125 66 88MB
German Pages 757 Year 1888
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für das Deutsche Haus.
G
函 Stuttgart Verlag v. WSpemann. 9.Thiersch
Erster
35 and.
(Oftober 1887 bis März ( 888).
AP 30 √942
1887-88 Oct.-Marr.
Hackley
Public
Silvary
Stuttgart. Druck von Gebrüder Kröner.
i 15442
Inhalt.
Erster Band (Oktober 1887 bis März 1888).
I. Romane, Novellen, Plaudereien 20. Scite Anzengruber , 2. Unrecht Gut 695. 934 · 1615 Berger, M. Heimgefunden · Bret Harte , Eine Waldblüte 1441. 1889 Eh' Weh' , Neujahrsbriefe 1693 Elbe, A. v . d . Ein Sohn 82. 487. 757. 991 . 1249. 1507. 1807 Ganghofer, 2. Hans im Urlaub 239 Grosse , J. Auf Kriegsdauer. Mit 10 Illustrationen · 1094 Heims , P. G. Am Flkensee 1 480 Eine Schreckensnacht . Junghans , S. Wer war es ? 289 Marriot , E. Ein stummer Zeuge 865 Mystifiziert 269 Peschkau , E. Zwei Sterne 1351 Polko , E. Alte Briefe . 832 · 1396 Renz, B. Und Friede auf Erden 1676 Roderich, A. Frige Kulasch • Rottmann , B. Isaak Hennegauer 1729 Schük, Fr. Wiener Theaterleben . 115 • Mit 28 Illustrationen Spielberg , H. v . Das Röschen von 530 Sternberg Stevenson , R. 2. Wunderbares Ereignis des Dr. Jekyll u. Mr. Hyde 373. 633 1077 Voß , R. Ba ! . 435 Der rote Streifen 1972 Der Sohn der Marchesa 1561 Die Here 144 La perduta gente 800 Seltsame Käuze Weihnachten in der Campagna Roms 1311 1153 Walter , G. Eingeschneit 1881 Wiener Feuilletonisten
-
II . Länder- und Völkerkunde, Städtebilder. Born, St. Mülhausen im Elsaß. Mit 13 Illustrationen Brugsch- Pascha , H. Algier Algier.. Mit 14 Illustrationen Der Kaukasus. Mit 6 JÜuſtr. D Mit Unsere Weihnachtsgabe. 29 Jllustrationen Chavanne, J. Madeira. Mit 13 Jαuſtr. Feilmann, J. Ein Aufenthalt in Suffer. Mit 12 Jαustrationen Hesse- Wartegg , E. v. Karnevalstage in Yukatan. 4 Mit 11 Juſtrationen . Kaden, W. Die Perle der Schweizer Landschaften. Mit 16 Illustrationen. Katscher, B. Londoner Straßenjungen . Mit 10 Juſtrationen •
714 325 778
1183 620 1285
1951 34
1537
Seite
Kipper , B. Reisebriefe aus dem Orient Köhler , G. Ein friedlicher Vorposten unſerer Marine · May , K. Maghreb-el-aksa. Mit 4 J¤lustr. Nagel, E. Erlebniſſe in Afrika. Mit 6 Illustrationen • Ostende , Rochus v . Aus dem Fiſcherleben. Mit 19 Jllustrationen • Burtscheller , 2. Eine Bergfahrt Roberts , A. v. Ein Stück Normandie. Mit 19 J¤ustrationen Schwebel , D. Eine Künstlerfahrt durchs bayrische Land . Mit 18 Jlluſtr. Singer, S. Das Deakdenkmal in Budapest Vetter, F. Ueber Hochgebirgsfahrten. Mit 12 Jlustrationen
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164 963 1579 814 415
1471 895 892
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1167 577 1371 . 929 840
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atu: III. Naturwissenschaft, Heilwissenschaft, Technologie 2c.
Adams , Herbstfrischen und ihre Bedeutung . Alsberg , M. Zwei Zukunftsprobleme für die Chemie Breggen , M. Ueber die Nase und ihre Bedeutung für Atmung und Geruch Busch, F. Ueber Zahn- und Mund63 . pflege Cohn, H. Das Auge und die Handschrift. Mit 7 Juustrationen Der Olberssche Komet Die Steinkohlenfelder Deutschlands Ecstein , K. Die Rädertiere. Mit 6 Illustrationen chaftliches Volkstheater Ein naturwissenschaftliches Fink, E. Briefe an eine Dame über ärztliche Seelenkunde Fuchs, Fr. Erinnerungsbilder und Jllusionen. Mit 2 Justrationen Gibt es Vorboten der Erdbeben ? . Giese , D. Die Reblaus. Mit & Jlluſter. Kirchbach, W. Wildfütterung im Winter Klein , H. J. Tromben und Tornados. Mit 16 Illustrationen . Knauer , Fr. Tiergesellschaften. Mit 14 Jllustrationen Knuth , P. Die Farbe des Waſſers Krichler, F. Die Jagd mit Falken . Mit 9 Justrationen · Laßwik, K. Aus der Welt der Atome Leonhard - Ensrud , Elektrische Beleuchtung aus Zentralstationen. Mit • 12 Jlluſtrationen }
Seite
Müller, K. Der Taubensport. Mit 11 Jllustrationen . Die künstliche Fischzucht und die Fischzuchtanstalt Hüningen. Mit 7 Illustrationen • • Nußbaum, v . Ueber plöhliche Erfrankungen u. unnatürliche Todes= arten W. Naturforschung und Preyer , W. Schule Zur Weihnachtszeit im Ruß, K. Kiefernwald Schwarzwildjagden . Vogt, H. Hubertusjagd im Grunewald. Mit Illustration Wechmar, E. v. Zur Flugfrage. Mit 7 ZÜluſtrationen
674
913 678 1552
356 1350 208 1362 1470
1070 975 343
IV. Geschichte und Kulturgeschichte. Egelhaaf, G. Die Weltgeschichte von Leopold v. Ranke Erdmann, H. Grausamkeit im chinefischen Gerichtsverfahren Falke , I. v. Das Haar der Frauen Heigel , K. Th. Bonaparte Klaußmann, D. Berliner Taſchendiebe Krones , F. v . Die Stadt Eger und Wallenstein. Mit 7 Illuſtrationen Leist, F. Eine Prophezeiung der französischen Revolution und der Schreckensherrschaft • Pflugk- Harttung, J. v. Die Zustände des untergehenden Römerreiches Sajfe , E. Das Zahlengeset in der Weltgeschichte Zur Geschichte der Regierung des Kaisers Paul I..
1218
751 346 1036 126
197
1546
1333 1937
448
V. Bildende Kunst.
793 Brügge , K. v . d . Alma Tadema. 397 Mit 14 Juſtrationen 1324 Freydorf, A. v . Die Ausstellung für Kunstschmiede - Arbeiten in 1774 547 Karlsruhe. Mit 3 Jllustrationen . 457 Luthmer , F. Das Rothschildmuſeum 1088 zu Frankfurt a. M. 485 Zwei neugefundene römiſche Bronze1 1065 statuen. Mit 3 Jllustrationen . 1870 1864 VI. Musik. Guckeisen , A. Ein Reformator der 1925 1029 Musik. Mit s Juustrationen •
IV
Inhalt. '
Seite VII. Artikel verſchiedenen Inhalts. Aus der ärztlichen Praxis 126 Der Nahrungswert d . gefochten Fleisches 1560 Der neue Fürst von Bulgarien. Mit 324 Portrait LA Deſſoir , M. Hypnotismus und Jurisprudenz . 426 Diemer, H., geb. v . Hillern . Tobias Flunger 1989 Forrer, R. Handschriften Frrsinniger. Mit 13 Illustrationen 515 Förster , E. Ein Besuch bei Goethe 1600 Kattom, Michael Nikiforowitsch. Mit Portrait 514 Kirchhoff, Guſtav Robert. Mit Portrait 1320 Klaußmann, A. D. Bettelbriefe · 522 Krupp , Alfred . Mit Portrait · 371 Lammers , M. Ein unheilvoller Kreis 970 Langenbed, Bernhard v Mit Portrait 1093 Lesimple, A. Jenny Lind. Mit # 1406 Portrait Maritime Rundschau. Von einem hohen 1492 Seeoffizier • Rumbauer, M. Agostino Depretis . Mit Portrait 557 Schnauß, H. Jacques Mandé Da guerre. Mit Portraits . 740 Schroeter , A. Zu Byrons 100. Geburtstag 1804 Selling, E. Eine neue Rechenma 1656 schine. Mit 4 J¤luſtrationen Vogt, H. Im Mittelpunkte des deutschen 1785 Geldverkehrs } VIII. Gedichte. Bartsch , K. In Wintertagen Blüthgen , V. Weihnachtssonette Dickmann , H. Wahrheit Edlita. Sprüche Fischer, J. G. Weihnachtsmarkt. Mit Juſtration A. Spruch Friedmann , A. Greif, M. Gegen die Ernte • Jm Oktober Laub im Winter Lingg , H. Der Brillant Littauer , H. Spruch Rece, E. v . d . Im Sommer Roderich , A. Spruch Rueffer, Fr. Der deutsche Michel Saul , D. Mein Lied Schanz , Fr. So schreit' ich nun still in des Lebens Zug . Spruch Stelter , K. Im Flockenwirbel Trojan , J. Weihnachten im Walde. Mit Juſtration Auf Friedrich Wolzogen, E. v . Vischers Tod . Mit Portrait Ziel, E. Das Tiefste
1320 1409 479 1806
1394 396 196 777 1992 1578 756 265 1284 1505 673 1614 168 1773 1321 711 894
IX. Sammler. (Die mit bezeichneten Artikel sind illustriert.) 1422 Am Wege *Auflösung des chinesischen Lege2008 ſpiels Aus Küche und Haus. Von 2. v. Pröpper 285. 570. 1414. 1709 . 2015 564 *Bilder aus Kroatien. Von Hecksch Carnot, Sadi. Mit Portrait • 1713 *Charakter und Handschrift. Von H. Amselmann. IX - XII . 283. 567 . 859. 1420 1700 * Chinesisches Legespiel . 1438 Christfests Einzug .
Seite Das Abziehbild . Von O. Hülder 1152 Das Billard 1131 Das Malen mit schmelzbaren • 2010 Glasfarben . Das Schachspielerdorf 2012 1428 Das tanzende Ei · Das Telephonieren unter Wasser 1436 Der gestirnte Himmel . 288. 573. 864. 1135. 1710. 2016 Der Kaiser in der Schule. Von 1140 K. Schaffnit Der Rösselsprung. Von H. Schu bert 1136. 1417 . 1711 560 * Der Spargel. Von D. Hüttig . Der Weihnachtsabend des Ein1431 samen . 1411 Die bewegliche Christsonne ſoune . Die Orthographie . 573 Die willkürliche Muskelthätig= feit . 1421 1432 * Ein Chriſtbäumchen 279 Ein praktisches Buch . 271 Ein Reisebericht Fr. Gerstäckers Ein zahmes Reh. Von J. Gräßner 1436 847 *Eine Klavierstimmvorrichtung · 1140 Entgegenkommend *Für unsere Hausfrauen 572. 1138. 1429 Gesellschaftsspiel (Metamor1435 phosen) Graf Dürkheims Memoiren. Von 1139 K. Hackenschmidt . 852 Herbstmoden. Von J. Barber *Im Winter Blühende. Von O. 848 Hüttig . 1149 *In den Ardennen 863 Irren ist menschlich * letterpflanzen. Von O. Hüttig 1413 Modeneuigkeiten. Von J. Barber 1705 864 Musikalisch *Naturanstalten in der Häuslich* 1437 feit · *Neue Erfindungen 287. 860. 1144. 1717 . 2008 1710 * Neuer Flaschenträger 271 *Neue Rosen. Von O. Hüttig *Obstbäume in Töpfen. Von D. 1703 Hüttig 573 Opfer der Berge Photographie ohne Apparat. Von 1699 H. Wolpert 1726 * Profit Neujahr 1427 Reizendes Weihnachtsgeschenk 284 *Saisongemäß 2012 Salonmagie. Von Alexander 1426 San Remo Schlagende Wetter in Kohlen 563 gruben Schwedischer Weihnachtsbrauch. 1430 Von K. Altmüller Schweißen der Metalle mittels 1422 des elektrischen Stromes 2011 Silberglänzende Wolken 862 *Storm, Theodor . *Sumpf und Wasserpflanzen. 1997 Von D. Hüttig . 2004 Trinkspruch Unsere Kunstbeilagen • 278. 573. 863. 1140. 1431. 1720. 2011 * Unsere Stubenhunde. Von K. 1129 Ruß . 847 * Verunglücter Flugversuch 1430 Verier Aufgaben • 559 Von der Hautpflege Was aus einem Fleischertrakttopf alles werden kann . Von 279 D. Hülder
Weihnachtsbäckerei Weihnachtsbüchertisch im Weihnachtsheft und *Werder , Graf v . * 3um Kopfzerbrechen 280. 574. 856. 1422. 1714. 3wei Witige . * Zwiebel- und Knollenpflanzen. Von O. Hüttig .
Seite 1411 1720 863 1141 . 2005 864 1133
X. Voll- und Einzelbilder. Aschenbrödel. Von E. Bosch Auf der Schwarzwildjagd. Von F. Specht • Christnacht. Von A. Rieger Das Opfer Baals . Von H. Motte Das Rösle vom Schwarzwald . Von P. Thumann Defilee. Von Amberg . Der Armen Heimkehr Der Festredner. Von M. Schmidt Der Gang zur Chriſtmette. Von 2. Arnold Die Enthüllung des Deak - Denkmals in Budapest am 29. Sep= tember 1887 . Die Flucht nach Aegypten. Von H. Hofmann Von A. Eine Schreckensnacht. Rieger .... Von Eine Vergnügungsfahrt . J. 2. Stewart • Ein heißer Tag. Von Boutigny Von Ein Opfer der Arbeit. Brouillet Einschiffung von Auswanderern . Von A. P. Dawant • Erlöser Tod in den sihirischen Bergwerken. Von H. Nauchinger Grüß dich Gott, Hans . Von E. Rau . Grüß dich Gott , Rosl. Von E. Nau . „ Helft ! -- Rettet !" Von A. Morlon Im Marionettentheater. Von P. Massani • Im Oktober. Von D. Strügel Im Sommer. Von R. Wehle . Im Winter. Von J. R. Wehle • In höchster Not ! Von D. WergeLand Kathi. Von H. Fechner ► Madonna Lucrezia. Von W. Löffg Mann über Bord . Von C. Haquette Mit vollen Segeln. Von E. Rau Nach dem Duell. Von N. Sicard Rekonvalescentin Studienkopf. Von Leonardo da Vinci Traurige Heimkehr. Von Beyle Und Friede auf Erden. Von 6. Hahn Villa Zirio in San Remo . Von Nestel u. Wagner . Weihnachten im Walde. Von L. Blume- Siebert Wildfütterung in den Alpen. Von Ch. Kröner Winterbild . Von H. Nestel Winterfreuden. Von E. Herger
1297 .
865 1153 433
289 1873 1824 769 1381
1057 1201 .481
217 529 1585 97
193 250
253 1776 73 775 265 1345
97 1105 1. 817 577 25 673 1920 1009 1396 1441
1321 1393 1153 1729
XI. Extrabeilage. Die Jungfrau im Berner OberLand
288
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Madonna Tucreția.
Hm
Von W. Töffh.
Ilke Jlkensee . nle e.
333-
Von P. G. Heims.
Esist prächtig hier ! Diese köstliche Stille | draußen regnet's als wenn von oben mit lassen haben. Man muß nur drei Jahre und Einsamkeit. Ich komme mir vor Gießkannen gebraust würde. Ich habe noch lang Stunde für Stunde in Abhängigkeit wie neugeboren. Seit drei Tagen bin keinen Schritt hinausthun können. Aber und Unfreiheit gelebt haben, um ganz die ich in der Sommerfrische ; Sommerfeuchtig das schadet nichts. Ich komme mir doch Wonne fassen zu können, die in dem Ge feit wäre eigentlich richtiger gesagt. Denn vor wie ein Kettenhund , den sie losgefühl liegt: du bist ganz und gar deine 1
P. G. Heims.
4
Am Jlkensee.
5
6
eigene Herrin ; feiner und keine achtet auf Sie waren etwas recht vertieft gestern mit gründen wußte. Aber da empörte sich meine dich, niemand hat dir etwas zu sagen ; du dem Assessor ; ein junges Mädchen kann Natur denn doch. gar nicht vorsichtig genug sein !" D „ Nein, Herr Doktor", sagte ich und zog brauchst dich nach keiner Seele zu richten ! Sie nehmen dies gräßliche Gutmeinen ! Manchmal meinen Arm aus seineni . Es ist ganz märchenhaft schön ! Wie der Regen gegen die Scheiben wär's mir wirklich lieber , die gute Frau sich die Sache doch zu gemütlich. Ich habe prasselt und in langen, nassen Streifen Rat zupfte mich ' mal ordentlich am Dhr, mir das Verloben eigentlich etwas lebhafter daran niederrieſelt. Alle Viertelstunde muß daß ich au ! schreien könnte, oder würde vorgestellt. Nachdem ich seit drei Jahren ich den Sec auftrocknen, der auf der Fenster mir einen freundschaftlichen Klaps geben : das Vergnügen habe, Sie zu kennen, haben bank sich gesammelt hat. Und in den wollen Sie sich wohl verſtändig benehmen ! " vierzehn Tage mehr oder weniger gar keinen Lindenbäumen vorm Hause und in den Dann würde ich's am Ende lernen ; so Sinn. Ich habe Sie dann nicht lieber Buchen draußen im Walde gehen die lerne ich's nie. und nicht weniger lieb als jezt. Eigent Zweige und Acste die Winke, die Wanke. Ich muß es aber doch lernen ! Als lich möchte ich Ihnen gleich heute abraten, Lief neigen sich die naſſen, triefenden, ver verheiratete Frau hat der Ünverstand ein denn ich glaube nicht , daß wir sonderlich regneten Kronen vor dem Ansturm des Ende. Ein Rätsel ist es mir nur , wie zusammen passen." Windes ; es iſt ein Rauſchen und Sausen, das kommen soll. Na , Ernst wird schon Verzeihen Sie," sagte er verbindlich als ob der wilde Jäger sein Wesen tricbe. das Seinige thun. Ich werde noch manches : lächelndich glaube , das weiß ich Aber so habe ich's gern . Hab's ja oft ,mein liebes Kind, das geht nicht oder : besser." Ich war wieder starr. Was solch genug früher mit meinem Bruder zusam , Erna , ich bitte dich oder : ,mein Herz , ein gelehrter Mann nicht alles weiß ! bedenke doch hören müssen. Haben Sie mich lieb, Erna ?" - Das men gesungen : Hinaus ins mutige Leben, Huh, wie da wieder der Sturm knallt war eigentlich das erste vernünftige Wort Am liebsten wo's stürmt und braust.“ und wettert ; da wirft er eben einen dicken was er sprach. Ginge schrecklich gern durch den Wald | abgebrochenen Ast über den Weg. „ Ich kann gerade nicht sagen " plaßte jezt und ließe mir das tolle Wetter ins Ich möchte nur wiſſen, wie Ernst eigent- ich heraus. „ Das thut nichts ! " erwiderte er sanft ; Gesicht wehen schade nur, daß ich keinen lich auf mich verfallen ist und was ihm Gummimantel habe und auch kein Geld , eigentlich an mir gefällt. Viel besser als „für Romanfiguren ist eine Aufregung der mir einen anzuſchaffen. Und dem Begriff heute war, das Wetter nicht, als wir wie Leidenschaften nötig, um sie interessant zu der „Kur" gegen einen gelinden Kehlkopf die gebadeten Pudel am Abend von der machen ; für Menschen von Fleisch und Blut katarrh dürfte solche Wanderung am Ende Bockmühle nach Hause strebten , und er ist gegenseitige Achtung und der redliche plötzlich neben mich trat und mit feierlichem Wille, dem anderen alles sein zu wollen , auch nicht gerade entsprechen. Denn deswegen bin ich ja hier mit Anstand sein Regendach über mich hielt, genug !" Wissen Sie was , Herr Doktor , wir sechswöchentlichem Urlaub auf diesem reizen- um dann nach kleiner Weile mir sogar den wollen morgen weiter drüber sprechen," den, stillen Fleck Erde und in diesem guten Arm zu bieten. Försterhause, in dem sich zu meiner steten Es paßte mir eigentlich gar nicht, denn brach ich ab ; was Sie mir da erzählen, Wonne kontraktlich kein Mensch um mich ich hatte Arbeit genug , mein Kleid zu muß ich mir doch noch erst ein bißchen kümmert. Ich thu ' und lasse, was ich will. halten und mir die naſſen Haare aus dem überlegen. " „Das freut mich, freut mich aufrichtig ! " Mein Essen bringt mir die kleine Ella mit Gesicht zu streichen. So gingen wir selbanerkennenswerter Pünktlichkeit aufs Zim ander weiter. Ich mit langer, nasser Mähne, antwortete er ; bitte, geben Sie mir wieder mer. Die Frau Försterin scheint vor Zeiten die der Wind über seine Schulter nach vorn Ihren Arm ; ich sehe , ich habe mich nicht Meierin oder dergleichen gewesen zu sein, | trieb , und er mit tiefsinnig niederhängen in Ihnen getäuscht. " und reizt mich gar nicht, mit ihr in näheres dem Schnurrbart, von dem dann und wann So gingen wir unterm Regenschirm Verhältnis zu treten . Der Gemahl schläft rechts und links ein Regentropfen herab weiter und er erzählte mir einige für ihn ungeheuer interessante Einzelheiten zur oder dressiert seine vierbeinigen Hunde jickerte. pensionäre , wenn er nicht im Walde ist, Viel gesagt hatte er nie. Heute sagte | Naturgeschichte der Rankenfüßer, die er zu und abends trinkt er Grog und faut dazu er mir gar nichts . Plöglich aber blieb er seinem Spezialstudium erkoren hatte. Sie werden sich dafür zu interessieren Cigarren, bis er wieder einschläft : der eignet ganz zwecklos stehen und ſah in einen Eberlernen ! " schloß er, und ich werde mit der sich also auch nicht zum geistigen Verkehr. eschenbaum hinauf. „Wollen wir nicht weitergehen ? " bat allergrößten Freude Ihnen die Wege in Glücklicherweise nicht ! Habe soviel mit das tiefere Verständnis zu ebnen suchen. sogenannten geistreichen Menschen verkehren ich ihn. Ér faßte den Regenschirm mit beiden Das Weib muß die Interessen ihres Mannes und selber soviel Geist entwickeln müſſen, daß die Abgeschiedenheit von aller Bildung Händen, um ihn gegen den heranbrausen- teilen. " „Aber erlauben Sie, Herr Doktor, noch und Schlauheit mir für eine Zeit ganz den Wind zu stühen. Endlich hatte er ihn gebändigt. Db ihn das auf den Gedanken bin ich sehr weit von dieser Würde ent unaussprechlich wohl thut. Ist doch ein schlimmes Leben, das Leben brachte , auch mir Halt zu geben in den fernt und Ihre Rankenfüßer sind mir furchteiner Gesellschafterin. Immer sein Sonn- Stürmen des Lebens, das weiß ich nicht ; bar gleichgültig. " Es fuhr ein Schatten über sein schmales tagnachmittagausgehgesicht aufsehen ; immer kurz mit einem Male sagte er mit gutem Gesicht. Er sah mit einem Mal so unglückvergnügt sein, immer liebenswürdig ; immer Ton : "1Fräulein Erna, ich liebe Sie!" Ich muß ihn sehr erstaunt angesehen lich aus, als hätte ich ihm all seine Spiritusanregend ; sich für Sachen interessieren präparate vom Regal gestoßen. Das jammüssen , die einem so gleichgültig sind, haben. wie die parlamentarischen Zustände bei „Ich würde Ihnen das nie gesagt merte_mich. den Kaffern ; sich beständig nach anderen haben" fuhr er im Weiterschreiten fort, // Seien Sie nicht böse ! " bat ich ; „ die richten, auf ihre Gedanken und Anschau- und hielt den Griff des Schirmes immer Tiere sind mir ein bißchen fremd ! Ich bin ungen eingehen; sich beständig im Spiegel noch mit beiden Händen, wenn ich nicht eben für den Augenblick noch mehr für die beschauen, ob die Stirnlocken auch gefällig nach reiflicher Ueberlegung zu der Ueber Krebse, die wir heut' abend gegessen haben. " "Ja, und die Sie so niedlich kochten ! “ sigen, und ob man sich auch so benimmt, zeugung gefommen wäre , daß wir in er wie man gerade soll. Sonst heißt es : gänzender Weise zu einander passen. " Und fiel er beglückt ein. // Und zu denen Sie das Holz heranLiebes Fräulein , Sie müssen gegen die nun hielt er mir einen längeren , sehr schönen Herren unserer Gesellschaft ein klein wenig Vortrag über das Verhältnis zwischen Mann trugen, Herr Doktor." freundlicher sein ; es muß Ihnen doch selbst und Weib - er wird ihn mir später noch Ich glaube, Fräulein Erna, wir wer Freude machen, wenn Sie sich so bevorzugt öfter halten und gab mir, die ich zum den sehr glücklich werden !" Dann kommen Sie nur morgen mitsehen; " oder ein andermal : Liebe Erna, erstenmal im Leben nichts zu sagen wußte, nehmen Sie's mir ja nicht übel, es ist nur schließlich vierzehn Tage Bedenkzeit, welche tag und holen Sie sich die Antwort ! " ein mütterlich wohlgemeinter Rat aber längere Frist or wieder sehr hübsch zu be- | Wir standen vor unserm Hause.
1
P. G. Heims .
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Am Jlkensee.
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Er reichte mir die Hand und drückte Nun könnte es bald aufhören zu regnen . und Vogellied ; Duft um mich her , daß fié gelind. Seit fünf Tagen kaum einen Sonnenblick. ich mir vier Lungen wünschte; Rauschen Am nächsten Tage um 12 Uhr 30 Oben graue Wolken und unten grauer Kot. von oben, weiches Moos von unten, warme, und kaum war Minuten stand er in Frack und weißen Die Hunde laufen schmutzig umher und weiche Luft ringsum Handschuhen vor mir. Ich hatte mir die verunreinigen den Flur ; der Herr Förster ich drinnen im dunklen Tann , da mußte Sache wirklich während der Morgenstunden hängt seine nasse Lodenjoppe an den Klei ich auch die Kehle stimmen, wie über mir überlegt und fand eigentlich keinen Grund derhaken neben meiner Thür auf und der Fink schlug und drüben die Amsel ,nein zu sagen. Also sagte ich ja ! Da schimpft dabei auf das Schweinewetter". anhub, und ganz von fern der Specht an gab er mir einen sehr stilvollen Kuß und Die Spaßen in den Linden sigen dick auf die Arbeit ging- und richtig : es flang nannte mich zum erstenmal liebes Kind ! geplustert und schütteln sich die Tropfen wieder ganz menschlich ! O, ich war riesig und dann gingen wir zur Frau Rat hinein, aus dem braunen Federjäckchen; ab und glücklich. Wenn mich jemand gesehen hätte, die in Seligkeit verschwamm über das zu zieht ein Planwagen trübsinnig durch wie ich die junge Birke packte und schüttelte ; Glück, - das ich machte. den Wald, die tiefe Straße entlang, oder aber ich mußte etwas zwischen den Händen Nun folgte eine stille, behagliche Zeit. die alte Semmeldorthe knetet durch den haben um mich auszuarbeiten : sieben Tage Die Romane lügen alle. Mein Herz hat | lehmigen Grund . Ich freue mich immer gefangen sigen und wilde Stiefmütterchen nicht einmal schneller geschlagen, während | kindisch, wenn ich sie sehe. Die Alte spricht malen ! Nur schade, daß es noch überall so all der Monate, und ich glaube seins noch so nett, und ihren Quarkkuchen esse ich mit naß war. Aber die Sonne brannte doch schon hernieder , daß es eine Lust war. weniger. Wir machten allmählich unsere Leidenschaft. Besuche ab, ich nähte allmählich an meinem // Nee aber dochen ! " sagte sie neulich, Der Förster meint , nun bleibt's lange bißchen Aussteuer, wir besahen uns Woh- und klopfte mir dabei ganz leise auf die trocken . Wenn ich den Wald nur erst kenne, nungen. Zweimal in der Woche kam er Finger ; so jung und so scheen, und das dann gehe ich endlos weit hinein. Meilenzum Thee, und ebenso oft bekam ich, wenn bei so eensam ! Wissen Se , det finde ick weit erstreckt er sich nach allen Richtungen er eintrat und Abschied nahm, meinen mir eenfach jrauſam und dumm ick meene von uns aus, und wir wohnen gerade in der Mitte. Wic hat mir heut' aber mein zustehenden Kuß; wir ließen uns einladen nich von Sie, von Ihm ! " und antoasten , wobei regelmäßig meine „Na warum denn das ? " fragte ich Frühstück geschmeckt ! War ein prächtiger Plaz da , drei Viertelstunden von hier, sogenannte Schönheit und seine Gelehrsam lachend . feit erwähnt wurden, und er Ernst Ein eigentümlich verschmitter Zug fuhr am Ilkensee. Ueberall hängen die Waldebenſo regelmäßig mit dem Wunsche ant- über das Gesicht der Alten : bin ooch bäume tief über den stillen Spiegel herab ; wortete, die freundlichen Beziehungen möch mal jung jewesen ! " kicherte sie, // aber ich nur an einer Seite ist ein schmaler, binsenten noch verengert werden und ich würde habe nischt jesagt ! Morjen , Fräulein !" verwachsener Zugang. Da liegt mitten im Schilf ein alter Kahn angefettet, halb sicher das Meinige dazu thun. Ganz und so ging sie nickend ab . regelmäßig tanzte er dann den ersten Walzer Dumm von ihm ? Er kann gar keine voll Wasser ; dicht daneben sette ich mich mit mir und dann führte er mir noch irgend Dummheiten machen. Sokrates war ein auf einen Baumstamm , den der Sturm einen gefeßten Freund zu, mit dem ich auch Waisenknabe gegen Ernst , was Weisheit umgerissen hatte , und fah abwechselnd in noch einmal tanzen durfte : sonst sagen angeht. das stille, sonnige Waldidyll, oder aß mein die Menschen, ich sei eifersüchtig", begrünEine Stunde nachher kam der Brief Butterbrot . Ganz dicht neben mir rieselte dete er gern solch Thun , " und Eifersucht bote. Du liebe Zeit, wie sah der Mann ein jest in guten Vermögensverhältnissen ist eine Schwäche. Über mehr zu tanzen aus ! Ich gab ihm aus Mitleid ein Stück lebender Bach über allerlei Steingeröll ; könnte dir schaden : und ich hasse alles un Kuchen und die Frau Försterin griff nach | da füllte ich meinen Becher. So saß ich ruhige Leben." allein. Ganz still. Eine blauschimmernde der Kümmelflasche. Ich mag es zuweilen ganz gern. Er hatte einen Brief von Ernst ge- Fliege kreiste summend um meinen Hut ; Hier diese Waldstille hat Ernst auch bracht. Ich hatte das saubere Schreiben über den Spiegel des flimmernden Sees zuckten und schwirrten Libellen genug ; für mich ausgesucht. Er hat hier ' mal zum auf den Tisch gelegt. Examen gearbeitet. Und wie gesagt , ich „ Auch ' was Süßes ! " sagte der Mann, gar nicht sehr weit von mir trat ein Rehbin grenzenlos froh darüber. Wenn's nur mit dem Finger drauf zeigend , und strich bock aus dem Unterholz an das Waſſer, erst gut Wetter wird , dann geht's hinaus sich den Schnurrbart. Guten Morgen, äugte erst ein wenig und senkte dann den in die grüne , duftige Einsamkeit , weit, und schönen Dank ! Bringe bald wieder Kopf, um zu trinken , und langsam ging Dummer Mensch! weit, und dann wird das bißchen Stimme einen !" er wieder zurück. Ich stieg auf einen auch wohl wieder klar und rein werden . Da ging er auch, und ich war wieder mächtigen Steinblock , der zwischen zwei Es war recht unangenehm, als sie an jenem allein. Drüben von Försters her erschallte dicken Eichen ins Wasser hineinragte, das Abend plötzlich versagte. Ernst hatte schmetterndes Kindergeschrei , die Mutter klare, unbewegte, dunkle und mit einem natürlich sofort wieder einen verständigen hatte im Vorbeigehen ein bißchen erzogen. Male sah ich mich selbst, wie ich mich da Mein unten spiegelte. Die Leute haben's Trost bei der Hand. "/Sieh ' mal, wie gut- Ich machte den Brief auf. war das doch , daß du deinen ursprüngliches Kind !" - Selbstverständlich. mir ja oft genug gesagt, daß ich gut ausLichen Plan , Sängerin zu werden , auf „ Nächstens Sommerferien - Reise nach sehe nur Ernst nicht ; er sagt, Schöngeben mußtest, weil dir die Mittel fehlten ; der Ostsee , um Eingeweidewürnier der heit sei nur ein Lockmittel der Natur, es was wolltest du sonst jest anfangen ?" Quallen zu studieren" - pfui ! haben die komme auf die innere Schönheit an -; Na, ihn hätte ich am Ende immer noch auch welche ? Letzte Woche Abstecher heute mußte ich mir's selbst gestehen, daß bekommen. Aber er hat recht ; besser ist nach hier - Vorsicht : keinen Abendnebel, ich hübsch bin. Liebe Zeit , wenn man besser ! Und dennoch thäte es mir leid um feine nassen Füße, nicht im feuchten Moos keinen Menschen hat , mit dem man sich meine Stimme. Nicht als wenn ich mich | fißen“ kennen wir alles schon ; im unterhalten kann, dann thut man's ſchließzselber so außerordentlich gerne hörte ; aber nächsten Brief heute über acht Tage um lich mit sich selbst. Da nickte ich ihr denn es liegt doch ein Segen drin , sich alles 11 1hr 27 Minuten wird er mich vor vergnügt zu , die mich aus dem Waffer vom Herzen weg und so manches ins Herz Ameisenhaufen und giftigen Pilzen warnen. her anlachte , gesund , frisch , jung , mit hinein fingen zu können . Draußen im Ach du lieber Himmel, nun möchte langem, losem, dunkelbraunem Haar, das -fie mit einem blauen Band zusammengeWalde in warmer Sommerluft versuche ich ich ein bißchen Sonnenschein haben! es wieder ; und wenn Ernst ins Kolleg Endlich! Malkasten, Papier und Reiß- nommen hatte ; im blauen Kattunkleid, geht , singe ich zu Hause für mich allein. brett lebewohl ; jezt geht's hinaus ! Hohe den Strohhut in der Hand. Und um fie Selbst macht er sich nicht viel daraus, und Stiefel bis halb aufs Bein geschnürt ; fuß- herum schwammen Hunderte von kleinen bei der Arbeit stört es ihn. Die Ranken- freies Kleid, Butterbrot in der Tasche und Fischen. Ich griff in die Tasche , ob ich füßer gedeihen beffer ohne Musikbegleitung . meinen alten Kinderbecher am Riemen um nicht noch ein paar Brotfrumen fände, und * den Hals, so zog ich hinaus. Sonnenlicht | warf sie den flinken Tierchen zu ; gleich-
*
10 zeitig aber faßte ich Ernsts lezten Brief, den ich neulich in Gedanken eingesteckt ; jcht jekt zog ich ihn ebenso heraus. weh, mein Butterbrot hatte daneben gelegen! All die guten Vorsichtsmaßregeln waren mit Fettflecken durchsetzt. Und es war so schönes , festes Papier. „Ich Ich kaufe nur das Beste ! " pflegt Ernst zu sagen, aber ich gehe auch gut um damit ! " - Das habe ich nun eigentlich nicht gethan , und im Grunde schämte ich mich, wozu ich großes, sehr ausgewachsenes , verlobtes Mädchen mich habe hinreißen lassen , berauscht von Waldesluft , Einsamkeit und Nebermut. Mitnehmen und aufheben konnte ich diesen Brief ja doch nicht es ist eigentlich überhaupt Unsinn ; wiederlesen thut man sie nie aber er würde mich doch strafend anſehen , wenn er wüßte , daß ich wie in meinen Schultagen einen Pfeil" daraus faltete und ihn mit fräftigem Armwurf weit über den See hinwarf, mich freuend an seiner Flugbahn und an dem zierlichen Bogen , mit dem er aufs Wasser nieder fanf, um da regungslos liegen zu bleiben. Nachher that's mir leid , aber ich konnte ihn nicht wieder bekommen. Dann ging ich nach Hause und schlief am Nachmittag zwei Stunden. Dabei so viel frische Milch, wie ich mag , derbes , gutes Essen und Nichtsthun mager bin ich so wie so nicht ; was will daraus werden ! *
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nicht ! " hatte mir der Förster nachgerufen , | wort nun rauschte es vernehmlich in als ich um sieben Uhr in den Garten trat. den Büschen ; ich hielt beinahe den Atem Kaum ! " gab ich ihm zurück. Famoses an vor Erwartung und jetzt nun Mädel ! " hörte ich noch. Ja, ganz passabel ein Strohhut, nun ein blondbärtiger und hübsch !" antwortete aus der Bohnenlaube blondhaariger Kopf, nun ein graues Sommerkostüm , und jetzt mußte ich hell und die dicke Stimme feiner Gattin. Man hört's doch gern , so lange man herzlich auflachen bis über die Kniee jung ist. Und ich bin ja erst zwanzig . aufgestreifte Beinkleider , und auch über So ging ich in sorglosem Selbstvergessen diese Grenzehinaus noch das ganze Piedestal durch den Wald. Je länger ich dahin des Mannes mit schwarzbraunen Moorwanderte unter den Buchen , desto leichter schlamm bedeckt. In der einen Hand hielt wurde mir das Gehen. Ein unnennbares er ein Paar Stiefel, die auch Spuren seines Gefühl von Gesundheit und Kraft war Erdenwallens trugen, in der anderen ein über mich gekommen in den Tagen meines Skizzenbuch. So stand er plöglich vor Hierscins. Meinen kleinen Kompaß hatte mir, erhitzt, schnell atmend, schweißtricfend ich in der Tasche was konnte mir also und sehr kräftig und stattlich , eine angeschehen ! „ Gehst heute mal den Wald zu genehme Erscheinung. Einen Augenblick Ende," nahm ich mir vor. Und ich führte sah er mich aus tief verwunderten Lichtern cs aus. Nach mancher Stunde stand ich an. Es lag aber auch wirklich etwas Leuchtenoben auf dem Rand der Höhe und ich des in diesen schönen , großen , ehrlichen, sah hinunter in ein liebliches , menschen blauen Augen. Dann ließ er die Stiefel bewohntes Thal. Da lag ein Stein an fallen und nahm den Hut ab , tief ſich verder Waldkante, auf den seßte ich mich und neigend . beschaute mir das schöne Land , wie's da Genehmigen Sie , holde Fee dieses im Sonnenschein sich weithin dehnte, strom Reviers , den Dank eines mit Delfarben durchzogen und ich weiß nicht weshalb : malenden Sterblichen, den Sie durch Ihren aber es kam mit einem Male etwas wie eine Gesang aus tiefem Sumpf gerettet. Im unwiderstehliche Wehmut , eine Art von übrigen heiße ich Herbert Müller und bin, Heimweh über mich , nach einem Lande, wie gesagt, Landschaftsmaler. " das ich nicht kannte , nach einem Glück, // Und ich heiße Erna Allner," gab ich von dem ich keine Ahnung hatte. Warum lachend zurück. Haben Sie sich verirrt ?" brannten mir denn plößlich zwei Thränen. „Ich bin erst seit drei Tagen hier," in den Augen? Kühlend strich ein linder antwortete er , "/ und kann also unmöglich Wind herauf aus dem Thal. Hochatmend schon jedes Sumpfloch und jeden ErlenEs ist doch keine Leierkastenmusik so lehnte ich mich gegen den Stamm , unter bruch hier kennen. Heut' in der Frühe schlecht , daß man nicht darnach tanzen, dem mein Stein lag; zitternd spielte goldiges brach ich auf aus meinem Duartier und und kein Fleck auf Erden so einſam, daß Sonnenlicht auf dem Moose mir zu Füßen, wanderte durch den Wald, um Studien zu man nicht Abenteuer erleben könnte. auf meinem Schoß, auf meinen Händen. zeichnen und achtete dabei in all der HerrDer Förster hatte recht . Das Wetter hielt o hätte ich Flügel gehabt, hätte ich Flügel ! lichkeit des Weges blizwenig ; und als ich sich. Die sommerliche Hize stieg von Tag Aber statt zu fliegen , schlief ich ein. nach gutem Mittagsschlaf umkehren wollte, zu Tag, und Ernsts Warnung von feuchtem Und ich schlief lange. Als ich erwachte, da hatte ich keine Ahnung mehr , wohin, Moos wurde gegenstandlos. Es wurde lag schon das Thal halb im Schatten des und geriet schließlich in jenen quadratso trocken unter den Bäumen , daß man Bergwaldes . Erschreckt sprang ich auf. meilengroßen Sumpf , in dem mir schon ruhig hätte Matraßen mit dem Moos Ich hatte einen langen , langen Weg vor ganz schlecht geworden war , als ich entstopfen können. Da blühte denn mein mir und es durfte nicht ganz dunkel werden , zückt Sie vor mir prächtig singend beWeizen : hinaus ! Und ich fang wieder um ehe ich nach Hause kam. Noch einen Blick haupten hörte, das Wandern wäre meine die Wette mit allen Vöglein des Waldes . auf das Thal und hinein in die Schatten Lust, gerade als ich bis über die Kniee einEinmal begegnete mir auf meinen Streif- des Forstes. Da verging mir denn all- gesunken war, wie Sie hier an mir sehen. zügen - das erste Mal , daß mir ein mählich wieder der Weltschmerz und ich fang Verzeihen Sie dies Kostüm , aber es ist Mensch in den Weg kam hier mein laut in den grünen Dom Gottes hinein. durchaus nicht meine Wahl ! " Wieder fuhr Förster , und sogar er wurde galant. „ Das Wandern ist des Müllers Lust, das ein heller Blitz von Jugendlust aus seinen Schade , daß Sie im Winter nicht hier Wandern !" ich hatte eben geschlossen und Augen , die er nicht von mir verwandte. Fünf Minuten von hier weiß ich einen find, Fräulein," sagte er behaglich lachend, freute mich über den Wiederhall zwischen wenn die Staarmähe und all' das kleine den Stämmen : da horchte mein Öhr un- Bach, mein Herr Müller ; der brachte mich singende Gesindel weg sind . Sie mit willkürlich auf einen anderen Ton , der gerade auf jenes Lied, da können Sie sich Ihrer lustigen Stimme höre ich doch noch | jenen ablöste. Das klang ja gerade wie waschen. " Auch das wissen Sie ? Sie retten mir lieber !" ein mit voller Macht der Lungen in den Um meine Taschen zu schonen , hatte Wald hineingerufenes „ Hallo !" Und jetzt zweimal das Leben. Wo fließt er ? " „Kommen Sie mit !" ich mir einen richtigen Soldatenbrotbeutel wieder ; ziemlich fern, in rascher Folge sich in einer meiner einsamen Stunden gebaut ; wiederholend, immer auf demselben Fleck. Ich hatte mit einem Male einen Wanderden versah ich mit Proviant , und nun Aber es war ein Rufen einer nicht ungefährten ; zwar einen schmußigen, aber doch fonnte ich's wagen, in die Weite zu angenehmen Stimme , kein rohes , rauhes cinen, der mir ausnehmend gefiel. zigeunern ; eine harmlose Feldflasche trug Brüllen ; wieder und wieder : Da ist Da hörten wir die Duelle rauschen . ich auch am Bandelier , und wie ich so einer in Not !" durchfuhr mich der Ge: „ Da ist ber Bach ! Nun gehen Sie nur . durch den Wald zog Angst habe ich danke , und ohne lange nachzudenken , bog gerade aus ! “ Sie Wie bestürzt blieb er stehen. nie gehabt - da zog es mir durch den Sinn ich vom Wege ab und ging dem Ton nach mit wunderlich lautendem Zauberton : durch das lichte Unterholz. Jeht kam ich wollen doch nicht gehen ?" rief er. //Bitte, der Sache offenbar schon näher und zum bitte, warten Sie hier zehn Minuten, dann „Es redet trunken die Ferne Wie von großem, fünftigem Glück !" Zeichen nahender Hilfe sang ich aus voller fomme ich wieder. Wohin wollen Sic ? Zunächst handelte es sich allerdings Kraft ein Halli ! " hinüber , daß es weit Vielleicht können wir noch ein Stündchen nur um einen großen , unseligen Sumpf. umher und jedenfalls auch zu ihm hinüber zusammengehen. " Mir war der Vorschlag im Grunde „ Na, Fräuleinchen, verirren Sie sich man schallen mußte. Ganz nah' kam die Ant-
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gerade recht. Ich nannte ihm den Krug | raden im Walde treffen, ohne daß Sie denken, ich wollte Ihnen den Hof machen. Habe nahe der Försterei. Suche ich nicht recht ?" // Kenne ich ," rief er luftig. Das ist auch wahr ," gab ich schnell immer zuerst die Krüge auf der Generalstabskarte auf , weil sie mir immer von zur Antwort. Wert sind. Dieser aber besonders , denn // Sind Sie ganz allein?" Ganz allein, zum Kurgebrauch!" -ich wohne da ! Also gute Freunde, getreue Nachbarn und Wir waren aufgestanden und gingen Nun machen Sie, daß Sie sich waschen , ruhig weiter. so lange Sie so aussehen , kann ich Sie Er erzählte so hübsch und lebhaft, alle höchstens unter desgleichen unterbringen ! " seine Gestalten hatten Leben und sein Herz Er stürzte sich stumm ins Dickicht. Ich hatte Blut und sein Gehirn hatte Gedanken. sezte mich auf einen Baumstumpf. Dabei Und es freute mich, daß er so gern zu mir fiel mir mein Brotbeutel ein und daß ich sprach. Dafür hat unsereins doch ein sehr eigentlich noch nichts gegessen. Ich spürte feines Gefühl. Plöhlich blieb er an gewaltigen Hunger. Vielleicht hat er auch einem Kreuzwege bei einer ungeheuren Eiche Appetit ! durchfuhr mich ein kluger Ge- stehen und sah sich um. Aha," sagte er, //nun weiß ich wieder danke. Ich kniete nieder vor meinem Sit und begann meine bescheidenen Herrlich Bescheid von hier aus. Wollten Sie links feiten auszubreiten. Es sah ganz appe- abgehen? " Ich bejahte. titlich aus , wie ich schließlich das Ganze „ Großer Umweg . Hier rechts ist's viel mit Eichenblättern geschmückt und ein ungeheures Klettenblatt als Tischtuch ver näher, aber etwas mühsamer freilich. Können wendet hatte. In die Mitte stellte ich die Sie noch eine halbe Stunde lang auf rauhem Pfad klimmen ?“ Flasche. Da hörte ich ihn kommen. Wenn auch „Ja gewiß ! " „Dann folgen Sie mir ! " gerade nicht salonfähig, so sah er jetzt doch Ich that es gern. Ich mußte Vertrauen wenigstens anständig und umgangsfähig aus mit Schuhen und Strümpfen. Auch haben zu diesen Fremden. Es war alles das hübsche, lockige Haar schien er sich ge echte, frische Natur an ihm, und man konnte doch einmal wieder lachen. Und ich lache fämmt zu haben. Mit einem lauten "/ Ei ! ", dem ein lang: so schrecklich gern. gedehnter, leiser Pfiff folgte, blieb er stehen. Woher kennen Sie denn die Wege „Hören Sie , gnädigste Waldfee und hier herum schon so genau?" fragte ich ihn. „Ich kenne nur diesen, den ich Sie führen Menschenkennerin, heißt das nun, daß Sie mich einladen ? " fragte er , und sah bald werde , und zwar , weil ich auf ihm von auf mich und bald auf das Vesperbrot. der Bahnstation nach meinem Quartier mar: schierte. Es ist auf ihm fast anderthalb // Gewiß ! Wollen Sie zugreifen? " Der berühmte Uhlandsche Apfelbaum Stunden näher , als auf dem Fahrwege. ist nichts gegen Sie ! Sie retten mir zum Und großartig schön ist er dazu . Aber drittenmal das Leben ! Denn ich bin rasend sehen Sie ' mal , da muß man hinauf. " Vor uns stieg es jäh an. Ein vielgewunhungrig ! " Da hockten wir dennfelbander im grünen dener, schmaler, ausgetretener Steig führte Waldgras und oben saß ein Eichhörnchen die Höhe hinauf , in dichtem Busch ver: und machte uns Männchen zu. schwindend. Von fern tönte es herüber Wir sagten beide nicht viel. Aber ich wie das Rauschen eines Wasserfalls. „ Können Sie's auch?" fragte er besorgt. merkte wohl, daß er mich fortwährend anJa , gehen wir ! " fah. Jest griff er nach der Feldflasche. Ich hatte mir nach dem Gewaltmarsch „Waldfee , im Vertrauen , was haben Sie da drin? Buchenblütenextrakt oder am Morgen doch zu viel zugemutet. Es ging nur sehr langsam . Ich sette mich Fichtengeist ? " „ Zitronenwaſſer ! “ auf einen Stein am Wege , um Atem zu „Hm , ein bißchen dünn ! Ich bin mehr schöpfen. Er stand vor mir und sah mich mit einem prächtigen Blick an. Ich mußte für Kognak. " Er holte ein Fläschchen aus der Tasche. wieder zu ihm aufschauen. „ Darf ich Ihnen nicht einige Tropfen zu „ Wie lange bleiben Sie hier?" irat feben ?" fragte er , es ist gut für die mir die Frage über die Lippen. Stimme." Bis meine Mappe voll ist. Und Sie?" " Noch beinahe vier Wochen ! " „ Aber nur ganz wenig ! " Ich hielt ihm " Sind wir nicht zwei rechte Kindsköpfe, meine Flasche hin mit der Linken , rechts hielt ich mein Brot. Er goß mir vor- daß wir uns in einer Stunde schon so gut fichtig ein. Dabei sah er auf meine Hand . kennen gelernt haben ? " Sie sind aber höflich ! " lachte ich. Sie tragen einen Ring ?" "Ja , ich bin verlobt !" - Erst schien Er nickte ein ganz klein wenig mit dem ihm die Antwort nicht recht zu sein, aber Kopfe, als ob er nachdächte. „ Eine Bitte, gleich darauf flog es wie Sonnenschein Gnädige ! " über sein plöglich bedenklich gewordenes " Nennen Sie mich doch bloß nicht so ! Gesicht hin. Das ist schön!" Das habe ich zum ewigen Ueberdruß oft „ Das kann Ihnen doch ganz gleich genug gehört!" sein, Herr Müller !" "/ Gut! Eine Bitte !" " Welche?" „Nein, denn nun darf ich Sie wiederErst ja sagen ! " sehen, und wir können uns als gute Kame-
15 Ich sah ihm in das blühende, ehrliche Gesicht , und in die klaren Augen ; ich weiß nicht, ob's lang oder kurz war. Um seine Lippen spielte Sonnenschein des Herzens . "Ja !" „ Danke ! " sagte er einfach. „Ich darf Sie also führen , während wir hier steigen. Lehnen Sie sich fest an meinen Arm !“ So gingen wir weiter. Er hielt mich, half mir , stüßte mich , wie wir bergauf stiegen. Bei Ernst war ich immer wie ein Pferd gegangen , das loſe am Zügel gehalten wird . „Hier Vorsicht !" bat er. Vor und unter uns gähnte eine recht tiefe Schlucht, aus der herauf jenes Brausen fallender Gewässer tönte. Ucber die breite, dunkle Spalte war als Brücke ein dicker Baumstamm gefällt , der auf einer Seite ein rohes Geländer trug , das nicht sehr zuverlässig aussah und sich auch nicht so anfühlte. "Ich gehe voran ! Reichen Sie mir die rechte Hand und halten Sie sich mit der linken !" Meine Hand lag in seiner. Fest schlossen seine Finger sich um die meinen. Wir waren hinüber. Er hielt meine Hand noch und legte sie langsam in seinen Ärm . Durfte er das? Ich mußte tief Ateni holen. Ja ; ich war ja verlobt , gefeit ; er wußte das und es that so gut, so zuverlässige Führung. Endlich waren wir oben. Unter ung Ueber uns rauschten die Baumkronen. 30g ein Weih seine stillen Kreiſe . Die Sonne neigte sich zur Rüste. Ticf unten schlängelte sich der Pfad, auf dem wir heraufgestiegen. In der Mitte war deutlich die Kluft mit der Brücke erkennbar. Sieht's nicht aus , wie ein offenes Grab ?" fragte ich. Mir kam der Gedanke so ganz unwillkürlich. „Ih , wer wird daran jetzt denken ! " gab er munter zurück. Solch frischblühendes Leben wie Ihres an meiner Seite, habe ich anderes zu thun, als derartige Aehnlichkeiten aufzusuchen. Geben Sie
echt auf den Abstieg ; sehen Sie mich Der Pfad ganz als Alpenstock an ! " wurde schlüpfrig. Bergan bringt nie Gefahr : nur bergab. Ich möchte hier nicht im Dunkeln oder bei ungewissem Licht gehen , oder auch nur in Eile und Aufregung. So ! legen Sie Ihren Arm auf incine Schulter. Nun ein kleiner Sprung ich bin schon drüben reichen Sie mir beide Händchennun eins , zwei, drei ! Sehen Sie , zu zweit kann man alles ! " So half, tröstete , ermunterte er : so gut , so treu , so zart und doch so manneskräftig. Allein wäre ich wirklich nicht hinuntergekommen . „Kennen Sie schon den Flkenſee ? “ fragte ich ihn, als wir wieder im Waldthal gingen und ich meinen Arm aus . seinem gezogen hatte. Er hatte eben den Mangel an Waffer beklagt, der ihm bisBrillante Baumher hier aufgefallen. studien ; aber keine rechten Stimmungsbilder".
