELT ALS THEATRUM DER DINGE – In der Natur hat man es mit Dingen zu tun, sei es in Form körperhafter Oberflächen oder kernhafter Substanzen. Die für die frühe Neuzeit typische Ambivalenz, die sich aus den divergierenden Zugängen ergab, in der Außenwelt nun eher res extensa oder interna rerum

29 ���������� Zu diesen modi memorandi: Assmann (1992), S. 48ff.

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wahrzunehmen,30 prägte auch die Einstellung von Bernard Palissy und Jakob Böhme. Beide hatten im Zeitalter philologischer Glaubensstreitigkeiten bis zur Selbstaufgabe die intensive Kommunikation mit der Dingwelt gesucht und gefunden. Während sich im von Glaubensfragen entspannten Zeitalter der Aufklärung ihre Nachfolger damit begnügten, die Objektivität der Dinge festzustellen, d. h. „oberflächlich“ zu begreifen, wohnte in deren Auffassung den Dingen als dem NichtSprachlichen schlechthin eine souveräne schöpferische Kraft inne. Von einem gottbezogenen Fundament aus identifizierten Palissy und Böhme Dinge als ausgedehnte sichtbare Körper ebenso, wie sie an ihnen einheitsstiftende verborgene Prinzipien wahrnahmen.31 Obwohl bei Palissy und Böhme die sinnliche Wahrnehmung der Natur eine herausragende Rolle spielt, gehen beide nur äußerst sparsam mit der damaligen Anschauungsmetapher par excellence, mit dem Terminus theatrum um, was sich unter den Protagonisten der pietistischen Bewegung ändern sollte. Die Nutzung der Anschauungsmetapher des Theaters vollzog sich bei ihnen allerdings in konfessionsspezifischer Form: Changierend zwischen Verdichtung und Verdrängung gewann die frühpietistische Wissenskultur bei Khunrath, Andreae und Comenius nur selten ein unbefangenes Verhältnis zu dieser Metapher, was aber nicht bedeutete, dass sie Medien von Visualität, intersubjektiver Anschauung und Transparenz ungenutzt ließ; ganz im Gegenteil. Dem vermittelten Wissen in Buchform wurde zunehmend ein ungefilterter, unmittelbarer Zugang zur Dingwelt zur Seite gestellt.32 Dabei wich die sich noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zeigende, in einem umgreifenden Panorama ein­gebettete Wissenseinheit von theatrum und theoria nun zunehmend einer unmittelbaren einzeldingbezogenen Wissenskultur, die von Anschauen und Begreifen geprägt war. 5) DER In DINGwelten VERKÖRPERTE Pietismus – Im Luthertum lässt sich im 17. Jahrhundert ein rapider Wandel des Verhältnisses zum Ding verfolgen. Eingeleitet wurde er durch die Forderung nach einer Reformation der Reformation, der Schaffung einer Kultur, die sich nicht mehr allein auf das Wort der Heiligen Schrift bezieht, sondern – den Horizont erweiternd – die materielle Welt als sichtbares Gotteszeugnis begreift. Auf Grundlage dieses Glaubens wurde in einem Vorort von Halle auf dem Reißbrett eine ganze Stadt entworfen und sogleich umgesetzt. Der Komplex der „Glauchaschen Anstalten“ fungierte als Ort epiphanisch anmutender Perzeption. Der Nukleus unmittelbar wahrnehmbarer, mit Händen zu greifender Originalobjekte bestand in der von Francke gegründeten Kunst- und Natura30 ����������������� Leinkauf (2000); ���������������� Ingegno (1988); �������������� Keßler (1994). 31 Selbst Descartes (1641, 1904, 1973, S. 80) ist diese Ansicht nicht fremd: per naturam enim, generaliter spectatam, nihil nunc alliud quam vel Deum, ipsum, vel rerum creatarum coordinationorum a Deo institutam intelligo [unter Natur im allgemeinen verstehe ich nämlich jetzt nichts anderes als entweder Gott selbst oder die von Gott eingesetzte Ordnung der geschaffenen Dinge]. 32 Findlen (1994a).

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lienkammer. Solche Einrichtungen wollen im Mikrokosmos der Sammlung das gesamte Universum – den Makrokosmos – als wunderbare Schöpfung Gottes fassbar machen. Je mehr sich die Welt infolge der pietistischen Missionsbewegung erschloss, desto mehr fand sie in einer überschaubaren Räumlichkeit Platz. Bemerkenswert ist die unterschiedliche Rolle, die im Halleschen Pietismus Dingen und Bildern zukommt. Die so genannte Flachware ist von Buch und Text monopolisiert, Bilder sind nicht mehr als eine sparsame und dann auch nur illustrierende Zugabe. In Kontrast dazu ist eine intensive Auseinandersetzung mit der Dingwelt, und zwar durch sinnliche Wahrnehmung und direkte Konfrontation, geradezu erwünscht. Wer sich die Mühe machte, die Franckeschen Anstalten mit seinen Sammlungen tatsächlich zu besichtigen, dem vermag sich nach Auffassung ihres Gründers Gottes Vorsehung unmittelbar zu erschließen. Franckes Präsenzästhetik braucht kein reproduzierendes Medium, kein materielles Bild, das sich zwischen Wahrnehmenden und Wahrgenommenen schiebt, denn im Brennpunkt des Augenscheinlichen, im Moment des materiellen Blicks manifestiert sich die göttliche Kraft. 6) MONUMENTE DER THEOLOGIE – Auch Ferdinand Piper, von der Erweckungs­ bewegung und damit von einer Spätform des Pietismus geprägt, war überzeugt vom defizitären Charakter einer sich allein auf Buch und gedrucktes Wort berufenden Vermittlung des Glaubens. Der Privilegierung von Texten, wie sie sich im protestantisch geprägten Historismus zeigt, stellte er durch seine akademische Arbeit Kontraste entgegen, indem er die protestantischen Bildungskultur materiell erweiterte. Mit der von ihm angelegten christlich-archäologischen Sammlung verfolgte Piper die Absicht, Gedankenbewegungen der Frömmigkeits- und Theologiegeschichte zur Veranschaulichung an Dinge rückzubinden. In die akademische Sammlung gebracht, sind die von Piper erworbenen originalen Artefakte ihres ursprünglichen sakralen Kontextes entfremdet und in wissenschaftliches Quellen- und Anschauungsmaterial konvertiert.33 Zur Kunst und nicht mehr zum Kult gehörig, können sie, durch Kopien unterschiedlichster Art ergänzt, wissenschaftlicher Analyse zugänglich gemacht werden. Piper nutzte ausgiebig die neuen technischen Möglichkeiten der Reproduktion. Die Gestalt des Bildes, deren Spektrum von Modellen und Abgüssen bis zu Stichen und Fotografien in ihren variablen Ausprägungen reichte, war zugleich Mittler von Religiosität. Sein Konzept einer „Monumentalen Theologie“ unterscheidet sich von anderen neuen Versuchen seiner Zeit, mit Bild und Kunstwerk umzugehen: von Ludwig Feuerbachs (1804–1872) als Bildkritik vorgetragener Religionskritik und von dem Projekt, Kunstgeschichte als Stilgeschichte zu betreiben. Derartige Ansätze stellen – nach dem Urteil von Horst Bredekamp – verschiedene Reaktionen auf den Bruch des herkömmlichen Bildverständnisses durch Aufklärung und Französische Revolution dar: „Feuerbach dehnt die Zerstörung des überkommenen Bildbegriffs auf die Religion selbst aus; die Kunstgeschichte transponiert die verlorene

33 Einstein (1926, 1996); Malraux (1947).

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sakrale Substanzialität der Bilder auf die Ebene der Kunst, und Piper versucht, wissenschaftlich rekonstruierend zu bewahren, was de facto verloren ist.“34 Es ist nicht so, dass die Buchreligion des Christentums nur Praktiken der Buchhaltung hervorgebracht hätte.35 Vielmehr sprengen auch in dieser Religion Dinge oft den Rahmen konventioneller, d. h. textorientierter Rezeptionsgeschichte. Ebenso erratisch wie arrangiert, produzieren sie als survivals ein Nachleben spezifischer Wirksamkeit. Dinge in performativen Kontexten erinnern daran, dass die christliche Kultur von Anfang an dem Sog des Materiellen ausgesetzt gewesen ist. Ohne seine materielle Signatur ist das Christentum nicht zu verstehen. Wenn auch den EmmausJüngern das Herz brannte, als ihnen der gerade auferstandene Jesus inkognito die Schrift auslegte, erkannten sie ihn erst, als er beim gemeinsamen Abendessen das Brot brach (Lk 24,13-35). Die in der Bibel überlieferten „schreienden Steine“ verkünden eine Evidenz, die nur der unmittelbaren Wahrnehmung sowie der Dinge bedarf. In jedem Kapitel der vorliegenden Studie wird der Weg der saxa loquuntur vom „Schreien“ zum „Schrein“ sichtbar: Nur die unmittelbare Anmutung des Dings gewährt uns einen Zugang in die materiellen Kraftfelder des Kirchenraums, zu Krokodil und Straußenei sowie zu den hybrid gestalteten Reliquiaren in den Heiltumssammlungen von Halle und Wittenberg. Auch die Weichtiere Palissys und der Stein Böhmes sind nur Beispiele von Dingen, deren Stimme wahrgenommen wurde und die in den Rang von Gegenständen auratischer Qualität gelangten. Luthers Alltagswelt und die unterschiedlichen Formen des Wissenstheaters im Pietismus eignet eine Wirkung, die den Betrachter direkt, d. h. ohne Text in ihren Bann zieht. Der Ein­ bruch der Dingwelt in die evangelische Theologie des 19. Jahrhunderts bringt eine „Monumentale Theologie“ hervor. Im Rahmen permanent zirkulierender Zeichen, Bilder und Dinge speist sich eine derartige Religiosität vornehmlich aus unmittelbar-spontaner, d. h. prätextueller und prävisueller Wahrnehmung. Gewiss dienen Predigt und Bibeltext – die Sprache überhaupt – dazu, die Welt der Dinge mit Bedeutung zu versehen, zu klassifizieren, zu ordnen und zu verstehen. Dennoch beweist die intensive Nutzung von Gegenständen im christlichen Kult, in der christlichen Kultur überhaupt, ein ausgeprägtes Maß an Skepsis gegenüber dem Anspruch, allein das Wort sei fähig, transzendente Wahrheit zu erfassen. Gerade den von menschlicher Gestaltung unabhängigen Dingen war eine von den Kirchen gedultete Kraft der Idolisierung eigen (acheiropoeiton). Über weite Strecken der Menschheitsgeschichte wurde nicht zwischen Bildern und wirklichen Dingen unterschieden. Die magische Kraft von Objekten wurzelte im Glauben an die Identität von Bild und Abgebildetem und war lange Zeit nicht von der lebensechten Gestaltung des Künstlers abhängig.36 Ob nun das Ding oder sein Bild davon – beides verwies, physisch durchaus unterschiedlich, auf die Idee des Gegenstandes. Dieser semiotische Zusammenhang wird ins Wanken gebracht, 34 ������������������������� Bredekamp (1978), S. E26. 35 ���������������� Lorenzer (1984). 36 ������������������������������� Kris/Kurz (1934, 1995), S. 106.

464  Das Schreien der Steine

sobald elementare Bestandteile von Ding und Bild in eine Interaktion treten und eine Sphäre konstituieren, in der Bilder und Dinge sich nicht darin erschöpfen, Zeichen, Abbild, Exempel oder Illustration zu sein. In jeder der sechs Einzelstudien trifft man auf markante Schnittmengen, in denen Materialität und Ikonizität koinzidieren: in den lusus naturae und trompe l’œils des frühneuzeitlichen Kirchenraums ebenso wie in Fotografien und Abgüssen eines Museums im 19. Jahrhundert. Dingen und Bildern, als relationale Einheiten, die sich erst durch Wechselwirkung aufeinander kons­tituieren, eignet eine zeigende Kraft, die der Sprache abzugehen scheint und letztlich auch nicht in dieselbe zu übersetzen ist.37 In chiasmatischer Bezogenheit konnte von Ding als Bild, von Bild als Ding, von Dingbildern sowie Bilddingen die Rede sein. Dahinter verbirgt sich keine Wortspielerei, sondern der Kernbereich einer prätextuellen Reflexivität, der auch Momente der Entwicklung eingeschrieben sind. Die im 19. Jahrhundert ubiquitäre Tendenz zur Spezialisierung zeigt sich auch darin, dass das kosmische, Natur und Kunst umfassende Zusammenspiel von Bild und Ding zu einer Angelegenheit des Artefakts reduziert wird. Visualität ohne Materialität bleibt bloße Imagination, ebenso wie Materialität ohne Visualität im Amorphen verharrt. Erst die bis zum Kuriosen gesteigerte Interaktion von Material und visuell erfassbarer Gestalt setzt auratische Kräfte frei, zumal wenn ihr die Kraft eines acheiropoeiton innewohnt. Der Fetischismus der bildhaften Materie, der sich in der Bibel im Tanz um das goldene Kalb Ausdruck verschafft, schien unter diesen Bedingungen, wenn nicht gerechtfertigt, so doch nachvollziehbar.38 Demgemäß bedarf die sich in unserer Zeit etablierende Bildwissenschaft der Ergänzung und Erweiterung durch eine Erforschung der Dingkultur.39 Man mag von einer „Dingwissenschaft“ sprechen. Vielleicht ist es der vorliegenden Studie gelungen, die Fragestellung einer solchen Disziplin zu präzisieren und zu ihrer Grundlegung einen Beitrag zu leisten.

37 �������������������������������������������������������������������������������������� „Was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden.“ Ludwig Wittgenstein (1889–1951), Tractatus logico-philosophicus, 4.1212. 38 ���������������������������������������������������������������������������������������� Die nachbiblische jüdische Überlieferung lässt Aaron berichten, er habe das Gold in das offene Feuer geworfen, doch dann sei ohne menschlichen Eingriff das goldene Kalb entstanden, als handele es sich um einen selbst geschaffenen Automaten, ein Argument, dass auch die Kirchenväter aufgreifen sollten (vgl. Ex 32,24); Bori (1990), S. 19. 39 ���������������� Belting (2001); ��������������������������������������������������� siehe dazu die Rezension von Wolfgang Ullrich über Das Leben der Bilder von W. J. T. Mitchell, in: Süddeutsche Zeitung, 19. November 2008.

