Von der Antidiskriminierung zum Diversity-Management: Ein Leitfaden 9783666491306, 9783525491300


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Von der Antidiskriminierung zum Diversity-Management: Ein Leitfaden
 9783666491306, 9783525491300

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Peter Döge

Von der Antidiskriminierung zum Diversity-Management Ein Leitfaden Mit 15 Abbildungen und 10 Tabellen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-49130-0

© 2008 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: m Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf altersbeständigem Papier

Inhalt

1 Vielfalt produktiv gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Von der Antidiskriminierung zum Managing Diversity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Warum Managing Diversity? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Selbstorganisationskompetenz stärken – Aufbau des Leitfadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Der Umgang mit Unterschieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Merkmale von Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Stereotype und Normalitätskultur . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Warum gibt es überall auf der Welt Dominanzkulturen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Managing Diversity – Stärkung des reflexiven Potenzials von Menschen und Organisationen . . . . . 2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 7 8 11 13 13 17 21 27 29

3 Antidiskriminierung, Chancengleichheit und Managing Diversity – Begriffsbestimmungen . . . . . . . . .

31

3.1 Antidiskriminierung und Gleichstellung . . . . . . . . . 3.2 Managing Diversity und Multikulturalität . . . . . . . . 3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 32 33

4 Was ist Kultur? – Kulturdimensionen und Kulturebenen 4.1 Kulturdimension Mensch – Umwelt . . . . . . . . . . . . . 4.2 Kulturdimension Geschlechterverhältnis . . . . . . . . . 4.3 Kulturdimension soziale Interaktion (Mensch – Mensch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Kulturdimension Selbstbewusstsein (Mensch – Universum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 37 40 48 57

Inhalt

6 4.5 Kultur als Lebensmuster von Gemeinschaften und Individuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 64

5 Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen – Schritte der Umsetzung . . . . . .

67

5.1 5.2 5.3 5.4

Der Ex-post-Diversity-Check . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ex-ante-Diversity-Check . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bausteine der Umsetzung von Managing Diversity . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 75 78 93

6 Managing Diversity – Vielfalt nach innen und nach außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

Stichwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

1 Vielfalt produktiv gestalten

Vielfalt ist in den letzten Jahren zunehmend zu einem bedeutsamen Thema in den Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften geworden, dies ist insbesondere im Kontext einer zunehmenden Individualisierung in den westlichen Gesellschaften, der Globalisierung und des demografischen Wandels zu sehen. Lebensstile pluralisieren sich, Lebensbiografien von Frauen und Männern werden vielfältiger, Kontakte zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen nehmen zu, Belegschaften und Kunden werden multikulturell.

1.1 Von der Antidiskriminierung zum Managing Diversity Vor diesem Hintergrund steht die Aufgabe der Gestaltung eines benachteiligungsfreien Miteinanders von Menschen in Organisationen seit Jahren unter den Überschriften Antidiskriminierung und Chancengleichheit auf der politischen Agenda. Ausgehend vom Vertrag von Amsterdam wurden dementsprechend seit Beginn des Jahres 2000 auf Ebene der Europäischen Union unterschiedliche Richtlinien erlassen, die die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, Benachteiligungen aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Identität und Geschlecht am Arbeitsplatz beziehungsweise im Zugang zu sozialrechtlichen Angeboten zu beseitigen. Hieran anknüpfend wurde im Jahr 2006 in der Bundesrepublik Deutschland das sogenannte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verabschiedet, das Benachteiligungen vor allem am Arbeitsplatz und bei zivilrechtlichen Transaktionen verhindern soll.

8

Vielfalt produktiv gestalten

Das Konzept des Managing Diversity, das etwa seit Ende der 1980er Jahre diskutiert wird, wendet diesen Antidiskriminierungsauftrag ins Positive und will Vielfalt produktiv gestalten. Vielfalt innerhalb einer Belegschaft wird als bedeutende Organisationsressource gesehen. Mit dieser Perspektive integriert Managing Diversity bisher isoliert nebeneinanderstehende Konzepte wie Gleichstellung, Antidiskriminierung, Frauenförderung, Work-LifeBalance und Ansätze familienbewusster Personalpolitik in ein Gesamtkonzept.

1.2 Warum Managing Diversity? Die bisherigen Erfahrungen bei der Umsetzung von Managing Diversity, die sich weitgehend auf den Bereich der privaten Wirtschaft beschränken, zeigen, dass die produktive Gestaltung von Vielfalt Vorteile beim Personalmarketing nach sich ziehen, zusätzliche Kreativitäts- und Effektivitätspotenziale erschließen sowie zur Kostenreduktion beitragen kann (vgl. auch Cox 2001, S. 24 ff.; Krell 2000, S. 105 ff.). So führt Managing Diversity beispielsweise zur Steigerung der Motivation bei den Mitarbeitenden, zur Reduktion von Stress und damit verbunden zur Reduktion von stressbedingten Krankheiten, zur Reduktion von Folgekosten resultierend aus Mobbing und Diskriminierung. Managing Diversity kann helfen, neue Synergien von Talenten und Fähigkeiten in heterogen zusammengesetzten und entsprechend geleiteten Teams zu bilden sowie komplexere Problemlösungsstrategien und offenere Kommunikationskulturen zu etablieren. Offene Kommunikationskulturen bilden wiederum einen zentralen Baustein für ein dynamisches Innovationsmanagement (Schröder 2004). Innovative Organisationen wiederum sind in einer offenen und unbestimmten Umwelt überlebensfähiger als monolithischstatische, denn sie können schneller auf neue Umweltbedingungen reagieren und die jeweils erforderlichen Strategien entwickeln. Von daher verwundert es nicht, dass mittlerweile zahlreiche Industrieunternehmen in unterschiedlicher Weise das Konzept des Managing Diversity implementieren. Als besonders gelungen gilt gemeinhin die Strategie bei der Ford AG, bei der im Jahr

Warum Managing Diversity?

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2002 die Betriebsvereinbarung zum partnerschaftlichen Verhalten am Arbeitsplatz in Kraft trat (Ford-Werke AG 2002). Das Diversity-Konzept von Ford beinhaltet Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur stärkeren Berücksichtigung der Belange ausländischer, homosexueller oder behinderter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Aktionen zur Erhöhung des Frauenanteils im Management und in technischen Berufen. Koordiniert werden diese Aktivitäten seit dem Jahr 2001 von einer Diversity-Managerin, die von einem Diversity-Council unterstützt wird, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Unternehmensebenen und -bereichen vertreten sind. Integraler Bestandteil des Konzepts sind zudem Sensibilisierungstrainings mit unterschiedlichen Gruppen und Hierarchiestufen im Unternehmen. Ähnlich angelegte und ausgerichtete DiversityKonzepte finden sich in Unternehmen wie beispielsweise der DaimlerChrysler AG, Hewlett-Packard, der Commerzbank und der Deutschen Lufthansa AG. Ausgehend von einer sehr heterogen zusammengesetzten Mitarbeiterschaft – bei der Lufthansa sind Menschen aus 150 Nationen beschäftigt – wurde im Jahr 2001 die Organisationseinheit »Change Management und Diversity« geschaffen. Ähnlich wie bei Ford beinhaltet das seitdem umgesetzte Konzept Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zur besseren Integration älterer und behinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie zur Förderung von Frauen. Hinzu kommen Maßnahmen, die die Diskriminierung homosexueller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verhindern sollen. Kaum umgesetzt wird Managing Diversity bisher im NonProfit-Bereich und im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Ausnahmen sind hier in der Bundesrepublik Deutschland die Bundesgeschäftsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bonn, wo im Jahr 2001 ein Managing-Diversity-Implementierungsprozess begann. Zur Bestandsaufnahme und zur Formulierung von Handlungsoptionen wurde zunächst eine Diversity-Arbeitsgruppe eingerichtet. Aufbauend auf den Empfehlungen dieser Gruppe wurden Maßnahmen vor allem im Bereich der Mitarbeitenden- und Führungskräfte-Sensibilisierung, der Personalrekrutierung und Personalentwicklung sowie Leitbildgestaltung entwickelt.

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Vielfalt produktiv gestalten

Als Beispiel für die Umsetzung von Managing Diversity in einer öffentlichen Verwaltung kann die schwedische Kommune Uppsala gesehen werden (Hansen 2005). Die hier entwickelte Strategie integriert unter anderem Ansätze zur Herstellung von Chancengleichheit von Frauen und Männern, von Menschen mit Migrationshintergrund sowie von Menschen mit Behinderungen. In diesen Handlungsfeldern ist jede Abteilung der Stadtverwaltung aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu entwickeln, die den Anteil der jeweils unterrepräsentierten Merkmalsgruppe an den Beschäftigten erhöhen sowie diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren und Arbeitsbedingungen garantieren. Ebenso müssen Strategien erarbeitet werden, die es ermöglichen, dass die ausgewählten Merkmalsgruppen einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Angeboten der Kommune haben. Bestandteil der Diversity-Strategie sind weiterhin Diversity-Sensibilisierungsseminare, die im Rahmen der Fort- und Weiterbildung angeboten werden, wobei die Teilnahme an einem grundlegenden Eintagesseminar verpflichtend für die Führungskräfte ist. Koordiniert werden die Maßnahmen durch eine Diversity-Beauftragte, die wiederum von einem internen Diversity-Netzwerk unterstützt wird. Die Mitglieder dieses Netzwerkes mussten am Beginn ihrer Tätigkeit ein Training »Vielfalt und Dialog« absolvieren. In Zukunft wird sich auch in der Bundesrepublik Deutschland der Bereich der öffentlichen Verwaltung dem Managing-Diversity-Konzept nicht mehr verschließen können. Denn mit der Verpflichtung zur Gestaltung benachteiligungsfreier Arbeitsbedingungen und Personalrekrutierungsstrategien durch das AGG ist ein erster Schritt in Richtung Managing Diversity erfolgt. Gleiches gilt auch für Einrichtungen im Non-Profit-Sektor. Zudem könnte in Verbänden und Projekten mit der Umsetzung des ManagingDiversity-Konzepts ein bedeutender Schritt zu einem verbesserten Qualitätsmanagement im Sinne einer noch zielgruppengenaueren Entwicklung von Angeboten und Maßnahmen geleistet werden.

Selbstorganisationskompetenz stärken

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1.3 Selbstorganisationskompetenz stärken – Aufbau des Leitfadens Vor diesem Hintergrund will dieser Leitfaden Hilfestellung geben bei der Umsetzung des Konzepts in unterschiedlichen Organisationen – insbesondere in Verwaltungen, Verbänden und Vereinen sowie in Projekten und Arbeitsgruppen. Die dargestellte Methodik basiert zum einen auf der wissenschaftlichen Auswertung von über 300 Beratungs- und Trainingsveranstaltungen, die in den vergangenen Jahren zu unterschiedlichen Aspekten von Diversity Management vom Autor durchgeführt wurden, sowie andererseits auf der wissenschaftlichen Reflexion der Ergebnisse der Begleitung von Umsetzungsprozessen von Chancengleichheitsstrategien in staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen am Berliner »Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung e. V.« (IAIZ). Wie die allgemeine Forschungs- und Beratungsarbeit am IAIZ ist auch der vorliegende Leitfaden aus einer interdisziplinären Sichtweise formuliert. Dementsprechend führt er sozial- und kulturwissenschaftliche Ansätze mit Ansätzen der Evolutionsbiologie und -psychologie zusammen. Dies erscheint zur Formulierung von Managing-Diversity-Strategien, die den Menschen als ein Lebewesen nicht aus den Augen verlieren wollen, unumgänglich. Denn es sind die jeweils in den Organisationen vorfindbaren Menschen, die im alltäglichen Miteinander eine benachteiligungsfreie Organisationskultur aufbauen müssen. Eine solche kann niemals ausschließlich »von oben« verordnet werden. In diesem Sinne will der Leitfaden vor allem einen Beitrag zur Stärkung der Selbstorganisationskompetenz der beteiligten und interessierten Akteure leisten. Der Leitfaden konzentriert sich von daher auf eine handlungsorientierte Darstellung und Erläuterung zentraler Begriffe, Konzepte, Bausteine und Instrumente, sodass es möglich wird, Strategien zu entwickeln, die für den jeweiligen Organisationstyp passgenau sind. Ausgangspunkt des Leitfadens bildet die Darstellung des Umgangs mit Unterschieden zwischen Menschen im Allgemeinen (Kapitel 2). Daran anschließend erfolgt eine Gegenüberstellung der Konzepte »Antidiskriminierung«

12

Vielfalt produktiv gestalten

und »Managing Diversity« (Kapitel 3), um nach einer eingehenden Klärung des für das Konzept zentralen Kulturbegriffs (Kapitel 4) eine Methodik zur Umsetzung von Managing Diversity in Organisationen zu entwickeln (Kapitel 5). In diesem Zusammenhang werden auch zentrale Bausteine zur Umsetzung von Managing Diversity dargestellt. Mit der Dialogmethode wird in diesem Zusammenhang ein Instrument der partizipativen Strategiebildung vorgestellt. Kapitel 6 beinhaltet einen Ausblick. In einer handlungsorientierten Ausrichtung werden am Ende eines jeden Kapitels dessen zentrale Inhalte thesenförmig formuliert. Empfehlungen zur weiterführenden Literatur beschließen den Leitfaden. Der Leitfaden hätte nicht die vorliegende Form, wenn er nicht durch textarbeit Berlin in so hervorragender Weise lektorierend begleitet worden wäre.

2 Der Umgang mit Unterschieden

Obwohl es nur eine Menschheit gibt, unterscheiden sich Menschen auf vielfältige Art und Weise: Es gibt große und kleine Menschen, es gibt Menschen, die Kinder gebären können, es gibt Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe und unterschiedlichem Aussehen. Menschen leben in unterschiedlichen Regionen, glauben an unterschiedliche Götter, haben unterschiedliche Weltanschauungen, ernähren sich auf vielfältige Weise und haben jeweils spezifische Formen des Verhaltens von Frauen und Männern: Die Erscheinungsformen des Homo sapiens sind beeindruckend vielfältig.1

2.1 Merkmale von Menschen Zum vereinfachten Umgang mit unterschiedlichen Merkmalen können diese grob in zwei große Gruppen aufgeteilt werden: in körperlich-biologische Merkmale auf der einen und soziokulturelle Merkmale auf der anderen Seite. 2.1.1 Körperlich-biologische Merkmale Unter körperlich-biologischen Merkmalen sind Eigenschaften zu verstehen, die – wie etwa die Hautfarbe oder die Körpergröße – üb1

»Humans are the virtuosos of cultural diversity. We fish, hunt, shepherd, forage and cultivate. We practise polygyny, polyandry and monogamy, pay bride-prices and dowries, and have patrilineal and matrilineal wealth inheritance. We construct or inhabit all manner of shelters, speak about 7,000 different languages and eat everything from seed to whales. And this is not counting many unique, and sometimes bizarre, belief systems and behavioural practices« (Pagel u. Mace 2004, S. 275).

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Der Umgang mit Unterschieden

licherweise als Erstes an einem Menschen wahrgenommen werden und in der Regel nicht ohne großen (medizinisch-technischen) Aufwand verändert werden können. Sie sind mit unserem Körper fest verbunden und somit Teil unserer Biologie. Zu den körperlichbiologischen Merkmalen zählen demnach: – Lebensalter, – Körpergröße, – Hautfarbe, – Augenfarbe, – Haarfarbe, – Aussehen, – körperliche Fähigkeiten, – körperliche Einschränkungen. Besonders umstritten ist die Frage, ob das Merkmal Geschlecht eine biologisch bestimmte Eigenschaft bildet, wobei vor allem in der sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung die Ansicht vertreten wird, Geschlecht wäre ausschließlich eine soziale Konstruktion (Gildemeister u. Wetterer 1995). Diese Sichtweise bildet auch die vorherrschende konzeptionelle Grundlage geschlechter- und frauenpolitischer Strategien in der Bundesrepublik Deutschland (Stiegler 2004). Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass in dieser sozialkonstruktivistischen Perspektive unterschiedliche Ebenen vermischt werden, womit – wie weiter unten noch gezeigt wird – nicht zuletzt Ungenauigkeiten in der Zielformulierung von Chancengleichheitsstrategien verbunden sein können. Mit Sicherheit sind die Geschlechterrollen im Sinne einer Zuschreibung angemessener Verhaltensweisen oder die Zuordnung sozialer Räume an die jeweiligen Geschlechter überwiegend ein kulturelles Elaborat. Dabei sollten überkulturelle Gemeinsamkeiten in der Ausgestaltung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und die damit verbundene Zuordnung sozialer Räume jedoch nicht außer Acht gelassen werden (Brown 2000). Dies gilt beispielsweise im Hinblick auf das unterschiedliche zeitliche Engagement von Frauen und Männern für die Betreuung von kleinen Kindern. Bei der Zuschreibung spezifischer Tätigkeiten an die Geschlechter darf weiterhin nicht übersehen werden, dass lediglich

Merkmale von Menschen

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eine Hälfte der Gattung Homo sapiens in der Lage ist, menschliches Leben zu gebären. Im Sinne Watzlawicks stellt dieses Faktum eine Wirklichkeit erster Ordnung dar – es existiert unabhängig von unseren Wertzuschreibungen (Watzlawick 2005, S. 91 ff.). Dieses biologische Faktum wird in den meisten bekannten Kulturen entsprechend symbolisch reflektiert (Nadig 1998), denn die Potenzialität des Gebärens unterscheidet eindeutig zwei Menschentypen schon bei der Geburt – unabhängig davon, ob diese Möglichkeit im Lebenslauf realisiert wird oder nicht. Demnach ist die Kategorie »Geschlecht« im Sinne der Einteilung von Menschen zwar – wie alle anderen Kategorisierungen von Dingen und Lebewesen auch – ein kulturelles Produkt, die Basis ist in diesem Falle aber eindeutig überkulturell gegeben und spiegelt ein biologisches Grundmuster der Gattung Homo sapiens wider. Ebenso eindeutig sind bei der Gattung Homo sapiens – wie übrigens bei allen zweigeschlechtlich angelegten Lebewesen – zwei unterschiedliche Arten von Keimzellen zur Fortpflanzung notwendig. Auch wenn beispielsweise verschiedene Fischarten, die zu den sogenannten sequenziellen Zwittern zählen und sich selbst befruchten können, somit auf der Ebene des Individuums beide Geschlechter vorweisen, verläuft der Befruchtungsprozess niemals gleichzeitig, vielmehr »wechseln« die Geschlechter entsprechend ihrer Funktion. Zudem finden sich auch hier lediglich zwei unterschiedliche Sorten von Keimzellen (Roughgarden 2005). Auch von diesen ist – ebenso wie bei der Gattung Homo sapiens – die eine größer und seltener vorhanden (= Eizelle), die andere hingegen vielzählig und klein (= Samenzelle). Weniger eindeutig als die Bestimmung von zwei menschlichen Wesen über die von ihnen produzierten Keimzellen ist die landläufige Bestimmung der zwei Arten von Wesen der Gattung Homo sapiens auf der Basis des Genoms. Denn es finden sich zahlreiche genetische Aberrationen (Abweichungen), die sich in einer Vervielfachung der X- oder Y-Gene niederschlagen und jeweils sogar zu konträren Phänotypen führen können (vgl. Tabelle 1). Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lässt sich also feststellen, dass der Bestimmung der Geschlechter sehr wohl biologische Faktoren zugrunde liegen, diese – wie später noch weiter ausgeführt wird – jedoch in unterschiedlichen Kulturen auf un-

Der Umgang mit Unterschieden

16

terschiedliche Art und Weise symbolisch verarbeitet werden. Eigentlich kann nur diese symbolische Transformation als soziale Konstruktion von Geschlecht gesehen werden. Und genau dieser Modus der symbolischen Reflexion eines biologisch feststellbaren Unterschieds findet sich im Umgang mit allen anderen körperlichbiologischen Merkmalen – beispielsweise auch beim Merkmal Hautfarbe. Tabelle 1: Geschlechtschromosomenkonstitution und phänotypische sexuelle Differenzierung (nach Grupe et al. 2005, S. 318) Chromosomensatz

männlicher Phänotyp

Chromosomensatz

weiblicher Phänotyp

48.XY

»normaler« Mann

45.X

Turner-Syndrom

47.XYY

Mann mit Hochwuchs

46.XX

»normale« Frau

47.XXY

KlinefelterSyndrom

47.XXX

super-females

48.XXYY

KlinefelterSyndrom

48.XXXX

super-females

48.XXXY

KlinefelterSyndrom

49.XXXXX

super-females

49.XXXXY

KlinefelterSyndrom

45.X

sex reversal

46.XX

sex reversal

Ausnahmen 46.XY

sex reversal

Anmerkungen: Das Turner-Syndrom äußert sich unter anderem in Kleinwuchs (im Durchschnitt etwa 1,47 m) sowie in Unfruchtbarkeit aufgrund einer zu geringen Entwicklung der Eierstöcke. Das KlinefelterSyndrom äußert sich unter anderem in einer Unterfunktion der Hoden sowie in einer Verteilung des Körperfetts, die in der Regel eher bei Frauen zu finden ist.

2.1.2 Soziokulturelle Merkmale Menschen unterscheiden sich nicht jedoch nur durch biologischkörperliche, sondern vor allem durch soziokulturelle Merkmale. Hierzu zählen Merkmale wie die soziale und regionale Herkunft einer Person und damit verbundene spezifische Gewohnheiten

Stereotype und Normalitätskultur

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– zum Beispiel im Umgang mit Zeit oder bei der Zubereitung von Mahlzeiten – sowie eine spezifische Sprache. Zu den sozialkulturellen Merkmalen zählen demnach: – regionale Herkunft, – Sprache und Dialekt, – Habitus, – Kleidung, – Ernährungsgewohnheiten, – Zeitverständnis, – Weltanschauung, – Religion, – Organisationszugehörigkeit. In Kapitel 4 werden diese soziokulturellen Merkmale noch weiter differenziert und systematisiert dargestellt. Im Folgenden soll zunächst der Frage nachgegangen werden, welches soziale Muster im Umgang mit Unterschieden existiert und wie sich die Existenz dieses Musters erklären lässt.

2.2 Stereotype und Normalitätskultur Zunächst lässt sich erkennen, dass den Trägern/Trägerinnen bestimmter körperlich-biologischer beziehungsweise soziokultureller Merkmale spezifische Kompetenzen, Fähigkeiten und Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, das heißt, es werden Stereotype gebildet (zum Folgenden: Aronson 1994, S. 295 ff.) (Abbildung 1). So gelten in unserer Geschlechterkultur Frauen eher als emotional, Männer eher als rational. Stereotypisierung ist ein Prozess, der sich in allen menschlichen Populationen beobachten lässt und allgemein als Versuch einer Komplexitätsreduktion angesehen werden kann. In diesem Sinne homogenisiert das Stereotyp eine Gruppe von Merkmalsträgern durch eine Generalisierung der bei einigen Mitgliedern der Merkmalsgruppe beobachteten Eigenschaften mit der Folge, dass wir uns gegenüber allen Trägern und Trägerinnen dieser Merkmalsgruppe in einer bestimmten Art und Weise verhalten.

Der Umgang mit Unterschieden

18

KörperlichBiologische Merkmale

Hierarchisierung

Zuschreibung von SozialKulturelle Merkmale

Kompetenzen Fähigkeiten Charaktereigenschaften

Stereotypisierung

Abbildung 1: Der Umgang mit Unterschieden

Problematisch werden Stereotype dann, wenn es nicht mehr gelingt, individuelle Unterschiede zwischen den einzelnen Repräsentanten und Repräsentantinnen einer bestimmten Merkmalsgruppe wahrzunehmen. Daraus resultiert ein sich selbst verstärkender Kreislauf, in dem das ursprüngliche Stereotyp durch entsprechende Handlungen letztendlich wieder gefestigt wird (Abbildung 2). Denselben Kreislauf können auch Vorurteile in Gang setzen. Vorurteile gegenüber einer Gruppe von Merkmalsträgern ergeben sich zum einen als Folge von fehlenden Informationen über diese Gruppe (»Vor-Urteil«), zum anderen aber auch als Folge individueller Einstellungen gegenüber bestimmten Merkmalsträgern. Individuelle Einstellungen wiederum besitzen immer eine kognitive und eine affektive Dimension, sie basieren auf einem Amalgam von Überzeugungen und Gefühlen. Stereotyp und Vorurteil sind Bestandteile aller Interaktionen von Menschen, wobei ein weiteres Muster im Umgang mit Unterschieden hinzukommt: die Hierarchisierung von Differenzen im Zugang zu Ressourcen – materiellen wie immateriellen.2 Inter2

Im Anschluss an Bourdieu können beispielsweise folgende Ressourcen unterschieden werden: ökonomische (Vermögen, Besitz, Einkommen), soziale (z. B. Zugang zu Netzwerken), kulturelle und symbolische (z. B. Bildungsabschlüsse) (vgl. Bourdieu 1985, S. 10 ff.). Weiterhin berücksichtigt werden müssen meines Erachtens noch

Stereotype und Normalitätskultur

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essanterweise vollzieht sich dieser Prozess in allen uns bekannten Menschenpopulationen nach einem weitgehend einheitlichen Muster: Einer Ingroup wird eine Outgroup gegenübergestellt, die in der Regel die Minderheit bildet. Stereotyp Vorurteil Erwartung

Stereotyp und Handlung Handlung

Wahrnehmung

Abbildung 2: Stereotyp und Handlung

Diese muss – wie das Beispiel der Apartheid in Südafrika gezeigt hat – aber keine quantitative Minderheit sein. Die vermeintliche Mehrheit, die Ingroup, bildet immer das »Normale«, der das »Fremde« gegenübergestellt wird. Dieser Prozess lässt sich nicht nur in Gesellschaften, sondern auch in Organisationen beobachten: Jede Organisationskultur beinhaltet eine Normalitätskultur, ein – im Sinne Michel Foucaults – hegemoniales Dispositiv des Normalen. Normalitätskulturen formulieren Annahmen darüber, was »richtig« ist – etwa im Umgang mit Konflikten oder im Zusammenleben von Männern und Frauen. Dabei können unterschiedliche Benachteiligungsmuster beobachtet werden. Eine unmittelbare oder direkte Benachteiligung liegt vor, wenn durch eine formale Regelung (Gesetz, Vertrag) eine Merkmalsgruppe explizit vom Zugang zu oder der Nutzung von bestimmten Ressourcen ausgeschlossen wird – wenn beispielsweise eine Firma keine Bewerberinnen und Bewerber zum Vorstellungsgespräch einlädt, die älter als 35 Jahre sind. Von einer mittelbaren oder indirekten Benachteiligung kann gesprochen ökologische (z. B. Wasser, Nahrung, Lebensraum) sowie körperliche (Gesundheit) Ressourcen.