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Ich beschrieb ihm den See , mit dem Manne begründen ? Machte das die Sache Schilf und dem Stein. Er hielt an im nicht schlinimer , statt besser ? So ging's Gehen. „ Mein liebes Fräulein, gewähren also nicht. Und war's nicht sehr unrecht, Sie mir noch eine Bitte ! " ihm ein gegebenes Versprechen so ohne Ich wußte, welche er auf dem Herzen weiteres zu brechen ? Ich sah es ihm ge nein, es hatte und fah ihn zweifelnd an. Sollte stern an , wie er sich freute ich? Eine undeutliche Stimme in mir ging nicht ! Ich mußte doch hin ; aber für sagte : „ nein ! " die Zukunft wollte ich mich nicht wieder Sehen Sie," fuhr er im Weitergehen so unvorsichtig binden. fort, ohne meine Antwort abzuwarten ; Also ich ging. Die Welt war so sonnig ich bin Künstler, ein Mann von leichtem und wonnig wie je , oder wie nie. Als Sinn , der den Augenblick festhält , wenn ich beim See ankam, sah ich keine Spur er zu ihm sagen muß : du bist so schön. von meinem Maler, so weit ich die Blicke Seien Sie mir darum nicht böse , wenn schweifen ließ. Ich kletterte hinauf auf ich Sie bitte : zeigen Sie mir morgen den den Stein, wie neulich, und blickte hinaus See ! Es ist für uns Maler ja eine Haupt- über die Wasserfläche , nirgends entdeckte bedingung unseres Schaffens , unter welcher ich etwas von ihm. Das verdroß mich. Beleuchtung wir eine Gegend schauen . " Ich mag bei einem Manne vor allen Dingen , Er sah mich so bittend an. Und ich daß er zuverlässig bei seinem Wort steht. sah mich selbst allein, auf meine eigenen Das mußte man Ernst lassen : wenn er Gedanken angewiesen , durch den Wald | jemand versprach , am 31. Januar um streifen , eine deutliche Stimme in mir 2 Uhr 23 Minuten in Kalkutta zu sein, sagte : „ Ja ! " Und mein Mund that es dann konnte man an Ort und Stelle die Normaluhr nach seinem Eintreffen stellen. auch. So trennten wir uns . Er drückte Plöglich rieselte ein Regen von Waldmir die Hand , daß es schmerzte. Dann und Feldblumen auf mich herab, an meinem sah ich ihn eifrigen Schrittes, frisch, kräftig Kleide hernieder. Jäh erstaunt blickte ich den Waldpfad hinuntergehen. Er wandte hinauf, da lachte mich aus den Zweigen sich noch einmal und schwenkte den Hut. der Eiche Müllers freundliches Gesicht Morgen also am See ! glückselig an. „Guten Morgen ," rief er und eins, zwei, drei, ließ er herunter * * sich zur Erde von Ast zu Ast , bis er Das war ein wundervoller Vormittag ! schnellkräftig vor mir auf dem Stein stand, Liebliche Wie freue ich mich , daß ich den Mann und mir beide Hände reichte. hier getroffen habe. Wenn ich mir so Waldsee ! " rief er, so grüßt man deines denke, es hätte sich ein altes , verschrumpfeltes gleichen und schüttet duftige Blumenspende Pensionsfräulein statt dessen im Krug ein | vor eure Füße und auf euer Haupt ! quartiert, dann wären wir in ungeheurer Reizend , daß Sie Wort gehalten haben ; beiderseitiger Langerweile nebeneinander ich hatte schon Furcht, es möchte Sie gehergegangen, und im Grunde hätte immer reut haben ! Und nun lassen Sie uns um eine die andere auf den Blocksberg gewünscht ; den See wandern ! Rauchen darf ich, nicht man langweilt sich immer noch besser allein, wahr ? ” Er erzählte mir von sich, seiner Arbeit als wenn man sich zu zweit anödet . Aber dieser Müller ist wirklich prächtig . Es und seiner Freude , seinem Hoffen und kommt mir oft so vor, als wenn wir uns Können : bescheiden, liebenswürdig, lustig, riefig gleich wären in unserem Denken und tüchtig ; zuweilen klang ein bißchen Leicht Mögen. Warum ist Ernst nicht so wie sinn durch. Aber das kleidete den frischen, er ? Müller ist doch auch ein Mensch wie jungen Gesellen gut. Ich hatte nichts zu unſereins, und steht nicht auf einem zwei erzählen. Eine Gesellschafterin ! Geboren, Ellen hohen Sockel über allen Schwächen erzogen, ausgebildet und in dünne, blanke, der Welt. Er macht gar keinen Hehl feste Ketten gelegt ; ich außerdem ver da mach' mal einer einen Roman daraus, daß Homo sum auf deutsch heißt : lobt Ich kann auch eine Dummheit begehen. " draus ! -Wir standen wieder am Stein. Wie ich heute morgen aufwachte, da Dies ist doch der schönste Plat ! " that mir meine Zusage von gestern doch leid. Was denkt er von dir ? Was würde entschied er , und ich werde gleich die Ernst dazu sagen ? Was die Frau Nat ? Skizze machen. Sehen Sie, da von dem es war meiner von Was die Welt, die dich nächstens aufnehmen Baumstammt aus foll ? zog es mir durch den Kopf, und mit neulich ; - da werde ich mich hinsehen, einem Male überlief es mich siedeheiß : und Sie, Waldsee, werden sich hier wieder Eine Braut ein Stelldichein mit einem auf dem Felsen niederlassen. Daß Sie ganz fremden jungen Manne im tiefen, mit auf das Bild müſſen, ist ja gar keine einsamen Walde ! Ich sprang mit Frage ! " Das war ein allerliebster Gedanke und beiden Füßen aus dem Bett, es war schon recht hübsch spät, lief wie ich war an mein mir gänzlich unerwartet. Schreibtischchen, und schrieb ihm ein Billet, "I Sie sollen nur 'mal sehen, was für in dem ich ihm vorlog, ich fühle mich zu ein wunderhübsches Bild das wird," sagte müde u. s. w. Schnell zugemacht und er. Hier das stille Wasser mit dem grü Adresse darauf - aber wie sollte ich den nen Schilf und dem alten Kahn. Da Zettel hinbekommen nach dem Krug ? Ella neben der rauhe, kantige Granitblock, aus fonnte ja laufen aber wie sollte ich üppigem Farrenkraut sich hebend ; Sie meinen Schriftwechsel mit dem fremden unter den überhängenden Eichenzweigen
18 auf seiner Spize ſizend, Blumen zu Füßen und lose , einzelne Blumen im dunklen, wallenden Haar , rundum der Wald , der sonnendurchleuchtete ; goldige Lichter auf dem See spielend , goldiges Licht auf Ihrem und ich selbst Licht im Auge Angesicht und Licht in der Seele das muß ein Bild geben, wie ich's noch nie gemalt !" In heller Künstlerbegeisterung strahlte sein Blick, wie gut sah er aus. Ja, dies mußte ein Bild werden ! „Bitte, nehmen Sie Ihren Plak oben ein ! Darf ich Ihnen helfen ?" Er stand oben und reichte mir wie gestern die Hände zur Hilfe. So , nun sehen Sie sich hin ! " Er drehte mit leichter Hand meinen Kopf, drückte sanft meine Schulter nieder , legte • behutsam meinen Arm zurecht , glättete die Falten meines Kleides : "1 So , nun legen Sie die Hand so schirmend über die Augen, und blicken Sie über das Wasser hin, dort, nach der dunklen Tanne ; aber erst lösen Sie Ihr schönes Haar!" Ich mag ihn verwundert und erschreckt
angeschaut haben. Es ist der Künstler, der Sie bittet," "} kein sprach er "/ mit weicher Stimme ; anderer. Mein Herz pochte ; ich hätte weglaufen mögen wieder wurde mir mit einem Mal himmelängst wenn Ernst das wüßte. „Waldfee , crhören Sie mich , " flehte er, es kostet Sie so wenig, mich glücklich zu machen, Sie Ueberreiche !" Er sah mir mit heißen Augen ins Gesicht : was hatte er nur in seinen Augen , was mich nach seinem Willen zwang ? Zweimal hob ich die Hand, zweimal ließ ich sie sinken ; das dritte Mal hielt er sie fest und hob sie, bis meine Finger die Nadel faßten und mit hastigem Ruck herausrissen ; um mein glühend Gesicht wallte mein langes, dickes Haar und rollte mir über den Rücken bis . auf den Fels, auf dem ich saß. Ich mußte das Gesicht senken ; tieffeine Finger ordneten zart die einzelnen Strähne ; es war ja seine Künstlerhand ; einer anderen hätte ich's nimmer gestattet, gewiß nicht. So, nun die paar zarten , blauen Blüten hinein, ganz lose, wie sie im Falle haften, von leichter Hand geworfen, nun schauen Sie auf, wie ich Sie bat , und hinüber. " Er sprang den Felsen hinab und fah von unten herauf. // Wie schön !" hörte ich ihn flüsterner meinte wohl das ganze Bild. Und dann zeichnete er . Und ich saß oben, und mein Herz klopfte, und die Welt war so still um mich her , so feierlich , so eng , so wunderschön. Wie schweifte mein Auge in Freuden über den See. Ueberall Sonnenschein, Licht — und im Gegensatz dazu, scharf begrenzt, dunkler Schatten. Und dort, im Schatten , zwei lichte Punkte : das mußten die ersten Wasserrosen sein ; ja, ich erkannte deutlich die großen, runden Blätter, die auf dem blanken See hier und dort schwammen endlich einmal eine ; habe mich vergebens danach gesehnt , eine von nah zu sehen und zu besigen. „ So , schönste Waldfee, " hörte ich seine
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Stimme, nun erlöse ich Sie ; hier sind | lichen, sonnigen Leben auffeßen, sonst wird's | zu Hause gehalten. Wie gräßlich langSie für alle Geschlechter und Zeiten ver- Stückwerk!" weilig war's gestern . Ich ging um halb ewigt , so lange der Name Müller lebt ; „ Ja, ich komme wieder« - übermorgen ! " neun zu Bett , und war heute wach , als nun kommen Sie herab ; das andere gebe „ Ihre Hand darauf!' kaum der Tag graute. Ein Bildchen von „Hier ist sie!" ich heute in Umrissen ungefähr an. " Ernst hängt an der Wand . Ich suchte Ich stand neben ihm. Ja , das war Er hielt sie und sah sie an , und hob meine Gedanken darauf zu sammeln. „ Wenn er heut' fäme und holte dich, wär's nicht ich! Und stolz hob sich mein Herz sein seine Augen zu meinem Gesicht. Und eine Auge konnte fich drüber freuen, das sah ich. „Ich kenne einen glücklichen Mann ! " ein Glück?" fragte ich mich. Stimme in mir rief schnell die Antwort : Wie soll ich Ihnen für soviel Güte sagte er tiefernst, langsam. danken ?" fragte er aufsehend. Da fuhr „ Ich glaube , Sie irren sich! " ant: „ Du würdest dich aus dem Postwagen mir ein Gedanke durch den Kopf. wortete ich; und mir war , als ob mein lehnen und bitterlich weinen." Und ich „ Wollen Sie mir einen Gefallen thun ?" Herz mir weh thue. grub das Gesicht in die Kiſſen und weinté fragte ich. Er sagte kein Wort und half mir wirklich über mich ! über mein Herz. !! Bleib ' zu Hause ! " sagte ich mir. „Ich springe für Sie ohne Entree hinunter. Dann nahm er sein Skizzendurch brennende Reifen , oder trete auf buch und blickte still hinein, ehe er's zu Wieder solch ein Tag wie gestern? " „ Das Ihren Befehl als Violoncellvirtuose auf, klappte. Wir gingen heim, aber sprachen fragte jene Stimme ; „ geh ' hin ! " darfst du nicht ! " rief die andere du ohne eine Ahnung von dem Instrument nicht viel . Aber // Sie haben sich naß gemacht ," sagte trägst cinen Ring am Finger!" zu haben. " Dann holen Sie mir die Wasser- ich, um die Stille zu unterbrechen ; sehen du willst den Maler ja auch nicht heiraten ; würdest dich ja doch wie eine Löwin wehren, rose, die dort drüben blüht ich glaube, Sie hier, auf der Brust - " es sind zwei! Wollen Sie ?" Er deckte die Hand drüber. // Das wenn er dich umfassen wollte! " sprach die „ Gottlob , daß ich doch etwas für Sie schadet nichts ! " antwortete er schnell , und erste. — ,, Glaub ' das nicht! " warnte jene; thun darf! " rief er fröhlich begeistert, lief zu fügte hinzu: Die zweite Blume, die Sie du würdest kraftlos , zitternd vor Glück „Nein, nur ein dem Kahn hinunter und fing an, ihn wohl sahen, war übrigens keine ; nur ein Blatt. " dich an ihn schmiegen . kurzes , harmloses Glück des Verständniſſes Am Kreuzweg schieden wir. gemut mit einem alten Blechnapf auszu und dann der Erinnerung suchst du , zur schöpfen, der drin lag. Dann löste er den „ Auf Wiedersehen, Waldfee!" " Auf Wiedersehen ! " Stärkung für ein freud und liebloses Strick , der das morsche Fahrzeug hielt, Leben. " Such' dein Glück in der Pflicht* und stieß ab. * erfüllung ! " „ Ja wohl , trink' RegenZeigen Sie mir vom Felsen , wohin undˇˇich Ich mag heute nicht durch den Wald wasser statt Schaumwein!" ich steuern soll !" rief er mir zu. Ich stand oben und gab ihm die Richtung mit aus gehen. Ich bleibe still zu Hause. Will sprang auf - Luft, frische, freie Luft!" und ging. gestrecktem Finger. Da hub er plöglich, mich in die Laube sehen und die Wasser- und rang die Hände Freundlich trat er mir entgegen. Ich wie der Kahn langsam vor dem Ruder rose malen, ehe sie welkt. Es dauert nicht schlag dahinglitt, mit gar wohltönender lange mit der Herrlichkeit einer Blume. war furz gegen ihn . Er stellte seine kleine Stimme zu singen an : An Ernst muß ich auch schreiben. Was Staffelei auf. Es ging sehr still zwischen soll ich schreiben? Er macht sich nichts uns zu . Der helle Sonnenschein, der auf Wie gerne dir zu Füßen Sing' ich mein tiefstes Lied . aus Blumen und Waldesduft. Sein Herz seinem Gesicht gelegen hatte , wich all Hell klang es hin durch die stille , stille ist ruhig und sein Denken ist kühl. Mein mählich. Ich sah es mit kurzen Blicken . von der Seite , wie es sich verfinsterte Herz ist unruhig und mein Denken Mittagsstunde: Wie schön, wie schön biſt du ! “ ach, ich mag gar nicht denken ! Wozu überm Malen . Mit einem Mal sprang er auf und legte die Palette neben sich auf und meine arme , glückselige junge Scele hilft es ? - Augen zu! Laſſen wir's für heute ! " den Stamm. erwachte zum Leben, erwachte zum Glück. * * * sprach er unwillig; „ es will mir nicht Oder erwachte sie zum Unglück? Ich weiß es nicht. Wie kam ich nur dazu , ihm zu ver- glücken !" Weit vorgebeugt folgte ich mit meinen sprechen, ich würde wiederkommen ? Es ist //Warum nicht ?" Ich weiß nicht, es geht nicht ! " Blicken dem Kahn. Jest trieb er hinein ein rätselhaft Ding um ein Herz . Meines Warum Er fing an einzupacken . in das Blattlabyrinth. Nun holte mein pocht wild und ungestüm es wird Zeit, Freund die Riemen ein und bückte sich daß ich mich losreiße, sonst nun ja, es that mir denn das Herz so weh? „ Dann zum Wasser. Ich sah , wie er zweimal muß heraus - sonst kann ich überhaupt habe ich hier auch nichts zu thun!" sagte die Hand eintauchte einmal tief, und nicht mehr von ihm los, und werde noch ich. Ich stieg herab und stand vor ihm. ein weißer Stern fiel in das Schiffchen ; tausendmal unglücklicher, als ich jetzt schon Traurig sah er mich an , während er die jezt schnell, an der Oberfläche, und ich sah bin. Mir dämmert glühend ein Licht auf, Haken am Malkasten zumachte. „Herr Müller, bitte nicht, was seine Hand hiclt ; sein Rücken daß ich auch eine Seele habe , die zum Was befehlen Sie?" verdeckte seine Bewegungen. Nun richtete heißen Lieben geschaffen ist; mich durchbebt Malen Sie weiter !” er sich auf und griff nach den Rudern, eine fürchterliche , selige Ahnung , daß es „Ich kann nicht . “ den Kahn zu wenden ; schnell trieb er ihn ein wunderbar Ding darum sein muß, Warum denn nicht ?“ auf mich zu. Wie glücklich lachte sein von einem Manne im Arm gehalten zu Wie er mich ansah! O mein thörichtes Mund ! Da hielt er die Wasserrose mir werden ; von einem Manne geküßt zu entgegen. Der prächtige, weiße Kelch mit werden , der seine Leidenschaft auf meine Herz, warum thatest du die Augen nicht zu ? dem dunkelgrünen Becher und den goldi- Lippen , in mein Herz gießt. Erna, "/ Es ist nicht wie sonst zwischen uns. gen Staubfäden das Boot rauschte Erna ! du bist Braut! - Nein; ich bin Sie thun so fremd," sprach er sanft. durch die Binsen ; er sprang heraus und nur versprochen," nur mein Mund hat „Heißt das fremd thun ?" Ich reichte , malen Sie weiter!" stand vor mir: „ Tausend Dank !" rief ich einmal geredet; weiter nichts. - Bewahre, ihm die Hand ihm zu er reichte mir die Blume hin wie komme ich auf solche Gedanken ! Es Wie es aufglomim in seinem Blick. „ Erna , geh' nach Hause!" rief die mit tiefem Blick: sie möchte an Ihrer ist unheimlich, wie's mich gepackt hat ; Brust sterben!" Jch nahm sie; unsere ich muß freikommen. So wie's heute Stimme in mir laut. Fingerspißen trafen sich; er wurde blut- ging, geht's nicht mehr. Und doch habe ,,Steigen Sie wieder auf den Stein," rot ; ich glaube, er hielt sie fest : "/ Kommen ich ihm wieder versprochen, ihm weiter zu bat er leise . Ich wollte nicht , aber ich Sie morgen wieder?" fragte er leise. Ich fißen. Ich kenne mich gar nicht . Wie mußte ihm ins Gesicht sehen, in soll das enden? fah ihm ins Gesicht : „ Nein ! " sonst so lustigen Augen er hielt meine Unwillig ging ich am Morgen hinaus Hand, er führte mich langsam zurück und Gar nicht wieder, Waldsee? Ich muß und doch hätten mich keine zehn Pferde | half_mir hinauf; dabei legte sein Arm fich die Farben nach dem Leben , dem herr-
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ich gingen, gab ich's ihm : „ von Erna ! " sagte Und ich bin sein ! Brief, fahre hin! leicht und leise um meine Taille o du unglaublich seliges riß mich los mit einem Ruck und lachte ich. Da griff er nach Strauß und Hand. Frei , frei Herr, wir sind Glühendrot fuhr es über sein Gesicht. Ich Wort! ihm hell ins Gesicht : * * und zum kann nur die Blumen geben," sagte ich; nicht auf dem Tanzplat Und du selige Zeit , die mir blüht ! Malen gehört das auch nicht ; nur darum die Hand müssen Sie mir schon lassen Also das ist der Zaubergarten des Lebens ! werden Sie morgen fertig ?" habe ich Sie gebeten !" „Ja wohl , total fertig! " antwortete Ich stand bisher vor der hohen Mauer Er lächelte befangen. „ Sie haben recht, “ fagte er ; "/ es gibt furchtbar dumme Men er hastig ; „ Sie kommen dochsicher, Erna?" und hörte kaum seine Bäume rauschen, Ich neigte den Kopf. Wer ist seiner spürte kaum den Duft seiner Blüten. Und schen! " und er malte weiter. Geht's ? " fragte ich ihn, und wandte Sache sicher in dieser Welt ! Ist man es jetzt berauscht er mich. Ich könnte die doch nicht einmal seines Wollens ; aber Arme ausbreiten und all mein Glück hinausihm das Gesicht zu. ja, ich komme ! " jauchzen. So ist einem zu Mut , der zu „ Es geht so ! " Ich drückte ihm die Hand , nickte ihm lebenslänglichem Gefängnis verurteilt war Wollten Sie wirklich aufhören?" „Ja !" zu und schlug mich in den engen , harz und mit einem Male zu einem Fürstentum Schweig stille, erhoben wird. „ Dachten Sie nicht, daß - " ich wollte duftenden Tannengang. Ich höre die Stimme der Frau Rat: // Müller." Der Name schon sagen , „ daß mich das sehr traurig mein Herze ! gefällt mir zwar nicht ; aber . Nein, Konnten Sie das mit Ihrem Gewissen gemacht hätte? nein , die Sache muß ein Ende haben ! vereinigen ?" (Meine Stelle kostet's mich "1Was sollte ich denken ?" ficher; einerlei ; Herbert bringt mich zu „Oh, nichts ! " * seiner Schwester.) O Frau Rat, manche „Fräulein Erna , cs geht gut ! " rief Die Sache hat ein Ende. Da liegt Leute haben ein sehr gutes , blankes Geer lustig nach einer Weile. Der Mittag lag schweigend überm der Brief an Ernst vor mir , geschlossen wissen , nur weil sie nie in die Lage ge= Ganz von ferne hallte das und frei gemacht. Darin steht : Ernst, es kommen sind, es zu gebrauchen . Ich kann Wald. Schlagen der Holzfäller herüber ; im Wasser war ein böser Irrtum ; gib mich frei ! Sie versichern , es gibt für unsereins sprang plätschernd dann und wann ein Ich kann und mag nicht Dein sein. " Daß Stunden , die Sie nicht verstehen . Und ich schon eines andern bin , habe ich ihm was habe ich denn gethan ? Den UnverFischlein auf. Wie er malte! Die Blicke wandernd nicht geschrieben . Wozu ? Was gehe ich stand meines Verstandes gut gemacht, ehe von der Leinewand zu mir , von mir zu ihn jetzt noch an ? Welches Recht hat er, es zu spät war. Zwei Menschen vom der Leinewand . Und jeder Blick sprach nach mir zu fragen ? Gar keins. Nechte Unglück gerettet ; nein , drei ; und alle etwas ich hörte es tief unten im Herzen. gibt nur die Liebe. Und Herbert hat drei glücklich gemacht. Ernst nimmt sich Ich hielt die Hand über die Augen , wie ein Recht auf mich; aus glühender Seele das Leben nicht ! - Ja , wenn das eine ich sollte. Mich blendete der helle Schein, habe ich mich ihm gegeben. War's ein einfache Liebelei wäre ; wenn ich dem fremder Sonnenschein des Lebens , der nicht Treubruch ? - Nein. Nie habe ich Ernst den Manne Rechte auf mich gäbe, und flöge in meine Seele fallen durfte. Konnte ich Treue gelobt. Ich habe ihm nie Treue nachher Ernst um den Hals : gut , daß ihn abhalten? Wird meine Hand nicht gehalten. Kann sie ihm auch nicht brechen. du da bist!" Aber ich habe ihm ehrlich matt werden ? Wird mein Herz nicht Ist der Geschäftsteilhaber treulos, der dem reinen Wein geschenkt. Was soll ich viel erzählen ? Ein Tag flagen, rufen, bitten, stürmen : Nimm sie Kompagnon kündigt ? Der Gläubiger, der wie der andere in Offenbarung immer fort, ich muß Licht haben ; ich thue all sein Geld zurückfordert ? Aber wenn meine Thüren und Fenster auf " er's nun auf Lebenszeit unfündbar aus- neuen Glanzes. Am See treffen wir uns. Ich ließ die Hand sinken. Ich kann geliehen hat ? Wie dann? Ja, aber dann Nie ist Herbert zu mir gekommen. Die nicht mehr; helfen Sie mir hinunter!" Er muß der andere ihm ja Zinsen zahlen, alte Kuchendorthe ; die treue, verschwiegene sie ist im Geheimnis . Sie bringt reichte mir die Hand hoch hinauf: 11 Erna!" pünktlich. Ernst hat nichts gezahlt. Und Botin Ich legte schnell meine Finger auf ich kann nicht leben von seinen Almosen ; mir seine Briefe - hab ich's nicht gesagt ?" seine breiten Schultern und sprang mit ich bin reich geboren , ich will im Ueber- lachte sie listig, als sie das erste Zettelchen leichtem Schwung zur Erde. fluß leben; reich machen , glückselig sein ! aus der Tasche zog; Fräuleinchen, FräuEben brachte sie mir unten Sehen Sie , Erna , was wir heute dahin, dahin : vor mir den Tag, und Icinchen !" in der Küche einen prächtigen Rosenstrauß geleistet!" hinter mir die Nacht! Wie's fam? Herbert hatte seine von ihm. Wie duftet der durch mein Wie konnte er mich nur so nennen ? Es ärgerte mich. Darf ich so sagen? " Mappe mitgebracht. Sie lag auf dem Zimmerdhen ! Ich mußte das Gesicht tief fragte er gleich darauf. Ich nickte mit Baumstamme ; wir knieten davor. Er er hineindrücken . Es ist Poesie, Licht, Duft, dem Kopfe : das Bild war reizend und klärte mir die Bilder und schlug die Blätter Kraft über mein Leben gekommen. um. Unsere Hände lagen aneinander. Er Gestern abend ! Komme an den See nahm mich ganz in Anspruch. Ich danke Ihnen schon jezt für Ihre legte seine Hand über meine. Wie warm um zehn Uhr ! " hatte er mir geschrieben. sie war ! Ich wollte die meine hervor ,Ich warte auf Dich bei den Birken !" Mühe !" sagte ich herzlich und ehrlich. Wir gingen hin durch den mondbe " Sie danken mir ?" fragte er erstaunt. ziehen. Da hakte mein Neif unter seinen schienenen Wald . Ein leises Wort hin Siegelring. Ich male das Bild für mich." ,,Crna ! Sind Sie glücklich ? " tönte seine und her : "Erna , bist du glücklich ?" „ Schenken Sie mir eine Bleistiftskizze liebe Stimme neben mir.' davon ; die erste !" „Ja , unsäglich!" Es war Wahrheit ! „Was Ich glücklich ? Ich konnte kein Wort Ich mußte plöglich hell auflachen. Unter einer Bedingung : wenn ich antworten. Mein Herz stand still vor ist dir?" draufschreiben darf: an Erna!" Ich lehnte mich an ihn: So ! Und was würde mein Verlobter unendlichem Weho mein armes Leben! "/Wenn die Frau Nat mich sähe !" siedendheiß quoll es mir zu den Augen "/Willst du umkehren?" „Nein; ich ge= fagen ?" tief neigte ich mein Gesicht ; zwei bren höre zu dir ! " Er wandte sich um und neigte sich Wir standen auf dem Stein. Der über das Bild. Ja so , daran habe ich nende Thränen fielen auf seine Hand. Ich wollte aufspringen : da umschlangen mich volle Mond warf seinen Schein auf den nicht gedacht ! " Kein Blatt im Walde rührte sich. feine Arme: " Erna , Erna!" und meine See. // Aber ich denke daran. “ ich ließ mich ziehen ; Tief dunkle Schatten , bläuliches Licht, //Wie gut , daß Sie so gut und be: Kraft war zu Ende wie die Sonne hell schien, wie die Amsel das an den weißen, glatten Buchenstämmen sonnen sind!" Auf dem Heimwege erzählte er mir sang - Herbert, Herbert, was thust du?" haftete , auf den Blättern schimmernd von Paris. Ich hatte unterdessen ein Und meine Arme lagen um seinen Hals . lag. Mit lautlosem Flug strich eine FlederSträußlein Glockenblumen und Löwenzahn Und draußen , weit, weit weg lag die maus über das Wasser und dicht an uns vorbei ; eine Waldtaube gurrte im Schlaf; im Gehen gepflückt. Als wir auseinander Welt . Ich war sein !
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CARO 1897
.N. Sicard on V Duell dem Nach
P. G. Heims. 25 langsam zogen weiße, lichtverklärte Wolken in die blaue Höhe dahin und warfen zeit weise einen Schleier über den glitzernden stillen Spiegel unter uns. Herbert hatte den Arm um mich gelegt ; ich hielt meine Hände aufseiner Schulter gefaltet. ,, Singe ! " bat er mich. Ich richtete mich auf: „Auf dem Teich, dem regungslosen, Liegt des Mondes Silberglanz, Flechtend seine bleichen Rosen In des Schilfes grünen Kranz,"
sang ich. Ja, ich war geheilt ! So habe ich noch nie gesungen in meinem Leben. Herbert lehnte an der Eiche und hörte zu. Wie lag sein Blick auf mir ! Wie reich, wie überreich ist das Leben ! Und wie war ich arm! Als ich geendet hatte, trat er zu mir, er faßte mein Gesicht mit beiden Händen , drehte es voll in den Schein des Mondes und sah mich lange an. Er sagte nur : „Erna !" , aber es durchschauerte mich im Glück bis in die tiefsten Tiefen der Seele. „ Frühlingsende und Sommeranfang nennen die Menschen Johannisnacht !" fagte er. " Komm, Erna, wir wollen unser Johannisfeuer hier anzünden ; unser Som mer steht vor der Thür : mit dir, du geliebtes Weib, will ich ernten und arbeiten, und alle Garben und Körner dir in den Schoß schütten. Du sollst meine Seele fein , mein Glück , meine Kraft ! " Weit that er mir die Arme auf; und ich warf mich hinein Wir sammelten dürres Holz unter den Bäumen und brachen trockene Zweige. Hochauf schichteten wir den Stoß, und praſselnd lohte die Flamme auf, knisternd im Reisig und Funken versprühend. Weithin fiel der Schein der feurigen Lohe vom Stein über den See. Hell lag sein Glanz auf uns beiden. Die Flamme leckte bis an das frische Eichenlaub über uns . Herbert schürte den Haufen auseinander. " Wir wollen nichts versengen mit unserer Liebe," sagte er; laß sie leuchten und hellen Schein geben ; zum Segen soll sie fein, und keinem zum Leide." Da sprühte ein Funke knisternd ab und mir ins Gesicht , daß ich mit einem Schrei die Hand über die Augen legte. Und aus dem Dunkel trat schnell eine Gestalt vor meinen geblendeten Blick ſie trug Ernsts Züge. Mit starren Zügen stand er plötzlich da und wieder sprach die Stimme in mir, fragend , drohend : ,,Allen zum Segen , und keinem zum Leide ? " „ Herbert, Herbert ! " rief ich und schlang die Arme um seinen Hals ; verzeih uns ich habe doch Untreue geübt ! Gott Aber ich kann nicht , kann nicht anders . nun habe ich Es hat mich alles gekostet nur dich ! " Als ich in mein Zimmer trat , wehte mir schwüler Rosenduft entgegen. Schräg und schief fielen die Mondstrahlen durchs Fenster. Ein mattes , ruhiges Licht lag über dem Bild von Ernst. Noch hing es da. Jest streckte ich die Hand aus und nahm es herab. „ Auch nicht einmal Freunde werden wir bleiben, denn du bist mir nie Freund gewesen," zog es bitter durch meinen
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| Sinn . Und Bild und Ring liegen neben- | nahm sich selbst einen Stuhl. Ich ſezte einander. Begraben ! mich aufs Sofa . Was für ein merkwürdig aufgeregter * Brief war das ! " sagte er , als wenn er Kein Ton war von Ernst als Antwort von den Saugwerkzeugen seiner Quallengekommen. Was sollte das werden ? Aber würmer spräche ; ich verstehe dich nicht, ich hatte die Brücken hinter mir abge- und deswegen habe ich meine Arbeit unter brochen. brochen, um mit dir persönlich zu verb Es regnete gestern nachmittag , nach- deln. Unter Eheleuten muß alles klar dem es am Vormittag klar gewesen war, sein ! " wieder wie in den ersten Tagen meines Jeht wachten Empörung und böser Wieder trieb der Troß in mir auf. In die Arme dieses Hierſeins . Endlos . fauchende Sturm unerschöpfliche , graue Mannes, der Fischblut in den Adern hatte, Wolken über den Himmel, und prasselnde zurückkehren nie! Und ich konnte es Güsse gegen die leckenden, triefenden Fenster- ja auch nicht , ob ich jetzt gewollt hätte. scheiben . Ich saß am Fenster und starrte Mit uns war's aus für immer. gedankenverloren hinaus. Ja , gedanken„ Ernst , ich will nicht deine Frau verloren , alle , die ich hatte , waren bei werden ! " sagte ich so ruhig wie möglich; ihm ; keiner gehörte mehr mir. Da kam ,war das nicht klar genug in meinem Brief die alte Dorthe durch den Regen daher gesagt ? " Liebes Kind, das kann ja unmöglich und trat ins Haus ein. Ich öffnete die dein Ernst sein. " Thür. Sie schüttelte den Kopf. Nichts ! " Es ist mir schwerer Ernst darum. “ sagte sie leise. Habe ihn gar nicht ge= So , weshalb denn ?" fragte er mit sehen. Sagten im Krug, es wäre vorhin einer Art von Verwunderung. ein Mann angekommen, den der Guß unterIch sprang auf. Diese gräßliche Ruhe "/ Nun denn, wegs überrascht , und der wie ' ne nasse brachte mich unsäglich auf. Kaße ausgesehen hätte. Den hätte der Ernst , weil ich es nicht kann ; weil wir Herr Müller jezt bei sich auf der Stube, zusammenpassen wie Feuer und Wasser ; um ihm von seinem Zeug zu leihen. Er weil ich dich nicht mag ; weil ich dich nie ist ja immer gut!" gemocht habe , und weil wir nicht beide Mich durchzuckte eine Ahnung : „ Ernst zeitlebens unglücklich werden wollen. Ich würde bei dir sterben . " ist da !" Mit einem Ausdruck grenzenlosen Er„ Soll's heute nig sein?" unterbrach die brave Alte meine sich überſtürzenden staunens legte er die feinen, weißen, langen Gedanken. Sezierfinger zusammen. // Sag' mir, Kind , hast du hier schlechte Ja , gib her - schnell ! " Sie ging mit listigem Blinzeln . „ Wird Romane gelesen und dir die Gedanken auch wieder gut Wetter , Fräuleinchen !" dadurch verwirren lassen ? Oder schreibst Ich fühlte es, als ich ruhelos im Zimmer du selbst welche ?" Es fuhr etwas wie auf und ab ging : jest nahte die Entschei- ein schwaches Lächeln um seinen Mund . dung. Ich trat ans Fenster und lehnte Nein," rief ich und trat vor ihn hin, den Kopf an die Scheiben, starr den Weg , aber in meinem Herzen habe ich furchtbar deutlich gelesen , daß darin für dich keine nach dem Kruge hinunterblickend . Da kam er ! Unter dem Regenschirm . einzige Stimme spricht. In deinen Briefen Um seine schlanke , schmächtige Gestalt habe ich gelesen, daß von Liebe kein Funke schlotterte Herberts grauer Anzug ; für ihn in dir glimmt. Du willst eine Kochfrau, viel zu weit. Mein Herz schlug, daß ich's ein Mädchen für alles auf Lebenszeit gegen hören konnte. Ich trat vom Fenster weg. freie Station und Kleidung, und mit dem Jezt Mut, Erna; den Mut deiner Liebe ! Titel Frau Doktor' ; aber ich will etwas ich will Glück , ich will ein Sein Herz bricht nicht ! " sprach ich mir anderes selbst zu. Jetzt bog er in die Hausthür Herz, das mich versteht, mit dem ich — " und wischte sich draußen lange , bedächtig „Hör' mal, Erna, " sagte er aufstehend, du wirst mir zu sentimental. Ich mag die Füße ab ; nun stellte er den Regen schirm in die Ecke ; nun klopfte er. Ich keine theatralischen Dilettantenvorstellungen suchte meine Stimme fest zu machen: von jungen Mädchen. Das beste ist , ich Herein ! ” nehmie dich jest gleich mit mir , und wir Nach deinem Die Thür ging auf. Sorgfältig machte heiraten möglichst bald. er sie zu ; ruhig lag sein Blick auf mir. Aeußern zu urteilen, ist dir die Kur hier Guten Tag, Erna!" Er streckte mir die ja vorzüglich bekommen , du bist ein reiHand hin. zendes, blühendes Weib geworden " — das Ich trat hinzu und legte meine hinein. erste Mal, daß er mir das sagte , am „ und ich will dich behalten ; „ Ernst ," es schnürte mir doch die Kehle Ende ! zu, du kommst selbst ? Wozu ?" verstehst du? Du hast einmal Ja gesagt, "1Was wir zu besprechen haben , läßt und das hebt kein Nein auf!" "Seine. sich besser mündlich abmachen ," sagte er Stimme hatte einen mir unbekannten, harten gemessen. „ Du hast mich erschreckt!" Klang angenommen. Ich stand starr. „ Alſo Also nur erschreckt! Das gab mir ich verbitte mir dergleichen hysterische meinen vollen Mut wieder. Schrullen und habe gar keine Lust , mich Ernst , du hättest uns dies Wieder in meinen Kreisen lächerlich machen zu sehen sparen können !" Lassen um einer Weiberlaune willen. Das Set' dich, mein liebes Kind !" Er ist erledigt. So sei vernünftig und komme „ Seg' 2
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hierher ans Fenster ; laß uns wieder wie sah ich eine andere Gestalt auf die Thür | las dann wieder und wieder, daß du einen verständige Leute verkehren. Ich habe dir zueilen es war Herbert ! Aber hinter kaltsinnigen Bräutigam hättest , und das laß dir's gestehen das gab mir den Plan unserer Wohnung mitgebracht, ihm tauchte aus dem Tannengang Ernsts den mir der Wirt geschickt hat. " Hagere Figur auf. Er mußte gewartet Mut , nach dir , du süßes Geschöpf, die Träumte ich? Er griff in die Brust haben . Ich hörte ihn rufen, Herbert wandte Hand auszustrecken ; ich wollte dich für sie standen sich gegenüber. Eine mich erwerben und Liebe über dein Leben tasche des Rocks und holte ein zusammen | fich und doch habe ich diese Wolke gefaltetes Papier heraus aber was war furchtbare Angst hielt mich. Ich konnte breiten denn das plöglich mit ihm ? Einen Augen nicht von der Stelle. Ernst stand ruhig, nicht einmal von deinem Haupt abwenden blick starrte er das Blatt in seiner Hand gemessen ; Herberts Gesicht konnte ich nicht können. Und ich habe dich doch so lieb, an, das vielfach gekniffene - es sah recht fehen. Dann sah ich, wie Ernst mit der so grenzenlos lieb ! Glaubst du das ?" Er führte mich auf den Weg , dem vergriffen aus , dann blickte er an seinem Hand aufs Haus deutete und laut lachend Anzug herunter, warf noch einen Blick fich wandte. Herbert stand an derselben Hause zu. "/ Nur fag' mir eines ! " bat er stehen auf das Schriftstück und taumelte einen Stelle und sah zu Boden. Dann , nach Schritt rückwärts, mit beiden Händen das einer Weile, als ich von Ernst nichts mehr bleibend , und faßte meine beiden Hände,"/ selbe weit von sich abhaltend ; da stam sah, drängte er sich zwischen die Tannen, aber sag' mir's vor deinem Gewissen, ich mußte doch den Kopf abwenden melte er : „Wie kommt mein, mein ohne einen Blick auf mein Fenster zu Brief in die Tasche des Fremden ?" Leichen werfen. Herr Gott, was sollte das werden ? bei dem Wort - fage mir geht kein blaß starrte er mich an. Was bedeutete das ? Ich riß die Tisch einziger Gedanke mit dem Manne , der Eine fürchterliche Ahnung durchzuckte decke vom Fußboden auf und schlug sie jest in Zorn und Grimm seiner Straße mich - ich sprang zu und riß ihm das über Kopf und Nacken - so eilte ich, zieht ?" Da konnte ich die Augen heben : „ Nein !" Blatt aus den Händen , großer Gott, feines Gedankens , keines Bedenkens fähig, Dann laß ihn gehen ; er hat viel veres war ja jener erste Brief, den hinaus , so schnell mich die Füße tragen loren ! Morgen mittag reisen wir. Und er mir hierher geschrieben , den ich im wollten hier war er verschwunden thörichten Uebermut und böser Nichtachtung und richtig , da saß er auf einem Stein, aus meiner Schwester Haus führ ' ich dich an jenem Morgen vom Stein ins Wasser den Kopf in die Hand gestützt. Ich warf heim, meine holde, blühende Frau, ehe das geworfen hatte, in den See das war mich neben ihn auf die kniee und griff Jahr zur Rüste geht." So ward es doch um den Abend licht, also die zweite Wasserrose , die ich nach seinen Händen : Herbert , willst dü ob auch draußen der Regensturm heulte, gesehen, und die Herbert wohl aufgefischt mich verlassen ?" hatte und heimlich an sich gebracht : „ es war Ein tief wehmütiger Zug lag um seinen und Wolke auf Wolke das Mondlicht vernur ein Blatt ! " Diesen Rock hatte Mund . Er hob mich auf und zog_mich schlang. Heute mittag mit der Post . er angehabt ; dort an der Brust war der an sich und bettete mein Gesicht an seiner fahren wir ab. Meine paar Habseligkeiten J nasse Fleck gewesen ich ließ die Hände Brust. Es regnete auf uns herab, wie wir stehen gepackt. Es regnet noch. Leb' wohl, sinken und hatte das Gefühl : jetzt stehst da unter den Bäumen hockten ; keines von du stiller Wald , leb' wohl , du See, Icb' wohl , du Stein unter den Eichen ; ich ziehe du vor deinem Richter! uns achtete darauf. Was hat er dir gesagt ?" fragte ich ; hinein in ein neues Leben. Der eine hat Unheimlich glühten seine Augen. Sein mich Dirne gescholten, der andere hat mich antworte mir, antworte mir !" Atem ging mühsam. Er schüttelte den Kopf. " Frage mich ans Herz genommen ; an dem Herzen will „Also das war es ! " begann er, und seine Zähne lagen fest zusammen ; und nicht ! Laß diese böse Stunde vergessen ich meine Ruhe finden und meines dafür ich ſogar mit meinen Briefen hast du elenden sein ! " Ich sprang auf und warf das Tuch geben. Die Liebe hat mich gefaßt halte fest an der Liebe. Gott walt's ! Spott und Verrat getrieben, und hast sie ab. Ich zitterte. deinem deinem Herzallerliebsten ausSoll ich's dir sagen , was er von Drei Jahre später. geliefert mir gesagt hat ?" rief ich, was er zu mir би, би ihr mir wieder in die Hände, fallt Da ,,Halt ! " sagte ich, erwachend aus meiner gesagt hat ? Und dann zieh' hin, und laß ihr Blätter aus jenen Tagen. Hoch schlug Betäubung in unbestimmter Angst vor einem mich—" Er stand vor mir und legte mir die mein Herz auf, als ich euch durchlas furchtbaren Schimpfe , und hielt ihm den besudelten , halb verwaschenen Brief hin. Hand auf den Mund. Er war sehr blaß. hoch schlägt es auf, höher noch jest, wie So wahr mir Gott helfe , von mir hat kein Wort ! Erna ! Befudle mir dein ich euch abschließen will, und dann mögt reines Bild nicht. Ich habe dich ja so ihr liegen und ruhen in dem kleinen Fach, er ihn nicht !" // Und das soll ich dir glauben ?" brach unmenschlich, so unglaublich lieb. Ich weiß, aus dem ich euch ans Licht geholt, bis einster los ; nun ein anderes : so wahr dir was ich an dir habe ! Aber mir hat er mals ein Myrtenkranz für mein blondes J- und das schmerzt. Töchterchen gewunden wird. Dann mag Gott helfe' , Erna, hat er dich gefüßt und ein böses Wort gefagt Ich wußte ja nicht, wer er war, und wo sie lesen, wie ihre Mutter an ihres Vaters dich im Arme gehabt ?" Ich sank schwindelnd am Sofa nieder ; hin er wollte ; erst eben hörte ich's ; sonst Herzen Glück ohne Wunsch und Klage ge= mir wurde dunkel vor den Augen. „ Ja,“ hätt' ich ihm keinen Liebesdienst gethan funden, und dann möge sie auch ihre Augen stöhnte ich. Da fühlte ich, wie er neben und wäre ihm Auge in Auge gegenüber aufheben zu ihrem Liebsten und zu ihm aufmich trat ; hart faßte seine Hand wie eine getreten zum ehrlichen Kampf. Laß mich reden : Ichhabe dich lieb wie meine Mutter Klammer meinen Arm und riß mich auf. das überwinden . Bleibe bei mir ! So ! " meinen Vater ! " Mehr kann die Welt nicht weiter nichts. Ich Er zog mich wieder an sich und hüllte mich | bieten. Dirne ! " rief er Ichschaue um mich. SonnigerFriederings schloß die Augen . // Jetzt schlägt er dich ! " in die bunte Decke. Ich weinte an seinem um mich her. Unser Haus, mein Haus ist's, dachte ich; " er ist doch ein Mann" Herzen, wie sein Arm mich hielt. Ich trocknete mir die Thränen aus den in dem wir seit acht prächtigen Frühlingsund im nächsten Moment schleuderte er mich von sich, daß ich zwischen Tisch und Augen. Da fiel mein Blick auf ein zertagen wohnen, hinterm Wald, in wonniger ich führ Einsamkeit ; aus den Blütenbäumen des Sofa zu Boden taumelte , die Decke mit knittertes Papier am Boden herabriß und die Vase mit den Rosen, die zusammen : da lag wieder der Brief, jetzt Gartens schallt das Singen der Nachtigall herein in den Traum meiner Nächte. Unter hart auf meinen Kopf fiel und mir das unkenntlich und zertreten . Herbert, wie kam der Brief in deine den Syringenbüschen mit ihren duftschweren dann faulige Wasser übers Gesicht goß Dolden fließt ein Bach, breit, gewunden, krachte die Thür hinter dem Hinausstür- Tasche ?" fragte ich aufstehend . Ich fand ihn neben der Wasserrose, klar, seicht, und von allen Seiten neigen sich menden ins Schloß. Als ich mich erhob, Aber um und las deinen Namen in dem halbver frischgrüne Baumkronen über sein rieselnd war ich allein und frei. waschenen Blatt. Ich hatte dich damals Gewässer. Da habe ich heute morgen auf ! welchen Preis Erna, sei dem rasigen Ufer gesessen, die nackten Füße Noch stand ich wie betäubt und drückte schon so furchtbar lieb, und da stahl ich ihn , und ins Wasser getaucht, das Kleid aufs Knie die Finger an die klopfenden Schläfen, da mir nicht böse !
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gestreift, und habejauchzend mein Kind hoch- | und wo man's hören wollte und das | Sonnenlicht das war ich! Ich mußte sein Liedchen mein Gesicht an Herberts Schulter bergen gehoben in den goldigen, warmen Sonnen wollte man wohl überall schein und wie's zappelnd vor Lust schrie, gesungen : Leute, hört die Mordgeschichte!" und unaufhaltsam traten mir die Thränen da habe ich's gefüßto wie sehr und und dabei mit dem spanischen Rohr auf in die Augen. „Waldfee ! " sagte er leise , so reich dann habe ich's untergetaucht in das fühle, die einzelnen Tableaur meiner Scheußlichklare Wasser und wieder und wieder ; und keit gewiesen. O, ich hörte und höre sie alle hast du mich gemacht ! " Herbert streifte weiter durch die Galerie. dann habe ich das weinende, pustende füße sagen : ,, Das arme, arme Mädchen !" und daGefchöpf in die wollene Decke geschlagen bei im stillen nicht ohne Behagen recitieren : Ich fette mich auf den kleinen Diwan in und bin mit ihm ins Haus gerannt, und der Mitte des Saals , ließ in stillem BeDas Kränzel zerreißen die Buben ihr nun liegt es, und schläft hier, neben mir Ünd Häckerling streuen wir vor die Thür !" hagen die Leute an mir vorbeiziehen und freute mich über das Lob, das sie unserem auf dem Teppich, in meiner Stube mit dem Aber im stillen habe ich doch geweint. Blumenerker, in dem ein ganzer TropenUnd dann vermochte sie, daß wir, als Bilde spendeten. Aber wer trat da durch wald von Palmen und Farnen und Orchis die Adventsglocken von den Türmen läu- die Thür , ernsthaft , gemessen , kühl , eine deen grünt und blüht und duftet. Mein teten , still , innig , selig die Hände am magere, kleine Dame am Arm mit einem Zimmer, sage ich ? Als ob mir so viel davon Altar zusammenlegten , und aus unserer verdrießlichen Zug um den Mund und das war gehörte , daß ich es auf der flachen Hand kleinen, engen Herberge heraus in den ersten einen Klemmer auf der Nase ? davontragen könnte. Ich habe ja alles, Schnee zusammen hinausschauten ; und ob jener Mann, an den einst mein Leben gealles von ihm : Lebensglück und Lebens es gleich kein Herrentisch war, den ich ihm fettet war , und von dem es erlöst war Gott sei Dank! freude -- was will da das bißchen Erden deckte und kein Schaumwein im Kruge perlte, gut dazu noch groß sagen ? Ja , ich bin den ich ihm antrank — glücklicher sind nie Ich mag es laut gedacht haben , dies stolz darauf, daß ich so arm, so ganz arm zwei gewesen. Wenn ich mein Gesicht an Gott sei Dank !" Er stand vor dem in sein Haus getreten ; stolz , bis zum Hoch- seinem Herzen bettete, in grenzenloser Freude Bilde ; ich sah, wie er zusammenfuhr und mut, auf den Mann, der mich so reich ge- um ihn die Arme schlang und er meine sich verfärbte da plöglich wandte er macht, daß ich mit leuchtendem Blick neben Lippen suchte ; oder wenn wir im Dämmer sich und sah mir gerade ins Gesicht. Ich die Hochmütigsten treten darf und sagen : schein durch die Straßen gingen und all wandte das Auge nicht. Ein hastig, halb „Ich bin wie ihr ! Mein Name hat guten die Herrlichkeiten uns ansahen, die da zum verlegen zurückfahrend Erschrecken spiegelte Klang, mein Haus hat gute Ehr ' und Wehr heiligen Feste ausgebreitet lagen ; wenn er sich in seinem Blick, das allmählich durch und ich hab's nicht gekauft ; meines bei der Arbeit saß, treu , tüchtig, ein richtiger, aufleuchtendes Bewundern in falten Haß Mannes Liebe und Gottes Gnade gab'smir !" ehrlicher Künstler, und den Pinsel weglegte, überging. Dann kehrte er mir langsam Und doch hab' ich mein Teil dazu wenn ich hinausging : „ Ich kann ohne dich | den Rücken. Komm , Lilly, " sagte er zu also wieder eine gethan, und darum erst recht schwillt mein nicht malen , denn du bist mir Sonnen seiner Begleiterin Herz in Stolz und Dank ! Als wir an licht ; " wenn wir in überquellendem Jugend- Braut oder gar Frau, glückliches Wesen ! →→ dem Tage, der auf den Abschied jenes mút zusammen sangen, das halbe Kommers ,,das Bild ist schlecht ; ich weiß nicht, waz Mannes folgte, der mich Dirne gescholten, buch durch, so daß einmal die Frau Steuer die Leute daraus machen." bei strömendem Regen und braufendem rat , als wir uns auf der Treppe begeg„Aber die Figur auf dem Felsen ist Sturmwind im Postwagen saßen, da lag neten, mir sanft auf die Schulter klopfte doch reizend ! " entgegnete die Dame mit die Welt wohl sehr hell vor uns , vom und sagte: //Frauchen, was haben Sie da matter Stimme. Seine Maitresse ; die sind meistens Schein unserer Liebe erleuchtet, aber doch oben für gesegnete Herzen : Gott der Herr die Zukunft ziemlich dunkel. Herbert hatte erhalte Ihnen Ihr Glück ! " dann mein hübsch! " sagte er gleichgültigen Tons . Sie wohl sein gutes Brot für sich, aber ob's ten wir wohl, wir wären auf dem Gipfel . gingen. Er sprach leise mit ihr weiter. für zwei oder für mehrere reichte , das Aber es sollte noch besser kommen . Herbert Ich sah, wie sie schnell den Kopf nach mir war doch fraglich. Doch wir hielten einer hatte ein Bild auf die Ausstellung geschickt. zurückwandte und wie sie erstaunt die Lipdie Hände des andern und Liebe vermag Selbst hinreisen konnten wir nicht. Eines pen öffnete . Er zog sie mit sich fort. Ich bebte. Das war der zweite Hieb. alles. Zunächst vermochte sie mir ein Tages stürmte er die Treppe hinauf und gar herzlich Unterkommen in einem saubern riß den Glockenzug ab beim Klingeln und Aber er ging vorbei. Er konnte nichts Dachfämmerlein bei Herberts Schwester zu hielt mir, der Halberschrockenen, ein Zei mehr treffen ; ich deckte die Hände über ſchaffen und mir in ihr und in ihrem tungsblatt unter die Augen : „ Lies, Erna, die Augen, nur ein zweites , Gott sei ge= Manne zwei Seelen zu Schuß und Truk lies!" Ja, da stand es gedruckt , daß er dankt ! " drang aus meines Herzens Tiefen an die Seite zu stellen. Dann vermochte zu den tüchtigsten unserer jungen Maler auf. Ich blickte auf das Bild , auf den ſie mich zu trösten über all den blutigen zu rechnen sei und sein Bild eine der Steinflar stand jede Minute dort vor da trat Herbert zu mir. Schimpf, der mich von dort traf, wo bis- Perlen der Ausstellung ; und er faßte mich meinem Blicke her meine Heimat, die Heimat" der Gesell- um und füßte mir fast die Seele aus dem Ich sah ihn an . Er neigte sich zu mir. "1 Deine Augen leuchten wie damals am schafterin gewesen. //Nachdem Sie Sitte Leibe. Seliger Augenblick! und Sittlichkeit mit Füßen getreten und Und fünf Tage nachher brach er wieder See, Erna !" flüsterte er. ,,Das macht, weil ich dich so lieb habemit einem fremden ,Künstler' davongelaufen wie ein Wetter Herein, unter jedem Arm find, muß jedes Band zwischen uns gelöst eine Flasche Champagner wie leuchteten wie damals-und noch tausendmal mehr !" Er zog meinen Arm unter seinen. sein ," schrieb mir die Frau Rat. Ich die blauen Augen ! Solche Freude habe bedauere es aufs tiefste und zähle es zu ich nimmer gesehen. Erna, ich habe das Komm , Erna ; im Goldenen Hirschen ' den schweren Lebenserfahrungen , daß ich Bild verkauft für zehntausend Mark !" steht er auf Eis, und das Mahl wartet ; ein Mädchen , dem das schönste , sicherste jubelte er, und hielt die Flaschen hoch aus wir sind selige Brautleute und fröhlich. Los winkte, unter die ich sage es mit einander,,,komm an mein Herz, die trinken fahrendes Volk im Lenz !" Fahrender Mann , Geliebter meines blutendem Herzen Verführten und Be wir ganz allein aus !" und auf meinem thörten zählen muß. Sie wissen, wie oft Rücken kreuzten sich die beiden dickbäuchi: | Herzens : seßhaft bist du geworden bei deinem Weibe und deinem Kindlein, und und treu ich Sie zur Vorsicht ermahnt habe, gen Ponsardins. Unsere Hochzeitsreise machten wir jest nimmer duldet's dich lang in der Ferne. da ich Ihr gefährliches Temperament durch Frau Erna, schaute. Wie ich , urteilen alle , die Sie auf die Ausstellung. Und als wir zum Dort sch' ich dich kommen, gekannt haben. Doktor Erhardt begegnet erstenmal vor dem Bilde standen , an ans Werk! - Heute gibt's Krebse-überall der wärmsten Teilnahme, wie er dem der Zettel „ Verkauft" prangte , da aus unserem Bach. Einmal kochte ich auch in edler, ruhiger Männlichkeit den schweren kam jener Stolz über mich , daß ich auch welche , an einem bösen Tage , und nachUnd in edler, ruhiger mein Teil dazu gethan. Das Bild hieß her erzählte man mir von den RankenSchlag erträgt. " Noch einmal : Gott sei Männlichkeit hat er mich natürlich mit "/ Am Ilkensee", und die vielbewunderte füßern - brr ! Ocker und Zinnober auf Leinwand gemalt, Frauengestalt auf dem Stein im goldenen | Dank für alles ! Er walt's weiter !
Interlaten, mit der Jungfrau.
Die
der
Perle
Schweizer
Landschaften.
Von Woldemar
Dies ist die Münsterterrasse der guten, ferngesunden Stadt Bern. Der Platz unter den schattigen Kastanien bäumen ist ein feierlichschöner, ein wirklicher Sonntagsfestplatz für unsere müde Seele. Frühdämmerung liegt auf der Welt ; ungestört kann die stille Morgenfeier hier begangen werden. Die Stadt liegt noch in den Armen des Schlafes, höchstens daß hie und da ein Bäuerlein, ein Handwerks mann unter den ,,Lauben " hinschreitet, ein frühes Bernerwäglein über das Pflaster rasselt. In den Dörfern und Meierhöfen ringsum, in den Höfen der Vorstadt krähen die Herolde des Tages den Morgen an. Kalter Nebel dehnt sich über der Aar, das Rauschen des geschäftigen Gletscherwassers tönt herauf.. Es ist so kühl. Der Morgenwind streicht über den Tau, der in großen Tropfen von den Kastanienbäumen fällt. Wie Thrä-
Kaden.
nen! In alten Zeiten war der Plaß ein Kirchhof. Kein menschliches Wesen belebt ihn zu dieser Stunde ; das eherne Standbild des mannhaften Berchtold, dieses gar notvesten Herren, krieghaft zu dem rechten, der niemann vertrug noch übersach" , hält hier seine Wacht. Die Glocken der Stadt künden die vierte Morgenstunde. Ein bleicher Schein erst füllt den östlichen Himmel. Dort drüben, wo die Hochalpen liegen sollen, waltet noch graunebelige Nacht, und dichte Wolkengebilde steigen qualmend dahinter auf. Dann ein lichter Punkt ... wie ein Stern leuchtet es durch Nebel auf. Immer goldener färbt er sich jetzt , glänzend bricht der erste Gipfel, das Finsteraarhorn zum Lichte hindurch ! Die Nebel zerreißen, verflattern : da ist auch das blitzende Haupt des Mönchs , des Eigers , und dann entschleiert die Jungfrau sich in morgenlichter
Schöne, wie ein Füllhorn des Lichtes das Silberhorn zur Rechten ! Die Blümlisalp ! Was klingt da alles durch die Seele wie Alphornton ; sie klagt und lacht , sie schauert und glüht und flutet über im Strom der Gefühle und findet der Worte nicht: Gefühl ist alles !" Und der Tag kommt und ein froh= mütiges Wandern beginnt. Vor den Hotels werden Reisewagen gepackt. Die Glocken des Bahnhofes ertönen , der schrille Pfiff der Lokomotive mahnt zur Abreise , und lange Züge tragen das sommerfrohe Volf der Touristen in den Westen, in den Süden hinein. Unser sehnendes Frühmorgengefühl hat bestimmtere Formen angenommen : es hat sich zum Heimweh gestaltet, zum Heimweh nach jenen Gewaltigen , die ihren Gruß uns auf die Münsterterrasse nach Bern gesandt, und wenn wir uns nicht zu ihren schwindelnden Höhen hinaufschwingen fön nen , so wollen wir ihnen wenigstens so nahe wie möglich kommen und Sommerrast halten auf der Schwelle ihres Eispalastes und glücklich sein und erstarken.
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Die Perle der Schweizer Landschaften. 38
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Diese Schwelle ist der gesegnete Boden Da ziehen sie hin, eine reisige Schar, | Damen, mit zierlichen, namengeschmückten Interlakens ; auf dem Bödeli" sind die von Westen an , neben der Königin die Album -Alpstöcken ; Pärchen , die sich auf Propyläen des jungfräulichen Hochgebirges Hauptrecken Altels , Doldenhorn , Blüm- wonnemondlichen Hochzeitsreisen befinden, zu sehen. Das Bödeli" ist der Alluvial- lisalp, Tschingelhorn, Großhorn, Mittags- andere, die derartige Reisen einleitende boden zwischen den beiden Seen, dem Thu horn und Gletscherhorn, dann die Schild- interessante Bekanntschaften machen möch ner und Brienzer See, die man als dem knappen der Jungfrau , in leuchtender ten (S. 24, 75) ; denn auf den MorgenBerner Oberland angehörig bezeichnet, ob Rüstung alle : Silberhorn und Schneehorn, und Abendberg , das Faulhorn , das schon das Berner Oberland, die vor: nehme Bühne , aufderdie viel um= worbene Jungfrau als Prima Donna assoluta steht, noch gut zwan zig Kilo meter vom Interlake ner Zuschauer raum mit den zahl: reichen Fremdenlogen ent: fernt ist. Heben wir uns zu besserer Orientie rung an einem klaren Som: mertage auf Adlerflügeln über die höchsten Berge des Centrums der Schweiz hinaus und blicken in das Gewirr von Thalern, Bergen , von Flüssen, Seen und Reichenbachfall bei Meiringen (S. 62). Straßen, so finden wir dies himmelragende Hochalpen- | Mönch , Eiger (S. 46) , Viescherhörner, | Schwarz- und Burghorn , den kleinen land als eine gewaltige Feste von Titanen das große Schreckthorn , das Wetter- und Rugen, nach Lauterbrunnen und Schyniger händen getürmt , umringt von einem Fe Rizzlihorn ... wer will sie sich alle merken ! Platte gelangt man noch immer, auch wenn In dem Finsteraarhorn, dessen bloßer man kein kniefester, gemsenfüßiger Alpenstungswallgraben, der gebildet wird durch die stürmische Aare von der Grimsel an über Name schon Bangen erweckt , fulminieren fletterer ist . Bald wird ja auch jeder Meiringen hinab, durch den Brienzer und die Berner Alpen ; dieser Berg ist der Hügel seine Zahnradbahn haben. Thuner See einer , dieKander und die Leuker höchste im Lande. Die Leute aus seinem In dem lieblich- freundlichen , reichen, Dala anderseits , während der Rhone ihn Gefolge, denen wir uns menschlich näher ja üppigen Interlaken wohnt das friedliche gegen Westen schließt. - Nur zwei Unter- fühlen, stehen in den in verschiedenen Zügen Völklein der Thalsohlklubisten , aus dem brechungen erleidet dieser Wasserring : im auftretenden Voralpen ; ihnen gesellen sich noch keine Titanen hervorgegangen sind. Often durch die Grimsel, im Westen durch die Sonntagswanderer in festlich modischer Wer nach Interlaken kommt , thut dies die Gemmi. Jnnerhalb dieser Gewässer er- Toilette, die Fahrgäste in ,, weißen höflichen nicht in der frivolen Absicht, sich bei einer heben sich als Felseninsel die Berner Alpen . Manschetten", die Kuristen, Damen, viele Bewerbung um die herbste aller Jungfrauen
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Am Brienzer See (S. 15). den Hals zu brechen , sondern gebrochene | Welt herum, und zieht man mit ihnen vom Glieder und Nerven, vielleicht auch Herzen, Dampfschiff oder vom Bahnhofher in Interwieder zu festigen. Das Land zwischen laken ein, so findet man unter Ehrenpforten den Seen ist, wie wir bald sehen werden, hindurch überall offene Häuser und Herzen. ein echtes Kurland. Bequemlichkeit und Nur eine Qual bleibt vielleicht, zu wählen Ruhe fand sich schon von alters her auf unter den vierzig und mehr Luruslust demselben und beide haben die zahlreichen schlössern viel versprechender, aber auch viel Hotelwirte noch bis zu dem von der haltender Gastfreundschaft , zwischen Hotel modernen Zeit beliebten Raffinement ge- Ritschard, Viktoria, Jungfrau, Schweizer: hof, Belvedere , Des Alpes , Oberländer steigert. Der gute Bädeker sagt in diesem Sinn: Hof, Du Lac, Beaurivage u. a. Als Interlaken ist ein vortreffliches Stand nobler Deutscher gehe ich vielleicht zum quartier für solche, die mit Zeit und Geld Ritschard , als vornehmer Russe oder Eng nicht gerade zu geizen brauchen, um Aus- länder in das Belvedere. Doch das ist flüge in die Thäler und auf die Höhen Geschmacksache , es genügt , daß hier für des Berner Oberlandes zu machen , nach jeden Geschmack, mag dieser binnenländisch solchen Wanderungen aber wieder einige oder transatlantisch, oder gar ertravagant Tage in behaglicher Ruhe zu leben . " sein, sowie für jeden Geldbeutel etwas zu Hier liegt's : Zeit und Geld ; mit diesen finden ist. Wem der große Lurus der vor den ersten beiden trefflichen Freunden unterm Arm tommt man ( der Hut in der Hand " ge- Häusern am Höhenweg aufgefahrenen Equinügt beileibe nicht mehr, kann auch, wenn pagen, der Toiletten bei der Table d'hote man genügend von letterem hat denn (S. 43), der glänzenden Staatsräume beim Gedanken an seine nach Monatsregeln gedas Geld im Beutel duzt den Wirt getrost im Nacken ſizen bleiben) nicht allein ordnete Börse ein Gruseln verursachen sollte, durchs ganze Land , sondern auch um die wer nicht vor den kleidermusternden, schön
befracten Oberfellnern eine schlechte Figur spielen und am liebsten von oberländischen Jungfrauenhänden bedient sein möchte, der gehe nur hinten herum" und zweiter Klasse nach schleiche demnahen sich als Unterseen Passa und nach Bögier nigen;hier findet er Dach und Fach und idyllisches Leben, und Ruhe und köstliche Luft, so viel er deren nur haben will. Schließlich läuft die • ganze Sache doch nur auf ein Unterkommen für die Nacht, auf etwas Anständiges zu essen und zu trinken hinaus , und was er den , Tag über an Herrlichkeiten hat, fostet nichts und ist dasselbe, was die Mitglieder der oberen Zehntausend auch haben. Die Aussichten sind neutrales Gebiet ; einen Vorhang vor das Gesicht der Jungfrau hat noch niemand defretiert, und die Beleuchtung ihrer Schönheit besorgt der alte, gute Vollmond noch immer unentgeltlich. Ebenso neutral ist der prächtige ,,Höhenweg" unter den Nußbäu men, wo der besternte Frack neben der Bluse des Holzschnitzlers , die Pariser Spizenrobe in höchster Aufbauschung neben den flachen Leinwandkitteln der hemdärmeligen Fruchthändlerinnen und ,, Schottenweiber" wandelt (S. 45). Interlaken (S. 34, 64 u. a.) ist schön ; es hat noch jedermann gefallen und noch manchem wird das Scheiden schwer werden. Es nimmt in der Schweiz etwa den Posten ein, den Neapel in Italien, Cannes und Nizza in Frankreich einnehmen. In Interlaken pulsiert modernstes Leben, der Ort ist ein Stückchen Paris (andere sagen Paradies) unter Schweizer Nußbäumen , auf grüne Alpenmatten verpflanzt ; und war es einst die wilde Lütschine, die durch ihre schwarzschlammigen Ablagerungen das Bödeli" baute, so ist es der viel mächtigere Völkerstrom der Touristen und Kurgäste, der ungehemmt alljährlich das Bödeli überschwemmt und diese glänzende Hotelstadt abgelagert hat. Dieser goldführende Strom, der einzige, der nicht in das Reich der Fabel gehört , der auch nie fich erschöpfen wird, schlägt in einem Jahre in der Schweiz 43 Millionen Goldfranken nieder, aus dem die Hotelgoldgräber noch immer 14 Millionen Reingewinn herauswaschen. Wieviel davon auf dem ,,Bödeli" haften bleibt, ist nicht an den Fingern herzuzählen ; wenig ist es nicht, denn der Ort lächelt mit all seinen gastlichen Fenstern wie einer , der sein Schäfchen aufs Trockene gebracht. Von dem armen, alten, von Mönchen ausgesaugten Interlaken, dieser, mit Scheffelscher Sprache zu reden,,,duftigen Mist-
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An der Table d'hote (S. 41).
das römische Altertum des Bödeli : es ist der Name Interlakens. Ueber diesen Namen sind zahlreiche Konjekturen gemacht worden. Albert Jahn , der den ganzen Kanton Bern einer antiquarischtopographischen Untersuchung unterzogen, stellt die Sache richtig. Inter lacus also war der älteste Name, wenn nicht eines Ortes, so doch Thalgrundes ; des ,,verdeutscht" wurde derselbe in Interlafen oder Interlachen , und angewandt zuerst auf das LBuyin herwärts Unterseen am Fuße des Harders gelegene Dorf, das urkundlich im Jahre 1334als ,Dorf Interlappen" aufgeführt wird und seinen Namen noch heute führt. Bis hierher war alles schön und klar, nun aber kommt dieWirrnis. Interlakenhieß anfänglich auch das 1241 von Walter von Eschenbach hart dabei angelegte Städtchen, welches später den Namen Unterseen er hielt; Interlaken auch das Augustiner Chorherren- und Frauenkloster , das Freiherr Stilger von Oberhofen und Ried 1030 auf dem Plaze gestiftet hatte , den jest das Schloßgebäude Interlaken einnimmt. In der hierauf bezüglichen Urkunde von 1033 , der ältesten, welche über Interlakener Dinge aufzutreiben gewesen, erscheint nun neben dem deutschen Ortsnamen ,, Madon", das ist „ Matten" bei Interlaken , dieses selbst mit dem lateinischen Namen , Interlacus " (, ecclesiam 3. Mariae-Interlacus Madon vulgariter nominatam " ) . Es muß also dieser einen weit älteren und
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finkenhöhl", ist nichts übrig geblieben, wie nur einige altersbraune Häuslein hinter dem Kloster und sonstwo , die Kunde geben von dumpfiger Zeit, und das neue ist ein präch tiges Westend, mit dem selbst die brillanten Kurorte der italienischen Riviera , wie San Remo und Bordighera , sich nicht messen können, um den Höhenweg" her, von dem das eigentliche Interlaken : Unterseen, Aarmühle und Matten , längst erdrückt oder überwuchert worden ist. Dieser Höhenweg" führt uns ins römi sche Altertum zurück, und sei dies ausdrück lich gesagt, um darzuthun, welch alten Adels Interlaken sich berühmen mag. Es lag näm lich, dem heutigen Weißenau, bei der Aar mündung in den Thuner See, gegenüber im Mittelalter ein Marktflecken Wyden; die Wasser der schlimmen Aare haben ihn hin weggeschwemmt, aber Spuren eines Weges dahin von Unterseen aus sind noch immer bemerkbar ; das Volk kennt sie unter dem Namen Hochgesträß". Ueberall nun, wo dieser oder ein ähnlicher Name vorkommt, handelt es sich um eine römische Straße, denn dieRömer bauten dieselbe immer damm artig, also hoch. Die Strecke Unterseen Wyden war natürlich nur das Segment eines größeren Straßenzuges , der weiter östlich, am südlichen Gelände des Thuner Sees hin, über Strätligen, dessen Name noch an Strata (als Via) erinnert , ins Land hineinführte, feine östliche Fortsetzung aber im Höhenweg" fand, der an der gleich namigen Häuserreihe, einem Teildes Dorfes Aarmühle , das früher als Amuli , meist Rameli vorkommt, am linken Aarufer, neben dem Schloßgebäude Interlaken , nach der sogenannten Zollbrücke schnurgerade , wie alle Römerstraßen, hinläuft, um über diese an das nördliche Ufer des Brienzer Sees und von da weiter zu führen. Die Eigenschaft der Höhe im Sinne des Straßenbaues ist dem heutigenHöhenwege nun zwar abhanden gekommen, desto mehr aber verdient er diese Bezeichnung im moralischen : er ist der Aristokrat unter allen Wegen. Es gibt aber noch einen anderen gewichtigen , einen sprachlichen Grund für
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Am Höhenweg ( 42). zwar römischen Ursprung haben, und der Name nicht erst später durch die lateinische Urkundenschriftsprache aufgebracht worden oder gar aus , In der Lachen", wie manche annehmen , übersetzt worden sein. Die spätere Schreibart , Inderlappen" (urfundlich 1228 , Indrellappa prepositara), Hinterlappen" und Interlappen" ist natürlich nichts als eine Verstümmelung des alten Interlacus , und wer sie etwa aus , Inter lapides , wischen den Felfen", deuten wollte , würde damit nur einen etymologischen Bock schießen. Unterseen ist nichts als eine Uebersegung des lateinischen Interlacus = ,,under", altdeutsch : zwischen. Die Natur selbst gibt die allerbeste Deutung des Namens, den sie der Ebene des Bödeli geschenkt , und wenn wir die Augen aufthun, erklären wir uns bei einem Blick von der Höhe die Sache ganz von selbst : denn hier unten zwischen den uralten Bäumen , den frischgrünen Wiesen, den wohlgepflegten brunnendurchrauschten Gärten, wo die Kunst Bäume und Blumen aller Zonen pflegt, können wir schwerlich mehr uns das Aussehen des Bauplatzes vorstellen , auf dem die verrückten Lütschinen , die schwarze und die weiße, eine aber so schmutzig wie die andere, ihr wüstes Rohmaterial, das sie von den Flanken der Jungfrau, des Mönchs, des Eigers herabflößten, abgelagert. Gar zu lange ist es her, der Ur- Europäer, der Pfahlbauer Geschichte zeigte noch lauter weiße Blätter, daß die beiden Seen von Thun bis Brienz (S. 40, 56 , 58, 61) in einer Länge von zehn Stunden eine einzige ununterbrochene stromähnliche (weil zwischen zwei Gebirgsfetten ufergleich eingeschlossene) Wasserfläche bildeten, auf der dann etwas später ungekämmtes Volk in prähistorischen Einbäumen ohne Hindernis von Brienz bis
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Thun , d. h. in die Gegend dieser Orte, fuhr. Die Secflut war klar und rein, sie bestand aus Gletscherwasser, ward aber oft beträchtlich beschmutzt durch einen trüben, schlamm und geröllführenden Bergstrom, der in gleicher Entfernung von den beiden Endpunkten der Seewassermasse mitten
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durch Binsen und Schilf, die ersten Kulturpioniere der Wasserwüsteneien. Es kamen die Erlen , Weiden und mancherlei Gestrüpp , vielleicht auch Fichten und Tannen , und mit festverschlungenen Wurzelhänden wußten sie das eroberte Terrain zwischen den Seen gegen alle
Mit dem sogleich behaglich" freilich hatte es vorerst noch gute Wege. Der Boden war feucht , aber lange noch nicht feuchtfröhlich". Der Fuß des Wildes und des dasselbe verfolgenden Mannes brach noch ein in Sumpf und Morast und über diesem schwang das Fieber seine bleiernen Flügel. Nur Menschenhand konnte die weitere Entwickelung beschleunigen. Und wirklich kamen die Menschen, die Männer und Weiber mit ihren blondhaarigen Kindern und ihren Herden; das Land war bald (ja was ist ein ,,bald" in der Geschichte ! ) lieblich zu bewohnen. Sie schufen es um zu fruchttragenden Fluren und Heidewiesen. Dann kam irgend ein strenger schwarzrockiger Mann mit langem Barte und pflanzte das Kreuz im Thale auf. Das ist die Zeit , von welcher der Dichter sagt:
Wald und Wüste, Sumpf und Wildnis, Hütten, Höfe, Klöster dann, Da und dort ein Gnadenbildnis, Unter dem ein Gottesmann Zwischen Kindern und Barbaren Mit den langen blonden Haaren Sein Erlöserwerk begann."