Anhang

Literaturverzeichnis

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Register

Aachen 70, 151, 416 Aberglaube 49, 210, siehe auch Wunderglaube Abguss 270f. (mit Abb. 120), 275 (mit Abb. 121), Frösche 274 (mit Abb. 121) Gips 222, 433, 436–442 (Abb. 170, 171), 463 Metall 418, 442f. Wachs 222f., 329f. Sammlungen als musée imaginaire 438, 439f. (mit Abb. 170) Raumnot 438f., 441 Ablass 174f., 232 und Heiltumsweisung 176, 201 und Kunstbetrachtung 174 Absolon von Lund 224 Abstraktion 116 (Anm. 392), 457 acheiropoieton 8, 74, 100, 343, 384, 448, 463f. ����������������� vera ikon 449f. Kuriosa/Naturalia 48, 135 ���������������������������� Zufallsbilder 122, 125, 127 Acquanegra, Francesco da 83, 133 Adalbert von Prag 164 adiaphora, siehe Mitteldinge Agricola, Georg 124 Ägypten/Ägyptologie 82, 95, 411, 420, 423 Albert von Sachsen-Coburg und Gotha 263 Alberti, Leon Battista 11, 123f., 125 Albertus Magnus 122 Albrecht von Scharffenberg 87, 128 Albrecht, Kardinal 18, 142–145, 149–151, 165ff., 172, 459 und Heiltumsweisung 177 als Kunstsammler 158–162 in liturgischer Aktion 173f. (mit Abb. 82) als Reliquiensammler 156f., 179–182

Alchemie/Hermetismus 106 (mit Abb. 52), 267, 269, 272 (mit Anm. 30), 289f. (mit Abb. 125), 291–295 (mit Abb. 127–130), 304, 347, 367–370 Stein der Weisen 19, 106, 272, 294f., 345, 368 Aldrovandi, Ulisse 66, 124, 183, 205, 268 Aleander, Hieronymus 211. Alfons der Weise 123 Alfons X., König von Kastillen 95 Alsted, Johann Heinrich 298f., 300 Altar als Bild- und Objektträger 35, 36 Einhornaltar 409, 418, 429–431 (mit Abb. 167) Flügelaltar als expositio reliquiarum 36, 141f. hinduistische Tragaltäre 356, 359 Hochaltar 107, 164 Flügelaltar der Brüder van Eyck 116f. (mit Abb. 59, 60) Pala d´Argento 36 als Panoptikum der Universitätsgeschichte 36 (Anm. 64) und Reliquiare 173f. Sepulkrum 35, 49, 107 Amerbach, Bonifacius 225 Amerika 160, 319, 320, 367, 431 Amiens 415 Amsterdam 340 (mit Anm. 132) Anatomisches Theater/Museum 73, 258–260 (mit Abb. 119), 269, 287, 350, 380 (mit Anm. 323), 398 (Anm. 51), 404, 405 Andachtsbild 159, 188 Andreae, Johann Valentin 289, 296–298 (mit Abb. 130,131), 301, 310, 313, 321, 327 (mit Anm. 91), 352, 377, 385, 395, 461

560  Register

Angenendt, Arnold 52 (Anm. 137) Annoni, Hieronymus 252 Antiquitäten/Altertümer 183, 224–226, 399 Antwerpen, Kathedrale 69 Apokalypse 103, 105 apotropäisch 49, 83, 92, 130, 209 Archäologie klassische 398, 399f., 403, 409, 411, 416, 438 monumentale Philologie 403 christliche 389–452, 408 (Anm. 105), 412 siehe auch Monumentale Theologie Architektur Franckesche Stiftungen 335ff. (mit Abb. 145–148), Disziplinierung 346, pietistisch 342, 344–347, Schulgebäude 341, vitruvianisch 342 Kirchen 87–89, 96f., 103, 107 Modelle 435f. Arcimboldo 366 (Anm. 299) arma Christi 114f. (mit Abb. 57) Armut, siehe soziales Elend Arndt, Johannes 251, 284, 291f. (mit Anm. 115), 313, 353 (mit Abb. 151), 382 Arnold von Harff 82 Arnold von Lübeck 227 Arnold, Gottfried 217 Arquà (Venetien) 228, 239, 241 Arzneien 110, 261, 368f. Aschaffenburg 149 Ashmole, Elias 294 Askanier 143 Asservatenkammer 8 Assisi 103 (Anm. 343), 133 (Anm. 458), 175 Assmann, Aleida 212 Astrologie 106, 122f., siehe auch Himmel Astronomie/Observatorium 350, 351, 354 (mit Abb. 151), 355, 393f., 396f., siehe auch Himmel astronomische Uhr 34, 100ff. (mit Abb. 47), 110, 128–132 (mit Abb. 67, 68) Auerochse 100 Aufklärung 10, 66 (mit Anm. 186), 80, 114, 205, 224, 460, 462 Idole 226–230, 264 und Pietismus 312f. (mit Anm. 17), 352f. Aufseß, Hans von und zu 425 Auge 282 (Anm. 73). Augsburg 151, 189, 330 (Anm. 102)

August der Jüngere, Herzog von Braunschweig-Lüneburg 205 August der Starke 153, 218 (Anm. 117), 243, 258, 261 August, Kurfürst von Sachsen 180, 242 Augusti, Johann Christian Wilhelm 399 Augustin, Christian Friedrich Bernhard 226 Augustinus, Kirchenvater 3 (mit Abb. 1), 7, 48, 135f., 286 Aura/virtus 9f. 49, ���������������������������������� 50f., 52, 202, 227, 232, 243, 264, 335 (Anm. 121), 448, 455, 456, 459 Aura der Unsterblichkeit bei Reliquien 145, 184 aus Fremdheit 359 aus Reproduktionen 427 Aureolus, Petrus 459 Automat 34f., 127–132 (mit Abb. 67, 68), 352 (Anm. 194), 458 Adler 108 Goldenes Kalb 464 (Anm. 37) Hahn 100ff (mit Abb. 47), 129f. (mit Abb. 67) Gustav Adolf 222 „Roraffe“ 103 (mit Anm. 341) Springbrunnen 187 (Anm. 218) Taube 128 Tempeltüren 128 Bachelard, Gaston 14, 240, 277f., 358 Bacon, Francis 5, 28, 321, 455 Bacon, Roger 106 Bad Gandersheim 63 Bad Lauchstädt 372 Barock 35, 49, 107, 153, 212, 348 Bartholin, Thomas 79 Bartholomäus Anglicus 76 Bartholomäusnacht 272 Basel 73, 227, 252, 294, 425, 447 Baudelaire, Charles 449 Baur, Friedrich Christian 402 Becher, Johann Joachim 352, 368 (Anm. 262) Behälter/Gefäß 315 Achatschale 122, (mit Anm. 408) Becher/Gläser 35, 80, 158, 186, 199f. (mit Abb. 95), 211, 218, 221 (Abb. 100, 101), 231 (Anm. 107), 249, 250 Bleischale 425f. (mit Abb. 166) Gral 15 (mit Anm. 63), 87, 122, 128 Hedwigsbecher 199

561  Register



Mantuanisches Onyxgefäß 15 (mit Abb. 5) Ptolemäer-Kelch 36 (mit Abb. 12) Schale 116, 122, 185, 271 (Abb. 120), 274, 276 Schrank 357f. Vasen der Medici 15, vasi sacri 12 (Abb. 3) Zinngefäß 282f. Beham, Hans Sebald 159 Bekehrungserlebnis 313, 316, 328, 359, 374 (mit Anm. 294), 380 Bellermann, Johann Joachim 255f. Belon, Pierre 63, 76, 82, 110, 268 Belsazer, König 248 Benediktiner, als Sammler 28f., 356 Benjamin, Walter 202, 448, 456f. Bennett, Charles W. 400, 425 Benno von Meißen 208f., 210, Bentham, Jeremy 346 Berger, Christian Gottlieb 262 Berger, Valentin 374f. Berlin 143, 155, 178, 222, 243, 349, 425f. Königliche Bibliothek 444f. Königliche Museen 420f., 423 Altes Museum 23, 410, Gemäldegalerie 411, 436, Neues Museum 423, 439 (mit Abb. 170), Kaiser-Friedrich-Museum 423 Märkisches Museum 423, 430 (Anm. 196) Museum für Byzantinische Kunst 426 (mit Abb. 166) Universität 404 Christlich-archäo­logi­sche Sammlung 389–452, naturwissenschaftliche Sammlungen 406f., 410, 414, enzyklopädischer Museums­gedanke in der Berliner Universität 412, Naturkundemuseum 114 (Anm. 384), 414, Raumnot durch Sammlungen 414, Verbindung zwischen Universität und Museum 409, 421 Berliner, Rudolf 66 Bernhard de Clairvaux 135 Bessel, Gottfried 29 Bethlehem 75, 124 Beuys, Joseph 457 (Anm. 16) Beyschlag, Johann Friedrich 110

Bibel 27, 130, 182, 236, 248, 270, 276, 278, 282, 353 Bleischale mit Relief 425f. Emmaus 463 Goldenes Kalb 464 (mit Anm. 37) Himmlisches Jerusalem 17, 86, 236 Jona-Legende 63 (Anm. 179), 69, 92ff., 221f. (mit Abb. 100, Anm. 137), 425 Nebukadnezar 195 Reich Gottes 314 Salomon 15, 27f. (mit Abb. 9) Salomonischer Tempel 296 und sinnliche Wahrnehmung 279, 282f. Sintflut/Arche Noah 62, 69, 206 (Anm. 41) und Sprache 314f. St. Elmsfeuer 394 ungläubiger Thomas 6, 121 (mit Abb. 62) Bibelstellen ������������������������� Gen 1,27: 130 (Anm. 445) Ex 3: 216 Ex 27,1ff.: 118 Ex 32,24: 464 Num 16,36ff.: 117 1 Kön 5,12–14: 27f. Hiob: 83, 98 Ps 24: 27, 378 Ps 26,8: 164 Ps 119: 53 Jes. 38,8: 130 Jes. 40, 31: 335, 377 Dan 5: 248 Mt 7, 8: 2�� 76 Mt 25, 14–30: 276 (Anm. 48) Mt 26,34: 130 ������������������ Mt 28,19–20: 319 Lk 19, 40: 455 Joh 1, 1–4: 455 (Anm. 2) Joh 20, 24–29: 6 �������������������� 1Kor 4,9: 300, 304, Hebr 11, 1: 6, 122 Offb 105, 20, 1–3: 83 Bild ohne Betrachter 66f., 105 christliches 399, 400f. und Ding 114–127, 434–453, 463f. und Götzenbild 203, 214 Iconic Turn 17, 400 zwischen image und picture 116 opak 116 (Anm. 392),

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Bilderkult 8, 116 Macht der Bilder im Protestantismus 214ff. (mit Abb. 98) und Reliquien 52, 114 vera ikon 74 Bildersturm/Bilderverbot 90, 130 (mit Anm.  451), 195f., 203, 233 (mit Anm. 187), 254, 371 Bildmedien 434, 461f. Abklatsche von Inschriften 418, 419 (mit Anm. 158), 443 Bildtafeln als Unterrichtsmaterial 416f. Fotografien 276, 418, 441f., 443–451 (mit Abb. 172, 173), 457, 463 Gemälde 3f., 24f., 44, 60f., 64f., 94, 114– 118, 159f., 163f., 166, 216, 275 Gipsabguss 436–442 (Abb. 170, 171), 448, 463 Grafik 443f., Stiche und Lithographien, 418, 443–446, 448, Rundform 295 (mit Abb. 129), Gebäudemodelle 423 illustrierte Kunstliteratur 443, 444, mit Kopie/Original 427, 434, 438 (mit Anm.  238), 439f., 442 Wachsfigur 127, 132–134, 222f., 458 Binder, Bastian 165 (Anm. 112) Boccaccio, Giovanni 68 Bode, Wilhelm 411, 420, 424, 438, 441f. Bodenstein von Karlstadt, Andreas 233 (Anm. 187) Bodin, Jean 288, 299 Boeckh, August 403 (Anm. 77), Bogatzky, Carl Heinrich von 373, 374 Böhme, Anton Wilhelm 328 (Anm. 97) Böhme, Hartmut 13 Böhme, Jakob: 19, 267f., 269f., 279–287 (mit Abb. 123, 124), 301, 305, 455, 460f. Erweckungserlebnis 282f. Qualitätenlehre 284 Signaturenlehre 285 Sprachphilosophie 285f. Bois-Reymond, Emil Du 407 Bologna 183 Bordeaux 109 Borges, Jean Luis 458 Bourges, Kathedrale 68, 393f., 444 Brandenburg-Preußen 321, 325f. Brant, Sebastian 112

Braunschweig 23 (Anm. 2), 70, 139, 250ff. Bredekamp, Horst 133 (Anm. 458), 400, 462f. Breithaupt, Justus 376 (Anm. 307) Brescia, Lipsanotheca 446 Breslau 33, 91 (Anm. 303) Briggs, Charles Augustus 433 Brockes, Barthold Heinrich 353 (mit Anm. 199) Brosse, Charles de 10 Brückmann, Franz Ernst 225 Brügge 80 Brunelleschi, Fillipo 36 Brüning, Jochen 409 Brüssel 416 Büchner, Andreas Elias 254 (Anm. 287), 255f. Buchreligion, siehe Textreligion Buckland, William 205f. Buffon, Georges-Louis Leclerc de 99, 365 Bunsen, Christian Karl 399 Burckhardt, Jacob 188, 391, 448 Buslaev, Fyodor 431f. (mit �������������� Abb. 168) Buxtehude, Dietrich 376 Byzanz 11, 18, 39, 70, 124, 128, 416, 419 heilige Kapelle im Kaiserpalast 54 Hagia Sophia 124, 419, 420, 446 Cahier, Charles 444 Calvin/calvinistisch 44, 195, 276, 278, 281, 287, 288f., 317 Prädestination 276, 279 zu Reliquienkult 207f. (mit Abb. 96) Theaterkampf 371, 374 siehe auch Hugenotten Camillo, Giulio 288, 370 (Anm. 274) Canterbury 64 Cardano, Girolamo 5 (Anm. 13), 32f., 76, 110 Carducci, Vinecenzo 132 Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach 263 Carpaccio, Vittore 3, 24 (Anm. 6), 60 (Abb. 22), 160 Cellini, Benvenuto 11 (mit Abb. 3) Chassanion, Jean 205 China 323, 458 Chladni, Ernst F. F. 113 Chodowiecki, Daniel 356 (mit Abb. 152) Christian I., Kurfürst von Sachsen 195 Christina, Königin von Schweden 126 Churchill, John, Herzog von Marlborough 357