Der Umgang mit Unterschieden

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werden, wenn scheinbar neutrale Regelungen einen diskriminierenden Effekt haben. Dies ist beispielsweise dann gegeben, wenn sämtliche Personen, die sich um eine bestimmte Stelle bewerben, einen Test in einer bestimmten Sprache absolvieren müssen, obwohl die Beherrschung der betreffenden Sprache für die Ausübung der Tätigkeit nicht erforderlich ist. Ingroup Me h r h e i t

Normal

Hierarchisierung von Differenz Outgroup Mi n d e r h e i t

Fremd Deviant

Abbildung 3: Dominanzkultur

Birgit Rommelspacher bezeichnet Kulturen, die Unterschiedlichkeit nach dem bisher beschriebenen Muster hierarchisieren, als Dominanzkulturen: Das bedeutet, dass unsere ganze Lebensweise, unsere Selbstinterpretationen sowie die Bilder, die wir vom Anderen entwerfen, in Kategorien der Überund Unterordnung gefasst sind. Eben das ist mit dem Begriff der Dominanzkultur gemeint (Rommelspacher 1995, S. 22).

Ein integraler Bestandteil von Dominanzkulturen ist Ethnozentrismus – »unsere Gruppe ist die beste« – sowie Fremdenfeindlichkeit (Abbildung 3). Was zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort als »fremd« oder »normal« gesehen wird, ist nicht genau bestimmt, es besteht eine Kontextualität von Differenz: Unterschiedliche Merkmale erhalten in jeweils unterschiedlichen Kontexten zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Relevanz beim Zugang zu Ressourcen. In diesem Sinne zeigen geschichtswissenschaftliche Analysen,

Dominanzkulturen

21

dass beispielsweise für die nationalsozialistische Politik die Klassifikation von Menschen und Menschengruppen als »hochwertig« und »minderwertig« eine größere Bedeutung hatte als die Einteilung in Mann und Frau: [...] die nationalsozialistische Geschlechterpolitik [hatte nicht] dasselbe Gewicht und dieselbe Konsistenz [...] wie die nationalsozialistische Rassenpolitik; beide waren keineswegs gleichrangige Bestandteile einer übergreifenden »Biopolitik« (Bock 1997, S. 265).

Soziale Herkunft ist das entscheidende Merkmal bei der Besetzung von Leitungspositionen in der Wirtschaft. Zwar sind Manager überwiegend männlich, aber nicht alle Männer sind Manager. Nur 20 % aller bundesdeutschen Männer arbeiten überhaupt in Führungspositionen (Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2000), wobei sich Top-Manager nach wie vor überwiegend aus dem Großbürgertum rekrutieren. So [...] gibt es bei der Besetzung der Spitzenpositionen in den Großunternehmen [...] eine eindeutige soziale Schließung zu Gunsten des Nachwuchses der oberen 5 % der Gesellschaft – fast jeder zweite der Chefs der 100 größten Unternehmen stammt aus dem Großbürgertum (Hartmann 1999, S. 8).

Top-Manager in bundesdeutschen Unternehmen stammen zudem kaum aus nicht-okzidentalen Kulturen. Eine Untersuchung von Restrukturierungsprozessen in unterschiedlichen Branchen in vier Regionen der USA zeigt, dass positive oder negative Effekte auf die Lebenslage des / der Einzelnen mit jeweils unterschiedlichen Merkmalen korrelieren: Sowohl Geschlecht als auch Hautfarbe als auch Bildungsstand sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den jeweiligen Branchen entscheidend (McCall 2001).

2.3 Warum gibt es überall auf der Welt Dominanzkulturen? In seiner Analyse nationalsozialistischer Massenmörder kommt Harald Welzer zu dem Schluss, dass eine wesentliche Voraussetzung ihrer Taten in einer sozialen »Koordinatenverschiebung« bestand, die eine scharfe Differenz zwischen der zur »Volksgemeinschaft«

22

Der Umgang mit Unterschieden

dazugehörigen und der nicht dazugehörigen Gruppe etablierte (Welzer 2005, S. 246 ff.). Die Ausgrenzung, Verfolgung und Beraubung der Anderen wurde nicht mehr als solche erlebt, weil die Anderen per Definition nicht mehr zur »Ingroup« gehörten. Ähnliche Muster ließen sich auch bei den ethnisch aufgeladenen Konflikten in Ex-Jugoslawien und in Ruanda finden. Leider gibt Welzer keine Antwort darauf, warum dieses Modell unter spezifischen Bedingungen in unterschiedlichen Kulturen mehrheitsfähig – hegemonial – werden kann. Auf die Frage, warum Dominanzkulturen als hierarchisierendes Unterscheidungsmuster von Ingroup versus Outgroup und die damit zusammenhängenden Phänomene des Ethnozentrismus und der Fremdenfeindlichkeit überkulturell und überhistorisch vorfindbar sind, lassen sich unterschiedliche Antworten finden. Eine Auseinandersetzung mit diesen Antworten sind ein wichtiger Baustein für die Entwicklung zukunftsfähiger Chancengleichheit sstrategien, denn sie können helfen, präzisere und nachhaltigere Konzepte zu entwickeln. 2.3.1 Sozialpsychologische Antwort: Gruppenzugehörigkeit als Unsicherheitsreduktion Es ist in der Sozialpsychologie unumstritten, dass die Abwertung einer anderen Gruppe von Merkmalsträgern und die Zugehörigkeit zu einer als höherwertig eingeschätzten Gruppe ein Mittel darstellt, das Selbstwertgefühl des / der Einzelnen zu stärken (Florack u. Scarabis 2003). Woher aber resultiert das Bedürfnis der Menschen nach Stärkung des Selbstwertgefühls in Verbindung mit dem Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit? Woher resultiert das Bedürfnis nach Status und Abgrenzung? Eine Antwort auf diese Frage will die sogenannte TerrorManagement-Theorie (TMT) geben, die in den 1980er Jahren in den USA unter Rückgriff auf Arbeiten des Anthropologen Ernest Becker entwickelt wurde. Die TMT geht zunächst davon aus, dass unter allen Lebewesen lediglich der Mensch über die Fähigkeit zur Selbstreflexion verfügt.3 Damit verbunden ist aber zugleich 3

Selbstreflexion sollte unbedingt von Selbstbewusstsein unterschieden werden. Auch Menschenaffen verfügen über ein Selbstbewusstsein.

Dominanzkulturen

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das Wissen über die Endlichkeit seines Daseins: Vermutlich besitzt nur der Homo sapiens ein Todesbewusstsein.4 Aus diesem Wissen heraus ist der Mensch quasi gezwungen, die Unsicherheit, die mit dem Wissen um die Endlichkeit seines Lebens verbunden ist, zu »managen«. Als probates Mittel hierzu fungieren Kultur und insbesondere Religion. Kultur (und Religion) – verstanden als spezifische Antwort jeweils räumlich abgegrenzter Gruppen im Umgang mit existenziellen Problemen – bietet sowohl einen Rahmen von Ordnung und Sicherheit und darüber hinaus einen Anknüpfungspunkt zur Entwicklung eines Selbstwertgefühls: Um sich vor dem Terror seiner potentiellen Vernichtung zu schützen, hat er [der Mensch] deshalb – mit dem Wachsen seiner kognitiven Fähigkeiten – kulturelle Weltbilder entwickelt, welche die Welt erklären und Permanenz, Ordnung, Vorhersagbarkeit und Sinn in das Universum bringen (Ochsmann 2002, S. 8).

Aber keine Kultur kann vollkommene Sicherheit garantieren, das Selbstwertgefühl bleibt ständig prekär und muss kontinuierlich bestätigt werden. Der Selbstwert eines Menschen, verstanden als Wertschätzung der eigenen Person (Kranz 2005), definiert sich ausschließlich in einem spezifischen kulturellen Rahmen. Dementsprechend ist Selbstwert immer ein kulturelles Konstrukt

4

Als Beleg für diesen Umstand gilt der sogenannten Spiegeltest: Ebenso wie Menschen (etwa ab dem 3. Lebensjahr) erkennen sich auch Schimpansen im Spiegel persönlich wieder, während beispielsweise Katzen das Spiegelbild als zweite Katze interpretieren. Trotz aller bisher beobachteten geistigen Potenzen ist nicht klar, ob auch Menschenaffen oder Delfine über Selbstreflexion in dem Sinne verfügen, dass sie quasi als Beobachter des eigenen Selbst ihre Handlungen analysieren können. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung erscheint nur der Mensch in der Lage, über sein Denken nachzudenken. Trauer im Umgang mit Toten wurde auch bei Menschenaffen, Delfinen und Elefanten beobachtet. Bekannt wurde das Beispiel einer Schimpansin, die noch wochenlang ihr totes Kind bei sich trug (Goodall 1991). Da weder Schimpansen noch Delfine und Elefanten mit uns sprechen können, können wir nicht in Erfahrung bringen, ob auch sie über ein Todesbewusstsein verfügen, ob sie also wissen, dass ihre Existenz endlich ist.

24

Der Umgang mit Unterschieden

(Pyszcynski et al. 2003, S. 22 ff.). »Fremde« kulturelle Muster werden in diesem Prozess einerseits als störend empfunden, denn sie stellen den gewohnten kulturellen Rahmen und die damit verbundenen Antworten auf existenzielle Probleme infrage. Andererseits ermöglicht die Abwertung fremder Kulturen die Stärkung der eigenen Weltanschauung und damit des eigenen Selbstwerts: »Participating in a heroic triumph over evil is one of the most effective ways of restoring our feelings of safety and security« (Pyszcynski et al. 2003, S. 30). Diese Überlegungen der Terror-Management-Theorie sind seit einigen Jahren experimentell überprüft worden. Dabei zeigte sich beispielsweise, dass Richter, wenn sie vor Urteilsverkündung auf die Endlichkeit ihres Lebens hingewiesen werden, höhere Strafen verhängen, auf der anderen Seite jedoch Hilfsbereitschaft von Straftätern stärker belohnen. Weiterhin wurde deutlich, dass die Bereitschaft zu negativen Vorurteilen unter der Bewusstheit des eigenen Todes größer wird. Insgesamt bestätigte sich in allen Experimenten die Tendenz, nach der Bewusstwerdung der eigenen Sterblichkeit moralische Abweichler stärker zu bestrafen und diejenigen stärker zu belohnen, die die eigenen kulturellen Werte hochhalten (Ochsmann 2002, S. 6 ff.). Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse dürfte es nicht verwundern, dass Loyalität gegenüber der vorherrschenden Normalitätskultur einer Gruppe nach wie vor ein wichtiges Kriterium in Stellenbesetzungsverfahren zu sein scheint. Zwar betonen Personalverantwortliche die hervorragende Bedeutung von Kritikfähigkeit und Eigenständigkeit im Denken bei zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ausgewählt werden schließlich jedoch diejenigen, die sich den Erwartungen der Auswählenden vermeintlich am besten anpassen und ihnen vermeintlich am ähnlichsten sind (»same-as-me«-Phänomen) (Higgins u. Judge 2004). Im Sinne der Terror-Management-Theorie könnte auch der Umstand interpretiert werden, dass trotz Globalisierung die genetische Durchmischung von Kulturen – Kultur in diesem Falle gleichgesetzt mit Sprache – nach wie vor sehr gering ist: »We get a picture of humans as a highly social and group-focused species« (Pagel u. Mace 2004, S. 278).

Dominanzkulturen

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2.3.2 Soziobiologische Antwort: Gruppenzugehörigkeit als Maximierung der Gesamtfitness Eine zentrale Ursache von Vorurteilen sieht der Sozialpsychologe Elliot Aronson in politischer und ökonomischer Konkurrenz (Aronson 1994, S. 220 ff.). Die Frage, woher konkurrenzorientierte Verhaltensmuster beim Menschen stammen, bleibt in seinen Überlegungen wie auch in vielen ähnlich angelegten sozialpsychologischen Arbeiten allerdings unbeantwortet. Einen Schritt weiter gehen hier sogenannte soziobiologische Ansätze, die menschliches Verhalten in einer evolutionsbiologischen Perspektive zu erklären versuchen: Soziobiologie ist das Studium des Sozialverhaltens der Lebewesen auf evolutionsbiologischer und genetischer Grundlage, wobei sie ganz selbstverständlich auch den Menschen in ihre Modelle, Theorien und so weiter einbezieht (Wuketits 2002, S. 12).

Der Begriff »Soziobiologie« wurde in den 1970er Jahren von dem amerikanischen Biologen Edward O. Wilson geprägt (Wilson 2002). Unter Rückgriff auf Darwin steht im Mittelpunkt soziobiologischer Arbeiten das Konzept der »Fitness«. Fitness bedeutet dabei nicht – wie fälschlicherweise von sozialdarwinistischen Interpretationen nahegelegt – (körperliche) Stärke, sondern allgemein »Angepasstheit« an spezifische Umweltbedingungen. Angepasstheit kann in körperlicher Stärke ihren Ausdruck finden, aber auch in Schnelligkeit, Intelligenz, Kleinheit und vielen anderen Eigenschaften. »Survival of the Fittest« bedeutet also die Durchsetzung des jeweils am besten an die jeweiligen Umweltbedingungen Angepassten. Da Umweltbedingungen immer fließend sind, kann es niemals den oder die am besten Angepassten geben: »Je nach den äußeren Bedingungen ist mal das eine, mal das andere überlegen. Wer der Stärkere ist, kann nicht absolut gesagt werden« (Küster 2005, S. 49). Die Fitness eines Lebewesens findet aus soziobiologischer Perspektive ihren Ausdruck darin, die eigenen genetischen Informationen an möglichst viele Nachkommen weiterzugeben, die wiederum ihrerseits in die Lage versetzt werden müssen, sich zu vermehren. Den Motor evolutiver Veränderung bildet aus soziobiologischer Perspektive daher das Individuum und nicht eine

26

Der Umgang mit Unterschieden

Population oder Art.5 So erklärt sich das Auftreten innerartlicher Konkurrenz (um Fortpflanzungspartner und Nahrung), aber auch Phänomene wie Kindstötung durch männliche Tiere in Affen- und Löwenpopulationen. Soziobiologische Ansätze unterstellen in ihrer Analyse der evolutionsbedingten Herausbildung spezifischer Verhaltensmuster des Menschen keinen genetischen Determinismus, sondern gehen vielmehr davon aus, dass Homo sapiens eine bestimmte Grundausstattung an Verhaltensweisen besitzt, die sich bei ihm – wie bei allen anderen Lebewesen auch – im Prozess der Evolution entwickelt haben: Die Gene legen nicht unbedingt ein bestimmtes Verhalten fest, sondern vielmehr die Fähigkeit, bestimmte Verhaltensweisen zu entwickeln, oder, genauer noch, die Tendenz, sie in verschiedenen, spezifischen Lebensräumen zu entwickeln (Wilson 2000, S. 105).

Verhalten sollte also genau unterschieden werden von Handlung: Als Handlung kann allgemein eine Aktivierung des physiologischen Apparats zur Befriedigung eines Bedürfnisses beschrieben werden. Verhalten ist die Art und Weise, wie dieses Ziel erreicht wird (z. B. konkurrenzbetont oder kooperativ), Verhalten besteht dabei wiederum aus einem Komplex von Handlungen (Eibl-Eibesfeldt 2004). Demnach ist eine Vielzahl von Handlungen sehr wohl biologisch bestimmt, da ihnen ein physiologisches Bedürfnis – Hunger, Durst, Lust – zugrunde liegt. Die konkrete Ausgestaltung eines Bedürfnisses – etwa das Trinken von Bier oder Tee zum Löschen von Durst – dürfte ausschließlich kulturell geprägt sein. Von diesen begrifflichen Konkretisierungen ausgehend kann Konkurrenz nun als evolutionsbiologisch bedingte Verhaltensprädisposition des Menschen verstanden werden. Eine adaptive Strategie, etwa Konkurrenzvorteile im Zugang zu knappen Ressourcen zu erlangen oder die jeweiligen Nachkommen sicher aufzuzie5

Zufällige Genmutationen als Bestandteil der evolutiven Dynamik finden auf der Ebene eines Individuums statt. Trägt diese Mutation zur Gesamtfitness des Lebewesens bei und verbessert sie sogar (sie ist adaptiv), dann ist es diesem Wesen gelungen, das neue Merkmal durch Fortpflanzung mit der Option weiterzugeben, dass es sich zukünftig mehr und mehr verbreitet.

Stärkung des reflexiven Potenzials

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hen, stellt aus soziobiologischer Sicht Gruppenbildung und damit verbunden Kooperation zwischen den Gruppenmitgliedern dar (Flohr 2000). Konkurrenz auf individueller Ebene schlägt also in Kooperation um und fördert altruistische Verhaltensweisen (Axelrod 2000) – aber jeweils nur innerhalb der eigenen Gruppe, die ursprünglich durch Verwandtschaftsbeziehungen zusammengehalten wurde, im Laufe der menschlichen Entwicklung zunehmend durch symbolisch und weltanschaulich geformte Gruppen – Kirche, Partei, Nation – ergänzt oder abgelöst worden ist. In diesen Zusammenhängen werden dann die ursprünglich bindenden Verwandtschaftsbeziehungen symbolisch simuliert (Flohr 1994, S. 232 ff.). Aus diesem Prozess der Gruppenbildung erklärt sich dementsprechend auch die Tendenz des Homo sapiens zum Nepotismus, also zu einer systematischen Unterstützung von Gruppenmitgliedern im Zugang zu Ressourcen. Ethnozentrismus stellt quasi die Kehrseite von Nepotismus dar – die Abschließung und Aufwertung der eigenen Gruppe gegenüber vermeintlich Fremden. Zugleich verleiht die Aufwertung der eigenen Gruppe dieser ein stabilisierendes Wirgefühl: »Je fester aber die Individuen einer Sozietät zusammengeschweißt sind, um so größer ist die Neigung zur Diskriminierung anderer« (Wuketits 2002, S. 100).

2.4 Managing Diversity – Stärkung des reflexiven Potenzials von Menschen und Organisationen Die Möglichkeit, dass der menschliche Umgang mit »Fremden« eine Ursache in evolutionspsychologisch oder evolutionsbiologisch begründeten Verhaltensprädispositionen hat, muss jedoch keineswegs in einem Fatalismus dahin gehend münden, dass Chancengleichheits- und Antidiskriminierungspolitiken bestehende Dominanzkulturen nicht verändern können. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Die Anerkennung der Biologie des Menschen und unserer psychischen Verarbeitungsmuster von Unsicherheit trägt zu einer Optimierung der Entwicklung von Chancengleichheitsstrategien bei, denn diese Anerkennung ist ein wichtiger Schritt, hinter die häufig unbewusst ablaufenden Prozesse der

Der Umgang mit Unterschieden

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Diskriminierung zu sehen und auf diese Weise unser reflexives Potenzial zu stärken. Bekanntermaßen gehört zur »Natur« des Homo sapiens nicht nur seine Neigung zu Dominanzkulturen, sondern auch und vor allem die Fähigkeit zur Selbstreflexion, die Fähigkeit zur Reflexion seiner Biologie.

2. Schleife: Veränderung der Organisationskultur

1. Schleife: Reflexion über Funktion und Ursachen von Stereotypen

Modifizierte Interaktionsmuster

Abbildung 4: Managing Diversity als Double-Learning-Loop

Dementsprechend stellt Managing Diversity eine Strategie dar, die auf einer Stärkung der Reflexionspotenziale im Umgang mit Differenz zielt – sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene. Managing Diversity knüpft somit an das Konzept der lernenden Organisation an (Senge 1996). Eine Organisation kann als lernend definiert werden, wenn sie in der Lage ist, interne und externe Interaktionsmuster – zwischen den Mitarbeitenden sowie zu anderen Organisationen und zu Kunden / Klienten – aus sich heraus zu modifizieren, um diese an sich wandelnde biophysikalische sowie soziale und ökonomische Bedingungen anzupassen. Ein zentraler Baustein einer lernenden Organisation stellt dabei die Fähigkeit dar, Bilder und Denkmuster, die das individuelle und organisationale Handeln prägen, offenzulegen. Lernen beinhaltet also einen Prozess der Optimierung von Reflexionspotenzialen (Abbildung 4). Organisationen, die entsprechende Lernschleifen in ihre Handlungsprozesse integrieren, bewegen sich auf ein höheres Niveau und verändern dementsprechend ihre nach innen und nach außen gerichteten Handlungsmuster (Argyris u. Schön 2006).

Zusammenfassung

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Lernen bedeutet dabei nicht nur das Aufnehmen von Informationen, Lernen führt vielmehr immer auch zu einem Prozess der Selbstveränderung, denn die Veränderung organisationaler Strukturen und die Veränderung der Handlungsmuster von Individuen bedingen sich. Die eigentlichen Träger von Lernprozessen sind immer die einzelnen Personen in den Organisationen. Und dabei ist relevant, dass zur »Natur« des Menschen auch seine Lernfähigkeit6, seine Fähigkeit zur uneigennützigen Kooperation mit anderen sowie Empathievermögen gehört (de Waal 2006, S. 233 ff.). Diese Prädispositionen bilden die Basis für gemeinsame Lernprozesse.

2.5 Zusammenfassung – Menschen unterscheiden sich sowohl aufgrund körperlich-biologischer als auch aufgrund soziokultureller Merkmale. – Stereotypisierung und Vorurteilsbildung beschreiben das zentrale Muster im Umgang mit Unterschieden. Merkmalsgruppen werden zudem entlang der Differenz von »normal« und »fremd« hierarchisiert. – Normalitätskulturen sind stets Bestandteil von Organisationskulturen. Dabei besitzen unterschiedliche Merkmale jeweils unterschiedliche Bedeutungen in unterschiedlichen Kontexten im Zugang zu Ressourcen. – Sozialpsychologisch betrachtet bilden Dominanzkulturen ein Mittel zur Stärkung des Selbstwertgefühls bei den Zugehörigen der Ingroup. Evolutionsbiologisch betrachtet fungieren kulturell abgegrenzte Gruppen als geschlossene Reproduktionsgem einschaften. – Managing Diversity stellt eine Strategie zur Optimierung von Reflexionswissen im Umgang mit Unterschieden dar.

6

»Der Mensch ist ein ›homo discens‹, ein lernendes Wesen. Menschen lernen, solange sie leben. Leben ist untrennbar mit Lernen verbunden. Der Mensch ersetzt seine mangelhafte Instinktausstattung durch überdurchschnittliche Lernkapazitäten« (Siebert 2006, S. 13).