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Der Eiger (S.
hinein in diese trieb. Durch den rastlos |späteren Angriffe des tosenden Feindes zu in des Sees Mitte gewälzten Schlamm behaupten. und Schutt erfuhr der See eine Teilung Ein Neuland" war geschaffen , die in einen Oft und einen Westarm. Denn Natur stand als Faust am Ufer und sprach: die Alluvialebene , die von der Lütschine,,Grün das Gefilde, fruchtbar ; Mensch und mündung vordrang, erreichte im Laufe der Herde Jahrhunderte das jenseitige Ufer , baute Sogleich behaglich auf der neuen Erde, sich höher und höher und befestigte sich Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft."
Den Hütten waren die Häuser gefolgt , hie und da ein wohlummauertes Städtlein , auf den Bergen die Burgen und Klöster im Thale. und Klosterherren Schloß führten allhier ein prächtiges und fettes Leben. Alle Alpen besaßen sie, Grundstücke brachten sie an sich, Zehnten und Gefälle bis über Bern hinab; dazu mußten ihnen die Baumfrüchte, die Jägerbeute von Feld und Wald und Alpenfirnen, aus trefflich eingerichteten Fischfängen die Hechte des Brienzer Sees , die Forellen , Alböcke , Trüschen, Aale , Arschen und Brienzlinge geliefert werden. Zwei Klöster gab es in Interlaken : ein Stift regulierter Chorherren des Augustinerordens , das im Jahre 1316 dreißig Priester und zwanzig Laienbrüder enthielt, und ein Frauenkloster mit nicht weniger als 350 Frauen. 33). Aus Veranlassung dieser Klöster beginnt die eigentliche Geschichte Interlakens , an den von ihnen ausgehenden Fäden spinnt sie sich ab. Zahlreiche deutsche Könige und Kaiser hatten sie unter ihren Schutz genommen , und trotzdem dieser Schuß die Stiftung in ihren Besitzberechtigun gen von der Grimsel bis zum St. Beas tenberg und bis an den Ursprung der beiden Lütschinen bestätigte , war diese um die
Woldemar Kaden. 49 Mitte des 15. Jahrhunderts doch so sehr in Schulden geraten, daß der Propst Peter Brieggo von dem Rate zu Bern sicheres Geleit sich ausbitten mußte , um unange tastet von seinen Gläubigern die Klostergüter bereisen zu können. Schließlich gab es nur noch neun Frauen in diesem Kloster und 1484 ward es ganz aufgehoben. 1527 wurde auch, gleichzeitig mit allen Klöstern des Kantons Bern, das Mönchstloster aufgehoben und bevogtet. Gegen diese Neuerung erhoben sich die
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Gotteshausleute. Sie hielten zu Interlafen eine große Volksversammlung und verbanden sich mit den katholisch gebliebenen Siebenthalern , Frutigern und Has lern. Das Kloster ward besetzt , Landvogt und Prediger des neuen Glaubens vertrieben . Da rückten die Berner, 5000 Mann stark, mit ihrem Banner heran. Die Bundesgenossen flohen , die Interlafener wurden zum großen Teil gefangen genommen, den Flüchtigen ward bei Verlust Leibes und Gutes aufgegeben , am
51 4. November (1528) beim Kloster sich zu stellen , wo sie , von dem daselbst aufgestellten bernischen Kriegsheer umringt, gezwungen wurden, die Reformation anzunehmen und die Oberherrlichkeit Berns anzuerkennen. Drei der vorzüglichsten Anstifter wurden unter den Nußbäumen mit dem Schwerte hingerichtet, einer gevierteilt. Das Kloster ward alsdann in ein Spital für Arme und Kranke umgewandelt, und diente zugleich als Amthaus zur Wohnung des Landvogts, des Land- oder Amts-
Gießbach-Bahn (S. 62).
schreibers , sowie des Pfarrhelfers. 1746 | pflichtig ist. Mögen wir nach anderen Erbbaute Interlaken seinem Landvogt ein neues schaften mönchischer Zeit nicht viel Veransehnliches Schloßgebäude. langen tragen, diese lassen wir uns gefallen, Die Kutten sind dahin , die Harnische und der Höhenweg ist berühmt wie Santa und Hellebarden rosten im Berner Museum, Lucia in Neapel, die spanische Treppe oder nur die der Monte Pincio in Rom, die Boulevards die Burgen stehen in Ruinen Natur ist jung und schön und reich ge von Paris, Hydepark in London, und wird blieben und legt jedes Jahr ihren neuen genannt werden, solange man diese nennt. Schmuck an. Ihr gehören auch die beInterlaken wird nie aus der Mode reits genannten herrlichen, wenn auch vom fommen , obschon man meint , wenn man Sturm gelichteten Nußbäume an, die einst dies hier allsommerlich aufs Höchste ge Mönche an der alten Römerstraße pflanzen triebene Leben sieht, es müsse nun einmal ließen, und welche trefflich gediehen, denn abwärts gehen , während die statistischen Interlaken liegt in der Region des Nuß- Nachrichten bis jetzt ein stetes Wachsen der baums. An der Nordseite jener stehen jest Gäste nachweisen. In einem Reiseführer die Hotels, denen, an Stelle der Burgen aus dem Jahre 1825 heißt es noch: Ein und Klöster , das Land , die Welt tribut Unterkommen betreffend , findet man das:
| selbe bei Herrn Seiler oder im Land- oder Gemeindehaus ." Im Jahre 1850 flingt das schon anders : ,,Man erstaunt über die Reihe großer Pensionshäuser, welche , geschmackvoll möbliert , zur Aufnahme der vielen reichen und vornehmen Fremden aus England , Frankreich u. f. w. (zu diesem , u. s. w. gehört das heute an allen berühmten Orten vorherrschende , damals noch ignorierte Deutschland !) eingerichtet sind, die hier die schönen Sommermonate zubringen. Dabei ist der Preis in diesen Pensionen im allgemeinen sehr billig ; gewöhnliche und namentlich einheimische Gäste können täglich, für eine Person gerechnet, mit einem französischen Fünffrankenthaler die Ausgaben für Wohnung, Frühstück, 3
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Mittagessen und Abendbrot bestreiten . | lensee, Blumenstein, das bekannte Rosen- | Vereinigt sich aber beides , so gibt das Hohe fremde Herrschaften (also ,unge- lauibad. Da fließen gipshaltende Schwefel- einen vollkommenen Kurort, und dies ist wöhnliche ) kommen natürlich nicht so quellen und alkalische Wasser mit Schwefel- bei Interlaken der Fall . wohlfeil weg. Der Zusammenfluß der metall und schwefelsaurem Natron, erdige Ueber diese günstige Lage Interlakens Fremden von allen Nationen ist aber auch Stahlquellen u . a., und da heißt es schlucken dürfen wir einen Fachmann hören. Doktor öfters so beträchtlich, daß in keinem dieser und gurgeln und baden, ob's schmeckt oder Meyer - Ahrens reicht in seinem trefflichen Pensionshäuser mehr ein freies Zimmer nicht. In Interlaken fließt nur eine Quelle, Werke „ Die Heilquellen und Kurorte der zu finden ist. Daher sind auch mehrere die man mühelos und wonnevoll vom Schweiz " neben dem unübertroffenen Sankt Morigbad im Engadin dem Berner KurGasthöfe für die vielen Fremden zweckorte zwischen den Seen die Palme. mäßig eingerichtet , welche nur einen Das Klima von Interlaken ist mild furzen Aufenthalt machen wollen. " Und heute ? Komm und siehe! und feuchtwarm , wozu sowohl Die Reisehandbücher zählen die Beschaffenheit des Bodens über vierzig mehr oder minals der Luft das ihrige beitragen. Der Boden der der bekannte Hotels und Thalebene angeist Pensionen auf, so daß schwemmtes Land, wäh es in dieser Hinsicht keirend sämtliche das ner Schweizer Stadt, ausgenommen LuThal einschließende zern , der Gebirgszüge aus Hotelstadt Kalf mit par préférence, untergela gertem nachsteht. Thonschie Luzern fer bebrächte stehen. Die beiläufig ganze gesagt, Thalebene seine elfist mit tausend Gras und Bewohner recht be: Ackerfrüch ten angequem in baut und seinen vier mit ObstDutzend und NußHotels erbäumen ster, zweibedeckt. ter und Der Bodritter den ist Klasse unfruchtbar ter. In und seine Interlaten Lockerheit wohnen in macht, daß einem gu dasWasser ten Som : rasch aufmer gegen gesogen vierzigund so der oder fünfBoden zigtausend äußerst Fremde, schnell davon die wieder meisten trocken freilich wird. Das nicht bloß Thal wird touristi von der schen FreiAare Lebens hdurc wegen, strömt und Gießbach Hotel (S. 62). sondern ist so ziem (das lich von bringt uns nun auf die höhere Bestimmung des Inter- Morgen bis zum Abend schlürft : das ist | Ost nach West gerichtet. Durch den das Thal lafener Bodens und seiner erquickenden die reine Luft der Berge. Interlaken ist im Norden begrenzenden Gebirgszug ist es klimatischer Kurort und zwar die Perle aller gegen die kalten Nordwinde geschützt, Luft) zur Sommerlufttur. Kurorte. Daß es noch Molten während die steile Südseite dieses Gebirgsklimatischen und zwar Interlaken ist ein Kurort ein gerade für unsere sich abhastende, nerven- furort ist, man bedenke seine Lage im Herzen zuges , Brienzer Grat und Harder, beinahe zerstörende, bleichsüchtige Streberzeit vor- des Hirtenkantons , versteht sich sozusagen den ganzen Tag der Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt ist und teils von selbst. trefflich indizierter Kurort. Ein klimatischer Kurort muß sich durch durch Reflexion, teils durch Ausstrahlung Der Kanton Bern besitzt noch andere und vielfach sehr reizende Kurorte, wie in seine Lage auszeichnen und bei dieser kommt der Erdwärme , während der Nacht den dem Thale an der Lenk , in Gurnigel, es zunächst nicht auf landschaftliche Schön Wärmebehälter für das ganze Thal bildet. Schwefelberg, Leißigen, Weißenburg, Fau heit an, sondern auf gesunde Landschaft. Die Beobachtung hat gezeigt , daß bei
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schönem Wetter im Sommer die Temperatur der Luft wäh rend der Nacht nie unter das Mittel der entsprechenden Tagestemperatur herabsinkt und man in Interlafen, was die Wärme und Annehmlichkeit der Nachtluft betrifft , oft beinahe italienische Nächte hat. liegt Interlaken unmittelbar am Fuße der rauhen Pyramide des Harder , die sich 4340 Fuß über das Meer erhebt, den Endpunkt des Brienzer Grates (6880 Fuß) bildet und wie der ganze Gebirgszug ungeheuer schroff in den Brienzer See und die Ebene von Interlaken abfällt. Man fann in Interlaken von einem Gebirgskessel sprechen, obschon die Nachteile, die den sogenannten Gebirgskesseln meist anhaften , hier fehlen. Brienzer See (S. 45). Das Thal steht näm Landestelle der Dampfer. lich nach zwei Seiten hin völlig offen und nach diesen beiden Seiten hin haben die wohner sprechen. Greise über Winde freien Spielraum. Ermangelt der neunzig Jahre sind keine Sel gestalt Interlaken der Ventilation nicht, tenheiten und Greise über so steht seine mittlere Jahrestemperatur achtzig sind sehr häufig und doch höher als die von Thun und ganz nur wenige haben zeit ihres bedeutend höher als diejenige von Bern ; Lebens ärztliche Hilfe angeso daß das Volkssprüchwort recht hat, rufen. Die Krankheitsformen, für welche dieses welches sagt, es sei in Interlaken um einen sich eignet, sind nach Meyer-Ahrens Klima Rod wärmer als in Thun und um zwei Rekonvalescenz nach schweren Krankheiten, Röcke wärmer als in Bern. Auf der andern Seite aber hat Jnter Hyperästhesien bedingt durch Anämie, Dyslafen im Sommer immer eine gemäßigtere trasien , namentlich bei Kindern , BrustTemperatur als das Plateau der übrigen krankheiten , Störungen des VerdauungsSchweiz. Da die beiden Seen, der Thuner geschäftes. Indiziert ist Interlaken ganz besonders und Brienzer See, die ganze Thalbreite einnehmen , so daß kaum Raum für die für das Bedürfnis einer Nachkur nach Straßen bleibt , so kann kein Wind die durchgemachter Bade- oder Brunnenkur, Ebene von Interlaken treffen , ohne mit oder wenn eine Bade- oder Binnenkur ineiner der beiden Wasserflächen in Berührung diziert ist, die Kranken aber noch zu schwach gekommen zu sein und sich mit den über sind, um dieselbe ertragen zu können. Ferner paßt Interlaken für alle jene denselben schwebenden Wasserdünsten geFälle , wo dem Leidenden Milch (Ese schwängert zu haben. Nur zwei Windrichtungen herrschen im linnen-, Kuh- und Ziegenmilch), Molken , Thale von Interlaken : eine thalauf- und Kräutersaft , Erdbeer- oder Traubenkuren verordnet sind. eine thalabsteigende Luftströmung. Die Molkenkur nimmt in neuerer Zeit, Diethalaufwärtsströmendeherrscht neun Monate des Jahres und ist entweder West , obschon sie hier bereits 1802 eingeführt ward , in Interlaken eine hervorragende Nordwest- oder Südwestwind. Der Föhn, Südwind, wird nur schwach Stelle ein unter den daselbst zu Gebote verspürt ; die böse Bise, der Nordost oder stehenden Kurmitteln. Die Centralmolken Ostwind , erscheint sehr selten oder bricht bereitungsanstalt ist ein Musterinstitut ersten sich ganz an den Schußwällen des ihm Ranges. Wenn man einst keine Molken mehr darin verschenken sollte , so dürften entgegenstehenden Gebirges. Ja, das Klima Interlakens ist ein er die olympischen Götter dort ohne Anstand probt mildes und gesundes , dafür dürfte standesgemäßerweise ihren Nektar verauch noch der Gesundheitszustand der Ein- zapfen lassen.
Hotel zum Bär. Nachdem wir dergestalt in erster Linie den Kuristen gerecht geworden, lassen wir die Touristen herein. In Interlaken sammelt sich die feine Welt, die, etwas müde von der winterlichen Festkampagne, oder von den Frrfahrten auf dem grauen Meere des Lebens etwas seekrank , sich zur Erholung an diesen blumigen Gestaden lagert. Zur Erholung! O, man kann hier sich auch königlich amüsieren. Amüsieren" ganz geflissentlich sei das fremde Wort für eine moderne Sache gewählt ; denn es besteht immerhin ein großer Unterschied zwischen einem ,, amü= sablen" Herzen , das „ Amüsement" sucht und , vom blitzenden Scheine lebend , die Schale der Dinge und Menschen im besten Falle amüsant" findet , und einem , der in irgend einem obskuren Bergwirtshause aus tiefster Seele sich freut bei liebevoller Vertiefung in das Wesen der Dinge, über das Sein. Wohl dem, den in Interlaken ein paar Koffer feiner Garderobe und Wäsche , die blißenden Lackstiefel nicht vergessen , in irgend einem dieser Prachthotels am Höhenweg erwarten ; wie leicht vollzieht er dann
Woldemar Kaden.
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die Metamorphose aus einem etwas abgeflatterten Alpentagfalter in einen frisch ausgeschlüpften Salonnachtschwärmer. Am Höhenweg und im Jungfraublich da drüben hat der auf granitenen Felswegen schiefgetretene , fettgetränkte und pfundschwere Bergschuh kein Bürgerrecht. Noch in Mon treur und Glion, in Ber und Sion brauchte. er sich nicht zu verstecken , hier möchte er von selbst vor dem tadellosen Schleifen schuh des wohlfrisierten Oberkellners wie der Troglodyte sich scheu in des Gebirges Klüfte" flüchten. Inmitten dieser Gold ausstreuenden Herren und Damen , den Abkömmlingen deutscher, englischer, russischer und französischer, in den letzten Jahren auch vieler amerikanischer Patrizierfamilien, denen eine Handvoll Napoleons eine Spielerei ist, werden die blassen Silberfranken des ge wöhnlichen " Reisenden geradezu bleich süchtig. Aber sehen muß man es, man kann es auch genießen , es hat einen eigenen Steiz : diese modisch ausstaffierte prunkende Menge in strahlenden Toiletten hier im grünen Schatten, von der einen Seite die prächtigen Hotelpaläste , bewimpelt, mit Fontänen , üppigen Blumen und Baumgärten und der Entfaltung alles Lurus , von der andern die sanften Wiesenflächen, die bis zu den Vorbergen des Lauter brunnenthals sich dehnen , aus dessen Hintergrund die strahlende Jungfrau aufstrebt hier, im Kurgarten , bei Bier, Wein, Kaffee, Limonade und Eis , Melodien von Strauß , Lanner , Waldteufel, Harmonien von Mozart , Wagner , Beet: hoven , Gounod in wechselnder Laune, drüben das sanfte Läuten der Herden glocken, das Gebrüll der Rinder, ein ganzes bukolisches Idyll.
C & Beystein
Die Perle der Schweizer Landschaften .
Neben dem überfüllten und hoch mit Koffern belasteten Hotelomnibns , dem ele: ganten Modewagen, dem leichten Brougham und der beflügelten Viktoria : schwerfällige Rüst- und Erntewagen , das dorfgeschicht liche Bernerwägele mit Frauen und Mädchen im lieblichen Berner Kostüm. Interlaken ist gleichzeitig vornehme Lurusstadt mit dem Leben Baden-Badens und kuh- und gänsezüchtendes Dorf mit der Luft , der köstlichen, in Baden-Baden nicht zu habenden Luft des Berner OberLandes.
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zutreten, an deren Anblick sich unser jungfrausüchtiger Sinn oft zum Ersatz für die spröde, in Nebelschleier verhüllte da drüben weiden muß (S. 34). Zeigt diese aber an hellen Sommer : tagen , noch besser Abenden , sich in ihrer stolzen Pracht , so kommen alle die weißschürzigen Bödelimädchen von Neuhaus an bis hinüber nach dem reizenden Bönigen und bis ins Gießbachhotel hinein nicht dagegen auf, trotzdem sie , jungfräulicher als jene , uns mit warmen Lebensaugen. anschauen , während jene einzige unnahSeineMagazine und Läden bieten alles , bar , von Stein , eiskalt und eine recht was man auf den Straßen von Paris und alte Jungfer ist. Schiller besingt sie trotLondon auch ausgestellt sieht. Etwas ihm dem: Eigenartiges jedoch sind die berühmten Holzschnißereien, von denen man unbedingt Es fist die Königin hoch und klar Auf unvergänglichem Throne, etwas kaufen muß. Sei es der Bär, der Die Stirn umfränzt sie sich wunderbar (wir sind ja im Kanton Bern) , in allen Mit diamantener Krone ; möglichen und unmöglichen Lagen seines Drauf schießt die Sonne die Pfeile von Licht, Lebens dargestellt wird , eine Gemse , die Sie vergoldet sie nur und erwärmt sie nicht." im Leben schon halb und halb der Geschichte angehört, ein Auerhahn mit Hund Wie leicht gelingt es uns , voll Beund Jagdgerät, der Jäger selbst im Sa- geisterung die Dame unserer Wahl zu lontiroler-Kostüm , das beliebte zierliche schildern, zu singen und zu sagen von Schweizerhaus in durchbrochener Zucker brauner oder blauer Augen lichtem Schein, bäckerarbeit , sogar mit Spieluhren im da fließt die schwarze Tinte, wie das geKeller , das liebliche Blümlein Edelweiß sprochene Wort, gleich einem Goldstrome als Ornament, als Brosche oder Servietten- dahin ; diese aber nein, da legen wir ring, eine Alpenblume als Verzierung an ärgerlich die Feder beiseite und schließen Photographie- und Bilderrahmen : alles den Mund, so wir nicht etwa die Gewohn dies und noch viel mehr dazu wird non fleiheit haben, ihn vor lauter Staunen weit ßigen gewandten Händen mit jährlich deut aufzureißen. Auch dem Maler gelingt es lich wahrzunehmender Vervollkommnung nicht, sie darzustellen ; Beethoven wäre vielleicht der einzige gewesen , der in einer ausgeführt. Wer nicht handeln kann , bezahlt die neunten Symphonie Nr. 2 sie hätte schilSächelchen freilich teuer , denn die netten dern können. Rambert , der am meisten Verkäuferinnen , die vornehmlich englische berufene , sagt das Beste auch über die Sprache und englische Preise kultivieren, Jungfrau, die er allem Anschein nach gar verstehen sich aufs Geschäft , auf ihre in sein Herz geschlossen : hoch und hehr ,,Leute" ganz vorzüglich. in ihrer Erscheinung hat das Volk ihr den Wer vermöchte es rechten Namen gegeben. Ja , es ist die dann, so einer lieb- Jungfrau, nicht das schüchterne Mädchen, lichen Bödelijung das vor seinem eigenen Schatten erfrauschroff entgegen schricht , nicht die Kokette , die mit ihrer Tugend prunkt , sondern das unnahbare, in seiner Ruhe ehrfurchtgebietende Weib, die kein unholder Blick verlegen mag, weil in der reinen Region , in der sie thront, nichts Gemeines sie erreichen kann. Die Jungfrau ist das Bild des Unvergäng lichen. Für hohe und stolze Seelen gibt es keinen schönern Berg. " Keinem Wandel in sich unterworfen, immer gleich , lächelt sie mit ihrem gött lichen Lächeln auf das Millionenhotel herab, das ihr die in Aktien spekulierenden kleinen Menschen so teck vor die Nase gebaut ; sie weiß, daß ihre Reize trotz mancher Ungeheuerlichkeiten nicht tot zu machen sind, und den rechten Menschen, wie Frühling und Liebe, immer wieder begeistern. Aber immer bleibt man doch nicht vor ihr sitzen ; das schönste Gesicht wird zuletzt unleidlich, wenn man es täglich vierundzwanzig Stunden ansehen soll, und in Interlakens Nachbarschaft gibt es so viel Verlockendes . Käfer und Schmetterlinge surren und flattern über die goldenen Wiesenblumen hin, Wanderer ziehen mit Gesang die Straße entlang , schöne frohe Menschen, Anglerinnen, Thuner Eee (S. 45).
Prof. Dr. F. Busch.
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fröh Liche som merge bräunte Gesich ter überall, la: chende Kinder im Grün, lust wan: delnde Sommer: gäste, flatternde Echleier und Lange Rauchfahnen der
DampfSchiffe aufden Seen, Pfiffe von Loto: Schloß Oberhofen. moti: ven ... wie das von allen Seiten her winkt , nach allen Seiten hin lockt, und wer dann Namen hört, wie Heimwehfluh ", von irgend einem überschwenglichen, doch spekulativen Wirte gegeben, den lockt es wie mit Alphornflängen zu dieser hinauf, obschon er auch ganz gut thut, den mit weniger süßlyrischen Namen getauften , dafür aber schöneren kleinen Rugen, die Ruine Unspunnen, Beatenhöhle und Harder zu besuchen ; auch der Abendberg ist des Besuches wert. Auf die Schynige Platte, in 2070 Meter Höhe, flettert eine Bergbahn , und wer einmal auf ihr ist , geht vielleicht noch weiter zu dem bequem zu ersteigenden Faulhorn, das bei einer Höhe von 2683 Meter den weltberühmten Rigi um 883 Meter schlägt. Ueberhaupt sind nirgends wie in Interlafen zu weiteren Ausflügen Wege und Stege geöffnet, und es warten vor jedem Hotel die ein und zweispännigen Wagen, die rustigen Bergpferde und ewig dienst bereiten Führer und Träger nebst anderen
Landschaftsperlen über Landschaftsperlen in den grüngoldenen Ufersaum gefaßt ; wer möchte sie alle sammeln ? Mehrere der selben hat der Künstler dem Leser vorgegeführt, besser als die Feder es vermöchte (S. 37 , 67 , 70). Hie und da auch wahr hafte Feerien mit Theatereffekten, und mit einem solchen, unsere Schaustellung würdig abzuschließen, scheiden wir von Interlaken. Ueber dem südlichen Ufer des Brienzer Sees , im Tannenwalde drin , liegt ein Wiesenthälchen mit Nußbäumen bepflanzt ; ringsum traute, dunkle Wälderheimlichkeit voll Harzduft und Vogelsang ; auf sonnigleuchtenden blumigen Halden verstreut moosbedeckte Felsblöcke ; von hier aus im Durchblick auf die beiden Seenkanten, auf die dräuenden Felsenmassen da drüben,
mehr oder weniger zudringlichen Weg genossen. Nach der schönen Nachbarstadt Thun, die so gerne der Rivalin Interlaken den Rang ablaufen möchte , gelangt man ganz gemach durch Eisenbahn und Dampf boot. Bei Därligen , am Südufer des Thuner Sees, verläßt der Sommerfahrende die hohen trefflichen Aussichtswaggons und tritt zu föstlicher Fahrt aufs Dampfboot, vergangener Zeiten gedenkend ...
und hier steht, einem Wildbache zu Ehrenormalerweise hat der Mensch zur Zeit seiner Geburt noch keine mit ihren gebaut, ein fürstliches Lurusschloß , das prächtige Gießbachhotel (S. 49 und 52). Kronen in der Mundhöhle frei zu Tage Welchsüße Ruhe herrscht hier, welche Freude liegenden Zähne , jedoch sind die Kronen der Stille . 1) Die große Vernachlässigung der Zahnpflege, welche Wir lauschen : Drüben tönt helles gerade bei uns und selbst in besseren Kreisen heimisch ist. Mädchenlachen, helles Lachen auch von bestimmt uns, vorstehenden Artikel, dem sich weitere aus der Feder anschließen werden, zum Abdruck zu bringen. des Waldes verschlungenen Pfaden. Sind selben wir glauben besonders daraufhinweisen zu sollen , daß es russische , englische , französische oder der Herr Verfasser dieser Abhandlungen zu den ersten Au toritäten gehört und als Direktor dem zahndeutsche Herzen, die sich da freuen ? Das ärztlichenderZahnheilkunde Universitäts-Institut in Berlin vorsteht. D. Red.
Thuner See (S. 45).
Redet, o verklungne Zeiten ! Längst in Trümmer Schloß und Turm! Sieh dahin das Dampfboot gleiten, Wo das Segel rang im Sturm !"
Lachen ist an keine Sprache gebunden ; wir verstehen es, wie wir den Gesang der Vögel verstehen; auch unsere Seele wird davon ergriffen. Und kommt der Abend und erglänzt der Gießbachfall wie eine Prima Ballerina in der Apotheose in weißem, rotem, grünem Lichte bengalischen Feuers , so schwingen wir dem schönen Interlaken , dieser Perle der Schweizer Landschaft , mit lautem Zurufe unseren Hut ; ja, das ganze Berner Oberland foll hoch leben, das unsere Seele gesund, unseren Leib wieder frisch gemacht!
Weber Zahnbildung und Mundpflege.¹) Von Prof. Dr. F. Bulch.
Die Milchzähne.
Prof. Dr. f. Busch.
Höhenweg.
der zwanzig Milchzähne zu dieser Zeit schon in einer für das unbewaffnete Auge sehr deutlich nachweisbaren Ausbildung in der Tiefe der Kiefer enthalten. In ganz seltenen Fällen werden jedoch Kinder mit Zähnen geboren, was nicht verfehlt , in den Kreisen der weiblichen Angehörigen große Bestürzung und schlimme Befürch tungen für die spätere Charakterentwickelung des Neugeborenen hervorzurufen. Diese Befürchtungen gründen sich darauf, daß einige in der Geschichte wegen ihrer bösartigen Anlagen bekannte Männer , wie besonders Richard III. von England, mit dieser Abnormität entweder wirklich oder angeblich geboren sind, und man sieht da her die bereits zur Zeit der Geburt durch gebrochenen Zähne als ein Zeichen schlimmer Vorbedeutung an. Dieser Annahme fehlt selbstverständlich jede ernste Begründung, doch hat man allerdings keine Veranlas sung, über diese Abnormität besonders erfreut zu sein, denn die vorzeitige Anwesenheit der Zähne bedingt wesentliche Schwierigkeiten für die Ernährung des Kindes. Die scharfen Kanten derselben
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Jungfrau.
würden in kürzester Zeit die Mutterbrust wund reiben und es bleibt daher nichts anderes übrig, als zur künstlichen Ernährung durch die Flasche überzugehen. Ein großes Unglück ist das freilich nicht, denn die Methoden der künstlichen Ernährung der Kinder im ersten Lebensjahre haben sich in der Neuzeit so verbessert, daß jeßt wohl schon , wenigstens in den größeren Städten, die Hälfte aller Kinder bei künstlicher Ernährung groß gezogen wird, und wenn nur die nötige Sorgfalt und Reinlichkeit angewandt wird, läßt sich ein Kind bei künstlicher Ernährung vielleicht besser groß ziehen als durch eine Amme, deren Verhalten, selbst bei der sorgfältigsten Beaufsichtigung, durchaus nicht über jedem Verdacht zufällig oder absichtlich begangener Verstöße erhaben ist. Unzweifelhaft schädlich ist es, wenn die Zähne des Neugeborenen von der Wärterin Es mit den Fingern entfernt werden. gelingt das leicht, da diese kleinen Zahngebilde keine Befestigung im Knochen haben, fondern nur am Zahnfleisch haften. Man beseitigt dadurch zwar das Hindernis für
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dieErnährung durchdieMut terbrust, aber manschafft dadurch die Gefahr einer Blutung, welche leicht lebensgefährlich werden Ganz fann. junge Kinder haben eine große Neigung , selbst aus fleinen Verlegungen stark zu bluten und vertragen jeden Blutverlust sehr schlecht. Bei den Zähnen kommt hierzu noch das ungünstige Moment, daß das ausfließende Blut die Kinder zum Saugen anregt. So saugen sie an den kleinen Wunden und unterhalten damitdieBlutung, das her: vorgesogene Blut schlucken sie herunter. Ist derMagen gefüllt, so erfolgt Erbrechen, und wenn sich dasselbe noch einmal wieder: holt , dann ist der Körper so Hotel Jungfraublid. erschöpft, daß das Schlimmste zu befürchten steht. Die ärztliche Kunst, welche sonst über so mächtige Mittel der Blutstillung gebietet, ist diesen Verhältnissen gegenüber fast vollkommen machtlos, denn sie besitzt kein Mittel, um derartigeBlutungen in Schrankenzu halten, oder wenigstens die Mittel, welche sie besitt, sind mit so üblen Nebenwirkungen in der Mundhöhle eines ganz jungen Kindes verknüpft, daß die dadurchhervorgerufenen Störungen kaum weniger schlimm sind als die Blutung selbst, da sie für längere Zeit die Ernährung unmög lich macht. So schafft die Beseitigung der zu früh durchgebrochenen Zähne Gefahren, welche das Leben bedrohen können , und es ist daher unzweifelhaft besser, die Zähne an ihrer Stelle ruhig stehen zu lassen und durch die künstliche Ernährung die von denselben sonst bereiteten Störungen zu umgehen. Man möge nun aber nicht denken, daß ein Kind etwa einmal mit allen zwanzig in der Mundhöhle frei zu Tage liegenden
Prof. Dr. f. Busch.
67 Milchzähnen geboren werden könnte , so weit geht der verfrühte Durchbruch nie. Fast ausschließlich handelt es sich dabei um die mittleren unteren Schneidezähne, welche verkümmert gebildet und in dem Zahnfleisch lose befestigt sind. Daß andere Zähne bei Neugeborenen vorgefunden werden , ist wohl niemals beobachtet und wenn diese Zähne, wie das wohl meistens vorkommt, nach einigen Wochen von selbst wieder ausfallen, so ist damit der Stein des Anstoßes beseitigt, aber sie bilden sich dann nicht etwa zum zweitenmal und in
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der Reihe der später hervorbrechenden Milchzähne bleibt ein Defekt an derjenigen Stelle, an welcher sie gestanden hatten. Die Entwickelung des menschlichen Körpers macht im ersten Jahre so schnelle Fortschritte, wie das in keinem der späteren Jahre auch nur annähernd erreicht wird , und so haben sich denn gegen den neunten Lebensmonat die knöchernen Kiefer und die in demselben enthaltenen Zahn feime so weit vergrößert und gefestigt, daß zu dieser Zeit der normale Durchbruch der ersten Milchzähne erfolgt. Meist sind
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es auch hier die mittleren unteren Schneidezähne, welche zuerst erscheinen als fleine, scharfe und harte Spitzen, die anfangs für das Auge schwer sichtbar sind und deren Anwesenheit meistens dadurch nachgewiesen . wird, daß man mit dem Stiel eines silbernen Löffels gegen dieselben anklopft. Der helle Ton , welcher entsteht , wenn das Metall an die harte Zahnfante anschlägt, gibt einen deutlicheren Beweis für den erfolgten Durchbruch, als es das Auge könnte. Ist das bedeckende Zahnfleisch durchbrochen, so hebt sich die Krone verhältnismäßig
TEBRENDAMOURLA Der Staubbach bei Lauterbrunnen (S. 62).
schnell zu derjenigen Höhe empor, in welcher sie dann während der ganzen Zeit, in der die Milchzähne stehen, verharrt. In zweiter Reihe vollzieht sich der Durchbruch der mittleren oberen Schneidezähne, dann folgen die seitlichen oberen und kurze Zeit darauf die seitlichen unteren Schneidezähne. Am Ende des ersten Lebensjahres stehen nor malerweise bei dem Kinde alle acht Schneidezähne mit ziemlich weit hervorgetretenen Kronen frei in der Mundhöhle. Jetzt erfolgt eine Pause, welche drei bis sechs Monate dauert. Dann erst, gegen die Mitte des zweiten Lebensjahres , machen sich die Kronen der ersten Milchbackzähne bemerkbar und gegen das Ende des zweiten Lebensjahres erscheint der Milcheckzahn, welchem die schwierige Aufgabe zufällt,
sich in die Lücke einzustellen, die zwischen dem seitlichen Schneidezahn und dem ersten Milchbackzahn für ihn freigelassen ist. Gegen die Mitte des dritten Lebensjahrs erscheinen dann die zweiten Milchbackzähne und schließen durch ihr Erscheinen die Reihe der ersten Bezahnung (Dentitio prima) ab, da nun alle zwanzig Milchzähne ihre Plätze eingenommen haben und das Kind befähigen , durch das kräftige Gegenein anderarbeiten der beiden Zahnreihen, welche in der kunstvollsten Weise ineinander greifen, sehr achtbare Leistungen im Beißen und Kauen zu entwickeln. Aber auch zu dieser Zeit sind die Wurzeln der Milchzähne noch nicht vollendet. Die Zähne wachsen nicht wie die Bäume , bei denen sich zuerst die Wurzel und dann die Krone bildet, sondern
umgekehrt, zuerst bildet sich bei ihnen die Krone, und erst, wenn dieselbe vollkommen ausgebildet ist , beginnt die Bildung der Wurzel und, nachdem die Krone schon lange durchgebrochen ist , ist die Wurzel noch nicht vollendet. Erst mit vier und ein halb Jahren haben sämtliche Milchzähne ihre Wurzeln vollendet, und zu dieser Zeit befindet sich das Milchgebiß auf der Höhe seiner Entwickelung , auf welcher es sich etwa zwei Jahre hält, um dann dem Verfall entgegen zu gehen und denjenigen Zähnen Platz zu machen, welche sich in der Zwischenzeit in der Tiefe der Kiefer ausgebildet haben und durch ihre langsamere Ausbildung die Fähigkeit erlangt haben, eine große Reihe von Jahren in der Mundhöhle zu stehen und zur Zerkleinerung der
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Grindelwald (S. 62),
Nahrungsmittel gebraucht zu werden, und die man deshalb die Zähne der bleibenden Reihe und deren Hervorbrechen die zweite Bezahnung (Dentitio secunda) nennt. Das Hervorbrechen der Milchzähne fällt bekanntlich in eine Zeit , in welcher die Kinder vielfachen Störungen in ihrer Gesundheit ausgesetzt sind. Diese von den Müttern nicht mit Unrecht gefürchteten Störungen bezeichnet man als erschwertes Zahnen (Dentitio difficilis). Die Franzosen haben ein bezeichnendes Sprichwort für diese Zeit, welches lautet : bel enfant jusqu'aux dents. Man nimmt an, oder vielmehr man nahm an, daß das Gegen drängen der Zahnkrone gegen das bedeckende Zahnfleisch, welches dem Durchbruch vor ausgeht, schwere Nervenstörungen hervor rufen könne , als deren schwerste die gefürchteten , Zahnkrämpfe" angesehen werden . Die ärztlichen Auffassungen dieser Verhält nisse haben sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts sehr wesentlich geändert. Früher waren die Aerzte der Ansicht, daß in der That die Spannung des Zahn
Wetterhorn.
fleisches über der emporstrebenden Zahnkrone der Grund sei für diejenigen Störungen , welche gerade zu dieser Zeit so häufig auftreten und folgerichtig griffen sie dann zu demjenigen Mittel, welches unter dieser Voraussetzung am meisten Erfolg versprach, d . h. sie schnitten das gespannte Zahnfleisch mit einer kleinen Lanzette durch. Aeltere Aerzte von großer, wissenschaftlicher Bedeutung und unzweifelhafter Glaubwür digkeit haben Fälle berichtet, in denen die Durchschneidung des Zahnfleisches von dem sofortigen Aufhören schwerer mit Bewußt losigkeit verknüpfter Krämpfe gefolgt war und somit schnelle Heilung herbeiführte. So war denn die Spaltung des geröteten und gespannten Zahnfleisches noch gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts ein häufig ausgeführter Eingriff, auf den so: wohl die Aerzte als die Eltern der Kinder großes Vertrauen setzten. Indes im Verlaufe der Zeit wurde dieser an sich un bedeutende Eingriff immer seltener aus geführt, und in der Neuzeit geschieht es nur noch sehr selten, daß ein Arzt sich zur
Spaltung des Zahnfleisches entschließt. Vielleicht mit Unrecht. Denn, wenn sich durch das gerötete und gespannte Zahnfleisch die Krone des empordrängenden Zahnes mit den Fingern durchfühlen läßt, und derart müssen die Verhältnisse natürlich liegen, wenn der Eingriff gerechtfertigt sein soll, und gleichzeitig schwere Störungen, besonders Krämpfe , vorhanden sind , die das Leben bedrohen, so trägt ein Schnitt in das gespannte Zahnfleisch die Chance in sich, möglicherweise viel zu nutzen, aber sicherlich nicht viel zu schaden , und in diesem Sinne halte ich auch jetzt noch den Zahnfleischschnitt für durchaus gerechtfertigt. Versagt er seine Wirkung, so bedingt er wenigstens keine Schädigung, denn daß der Schnitt bald wieder vernarbt und die entstandene Narbe dem späteren Durchtreten des Zahnes um so größere Schwierigkeit bereitet, ist ein gänzlich halt loser Einwand. Das gespaltene Zahnfleisch zieht sich vielmehr sofort über die empordringende Krone und legt sich, wenn dieselbe vollkommen hervorgetreten ist, nor
AFRONREL PATRO MARIONETT MOTU SAFA
Im Marionettentheater. Ein bemaltes Tamburin.
Von P. Massani.
hst
malerweise an den Hals derselben an. Von für die Ausbildung der dieser Seite aus läßt sich also der Zahn- bleibenden Zähne, daß fleischschnitt nicht bekämpfen , und andere die Milchzähne womöghaltbare Einwände sind gegen denselben lich solange erhalten nicht vorgebracht. Von allen Milchzähnen werden, bis ihrem Absind es besonders der erste Milchbackzahn fall die Krone des beund der Milcheckzahn , deren Hervortreten treffenden bleibenden am häufigsten mit Störungen verknüpft Ersatzahnes auf dem ist , die dementsprechend in das zweite Fuße folgt , so daß Lebensjahr fallen . Das Hervortreten der wenige Wochen, nachSchneidezähne am Ende des ersten Lebens- dem der Milchzahn jahres fällt seltener mit derartigen Stö- ausgefallen ist , auch rungen zusammen und der zweite Milch schon die Krone seines backzahn erscheint so spät, daß der kindliche Nachfolgers an seine Körper inzwischen schon einen Grad von Stelle rückt. VorzeiWiderstandsfähigkeit erreicht hat, der nicht tiger Verlust der Milchmehr so leicht zu erschüttern ist. Jeden zähne bewirkt zwar falls haben die Mütter recht , wenn sie nicht in allen Fällen froh sind , mit dem Ende des zweiten Störung in der BilLebensjahres der Kinder über die gefährdung und in der EinZahnkrämpfe" hinweg stellung der bleibenden liche Zeit der zu sein. Zähne, kann aber sehr Die Milchzähne sind also Gebilde von wohl derartige Stöprovisorischer Bedeutung. Die ersten der rungen herbeiführen. selben erscheinen am Ende des ersten Lebens- Ob das Knochenwachsjahres, und die letzten fallen normalerweise tum der Kiefer durch mit dem zehnten bis elften Lebensjahre vorzeitige Entfernung aus. Aus dieser Thatsache könnte man der Milchzähne eine nun leicht geneigt sein , den Schluß zu Hemmung erfährt , so ziehen, daß solchen provisorischen Gebilden daß später die bleidoch keine besondere Sorgfalt zu widmen sei . benden Zähne in den Ob ein Gebilde , welches doch nach einer Rändern der zu klein gewissen Zeit abgestoßen wird , einige Jahre gebliebenen Kiefer keifrüher hinfällig wird, könnte als ziemlich nen Platz finden, wie bedeutungslos erscheinen, und doch ist dem das behauptet worden nicht so . Es ist im ist, unterliegt wesent Gegenteil von lichen Bedenken. Jedenfalls geschieht der größdas nicht immer oder auch nur ten Wichhäufig. Es sind Fälle beobachtet, tigkeit in denen Kinder durch Krank heit und schädliche Nebenwirkung ein greifender Medika mente schon im vier ten Lebensjahre alle Milchzähne verloren, so daß sie nach Entfernung der schädlichen Wurzelreste mehrere Jahre voll kommen zahnlos was ren , und bei denen doch die Kiefer ihr normales Wachstum vollzogen und später die bleibenden Zähne in guter geschlossener Reihe aufnahmen. Von diesem Standpunkt aus läßt sich also die frühzeitige Entfernung der Milchzähne nicht mit Erfolg bekämpfen. Dagegensind es zwei andere Punkte,welche die schädliche Einwirkung frühzeitiger Erkrankung oder Entfernung der Milch zähne deutlich vor Auf Vergeshöhen (S. 39 ). Augen legen. Die
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Doppelter Genuß (6. 39). Erweichung (Caries) des Milchzahnes führt durch Fortleitung zur Entzündung seiner Wurzelhaut , und da der Wurzel des Milchzahnes die in der Bildung begriffene Krone seines bleibenden Ersatzzahnes in der Tiefe des Kiefers stets nahe anliegt , so wird die Ausbildung dieser Krone durch die benachbarte Entzündung sehr leicht gestört. Der neue Zahn erscheint dann später mit verkümmerter Krone, und derartige Kronen verfallen fast unmittelbar nach ihrem Durchbruch einer schnell fortschreitenden Erweichung, so daß die Erkrankung des Milchzahnes der Grund ist für die geringe Widerstandsfähigkeit seines bleibenden Ersatzzahnes . Der zweite Grund aber, durch den die frühzeitige Beseitigung des Milchzahnes die Reihe der bleibenden Zähne störend beeinflussen kann, ist der Raummangel . Fast genau auf demselben Bogen, auf dem die Milchzähne gegen das Ende des sechsten Lebensjahres stehen, sollensich die für sie eintretenden 20 bleibenden Ersatzzähne einstellen . Folgt dem Fall des Milchzahnes das Hervorbrechen des Ersatzzahnes fast unmittelbar nach, so hält der Milchzahn den Platz für seinen Nachfolger offen. Ist der Milchzahn aber bereits mehrere Jahre früher entfernt, so rücken die anderen Zähne näher zusammen, und wenn dann der Ersatzzahn hervortritt, findet er seine Stelle schon eingenommen und ist daher gezwungen, eine fehlerhafte Stellung anzunehmen. Es geschieht dies besonders bei dem Edzahn und dem zweiten fleinen Backenzahn , dem Nachfolger des zweiten 4
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Milchbackzahnes. Dies sind die beiden | romanischen Stämmen , z . B. den Ru- | kommen hier einerseits in Betracht kleine hauptsächlichsten Gründe , welche für die mäniern. Er übertrifft selbst wieder an- Rückstände von Fleisch, Eiern, Milch, die Erhaltung der Milchzähne bis zu der Zeit dere Völkerſtämme , und die schlechtesten sich zwischen die Zähne sehen und hier in ihres normalen Abfalls in Betracht kom: Zähne unter allen Kulturnationen hat die faure Gärung übergehen , ganz besonders men. Neben denselben spielen aber noch Bevölkerung der Vereinigten Staaten Nord- aber der Zucker, dessen zwischen die Zähne andere Rücksichten mit. Es ist im höchsten amerikas . Es ist das mit ein Grund, sich festsehende sirupdicke Lösung in der Grade wünschenswert, die Kinder vor den warum gerade in diesem Lande die Zahn Mundhöhle sehr schnell den Uebergang in gefürchteten Zahnschmerzen zu bewahren, heilkunde eine so hohe Entwickelung er faure Gärung vollzicht. Und so ist denn ohne welche sich der Zerfall der Milch langt hat, lange bevor sich ihr in Europa der Zucker in der That die Hauptverzähne wohl kaum jemals vollzieht ; es ist etwas Aehnliches an die Seite stellen konnte. anlassung für die Zerstörung der kindebenso wünschenswert, sie an den Gefahren Gut gebildete Zähne erhalten sich nun lichen Zähne. Besonders auffallend sieht der Kieferentzündung und Fistelbildung von selbst ; es genügt, wenn die auffallend- man das bei Kindern der ärmeren Bevorbeizuführen , welche so oft durch die sten Schädlichkeiten von denselben fern völkerungsklassen , denen zur Beruhigung Entzündung der Wurzelhaut hervorgerufen gehalten werden ; schlecht gebildete Zähne ein Lutschbeutel , ein sogenannter Zulp in werden, es ist wünschenswert, den Mund erhalten sich dagegen außerordentlichschwer, den Mund gesteckt wird. Derselbe entvon allen Zersetzungsprozessen freizuhalten, und es gibt Zähne , an deren Erhaltung hält eine Mischung von feingestoßenem damit Atmung und Verdauung nicht leiden, selbst die größte Mühe und Geschicklichkeit Weißbrot mit Zucker. Die Kinder saugen und es ist wünschenswert, die Kinder frühscheitert. Die erste Frage ist also , wie stundenlang an demselben , und während in der Reinhaltung der Zähne zu üben ; sind die Zähne des betreffenden Kindes dieser Zeit sind die Zähne in dauernder denn wer das an seinen Milchzähnen nicht gebildet, und von der Beantwortung dieser Berührung mit dem in faure Gärung übergelernt hat, wird es an seinen bleibenden Frage hängt es ab, ob für die Erhaltung gehenden Zucker. Die schädlichen Folgen Zähnen schwerlich zur rechten Zeit noch derselben eine besondere Sorgfalt an bleiben dann auch in der That nicht aus. lernen und daher auch diese zu Grunde gewendet werden muß oder nicht. Handelt Die oberen und unteren Vorderzähne gehen lassen. An keiner anderen Stelle des es sich um ein Kind mit kräftig gebildeten werden bis zum Zahnfleischrande abgemenschlichen Körpers findet sich ein solcher Milchzähnen, so genügt es, wenn dieselben fressen und erscheinen wie abgeschnitten. Ersat provisorischer Gebilde durch blei in den ersten Jahren , solange das Kind Aehnliche Wirkungen hat natürlich auch bende, und die Erhaltung der provisorischen zu unbeholfen ist, um selbst für die Reini- das stundenlange Lutschen von Bonbons, Zähne ist eine wertvolle Schulung, welche gung derselben etwas thun zu können , nur daß in diesem Falle die weiter zurückden bleibenden Zähnen zu gute kommt. morgens und abends mit einem feuchten stehenden Zähne in höherem Grade leiden . Was kann man nun thun, um die Leinwandläppchen abgerieben werden. Vom Langdauernder Zuckergenuß besonders in 4. bis 5. Lebensjahre an kann das Kind konzentrierter sirupdicker Lösung ist stets Milchzähne zu erhalten? Die Zähne der verschiedenen Menschen dann die Zähne mit einer weichen Bürste als schwere Schädigung der Zähne auf sind durchaus nicht alle von gleicher Güte selbst abreiben, vom 10. bis 12. Lebenszufassen , und sehr wohl im stande , ſelbſt der Bildung. Es gibt feste, harte Zähne, jahre fügt man der Bürste das Zahn- eine gut gebildete Zahnreihe zu zerstören. welche in sich eine große Widerstands- pulver hinzu , und diese einfachen Hand- In dieser Beziehung läßt sich von ſeiten fähigkeit tragen, und es gibt weiche, bröck- griffe genügen vielfach, um gutgebildete der Eltern viel Vorsorge treffen , wennlige Zähne von großer Hinfälligkeit. Die Milchzähne solange zu erhalten , bis sie gleich es nicht ganz leicht ist, die Neigung Beschaffenheit der Zähne gehört mit in von den bleibenden Zähnen ersetzt werden. der Kinder zum Zuckergenuß erfolgreich das große Gebiet der ererbten förper Von großer Wichtigkeit ist jedoch auch in zu bekämpfen. lichen Vorzüge und Mängel. Es ist eine diesem Falle die Fernhaltung von SchädHat sich nun an einem Zahn durch EntEigentümlichkeit bestimmter Familien und lichkeiten. Die schwerste Schädigung der ziehung der Kalksalze eine Erweichung ge= bestimmter Völkerstämme, mit einer be- Zähne ist nun die Säurewirkung, sowohl bildet, so schreitet dieselbe stets weiter fort, stimmten Beschaffenheit der Zähne aus in der Form der starken Mineralsäuren : bald schneller, bald langsamer , jedoch an gestattet zu sein. Die Einflüsse der Kultur Schwefelsäure , Salzsäure , Salpetersäure, Milchzähnen entsprechend ihrer geringen können sich in schädlicher Weise bemerkbar welche jedoch höchstens durch zufällige Ver- Widerstandsfähigkeit meist ziemlich schnell, machen, doch ist es durchaus nicht richtig, giftung oder als Medikamente in die Mund- bis sie die Pulpa erreicht. Die Pulpa ist daß unkultivierte Völkerstämme stets gute höhle der Kinder gelangen , als auch die ein aus Blutgefäßen und Nerven bestehendes und kultivierte Völkerstämme stets schlechte schwächeren organischen Säuren , Effig- Organ, welches mitten im Zahn eingebettet Zähne haben . Es kommen in der Be- säure , Weinsäure , Milchsäure , Citronen- liegt und dem Zahn das Leben gibt. Dieziehung die größten Verschiedenheiten vor, säure, Apfelsäure u. f. w. Alle Säuren selbe liegt in einer engen Kammer, allseitig und das Gesez, welches dieselben beherrscht, lösen die Kalfsalze auf und entziehen die von festen , unnachgiebigen Wänden umist durch die Menge der in Betracht zu selben den Zähnen, die entkalkte organische geben und steht nur an der Wurzelspige ziehenden Einflüsse nicht in eine klare Grundsubstanz zerfällt dann sehr bald der durch eine sehr feine Deffnung in VerbinFormel zu bringen . Die Widerstands- Zersehung, und diese schreitet fort, bis der dung mit dem Mark der Kieferknochen . So= fähigkeit eines Zahnes beruht darauf, daß | Zahn zerstört ist . Man bezeichnet diesen | lange nun die Karies durch die harte Zahndie Kalksalze, denen er seine Härte ver Krankheitsprozeß seit alter Zeit mit dem wand fortschreitet, erregt siekeinerlei Empfin dankt , in genügender Menge vorhanden Namen der Karies der Zähne, und sie ist dungen, sowie sich dieselbe aber der Oberund mit der organischen Grundsubstanz es , welche etwa in 90 Prozent aller Fälle fläche der Pulpa nähert und die Kammer der Zahngewebe in eine feste Verbindung für den Verlust der Zähne verantwortlich eröffnet , verseht sie die Pulpa in heftige getreten sind. Findet in dieser Beziehung gemacht werden muß. Ohne Säure keine Entzündung, und nun beginnt der klassische cin Mangel statt, so wird der Zahn hin- Karies, ist der einfache Sah , welcher die Zahnschmerz, welcher in verschiedener Stärke fällig. Vererbung und Krankheiten, denen Grundlage dieser Krankheit bezeichnet . Alle mit Anfällen und Ruhepausen solange fortder betreffende Mensch nach seiner Geburt die oben genannten organischen Säuren dauert , bis dic Pulpa , die sich in ihrer verfällt , sind im stande , die Ausbildung kommen ja nun vielfach in unseren Speisen engen Kammer nicht ausdehnen kann, durch der Zähne ungünstig zu beeinflussen. vor , und besonders die Fruchtsäuren sind Abschnürung ihrer Blutgefäße abstirbt, und Der deutsche Völkerstamm steht nun bei der großen Menge von Obst , welche das dauert mehrere Tage, bisweilen auch in Bezug auf die Güte seiner Zähne etwa die Kinder zu verzehren pflegen, nicht ohne mehrere Wochen, je nach der Heftigkeit, mit in der Mitte der Liste der Kulturvölker. Bedeutung ; indessen diese Einwirkungen der die Entzündung verläuft. Wartet der Er wird in dieser Beziehung übertroffen sind es doch nicht , welche am häufigsten Patient diese Zeit ab , so ist er wieder von slavischen Völkerstämmen , z . B. den die Karies der Zähne einleiten. Viel schäd- schmerzfrei, denn ein abgestorbenes Organ Russen und Polen , von den Skandi licher sind die Zersehungsfäuren , welche kann nicht mehr schmerzen, aber er ist des naviern , den Irländern und einzelnen sich erst in der Mundhöhle bilden . Es | halb noch lange nicht über alle Beschwerden
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hinfort , welche ihm der betreffende Zahn | klein. Die meisten suchen erst zu einer Zeit zu weich ist und sich daher schnell abnußt. bereiten kann. Ihm steht noch die Ent- Hilfe auf, in welcher die Schmerzen ein Eine gute Füllung muß den Wänden der zündung der Wurzelhaut bevor, welche zwar getreten sind, und dann ist die Füllung oft Höhle so genau anliegen, daß keine Spur nicht immer, aber sehr häufig von abge- nicht mehr möglich , und es bleibt nichts von Flüssigkeit zwischen Füllung und Zahnstorbenen Pulpen verursacht wird. Die zer anderes übrig, als die Entfernung des ganzen wand eindringen kann. Thut sie das nicht, fetten Massen der Pulpa dringen durch die Zahnes, um den Pulpenschmerz zu beseitigen so fällt sie nach kurzer Zeit heraus, leistet feine Deffnung an der Wurzelspite, kommen und den späteren üblen Folgezuständen vor sie das aber, so erhält sie den Zahn, als hier mit der Wurzelhaut in Berührung und zubeugen. Viel schlimmer als die Ent ob er gar nicht erkrankt wäre. versetzen jezt auch diese in Entzündung. fernung des Zahnes ist aber das sogenannte Hat die Karies die Pulpenkammer des Die Entzündung der Wurzelhaut teilt sich Nervtöten , d. h. das Abtöten der ent- Milchzahnes bereits eröffnet und dadurch nun wieder leicht dem Mark der Kiefer- zündeten Pulpa durch Arsenik. Der Schmerz Schmerzen hervorgerufen, so ist es ambesten, knochen mit, und dann entsteht derjenige hört zwar auf, aber die späteren Folgezu jeden Versuch der Erhaltung des betreffenden Zustand , welchen man als „dicke Backe" stände der zu befürchtenden Kieferentzün- Zahnes aufzugeben und denselben einfachzu zu bezeichnen pflegt. Die Entzündung der dung werden durch dieses Nervtöten gerade entfernen. Bei bleibenden Zähnen ist das Wurzelhaut tritt meist in Anfällen auf. zu herbeigezogen, und bei Milchzähnen kann gegen auch dann noch die Erhaltung vielfach Die ersten Anfälle gehen noch von selbst von der Anwendung dieses Mittels über- ausführbar, bei Milchzähnen aber nicht. Man zögere damit nicht und warte nicht ab, bis oder auf leichte äußere Einwirkungen, wie haupt nicht die Rede sein. Anwendung von Kälte und ähnlichem zurück. Soll man aber auch schon die Milch- die Kieferentzündung da ist , denn sie kommt Dann aber folgt auf eine kleine Gelegen- | zähne füllen lassen ? Die Antwort ist : ja, fast mit Sicherheit, und wenn auch dann heitsursache, eine sogenannte Erkältung, ein wenn man Wert darauf legt, daß dieselben noch die Entfernung des veranlassenden Anfall , der nicht mehr von selbst zurück bis zu ihrer normalen Abfallszeit erhalten Zahnes im stande ist, dieselbe wieder rückgeht. Die Anschwellung wird sehr beträcht bleiben und die in der Tiefe des Kiefers gängig zu machen, so hat man doch unnüß lich, die Eröffnung des Mundes stark be- ihren Wurzeln anliegenden, in der Bildung Zeit verloren und das Kind einer neuen, hindert und nach 6-8 qualvollen Tagen begriffenen Kronen der bleibenden Zähne sehr schmerzhaften und selbst nicht ungefährerfolgt der Uebergang in Eiterung. Jeht nicht schädigen. Womit füllt man die Milch- lichen Erkrankung ausgeseht. Die Mittel, um die Milchzähne zu crlaffen die Schmerzen nach, die Anschwellung zähne ? Nicht mit Gold , wohl aber mit verringert sich, der Eiter bricht durch, ent- Zinn, Cement oder Guttapercha . Cemente halten, lassen sich also in wenige einfache weder durch das Zahnfleisch in die Mund- find plastische Stoffe , welche durch eine Säße zusammenfassen , und doch werden höhle, oder durch die Haut des Gesichtes Mengung von feinpulverisiertem Zinkoryd viele Leser enttäuscht ausrufen : alſo das nach außen. Die Durchbruchsstelle schließt mit Phosphorsäure oder Chlorzinklösungen sind die Mittel ! Wir hatten gedacht, ein sich aber nicht wieder, sondern bleibt offen hergestellt werden. In dem plastischen Zu- schönes Zahnpulver aus recht vielen fremdund entleert dauernd einige Tropfen Eiter. stand wird eine kleine Menge des ange- ländischen Pflanzenstoffen gemischt, von anEs ist das der Zustand der Zahnfistel, in rührten Cements in die gereinigte von allen genehmem Geschmack , rot , orange , gelb, dem ersten Fall einer Zahnfleischfistel, in erweichten Teilen befreite kariöse Höhle grün, blau oder violett gefärbt, je nach der dem anderen Falle einer äußeren Gesichts- hineingedrückt , es fügt sich den Wänden Lieblingsfarbe der Mutter, und ein schönes fistel. Wie manches hübsche Gesicht ist der Höhle genau an und erhärtet nach kurzer Mundwasser, zusammengesezt nach der Art schon durch eine solche äußere Gesichtsfistel Zeit. Die zum Füllen der Zähne geeignete des früher erträumten Lebenseliriers , von und deren spätere Narbe zeitlebens schwer Guttapercha ist ein besonderes Präparat aus dem wenige Tropfen genügen , um jede entstellt worden , denn Narben schwinden feinster Guttapercha, welche mit Quarz oder Spur von Erweichung von den Zähnen niemals wieder, und diese Narben sind außer Glasstaub fabrikmäßig durcharbeitet ist. fernzuhalten und die etwa bereits erweichten dem, da sie durch Knochenprozesse angeregt Das Stückchen Guttapercha , welches zur Stellen womöglich nachzuhärten , das hätte werden, tief eingezogen und mit dem dar- Verwendung kommt, wird über der Spiri- unserem Geschmack entsprochen ! Aber strenge unterliegenden Knochen verwachsen. tuslampe erwärmt , erlangt dadurch eine Reinlichkeit , einfache Lebensweise , wenig Die Reihe der Beschwerden, welche die genügende Plastizität und wird dann in die Säure, nicht zu viel Zucker und dannschließKaries der Zähne im Gefolge haben kann, gereinigte Höhle des Zahnes hineingedrückt, lich doch noch eine Anzahl von Füllungen ist also groß und mit Recht gefürchtet. Und in welcher es erhärtet. Guttapercha und mit vorausgehender Reinigung der Erwelche Mittel gibt es nun , um sich vor die Cemente gelten für die bleibenden Zähne weichungshöhlen mit den schrecklichen Indenselben zu bewahren ? Die Antwort auf nur als zeitweilige Füllungen, da sie selten strumenten, besonders der wahrhaft höllidiese Frage lautet : Jede kariöse Erweichungs länger als einige Jahre halten. Für die schen Bohrmaschine , das gefällt uns gar stelle eines Zahnes muß ausgefüllt werden, Milchzähne dagegen genügt diese Zeit, um nicht ! und zwar womöglich bevor die Erweichung fie solange zu erhalten, als es erforderlich Nun, sehr wohl, wenn einer der Leſer die Pulpenkammer eröffnet hat, d. h. also ist , und unter diesen Umständen können sich die Mühe geben will, ein solches Eligicr im Sinne des Patienten gesprochen , be sie als dauernde Füllungsmittel betrachtet herzustellen, der mag es nur versuchen ; bis jetzt gibt es feines ! Er wird freilich daran vor der Zahn geschmerzt hat ; denn zu werden. dieser Zeit ist die Füllung leicht und sicher Von viel dauernder Wirkung sind die scheitern, wie so viele an der Erfindung des auszuführen, während bei freilicgender, ent- Metalle, und zwar kommen von denselben Jugend- und Lebenselixiers gescheitert sind. zündeter oder abgestorbener Pulpa die Fül- allein in Betracht das Gold , das Zinn und Es wird den meisten Menschen so außer lung stets schwierig , zeitraubend und in eine Zusammenfügung beider. Die Amal ordentlich schwer, sich in die Mechanik der ihrem dauernden Erfolge unsicher ist. Die game , d. h. Quecksilberverbindungen mit krankhaften Vorgänge hineinzufinden, selbst, Antwort ist also sehr einfach, und wie wird Zinn, Silber , Gold und einigen anderen wenn dieselbe so offen auf der Hand liegt, fie befolgt? Schlecht ! Schr schlecht ! Die Metallen, kommen für die Milchzähne nicht wie bei der Karies der Zähne. Schwindet Zahl derjenigen Menschen, welche ihre an- in Betracht, bilden aber für die bleibenden und Leichtgläubigkeit werden daher fort: gegangenen Zähne füllen oder, wie man Zähne wertvolle Füllungsmittel. Auch das fahren, auch auf diesem Gebiet weiter ihr im Publikum mit einem erschreckenden Bar Gold läßt sich in Milchzähnen schlecht ver- Wesen zu treiben und den Patienten sobarismus fagt, „plombieren“ 1) lassen, be- arbeiten, weil die Milchzähne nicht fest ge- lange hinzuhalten, bis es zu spät ist, der vor sie geschmerzt haben, ist verschwindend nug im Kiefer stehen , um den Druck er weit vorgeschrittenen Zerstörung erfolgrei tragen zu können, ohne den sich eine gute chen Einhalt zu thun, und den Schluß ↳ Die Amerikaner und Engländer sagen killing oder stopping, die Franzosen sagen obturation oder, wenn Goldfüllung nun einmal nicht einlegen läßt. bildet dann der bekannte Ausruf: „ Ach es sich um Gold handelt, aurification. Nur die Deutschen Zinn läßt sich leichter verarbeiten und ist hätte ich das doch früher gewußt oder gehaben das alte, französische Wort der Plonibago bel genügender than , dann hätte ich noch meine schönen behalten , welches aus der Zeit stammt, in der man die für Milchzähne von vollkommen Zähne mit Blei füllte. jezt sind sie alle zerstört!“ Dauer, während es für die bleibenden Zähne | Zähne und
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Ein
Sohn .