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Coburg 199, 201, 263 Cochläus, Johannes 209 Colacio, Matteo 118 Colmar 113 Comenius, Jan Amos 260, 289, 298–304 (mit Abb. 133–136), 310, 321f., 340 (Anm. 134), 352, 461 Cranach, Lucas 85f., 99 (mit Abb. 46), 144, 159 (mit Abb. 76), 160, 163f., 166, 169f. (mit Abb. 81), 191f. (Abb. 89, 91), 201, 203, 233, 420 Creuzer, Friedrich 395, 400 Croll, Oswald 106 (Anm. 351) Curtius, Ernst 411, 419 Cusanus, Nikolaus 214 (Anm. 94) Danto, Arthur C. 455 Darwin/Darwinismus 404, 415 Dasypodius, Conrad 100f. Dehio, Georg 431 Demiurg, siehe Gottesbild Denkmäler 236, 398 Dekontextualisierung 430f. Katharinenportal 242 Graffito 249 als Medium 401 Descartes 283, 286, 347 (Anm. 147), 461 (Anm. 30) zu Automaten 129 (Anm. 442) Deutsches Reich 389 Friedrich, Kronprinz 263 Wilhelm, Kaiser 451 Devotio moderna 143 (Anm. 13) Dinge ���������������������������������� ars combinatoria 233f., 263, 358 Aura/virtus 9f. 49, 50f., 202 �������������������������� und Bild 114–127, 434–452 Dingbedeutsamkeit 5 in ihrer Eigenheit 5 zwischen Faktizität und Fiktion 245f. als Gefäß 5f., 15, 135 Konversion im Kirchenraum 70f., 135, 458 letzte (eschatologisch) 7 mittelalterliche Bedeutungslehre 47f. des Monumentalen 400f., 402f. Opazität 128 als Requisiten 378f. als Sprache des Nonkonformismus 269f. und Subtilität 5

als Traditionskitt 212 und Zeichen 7, 47f., 114 authentische Zeugenschaft 202 Dingkult 4, 8f.; siehe auch Idolatrie, Kultobjekt Buch 251, Kulissenbibliothek in Halle 380f. (mit Abb. 159), Schaubibliothek in Coburg 263 im Kirchenraum 17 Reliquienpolemik in Reformation 207– 210 (mit Abb. 96) Stein 281f. Dingraum 13, 33f., 47f., 135f., 144, 458 Dobschütz, Ernst von 74 Domschatz, siehe Kirchenschatz Dondi, Giovanni di 72 Donesmondi, Ippolito 83f. Drachen 69, 70, 82ff. (mit Abb. 34, 36), 105, 106 (mit Abb. 52) Drachenlegende 104f., in Krakau 92 Dreißigjähriger Krieg 42 (mit Anm. 87), 69, 178 (mit Anm. 181), 214, 216, 243, 254, 300f., 315, 326 Dresden 214 Frauenkirche 332, 376 Grünes Gewölbe 153, 191 (mit Abb. 89), 193 (mit Abb. 94), 221 (Abb. 101), 249, 256, 261 Zwinger 261 Droysen, Johann Gustav 398, 403, 404 Duchamp, Marcel 456 Duftstoffe 150 Durandus von Mende 23, 38f., 47, 68, 77 Dürer, Albrecht 69, 112, 159, 163, 187, 227, 275 (mit Abb. 122), 420 Durkheim, Emile 135 Ei 76, siehe auch Straußenei Eidechse 67 Einhorn 78–82 (mit Abb. 30–32), 109f., 430, siehe auch Horn Einritzungen, siehe Graffito Einstein, Carl 417 Eisenbahn 243, 445 Eisengrein, Martin 210 Eisleben 211, 216 (mit Abb. 98), 217, 239f. (Anm. 222), 242, 262 Eitelberger, Rudolf von 440 Eliade, Mircea 15 (Anm. 58), 135 (Anm. 464)

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Elisabeth von Thüringen 151, 199–201 Elisabethglas 179, 199–202 (mit Abb. 95) Elsaß 112f. Email/Keramik 272, 275 Emblem/Emblematik 63f., 83, 354 (mit Abb. 151), 377 (mit Abb. 157), 382 Strauß, der mit gezieltem Blick seine Eier ausbrütet 77 empirisches Wissen, Dingwissen 296f., 410 siehe auch Naturwissen Enzyklopädie 303f., 360 der Berliner Universität 410 chinesisch 458 des Heiltums 182–184 theatrum 268f., 289f., 296 einzelne Enzyklopädien: �������������������������� Merians Topographica 238 Orbis pictus 297, 302, 303f. ����� (mit Abb. 136), 310 Physiologus 77 (mit Anm. 244), 79 Systema naturae 355, 364 Theatrum Chemicum Britannicae 294 Theatrum Europaeum 69 Theatrum universitatis rerum 298f. (mit Abb. 132) ���������������������������������� Theatrum vitae humanae 294, 296, 301 ������������������������������������� Zedlers Universal-Lexicon 238, 260, 312 Erasmus von Rotterdam 207, 227 Erbsünde/Sündenfall 270, 288 Erfurt 235 (Anm. 196) Augustinerkloster (Evangelischen Waisenhaus) 252–257 (mit Abb. 115, 116, 117), Lutherzelle 254, 256 Erinnerungsobjekt 41f., 69, 70, 100, 109, 206, 213f., 218f., 232 zwischen Faktizität und Fiktion 245f. als Monument 402f. Souvenir/Andenken 38 (Anm. 69), 227, 264 Erinnerungsort 233, 234ff., siehe auch Gedächtnis Pfarrhaus 240 in Form klandestiner sola scriptura 242f. Ernst August I., Kurfürst von Hannover 224 Ernst der Fromme 320, 342 (Anm. 139)

Ernst von Wettin, Erzbischof von Halle 143, 144, 152, 156, 159, 165 (Anm. 115), 172, 186 Erweckungsbewegung 401, 411, 424, 451, 462 Erwin von Steinbach 100 Essen, Münster 442 Estampes, Robinet de 160 Eucharistie 8, 34, 125, siehe auch Transsubstantiation Exotika 72 (mit Anm. 219), 108, 122, 189ff., 252, 256, 349, 356, siehe auch Naturalia/ Kuriosa Experimente 80, 110, 130, 267, 269, 272, 287, 347, 367–370, 403f. Eyck, Brüder van 116f. (mit Abb. 59, 60), 409, 436 (mit Abb. 169) Fakirpantoffel 358, 359 Falk, Adalbert 440, 444 (mit Anm. 262) Federico da Montefeltro 119 (Anm. 399) Ferdinand II., Erzherzog 183 Ferrand, Jean 210, 228 ( mit Anm. 159) Fetisch/Totem 10f., 205, 206 Feuerbach, Ludwig 282 (Anm. 71), 434, 462 Ficino, Marsilio 130 (Anm. 445) Ficker, Johannes 242, 248 (Anm. 262), Fides von Conques 52 Fischart, Johann 208 (mit Abb. 96) Florenz 229, 415, 436 �������������� Annunziata 134 San Giovanna 58 Santa Maria del Carmine 36 Santa Maria del Fiore 132f. Fludd, Robert 370 (Anm. 274) Fossilien 69, 205, 267, 273 als Abgüsse der Natur 271 Fotografie, siehe unter Bildmedien Foucault, Michel 14, 346, 456, 458 Fox, Marcin 92 Fra Angelico 420, 427 Francesca, Piero della 65 (mit Abb. 26), 77f. Francke, August Hermann 20, 28, 254, 304 (Anm. 148), 309ff., 320ff., 331 (mit Abb. 140), siehe auch Pietismus, Hallescher Pietismus und Comenius 321 und Naturalienkabinett 347–349 und Thomasius 330 (mit Abb. 139) Kirchenbegriff 327 Präsenzästhetik 461f.

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zum Theater 373 visionärer Pragmatismus 311f., 319 Francke, Gotthilf August 319, 360 (mit Anm. 234), 377 Franckesche Stiftungen 20, 251, 309ff. (mit Abb. 137), 328ff. (mit Abb. 138), siehe auch Pietismus, Hallescher Pietismus Apotheke 310, 350, 367f. Architektur 335ff. (mit Abb. 145–148) Baugeschichte 328f., 335–339 (mit Abb. 145–148), 342f. Bet- und Versammlungssaal 327 Bibliothek 380f. (mit Abb. 159), 383 Finanzierung/Spenden 330f. (mit Abb. 140), 343 als Gottesstadt 309, 319, 321 Manufakturpläne 369 Pädagogium 310, 329, 337, 348, 360 Öffentlichkeitsarbeit/Werbung 333f., 349, 367, 369 Sammlungskosmos 350 Schulsystem 329f. Waisenhaus 248, 254, 310f., 330 (Abb. 139), 333f. (mit Abb. 140–142), 337f., 340–344 (mit Abb. 148a), Bau­geschichte 341ff., 377f., Fassade/Giebelfront 335, 343, 377 (mit Abb. 157), als Markenzeichen 310, 326 (mit Abb. 138), als Modell 335 (mit Abb. 142, 143) Frankenberg, Abraham von 282 Franz I., König von Frankreich 147f. Franziskaner 61, 106 Freising 57 (mit Abb. 20) Fremdheit/Verfremdung 69, 122, 274, 354, 358f. Freyer, Hieronymus 373, 375 Freytag, Gustav 391 Friedrich der Große 376 Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 18, 98, 142–145, 147–149, 151, 168ff., 201 Festepistolar 146 und Heiltumsweisung 179, 201 als Kunstsammler 153–156 als Reliquiensammler 153–156, 179–182 Thesenanschlag und Reliquienkult 148 Friedrich III., König von Dänemark 224, 249 Friedrich III., Kurfürst bzw. Friedrich I., König von Preußen 348f., 367, 372, 375 Friedrich IV., König von Dänemark 320

Friedrich Wilhelm I., König von Preußen 326, 333, 347, 349, 375 Friedrich Wilhelm III. 226 Friedrich Wilhelm IV. 411, 415, 427, 428f. (mit Anm. 191), Friese, Siegmund 255 Frömmigkeit als verdinglichte Religiosität 163 und Nützlichkeit 352 und politische Repräsentation 153, 164 praktische 311f., 328 Schaulust 74, 121, 284, 330 topographisch 309f., 310f. (mit Abb. 137), 326ff. Funeraleffigies 134 Furttenbach, Joseph 340 Gabe/Schenkung 148, 155, 157 Galilei, Galileo 229, 264 Garten/Grotte 19, 162, 271, 293 Botanischer Garten 258, 261 (mit Abb. 118), 350, als „Theater der Erde“ 268 Gauß, Carl Ferdinand 394 Gedächtnis 70, 184, 236, 402f., 460 siehe auch Erinnerungsort Gefühl 227 (Anm. 156) Gegenreformation 88, 134, 428 (Anm. 187), Gehrke, Friedrich 389 Geisteswissenschaft 398, 405 Geldstücke 331 (mit Abb. 140) Generalreformation 310, 321, siehe auch Weltreformation Geniekult 220 Gent 116f. ����������������� (mit Abb. 59, 60) Geologie 114, 205f., 269, 271, siehe auch Stein/Gestein Gerhard, Eduard 398, 403, 419 Gesner, Conrad 68, 76, 80f., 87, 93f., 98f. Ghiberti, Lorenzo 438 Gichtel Johann Georg 284 Giotto 116 (mit Abb. 58), 420 Giovio, Paolo 83 (Anm. 273) Glocken 41, 49, Glockendon, Nikolaus 173 Goethe, Johann Wolfgang von 112, 372 (Anm. 287) Goetze, Georg Heinrich 218 (mit Abb. 99) Goldschmiedekunst 149f., 178 (Anm. 181), 179, 180, 184f., 188, 195f.

566  Register

Gombrich, Ernst H. 396 Gonzaga ���������������� Francesco I. 58 Gianfrancesco I. 59 Görlitz 267, 279, 281 Goslar 108 Gotha 255, 320, 348 Schloss Friedensstein 339f. Gottesbilder als Demiurg/Geometer 130, 316, 348, 377 (mit Anm. 315), 385 Natur 353–357 pantheistisch 282 (mit Anm. 71), 325 persönlich 325 und materielle Interessen 332f. Göttingen 393 Gottsched, Johann Christoph 377 Graffito 246–249, (mit Abb. 112), 256 Gral 15, 87, 122, 128 Grandidier, Philippe André 80, 98 Greifenklaue 70f., 98, 192 Greifswald 93 (mit Abb. 41) Griechenland 324, 433 (mit Anm. 211) Grimm, Hermann 416 (Anm. 147), 419, 447f. Gründler, Gottfried August 339 (Abb. 148), 360 (mit Anm. 233), 363f., 366, 378, 380 (mit Abb. 159) Grünewald, Matthias 159 Grunder, Ludwig 443 Guibert de Nogent 207 Gurlitt, Cornelius 246, 431 Habitualstreit 213, 219 Hainhofer, Philipp 178 (Anm. 182), 361 (Anm. 237) Halberstadt 11, 53 (Anm. 146), 55 (mit Abb. 18, 19), 71 (Abb. 28), 92f. (mit Abb. 40), 224, 226 Halbwachs, Maurice 234, 460 Halle 309ff., 463, siehe auch Franckesche Stiftungen, Hallescher Pietismus Gymnasium 375 Moritzburg 143, 159, 161 (mit Abb. 77), 165 (Anm. 115), 178 Marienbibliothek 222f. (mit Abb. 102, 103) Neuer Bau 143, 161f. (mit Abb. 77, 78), 177 Neues Stift (Dom) 137, 142, 143, 151, 156, 162, 184, Allerheiligenkapelle

178, Ausstattung 163, 165 (mit Abb. 79), 171–175 (mit Abb. 82), Gehäuse einer Reliquiensammlung 165, Hochaltar 164, Passionszyklus 166f. (mit Abb. 79), Patronatstage 172f. (mit Abb. 81), 195f. Theaterhochburg 374f. Universität 162, 324, (Anm. 73), 326, 329, 330 (Abb. 139); 372, 375, 410 Hallescher Pietismus 309–386; siehe auch Francke, August Hermann und Franckesche Stiftungen architektonische Zitate 344–347 (mit Abb. 150) Bildgebrauch 334 (Anm. 118), 381ff. dualistisches Menschenbild 313, 344f. Fremdheit 358 Gottesreich 314f., 321, 384 Kabinette der Dinge 347ff. Kommunikation 319, 349 Marke 328, 333 Mission 319ff., 461 preußische Beamtenreligion 346 Sammlungskosmos 350 Seminaridee 317f., 323, 326 Reliquien 359, 379f., 383 (mit Abb. 161) Städtebau 384f. Technikbegeisterung – Reichweite und Grenzen 351f. Vorsehung Gottes/Providenz 312, 319, 328, 330, 332, 343 Hamburg 26 (Anm. 12), 33, 255, 294, 356, 372 Zisterzienserinnenkloster Harvestehude 126 (mit Abb. 66) handelndes Bildwerk 34, 36f., 73f., 84f., 103, 459 Handschriften 446 Breviarius Hallensis 172 Codex Egberti 450 Missale Hallensis 173 Morgenröte im Aufgang 280f. (mit Abb. 124) Prachtcodex Aschaffenburg 152, 157, 158 (Anm. 78), 185ff. (mit Abb. 85–87), 192 (Abb. 90) Luther-Handschriften 218f.