3 Antidiskriminierung, Chancengleichheit und Managing Diversity – Begriffsbestimmungen

3.1 Antidiskriminierung und Gleichstellung Gemäß etymologischem Wörterbuch bedeutet Diskriminierung »aus der eigenen Gruppe aussondern«. Folglich bedeutet Antidiskriminierung »Fremdes« in die eigene Gruppe integrieren, »Fremden« den Zugang zur eigenen Gruppe ermöglichen. Die vermeintlich »Fremden« sollen also mit den Mitgliedern der Ingroup gleichgestellt werden, gleiche Rechte und Pflichten im Zugang zu und Umgang mit Ressourcen erhalten. Diese Perspektive liegt allen gleichstellungspolitischen Ansätzen, die in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere im Bereich der Frauenpolitik entwickelt worden sind, zugrunde. Frauen (als vermeintliche Outgroup) sollen mit den Männern (als vermeintlicher Ingroup) gleichgestellt werden (Hoecker 1998, S. 238 ff.). Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz basiert auf diesem Ansatz. Führt man sich noch einmal die Überlegungen zur »Dominanzkultur« vor Augen, wird das Spezifikum von Gleichstellungspolitiken sichtbar: Sie lassen die Normalitätskultur der Ingroup weitgehend unverändert – das »Normale bleibt normal«. Die Mitglieder der Outgroup, die etwa über eine Quote zu Mitgliedern der Ingroup »gemacht« werden, sollen sich dieser Gruppe und ihrer Normalitätskultur anpassen, sich assimilieren, um Zugang zu relevanten Gestaltungsressourcen zu erhalten. Assimilation beschreibt in der Regel eine von der Mehrheitsgesellschaft – der Ingroup – präferierte Strategie im Umgang mit »Fremden« (Wagner, van Dick u. Zick 2001, S. 62 ff.). Antidiskriminierungs- oder Gleichstellungspolitiken verändern folglich nicht die Ursache der Diskriminierung und zielen darüber hinaus in der Regel auch lediglich auf eine abgegrenzte

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Begriffsbestimmungen

Gruppe.1 Trotzdem besitzen Gleichstellungs- und Antidiskrimin ierungspolitiken eine nicht zu unterschätzende Funktion: Indem vermeintlich Fremde die gleichen Rechte wie die Mitglieder der Ingroup erhalten, werden diese überhaupt erst zu einem eigenständigen (Rechts-)Subjekt in der Mehrheitsgesellschaft. Quoten stellen einen ersten Schritt dar, homogene Gruppen und monolithische Organisationen heterogener zu gestalten. Allerdings beinhalten Quoten und Gleichstellungspolitiken immer die Gefahr, den bevorzugten Personen auf Dauer einen Defizitstatus zuzuschreiben, da ihre Mitgliedschaft in der Ingroup in erster Linie auf einer politischen Regelung beruht.

3.2 Managing Diversity und Multikulturalität Hier geht das Konzept des Managing Diversity einen anderen Weg, indem es auf eine grundlegende Veränderung der Normalitätskultur abhebt. Ansatzpunkt des Diversity Management sind nicht vermeintlich defizitäre Personen oder Personengruppen, sondern die vorherrschende Organisationskultur und die dahinter stehenden Prozesse der Ingroup-Outgroup-Bildung. Normalitätskulturen und mit ihnen zusammenhängende Ausgrenzungsprozesse und Anpassungszwänge werden als hinderlich gesehen, alle in einer Organisation vorhandenen Potenziale optimal zu stimulieren. Organisationskulturen sollen folglich in einer Weise (um-)gestaltet werden, dass jede Person unabhängig von ihren biologischen und soziokulturellen Merkmalen an jedem Ort einer Organisation ihr jeweiliges Potenzial in den Handlungsprozess der Organisation optimal einbringen kann. In dieser strategischen Ausrichtung macht Managing Diversity den Schritt von der Gleichstellung zur Gleichwertigkeit: Es zielt auf die Durchsetzung der De-facto-Chancengleichheit in Organisationen und bleibt nicht bei der De-jure-Chancengleichheit stehen (Abbildung 5). Managing Diversity orientiert sich am Ziel 1

»[...] because affirmative action fails to deal with the root causes of the prejudice and inequality and does little to develop the full potential of every man and woman in the company« (Thomas 2002,S. 23).

Zusammenfassung

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der gleichwertigen Vielfalt und der multikulturellen Organisation (Cox 1994).

Abbildung 5: Dimensionen von Chancengleichheit

Zentral für das Konzept der multikulturellen Organisation sowie für die Strategie des Managing Diversity wird an dieser Stelle der Begriff der Kultur. Dessen präzise inhaltliche Bestimmung entscheidet über die konzeptionelle Grundlage der Strategie in einer Organisation und sollte von daher immer am Beginn eines jeden Prozesses zur Umsetzung von Managing Diversity und am Beginn der Entwicklung von Chancengleichheitsstrategien stehen. Dies kann auch helfen, Organisationskulturen präzise zu beschreiben und normalitätskulturelle Muster zu identifizieren.

3.3 Zusammenfassung – Antidiskriminierung zielt darauf, die »Fremden« mit den Mitgliedern der Ingroup gleichzustellen, indem diese die gleichen Rechte und Pflichten im Zugang zu und Umgang mit Ressourcen erhalten. – Antidiskriminierungsstrategien geben den »Fremden« den Status von (Rechts-)Subjekten, lassen allerdings die vorherrschende Normalitätskultur weitgehend unverändert.

34

Begriffsbestimmungen

– Managing Diversity zielt auf die Veränderung der Normalitätskultur und dahinter stehender Prozesse der Ingroup-Outgroup-Bildung. Strategisches Ziel von Managing Diversity ist die Herstellung gleichwertiger Vielfalt.

4 Was ist Kultur? – Kulturdimensionen und Kulturebenen

Nach der Definition des Kulturwissenschaftlers Klaus Peter Hansen umfasst Kultur »die Gesamtheit der Gewohnheiten eines Kollektivs« (Hansen 2000, S. 17 f.). Kultur ist also »eine Lebensweise, die von den Mitgliedern einer bestimmten Gruppe geteilt wird, aber nicht zwangsläufig auch mit den Mitgliedern anderer Gruppen derselben Spezies« (de Waal 2002, S. 36). In diesem Sinne bildet Kultur eine Gruppeneigenschaft, die nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers Edgar Schein drei Ebenen umfasst: Basisannahmen, die ihrerseits dann auf der Ebene der Normen und Standards sowie auf der Ebene der Symbolsysteme /Artefakte ihren Ausdruck finden (Schein 2003, S. 29 ff.). Am deutlichsten unterschieden sich Kulturen auf der Ebene der Artefakte – etwa der Sprache, der Kleidung, der Ernährung, der Kunstprodukte. Artefakte sind sinnlich wahrnehmbar und werden beispielsweise bei einer Reise in ein anderes Land sofort registriert. Jenseits dieser Vielfalt der Artefakte, der wiederum Unterschiede in den jeweiligen Basisannahmen sowie den Normen und Werten zugrunde liegen, besitzen alle Kulturen eine gemeinsame Funktion: Sie versuchen, verbindliche Lösungsmuster für allen Menschen gemeinsame Anforderungen des Lebens auf einem Planeten mit spezifischen Umweltbedingungen zu formulieren. Eine erste Anforderung an den Menschen ergibt sich aus der Notwendigkeit der individuellen physischen Reproduktion – der Mensch muss auf angemessene Art und Weise seinen Stoffwechsel regulieren, indem er Energie in unterschiedlichen Formen konsumiert und ausscheidet – wie alle anderen Lebewesen auch. Damit nimmt er zugleich auch Einfluss auf seine natürliche Umwelt, wobei die Form der Einflussnahme wiederum durch das vorherrschende Naturverständnis bestimmt wird. Leben ist aber nicht nur durch Stoffwechsel, sondern auch durch generative Reproduktion, durch

Was ist Kultur?

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Vermehrung charakterisiert. So ist auch der Mensch gezwungen, diese Aufgabe zu regulieren, womit zugleich das Verhältnis zwischen den Geschlechtern und insbesondere die Organisation von Sexualität angesprochen werden.

Kulturdimensinen Ź Kulturebenen ź basale Annahmen Normen und Standards Artefakte Symbole

Stoffwechsel (Mensch – Umwelt)

Fortpflanzung (Geschlechterverhältnis – Sexualität)

Kommunikation (Mensch – Mensch)

Selbstreflexion (Mensch – Universum)

Kultur als »[...] die Gesamtheit der Gewohnheiten eines Kollektivs« (Hansen) Kultur ist also »[...] eine Lebensweise, die von den Mitgliedern einer bestimmten Gruppe geteilt wird, aber nicht zwangsläufig auch mit den Mitgliedern anderer Gruppen derselben Spezies« (de Waal).

Abbildung 6: Kulturdimensionen und Kulturebenen

Hat der Homo sapiens diese Aufgabe mit allen anderen Lebewesen auf der Erde gemein, dürfte unsere Gattung – wie bereits erwähnt – wohl die einzige sein, die zur Selbstreflexion fähig ist. Damit ist zugleich die Herausforderung an den Menschen verbunden, Fragen nach seiner Stellung im Universum und – damit verknüpft – nach dessen Entstehung sowie dessen Entwicklungsprozessen, aber auch allgemein Fragen nach dem Sinn menschlichen Lebens zu beantworten – also Antworten zu geben auf die Fragen des Woher, Wohin und Wozu. Diese Antworten formuliert er selten allein, denn eine weitere Eigenschaft des Menschen, die er mit einigen anderen Lebewesen teilt, besteht in der Notwendigkeit, in Gruppen leben zu müssen. Damit ergibt sich die Aufgabe der Gestaltung sozialer Beziehungen, wobei eine weitere Besonderheit des Menschen relevant wird: seine Fähigkeit zum Gebrauch einer Sprache. Somit ergeben sich nun folgende universale Kulturdimensionen (Abbildung 6): Stoffwechsel (Verhältnis Mensch – Umwelt), Fortpflanzung (Geschlechterverhältnis und Sexualität), Kommunikation und Sprache (Interaktion Mensch – Mensch) und Selbst-

Kulturdimension Mensch – Umwelt

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reflexion (Verhältnis Mensch – Universum).1 Von diesen Unterscheidungen ausgehend werden im Folgenden unterschiedliche Kulturmuster systematisiert dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die als Beispiele angeführten Populationen und Kulturräume niemals homogen sind. Vielmehr finden sich die unterschiedlichen Kulturmuster in verschiedenen Kulturräumen immer in einer jeweils spezifischen Mischung: »Kulturen sind Produkt von Beziehungen und Durchquerungen und entwickeln sich erst im Kontakt mit dem Fremden, Anderen« (Wagner 2002, S. 17).

4.1 Kulturdimension Mensch – Umwelt Hinsichtlich der Basisannahmen des Verhältnisses des Menschen zu seiner natürlichen Umwelt lassen sich holzschnittartig zwei Positionen finden: Eine dualistische, die den Menschen gegenüber der Natur abgrenzt, ihn außerhalb der Natur stellt und dabei eine klare Grenze zwischen Mensch und Tier zieht. Demgegenüber steht eine ganzheitliche Naturauffassung, die den Menschen als Teil der Natur sieht. Prägte Letztere die Naturvorstellungen Mitteleuropas im frühen Mittelalter, manifestieren sich in der klaren Grenzziehung zwischen Mensch, Natur und Tier die die abendländische Kultur seit der Aufklärung prägenden Descarte’schen Dualismen. Natur wird hier als leblose Ressource gesehen, die endlos ausgebeutet werden kann (Easlea 1981; Merchant 1987). 4.1.1 Wissenschafts- und Technikkultur Verbunden mit dieser Naturauffassung ist eine spezifische abendländische Technikkultur, die ihren Ausdruck in technischen Artefakten mit einer hohen »Eingriffstiefe« in biophysikalische Pro-

1

Im Gegensatz hierzu unterscheidet Hofstede folgende Kulturdimensionen: (1) soziale Ungleichheit einschließlich des Verhältnisses zur Autorität, (2) die Beziehung zwischen dem Individuum und der Gruppe, (3) Vorstellungen von Maskulinität und Femininität, (4) die Art und Weise, mit Unsicherheit und Mehrdeutigkeit umzugehen und (5) langfristige gegenüber kurzfristiger Orientierung (Hofstede 2006, S. 29 ff.).

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Was ist Kultur?

zesse findet.2 Diese Technikkultur ist eingebettet in eine Wissenschaftskultur, die Natur als aus in sich abgeschlossenen Elementen aufgebaut und miteinander verbunden durch lineare UrsacheWirkungs-Ketten sieht. In dieser reduktionistischen Sichtweise sollen biophysikalische Systeme dadurch verstanden werden, dass sie in ihre Einzelteile zerlegt und deren jeweilige Funktionsweise genau studiert werden. Ziel ist deren Kontrolle und Manipulation. Demgegenüber steht eine Sicht auf die Natur, wie sie sich beispielsweise in taoistischen und buddhistischen Naturphilosophien, aber auch in weiten Teil der sogenannten Umwelt- und Naturschutzbewegung, findet und Naturphänomene in einer relationalen Perspektive erklärt: Jedes Phänomen erhält seine Eigenschaft nur durch die Interaktion mit einem anderen sowie im Gesamtzusammenhang, eine Betrachtung von Einzelphänomenen ohne gleichzeitige Reflexion des Gesamtzusammenhangs ist eigentlich nicht möglich: »Alle Dinge setzen sich aus abhängig verbundenen Vorgängen zusammen, aus unablässig miteinander agierenden Phänomenen ohne fest gefügten, unwandelbaren Wesenskern, die sich selbst in permanent fließenden, dynamischen Beziehungen befinden« (Dalai Lama 2005, S. 56). 4.1.2 Körperbilder, Krankheit und Gesundheit Sehr deutlich schlagen sich diese Basisannahmen der Sicht auf Natur im Umgang mit Krankheit und Gesundheit und den damit verbundenen Körperbildern nieder: Sieht die abendländisch-naturwissenschaftliche geprägte Medizin den menschlichen Körper als Ensemble von einzelnen Organen, beinhaltet demgegenüber die Traditionelle Chinesische Medizin einen ganzheitlichen Blick auf den Körper unter dem Aspekt seiner Funktionen. Gesundheit wird hier als dynamisches Gleichgewicht aller inneren und äußeren Kräfte des Körpers verstanden, Krankheit ist die Störung des körpereigenen Energieflusses (Capra 2001, S. 24 ff.). In der 2

Das Konzept der Eingriffstiefe ist unter Rekurs auf Überlegungen von Günter Anders und Hans Joas in den 1980er Jahren entwickelt worden. Eingriffstiefe bezieht sich auf die raum-zeitliche Dimension der Wirkungsketten einer Technologie – zum Beispiel die Halbwertszeit von radioaktivem Material – sowie auf ihr Risikopotenzial (vgl. von Gleich et. al. 1992, S. 29 ff.).

Kulturdimension Mensch – Umwelt

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Ausklammerung von Emotionen und Gefühlen als ein Moment von Krankheitsentstehung und Genesung spiegelt sich eine weitere Dimension der abendländischen Bipolaritäten wider: die Entgegensetzung von Körper und Geist.3 Tabelle 2: Kulturdimension Mensch-Umwelt-Beziehung bipolar-dualistisch

ganzheitlich-komplementär

Basisannahme

– Mensch steht Umwelt diametral gegenüber – Mensch ist kein Tier – Natur als leblose Ressource – Natur besteht aus separaten Einzelphänomenen

– Mensch und Umwelt bilden einen Gesamtzusammenhang – Naturphänomene lassen sich nur in ihrer relationalen Interaktion begreifen

Normen und Werte

– Natur kann endlos ausgebeutet werden – Natur ist beherrschbar und kontrollierbar

- Harmonie im Umgang mit der Natur

– technische Artefakte mit hoher Eingriffstiefe – reduktionistische Wissenschaftskultur – technisch-naturwissenschaftliche Medizin

– ganzheitliche Medizin – ganzheitliche Naturphilosophie – Harmonie von Körper und Geist

Artefakte

Der abendländische bipolar-dualistische Ansatz prägt aber nicht nur das Verhältnis des Menschen zur Natur (Tabelle 2), sondern findet sich auch in der hier vorherrschenden Geschlechterkultur wieder.

3

»Also erkannte ich daraus, dass ich eine Substanz sei, deren ganzes Wesen und Natur bloß im Denken bestehe, und die zu ihrem Dasein weder eines Ortes bedürfe, noch von einem materiellen Dinge abhänge, so dass dieses Ich, d. h. die Seele, wodurch ich bin, was ich bin, vom Körper völlig verschieden und selbst leichter zu erkennen ist als dieser, und auch ohne Körper nicht aufhören werde, alles zu sein, was sie ist« (Descartes 1989, S. 66 f.).

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Was ist Kultur?

4.2 Kulturdimension Geschlechterverhältnis Wie ausgeführt, teilt der Mensch mit allen anderen Lebensformen und Lebewesen auf der Erde die Eigenschaft, dass er sich vermehrt. Im Gegensatz etwa zu Bakterien ist die Gattung Homo sapiens zweigeschlechtlich organisiert, sie reproduziert sich – wie dargestellt – durch Austausch und Vereinigung unterschiedlicher Keimzellen. Als selbstreflexives und symbolproduzierendes Wesen ist der Mensch nun quasi gezwungen, mit diesem Tatbestand umzugehen, was in jeweils populationsspezifischen »Sex-/GenderSystemen« (Rubin 1975, S. 159) seinen Ausdruck findet. Jede menschliche Population besitzt also eine spezifische Geschlechterkultur. Geschlechterkultur meint immer mehr als Mann oder Frau oder Geschlechterrolle, Geschlechterkulturen beinhalten vielmehr Antworten auf folgende Fragen: – Was definiert ein Geschlecht? – Welchen Status haben die unterschiedlichen Geschlechter? – Welches Verhalten ist für das jeweilige Geschlecht angemessen? – Wofür sind die Geschlechter jeweils zuständig? – Wie werden diese Bereiche und Kompetenzen gewertet? Die in den abendländischen Gesellschaften vorherrschende Geschlechterkultur, die zwei Geschlechter entlang körperlicher Merkmale unterscheidet, kann als bipolar-dualistisch bezeichnet werden. In ihr werden sowohl Männern als auch Frauen jeweils unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Verhaltensmuster zugeschrieben: Frauen gelten als emotional, Männer als rational; Frauen als naturnah, Männer als kulturnah. Nicht zuletzt aufgrund der Zuordnung des Mannes zur Sphäre der Kultur wurde ihm ein höherer gesellschaftlicher Status zugewiesen als der Frau (Hausen 1978). Folglich waren bis weit in das 20. Jahrhundert in den Geschlechterkulturen der westlichen Industriestaaten Frauen den Männern rechtlich nicht gleichgestellt, Frauen war zudem der Zugang zu zahlreichen Einrichtungen des öffentlichen Lebens ebenso verschlossen wie grundsätzliche formale Mitwirkungsrechte an der politischen Willensbildung. Erst ab 1890 erhielten Frauen in Deutschland nach und nach Zugang zu Universitäten und erst

Kulturdimension Geschlechterverhältnis

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1918 das Wahlrecht. Die Vorrangstellung des Mannes innerhalb des Familienverbandes wurde erst im Jahr 1977 mit der Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs korrigiert. Diese Reformen in den westlichen Demokratien sind Bestandteil eines Wandels der Geschlechterkultur von einer exklusiven zu einer inklusiven: Es existiert mittlerweile kaum mehr ein öffentlicher Bereich, zu dem Frauen qua Gesetz keinen Zugang haben.4 Diese inkludierende Geschlechterkultur westlicher Industriestaaten ist jedoch nach wie vor von einer eindeutigen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung geprägt. Dabei steigt der Frauenanteil mit zunehmender Nähe der Tätigkeit zur unmittelbaren Fürsorge am lebendigen Menschen (beispielsweise der Krankenpflege) an. Diese – in der Geschlechterforschung als weiblich konnotiert bezeichneten Tätigkeiten – sind gegenüber den männlich konnotierten ebenso geringer bewertet wie weiblich konnotierte Lebensmuster. Dies findet seinen Ausdruck unter anderem in einem vergleichsweise niedrigeren durchschnittlichen Einkommen von Frauen. Ein weiteres Charakteristikum der vorherrschenden Geschlechterkultur liegt in der Abwertung weiblich konnotierter Lebensmuster, Tätigkeiten und Kompetenzen, die auch Männer erfahren, die in »Frauenberufen« tätig sind oder weiblich konnotierte Patchworkbiografien mit den damit verbundenen Wechseln von Berufsein- und -ausstiegen leben (Döge 2006a). Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung drückt in diesem Fall also zugleich eine geschlechtshierarchische Arbeitsteilung aus – was jedoch nicht zwangsläufig der Fall sein muss (Abbildung 7). In der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern reproduzieren und reflektieren sich zugleich die vorherrschenden Geschlechterrollen und damit die für die jeweiligen Geschlechter als angemessen betrachteten Verhaltensweisen. In den abendländischen Geschlechterkulturen wird Männlichkeit vor allem mit Stärke und Technikkompetenz, Weiblichkeit besonders mit Fürsorge-

4

Meines Wissens regeln in der Bundesrepublik Deutschland noch zwei Rechtsvorschriften einen unterschiedlichen Umgang mit Frauen und Männern: So ist es Frauen gesetzlich untersagt, unter Tage zu arbeiten; Männern müssen Wehrdienst ableisten, Frauen dürfen sich freiwillig zur Bundeswehr melden.

Was ist Kultur?

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kompetenz assoziiert. Dementsprechend beläuft sich in der Bundesrepublik Deutschland der Männeranteil am Erziehungspersonal in Kindergärten und Kindertagestätten auf etwa 5 %, der Frauenanteil an den Elektroingenieuren auf etwa 3 %. Eine im Hinblick auf den sozialen Status von Frauen und Männern sowie im Hinblick auf die Bewertung der Tätigkeiten ähnliche Geschlechterkultur findet sich in konfuzianisch geprägten Gesellschaften. Der Konfuzianismus löste in diesen Gesellschaften die eher egalitäre Sichtweise des Taoismus ab, der zwar dualistisch zwischen weiblich (Yang) und männlich (Yin) unterscheidet, diese Eigenschaften aber nicht in Abgrenzung, sondern in Relation zueinander definiert und als gleichwertig sieht (Linck 1997, S. 349). Dementsprechend kann hier von einer dualistisch-komplementären Geschlechterkultur gesprochen werden.

Mann

Körpermerkmale

Frau

Männlich Tätigkeiten Kompetenzen Lebensmuster

Weiblich

Abbildung 7: Geschlechterkulturen und Geschlechterhierarchie

Wie der soziale Status von Frauen und Männern und deren jeweiligen Tätigkeiten in islamisch geprägten Geschlechterkulturen zu interpretieren ist, ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Als Faktum lässt sich jedoch festhalten, dass diese Geschlechterkultur von einer eindeutigen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung gekennzeichnet ist, in der Männern und Frauen zudem genau definierte Räume zugewiesen werden. Von Bedeutung ist dabei weiterhin, dass diese Räume das jeweilige andere Geschlecht exkludieren: Die islamische Geschlechterkultur basiert auf einer strikten Trennung der Geschlechter, wobei auch sie Frau und

Kulturdimension Geschlechterverhältnis

43

Mann nach körperlichen Merkmalen unterscheidet (Breuer 2002, S. 21 ff.).

symbolisches Geschlecht

biologisches Geschlecht ƃ ƃ ƃƃ ƂƂ ƃƂ Ƃƃ

Ƃ Ƃ ƃƃ ƂƂ ƃƂ Ƃƃ

Abbildung 8: Die zehn Geschlechter der Amarete (aus: Rösing 2005, S. 74)

Beinhalten alle diese Geschlechterkulturen auf der symbolischen Ebene lediglich zwei Geschlechterkategorien, finden sich beispielsweise bei der Population der Amarete in den bolivianischen Anden zehn Geschlechterkategorien (Abbildung 8). Diese bauen auf zahlreichen Kombinationen von männlich sowie weiblich auf und gründen sich auf einer geschlechtsspezifischen Kategorisierung des individuellen Eigentums an Land (Rösing 2005). Die jeweiligen Kombinationen werden unter anderem durch die Kleidung symbolisiert, die Kombinationen von männlich und weiblich entscheiden dann über den Sitzplatz bei wichtigen Ritualen. Trotz dieser Vielfalt der Geschlechterkategorien existiert auch bei den Amarete eine eindeutige Hierarchie: Männlich sitzt bei Versammlungen auf der (besseren) rechten Seite, weiblich auf der (schlechteren) linken Seite. Dabei besitzen weibliche Männer denselben Status wie (weibliche) Frauen. Die Basis der vielfachen symbolischen Kategorisierung der Geschlechter stellt jedoch auch hier die (biologische) Zweigeschlechtlichkeit dar. Von daher haben die Amarete eigentlich nicht zehn Geschlechter, sondern vielmehr zehn Geschlechterrollen. Diese Vermischung der Geschlechterkategorien stellt nicht unbedingt ein exklusives Phänomen der Amarete dar, sondern findet sich auch in der abendländischen Geschlechterkultur in der Abwertung vermeintlich weiblicher, homosexueller Männer – diese bilden »das unterste Ende der männlichen Geschlechterhierarchie« (Connell

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Was ist Kultur?