Von A. von der Elbe .
n Berlin, Steglitzer Straße, steht | Ihr Blic trübte sich , ihre Züge wurden | zucht, baute Champignons , zog Erdbeeren ein mittelgroßes Haus , in dem ernst , sie hatte nie an die Selbstlosigkeit in Menge und füllte sich das verödete sich unten außer dem Eingange zu der Schwester zu glauben vermocht . Hinter Leben mit den lieblichsten Gedanken. Glückden Wohnungen auf beiden Seisanften, blumenreichen Worten lauerte be- lich durch diese Interessen trog völliger ten ein Laden befindet. Der eine enthält rechnender Egoismus. Wilhelmine war Blindheit, hatte er zehn Jahre lang der ein Puzgeschäft, welches stark besucht wird . eine von den Eltern , vom Geschick ver- jungen Verwandten Gesellschaft und Pflege Nach dem Schilde über der Thür heißt zogene Frau gewesen , deren bezaubernde genossen. Nachdem er im Herbste abgerufen worAnmut jeden gefangen nahm und um die die Besizerin Pauline Kleinschmid " . Im ersten Stock hängen augenblicklich, eigene Meinung betrog. Mit siegreicher den, fand es sich, daß er nicht undankbar an einem trüben Tage anfangs Februar, Schlauheit hatte Minchen stets ihren Vor- gewesen. Als reicher, alleinstehender Mann keine Gardinen ; derselbe scheint also unbe teil zu wahren gewußt, nie aber in durch war der Amtsrat vielen nach dem Tode wohnt. Wenn man die Treppen hinauf sichtiger, unschöner Weise, nein, immer so ein Wohlthäter geworden. Charlotte wurde steigt, sieht man auch, daß ein Name an fein, so überzeugend, daß der Ueberredete in seinem Testamente mit 30000 Mark beſchämt das Feld räumte. Alles dies stand bedacht , unter der Hinzufügung : „ damit der Thür fehlt. Im zweiten Stock sind die Räume ge- plößlich klar vor Charlottens Geist . Sie seine treue Gefährtin unabhängig leben teilt. Die linke Seite wird nach Inschrift sehnte sich nach Veränderung ihrer Ver- fönne". Da sie auch vor einigen Jahren des Porzellanfchildes von August Cormier, hältnisse , aber Wilhelminens Vorschläge ein kleines elterliches Erbe erhalten, reichte Balletttänzer und Tanzlehrer", bewohnt. konnte sie nicht annehmen. In dem Zwie ihre Zinseneinnahme aus, sich den bescheiRechts ist der Name Charlotte Wiese" spalt dieser Empfindungen sprang fie empor denen eigenen Herd zu gründen. Mit angeheftet. und schritt , ihre Lage durchdenkend , im ihrem guten Alten hatte sie alle die zehn Jahre in dem hübschen ersten Stock dieses Es war ein hübsches, wohnliches Zim- Zimmer hin und her. mer , in dem Charlotte am Fenster saß ; Ich habe mein nettes, eigenes Reich, Hauses gewohnt und gern den Vorschlag sie trug Trauerkleider und hielt einen soll ich es lassen ? " murmelte sie,,,ja, mein der Besizerin angenommen , hinauf zu ziehen. Diese , die Puhmacherin Pauline offenen Brief in der Hand, den sie soeben Alter hat es gut mit mir gemeint ! " von ihrer Schwester aus dem heimatlichen Sie war ein fräftiges Mädchen von Kleinschmid, war ihr in der ganzen Zeit Flecken erhalten. Die Zeilen lauteten : einigen dreißig Jahren, die frische Farbe, eine wohlwollende Freundin gewesen, von Bleiden, den 10. Februar 1881 . das starke braune Haar, die lebhaften grau der sie sich ungern getrennt haben würde. Geliebte Lolo ! blauen Augen konnten sie für Augenblicke Daß sie etwas Neues beginnen könne, Nachdem Du nun so vereinsamt bist, jünger erscheinen lassen. Hübsch war sie war Charlotte weder zu des Onkels LebTeihe ich meinen stillen Bitten an das wohl nie gewesen. Aber das heitere Ge- zeiten noch bei dem Beginn der jeßigen Schicksal, uns wieder zu vereinen, Aus- troftsein , die gesunde Munterkeit , welche Verhältnisse eingefallen. In ihrer Natur druck. Zieht es Dich denn nicht mit uns in der ganzen Erscheinung lagen, das gut lag neben großer Regsamkeit ein genügzerreißbaren Fäden der Sehnsucht nach mütige Lächeln des großen Mundes samt james Beharrungsvermögen . Als nun aber dem alten, lieben Ort unserer gemein dem freundlichen Blick des Auges machten ein Tag wie der andere im gleichmäßigen samen Jugend ? Das verwirrende Trei noch heute einen angenehmen Eindruck. Kreislauf ohne belebenden Zweck und erben der Großstadt wird doch der Seele, Sie blieb vor einem Bücherbrett stehen strebenswertes Ziel herumgegangen , als die nach Einkehr verlangt, so bald über und las cinige Titel : Der rationelle die Zeit ihr nichts gebracht hatte, als die läftig. Mit dem Alter weiß man den Bienenzüchter “, „ Die Korbweide und ihre kleine Sorge für sich selbst, die Arbeit der Wert häuslichen Behagens mehr und Kultur", „ Das Neueste über Spargel- | Leinenstickerei für ein Aussteuergeschäft, mehr zu schäßen , und ich darf sagen : plantagen". einen täglichen Ausgang und flüchtige Beunser Haus ist behaglich. Das GiebelWie oft habe ich ihm das vorgelesen, " rührung mit Bekannten , da erschien ihr stübchen, zu dem der Wein emporklettert, flüsterte sie, soll ich mich nun von allem doch das Dasein öde, und sie dachte manchvor dem der Fink in der großen Linde Eigenen, allen Erinnerungen trennen ?" mal an die Möglichkeit einer Veränderung. schlägt , das sonnige Kämmerchen mit Charlotte Wiese war, einige zwanzig Das verständige Mädchen war zu gesund , dem weiß umhangenen Bett, in dem ich Jahre alt , zu dem verwitweten , kinder zu resolut, um schwermütig zu werden ; es ſchlief, als mein seliger Mann mich dem losen Vetter ihrer Mutter gegangen, der, lag auch nicht der leiseste Zug zur Emelterlichen Hause entführte , stehen für nahe daran zu erblinden, einer pflegenden pfindsamkeit in ihr, aber sie fühlte unausDich bereit. Meine Kinder sind in einem Hand bedurfte. Der alte Herr , früher gesezt , daß ihr etwas fehle . Manchmal lieblichen Alter , sie sehnen sich danach, Landwirt , hatte sich für nichts lebhafter hatte sie gemeint , die Trauer um Onkel der unbekannten Tante die Hände unter als für alle jene zierlichen Nebensprossen Bartels Verlust laste auf ihr , dann aber die Füße zu legen. Du solltest Dein feines Berufs interessiert , die er in der fühlte sie , daß sein Tod eine Befreiung Schicksal ganz mit dem unseren vereinen. Phantasie jest eifrig pflegte. Bald fah für ihn und sie gewesen, und daß sie sich Meine Freuden sollen die Deinen sein, er im Geiste seine Bienenstöcke mit dem nicht selbst belügen dürfe. Jetzt regte nun der Brief ihrer Schwester und meine Sorgen will ich Deiner treuen köstlichsten Honig gefüllt, seine Spargel zu Bruſt anvertrauen. " nie geahnter Stärke und Zartheit gedeihen, den ganzen Kampf der lezten Zeit neu Charlotte ließ den Brief sinken ; wie feine jungen Fische in der Sonne nach in ihr auf. Sie stand am Fenster und freundlich , wie lockend dies alles klang ! Mücken springen. Bald trieb er Hühner- blickte auf Dächer und Straße hinaus :
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nun hie und da Spuren von Schnee auf den durch ein einziges großes Fenster in der | Morjen , Herr Jraf, sagte ich , Vorsprüngen der Häuser ; unten : durch den Ecke , jezt von dem Gaslicht über dem kommt die Frau Mama also endlich ?" Schmut eilende Menschen. Sie kam sich Mitteltisch sein spärliches Licht erhielt und Jawohl , Fräulein Kleinschmid , fagte mehr denn je eingeengt und verlassen vor. sowohl als Wohn- und Efzimmer , wie er und zog höflich seinen Hut, ich denke, Troy dem Brausen und Lärmen der großen auch als Arbeitsstube gebraucht zu werden es soll der Mama recht gut in Ihren . Ist da Stadt war es um sie her unheimlich still. schien . Auf langen schwarzen Ebenholz hübschen Räumen gefallen !" Das freu..dliche Bleiden an der Elbe, die trägern standen Hüte, jeder wie eine Schild- oben auch ganz herrschaftlich ; Sie wiſſen Heimat der Kinderjahre , stieg vor ihrem wache für sich aufgepflanzt ; ein Müßen das ja am besten, Kind!" Ich habe gesehen , daß endlich im geistigen Auge empor. Sie seufzte ; ja, kopf mit schleppendem Spigengewirr lag . wenn zwischen Wilhelmine und ihr ein im Armstuhl, in der Ede ein Haufen ersten Stock ein Schild mit dem Namen warmes , schwesterliches Gefühl , Hingabe weißer Pappschachteln ; das Sofa war mit | , Gräfin Wertheim' befestigtist," antwortete wolkigem Flor bedeckt , offene Kartons mit Charlotte. und Vertrauen geherrscht hätten ! Ein rasches Anklopfen, und der NachAber der Brief , den sie offen in der Blumen füllten den Tisch , daneben ſtand bar Charlottens aus dem zweiten Stock, Hand hielt , war ja noch nicht zu Ende das geleerte Kaffeegeschirr. Sieh, Lottchen ! Kommen Sie ' rein ; der Balletttänzer August Cormier , hüpfte gelesen. Sie nahm ihren Plah wieder ein und hob das Blatt empor. Sie stören mich niemals, Kind !" sagte die herein . Als Neffe der Puhmacherin und Eine nun folgende, scheinbar unbe- alte Puzmacherin in freundlichem Tone. ihr verzogener Junge" , wie sie selbst den deutende Mitteilung ergriff fie plöglich Sie war eine kleine , breite Person , das lieben // jüst" nannte, fand er hier stets auf das lebhafteste. Die Stelle lautete : einst schwarze , jezt stark ergraute Haar den freudigsten Empfang. Seinen Namen „Unser altes Forsthaus , der Heisterbusch, lag in wohlfrisierten Löckchen auf der miß- Kleinschmid " hatte er für den Theaterwo Sauke, wie du dich erinnern wirst, farbenen , hohen Stirn , eine Brille saß zettel und die Tanzstunden in Lormier“ pachtweise eine kleine Kaffeewirtschaft ein auf der kräftigen Nase. "1 Gleich bin ich übersetzt ; es machte sich besser und wurde gerichtet hatte , soll regierungsseitig ver fertig ; kann die Bandkasten auch auf dem von der Tante gebilligt. August KleinFauft werden. Die alten Leutchen sind Tische durchsortieren. Sie helfen vielleicht ? schmid war in keinem ganz jugendlichen herzenstraurig und wissen nicht wohin. Wie gut, Herzchen ! daß Sie sich einmal Alter mehr. Er liebte es nicht, über dieſen Ihr blödsinniger Junge war draußen bei sehen lassen. Emma ist im Geschäft , sie dunkeln Punkt zu reden, und Pauline ehrte Seine etwas dünnen seinen ländlichen Arbeiten am besten auf braucht mich nicht. Was haben Sie denn ? seinen Willen. So sehen Sie sich doch ; ich bin ja schon da ! " schwarzen Locken erschienen wohl nicht ohne gehoben. " Sie hatte das alles rasch hervorgestoßen, Nachhilfe so tadellos dunkel , die AugenWie der Blitz schlug hier ein neuer Gedanke in Charlottens Seele , zündete Kasten dabei herangeschleppt und stand jegt brauen waren jedenfalls geschwärzt. Der helllichte Erkenntnis und beleuchtete einen am Tische , Bänder in unglaublicher Ge- untere, glatt rasierte Teil seines Gesichts Pfad, der sie unwiderstehlich lockte. Wie, schwindigkeit auf und ab rollend . Endlich sah aus wie ein mit schwarzer Kreide auf wenn sie den Heisterbusch kaufte , Sautes einige Ruhe, so daß Charlotte die Fragen Thonpapier schattierter Studienkopf. Die bei sich behielt und nun je nach dem Be beantworten konnte. Allein sie hatte längst Gestalt war zierlich und infolge seines fund der Ländereien und Verhältnisse etwas erkannt, daß die Alte jezt viel zu geschäftig Berufes außerordentlich behende. Mit einem eleganten Pas flog er auf von dem verwirklichte , was sie oft mit und zerstreut sei, um mit ihr zu beraten. Onkel Bartels studiert und dessen wissen- „ Allerdings gibt es Besonderes, Fräulein den Theetisch zu. ,,Bon soir, mes dames, Entzückt, auch Sie rief er. schaftliche Begründung sie bis ins kleinste Kleinschmid," antwortete sie schon gefaßter me voilà Hier ist ein Brief meiner zu treffen , Fräulein Wiese! Der Thee gehört ? Beileibe keine überstürzte Plan- als vorhin. macherei, keine unvorsichtige Zersplitterung ! Schwester. Sie macht mir Vorschläge, die wird in solcher Gesellschaft zum Nektar." Aber ein rüstiges praktisches Wirken mit ich nicht annehmen will , erwähnt aber Dann schwebte er vor den Spiegel, in dem bestimmten Ziele des Herausarbeitens , etwas anderes , das ich mit Ihnen be- jeder Hand ein Taschenbürstchen, bearbeitete er sein Haar blißschnell und eifrig. Nun das war's, wonach sie sich gesehnt hatte. sprechen möchte. “ war er wieder am Tische, sah sich lächelnd „Wenn's lange dauert , Herzchen" der in Leben das ihr deuchte köstlich Wie freien Natur , die Ausführung der Theo- die Puhmacherin sah sich gespannt und um und rieb sich die wohlgepflegten Hände. Man sezte sich und plauderte ; Auguſt rien, mit denen sie sich früher so oft be eilig um , sie wollte ihre Freundin nicht schäftigt ! Was that sie nur, wohin wandte verlegen , fühlte sich aber außer stande, wußte immer eine Menge Stadt- und sie sich , um in Rede und Gegenrede ihr jeht mit Sammlung zu hören und zu über Theaterneuigkeiten, denen besonders Tante Pauline mit stets gleichem Vergnügen pochendes Herz zu entlasten und sich selbst legen. Charlotte bat , eine ruhigere Stunde lauschte . Sie bereitete ihm geschäftig ein Klarer zu werden ? appetitliches Butterbrot nach dem anderen, Bei dem fargen Lichte des dämmerigen wählen zu dürfen. "I Der Djüst kann jeden Augenblick und er erzählte : „ Wir haben endlich etwas Februarnachmittages unterschied Charlotte längst nicht mehr die Buchstaben der zier kommen," fuhr Pauline fort, "/ er will um Neues ; ein famoses Ballett : , Der Schmetter lichen Schrift ihrer Schwester , aber den sechs , vor der Probe , eine Tasse Thee ; lingskönig wird vorbereitet. In der Première dürfen die Damen nicht fehlen, es Brief in der Hand wanderte sie ruhclos Sie trinken doch mit uns ?" Charlotte nahm an ; half dann die ist großartig, überraschend !" im Zimmer auf und ab . Sie scheute sich , //Werden Sie die Titelrolle übernehmen, ihre Gedankenkette auch nur solange zu Bandkasten ordnen und suchte selbst ein unterbrechen , wie sie Zeit brauchte , um oberflächliches Gespräch, das von kommen Herr Lormier ?" fragte Charlotte. „ Nein, mir auch ganz recht, denn meine Licht anzustecken , oder vielmehr , sie kam den und gehenden Gehilfinnen des Geist interessanter. Den SchmetterAufgabe Gange im wurde, unterbrochen oft nicht so weit in die Gegenwart zurück, schäfts um sich bewußt zu werden, was ihr eigent zu halten. Sie räumte den Flor aus dem ling tanzt Monsieur André. Ich kreire den lich in dem dunkeln Zimmer fehle. Dann Sofa und den Tisch frei , der nach und blauen Leuchtkäfer , der die weiße Samt : welche der Schmetterlingskönig motte ein Aufwachen, frohes Umsichschauen, ein nach für den Thee hergerichtet wurde. Entschluß! Und schon schnappte die Flurthür hinter ihr ins Schloß, sic eilte die gascrleuchtete Treppe hinunter ins Parterre, öffnete mit ihrem eigenen, auch hier passenden Drücker und trat durch den engen, dunkeln Korridor in das crhellte Berliner Zimmer ". Ein geschäftiges altes Frauchen framte in dem weiten Raume umher, der bei Tage
„ Die Gräfin kommt morjen," erzählte | licht — gleichfalls umschwirrt. Die SamtPauline,,,gestern find Diener und Kammer- motte entpuppt sich zur Lilienfee , der jungfer einjerückt. Haben Sie das Rumoren Schmetterling triumphiert, und ich habe in unter sich nicht jehört ? Sie hängen die einem grandiosen pas seul wilde Eifersucht, letten Bilder und Vorhänge auf, der Liebesraferei und Rachsucht zu charakteri | Tapezier rennt aus und ein , der hübsche sieren. Das denken Sie sich) , meine Damen, junge Herr Jraf ist auch dajewesen. Als in der Maske des blauen Leuchtkäfers, es ich ihn kommen sah, spazierte ich so von muß hinreißend werden, und ich rechne auf ohnjefähr auf die Treppe hinaus. Juten Sie, daß Sie meinen Triumph mit feiern. "
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90 schön , werde mich be Danke | ihre genauer sehen ? auch prüfte Sie prüfte manzurufen. , Charlotte Sie , Was meinen Sie ist eine zierliche alte Dame, müßte das doch sehen ?" Beziehungen in Berlin. Ihre erste Em dienen ! " Ich forge natürlich für Billets ! " rief pfindung hatte sie nicht getäuscht ; die brave schlohweiße Haare und zart wie ein Der junge Herr Iraf, ein Hausgenossin war in der That ihr die Mädchen. August. mochte auch ihr reizender Mensch, sprang zuerst aus dem Charlotte hatte keine sonderliche Freude Nächste, war diejenige am Ballett und schütte die Trauer um den eigenes Interesse unter dem Fortziehen der Wagen , stüßte und hob die Moma, als Onkel vor. Der Tänzer achtete wenig Mieterin leiden , welche mit gesundem wäre sie von Glas. Dann jung's ins auf Entgegnungen. Nachdem er gut ge- Scharfblick und selbstloser Geradheit ihr Haus . Ich stand vor dem Juckloch meiner speist, fuhr er eilig empor und rief, es sei zu dem richtigen Erkennen ihrer Lage helfen Flurthür , die so ' en bißchen offen war. die höchste Zeit, er müsse gehen. Er küßte würde. Charlottens offener , natürlicher Lieber Viktor, sagte sie, das Haus macht Ich Tante Paulinen die Hand , nannte sie seine Sinn hatte sie zu Fräulein Kleinschmid einen ganz anständigen Eindruck. Die Zimmer wohlthätige Jöttin, sein holdes Mütterchen geführt , die , was Bildung und Lebens: Enigte erfreut inkognito. und eilte von dannen. stellung betraf, auf einem anderen Plaze sind behaglich und elegant, sagte er,, und „ Ein lieber, närrischer Junge," schmun- stehend wie sie, sich ihr doch stets mütter werden , denke ich , für ein paar Wintermonate genügen. Dann waren sie oben." zelte die alte Puhmacherin, ihm nachblickend. lich hilfreich bewiesen hatte. großen in der Beziehungen anderen Alle // Gerne! Bitte noch ein Täßchen . — Der einzige Sohn meines seligen Bruders, und dem Papa so ähnlich ; es rührt mich Stadt waren oberflächlich geselliger Art Was ich sagen wollte : die Wertheim sieht und jetzt teils durch des Amtsrats lehte mir so recht nach alten Spizen aus. Jeben immer, wenn ich ihn ansehe!" " Der Herr August weiß von dieser längere Krankheit, teils durch Charlottens Sie acht, es dauert keine zwei Tage , fo Rührung zu profitieren, " lachte Charlotte. veränderte Lebenslage, gelockert. Charlotte habe ich eine moderne Haube von köstlichen Was wollen Sie , Kind ? Wenn er wußte auch aus vielfältigen Erfahrungen, Points zu arrangieren. Und was ihn begerade mal meine Ladenkasse gebrauchen daß die alte Puhmacherin, dem zerstreuen trifft, so wird mir ein rechter Zulauf von kann, warum soll ich sie ihm nicht geben ? den Getreibe des Geschäfts entzogen, mit heiratsfähigen Gräfinnen kommen , wenn Sperre ich mich, sagt er gleich, dann muß Ernst und Liebe ihre Sache wie eine eigene fie erst merken, daß es hier bei uns viel ich spanisch kommen, da bin ich dir doch prüfen werde. So richtete sich all ihr aus und ein geht. Der alte Diener, Fuchs, über ! Und das ist wahr, wenn er in solch Denken auf den Abend , an welchem sie hat an meine Emma gesagt : Iraf Viktor schönem Tricot und Sammet und Seide für und wider ihr Wünschen vor dem ist unmenschlich reich, bei der Jesandtschaft Aber, herumspringt, kann er alles von mir kriegen. Schiedsgericht der verständigen Alten spre- angestellt und noch zu haben." mehr, Thee feinen nun Charlottchen, mein Ich habe mal ' ne Schwachheit für hübsche chen wollte. Nu wollen wir so recht Zeitig besorgte sie ihren Theetisch. In bitte, bitte ! Stoffe ! " !" plaudern gemütlich luftiges ein brannte Ist denn Herr August in solchem dem weißen Kachelofen Die Alte lehnte sich in ihre Sofaecke Glanz nicht gefährlich für ihre jungen Feuer , die verschleierte Hängelampe über dem Tische verbreitete ein mildes Licht in zurück und zog ein paar Stücke Band aus Mädchen ?" Mag wohl mal die eine oder andere dem wohnlichen Zimmer und warf ihren dem Samtbeutel, die sie sich anschickte, zu ' en kleinen Schwarm für ihn haben, er ist freundlichen Glanz auf Geschirre und falten. Charlotte hatte den Theetisch abge= abgehärtet. Er sagt immer , wer so viel Speisen , die den Theetisch einnahmen. n mit weiblichen Reizen umgeht wie ich, der Draußen lag frischer Schnee auf den Dä räumt und ein Arbeitskästche mit der n hingestellt ; sich vor Leinenstickerei bekannten herabgelassene die jetzt schlossen doch chern, ein wird der hin, danach mehr sieht nicht Vorhänge von der Außenwelt ab . Ein- sie nahm die Arbeit aber nicht zur Hand, wetterfestes Neutrum. “ Charlotte hörte zerstreut zu , wie ihre zelne heulende Windstöße , die um das sondern las den Brief ihrer Schwester aus alte Freundin das Thema noch weiter ver- Haus fuhren, erhöhten innen das Gefühl | Bleiden ruhig und langsam vom Anfang bis zum Ende vor. folgte. Ihre Gedanken flogen immer nach des behaglichen Geborgenſeins . Beim Zuhören richtete sich Pauline 1 Endlich ein leichtes Anklopfen , und dem Heisterbusch. Sie fühlte aber jetzt, daß sie sich selbst noch nicht klar genug herein trat die kleine drollige Gestalt der Kleinschmid mehr und mehr aus ihrer über den plöglichen Einfall sei , daß sie Ersehnten ; sie hatte sich farbig herausge- bequemen Lage empor, nickte oder schüttelte . großen Kopf mit dem besser thuc, ruhiger zu überlegen und jeden pust , trug ein kirschrotes Shäwlchen um dann und wann den modernen Haarpuk , nahm die Brille ab falls erst morgen davon sprechen wolle. die runden Schultern und den gestickten lerem , Da August morgen abend zu thun hatte, Samtbeutel am Arm. Mit einem halb und sah mit immer verständnisvol Knig trat gesammelterem Ausdruck auf die Lesende. gemeinten scherzhaft halb ernst, war die Tante bereit, um acht Ühr, nach Als diese schloß , rief Pauline : // Nun Geschäftsschluß , oben bei Charlotte Thee fie ein und sagte, unter der liebkosenden zu trinken. Es erschien dieser, als sie die Begrüßung des Empfangs , etwas außer müssen wir Sie hergeben , Kind , ich sehe alte Freundin verließ , wie ein Gewinn, Atem vom Treppensteigen : „ Na ja, Kind- das schon kommen !'" „Nicht so ganz, wie Sie denken , Tante Der Djust läßt noch ruhig vierundzwanzig Stunden über chenda bin ich ja! schmid . Dauernd gehe ich nie in das Klein sich und ihre Wünsche nachdenken zu können. auch noch schön grüßen, und wenn er an Oben vor ihrem Etageabschluß fand Sie dächte, wollte er beim Tanzen die Beine Haus meiner Schwester !" Ich weiß , es stimmt nicht so recht ; Charlotte eine Visitenkarte stecken ; sie extra schwenken. Er war wieder janz reiht ht die las : " Arthur von Müller, Lieutenant im zend, jöttlich himmelblau . Ich habe Emma sind Sie auch vielleic ungerec gegen ann, Lottchen ? VerwandtHauptm Frau das geschickt, Theater ins Bouquet en ' mit t ten Garderegimen . " Seit dem Tode des Amtsrats und dem soll sie dem verzogenen Jungen werfen. schaft ist ' ne dauerhafte Jemeinschaft , je schuldigen Kondolenzbesuch - das erste Nu bin ich aber mit allem fertig und kann älter man wird , je mehr fühlt man's. " „Ich glaube kaum, daß ich Wilhelmnine Mal, dachte die Empfängerin. Ob mein so ' en rechten gemütlichen Abend hier oben ig beurteile; um Ihnen und mir unricht Wie , Lachs ? meine Liebe, Herr Neffe auf mütterlichen Befehl aus genießen. Bleiden zu mir kommt ; ob er mit Vor- nein, das ist zu viel, Sie Verschwenderin ! selbst klarer zu werden , muß ich einmal Ja , schenken Sie man ein , ich bin von offen von meiner Vergangenheit sprechen." liebe die Dämmerung gewählt hat? Thun Sie das , Liebe ! Ich weiß ja Seit Onkel Bartels seinen Anleihegelüften aller Unruhe im Jeschäft ganz durstig jevon Ihnen selbst , daß sie Ihren kleinen Schwach meine einmal Sie da und worden, widerstand, hat der flotte junge Herr sich heit kennen, nehme ich auch ein Tröpfchen Roman erlebt haben; es ist zwischen uns nicht mehr um uns gefümmert. nicht weiter daran gerührt. Wollen Sie Cognak. " * * Zwischen dem Essen und Trinken er mir aber Ihr Herz aufthun, so wissen Sie ja, daß ich Ernstes wohl behüte und Sie Den anderen Tag brachte Charlotte zählte sie , ohne die ernst gestimmte Gesehr lieb habe !" "/ fährtin zum Wort lassen, zu weiter: Haben größtenteils damit zu , alte Briefe zu Charlotte verfiel nun doch noch in ein Lesen und sich ihre Vergangenheit zurück- Sie denn unsere Frau Jräfin ankommen
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scheues, zögerndes Nachsinnen. Sie wollte | Bleiden und besigt noch eine Menge kleiner | sprechen. Sie fiel mir um den Hals und sprechen , wollte ihre Sache selbst hören Kinder. Obgleich ich beide Aschenbergs bedauerte mich. Die Möglichkeit, ihr Beund laut vor ihrem eigenen Richterstuhle wie Brüder zu lieben meinte , fühlte ich dauern in Glückwünsche zu verwandeln, führen. Sie hatte auch Zeit gehabt, sich mich doch zu dem jüngeren Bruder, Her ließ sie am allerwenigsten aufkommen. innerlich vorzubereiten , allein das Auf- mann , noch viel mehr hingezogen als zu Man konnte mit ihr nie etwas reden, was rühren alten Wehs und alter Bitterkeit, Heinrich. Achtzehn Jahre alt, machte ich sie nicht hören wollte. über die viele Jahre lang der Mund gemeinen ersten Ball in der Stadt mit. „Hermann war außer sich, er faßte es schwiegen, rang sich doch nur schwer von Hermann war vor kurzem als Assessor zu nicht, daß unsere treue Neigung, die uns ihrer Seele los. Es blieb immer noch uns versett. An jenem Ballabend kam bis hierher durchs Leben begleitet, an solein innerer Widerstand zu überwinden. er voll lebhafter Freude auf mich zu, um chem unerwarteten Hindernisscheitern sollte. Es war, als ob die so lange geschlossenen die Kinderfreundschaft zu erneuern. Er Er machte die verschiedensten Versuche, Lippen zögerten , das Zurückgedämmte, ist stets meinliebster Tänzer gewesen, und meine Eltern, oder eigentlich meine Mutter Wohlgehütete endlich aus dem Gewahrsam wir haben ein paar frohe, glückliche Jugend- zu bewegen , es half nichts ! Ich hatte zu entlassen. Da sie aber inne geworden jahre miteinander genossen. Wir sahen gleich gesehen , daß meine Mutter , wenn war , daß sie dieser Aussprache bedürfe, uns oft in unserem Hause , bei seinem es sich darum handelte, Minchen eine Anum entlastet in die Jugendverhältnisse zu Bruder und manchmal bei Müllers . Es nehmlichkeit zu kürzen , uncrbittlich sein rückzukehren , nach denen sie sich sehnte, machte sich ganz von selbst , daß wir als werde. Den Vorschlag seines Bruders, bezwang sie sich mit kräftiger Willensan die Jüngsten in jeder Gesellschaft zusam eine Unterstützung von ihm anzunehmen, strengung und begann : „Mein Vater war, mengehörten, und wir nahmen dieses Vor- schlug Hermann aus ; wußte er doch, daß Heinrich zu dem Gelde Ernestinens greifen. wie Sie wissen , Arzt in Bleiden , einem recht gern entgegen. Flecken an der Unterelbe, etwa drei Stun Warum nochum die Hauptsache herum müsse , und davon konnten , durften wir den von Hamburg entfernt. Wilhelmine gehen? Hermann liebte mich) , und meine nicht leben. Hermann bat um seine Verist das älteste Kind , ich bin zehn Jahre Neigung für ihn war mit mir groß ge- segung. Wir hatten beide erkannt , daß jünger als sie, ein paar Geschwister sind worden. Als ich zwanzig Jahre alt war, sein Gehalt noch ein Jahrzehnt nicht so Sazwischen gestorben. Als meine Schwester verlobten wir uns. Seine teuren, braven hoch sein werde , um ohne Vermögen da16 Jahre alt war, kam sie in die nächste Eltern, damals schon beide tot , hatten von zu leben. Provinzialstadt zu Verwandten . Sie muß kein bedeutendes Vermögen nachgelassen, In einer jammervollen Stunde sagten . sehr schön und lieblich gewesen sein und in den Studienjahren war das kleine Erbe wir uns lebewohl ich sollte ihn nie soll Aufsehen erregt haben. Als die Braut fast ganz darauf gegangen , jest lebte er wiedersehen ! Daß ich für meine Mutter des Lieutenants von Müller kehrte sie zu von seinem Gehalt, das reichlich für seine und Schwester eine Null sei , hatte ich uns zurück. Mein Schwager hatte etwas Bedürfnisse genügte , aber nicht aus immer geahnt ; jezt fühlte und wußte ich Vermögen ; Vaters Praxis trug mehr ein, langte, cinen Hausstand zu begründen. es mit schneidender Gewißheit. Mir waren als wir brauchten , meine Mutter befür: Da wir beide wußten , daß mein Vater die Augen geöffnet. Mit Bitterkeit sah wortete Wilhelminens Wünsche und nötigte einiges Vermögen erworben hatte und ich die Verhältnisse an, welche ich bis daVater das Versprechen bedeutenden zu Müllers reichlich unterstüßte, bezweifelten hin als selbstverständlich genommen , sah schusses ab ; so fand die Hochzeit bald statt. wir keinen Augenblick, daß mir ebenso ge den Schmuck, den Lurus des Lebens, wel Von nun an war meine Mutter viel in holfen werden würde, und nahmen auch chen Müllers sich auf Unkosten meines der Stadt, das machte Vater ungeduldig, an, die ganze Familie sei mit unserer Ver- Glücks gewährten. Ich verfolgte jede und als ich 15 Jahre alt und in Bleiden bindung einverstanden hatten wir uns neue Toilette Wilhelminens, die mich sonst konfirmiert war, gab er seine Praxis auf, doch unter ihren Augen zusammengefunden ! an der schönen Frau entzückt, mit Tadel. vermietete unser Haus und zog dahin, wo : Diese Annahme war aber ein großer Irr- Daß mein Schwager sich ohne Notwendighin doch meiner Mutter Sinn ſtand. Min- tum. Hermanns Werbung brachte uner feit Pferde hielt, daß Arthur seinen Pony chens Kinder waren von nun an in un wartete Auseinandersetzungen und Auf- hatte damit er sich rechtzeitig für ritterserer Familie die Hauptpersonen. Der regungen. Mein armer Vater war damals | lichen Sport interessiere , daß , um den älteste, Arthur, ist jest 25 Jahre alt und schon leidend an demselben Uebel, welchem geselligen Verpflichtungen nachzukommen, steht hier bei einem Garderegimente ; Sie er ein Jahr später erlag. Gedächtnis- jährlich ein Ball im Hotel gegeben wurde, haben ihn vor ein paar Jahren , als er schwäche quälte ihn und eine traurige Willen- daß man den kleinen Mädchen eine franherkam , einmal bei uns gesehen. Ein losigkeit machte es fast unmöglich, ernste | zösische Bonne anschaffte und Müllers hübscher blonder Mensch mit hochmütigem Fragen endgültig mit ihm zu verhandeln. selbstverständlich ihre Sommerreise machten , Wesen, der leider schon etwas verlebt aus- Mutter aber lehnte meine Verbindung mit alles dies, sonst Dinge, an denen ich mich ficht. Er war der Abgott aller seiner einem vermögenslosen Manne entschieden mit freute , reizte und verdroß mich jest Angehörigen, die Schwestern kamen neben ab. Sie sagte mir offen, daß sie nie ge- unsäglich. Als ich meiner Schwester einst ihm nie in Betracht. glaubt habe, Hermann Aschenberg könne eine Bemerkung über die weit gezogenen Charlotte brach ab und sah gedanken sich in mich verlieben, ich sei doch zu wenig Grenzen des Standesgemäßen und Notvoll vor sich hin. "Nun muß ich Ihnen anmutig. Sie habe mir gern den brüder wendigen hinwarf, blickte sie mich er von einer anderen Familic in Bleiden er- lichen Freund und guten Kameraden geschreckend an , ihr sanftes Auge feuchtete zählen, zu der ich von jeher in nahen Be- gönnt ; hätte sie an mehr gedacht , wäre sich, sie nahm meine Hand und flüsterte : ziehungen stand. Ich meine Pastor Aschen- | längst der Verkehr abgebrochen worden. Armes Herz ! Neid ? Gott wolle dich vor bergs , die besten, treuesten Menschen unter Ich sähe selbst, Vater habe die kleine Pra- solchen Regungen bewahren ! Dein Mißder Sonne. Herr Pastor war mein Lehrer ris hier in der Stadt seines Zustandes geschick schädigt deine Seele ; bekämpfe upfe und Berater , die Frau sorgte mütterlich halber auch aufgeben müssen. Wir seien tapfer solche unlautere Empfindungen ! O, für mich , während meine eigene Mutter ganz auf die Zinsen des früher Verdienten es ist ja schrecklich, zu denken eine Schwester, stets Minchen vorzog. Aschenbergs Tochter, angewiesen. Der Zuschuß, welcher Mül- welche der anderen die kargen Blüten des Lucie , ging früh zu einer schwächlichen lers versprochen sei , könne jest , wo sie Daseins nicht gönnt ! Ein Schauder schien Tante. Mit den beiden Söhnen jedoch, vier Kinder hätten, unmöglich gekürzt wer die schlanke Gestalt zu durchriefeln , und obgleich sie im Alter Wilhelminen näher den; sie müßten standesgemäß leben ; neue ich kam mir in diesem Augenblicke gering standen als mir , hielt ich treue Freund Verpflichtungen dürfe man aber nicht ein und tadelnswert vor. schaft. Beide studierten Jura. Der älteste gehen. Ich glaubte aus allem, was Mutter „Nach schweren Kämpfen mit mir ſelbſt war , als wir in die Stadt zogen , dort sagte und mir vorstellte, meine Schwester sagte ich mir dann doch immer wieder, angestellt, mit einer reichen Hamburgerin zu hören ; Wilhelmine hütete sich indes daß allen, Mutter, Schwester und Schwager verheiratet und hatte einen allerliebsten woht , ein Wort mit mir selbst über die das Gefühl der Gerechtigkeit fehle, und Jungen. Heinrich ist jest Landrat in geschäftliche Seite meines Verhältnisses zu daß Wilhelmine unter jeder Bedingung
!Von Not höchster .In Wergeland O.
Ose Werge land .
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.P. Dawant 2. on n V Auswanderer von Einschiffung
A. von der Elbe. 97 auf die Hälfte ihres Zuschusses zu meinen Gunsten hätte verzichten müssen. Diese Ueberzeugung, verschärft durch mein Her zensweh, trennte mich innerlich und äußer lich immer mehr von meinen nächsten Angehörigen. Der Zustand meines armen Vaters erforderte in dieser Zeit die sorgsamste Pflege und Bewachung , der ich mich vielleicht mit, um von den anderen frei zu kommen, gern unterzog. Wie oft saß ich tief betrübt , wenn Mutter in das Haus der Schwester gegangen war , um irgend etwas zu helfen oder den Kindern Gesell: schaft zu leisten , während das Ehepaar seinem Vergnügen lebte, an meines kranken Vaters Lehnstuhl! „ Im Sommer erlag der Leidende ; das gab für uns alle eine Aufrüttelung. Meine Schwester schien in Schmerz zu vergehen. Wenn man sie trösten wollte , hieß es: Laßt mich, ich bin nun einmal von solch reizbar tiefer Empfindung ! Ich glaube wohl, daß ihr mir den Jammer, der mich erschüttert , nicht nachfühlen könnt ; jede Seele ist anders befaitet. Nehmet das Geschäftliche an euch, ich bin völlig abgeſtumpft für die Alltäglichkeit , geradezu unfähig vor tiefem Weh! Wir hatten unterdessen alle Hände voll zu thun und ließen auch das Trauerzeug für Minchens kleine Mädchen bei uns machen. Ihr selbst lieferte es der erste Damenschneider des Städtchens faum gut genug. Eine Badereise der ganzen Familie nach Norderney zur Erholung der zarten jungen Frau, die so schwer um den Tod des Vaters gelitten , war die nächste Folge des Trauerfalls. Meine Schwester sah nie hübscher aus, als da sie in neuer schwarzer Toilette mit den Ihrigen ins Coupé stieg. Daneben der elegante Mann, der muntere Arthur, die drei blonden kleinen Mädchen , behütet von einer französisch plappernden Bonne. Meine Mutter hatte recht, es war ein interessanter Anblick! Im Herbst traf die Bitte vom Amtsrat Bartels, meiner Mutter Vetter, ein, ihm mit Rat und That beizustehen . Er war so augenleidend , daß er die Domäne ab geben und der guten Aerzte halber nach Berlin ziehen wollte. An die weibliche Pflege und Gesellschaft seiner verstorbenen Frau gewöhnt, schute er sich nach einer Gefährtin , einer Tochter , einem treuen, teilnehmenden Wesen. Man war in der Familie sogleich darüber einig , daß mir der Vorteil und die Annehmlichkeit dieses Plazes nicht entgehen dürfe. War meine traurige Miene denen, die mir unrecht gethan , ein lästiger Vorwurf? Ich ging gern; meine Mutter würde in Müllers Hauſe alles finden, was sie brauchte, mich entbehrte niemand , ich konnte aber dem Erblindenden vielleicht nüßlich werden. So kam ich hierher in Ihr Haus , liebe Tante Kleinschmid , wo ein neues Leben für mich begann !" „Zum Glück, gutes Charlottchen, habe ich von der grämlichen Bittrigkeit, die aus Ihrer traurigen Jeschichte spricht, gar nichts mehr an Ihnen gemerkt , was besonders für den armen , alten Herrn ein rechter Vorteil gewesen ist. “
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forschen , zu deuteln und zu fragen ? // Sie haben recht , Pauline , ich überErkenne doch , daß es nur Schonung wand mein Leid angesichts eines größeren . Aber hören Sie, wie es den Meinen weiter. von mir ist, wenn ich auf Dein banges, unruhiges Drängen nicht eingehe ! Er ergangen ist. Der Krieg vom Sommer 1870 soll sich auf einer Tanzpartie verdorben rief meinen Schwager hinaus ; er fiel als haben , die Krankheit trat heftig auf, Hauptmann bei Gravelotte. Ich weiß das Ende sei rasch und leicht gewesen ; nicht , wie Minna sich bei diesem großen das ist alles , was ich weiß ; laß es Dir Unglück benommen hat ; natürlich schrieb ich ihr , was das Herz mir eingab. Ich damit genug sein !" "Ich meinte schon ," seufzte die Zu war erschüttert , von Mitleid bewegt und dachte in diesem Augenblicke nicht mehr hörerin , // er sei an der unglücklichen Liebe an ihre selbstsüchtige Ungerechtigkeit gegen gestorben ; es soll immer noch vorkommen. " Charlotte beachtete diese Bemerkung mich. Ich hörte wenig von daheim ; meine Ich erkannte, daß Minchen recht Mutter war augenschwach geworden , und nicht. Wilhelmine schrieb immer ungern. Kurze, habe ," sagte sie mit ernster Sammlung. oberflächliche Mitteilungen schönselige Stil: Ich stand auch daheim niemand so blüten , wie ich früher diese Ausdrucks- nahe, um nach Hermanns Ende fragen zu weise nannte, bildeten unseren ganzen zu können . An seine Schwägerin Ernestine hatte ich geschrieben ; bei der mir bekannten sammenhang. // Vielleicht durfte ich bei der inneren Indolenz der verzogenen Frau war kaum Entfremdung nicht mehr erwarten. Im auf eine Antwort zu hoffen. Es erfolgte Frühjahre 1871 bekam ich den ersten ein- auch keine , und ich mußte mit diesen gehenderen Brief von meiner Schwester, wenigen Briefzeilen jenes traurige Kapitel der furchtbar inhaltreich für mich war . meines Lebens schließen !" " Was haben Sie denn jezt noch gegen Teilnahme und leise Selbſtanklagen trieben sie wohl dazu, mir so herzlich zu schreiben ; Ihre Schwester ? " "/Vielleicht ist alles, was ich gegen sie hören Sie, hier ist der Brief !" Charlotte zog aus dem Nähkästchen vor hatte und habe, eine Einbildung, aber das ihr unter der Handarbeit ein zerknittertes Mißtrauen ist da. Sie werden sich noch erinnern, Pauline, daß im zweiten Jahre Papier hervor, entfaltete es und las : Meine gute Lolo ! unſeres Hierſeins meine Mutter zum BeBei Deiner alten Anhänglichkeit für such fam. Es war, bald nachdem ich jene die Familie Aschenberg und Deinen Todesnachricht erhalten. Eines Tages benahen Beziehungen zu den Brüdern gann ſie, erst andeutungsweise, dann unwird die schmerzliche Kunde , welche ich umwunden mir zuzureden , ich solle mich Dir unter keiner Bedingung gedruckt zu einer möglichen Heiratsabsicht von seiten gehen lassen wollte , Dich tief erschüttern. des Amtsrats nicht abgeneigt zeigen. Es Ja, meine arme Schwester, unser teurer wäre eine schöne Festigung eures VerJugendfreund, Assessor H. Aschenberg hältnisses , meinte sie , und du könnteſt ist nicht mehr. Er erlag in der Blüte eine sehr reiche Witwe werden. Ich seiner männlichen Kraft einem Nerven erklärte mich mit aller Entschiedenheit daficber. Wir sind seinet- und Deinetwegen gegen. Als Tochter fühlte ich mich dem innig betrübt. D , wie hart sind die guten Onkel ganz nahe , als seine Frau Forderungen des Schicksals ! Es ist mochte ich mich nicht denken. Mein Herz mir selbst so sehr nach dem Scheiden zu that mir auch noch zu weh von Hermannš Mute ; was könnte auch einer Schwerge- Verlust. Nach der Abreise meiner Mutter prüften, wie ich bin, willkommener sein ? deutete der liebe , alte Herr in zarteſter Man muß versuchen , sich über allen Form auf jenen , ihm offenbar von der irdischen Jammer hinauszuschwingen und Mutter nahegelegten Plan hin. Ich gab in der Hoffnung, daß Dir dies Größte ihm zu verstehen, daß wir gut thun würgelingt, drücke ichDich in heißer Schwester den , unser schönes Verhältnis nicht zu Liebe tausendmal an mein Herz , als ändern, und er ist nie auf jene MöglichDeine mit Dir weinende keit zurückgekommen. Was war das gewesen ? Hatte meine Schwester den GeWilhelmine. " Einige Augenblicke vermochten beide danken gehabt, mich zu einer reichen ErbFrauen nicht zu sprechen. Die teilnehmende tante zu machen? Von jeher war ich Freundin wagte nicht, das Schweigen der gewohnt , alles , was Mutter wollte und Tiefergriffenen zu unterbrechen , die bei that , auf Wilhelmine zurückzuführen und der Berührung einer alten Wunde so sicht bei dieser irgend eine selbstsüchtige Absicht lich litt. Der Vorschlag meiner vorauszusetzen. „Minchens warmer Brief verföhnte Mutter hat, wenn auch weiter keine Folgen , so doch die gehabt , daß mein Vermich außerordentlich mit ihr, " fuhr CharChargen Lotte endlich fort, // gewiß hatte der furcht hältnis zum Onkel auf lange Zeit an Unbare Schmerz um den Verlust des Gatten befangenheit verlor , und daß mein ge= sie vertieft und geläutert. Ich schrieb ihr beffertes Gefühl für Minchen sich wieder sogleich wieder und bat um nähere Kunde ; trübte." „Nein, mein Charlottchen, " unterbrach sie antwortete nicht ; ich schrieb meiner vergeblich ! Endlich folgende hier die alte Freundin , ich weiß nicht, Mutter wie Sie mir vorkommen, immer mißtrauisch Zeilen von Wilhelmine : Meine arme Lolo ! und grämlich! So kenne ich Sie jar nicht! Willst Du denn unter dem schweren Ist aus Ihrer Heirat nichts geworden, Schlage nicht endlich stillhalten ohne zu wer weiß , wozu es gut sein mag! Ches 5
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Leute tanzen auch nicht allemal auf Rosen. | alten Försterei , einsamer sein als hier, Chestand , Wehestand ! Sie haben Ihr Kind !" meinte Pauline kopfschüttelnd. Herzenserlebnis gehabt , ein Mann hatte Dochnicht ganz . Ich behalte Saukes, sie gern; gibt's ein stilles , einsames wenn sie bleiben wollen. Es sind schlichte, Etündchen , können Sie sich mit freund aber brave Leute. Er war Vaters Kut lichen Bildern schmeicheln, was wollen Sie scher , solange wir in Bleiden wohnten, mehr? Hätten Sie ihn jekriegt , käme er heiratete aber schon einige Jahre früher Ihnen vielleicht nicht mehr so nett vor unsere Köchin Doris. Ihr Junge ist nach wie jest ! Mir ist's lange nicht so gut Vater genannt ; ich habe mich viel mit ihm geworden ; für mich hat nie einer geglüht ; umhergeschleppt, leider ist das arme Rudaber die Ohren laß ich drum nicht hängen. chen schwachsinnig geworden. Ich weiß, Mit bescheidenen Ansprüchen an das Leben diese Menschen sind nicht das , was man kommt man cher zur Zufriedenheit , als Anschluß oder Umgang nennt, sie werden Mein armer aber meine Intereſſen teilen , mir helfen, mit stetem Mehrfordern. Bruder hat die Liebesfreude, als er Djüst und ich kann für sie sorgen, vermag ihnen eine flotte Tänzerin seine Mutter den Trost zu geben, da bleiben zu können, nahm, recht büßen müssen. Ist nicht alles wo sie sind – dies alles wird11uns zu treuem Gold , was glänzt ! Ich habe mein Ge- Zusaminenhalten verbinden . ' schäft , habe die Hypotheken am Hause Gott gebe, daß Ihre Pläne ein gutes bald abgetragen , kann Ojüſten manchmal Ende finden, ich weiß nichts mehr dagegen 'ne kleine Freude machen, damit laß ich's einzuwenden ," meinte die alte Freundin. mir genügen. Die Arbeit, Kind, die thut Des Menschen Wille ist sein Himmeles ; wer arbeitet, ist nicht grämlich ! " reich !" Charlotte reichte ergriffen der zufriedenen alten Seele die Hand hinüber. Sie haben recht , Tante Kleinschmid ,' Charlotte ließ sich das Bleidener Kreisrief sie herzlich , " im Grunde denke ich blatt von der Expedition kommen und ebenso wie Sie. Und weil ich so denke, brachte so auf einfache Weise in Erfahrung, halte ich mein jetziges Leben hier nicht daß von seiten des Landratsamtes der aus. Ich mag nicht immer nur für mich Verkauf des Heiſterbusches auf Mitte April forgen ! Es ist zu öde , wenn man nie angesetzt sei. mand um sich sieht , mit dem man zuSie hütete sich wohl , der Schwester sammengehört. Vielleicht werden mir Wil- ihre Absicht mitzuteilen , da sie überzeugt helminens Töchter wert, vielleicht finde ich war, daß Wilhelmine allerlei dagegen einanderen Anschluß. Ich muß hinaus, muß wenden, ihr wohl gar Schwierigkeiten be wich_rühren , muß etwas angreifen , das reiten werde. Sie schrieb ihr nur , daß mir Lebenszweck und Ziel gibt ! Wir haben sie für kurze Zeit ihre Einladung annehme zu endlichem Wiedernur den ersten Teil von Minchens gestrigem und Anfang April Brief besprochen. Statt aller Darlegung sehen auf ein paar Wochen kommen meines Mißtrauens gegen sie , hätte ich wolle. Zugleich sprach Charlotte ein herzauch sagen können : das Leben in ihrem liches Interesse für ihre drei jungen Nichten Giebelstübchen ist noch thatloser als mein aus, bat die Mutter, ihr doch einmal recht hiesiges . Nein, Pauline, lange dauere ich eingehend von den Mädchen zu erzählen da nicht aus ; aber als Versuch, als Ueber- und ihnen freundliche Grüße auszurichten. Hierauf traf bald die Antwort Wilgang, warum nicht ? Wie Sie gehört haben, schreibt mir Wilhelmine von dem Verkauf helminens ein : „Meine Kinder sind selig , die ferne der alten Försterei . Ich weiß , daß verTante endlich kennen zu lernen. Arthur schiedene Ländereien, ich glaube Bruch und Wiesen, dazu gehören ; hier möchte ich verhat ihnen stets von Dir sprechen müssen. Was auf der Welt könntest Du mir suchen, etwas von dem ins Werk zu ſehen,// was ich oft mit Onkel Bartels studierte. Größeres und Lieberes erweisen , als Eie schilderte dann der aufmerksamen Zu herzukommen ! Bist Du da , wirst Du hörerin verschiedene Pläne und MöglichDich durch tausend füße Bande gehalten fühlen. Wir wollen miteinander im feiten , ertragfähige Anlagen gerade an einem solchen Punkte , wie die Försterei reichen Kreise austauschen, uns einleben, war, zu machen . vereint hoffen und lieben , und jede Stunde des Beisammenseins wie eine „Wenn das nur ein Frauenzimmer be forgen kann ," sagte die Puhmacherin behohe Gottesgabe genießen. Möchte sich alles erfüllen , wie ich es im Geiste denklich. Charlotte suchte die Zweiflerin ahnend vor mir sehe! Du wünschest zu überzeugen und versicherte , sie werde gewiß vorsichtig mit ihrem kleinen Kapital von meinen Mädchen zu hören. Die umgehen. "/ Da meine Mutter, als sie vor 21jährige Antonie ist geblieben wie sie war , von gesunder Natürlichkeit und sechs Jahren starb," fügte Charlotte hinzu, ihr Vermögen den vier Großfindern Frische ; sie möchte alles thun , alles zu gleichen Teilen vermachte, und Minna schaffen und kann, was sie will ; hübsch von dem väterlichen Erbe das Haus mit ist sie nicht, aber ungewöhnlich brauch bar. Man findet eine Aehnlichkeit mit Garten in Bleiden voraus erhielt, ist mir Dir , aber sie ist kleiner und blonder. kein bedeutendes Kapital zu teil geworden ; meine Mutter schrieb , ich sei durch mein Silvia ist mit ihren 17 Jahren ein reizender Schmetterling, die schönste von Verhältnis zum Onkel entschädigt, und den dreien , von hinreißender Grazie, dem ist ja auch so. " ihr Wesen wird Dich entzücken. Unser "/ Sie werden im Heiſterbusch, auf Ihrer
Lisbethchen wird eben konfirmiert sein, wenn du kommst ; sie ist nicht so schön wie Silvia, aber ein holdes Knöspchen, eine süße , kleine Puppenmama. Ich küsse Dich in Vorfreude und lasse Dich nie wieder aus meinen Armen. Deine Wilhelmine. " beglückte Dieselben widerstreitenden Empfindungen, welche Charlotte bei allen Aeußerungen der Schwester ergriffen , bemächtigten sich ihrer , während sie die Vorbereitungen zu einer möglichen Ueberfiedelung traf. Sie verwarf ihr Mißtrauen. Pauline Kleinschmid hatte recht , die Anlage dazu war ihr sonst ganz fremd , fie nannte diese Neigung selbst eine unwürdige Schwäche, und doch konnte sie die unwillkürliche Regung nicht bezwingen. Bald nach dem Briefe Wilhelminens wiederholte Arthur seinen Besuch. Charlotte war eben zum Ausgehen bereit und begegnete ihm in der Flurthür ; er schien etwas zu erschrecken, faßte sich aber rasch ; vielleicht hatte er gehofft, sie wieder nicht zu treffen , und folgte nun mit der Versicherung, daß er sich enorm freue , der Tante in das Zimmer. Er setzte sich und begann , während er sich halb zerstreut, halb geziert mit seinem Monokel beschäf tigte : „Also du denkst nach Bleiden zu übersiedeln, liebes Tantchen ? Mama schreibt natürlich entzückt. Ich finde - wie du mir nicht verdenken wirst es ist ein starker Entschluß deinerseits . Dergleichen bleibt ja aber Geschmacksache. Hast hier auch wohl ' ne ziemlich langweilige Existenz ? Vielleicht komme ich zu Pfingsten auf Urlaub. Kannst das Mama in Aussicht stellen ! Es gibt immer allerlei zwischen ihr und mir zu arrangieren. Sie hat keine rechte Jdec von den Anforderungen des großstädtischen Lebens , von dem, was ich meiner Stellung schuldig bin, von poſitiven Ansprüchen ! " Also deine Finanzen sind schon wieder in Unordnung, Arthur ? Du müßteſt doch endlich lernen Ich versichere dich , daß ich absolut nicht ertravagiere. Stände ich in irgend einer scheußlich kleinstädtischen Garnison, ´ ließe sich das Leben mit knapperem Zu schuß beschaffen ; aber hier ! in Berlin in der Jarrde !" Er war in Feuer geraten, sah frisch, belebt und sehr hübsch aus ; die blauen Augen blißten , und die weißen Zähne biffen zornig in die schwellende Unterlippe. Deine Mutter hat mit den Schwestern. die Stadt verlassen , Arthur ," erwiderte Charlotte ernst , sie ist nach Bleiden zurückgekehrt, weil sie dort billiger lebt, lediglich um deinen lebhaften Wunsch zu erfüllen und dich hier in Berlin erhalten zu können ; ich denke , du solltest dieses Opfer anerkennen und nicht fort und fort mehr verlangen ! " Tropfen auf ' en heißen Stein, Tantchen, versichere Dich ! die Alte denkt immer, sie thut etwas , ist aber hier ganz und gar nichts. Ich bin doch nun einmal in der Stellung und darf will ich meiner | Karriere nicht schaden - keinen Duckmäuser
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spielen. Soll ich allein immer frumm Liegen ?" Sprechen wir nun von etwas anderem, Arthur , diese Dinge mußt du doch mit deiner Mutter allein abmachen. Ich freue mich auf deine Schwestern ; stehst du gut mit den lieben Mädchen ?" Na, wie es kommt. Schwestern sind im Grunde langweilige Pflanzen . Toni, der Rotkopf, ist ganz brauchbar für meine Wäsche und Verpflegung. Silvia würde ich auf Leben und Tod die Cour machen, wenn sie mich nichts anginge ; ein schnei diges, bildschönes Geschöpf, nur ein bißchen reichlich lebendig und flatterig. Die Kleine, die Weihnachten immer ihre Nase in den Katechismus steckte, habe ich wenig beachtet, der Kinderstube ist man glücklicherweise entwachsen ! " Charlotte betonte noch, daß sie durch aus nicht daran denke, für immer in dem Hause ihrer Schwester zu leben , was der Neffe ziemlich gleichgültig aufnahm. Beim Fortgehen gewann er sich noch eine Höflichkeit ab : „Natürlich biete ich dir zu deiner Uebersiedelung meine Hilfe an," sagte er wichtig,,,Damen sind immer ein bißchen unselbständig. " Charlotte dankte lächelnd und dann trennte man sich, beiderseits wenig befriedigt. Während der Lieutenant die Treppe hinabstieg , schalt er innerlich auf seine Mutter , welche ihn dränge , hierher zu gehen. Es kommt nicht das mindeste dabei heraus ," murrte er, ungeduldig an seinem kleinen blonden Schnurrbart zerrend . Solch alte Jungfer ist zugeknöpfter als ein Geldjude und glaubt obenein , gute Lehren geben zu dürfen. Wozu so lang weilige alte Frauenzimmer wohl existieren ?” Unter dieser liebevollen Frage, auf die er im Bereich seiner Lebensauffassung keine Antwort wußte, verließ er das Haus und fand es nötig , sich von der lästigen Anstrengung dieses Besuchs bei einem guten Frühstück zu erholen.