567  Register



Theatrum universitatis rerum 298f. (mit Abb. 132) Weimarer Skizzenbuch 150 (Abb. 73), 180f. (mit Abb. 84), Handtuch 119 (mit Abb. 59, 60) Handwerk(er) 269, 271, 272f., 279, 352 Hannover 224, 227, 229 Happel, Eberhard Werner 62 Harding, Carl Ludwig 393 Hardt, Hermann von der 252 Harnack, Adolf von 7, 398 (Anm. 49), 401 Harsdörffer, Georg Philipp 130 Harun al Raschid 79, 95 Hecker, Johann Julius 351 Heckscher, Wilhelm Sebastian 204 Heidegger, Martin 15 Heilbronn 62, 97 Heiler, Friedrich 135 (Anm. 464) Heilige Drei Könige 121, 129, Heiligenverehrung 41, 67, 72f., 98, 146, 183 siehe auch Reliquien Erzählung von Geschichten 50 und Humanismus 179 (Anm. 186) Konzil von Trient 210 Reformatoren 206 (mit Anm. 43), 210f., 212 (Anm. 82) Reliquien 50f., 57 in der Stiftskirche Halle 165f. einzelne Heilige: Anna 183 Georg 104f. Katakombenheilige 212 Margarethe 91, 104f., 181 (mit Abb. 84) ������������������� Maria Magdalena 172 ���������������������� Mauritius 151f., 172f. Heilsgeschichte 69, 79f., 111, 135, 153, 166, 175, 180, 182f., 189, 204, 227, 236, 268, 300 Heiliges Land/Palästina 154, 171, 183, 224 Heiltum 49, siehe auch Reliquiensammlung Andechs 40 ������������������ Braunschweig 50f. Karlstein, Kreuzkapelle 52 Halle 185–188 (mit Abb. 85–87) �������������������������������������� hybride Objekte 189–195 (mit Abb. 88– 94) Paris, Le ���������������������� Grand Châsse 39f. Rom, San Pietro in Vinculi 51 ��������������������������������� Wittenberg 99 (mit Abb. 46), 201 Heiltumsbücher 50, 144, 184



Hallesches Heiltumsbuch 144, 150, 156, 186, 191f. (mit Abb. 90), 194, 209 Wiener Heiligtumsbuch 193 (Anm. 242), 194 Wittenberger Heiltumbuch 144, 153f., 169f. (mit Abb. 81), 180f. (mit Abb. 84), 191 (mit Abb. 88), 192 (Abb. 91), 194, 201, 209, 233 Heiltumsweisung 34, 49f., 175–179, 195, 459 und Ablass 176 Abschaffung 178f. und anatomische Sektion 73 biblischer Akzent 182 in Halle 162, 177f. Materialisierung der Heilsgeschichte 182f. in Nürnberg 182 (Anm. 198) Privatisierung durch Reformation 176 Provenienz der Reliquien 151 und Reformation 178f. Volksreligiosität – Reichweite und Grenzen 183 in Wittenberg 146f., 175–177, 201, 233 Heinrich der Löwe 70, 141, 224 (mit Anm. 147) Helmholtz, Hermann von 407 Helmstedt 252 Henry, Jean 410 Heppe, Heinrich 433 Herculaneum 400 Hermann, Leonhard David 204f. Hermes Trismegistos 106 Heron von Alexandria 128 Herrnhut 298, 344 Heucher, Johann Heinrich von 261 (mit Anm. 322) Heynig, Johann Gottlob 238, 243, 247, 249 Hieronymus, Kirchenvater 24 (mit. Abb. 6), 124, 159 Hildesheim 439 Himmel 103 (mit Anm. 343), 393f., 396 ����������������������� Mond 105f., 374, 396f. Sonne 88, 105f. (mit ������������������������������ Abb. 51), 343, 368, 396f. Sonnenuhr 130 Sterne 77, 103, 122f., 394, 397 Hinrichs, Ernst 314, 370 Hinz, Georg 361 Historismus 226, 234, 263, 391, 404 Hölderlin, Friedrich 24 (Anm. 5) Hoffmann, Friedrich 351f.

568  Register

Hofmannsthal, Hugo von 455 Horn 71, 189, 194 Büffelhorn 98ff. Einhorn 78–82, 108 (mit Anm. 359), 109f. Mammutstoßzahn als Einhorn 110f. Reliquiar 185 Hostie 54 (Anm. 154), 125, 126, 135, 182 (Anm. 198) Hugenotten 110, 267, 278, 288 Humanismus 142, 151, 179 (Anm. 186), 207, 227, 239, 279 Humboldt, Alexander von 415 Humboldt, Wilhelm von 391 Hus, Jan 211 (mit Anm. 73) Hybridität Architektur 95f. (mit Abb. 43) hybride Objekte im Heiltum 189–195 (mit Abb. 88–94) Hybris 130, 184 Idolatrie 226–230, 289 Ikone 74, 459 Illusionismus 116, 118f. Illyricus, Matthias Flacius 213 Indien 319, 320, 324, 355 Tranquebar 320, 355 Ingolstadt 36 (Anm. 64), 210, 357, 363 Instrumente, wissenschaftliche Fernrohr 354 (mit Abb. 151) Lichtbildprojektor (mit Anm. 147) 416 Luftpumpe 405 Mikroskop 355f., 404, 416 Intarsien 118ff. Islamische Kunstgegenstände 71 Jahrmarkt 301, 352, 374f. James, William 458 Jammer, Max 320f. Janin, Jules 449 Jansenisten 371 Jean de Berry, Herzog von Burgund 160, 220 Jena 214 (mit Anm. 89) Jerusalem 75, (Abb. 29), 151, 236 Jesuiten 210, 323 (Anm. 71), 346, 347 (Anm. 168), 371, 376 als Sammler 28, 356f. siehe auch Kircher Joachim II., Kurfürst 155 (Anm. 59), 174, 178 (mit Anm. 181)

Johann der Beständige 143, 163, 179, 201 Johann Friedrich der Großmütige 201 Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen 212 Johannes Scotus Eriugena 305 John, Christoph Samuel 355 Jonas, Justus 222 (Anm. 140) Jubiläum 236, 262 (Anm. 328) Reformation 209, 211, 236 Universität 235 Jünger, Ernst 31, 69f. Jüngerer Titurel 87, 103 (Anm. 343), 128 Juncker, Christian 221 Jung, Johann Heinrich 227ff. Kaaba 112 (Anm. 377), siehe auch Mekka Kadłubek, Wincenty 92 (Anm. 307) Kaiser/Kaisertum 143f., 153 Heiliges Römisches Reich 142, 145f., 153, 155, 163 (Anm. 101), 245 einzelne Kaiser: Friedrich III. 190 Karl der Große 79, 95, 151, 164 Karl IV. 145 (mit Abb. 71), 177 (Anm. 173), 180 Karl V. 152, 155, 164 Maximilian I. 112, 146 (Anm. 24), 148, 178 (mit Abb. 83) Otto III. 151 Rudolf II. 126, 183 Kalender 106, 129, 394 Kalkoff, Paul 155 Kallenbach, Georg Gottfried 435 Kaltemarckt, Gabriel 195 Kanonenkugel 42 (mit Anm. 87) Kant, Immanuel 403, 457 Kanzel 199, 203, 211, 327, 441 Kapitalismus/Profitstreben 317, 370 Karl XII., König von Schweden 244 Karlstein, Burg 146, 177 (Anm. 173), 180 Karneval 44, 375 Kassel Elisabethkirche 31 (Anm. 33) Fridericianum 31 (Anm. 33) Katharina von Bora 201, 242f. (mit Anm. 236), 262 Katharina von Medici 271 Kayserberg, Johann Geiler von 45 Kepler, Johannes 131, 353 Kerze 283

569  Register

Keyßler, Johann Georg 124, 347 Khunrath, Heinrich 19, 289, 291–295 (mit Abb. 127–129), 461 Kirche als Archiv 34 Ausstellung 35 als Dingraum 33ff., 135, 164ff. als Erinnerungsorte überstandener Gefahren 41f. als Kunst- und Wunderkammer 31, 67, 72f. als Museum 30, 135f. als Naturalienkabinett 62–86 als ökonomischer Magnet 42 als Rathaus 42 im Stadtraum 41f. als Studierstube 24 als Theater 34, 35ff., 170f., 375f. als Vorratskammer 34 Wallfahrtskirchen 56ff. Kirchenfest 35ff., 171ff., siehe auch Liturgie Christi Himmelfahrt 36f., 84f. Fest-Epistolar Friedrichs des Weisen 146 Osterfest (Berechnung) 394 Palmsonntag 38 Patronatstag Maria Magdalena 172f. (mit Abb. 82) Patronatstag Mauritius 172f. (mit Abb. 82) Pfingsten 128 Requisiten des Temporären 164, 168 Kirchengebäude 33, 47, siehe auch Kirchenraum architektonische Kraftfelder 87–114 Bet- und Versammlungssaal 327 Chor 83, 96f., 110, 113, 172, 175f. Gewölbe 103f. Langhaus 96ff. Luther zum Kirchengebäude 327f. Mitte/Vierung 107 Portalzone/Vorhalle 89–96 Querhaus 97 Raumtyp Basilika 88 als Reliquiar 11, 52, 163 im Stadtbild 41 als Votiv 58 Kirchenraum 6 (Anm. 15), 13, 17, 458f., siehe auch Kirchengebäude anatomische Sektion 73 architektonische Kraftfelder 87–114



Dingraum 47f., 136, 145 Heiligenverehrung 41 Karnevalisierung 44 Lettner als materielle Schranke 42, 130 (Anm. 451) ������������� Mnemotop 135 Naturalia/Kuriosa 30f., 70f. ������������������ Profanierung 42f. Transformation durch Reformation 44 (mit Abb. 16) strikte Trennung von sakral und profan 46 Übergangszone 45f., 87 Kirchenschatz 30, 31, 38f., 75ff., 142, siehe auch Schatzkammer Aachen, Dom 70 Bamberg, Dom 224 (Anm. 145) Braunschweig, St. Blasien 141, 224 (Anm. 147) Halberstadt, Dom 55 (mit Abb. 18, 19), 224, 226 Hannover, Schlosskirche 224f., 227 Hildesheim, Dom 191 Paris, Sainte Chapelle 39f. (mit Abb. 13, 14) ������������������������������ Rom, Santa Maria Maggiore 191 Saint Denis 32f. (mit Abb. 10), 36 (mit Abb. 12) Trier, St. Matthias 39 ������������������������ Utrecht, Kathedrale 156 Kircher, Athanasius 25, 28, 130, 356 Klemm, Gustav 30, 31, 35, 391 Klopstock, Friedrich Gottlieb 220 Kober, Tobias 285 Koch, Robert 416 (Anm. 147) Kohl, Karl-Heinz 458 Köln Dom 122f. St. Maria im Kapitol 73, 97 Kolumbus 205 König, Gustav 420 Konrad von Krosigk, Bischof von Halberstadt 53 (Anm. 46), 226 Konstantin der Große 108 Konstantinopel, siehe Byzanz Konversion 216 (Anm. 117) Kopenhagen 291, 330, 399, 433 (mit Anm. 211) Kopernikus, Nikolaus 130 Korfu 125

570  Register

Kosuth, Joseph 457 Krakau, Kathedrale Wawel 91f. (mit Abb. 39), 108 Kraus, Franz Xaver 425, 450 Krems 69 Kremsmünster 29 (mit Abb. 10), 356 Kreuz/Kruzifix 8, 9, 124, 125f. (mit Abb. 66), 135, 186, 188, 221 Kreuzreliquie 146, (Abb. 71), 188 (mit Abb. 87), 207, 221f. (mit Abb. 100) Kreuzfahrer/Kreuzzüge 75f., 197 neue Sensibilität des Sehens 54f. Kroker, Ernst 241f. Kugler, Franz 409f. Kultobjekt 9f., siehe auch Dingkult Kulturtransfer 75, 323–325 Kundmann, Christian 33 Kunst- und Wunderkammer/ Kuriositätenkabinett 18, 27, 136, 159, 184f., 189, 190f., 309, 458, 459, siehe auch Naturalienkabinett Gottes Kunstkammer 27, 377 Kontrastfolie zum mittelalterlichen Kirchenschatz 141 sakrale Architekturelemente 25f. als schöpferische Verdrängung des heiligen Raumes 183 und Transzendenz 348 Vergleich mit Reliquiensammlungen 195f. Welt als Kunstkammer Gottes 378 Welt in der Stube 348, 359 Einzelne Orte Ambras 159, 183, 213 (Anm. 85) Berlin 410 Braunschweig 225 (mit Abb. 105) Dresden 190 (mit Abb. 89), 220f., 261 Erfurt 252–257 (mit Abb. 115, 116, 117) Gotha 255 Hallesches Waisenhaus 249, 310, 347–350, 461, Aufseher 364, 366, 378, Gesteinsschrank 364 (mit Abb. 156), Indienschrank 358, 359, pietistische Reliquien 359, Religionsschrank 356, Schriftenschrank 382f., Tierschrank 379 (mit Abb. 158) Halle „Wunderstube“ in der Moritzburg 159f. Ingolstadt (Jesuitenkolleg) 356, 362



Kopenhagen 224 (mit Abb. 104), 249 (mit Anm. 114) Kremsmünster 29 (Mit Abb. 10), 356 Prag 181 Salzburg, Dom 28f. St. Gallen, Klosterbibliothek 28 Stift Göttweig 29 Wittenberg 257–263 (mit Abb. 118, 119) Kunst/Künstliches Kunsthandwerk 184 Kunstsammeln 158 Nachahmung der Schöpferkraft Gottes 130 Kunstgeschichte 399, 409f., 411, 447f. Kunsthandel 189, 414f., 446 Kunstmuseum als Kirche der Dinge 135 (Anm. 464) Kunstreligion 393 Kuriosa, siehe Naturalia/Kuriosa La Rochelle 278 Laboratorium 294 (mit Abb. 129), 304, 310, 345 367–370, 405, 406f. Langer, Susanne K. 458 (Anm. 20) Lateran-Konzil (1215) 53f. Lebensechtheit/Lebendigkeit 287f., 274, 276 lebende Bilder 34 Leeuw, Gerardus van der 135 (Anm. 464) Leibniz 20, 217, 229, 287f., 289, 304, 317, 322– 325, 335 (Anm. 121), 353, 364 (Anm. 244), 377, 385 Akademiegedanke 322f. Monadenlehre 325 Leipzig 291 Nikolaikirche 42 (Anm. 87) Lenoir, Alexandre 23, 391 Leonardo da Vinci 5, 125, 273 Leopoldina 254 (Anm. 287), 256, 343 (Anm. 147) Lepsius, Richard 411, 419, 423 Lessing, Gotthold Ephraim 229, 434 Leviathan 83 Libri Carolini 8 Liebe, Christian Gottlob 223 (mit Abb. 103), Liebenwein, Wolfgang 120 (Anm. 401) Lietzmann, Hans 393 Linné, Carl von 355, 364 (Anm. 244) Lissabon 82 Liturgie 455, 141f., siehe auch Kirchenfest