1999, S. 99) – sowie in der Abwertung vermeintlich männlicher Frauen. Der jeweilige soziale Status von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung sowie der Umgang mit Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen Merkmale keiner Genusgruppe eindeutig zugeordnet werden können (Transsexualität), bildet ein weiteres Element von Geschlechterkulturen. Hinzu kommt der Umgang mit Sexualität überhaupt: Welche Dimension von Sexualität – die Beziehungsdimension, die Fortpflanzungsdimension, die Lustdimension (Beier et al. 2001) – steht jeweils im Vordergrund und wird zugelassen oder bildet ein Tabu? Wer darf mit wem zu welcher Zeit sexuelle Beziehungen unterhalten? Welche Formen von Sexualität sind »normal« und welche werden tabuisiert? Exkurs – Gender-Mainstreaming als Gestaltung von Geschlechterkulturen: Die These, Geschlechterrollen sowie das Verhalten von Frauen und Männern seien ausschließlich Ergebnis von Erziehung und Sozialisation, bildet einen zentralen symbolischen Baustein der vorherrschenden Geschlechterkultur in den westlichen Industriestaaten und der hier formulierten Geschlechterpolitik. In den vergangenen Jahren ist diese These jedoch mehr und mehr unter Druck geraten und scheint mittlerweile immer weniger haltbar: In der Annahme, der Mensch sei lediglich Produkt von Kultur, spiegelt sich das beschriebene Naturverhältnis der nachaufklärerischen Wissenschaftskultur und Naturphilosophie wider. Dieses Denkmodell wird im Kontext der Entwicklung der Naturwissenschaften seit gut achtzig Jahren zunehmend in Frage gestellt, die Abgrenzung von Kultur und Natur wird ebenso brüchig wie die Annahme, nur der Mensch sei ein Kulturwesen (Döge 2006c). Kultur kann also nicht nur durch Kultur erklärt werden, Kultur – wie die beschriebene Dominanzkultur – reflektiert immer auch Natur. Damit wird gleichzeitig die dem Sozialkonstruktivismus zugrunde liegende behavioristische Sichtweise in Frage gestellt, nach der ein Mensch als »leeres Blatt« geboren wird und seine Persönlichkeit ausschließlich Resultat von Erziehung und Sozialisation ist (Pinker 2003, S. 38 ff). Hinzu kommt, dass universale und überhistorische Kulturmuster zu existieren scheinen, die deren evolutionsbiologische

Kulturdimension Geschlechterverhältnis

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Fundierung nahe legen (Brown 1991, 2000) – etwa die beschriebenen Dominanzkulturen oder geschlechtsspezifische Unterschiede im »parentalen Investment«. In diesem Sinne zeigt eine Auswertung ethnografischer Studien durch die UNESCO, dass von 156 Kulturen lediglich 20 % eine enge Vater-Kind-Beziehung im Allgemeinen und nur 5 % solche zwischen Vätern und kleinen Kindern im Besonderen unterstützen (FatherWorld, Vol. 3, Nr. 2, S. 2). Die am IAIZ durchgeführte Analyse der Zeitverwendung von Männern und Frauen in der Bundesrepublik Deutschland macht dementsprechend eine weitgehende Konstanz der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in Familien in der Bundesrepublik Deutschland im vergangenen Jahrzehnt deutlich: Frauen investieren den größten Zeitanteil in die Kinderbetreuung, Männer in handwerkliche Tätigkeiten (Döge 2006, S. 74 ff.). Neurobiologische Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass unterschiedliche kognitiv-mentale Verarbeitungsmuster bei Männern und Frauen existieren (Kimura 2000; Hines 2004; Maccoby 2000). Besonders hervorgehoben werden immer wieder das sogenannte räumliche Orientierungsvermögen und mathematische Kompetenzen (Quaiser-Pohl u. Jordan 2004). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Männer und Frauen unterschiedliche Fähigkeiten besitzen, vielmehr differieren ihre jeweiligen Handlungsstrategien. So sind Frauen keineswegs mathematisch unbegabt, Männer sind anscheinend nur besser in der Lage, mathematische Aufgaben auf einem bestimmten abstrakten Niveau zu lösen, während Frauen in Situationen mit einem konkreten Sinnbezug gleiche mathematische Fähigkeiten entwickeln (Devlin 2004, S. 156 ff.). Ebenso sind Frauen keineswegs technisch unbegabt, sie haben vielmehr zahlreiche Innovationen vorangetrieben (Jaffé 2006, S. 20), die in der vorherrschenden Technikkultur aber als untechnisch gesehen werden (Oldenziel 1999). Männer und Frauen unterscheiden sich also nicht in ihren grundlegenden Fähigkeiten, aber anscheinend in der Form, in der sie spezifische Aufgaben und Probleme angehen – und dieser Unterschied dürfte eine evolutionsbiologische oder neurobiologische Fundierung zu haben. Als zentraler Beleg für die ausschließlich sozialisationsbedingte Prägung geschlechtsspezifischen Verhaltens galt lange Zeit das »Experiment Bruce/Brenda Reimer« (Schwarzer 2002; Scheu

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Was ist Kultur?

1977). Der durch eine Vorhautoperation verstümmelte Bruce Reimer sollte als Mädchen zu Brenda Reimer erzogen werden. Sein eineiiger Zwillingsbruder Brian, der keiner Operation unterzogen wurde, erfuhr nichts von dem Unfall und ging davon aus, er habe eine Schwester (Colapinto 2002; Diamond u. Sigmundson 1997). Entgegen den positiven Befunden des den »Versuch« begleitenden Sexualforschers John Money fand der australische Sexualforscher Milton Diamond im Rahmen einer nochmaligen Untersuchung des Falls in den schulpsychologischen Unterlagen und anderen Aufzeichnungen begleitender Psychologen sowie in den Aussagen des Bruders und der Eltern eindeutige Hinweise darauf, dass Brenda Reimer immer ein »jungenhaftes« Verhalten zeigte und kaum Beziehungen zu Mädchen aufgebaut hatte. Brenda/Bruce Reimer, der/dem sein Vater vor dem Hintergrund einer weiteren Verschlechterung seiner psychischen Verfassung in der Pubertät offenbarte, dass er eigentlich ein Junge sei, unterzog sich einer sexualchirurgischen Operation zur Wiederherstellung seines Penis, nahm den Namen David an und heiratete schließlich eine Frau, die drei Kinder in die Ehe brachte – er selber war nicht in der Lage, Kinder zu zeugen. Im Jahr 2004 nahm sich David Reimer das Leben (Röhl, o. A.). Geschlechtsspezifische Unterschiede in den Verhaltensmustern von Frauen und Männern werden in den einschlägigen evolutionsund neurobiologischen Studien keineswegs sozialdarwinistisch interpretiert, sondern durchweg als gleichwertig angesehen – exemplarisch etwa von Simon Baron-Cohen, der von unterschiedlichen Gehirnstrukturen bei Frauen und Männer ausgeht: Eine zentrale These dieses Buches lautet, dass das männliche und weibliche Gehirn sich voneinander unterscheiden, aber dass im Großen und Ganzen keines besser oder schlechter ist als das andere [...] Die Gesellschaft braucht beide Gehirntypen (Baron-Cohen 2004, S. 250).

Zudem weist Baron-Cohen – wie auch andere in der Hirnforschung Tätige – darauf hin, dass alle beobachteten Unterschiede zwischen Männern und Frauen zunächst Unterschiede auf einem Gruppenniveau darstellen. Es ist also sehr wohl möglich, dass Frauen und Männer auf der Ebene des Individuums keine signifikanten Unterschiede zeigen. Allerdings sind die beiden Außenrän-

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der der idealtypischen Verteilungskurve signifikant geschlechtsspezifisch belegt. Hiervon ausgehend wird eine egalitäre Gestaltung von Geschlechterkulturen – wie sie beispielsweise die Gender-Mainstreaming-Strategie vorsieht – keinesfalls unmöglich, es verschiebt sich allerdings der Fokus geschlechterpolitischer Strategien von der Gleichheit zur Gleichwertigkeit: Männliche und weibliche Handlungsstrategien sollen als gleichwertig bei der Lösung von Problemen angesehen und gehandhabt werden (Döge 2006a). Grundlage einer solchen Strategie ist selbstredend die rechtliche Gleichheit der Geschlechter. Gender-Mainstreaming knüpft damit an die beschriebene basale Idee des Managing-Diversity-Konzepts an: Im Zentrum steht das jeweilige (männliche oder weibliche) Individuum mit seinen spezifischen Potenzialen sowie das Ziel, Rahmenbedingungen herzustellen, die es jedem Individuum ermöglichen, seine Stärken und Talente angemessen in Arbeitsprozesse einbringen zu können. Gender-Mainstreaming stellt ein auf die Geschlechterkultur ausgerichtetes Konzept der Organisationsentwicklung dar. Wie ausgeführt, bildet die Geschlechterkultur lediglich eine – wenn auch sehr basale – Kulturdimension des Menschen. Da jedoch alle Kulturdimensionen miteinander verwoben sind, kann Gender-Mainstreaming niemals ein Konzept zur umfassenden Gestaltung von benachteiligungsfreien Organisationskulturen darstellen. Nicht selten aber bildet Gender-Mainstreaming, dessen Umsetzung als politischer Auftrag für den staatlichen Bereich formuliert wurde, den Beginn eines Reflexionsprozesses über Normalitätskulturen in Organisationen, in dessen Verlauf auch die anderen Kulturdimensionen an Relevanz gewinnen. Gender-Mainstreaming ist in diesem Sinne ein wichtiges Lernfeld für Managing Diversity (Döge 2006b).

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Was ist Kultur?

4.3 Kulturdimension soziale Interaktion (Mensch – Mensch) Menschen leben immer in Gruppen, wobei das besondere Merkmal der Gattung Homo sapiens darin besteht, dass sich diese Gruppen – etwa im Vergleich zu den Menschenaffen – nicht ausschließlich durch Verwandtschaftsbeziehungen konstituieren, sondern auch – wie dargestellt – symbolvermittelt zusammengehalten werden. Dabei nehmen diese Zusammenschlüsse unterschiedliche Dimensionen an: so beispielsweise vom örtlichen Sportverein über das Unternehmen bis hin zu einer Nation. Als ein zentrales Merkmal nationaler Kulturen identifiziert Hofstede »Machtdistanz« (Hofstede 2006, S. 51 ff.), worunter er die Akzeptanz einer spezifischen Form der Verteilung von Macht und Autorität in Gruppen versteht. Hiervon ausgehend lassen sich zunächst Führungsstile in Organisationen ebenso unterscheiden wie politische Kulturen und damit verbundene Kommunikationskulturen, die ihrerseits wiederum auf kulturspezifischen basalen Menschenbildern gründen und die jeweils vorherrschenden Zeitund Arbeitskulturen bestimmen. 4.3.1 Führungsstile von Gruppen und Organisationen Abbildung 9 zeigt verschiedenartige Managementkulturen, in denen sich unterschiedliche Führungsstile widerspiegeln. Der autoritäre Führungsstil sieht die Mitarbeitenden als vollständig untergeordnet und als Vollzugsorgane an, die Führung allein trifft die Entscheidungen (Neges u. Neges 1999). Zwar sieht auch der paternalistische Führungsstil seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als untergeordnete Helfer, allerdings übernimmt die Führung für diese eine Fürsorgepflicht – etwa durch den Bau von Werkswohnungen oder den Erhalt von Arbeitsplätzen. Auch eine charismatische Leitung von Organisationen oder Gruppen, die aufgrund ihrer Ausstrahlung von den Mitarbeitenden als Führung akzeptiert wird, entscheidet in der Regel allein. Das genaue Gegenteil zu diesen autokratischen Stilen bildet der sogenannte Laisser-faire-Stil: Die Führung ist zurückhaltend oder entscheidungsscheu, die Mitarbeitenden haben weitgehend

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freie Hand. Zwischen dem Laisser-faire und dem autoritären Führungsverhalten liegt der kooperative Führungsstil, bei dem sich die Leitung als Primus inter Pares begreift und auf die Entwicklung von Lösungsstrategien durch Gruppen zielt. Leitung nimmt hier die Form der Moderation an. Managementstile unterscheiden sich also auch dadurch, ob sie auf das Management von Individuen oder auf das Management von Gruppen zielen (Hofstede 2006, S. 136).

Abbildung 9: Managementkulturen im Vergleich (aus: Lewis 2000, S. 83)

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Was ist Kultur?

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit von Führungsstilen bietet die Differenzierung in netzwerkartig und aufgabenorientiert: Zur Erreichung der Gruppen- und Organisationsziele legt der Netzwerkstil den Schwerpunkt – in der Reihenfolge ihrer Bedeutung – auf den Status der Führungsperson(en), die Befehlskette, den Führungsstil, die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auf die Sprache. Beim aufgabenorientierten Führungsstil sieht die Führung ihre zentrale Aufgabe darin, Probleme in Angriff zu nehmen, Strategien zu formulieren, eine passende Form von Arbeitsethik zu begründen sowie über Effizienz, Aufgabenverteilung und Zeitverwendung zu entscheiden (Lewis 2000, S. 82). 4.3.2 Kollektivistische und individualistische Kulturen Die unterschiedlichen Managementstile spiegeln zugleich basale Grundannahmen über das Wesen des Menschen wider. Zu diesen Grundannahmen gehört insbesondere die Beantwortung der Frage nach den Bestimmungsfaktoren von Persönlichkeit und Identität. Hierbei lassen sich grob zwei Sichtweisen unterscheiden: eine individualistische und eine kollektivistische (Hofstede 2006, S. 100 ff.; Lewis 2000, S. 84 ff.). Während die kollektivistische Sichtweise menschliche Identität ausschließlich aus der Beziehung des/der Einzelnen zu anderen Menschen und vor allem zu einer Gruppe definiert, sieht die individualistische Perspektive menschliche Identität konstituiert aus Abgrenzung und Entgegensetzung zum jeweils Anderen. Eine kollektivistische Persönlichkeit befindet sich in einem dauerhaften Loyalitätszwang zur Gruppe, denn diese gewährt Schutz und Sicherheit. Der gesellschaftliche Status des / der Einzelnen definiert sich über seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe und deren Prestige. Der / die Einzelne vertritt nach außen keine eigene Meinung und Ansicht, sondern orientiert diese ebenso an der Gruppenmeinung wie seine Alltagsethik (Lyskov-Strewe u. Schroll-Machl 2003, S. 105). Sehr deutlich finden diese unterschiedlichen Sichtweisen in Familienkulturen und Erziehungsnormen ihren Ausdruck: In kollektivistischen (meist großfamiliären) Familienkulturen – etwa in konfuzianisch geprägten Gesellschaften – soll das Kind zu einem

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»harmonischen« Bestandteil des Familienverbands mit seinen klar vorgegebenen Rollen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten werden. Die Familie gewährt Schutz und Sicherheit, das Kind verpflichtet sich im Gegenzug zu lebenslanger Loyalität (und Gehorsam) seinen Eltern und anderen Familienmitgliedern gegenüber. Besondere Bedeutung erhält in diesen Familienkulturen die Eheschließung. Denn diese wird – wie beispielsweise in traditionellen islamischen Gemeinschaften – primär als Verbindung von zwei Familien und nicht als Verbindung von zwei Menschen gesehen (Heine 2001, S. 45 ff.). Individualistische Familienkulturen, die meist als klassische Kernfamilie angelegt sind, ermuntern Kinder (idealtypisch) eher dazu, persönliche Bedürfnisse zu entwickeln und diese auch auszudrücken. Es wird nicht erwartet, dass Kinder den Eltern gegenüber eine lebenslange Loyalitätsbeziehung entwickeln oder lebenslang mit ihnen unter einem Dach wohnen. 4.3.3 Politische Kulturen Zusätzlich zu der Frage nach den Bestimmungsfaktoren der Persönlichkeit entscheidet die Antwort einer Gemeinschaft auf die basale Frage, ob Menschen per se gut oder böse sind, über deren politische Kultur, also der Form, in der verbindliche Regelungen – wie etwa Gesetze – entwickelt werden, in der den Mitgliedern einer Gemeinschaft dabei Partizipationsmöglichkeiten eingeräumt werden und in der diese Verbindlichkeiten durchgesetzt werden sollen. Diese Frage durchzieht alle menschlichen Populationen zu allen Zeiten und lässt sich dementsprechend auch in der europäischen Geistesgeschichte finden. Sieht man – wie etwa der Philosoph Thomas Hobbes – den Menschen von Natur her als schlecht und gewalttätig an, braucht es einen starken Staat – einen Leviathan –, dem wir Menschen im Bewusstsein um unsere Unzulänglichkeiten alle Rechte mit dem Ziel übertragen, dass uns dieser Staat quasi vor uns selbst schützt (Hobbes 1980). Vorstellungen einer hierarchischen Gesellschaftsordnung und der politischen Kultur finden sich auch in der Philosophie des Konfuzius. Gesellschaftliche Harmonie kann ihm zufolge nur dann gewährleistet werden, wenn soziale Rollen und Funktionen in ihrer hierarchischen Ordnung

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Was ist Kultur?

eindeutig definiert sind und auch verbindlich eingehalten werden: »Meister Kung sprach: ›Der Fürst sei Fürst, der Diener sei Diener; der Vater sei Vater, der Sohn sei Sohn‹« (Kungfutse nach Wilhelm 1990, S. 125).5 Verbindlichkeiten sollen demnach von einer kleinen ausgewählten Elite hergestellt werden, die Umsetzung durch strikte Kontrolle der individuellen Handlungen begleitet sowie top-down durch Befehl-Gehorsam-Kaskaden geregelt werden. Politische Steuerung versucht hier direkt das Verhalten des/der Einzelnen zu beeinflussen – etwa durch Ge- und Verbote. Den Gegenpol zu dieser Sicht bildet etwa der russische Philosoph Pjotr Kropotkin, der ausgehend von seinen systematischen Tierbeobachtungen in seinem 1902 veröffentlichten Buch »Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt« die Meinung vertritt, der Mensch sei sehr wohl ohne staatliche Reglementierungen zu gegenseitiger Hilfe bereit und in der Lage (Kropotkin 1975). Die Verbindlichkeiten, auf denen die Gemeinschaft aufbaut, werden ihm zufolge aus intrinsischer Motivation befolgt. Sie können darüber hinaus aber auch aus der Erkenntnis der Gemeinschaftsmitglieder entstehen, dass reziproke Interaktionen dem Einzelnen am meisten nützen. Kooperation kann also – wie gezeigt – sehr wohl Folge egoistischer Einzelinteressen an einer Nutzenoptimierung sein und sich quasi automatisch einstellen (Axelrod 2000). Der Schwerpunkt der Kontrolle liegt in diesem Fall nicht auf den individuellen Handlungen, sondern auf der Angemessenheit der Rahmenbedingungen in dem Sinne, dass sie Reziprozität belohnen sollen. Politische Steuerung ist demnach indirekt und versucht das Handeln des/der Einzelnen durch Anreize zu beeinflussen. 4.3.4 Kommunikationskulturen Befehl-Gehorsam-Kaskaden sind zugleich Ausdruck linearer Kommunikationskulturen (Lewis 2000, S. 54 ff.). Diesen sind aber immer zugleich netzwerkartige Kommunikationskulturen unsichtbar unterlegt, in denen Informationen durch viele Akteure zusammengetragen werden. Dabei ergibt sich dann 5

In diesem Zitat wird zugleich die latente Frauenfeindlichkeit Konfuzius’ deutlich, denn Mütter und Töchter bleiben unerwähnt.

Kulturdimension soziale Interaktion

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die Frage, welche Informationen wichtig und vor allem, welche Informationen wahr sind.

dialogorientierte Kulturen

datenorientierte Kulturen

Abbildung 10: Informationskulturen (aus: Lewis 2000, S. 62 f.)

Datenorientierte Kulturen lösen diese Frage dadurch, dass sie große Energie in systematisch angelegte Datensammlungen investieren, die gewissen methodischen Anforderungen entsprechen müssen. Hierbei kommt denjenigen, die die Daten sammeln, ein hohes symbolisches Kapital zu. Dialogorientierte Kulturen dagegen betrachten die Wahrheit von Informationen immer im Kontext der situativen Erfordernisse, wobei die Informationen aus den unterschiedlichsten – auch informellen – Quellen stammen können (Abbildung 10). Als wahr erkannte Tatbestände werden in Kommunikationskulturen in individualistisch geprägten Gemeinschaften eher konfrontativ vertreten. Der Einzelne zielt hier auf die Durchsetzung seiner Meinung oder Ansicht gegenüber anderen. Kollektivistische Kommunikationskulturen sind demgegenüber eher konsensual: Der Einzelne versucht seine Meinung in Harmonie mit der Gruppenmeinung zu bringen. Persönliche Meinungen existieren in dieser Kultur so gut wie nicht, die Konfrontation anderer Personen mit der eigenen Meinung gilt hier vielmehr als unhöflich. Von daher sind konsensuale Kommunikationskulturen eher reaktiv, in ihnen bilden Zuhören und (langes) Schweigen einen wichtigen Bestandteil. Zudem spielt die nonverbale Dimension von Kommunikation eine wichtige Rolle. Auch wenn immer vorhanden, schenken aktive Kommunikationskulturen,

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Was ist Kultur?

wie sie in den kapitalistischen Industriestaaten vorherrschen, der nonverbalen Dimension von Kommunikation nur wenig Aufmerksamkeit, der Schwerpunkt liegt auf dem Gesprochenen: »[...] vieles, was in kollektivistischen Kulturen selbstverständlich ist, muss in individualistischen Kulturen explizit ausgedrückt werden« (Hofstede 2006, S. 119). Die Gesprächspartner in aktiven Kommunikationskulturen suchen gewöhnlich Augenkontakt, dagegen ist die Vermeidung von Blickkontakten typisch für reaktive Kulturen. 4.3.5 Zeit ist Geld: Zeit- und Arbeitskulturen 4.3.5.1 Zeitkulturen Ebenso wie lineare Kommunikationskulturen existieren auch lineare Zeitkulturen. Sie sind gekennzeichnet von einer klaren zeitlichen Strukturierung von Aktivitäten: Die Uhr bestimmt Beginn und Ende. Robert Levine bezeichnet solche Kulturen von daher auch als Uhrzeitkulturen (Levine 2000, S. 127; Lewis 2000, S. 65 ff.). Uhrzeitkulturen verstehen die Zeit als feste, lineare und messbare Realität, wobei Zeit als knappes Gut gesehen wird, das effektiv verwaltet werden muss. Demgegenüber bestimmen in Ereigniszeitkulturen die Aktivitäten das Zeitmuster, die Uhrzeit spielt hier kaum eine Rolle (Tabelle 3): In linear-aktiven Kulturen wird Zeit mit Uhren und Kalendern verbunden und auf abstrakte Weise segmentiert [...] in multi-aktiven Kulturen wird die Zeit ereignis- oder personenbezogen, ein subjektives Gut, das man unabhängig von Uhrzeigern manipulieren, formen, strecken oder beiseitelegen kann (Lewis 2000, S. 70).

So besitzen beispielsweise die Sioux-Indianer als eine Gemeinschaft mit Ereigniszeitkultur kein Wort für »Zeit«, »spät« oder »warten«. Viele arabische Kulturen rund ums Mittelmeer kennen eigentlich nur drei Zeitzustände: gar keine Zeit, jetzt (wobei die Dauer variiert) und ewig (zu lange) (Levine 2000, S. 137 ff.). In asiatischen Gesellschaften wird die Zeit weder als linear noch als ereignis- oder personenorientiert, sondern als zyklisch betrachtet (Lewis 2000, S. 71 ff.). Hier wird nicht die Zeit gestaltet, sondern der Mensch passt sich an den ewigen Kreislauf des Seins an. Die zyklische Zeit ist kein knappes Gut, sie kann nicht unnütz

Kulturdimension soziale Interaktion

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verschwendet werden, denn wenn eine Chance vertan ist, besteht immer die Möglichkeit, dass sie sich wieder bietet. Tabelle 3: Zentrale Elemente von Zeit- und Arbeitskulturen lineare Zeitkultur Zeit als lineare Abfolge von klar abgegrenzten Ereignissen Uhrzeitkultur

Ereignisse haben einen durch die Uhrzeit klar definierten Beginn und ein klar definiertes Ende.

zyklische Zeitkultur Zeit als zyklische Abfolge von Ereignissen Ereigniszeitkultur

Der Beginn und das Ende von Ereignissen werden durch die Ereignisse und von den an den Ereignissen Teilnehmenden bestimmt.

Arbeit als Pflicht Der Mensch ist per se arbeitsunwillig.

Arbeit als Aktivität Der Mensch ist intrinsisch motiviert.

tayloristische selbstorganisierte Arbeitsteilung Teams mit eigenmit wenig Gestalverantwortlich tungsspielraum gestalteter Arbeitsund klar vorgegeorganisation bener Arbeitszeit Arbeitslose Es müssen müssen reglemenadäquate Rahtiert und zur menbedingungen Arbeit gezwungen geschaffen werden. werden, um die brachliegenden Potenziale von Arbeitslosen zu aktivieren.

4.3.5.2 Arbeitskulturen Nach Ansicht von Robert Levine offenbart keine Kulturdimension einem Betrachter mehr über den psychischen Zustand einer Population als deren Vorstellungen von Aktivität und Inaktivität (Levine 2000, S. 76 ff.). Im Gegensatz zu den abendländischen Gemeinschaften ist in asiatischen Kulturen die Grenze zwischen Tätigsein und Nichtstun viel weniger ausgeprägt. Nichtstun wird sogar als etwas sehr Produktives gesehen, aus dem neue schöpferische Kraft entstehen kann. Japaner zum Beispiel empfinden besondere Hochachtung für das Konzept des »ma« – des Zwischenraums zwischen Gegenständen oder Aktivitäten. Menschen aus dem Westen beschreiben den Raum zwischen einem Tisch und einem Stuhl vielleicht als leer, Japaner dagegen definieren den Zwischenraum als »voll von Nichts«. In der taoistischen Philosophie wird ein manipulativ-kontrollierendes Einwirken auf Gegenstände und

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Was ist Kultur?