So betrieb sie das letzte in froher Laune und stand zur verfrühten Frist reisefertig am Bahnhöfe. Arthur war benachrichtigt worden, hatte sich aber nicht wieder bei der Tante sehen lassen. Es that Charlotten nur insofern leid, als sie wußte, die Schwester werde lebhaft nach dem Sohne fragen, und nun konnte sie keine genügende Auskunft über ihn geben. Andererseits war ihr des Neffen Ausbleiben ganz recht. Ihre alte Freundin, die Kleinschmid, begleitete sie samt August Cormier , und mit diesen guten Leuten fonnte sie den hochmütigen jungen Gardeoffizier kaum zusammenführen. „Na, liebe Freundin, möge Ihnen Ihr Vorhaben nach Wunsch jelingen ," sagte Pauline , sichtlich mit Wehmut kämpfend . // Und wenn's nicht recht passen will, kommen Sie getrost zurück , bei uns werden Sie mit offnen Armen aufgenommen. Ist es nicht so , Djüst ? " "! Meine Verehrung für Fräulein Wiese schwingt sich stets in die Soffiten, " er widerte August, in theatralischer Stellung die Hacken zusammenschlagend. Charlotte sah ihn lächelnd an. Er stand ihr auf dem Perron mit jener be zeichnenden Haltung gegenüber, den Kopf bei stechendem Blick demütig gesenkt und die Arme in schöner Rundung erhoben, mit der er vor die Lampen zu fliegen liebte und den Beifall des Publikums herausforderte. Sie wußte , daß er dies seine unwiderstehliche Attitüde" nannte und wunderte sich nur , daß er nicht das cine Bein weit nach hinten von sich streckte. Er prägte sich so ihrem Gedächtnisse ein, und sie versicherte , daß sie ihm stets ein gutes Andenken bewahren werde. Ihre Freundschaft , liebenswürdige Nachbarin , macht mich glücklich , " rief er begeistert, " vielleicht überfalle ich Sie mal in Ihrem Dings da, Tante Paulchen wird doch immer Ihre Adreſſe wissen ? Es ist noch nicht aller Tage Abend , mein Stern ist noch im Aufsteigen und ein Jaſtſpiel in Hamburg nicht ausgeschlossen. " „ Das wäre ja sehr hübsch und würde mich herzlich freuen !" „In Krähwinkel muß man doch auch einmal jewahr werden, was Frazie heißt !" rief er und konnte die Anwandlung zu einem Entrechat nicht ganz unterdrücken. Einsteigen, meine Herrschaften ! " rief der Schaffner . Pauline umarmte die Scheidende ; die Brille lief der Alten von Thränen an, welche in großen Tropfen über ihre gelb lichen Wangen rollten. „ Na, Liebe, Treff liche, nur ja nicht grämlich, " stammelte die treue Seele, und fix in die Arbeit ' rein ! Arbeit ist das Beste ! " Charlotte stand am Coupéfenster ; auch ihr wurde es schwer ums Herz. Zehn Jahre, ein gutes Stück ihres Lebens , bestehende , bequeme Verhältnisse ließ sie hinter sich, von dem Drange nach mehr, nach kräftigem Vorwärts getrieben was würde die nächste Zeit ihr bringen ? Würden ihre Verwandten so treu zu ihr halten wie diese langjährigen Hausgenossen?
Der Zug sette sich in Bewegung ; Paaline schluchzte ins Taschentuch, der Neffe reichte ihr den zierlich gebogenen Arm, lüftete grüßend den Hut und führte die alte Dame hinweg. Die Reisende lehnte sich in die Ecke zurück und ließ noch einmal den Abschnitt ihres Lebens, den sie eben schloß, vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen .
* * Es schien Charlotten am besten, ihre Einrichtungen so zu treffen, daß sie jederzeit zurückkehren konnte, falls sich ihr Plan, den Heisterbusch zu erwerben, zerschlagen würde. Sie richtete ihre Habe zum Transport her und traf mit der Kleinschmid das Abkommen, die Wohnung bis zum ersten Juli behalten zu wollen , und im Laufe des April zu kündigen oder wieder zu mieten. Die verpackten Sachen sollten, sobald sie darum schrieb, nachgesandt werden . Mit der ihr natürlichen Raschheit hatte Charlotte alle Geschäfte erledigt, und fand sich nun in der Lage , einen Tag früher abreisen zu können , als sie ihre Ankunft der Schwester gemeldet. Es war ihr gar kein unlieber Gedanke, ohne Empfang in der alten Heimat anzukommen. Sie fand wenig Freude daran , gefeiert zu werden und glaubte doch aus den Briefen WilHelminens die Absicht zu dergleichen heraus zu lesen. Wie angenehm , wenn sie diese Pläne rasch zu durchkreuzen vermochte.
Der Zug brauste dahin ; gegen Abend wurde Charlotten die Gegend bekannter. Man erreichte den Bahnhof der Provinzialſtadt, von der aus sie vor zehn Jahren tief betrübten Herzens nachBerlin gegangen . Nach der zweiten Station kam Bleiden ; es war eine neue Bahn , und Charlotte wußte nur, daß der Bahnhof ziemlich weit vom Hause ihrer Schwester entfernt liege. Gespannten Blicks wünschte sie sich zurecht zu finden und suchte nach Anknüpfungen . Da schimmerte der breite Strom der Elbe mit seinen weißen Segeln jenseits des Deichs herüber, eine Biegung verdeckte das Bild; die Sonne sank immer tiefer . Ein schönes Purpurrot flammte am Himmel auf, und getaucht in dies freundliche Licht lag jcht der Flecken ihrer Geburt drüben. zur Seite in seinen Feldern, Wiesen und Gärten, mit Baum und Busch umkränzt, die eben in einem leisen Anflug des ersten Grün schimmerten. Ja , das war der schlanke, wohlbekannte Kirchturm , das der Amtssitz auf der kleinen Anhöhe mit den alten Kastanienbäumen und drüben gings nach dem Heisterbusch, wo nachmittags Kaffee zu trinken eine festliche Erholung für sie gewesen. Mit welch ungetrübter Empfindung dachte sie jest an die Ihren! Der Zug hielt. "/ Station Bleiden ! " Nur wenige Menschen auf dem kleinen Perron. Charlotte wollte die Coupéthür aufreißen, wollte so rasch sie konnte hinausWarten Sie," rief ihr der springen. Schaffner zu , hier ist Kreuzung!" Sie lehnte im Fenster und verfolgte lebhaft gefesselt alles was geschah. Fand sich denn gar kein bekannter Mensch unter den kommenden und gehenden Leuten ? Auf dem Geleise zwischen ihr und dem Perron fuhr jetzt der von Hamburg kommende Zug ein. Vor ihr hielten nur flache , offene Wagen , so konnte sie ein ganzes Stück des Perrons übersehen. Da — was war das ? durfte sie ihren Augen trauen ? War's möglich ? Erstanden die Toten ? ´ Er wirklich er ? Sollte sein Bruder ihm so merkwürdig ähnlich geworden sein ? Nein , jest sprach er mit der ihr unvergeßlichen Handbewegung : er nahm den Hut ab, sein Haar flatterte um die hohe Stirn ; es war Hermann — ihr Hermann - das konnte niemand anders sein als Hermann Aschenberg , der totgeglaubte ! Sie mußte sich anflammern, um nicht zu sinken ; das Blut jagte in Stößen durch ihre Adern, nur nicht ohnmächtig werden, nur sehen, sich überzeugen! Der Herr auf dem Perron ging an der Seite eines jungen Studenten, mit
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dem er hastig sprach, drei kleine Knaben | legenen Häusern vorbei und bog jcht in | beherrschung an. //Denken Sie , ich hielt hielten sich bei den Händen und gingen die Hauptstraße des Fleckens . Charlotte Sie für tot !" dicht hinter den Voranschreitenden. Der zwang sich , umher zu blicken , etwas zu tot ?" fragte er und blickte „ Mich Student nahm Abschied, liebkoste die Kleinen sehen , das sie aus ihrer immer wieder: fie an, als fürchte er , fie rede irre. und sprang in den Wagen. Hermann kehrenden inneren Starre aufrüttele. „ Ja, es muß ein großes Mißverständblieb grüßend auf dem Perron stehen, die War es denn wirklich möglich, daß hier nis meinerseits gewesen sein. Ich glaubte, Kinder in artiger Reihe neben ihm , der der Totgeglaubte an ihrer Seite ging, daß Ihr Bruder Heinrich lebe hier mit seiner Zug brauste davon. Hermann der Landrat von Bleiden war, Familie auf dem Amte. " Der gute Heinrich iſt vor neun Jahren Wirbelnd schossen Empfindungen, Ge- und nicht Heinrich, der erste Mann Erne danken und Fragen durch Charlottens Hirn. stinens ? Welche Gründe konnten Wil- am Nervenficber gestorben , und ich habe Wie war dies möglich? Sie mußte frank helmine beſtimmt haben, ihr jenen Schmerz meine Schwägerin Ernestine wieder ge= sein , sie sah Traumbilder ! Ein Spuk und diese Erschütterung zu bereiten ? Um heiratet. Aber daß Ihnen dies alles fremd äffte sie ; eine Sinnentäuschung! Es konnte ihre Heirat mit dem Amtsrat zu fördern ? ist ?" - Er stockte, er hätte beinahe hinzuja nicht wirklich sein ! Sie hatte die Todes- Ja , das hatte die Schwester gewollt und gefeht, Sie sind rasch sehr gleichgültig gegen erstrebt ! Plöglich ein Licht ; in der Ihrer Freunde Schicksal geworden . nachricht von der eigenen Schwester Sie mochte seine Gedanken erraten. Wilhelmine konnte dergleichen nicht er- Todesanzeige stand der Vorname nicht ſinnen ! Sie griff doch sonst niemals plump ausgeschrieben ; war's auf eine Täuschung , Wilhelmine hat mir von dem leteren - unvorsichtig ein. Es war eine undent abgesehen gewesen, und war Charlotte in nichts mitgeteilt !" rief fie hastig. "/ Ueber Sie und Ihre Absichten war bare Lage. Was that sie nur, wie hielt die Falle gegangen ? Oder traf Wilhelsie diesem Unerhörten stand ? mine feine Schuld, hatte ihr eigenes Herz, die Frau von Müller stets wohlunterrichtet. Die Coupéthür wurde jetzt aufgerissen, das nur an den einen dachte , dies Miß- Ich erfuhr von ihr , daß Sie sich mit die zitternde Ungewißheit in Charlottens verständnis veranlaßt ? Ja , so und nicht Ihren Verwandten , dem Herrn Amtsrat Seele gewaltsam gelöst, sie stand draußen, anders mußte dieser entsehliche Irrtum Bartels, verbinden würden." // Das hat Sie Ihnen gesagt ?" taumelnd , fast überwältigt , Tasche und entstanden sein ! Sie erinnerte sich deutlich aus sonderbarer Scheu ſelbſt "Ja, mit aller Bestimmtheit !" Schirm krampfhaft festhaltend. Beide waren stehen geblieben und fahen "!Wie, heute schon, Fräulein Wiese ?" keinen Vornamen genannt zu haben. Sie fragte eine bekannte Stimme an ihrer hatte auch an Ernestine nur von dem sich in die Augen. Jugenderinnerungen, Seite, die ihr ganzes Herz erbeben machte. schweren Verlust, dem teuren Verstorbenen, die in ihren Seelen emporstiegen , ge" Sie werden erst morgen von der Frau dem Heimgegangenen , dem Verblichenen kränktes Gefühl und Mißtrauen kämpften Hauptmann erwartet !" geschrieben. Aber fort mit diesen Grübe in ihnen. Sie fanden sich auf einem ganz später ; sie mußte um neuen Punkte wieder, es lag zu viel zwiCharlotte ſtarrte empor und in sein Ge- leien ! Später sicht, es war vollkommen ruhig ; das gab ihr sich blicken, sehen — neue Gedanken fassen, schen ihnen, an Verständigung und freundctwas die Fassung zurück. Ich wurde zu ihm , der auch stumm an ihrer Seite schaftliches Einlenken war noch nicht zu früher fertig," stammelte fic. Sie unter ging, sprechen. Da war der öde Markt- denken. Sie wandten sich voneinander ab brach sich dann und sah ihn wieder scheu plat, auf dem zwischen den runden Pflaster- und schritten still nebeneinander in dem an : ich denke, ich komme meiner Schwester steinen im Sommer so viel Gras wuchs. dämmerigen Heckengange dahin. Die Kinder Rechts lagen Kirche und Predigerhaus, hinter ihnen begannen zu schwatzen und zu auch heute gelegen ! " Sie werden bei uns kaum noch Be- drüben bei der Apotheke teilte sich die lachen ; // still ! " herrschte sie der Vater an. Straße. Welch kleine, hellfarbig getünchte Sie scheinen ein sehr gestrenger Papa scheid wissen, darf ich Sie begleiten ?" Sie nichte ; er gab dann ihren Gepäck Fachwerkhäuser , vor denen verschnittene zu sein," mcinte Charlotte, mit dem Verschein und die Tasche ab , während sie noch Linden und Gartenbänke neben den Haus- such, einen leichten Ton anzuschlagen. Da knurrte er verbissen in sich hinein : immer schwindelnd dastand , dann trat er thüren standen , und wie niedrig diese wieder zu ihr. Als sie sich anschickten zu Thüren und Fenster waren ; konnten wirt // Mir bleibt nichts anderes übrig ; Ernegehen, wandte er sich zu den drei kleinen lich ausgewachsene Menschen hier wohnen ? stine ist ganz apathisch ; sie war ja immer Knaben, die sich auf dem leer gewordenen Ja gewiß , denn hie und da sah einer so, und seit sie die kleinen Kinder hat, mag Perron jagten. Zur Riege ! " fomman mit behaglichem Gesicht aus dem engen sie sich gar nicht mehr rühren ; höchstens dierte er mit trockner , durchdringender Fenster oder saß im Abendfrieden auf der um das jüngste kümmert sie sich. Mamsell Stimme. Die erschrockenen Kleinen faßten Bank. Der letzte rosige Schimmer zitterte Nike // Ah , die lange Nike Truhlsen aus sich wieder zu einer Kette an den Händen über die Dächer, über die erst spärlich be, ist die auch noch bei Ihnen ?" Hamburg laubten Bäume und blinkte im Zierrat des und schritten stumm hinterher. fragte Charlotte dazwischen. Charlotte konnte nicht unterlassen, sich Kirchturms. umzublicken. Die Knaben erinnerten fie Ich denke , wir wählen die Hecken„ Gewiß , meine Frau konnte ja nie an eine Reihe Puppen , wie man sie für gaffe," sagte Hermann ; er bog von der ohne sie fertig werden. Sie nörgelt den Kinder aus einem zusammengefalteten Stück Straße ab und zwischen zwei Häusern ganzen Tag mit den Kindern, so daß sie Papier schneidet , und kamen ihr in der hinein. Charlotte wußte, daß dieser Gang, immer widerspenstiger werden, da muß ich Gleichheit und Wohldressiertheit so komisch neben Gartenhecken herlaufend , sie auf strenge Zucht hinein bringen, sonst ist gar vor , daß der Zauber , unter dem sie ge- einem kleinen Umwege an das Elternhaus keine Ordnung mehr zu halten. Ich habe standen, sich in einem Lächeln brach. Sie bringe ; weshalb verließ er mit ihr die nun ein bestimmtes Kommando und stelle konnte jest zu Hermann aufblicken und gerade Straße ; war ihre innere Bewegung sie zur Riege, wenn das Kroppzeug zu fragen : Sind das Ihre Jungen ?" vielleicht noch immer augenfällig ? Ein weitläufig wird." Wie alt find denn die Kinder ? " fragte „ Ja ," sagte er etwas mürrisch , die peinliches Gefühl der Scham durchrieselte sie; sie mußte ihm erklären, weshalb sein Charlotte freundlich, während sie sich um erste Niege. " Es wurde Charlotten doch wieder ganz Anblick sie so tief ergriffen . Er wußte wandte und die erschrockenen Gesichter der wirbelig, und Ihre Frau ?" bebte es von ja, daß sie erwartet werde, deshalb konnte kleinen Jungen teilnahmsvoll betrachtete. ihn das Wiedersehen nicht überraschen, Diese standen jezt vor ihr , wagten noch ihren Lippen . //Ernestine ist noch immer nicht beweg auch war er als glücklicher Gatte und nicht , sich loszulassen und sahen verdußt licher, als Sie sie kennen. Ich wünschte, Vater wohl längst über jede Erinnerung und blaß in dem schwindenden Tageslichte Der älteste gehört in sie solle Theodor, meines Bruders Sohn , an ihre Jugendwünsche hinaus ; wie felt zu ihr empor. der heute nach Göttingen zurückkehrte, das sam mußte er sie finden, wie sentimental, die Mitte," erwiderte der Landrat in dem . selben pedantisch harten Ton, den er stets Geleit geben, ich hätte ja gern für sie an- und doch lag davon gar nichts in ihr. „Ich war sehr erschrocken, Sie zu sehen, annahm , wenn er mit den Kindern verspannen lassen, aber sie wollte nicht. " Man kam an kleinen in Gärten ge- Herr Landrat," hob sie mit großer Selbst: | kehrte. „ Er heißt Heinrich nach meinem
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Bruder und ist sieben Jahre alt, alle anUnd wie groß ist noch Ihre kleine Fa- teln , wozu diese träumerische Hingabe! deren sind immer ein Jahr jünger." milie zu Haus, Herr Landrat ? " fragte sie Aufspringend eilte sie die Stufen hinunter und ſtand nun wieder auf der Straße, Charlotte sprach freundlich mit den endlich mühsam. Er fuhr auf : „ Noch zwei , aber die die Vorderseite des Hauses überblickend . Knaben und hielt dem ältesten die Hand hin zum Hineinschlagen ; er wagte aber Riege ist unterbrochen, das jüngste ist ein Es war ein bescheidenes, einstöckiges Gebäude, infolge der vorspringenden Treppe feinen bevorzugten Platz zwischen den Brü- Mädchen. " derchen nicht aufzugeben , sah scheu zu Charlotte lachte so laut auf , daß sie ein paar Schritte zurückliegend, auf jeder Was Seite der Hausthür drei Fenster , von seinem Vater hinüber und murmelte Un selbst vor ihrem Ton erschrak. verständliches auf Charlottens gütiges schadet's , da machen sie ein kleines Ama- denen immer das erste zur Diele gehörte. zonencorps ! Wie geht es denn Ihrer Ein grün gestrichenes Lattenſtaket trennte Fragen. Lassen Sie uns weitergehen ," sagte guten Schwester Lucie ? Ich hörte sehr das ganze Anwesen von der Straße. Links führte ein Thor zu Stall und Remise für Hermann ungeduldig ; Sie sehen , die lange nichts Näheres von ihr. " den Einspänner des Doktors . Rechts ging Dämmerung bricht herein ; bleibe ich unSie fungiert als Stüße." eine kleine Thür auf den Hof, wo unter gewöhnlich lange mit den Kindern fort, Könnte sie nicht Ernestinen - ?" „Wo denken Sie hin ! Das würde der großen Linde die Pumpe mit dem wittern sie zu Hause ein Unglück. " schweren Eisenschwengel und dem SteinSie gingen. Waren denn alle Brücken die Truhlsen nicht leiden. " zwischen ihnen abgebrochen ? War es mögEndlich waren sie am Ziele. Ja, da troge stand , hier lag die Hauswand nach lich, daß sie, die sich einst so viel gewesen, lag das liebe elterliche Haus ; wie hatte Süden und war mit Wein bewachsen, der jeht beiderseits nach einigen höflichen Worsie sich oftmals nach diesem Anblick ge- Hof zog sich um das ganze Haus , und dahinter breitete sich ein großer, cinträg sehnt ! ten für einander suchen mußten ? Er hätte gern etwas Näheres über die Hermann Aschenberg empfahl sich ; ein licher Garten. Nach vorn war kein Schein von Licht seltsame Verwechselung mit seinem Bruder kurzer Handschlag, dann trennte man sich gewußt , fürchtete aber , daß sich Erinne scheinbar gleichgültig, eigentlich beiderseits zu sehen, aber Charlotte, mit der inneren rungen an frühere Verhältnisse und Be- erleichtert. Sie sah ihn mit seinen stetig Einrichtung des Hauses bekannt , wußte ziehungen nicht würden vermeiden lassen. wandelnden kleinen Trabanten in der Straße auch, daß sie die Ihrigen in den vorderen War er's doch, der durch seine Heirat alles zum Amthause hinaufgehen und im Abend : Zimmern nicht suchen dürfe. Innen ging abgeschnitten. Während er stumm neben grau verschwinden. die Treppe zum Boden und Giebelstübchen ihr hinschritt, die er seit den Kindestagen Charlotte wandte sich ; sie war ganz der Hausthür gegenüber hinauf und teilte lieb gehabt, wirbelten Gedanken und Bil- allein , nächtlicher Frieden, wohin sie sah ; die Räume in zwei Hälften. Nach vorn der durch seine Seele : sein Bruder auf nur in ihr selbst nicht, da wollten Fragen lag je ein kleines Zimmer, welches rechts dem Totenbette, wie er ihn gebeten, Weib und Kämpfe nicht zur Ruhe kommen ! In der Mutter gute Stube, links des Vaters die freund dieser erregten Stimmung empfand sie es Arbeitsraum gewesen. Neben dem Pußund Kind nicht zu verlassen ; liche Wilhelmine , wie sie ihn angelächelt als eine Unmöglichkeit , das Elternhaus stübchen zog sich das geräumige Eßzimmer und gesagt : „ Unsere liebe Lolo macht eine zu betreten und ihre Schwester wiederzu durch die Tiefe des Hauses , und dann kam die Erwägung, daß sehen. brillante Partie !" die Küche; auf der anderen Seite lagen Zur Hausthür führten drei steinerne die Schlafräume. In der Eßstube hatte Ernestine unselbständig und hilflos und ja , das war's auch Stufen hinan , zu beiden Seiten standen die Heimkehrende ihre Verwandten zu sehr reich sei gewesen , was ihn nach der jämmerlichen auf denselben grüne Gartenbänke von un- suchen, das wußte sie. Zwei Fenster gingen Trennung, feiner Armut halber, zu dieser gleicher Beinlänge . Wie oft war sie als von da aus auf den Hof ; vielleicht konnte Heirat gedrängt. Und nun mußte es auch Kind auf denselben umhergeklettert und sie von hier aus sehen , ohne gesehen zu gut und recht sein ; er wollte seinen Mann hatte später mit dem Vater hier gesessen, werden . Charlotte öffnete die kleine Lattenthür stehen dieser albernen Anwandclung gegen wenn er abends seine lange Pfeife vor der über, sein Haus war voll und wohlhabend ; Thür rauchte und dem einen oder anderen rechts und schritt unter der Linde hin wenn die Kinder in Zucht heranwuchsen, herzutretenden Bekannten ärztlichen Rat auf die beiden erleuchteten Fenster zu, mußte sich alles glatt und nach Wunsch ge- gab. Mit tiefem Atemzug ließ die Heim- welche ihr sogleich in die Augen fielen . Sie konnte eben zwischen Blumentöpfen stalten. Nur keine gefühlsselige Schwäche ! fchrende sich hier nieder. Sein Blick streifte die Gefährtin, das Sie fann ihr Leben noch einmal durch. hindurch und unter dem nicht ganz herabAbendlicht ließ noch eben ihre Züge er Die Begegnung mit dem einst Geliebten gelassenen Rouleau weg ins Zimmer sehen. Der Eßtisch nahm , wie früher , die kennen, sie ging gesenkten Hauptes neben gab ihr viel zu denken. Wie waren sie ihm. Schön war sie ja nie gewesen , und so weit in den Jahren der Trennung aus- Mitte ein, helles Licht fiel von der Hängedoch die alten bekannten Züge , die auf einandergewachsen. Sie hatte an der Seite | lampe auf die Gruppe unter derselben . Der Spähenden Blick wurde vor allem rechte, feste Haltung. Vielleicht war aber des geistesfrischen Blinden , dem sie eine auch sie bequem , schlaff und langweilig treue Gefährtin gewesen , die Ruhe und von der Schwester angezogen . Wilhelmine geworden. In den Weibern stecke einmal Sufriedenheit der Seele wiedergefunden. saß rechts in einem niedrigen , nicht ganz kein Kern, kein Wollen ; ja, das schwache Wenn beides auch bei der Erzählung ihrer nah an den Tisch gerollten Lehnstuhl . Wie Geschlecht ! Wie oft sagte er sich das zu Schicksale erschüttert worden , fühlte sie wenig hatte sie sich verändert! Mit HerzHause und vergrub sich achselzuckend in doch, daß sie nach jenen Prüfungen erstarkt klopfen betrachtete die Ankommende das feinem Arbeitszimmer . sei , daß sie sich über den Jammer der Antlig der ihr so nahestehenden Frau . Charlotte kehrte immer wieder zu der damaligen Zeit erhoben und auf sich ge- Das dunkelblonde Haar schmiegte sich noch Frage zurück: Wie ist dies Mißverständ: stellt habe. Und nun er ! Er , der einst in demselben anmutigen Wurf um den nis möglich gewesen ? " Trage ich selbst so offene , freimütig heitere Mann ! Was feinen Kopf, den jezt ein kleines Spizenin meiner Verblendung die Schuld daran, hatten diese Ehe , diese Häuslichkeit für häubchen schmückte. Wie rein und schön oder J ? Konnte sie mit Wilhelmine einen mürrischen Pedanten aus ihm ge- das Profil , wie reizend die Bewegung hausen, freundlich mit ihr verkehren, wenn macht ! War das derselbe, den sie so heiß der Hände ! Frau Minchen flocht auf einer diese absichtlich ? Nein, nein, sie wollte, geliebt ? Wenn ſie sie nein, dem Gedanken weißen Schürze , die sie über ihre Knie sie durfte der Schwester nicht unrecht thun. durfte sie nicht nachhängen, ach gewiß, er gebreitet hatte , ein Gewinde von Epheu, Ihre brave Pauline hatte sie eindringlich wäre ein anderer. Doch mochte er sein, Buchsbaum und Schnecglöckchen, das schon davor gewarnt. Aber sie mußte ja mit wie er wollte, die Teilnahme für ihn würde bis zur Erde herabhing; aus einem neben ihm sprechen, der stumm neben ihr ging ; nicht erlöschen , er konnte ihr nie ein Frem- ihr stehenden Korbe nahm sie Zweige und Blumen. wie peinlich dieses schweigende, traumhafte der sein ! Dahinschreiten im Dämmerlichte zwischen Nun aber mußte sie weiter , mußte Ihr zunächst saß ein jugendlich zartes den Gartenhecken ! den Eindruck, der sie beherrschte, abschütz | Kind, es mußte Lisbeth sein. Sie hatte
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den Kopf auf beide Hände gestüht, hielt sich | jeder Vorwurf , jedes Bedenken in der deckten Taubenaugen , während ihre Gedie Ohren zu und lernte augenscheinlich großmütigen Seele der Heimkehrenden. stalt sich mit tiefem Atemzuge unwillkürhalblaut aus einem Buche , das vor ihr Sie war wieder im Elternhause, im Kreise lich hob. Jest sprachen wahre Teilnahme auf dem Tische lag. Das hellblonde Haar der Ihrigen, das natürliche Band konnte und Empfindung aus dem Wesen der des Scheitels schimmerte silbern unter dem nicht zerreißen, mochte sie auch ihrer Eigenschönen Frau. Lampenlichte , die weiße gesenkte Stirn, art nach die Eigenart der Schwester nicht „Ich kann nicht viel von ihm berichten,“ antwortete Charlotte zurückhaltend . mit den schwachen Linien der Brauen, verstehen oder gar verurteilen . „Welche Ueberraschung , meine süße „Kurz vor meiner Abreise habe ich ihn das feine Näschen , die weiche Form der schmalen Wangen , ließen das Gesicht noch Lolo!" stammelte Wilhelmine bewegt. nicht gesprochen." „Wie , ist er nicht zur Bahn gekom„Welch ein Geschenk , dieser Tag früher! ganz kindlich erscheinen. An der linken Seite des großen Tisches Freut euch mit mir, meine Kinder. Welch men?" Er hat den Tag meines Fortgehens stand, frei herangerückt, der Charlotten wohl ein Fest der Liebe du uns bereitest ! Gekaum gewußt. " bekannte plumpe Diwan aus des Vaters fegnet sei dein Eingang !" „Ah richtig , du bist früher gefahren Stube, mit der geraden , gleichmäßig an Charlotte war wirklich ergriffen , ihr drei Seiten herlaufenden niedrigen Lehne . Herz schwoll in warmer Hingabe, sie hätte als du wolltest. Und dann haben die Ihr den Rücken wendend , beschäftigte sich in dieser Stunde viel für die Schwester jungen Offiziere auch so sehr vielen Dienst, eine untersette Mädchengestalt an dem opfern können ; ihre redliche Seele schim- ich kenne ja die militärischen Verhältnisse selben. Ah , sie bürstete die blonden Haar- merte aus den thränengefüllten Blicken, aus der Zeit meiner Verheiratung. " Sie wellen, die von einem aufgelegten Köpfchen welche sich eben in ein Paar große, kluge fügte noch eine Schilderung von Arthurs über die Seitenlehne fielen. Es war Sil- Mädchenaugen senkten , die forschend zu Leben hinzu , die sehr wenig der Wirkvia , die da ausgestreckt lag und sich das ihr emporfahen. Antonie drückte ihre Lip- lichkeit entsprechen mochte, wie pflichttreu, Haar von der Schwester bürsten ließ. pen auf der Tante Hand ; die beiden hatten wie sehr in Anspruch genommen er sei, niemand kenne sein Herz, sein ganzes Die Zuschauerin sah wenig von ihr , sich gefunden. aber die Gruppe fesselte sie doch. Jezt "1 Nimm Lolo Hut und Mantel ab, Wesen so wie sie , er sei ein goldener erhob sich eine zarte Hand und ein tadellos Tonchen. Nun komm, Schwesterherz. Sieh, Junge, ein ganz herrlicher Charakter. „ Ja," geformter Arm, von dem der lose Aermel dies Gewinde sollte morgen deine Thür schloß sie ihre bewegte Rede , //mit tiefdes gestickten Frisiermantels zurückfiel ; zieren. Räumt ab, Kinder. Die Blumen empfundener Zustimmung sehe ich den dann ein Füßchen in glänzend schwarzem hinaus . Besorge uns rasch den Thee, einzigen Sohn auf seinem ersehnten und Schleifenschuh , der aus dem Kleidersaum Antonie. Und du Lisbeth , hast du denn ihm angemessenen Plaze. Ich weiß, wir emportauchte; nun folgte der andere Fuß , die liebe Tante schon geküßt? Wo bleibt Leute in der Provinz haben keine Fühlung die beiden fingen auf der inneren Seiten Silvia? Unser Schmetterling ist davon mit dem großen Pulsschlag des allgemeinen Lebens, wir können daher nicht ablehne , auf welche die Lauscherin blickte, geflogen. " ihr trippelndes Spiel an. Mittlerweile Charlotte fand sich in der Ecke des urteilen. Arthur füllt seine Stellung aus, hatte die Schwester das reiche blonde Haar alten Diwans , Wilhelmine saß neben ihr mag die Mauserzeit seines Geistes noch in zwei Zöpfe geflochten. und hielt ihre Hand : Wie glücklich bin nicht ganz beendet sein , er wird sich zu Silvia flog , vielleicht auf ein Wort, ich, meine Lolo ! Unser Geschick wird ver- einer glänzenden Zukunft durchringen, das welches die Draußenstehende nicht hörte, eint bleiben , ich fühle es mit aller Be- ist meine heilige Ueberzeugung ! " empor, aber nicht auf die Erde, sie stand stimmtheit. Das Sichbewußtwerden der Charlotte war mit vielen, guten Worten . im Diwan und hüpfte wie ein Kind darauf Herzenserrungenschaften des Lebens gehört und Umarmungen von der Schwester in hin und her. Nun sprang sie sogar mit zu den Höhepunkten des Daseins. Wir das gepriesene Giebelstübchen eingeführt Leichtem Satz auf die Lehne, nahm in jede fönnen uns gegenseitig sagen , daß wir und mit den freundlichsten GutenachtHand einen ihrer schweren , goldblonden nichts von der Jugendfrische der Empfin: wünschen verlassen. Die neu Einziehende Zöpfe und hielt ihn mit weicher Armbewe- dung für diese Freuden verloren haben !" hatte nach der Schwester Verheiratung gung über die Schulterhöhe ausgebreitet, Ein helles Lachen aus halb geöffneter schon mehrere Jahre hier gewohnt und so daß es fast aussah, als habe sie Flügel . Thür, und herein tanzte Silvia , die sich nahm der Empfindung nach wieder von Ihre rosigen Lippen bewegten sich dabei mit dem Gewinde der Mutter behängt ihrem Eigentum Besitz. Ihr schien's, als Lachend und plaudernd. Drohte die Mutter hatte. Sie gaukelte beweglich vor der An kehre sie im weiten Streise auf den Ausauch mit dem Finger, so sah sie doch be- gekommenen hin und her , löste sich ge- gangspunkt zurück. Ein Ueberblicken des schickt aus der Blumenkette , schlang diese beschrittenen Weges drängte sich ihr auf, friedigt zu ihr empor. Lisbeth rührte sich nicht , sie mochte um die Tante und rief: Sieh, so halten und so fühlte sie sich immer wieder zum des Spieles gewöhnt sein ; Antonie blieb wir dich! " Dann neigte sie sich und küßte Grübeln über der Schwester Handlungsauf ihrem Plake und sah den Pas der der Sigenden Stirn und Wangen. Diese weise geführt. Jeht dem Bann von WilSchwester zu, sie schienen miteinander zu war überrascht und bezaubert. Sie meinte, helminens Liebreiz entronnen , stand das scherzen. Endlich, behenden Sprungs, stand solche Anmut noch nie gesehen zu haben. geistige Wesen der gewandten Frau, ohne Antonie trug auf großem Brett Thee den Schmuck, welchen sie um dasselbe zu Silvia auf der Erde , hüpfte auf ihre Mutter zu, umhalste diese, wirbelte durchs und Zubehör herein , Lisbeth folgte mit hängen wußte, klar vor dem Auge der dem Brotteller. Silvia kniete jetzt vor Sinnenden ! Ja , Charlotte wollte und Zimmer und flog hinaus. Charlotte verließ ihren Beobachter der Tante und bat : „ Du mußt mir viel mußte anderen Tages Rechenschaft von posten ; sie glaubte wieder heimisch unter von Berlin erzählen ; o wie gern sähe der Schwester fordern! Als am nächsten Morgen Charlotte den Ihrigen zu sein. Nun wollte sie auch ich's ! Das Theater , ein Ballett , himmsich mit dem Einkramen ihrer Sachen be nicht zaudern, in diesen Kreis einzutreten. Lisch!" „ Sei vernünftig, Kind ," mahnte die schäftigte, trat Antonie mit dem Frühstück Was sie mit der Schwester abzumachen hatte, würde sich später finden. Mutter, feine Störung mehr, unsere Lolo bei ihr ein, fragte , ob sie helfen könne. und griff ordnend hier und da zu . Die Sie öffnete die grüne Hausthür ; wie bedarf der Ruhe und Erquickung." Klein , wie eng und doch wie bekannt sie Nun saßen sie alle plaudernd und fast Entfremdete wünschte von dem veralles ansah ! Auf den Ton der Glocke ejjend um den Tisch , welchen Antonie ständigen Mädchen Auskunft über hiesige Menschen und Verhältnisse zu erhalten, blickte Antonie aus dem Eßzimmer. Wer rasch mit allem Nötigen versehen. //Und Arthur?" sagte Wilhelmine,,, du besonders trug fie Verlangen, von Aschenist da?" „ Deine Tante Charlotte ! " Sie stand hast noch kein Wort von ihm gesprochen. " bergs zu hören. Bei dieser Frage röteten und spannten sich im Zimmer. (Fortsetzung folgt.) Wilhelmine sprang empor und um der Mutter Züge, ein eigener Glanz trat schlang sie. In diesem Augenblicke erlosch in die sanften , von breiten Lidern ver-
Friedrich Schütz.
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Wiener
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Don Friedrich Schük .
117 terbude zu erfassen glaubte, bis in die glanzvolle Zeit, in der ein stolzes Poetengeschlecht erwachte und auf dem Podium der Bühne unter jauchzendem Beifall diedeutsche Dichtung geboren wurde. Damals ist der Grundstein des Wiener Burgtheaters gelegt worden , ertönte zum erstenmal Klang und Melodie des deutschen Singspieles , die edelsten Geister Wiens, einen wirklich großen Kaiser an ihrer Spite, wußten sich die Bühne zur Bildungsstätte
Wien ! Ein Wort von feltenem Zauber geblieben , von dem Augenblicke, in dem des Volkes zu gestalten. Der unruhige Scenenwechsel der Napoumflossen ! Laßt nicht politische Hans Wurst die herrschende TagesströGedanken dabei aufkommen, nur die Poesie mung auf seiner plump gezimmerten Bret leonischen Epoche wurde dem Theater von der gewaltigen Stadt werde lebendig, die in übermütigem Wachstumdrange an dem rasch zum Süden eilenden Donaustrome sich ausdehnt, von Wald und Reben des Leopold und Kahlenberges bis zu den grünen wogenden Praterauen . Ein buntes, reizvolles Städtebild ! Sein Mittelpunkt : der Turm von Sanft Stephan, seine Seele : ein frohmütiges Verlangen heiterer Menschen nach Regungen der Poesie, heute durch Verse eines warmblütigen Dichters , morgen durch den himmlischen Sang Mozarts, ein andermal von lieblichen Walzerklängen angefacht. Wer die Geschichte der österreichischen Hauptstadt aufrollt, wird finden , wie oft die Wiener ihre Meinungen und ihre Ansichten wechselten ; was ihnen im Augenblicke Verständnis , Teilnahme , Bewunderung abgelockt , erschien nur zu rasch als ein langweiliges Schattenspiel ; wahr haft treu erwies sich diese so leicht angeregte und so rasch gefesselte Bevölkerung aber dem Sinne für poetische Stimmungen. Ob die Sonne am Himmel stand, und die schöne Umgebung Wiens in helle Farben tauchte, ob Wolken aufstiegen, jederzeit war der Wiener bereit , sich den anmutenden Spielen der Phantasie gefangen zu geben . So hat die Schaubühne durch Jahrhunderte unbestrittenen Anteil an dem öffentlichen Leben gehabt , selbst der Dreißigjährige Krieg, dessen Schrekfen die fahrenden Komö= dianten von den Ufern des Rheins und der Elbe, von den Küsten der nordischen Meere , aus den Städten der deutschen Ebene ver scheuchthaben, hat hier nur wenig von der herkömm lichen Teil: nahme für sie zu rauben vermocht ; der Erfolg ist dem Theater Muf ber vierten und fünften Galerle des Opernhaufe8 (S. 123). in Wien treu
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Galeriefliege im Opernhaus ( S. 123). nachteiligem Einflusse ; er schuf die Censur als mächtigsten Gegner der Bühne. Der welschsingenden Oper, demdeutschen Schauspiel selbst, dem französisch tanzenden Ballette begegnete sie mit rücksichtsloser Strenge. Kaiser Franz, der in glücklichen Jahren der Jugend in einem Lieblingsstücke der Wie ner, ,,Der Bettelstudent", sich als Schauspieler versuchte und fand , daß dieser Bettelstudent viel amüsanter sei als die langweilige ,, Emilia Galotti " , verbot Lessings Dramen, weil es einen Herzog als schlechten Menschen zeige". Schiller, Goethe, Shakespeare wurden als Revolutionäre von der Bühne verbannt, Könige und Gou verneure aller historischen Ränke in Vicedome verwandelt, der Adel durfte nur als Inbegriff der Tugend auf dem Theater erscheinen , Intriganten , Schurken und Bösewichter waren ausschließlich dem Bürgertum beschieden. Bis zum heutigen Tage find die Traditionen einer so demütigenden Bevormundung nicht völlig geschwunden ; als jüngst eine Tragödie " Brigitta" von Richard Voß zur Darstellung auf dem Burgtheater bestimmt war, fand eine hösische Censur es anstößig , daß der Held des Stückes, ein König, durch einen Faustschlag
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Zu den Bogen im britten und vierten Stock. ins Antlitz zu einem wilden Hacheaft ge trieben werde. Ein geschlagener König", erklärte sie, verlege das monarchische Gefühl"; aus ähnlichen Gründen wurde zu Beginn des Jahrhunderts „ König Lear" verboten, der die Völker glauben machen. könne , Könige verlieren im Unglücke den Kopf". Lear blieb in der That im Desterreich des Kaisers Franz unaufgeführt ; die Bühne lief Gefahr, unter dem Drucke einer lästi gen Fessel zu verkümmern. Als Genius erstand ihr unerwartet eine anmutige jugendliche Schönheit ; Kaiser Franz hatte sich zum zweitenmal vermählt. Die junge Kaiserin, die selbst oft Komödie, am lieb sten Kotzebues schallhafte Kammermädchen. spielte, eine Freundin Goethes wurde, der für sie das Lustspiel ,,Die Wette" schrieb, trat helfend ein , so oft das Theater in seinen Lebensbedingungen bedroht erschien; hier wurde es auch für Minister, wie Cobenzel, Pflicht, kleine Stücke zu schreiben, das Theater kam wieder in Mode. Zur Kongreßzeit verstummte jedes Gespräch über die ereignisreichen Schranken des Ta ges, wenn Oper oder Schauspiel in Frage kamen, die diplomatischen Meister gefielen
120 sich darin , zu den Sternen des Theaterhimmels aufzuschauen , lebende Bilder zu stellen und kleine Lustspiele zur Darstellung zu bringen. Metternich, nach dem eines Tages der englische Vertreter vergeblich durch Stunden forschte, wurde endlich unerwartet im Zwielicht des Bühnenraumes der Hofburg gefunden , eifrig damit beschäftigt, einer vielbekannten Schauspielerin das Rot auf die Wangen zu legen , um Furchen, die nicht das Alter, sondern das Leben gegraben, sorgsam zu verdecken. So war Wien eine Theaterstadt geworden, allenthalben zeigte sich in jedem Sinne des Wortes die Herrschaft der Komödie. Ihr Scepter hat bis zum heutigen Tage Macht und Weihe erhalten. Die Bühne ist der Mittelpunkt des sozialen Lebens , ihre Leidenschaften , Wechselfälle und Lagen beherrschen den Salon , das bürgerliche Gemach , selbst das armselige Dachstübchen der Vorstadt. Keine treueren Anhänger als die , welche hier wohnen ; aus der Vorstadt wallen schon um die Mittagszeit die Leute , um ein armseliges Plätzchen im Theater zu erhaschen ; stundenlang harren sie an der nur zu spät eröffneten Thüre , erflettern dann in Hast die schmalen Treppen , um in die Höhen der Galerien zu gelangen , deren erste Bänke für Kinder der allenthalben in Desterreich wirkenden Protektion bereit gehalten werden. Jedes Theater, das ein Zugstück bringt , genießt Erfolg und Gunst des Augenblicks ; bald ist es die erste Bühne, die sich bescheiden und unscheinbar in eine Ecke der Hofburg verbirgt, welche die Palme erringt, bald die Oper, welcher ein Riesenpalast zur Verfügung steht , bald ein Operettentheater, dessen hüpfende Melodien das tausendköpfige Ungetüm der Großstadt in Bewegung setzen : Staatskunst , Kurszettel , Wissenschaft , ja selbst die Dienerschaft dieser oberen Rangklassen erfüllen ! Zur Bühne drängt es alle ! Die Glücklichsten suchen Einlaß zu einer Probe
Wilhelm Jahn, Direktor der Hofoper (S. 125). zu erhalten; es war der Kunstgriff eines alle Mittel billigenden Impresario , das Abonnement der Hofoper dadurch zu er-
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höhen , daß den Jahresabonnenten der worte ; eine schrille Inspizientenstimme ruft : | Agioteure , schallt Gelächter und Geschrei, teuersten Pläße der Einblick in das Ge- Play!" Die Primaballerina hüpft vor bis die Aussichtslosigkeit, eine Karte zu erheimleben des Theaters , der Eintritt in die Rampe, artig von dem Regisseur mit halten, Ordnung in das Haus bringt. So die Probe gesichert wurde. einer Verbeugung, ihrem Partner mit bereitet sich der erste Abend eines Stückes Handfuß , vom Abgesandten vor. Die Neugierigen, die keinen Einlaß eines Freundes mit Blumen zu demselben erhalten, harren rechts und beredter als der , der sie links vom großen Eingange des Theaters geschickt begrüßt. Im Or bis die Vorstellung beginnt : eine lebenchester Beifallsmurmeln , die dige Mauer. Equipagen rollen herbei, die Diva lächelt , hüpft - das leichten Wiener Wagen halten an der Hauptdritte Zeichen tönt, die Gäste stiege, die altmodischen Gefährte mit den im Parterre reden die Hälse altertümlich kostümierten Kutschern an der in die Höhe, reißen die Au Hofstiege neben den Fontainen , deren gen auf, nehmen kritische Wasserstrahlen sich heben und senken , jetzt Mienen an die Probe stolz zu den flimmernden Sternen des eines neuen Balletts hat be- Himmels auffliegen , dann wieder kläglich gonnen (S. 156) . in ihr feuchtes Grab niedersinken ! Drückende Auch vor dem Theater ist und gedrückte Menschengruppen beobachten es gleichzeitig sehr lebendig ge- das Spiel, weichen ruhig zurück, wenn die worden; eine Premiere , die Sicherheitswache auf ihren schwerfälligen bevorsteht, ist ein kleines Er Gäulen Ebbe und Flut dieser kleinen Im Parkett (S. 123). eignis. Die ersten Theater Menschenwoge zu brechen sucht. abende haben ja ihren besonWelch ein Abstand zwischen diesen NeuEine Probe! Sie legt das Innere der deren Reiz , ihr besonderes Publikum, ihre gierigen, deren freundliche Blicke kaum beBühne bloß , das unvergoldet von der besonderen Kunstrichter , die wie heuchlerischen Abendbeleuchtung weit mehr die Zeugen römischer Gladiatorennoch als das Leben hinter den Coulissen spiele police verso entscheiden, während einer Aufführung (S. 122 f.) an auch einem Talente nicht ungern Schon auf das Grabgeläute singen ; deshalb Prosa als Poesie verbirgt. den Gängen zur Bühne ein buntes Durch ist jede Premiere ein Zugstück für einander : Herrlichkeiten aller Art und alle Wien. An der Tageskasse (S. 131 ) durchtränkt von der garstigen Theaterluft, drängt man zum Schalter , alle dieser Mischung der verschiedensten Unge Bevölkerungselemente geben dem rüche, nur mühsam ward der Weg zur Bühne Bilde vor derselben Farbe und frei. Hier lärmen Zimmerleute und Theaterarbeiter, Garderobediener, stampfen alternde Schimmel aus dem Hofstalle den Boden, poltern Hausstatisten, zanken Regisseure und Inspizienten, andere bald in das Atelier der Dekorationsmaler (S. 144) , bald in das der Costumiers (S.145) dringend - in den Coulissen : neben Charaktermüttern, die in voller Seelenruhe am Schicksalsstrumpfe ihrer Tochter wirken, rotgeschminkte Mimifer, frampfhaft hüpfende Tänzerinnen , alles lacht und fichert in dieser Welt, die schwer zur Ruhe kommt und doch, wie viel banges Ahnen, wie viel Seufzer, wie wenig erfüllte Hoffnungen in ihr ? Denkt nicht jeder und jede nur, wie zur höchsten Stufe rasch emporzuklimmen , wie der Obenstehende wegzudrängen sei, sorgt dieser nicht ohne Ende, daß die Jugend ihn bedrohe, für beide Die Erscheinung Margaretens bei einer Auffüh rung von Mephistopheles ". ihn, den Erfolgsichern, und die auftretende Unfertigkeit die Stunde in dieser schwülen achtet werden , und die gutmütig Zauberluft schlagen müsse ?! Es kom men immer mehr von zierlichen Figürchen zu den Wagen drängen, wenn sie durch die schmale Thür, die zur Garderobe nur im Schritt in die Einfahrt rolführt ! Auch sie lärmen, lachen, schwirren len, der Schlag geöffnet wird und durcheinander oder sammeln sich vor einem die stolzen Figuren des Reichtums , Tintenkler in schlotterndem Gewande, einer die, mit Blumen, Diamanten und fleinen, die große öffentliche Meinung beMeisterwerken der Wiener Toiherrschenden Satire auf einen Menschen, lettenkunst geschmückt , über die in um ein blißendes Augenfeuerwerk zu er vollem Lichte strahlenden Stiegen (S. 118 u . 148) und Gänge (S. 130) öffnen , alle Künste der Koketterie spielen Hinter den Coulissen bei einem Ballett (S. 121). zu lassen. Ein Glockenzeichen, das wirre zu ihren Logen (S. 126) empormalLeben endigt ein zweites Zeichen , dies len, um von hier blasiert in das Haus mal aus den Höhen der Requisitenkammer |Leben, der leichte Wiener Wit wird lebendig zu blicken, in dem es summt und schwirrt, (S. 153), helles Licht erstrahlt, die bunten und sendetselbst gegen Lieblinge seine Pfeile. in das die letzten Besucher aus demmarmorFiguren treten in Gruppen, je nachdem sie Germanische, slavische, westliche und orien glatten Foyer (S. 150) herbeieilen. Immer Krieger, Bauern, Feen oder Heren bedeuten, talische Figuren treten hier einander auf dichter füllen sich Parkett (S. 121 , 148) und in den Coulissen ersterben die letzten Schelt die Fersen , dazu lärmt die Reklame der Galerien (S. 116) , bis das Glockenzeichen 6
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tönt,bei dem der Hof in den Inkognitologen ter voll Maskenvergnügens für das erscheint, in der breiten Mittelloge Adju Publikum gesperrt worden ist ; die Oper tanten und Kammerherren in goldbetreßten obgleichsie zu ihren Leitern Direktor Uniformen an die Brüstung treten , der Wilhelm Jahn (S. 120) , KapellVorhang in die Höhe rauscht, im Orchester meister Hans Richter (S. 137), zu die ersten Töne zur Ouverture erklingen. ihren Mitgliedern Winkelmann (S. Gewiß, Wien ist Theaterstadt ! Nicht 142) , Reichmann , Rokitansky , die nur seine ersten Bühnen erweisen dies, auch Damen Bianca Bianchi ( S. 140), draußen die letzte Wirtsstube der Vorstadt Frau Friedrich- Materna , Frau Paspricht hierfür, wo die Besucher in stickiger pier-Paumgartner (S. 141) 2c. zählt verliert in neuerer Zeit sehr an Luft einem Volkssänger lauschen : Gesellen, die Feierabend machen, Soldaten mit ihren Zugkraft und künstlerischer Bedeutung. Begleiterinnen , Handwerkerfamilien , die Sind das nicht Symptome des Niefleinen Darstellungen oder flüchtig hinge derganges der Theaterstadt Wien ? worfenen Volksscenen sorgfältig zuhören, Ja und nein ! Nach wie vor sind die hier allabendlich zur Wiederholung ge- hier die Clemente für das Gedeihen langen, um im wiehernden Gelächter oder jeder Bühnenschöpfung gegeben ; nicht wildem Beifallsjubel ihren Erfolg zu finden ; an Dichtern, nicht an Publikum, nicht dies Parterre von kleinen Leuten , immer an Schauspielern fehlt es , aber mit enthusiastisch, ist sich selbst Kunstrichter und einemmal ist die Gilde der Männer entscheidet souverän darüber, welcher Sän- ausgestorben , welche die Kunst verger, welcher Dichter sein Liebling ist. Hier stehen, den leichten Thespiskarren vorauf diesem Boden ist von dem glücklichen wärts zu bringen , statt ihn regelBlicke Aschers der beste Wiener Komiker mäßig auf falschen Wegen festzusahIn einer Loge (S. 123). Matras gefunden worden , dessen Humor ren. Franz von Dingelstedt , Heinlängst gebrochen ist und ohne Erben ge- rich Laube, Herbeck, Treumann, Ascher, blieben wäre, wenn Alexander Girardi nicht Strampfer waren die letzten Namen einer | tung edelster Art aus dem Schlafe zu von seinem Vorgänger die Kunst gelernt guten Direktorenschule von ehedem. Von rütteln , zu neuem Leben zu bringen, hätte , mit den einfachsten und ursprünglich den Bühnenleitern des heutigen Wien ist manches Werk der großen Vorbilder: ften Mitteln die Zuschauer vor Lachen schüt nur Adolf Wilbrandt (S. 136) , der mit Sophokles , Calderon und Shakespeare teln zu machen (f. u .). Auch ein andrer Lieb- Ernst seines Amtes waltet. Wohl ist er in glänzendster Fassung auf die Bühne ling des Publikums , Schweighofer (S. 152) wie ein Poet träumerisch in den Kreis zu stellen. Die Erfahrungen des Burgdes Theaters getreten , die Realität der theaters mußten die anderen Bühnen Wiens mag hier genannt sein. In neuerer Zeit hat dem Wiener Theater Verhältnisse ist ihm ein heilsames Korrek darüber belehren , wieviel mehr Nutzen leben kein günstiger Stern geleuchtet ; eine tiv geworden ; er allein unter den Wiener es bringe, die Traditionen einer besseren Bühne ging in Flammen auf, und die Be- Theaterleitern hat die ihm anvertraute Vergangenheit zu wahren, als ein hohles hörde duldet nicht, sie ihrem Zwecke wieder Bühne auf der alten Höhe erhalten. (Leider Virtuosentum in mittelmäßige Umgebung zugeben; dort wo einst das Leben , das ist Wilbrandt aus verschiedenen Ursachen zu stellen , alternde und falsche Genies wirkliche Leben des Wiener Volksstückes an in der Zeit, während dieser Artikel gesetzt auf Kosten echter Talente zu erheben und lockte , ist heute Dunkel , tiefes Dunkel. wurde, von der Leitung des Burgtheaters dabei der Wirksamkeit jeden Zug ins Volle Ein düsterer Trauerschleier hängt auch vor zurückgetreten, das schwerlich sobald einen und Große zu rauben. Wenn in Wien dieser zweiten Bühne, die nach einem Win: gleich guten Führer finden wird. D. Red. ) wieder jedes Theater in einem künstlerisch Wie inden besten Tagen geschulten Ensemble unter umsichtiger FühderWienerSchauspielkunst rung das Ideal suchen wird , dann wird ist heute die Künstlerge die heitere Theaterwelt der österreichischen nossenschaft der Burg ein Hauptstadt nicht wie heute von trüben BeVerein von Talent, Geist, fürchtungen für die Zukunft erfüllt werden. will man höflich sein auch von Schönheit. Aus der ärztlichen Praxis. Sonnenthal (S. 146), In der Sprechstunde eines vielbeschäftigten Hartmann (S. 129) , beide Arztes erscheint ein ärmlich gekleideter Mann. ,,Sie wünschen ?" für unsere erste Bühne, " Ich möchte Sie bitten, mir zu helfen, was Schiller und Goethe für die deutsche Litteratur Herr Doktor!" ,,Was fehlt Ihnen denn ?" gewesen , wer mag dar,,Ach, es geht mir sehr schlecht !" über streiten, welcher von "Ja, wie äußert sich denn Ihre Krankihnen der bessere sei ; heit?" Meirner, Gabillon , Le ,,Krant bin ich ja gar nicht, Herr Doktor! winsky , Baumeister (S. Ich habe aber seit 14 Tagen feine Arbeit und 154) , Thimig , Robert, bitte daher um eine kleine Unterstützung." ,,und deshalb kommen Sie jest in der Schöne, Kraftl, Charlotte Wolter (S. 158) , die Sprechstunde zu mir ?" ,,Verzeihen Sie gütigst, Herr Doktor. Es größte deutsche Tragödin, Stella Hohenfeld, Helene steht aber doch groß und breit auf Ihrem Hartmann , Zerline Ga Schilde : Für Unbemittelte von 12 bis 1 hr." billon, Josephine Wesseli, Berliner Taschendiebe. welches Theater hätte über ähnliche Kunstkräfte zu Oskar Klausmann. verfügen? Mit ihr Veres es war , wenn dienst Wilbrandt gelungen ist, Dem Reifenden , der auf einem der großen Berliner Bahnhöfe ankommt, leuchten als manche verschollene Dich erste Begrüßung der Großstadt in den großen Alexander Girardi als Weigel in Mein Leopold" (S. 124).