571  Register

chaotisch arrangierte Dinge 208 Elevation 55 (Anm. 155) Gefäße 37 Geräte 39 Inszenierung 54, 130, 164, 168, 171f. Konversion der Dinge 70f. Palmesel 38 Paraliturgie 73f. Rosenkranz 10, 208, 262, 356, 359 Schauspiel 34f. Weihrauchschiffchen 71 Loccum 224 London 415 Arundel Society 436 (mit Anm. 231), 443 British Museum 187, 225 Harrod´s 264 Royal Society 286f., 353 Westminster 126 (Anm. 430) Lorenzo de´ Medici 132 Loreto ������������������������������������������ Johannis-Sakristei 120f. (mit Abb. 61–63) Schatzkammer 61f. (mit Abb. 23), 126 Löscher, Valentin Ernst 332, 367f., 376 Lübeck 320 Marienkirche 376 Ludolf, Heinrich Wilhelm 320, 324, Ludwig IX., König von Frankreich 11, 39 Ludwig XII., König von Frankreich 32 Lullus, Raymundus 106 Lüneburg 42 (Anm. 86), 69 lusus naturae, siehe Zufallsbilder Luther, Martin 19, 98, 143, 199ff., 216, 237, 244, 313, 317, 460 Denkmalsbewusstsein 233 Graffitipraxis 248 zu Heiltumsweisung 175f. zum Kirchengebäude 44, 327f. Naturanschauung 278 (Anm. 58), 289 (mit Anm. 106) Rechtfertigungslehre 279, 313 zu Reliquienkult 207 in Rom 235 zum Theater 371 (Anm. 278) Thesenanschlag 147f., 168f., 233, 246 zu Wittenberg 235 Lutherhaus 203f. Eisleben (Geburtshaus) 216, 239, (Sterbehaus) 246 (mit Anm. 213) Wittenberg 219, 233, 238–244 (mit



Abb. 109), 258 (Abb. 118), Hörsaal 240, 242, Katharinenportal 242f. (mit Anm. 236), Reliquien-Saal 219, Vergleich mit Walhalla und Pantheon 240 Luthermusealisierung 233f., 252, 260, 262f. Geburtshaus Eisleben 239f. (Anm. 222) Lutherstube als museum lutheri 233, 238, 240, 260, Besucherbücher 234, 237, 249 (mit Anm. 268) Lutherporträt 249 (mit Abb. 114) Lutherreliquien 199, 210f., 218–223 (mit Abb. 100–103), 460 Becher, Pokale 199, 210f., 221 (mit Abb. 100), 231 (mit Abb. 107), 249, 250, 258 Bett 263 Brief an Karl V. 219 (Anm. 123) Buche bei Altenstein 231 (mit Abb. 106, 107) Effigies 222f. (mit Abb. 102, 103) Elisabethglas 199–202 (mit Abb. 95) Essensreste 246 Holzsplitter vom Sterbebett 216f. Kanzel 199, 211, 235 Löffel 221, 229 Lutherbilder 214ff., unbrennbar 215f. (mit Abb. 98) Lutherstube 218f. (mit Anm. 121) Manuskripte (Autographen) 218f., 252, 262 Nachbarschaften des Kuriosen 249ff. Nesen´sches Lutherglas 221 (mit Abb. 101), 249, 263 Ring 212, 252 Stofffetzen (Chorrock) 250 Splitter der Magie 213–217 Stein 216 Tintenfass/-fleck 231, 237, 247, 250 Weinglas 217 Lutherstube 199 als Reliquie 218f. (mit Anm. 121) Wittenberg 19, 218, 233, 235f., 238, 240, 242, 244–249 (mit Abb. 111, 112), 263 mit Kreideinschriften 248f. Kontrast zu studiolo 261 Wartburg 218, 235, 249 (mit Abb. 113), 263 Luthertum 199–264, Orthodoxie 281f., 313, 314, 332, 368, 372, 376

572  Register

Lutherzelle Erfurt 218, 254, 256 Magdeburg 215f., 218 Wittenberg 233, 241f., 248, 261 Lüttich 161 Luzern Luzerner Chronik 112 (mit Abb. 56) Zeughaus 212 Mabillon Jean 226 Maccio, Paolo 54 Macho, Thomas 458 Madai, David Samuel von 367f. Magdeburg 155, 156, 213, 215f., 243 Magie 10, 38, 42, 51f., 68, 80, 92, 122f., 213ff., 267, 449 Magritte René 456 Mailand 438, 442, 446 Mainz 37, 143, 156 Major , Johann Daniel 27f., 348 Malraux, André 9, 417 Maltzahn, Joachim von 148 Mantegna, Andrea 11, 64f (mit. Abb. 25) Mantua Basilica S. Andrea 11f. ��������������� (�������������� mit Abb. 3, 4) �������������������������������������������� Santa Maria delle Grazie 58, 63, 83f. ����� (mit Abb. 33), 103–106 (mit Abb. 50, 51), 126, 133f. (mit Abb. 69, 70) Marburg 433 Marchi, Giuseppe 424 Margarethe von Österreich 155, 160 Maria, Gottesmutter 105f., 108, 129, 183, 207, 430 Martinet, Johannes Florentinus 355 Maschine 98f., 130, 296, 301 (Anm. 141), 304 siehe Automat Material 135, 180, 183, 203, 222, 269 -gerechtigkeit 442 -ikonologie 5 Materialität/Materialisierung 6f., 9, 13, 20, 33f., 50, 114, 116, 175, 202, 269f., 282ff. 384, 404 Entmaterialisierung 213, 219f. Materialismus 4, 391 Verdinglichung 4, 457 wissenserschließende Kraft 391, 400, 404, 408 Mathematik 29, 393f. Mathesius, Johannes 204 Mauss, Marcel 148

McDannel, Colleen 458 Medienwechsel 116, 132 (mit Anm. 454), 275, 441, 443, 457 Meinecke, Philipp 402 (Anm. 72) Meinhardi, Andreas 175 Mekka 212 (Anm. 79), 244, siehe auch Kaaba Melanchthon/melanchthonianisch 168, 235, 238, 279, 289 Memling, Hans 420 Memorialobjekt, siehe Erinnerungsobjekt Mercati, Michele 114, 378 Merian, Maria Sibylla 279 (Anm. 61) Merleau-Ponty, Maurice 456f. Merseburg 92 Messerschmidt, Daniel Gottlob 355 Messina, Antonello da 24 (mit Abb. 6) Metaphern 314–319, siehe auch theatrum Adler 108, 343, 368 Baumschule 317–319 Gefäß Gottes 317 Werkzeug Gottes 316f. Riss 315f., 325 Stadt auf dem Berge 309, 318, 326f., 385 Torwächter 344 (mit Abb. 150), 377 (Anm. 311) Zwei Wege 315, 344 Meteorit 74, 112–114 Metz, Kathedrale 84f. Mischwesen 66f. Misson, Maximilien 38, 217 (mit Anm. 114) Mitteldinge 313, 371, 376 Modelle 296, 303, 334f. (mit Abb. 142, 143), 351f., 409, 434f. (mit Abb. 169) Architekturmodelle 423, 435f., van-Eyck-Altar 409, 436 (mit Abb. 169) Korkmodell einer Katakombe 409, 436 Salomonischer Tempel 256, 436 Schiffsmodell 260 Molanus, Gerhard Wolter 224, 227 Molière 229, 264 Molinet, Claude de 28, 356 Monotheismus 7 Monstranz, siehe Ostensorium Montmorency, Herzog Anne von 271 Montserrat 59f. (mit Abb. 21), 82 Monument/Monumental 402f. des Ewigen 234f., 242f. Monumentale Theologie 20, 393, 398f., 402f., 462f.

573  Register

Moschee 75f., 94 Moser, Friedrich Karl von 219 Mühlenberg, Heinrich Melchior 320 Müller, Friedrich Max 398, 404 Müller, Jan-Dirk 35 Müller, Nikolaus 238, 397f., 407, 417, 431, 433f. Müller-Bahlke, Thomas 350 München 209, 439 Münster, Sebastian 68, 76 Münzer, Hieronymus 82 Mukerji, Chandra 354 Murray, David 31 Muschel, siehe Wasser- und Weichtiere Musealität/Musealisierung 9f., 69f., 262f., siehe auch Luthermusealisierung, Universitätsmuseum Ausstellung sakraler Dinge 417, 427f., Elisabethglas 202, Reichweite des Christlichen 391f., 423–425, und Sakralität 23f., 30, Sichtbarkeit der Reliquie 55f. (mit Abb. 18), sola scrip­tura 392 Ausstellungsschränke 357–367 (mit Abb. 153–156), 378f. Definition des Museums 30, 260 (mit Anm. 319), 407f. Epochenräume 263, 421–423 ethnologisch 355 (Anm. 206) als Gottesdienst 26 Königliche Museen 420f. naturhistorische Museen 405 einzelne Epochen Mittelalter 55f., 141, frühe Neuzeit 220, 232ff., 252, 360–363 (mit Abb. 154), 400, nach Napoleon 390f., Spezialisierung im 19. Jahrhundert 234, 385, 410 Musik 166, 172, 376, 391 Glockenspiel 129 Muthesius, Johannes 201 Mykonius, Friedrich 210 Mythen der Antike 395–398, 421 der Natur 396 Napoleon/napoleonisch 226, 390, 410 Naturalia/Kuriosa 184, 348f., 360 und Ablass 74 ������������������������������������������ Bestandteil biblischer Heilsgeschichte 69 und Blickanimation 78 und Fremdwahrnehmung 78 (Anm. 249)



Friedrich der Weise 158 hybride Objekte in Heiltumssammlungen 189ff. Kardinal Albrecht 160 in der Kirche 30f., 62–88 Kunstkammer Erfurt 256f. lusus naturae 122–127, 217 Physizität und Zeichen 74 und Reliquien 72f., als Reliquien 267 Selbstbewegung 129 (mit Abb. 67) Transformation im Kirchenraum 70f. Naturalienkabinett 19, 27 (mit Abb. 9), 183, 268, 290f. (mit Abb. 126), 303, 310, 398 ������������������������������������� Bologna (Ulisse Aldrovandi) 183, 205 ��������������������������������������� Erfurt, Leopoldina 254 (Anm. 287), 256 ��������������������������� Kiel, Museum Cimbricum 348 Kopenhagen, Museum Wormianum 291 (mit Abb. 126) ������������������������������� Neapel (Ferrante Imperato) 268 Verona (Francesco Calzorari) 191 (Anm. 234), 268 �������������������������������������� Wittenberg, Collegium Augusteum 259f. Naturanschauung/Naturphilosophie 19, 27, 277, 282, 284, 286, 460 Buch der Natur 270, 277, 284, 353 intuitiv-ganzheitlich 284 Kette der Wesen 353 in der Kirche 65ff. (mit Abb. 27) mechanistisch 347 (Anm. 147) Naturmythen der Antike 396 Natur ohne eigene Geschichte 353 Natur als „Leib Gottes“ 282 Natur als Gottesbeweis 323 (mit Anm. 71), 353–357 (mit Abb. 151, 152), 461 Natur als Schauspiel/Kunstwerk 270, 288, 299, 305, 348, 353 Qualitätenlehre (Böhme) 284, 286 Temporalisierung 359 Naturwissen 28, 269f., 273, 277, 279, 355, siehe auch empirisches Wissen Naturwissenschaft 286, 323, 343 (mit Anm. 147), 394, 398, 450f., 403–407 und Transzendenz 353 siehe auch Präparate des Wissens Nazareth 126 Neander, Johann August W. 401 Neapel 229, 400 Neickel, Caspar Friedrich 27, 33, 262, 348, 362 (mit Abb. 154)

574  Register

Neubauer, Georg Heinrich 340, 344 Neugier 17, 35, 87 (mit Anm. 286), 135, 180, 184, 252, 458 New York, Union Theological Seminary 431, 432f., 439 Newton, Isaac 320 Niemeyer, August Hermann 383 Nietzsche, Friedrich 31 Nikodemismus 272 (Anm. 27) Nominalismus 6, 67 (mit Abb. 27), 459 Nürnberg 185, 189 Germanisches Nationalmuseum 23, 425, 439 Reichskleinodien 147, 182 (Anm. 198) Stadtbibliothek 249 Stein, Saal der Reformierten Kirche 44 (Abb. 16) Ohly, Friedrich 33 Ökumene Vereinigung der Religionen 323 des Sammelns 356f. Olifant, siehe Elefant Olmi, Giuseppe 189 Oper 372 Opitz, Martin 229 Oratorium 160, 177 (Anm. 173), 241 (mit Abb. 110), 261, 294 (mit Abb. 129) Orban, Ferdinand P. 357, 363 Ordnungen des Wissens ars combinatoria 233f., 263, 358, 410 christlich-archäologische Sammlung 417–425 Episteme der Materialisierung 269f. und Heilsgeschichte 182–184 Kette der Wesen 353 Klassifizierung im Raum 359 Kunstkammer in Erfurt 255 Labyrinth 162, 300f. (mit Abb. 133) Luthermusealisierung in Wittenberg 263 �������������������������������������� macrocosmo in microcosmo 189f., 267, 348, 363 (Anm. 241), 462 ����������������������� Pansophie 298, 302, 321 Trennung von Kunst und Natur 361f. Orient 75, 98, 122, 124, 324, 349, siehe auch Türken Ortmann, Johann Conrad 231f. Osmanen, siehe Türken Ostensorium 54, 66, 126, 149, 185