Prozesse als mehr oder weniger unmöglich gesehen, die angemessene Haltung zur Umwelt ist »Wu Wei«, das Nichteinmischen.6 Demgegenüber steht die »protestantische Ethik« der kapitalistischen Industriestaaten und mit ihr eine spezifische Arbeitskultur, die die Pflicht beinhaltet, aktiv zu sein (Weber 2005). Damit reproduziert sie – wie alle Arbeitskulturen – einen charakteristischen Begriff von Arbeit, eine Vorstellung von angemessener Arbeitszeit sowie Bewertungsmaßstäbe unterschiedlicher Arbeiten hinsichtlich der Entlohnung und hinsichtlich des sozialen Prestiges – etwa von Handarbeit und von Kopfarbeit, von künstlerischen Tätigkeiten oder pflegerischen Tätigleiten. Jede Arbeitskultur weist zudem eine spezifische räumliche Organisation von Arbeit auf: Trennung zwischen Arbeits- und Wohnstätte in kapitalistischen Arbeitskulturen oder deren Einheit in landwirtschaftlich-großfamiliär geprägten Kulturen. Zur räumlichen Organisation kommt eine jeweils spezifische Arbeitsteilung sowohl in einer Gesellschaft als Ganzer – etwa zwischen sogenannten Frauenberufen und Männerberufen – als auch innerhalb von Arbeitsabläufen – beispielsweise hochgradig tayloristisch oder in selbst organisierten Teams hinzu. Hinter dieser organisatorischen Anlage der Arbeitsabläufe verbirgt sich eine basale Grundannahme über den Menschen: Ist er von Natur aus faul oder arbeitswillig und intrinsisch motiviert? Frederic Winston Taylor ging von einem faulen und gering motivierten Menschen aus, dem folglich nur wenig Gestaltungsspielraum in der Arbeit überlassen und der bei der Arbeit genauestens kontrolliert werden sollte. Die Antwort auf die Frage nach dem Charakter des Menschen bestimmt auch den Umgang mit Arbeitslosigkeit in einer Gemeinschaft: Wird der Mensch von Natur aus als faul gesehen, muss er reglementiert und zur Arbeit gezwungen werden, wird er als intrinsisch motiviert gesehen, müssen adäquate Rahmenbedingungen geschaffen werden, um dessen brachliegende Potenziale zu aktivieren (Werner 2006). Schließlich weist jede Arbeitskultur eine spezifische Art des Umgangs mit den biophysikalischen Ressourcen auf, womit jede 13 Wu-Wei – das Prinzip vom »Nichthandeln« – sollte keinesfalls als Trägheit, Faulheit, laisser-faire oder bloße Passivität aufgefasst werden. Wu-Wei kann vielmehr umschrieben werden mit »nicht zwingen« (vgl. Watts 2003, S. 111 ff. ).

Kulturdimension Selbstbewusstsein

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Arbeitskultur zugleich auch das vorherrschende Naturverhältnis widerspiegelt. Im Naturverhältnis wiederum finden sich Bestandteile der im Folgenden darzustellenden Kulturdimension menschliches Selbstbewusstsein.

4.4 Kulturdimension Selbstbewusstsein (Mensch – Universum) Alle Kulturen formulieren Antworten auf die Fragen: Wo kommt die Welt her, wie ist sie entstanden und wohin geht die Welt, was ist ihr Sinn, was ist der Sinn menschlichen Lebens, was kommt nach dem Tod? Antworten auf diese Fragen geben allgemein Religionen verstanden als das jeweilige »[...] System von Vorstellungen und Praktiken [...], mit dessen Hilfe Menschen mit den Grundproblemen ihres Lebens kämpfen« (Yinger 1970, S. 7) (Abbildung 11). In diesem Sinne sieht auch Hans-Peter Hasenfratz eine zentrale Funktion von Religion in der »Kontingenzbewältigung« (Hasenfratz 2002, S. 10). Zudem begründet ein religiöses System Regeln sozialer Interaktion. Dabei wird die jeweilige Vorstellung der letzten Wirklichkeit, der höchsten Instanz von Moral und Ethik, von besonderer Bedeutung. Diese Vorstellungen finden ihren Niederschlag nicht zuletzt in den jeweils vorherrschenden Gottesbildern. Wenn die Welt ein Dorf mit 1001 Einwohnerinnen und Einwohnern wäre, dann gäbe es in diesem Dorf ... (nach Meadows 2003) 329 Christen 178 Muslime 132 Hindus 60 Buddhisten 45 Anhänger von Naturreligionen 3 Juden 86 Angehörige anderer Religionen 167 Atheisten

Abbildung 11: Wenn die Welt ein Dorf mit 1001 Einwohnerinnen und Einwohnern wäre

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Was ist Kultur?

4.4.1 Gottesbilder Können beispielsweise die vorchristlichen Religionen der Griechen und Römer als polytheistisch bezeichnet werden, postulieren das Christentum, der Islam und das Judentum als monotheistische »Verkündungsreligionen« die Erschaffung der Welt durch einen persönlichen, transzendenten Gott, der den Menschen klare Gesetze des Zusammenlebens diktiert. Deren Einhaltung oder Nichteinhaltung entscheidet über das Schicksal des Menschen nach seinem Tod in der Ewigkeit (von Glasenapp 1996, S. 217 ff.). Die Taten der Menschen sind somit a priori als bipolare Gegensatzpaare eindeutig eingeteilt in gut und böse. Demgegenüber steht etwa der atheistische Taoismus, der die Existenz des Universums und die mit ihm verbundene Ethik durch das Wirken einer unpersönlichen, der Welt immanenten Kraft – das »Tao« – erklärt: Es gab etwas Formloses und Vollkommenes, bevor das Universum entstand [...] Grenzenlos und ewig verfügbar. Es ist die Mutter des Universums. In Ermangelung eines besseren Namens nenne ich es das Tao. Es fließt durch alle Dinge [...] (Laotse nach Mitchell 2003, S. 36, Vers 25).

Das Tao formuliert keine immergültigen Gesetze, der Mensch ist vielmehr gezwungen, selbst den jeweils angemessenen Weg zu finden, um nach der dem Tao immanenten Harmonie zu leben. Folglich gibt es per se weder gut noch böse, diese Eigenschaften werden wie alle Eigenschaften der Dinge nur kontextuell und relational bestimmt: Wenn gewisse Dinge als schön gelten, werden andere Dinge hässlich. Wenn gewisse Dinge als gut gelten, werden andere Dinge schlecht. Sein und Nichtsein erzeugen einander. Schwierig und leicht stützen einander. Lang und kurz bestimmen einander. Hoch und niedrig sind abhängig voneinander. Vorher und nachher folgen einander [...] (Laotse nach Mitchell 2003, S. 16, Vers 2).

Auch Buddha gab den Menschen keine eindeutig formulierten Gesetzesvorschriften, er beschrieb nur Ziel und Weg zu einem Leben ohne Leiden: »Du musst Dich selbst befreien, die Buddhas lehren nur den Weg« (Buddha nach Bancroft 2002, S. 18). Während Buddha dem Glauben an die Wiedergeburt des Menschen in einem neuen Körper auf der Erde scheinbar ablehnend gegenüber-

Kulturdimension Selbstbewusstsein

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stand7, ist diese Denkfigur zentral für das hinduistische Religionssystem. Vor diesem Hintergrund muss es das Ziel des Menschen sein, sich durch gute Taten in seinem Leben eine gute Ausgangsposition für die Wiederverkörperung zu sichern. Hinter diesem Zyklus aus Geborenwerden – Sterben – Wiederverkörperung verbirgt sich das unpersönliche Weltgesetz, das allem Sein immanent ist. Im Gegensatz zum Tao konstituiert sich aus diesem jedoch eine hierarchische Welt- und Sozialordnung, welche die Menschen in unterschiedliche Kasten einteilt und eine spezifische Ethik begründet: »[...] dass die Menschen zwar in ihrem Kern alle eins sind, es aber Unterschiede zwischen ihnen gibt, die auf ihrem jeweiligen Karma (den Folgen ihrer früheren Handlungen) [...] beruhen« (Hawley 2002, S. 75). Die Seelen der Menschen werden »[...] in der Umgebung wiedergeboren, die ihrer spirituellen Entfaltung angemessen ist« (Hawley 2002, S. 103). Tabelle 4: Zentrale Strukturmerkmale religiöser Weltanschauungen monotheistisch

atheistisch

transzendenter Schöpfergott

immanentes Wirkungsprinzip

explizite Gesetze

implizite Harmonie

Gut und Böse klar definiert

Gut und Böse relational und kontextuell bestimmt

zyklische Zeit

lineare Zeit

Mit seiner Vorstellung des ewig wirkenden Dharma begründet der Hinduismus zugleich eine zyklische Zeitordnung: Die Welt hat keinen bestimmten Anfang und kein bestimmtes Ende, sie ist ein immerwährendes Sein. Demgegenüber wird von den monotheistischen Religionen angenommen, dass alles Lebendige außer Gott selbst einen Anfang und ein Ende hat: »Die Zeit zwischen der Schöpfung und dem Ende der Welt umfasst die ›Weltgeschichte‹. 7

»[...] die Frage, ob ich nach meinem Tod weiter existieren werde, ist eine der Vorstellungen, die nur in dichte Dschungel und trockene Wüsten führen, in einen Wald von Dornen, in dem wir uns verstricken, [...] wird der Körper, in dem wir die Wahrheit erkennen können, eines Tages sterben [...] Er hat dann keine Zukunft mehr. Doch die Wahrheit selbst, das reine Sein, ist immer noch da« (zit. nach Bancroft 2002, S. 109 f.).

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Was ist Kultur?

Diese ist ein einmaliges, unwiederholbares Geschehen« (von Glasenapp 1996, S. 218). Subjekt und Objekt dieser Geschichte ist dabei nur die Menschheit, während Tiere, die beispielsweise der Hinduismus in das Heilsgeschehen integriert, unberücksichtigt bleiben. 4.4.2 Religion und Kirche Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von Religionen und Weltanschauungen besteht in ihren Ritualen und Zeremonien: Gottesdiensten, liturgischen und kultischen Zeremonien, Definition und Feier von Festen und Festtagen (vgl. Abbildung 12), Gebetsformen und Gebetsorte, Tänze und Gesänge, magische Rituale, Umgang mit den Körpern, Speisegesetze, Opfer-, Reinigungs-, Segnungsoder Weihehandlungen. Ebenso bedeutsam ist der Ort, an dem die Rituale und Zeremonien durchgeführt werden (Kirche, Synagoge, Moschee, Gebetsraum), sowie die Personen, welche die Rituale und Zeremonien durchführen oder durchführen dürfen. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage nach der jeweiligen Organisationsform von Religion und vor allem danach, wer berechtigt ist, die religiöse Wahrheit zu verkünden. Um diese Aufgabe zu lösen, haben sich beispielsweise die christlichen Religionen in Kirchen organisiert. Als Kirche kann unter Rückgriff auf Max Weber eine formal organisierte Glaubensgemeinschaft bezeichnet werden, die die religiöse Wahrheit für alle Mitglieder verbindlich definiert, wobei diese religiöse Wahrheit wiederum ausschließlich von formal bestimmten (ordinierten) Menschen verkündet werden darf (Weber 1980, S. 336).

St. Valentin

Abbildung 12: Interkultureller Kalender 2008 (Autorin: Gertrud Wagemann, Herausgeber: Der Beauftragte des Senat von Berlin für Integration und Migration; www.integrationsbeauftragter-berlin.de)

Osterfest

Karfreitag, Purimfest, Altiran. Njfest Holifest

Muhammads Geburtstag

Palmsonntag

St. Patrick

Hrsg: Beauftragter des Senats von Berlin für Integration und Migration Potsdamer Straße 65, 10785 Berlin, Tel. 030 / 9017-23 57

Christliche Festtage

Gedenktag f. d. Opfer d. Nationalsozialismus

Ashure der Aleviten

Aschura-Tag

Pongalfest der Tamilen

Islamisches Neujahr 1429, MuharremFasten Alevit. 10.–21.1.

Orthodoxes Weihnachtsfest Russ./Serb. u.a.

Hl. 3 Könige

Internationaler Frauentag

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 Fronleichnam

Buddh. Neujahr Wesak 2552

Muttertag, Pfingstfest, Karneval der Kulturen Berlin

Ende des 2. Weltkriegs in Europa

St. Georgsfest der Roma

Tag der Shoa

Tag der Arbeit, Christi Himmelf.

Mai 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 Tag der Französischen Revolution

Independence Day USA

Juli

Jüdische Festtage

Christopher Street Day örtl. untersch.

St. Johannis

Schawuot

Juni 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

E-Mail: [email protected] Internet: www.integrationsbeauftragter-berlin.de

ISBN: 978–3–938352-22-9

Ramadanfest der Türken, Rosh ha-Shana Neujahr 5769

Weltkindertag

Mondfest

Kopt.-/Äth.Orth. Neujahr

Ganeshafest

Antikriegstag, Beginn des Ramadan

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Satz: Satzinform, Berlin Druck: H + P Druck, Berlin

1. Advent Beginn des Kirchenjahres

Thanksgiving USA

Totensonntag

Buß- u. Bettag

Volkstrauertag

Guru Nanaks Geb. Sikh

St. Martin

Allerseelen

Allerheiligen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Silvester

Islamisches Neujahr 1430, MuharremFasten Alevit.

2. Weihnachtstag

1. Weihnachtstag

Heiligabend

Chanukkafest

4. Advent

3. Advent

Fest der Lucia Schweden

Erklärung der Menschenrechte

Opferfest

2. Advent

St. Nikolaus

Dezember

Hinduistische Festtage

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

November

© Gertrud Wagemann, Berlin, Tel. 030 / 774 85 57, Informationen zu den Festtagen in: „Feste der Religionen – Begegnung der Kulturen“, Kösel Verlag, München

Reformationstag, Halloween

Divalifest

Laubhüttenfest bis 20.10.

Jom Kippur, Dussehrafest

Erntedankfest

Tag der deutschen Einheit, T. d. Flüchtlings

Ramadanfest, Rosh ha-Shana

September Oktober

Buddhistische Festtage

Bonfest Japan, Verstorb.Ged.t., Mariä Himmelf.

HiroshimaGedenktag

August

Die Helltönung von Festdaten bezeichnet nicht unbedingt eine Religion, sondern den Kulturkreis, zu dem sie gehören.

können um einen Tag differieren

Islamische Festtage

Orthodoxes Osterfest

Türkisches Kinderfest

Pessachfest Beginn des Ridvanfestes der Baha’i

Roter Mittwoch der Yeziden

Sikh Neujahr Baisakhi 309

Tamil. Nj. 2039

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

Fastnacht Christl. Fastenzeit 6.2.–22.3. Neujahrsfest Vietnam, China

April

März

Februar

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Neujahr

Januar

Interkultureller Kalender 2008

Kulturdimension Selbstbewusstsein

61

62

Was ist Kultur?

Eine entsprechende hierarchisch strukturierte Organisation kennt der Islam hingegen nicht (Heine 2001, S. 12 ff.). So sind die in Deutschland lebenden über 3,5 Millionen Muslime in 2300 einzelnen Moscheegemeinden ohne übergeordnete Struktur organisiert (Frankfurter Rundschau Nr. 207, 6.9.2006, S. 4). Zur Übernahme der Vorbeterfunktion (Imam) im Rahmen des Freitagsgebets sind keine Prüfungen, Weihen oder Gelöbnisse erforderlich: Der Vorbeter muss männlich sein, wenn es sich bei der Gruppe der Beter um eine männliche oder eine gemischte Gruppe handelt. Sofern eine Gruppe von Frauen zusammen betet, wird die Vorbeterfunktion von einer Frau übernommen. Der »Imam« muss die Regeln des Pflichtgebets kennen und in der Lage sein, sie fehlerfrei anzuwenden. Er darf also keine körperlichen Gebrechen haben. Auch ein Sprachfehler wird zu solchen Gebrechen gezählt (Heine 2003, S. 68).

Gleiches gilt für den Gebetsrufer: Er muss die entsprechenden Formeln kennen, verlässlich sein und eine ausreichend laute Stimme haben. Im Gegensatz dazu werden beispielsweise die Rabbiner als geistiges Oberhaupt einer jüdischen Gemeinde geweiht, nachdem sie eine entsprechende Ausbildung an einem Rabbinerseminar absolviert haben. 4.4.3 Religion und religiöse Funktion Geht man von der eingangs des Kapitels angeführten Definition von Religion als ein System von Antworten auf die existenziellen Fragen des Woher, Wozu und Wohin aus, ist es denkbar, dass unterschiedliche soziale Akteure religiöse Funktionen übernehmen können, indem sie Antworten auf diese Fragen formulieren, die von den Mitgliedern einer Gesellschaft als wahr anerkannt werden. Von daher sollte Theologie nicht gleich gesetzt werden mit Religion, Theologie ist vielmehr lediglich eine spezifische Form einer Kosmologie. Von dieser Unterscheidung ausgehend kann festgestellt werden, dass in weiten Teilen des Lebens in den westlich-kapitalistischen Gesellschaften mit Beginn der Aufklärung die religiöse Funktion mehr und mehr auf die Naturwissenschaften und hier auf die Physik übergegangen ist, während sich die Theologie immer mehr zurückzog (Küng 2004). Die Suche nach Gott in den Naturgesetzen

Kultur als Lebensmuster

63

war immer ein zentrales Motiv naturwissenschaftlicher Forschung im Abendland (Wertheim 1998). Der Schöpfergott wird in der newtonschen Physik ersetzt durch die Anfangsbedingung des Universums: Gott wird zu einem Uhrmachergott, das Universum zu einem Uhrmacheruniversum, das einmal aufgezogen und in Gang gesetzt, sich nach ehernen, immer gültigen Naturgesetzen bewegt. Diese – theologisch begründete – deterministische Sichtweise der Newton’schen Physik wird seit einigen Jahren mehr und mehr ersetzt durch eine Sichtweise auf das Universum und die uns umgebenden biophysikalischen Prozesse, die Nichtlinearität, Unbestimmtheit und Offenheit beinhaltet. Damit verbunden ist die Aufgabe der Vorstellung eines persönlichen Gottes, das Universum ist aus sich selbst heraus kreativ: Die Entwicklung neuer Formen und Systeme unterliegt allgemeinen Organisationsprinzipien, die Materie und Energie eher leiten und die Veränderungen im Rahmen gewisser vorherbestimmter Wege fördern als sie dazu zu zwingen (Davies 1996, S. 230; s. a. Davies 2001).

Aber nicht nur die Naturwissenschaften können religiöse Funktionen übernehmen, sondern auch ökonomische oder politische Gedankengebäude und Bewegungen. Eric Voegelin entwickelte in den 1930er Jahren für Phänomene wie den Nationalsozialismus und den orthodoxen Kommunismus den Begriff der »politischen Religion«, Raymond Aron führte den Begriff der »säkularen Religion« ein (Grandt 2007). Politische Religionen beinhalten Heilsversprechen, eine Art Priesterschaft (z. B. die Partei) und Führerschaft, Rituale und Zeremonien (z. B. Parteitage), sie fordern aber auch Opfer und Hingabe.

4.5 Kultur als Lebensmuster von Gemeinschaften und Individuen Der Begriff der Weltanschauung führt zusammenfassend noch einmal zum Begriff der Kultur. Dabei wird deutlich, dass sich Weltanschauungen auf unterschiedlichen Ebenen einer Population befinden, Kulturräume niemals homogen sind. Denn letztendlich

64

Was ist Kultur?

ist jedes Individuum Träger einer spezifischen Weltanschauung, jedes Individuum besitzt eine jeweils individuelle Artikulation der unterschiedlichen Kulturmuster. Der einzelne Mensch ist der entscheidende Träger von Kultur, er ist »der zentrale und grundlegende Faktor der Kultur« (Hansen 2000, S. 167). Hieraus ergibt sich ein Verständnis von Kultur, das Kultur nicht mit Nation oder mit einer auf andere Art räumlich abgegrenzten Population gleichsetzt, sondern als Gewohnheits- oder Lebensmuster fasst. In diesem Sinne beantwortet jedes Individuum zunächst auf seine eigene Art und Weise die Fragen des Woher, Wohin und Wozu, besitzt ein spezifisches Naturverständnis – das sich beispielsweise in einem spezifischen Konsummuster ausdrückt –, lebt ein spezifisches Geschlechterverhältnis und hat individuelle Muster der Interaktion mit anderen Menschen – beispielsweise eine ganz individuelle Zeitkultur. So hat jedes Individuum auch eine eigene, ganz persönliche Feiertagskultur. In diesem Sinne können wichtige Feiertage sein: Geburtstage der Kinder, Einschulung der Kinder, Geburtstage von Vater, Mutter und von anderen wichtigen Verwandten, Hochzeitstage, Tage des Kennenlernens des Partners oder der Partnerin, Jahrestage von wichtigen Ereignissen im Leben des Einzelnen, Feiern in Vereinen und Verbänden. Die beschriebenen Kulturmuster finden sich auch auf der Ebene von Organisationen und prägen deren Kultur, wobei diese wie auch die individuellen Kulturmuster wiederum eingebettet sind in einen übergeordneten kulturellen Rahmen der jeweiligen Population, welcher vermittelt über die vorherrschende Sprache die begriffliche und kategoriale Basis für die organisationalen und individuellen Subkulturen bildet (Abbildung 13). Aus diesem Wechselverhältnis der unterschiedlichen kulturellen Ebenen resultiert schließlich die Veränderungsdynamik von Kulturen. Von diesem Kulturverständnis ausgehend bezeichnet der Begriff der »multikulturellen Organisation« eine Organisationskultur, welche die unterschiedlichen Kulturmuster der Individuen in einer benachteiligungsfreien Art und Weise zur vorherrschenden Organisations- und Normalitätskultur in Beziehung setzt. Wird dabei die Vorstellung homogener soziokultureller Gruppen, die sich entlang eines Merkmals konstituieren, aufgegeben, können auch bestehende Gruppenstereotype aufgelöst werden. Die Vielfalt

Zusammenfassung

65

vorhandener Kulturmuster und die damit verbundenen Potenziale werden nun sichtbar.

Ethnie Organisation Lebensmuster

Abbildung 13: Ebenen von Kultur

4.6 Zusammenfassung – Kulturen besitzen unterschiedliche Dimensionen und Ebenen, die alle menschlichen Populationen gemeinsam haben: Sie formulieren Regeln zur Gestaltung der Mensch-UmweltBeziehung, zur Gestaltung von Sexualität und Geschlechterbeziehungen, zur Gestaltung zwischenmenschlicher Interaktions- und Kommunikationsmuster sowie zur Gestaltung der Beziehung des Menschen zum Universum. Die Unterschiede zwischen Kulturmustern werden sichtbar in den unterschiedlichen Artefakten, Normen und Standards. Ihnen unterlegt sind meistens unsichtbare basale Annahmen, auf deren Grund lage sich verschiedene Kulturmuster unterscheiden lassen (Tabelle 5).

Was ist Kultur?

66 Tabelle 5: Kulturmuster Kulturdimensionen Naturverhältnis

Basisannahmen, Normen und Werte Mensch außerhalb der Natur

Mensch als Bestandteil der Natur

Natur als leblose Ressource

Natur als Organismus

Mensch ist kein Tier

Mensch als Tier

Geschlechterverhältnis

bipolar-dualistisch inklusiv Segregation geschlechtsspezifisch

komplementär-dualistisch exklusiv Durchmischung geschlechtshierarchisch

Interaktion

individualistisch

kollektivistisch

Kommunikation

Zeit Arbeit

Weltanschauung

Kernfamilie

Großfamilie

positive Anreize

direkte Kontrolle

linear

netzwerkartig

datenorientiert

dialogorientiert

konfrontativ

konsensual

aktiv

reaktiv

Uhrzeitkultur

Ereigniszeitkultur

lineare Zeit

zyklische Zeit

Arbeit als Erwerbsarbeit

Arbeit als sinnvolle Tätigkeit

räumliche Trennung

räumliche Einheit

Mensch ist faul

Mensch ist intrinsisch motiviert

transzendenter Schöpfergott

immanentes Wirkungsprinzip

Befolgung von Gesetzen

Erzielen von Harmonie

deterministisches Universum

kreatives Universum

– Kulturräume sind niemals homogen, unterschiedliche Kulturmuster finden sich auf allen Ebenen des sozialen Raums. – Der entscheidende Träger von Kultur ist das einzelne Individuum, Kultur ist von daher auch niemals deckungsgleich mit Nation. – Aus dem Wechselverhältnis der unterschiedlichen kulturellen Ebenen resultiert die Veränderungsdynamik von Kulturmustern.