Oskar Klaufmann. Berliner Taschendiebe. 129 128 127 mit ihren Erfolgen sind aber Diebe n kleinen denjenigen für Requisiten Hallen und Ausgangsräumen aus jeder Ede die hauptsächlichste Taschendieb, welcher nicht nach bestimmtem durchaus auf den Zufall angewiesen; sie in Riesenschrift die Worte entgegen : Plane stiehlt, sondern nimmt, was er gerade mögen sehr oft enttäuscht sein , wenn das ,,Vor Taschendieben wird gewarnt !" Und in der That gerade an diesen Stellen finden kann, und die jetzige Mode, insbesondere Portemonnaie , das sie durch einen Griff ist diese Warnung eine außerordentlich gerecht der Damen, die im Winter in ihren kleinen stahlen, der , wenn er entdeckt wurde, sie fertigte. Schade, daß sie nicht auch dort stets Manteltaschen ihre Portemonnaies und Taschen- mehrere Jahre Gefängnis kosten konnte, nichts sichtbar ist, wo sie ebenso wichtig, insbesondere tücher so tragen, daß sie deutlich zu sehen und anderes enthält als vielleicht einen Pfandmit Leichtigkeit herauszuziehen sind, begünstigen schein oder einige Pfennige. Aber hin und für den Fremden wäre ! Die Kriminalisten zählen die Taschendiebe diesen kleinen" Taschendiebstahl in außer wieder glückt ihnen doch wohl durch Zufall hier zu den gefährlichsten Verbrechern deshalb, weil ordentlichster Weise. Wir werden gleich sehen, ein besserer Griff, und eben deshalb, weil zu die Ausübung dieses verbrecherischen Gewerbes daß es unter den Taschendieben eine Art von Glückszufälle eintreten, und weil es gar leicht ist , diese Diebstähle zu verüben , finden sich verhältnismäßig immer wieder neue Aspiranten für das Taschensehr leicht und diebstahlsproletariat , selbst wenn die älteren außerordentlich zu bedeutenderen Strafen verurteilt worden Iufrativ ist, und sind und in den Gefängnissen Zeit haben, dann auch dessich zu neuen Diebstählen vorzubereiten . halb , weil der Eine feinere Art der Taschendiebe ist Taschendieb sehr diejenige , welche den Freier" erst ,,nüscht". oft große Sum= Freier heißt nämlich der zu Bestehlende und men sich aneignet nüschen heißt auskundschaften, durch Befühlen und die Bestoh= herausfinden, und bedeutet dasselbe , was lenen in schwerbeim Einbrechen das Baldowern", d. h. es ster Weise schäbedeutet das Auskundschaften des Geldes bei digt. dem zu Bestehlenden. Das Nüschen besorgt Der Taschender routinierte Taschendieb durch einfaches. dieb unterscheidet leises Befühlen des Körpers, und es gibt sich ganz bedeu tend von allen Virtuosen unter ihnen, die sich im Gedränge schon nach wenigen Sekunden davon überzeugt anderen verbre: haben, in welcher Tasche der Freier" die Padde cherischen Genos(berlinisch Frosch und im Diebstahlsjargon sen, den EinbreBörse oder Portemonnaie), die Plattmolle chern , Hausdie(Brieftasche) oder das lose Pulver (loses Geld) ben u. s. w., denn verwahrt hat. Ein kurzes Gedränge, entweder während jene ge= durch das Publikum selbst oder künstlich durch rade die Stunden einen Complicen herbeigeführt, genügt , um der Nacht, die dem Taschendieb die Möglichkeit zu geben, sich Abwesenheit der der ausgenüschten Gegenstände zu bemächtigen. zu Bestehlenden oder anderer Die Manipulation, durch welche die Taschendiebstähle vollführt werden, ist bei allen Sorten menschlichen Wevon Dieben dieselbe, und wollen wir sie dessen vom Orte des halb hier gleich näher beschreiben. Sie beVerbrechens be: steht vor allem im Schere machen", d. h. nußen, um ihr darin, daß der Dieb Zeige- und Mittelfinger lichtscheues Geder rechten Hand ausspreizt und mit ihnen werbe zu betrei ebenso rasch als vorsichtig in die Tasche fährt, ben , sucht viel in welcher er den zu stehlenden Gegenstand mehrderTaschendieb die nächste vermutet oder ausgenüscht hat. Hier werden mit einem einzigen Ruck die Finger so geförperliche Be schlossen , daß der zu stehlende Gegenstand rührung mit dem zwischen sie kommnt, und mit einem ebenso vor: zu Bestehlenden, sichtigen als die Anwesenheit Joseph Freiherr v. Bezecny, Generalintendant der f. t. Hofburgtheaters. raschen Ruck von möglichstvie= wird die ge len Menschen und zwar von Menschen , die mit sich selbst be: | Hautevolée und ein Proletariat , daß es einschlossene schäftigt sind oder ihre Aufmerksamkeit auf fache Handwerker und Künstler unter ihnen gibt. Schere, d. h. die beiden Betrachten wir zuerst die kleinsten von andere Dinge richten müssen, als darauf, ihre Taschen festzuhalten oder fortwährend an ihren ihnen. Wenn wir in betreff der der Polizei Finger wieder Inhalt zu denken . Solange es Taschen gibt, bekannten Taschendieben nachforschen, welchem herausgezo gen, und hat es auch Taschendiebe gegeben, und schon Beruf sie angehörten, bevor sie zu TaschenBrieftasche das römische Recht kennt die Saccularii. dieben wurden, finden wir zu unserem ErDa, wie bereits erwähnt, der Taschendieb staunen , daß eigentlich gar kein besonderer oder Portevor allem sein Gewerbe dort treibt , wo die Stand und kein besonderes Alter sich gerade monnaie sind größten Ansammlungen von Menschen statt- mit der Verübung dieses Spezialverbrechens für den Befinden, wird sein Gewerbe am schwunghaftesten abgibt , sondern ebenso der Arbeiter wie der stohlenen ver in der Großstadt betrieben werden können, und Handwerker, der verkommene so erfreut sich auch Berlin des Vorzuges, eine Mensch aus den gebildeten Kreigroßartige Anzahl von Taschendieben zu be: sen, das Kind und der Greis, sitzen. Da die nachfolgenden Zeilen nicht nur die Megäre und das Mädchen in der Absicht geschrieben sind , interessantes widmen sich dieser Art des Dieb: kriminalistisches Material zu veröffentlichen, stahls mit mehr oder minder sondern auch den Leser zu warnen und die Glück und Geschicklichkeit. Diese jenigen , die nach der Reichshauptstadt kom kleinen Diebe sind allerdings men, vor Schaden zu bewahren , wird es sich nicht allein Taschendiebe, sie empfehlen, in erster Reihe anzugeben, wie der sind auch Gelegenheitsdiebe : sie stehlen, was sie finden, und Taschendieb sein Gewerbe ausübt. Grnst Hartmann als Leon in Wehe Es gehört zu demselben, wenn es sich nur von ihnen gilt das Wort, das bem, der lügt" (S. 125) um den gewöhnlichen Taschendiebstahl man dereinst auf die Kosaken handelt , eigentlich gar keine Vorbereitung. in Deutschland anwendete , inDreistigkeit, Zugreifen im richtigen Moment dem man behauptete, sie ließen nichts liegen loren . Es geund allerdings eine leichte , fleine Hand sind als glühendes Eisen und Mühlsteine. Diese hört zu diesem
Oskar Klaußmann. 130 eigentümlichen Griff weniger taschenspielerische Fertigkeit als Sicherheit und Ruhe. Indessen gibt es gerade unter den Taschendieben Leute, die sich vielleicht ihr Geld auch als Taschen spieler verdienen würden, und diese sind natürlich um so gefährlicher. Wir finden diese Koryphäen auf dem Gebiete des Taschendiebstahls unter der oben erwähnten Hautevolée unter den feinsten Taschendieben, die meist ohne jeden Complicen arbeiten und gewöhnlich herrlich und in Freuden leben , weil ihnen täglich fast ein guter Fang gelingt. Diese Taschendiebe refrutieren sich aus Gesellschaftskreisen , die eine gewisse Eleganz des Aeußern und des Auftretens haben ; denn diese , ebenso wie eine tadellose Toilette und eine gewählte Sprache, gehören zu den Requisiten eines feinen Taschendiebes . Ein solcher unterscheidet sich in nichts von einem hocheleganten Gentleman und wählt als Arbeitsfeld die ersten Ränge im Theater und in der Oper , die Bahnhofskaffen und Billetschalter und diejenigen Lokale , wo sich ein feines Publikum versammelt, und zu den letteren können die Tribünen der Berliner Rennpläße gerechnet werden . Dieser feinste" Taschendieb besitzt einen wahrhaft divinatorischen Spürsinn , um seine Opfer auszusuchen, die er stundenlang beobachtet. Er pflegt schon nach kurzer Zeit genau zu wissen, wo sich die wohlgefüllte Brieftasche des zu Bestehlenden befindet; denn am liebsten nimmt er Portefeuilles mit großen Kassenscheinen , und mit großer Sicherheit weiß er den Moment der Diebstahlsausführung dahin zu verlegen, wo er ihm am günstigsten erscheint, d. h. also z . B. im Theater an den Schluß der Vorstellung, wenn alles eiligst nach der Garderobe und den Treppen herunter: drängt, und auf der Rennplattribüne an den Schluß jedes Rennens , wenn das Publikum die Site verläßt, um sich etwas zu ergehen, an den Bahnhofskaffen in dem Moment, wo am Billetschalter das größte Gedränge statt: findet. Niemand vermutet in dem elegant gefleideten Mann, mit dem sich der zu Bestehlende vorher vielleicht noch sehr gut unterhalten hat,
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wenn auch nicht mit Apparaten, so doch mit | Geschäft gemacht hat, er habe einen Schnitt einem Instrument , das in einer feinen und gemacht. scharfen Schere besteht. Portefeuilles werden Wenn nun auch die Ausführung des gewöhnlich in der Innenseite der Röcke oder Taschendiebstahls ebenso wie das Auskundleber: zieher ge= tragen , d. TAGES CASSA TAGES CASSAON PAPTERAL h. in Ta YOU AT GALLEALD schen , die AUSVERKAUFT sich nach außen nicht öffnen, und im Augenblick des Diebstahls ist der Taschendieb gewöhnlich gezwun gen, durch einen energisch und geschickt geführten Schnitt den Rock oder Ueberzieher an der An der Tagestasse während eines Zugstüdes (S. 122). Längsseite, also an der senkrechten Seite der Tasche , aufzuschneiden, schaften des Ortes, wo sich der zu stehlende Gebevor er das in der Tasche befindliche Porte- genstand an dem Freier" befindet, nur Sache feuille herausziehen kann . Der Schnitt wird einer einzigen Person ist, so arbeiten doch die natürlich mit taschenspielerischer Fertigkeit ge- Taschendiebe zumeist nicht allein, sondern bemacht, und auch das Herausziehen des Porte dienen sich noch eines Complicen, welcher die feuilles ist nur das Werk eines Augenblicks . Aufgabe hat, sie zu ,,decken" oder, wie es in Dennoch fallen manchmal bei solcher Gelegen ihrem Jargon heißt, die Wand oder Vertuß heit dem Taschendiebe Tausende von Mark in zu machen". Die Aufgabe des Deckenden ist eine die Hände, und er ist in der Lage, wochenlang doppelte. Er muß vor dem Diebstahl die Augemütlich von dem Raube zu leben, wenn ihm gen des Freiers " auf sich ziehen, und das geauch in der Zwischenzeit kein größeres Geschäft schieht dadurch, daß er ihn anredet, daß er glücken sollte. Man nennt diese Art und ihn vielleicht anstößt und ihn höflichst um EntWeise zu stehlen einen Schnitt machen", und, schuldigung bittet , daß er im eiligen Laufe wie der Leser selbst herausfinden wird, ist ihn anrennt, daß er ihn auf den Fuß tritt dieses Wort aus der Spezialsprache der Taschen oder in seiner Gegenwart stolpert und ihm in die Arme fällt. Diese Momente , in denen der Freier" sich mit dem Decker beschäftigt, genügen dem eigentlichen Taschendieb - der Humor der Gaunersprache nennt ihn den ,,Taschenkrebs ", wahrscheinlich , weil er eben beim Diebstahl die Schere machen muß um die ,,Molle", d. h. die Tasche des „ Freiers" auszuräumen. (Auch Molle ist ein spezifisch Berliner Wort und bezeichnet einen fleinen Trog, eine Mulde, ein Holzgefäß, in welchem die Schlächter das Fleisch zu ihren Kunden. auszutragen pflegen. Ueberhaupt begegnen wir, wie wir hier konstatieren wollen, bei den Taschendieben der Reichshauptstadt einer ganzen Anzahl speziell Berlinischer Wörter zum Zeichen, daß sie gewissermaßen eine lokale Institution. Berlins find.) hat also der Taschenkrebs den Diebstahl vollbracht, so kommt die zweite Aufgabe des Deckers, nämlich die, sich sofort den gestohlenen Gegenstand zustecken zu lassen und mit diesem zu verschwinden. Wenn nämlich der Bestohlene durch Nachlassen des Druces oder dadurch, daß er fühlt, daß das schwere Portemonnaie nicht mehr in der Tasche sein Gewicht geltend macht , unmittelbar nach dem Diebstahl merken sollte, daß er bestohlen sei, wird er sich selbstverständlich an den ihm Im Logengang S. 123). zunächst Stehenden halten, und dies wird gewöhnlich der Taschendieb sein. In den seleinen Taschendieb, und um so leichter wird diebe in die allgemeine Umgangssprache über tensten Fällen aber wird man bei dem Taschendie Ausführung des Diebstahls, der mit außer gegangen, und ahnungslos, daß wir uns dabei diebe selbst das gestohlene Objekt finden. ordentlicher Geschicklichkeit ins Werk gesezt der Gaunersprache bedienen , sagen wir im Derselbe hat es längst seinem Complicen, dem wird. Diese feinsten aller Taschendiebe arbeiten, gewöhnlichen Leben von jemand, der ein gutes Decker, zugeplantet", d. h. zugestedt und
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dieser sich so eilig als möglich damit entfernt. | zwischen der Behrenstraße und Unter den Freier sich durch den Schlaf gewissermaßen in einem leichenähnlichen Zustande befindet. Ist indes dieses Zuplanten dem Taschendiebe Linden ihr Operationsfeld haben. Eine ganz eigentümliche Art von Taschennicht gelungen , so ist die Geschicklichkeit beAber auch diesen Spezialisten auf dem wundernswert, mit welcher diese Leute selbst dieben sind die unter dem Namen der Leichen Gebiete des Taschendiebstahls hat die Polizei im Moment , wo sie ertappt sind , noch das fledderer" bekannten Verbrecher, die eine spe- in den lezten Jahren das Gewerbe dadurch gestohlene Gut und dessen Vorhandensein zifische Eigenthümlichkeit von Berlin bilden. verleidet, daß sie ihnen Fallen" stellte. Es spielten nämlich verkleidete Kriminalist ja stets das Hauptüberführungsmoment für Ihre Handlungsweise ist um so verwerflicher, die Taschendiebe von sich fortzuschaffen als sie selbst den Schlaf der Nebenmenschen, beamte von Zeit zu Zeit an Orten, wo der: wissen. Sie lassen es z . B. lautlos an ihrem sei dies nun der Schlaf des Gerechten oder artige Fleddereien öfters vorkommen, die Rolle Körper heruntergleiten, und eine einzige, fast des Betrunkenen, nicht achten, und indem sie der Betrunkenen, und wenn dann der Fledderer unmerkliche Bewegung des Fußes schleudert ihre Opfer mit linder und vorsichtiger Hand bei der besten Arbeit war, sprang plößlich der dann das Portemonnaie oder die Brieftasche ausplündern , während die Freier" in den Mann, den er für betrunken und schlafend hielt, so weit weg, daß der Taschendieb , der fast Armen des Traumgottes liegen, der ihnen auf und ergriff ihn mit eiserner Faust , um ausnahmslos entrüstet seine Unschuld beteuert, gerade vielleicht die herrlichsten Bilder vor ihn den durch einen Pfiff herbeigezogenen erst recht sagen kann, daß ein anderer den gaufelt. Amtsgenossen zur Verhaftung zu übergeben. Die Leichenfledderei fann natürlich nur Diebstahl verübt, oder daß der Freier" den Damit auch die letzte Art der Taschendiebe, vermißten Gegenstand verloren" habe. Ja, im Sommer betrieben werden; denn im Winter welche allerdings die brutalste ist , nicht ver es ist wiederholt vorgekommen, daß Taschendiebe die gestohlenen Portefeuilles, selbst wenn sie augenblicklich von dem Polizeibeamten revidiert wurden, diesem Polizeibeamten selbst, ohne daß er es ahnte, in die Tasche steckten, oder daß harmlose Passanten , die zugegen waren, wenn ein Taschendieb ertappt und festgenommen wurde, in ihrer Tasche, wenn sie nachHause kamen, das gestohlene Portemonnaie oder die Brieftasche fanden, weil der Taschendieb , eben um den Verdacht von sich abzulenken, heimlich dem ersten besten den Gegenstand zusteckte. In dieser Beziehung ist eine Anekdote sehr lehrreich , welche den Vorzug hat , wörtlich wahr zu sein. An einen Berliner Kriminalbeamten, der in Civil an einer der lebhafteſten Stellen der Stadt patrouilliert, tritt ein schon bestrafter Taschendieb mit der Mitteilung heran, daß er soeben gesehen habe, wie einer seiner Bekannten , ebenfalls ein Taschendieb, einem Herrn ein Portemonnaie mit reichem Inhalt aus der Tasche gezogen habe . Mit wenigen Schritten befindet sich der Kriminalbeamte neben dem bezeichneten Verbrecher und sagt diesem auf den Kopf zu , daß er soeben den Taschendiebstahl begangen habe. Der Beschuldigte beteuert energisch seine Unschuld ; der Beamte revidiert ihn sofort auf das sorgfältigste, trifft alle Vorsichtsmaßregeln, findet doch nichts bei dem Beschuldigten und muß ihn laufen lassen. Der Denunziant aber hatte seinen Zweck erreicht. Dieser hatte nämlich gegen den Diebstahlsgenossen folgenden teuflischen Plan ausgehect : Er hatte gesehen, wie dieser einen wertvollen Fang machte und keinen Complicen hatte , dem er das Portemonnaie zuplanten konnte. Sofort trat der Denunziant an den glücklichen Räuber heran und flüsterte ihm ins Ohr: ,,Halbpart!" Nach Schluß der Oper. Dieser weigerte sich natürlich , von seiner Beute etwas abzugeben und sein treuloser Genosse holte den kriminalbeamten herbei . In strebt selbst derjenige Mensch, der in der gessen werde , nennen wir die Anrempler", dem Augenblick , als dieser erschien und den Stammkneipe etwas über den Durst getrunken deren Vergehen allerdings schon weniger wirklichen Dieb beschuldigte , steckte dieser in hat, eiligst nach Hause. Im Sommer aber Taschendiebstahl als Raub ist. Es thun sich seiner Angst dem Denunzianten das Porte verlockt den schwer Dahinwandelnden doch hier nämlich gewöhnlich drei Subjekte zusammen, monnaie zu , damit dieses nur nicht bei ihm und dort eine Promenadenbank oder eine Haus- die in einsamer Straße oder in später Nachtgefunden werde, und dieser hatte seinen Zweck thürschwelle zum Rasten, und gewöhnlich fällt stunde einen harmlosen Passanten anrempeln, mehr als genügend erreicht, denn er bekam der Benebelte bald in tiefen Schlaf. Der mit ihm rasch einen Streit provozieren und nicht nur die Hälfte, sondern sogar den ganzen patrouillierende Leichenfledderer" seßt sich ihm eventuell die Uhr samt Rette aus der Raub und zwar ohne alle Gefahr und ohne dann neben ihn und überzeugt sich erst durch Tasche reißen und Portemonnaie und Brief= daß der wirkliche Dieb, dem der Fang geglückt Anrufen , und wenn es sein muß, durch An- tasche herausziehen ; ein paar Schläge über war, irgend welche Anschuldigung gegen ihn stoßen und durch allerlei Berührungen , daß den Kopf pflegen dann den Bestohlenen für erheben konnte. der Freier auch wirklich schläft. Ist dieses den ersten Moment betäubt und für eine VerIn der letten Zeit hat die Kriminalpolizei der Fall, dann nimmt ihm der Fledderer nicht folgung unfähig zu machen. Diese Art und die Bemerkung gemacht, daß die weitaus größte nur das Portemonnaie und die Brieftasche, Weise des gewaltsamen Diebstahls ist jedoch Zahl von Taschendiebstählen nicht von männ sondern auch die Uhr, ja er ist so rücksichtslos für den Thäter so gefährlich, daß er nur selten licher, sondern von weiblicher Hand verübt und nimmt auch Hut, Spazierstock, Rock, und vorkommt. Die Thäter riskieren langjährige werden , und zwar sind es speziell in Berlin wenn es geht , Stiefel und Hosen. Es ist Zuchthausstrafen , und wohl nur die höchste halbwüchsige Mädchen, welche mit außerordent vorgekommen , daß solche Gefledderte , die Not oder die höchste Frechheit veranlaßt solche licher Geschicklichkeit und Dreistigkeit an den allerdings einen harten Schlaf gehabt haben Subjekte zu diesen an Raub grenzenden Taschenbelebtesten Stellen, wie vor den Schaufenstern müssen , fast nackt aufgefunden worden sind. diebstählen. Unter den Linden und insbesondere in der Den Namen ,,Leichenfledderer" führt diese Art Wir erwähnten bei dieser Gelegenheit das Passage, d. h. in dem glasbedeckten Durchgange von Taschendieben natürlich deshalb, weil der Herausreißen von Uhren. Auch die Taschen-
Berliner Taschendiebe . 137 = jest die besonderen Schuhmittel anzugeben , die jeder anwenden kann oder soll , der sich in Berlin vor Schaden durch Taschendiebe bewahren will. Das Hauptschußmittel gegen Taschendieb Oskar Klaußmann .
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diebe, die sonst mit sanfter Hand die Freier" | erleichtern, verachten Uhren, Busennadeln, selbst Armbänder und Ketten bei Damen nicht , fie nehmen aber doch in jedem Falle lieber Geld als Pretiosen, denn Geld läßt sich eben ohne weiteres ausgeben und bietet feine besonderen Verdachtsmomente bei einer Haussuchung oder späteren Ergreifung, während der Besit einer gestohlenen Schmucksache immerhin etwas Ge: fährliches bleibt , außerdem aber der Hehler, an den die gestohlenen Sachen verkauft werden müssen, gewöhnlich den Löwenanteil des Profits zieht. Indes läßt sich der Dieb eine goldene Kette , die der Freier" recht auffallend trägt und die den Taschendieb gewissermaßen verlockt, dieselbe mitzunehmen, ebensowenig entgehen wie eine goldene Uhr, und wenn die Rette auch einen Karabinerhafen hat, mit dem sie im Knopfloch so befestigt ist, daß sie schwer geöffnet werden kann, trägt der Taschendieb für diese Fälle eine fleine, stählerne, haarscharfe Beißzange bei sich, mit welcher er die Kette dicht unter dem Hafen durchknipst, um dann die Dßne - so heißt in der Gaunersprache die Uhr mitsamt der Kette bequem aus der Tasche zu ziehen. Auch die Ketten, welche Damen um den Hals zu tragen pflegen, werden durchHans Richter (S. 125). knipst, ja selbst Armbänder beißt diese kleine stählerne Zange durch, besonders dann, wenn dieselben stahl bleibt wie gegen jedes Eigentumsver über dem Handschuh getragen werden, so daß brechen Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, und die Trägerin die Bewegung des Armbandes so komisch das klingt, ist das beste Mittel, sich gegen Taschendiebstahl zu schützen, das : mög: und die Berührung weniger fühlt. Nachdem wir nun die Art und Weise lichst wenig kostbare Gegenstände und Geld detailliert angegeben haben, wie die Taschen- bei sich zu tragen, wenn man es nicht durch diebstähle verübt werden, bleibt noch übrig, aus nötig hat. Für Fremde z . B., die in Hotels logieren, ist es empfehlenswerter, wenn sie größere Geldsummen gegen Quittung im Bureau des Hotels deponieren, als wenn sie beständig dieselben mit sich herumtragen. Ebenso empfiehlt es sich für Damen , welche aus irgend einer Veranlassung auf Reisen Schmuck mit sich führen , den sie bei einer festlichen Gelegenheit verwenden wollen, diesen gegen Duittung dem Hotelbesiter oder im Bureau des Hotels abzugeben. Wenn man aber gezwungen ist, Geld oder Schmucksachen bei sich zu tragen, so mache man es wenigstens dem Taschendieb nicht allzu leicht , sich der Wertgegenstände zu bemächtigen , d. h. man stecke die Sachen nicht in Taschen, die sich von außen öffnen , sondern nur in Taschen, welche sich innerhalb der Kleidungsstücke befinden und womöglich zugeknöpft werden fönnen. Bei Damen ist allerdings das Anbringen solcher Taschen kaum möglich, da alle Taschen in den Kleidern von außen angebracht sind und sich diese Taschen außerdem gewöhnlich an Stellen befinden , wo das Kleid durch untergelegte Polster oder Stahlreifen vom Körper absteht. Diese Lage der Taschen fordert den Dieb geradezu zum Stehlen heraus, und selbst wenn er noch so plump zugreift , wird Abolf Wilbrandt (S. 125).
138 die Trägerin dieser Tasche kaum etwas vom Diebstahl merken. Es empfiehlt sich deshalb für Damen , Portemonnaies an allen Orten, wo sie ins Gedränge geraten, oder wo sie nicht sonderlich auf sich achten können, in der Hand zu tragen . Bei der Zierlichkeit und Kleinheit der Damenportemonnaies, die jetzt in Mode sind, fällt das Tragen gar nicht auf, außerdem pflegen die Portemonnaies so reizend ausgeführt zu sein, daß sie der Hand mehr zum Schmuck als zur Last gereichen. Herren mögen sich hi ten, Wertgegenstände irgend welcher Art in die Hinter: taschen des Roces zu stecken, denn auch hier ist der Dieb: stahl am allerleichtesten. Wer ein Portefeuille mit einer größeren Geldsumme bei sich trägt, thut am besten, dies Portefeuille kreuzweis mit einem Band zu umschnüren und dieses Band unter der Weste hindurch bis in ein Knopfloch zu ziehen und dort zu befestigen. Macht jetzt der Taschendieb selbst den Schnitt an der Außenfeite des Rockes und zieht das Portefeuille heraus , so ist dies nicht ohne weiteres möglich, und der Bestoh: Iene wird durch das Zupfen am Westenknopfloch aufmerksam. Wichtig aber ist es, vor allem an belebten Orten nicht zu zeigen, daß man viel Geld bei sich trägt, und in welcher Tasche man dasselbe verwahrt. Es gibt indessen Menschen, die eine gewisse | Renommisterei mit ihrem Gelde treiben und demonstrativ an öffentlichen Orten reichgespicte Portefeuilles herausnehmen , um aus diesen Zahlung zu leisten und dieselben dann wieder recht demonstrativ in die Tasche zu stecken. Damit ist dem Taschendieb, der in der Nähe ist und an belebten Orten werden sich stets Taschendiebe befinden , die Hälfte der Arbeit erspart. Er braucht nicht zu nüschen, d. h. auszufundschaften , ob der betreffende Freier Geld bei sich trägt und wo er es verbirgt. Der Unkluge hat es ihm ja selbst gezeigt. Es empfiehlt sich daher für diejenigen Leute, die große Geldsummen bei sich tragen. und an Orten verkehren , wo sie bestohlen werden können, stets Kleingeld im Portemonnaie mit sich zu führen, damit das Wechseln größerer Scheine vermieden wird. Bei einem etwaigen Diebstahl würde es sich dann nur um den Verlust des Portemonnaies handeln, und der Verlust desselben istwohl leichter zu verschmerzen, als der der wohlgefüllten Brieftasche. Gegen den Uhrendiebstahl schütt man sich dadurch, daß man an den oberen Ring der Uhr eine Gummischeibe anbringt , die in patentierter Ausführung für billiges Geld überall zu haben ist und die absolut verhindert, daß die Uhr, ohne daß der Betreffende es merkt, aus der Tasche gezogen werden kann. Allerdings schüßt das nicht gegen das Abknipsen der goldenen Kette und gegen den Diebstahl anderer Gegenstände. Am besten thut man, solche Schmuckstücke auf Reisen gar nicht mit sich zu führen ; aber die liebe Eitelkeit bei Männern und Frauen läßt diese Vorsichts-
Berliner Taschendiebe. 140 feierlichkeiten u. f. w. abgehalten werden. Die Berliner Taschendiebe und gerade die feinsten, d. h. die gefährlichsten , besuchen in ganzen Scharen diese außerordentlichen Veranlassungen zum Menschenandrang, weil sie dabei sehr wohl Oskar Klangmann.
139 maßregeln gewöhnlich nicht zu. Wovor aber der Fremde aufs dringendste und entschiedenste gewarnt werden muß, ist das, sich sicher zu fühlen und zu glauben, flüger als die Taschendiebe zu sein. Vielleicht hat sich der Leser in seinem Bekannten: freise schon davon überzeugt, daß es Menschen gibt, die sich für flüger als alle an: deren Leute halten, die fort: während von sich behaup ten , das und das könne ihnen niemals geschehen, der und der Verlust könne ihnen niemals begegnen. Der Leser wird auch wissen, daß gerade diese Personen. am meisten und am leichte: sten zu Schaden kommen. So gibt es auch Leute, die der festen Ueberzeugung find, ihnen könne man überhaupt nichts aus der Tasche stehlen, ohne zu ahnen, daß es eine Praktik der Taschen: diebe gibt, die bewunderns-wert ist, und von der sie feine Ahnung haben. Interessant ist in dieser Beziehung ein Scherz, den man sich in Berliner Kreisen erzählt und der, wenn nicht ganz wahr, doch zum minde: sten gut erfunden ist. In der Passage, in welcher insbesondere in den Nachmit= tagsstunden ein außerordentliches Gewoge und Gedränge des Publikums herrscht, geht ein junger Mann auf und ab, der demonstrativ in die äußere Tasche seines Rockes ein Portefeuille gesteckt hat. Nach einiger Zeit begegnet ihm ein Bekannter und fragt ihn verwundert , warum er denn das Portefeuille so auffallend aus der Tasche herausgucken lasse. "Ich will," sagte dieser,,, einmal sehen, ob es möglich ist, mich zu bestehlen. Ich glaube nicht daran, daß die Taschendiebe hier fast alltäglich so gute Geschäfte machen, und mir wenigstens kann nichts fortkommen. " Nun , und was hast du davon," fragte der andere,,,wenn du bestohlen wirst ?" Ich habe meinen Spaß daran ; das Porte: feuille ist nämlich leer , und es befindet sich nur ein Zettel darin, auf den ich geschrieben habe : Aetsch, reingefallen, dummer Kerl ! " Lächelnd zog der junge Mann das Portefeuille aus der Tasche , um seinem Freunde diesen Zettel zu zeigen ; aber sein Gesicht verlängerte sich beim ersten Blick , denn unter seinen höhnischen Worten stand mit anderer Handschrift geschrieben: ,,Sie dummer Junge, halten Sie anständige Leute nicht zum Narren ! Wahrscheinlich haben Sie selbst nichts , um es in das Portefeuille zu stecken!" Es hatte also ein Taschendieb das Porte: feuille herausgenommen, untersucht, in seinem Aerger die Antwort unter jene Worte geschrieben und das Portefeuille dem Bestohlenen wieder in die Tasche praktiziert. Wie bereits gesagt , die Geschichte ist , wenn nicht wahr, doch gut erfunden und feineswegs unmöglich. Aber nicht allein in Berlin hat sich der Fremde vor Berliner Taschendieben zu hüten, sondern überall , wo große Menschenansamm: lungen stattfinden, also an Orten, wo Ausstellungen, Feste , Jubiläen , große Trauer:
Bianca Bianchi (S. 125).
141 n en und Messe kamen Klagen über mit Märkt unglaublicher Frechheit verübte Taschendiebstäble, aus denen man schließen konnte, daß eine geschickte gewerbsmäßig arbeitende Bande diese Märkte besuchte. Die Spuren führten nach Berlin , verloren sich aber hier. Die Kriminal= polizei ließ daher die anonyme Denunziation nicht unbeachtet : sie erschien überraschend wie in einem Kriminalroman auf dem Hochzeitsfeste und hob gegen vierzig Personen auf. Es wurde eine Haussuchung gehalten und die Anwesenden auchförperlich untersucht, und das Resultat war in der That ein ungeheuerliches . Es wurden Uhren, Ringe, Armbänder, Busennadeln, Kolliers , Brochen u. s. w. vorgefunden , die sämtlich gestohlen und die der Polizei schon seit längerer Zeit als vermißt angemeldet waren. Es stellte sich heraus, daß die Verhafteten sämtlich russische Unterthanen waren, aus Russisch-Polen stammten und sich erst in der letzten Zeit zu einer ganzen Taschendiebsfolonie in Rirdorf zu sammengefunden hatten. Die Führerin der Bande war eine Frau, die geradezu in genialer Weise,,,das Geschäft" dirigierte, und welche die tüchtigsten Taschendiebe, die ihr in den Wurf kamen, dadurch an sich fesselte, daß sie sie mit ihren hübschen Töchtern , die ebenfalls im Taschendiebstahl sehr ge= wandt waren, verkuppelte. Siebzehn Monate dauerte die Untersuchung gegen diese Bande, und zwar deshalb so lange, weil die Mitglieder derselben hartnäckig leugneten und fein einziger Geständnisse machen wollte. Ein gewiffer Kochlowski, ein junger Mensch von noch nicht zwanzig Jahren , ließ sich zuerst zu einem Geständnis herbei, durch welches die Polizei geradezu in Erstaunen ver-
auf ihre Kosten kommen. Sie gehen auch im Sommer planmäßig in die Badeorte, wo sie oft mit einem einzigen Griff vorzügliche Geschäfte machen, um dann sofort abzureisen und in einem anderen Badeorte ihr Geschäft fortzusehen. Umgekehrt kommen aber auch fremde Taschen diebe nach Berlin , um hier ihre Ernte abzu halten, und der große, ungeheuerlichstes Aufsehen erregende Prozeß gegen die Rirdorfer Taschendiebsbande im Jahre 1884 hat bis zur Evidenz erwiesen, daß internationale Beziehungen zwischen den Taschendieben herrschen, und daß dieselben die Vorteile der Association vollkommen erkannt haben und infolgedeffen nicht mehr einzeln, sondern bandenweiſe ihr Gewerbe treiben. Im Jahre 1884 ging nämlich dem Berliner Decernenten für Taschendiebstähle , dem damaligen Kriminalkommissarius und jeßigen Polizeiinspektor v . Meerscheidt-Hüllessem, die Mitteilung zu , daß in dem unmittelbar bei Berlin belegenen Nixdorf an einem bestimmten Tage eine Hochzeit stattfinden würde, an welcher als Brautpaar , Anverwandte und Gäste nur renommierte russische Taschendiebe und Hehler teilnehmen würden. Die Polizei könne mit Leichtigkeit die ganze Gesellschaft aufheben, und eine Haussuchung würde entschieden außerordentliche Resultate zu Tage fördern . Nun hatten sich damals die Taschendieb: Rosa Papier Paumgartner (S. 125). stähle in Berlin in erschreckender Weise gemehrt , troßdem der größere Theil der einheimischen Taschendiebe hinter Schloß und jest wurde. Er gab an, ein Waisenkind aus Riegel saß. Aber auch aus der Provinz von Polen zu sein, das von den Eltern gegen ein
Dom Leuchtgas. 142 geringes Entgelt an Taschendiebe abgegeben wurde und von diesen systematisch zu einem staunenerregend geschickten Taschendiebe ausgebildet wurde. Die ganze Untersuchung för derte Sachen zu Tage , wie sie wunderlicher fein Kriminalroman liefern könnte. Die alte Geschichte von Verbrecherschulen, die in englischen Romanen zu spuken pflegten, ja außerordentlich starke Reminiscenzen an Charles Dickens Oliver Twist" wurden bei den Kriminalbeamten und später durch die öffentlichen Verhandlungen bei dem Publikum rege, als man erfuhr, wie Kochlowski zu einem geschickten Taschendiebe erzogen wurde und ferner erfuhr , daß er nicht allein für das Verbrechen geschult worden war. Nachdem aber die ersten Geständnisse gemacht worden waren, erfolgten weitere. Vor allem machte Geständnisse eine Tochter der Frau , welche das Haupt der Bande war. Diese war mit ihrer Familie in Zwist geraten und hatte auch die anonyme Denunziation an die Kriminalpolizei abgesendet. Auch sie war eine Taschendiebin, und nur durch Zufall einige Tage nach der Hochzeit verhaftet worden. Danach kam es heraus , daß die Bande voll ständig genau Buch und Kalender über alle Messen und Märkte in Deutschland führte und überallhin Deputierte schickte, die den Auftrag hatten , für die gemeinsame Kaffe zu stehlen. Diese Deputierten , von denen manchmal 12 bis 20, nach allen Richtungen der Windrose hin, unterwegs waren , erhielten Reisekosten, Zehrungskosten, schriftliche Snstruktionen, Verzeichnisse der Eisenbahnanschlüsse und Hotels, in denen sie logieren sollten und in denen sie sich gewöhnlich unter falschen Namen in die Fremdenbücher eintrugen. Sie führten sich auf den Jahrmärkten gewöhnlich als Haar
Herm. Winkelmann als Tannhäuser (S. 125).
La perduta gente". 143 144 händler ein, d. h. als Individuen , die den auch Wohnungen , leicht angesaugt wird, und Bauernfrauen und Mädchen die Kopfhaare hierin eine große Gefahr für die öffentliche abkaufen wollen , oder welche Haarflechtarbei : Gesundheit ten anfertigen . Einer von ihnen baldowerte zusuchen ist. oder nüschte stets eine günstige Gelegenheit Seines beaus, dann rief er den anderen und machte, deutenden während dieser stahl,,,die Wand". Die Ausbeute war gewöhnlich eine ganz außerordentliche. Gelang es doch ein: mal z . B. dem erwähnten Kochlowsti mit einem anderen geschickten Taschen= diebe einen biederen Bauerngutsbesizer auf einem pom: merschen Saal der Dekorationsmaler. Atelier der Dekorationsentwürfe (S. 121 ). Markte durch gleichzeitiges Wand- und Scherenmachen zu berauben. Der Gehaltes an Kohlenoryd wegen muß das LeuchtBauer hatte nämlich , wie die Diebe entdeck: gas als zu den sehr heftig auf das Nerven ten, in seiner rechten Westentasche Goldstücke, system wirkenden Giften gezählt werden. Als in seiner linken silberne Thalerstücke. Die bestes prophylaktisches Mittel gegen die schädbeiden Taschendiebe rempelten ihn an , und liche Einwirkung des Leuchtgases betrachtet zwar so , daß Kochlowski seinen Complicen Sudakoff die Ausschließung des Leuchtgases ,,decte", der die linke Tasche ausräumte, und aus der Zahl der Beleuchtungsmittel und Ein-dieser den Kochlowski ,,deckte", der die rechte führung elektrischer Beleuchtung an seiner Tasche des biederen Provinzialen gänzlich Stelle. Da eine solche Aenderung in allerleerte. nächster Zeit noch nicht zu erwarten ist, so hält Das geraubte Geld wurde stets sofort per es Sudakoff für wünschenswert, die Gasfabri Postanweisung nach Rirdorf abgeschickt und kation unter die Aufsicht der öffentlichen Gedort geteilt. Schmucksachen wurden versett sundheitspflege zu stellen, und zu verlangen, und der Erlös ebenfalls per Postanweisung daß Gas mit möglichst geringem Gehalte an nach der Heimat ge- Rohlenoryd hergestellt werde. Während das schickt. Aber nicht allein aus englischen Kohlen in England erzeugte Gas Märkte wurden besucht, nicht mehr als 3-6 % Kohlenoryd enthält, ist sondern auch Festlich das auf dem Festlande dargestellte, je nach der feiten, die in jener Zeit verwendeten Kohle, daran bedeutend reicher, stattfanden und deren wie z. B. das aus Saarfohlen gewonnene fich der Leser vielleicht Münchener Gas, dessen Kohlenorydgehalt 10 % noch erinnert. Die Diebe erreicht . Als vollständig für Beleuchtungszwecke haben später eingestan unbrauchbar bezeichnet Sudakoff das Wasserden, glänzende Geschäfte gas , dessen Gehalt an Kohlenoryd bis 30 % auf dem Sängerfest zu betragen kann. Wenn schon eine Lust mit Hamburg und bei dem 2 % Leuchtgas schädlich auf die Gesundheit Universitätsjubiläum in wirkt, so wird sie nochviel gefährlicher mit einem Würzburg gemacht zu Gehalte von 2 % Wassergas ; in diesem Falle haben. Die Mitglieder enthält die Lust mehr als 0,5 % Kohlenoxyd der Bande wurden jämt und wird deshalb unbedingt tödlich wirken. n. lich zu schweren Zuchthausstrafen verurteilt; aber natürlich ist für sie längst Ersatz vorhanden, und Taschendieb,,La perduta gente" stähle werden nicht aufhören , solange es Von Taschen mit wertvollem Inhalt gibt. Indes liegt in der Veröffentlichung solRichard Vol. cher Daten wie die vorstehenden, doch ein gewisser Schuß des Publikums , besonders wenn es die Warnung nicht vergißt , die ihm hierdurch nochmals an das Herz gelegt Das war eine gute Zeit, als ich in den ersten Jahren meines römischen Aufwerden mag, aufmerksam und wachsam zu sein und sich niemals in Sicherheit zu enthaltes die Campagna nach allen Richwiegen ! tungen hin durchstreifte , immer allein und meistens zu Fuße ! Frühmorgens wanDom Teuchtgas. derte ich aus, nichts anderes bei mir, als Die Schädlichkeit des Leuchtgases ist von ein Täschchen mit Brot und Früchten. Sudakoff durch neue Versuch nachgewiesen In der ersten Woche verließ ich die Stadt worden. Er fand , daß das im Winter in regelmäßig durch die Porta Pia, in der großer Menge in der Bodenluft sich anhäu- zweiten durch die Porta del Popolo und fende Leuchtgas von geheizten Räumen, also so fort - Woche für Woche von Thor zu Richard Voß.
Richard Voß.
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Thor , um nach länger als einem halben | pagnuolen ; ich übernachtete bei Hirten und und die Menge der Kirchen, Paläste, SäulenJahre bei der Porta Angelica anzulangen. Schnittern, entweder in einem alten Römer- hallen ; die tragische Stimmung eines unSo schlug ich um Rom einen Kreis, dessen grabe oder auf freiem Felde am Lager- absehbaren Grabgefildes und der von MenPeripherie zwar nur Roms nächste Um feuer ; flüch= gebung umfaßte, in der mir jedoch nichts tete an der unbekannt blieb. Was habe ich auf diesen Küste vor Wanderungen gesehen : welche Wildnisse, einem Waldund welche Einsamkeiten, welche Herrlichkeiten ! brande Denke ich jetzt daran zurück , so entwirrt entrann nur sich mir die Menge der Eindrücke, die ich durch Zufall damals von der römischen Campagna em der Umstrickung eines pfangen und einzelnes tritt klar und mächtig hervor. Aehnlich ergeht es dem Be- Mörders am sucher einer Kunstausstellung : aus der Rande eines Masse des Geschauten steht ihm dieses Abgrundes. Ich war und jenes Werk für sich allein groß und bedeutend vor Augen. dabei, wie sich So erblicke ich heute die erhabene vejen das Volk in tinischeLandschaft, das hochherrliche Poussin bestialischer thal , die schwermütigen Einöden vor der Wut unterPorta Salara und die idyllischen Anio einander morufer bei der nomentanischen Brücke ; er- dete , wie es, blicke ich die traumhaften Stätten des alten von FieberCollatia und Gabii, sowie die ganze wilde schauern geGegend nach der Küste und den Maremmen schüttelt , am hin. Sämtliche Orte sah ich zu den ver- Wege liegen schiedensten Jahres- und Tageszeiten, häufig blieb , wie es unter den seltsamsten Verhältnissen und amWeg starb, von den abenteuerlichsten Erlebnissen be- verhungerte. gleitet. Ich sah die große römische Steppe Niemals sah im Frühling als ein einziges gewaltiges ich römische Blumengefilde und im Sommer als braune, Ackersleute trostlose Wüste; ich sah sie von Sonnen feiern oder sich schein überflutet , gleich einer leuchtenden freuen , nieFata Morgana und in wahrhaft furchtbarer mals erlebte Herrlichkeit, als wäre Rom Jerusalem und ich , daß sie abermals der Heiland gekreuzigt. Ich durch ihre FeldarAdolf Sonnenthal (S. 125). wanderte das römische Land im Sturm, beit anders unter Donner und Blitz , und in den verrichteten Gluten des Hochsommers ; beim Glanz des als wie Sklaven ihren Frondienst. Man schen wimmelnde Korso , das heitere festvollen Mondes und beim Schimmer der darf in der römischen Campagna an fein liche Leben auf der lichtstrahlenden Piazza Sterne. Ungezählte Male sah ich in einer Volk denken , das seinen Acker zwar im Colonna. Hier die Wildnis mit ihren in Einsamkeit, wie sie in den Prairien der Schweiße seines Angesichts , aber doch mit Felle gekleideten fieberkranken, dem UnterArkansas herrscht , die Sonne über Rom Lust und Eifer bebaut ; an kein Volk, das gange geweihten Bewohnern , dort die auf und untergehen. sich gesegnet fühlt, wenn die Saat gedeiht, Karossen des römischen Adels , Enkel glorUnd wie ich das Land kennen lernte, das trauert, wenn die Ernte mißrät. Und reicher Geschlechter, denen jenes Land vor man denke auch den Thoren Roms gehört, und die nicht nicht an ein Volk, die Hand rühren, um an den ungeheuerdas sein Land liebt. lichen Zuständen ihres Besistums auch nur Dem römischen den Anfang einer Besserung zu machen! Volk ist es gleichAus der langen Reihe der Landschaftsgültig, ob der Bo- bilder und Gestalten , welche noch nach den Früchte trägt , Jahren mit besonderer Deutlichkeit und oder ob er verwil Schärfe vor mir stehen , greife ich , ohne dert ; das römische besonders zu wählen, einige heraus. Die Volk haßt das Erlebnisse , welche ich erzählen will , beLand, das ihm die gegneten mir , als ich mit dem römischen Seuche des Fiebers Land und seinen Bewohnern noch ziemlich bringt und ihn unbekannt war. inmitten der Etwa vor zwölf Jahren, im Mai, unterAehrenfelder Hun- nahm ich die Wanderung. Ich wollte zugers sterben läßt. nächst nach Portus , dem ehemaligen hochdas sind berühmten Hafenorte des Claudius ; darauf Aber Phantasien : es nach Fiumicino und über die heilige Insel gibt in der Cam- nach Ostia und Kastell Fusano. So konnte Atelier für Theaterfoftime (Abteilung für Damentostüme) in ber Wiener Sofoper (S. 121). pagna Roms ja ich mir an einem Tage die Kenntnis einer gar kein römisches Gegend verschaffen , die , was Sage und Volf Geschichte anbetrifft, zu den ehrwürdigsten so machte ich mich mit dem Volke bekannt. Kehrte ich von meinen Wanderungen Stätten des alten Latiums gezählt werden Ich überdauerte ein plößlich hereinbrechen in die Stadt zurück - welche Gegensäße ! muß. des, orfanähnliches Ungewitter , beschützt und sie standen beinahe unvermittelt nebenWer gedenkt nicht bei der Nennung von dem Mantel eines berittenen Cam einander : die erhabene Dede der Steppe Ostias der Landung des Aeneas, der Blüte 7
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Haupttreppe im Wiener Opernhaus ( S. 123) . jener Stadt zur Zeit der Republik und des Todes der heiligen Monika ? Die Insel zwischen der Tibermündung und dem Claudinischen Hafen war das Lokal eines berühmten Apollokultus ; der Name von Portus glänzt in der Kaiserzeit und steht in der Geschichte des Mittelalters verzeichnet. Doch ich wollte die Gegenwart erleben und mich möglichst wenig in Re miniscenzen einer großen Vergangenheit verlieren. Ich hatte Rom am Nachmittag durch die Porta Portese verlassen, und kaum lag die Stadt hinter mir, als mich bereits die Dede umgab. Auf dem Höhenzuge, an dem die Straße sich hinzieht , hatten die Gärten Cäsars und Augustus gelegen, liegt heute Magliana , das Luftschloß Leo X. einsmals ein herrlicher Bau, jetzt ein verlassener Ort, berüchtigt durch die Malaria. Vor mir ein weiter Blick auf das Hügel land, in der Blütenfülle des Frühlings : Narcissenfelder,von Rosenhecken umschlossen; aber nirgends ein Haus , nur Ruinen, nir gends ein bebauter Acker , nur Prairie ;
ben, träge flutenden Wogen. Möwen kreisen darüber , tauchen unter , tauchen empor, schwingen sich mit heiserem, kreischendem, gellendem Schrei in die Höhe. Ein Boot wird den Fluß hinaufgezogen ; Ochsen und Menschen sind davor gespannt. Ich höre das Knirschen der Taue. Unmittelbar jenseits des Stromes die Wildnis ! Wildnis bis zu den herrlichen Höhen des Albanergebirges , welches sich mit dem Gipfel des Cavo gleich einer leuchtenden Krone über den grünen Triften erhebt ; Wildnis bis zur Meeresküste, die ein breites , schwarzes Band umschlingt : der Buschwald ; Wildnis nach allen Seiten ! Die Landstraße ist einsam; höchstens erscheint ab und zu ein berittener Hirt. Jene bunte, fantastische Staffage anderer römischer Landstraßen : der zweiräderige Carettino mit dem wie zum Karneval ausgeputzten Pferde und dem hohen, zeltähnlichen Aufbau -- ein wahrer Glockenturm ! - dieses wunderliche Gefährt, dessen Geläute und Gerassel schon eine Miglie vorher zu hören ist, fehlt auf der portuensischen Straße beinahe gänzlich ; führt sie doch zu den Maremmen und jenen elenden am Rande der Sümpfe gelegenen Ortschaften, die nichts besitzen, was auf Karren zur Capitale gebracht werden könnte. Der Tag war heiß, die Luft erstickend, das Wandern keine Lust , sondern eine Beschwerde. Ich wunderte mich über die Lerchen, die in Scharen unverdrossen jubi lierten. Nachmittags stieg von allen Seiten Es Gewölf auf: schwarz und massig. überzog den ganzen Himmel und schien das Tageslicht auszulöschen ; aber es wurde nicht kühler. Ich wollte rasten und warf mich hinter 3m Parkett (S. 123). einer Hecke unter Asphodelen nieder ; die Müdigkeit überwältigte mich, ich schlief ein. nirgends Bewohner, nur nomadisierende Als ich aufwachte, war es tief dunkel; am Himmel kein Stern , auf der Erde kein Hirten. Zur Linken der Tiber mit seinen gel- Licht.
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Mein Kopf schmerzte und meine Glieder waren steif. Ich ging weiter. Ohne den Weg zu meinen Füßen zu sehen, schritt ich in das Düster hinein. Nach einer Weile glaubte ich vor mir etwas zu erkennen, das schattenhaft aus dem Boden aufstieg. Es mochten Häuser, es fonnten aber auch Bäume sein. Ich hielt es für die Ruinen des alten für die Trümmer des neuen Portus ; doch durfte ich wohl annehmen, in beiden toten Städten wenigstens einige Bewohner zu treffen. Beruhigt ging ich vorwärts , ohne einem lebenden Wesen zu begegnen, ohne einen Laut zu vernehmen. Ich war nicht lange gewandert, als die Nacht so dunkel geworden , daß sie wie ein dichter schwarzer Vorhang sich mir vor die Augen legte. Sehr bald bemerkte ich, daß ich vom Wege abgekommen. Ich versuchte mich zurechtzufinden ganz vergebens ! Und ich wußte mich von Sümpfen umlagert ! Vorsichtig schritt ich, tastete ich mich vorwärts. Ich hörte ein Geräusch; dumpf brausend , mächtig : die Brandung des Meeres. Es lag vor mir, ich schritt ihm entgegen, ohne etwas davon zu sehen, wie in Blindheit. Das mochte eine halbe Stunde dauern, die mir in der Erwartung
Foyer im Wiener Opernhaus (S. 123). verstrich, jeden Augenblick in Morast zu geraten. Jetzt wurde der Pflanzenwuchs höher und üppiger, so daß ich fast darin versank und mich nur mit Mühe hindurcharbeiten konnte. Bereits dachte ich daran, stehen zu bleiben und in dieser Lage den Tag zu erwarten. Doch das wäre beinahe sicherer Tod gewesen, denn eine Nacht in solcher Weise in den Maremmen zugebracht, mußte das Fieber bringen. Mein Zustand begann unheimlich zu werden, ich wurde von Sorge ergriffen, ich rief nach Hilfe. Wer hätte mich hören sollen ? Da begann es heftig zu wetterleuchten; da erkannte ich, wo ich mich befand. Ich
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fah Portus, weit hinter mir, ich sah die pagna gibt es nur wenig ältere und gar deres als Brot aus Weizenkleie , BüffelSümpfe, dicht vor mir. feine alten Männer. Was für jammer- käse und Ricotto. Sie sagten mir, daß Welch ein Gang ! Auf das Leuchten volle Gestalten diese waren ! Nur Schatten das gute Nahrung sei , daß die meisten der Blize wartend und in dem aufzucken von Menschen mit hagern , fahlen Ge- Campagnuolen lediglich von Brot und den, gleich wieCichoriensalat lebten , oder sie suchten sich der verlöschenden andere bitterschmeckende Kräuter , die sie Flammenspiel genossen, wie sie dieselben fanden. Wenn das Bild der wildiese Leute zu ihren Mahlzeiten Del geden Gegend : ödes brauchten, so war das ein Festtag für sie. Mauerwerk und Ich fragte sie nach ihrer Gesundheit. eine alte RömerDamit stand es bei allen schlecht. Entstraße mit einer weder sie hatten das Fieber, oder sie hatten Pinienallee ; die es gehabt , und wer das Fieber gehabt Prairie und aus hatte, der bekam es wieder. Schilfund BuschOb sie nicht Chinin nähmen ? werk aufragend Nein, Chinin sei ihnen zu teuer. Aber die schwarzen wenn sie es auch kauften , so würde es Häupter der Büfihnen doch nichts helfen. Warum nicht ? fel , die weißen LeiberderOchsen; Weil es gefälscht wäre - mit Mehl vermischt ! jetzt der ganze Himmel feurige Ob sie, wenn sie erkrankten, nicht nach Lohe , die ganze Rom gingen zu einem Arzt ? Erde in grellem , Was das sei , ein Arzt ? Ich meinte gespenstischem wohl den Apotheker ? Lichte aufglänWart ihr niemals im Spital in Rom? zend , gleich darVon ihnen war feiner dort gewesen ; auf tiefe Nacht ! aber sie hatten welche gekannt , die im Ich erreichte Spital gestorben waren. Sie wollten dieStraße,welche nicht ins Spital , sie wollten lieber so sterben. gerade zwischen Sumpf und PiWas sie thäten, wenn sie das Fieber bekämen ? nien hinführt. Beim Leuchten Was sollten sie thun ? Nichts ! Entder Blitze erweder sie würden wieder gesund, um nach fannte ich Wände kurzer Zeit von neuem zu erfranken, oder und Nischen, von sie würden eben nicht wieder gesund. Netzwerk überOb sie sich gegen das schreckliche Uebel zogen, sah ich zernicht schüßen könnten ? Ich hätte häufig trümmerte Säugesehen, daß die Leute faulendes Wasser len , einen Sartränken, daß sie sich mit ganzem Leibe auf fophag,den Torso den giftigen Erdboden niederlegten . Ob einer weiblichen sie nicht wüßten, daß sie davon das Fieber Statue. bekämen es bekommen müßten? Dann langte ich Das wüßten sie freilich. Aber was sollten Feliz Schweighofer in dem Voltsftüd's Nulleri" (S. 124). an in Portus, in fie thun? Sie wären todmüde und sie dem modernen, legten sich nieder, sie wären durstig und dem neuen" Portus . Ich ging auf ansichtern , tiefliegenden, brennenden Augen sie tränken das vergiftete Wasser. tikem Pflaster, an antikem Gemäuer vor und farblosen Lippen. Deffneten sie den Aber wenn sie sich auch nicht auf den über ; auch diese neue Stadt war eine Mund, so traten ihre weißen Zähne wie Boden legen, nicht das Sumpfwasser trinken ausgestorbene begrabene Stätte , nur von bei einem Totenschädel Sie waren den Geistern der Vergangenheit bevölkert. hervor. wollte sagen schlecht gekleidet und Doch in einem Hause stieß ich starrten vor Schmut ; in einem Gewölbe, einer Höhle auf lebende Wesen. Es waren Hirten. derjenige, der aufgestanSie lagerten, in ihre Mäntel gewickelt, um den war und die Speiein Feuer ; bei ihnen ihre Hunde, weiße, sen für mich holte, hatte zottige Ungetüme. Ich rief den Männern einen schleppenden, totzu , die Hunde zurückzuhalten, und trat müden Gang und matte unter dem Geheul sämtlicher Bestien an Bewegungen , wie ein Schwerkranker. Er das Feuer und zu den Leuten , die sich faum rührten . brachte mir , was zum Ich grüßte und erzählte ihnen, wie es Essen da war : hartes mir ergangen sei ; ich fragte , ob ich bei Brot aus Kleie bereiihnen übernachten könnte, und ob sie etwas tet, Büffelkäse und Ricotto. für mich zu essen hätten. Nachdem ich meinen Ich konnte bleiben, und sie wollten mir etwas zu essen geben. Nun betrachtete Hunger gestillt , erkun ich meine Wirte näher. Es waren noch digte ich mich nach ihrer Requisitenkammer des Wiener Opernhauses (S. 121). junge Männer. Freilich sahen sie nicht Lebensweise. Ob siesich jung aus , aber ich wußte , daß sie nicht niemals etwas Warmes bereiteten ? Nein, | würden, sie bekämen das Fieber dennoch. alt sein konnten ; in der römischen Cam niemals ! Sie aßen niemals etwas an Das war nun einmal nicht anders .
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| besinnen, bevor ich mir flar wurde , wo ,,Und das kommt oft vor?" Ihr thut also gar nichts , euer Leben zu erhalten ? ich war. Das Feuer brannte noch hell, (Immer " ! O ja, Herr, bisweilen, Herr Doch, sie thaten etwas, sie thaten, was noch mit leuchtenden Augen. ) meine Wirte mußten es für mich unteralle thaten . Vom Juli an bis zum November übernachteten sie nicht mehr in Portus , sondern sie begaben sich jeden Abend , wenn sie nach den Herden gesehen , Miglien von Portus hinweg beinahe bis zur Grenze von Rom , wo es wenigstens keinen Sumpf gab, wenn auch immer noch Malaria. Das thaten sie, mehr konnten sie nicht thun. Ich erkundigte mich, ob sie aus Portus wären. Aus Portus ? Aus Portus konnte niemand gebürtig sein; denn in Portus gab es keine ständigen Einwohner , feine Familie. Sie waren Fremde aus der hohen Sabina. Ich rief aus : „ Aber warum, ihr Unglücklichen, verlaßt ihr euere Heimat, warum kommt ihr in dieses fürchterliche Land, wo ihr über kurz oder lang zu Grunde geht, zu Grunde gehen müßt!" Die Antwort lautete: Bei uns zu Hause würden wir vielleicht Hungers sterben !" Und auf wie lange Zeit verdingt ihr euch?" Auf fünf, auch zehn Jahre ; auf so lange , als wir brauchen , um uns etwas zu ersparen. " Wie viel erspart ihr euch in fünf Jahren?" Etwa zweihundert Skudi. " Das ist wenig !" ,,Das ist viel! " ,,Und wenn ihr euch das viele Geld erspart habt , so geht ihr in eure Heimat Erste (Geh )Probe eines Ballets. Scene aus dem Bacchanal der Walpurgisnacht im Faust (S. 122). zurück?" Dem Mann, den ich fragte, leuchteten ,,Sage mir, wenn du nun mit deiner halten haben; sie hatten mich auch mit die Augen. „ Gewiß , Herr , wenn wir noch am Ersparnis heimkehrst, dann heiratest du?" einem Mantel zugedeckt und Speisen neben „Ja, Herr!" mich hingestellt: Brot, Büffelkäse, Ricotto. Leben sind!" Nach diesen Entdeckungen sette es mich Es war ein erstickter Jubelruf. " Wieviel Jahre mußt du noch warten, kaum in Erstaunen, daß ich nicht beraubt bis du nach Hause zurückkehren kannst?" worden war. Wenigstens meine Uhr hätten. Drei Jahre, Herr ! Zwei Jahre bin sie mir nehmen können! Ich warf den Mantel ab, erhob mich ich hier; seit einem Jahre habe ich beständig das Fieber. Aber ich werde ge: vollends , legte neben die Speisen mein wiß in drei Jahren nach Hause können . " Geschenk nieder und verließ den elenden Ort. Ich schwieg. Es war ein herrlicher Tag, Erde und Dann fragte ich noch, ob sie zuweilen Himmel strahlten ; dennoch durchwanderte Gottesdienst hätten ? „Jedes Jahr einmal, in Ostia drüben. " ich die verlassene Stätte wie im Traum. Aber vom Christentum wußten sie den Nirgends ein Mensch , überall Trümmer, noch nicht viel; sie wußten nur , daß sie Sumpf, Wildnis. Ich sah die Reste jenes große Sünder wären, daß sie, eben ihrer hochberühmten, herrlichen Hafens des Clauschweren Sünden wegen verdammt dius : ein Teich , von Lilien und Wasserwürden , daß sie in Ewigkeit ver- rosen überzogen; ich sah die Substruktionen dammt blieben, wenn sie unkommuni- der Villa Messalinens , halb im Morast ziert starben. Die meisten von ihnen versunken, einem Felde gelber Lilien und blühender Giftpflanzen entsteigend. Wenn starben unkommuniziert. Ich fragte nicht weiter. jede Stätte ihren Genius besitzt, so müßte Von dem Jammer eines solchen der Schatten, der über diesem Ort schwebt, Menschenlebens wie betäubt, legte ich eine Gorgo, ein Würgegeist sein. Zwischen Kanal und Sumpf führt die mich neben dem Feuer zum Schlum mer nieder; ich schlief auch sogleich Straße weiter, einen freien Blick über das ein und hatte Träume , schwer , wie ganze Land gewährend . In weitem Bogen Alpdruck. Mit dem Gefühl einer wurde die Steppe von dem Gebirge umunerträglichen Dumpfheit aller Sinne schlossen. Mit den sanften und schönen erwachte ich. Lange mußte ich mich Linien des Ciminiwaldes begann, mit den Bernhard Baumeister (S. 125).
Richard Voß. ,, La perduta gente". 159 158 157wilden Felsengipfeln der Volskerberge enBevor ich die Insel durchwanderte, | Auch an diesem Gestade mochten Rinder dete hier das römische Alpenland. Näher begab ich mich an den Strand ; hier hielten des Gottes geäst haben. und näher kam ich dem Brausen der Fischer ihre Morgenruhe. Ich redete die Nacheinstündiger, köstlicher Wanderung Brandung; dann sah ich es, leuchtend im Männer an : es waren Neapolitaner. Von trat ich aus dem Labyrinth der Gebüsche Morgensonnenschein das Tyrrhenische ihrem Golf kamen die Fremden bis zu und siehe dazu meinen Füßen strömte diesen fernen Gestaden. Sie verkaufen der Tiber seiner Mündung zu ; vor mir Meer! Vor Fiumicino , einem armseligen ihren Fang nach Rom, sie erzielen reichen lag am fumpfigen Strand der Leuchtturm von San Michele, lag Ostia, das alte und Fischerdorf, führt eine Brücke über den Gewinn. Kanal und auf die Heilige Insel" . Diese Was wollt Ihr ?" erwiderten sie mir, das neue. Ein Fährmann , der Charons Gehilfe ist eine ziemlich lange und schmale Sand- als ich ihnen mein Erstaunen äußerte, daß bank , nicht viel mehr als eine einzige an diesen Küsten nicht Einheimische den hätte sein können , schaffte mich an das jenseitige Ufer. Kein große Düne. Da stand ich nun Baum gedeiht dort, von neuem in tiefster nur üppig wucherndes , Einsamkeit am gelben Strauch blühendes Tiberstrand, daran die werk. Hier scheint die schwerfällig vorbeiwoHeimat der Marguegenden Wellen mit riten und Cyklamen zu raunendem Gesange sein , die unter den schlugen, darüber freiMyrtengebüschen den fende Möwen ihren schimmernden Boden gellenden Schrei ausbedecken . Herrlich ist stießen. Langsam ging der Anblick der Asphoich davon ; aber faum delenfelder, deren hatte ich einige Schritte schöne, rosige Blumengethan , als Staunen dolden dem Wanderer michbannte: vomFluß bis an die Brust reiumspült die Aera eines chen. Gewahrt der Tempels ! Noch stanFremdling in der glanzden die Säulen der vollen Ferne die moHalle , noch führten numentalen Umrisse Stufen zum Altar emdes Circekaps , das wie por, noch wölbte sich ein Felsenthron im in der Cella die Nische, Aether aufsteigt , so in der einst das Göttermag es ihm, jene Blubild strahlte. Aber statt mengefilde durchschrei des leuchtenden Martend , ganz homerisch mors umkleidete dunkzu Mute werden : wird ler Epheu die Mauern, le doch die Asphode für statt bunter Tänien dieselbe wunderthätige rankten sich CapriPflanze Moly gehalfolium und Heckenrosen ten , welche Merkur um die Säulen ; Bludem Odysseus gab, um men sproßten aus den den Helden durch den Rißen der Stufen herSaft dieser Blüte vor vor , ein Ginsterbusch den Reizen der argen und ein junger FeiZauberin zu schützen. genbaum grünten auf Aber keine Wunderdem Altar , und als pflanze bewahrte UlysCharlotte Wolter als Phädra (S. 125)ich zur Nische trat, ses vor dem schönen scheuchte ich aus dem seht Weibe ; denn Was wollt Ihr , Lorbeerstrauch ein Pärlein schillernder Padort , unterhalb des Cavo den grünen, Fischfang betrieben. langgestreckten Höhenzug! Dort lag Tus- Herr? Diese Leute sind arme Bestien. Lombas auf. Ich ging weiter, von Ruine zu Ruine. culum! Und als Tusculums Gründer be- Seht sie doch an! Sie haben genug zu Wildnis begrub sie , ein Meer von Die sterben; zu Malaria der an , nicht thun zeichnet die Sage Telegonus , Sohn des wie sollten sie Gedanken dafür haben, Blüten bedeckte sie. Ich sah die seltenste Odysseus und der Circe. Es ist, als wüßte der Boden, daß er Fische zu fangen? In Antium gibt es Flora , fremdartige , fantastische farbeneinstmals ein Heiligtum des Apoll ge einige lateinische Fischer und einige gibt glühende Blumen. Es fiel mir ein , daß tragen , und daß die Götter Roms und es in Fiumicino ; aber die meisten sind Hirten mir erzählt hatten , wie die Vögel, Griechenlands vergangen sind ; eine solche doch Neapolitaner. Warum lassen sie es von Afrika zurückkehrend, manchmal Pflanzensamen mit sich führten. Hier in Ostia, Schwermut lagert über der Stätte. Wo sich von uns gefallen !" Ich durchschritt die Insel in ihrer wo die Mutter Sankt Augustins gestorben, die Römer alle fünf Jahre den Gott des Lichtes und Gesanges in herrlichen Spielen ganzen Länge, wobei ich mehr als einmal schienen die Blumen aus der Heimat des und Festen feierten, gehört jest das Land genötigt war , um die weidenden Herden Heiligen aufgegangen zu sein , um die halbwilden Herden und den Vögeln , die einen großen Bogen zu machen und mich Todesstätte der heiligen Monika mit Bluim Frühling, von Afrika zurückkehrend, auf vor manchem gewaltig gehörnten Haupt men zu schmücken. Wie wild und unbändig hier, kurz vor der Insel rasten. In Scharen lassen sich hinter den Myrtendickichten zu verbergen. Mündung , der Tiber war ! Seine seiner geRinderherden jener ich mußte Dabei Zuerst nieder. dort Tiere todmüden die kommen die Kraniche, die wilden Schwäne denken , welche dem Apollon geheiligt ge- schlammigen Wogen gleichsam hineinbohund Gänse, denen die Stare und Wach wesen , und deren Tötung durch die Ge- rend in das uralte Gemäuer , bildete er teln folgen. Dann erscheinen die römischen fährten des Helden von Troja den Grimm darin Grotten und Höhlen, welche Buschdes Olympiers gegen die Griechen erregte. werk und Gerant in die föstlichsten Nym Jäger, dann beginnt das Gemetzel.