Oxford 229, 252 Paciaudi, Paolo Maria 400 Padua 66, 228f., 268 Capella degli Scrovegni 116 (mit Abb. 58), 118f. San Philippi e Jacobi 211 Paleotti, Gabriele 65f. Palissy, Bernard 19, 267f., 269f., 270–279 (mit Abb. 120, 121), 305, 460f. Biographie 271f. experimenteller Wissenschaftler 272f. Geheimsprache eines Hugenotten 278f. Schalen 274f. Weichtiere 277, 463 Pamuk, Orhan 228 (Anm. 161) Pancirolli, Guido 125 Panofsky, Ernst 117f. Papst/Papsttum 143 Goldene Rose 149 (mit Abb. 74) auf Zufallsbild 125 ����������������� einzelne Päpste: Benedikt XIV. 424 Clemens VIII. 428 (Anm. 187) ����������������� Clemens XIII. 66 Gregor der Große 289 Innozenz III. 35 Leo X. 149 Paul III. 125 ������������������� Pius IX. 424, 428 Paracelsus 284 Paré, Ambroise 80, 110 Paris Akademie der Wissenschaften 114 (Anm. 384) ������������������������������� Abtei Sainte Geneviève 28, 356 Comédie Française 229f. Exposition surrealiste d´objets 458 (Anm. 25) Musée des Antiquités et Monuments Français bzw. Petits Augustins (Kloster) 23, 391 Musée Cluny 23 (Anm. 2), 110 (Anm. 368), 399, 421f., (mit Abb. 165), 425 Musée de Sculpture Comparée (Trocadéro) 440 ������������������������������� Natursammlungen des Königs 365 Notre Dame 126, 449 ������������� Pantheon 240

575  Register

������������������������������������ Sainte Chapelle 11, 39f., 103, 144 (Anm. 18), 149 �������������� Tuilerien 272 Weltausstellung (1867) 440, (1878) 415, 440 Penther, Johann Friedrich 334 (Abb. 142) Pergamon 446 Perle, siehe unter Stein/Gestein Peter der Große 244, 246f. (mit Abb. 112), Petrarca 204, 239, 241 (mit Abb. 110), Reliquien 228f., 264 Pfeffinger, Degenhart 154, 156 Pflanzen 106 (mit Abb. 53), 149f. (mit Abb. 74), 187, 230f. (mit Abb. 106, 107), 257, 261, 275 (mit Abb. 122), 318, siehe auch Garten Alraunwurzel 126 Baum 301 (mit Abb. 134), Baumschule 316 Heilpflanzen 367 Kirschkern 184 Kohlwurzel 126 Kokos 358f. Koralle 58, 62, 64f. (mit Abb. 25), 188 (mit Abb. 87), 265 Pilz 126 Pflüger, Konrad 168 Philipp II., König von Spanien 154 Philipp VI., König von Frankreich 148 Physik-Theologie 110, 205f., 267, 304, 347, 353–356 Pietismus 190f., Frühpietismus 268, 291f., siehe auch Hallescher Pietismus Pietisten als Sammler 28, 356f. und Jesuiten 356f. (mit Anm. 214), Pilgerfahrt 62, 98, 154, 171, 225, siehe auch Reisen Mitbringsel 31, 70, 154, siehe auch Souvenir Piper, Ferdinand 20, 389–452 (mit Abb. 162), 455, 462 als Astronom und Mathematiker 393f. Brückenfigur zwischen Natur- und Geisteswissenschaft 403–405 als Kurator 408 als Museumsgründer 399f., 409f. Mythologieverständnis 395f., 408 politisches Bewusstsein 426



als komparativer Religionshistoriker 396f. (mit Abb. 163) theologisches Selbstverständnis 401f., 424 Piranesi 435 Pisa, Kathedrale 70 piscina 119 (mit Abb. 59, 60) Plinius der Ältere 80 (Anm. 259), 272 Płock 108 Pluche, Noël Antoine 27 Pokale, siehe Behälter/Gefäß Pomian, Krzysztof 30, 199 Pontoppidan, Erik Ludvigsen 231 Positivismus 391 Prädestination 270, 276 Präparate des Wissens 73, 398, 403–407 als Monument 404 als Reliquien 398 Quedlinburg 69 Quiccheberg, Samuel 25, 36 (Anm. 64), 288, 350 Rabelais, François 84f. Rad 301 (mit Abb. 135) Raffael 248, 420 Ranke, Leopold von 240 Raritäten, siehe Kuriosa Rasmussen, Jan 187 Raspe, Rudolf Erich 31 (Anm. 33) Rathaus 42 (mit Anm. 86) Rauch, Christian Daniel Raum/Räumlichkeit 14f. als Behälter 14f., 136 Grenze 135 heiliger Raum 46, 135, 180, 237, 336 Heterotopie 14 mythischer Raum 45 poetischer Raum 240 als Sensorium Gottes 320f. als Zwischenraum 16, 45f., 137 Ravenna 420, San Vitale 127 Ready-made 456 Realienbildung 296, 303, 310, 330 (Anm. 102), 351f. bei Jesuiten 356 Redlich, Paul 157 Reformation 144, 156, 162 und Heiltumsweisung 178f.

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Bildermacht 214ff. (mit Abb. 98) Historiographie 208 (mit Abb. 97) Kirchenraum 44 (mit Abb. 16) Reliquienpolemik 207–210 (mit Abb. 96) Straßburger Münster 130f. Traditionsbruch und Materialisierung 19, 211f. Regensburg 193 Reichskleinodien 145, 146f., 152, 182 (Anm. 198) Reisen 14, 33, 38 (mit Anm. 69), 62, 229, 240, 244, 252, 324, 415f. touristischer Blick 234ff., 237f., 244f., 264, 360, 434 Orte auf der Durchreis 244–249 Reisebeschreibungen 38, 124ff., 217 (Anm. 114), 238, 248f., 252, 336 siehe auch Pilgermitbringsel Reiser, Anton 372 Religionsphänomenologie/-wissenschaft, Religionsgeschichte 45, 50, 135, 336, 396–399, 404, 411 Reliquiare 10f., 18, 226, 459 exotisches Objekt 108 Formenvielfalt 185ff. (mit Abb. 85–87) und Heiltumsweisung 175f. und Material 183 als Medium 50 im Prachtcodex (Aschaffenburg) 157 als profane Kunstwerke 180f. Requisit bei Messen 168, 172 als Tauschobjekte im 30-Jährigen Krieg 178 Trennung des Reliquiare von der Reliquie 184–189 (mit Abb. 85–87) Reliquiare, einzelne Apfel- und Birnpokale 187 Armreliquiar (mit Abb. 18) 55 Dreikönigsschrein 122f. (mit Abb. 64) Elisabethglas 179 Erasmusbüste 185 Horn 194 Kreuzigungsgruppe aus Korallenmaterie 188 (mit Abb. 87) Maria Magdalena 172 Mauritius 151f. Nautilus 190ff. (mit. Abb. 89, 90, 92) Staurothek 55 (mit Abb. 19) Straußenei 108f., 190 (mit Abb. 88)

Tischbrunnen 187f. (mit Abb. 87) Turiner Grabtuch 449f. Ursulaschiffchen S. 185f. (mit Abb. 85) Reliquien 49–56, 135, 264, siehe auch Reliquienkult, Reliquiarsammlung Altar 107 Altertümer 183, 204f., 224–226 (mit Abb. 104, 105) als appellative Objekte 51 Aura der Vergangenheit 151, Idee der Unsterblichkeit 145 Begriff bei deutschen Protestanten 206f. und Bild 52 Bildersturm 90 und Fetisch 10 Feuerprobe 216 als Gabe 147f. Heiligenverehrung 50f. und Kirchenbau 49 konfessionspolemische Kategorie 207– 210 (mit Abb. 96) Kuriosa 220 Memorialobjekt 206, 218f., Medium dynastischer Memoria 224f. narrative Gegenstände 220 Naturding 205 politische Repräsentation 145–152 (mit Abb. 71, 72), 162f. Präparat 73, wissenschaftliche Reliquie 114 und Reliquiar 10f., 18, 50, 52ff., 72, 184– 189 (mit Abb. 85–87) und Relikt 204–207 Sichtbarkeit der Reliquie 54ff. (mit Abb. 18, 19), 66 und Sinnlichkeit 53ff. als spirituelle Heilsspur 213 als Talisman 52, 145 Teilung der Partikel 156 unbestimmbare Partikel 156 Verbindungsglied zwischen Diesseits und Jenseits 50 und Votive 56f., 58f. Wortbedeutung 205f. Reliquien, einzelne Elisabethglas 179, 199–202 (mit Abb. 95) Geißelsäule 225 Haupt Johannes des Täufers 207f. Haupt des hl. Viktor 156

577  Register



Hochzeitskrug (Kanaan) 69 Ketten des Petrus 51 Mantel Mariens 179 Milchzahn Mariens 160 Nebukadnezar 195 Palmesel 38 Partikel des hl. Erasmus 156 Passionsreliquien 144 (Anm. 14), 186, Dorn/Dornenkrone 11, 147, 148f., 151, 175, 237, Kreuzpartikel 207, Kreuznagel 147, 450, Lanze 147 Reichskleinodien 145, 146f., 152 Rippe der Katharina 73 Rippe des Sebald 98 Roland 70, 109 Ursula 185f. (mit Abb. 85) Ziegel vom Turm Babel 225 Reliquien, profane 72, 212f. (mit Anm. 84, 85), siehe auch Lutherreliquien Ausdruck von Liebe 228f. Autographen 218f. (mit Anm. 123) Cromwells Hirnschale 356 Dürers Haarlocke 227 Galileis Finger 229 (mit Anm. 172) Gedankensplitter 219f. Gustav Adolfs Lederwambst 212 (Anm. 84) Fotografien 449f. Hut des Kardinals Wolsey 229 Leibnizens Stuhl 229 Molières Stuhl 229 in Kontrast zu Monument 218f. Petrarca-Reliquien 228f. Schwert des Hussiten Žižka 220 Shakespeare-Reliquien 229, 231f., 450 Weinglas von Lady Di 264 Reliquienkult 8f., 50f., 459 Fides von Conques 52 und Luthers Thesenanschlag 148 Spiritualisierung 220 Verschränkung von Natur und Kunst 189 Spottprozession 210 Reliquiensammlung 49f., 179–182, 459, siehe auch Heiltum/Heiltumsweisung Akzente des Neuen durch Kardinal Albrecht und Friedrich dem Weisen 145 Braunschweig 141 Escorial 154 (Anm. 48) Halle 142, 179ff., 195



enzyklopädische Idee 182–184 Klassifizierung 182f. Vergleich mit Kunstkammern 195f. und sakrale Topographie 61 Trennung des Reliquiare von der Reliquie 145, 184–189 (mit Abb. 85–87) Wittenberg 142, 179ff., 195, 201 Rembrandt 300 Renaissance 3 (mit Abb. 1), 24 (mit Abb. 6), 106, 142, 165 Intarsienbilder 118f. (mit Anm. 399) Revolution 178���������������������� 9 23, 247, 390, 462 1848 411, 426f. Reyher, Andreas 348 Rhode, Christian David 205 Richter, Christian Friedrich 367 Richter, Gregor 281f. Riegl, Alois 431 Riehl, Wilhelm Heinrich 391 Rilke, Rainer Maria 3, 5 Rippe 73 Rom 214, 433, 438, 439 ������������������������������� Basilica di Sant´ Eustachio 67 Hütte des Romulus 238 Inquisitionsbehörde 8 Kapitolinisches Museum 395f. Lateran 424, 428, Museo Cristina 445f. ������������������ Luther in Rom 235 ���������������������������������������� Museum Kircherianum 25f. �������������� (mit Abb. 8), 28, 356, 424 Sacco di Roma 248 San Pietro in Vinculi 51 Sant´Agnese fuori le mura 435f. (mit Anm. 226) Santa Maria Maggiore 191 Vatikan 427f., Gärten 108, 114, 378, Museo Cristiano 399, 424, Sala di Costantino 108f. (mit Abb. 54, 54b), Sankt Peter 182 (Anm. 196), 428 (Anm. 187), Romano, Giulio 12 (mit Abb. 4) Romantik 20, 30, 67, 263, 391 Mittelalterbegeisterung 24, 46 Rorschachtest 125 Rosenkranz 10, 208, 262, 356, 359 Rosenkreuzer 279 (Anm. 62), 298, 301, 313 Rossi, Giovanni Battista de 444 Rost, Maurus 226

578  Register

Rousseau, Jean Jacques 284 (Anm. 86) Rubeanus, Crotus 162, 174 (mit Anm. 154) Rudolf I., Askanierherzog 148 Rudolstadt 263 Rumphius, Georg Eberhard 366 Ruskin, John 448 Russland 319f., 324, 330, 349, 367, 431 Sibirienexpedition 355 Ruysch, Frederik 259 Sabinus, Georg 165, 177 sacre rappresentazioni 89 Saint Denis, Kathedrale 79 (mit Abb. 31), Klosterschatz (mit Abb. 10) 32f., 109f. Sakramente/Sakramentalien 34, 38f., 48f. Sakristei 39 Säkularisierung, sakrale 391f., 423 Salböl 49, 72 Salzburg 28f. Salzwedel 429f. Sammeln/Sammlung 141f., 152f., 157f. Abgusssammlungen 438, 439f. (mit Abb. 170), Raumnot 438f., 441f. Andachtsbilder in Italien – Reliquiare in Deutschland 188f. Autographensammlung 219 (Anm. 123) in Burgund 160 enzyklopädische Idee 182f. und Hybris 184 Klassifizierung 182f. Kunstsammeln 157–162 als „System von Copien“ 434ff. Ausdruck von magnificentia 162 im Mittelalter 141 in Mechelen 160 und Reisen 415 Reliquiensammler 157–162 (mit Abb. 76) Zeitenwende zwischen spätem Mittelalter und früher Neuzeit 142 Sankt Gallen 28 Sankt Petersburg 244, 353 Sarazenen 109 Sarkophage/Grabdenkmäler 8, 49, 151, 168ff., 214 (mit Anm. 89), 438, 439, 445 (mit Abb. 172) Brüder-Sarkophage 445 (mit Abb. 172) Junius-Bassus 420, 427–429, 439 ���������������������� Prometheus 395f., 421 Savary de Brèves, François 124

Schadaeus, Oseus 99f. Schaff, Philipp 431, 432, 439 Schapp, Wilhelm 220 Scharschmid, Justus Samuel 324 Schattenspiele 364 (mit Abb. 155) Schatzkammer 38f., 49; siehe auch Kirchenschatz Loreto 61f. (mit Abb. 23) Trier, St. Matthias 39 Vatikan, St. Peter 109 (Abb. 54b) Wien 178 (mit Abb. 83) Universitätsmuseum als Schatzhaus 408f. Schaulust und Frömmigkeit 74, 121, 458 und sola scriptura 401, 460 Schenitz, Anton 162 Schiller, Friedrich 373 Schilling, Diebold 112 (Abb. 56) Schinkel, Karl Friedrich 23, 410 Schleiermacher, Friedrich 393, 395, 399 Schlosser, Julius von 31, 132 (Anm. 456), 159, 213 (Anm. 85) Schlussstein 105 (mit Abb. 51) Schmalkaldischer Krieg 203 Schnaase, Karl 443, (Anm. 256), 450 Schneeschaufel 456 Schöne, Richard 420, 440 Schrader, Johannes 213 Schrank 49 (armarium), 119, 180, 357–367 (mit Abb. 153–156) als Behälter 358, 378f. als Bühne 366f., 378f. Schublade 180, 358, 359, 364 als Strukturmedium der Sammlung 366 Schrein 23f., 122f., 156, 166f., 178, 227, 429f., 463 Schultze, Viktor 425 Schwabe, Johann Gottlieb Samuel 218f. Schwäbisch Hall 62, 110 Schwan 211 Schwartz, Christian Friedrich 355 Seckendorff, Veit Ludwig von 208 (mit Abb. 97), 285, 320, 335 (mit Abb. 144) Semiophore 5, 199 Semler, Christoph 351f. Serfoji, Rajas von Thanjavar 355 Sevilla, Kathedrale 63, 94–96 (mit Abb. 42, 43) Shakespeare, William 205, 371 �������������������������������������� Shakespeare-Reliquien 205 (Anm. 41), 229, 241f., 264, 450