5 Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen – Schritte der Umsetzung

Die multikulturelle Organisation ist eine diversity-sensible Organisation. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigen bei der Konzeption von Maßnahmen, der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen sowie bei der internen Prozessgestaltung – die Auswirkungen ihres Handelns auf den formal-rechtlichen Status der Individuen mit unterschiedlichen biologisch-körperlichen sowie sozial-kulturellen Merkmalen, – die Auswirkungen ihres Handelns auf die explizite oder implizite Wertigkeit der individuellen Kultur- und Lebensmuster, – den Einfluss von Stereotypen und von Normalitätsvorstellungen auf ihr Handeln. Um dies zu ermöglichen, wurde – aufbauend auf den bisher dargestellten konzeptionellen Überlegungen und aufbauend auf Methoden des Qualitätsmanagements – am IAIZ ein handlungsorientiertes Verfahren entwickelt, das in allen Handlungsbereichen einer Organisation angewendet werden kann. Dabei wird zwischen einem Ex-post- und einem Ex-ante-Check-Verfahren unterschieden.

5.1 Der Ex-post-Diversity-Check Ziel dieses Verfahrens ist es, bestehende Benachteiligungen in unterschiedlichen Handlungsbereichen von Organisationen zu erkennen und im Sinne des Managing Diversity produktiv aufzuheben. Der Ex-post-Diversity-Check analysiert den in einer Organisation bestehenden Zugang von Menschen mit unterschiedlichen biologischen und sozial-kulturellen Merkmalen zu Ressourcen (zum Beispiel Zeit, Geld, Raum), Informationen und Positionen sowie die Inanspruchnahme von Angeboten innerhalb einer Organisation

68

Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen

oder die Inanspruchnahme der von einer Organisation entwickelten Angebote. Der Ex-post-Diversity-Check besteht aus fünf Schritten. 5.1.1 Durchführung einer Diversity-Analyse Am Beginn der Entwicklung von Diversity-Strategien steht – wie beispielsweise auch bei der Umsetzung von Gender-Mainstreaming-Strategien – immer eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in der Organisation oder in ausgewählten Bereichen und Handlungsfeldern. Von Bedeutung ist hierbei im Sinne der beschriebenen Kontextualität von Differenz die Auswahl der Merkmale und Kulturmuster, welche in der Analyse berücksichtigt werden sollen: Je präziser differenziert wird, desto präziser können die entwickelten Strategien sein. Werden jedoch zu viele Merkmale in die Analyse einbezogen, kann die Auswertung der Daten zu umfangreich und unübersichtlich werden. Als zweckmäßig hat sich die Berücksichtigung von etwa sieben bis zehn Merkmalsausprägungen erwiesen, wobei diese in einer sinnvollen Beziehung zum ausgewählten Bereich stehen müssen. Es wäre wohl wenig zweckmäßig, beispielsweise bei der Analyse der Besetzung von Führungspositionen die Drogenvorlieben abzufragen, was hingegen bei der Analyse einer Drogenberatungseinrichtung wohl eher unumgänglich erscheint. Demgegenüber kann im Hinblick auf die Besetzung von Führungspositionen gerade im Bereich der öffentlichen Verwaltung das Merkmal der Mitgliedschaft in einer politischen Partei oder in einem bestimmten Verein / Verband von großer Relevanz sein. Jenseits dieser feldspezifischen Differenzierungen dürften folgende biologische und soziokulturelle Merkmale in jedem Fall eine wichtige Rolle spielen: Geschlecht, Alter, Familienstand und Anzahl zu versorgender Familienmitglieder (Kinder, Eltern), Bildungsabschluss, soziale und geografische Herkunft, Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft / Kirche. Ein Blick in einschlägige Publikationen – etwa das Statistische Jahrbuch des Statistischen Bundesamtes Deutschland – kann darüber hinaus für weitere Merkmalsausprägungen sensibilisieren. Wenig hilfreich erscheint dagegen ein Blick auf Managing-Diversity-Konzepte in den Wirtschaftsunternehmen, denn hier finden sich fast immer dieselben

Der Ex-post-Diversity-Check

69

Merkmalsgruppen, auf die Diversity-Maßnahmen ausgerichtet werden: Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung, geografische Herkunft und gegebenenfalls noch Religion. Um einen ausreichenden Differenzierungsgrad der DiversityAnalyse zu erreichen, sollten die ausgewählten Merkmale in eine Kreuztabelle eingefügt werden (Tabelle 6). Tabelle 6: Diversity-Analyse – Analyseraster Alter Alter Geschlecht Familienstand Merkmal 4 Merkmal 5 (...)

Geschlecht

Familien- Merkmal 4 Merkmal 5 stand

(...)

X X X X X X

Wird diese Analyseform bei einer Bestandsaufnahme von Personen in Führungspositionen angewendet, ist hier ein erheblich differenzierteres Ergebnis zu erwarten als beispielsweise bei einer GenderAnalyse, die ausschließlich das Merkmal Geschlecht berücksichtigt und dies mit keinen anderen Merkmalen kombiniert. Denn es zeigt sich immer wieder, dass Personen in Führungspositionen nicht nur überwiegend männlich sind, sondern auch ein bestimmtes Altersspektrum sowie spezifische Lebensmuster repräsentieren (keine Teilzeit, kaum Auszeit wegen Elternzeit oder der Betreuung von Familienangehörigen) und – wie im Falle der DAXnotierten Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland – eine bestimmte Hautfarbe (weiß) und eine spezifische soziale Herkunft aufweisen (Hartmann 2002). Ebenso ergab eine im Rahmen eines Diversity-Seminars durchgeführte Analyse der Inanspruchnahme eines Hausaufgabenbetreuungsangebots in einem Jugendheim, dass die Teilnehmenden vorwiegend Jungen sind, die aus einem spezifischen Milieu mit einer spezifischen Familienkonstellation (alleinerziehende Mutter, geschiedene Eltern) stammen.

70

Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen

Allerdings gestattet das Ergebnis der Diversity-Analyse per se noch keine eindeutigen Rückschlüsse auf (nichtintendierte) direkte oder indirekte Benachteiligungen und die dahinter verborgene Normalitätskultur. Dazu ist in einem weiteren Schritt unbedingt die Durchführung einer Ziel-/ Referenzgruppenanalyse erforderlich. 5.1.2 Zielgruppen-/ Referenzgruppenanalyse Die genaue Bestimmung der Zielgruppe(n) von Angeboten und Maßnahmen ist ein entscheidender Bestandteil jeder ManagingDiversity-Strategie. Mit diesem Schritt wird Managing Diversity per se zu einem Instrument des Qualitätsmanagements. Um dies zu gewährleisten, ist es erforderlich, exakt zwischen der Zielgruppe – der Gruppe, die ein Angebot in Anspruch nehmen oder eine Position besetzen soll – und der Organisation, die das Angebot ausführt – zum Beispiel dem Projektträger –, zu unterscheiden. So ist Zielgruppe der dargestellten Hausaufgabenbetreuung die Gruppe der Schüler und Schülerinnen eines bestimmten Stadtviertels, auch wenn die Maßnahme von einem Träger abgewickelt wird. Ebenso gilt es, im Rahmen einer Beurteilung potenzieller Benachteiligungen bei der Besetzung von Führungspositionen genau die Referenzgruppe zu bestimmen: Wer kann formal eine Führungsposition einnehmen? Soll die Besetzung der Führungspositionen die Zusammensetzung der Belegschaft widerspiegeln? Wenn ja, wie setzt sich diese zusammen? Um die Ergebnisse der Zielgruppen-/ Referenzgruppenanalyse mit den Ergebnissen der Diversity-Analyse vergleichen zu können, sollte hier dasselbe Analyseraster verwendet werden. Ein entsprechendes Vorgehen wird hinsichtlich der Besetzung von Führungspositionen zeigen, dass ein ganz bestimmter Merkmalstyp unterrepräsentiert ist: Frauen und Männer mit einer spezifischen Berufsbiografie und einem spezifischen Lebensmuster, der sogenannten Patchworkbiografie. 5.1.3 Analyse der Organisationskultur: Die Warum-Frage beantworten Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Diversity- und der Referenzgruppenanalysen muss nun die Frage beantwortet werden, ob Benachteiligungen existieren und wodurch die beobachteten

Der Ex-post-Diversity-Check

71

Verzerrungen in der Nutzung von Angeboten oder der Besetzung von Positionen entstanden sind. Tabelle 7: Kulturmusteranalyse Diversity-Analyse:

Kulturmusteranalyse:

Inanspruchnahme Verteilung Betroffenheit ź festgestellte Verzerrungen gegenüber Ziel-/Referenzgruppe

Naturverhältnis Geschlechterkultur Zeitkultur Arbeitskultur Interaktionskultur Kommunikationskultur Weltanschauungen

Ziele und Handlungsoptionen

WARUM?

Bei der Beantwortung dieser Frage kommen nun die in Kapitel 4 beschriebenen Kulturmuster zum Tragen. Denn das Ziel von Managing Diversity besteht darin, Organisationskulturen und deren Bestandteile zu verändern. Zur Beantwortung der Warum-Frage werden dementsprechend die unterschiedlichen Kulturdimensionen mit ihren jeweiligen Basisannahmen, Normen und Werten sowie Artefakten abgefragt (Tabelle 7): Haben die Benachteiligungen in der Besetzung von Führungspositionen in der Geschlechterkultur oder der Kommunikationskultur oder der Zeitkultur oder der Arbeitskultur ihren Grund? Als Hilfsmittel können an dieser Stelle Ergebnisse entsprechender wissenschaftlicher Studien und Untersuchungen herangezogen werden. Vorstellbar ist aber auch die Durchführung von Befragungen und Interviews, Workshops oder Round-Table-Gesprächen mit ausgewählten Personen aus der unterrepräsentierten Kultur- oder Merkmalsgruppe (Schein 2003, S. 69 ff.). Das Ergebnis der Analyse der Kulturdimensionen mit ihren Basisannahmen, Normen und Werten besteht dann in der Identifizierung der jeweils vorherrschenden Normalitätskultur der Organisation. Ein entsprechendes Vorgehen wird im Falle der Analyse der Besetzung von Führungspositionen zeigen, dass Momente der Geschlechterkultur (z. B. die Zuordnung von Stärke und damit implizit von Führungskompetenz zu Männern), aber vor allem die Zeit- und Arbeitskultur (und hier wohl in erster Linie die Leistungs-

72

Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen

und Arbeitsbewertung) ursächlich für Benachteiligungen im Zugang zu diesen Positionen sind. Ebenso würde eine Analyse des Personenkreises, der Elternzeit in Anspruch nimmt oder aus Familiengründen Teilzeit arbeitet, zeigen, dass Männer hier unterrepräsentiert sind, wobei dies vor allem auf die vorherrschende Geschlechterkultur (»ein Mann ist sein Beruf«) sowie auf die Zeitund Arbeitskultur (Leistung ist physische Präsenz) zurückgeführt werden kann (Hochschild 2002; Döge u. Behnke 2005). Von diesen Ergebnissen ausgehend können nun in einem weiteren Schritt Ziele formuliert und Handlungsoptionen entwickelt werden. 5.1.4 Zielformulierung und Entwicklung von Handlungsoptionen Nachdem im vorangegangenen Schritt die Bestandteile der Organisationskultur identifiziert wurden, die für die beobachteten Diskrepanzen im Zugang zu Positionen oder in der Nutzung von Angeboten ursächlich sein können, lassen sich nun Diversity-Ziele formulieren und hiervon ausgehend konkrete Handlungsoptionen entwickeln. Dabei kommen die klassischen Methoden des Projektmanagements zum Tragen: Eine präzise, positiv gefasste Zielformulierung, eine genaue Bestimmung der Mittel und vor allem ein genaues Abstecken des Zeithorizonts, eine Identifizierung der Hemmnisse sowie der Promotorinnen und Promotoren. Hilfreich kann dabei die sogenannte SMART-Methode sein, die präzise Anforderungen an die Formulierung von Zielen vorgibt (Tabelle 8). Tabelle 8: SMART-Methode S= M= A= R=

T=

Spezifisch: Sind die Ziele substanziell und konkret formuliert? Messbar: Sind die Ziele messbar formuliert? Woran erkenne ich einen Erfolg? Akzeptabel: Sind die Ziele attraktiv und für die Beteiligten nachvollziehbar? Realistisch: Sind die Ziele vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen realistisch formuliert? Terminiert: Wann soll das Ziel erreicht sein?

Der Ex-post-Diversity-Check

73

Hinzu kommt die Bestimmung der Akteure, die für Entwicklung und Umsetzung der Handlungsoptionen und deren Implementierung zuständig sein sollen. In diesem Zusammenhang ist dann auch die Frage zu beantworten, ob gegebenenfalls eine externe Prozessbegleitung in Anspruch genommen oder interne Projektgruppen eingerichtet werden sollen. Die Analyse der Besetzung der Führungspositionen in einer Behörde ergab eine Unterrepräsentanz von Frauen und Männern mit einem spezifischen Lebensmuster – den sogenannten Patchworkbiografien. Die Kulturmusteranalyse zeigte, dass die vorherrschende Arbeitskultur Leistung mit physischer Präsenz am Arbeitsplatz gleichsetzt. Dementsprechend ließe sich nun folgendes Ziel formulieren: 20 % der Führungspositionen sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre von Frauen und Männern mit Patchworkbiografien und Betreuungsaufgaben besetzt, 5 % der Positionen als Teilzeitstellen angelegt sein. Als Handlungsoptionen böten sich unter anderem an: Sensibilisierung entsprechender Akteure, Einrichtung von Telearbeitsplätzen, Entwicklung flexibler Arbeitszeitmodelle, Modifizierung des Beurteilungssystems durch positive Berücksichtigung der sogenannten Familienkompetenzen (Erler u. Nusshart 2001). Um nach dem definierten Zeitraum eine Evaluation durchführen zu können, ist eine genaue Quantifizierung der geplanten Handlungsschritte erforderlich. Eine adäquate Indikatorenbildung zur Zielbeschreibung ist ebenfalls Bestandteil des klassischen Projektmanagements. 5.1.5 Evaluation Je nach Organisationskultur wird das gewählte Evaluationsverfahren differieren: – Wird ein begleitendes Projekt-Controlling installiert? – Werden Teilziele formuliert und Maßstäbe für den Vergleich von Leistungen (Benchmarks) gesetzt? – Wird nach Ablauf des gewählten Zeitraums ein Soll-Ist-Vergleich durchgeführt? – Wird die Form der schriftlichen Berichterstattung gewählt? Zur Beantwortung dieser Fragen kommt die Bestimmung desjenigen Akteurs, der die Evaluation durchführen soll, hinzu: Soll eine

74

Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen

externe Prozessevaluation erfolgen oder werden organisationseigene Akteure beauftragt? Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen ergeben sich zusammenfassend folgende Schritte eines Ex-post-DiversityChecks in Organisationen: 1. Diversity-Analyse – Wie verteilen sich Träger und Trägerinnen unterschiedlicher körperlicher sowie soziokultureller Merkmale auf Positionen? – Wie nehmen die Träger und Trägerinnen unterschiedlicher körperlicher sowie soziokultureller Merkmale Angebote in Anspruch? – Sind Merkmalsträger und -trägerinnen von bestimmten Umständen unterschiedlich betroffen? 2. Zielgruppen-/Referenzgruppenanalyse Wie stellt sich die Zielgruppe/Referenzgruppe nach den ausgewählten Merkmalen dar? – Können Diskrepanzen in der Inanspruchnahme/Verteilung/Betroffenheit im Vergleich zur Zusammensetzung der Ziel-/Referenzgruppe beobachtet werden? – Wenn ja, warum? –

3. Kulturanalyse Welche Kulturdimension ist für die beobachteten Diskrepanzen verantwortlich? (z. B. Arbeitskultur, Kommunikationskultur, Geschlechterkultur, Zeitkultur)



Wenn eine Ursache erkennbar ist, dann ... 4. Ziele definieren und Handlungsoptionen entwickeln Ziele definieren und Indikatoren bilden, – Maßnahmen definieren, – Fernziele und Teilziele bestimmen, – Zeitschiene bestimmen, – Kennzahlen entwickeln, – Promotoren aussuchen, – Hemmnisse analysieren. –

Der Ex-ante-Diversity-Check

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5. Evaluierung – Soll-Ist-Vergleich durchführen, – Verantwortlichkeit für die Evaluierung festlegen.

5.2 Der Ex-ante-Diversity-Check Ziel des Handelns der multikulturellen Organisation sollte es sein, dass die Berücksichtigung einer produktiven und benachteiligungsfreien Gestaltung von Vielfalt bei der Entwicklung neuer Angebote und Maßnahmen bereits ex ante erfolgt. Hierzu ist am IAIZ folgendes Verfahren entwickelt worden, das auf den Bausteinen der Ex-post-Analyse aufbaut und diese geringfügig modifiziert: 1. Inhalt der geplanten Maßnahme beschreiben – Was soll mit der geplanten Maßnahme geregelt werden? – Geht es um die Verteilung von/Zugang zu Ressourcen (Geld, Raum, Zeit), den Zugang zu Informationen, den Zugang zu Positionen? – Wer ist in die Umsetzung der Maßnahme eingeschlossen? 2. Zielgruppe der geplanten Maßnahme bestimmen Wer ist die Zielgruppe der geplanten Maßnahme? – Welche Personen-/Merkmalsgruppe ist von der Maßnahme betroffen? – Wie setzt sich die Zielgruppe zusammen? –

3. Diversity-Analyse der Zielgruppe durchführen (wie bei Ex-postCheck) – Wie stellen sich Inanspruchnahme, Verteilung und Zugang zu den von der geplanten Maßnahme betroffenen Ressourcen (Geld, Zeit, Raum, Informationen) zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Zielgruppe dar? 4. Veränderungen in der Zielgruppe abschätzen Wie und worin wird sich die Inanspruchnahme/Verteilung/ der Zugang zu den von der geplanten Maßnahme betroffenen



76

Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen

Ressourcen (Geld, Zeit, Raum, Informationen, Positionen) durch die neue Maßnahme ändern? 5. Veränderungen bewerten – Ergeben sich Benachteiligungen im Zugang zu Ressourcen? 6. Geplante Maßnahme bei Bedarf modifizieren Wie muss die geplante Maßnahme verändert werden, um diese Benachteiligungen abzubauen? – Welche Kulturmuster sind von Bedeutung? –

7. Maßnahme evaluieren – Wann sollen die Effekte nachgeprüft werden? – Wer soll die Evaluation durchführen? – Welche Kennzahlen/Indikatoren sind aussagekräftig? Im Rahmen eines Diversity-Trainings mit Architektinnen und Architekten wurde dieses Verfahren am Beispiel der Planung von Ferienhäusern für Schulklassen angewendet. Der Bau der Ferienhäuser sollte den Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Altersstufen die Möglichkeit bieten, Freizeit für eine bestimmte Dauer stadtfern im Klassenverband zu verbringen – Inhalt der Maßnahme/des Projekts war also der Zugang zu Zeit und Raum. In die Durchführung des Projekts waren das zuständige Schulamt sowie ein ausführendes Architekturbüro einbezogen. Die Zielgruppe der Maßnahme bilden geschlechtsheterogene Gruppen von Schülerinnen und Schülern aus Großstädten, in denen zu einem beachtlichen Anteil Kinder mit einem Migrationshintergrund vertreten sind. Diesen damit verbundenen unterschiedlichen Bedürfnislagen mussten die Ferienhäuser in ihrer materiellen Ausgestaltung gerecht werden, um keine Diskrepanzen zwischen der Zusammensetzung der Zielgruppen und der Gruppe der Nutzenden entstehen zu lassen. Als besonders bedeutsame Kulturmuster erwiesen sich dabei das Geschlechterverhältnis (Freizeitbedürfnisse von Jungen und Mädchen), Religion/Weltanschauung (Freizeitbedürfnisse von Mädchen/Jungen mit Migrationshintergrund) sowie die soziale Herkunft (Einkommenssituation der Eltern).

Der Ex-ante-Diversity-Check

77

Vor diesem Hintergrund wurde deutlich, dass etwa der Raumzuschnitt den kulturell unterschiedlichen Bedürfnissen nach Intimität oder die Bewirtschaftung der Anlage den unterschiedlichen (u. a. religiös begründeten) Essensgewohnheiten der Schülerinnen und Schüler gerecht werden musste. Um auch Schülerinnen und Schüler aus sozial schwachen Familien einen Zugang zu den Ferienhäusern zu gewährleisten und entsprechend die Betriebskosten der Anlage niedrig zu halten, könnte dementsprechend schon beim Bau der Anlage auf eine preisbewusste Auswahl von Baustoffen geachtet werden. Produktgestaltung und -entwicklung

Personalmanagement

Managing Diversity - Handlungsfelder Informations- und Wissensmanagement

Kommunikationsmanagement

Abbildung 14: Diversity-Handlungsbereiche in Organisationen

Die Anwendung des Ex-ante-Checks in allen Handlungsbereichen einer Organisation stellt sozusagen das Fernziel der Umsetzung von Managing-Diversity-Strategien dar, es ist das zentrale Merkmal der multikulturellen Organisation (Abbildung 14). Um an dieses Ziel zu gelangen, gibt es keinen goldenen Weg, Strategien aus anderen Einrichtungen können nur bedingt komplett übernommen werden. Allerdings lassen sich vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen einige Bausteine identifizieren, die für eine erfolgreiche Implementierung eines selbsttragenden und nachhaltigen Diversity-Konzepts essenziell erscheinen (Cox 2001).

78

Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen

5.3 Bausteine der Umsetzung von Managing Diversity Allgemein lassen sich vier basale Bausteine zur Umsetzung von Managing-Diversity-Strategien in Organisationen bestimmen, die in unterschiedlichen Ausprägungen in allen Diversity-Umsetzungsstrategien wiederzufinden sind (Abbildung 15): Kompetenz, Verantwortlichkeit und Verbindlichkeit sowie Kommunikation.

Kommunikation

Kompetenz

Verbindlichkeit

Verantwortlichkeit

Abbildung 15: Bausteine zur Umsetzung von Managing Diversity

5.3.1 Diversity-Kompetenz Die dargestellten Checkverfahren und die damit verbundenen Kulturmusteranalysen können nur dann erfolgreich durchgeführt werden, wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Organisation über entsprechende Diversity-Kompetenzen verfügen. Die Mitglieder einer Organisation sollen darüber hinaus sensibel sein für einen benachteiligungsfreien Umgang miteinander. Zur Herstellung der erforderlichen Kompetenz und Sensibilität werden unterschiedliche Instrumente eingesetzt: Informationsveranstaltungen, Trainings und klassische Seminare in der Fort- und Weiterbildung. 5.3.1.1 Diversity-Informationsveranstaltung Als Einstieg in Diversity-Prozesse haben sich in unterschiedlichen Organisationen Informationsveranstaltungen als sehr produktiv erwiesen. Methodisch beinhalten diese Sensibilisierungsformen den klassischen Mix aus Vortrag und Diskussion. Zentrales Anliegen von Informationsveranstaltungen sollte es sein, die Mitglieder beziehungsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Organisation mit grundlegenden Begriffen, Konzepten und der Methodik des Diversity Managements vertraut zu machen.

Bausteine der Umsetzung von Managing Diversity

79

Zielgruppe von Informationsveranstaltungen sind zunächst alle Mitglieder einer Organisation. Organisationskulturell geboten sein kann aber auch ein Einstieg ausschließlich mit den Führungskräften oder die Durchführung von Informationsveranstaltungen in unterschiedlichen Abteilungen einer Organisation. Sind als Zielgruppe die Führungskräfte bestimmt, sollte die Dauer der Informationsveranstaltung etwa anderthalb Stunden nicht übersteigen. Sensibilisierungsveranstaltungen mit allen Beschäftigten kleinerer Organisationen oder den Mitarbeitenden spezifischer Organisationseinheiten können auch bis zu drei Stunden angelegt sein. Informationsveranstaltungen werden überwiegend in den Räumen der entsprechenden Organisation durchgeführt. Die Referentin oder der Referent sollten jedoch kein Mitglied der Organisation sein – denn nach wie vor trifft zu: Der Philosoph gilt am wenigsten im eigenen Lande. Informationsveranstaltungen bis zur Dauer von anderthalb Stunden können von einem Referenten durchgeführt werden, längere Veranstaltungen auch im Teamteaching. In diesem Fall kann bereits durch eine geschickte Auswahl der Dozierenden im Hinblick auf deren Merkmale ein Zeichen gesetzt werden: Mann und Frau, deutsch und mit Migrationshintergrund. Da die einführende Sensibilisierungsveranstaltung nicht unwesentlich über den Verlauf des weiteren Prozesses entscheidet, kommt der Auswahl geeigneter Referentinnen und Referenten eine große Bedeutung zu: Diese sollten über grundlegende Kenntnisse im Themenfeld Diversity – und nicht etwa lediglich im Thema Gender oder Migration und Integration – verfügen, Organisationserfahrung und empathische Kompetenz sowie profunde didaktische und rhetorische Fähigkeiten besitzen. Denn nichts ist dem Thema Diversity abträglicher als ein Vortrag, der in angespannter Haltung vom Blatt abgelesen wird, nicht spontan auf die Fragen der Anwesenden eingeht, Begriffe und Konzepte im hochkomplexen Zustand belässt und schlecht gestaltete Folien präsentiert oder PowerPointPräsentationen vorführt. Demgegenüber führt eine ansprechend angelegte Informationsveranstaltung zu Interesse bei einzelnen Personen oder Bereichen einer Organisation, mit welchen dann ein Diversity-Training durchgeführt werden kann.