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phäen verwandelten . Ich ging weiter, | Weib, das einem Kinde die Brust reichte ; tiefer und tiefer in die Ruinenstadt hinein, Mutter und Kind hatten das Fieber. Ich die mir wie ein zweites Pompeji erschien, knüpfte mit der Frau ein Gespräch an, aber noch viel wundersamer als jenes in aber sie antwortete mir so verdrossen, mit dieser ungeheuren Einsamkeit, mitten in solcher Apathie und Ermattung, daß ich der Wildnis, überschüttet von Blüten. Ich es bald unterließ. Ich fragte sie : Wie lebt ihr hier?" gelangte zu einer Basilika, zu einem Magazin, in deſſen Boden gewaltige thönerne Das verstand sie nicht ; vergebens suchte Weinfrüge steckten ; kein einziges der schönen ich mich ihr begreiflich zu machen. Dann Gefäße hatte einen Sprung. Ich kam erkundigte ich mich: auf einen, mit uralten Paperinplatten beWovon lebt ihr ? Was eßt ihr ?" Brot und Salat und Delſuppe ! " legten Plak; ich kam zum Forum , zu Nichts anderes ?" Tempeln , Baſiliken. An vielen Orten hatten sich Lachen und kleine Sümpfe geZuweilen eine Minestra !" bildet, in deren Röhricht silbergraue Reiher Habt ihr hier gutes Wasser ?" Es ist gut nisteten. Auf den Mauern wimmelte das wenn man sich daran glänzende Völklein der Lacerten , große gewöhnt hat." smaragdgrüne Eidechsen huschten über das Bleibt ihr auch im Sommer hier ?" Pflaster , Nattern lagen regungslos im // Nein ! " Graſe geringelt. Der Arm einer Statue Wohin geht ihr ?" „ Nach Ariccia ! " ragte aus der Erde, als streckte ein Leichnam seine Hand aus dem Grabe. In // Alle ?" Scharen waren diesem Boden die Marmor"! Wer am Leben bleiben will ! “ leiber von Göttern und Helden entſtiegen ; Wann geht ihr ? " aber noch war die große Gruft nicht geleert. Am sechzehnten Juni ; im November Sah ich auf nichts als Himmel kommen wir wieder. " und Steppe ! Und weit , weit , in schim So lange ist kein Mensch in Ostia ?" „ Doch!" mernderFerne, dic Linien des Gebirges, mehr einem Traume gleich als der Wirklichkeit ! "! Wer bleibt hier ?" Ein Knecht und ein Hirt ! " Es war gegen Mittag , als ich mich cndlich losriß und mich nach dem neuen "[ Aber die sterben ja !" Ostia begab, das beinahe an die alte Stadt Nicht immer. Wenn sie das Fieber stößt. Es besteht aus dem grabenum sehr start haben, kommen andere und wechzogenen Kastell, dem ehemals bischöflichen | seln mit ihnen ab. " Palast , der Kirche , einigen verfallenen Sagt mir gute Frau Aber sie wandte mir den Rücken. Dekonomiegebäuden und Magazinen. Die Sträflinge, welche ehemals , unter der HerrEs war gleich einem Traume : ein schaft des Kirchenstaates , in Ostia waren, Pinienwald, herrlich und feierlich wie der findet man nicht mehr ; es erwies sich als einer Gottheit geweihte Hain , auf einer unmöglich, sie daselbst am Leben zu er Wiese ein altertümliches , burgähnliches halten. Es soll in diesem Jahrhundert Haus, in der Mitte der Flur auf Stufen vorgekommen sein , daß die Gefangenen ein Altar, zu beiden Seiten Marmorbänke länger als eine Woche von ein paar fieber mit antiken Hermen. Sonst nichts ringskranken Weibern bewacht wurden : die Ge- um, sonst ringsum nur die schlanken, rötfangenwärter waren sämtlich am Fieber lich leuchtenden Stämme, mit den breiten, gestorben und niemand da , die Nachricht schwärzlichen Wipfeln ; nichts , was den Einnach Rom an die Behörde zu bringen. druck von Einsamkeit, Ruhe und Wildnis Damals war Ostia während der Som- | hätte stören können. So ist Kastell Fumer- und Herbstzeit einer einzigen großen sano beschaffen , vielleicht das wundersamste Totenkammer gleich : man begrub die Ge- Fürstenschloß der Welt. Und wie in einem schweren Traum storbenen nicht, sondern pflegte die Leichen in einen Brunnen zu werfen. vernahm ich auch hier die alte bange Klage, Heute ist die Festung mit den im alten von welcher das ganze römische Land wider Ostia gefundenen Antiken gefüllt, die Kirche hallt : auch hier Malaria und Fieber, Siech: steht verschlossen ; der bischöfliche Palast tum und Tod ; auch hier der Mensch nur verfällt , wie rings um ihn alles andere. ein flüchtiger Gast , auch hier keine EinDas Thor stand offen , ich ging hinein. gebornen, sondern Fremde, die den BuschDie Mauern mit Inschriftstafeln bedeckt, wald niederschlagen, zu Kohlen verbrennen, Säulenstümpfe und Kapitäle, Cippen und dann wieder fortziehen, dann fliehen. Altäre , Sarkophage und Torsi in allen Welch ein Gang vom Schlosse zum Winkeln , allen Ecken , sowohl im Palast Meer ! Aber nicht auf der , mit antiken ſelbſt wie in der Vorhalle der Kirche, in | Lavasteinen gepflasterten Straße , sondern quer durch Pineta und Macchie. den Höfen. Die Zahl der Bevölkerung Ostias beDas sind Wege und Pfade ! Kein läuft sich gegenwärtig auf zwanzig bis Sonnenstrahl durchdringt die Laubmassen, dreißig Personen. Auch diese sind Fremde: ewige Dämmerung erfüllt sie. Unter den Hirten , Feldarbeiter , der Ministro mit Pinien eine undurchdringliche Waldung seiner Familie, der Guardiano mit seiner von Arbutus und Myrten , Mastix und Familie. Ich sah die ganze Einwohner- Wacholder , Buchs und Erikasträuchern. schaft. Die meisten waren Gestalten wie Wie Edelsteine leuchten die Blumen aus diejenigen meiner Wirte von Portus. Auf dem tiefen Schatten auf, und die Luft ist der Schwelle eines Hauses kauerte ein eitel Wohlgeruch.
162 Plößlich nehmen Wald und Macchie ein Ende , ganz plöglich befindet sich der Wanderer den Dünen gegenüber. Als ich sie das lezte Mal sah, waren sie ganz ein= gehüllt in Blüten , so daß der silberhelle Meersand nur hie und da zum Vorschein fam . Da gibt es Rosmarindickichte, übervoll von lichtblauen Blüten und daneben hohe Sträucher weißer und violetter Cistusrosen mit großen goldigen Kelchen , mehr Blumen als Blätter. Da sind die hohen goldgelben Immortellen und Sternblumen und Meerlilien. Doch wer vermöchte es zu beschreiben, wenn zwischen zwei Dünen -zwischen zwei Blumenhügeln - der | Blick auf das Meersich öffnet, auf die dunkelblaue , strahlende , unendliche Wasserflut, über die einige weiße Segel dahingleiten. Aber noch erhabener gestaltet sich der Anblick , sobald man eine Düne ersteigt und von droben herab auf den Pinienwald sieht. Weit ausgedehnt, Wipfel gedrängt an Wipfel und im Hintergrunde des wundersamen Bildes die strahlende Pyramide des Genaro, der von Waldung umdunkelte herrliche Monte Cavo . Wer es einmal gesehen, vergißt es nicht ! Aber vergessen werden über dem Anblick ſolcher Erhabenheit die Verödung , die Verfumpfung, die Verwilderung des Landes, vergessen werden seine Schrecken und daß es den Menschen , die darin wohnen, den Tod bereitet. Wer das Land von dieser hohen Warte aus übersieht , der möchte das Volk, das hier lebt , glücklich preisen. Als ob die Bewohner dieses Landes überhaupt lebten ! ?
Im vergangenen Jahre besuchte ich Ostia im Hochsommer. Die Frage , betreffend die Kultur des Agro romano, war bereits lebhaft im römischen Senat und in der Kammer debattiert worden ; in Italien sowohl wie im Auslande hatten sich die Gemüter dafür erregt und erwärmt. Man hatte in Rom Gefeße und Bestim mungen erlassen , viele hofften auf eine bessere Zeit für das römische Land , die meisten jedoch zweifelten . Zu diesen legteren gehörten namentlich die Besizer des Landes , dessen Sein oder Nichtsein für die Kultur in Frage steht. Es war im Juni und während der Erntezeit, als ich nach zehn Jahren Ostia wiedersah ; nichts hatte sich seitdem dort verändert , aber allerlei Vorbereitungen waren getroffen worden. An der Mauer einer der modernen Ruinen , welche das neue Ostia bilden, stand mit mächtigen , schwarzen Lettern geschrieben : „ Per la beneficenza del agro romano. " Von den Dingen , welche geschehen sollten , hörte ich nur reden. Und auch das kaum. Die Bewohner jener Gegenden, welche gerettet werden sollen, wissen alle, daß nichts zu retten ist. Alles war so , wie ich es vorzeiten gesehen ; dennochhätte ich die Gegend kaum wieder erkannt ; eine braune, furchtbare Wüste dehnte sich aus , wo ich damals durch Blumenfelder gewandert war.
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Vom Gebirge war nichts zu sehen ; zu Mute , als sollte ich eine Schar zum | zu speien, sondern sie haben die Bestimmung, eine fahle, dicke Dunstschicht schob sich da Tode Verurteilter sehen. Hinter mir her bei nebeligem Wetter ihren ehernen Mund vor, umtürmte den ganzen Horizont, um | schallte das gräßliche: " Grazie , Maria ! unter Umständen zur Warnung der vorübersegelnden Schiffe zu öffnen . Grazie ! Grazie ! " braute Himmel und Erde. In erster Reihe ist freilich hierzu die Ich stand in dem Hof des bischöflichen Auf dem Rückwege nach Rom begegnete Sirene" berufen , deren Hals dort vor dem Palastes. Aber Ostia war ausgestorben, uns ein Trupp Karabinieri zu Pferde. Maste in die Höhe ragt. Doch denke man seine ganze Einwohnerschaft vor dem Fieber Als sie vorüber waren , sagte mein Be- hierbei nicht an jene lieblich singenden Fabelwesen, welche den irrenden Odyſſeus bedrohten. nach Ariccia geflüchtet. Im Schatten der gleiter : Unsere Sirene bezeichnet man am zutreffendsten „ Die suchen Banditen. “ Kirche lag einer der zurückgebliebenen ,,Heulmaschine". Von mit dem Ausdruc "Bei Ostia?" Knechte ; man konnte den Mann für einen dickem" Sterbenden halten. Die Briganten verstecken sich in der Dampfkraft getrieben, stößt sie bei „gellende Wetter alle drei Minuten je zwei Plötzlich fuhr ich erschreckt zusammen : Macchia ; aber aus der kommen sie schwer: Warnungsrufe aus , einen hohen und einen ich hörte in der Ferne Geschrei , Geheul lich lebendig wieder heraus. Che volete ? tiefen Ton, welche stark genug sind , um sich Sono perduta gente. " es waren fürchterliche Töne. auch troß des dichtesten Nebels den Vorüber= Perduta gente ! Ja , das war das fahrenden bemerklich zu machen. Ich eilte zu dem Liegenden und rief Nun tritt aber mitunter der Fall ein, daß Wort, das mir den ganzen Tag den Sinn ihn an: "1Was ist das ? Wer schreit so gräß durchschwirrte. La perduta gente ! Ja, fich an der Sirene Betriebsstörungen geltend das sind jene unglückseligen Bewohner des machen oder daß an der Dampfmaschine etwas lich ?" nicht in Ordnung ist. Dann muß die Reserve: Der Mensch stierte mich mit seinen römischen Landes ; ob Hirt, ob Feldarbeiter, sirene, bezüglich Reservemaschine, in Thätigkeit brennenden Augen eine Weile an, begriff ob Bandit alle, alle sind sie » perduta treten. Darüber vergeht wohl an zwei Stunmich endlich. gente “ . Wahrlich : an dem Himmel, der den Zeit, und jest nimmt man die Thätigkeit Wer soll das sein ? Es sind die dieses herrliche, der dieses furchtbare Land der beiden Kanonen in Anspruch. Alle ViertelFremden." überstrahlt, sollten in Flammenschrift jene stunden wird ein Doppelschuß abgegeben, und // Was für Fremde ?" Worte lodern , die Italiens Dichterheros die Pausen füllt das Geläute der großen Die Weizen schneiden. " über den Eingang seiner Unterwelt sett: Schiffsglocke aus, das sich nach je drei Minuten wiederholt. Dieses Hilfsſignal ist freilich unSie schreien so ? Was geschieht ihnen ? " Per me si va nella città dolente ; gemein kostspielig, nimmt auch die Kraft der Per me si va nell' eterno dolore : Schlagen sie sich untereinander tot ? Oder nur aus neun Matroſen bestehenden BePer me si va tra la perduta gente . " find fie verrückt geworden ? Ums Himdienungsmannschaft sehr in Anspruch. mels willen, höre nur, Mensch! " Am Tage, bei klarem Wetter, erkennt man finge Sie " n. // das Feuerschiff außer an dem schon erwähnten Ich starrte auf den Mann , als habe leuchtenden Anstrich noch an einem zwiebeler plöglich den Verstand verloren . Ein friedlicher Dorposten förmigen Korbgeflecht , welches , Spise nach oben , den Mast krönt. Dies ist der soge" Sie fingen wegen der Hize , Herr. nannte „ Topkorb “. Sie singen , um bei Kräften zu bleiben; unferer Marine. Sind wir an Bord gelangt , so fällt uns fie singen, um nicht umzufallen ; sie fingen, zunächst ein hübsches , weiß angestrichenes Von aus Verweiflung, Herr. Häuschen mit Glasfenstern auf. Dieſes umDer Hike wegen mußte ich bis zum gibt den Mast und birgt tagsüber den VeGeorg Köhler. Abend bleiben und bis zum Abend währten leuchtungsapparat. Lekterer besteht aus acht in zwei verdie furchtbaren Töne, welche „ Gesang“ ſein schiedenen Höhen befindlichen Rüböllampen sollten. Wohin ich mich auch vor ihnen auf einer Reise von Kopenhagen nach mit Doppelbrennern. Eine große cylinderzu retten suchte, ich hörte sie überall, diese wer Königsberg nachts die Südküste von förmige Glasscheibe, welche die Lampen umLieder des verdammten Volkes! Am Abend ballte sich das Gewölk zu Bornholm in der Entfernung von einigen Meilen schließt , gibt dem Ganzen das Ansehen einer Vermittelſt eines Uhrwerkes einem Gewitter zusammen . Ich atmete, paſſiert, der wird auf der rechten Seite des riesigen Laterne.Lampen um den Mast herum, eine ganz eigenartige Lichterscheinung | drehen sich die ich lebte auf; weniger für mich als für Schiffes gewahren. nachdem die Leuchte bei Sonnenuntergang jene unseligen fremden Schnitter. Che Da blißt es , immer auf derselben Stelle, in etwa halve Masthöhe emporgezogen worden ich fortfuhr, begab ich mich zu dem Felde, sekundenlang auf, und dann folgt wieder ist. Die Blenden der Lampen stehen nicht wo sie ernteten, und das dicht hinter dem während einer Viertelminute tiefe Dunkelheit. parallel zu der umgebenden Glasscheibe, sonalten Ostia lag, zwischen den Ausgrabungen So wiederholt sich das Spiel die ganze Nacht dern sind derartig schräg dagegen gestellt, daß sich hierdurch die zeitweilige Unterbrechung und der Pineta von Kastell Fusano. Mein hindurch. Dort schwankt , mitten im Meere , über des Lichtscheines für den entfernten Beobachter römischer Kutscher begleitete mich. Ich sah die Weiber der Schnitter mit dem Felsenriff Adlergrund" ein Posten der bei der Drehung des Apparates ergibt. Der Kunstausdruck für dieses eigentümliche deutschen Marine. Er dient nicht kriegeriſchen wilden Gebärden die Arme zum Himmel gwecken, sondern ist in hilfreicher Absicht den Lichtsignal , welches den " Adlergrund" von aufstrecken , ich sah sie sich auf die Knie Interessen der Seefahrer aller Nationen ge- anderen in der Nähe befindlichen Leuchtfeuern widmet. werfen, ich hörte sie schreien : unterscheidet, lautet : „ Gruppenblinkfeuer mit , Grazie , Maria ! Grazie ! Grazie ! " Sieben Meilen von Bornholm, ebensoweit Doppelblink". Nachdem wir noch die Kanonen, die Glocke, von Stubbenkammer auf Rügen und vierzchn Ich fragte: Warum schreien jene Weiber den Meilen von seinem Winterhafen Swinemünde die Kompasse und sonstigen das Deck sehr be entfernt , troßt hier ein gutes Fahrzeug mit engenden Gegenstände bewundert haben, welche Himmel so gräßlich an ?" einem Dußend wackerer deutscher Männer den man auch auf anderen Schiffen findet, folgen „ Wegen des Gewitters . “ tobenden Meereswellen , bis der tiefe Winter wir der Einladung des freundlichen Schiffs„ Dafür sie dem Himmel auf den Knien sen Ostseestrand mit eisigen Armen umfängt. führers und steigen mit ihm in die Unterwelt danken sollten Man hat früher das Riff durch Sprengung des „ Adlergrund “ . Der Römer erklärte mir : beseitigen wollen. Da das aber nicht hinWir beginnen unsere Entdeckungsreiſe am "/ Wenn es in dieser Jahreszeit regnet, reichend gelang , so stellte unsere Marinever- Hinterende. Hier befinden sich in Schränken so ist das für die Feldarbeiter ein großes waltung der teilweise geringen Meerestiefe und Lattenverschlägen die Materialienkammern Unglück; denn dann schlafen sie auf der von 6 m halber hier eine Warnungstafel auf: des Feuerschiffes. Da zeigt man uns die Apotheke , welche aus einem großen Kasten nassen Erde ; und wer das Fieber noch das Feuerschiff Adlergrund ". Nähern wir uns bei Tage dem auffällig mit Arznei und Verbandzeug besteht, da findet nicht hat, der bekommt es alsbald. Laßt brennendrot angestrichenen , mäßig großen sich Tau- und Segelwerk in reichlicher Fülle, es regnen und diese armen Menschen ster: Schiffe, so gewährt es einen ziemlich kriegeri- sowie auch Reserveteile für den Leuchtapparat. ben wie die Fliegen. " schen Anblick. Zu jeder Seite des Achterdeckes Auch sechs vollständige Anzüge sind vorhanden, Der Mann wollte mit mir zum Felde gähnt der Schlund einer Kanone in die See. für den Fall, daß Schiffbrüchige auf dem gehen; ich kehrte indessen um. Mir war | 3hr Zweck ist jedoch nicht, Tod und Verderben , Adlergrund" geborgen werden; ferner ist für
{ Georg Köhler.
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168 e M p die Beamten des Schiffes rekrutieren denselben Fall stets eine eiserne Ration kon- | Trink- und Wirtſchaftsgebrauch und heizt mit | waltet servierter Lebensmittel vorhanden. dem verbrauchten Dampfe noch sämtliche zu sich lediglich aus Militäranwärtern, die Mannschaft aus gedienten Seeleuten ist , PropEs geht uns hiermit ein neues Licht über Wohnungszwecken dienenden Schiffsgelaffe. Die Sirene funktioniert mittels einer be perteh " das Losungswort ! Da gibt es fort= die Bedeutung unseres Schiffes auf : es ist nicht nur Signal-, sondern auch Rettungs sonderen Vorrichtung, deren Beschreibung zu während zu scheuern, zu pußen, anzustreichen, station. Darauf weisen auch die beiderseits weit führen würde , automatisch. Der schon zu polieren, zu lackieren ... und hierzu kommt über Deck schwebenden Böte hin. erwähnte Doppelton wird durch zusammen noch der bei schlechtem Wetter so aufreibende Sehen wir nun unsere Wanderung fort, gepreßte Luft erzeugt, fällt übrigens den an Dienst bei dem Beleuchtungsapparat, der Glocke so gelangen wir zunächst zur Pulverkammer. Bord Befindlichen wahrhaft betäubend aufs und den Geſchüßen. Bei schöner Witterung gibt es ja freilich Das ist ein geräumiger Schrank voll eiserner Trommelfell. Glücklicherweise wirkt auch hierauch Erholungsstunden, die man mit Vorliebe Kisten, welche das „Futter" für die beiden | bei die Gewohnheit_abſtumpfend . Geschütze enthalten. Sollte einmal auf dem Der sinnreiche Destillierapparat , den wir dem Fischfang widmet. Dieser ist hier in der Schiffe Feuer ausbrechen , so ist hier eine Vor- in einem bescheidenen Winkel des Maschinen Hochsee recht ergiebig ; besonders angelt man richtung angebracht, durch welche das Pulver raumes entdecken, verwandelt Meerwasser un einen Dorsch, wie man ihn an der Küste so blikschnell unter Wasser gesezt werden kann . mittelbar , ohne daß ein Filter notwendig delikat nirgends antrifft. Das gibt denn eine höchst angenehme AbUnmittelbar in dieser etwas gruseligen würde , in trinkbare Flüssigkeit. Er ist ein Nachbarschaft liegt die Kajüte des Schiffes, wahrer Segen für das Schiffspersonal. Zwar wechselung für das sonst schrecklich lederne „ Salzfleisch, Hülsenfrüchte und Karder Aufenthaltsort für seine drei bevorzugten befinden sich große Wassertanks im Ballast: Menu. Inſaſſen : den Schiffsführer, den Steuermann raume des Schiffes, aber es ist doch viel an: toffeln" das ist die Dreizahl, welche in der und den Maschinisten. Sie ist aufs behaglichste genchmer, sich fortwährend frisches Trinkwasser Küche des Adlergrund regiert. Frisches Fleisch eingerichtet und mit den Bildern Kaiser Wil bereiten zu können ; auch fällt die Notwendig und andere dem Verderben leicht geneigte Eßhelms und unseres Kronprinzen geschmückt. keit weg, durch Zufuhr vom Lande die ver- waren sieht man nur selten auf dem Tisch. Denn nur alle vier Wochen kommt Schwellende Diwans und hübsche Klapprohr- brauchten Vorräte zu ersehen. stühle laden zur Raft an den beiden ge= Diese Abteilung des Schiffes ist das Reich das Postschiff , ein Segelfutter , aus Swineräumigen Tischen ein. Hier dient ferner eine des Maschinisten , dessen Schlafgemach hier münde herüber, ergänzt die Vorräte, bringt Zeitungen und tauscht Briefschaften aus. €3 erlesene Schiffsbibliothek zur Unterhaltung unmittelbar anstößt. und Belehrung der Bewohner, und eine NebenWir sind nunmehr in das Vorderteil vermittelt auch den Verkehr der Urlauber ; thür erſchließt uns die Instrumentenkammer, unseres Feuerschiffes gelangt. Die nächste die Adlergrund " -Männer haben nämlich auch welche alle möglichen Werkzeuge zu nautischen Räumlichkeit ist das sogenannte ,,Leutslogis", Ferien. Den Vorgesezten stehen drei und den in welchem die Matrosen und der Zimmer: Matrosen zwei Monate jährlich an Urlaub zu . Zwecken enthält. Denn der Adlergrund " ist, drittens, auch mann des „ Adlergrund " in dienstfreien Stun Bedenkt man die überaus schweren Dienstver meteorologische Beobachtungsstation . den verweilen. Hier dient ein langer Tisch hältnisse an Bord des Feuerschiffes , so wird Die hier gewonnenen Resultate an Pegel mit zwei Bänken , alle feuerrot angestrichen, man den Braven da draußen von Herzen diese und Strömungsbeobachtungen, Tiefenlotungen zu ihren Mahlzeiten und als Plauderplay ; Erholungspause gönnen , welche sie wieder u. dgl. werden in ein eigenes Journal ein- hier befinden sich auch, je zwei übereinander, einmal in den Schoß ihrer Familie , an den getragen und an bestimmten Terminen der ihre recht bequemen Lagerstätten . Ein kleiner häuslichen Herd zurückführt . Kaiserlichen Admiralität eingeſandt, welche sie | Nebenraum , ebenfalls mit Dampfheizung verDen größten Teil des Jahres sind sie der deutschen Secwarte in Hamburg über- ſehen , hat die Bestimmung der Trockenstube. ja gezwungen, auf dem Raume zu verweilen, mittelt. Hier legen bei schlechtem Wetter die abge- den das Schiff ihnen bietet , wo jegliche BeDurch einen Korridor , flankiert von den lösten Wachen und Arbeitsmannschaften ihr wegungsfreiheit fehlt. Ringsum die weite Kojen des Schiffsführers und des Steuer durchnäßtes Oberzeug ab. Zwar leidet unter Wasserwüste, bald friedlich still, bald drohend mannes, kommen wir in den ,, Puhraum ", der dem fatalen Seegeruch, welcher dann im Logis stürmisch erregt , nur selten von einem vor= hauptsächlich zur Instandsehung der Leucht herrscht , die Reinheit der Atmoſphäre ganz | überziehenden Schiffe belebt, das wohl grüßend lampen dient. Hier finden wir deshalb auch beträchtlich; aber unsere Matroſen haben starke die Flagge hißt. In weiter Ferne erblickt man das Land, im Norden kann man Rönne die ,,Deltanks ", mächtige viereckige Eisenkasten Nerven. Ganz am Vorderende des Schiffes befindet sich auf Bornholm, im Südwesten Stubbenkammer zur Aufbewahrung des Lampenöls . Neben der Thür zum nächsten Gelaß ist hier ferner endlich die Küche mit dem Werkzeugsgelaß für auf Rügen durch das Fernrohr erkennen. Das das Uhrwerk aufgestellt, welches die Leuchte den Zimmermann. Der Standpunkt des Roches ist der Schauplah ihrer Thätigkeit. Der Schiffer, welcher des Oceans Weiten oben am Mast in fortwährend kreisende Be- ist oftmals ein sehr schwankender, da bei dem wegung sett. Sein Gewicht muß alle halbe Stampfen “ des Schiffes, wie man bekanntlich durchmißt, wird für seine gleichfalls oft lange Stunden aufgezogen werden. Fünf Minuten die auf und nieder wuchtende Längsbewegung währende Entfernung aus den Lebensverhältvor Ablauf dieser Zeit verkündet ein heller desselben nennt, es gerade hier fast unmöglich nissen des festen Landes doch reichlich durch den bunten Scenenwechsel entschädigt, den er Glockenschlag dem wacheſtehenden Matrosen ist, sich auf den Beinen zu erhalten. Man hat deshalb die Kochmaschine mit auf seinen Reiſen erlebt. Dem Manne vom oben am Deck das Herannahen dieses Momentes. Er bedarf daher auch zur Nachtzeit einer eisernen Schranke umgeben müssen, das Feuerschiffe kann nur das Bewußtsein die Spannkraft erhalten , daß er einen wichtigen keiner Uhr, um zu erfahren, wenn seine zweiz mit der Herr Koch nicht etwa gelegentlich Beruf erfüllt, in dem er alle die guten Schiffe, stündige Wachperiode um ist. Hat er das ins Essen fällt. Wenn wir in Betracht ziehen, daß die ganze welche an der Adlergrundklippe vorüber müſſen, Gewicht viermal aufgezogen, so weckt er den Kameraden, der die folgende Wache hat, und Länge des „ Adlergrund " bei einer Breite von vor Schaden und Untergang warnt ; auf der etwa 6 m nur 33 m beträgt , so werden wir Mittelgrenze zwischen Deutschland und Dänegeht zur Koje. Die Funktion des Uhrwerkes hat übrigens, aufrichtig die weise Sparsamkeit bewundern mark ein Außenposten deutschen Opfermutes, besonders bei hochgehender See, oftmals ihre müssen , mit welcher man bei der Erbauung deutscher Pflichttreue! Und wenn der Tod nun einmal auf dem Schwierigkeit, da die heftigen Schwankungen des Schiffes eine solche Fülle von Näumlichdes Schiffes dem regelmäßigen Umlauf des keiten und Gegenständen in ihm hat unterbringen ,Adlergrund" vorspricht ? Dann wird dem schweren Leuchtapparates hinderlich sind . können, zumal auch noch zwei Treppen darin Braven, der hier auf seinem Arbeitsfelde das Schlimmsten Falles muß dieser alsdann durch ihren Plaz finden, welche vom Deck in den Leben gelassen hat , ein Begräbnis nach seeKajütenvorraum und in das Leutslogis führen . | männischem Brauch zu teil , falls nicht das eine Handvorrichtung gedreht werden. Wir gehen weiter und fommen in den Wahrlich, ein Triumph der modernen Schiffs- | Postschiff gerade zur Stelle ist, oder ein vorüberfahrendes Schiff durch Signal aufmerksam Maschinenraum des Schiffes. Auf jeder Seite | baukunſi ! So haben wir denn dieſes friedliche Ma- | gemacht werden kann . desselben befindet sich ein Dampfmotor, welcher Im kühlen Meeresgrunde harrt er einer durch einen Lilienthalschen Batentröhrenkessel rinefort eingehend besichtigt und wollen nun in Bewegung gesetzt wird. Diese Dampfanlage auch seiner Besatzung noch eine kurze Be- fröhlichen Ürständ ! bietet große Vorzüge : durch bedeutende Kohlen- trachtung widmen . Sie führt ein wahrhaftes Robinsondasein. ersparnis, schnelle Dampferzeugung, und weil fie jede Roſtvorrichtung überflüssig macht, in- | Vom Verkehr mit dem Lande fast beständig dem die in ſchlangenartigen Windungen ver- ausgeschlossen, aller weiblichen Wirtſchaftshilfe » Spruch. ↔ laufenden Kesselröhren selbst den Rost vor- entbehrend, sehen die Leute vom „ Adlergrund" Die ihr das Edlere und Beffre wollt, Tag für Tag in meist gleichförmiger und er: stellen. lernt auch das Gewöhnliche beraten ; Ein dreifacher Dienst liegt der Dampf- müdender Arbeit dahinfließen. Denn an Bemaschine ob : sie hält die Sirene fortwährend schäftigung fehlt es ihnen nicht. Auch hier, zum Diamanten graben oder Gold unter Spannung , destilliert Seewasser zum wie überall , wo der Geist unserer Armee Gebraucht zunächst man einen eisern Spaten .
Ueber Hochgebirgsfahrten. Von Ferd. Detter .
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Itramen bei Grindelwald, September 1886. Ich fiße auf einer der fchönsten Matten unseres schönen Vaterlandes neben mächtigen Felsblöcken im Ahornschatten. Gerade vor mir türmt sich die gewaltige Felsmauer des großen Eigers empor ; ihm zur Seite badet rechts die Jungfrau das filbergetrönte Haupt und den schneeigen Busen im blauen Morgenhimmel , steigen links in schreckhaftem Aufsprunge das finstere Schreckhorn mit seinen beiden Gipfelschneeflecken, den weißen ,,Täubchen", in schönem fühnen Schwunge das felsige Wetterhorn mit seinem strahlenden Firnschild , der „ Hasli -Jungfrau " , zum reinen Aether auf; bis fast zur Sohle des grünen Thales er gießen zwischen ihnen die beiden Gletscher ihre bläulichen Eismassen. Sie erzählen mir viel, diese Berge, von kurzvergangenen Tagen rüstigen Wanderns, reinster Bergfreude. Aber auch von grausem Sturz, von verzweiflungsvollem Aufschrei , von jähem Tod und langsamem Hinsterben wissen sie zu sagen, und vor die lockende Aussicht auf neue mutige Fahrten treten warnend dunkle Todesgesichte. Es sind zehn Tage her, da stund dort oben, wo als glänzendes Band der Kastensteinfirn sich vom großen Schreckhorn nach dem oberen Eismeer hinzieht, eine seltene Trauerversammlung. In den frischen Lawinenschnee, welcher die Felsenkehle füllte, war eine große Stufe gehauen, Decke und Leintuch darüber hingebreitet und darauf der soeben dem Schnee enthobene Leich nam eines noch jungen Mannes gebettet, zwei klaffende Wunden am Hinterhaupte ; ringsum , entblößten Hauptes , auf ihre Pickel gelehnt , die hilfreichen Männer, welche auf die Nachricht von dem Unglück, nicht mehr zum Retten, nur zum Bestatten, vom Thale sich aufgemacht, an ihrer Spite
der bergkundige Pfarrer von Grindelwald. Der Abend war schon angebrochen ; drüben glänzten nochglutrot die Zinnen der Finsteraarhornkette ; ein Gebet, gemeinsamem Gefühl gemeinsame Worte leihend, widerhallte an den Felswänden ; Männerthränen ran nen über wettergebräunte Gesichter. Aber nicht lange heißt es verweilen ; unheimlich fracht es droben am Gletscher : kommt noch eine Lawine? Nein , es bleibt still , und glücklich erreichen die Männer wieder die Schwarzened-Hütte am Eismeer, wo bereits die beiden verwundeten Führer auf der Pritsche liegen; von da gelangt der Leich
grat war den Wanderern unter den Füßen zusammengebrochen ; Jossi stürzte in die gähnende Gletscherspalte nebenan ; Burdhardt lag vom verbindenden Seile rücklings niedergerissen, den Kopf über den Abgrund hinaus , am schwindelnden Rande , und hätten sie nicht eine zweite Gesellschaft von Bergsteigern in der Nähe gewußt, so hätte Jossi seinen verzweifelten Vorsatz ausgeführt, sich loszuschneiden und in die Tiefe fallen zu lassen , um den fremden Weggenossen freizumachen und zu retten. Glücklicherweise schlug der nachkommende Peter Schlegel mit seinem englischen Tou-
nam noch in der Nacht, bald am Seil schwebend, bald an einer Stange getragen, zuletzt auf einem Heuschlitten geführt, zu Thal . Wenige Tage später haben sie in Stuttgart den Verunglückten , den Bierbrauer Mar Munz von dort, zur Erde bestattet. Und hier in Grindelwald neben der Kirche erhebt sich ein frischer Grabhügel , unter welchem der am Tage nach dem Unglückt seinen Wunden erlegene Führer Gottlieb Meier ruht, und in jenem einsamen Häuschen im Grund " betrauern Mutter und Schwestern den Tod des jungen Ernährers, welchen zu allem Unglück eine leidige Kette von Zufällen abgehalten, sein Leben in üblicher Weise für die Sommerzeit versichern zu lassen. Der andere Führer, Christen Gertsch, welchen ein Eisstück in die Rippen getroffen, liegt im Hause nebenan noch auf dem Krankenbette und niemand weiß, ob und wann er sein gefähr liches Gewerbe wieder wird aufnehmen können. Dort kommt ein stämmiger Mann mit großem rotem Barte den Weg herauf, in das landesübliche selbstgefertigte naturfarbene Wolltuch gekleidet : wir kennen ihn von unserer Fahrt aufs Wetterhorn her, wohin Fritz Teutschmann , obwohl noch nicht völlig hergestellt , eine Gesellschaft als zweiter Führer begleitet hat . Eine schwarze Schneebrille schüßt auch hier im Thale seine entzündeten Augen und in seinem Händedruck verrät noch ein leises Zucken die übermenschliche Anstrengung, womit er vor zwei Monaten auf dem Guggi- Gletscher an der Jungfrau seine beiden Begleiter, den Basler Felix Burdhardt und den Führer Jossi , eine halbe Stunde lang über dem Eisschrund am Seile festgehalten hat. Ein kleiner Eis-
riften in dem für die menschliche Stimme undurchdringlichen Eiswirrsal denselben Weg ein und befreite die Verunglückten aus ihrer gefährlichen Lage. Länger schon her, aber noch wie gestern gegenwärtig ist mir's , daß ich auf dem Bahnhof in Bern den nahen Verwandten des unglücklichen Dr. Haller traf und statt des erwarteten Reisenden die Nachricht fam, er sei samt seinen Führern Rubi und Rot spurlos verschwunden ! Dort oben, am Wege nach der großen Scheideck , wo man zum oberen Grindelwaldgletscher und zum Wetterhorn abschwenkt, steht im Ahornschatten der einfache Denkstein , ein vom
Rüststücke zur Bergfahrt (S. 176).
Gletscher hergetragener Findlingsblock, den wir dem allbeliebten Freunde und seinen wackeren Führern gesetzt haben. QVEM GENVIT VATEM TEMPLO NATVRA RECEPIT. Wo und wie das dunkle Verhängnis , das die Inschrift verschleiernd andeutet, den von ihrer Schönheit trunkenen Priester 8
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darauf ihre Freunde bei der Einweihung der neuen Wetterhornhütte zu treffen, bergen noch jetzt in stummem Schoße das schauerliche Geheimnis, dem man damals wochenlang vergeblich nachgespürt und das nur erst nach Menschenaltern drunten am Absturz des Gletschers ein günstiger Zufall zu Tage bringen könnte. Zwar liegt im Pfarrhaus zu Grindelwald eine rätselhafte Reliquie , die man mit jener rätselhaften Geschichte hat in Verbindung bringen wollen : das Jahr darauf nämlich ist am Fuße des Wetterhorns an der Ausmündung eines Lawinenzuges ein noch behaarter Menschenkopf gefunden worden , dessen Zähne mit denjenigen des verunglückten Führers Rubi sollen Uebereinstimmung gezeigt haben ; man spricht auch von einem in der Nähe zu Tage gekommenen Stück Seil und will vermuten, die Wanderer hätten an dem verhängnisvollen Montag nach einer Besteigung des Wetterhorngipfels den tollkühnen Versuch gemacht, über den dort in der Höhe hängenden Hühnergußgletscher und um die schwindelnden Hänge des nordwestlichen Absturzes herum die Klubhütte zu gewinnen. Aber da die Nachforschungen vom Sommer 1880 unter Pfarrer Straßer und anderen nicht die geringsten Spuren eines Aufstiegs in der Richtung des Wetterhorns ergeben haben, so wird auf dieses Fundstück wenig Wert zu legen und eher anzunehmen sein, dasselbe gehöre einem vor Jahren drüben gegen Rosenlaui hin verirrten und verschwundenen Reisenden zu und sei durch Tiere von dort verschleppt worden. Grausiges, blindes , schnödes Schicksal , vom sausenden Stein, von der polternden brodelnden Lawine in wüste Felsenhänge , in eisige Gletscherspalten heruntergerissen zu werden , auf ödem Firnfeld dem wütenden Schneesturm zu erliegen und unter gehäuften Flockmassen langsam zu verschwinden , vielleicht neben getöteten Genossen mit gebrochenen Gliedern ein verlorenes Leben tagelang hinzuschleppen, den Geiern ein lebendiges Mahl! Doppelt elendes , trostloses , gewissenpeinigendes Schicksal, dabei Weib und Kinder zu Hause zu wissen, ahnungslos , des dürftigen Verdienstes gewärtig, den die kühne Fahrt dem Vater eintragen sollte, und nun preisgegeben der Verwaisung, dem Hunger, dem Bettel vor fremden Thüren , dem Elend in seiner hundertfältig wechselnden Gestalt! Und doch - am nächsten schönen Tage nach solch erschütterndem Ereignis sieht man wieder Kolonne um Kolonne aufbrechen von den gästebelebten Gebirgsdörfern mit Seil und Eispickel , und im Laufe des folgenden Morgens ist manches Fernrohr gerichtet nach den weißen Gipfeln, auf denen jest jetzt die mutigen Ersteiger , klein wie Fliegen , auftauchen. müssen, wenn sie nicht etwa dort unten liegen im Gletscherschrund oder in der schneegefüllten Felskehle . Als wir vor vier Tagen, drei Touristen und vier Führer, uns zufällig zu einer Wetterhornfahrt zu sammenfanden , stiegen an demselben prächtig klaren Nachmittag von Grindelwald aus zwei Gesellschaften nach den Schirmhütten auf der Schwarzeneck und am Guggigletscher hinan, um tags darauf eben jene tragisch gewordenen Wege nach den Gipfeln des Schrechorns und der Jungfrau einzuschlagen, und wie viele mögen sonst noch gleichzeitig da und dort im Alpengebiete auf ähnliche Fahrten ausgezogen sein ! Auch unterwegs warnen uns fruchtlos ernste Stätten vor weiterem VorIm Thalgrund (S. 177). Auf bem Gletscher . 181 ). dringen (S. 179) ; hier die Felswand, wo vor einem Jahrzehnt den Führer einer Abteilung des Alpenklubs ein der Natur ereilt hat , ist bis heute nicht Stein getötet, dort das Kreuz, wo vor vier | im gleichen Jahre der Engländer Penhall aufgehellt. Die Firnhänge und Eisspalten Jahren den alten ,, Gletscherwolf" , Bohren- und der Führer Andreas Maurer verumdes Lauteraargebiets, wohin die Wanderer peterli von Grindelwald , der Schlag ge: glückt sind : dem festen Vorsatz und dem am 18. Juli 1880 vom Pavillon Dollfus rührt, dort oben neben dem kritischen La- gegenseitigen Vertrauen der Verbundenen am Aargletscher her aufgebrochen, um tags winenzug das Felsgrätchen, an welchem kommt kein Zaudern und kein Zagen bei,
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und glücklich und fröhlich schütteln wir |Hochgebirgsfahrt, wenn die nötigen Vor- wanderung zur Verfügung zu haben. Wir uns am zweiten Abend die Hände auf bedingungen vorhanden sind , das Genuß biegen in ein Seitenthal ein, aus dem Wiedersehen zu künftigen schönen Fahrten ! reichste ist, was der Mensch auf dem Ge- uns ein weißer Bach entgegenstürzt. Steil Woher dieser mächtige Zug, ja bei biete förperlicher Uebung und gleichzeitiger geht es anfangs hinauf denschmalen Felsenvielen diese Leidenschaft für ein so gefähr- seelischer Erhebung sich verschaffen kann. pfad ; dann öffnet sich die Klause, und wir durchwandern einen freundlichen grünen liches Vergnügen, wie das Bergsteigen es Thalgrund (S. 172), mit zerstreuten Alpenunter Umständen ist ? So hört man vielfach fragen, hört von Leichtsinn, von EitelBegleite uns der Leser einmal in Ge- hütten rechts und links in der Höhe, mit feit, von sträflicher Gewissenlosigkeitsprechen, danken auf einer solchen sommerlichen Fahrt einer kleinen Gruppe stattlicherer Winterder man womöglich durch öffentliches Ver- und lasse sich einige Mühe und etlichen häuser in der ebeneren Sohle. Jetzt sind die Leute meist auf den Bergen ; aber Schweiß nicht verdrießen! bot das Handwerk legen sollte. Die Luft ist rein; die Schwalben flie ihr gutes reichliches Wasser wenigstens Gewiß gibt es verwegene, unverantwortliche Besteigungen, Besteigungen mit gen hoch ; klar schauen die weißen Hörner haben sie uns da gelassen (S. 179) , und ungenügendem Personal, an elementarisch herab in das grüne Hochthal, wo das ein- vom zierlichen Altan herab grüßt uns auch ungepflegt im bedrohten Stellen, bei brennendsten Rot die ungünstigem Wetter ; üppige Nelke , der gewiß gibt es an sonst Schmuck des hablichen unbedenklichen Orten Gebirgshauses. Näher und Tagen ausnahmsschon rückt uns der weise Gefahren durch Herrscher des Thales, Frost und Wärme, der weiße Bergstock, durchsporadische Steindas Ziel unserer Wünschläge und Eisbrüche, sche. Noch eine Thaldurch ungewöhnliche stufe geht's hinauf und Schneeverhältnisse oder wir sind auf der Alp, plöglichen Witterungsumläutet von grasenumschlag. Aber soll weden Herden. Es ist gen wirklichen schuldnochfrüh im Jahr, die Mißbrauchs, vollen Alpenblumen noch im wegen vereinzelter unfrischesten Flor , das verschuldeter Zufälle Vieh noch in den undie Bergsteigerei übertersten oder mittleren haupt in moralischen Lägern" oder „ StäMißkredit kommen ? feln" , der neuen FreiVorerst ist festzustellen , daß die Beheit sich freuend. In der Hütte (S. 181 ) steigung unserer Hochgrüßen uns bekannte gipfel, wenn man die Gesichter von frühevielen Tausende in ren Jahren her; ein Betracht zieht , welche Trunk Milch , ein jährlich dieselben erStück am Feuer geflimmen, wohl nicht schmorten Käses wird wesentlich mehr Opfer gern angenommen und fordert als andere förbescheiden vergütet, perliche Uebungen, etwa Schwimmen oder einedreibeinige Pfanne Reiten nur daß für die Bereitung des gewöhnlich dort eine Mahles geliehen und auf die Schulter geMehrzahl von Betrofpackt. Der Senn in fenen größeres Auffurzärmeliger Jacke sehen macht als jene Blid auf einen Gletscher (S. 185). undledernem Pfarrerseinzelnen , welche von fäppchen - wenn es der brandenden Flut, vom scheuenden Roß in den Tod gerissen same Bergdorf mit braunen Häuserreihen im Wallis ist, auch wohl die Sennerin im werden. So wenig man hoffentlich jemals sich friedlich am wilden Bach hinlagert. langen weißen Hirtenhemde erzählt uns, diese Uebungen verbieten wird, weil der beste Ein zuverlässiger Führer mit tadelloser was inzwischen in Haus und Senntum vorReiter und das beste Roß einmal stürzen Ausrüstung ist gewonnen ; zu dreien geht gegangen, begleitet uns etwa auch ein Stück können, der sicherste Schwimmer zum ersten sich's am angenehmsten und sichersten, so weit bis zu einem neuen Steg, der den Weg mal in seinem Leben einen Krampf be- fern nur einige Gewandtheit und Uebung um eine Viertelstunde abkürzt , oder zu kommen kann, so wenig wird man den bei jedem der Teilnehmer vorhanden ; felb einem wundersamen verborgenen WasserBergsteiger schelten dürfen , wenn er , bei ander sollte man wenigstens über Eis spiele, das seit dem letzten Frühjahr durch Anwendung aller möglichen Vorsicht und nur gehen, wenn man für alle Fälle Hilfe einen hineingestürzten Felsblod eine neue Umsicht , im übrigen darauf vertraut, daß in der Nähe weiß. Mundvorrat für zwei und reizvollere Gestalt gewonnen hat ; er mit einer Wahrscheinlichkeit von eins Tage ist aufgepackt und zu gleichen Teilen durch mächtigen Urwald und über Alpengegen zehntausend mit seinen Weggenossen verteilt. Noch eine kurze Inspektion, ob Seil rosenhänge gelangen wir endlich zu der ungestraft das Abenteuer bestehen und sich (S. 171) , Pickel, Schneebrillen und Schleier, obersten dieser zeitweiligen Menschenwohum einen großen Genuß werde bereichern Nagelschuhe und Kamaschen, Wachs- oder nungen , zur legten , bereits in der Gletfönnen. Talglichter genügend vorhanden und in scherregion gelegenen Alp . Jnmitten der Denn das können wir aus Erfahrung guter Ordnung sind, und nun: vorwärts verlassenen Hüttengruppe zeigen uns ein sagen, und die Thatsache der stetigen Zu- marsch! Es gilt, heute ein möglichst hoch paar geschlossene Bretterläden , wo ein nahme der großen Bergbesteigungen be- gelegenes Nachtquartier zu erreichen , um Raum für Menschen zu finden ist. Mit stätigt es , daß eine glücklich verlaufende morgen den ganzen Tag für die Höhen- leichter Mühe wird die nicht allzu ängstlich
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verwahrte Thür geöffnet , Licht hereingeLassen, Feuer angezündet. Die Einrichtung besteht aus Tisch, Bank und Heubett, einer Feuerstelle aus rohen Steinen mit genü gendem Brennholz; für die körperlichen Bedürfnisse einer kleinen bergfrohen Gesellschaft genügt sie vollkommen , und das übrige thut ein frisches Bad im nahen See, in dessen dunkeln Fluten die vom Alpenglühen dunkelrot behauchten Bergriesen ihre Häupter spiegeln. Minder komfortabel gestaltet sich das Quartier, wenn es in noch höheren Lagen gewählt werden muß und nirgends in der Nähe durch eine Schirmhütte oder durch das Hospiz eines benachbarten Gebirgspasses für die Beherbergung des Reisenden gesorgt ist. Da muß natürlich schon in der Baumregion auf die Beschaffung des unentbehrlichen Brennstoffes Bedacht genommen werden ; in der Nähe eines freundlichen Wässerchens, unter einem überhängenden Felsen , hinter einem den Wind abhaltenden Steinblock flammt das wärmende Feuer, unser einfaches Mahl bereitend und den Thalbewohnern unseren Gruß bringend ; ein munteres Gespräch hält uns bei verglimmendem Gluthaufen noch eine Weile beisammen , bis die wandelnden Sterne uns zur kurzen Ruhe mahnen. Körper an Körper gedrängt und bestmöglich ein gehüllt , träumen wir so dem Tage entgegen, wenn uns nicht der Frost oder der Donner des nahen Gletschers oder die Herrlichkeit einer mondbeglänzten Sommer nacht im einsamen Hochgebirg nach kurzem
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Ref. 15.
Vor der Warnungstafel (S. 173).
Schlummer wecken, um uns herunterschauen nenden Gletschermusik gar herrlich ein, zu lassen auf duftige Alpen , schimmernde sofern nicht etwa ein armer Wildheuer die Wasserfälle, heimlich leuchtende Seespiegel aufgehängten Wolldecken sich für den und empor an die hohen Alten des Ge- Winter geliehen und zurückzugeben verbirges, welche mit dem Monde Zwiesprach gessen hat , oder ein heimlicher Gletscher halten über die Jugendzeit der Mutter vom Frühjahr her unter dem Bette sein Erde. An besuchteren Stellen der Hoch kältehauchendes Dasein fristet, ein plötzlich gebirgsregion haben die Al- aufziehendes Gewitter den engen Raum penvereine , bei uns der mit bläulichen Lichtern durchzuckt oder gar Schweizer Alpenflub , für eine verspätete Karamane von Engländern Dach und Fach gesorgt durch unversehens das schnarchende Häuschen Errichtung von Schirmhütten, überfällt und an dem nur notdürftig abin welchen sechs bis zwanzig geräumten Tisch sich ihren Thee mit Uman den begangensten Pfa- ständen umständlich bereitet. Unbill der Witterung kann solche weltden bis dreißig - Personen eine verhältnismäßig sehr be- entrückte Aufenthalte unter dem gastlichen queme Unterkunft finden. An Dach einer einsamen Schirmhütte in unKochgeschirr aller Art ist kein vermuteter Weise verlängern. Da ist es Mangel ; die nötigsten Werk- denn gut , mit einigem Humor und mit zeuge zum Spalten des mit allem Nötigen zu geistiger Unterhaltung gebrachten Holzes , zum Was- versehen zu sein (wenn man nicht auf serholen , zum Anfeuern fin- das in den Klubhütten überall aufliegende den sich ebenfalls , und in dem Kartenspiel oder auf das dort in einer oder Blechkapsel verwahrte Fremdenbuch angereichlichen Wildheu Stroh der brei wiesen sein will) ; selbstverständlich muß ten Pritsche, auch für genügenden stofflichen Unterhalt die den ganzen gesorgt sein. Nicht immer wird es mög hinteren Teil lich sein , aus der eine halbe Tagereise derHüttefüllt, und mehr abliegenden nächsten menschlichen schläft sich's Niederlassung sich einen Käse oder ein lebendig unter Brot oder einen Schafbraten heraufzuholen , oder den zuder in oder tot Pausen fällig in erreichbarer Nähe beim Bau einer erdröhneuen Klubhütte, bei der Ausbesserung einer Wasserleitung beschäftigten Italienern ihre entbehrliche Polenta abzukaufen, wie uns das gelegentlich in den Berner und Walliser Bergen gelungen ist. Solche notgedrungene Rasttage, besonders im höch sten Gebirge , wo unter lauter Fels und Schnee und Eis nur die eigenen Fußspuren auf dem beschneiten Gletscher an Menschen und Menschenthun gemahnen, Vor der Alpenhütte (S. 177).