579  Register

Siebenbürgen 301f. Siebenjähriger Krieg 235, 373 Siena 108, 438 Signaturenlehre 285 Signorelli, Luca 121 (mit Abb. 62), Skelett 359f., 380, 398 Smith, Jeffrey Chipps 164 Smith, William Robertson 393 Soisson, Kathedrale 67 sola scriptura, siehe Textreligion Sommerard, Alexandre Du 421f. ��������������� (mit Abb. 165) soziales Elend 313f., 315 Spalatin, Georg 151, 175, 182 Spener, Philipp Jakob 312, 372 Spinoza, Baruch de 167, 305 Sprachphilosophie 285 Spur 50, 203, 449 Stahl, Georg Ernst 368 (Anm. 260), Stählin, Jacob 246 Stein/Gestein 122, 269, 283f., 364 (mit Abb. 156) Edelstein 26, 39, 52f., 152, 158, 164, 165f., 180, 185, 256, 324 Gemmen 123 Kameo 122 Marmor 122, 124 Metall 106, 185, 272f., 288, 442 Meteorit 74, 112–114 Mineralien 122, 273, 364 (Anm. 243) Perle 65f. (mit Abb. 26, mit Anm. 83), 77f., 126, 152, 164, 185 Porphyrstein 125 Ptolemäer-Kameo 122 (mit Abb. 64, 65) Salz 48 Steinaxt 93 Stillleben 114–118 (mit Abb. 59, 60), 363f. (mit Abb. 155), 275 (mit Abb. 122) Stimmer, Tobias 100, 129 Stralsund, Kathedrale 85 (mit Abb. 35), Nikolaikirche 42, 110 Straßburg, Münster 43, 80ff., 98ff., 102, 126, 128–132 (mit Abb. 67. 68) Stratford 229, 232 Straußenei 65 (mit Abb. 26, mit Anm. 83), 70f. (mit Abb. 28), 75–78 (mit Abb. 29), 348 als Reliquiar 108, 135, 185, 189, 190, 458, 463 Studierstube 3 (mit Abb. 1), 19, 24, 30, 119 (Anm. 399), 159, 241f. (mit Abb. 110),

260f. (mit Anm. 319), 267, 280 (mit Abb. 123), 294 (mit Abb. 129), 304 siehe auch Oratorium studiolo siehe Studierstube Stüler, Friedrich August 439 Stuhl/Gestühl 44, 118, 174, 224, 230f., 233, 240, 457 Sturm, Leonhard Christoph 340f., 358 zum Aufseher 366f. (mit Anm. 253) zum Schrank 363 Suger, Abt 32, 46 (Anm. 103), 47 (Anm. 111) Surrealismus 456, 458f. Sybel, Ludwig von 433 symbolische Bedeutung 117 tabula smaragdina 106 Taine, Hyppolite 391 Talbot, Eilliam Henry Fox 449 Tauschobjekte 158 Technik 34f., 128ff., 245, 256f., 267, 277 (Anm. 325), 296, 315, 351f. Tentzel, Wilhelm Ernst 221 Textreligion 7, 10, 18f., 148, 202f., 269, 279, 281f., 286 (mit Anm. 95), 289f., 304, 461, 463 sola scriptura und Schaulust 233, 248, 251, 381–383, 455, 460 Verbalpräsenz statt handelndes Bildwerk 85f. Thales 273 Theater/Schauspiel 287, 288, 290, 293, 298, 302, 304 (mit Abb. 136), 370ff. biblische Stoffe 375f. Brandkatastrophen als Strafgericht 373 (Anm. 291) als moralische Anstalt 373, 383 und Predigt 375 Schulkomödien 374f. sola scriptura 375 Theaterverbot 371ff. Theatralität 268, 284f., 287f., 305, 339, 377, 409 in der Kirche 35, 36ff., 145, 171f. Sainte Chapelle 39f. (mit Abb. 13, 14) Wissenstheater 287, 296, 370f., 377–384 (mit Abb. 156–160), 409, 463, des Fremden 358 theatrum 9, 88, 170, 268f. (Definition), 287– 289, 305, 460 als sakraler Gebäudetyp 25f.

580  Register



Amphitheatrum sapientia aeternae 291– 295 Theatrum Europaeum 69 theatrum gloriae dei 288f. theatrum mundi 305, 371f. (mit Anm. 281), 373 theatrum naturae et artis 20, 287f. theatrum sacrum theatrum scriptura 300 Theatrum universitatis rerum 298f. (mit Abb. 132), 301 Theodizee 284 Theodoret von Kyrrhos 56f. Theologie Erweckungstheologie 424, 432 der Hoffnung 312 und materielle Kultur 402f. und Mathematik 393 monumentale 387–451 natürliche 279, 289, 323 (Anm. 71) Orthodoxie 216, 267, 279ff., 305 Thingplatz 47 Thiofried von Echternach 18, 53 Tholuck, August 374 Thomas, Apostel 6, 121 Thomas Cantimpratensis 80 Thomas von Aquin 48, 116 Thomasius, Christian 330 (mit Abb. 139) Thorwaldsen, Berthel 424 Thun, Guidobald Graf 28 Tiere/Tierrelikte 274, siehe auch Horn, Wasser- und Weichtiere Adler 108, 343, 368 Elefant 62, 90, Elefantenstoßzahn/-rippe 70, 94 (mit Abb. 42), 98 (mit Abb. 44), 108f. (mit Abb. 54a, 54b) Frosch/Kröte 67 Hahn 100f., 129, 192f. (mit Abb. 91, 92) Hirsch 67, 156 Hund 67 Katzenhai 85 (mit Abb. 35) Krokodil 25, 63f. (mit Abb. 24), 69, 94f., 106 (mit Abb. 52), 135, 379, 458, 463 Mammut/Mammutstoßzahn 90f. (mit Abb. 38), 97, 110f. (mit Abb. 55) Narwalzähne 69, 109, 135 Nashorn (Rhinozeros) 90, 91 (Anm. 306) Reptilien 276 Schildkröte 66, 92 Schlange 67, 82, 271 (Abb. 120), 276, 278



Wal/Walfischknochen 62, 68, 73, 90f. (mit Abb. 37), 93f., 97 (mit Abb. 44, 45), 221f. (mit Abb. 100, Anm. 137), 249 (Abb. 113), 348, 380 Tizian 36 Tomasini, Giacomo Filipo 229 Torgau 149, 179, 201, 242 Totentanz, Bilderzyklus 255, 256 Transsubstantiation 70 Trient 161, Konzil 210 Trier 39, 418, 450 Troeltsch, Ernst 325 trompe l´œil 118–122 (mit Abb. 63), 136, 270, 363 (mit Abb. 155), 378, 464 Trophäe 70, 109, 158, 212 Tübingen 296, 298, 402 Türken 70, 124, 248, 324 Überlingen 42 (mit Abb. 15) Uffenbach, Conrad von 252 Universität 155, 158, 162 Universitätsmuseum 385, 389ff., 407f. Christlich-archäologische Kunstsammlung allg. zur Namensgebung 423f. Ausstellungsparcours 419–423 Bildmedien 434–451 (mit Abb. 169–173) Erwerbungspolitik 414–416 Finanzierung 412 Raumbeschreibung/Grundriss 412f. (mit Abb. 164) globale Kontakte 431–434 (mit Abb. 168) Inventarisierung 418f. Lehr- und Schausammlung 408–412 Öffentlichkeitsarbeit/Werbung 407, 410f. Unterrichtspraxis 416f. Urbino 119 Urlsperger, Samuel 330 (Anm. 102), 352 (Anm. 194) Usener, Hermann 398 Utopie 310 Christianapolis 296f. (mit Abb. 130), 301, 327 (mit Anm. 91) Nova Atlantis 321 Utrecht 156, Kathedrale 80 (mit Abb. 32) Uvarov, Graf Aleksej 431

581  Register

Valentini. Michael Bernhard 33, 220 Vasari, Giorgio 133 Vater, Abraham 259 Vaucanson, Jacques 352 (Anm. 194) Vehe, Michael 162 Velten, Catharina Elisabeth 373f. (mit Anm. 296) Venedig 109, 124, 189 San Antonio di Castello 60 (Abb. 22) San Giorgio Maggiore 124, 127 San Marco 70, 79f., 125, 419 San Salvador 36 Scuola di San Giorgio degli Schiavoni 3 (mit Abb. 1) Verona 415 Naturalienkabinett 191 (Anm. 234), 268 S. Maria in Organo 38 Santuario della Madonna delle Pace 63 Viacenza 128 Villard de Honnecourt 108 Viollet-le-Duc, Eugène 440 Virchow, Rudolf 398, 404f., 419 Vockerodt, Gottfried 373, 374, 375 Vogt, Jakob 154 Volksreligiosität 183 und Denkmäler 401f. im Protestantismus 216f. Voltaire 371 Votive 56–62, 135 Definition 58 naturalistische Wachsfiguren 61, 132–134 (mit Abb. 69, 70) Votivsammlungen 59ff. ���������������������������������������� Curtatone bei Mantua, Santa Maria delle Grazie 61 ��������������������������� Loreto 61f. (mit Abb. 23) Montserrat 59f. (mit Abb. 21) Waagen, Gustav Friedrich 411, 425, 450 Wachsfigur 127, 132–134 (mit Abb. 69, 70), 222f., 458 Wackeroder, Wilhelm H. 24 Wahrnehmung eidetisch 283 haptisch 119, 121, 264, 310 unmittelbare 114, 119, 381f., 461, 463 Warburg, Aby 132 Wartburg 200, 249 (mit Abb. 113), 235, 263 Wasser 48, 270, 273, 286

Wasser- und Weichtiere 270, 274, 277f. Muschel 3 (mit Abb. 2), 69, 77, 189, 269, 262 (Abb. 120), 276, 277f. (mit Anm. 54), siehe auch Perle unter Stein/Gestein Nautilus 71, 190ff. (mit Abb. 89, 90, 92) Schnecke 277f. Weber, Max 317 Weihwasser 48f. Weimar 149, 154, 214, 236 Welfenschatz 70, 224, 227 Weltreformation 313f., 326 Wendeler, Camillus 406f. Wenzel, Horst 33 Werkzeug 316f., 318, 351, siehe auch Instrumente Wertinger, Hans 57 (mit Abb. 20) Wettiner 151 Widukind 151 Wien Friedhofskapelle des Spitals 73 Hofburg (Schatzkammer) 122, 178 (mit Abb. 83) Heiligtumsbuch 193 (Anm. 242) Kunsthistorisches Museum 122 Museum für Kunst und Industrie 440 Stephansdom 50, 67, 91 (mit Anm. 38) Wilhelm I., Kaiser 451 Willebrand, Johann Peter 339f. Wilmowsky, Johann Nikolaus von 418, 450 Wimpfeling, Jakob 133 Wissenschaftspolitik 411f. (mit Anm. 124) Witt, Jan de 212 (Anm. 82) Wittenberg 233, 252, 463 Allerheiligenstift 149 (mit Abb. 73) Augustiner-Eremitenkloster 233, 240 (mit Anm. 223), 242 Bibliothek 158, 261f., Ungarische Biblio­ thek 262 biblisches Mnemotop 236 Collegium Augusteum 235, 242, 257–263 (mit Abb. 118, 119), 380 (mit Anm. 323), Erinnerungsorte 234–238 (mit Abb. 108) Gedenkstätten der Reformation 235f. Leucorea 143 Lutherhaus 233, 238–244 (mit Abb. 109) Lutherstube 19, 233, 238 244–249 Monumente des Ewigen 232f. Schlosskirche Wittenberg 97 (mit Abb. 44), 138, 142, 184, 195f., 246, Ausstattung

582  Register

163, 170f. (mit Abb. 80, 81), als Gehäuse einer Reliquiensammlung 169f. (mit Abb. 81), als Denkmal der Reformation 169, zwischen Theater und Museum 170f. Stadtkirche 238 Theologische Fakultät 212 Vergleich mit Jerusalem 236 Vergleich mit Rom 144 (Anm. 17), 244 als Wallfahrtsort 244 Wittgenstein, Ludwig 463 (Anm. 36) Wohnen 238f., 240, 243 Wohnstätten von Berühmtheiten 238f. Wolfenbüttel Bibliothek 250 Ritterakademie 341 (mit Abb. 149) ������������� Zeughaus 225 Wolff, Christian 352f. Worm Ole 110, 291 Worms 100 (Anm. 333), 217

Wunder, biblisch 130 miracula und mirabilia 72, 183 Naturwunder 122, 217 Wunderglaube 216, 232, 251 Wurmser, Nikolaus 146 (Abb. 71) Yates, Frances A. 370 (Anm. 274) Zanca, Attilio 106 Zensur 281f. Zeuxis-Anekdote 274 Ziegenhagen, Franz Heinrich 356 Zölibat 240 Zufallsbilder 114, 122–127, 136, 217, 457, 464 Kongruenz von Bild und Ding 125, 464 Madonnenbild auf Perle 126 Zürich 212, 371 Zwinger, Theodor 294 Zwingli, Hyldrich, Reliquien 212

Bildnachweis

Wir haben uns bemüht, die Rechte für alle Abbildungen einzuholen. Sollte es uns in Einzelfällen nicht gelungen sein, Rechteinhaber zu kontaktieren, so bitten wir diese, sich beim Verlag zu melden.