80

Managing Diversity als Gestaltung von Organisationskulturen

5.3.1.2 Diversity-Training Das Ziel von Diversity-Trainings besteht darin, sowohl für die Wahrnehmung von Benachteiligungsmustern zu sensibilisieren als auch Methoden zur Umsetzung von Diversity an Beispielen zu vermitteln und zu vertiefen. Sensibilisiert werden soll zunächst vor allem hinsichtlich des Umgangs mit Unterschieden und hinsichtlich der in der Organisation bestehenden Normalitätskultur. Dies kann beispielsweise durch eine Gegenüberstellung der individuellen Arbeits-, Kommunikations- und Interaktionsbedürfnisse mit den vorherrschenden Kulturmustern in der Organisation geschehen: Was sehe ich als wichtige Arbeit und was gilt in der Organisation als wichtige Arbeit? Wann bin ich produktiv und wann erwartet die Organisation, dass ich produktiv sein soll? Welchen Stellenwert hat für mich Haus- und Familienarbeit und welchen Stellenwert hat sie für die Organisation? Ein derartiger Vergleich zeigt zudem die individuellen Kulturmuster der teilnehmenden Personen auf und kann deutlich machen, dass auch eine Gruppe von Personen, die einer Nationalität entstammen, immer eine interkulturell zusammengesetzte Gruppe ist. Ausgehend von dieser Erfahrung können zentrale Begriffe und Konzepte geklärt werden, um hieran anknüpfend anhand ausgewählter Beispiele, die idealerweise aus dem Handlungsfeld der Teilnehmenden stammen sollten, Strategien der Umsetzung von Managing Diversity zu entwickeln. Ein besonderer Schwerpunkt eines Diversity-Trainings sollte – wie weiter unten noch detaillierter ausgeführt wird – immer auf der Entwicklung von Strategien zur Kommunikation von Managing Diversity in der Organisation liegen. An einem Diversity-Training sollten etwa 16 bis maximal 20 Personen teilnehmen. Die Zusammensetzung der Teilnehmenden kann je nach vorherrschender Organisationskultur heterogen – also aus unterschiedlichen Bereichen und Hierarchiestufen einer Organisation – oder homogen – die Teilnehmenden stammen aus derselben Organisationseinheit oder repräsentieren eine Hierarchiestufe – sein. Ein Diversity-Training sollte mindestens für anderthalb Tage angelegt sein, optimal sind zwei bis zweieinhalb Tage. Das Training sollte außerhalb der betreffenden Organisation durchgeführt und von einem Team geleitet werden. Die Trainerinnen

Bausteine der Umsetzung von Managing Diversity

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und Trainer sollten über profunde Diversity-Kenntnisse und über methodische Fähigkeiten zur Gestaltung von Gruppenprozessen ebenso verfügen wie über didaktische Kompetenz und Kenntnisse im Kommunikations-, Konflikt- und Projektmanagement. 5.3.1.3 Seminare der Fort- und Weiterbildung Die Bereitschaft von Führungskräften aus staatlichen Einrichtungen – Behörden, Ministerien – zur Teilnahme an Diversity-Trainings fällt nach den Erfahrungen am IAIZ eher gering aus. Meist werden Diversity-Trainings von Mitarbeitenden, die nachgeordnete Ebenen repräsentieren, besucht. Um Führungskräfte eingehender mit dem Thema Diversity vertraut zu machen, haben sich die klassischen Seminare in der Fort- und Weiterbildung als sinnvoll erwiesen. Der inhaltliche Zuschnitt entspricht hier dem von Diversity-Trainings, methodisch und didaktisch überwiegen jedoch die klassischen Seminarformen. Generell sollte versucht werden, Antidiskriminierungs- und Diversity-Aspekte als Querschnittsbereich in alle Fort- und Weiterbildungsangebote einer Organisation zu integrieren. Besonders geeignet sind hier Themen wie: Kommunikationsmanagement, Personalbeurteilung, Gespräch zwischen Mitarbeiterin/Mitarbeiter und Vorgesetztem oder Qualitätsmanagement. 5.3.1.4 Diversity-Daten Die Initiierung eines Managing-Diversity-Prozesses ist gewissermaßen ein erster Schritt in einen OrganisationsentwicklungsProzess. Dabei spielt die beschriebene Diversity-Analyse eine zentrale Rolle. Eine detaillierte Abbildung der Verhältnisse in den jeweils betreffenden Organisationen hat bisweilen den nicht zu unterschätzenden Effekt, angesichts der »harten Fakten« potenzielle Promotoren für das Konzept des Managing Diversity gewinnen und Widerstände bezüglich notwendiger Veränderungen reduzieren zu können (Cox 2001, S. 46 ff.). Ein möglicher Zugriff auf entsprechende Daten und eine nach unterschiedlichen Merkmalen – zumindest nach Geschlecht, Alter, regionaler Herkunft – differenzierte Aufbereitung dieser Informationen bildet demnach einen weiteren Baustein für die Entwicklung von Diversity-Strategien.

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Für die Ermittlung der benötigten Daten können unterschiedliche Strategien eingesetzt werden: Beispielsweise könnten in Kooperation mit einer örtlichen Fachhochschule/Universität entsprechend zugeschnittene Diplomarbeiten vergeben werden; die Empfänger von Fördermitteln könnten per Förderbescheid auf die Zusammenstellung entsprechender Datensätze im Rahmen der Erstellung ihrer Tätigkeitsberichte verpflichtet werden; in Kooperation mit den jeweils zuständigen statistischen Landesämtern könnten entsprechende Datensätze erstellt werden. In den skandinavischen Regierungen wurde im Rahmen der Umsetzung von Gender-Mainstreaming-Strategien mit den »Flying Experts« ein äußerst effektives Instrument entwickelt, das sich auch für die Umsetzung von Managing Diversity anbietet. Die Flying Experts werden dabei zur Unterstützung sowohl der Datensammlung als auch der Auswertung und Interpretation gewonnener Daten eingesetzt, außerdem zur Unterstützung bei der Entwicklung konkreter Handlungsoptionen. Als Flying Experts werden Expertinnen und Experten bezeichnet, die für einen gewissen Zeitraum an ausgewählten Orten einer Organisation tätig sind, dabei kommen nicht nur externe Expertinnen und Experten zum Einsatz, sondern gleichermaßen entsprechend fort- und weitergebildete Interessierte aus den Organisationen selbst. 5.3.2 Verantwortlichkeit und Verbindlichkeit Ein weiterer zentraler Baustein für eine erfolgreiche Entwicklung einer Managing-Diversity-Strategie besteht in der formalen Ausgestaltung der Verantwortlichkeit für den Umsetzungsprozess. Vor dem Hintergrund der eingangs dargestellten Verwobenheit unterschiedlicher Benachteiligungsmuster erscheint es sinnvoll, die Verantwortlichkeit für Managing Diversity und für Antidiskriminierungsstrategien in einer organisatorischen Einheit zusammenzufassen. In diesem Sinne finden sich in den meisten Unternehmen, die das Konzept umsetzen, wie beispielsweise die Ford AG oder die Deutsche Lufthansa, zentrale Diversity-Einheiten oder Diversity-Verantwortliche. Im Falle der Ford AG sind zudem Arbeitsgruppen eingerichtet worden, die zu unterschiedlichen Aspekten von Diversity – Geschlecht, Work-Life-Balance, sexueller Orientierung und anderes – Strategien entwickeln. Zur Umsetzung von

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Gender-Mainstreaming wurden vor allem im Bereich der öffentlichen Verwaltung Beauftragte benannt. Unabhängig davon, welche Institutionalisierungsform gewählt wird, sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass in ihr die kulturelle Heterogenität der Organisation widergespiegelt wird. Die Gesamtverantwortung für die Umsetzung von Managing Diversity sollte letztendlich bei der Führung der jeweiligen Organisation liegen, zusätzliche Diversity-Verantwortliche oder -beauftragte sollten ausschließlich für die zweibis dreijährige Startphase benannt werden (Cox 2001, S. 46 f.). Somit kommt der Entwicklung von angemessenen Formen einer verbindlichen Verankerung von Diversity Management und Antidiskriminierung eine bedeutende Rolle zu. Verbindlichkeit kann unter anderem durch Betriebsvereinbarungen hergestellt werden, wie beispielsweise der Betriebsvereinbarung zum partnerschaftlichen Verhalten am Arbeitsplatz, die im Jahr 2002 bei der Ford AG in Kraft getreten ist. Ebenso denkbar ist die Entwicklung eines entsprechend verpflichtenden Berichtswesens sowie verbindlicher Checklisten. Die Verpflichtung auf das Ziel einer gleichwertigen Vielfalt sowie die Verpflichtung auf Teilnahme an entsprechenden Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kann im Bereich nichtöffentlicher Einrichtungen zudem Bestandteil von Arbeitsverträgen und Stellenbeschreibungen sein. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung könnte interkulturelle Kompetenz als Merkmal der Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterbeurteilung und damit als Leistungskriterium bei Beförderungen bestimmt werden. 5.3.3 Kommunikation Die verbindliche Verankerung von Diversity Management in allen Handlungsfeldern einer Organisation bildet bestenfalls den Endpunkt eines organisationalen Lernprozesses. Dieser kann nicht ausschließlich als Top-down-Aufgabe verstanden werden, denn eine nachhaltige Veränderung von Organisationskulturen kann niemals verordnet werden. Führung hat vielmehr die Funktion der verbindlichen Moderation eines Lernprozesses auf den unterschiedlichen Ebenen der Organisation mit dem Leitbild Diversity. Kommunikation wird dabei zu einer zentralen Ressource: »Menschen haben Gefühle und Erwartungen [...] Menschen wollen umworben und gewonnen, nicht einfach nur wie Schachfigu-

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ren hin und her geschoben werden« (Doppler 2003, S. 15). Bevor – ausgehend von diesen Überlegungen – Ansatzpunkte eines Diversity-Kommunikationsmanagements beschrieben werden, sollen zunächst einige Überlegungen zu Machtprozessen in Organisationen angestellt werden. 5.3.3.1 Top-down und die Macht des Schmetterlings – die Organisation als nichtlineares System Häufig wird im Zusammenhang der Umsetzung von GenderMainstreaming die These vertreten, dass dieses Konzept einen Topdown-Ansatz darstellt und vor allem die Führungskräfte entsprechende Vorgaben zur Implementierung machen müssen. In diesem Herangehen manifestiert sich ein Bild von Organisation als sozialem Gefüge, das vor allem von linearen Kommunikationsstrukturen zusammengehalten wird. Das Bild entspricht dem die abendländische Wissenschaftskultur prägenden Subjekt-Objekt-Dualismus: Die eigentlich Handelnden in einer Organisation sind ausschließlich die Führungskräfte, die Mitarbeitenden führen die Vorgaben lediglich aus, die Organisationskultur wird im Wesentlichen von den Führungskräften bestimmt, ausschließlich Personen in Führungspositionen verfügen über Gestaltungsmacht. Nur diese – so scheint es dann – müssten für neue Ideen gewonnen und von diesen überzeugt werden. In den letzten Jahren wurde zunehmend deutlich, dass dieses mechanistische Modell die Interaktionsmuster in Organisationen nicht adäquat beschreiben kann. Von daher weicht die lineare Sichtweise zunehmend einem systemischen Blick auf Organisation. Organisation als System zu verstehen bedeutet, alle Handlungsmuster der Individuen in einen relationalen Kontext zu stellen: Jedes System besteht aus mehreren einzelnen Teilen. Jeder dieser Teile ist wichtig und steht zu allen übrigen Teilen in einer Beziehung [...] jeder Teil fungiert für die übrigen Teile als Stimulus. Das System hat eine Ordnung und produziert eine Folge bzw. Wirkung, die durch Aktionen, Reaktionen und Interaktionen der einzelnen Teile untereinander bestimmt ist (Satir 2004, S. 179f.).

Ein auf diesen Überlegungen aufbauender systemischer Machtbegriff unterscheidet zwischen Macht, Machtposition und Machtressource. Als »Macht« kann allgemein die Fähigkeit zur Herstellung

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von Folgebereitschaft verstanden werden, wobei Macht immer unterschieden werden muss von Zwang. Macht wird niemals ausschließlich physisch oder durch Befehl ausgeübt – »Was niemals aus den Gewehrläufen kommt, ist Macht« (Arendt 1998, S. 54). Macht basiert immer auf einem diskursiven Projekt, das einen normativen Rahmen definiert, der von einer Mehrheit akzeptiert wird. Führung und Management erfolgen immer innerhalb dieses spezifischen Diskursraum mit der in ihm vorherrschenden – expliziten und impliziten – Normalitätskultur. Dieser Diskursraum ist jedoch nicht vorgegeben oder ausschließlich von den Führungskräften bestimmt, er ist vielmehr Resultat eines kommunikativen Interaktionsprozesses der unterschiedlichen Ebenen der Organisation, wobei alle Mitglieder diesen durch ihre jeweils spezifischen Kommunikationsmuster mitgestalten und reproduzieren – etwa durch gelebte Zeit- und Konsummuster oder durch gelebte Geschlechterbilder. Denn jede Handlung ist Kommunikation, Kommunikation ist omnipräsent: »[...] man kann nicht nicht kommunizieren« (Watzlawick et al. 2000, S. 53). Die reale Position in diesem Machtgefüge und der Zugang zu Machtressourcen in Organisationen korrelieren dabei keineswegs direkt mit der formalen Position in der Organisationshierarchie – erinnert sei an dieser Stelle nur an die »graue Eminenz«. Es existiert auch keine alles bestimmende Machtressource, vielmehr besitzen die unterschiedlichen Machtressourcen – zum Beispiel der Zugang zu finanziellen Mitteln, zu Information und Netzwerken sowie zu sozialer Kompetenz – jeweils kontextuell unterschiedliche Relevanzen im organisationalen Kommunikationsgefüge. Von daher gelingt es Minderheiten unter bestimmten Umständen sehr wohl, bestehende Mehrheitsmeinungen und die damit verbundenen Normalitätskulturen zu verändern (Erb u. Bohner 2002). Zu den Faktoren, die hierbei von Bedeutung sind, zählen die Konsistenz der vorgetragenen (Minderheiten-)Meinung sowie ein spezifisches Muster der Integration der jeweiligen Akteure in soziale Netzwerke, wobei den sogenannten »schwachen Bindungen« eine große Bedeutung zukommt (Granovetter 1973; Gladwell 2002). Denn nur über diese verbreiten sich in sozialen Netzen Informationen über weite Distanzen. Netzwerke mit starken Bindungen tendieren dagegen zur Abschließung nach außen.

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Die Dynamik sozialer und kommunikativer Prozesse kann niemals im Sinne einer linearen Wenn-dann-Kausalität abgeschätzt werden. Überhaupt beschreibt das Muster der kausalen Linearität nur einen kleinen Ausschnitt der sozialen und biophysikalischen Welt: »Nichtvorhersagbarkeit ist in der Regel keine Folge unserer beschränkten Vernunft oder des unzureichenden Wissensstandes des Menschen, sondern das eigentliche Wesen der Dinge« (Gould 2000, S. 15). In sogenannten komplexen Systemen – wie es auch Organisationen sind – kann eine kleine Veränderung in den Interaktionsmustern über entsprechende Rückkopplungsschleifen zu beachtlichen Effekten führen – somit kann grundsätzlich jeder Mensch zu einem »Veränderungsagenten« (Schein 2003, S. 134) werden, jede Handlung – Handlung immer auch verstanden als Kommunikation – kann den vorherrschenden normativen Rahmen verändern. Das Beispiel von Rosa Parks macht dies mehr als deutlich: Am 1. Dezember 1955 ließ sich die dunkelhäutige Rosa Parks nach einem langen Arbeitstag im vorderen Teil eines Busses nieder, der ausschließlich für Weiße bestimmt war (Briggs u. Peat 2004, S. 47 ff.). Als der Fahrer sie aufforderte, den Platz einem Weißen freizumachen, weigerte sie sich und wurde verhaftet. Hierdurch wurden massive Proteste der Bürgerrechtsbewegung ausgelöst, die mehr als ein Jahr anhielten. Eine zentrale Rolle hierbei spielte der bis dahin weitgehend unbekannte Martin Luther King. Außerdem wurde Klage gegen die Rassentrennung in den Bussen eingereicht, woraufhin am 13. November 1956 der Oberste Gerichtshof der USA die Rassentrennung in den Bussen des öffentlichen Nahverkehrs von Alabama für verfassungswidrig erklärte. Als Metapher für die grundlegende Offenheit und Unbestimmtheit sozialer (und biophysikalischer) Prozesse hat sich das Bild von der »Macht des Schmetterlings« etabliert: Es besteht über entsprechende Rückkopplungsmechanismen die Möglichkeit, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in China einen Tornado in Kanada auslöst (Briggs u. Peat 2001). 5.3.3.2 Diversity-Kommunikation Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird deutlich, dass eine offensive Kommunikationsstrategie besonders relevant für

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Change-Management-Prozesse und damit auch für ManagingDiversity-Prozesse ist: Sie verändert den bestehenden organisationalen Diskursrahmen und damit den Rahmen, in dem Führung erfolgt. Nur eine offensive Kommunikation kann die Dinge in eine notwendige Bewegung bringen, Kommunikation ist Vehikel und Motor für Veränderung zugleich (Doppler 2003, S. 26). Auch die Erfahrungen in der Begleitung von Gender-Mainstreaming- und Managing-Diversity-Prozessen am IAIZ zeigen, dass ein adäquates Kommunikationsmanagement einen zentralen Baustein bildet: Ohne eine verbindende, kohärente Vision von Chancengleichheit bleiben diese Ansätze meist erfolglos. Die Fähigkeit, klare Visionen zu formulieren, wird zu einem zentralen Baustein für die Herstellung von Offenheit gegenüber organisationalen Lernprozessen (Schein 2003, S. 134 f.). Aus diesem Grund wurde am Berliner IAIZ als Bestandteil von Diversity-Trainings ein Modul entwickelt, das die gemeinsame Bestimmung eines »Diversity-Mottos« vorsieht (Tabelle 9). Das Motto kann beispielsweise auf Briefköpfen, in Logos oder auf Flyern erscheinen. Diese Übung dient zudem einer begrifflichen Präzisierung und weiteren konzeptionellen Klärung innerhalb der Gruppe, die die Umsetzung von Managing Diversity initiieren möchte und innerhalb einer Abteilung implementieren soll. Damit wird die Fähigkeit vergrößert, das Konzept weiteren Akteuren in der Organisation vorzustellen und bei diesen Unterstützung zu organisieren – also Macht auszuüben und einen Zugang zu weiteren Machtressourcen zu schaffen. Die begriffliche Präzisierung und die Vereinheitlichung der verwendeten Begriffe im Hinblick auf die Zielstellung von Diversity Management – beispielsweise Gleichheit, Gleichberechtigung, Chancengleichheit und Vielfalt – ist von eminenter Bedeutung. Meines Erachtens besteht bei der Umsetzung von Gender-Mainstreaming in vielen Organisationen auf dieser begrifflich-konzeptionellen Ebene sehr viel Unklarheit, Begriffe bleiben unbestimmt, Konzepte verschwommen: Gleichberechtigung wird mit Gleichstellung verwechselt, es wird nicht präzise zwischen formaler und nichtformaler Gleichberechtigung unterschieden, der Begriff Gender wird verengt übersetzt, die Beschreibung der Geschlechterhierarchie bleibt unterkomplex, Gender-Mainstreaming wird dann wieder

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zu »einem neuen Ansatz der Frauenpolitik«. Begriffliche Ungenauigkeit in der Zielformulierung ist ein nicht unwesentlicher Faktor dafür, dass ein visionäres Projekt nicht aufgegriffen wird – oder aufgegriffen werden kann. Denn in dieser Begriffsverwirrung manifestiert sich nicht zuletzt auch eine Unklarheit der beteiligten Akteure. Tabelle 9: Trainingselement Diversity-Motto© Zielgruppe

Beschäftigte in Organisationen, die mit der Umsetzung von Managing Diversity betraut sind

Zeit

je nach Intensität bis zu 90 Minuten

Material

Pinnwand, Flipchart, Moderationskarten, Stifte

Durchführung

Je nach Gruppengröße werden die Teilnehmenden in kleine Gruppen von maximal fünf Personen eingeteilt. Ziel der Arbeit besteht darin, ein Motto zu entwickeln, unter dem im Sinne einer Corporate Identity nun Managing Diversity in der eigenen Organisation umgesetzt werden soll. Das gefundene Motto kann eingesetzt werden als Überschrift von Informationsbroschüren, auf entsprechenden Webseiten oder als Briefkopf. Die Arbeit an einem Motto für Managing Diversity ermöglicht es den Teilnehmenden, sich noch einmal über den Inhalt des Konzepts und das Ziel seiner Umsetzung konkret zu verständigen. Außerdem werden zentrale Aspekte der jeweiligen Organisationskultur, an die das Motto anschließen muss, reflektiert.

Methode

Für die Erarbeitung eines Managing-Diversity-Mottos ist eine fragende und fordernde Moderation, die Gedanken bündelt und fokussiert, hilfreich.

Kommunikation ist – wie ausgeführt – nicht nur sprachliche Kommunikation. Aber gerade unsere abendländische Kultur zeichnet sich dadurch aus, dass sie dem nonverbalen – emotionalen – Aspekt von Kommunikation einen sehr geringen Stellenwert zugesteht. Insbesondere dieser nonverbale Aspekt (Mimik, Stimme, Körperhaltung) der Kommunikation verleiht oder nimmt einer Botschaft einen großen Teil ihrer Glaubwürdigkeit. Nach Virginia Satir ist eine Botschaft, in der alle Kommunikationsaspekte in die gleiche Richtung gehen, »kongruent«: »Wenn Menschen sich so verhalten, sind ihre Beziehungen leicht, frei und ehrlich und die Betreffenden

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fühlen sich in ihrer Selbstachtung kaum bedroht« (Satir 2004, S. 131). In dieser nonverbalen Dimension der Kommunikation der Akteure, die Managing-Diversity-Strategien entwickeln und umsetzen, muss sich die Ernsthaftigkeit des Unterfangens widerspiegeln. So muss die Spitze der Organisation das Konzept ebenso »leben« wie etwa die Teilnehmenden eines Diversity-Trainings nach dessen Durchführung. Denn an der Veränderung ihres Verhaltens wird der »Erfolg« eines Trainings gemessen, damit steigt oder fällt die Bereitschaft der Anderen, auch einmal an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen. Die nonverbale Dimension von Kommunikation, die impliziten, emotional meist sehr aufgeladenen Werte und Normen sowie die impliziten basalen Annahmen, die sich hinter Begriffen verstecken und nicht geklärt sind, stellen nicht selten Hemmnisse in der Entwicklung einer kohärenten Diversity-Strategie dar. Ein äußerst geeignetes Instrument zur Auflösung dieser Hemmnisse bietet die Dialogmethode. 5.3.3.3 Der Dialog als Instrument der Strategiebildung im Diversity Management Das Konzept des Dialogs lag in der westlichen Kultur Jahrhunderte lang brach. Es wurde zunächst wiederbelebt von Martin Buber mit seinen Überlegungen zum echten Gespräch: Im echten Gespräch geschieht die Hinwendung zum Partner in aller Wahrheit, als Hinwendung des Wesens also [...] Des weiteren muss, wenn ein echtes Gespräch entstehen soll, jeder, der daran teilnimmt, sich selber einbringen [...] Das Wort ersteht Mal um Mal substantiell zwischen den Menschen, die von der Dynamik eines elementaren Mitsammenseins in ihrer Tiefe ergriffen und erschlossen werden. Das Zwischenmenschliche erschließt das sonst Unerschlossene (Buber 2002, S. 293 ff.).

In den 1940er Jahren wurde es von der Psychologie als ein neuer Ansatz der Gruppendiskussion und Konfliktlösung wieder aufgegriffen. In den 1970er Jahren wurde der Physiker David Bohm darauf aufmerksam und entwickelte das Konzept – zum Teil gemeinsam mit dem indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti – weiter. Die Idee des Dialogs wurde dann am MIT – dem Massachusetts Institute of Technology Learning Center aufgenommen, wo Bill Isaacs, ein enger Vertrauter Bohms, das MIT Dialogue Project in-

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itiierte und das Instrument des Dialogs in das Kommunikationsund Konfliktmanagement in Großunternehmen einführte (Zohar 2000, S. 217 ff.). Tabelle 10: Dialog und Debatte (nach Zohar 2000, S. 216) Debatte/Diskussion

Dialog

Wissen

Herausfinden

Antworten

Fragen

Gewinnen oder Verlieren

Teilen

ungleich

gleich

Macht

Respekt oder Anerkennung

einen Punkt beweisen

Zuhören

eine Position verteidigen

neue Möglichkeiten erforschen

Im Gegensatz zur Debatte/Diskussion, die auf Überzeugung des/ der Anderen angelegt ist, zielt der Dialog auf gemeinsame Reflexionsprozesse in Gruppen (Tabelle 10). Der Dialog bedeutet »gemeinsames Ergründen« (Isaacs 2002, S. 18), er [...] muss all den Zwängen auf den Grund gehen, die hinter unseren Annahmen stehen. Der Dialog befasst sich mit den Denkprozessen hinter den Annahmen, nicht nur mit den Annahmen selbst [...] Im Grunde ist es Ziel des Dialogs, dem Denkvorgang auf den Grund zu gehen (Bohm 2002, S. 36 ff.).