1, 2: Prometheus, Bildvorlage: Giandomenico Romanelli (Hrsg.), Venedig I. Kunst & Architektur, Köln 1997, S. 280; 3: Postkarte, Foto (Archivo APT-Mantova Toni Lodigiani); 4: Monsignore Ulisse Bresciani/Roberto Brunelli, Mantua – die Basilika von St. Andreas und die heiligen Kelche (o.-D.), S. 4; 5: Ausstellungskatalog Braunschweig (2004), S. 131; 6: Prometheus, Bildvorlage: Mauro Lucco (Hrsg.): Antonello da Messina. l‘opera completa, Mailand 2006, S. 213; 7: Happel (1687); 8: Bredekamp (2004), S. 32; 9: Klamt (1999), S. 341; 9a: Gregor M. Lechner/Michael Grünwald, Stift Göttweig. Gottfried Bessel (1672–1749) und das barocke Göttweig (Ausstellungskatalog), Bad Vöslau 1999, S. 154; 10: Klamt (1999), S. 2; 11: Ernst Günter Grimme, Goldschmiedekunst im Mittelalter. Form und Bedeutung des Reliquiars von 800 bis 1500, Köln 1972, Abb. VII; 12: Le trésor de Saint-Denis (1991); 13, 14 : Schellewald (2010), S. 164, 165; 15: Foto (Stefan Laube); 16: Bruno Latour/Peter Weibel (Hrsg.), Iconoclash. Beyond the Image Wars in Science, Religion, and Art, Karlsruhe/Cambridge, Mass. 2002, S. 213; 17: Foto (Stefan Laube); 18: Harald Meller/Ingo Mundt/Boje E. Hans Schmuhl (Hrsg.), Der Heilige Schatz im Dom zu Halberstadt, Regensburg 2008, S. 100; 19: Jörg Richter/Holger Kunde u.a., Sachsen-Anhalts Domschätze, Wernigerode 2008, S. 21; 20, 21: Kriss-Rettenbeck (1972), S. 62 (Abb. 9), S. 133; 22: Bock (2005), S. 161; 23: Floriani Grimaldi, Loreto. Basilica Santa Casa, Bologna 1975, Abb. 450; 24: Macchi (1627), S. 53 (Exemplar Staatsbibliothek Berlin Nv 8146); 25: Prometheus, Bildvorlage: Ettore Camesasca, Mantegna, Florenz 1981, S. 68; 26: Prometheus, Bildvorlage: Birgit Laskowski, Piero della Francesca. 1416/1417–1492, Köln 1998, Abb. 75; 27: Michael Camille, Gothic Art. Vision and Revelations of the Medieval World, London 1996; S. 135; 28: Harald Meller/Ingo Mundt/Boje E. Hans Schmuhl (Hrsg.), Der Heilige Schatz im Dom zu Halberstadt, Regensburg 2008, S. 119; 29: Bock (2005), S. 69; 30: Valentini (1714), Teil 1, S. 481; 31: www.galerie.roi-president.com/photo-32-66h%f4tel+de+cluny+et+thermes+gallo-romain+musee+du+moyen+age. html [letzter Zugriff: 29. Juli 2010]; 32: Os (2001), S. 177; 33: Lugli (1983), Tafel 3; 34: http://rubell. files.wordpress.eom/20u9/U//graouiiy-16thI.jpeg [letzter Zugriff 14. März 2010]; 35: Foto (Gemeinde St. Nikolai, Stralsund); 36: Martin (1983), S. 187; 37: http://www.st-johann-baptist.de/ Bilder/KichorAusflug2007/105%20Alpirsbach%20Wirbel%20eines%20Mammuts.ipg. [letzter Zu­ griff 26. März 2010]; 38: http://austria-lexikon.at/attachAVissenssammlungen/Symbole/Stephansdom/ mammutknochen_96.jpg [letzter Zugriff 28. März 2010]; 39: Firlet (1996), Abb. 72; 40: Foto (Stefan Laube); 41: Monumente Online, April 2008 [letzter Zugriff, 16. April 2009]; 42: Alfonso Jimenéz Martín, El Patio de los Naranjos y la Giralda, in: La Catedral de Sevilla, Sevilla 1991, S. 94; 43: La Catedral de Sevilla. ������������������������������������������������������ Comisaria de la Cuidad de Sevilla parar 1992. Textos:

584  Bildnachweis

Enrique Valdivieso. Fotos ������������������������������������������������� Arenas, Sevilla 1992 (hinten ausklappbar); 44: ������������������������� Martin Steffens/Insa Christiane Hennen (Hrsg.), Von der Kapelle zum Nationaldenkmal. Die Wittenberger Schlosskirche, Wittenberg 1998, S. 139; 45: 500 Jahre Universität Halle-Wittenberg. Die Wittenberger und ihre Universität. Herausgeber: Lutherstadt Wittenberg, Redaktion: Stadtgeschichtliches Zentrum, Wittenberg 2002, S. 9; 46: Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Weimar, Reg. 0213, fol. 39; 47: Prometheus, Bild­vorlage: Foto (Bayerische Staatsbibliothek München); 48, 49: Cécile Dupeux u.a. (Hrsg.), Bildersturm. Wahnsinn ������������������������������������������������������� oder Gottes Wille, Ausstellungskatalog, Basel/ Straßburg 2000, S. 242; 50, 51, 52, 53: Attilio Zanca/Guiseppe Papagno/Piero Coda/Roberto Brunelli/Renzo Margonari/Carlo Prandi, Santa Maria delle Grazie sei secoli matovani di arte storia e devozione, Mantua 1999, Vorsatz, S. 182, 188, 185; 54a: Die Schatzkammer der Peterskirche im Vatikan. ������������������������������������������������������������ Führer des kunstgeschichtlichen Museums, Rom 2009, S. 78f.; ������������������ 54b: Foto (Stefan Laube); 55: Beyschlag (1734), Frontispiz; 56: Bühler (1988), S. 17; 57: Bynum (2006), Tafel 29; 58: Norbert Schneider, Stilleben. Realität und Symbolik der Dinge. Die Stillebenmalerei der frühen Neuzeit, Köln 2003, S. 11; 59, 60: Peter Schmidt, Der Genter Altar (Ludion Guides), o.J., S. 18; 61: Prometheus, Bildvorlage: Steffi Roettgen, Wandmalerei der Frührenaissance in Italien, Bd. 2, München 1997; 62, 63: Floriano Grimaldi, Loreto. Basilica Santa Casa, Bologna 1975, Abb. 162, 189; 64, 65: Zwierlein-Diehl (1998), S. 15, 61; 66: Die Entdeckung der Natur. Naturalien in den Kunstkammern des 16. und 17. Jahrhunderts. Bearbeitet von Alfred Auer u.a., hrsg. von Wilfried Seipel, Wien 2006, S. 62; 67: Bach/Rieb (1993), S. 17; 68: Cabinet des Estampes et des Dessins, Strasbourg; 70: Attilio Zanca/Guiseppe Papagno/Piero Coda/Roberto Brunelli/Renzo Margonari/Carlo Prandi, Santa Maria delle Grazie sei secoli matovani di arte storia e devozione, Mantua 1999, S. 119, 159; 71: Jiří Fajt (Hrsg.), Karl IV. Kaiser von Gottes Gnaden. Kunst und Repräsentation des Hauses Luxemburg 1310–1347, München 2006, S. 136; 72: Hans Hoffmeister/Volker Wahl (Hrsg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte, Arnstadt 1999, S. 123; 73: Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Reg. 0213, fol. 75; 74, 75: Prachtcodex, Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 14, fol. 2v, 227v aus Hallesches Heiltum (1526, 2002); 76: Ausstellungskatalog Halle (2006), II, S. 121; 77: Die Marienbibliothek in Halle (Saale), München 2009 (DKV-Kunstführer, Nr. 657), S. 2; 78: Scholz (1998), S. 422; 79: Ausstellungskatalog Halle (2006), II, S. 194; 80: Martin Steffens/Insa Christiane Hennen (Hrsg.), Von der Kapelle zum Nationaldenkmal. Die Wittenberger Schlosskirche, Wittenberg 1998, S. 12; 81: Steffens (2008), S. 238; 82: Ausstellungskatalog Halle (2006), II, S. 322; 83: Schnapp (1993, 2009), S. 185; 84: Cárdenas (2002), S. 86f.; 85, 86, 87: Prachtcodex, Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 14, fol. 367v, 94v, 120v, aus Hallesches Heiltum (1526, 2002); 88: Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Reg. 0213, fol. 92; 89: Jean Louis Sponsel, Das Grüne Gewölbe zu Dresden. Eine Auswahl von Meisterwerken der Goldschmiedekunst in vier Bänden, Band 1, Leipzig 1925, S. 158 (Tafel 42); 90: Prachtcodex, Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 14, fol. 381v, aus Hallesches Heiltum (1526, 2002); 91, 92: Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Reg. 0213, fol. 92; 93: Pfeiffer (1981), S. 8; 94: Das Grüne Gewölbe zu Dresden. Führer durch seine Sammlungen. Herausgegeben von Dirk Syndram unter Mitarbeit von Ulli Arnold und Jutta Kappel, 2. Aufl., München/Berlin 1997, S. 38; 95: Kunstsammlungen, Veste Coburg; 96: Johann Fischart. Der Heilig Brotkorb Der h. Römischen Reliquien, oder Würdigen Heiligthumsprocken, Christlingen (Straßburg) 1583 (Exemplar Halle, Universitäts- und Landesbibliothek, AB 50 B 13/h, 38, 1); 97: Strauch (2005), S. 167; 98, 99: Ausstellungskatalog Halle (2008), S. 161, 101; 100: Richter (2003), S. 168; 101: Ausstellungskatalog Halle (2008), S. 311; 102: Laube (2003), S. 362; 103: Kammer (1996), S. 26; 104: Ausstellungskatalog Bonn (1994), S. 39; 105: Ausstellungskatalog Braunschweig (2004), S. 119; 106, 107: Joestel/ Strehle (2003), S. 45, 46; 108: Treu (2003), S. 58; 109: Laube (2003), S. 65; 110: Prometheus, Bildvorlage: Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek; 111: Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt (Wittenberg); 112: Laube (2003), S. 105; 113: Steffens (2008), S. 189, aus: Paul Lehfeld/Georg Voß, Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft 41, Amtsgerichtsbezirk

585  Bildnachweis

Eisenach, Jena 1917; 114: Ausstellungskatalog Bonn (1994), S. 37; 115, 116: Foto (Lutz Edelhoff), Bibliothek des Evangelischen Ministeriums Erfurt; 117: Hotzel (1971), S. 63; 118: Denkmale der Lutherstadt (1979), Tafel 41; 119: Laube (2003), S. 105; 120: Martin Kemp, Bilderwissen. Die Anschaulichkeit naturwissenschaftlicher Phänomene, Köln 2003, S. 33; 121: Frank Lestringant (Hrsg.), Bernard Palissy. L´écrivain – le reformé – le céramiste, Kolloquium, 29.–30. Juni 1990 in Saintes, Saint-Pierre-du Mont 1992; 122: Friedrich Piel, Albrecht Dürer Aquarelle und Zeichnungen, Köln 1983, Tafel 52; 123: Jakob Böhme, Alle de Theosoophsche of Godwijze Werken (…) Amsterdam 1686, (Exemplar Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, Görlitz); 124: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign.: Cod. Guelf. 62 Noviss.; 125: Bruno Latour/Peter Weibel (Hrsg.), Iconoclash. Beyond the Image Wars in Science, Religion, and Art, Karlsruhe/ Cambridge, Mass. 2002, S. 197; 126: Patrick Mauriès, Das Kuriositätenkabinett, Köln 2002, S. 16f.; 127, 128: Foto (Stefan Laube), (Exemplar Staatsbibliothek Berlin 4“ Nb 587); 129: Manuel Bachmann/Thomas Hofmeister, Geheimnisse der Alchemie (Begleitbuch zu einer Ausstellung des Instituts für Geschichte und Hermeneutik der Geheimwissenschaften in Basel), Basel 1999; 130: Ausstellungskatalog Halle (2010), S. 72; 131: Johann Valentin Andreae 1586– 1986. Die Manifeste der Rosenkreuzerbruderschaft, Katalog einer Ausstellung in der Bibliotheca Philosophica Hermetica, Amsterdam 1986, S. 112; 132: Jan Amos Comenius, Allweisheit. Schriften zur Reform der Wissenschaften der Bildung und des gesellschaftlichen Lebens. Eingeleitet, ausgewählt, übersetzt und erläutert von Franz Hofmann. Jubiläumsausgabe, Neuwied/Berlin 1992, S. 291; 133: Klaus Goßmann/Henning Schröer (Hrsg.), Auf den Spuren des Comenius. Texte zu Leben, Werk und Wirkung, Göttingen 1992, S. 76; 134, 135: Jan Amos Comenius, Centrum Securitatis nach der deutschen Ausgabe von Andreas Macher aus dem Jahre 1737, hrsg. von Klaus Schaller, Heidelberg 1964, Abbildungsteil zwischen S. 54 und 55; 136: Comenius (1760), S. 513; 137: Ausstellungskatalog Halle (2010), S. 105; 138: Ausstellungskatalog Halle (1998), S. 77; 139, 140, 141: Archiv der Franckeschen Stiftungen Sa 0036, M2054, M2053; 142, 143: Obst/Raabe (2000), S. 64, 79; 144: Ausstellungskatalog Wolfenbüttel (1984), S. 12; 145, 146, 147 Ausstellungskatalog Halle (2010), S. 94, 34, 256, Foto (Horst Fechner), 148: Axt (2004), S. 44; 148a: Ausstellungskatalog Halle (2010), S. 92; 149: Ausstellungskatalog Wolfenbüttel (1984), S. 210; 150: Foto (Stefan Laube); 151: Arndt (1696), S. 638f.; 152: Klamt (1999), S. 352; 153: Obst/Raabe (2000), S. 79; 154, 155, 156: Müller-Bahlke (1998), S. 9, 34, 42 Foto (Klaus E. Göltz); 157: Foto (Stefan Laube); 158 Foto (Klaus E. Göltz) aus: Müller-Bahlke (1998); 159: Archiv der Franckschen Stiftungen, M1039; 160, 161: Müller-Bahlke (1998), Vorsatz, Foto (Klaus E. Göltz); 111, 112; 162: Piper (1897), Frontispiz; 163: Piper (1846); 164: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz; 165: Alexandre Du Sommerard, Les Arts au Moyen Age, 1838/1846, Kapitel II, Tafel VI; 166: Leihgabe der Theologischen Fakultät für das Museum für Byzantinische Kunst (Bode-Museum); 167: Foto (Peter Knüvener); 168: Ehrengard Meyer-Landrut, Meerbusch, Foto (Stefan Laube); 169: Frederic W. Maynard, Descriptive Notice of the Drawings and Publications of the Arundel Society. Illustrated by Photographs of all the Publications, London 1869–1873; 170: Borbein (2000), S. XIII (Fig. 7); 171: Ausstellungskatalog Frankfurt am Main (1988), S. 108; 172, 173: Theo­logische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin, Foto (Stefan Laube)