Der Dialog will Bewerten und Beobachten trennen, er will Denkprozesse so gestalten, dass sie im gemeinsamen Gedankenraum beobachtet werden können (Hartkemeyer, Hartkemeyer u. Dhority 2001, S. 94). Durch die damit verbundene Klärung eventueller Missverständnisse und Unklarheiten eröffnet der Dialog die Möglichkeit neuer gemeinsamer Denkprozesse in Gruppen. Dieser Erfolg wird sich aber nur dann einstellen, wenn die an Dialogrunden Teilnehmenden bestimmte Grundhaltungen einnehmen (Döge 2007). Respekt: Ich trenne zwischen der Aussage eines/einer Einzelnen und seiner Person. Auf diese Weise versuche ich, meine Vorurteile und Stereotype zu reflektieren und den Menschen hinter der Bot-

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schaft zu erkennen. Der Mensch verdient immer Respekt, seine Aussage kann ich kritisch hinterfragen. Offenheit: Es gibt nicht nur eine Wahrheit, sondern viele unterschiedliche Weltanschauungen im wörtlichen Sinne, jede Wahrheit ist lediglich kontextuell »richtig«, es gibt kein absolutes »gut« oder »schlecht«. Wie schon dargestellt, sieht jeder Mensch die Welt anders, aus einer jeweils spezifischen Interessen- und Bedürfnislage. Verschließe ich mich einem Argument, verpasse ich möglicherweise eine wichtige Anregung. Daher nehme ich vorzugsweise die Position eines / einer Lernenden ein. Dialogisch kommunizieren bedeutet an dieser Stelle, zunächst alle Sichtweisen als gleichwertig für die Reflexion in der Gruppe zuzulassen. Natürlich sind dabei solche Sichtweisen ausgeschlossen, die dem Gebot des gegenseitigen Respekts widersprechen. Empathie: Eine weitere wichtige Grundhaltung in einem Dialog ist die des / der Verstehenden und Nachfragenden: Habe ich den Begriff richtig verstanden? Was verbindet der/die andere mit dem Begriff? Welche Bedürfnisse, Interessen und individuellen biografischen Muster stehen bei dem / der Einzelnen hinter dem Begriff, hinter ihrer Sicht auf die Welt? Gelingt es mir, diese nachzuvollziehen? Wenn nein, warum nicht? Authentizität: Ich versuche meine Bedürfnisse und Ansichten nicht zu verbergen, sondern »spreche von Herzen«: »Authentisch wirkt, wer wirklich danach strebt, in gelassener Selbstführung und aus eigener Kraft und Einsicht zu arbeiten und zu leben: in Übereinstimmung mit sich selbst« (Werner 2006, S. 18). Ich bin als Ich Teil der Runde und trete mit den anderen als Ich in Interaktion – nur so können die Anderen auch von mir lernen und sich mit mir in Beziehung setzen. Ein interkultureller Dialog kann im Prinzip in einer Organisation jederzeit beginnen, indem Interessierte – zum Beispiel die Gleich stellungsbeauftragte, der Ausländerbeauftragte, die Referentin für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, der Betriebs-/ Personalrat, engagierte Väter und viele andere mehr – eine Dialoggruppe bilden, um eine gemeinsame Diversity-Strategie zu entwickeln.

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Nach Zohar reicht die ideale Gruppengröße von sieben bis zwanzig Teilnehmenden (Zohar 2000, S. 219 ff.). Die Stühle sollten unbedingt als Kreis (ohne Tische) aufgestellt werden: »Der Kreis ist ein altes Symbol des Dialogs. Er ist ökonomisch und effizient, weil er es allen ermöglicht, alles zu sehen und zu hören, und er ist ein ›Gleichmacher‹: alle sind auf gleicher Ebene« (Isaacs 2002, S. 208). Ein oder zwei Mitglieder der Gruppe übernehmen die Moderationsrolle: Sie bringen sich ebenso wie die anderen in die Gruppe ein, haben aber gleichzeitig die Aufgabe, das Gespräch in Gang zu halten, immer wieder zum Fragen anzuregen und zu gewährleisten, dass man nicht allzu weit vom Thema abschweift und sich alle Beteiligten an die dargestellten Regeln halten. Möglich ist auch, sich einer externen Dialogbegleitung zu bedienen. Ob diese Option gewählt wird, sollte davon abhängig gemacht werden, ob es sich die Gruppe zutraut, aus sich selbst heraus eine vertrauensvolle Atmosphäre zu bilden, in der jeder/jede bereit ist, sich einzubringen – einen sogenannten »Container« herzustellen. Denn dieser ist unbedingte Vorbedingung für den Erfolg einer Dialogrunde: »Die aktive Erfahrung, dass Menschen zuhören, einander respektieren, ihre Urteile suspendieren und sich artikulieren, ist der Schlüsselaspekt des Containers beim Dialog« (Isaacs 2002,S. 204). Bei einem ersten Treffen einer Dialoggruppe, das bestenfalls anderthalb bis zwei Tage dauern und an einem neutralen Ort stattfinden sollte, sollte auch eine Einführung in die Methode sowie eine intensive Übung einzelner dialogischer Kommunikationsbausteine erfolgen. Auch hier ist zu klären, inwieweit dies aus der Gruppe heraus selbst möglich ist. Die Gruppe muss schließlich noch aushandeln, in welchen Abständen sie sich trifft und welche Form des Dialogs sie wählen will: themenzentriert oder generativ. Der generative Dialog ist ein offener Dialog, im Gegensatz zum themenzentrierten – der auf einen konkreten Gegenstand oder Begriff fokussiert – ist nichts vorgegeben, das gemeinsame Denken soll sich offen und frei entwickeln. Schon die Anwendung des Dialogs als Kommunikationsmethode in einer Organisation stellt – wie bisherige Erfahrungen zeigen – meist den Einstieg in eine Veränderung der Kommunikationskultur und damit der Organisationskultur dar (Zohar 2000, S. 220). Der Dialog führt nicht zuletzt bei den Teilnehmen-

Zusammenfassung

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den zu einer anderen Haltung: »Er verkörpert eine radikal neue Einstellung zu sich selbst, zu anderen, zum Wissen und zu Problemen und Beziehungen« (Zohar 2000, S. 221). Ein Dialog hat damit potenziell die »Macht des Schmetterlings«.

5.4 Zusammenfassung – Zur Analyse und Entwicklung von Handlungsoptionen bieten sich zwei Verfahren an: Der Ex-post-Diversity-Check zielt darauf, bestehende Benachteiligungen zu erfassen und Handlungsoptionen zu entwickeln, der Ex-ante-Diversity-Check zielt darauf, bereits in Konzeption und Planung mögliche Benachteiligungslagen zu vermeiden. – Zentrale Bausteine für die Umsetzung von Managing Diversity sind: Kompetenz, Verantwortlichkeit, Verbindlichkeit und Kommunikation. – Die Umsetzung von Managing Diversity kann keinesfalls ausschließlich als Top-down-Strategie erfolgen. Jede Handlung jedes / jeder Einzelnen verändert bereits die Organisationskultur und kann ungeahnte Effekte haben. – Kommunikation ist ein zentrales Element jeder ManagingDiversity-Strategie. Nur eine offensive Kommunikation kann die Dinge in eine notwendige Bewegung bringen, Kommunikation ist Vehikel und Motor für Veränderung zugleich. Begriffliche Ungenauigkeit in der Zielformulierung ist ein nicht unwesentlicher Faktor dafür, dass ein visionäres Projekt nicht aufgegriffen wird – oder aufgegriffen werden kann. – Die nonverbale Dimension von Kommunikation, die impliziten, emotional meist sehr aufgeladenen Werte und Normen sowie die impliziten basalen Annahmen, die sich hinter Begriffen verstecken und nicht offen geklärt sind, stellen nicht selten Hemmnisse in der Entwicklung einer kohärenten DiversityStrategie dar. Als ein überaus geeignetes Instrument, mit diesen Hindernissen umzugehen, bietet sich die Dialogmethode an.

6 Managing Diversity – Vielfalt nach innen und nach außen

Organisationskulturen bestimmen nicht nur die Interaktionsmuster zwischen den Individuen in einer Organisation, sondern auch die Interaktionsform der Organisation mit der sie umgebenden biophysikalischen Umwelt. Denn wie Lebewesen haben auch Organisationen einen Stoffwechsel: Sie benötigen zu ihrem Arbeitsprozess Ressourcen und produzieren Abfall. Dabei greifen sie in biophysikalische Prozesse ein, wirken auf ihre biophysikalische Umwelt zurück und haben so Einfluss auf die Artenvielfalt auf der Erde. Damit entscheiden sie letztendlich über die Grundlage ihrer zukünftigen Existenz, denn biologische Vielfalt ist ein wesentlicher Faktor für die Produktivität und Stabilität von Ökosystemen (Wilson 2002, S. 136 ff.). Biologische Vielfalt ist » der Schlüssel zur Erhaltung der Welt« (Wilson 1996, S. 25). Unbestritten ist, dass das gegenwärtig dominierende Modell von Produktion und Konsum verantwortlich dafür ist, dass eine massive Reduzierung der Artenvielfalt stattfindet – Biologen sprechen von einem der größten Artensterben in der Geschichte der Erde (Wilson 1996; May 1996). Ursache dafür sind vor allem die Rodung der Regenwälder, die Klimaerwärmung sowie die Ausbreitung der chemisch-industrialisierten Landwirtschaft. Setzt sich der aktuelle Trend fort wie bisher, könnte sich im Jahr 2100 sich folgendes Bild bieten: Bereist man die Welt entlang eines beliebigen Breitengrades, trifft man immer wieder auf dieselbe Gruppe eingeführter Vögel, Säugetiere, Insekten und Mikroben. Es sind die Lebewesen, die von unserer globalisierten Handels- und Verkehrsgesellschaft am meisten profitieren und die in den gleichförmigen Lebensräumen, die wir geschaffen haben, am besten gedeihen (Wilson 2002, S. 103).

Da der Mensch selbst Bestandteil dieses dynamischen biophysikalischen Netzwerks ist, hat jeder Eingriff auch Rückwirkungen auf

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Managing Diversity – Vielfalt nach innen und nach außen

seine Lebensbedingungen und damit auf ihn selbst. Deutlich werden solche Rückwirkungen zurzeit im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Völlig offen sind dagegen die Rückwirkungen durch die Ausbringungen transgener Organismen. Rückwirkungen auf Menschen und Organisationen ergeben sich weiterhin aus der Verknappung nicht regenerativer Ressourcen und vor allem aus der Verknappung von Wasser durch die industrialisierte Landwirtschaft. Organisationen, die sich in ihrem inneren Stoffwechselprozess von nur wenigen Ressourcen sowie Energieträgern abhängig machen und ihren inneren Stoffwechsel so anlegen, dass sie die Vielfalt der Arten auf der Welt reduzieren, werden kaum zukunftsfähig sein. Zugleich stellt sich die Frage nach der intragenerationellen Verantwortung eines solchen Handlungsmusters von Organisationen: Kann es verantwortet werden, dass die nachfolgenden Generationen über weniger Artenvielfalt verfügen als die heute lebenden Menschen – dass sie etwa Eisbären oder Orang-Utans bestenfalls noch in zoologischen Gärten erleben können –; kann es verantwortet werden, nachfolgenden Generationen hochgiftigen Müll – etwa atomaren Abfall oder eingelagertes CO2 – zu überlassen; kann es verantwortet werden, nachfolgenden Generationen bestimmte sinnliche Eindrücke nicht mehr zu ermöglichen – etwa den schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo? Ausgehend von diesen Fragen zeigt sich, dass Managing Diversity immer auch eine biophysikalische Dimension hat – Managing Diversity als Gestaltung gleichwertiger Vielfalt richtet sich also immer zugleich nach innen und nach außen: In einer Gesellschaft, die – oft unbewußt – dazu neigt, einer früheren Fülle hervorragender Leistungen eine einheitliche Mittelmäßigkeit aufzuzwingen – zum Beispiel indem McDonald´s den örtlichen Imbiss verdrängt und der Mega-Stop-Shop an die Stelle des Tante-Emma-Ladens tritt – kann die Kenntnis und Verteidigung des ganzen Spektrums der natürlichen Realität dazu beitragen, dass wir uns gegen den Strom stemmen und den reichhaltigen Rohstoff jeder Evolution bewahren: die Vielfalt selbst (Gould 1999, S. 282).

Der Blick auf die Evolution zeigt aber auch, dass sehr wohl ein Mechanismus existiert, der Vielfalt begrenzt – nicht alles, was denkbar ist, ist in der Erdgeschichte realisiert worden. Evolution schließt immer Selektion mit ein, die Bewertungsinstanz für die

Managing Diversity – Vielfalt nach innen und nach außen

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Angemessenheit einer Lebensform bilden die jeweiligen Umweltbedingungen. Diese spielen zwar auch für die Herausbildung und Reproduktion spezifischer Kulturmuster – etwa Essensgewohnheiten oder Zeitkulturen – als selektive Instanz eine Rolle, eine objektive Bewertungsinstanz für angemessenes soziales Verhalten existiert allerdings nicht. Hier sind die Menschen einer spezifischen Gruppe mit ihren spezifischen Interessen gefragt: Sie müssen einen Rahmen für gewünschtes und nicht gewünschtes Verhalten schaffen. In diesem Sinne muss auch jeder Diversity-Ansatz definieren, welche Kulturmuster zu welcher Zeit an welchem Ort angemessen sind, aber auch welche Kultur- und Lebensmuster generell als unerwünscht gelten. Als eine mögliche Orientierungsgröße zur Beantwortung dieser Fragen und der Definition generell unerwünschter Lebensund Kulturmuster könnte die Charta der Menschenrechte der UN fungieren, die diejenigen Muster als nicht wünschenswert definiert, welche die körperliche und seelische Unversehrtheit verletzen. Die UN-Charta könnte auch von daher einen verbindlichen Werterahmen von Diversity-Strategien bilden, da sie von fast allen Kulturen der Welt anerkannt ist – ihre konkrete Umsetzung im Alltag steht auf einem anderen Blatt und darf nicht als Maßstab für ihre Tauglichkeit gesehen werden. Weitergehende Kriterien, die auch nichtmenschliche Wesen berücksichtigen und somit an die Überlegungen zu Beginn dieses Kapitels anschließen, werden etwa aus buddhistischer Perspektive oder aus der Perspektive des negativen Utilitarismus formuliert: Ihnen zufolge sind diejenigen Lebens- und Kulturmuster generell abzulehnen, die das Leiden von Lebewesen mit Bewusstsein vergrößern oder das Leiden von Lebewesen vergrößern, die zum Leiden fähig sind. Was aber ist Leiden? Ist Leid nicht ein sehr subjektives Konzept? Welche Handlungsmuster in einer Organisation erzeugen bei wem in welchen Momenten Leiden? Wer empfindet wann eine Handlung als Angriff auf seine psychische Unversehrtheit? Eine objektive allgemeingültige Antwort auf diese Fragen geben auch diese Ansätze nicht, sie kann meines Erachtens auch nur in einem interkulturellen dialogischen Prozess gefunden werden. Gleichgültig wie sich davon ausgehend ein Diversity-Rahmen im Konkreten gestaltet, er wird auch die Herstellung von Distanz,

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Managing Diversity – Vielfalt nach innen und nach außen

die Distanzierung von Lebens- und Kulturmustern, die unerwünscht sind, da sie nicht dem vereinbarten Rahmen entsprechen, beinhalten. Wie aber soll mit den »Anderen«, also gewissermaßen mit der »Outgroup«, mit den Trägerinnen und Trägern der unerwünschten Lebens- und Kulturmuster umgegangen werden? Sollen sie aus der Organisation entfernt werden? Verdient auch ein pädophiler Triebtäter einen würdevollen Umgang – etwa auf Lebenszeit in einer geschlossenen Anstalt – oder wird bestimmten Menschen mit bestimmten Verhaltensmustern, mit denen sie anderen Menschen sehr viel Leid zufügen, gewissermaßen das MenschenRecht entzogen? Darf ihnen dann Leiden zugefügt werden? Dies sind mit Sicherheit nicht alle Fragen, die im Prozess der Umsetzung von Diversity-Strategien auftauchen und zu beantworten sein werden. Jedoch machen sie eines deutlich: Diversity-Prozesse in Gruppen und Organisationen – wenn sie nicht zu simplen Marketing-Strategien verkommen – werden immer tief greifende individuelle und organisationale Reflexionsprozesse anstoßen und damit schon »Normalität« verändern. Nachdenken über Normalität in Organisationen und Gruppen fordert aber auch – wie skizziert – das einzelne Individuum heraus, über seinen Beitrag zur Reproduktion von Normalitätskulturen nachzudenken. Denn wenn das Sein ein relationales Netzwerk darstellt, hat jede – noch so kleine – Handlung Einfluss auf die Welt: [...] zu wissen, dass ich in jedem Augenblick die Verantwortung trage für den nächsten; dass jede Entscheidung, die kleinste wie die größte, eine Entscheidung ist ›für alle Ewigkeit‹; dass ich in jedem Augenblick eine Möglichkeit, die Möglichkeit eben des einen Augenblicks, verwirkliche oder verwirke. [...] Doch herrlich ist es: zu wissen, dass die Zukunft, meine eigene und mit ihr die Zukunft der Dinge, der Menschen um mich, irgendwie – wenn auch in auch zu geringem Maße – abhängig ist von einer Entscheidung in jedem Augenblick. Was ich durch sie verwirkliche, was ich durch sie ›in der Welt schaffe‹, das rette ich in die Wirklichkeit hinein und bewahre es so vor der Vergänglichkeit (Frankl 2006, S. 216).

Literatur

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Stichwortregister

AGG 7, 10 Antidiskriminierung 8, 32 Arbeit 56, 65, 80, 88 Arbeiterwohlfahrt 9 Arbeitskultur 56, 57, 72 Artenvielfalt 95, 96 Benachteiligung 19 Bruce/Brenda Reimer 45 Chancengleichheit 10, 32 Chancengleichheitsstrategien 27 Commerzbank 9 DaimlerChrysler AG 9 Deutsche Lufthansa AG 9 Dialog 10, 12, 89, 90, 91, 92, 93 Dialoggruppe 91, 92 Diskriminierung 7, 8, 9, 11, 27, 28, 31, 33, 83 Diversity-Analyse 68, 69, 70, 71, 74, 75, 81 Diversity-Beauftragte 10 Diversity-Training 76, 80 Dominanzkultur 20, 21, 22, 27, 44 Ethnozentrismus 20, 22, 27 Evaluation 73, 76 Evolution 26, 96 Ex-post-Diversity-Check 67, 93 Familienkultur 50, 51 Fitness 25 Flying Experts 82 Ford AG 8 Fort- und Weiterbildung 10, 78, 81

Frauenförderung 8 fremd 20, 29 Fremdenfeindlichkeit 20, 22 Führungspositionen 21, 68, 69, 70, 71, 73, 84 Führungsstil 48, 49, 50 Gender-Mainstreaming 44, 47, 83, 84, 87 genetischer Determinismus 26 Geschlecht 7, 14, 15, 16, 21, 40, 42, 43, 68, 69, 81, 82 Geschlechterhierarchie 43, 87 Geschlechterkategorie 43 Geschlechterkultur 17, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 47, 71, 74 Geschlechterpolitik 21, 44 Geschlechterrolle 40, 41, 43, 44 geschlechtshierarchische Arbeitsteilung 41 geschlechtsspezifische Arbeitsteilung 14, 41, 42 Gesundheit 19, 38 Gleichbehandlungsgesetz 7, 31 Gleichstellung 8 Gleichstellungspolitik 32 Gleichwertigkeit 32, 47 Gruppe 9, 17, 18, 20, 22, 24, 27, 31, 32, 35, 36, 37, 48, 50, 62, 70, 76, 80, 87, 91, 92, 95, 97 Gruppenbildung 27 Handlung 19, 26, 85, 86, 93, 97, 98

110 Hautfarbe 13, 14, 16, 21, 69 Hewlett-Packard 9 Hierarchisierung 18 Hinduismus 59 Homo sapiens 13, 15, 23, 26, 27, 28, 36, 40, 48 Identität 7, 50 Individuum 25, 37, 47, 64, 66, 98 Ingroup 19, 22, 29, 31, 32, 33 Innovationsmanagement 8 Kirche 27, 60, 68 Klimawandel 96 Kommunikation 36, 53, 66, 78, 80, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 93 Kommunikationskultur 8, 48, 52, 53, 54, 84 Kommunikationsmanagement 81, 87 Kompetenz 78, 79, 81, 83, 85, 93 Konfuzianismus 42 Konkurrenz 25, 26 Kontextualität von Differenz 20 Kontrolle 38, 52, 66 Kooperation 27, 29, 52, 82 Körper 14, 38, 39, 58, 59 Kostenreduktion 8 Krankheit 38 Kultur 23, 24, 33, 35, 36, 37, 40, 44, 51, 53, 63, 65, 66, 71, 88, 89, 97 Lebensmuster 41, 63, 64, 69, 70, 73, 97 Lernen 28, 29 lernende Organisation 28 Lernprozess 29 Linearität 63, 86

Stichwortregister Management 9, 11, 22, 24, 49, 83, 85, 87, 89 Manager 21 Männlichkeit 41 Medizin 38, 39 monolithische Organisationen 32 Motivation 8, 50, 52 multikulturelle Organisation 33, 67 Natur 28, 29, 37, 38, 39, 44, 51, 56, 65 natürliche Umwelt 35, 37 Naturverständnis 35, 64 Nepotismus 27 Nichtstun 55 Non-Profit-Sektor 10 normal 20, 29, 31, 44 Normalitätskultur 17, 19, 24, 29, 31, 32, 33, 34, 47, 64, 70, 71, 80, 85, 98 Normen 35, 36, 39, 65, 71, 89, 93 Organisation 11, 28, 32, 33, 36, 56, 62, 64, 67, 68, 70, 71, 75, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 87, 88, 89, 92, 93, 95, 97, 98 Organisationskultur 11, 19, 32, 47, 63, 64, 70, 72, 73, 80, 84, 88, 93, 95 Outgroup 19, 22, 31, 98 Personalmarketing 8 Persönlichkeit 44, 50, 51 Physik 62, 63 physische Reproduktion 35 politische Kultur 51 Qualitätsmanagement 10

Macht 48, 84, 85, 86, 87, 90, 93 Macht des Schmetterlings 84, 86, 93

Reflexion 11, 16, 28, 38, 91 Reflexionspotenzial 28

Stichwortregister relationale Perspektive 38 Religion 7, 23, 57, 60, 62, 63, 69, 76 same-as-me-Phänomen 24 Selbstreflexion 22, 28, 36, 37 Selbstwertgefühl 22, 23 Sensibilisierungsseminare 10 Sensibilisierungstrainings 9 Sexualität 36, 44, 65 Sozialdarwinismus 46 Soziale Herkunft 21 Sozialisation 44 Sozialkonstruktivismus 44 Soziobiologie 25 Sprache 17, 20, 24, 35, 36, 50, 64 Stadtverwaltung 10 Status 22, 33, 40, 42, 43, 44, 50 Stereotyp 17, 18, 19 Stoffwechsel 35, 36, 95, 96 Survival of the Fittest 25 Taoismus 42, 58 Technikkultur 37, 45 Terror-Management-Theorie 22, 24 Theologie 62 Tod 57, 58, 59 Traditionelle Chinesische Medizin 38 Training 10, 79, 80

111 Umwelt 8, 25, 56 Umweltbedingungen 8, 25, 35, 97 Universum 23, 36, 37, 57, 58, 63, 65, 66 Uppsala 10 Verhalten 9, 25, 26, 40, 44, 46, 52, 83, 97 Verhaltensprädisposition 26, 27 Verwaltung 10, 11 Vielfalt 7, 8, 10, 33, 35, 43, 65, 75, 83, 87, 95, 96 Vorurteil 18 Wahrheit 53, 59, 60, 89, 91 Weiblichkeit 41 Weltanschauung 7, 17, 24, 63, 66, 76, 91 Werterahmen 97 Wissenschaftskultur 38, 39, 44, 84 Work-Life-Balance 8 Zeit 17, 44, 45, 48, 54, 59, 66, 67, 71, 75, 76, 85, 88, 97 Zeitkultur 54, 97 Zielgruppe 70, 74, 75, 76, 79, 88 Zweigeschlechtlichkeit 43

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