ferd. Vetter. 181 können aber auch wieder zur Duelle neuen Genusses werden. An einem aufheitern dern Nachmittag, nach einem vom Schneesturm vereitelten Gipfelangriff etwa , auf erwärmenden Steinplatten neben der Hütte zu liegen, wo auf dem Dach die entbehrlichen Kleidungsstücke trocknen, und dann dem Spiel der Wolken und Winde im einsamen Gletscherreviere zuzusehen , bis es endlich fleckenlos glückverheißend im reinen Weiß und Blau dasteht : das gehört zum Schönsten , was man im Reich des
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Schein des Mondes oder einer Laterne; | seiner ganzen Breite nach durchziehen und im schlimmsten Fall dient als solche auch entweder umgangen oder an bestimmten wohl eine Kerze oder Kienfackel , die in Stellen überschritten werden müssen. Oft dem Hals einer umgekehrten Flasche mit lassen die auseinander klaffenden Wände eingeschlagenem Boden steckt. Das Mo- noch einzelne Eisschichten oder freihängende ränengebiet, das wir durchschreiten, ist eine Brücken zwischen sich , welche , wie die Anhäufung von Felsgetrümmer und Sand, Holzfasern eines beim Austrocknen zerwelche der Gletscher in seinem früheren splissenen Balkens , meist in schräger Richausgedehnteren Bestande an seinen Ufern tung von einem Ufer aufs andere hinüberzurückgelassen. Oft erheben sich die Mo- führen und, sofern nicht stellenweise bloßer ränen oder Gandecken (d. h. Schuttgräte dünner Schnee eine Lücke deckt, wenigstens oder Schutthügel) , wie sie bei uns im dem Schwindelfreien einen gefahrlosen Gebirge heißen , in der Form gewaltiger Uebergang gewähren. Denn seitwärts ewigen Schnees erleben kann. Die meisten Schirmhütten und ,,Biwak Dachfirste steil und spit zulaufend zu bedeu taucht das Auge oft in unergründliche stellen", welche der Wanderer für die Nacht tender Höhe über den jetzigen Gletschern. blaue Tiefen hinunter, aus denen nur gevor einer Hochgebirgsfahrt aufsucht, liegen Solche Moränen führen den Berggänger dämpft das Aufschlagen der Tropfen auf bereits hoch über jenen Eisstraßen , welche leicht und rasch in die Höhe, während un- unsichtbarem See zum lauschenden Ohre aus dem Inneren der Gletscherwelt in ordentlich übereinandergeworfene Stein- emporflingt. Infolge der stärkeren Bedie Wald- und Weideregion hinausführen trümmer oder steile Felsufer ungebührlich wegung , welche das nachdrängende Eis an der Oberfläche hat , ist bisweilen die freistehende obere Wand weit über die Kluft hereingewölbt , so daß diese nach unten sich zur prächtigen azurenen Halle erweitert , in der es an allerlei wunderbaren Eisgebilden , hängenden und stehenden , nicht fehlt. Von der märchenhaften blauen Dämmerung, welche da drinnen herrscht, können die etwa am Fuße der Gletscher ausgehauenen Höhlen nur einen schwachen Begriff geben. Man kann auf unvermutete Weise mit diesen Schründen nähere Bekanntschaft machen, wenn eine leicht zugeschneite Spalte nicht bemerkt wird, wenn eine Schnee- oder Eisbrücke einstürzt , oder wenn etwa an der steilen jenseitigen Wand die eingehackten Pickel , an denen sich der Anführer der Karawane, in den gehauenen Stufen stehend, wie an den beiden Bäumen einer Leiter emporziehen will, plötzlich ihren Halt verlieren . Da heißt's für die unten auf sicherem Grunde Haltenden fest stehen und das Seil anstrecken , damit der stürzende womöglich diesseits auf dem weichen Bei der Sennerin zu Gast (S. 177). Schnee zu Fall gelange und nicht und auch dem großen Strom der Reisen lange aufhalten können. Endlich betreten beim Hinabgleiten oder Hinabfallen in die den bekannt und nahbar sind. So ver wir, da wo über einem Absturz mit ganz Eiskluft Schaden nehme oder gar die anführerisch diese Straßen selbst auf guten zerflüftetem , in Zacken aufgelöstem Eise deren mit ins Verderben reiße. Wenn die Karren oder auch von oben betrachtet aus- (,,Serac") der krystallene Strom wieder Morgensonne über die Gräte und Joche sehen mögen, so können sie doch, ihrer ebener und zusammenhängender wird, den hereinsteigt und die unter dem Schlage des starken Senkung und Zerrissenheit wegen, Gletscher selbst. Er ist in dieser Höhe Beils sprigenden Eissplitter wie buntes dem Bergsteiger selten als durchgängiger beständig überschneit , und die dadurch ver- Feuerwerk erglänzen läßt , sucht man Weg ins höhere Gebirge dienen: meist steckten Spalten , welche selbst am hellen gern ein Plätzchen zum Frühstücken und muß er rechts oder links in die Fel- Tage nur ein geübtes Auge an der ver- zum Anlegen der letzten Ausrüstung fen ausweichen. Erst weiter oben , wo schiedenen Färbung des Schnees erkennen auf. Der weicher werdende Schnee macht die großen Gletscherkessel sich aufthun und mag , erheischen im Morgenzwielicht un- Kamaschen , der Refler der Sonnenstrahlen der die kleineren Spalten überbrückende bedingt Vorsichtsmaßregeln . Von Brust Schneebrille und wohl auch Schleier nötig, Schnee auch im hohen Sommer sich hält, zu Brust schlingt sich, unter dem linken wenn man nicht blind und mit geschundefann die eigentliche Gletscherwanderung Arme geknüpft und von der stets zug nem Gesicht und Hals von der Fahrt (S. 174) beginnen, wobei natürlich der hel bereiten linken Hand lose gehalten , das zurückkommen will . Alles Leben scheint fende Schnee seinerseits wieder Schwierig schicksalverbindende Seil; vorsichtig prüfend hier oben erloschen. Kein Wasser sprudelt keiten und Gefahren anderer Art bereiten senkt sich der spiße Eisenfuß des Pickel- mehr in der Tiefe ; kein Bächlein furcht fann. Das Wandern längs dem Gletscher schaftes in die trügerische Decke. Wo er mehr das Eis wie weiter unten am ist gewöhnlich für den dem Nachtquartier nur eine schmale Spalte und jenseits Gletscher, kein Murmeltierpfiff widerhallt entronnenen Bergsteiger der erste Teil des sicheren ebenen Grund findet , da geht's in den öden Felsencoulissen ; keine Gemse Tagewerkes , welches zu möglichst früher ohne Aufenthalt mit weitem Schritt jagt an den schwarzen weißgefurchten WänStunde , bei großen Besteigungen und hinüber. Daneben gibt es aber in jedem den hin, die nirgends mehr durch verlangem Tagesprogramm oft schon bald Gletscher große , mehr oder weniger stän- einzelte grüne Bänder unterbrochen sind. nach Mitternacht , begonnen wird. Kärg: dige Spalten , die sogenannten Berg- Nur daß etwa ein Insekt flugmatt auf lich erhellt den steinigen Pfad der unsichere schründe , welche bisweilen das Eisfeld der weißen Fläche sißt oder ein Mäus-
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185 186 = chen, den Krallen des Räubers entronnen , den, ist keinerlei Leben zu spüren ; lautlos | nach , wird jeder irdische Anblick zu Land tot auf dem eisigen Bette liegt. Auch in nur rinnt das Schmelzwasser von nächtlich und See weit übertroffen von einem übereisten Zacken nieder ; mit kurzem scharfem Laute Landschaftsbilde , wie es sich an einem springt der losgeschmolzene Stein in der schneegefüll- hellen Morgen auf einem der gegen die ten Felskehle von Wand zu Wand, von Absatz zu Ab Ebene hin besonders freistehenden Gipfel satz und mahnt uns , das verdächtige Couloir", bietet : auf der Jungfrau , der Weißen durch das von dem droben hängenden Gletscherchen Frau , der Hasli- Jungfrau etwa (wir offenbar häufig Eislawinen herunterkommen , mög haben alle diese schönsten Frauen der Welt lichst rasch zu kreuzen. Nun geht's aufwärts , über an unvergeßlich schönen Tagen zu unseren Felsgräte, Steintrümmer, Eishänge ; bald gerade em Füßen gesehen) , wo das Auge vom Montpor, bald mit seitlicher Wendung über eine stoßige, blanc zu den blauen Höhen des Schwarzsteinharte Eishalde in festeres Gestein hinüber , zu waldes und Allgäus und weiter über unlegt über lauter Schnee und Eis: — lang, steil, gezählte Spigen wieder zu seinem Ausheiß. Endlich, endlich zeigt sich droben am Grat gangspunkte zurück ungehindert schweift, eine deutlichere Einsenkung : das muß der Sattel die Völker und Herrscher von halb Europa Dazu nun als Gegensatz sein! Noch ein paar hundert saure Tritte im wei- beherrschend. chen Schnee, einige Dutzend Stufen in das darunter diese Weltentrücktheit, diese feierliche Stille, liegende oder offen zu Tage tretende Eis - und wir wo neben dem Ticken der Uhr nur das Wallen des Blutes, der Schlag des Herstehen droben auf dem Sattel des Gebirgsgrates . Eine neue Welt ist mit den letzten ahnungs- zens hörbar zum Ohr dringt ; dazu das vollen Schritten jenseits aufgetaucht und liegt jetzt Gefühl des eben noch gewaltsam angeim Sonnenglanze vor uns ausgebreitet : ehrwürdige, spannten Körpers , durch eigene Kraft dem längst von fern bewunderte Häupter , nun in greif Leben da drunten und seinen kleinen barer Nähe voll stiller Majestät dastehend, von ihnen Leiden weit , weit entrückt zu sein; dazu niederfließend in nie geahnter Pracht und Fülle das was weiß ich? - all das , was wir schneeweiße Herrschergewand ; rings um sie her der nur je unter den höchsten Namen verehrt Kreis huldigender Vasallen. Auch diesseits über dem und schauernd empfunden haben : Gott, bisherigen Horizont neue gewaltige Bilder: eisige Freiheit, Unsterblichkeit, sichtbar , greifbar Gräte, starrende Gipfel, silberne Gletscher (S. 176) , in der Gestalt der allgewaltigen , ewigen seitwärts daneben über grüne Alpen hinaus die und ewig jungen Natur das alles zuschimmernden Seen und dämmernden Fluren des sammen an das wehrlose Herz greifend, ebeneren Landes. es rüttelnd , erschütternd in seinen tiefEin kurzer Halt, eine ausgiebige leibliche Stär- sten Tiefen : stelle sich vor , wer's kann ! fung; dann bleibt das Gepäck an sicherer Stelle Aber es kann's niemand, der's nicht schon zurück, und vorsichtig geht's nun am Seil den eigent: erlebt hat , dem nicht auf eisiger Warte lichen, gänzlich vereisten und beschneiten Gipfel hinan. das Herz gezittert und heimlich unter Drohend steht er vor uns , die eine Seite lotrecht augenbeschattendem Glas hervor Thräne abfallend und unter dem Schnee öfter den schwar- auf Thräne die Wange geneßt hat im zen oder rötlichen Fels zeigend , die andere eine Weiterwandern durch die gewaltigen Schneestark geneigte rein weiße Halde, unterhalb noch im wüsten , wo unaufhörlich, unwiderstehlich Schatten liegend und in bläuliche Tiefen sich ver in der stummen Symphonie ihrer Urelemente lierend. Leicht geht's anfangs die glänzende Schneide Natur selbst ihre Größe predigt. hinauf; aber bald wird die Steigung stärker ; der Nicht immer freilich lassen uns Wind Stock gewahrt festeren Schnee oder hartes Eis und Wetter den Lohn unserer Anstrenunter der unzuverlässigen jüngeren Dede, und mit gungen so unverkürzt genießen, und gerade Fuß oder Pickel muß der Untergrund eingetreten, bei voller Klarheit gestattet die scharfe eingehackt werden, um einen festen Stand zu gewin: Kälte, welche dann in diesen Höhen herrscht, Ein Ausgleiten könnte nicht bloß an sich ge- oft nur ein kurzes Verweilen . Oft ist fährlich sein, sondern gleichzeitig ein Losbrechen der auch der Raum ein sehr beschränkter ; auf oberen Schneeschicht veranlassen , welche dann leicht manchem Gipfelgrat kann man buchstäblich auch uns mitreißen dürfte , und die blaue Tiefe rittlings siten , den rechten Fuß in deutdort unten sieht gar schauerlich aus ! Langsam rücken schem Schnee , den linken auf welschem wir vor ; immer steiler wird die Kante, daß kein Fels ; auf anderen ist die Schneefläche jüngerer Schnee mehr haftet und Eis und alter scheinbar größer ; aber der ebene Teil dervereister Schnee zu Tage treten. Da gibt's Arbeit selben, zwanzig Fuß in die Breite vielleicht, genug für die Pickel, die tieferen Stufen zu schlagen ist bloße Gwächte", über den Grat hinund die geschlagenen von Splittern zu säubern, und ausgewehter Schnee, der sich bei den winvorsichtig steigen wir auf, zuletzt einer über des terlichen Stürmen da ansett und festfrieanderen Haupt und tief die Hände in die Stufen rend sich beständig erneut. Eine solche des Vormannes vergrabend. Da endlich ein wie eine Tischplatte wagerecht ins Leere tiefes Aufatmen über uns : der erste Mann ist hinausragende Gwächte darf nur mit großer droben ; ein zweites , ein drittes Ah die letzte Vorsicht begangen und der Blick in den Schranke ist in ewige Leere dem durstigen Auge darunter gähnenden Abgrund , den man versunken vor uns, über uns , neben uns nichts ! durch ein eingestoßenes Loch schaudernd gewir sind oben. wahrt, oft nur in liegender Stellung und Wer die Anstrengungen, Genüsse und Aufregun am Seil genossen werden. Von einer Begen einer Hochgipfelbesteigung bisher geistig mit uns einträchtigung der förperlichen Funktionen bestanden hat, der wird daraus den physischen und durch die dünne Luft, wie sie ältere ReiseAuf falscher Fährte (S. 188). seelischen Eindruck eines solchen Augenblickes besser beschreibungen schildern, werden gerade auf als aus einer besonderen Beschreibung des Unbe- den Hochgipfeln die wenigsten Bergsteiger den Felsen, denen wir uns nach ermüden schreibbaren sich abnehmen können. Schon etwas empfinden ; aus unseren bescheidenen der Schneestampferei (S. 191) nun zuwen rein quantitativ , der bloßen Ausdehnung Erfahrungen können wir vielmehr eine stän
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dige Steigerung des Wohlbefindens in Höhen von viertausend und mehr Meter kon statieren , wenn sich beim Eintritt in die Schneeregion, besonders nach langem Thal aufenthalt, öfter Symptome dersogenannten Bergkrankheit gezeigt hatten. Der Abstieg (S. 189) von einem Gipfel ist in der Regel, wenigstens bis zum Sattel, schon der Zeitersparnis wegen lediglich eine Wiederholung des Aufstieges mit Benutzung der geschlagenen Stufen ; nur daß er für den Neuling noch aufregender wird durch die größere Gefahr des Gleitens bei der Abwärtsbewegung , sowie durch die Umkehrung der bisherigen Marschordnung, wo durch er vom Schwanz des Zuges an den Kopf kommen kann, während ein schwächerer Gänger die Mitte hält und der erfahrene Führer hinten den Anker für das Seil bildet. Da heißt's denn freilich alle Leibesund Seelenkräfte zusammenhalten und jeden Tritt prüfen und abwägen, damit nicht ein plötzliches Ausgleiten drei Leben gefährde. Es kann aber auch Pflicht werden , auf die letzte Zuversicht des Sturzbedrohten, das Seil , zu verzichten , besonders wenn man unvorsichtigerweise bloß zu zweien ist und die Steilheit des Eishanges , welche nur mit dem Gesicht bergwärts gewandt herunterzuflettern gestattet , ein Aufhalten des Gleitenden fast unmöglich, das Mit gleiten des Stehenden fast gewiß macht. Wer durch Uebung seiner selbst sicher und wer der Verantwortlichkeit gegenüber Reisegenossen sich bewußt ist, darf solche Wege ohne Bedenken und Gefahr auf sein Programm nehmen ; dem förperlich und mora lisch Unerprobten sind sie mit Rücksicht auf sich selbst wie auf seine Begleiter ent schieden abzuraten. Ein glücklich und mit Genuß bestiegener Gipfel wirft für den Bergfreund auf die ganze weitere Fahrt ein wundersam verflärendes Licht und läßt ihn mutig Neues wagen. Auch der bloße Abstieg kann da freilich wieder eine ernste Probe für Haupt und Glieder werden, wenn etwa zur Abwechselung oder zur vermeintlichen Abtürzung bei bedrohlichem Wetter ein bisher noch niemals oder erst in anderer Richtung von unten nach oben gemachter ,,Weg" eingeschlagen wird und sich in seinem weiteren Verlauf, der von oben weit weniger als von unten überblickt werden kann, als eine ungeahnt kitliche Kletterei herausstellt. Solche Abstiege über Felsen, die man nicht bis untenaus übersieht, können dem Wanderer , da hier beständig Verwitterung, Schneefall , Eisbildung und Wiederab: schmelzung, Stein , Schnee- und Eislawi : nen ihr Wesen treiben und neben augen blicklichen Gefahren bleibende Veränderun gen bringen, ganz unvorhergesehene Hindernisse bereiten. Ein schwindelfreier Kopf, ein zuverlässiges Seil und ein geschickter Handhaber desselben helfen auchhier durch. Von Absatz zu Absatz, von Kamin zu Kamin, stets Bergung suchend vor dem drohen den Steinschlag , flimmt einer nach dem anderen je um ganze oder halbe Seileslänge abwärts ; dann folgen die oben zurückgeLassenen Pickel und Bündel und endlich, an
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schlimmeren Stellen vermittelst des über | schlage der Adler auf. Türkisblau in smaeinen Felskopf laufenden Seils von unten ragdener Fassung, schön wie seine Brüder, gehalten , der sicherste Kletterer und Führer ; und wenn sich nach zwanzigmaligem An- und Losbinden zeigt, daß ein letzter Absturz für die kurze Leine zu hoch und ein sicherer Abstieg selbst mit Zurücklassung des oben hängenden Seiles nicht zu erkaufen ist, so muß der nüchterne Verstand sein Veto einlegen können und entweder sofortiges Umkehren oder aber Aufsuchen eines anderen Weges, sei's auch erst am folgenden Morgen, durchzusetzen imstande sein (S. 184). Wer das nicht kann, wer überhaupt im Hochgebirge etwas durchaus riskieren will, wenn der Ausgang zweifelhaft ist, der soll ihm lieber fern bleiben - denn der Versuchungen sind viele - oder er muß nichts zu verlieren haben : das ist dann seine Sache ; er habe dann aber auch die Konsequenz, dergleichen Wagestücke ohne Gefährdung anderer zu bestehen. Neben solchen Schwierigkeiten kann der Abstieg von einem Gipfel oder Grat aber auch sehr willkommene Erleichterungen und Abkürzungen bieten durch die Rutschfahrten, welche an nicht zu steilen und unten sanft auslaufenden Schneehalden ohne Gefahr angestellt werden kön nen. Aufrecht auf beide Füße gestemmt und rücklings auf den bremsenden Stock oder Pickel gelehnt , geht's lustig mit Windeseile bergunter , wo man morgens mühsam und langsam heraufgekeucht, und wem es auf nasse oder zerrissene Kleider nicht ankommt, kann's sigend noch bequemer haben. Tagelangfortgesette Hochgebirgswanderungen sind keineswegs so eintönig, wie man aus der Ferne wohl anzunehmen geneigt ist . Schon die lebhaften und oft rasch wechselnden atmosphärischen Erscheinungen sorgen für mannigfaltige Eindrücke. Jeßt strahlt das vergletscherte Bergjoch im reinsten Weiß und tiefsten Blau ; jest verschwindet die Welt in jagenden Nebeln ; jest malt auf der Wolkenwand ein versprengter Sonnenstrahl unser riesenhaftes Bild ; jezt brechen aus schwarzen Dunstmassen , in denen unsere Pickel elektrisch surren , blendende Blige mit betäubendem Donner hervor , und wirbelnde Flocken , prasselnde Schloßen umsausen auf ödem Eisfeld den wehrlosen Wanderer. Der lastende Firn, der starrende Eisstrom werden dem, der mit ihnen vertraut geworden, zu lebenden Wesen ; er lernt auf ihre Bewegung , ihre Ernährung und ihren Säfteumlauf, auf einzelne Erscheinungen in ihrem Dasein achten : der seltsame rote Schnee , die zerstiebende Lawine , die pochende Gletschermühle , der hüpfende Gletscherfloh , der ragende Gletschertisch, die hundertfach verschiedenen Zertlüftungs- und Moränenbildungen und die wunderbaren Spuren des Gletscherlebens längstvergangener Zeiten unterhalten sein Auge und beschäftigen seine Phantasie. Auch die auf den ersten Blick völlig toten Felsen- und Geröllhalden mit ihrem spärlichen Grün beleben die Näherkommenden : Schnee- und Steinhühner hüpfen und flattern mit lautem Schnarren vor ihm empor ; Murmeltiere lassen sich beim mittäglichen Spiel von ihm beschleichen und füllen dann erschreckt das einsame Thal mit ihrem durchdringenden Pfiff, daß man sich plötzlich auf den Rangierbahnhof einer großen Stadt versett glaubt ; ein einsamer Gemsbock sett in elastischem Sprunge über Geröll- und Schneehalden nach der grünen Einsenkung hinauf, wo ein ganzes Rudel der zierlichen Tiere friedlich graft. Auf grüner Dase hoch über dem Gletscher, wohin sie vielleicht einzeln haben getragen werden müssen, umdrängen den kommenden bettelnd mit lautem Geblöfe die braunen Auf dem Abstieg (S. 187). Bergschafe, untermischt mit einigen mächtigen Eremplaren vom weißen phlegmatischen Bergamaskerschlage, und seitwärts fliegt von einem erfallenen prangt hier oben für den seltenen Besucher Stück der Herde mit mächtigem Flügel der einsame Bergsee ; heimlich hüten in
ferd. Vetter. 190 mondmilchbereifter Höhle die Berggeister ihren köstlichen Krystallschatz und die wundersamen Eisgebilde ihres unterirdischen Gletschers, und unsicht bar, nur durch den hervorstiebenden Regenbogen verraten (es bereitet Natur sich selber ein Schauspiel) , stürzt dort in gehöhlter Felsschlucht der Gießbach zu Thal. Den Fuß des Wandernden aber umschmeicheln von der Grenze des ewigen Schnees an die zartesten und farbenreichsten Blüten , welche unsere Zone fennt. Und kommt er endlich wieder ins Land des reichen Grüns : wie wird ihm wichtig , vertraut und lieb der erste Baum, unter dem er rastet, der erste buschbeschattete Quell, aus dem er trinkt ; wie wird ihm zum Ereignis der erste Hirtenjodler bei der läutenden Herde und der erste Verkehr mit thalentstiegenen , ruhig arbeitenden Menschen ! Er hat Natur aus erster Hand getrunken ; ihn rührt mit längst entwöhnter Innigkeit jede neue Erscheinung einer ihm wiedergeschenkten milderen Natur und eines einfach natürlichen Men schenlebens ; er ist aufs neue ein sehender, fühlender und empfindender Mensch ge worden und möchte allen seinen Genossen drunten im Thal zurufen :
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Durch tiefen Schnee (S. 184).
,,Brüder , fommt in die Berge und Ist es Leichtsinn , Eitelkeit und Verwerdet Menschen !" messenheit, wenn ihn die Nachrichten von neuen Unglücksfällen , auch von anscheinend völlig unverschuldeten, lediglich mahnen zu Ist es ein Wunder , daß es den , der größerer Gewissenhaftigkeit und Selbstdie Reize einer Hochgebirgsfahrt einmal prüfung im Wagen wie im Entsagen? geschmeckt , immer wieder hinaufzieht in Wir gestehen, daß wir wohl etwa an diese große, ernste, stille Welt ? daß ins- steiler Eiswand, mit dem Führer an furzbesondere der, welcher durch seine Verhält gerefftem Seil abwärts klimmend, ihn nach nisse und seine Stellung auf seltenen und der Zahl seiner Kinder gefragt und ihm möglichst konzentrierten Genuß angewiesen die der unserigen genannt , daß wir ein ist , am glücklichen geschenkten Tage sich andermal vor einer Bergsteigung einen nichts Schöneres weiß als einen Besuch kleinen Beitrag für die unschuldigen Opfer bei einem jener hohen Bergesalten , der der letzten Bergkatastrophe für alle Fälle ihm vielleicht seit Jahren sehnsuchtweckend in einsamer Berghütte zurückgelassen haben: ins Studierzimmer hereingeschaut ? beides aber nur, um uns an unsere Pflichten gegenüber uns und anderen eindrücklich zu erinnern. Pflichtgefühl , Solidaritätsbewußtsein zu üben neben körperlicher Kraft und Tapferkeit: ist es nicht auch einiges SchweiBes , einiger Gefahr wert ? Ist es nicht insbesondere auch der heranwachsenden Jugend würdig ? Wir können es selbst nicht ganz verdammen , wie viele thun , wenn heute bei uns junge Leute, ihrer frischen Kraft und genügender Uebung bewußt, ohne Führer , bloß nach Beschreibungen und Karten, die schwierigsten Bergfahrten unternehmen. Wir finden das jugendlicher, als wenn sich die überschüssige Lebenskraft unter schützenden Bandagen und ängst = lichem Regelzwang auf dem Fechtboden Luft macht . Es gehört ja vielleicht ein Stückchen Tartarinismus, aber gewiß auch viel mensch= liche Tüchtigkeit und männ licher Sinn, mit einem Wort : viel echte und dauerhafte Idealität dazu, ein rechter Bergsteiger zu wer den, und die sich früh da zu bilden in Schweiß
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Erlöser Tod sibirischen den Bergwerken .in Rauchinger Von B.
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und Frost , in Wagen und Ertragen , in Uebung ihrer Tapferkeit , ihrer Selbstverleugnung, ihres Gegenseitigkeitsgefühles und jeder menschlichen Tugend , werden sicherlich nicht die schlechtesten Männer. Böse Menschen haben keine Gletscherpickel. Ist es Zufall , daß in einer Zeit der Entdeckungen und Erfindungen, der großartigsten geistigen Regsamkeit , auch dem einst gefürchteten Hochgebirge sich die Wager und Entdecker aller Nationen zuwenden und es für die Kunst, die Poesie, die menschliche Kultur überhaupt erschließen ? Ist es Zufall, daß in diesem friedlichen Eroberungskriege , dieser praktischen Turnerei, zuerst die Engländer, die Patriarchen und Meister kräftigender Leibesübung, die Besiedler und Beherrscher der fernsten Küsten, gehuldigt haben, und daß ihnen in neuester Zeit besonders die Deutschen darin gefolgt find ? ,,Den kühnen Thaten, den beherzten Würfen" gilt die Sympathie des modernen Menschen, des Dichters , der die Jugend mit Wind und Wogen kämpft und in Blitz und Donner lebensstarf werden" heißt. Wir halten die Bergsteigerei also nicht für eine bloße Mode , für einen Sport, der nur der Unterhaltung und der Eitelfeit dient und daher wegen der damit verbundenen Gefahren eingeschränkt werden sollte. Sie ist die Aeußerung gesunden Kraftgefühles , wie das gegenwärtig so eifrig betriebene Rudern und Radfahren, und hat vor diesen Uebungen und vor den Kriegs- und Seeabenteuern früherer Zeiten die größere Vielseitigkeit der Aufgaben oder dann doch die kräftigere Bethätigung des Einzelcharakters voraus, nicht zu sprechen von dem Gewinn, welchen mittelbar auch der Laie durch die Pflege dieses edeln Vergnügens der Wissenschaft, insbesondere den Naturwissenschaften, diesen Herrscherinnen im Reiche der modernen Bildung, zuführt. Sie ist sodann auch der Ausdruck kräftigen Natursinnes, welcher unserem forschenden und strebenden, zerseßenden und neugestal tenden Jahrhundert so vorzugsweise eignet und sich den urtümlichen Gegenden und Scenen, die heute wenig abseits vom großen Reisestrom noch in Fülle sich finden, innig verwandt fühlt. Und so hoffen wir denn noch oft in jenen reinen Höhen uns neue Kraft zum Tagewerke und neue Liebe zur Natur zu holen und auch manchem Leser unbekannter weise auf jenen einsamen Pfaden zu begegnen!
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R.Sh
Das Egerthal.
Die Stadt Eger und Wallenstein.
Von Franz v . Krones .
Es war am Abend des 24. Hornungs im sechzehnten Jahre des großen Kampfes auf deutscher Erde (1634), als der Friedländer mit Kriegsgefolge den Thoren Egers nahte. In seiner Seele mochten Erinnerungen an frühere Besuche der Stadt auf dämmern , Erinnerungen , die das Einst und Jetzt der eigenen Lage , den Wechsel der Zeiten und seines Geschickes scharf und herb empfinden ließen. Neun Jahre zuvor hatte Wallenstein, der Schöpfer einer kaiserlichen Armee, der Generalissimus Kaiser Ferdinands II., Eger, die namhafte Stadt und Feste am Gemärke Bayerns und Ostfrankens , zum Waffenplage auserforen. Hart fiel damals dem Egerlande und der Stadtgemeinde das Hausen und Ranzionieren der friedländi schen Truppen, der Regimenter Friedland, Holstein , Schlick, Tiefenbach, Wratislaw, Colloredo , Lamotte und Cebron. Einen vollen Monat (vom 3. Aug. bis 3. Sept. 1625) wohnte der kaiserliche Feldherr in Eger , das in der Bewirtung des Allge: waltigen an nichts fehlen ließ und froh Gegen die Ernte . war, daß er endlich die von ihm gebiete Still liegt die längst bestellte Slur risch verlangte Ranzionierungssumme von Und wie vom Pflüger selbst vergessen, 30 000 Reichsthalern auf Verwendung des Der abends naht vom Dorfe nur, Den Stand der Aehren stolz zu messen. Generalkommissarius Aldringen auf 7000 Gulden neben Beistellung von 200 Cent Entfaltet in der Sonne Glut, nern Pulver ermäßigte. Der Ernte reifen sie entgegen : Die Erde, in des Himmels gut, Fünf Jahre später (1630 , Mai und Bereitet ihren Sommersegen. August) war der Friedländer zweimal Gast So finnt der Keuvermählten Blick, in den Mauern von Eger. Das erste Noch bis vor kurzem unbekümmert, Mal weilte er hier einen Tag, um dann und träumt von bald'gem Mutterglück, Das schon ihr um die Wange schimmert. den Weg in das Reich, nach Memmingen, Martin Greif. fortzusehen, wo sich (Mitte August 1630)
die Sendboten des Kaisers, Werdenberg und Questenberg, einfanden, um dem Generalissimus mit allem Glimpf das vorzutragen, was ihm fein Geheimnis war, die von der Liga dem kurzsichtigen und mattherzigen. Reichsoberhaupte abgelistete und abgetrotte Entlassung seines Armeehauptes. Ueber Eger begab sich Wallenstein heimwärts , grollend , aber überzeugt , daß er nochmals zu Großem bestimmt sei. Die Sterne hatten ihm verkündigt , daß der Spiritus des Kurfürsten von Bayern den sie sprachen des Kaisers dominiere" auch von einer Zeit, die da kommen werde, ihn zu rächen und gewaltiger zu machen, als er vorher gewesen. Zwei Jahre darauf (1632 ) hatte sich das , was der Friedländer ahnte , erfüllt, Ferdinand II. ihm als einzig möglichen Retter in der Not das Generalat unter Zugeständnissen aufgedrungen, wie sie vor und nach Wallenstein kein Feldherr des Kaisers erwarb. Die kluge Taktik des Herzogs von Friedland, seine kühle Zurückhaltung bewirkte, daß man ihm alles gewährte, was überhaupt möglich war. Der Bayernfürst Mar, der zu Regensburg die Abdankung Wallensteins entschieden , das vom Schwedenkönige bedrängte Haupt der Liga, mußte jetzt den Friedländer anflehen, Bayerns Erlöser zu werden. Am 26. Juni 1632 traf dieser an der Spiße des neugeworbenen Heeres , nach dem unblutigen Siege über die Sachsen auf dem Boden Böhmens , in Eger ein. Sein Generallieutenant Holt hatte es besetzt. Die Stadt feufzte unter der Last der Beherbergung
Franz v. Krones. 199 und Verpflegung zahllosen Kriegsvolkes und atmete auf, als Wallenstein nach zwei Tagen aufbrach, um, mit den Bayern ver einigt , den Weg ins fränkische Bayern einzuschlagen. Er ging den Nürnberger Kämpfen mit Gustav Adolf entgegen ; sein Stern war im Steigen. nach kaum zwei JahrenUnd wieder (1634) zog der Friedländer die Straße gegen Eger, gichtleidend , in der Sänfte, die Seele voll Groll über die Wendung der Dinge, gepeinigt von bitteren Enttäuschungen, quä lenden Gedanken , mit matter Hoffnung, die Rettung sei nahe , die Rache an den Widersachern und die Wiedererhebung vom Sturze möglich. Ihm folgte fein stattliches Heer, nur farge Reste der von ihm geschaffenen, seinem Winke noch vor kurzem widerspruchslos gefügigen ,,Armada". Denn schon vor Monatsfrist war der planreiche, in Gewebe vielseitiger Unterhandlungen verstrickte Mann, der Politiker und Feld herr auf eigene Faust als Verräter" an der Sache des Kaisers im geheimen geächtet. Man scheute sich in Wien damals noch, den Stier an den Hörnern zu fassen", man hielt ihn des Heeres für noch zu gewaltig , und doch waren die bedeu tendsten seiner Feldobristen bereits Verbündete der Ankläger Wallensteins bei Hofe, und der zweite Versuch des Friedländers, sich bei wachsender Gefahr seiner Generalität zu versichern, der zweite Pilsener Revers" vom 20. Februar 1634, fiel mit der offenen Achtserklärung und dem Konfiskationsmandate des Kaisers gegen Wallenstein und dessen Genossen, Trezka und Glow, zeitlich zusammen. An dem Tage, an welchem der Herzog die Obersten Mohr von Wald und Breuner nach Wien sandte,
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machen, brachte Oberst Bed, der
Kommandicrende
18 Prags , die niederschmetternde Bot schaft nach Pilsen, die Landeshauptstadt sei fürWallensteinso gut wie verloren. Ich hatte den Frieden in meiner Hand Gott ist gerecht !" soll der Friedländer ausgerufen haben, 45 als er die Hiobspost empfing. Der ursprüngliche Plan, am 24. Februar die Armee und Die Burg in Eger (S. 204). Ren ihre Häupter zu einem dezvous " auf dem Weißen Berge zu ent- Armee seiner Zeit verfügte , nur fünf bieten, war von den Ereignissen überholt. altsächsische und fünf Trezkasche ComEs galt nunmehr die Rettung des be pagnien. Den 22. nachmittags stieß der drohten, vogelfrei erklärten Daseins. Drei- Fre Sir Walter Butler mit seinem Drazehn Eilboten flogen jezt von Pilsen nach gonerregimente auf den Zug. Wie dieser Regensburg , ins damalige Schwedenquar : Feldoberst später berichtet, habe ihn Waltier, und zurück; in der Verbindung mit lenstein von den Pässen zur Oberpfalz auf dem früheren Gegner lag jezt das ganze Heil. den Weißen Berg entboten, dann aber mit Klein war das Häuflein seiner Konterordre zu sich befehligt ; Butler mußte Getreuen , seiner Schicksalsgenos- nun nach Mies als Begleiter des Feldsen aus dem großen glänzenden herrn zurück ; hier , wo Rast gehalten Kreise der Generale Wallen- wurde, soll ihn Wallenstein, getrennt von steins " , als er den 22. Februar , seinen draußen lagernden Dragonern , samt 10 Uhr vormittags , Pilsen ver den Regimentsfahnen bei sich im Städtlassen, um den Weg über Mies chen interniert haben. Nächsten Morgen nach Eger einzuschlagen. Es war (23. Febr.) brach man gegen Eger auf: hohe Zeit, denn zwei Tage spä- Butler und seine Dragoner zogen mit. ter fiel Ottavio Piccolomini , der Der Friedländer soll auf dem Wege die rührigste Gegner des Friedlän- glänzendsten Versprechungen an Butler verders , über Pilsen her, und Feld- schwendet haben. Der katholische Fre ver zeugmeister Graf Georg von schleierte sein Inneres , denn ganz andere Sparr, den Wallenstein als Be: Gedanken erfüllten ihn. Am gleichen Morfehlshaber in Pilsen zurückgegen , da Wallenstein Mies , seiner NachtLassen, übergab die Stadt ; aber herberge , allwo er Briefschaften verbrannt, ,,das Nest war leer , die Vögel den Rücken kehrte , eilte Butlers Beichtausgeflogen ", wie sich Piccolo- vater, Patrik Taaffe, nach Pilsen, um an mini nun brieflich ausließ. Piccolomini die Botschaft zu überbringen, Herzog Heinrich Julius von sein Herr wolle gut kaiserlich bleiben und Sachsen, Christian Freiherr von für die Sache des Kaisers handeln . So erschien denn Wallenstein vor Eger, Flow (Jllo) , Graf Adam Trezka (Terzka) und Graf Wilhelm den gefährlichsten Mann zur Seite. Es Kinsky von Wchinic , die Seele war am Vorabende des lezten Tages, den der böhmischen Emigranten noch zu erleben dem Herzoge von Friedfolonie zu Dresden die bei land beschieden war ; der nächste Abend den letteren untereinander und (25. Febr.) brachte seinen Getreuen Trezka, mit dem Herzog von Friedland Flow, Kinsky als ,,Gästen" der kaiserlichen Interer Teil der Doppelfabelle (S. 201). verschwägert , waren dessen Verschwörer : Butler, Oberwachtmeister Sir Begleiter , in Gesellschaft ihrer Walter, Leßlie (Lesley) und dessen schotti um die Bereitwilligkeit zum Rücktritte beiden Frauen. An Kriegsvolk folgten schen Landmannes Gordon (Kommandanten gegen Wahrung seiner Besizrechte fundzu dem Feldherrn , der einst über die größte der Citadelle) den Tod in der Festung :
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1104 Ansichten von Eger.
die Nacht des gleichen Tages breitete ihr Dunkel über den blutigen Leichnam Wallensteins. Das ist die erschütternde Tragik, des 25. Februars, welche der Griffel der Geschichte und das Drama eines großen Dichters zum Gemeingut der gebildeten Welt gemacht. Die Nachtherbergé des Herzogs von Friedland , in welcher ihn der Stoß der Partisane Deverour' niederwarf, war ein Patrizierhaus am " Neuen Ringe" der Stadt, 1619-1629 das Heim Alexander Pachhelbls, den die katholische Gegenrefor: mation in Eger (1628-1629) zur Auswanderung in seinen ursprünglichen Ansit, Wunsiedl , zwang. Dort , Bürgermeister geworden, sah er Eger zum letztenmal im Jahre 1633 als Geisel und lag hier zwölf harte Wochen in Haft. Gegen 4000 Thaler Lösegeld frei gelassen , starb
der förperlich gebrochene Mann noch in demselben Jahre, und sein Haus in Eger verblieb der Witwe Margarete , geb. Junker, unter dem Sequester der Gemeinde. Aleranders älteren Bruder , Wolf Adam Pachhelbl, dem das Stammhaus in Eger, Wallensteins Herberge im Jahre 1632 , vom Vater Wolfgang († 1620) vererbt worden, hatte zweimal, 1629 und nach dem vorübergehenden Sonnenblick für den Protestantismus während der sächsischen Occupationszeit Egers (14. Dez. 1631 bis 29. Juni 1632) bei der neuen Rekatholisierung und Restauration Egers das gleiche Los betroffen. Auch er schloß zu Wunsiedl (21. Mai 1649) feine Tage. Zur Zeit, als den Herzog von Fried land das Todeslos in Eger traf, war Bürgermeister der Stadt Paul Junker, der es in der Armee Wallensteins zum Oberst lieutenant gebracht und dem protestantischen Glauben entsagt hatte. Die Junkers zählten zu den ältesten und angesehensten
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Patrizierfamilien von Eger und lassen sich bis ins 13. Jahrhundert verfolgen. Der älteste Kreis dieser ratsherrlichen Geschlechter war längst stark gelichtet und zerjest. Zu ihnen zählten auch die Schirndinger , die Zeitgenossen des 14. , 15. und 16. Jahr hunderts , Geschworene des EgererLandrechtes, deren Stammhaus an dem Marktplatze erstand (S. 205). Sie waren aus Schirnding in Bayern herübergekommen und besaßen nachweisbar 1360-1559 die Güter Schlottenhof und Röttenbach, Albenrut und Schönberg. Der erste Aft der blutigen Tragödie vom 25. Februar 1634 spielte sich auf der Citadelle ab, auf der Burg von Eger (S. 200) , die am flußseitigen Steilrande einer Felsenfuppe emporstrebt. Verfallen und verödet, einst ein gewaltiger, belebter Bau , das älteste Denkmal der Besiedelung und Herr schaft auf diesem Boden , war sie auch Zeuge der Entwickelung und der mit den Jahrhunderten wechselnden Geschicke der Stadt zu ihren Füßen. Der älteste Teil der eigenen baulichen Gestaltung ist wohl der burgfriedartige schwarze Turm ", der in die Zeiten der ersten eigentlichen Dynasten des egerländischen Gebietes am Gemärke Ostfrankens , der Vohburger , zurückreicht. An die Vohburger Epoche schlossen sich dann seit 1149 die glänzendsten Tage der ,,Kaiserburg " Eger und der Entfaltung des Gemeinwesens Egers zur Kaiserpfalz " und ,, Reichsstadt". Als Herzog Friedrich III. von Schwaben 1149 die Erbtochter des letzten egerländischen Vohburgers , Adelheid, zur Frau nahm und dann bald als Friedrich I., der ,,Rotbart", den deutschen Thron bestieg, ließ er das stattlichste Stück der Burg , den Saalbau" in Angriff nehmen, und mit diesem in unmittelbarer Verbindungerhob sichsüdwärts die ,, Doppelkapelle" (S. 199), der schöne Bau, aus dessen unterschlächtigem Teile, den vier mächtige Säulen tragen, eine Steintreppe zur ,, oberen Kapelle" führt, einem der sehenswürdigsten Denkmale romantischer Architektonik, welche bereits der Spitbogenstil eingreift, eine Erscheinung, der wir an der Wende vom 12. ins 13. Jahrhundert begegnen. Hier auf der Pfalzburg fand sich
Franz v. Krones. 205
Die Stadt Eger und Wallenstein. 206
wiederholt der erste Staufenkaiser ein, geschieden von der Vohburgerin und in zweiter The verbunden; so auch in seiner Schlußepoche 1179, 1183 ; hier hausten zeitweilig durch Wochen und Monde seine Söhne und Nachfolger im Reiche , Heinrich VI. und Philipp von Schwaben ; eine der frühesten Urkunden seines Enfels , König Friedrich II., vom Juli 1213, erscheint in der Kapelle der Burg Eger " ausgestellt, und noch achtmal (1214-1239) lassen sich Besuche des letzten Staufenkaisers nachweisen. Als erster Schloßkaplan erscheint 1183 jener Konrad , dem wir dann als Bischof von Lübeck begegnen. 1540 gab es in der Schloßkapelle keinen Gottesdienst mehr ; es hatten sich die Zeiten gewandelt ; auf der Burg war es immer stiller geworden. Das staufische Stadt- und Landgebiet an der Eger fiel 1266 in die Hände des böhmischen Nachbars, König Ottokars II. Wohl mußte er 1276 darauf verzichten, es wurde wieder reichsunmittelbares Terri
blühende Reichsstadt derselben, Nürn= berg, war die Heimat der Grundfäße des alten Stadt: rechtes von Eger. Von dort bezog Eger seine Rechtsbelehrungen" und selbst galt es wieder als Oberhof" für einen Kreis von Kom munen ; sein Recht beherrschte einen großen Teil des nordwestlichen Böhmens , wie uns die Urkunden des 15. und 16. Jahrhunderts melden. Und ebenso hielt der Glaube das Egerland mit den Stammgenossen und Nachbarn eng verbunden. Seit 1564 begann das neue Evangelium " allüberall durchzugreifen, und der Ankauf des deutschen Ordens hauses machte die protestantische Gemeinde zur Patronin der Landpfarren (1608) ; der Katholizismus erlosch. Der goldene Boden" bürgerlichen Wesens und Lebens, Handel und Wandel, verödete zuweilig in den Stürmen harter Zeiten, deren die Jahrbücher Egers nur zu oft gedenken, aber seine innere Triebfraft regte to sich immer wieder. In den alten rium Verordnungsbüchern der Stadt falbis 1291 , Ien einzelne Streiflichter auf den und nach der gewerblichen Betrieb ; die Schrot neuen böhmi amtsordnung aus der zweiten Hälfte schen Zwischen des 14. Jahrhunderts , die Zollordherrschaft (1291 nung vom Jahr 1352 u. a. lassen bis 1301 ) dies uns einen Blick in die Vergangenzum drittenmal . heit der mittelalterlichen Zustände Aber innerhalb werfen. Die Gerbereien am Egerder Jahre 1315 flusse sind eine jüngere Nachblüte bis 1322 ent: des gewerblichen Wesens (S. 207) . Nichts spricht nachdrücklicher für schied sich das Los Egers und den frühen städtischen Aufschwung des Egerlandes, Egers als die starke Judenansiedelung daselbst. Schon vor dem Jahre eine 11Pfand schaft" des deut: 1350, das von ihrer Vertilgung er schen Reiches im zählt , besaßen die Israeliten hierBesige der böhorts eine Synagoge, einen Judenaus und einen of im Stammbaus der Patrizier mischen Krone zu hof, ein Sangmeisterh werden und seit ,, Seelenhof" (Gottesacker) . VierSchtrubinger (S. 204), der Habsburger zehn Jahre nach dieser Katastrophe enger zu zeigt sich die Jüdischheit" in Eger immer herrschaft mit Böhmen wieder erstarkt. 1430 erlangten die verwachsen. Durch das Mittelalter zog sich jedoch Bürger die "1 Ausschaffung" der unentwegt der innige Geschäftsverband Juden, und ihre Synagoge wird und Rechtsverkehr der betriebsamen Stadt: 1468 , 8. Dezember , als Mariagemeinde mit Deutschland und insbesondere Heimsuchungskirche eingeweiht. Nur gegen beson mit der oftfränkischen Muttererde. Die einzelne dürfen sich
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Gerbereien an der Eger (S. 206).
dere Erlaubnis und Zahlung eines Schutzansiedeln. geldes Seit dem Ende Wallensteins wurden die Geschicke Egers immer drangvoller ; die Auswanderung der Protestanten hatte sein Gemeinwesen stark gelichtet , seinen Wohlstand erschüttert , das Selbstgefühl der Kommune gebrochen. Die Schlußzeit des Dreißigjährigen Krieges lastete mit ihren Drangfalen auf der Stadt ; 1647 wurde es eine Beute der Schweden. Nach dem westfälischen Frieden (1648) trat die erdrückende Schuldenlast der Kommune zu Tage. Sie erholte sich, als es im Jahre 1693 zum zweitenmal gelang, das ,, teutsche Haus" , den namhaften Besitz des deutschen Bodens anzukaufen , dem Malteserorden abzulösen und damit den Jesuiten zuvorzukommen , deren Kollegium allhier 1628 bis 1773 bestand. 1742 sah Eger die Franzosen in seinen Mauern, und diese verteidigten 1743 Eger aufs äußerste bis
Hof im Stadthaus.
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zur Kapitulation des 9. Septembers ; die Stadt verödete damals. Auch die Not des Siebenjährigen Krieges , die Kämpfe mit Frankreich (1793-1814) ließen sie nicht unbehelligt. Scin Wappenbild , der Adler mit ausgespannten Fittichen im roten Felde, verewigt aber Egers bedeutendste Zeit, die Tage, da es deutsche Kaiserstadt war.
Ernst von Wechmar. Zur flugfrage. 209
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Die Steinkohlenfelder Deutschlands. Wie jeder Gebildete weiß , ist die Steinkohlenfrage heute eine Lebensfrage für die Industrie und Civiliſatión. Die Erschöpfung ihrer Steinkohlenfelder bedeutet für eine Nation deren wirtschaftlichen Niedergang. In England hat man deshalb schon vor längerer Zeit Untersuchungen über die wahrscheinliche Reichhaltigkeit der dortigen Steinkohlenlager an gestellt, wobei sich ergab, daß dieselben keines wegs auf unberechenbar viele Jahrhunderte hinaus ausreichen werden, sondern daß die Abnahme ihrer Ergiebigkeit ſich ſchon mit Schluß des gegenwärtigen Jahrtausends sehr fühlbar machen wird. Simmersbachhat nun auch unter: suchungen über den Reichtum Deutschlands an Steinkohlen angestellt und kommt dabei zu dem Resultat , daß dessen Felder , wenn man per Jahr einen Verbrauch von 300 Millionen Tonnen annimmt, noch auf mindestens 1000 Jahre hin ausreichen werden. Im Ruhrkohlengebiet find allein über 50000 Millionen Tonnen Stein: kohlen enthalten, im Saargebiet ebensoviel, im Oberschlesischen Becken bis zu größerer Tiefe etwa 250000 Millionen Tonnen, dazu kommen noch die nicht abgeschäßten Lager in Saarbrücken, Niederschlesien, bei Aachen, in Bayern 2c. Der ganze Reichtum Englands an Steinkohlen, welche bauwürdig ſind , wird auf höchſtens 100 000 bis 140 000 Millionen Tonnen ge= ſchäht, und es ergibt sich sonach, daß Deutschland mindestens den dreifachen Reichtum an Kohlenschähen besigt wie England. Simmersbach meist darauf hin, daß unser Vaterland in technischer Beziehung die erſte Stelle einnehmen muß und seine Handelsbilanz durch stets wachsende Ausfuhr von Kohlen beträchtliche Vorteile erzielen kann , daß also die Sorge für billige Transportwege vor allen Dingen eine der dringendsten Aufgaben des Staates ist. Was die Steinkohlen anbelangt, so werden unsere Urenkel vielleicht noch erleben, daß das reiche England auf Deutschland angewiesen ist .
Bur
Flugfrage.
Don Ernst von Wedhmar.
ie in den Ichten Jahren auf dem Gebiete Die der Flugtechnik ſich mehrenden, wenn auch vorläufig noch bescheidenen Erfolge find wohl geeignet, bei der hohen kulturellen Bedeutung jeden Fortschrittes auf diesem Gebiete , Sinn und Interesse für die große Sache zu erwecken . Die folgenden orientierenden Betrachtungen über den gegenwärtigen Stand der Flugfrage dürften daher manchem der geehrten Leser willkommen sein. In Betracht der großen Schwierigkeiten, welche die Lösung des Flugproblems offenbar bietet, wagt man kaum die Frage an die Zukunft zu richten : Wird es dem menschlichen Erfindungsgeiſte wohl je gelingen, das Luftelement in der Weise zu beherrschen , wie es
Vordere Ansicht
des Fluganzuges (S. 218).
Paris , 19. Mai 1886 . ihm gelungen ist , Herr des Waſſerelementes zu werden ? Die Schiffbarmachung der Luft Der Präsident der französischen Republik, erscheint vielen noch im Bereiche der Möglich bestimmt hiermit auf den Bericht des Kriegsfeit zu liegen, ob aber auch der persönliche ministers : Art. 1. Der Militärluftschifferdienst hat Flug (Kunstflug) des Menschen möglich und ausführbar sein werde, dies bezweifeln heute zum Gegenstande : 1) Studien, bezüglich der Konstruktion und noch gewiß die meisten. Um über diese Fragen ein möglichst unbefangenes Urteil zu ge= der Anwendung von Ballons für die winnen , wollen wir uns nun zunächst über Zwecke der Armee ; den gegenwärtigen Stand der Luftschiffahrt 2) die Konstruktion , Aufbewahrung und zu orientieren suchen. Erhaltung des aerostatischen Materials ; 3) die Inſtruktion des militärischen PerEine gute Auskunft hierüber bietet wohl sonales, welches für den Umgang mit schon ein Bericht , welchen im vorigen Jahre den Ballons bestimmt ist. der damalige französische Kriegsminister, General Boulanger , dem Präsidenten der franArt. 2. Das gegenwärtige Etablissement zösischen Republik , Grévy , überreichte. Da zu Chalais erhält den Namen eines Centraldieser Bericht den meisten Lesern unbekannt etablissements für Militärluftschiffahrt ; es sein dürfte, so möge derselbe deutsch überseht umfaßt eine Werkstatt für Studien und Verim Wortlaute folgen : suche, eine Werkstatt für Anfertigung des Materials und eine Instruktionsschule. Ein Paris , 1. Mai 1886. spezielles Personal ist demselben attachiert. Herr Präsident ! Art. 3. Luftschifferparks werden in allen Die Fortschritte , welche in den legten Regimentsschulen der Genietruppen eingeJahren in der Konstruktion und in der Benußung der Aerostaten für militärische richtet und ebenso in gewissen Festungen, die der Kriegsminister bestimmen wird ; cine Zwecke erreicht worden sind, haben zu wich Compagnie eines jeden der vier Genieregitigen Resultaten geführt und scheinen in nächster Zukunft noch zu den größten Hoff: menter ist in Militärluftschifferdienst zu unternungen zu berechtigen . Unter diesen Um- weisen. Art . 4. Die Oberleitung des Militärſtänden erachte ich heute die Zeit für gestuftschifferdienstes , sowie die unmittelbare kommen , den Militärluftschifferdienst , welOberaufsicht über das Centraletabliſſement cher bisher ohne eine offizielle Exiſtenz war, in reglementarische Formen zu bringen. Der steht dem Generalstabe des Kriegsminiſters zu . Art. 5. Eine besondere ministerielle InVorschlag der Verfügung, die ich mich be- struktion wird die Details der Organisation ehre, Ihrer Genehmigung zu unterbreiten, und die Art des Dienstbetriebes festsehen . beſtimmt die Principien der Organiſation Art. 6. Der Kriegsminister ist beauftragt dieses neuen Dienstzweiges . mit der Ausführung der vorliegenden VerDas jebige Etablissement von Chalais gez . Jules Grévy. würde die Centralanstalt bilden für weitere fügung. Geschehen zu Paris am 19. Mai 1886 durch Studien, für eine Schule und eine Werkden Präsidenten der Republik. statt. Außerdem würden Luftschifferparks Der Kriegsminister : einzurichten ſein . Die obere Leitung des gegengez. General Boulanger. Dienstes würde meinem Generalstabe anAugenscheinlich geht hieraus hervor , daß vertraut werden . Luftschiffahrt bereits so bedeutende Erfolge Einem Perſonal von speziell veranlagten die bietet , daß dieselbe zu einem wohl in die Offizieren und von den Genieregimentern Rechnung zu ziehenden Faktor für Militärgestellten Luftschiffertruppen würde die Aus: zwecke gedichen ist. Noch vor wenigen Jahren führung des Dienstes anvertraut werden . das französische Kriegsministerium BeWenn diese Dispositionen Ihre Zu hatte benten getragen , einen ihm durch die Interstimmung erfahren, würde ich Ihnen, Herr vention Gambettas für militär-aeronautische Präsident , dankbar sein, wenn Sie die hierunter zur Vorlage gelangende Ver: Zwecke zur Verfügung gestellten Betrag von 200 000 Franken zu acceptieren und denselben fügung durch Ihre Unterschrift rechtsgültig seinem Zwecke zuzuführen , während in das machen wollten. Genehmigen Sie, Herr Präsident , die vorjährige Heeresbudget zu diesem Zwecke beVersicherung meiner vollsten Ergebenheit. reits ein Betrag von drei Millionen Franken eingestellt wurde. Der Kriegsminister : Daß man in Deutschland die volle Bes gez. General Boulanger. deutung dieser Sachlage zur rechten Zeit erHierauf nun erging folgende Verfügung, kannt hat, dies beweist die im Juni 1884 vom betreffend Organisation des Militärluftschiffer preußischen Kriegsministerium ins Leben gerufene Ballonabteilung", welche jet den dienſtes :
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Ernst von Wechmar. Zur flugfrage. 212
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BISIT N DENDE
derselben nach wie vor eine überaus schwierige ist. Daß die Entwickelung und Vervollkommnung der Flugtechnik sonach Zeit be= hierüber ist sich heutzutage wohl jeder darf B₁ BI Denkende klar. Bei den gegenwärtigen Stande der Technik erscheint es schon keineswegs leicht, die Aeronautik nur auf den Stand der Nautik $60 to vor Erfindung und Anwendung der Dampfmaschinen zu bringen. Niemand vermag mit 1 Bestimmtheit auch nur annähernd den Zeitraum zu bemessen und zu beſtimmen, welchen die Praxis bedürfen wird, um die theoretischen Ergebnisse der Wissenschaft zur Lösung dez Nülenansicht des Fluganzuges (S.218) . Flugproblems auf aeronautischem Gebiete zu realiſieren. Hierzu können allerdings in unſerer Zeit, auf Grundlage der hohen VervollkommNamen „ Luftschifferabteilung“ führt, und der Koch u. a., welche zumeist auch praktisch auf nung der Technik, vielleicht Jahrzehnte hinLeitung und dem Kommando des höchst um dem Gebiete der Experimentalphysik und des reichen, um Fortschritte auf diesem Gebiete zu sichtigen Major Buchholz untersteht. Luftschiffbaues sich bethätigen , nehmen regen machen, zu dem auf dem verwandten Gebiete Der Anfang war sicher nicht leicht. Ve- Anteil an der Weiterentwickelung und Vervoll- der Nautik ebensoviele Jahrtausende erfordersonders die Durchführung der zunächstliegen- kommnung der Flugtechnik, und berechtigen lich waren. Befindet ſich die Luftschiffahrt gegenwärtig den theoretischen und praktischen Aufgaben ihre Bestrebungen zu den schönsten Erwarauch noch in einem Stadium, wo sie für allerfordert gewiß so manche mühevolle Ver: tungen. suche und bedurfte vor allen Dingen Zeit. Hohes Interesse, speziell für den Militär, gemeine Verkehrszwecke in Wirklichkeit noch Dies läßt sich leicht ermessen, wenn man be bietet das sehr orientierende Lieferungswerk wenig oder gar keine Verwendung erlangt und denkt , daß Frankreich durch eine Reihe von des preußischen Artilleriepremierlieutenants eben nur begonnen hat, für spezielle, namentlich Jahrzehnten ganz allein die praktische Aus- Mödebeck: Die Luftschiffahrt unter besonderer für militärische Zwecke erhöhtes Intereſſe und übung auf aeronautischem Gebiete beseffen, und | Berücksichtigung ihrer militärischen Verwen Bedeutung zu gewinnen , so dürfte nun, da sich demzufolge in diesem Lande bereits eine dung", historisch, theoretisch und praktisch von man endlich über die allgemeinen Prinzipien Industrie bezüglich des Luftschiffbaues und des dem Verfasser erläutert. (Durch jede Buch wenigstens sich klar geworden ist , immerhin die Zeit nicht allzufern sein, wo sie aller Augen dazu nötigen Materials entwickelt hatte, welche | handlung zu beziehen.) es als seine Domäne , ja als ein Monopol Was die Einrichtung von aeronautischen auf sich lenken und zu einer wesentlich civiliden anderen Ländern gegenüber ansah. Denn Militäranstalten in anderen Ländern anlangt, satorischen Bedeutung gelangen wird. Wenn übrigens einerseits mit Bedauern nicht nur Neubestellungen, sondern selbst nötig | so sei noch bemerkt , daß England schon seit werdende Reparaturen an Ballons 2c. konnten Jahren einen Luftschifferpark samt aeronau- wahrgenommen wird , daß gegenwärtig die eben nur dort ausgeführt werden und bis tischen Versuchsanstalten , Nordamerika solche Fortschritte auf diesem Gebiete im allgemeinen heute noch sind Rußland, Italien und andere bereits seit der Zeit des großen mit den Süd- immer noch so wenig Teilnahme finden, und Länder angewiesen, eben nur von dort ihren staaten geführten Krieges besigt. Ueberdies Kapital und verhältnismäßig auch die WissenBedarf zu decken. Jeder Deutsche darf sich sei auf den in Heft VII schaft sich fast gänzlich ferne halten , so muß demnach wohl stolz in dem Bewußtsein fühlen, dieses Jahrganges der doch anderseits als Glück betrachtet werden, daß das Neich durch die Umsicht der obersten mehrfach citierten Zeit- daß die Luftschiffahrt_wenigstens einstweilen Heeresleitung auch in dieser Richtung nun schrift des deutschen Ver- für militärische Zwecke eine solche Bedeutung vollständig frei und unabhängig dasteht und eins zur Förderung der erlangt hat, daß sie hier nicht nur eine Pflege: sicher, wenn nicht schon jet , doch sehr bald stätte gefunden , sondern auch , nachdem dieſe Bedeutung in den meisten Armeen erauf der Höhe der Kunst und Wissenschaft dieser Technik stehen wird . kannt worden , die Vervollkommnung In Civilkreisen ist es namentlich der derselben sogar zu einem regen , geistigen Wettstreite Anlaß bieten wird, deutsche Verein zur Förderung der Luftschiffder schließlich nicht fahrt in Berlin, welcher sich die von ihm vernur dem Heeres-, tretene Sache wacker angelegen sein läßt. Auf sondern auch dem dessen Wirken sei daher jeder sich dafür interVerkehrswesen und essierende Leser besonders aufmerksam gemacht. der Kultur im allDer vorzüglichen Vereinsthätigkeit, namentlich auch der von demselben, als öffentliches Organ, gemeinen zu gute kommen muß. in Monatsheften herausgegebenen Zeitschrift Doch wie ſteht es ist es hauptsächlich zu verdanken , daß immer betreffs der Möglichweitere Kreise zur Erkenntnis der hohen civilikeit und Ausführsatorischen Bedeutung einer entwickelbarkeit des persönten und vervollkommneten Aeronautik B der Zukunft geführt werden. Demlichen Fluges (Kunſtfluges) des Men: zufolge klären und läutern sich auch allmählich die Ansichten und Meischen? Welche nungen auf diesem Gebiete , so daß Frage ! " mag ſo mancher Leser undie widerliche Projektenmacherci, wie willig ausrufen, sie noch vor wenig Jahren üblich, Schulknabe ,,jeder und besonders zur Zeit der Auswürde auf dieselbe stellungen im Londoner Krystallpalaste von seinem Lehrer üppig in die Halme geschossen war, alsbald dahin aufgenun zu den glücklich überwundenen klärt werden, daß der Standpunkten gehört ¹) . Seitenansicht der Fluganzuges. (S. 21s). Männer von hervorragender wiſ- · Menſch viel zuschwach und auch viel zu senschaftlicher Bedeutung, wie v HelmHolt, Ritter v . Lößt , die Ingenieure schwerfällig gebaut sei , um , wenn ihm Paul Häntein, Lippert und G. Roderk, Dr. Müllenhoff und Angerstein, Edmund Ger- | Luftschiffahrt enthaltenen Artikel : „ Der Luft: | auch plößlich Flügel wachſen würden , fliegen lach, Rudolf Mewes, Wilhelm Pattosien, Prof. schifferpark in der italienischen und in der zu können. Wie ist es da nur denkbar , daß russischen Armee , aus dem Bulletin de la ein verständiger Mensch eine solche Frage 1) Der Titel des besprochenen Vereinsorganes tautet: Réunion des officiers, überſeßt von Mödebeck“ , | aufwerfen kann !" Ich erlaube mir, hierauf zu erwidern : „ Eben Zeitschrift des deutschen Vereines zur Förderung der Luft. besonders hingewiesen . schiffahrt in Berlin “, und ist die Lektüre dieser Zeitschrift Ein prüfender Blick auf den gegenwärtigen | weil jedem Kinde ſchon die Ausführbarkeit des für jeden, der Anteil an den Fortschritten auf aeronau Stand der Flugfrage ergibt, daß die Lösung | persönlichen Fluges als etwas Unmögliches tischem Gebiete nimmt, geradezu unentbehrlich.
い སྐ
214 bezeichnet wird, es in dieser Anschauung auf: wächst und die Sache für abgethan und selbst verständlich ansieht , fällt und fiel es bisher mit äußerst geringen Ausnahmen , die endlich jede Regel bietet - niemand ein, der Sache tieferes , selbständiges Nachdenken zu widmen und sich ein freies , unbefangenes Urteil zu bilden." Daher bestehen über die Möglichkeit dieses Kunstfluges leider so alte, eingefleischte Vorurteile , daß die wenigen bisher angestellten Versuche zur Realisierung desselben von jeher stets mit Sohn und Spott aufgenommen wurden und voraussichtlich auch heute noch großen und bedeutenden Schwierigkeiten be gegnen werden. Ist aber die Skepsis , mit welcher gemeinhin der Gegenstand betrachtet und behandelt wird , auch gerechtfertigt? Ist es wirklich als eine feststehende , erwiesene Thatsache anzusehen, daß der Mensch viel zu schwerfällig gebaut sei und überdies nicht die Kraft habe, mittels eines noch so kunstgerechten, durch die eigene Muskelfraft zu bewegenden Flugapparates zu fliegen, d. h. sein Körpergewicht wie der Vogel in der Luft fortzuschaffen ? Ich habe sehr gewichtige Gründe , diese Annahme keineswegs als erwiesene Thatsache gelten zu lassen. Stüßt man sich darauf, daß doch von vielen" schon solche Versuche gemacht wurden, diese aber stets erfolglos waren, so halte ich entgegen , daß diesen Versuchen nichts weniger als wissenschaftlicher oder auch nur praktischer Wert beizumessen ist. Welcher Art waren denn diese Versuche ? Die Herstellung eines wirklich kunstgerechten , gut funktionierenden Flugapparates an sich ist, wie ich aus eigener Erfahrung nur zu wohl weiß, so überaus schwierig, daß ein einzelner die notwendige Vervollkommnung selbst heute unmöglich allein erreichen kann , geschweige denn früher, wo die Technik noch vollständig im argen lag. Ueberdies wurden die Versuche nichts weniger als systematisch und gefahrlos, sondern vielmehr geradezu unvernünftig und tollkühn ausgeführt. Von niemand unterstüßt, waren die Erfinder , nachdem sie wohl zumeist ihr Vermögen eingebüßt und für ihre Mühe nur Hohn und Spott als Lohn geerntet hatten, genötigt, dieselben aufzugeben und einzustellen. Der Mensch ist schwerfälliger gebaut wie der Vogel. Dies ist allerdings eine nicht zu Nichtsdestoweniger bestreitende Thatsache. stehen wir in Bezug auf die Hebkraft und die Fortschaffung unseres Körpergewichtes feines wegs ungünstiger da als der Vogel, der ohne seinen natürlichen Flugapparat ja auch nicht zu fliegen vermag, und durch den Sprung vom Boden ohne Flügel auch nur momentan und nicht wesentlich höher als der Mensch vom Boden sich loszuheben vermag. Was aber an Schwerfälligkeit unserer unteren Extremitäten einerseits vom Uebel wäre, wird durch die bedeutende Bewegungs- und Stoß kraft dieser Organe wett gemacht, wenn selbe nämlich als motorische Kraft bei der Konstruktion eines künstlichen Flugapparates richtig verwendet und benügt wird. Die motorische Beschaffenheit unseres Dr ganismus ist eine so vorzügliche, daß wir unser Körpergewicht beim Gehen, Schwimmen, sowie bei jeder Art der Fortbewegung mit solcher Leichtigkeit fortschaffen , daß wir es gar nicht wahrnehmen, und das Gefühl der Müdigkeit, also das Bewußtwerden der Anstrengung unserer Körperkraft, welche die Fortschaffung unseres Eigengewichtes verursacht , erst nach meilen weitem Marsche bei gefunden, kräftigen Menschen einzutreten pflegt. Die Lebenskraft als Agens und aktive Kraft unseres Organismus über
Ernst von Wechmar. Zur flugfrage . 215 windet daher bei weitem die passive Kraft, unser Körpergewicht , und es ist ein großer Grrtum , zu glauben , daß beim Fliegen mit einem wirklich kunstgerechten Flugapparate, auf Grundlage systematischer Vorübungen, die Sache sich anders verhalten würde. Eben weil wir unser Eigengewicht mit solcher Leichtigkeit , ja unbewußt allüberall heben , gleichviel ob wir stehen , gehen oder schwimmen, ist der allgemein verbreitete Jrr tum entstanden, daß dieses Eigengewicht nur ins Kalful zu ziehen ist beim - Fliegen. Beispielsweise, wenn wir stehen, verdanken wir es etwa nur den Füßen und dem Erdboden, auf dem diese ruhen, daß wir uns auf recht halten und nicht umfallen ? nein ! Vielmehr der in uns wirkenden Lebenskraft, als Agens unseres Organismus. Denn sobald die Lebenskraft in uns erloschen, oder auch nur gelähmt wird , tragen uns unsere Füße
Der zusammengelegte Apparat S. 218). nicht mehr, sondern wir fallen um; die wun derbare Funktionierung der Gelenke, Sehnen und Muskeln versagt; wir müssen uns anleh: nen, hinlegen, angelehnt oder hingelegt werden, da unsere Körperlast dann dem Gefeße der Schwere unterliegt und dieselbe nicht mehr wie im frischen und lebenskräftigen Zustande von der vorzüglichen, motorischen Beschaffenheit unseres Organismus, die auch die hebung der einzelnen Teile sowie des Ganzen bewirkt, überwunden wird. Wie lange dauert es, bis das Kind nur stehen lernt, die Stabilität da für durch Gewinnung des richtigen Schwer: punktes, auf die es natürlich allüberall ankommt, erreicht ! Dasjelbe gilt vom Gehen, Schwimmen, sowie von jeder anderen Art der Fortbewegung : Reiten , Turnen, Tanzen, Velocipedfahren 2c. noch in erhöhtem Grade ; selbstredend auch vom Vogelfluge , der ohne Flügelbewegung, beziehungsweise Lebensthätigkeit nicht wohl denkbar ist. Die Stüße und hebelartige Wirkung in einem Medium wie die Luft gewinnt der Vogel nur durch zweckmäßiges Inbewegungsetzen seiner fallschirmartig wirkenden Bewegungsorgane ( Flügel), vermöge deren er die auf ihn wir: fende Gravitationskraft ebenso überwindet, wie
216 dies beim Gehen , Schwimmen u. f. w . nicht minder notwendig ist. Er wird dadurch mit anderen Worten in ein analoges Verhältnis zur Luft gebracht , wie der Fisch zum Wasser und der Vier- und Zweifüßer zum Erdboden. Was den Menschen in Beziehung auf das Luftmedium anbelangt, so wird derselbe mittels Fallschirm, bezüglich der Fallgeschwindigkeit, bekanntlich auch in ein analoges Verhältnis zur Luft, wie ohne denselben zum Wasser gebracht. Die Versuche, welche damit aus großer wie dies beispielsweise beim HerabHöhe lassen aus Luftballons erprobt worden angestellt wurden , erweisen, daß dadurch die Fallgeschwindigkeit so bedeutend ermäßigt wird, daß sie ungefähr gleichkommt dem Sinken eines ins Wasser springenden Menschen. Diese Versuche wurden nun bisher nur in vertikaler, nie in horizontaler Körperlage , wie sie der Vogel in der Luft einnimmt , vorgenommen. Da aber der Mensch in horizontaler Körperlage eine fünf bis sechsmal größere Körperfläche dem Luftwiderstande bietet , so würden auch die Dimensionen des Fallschirms in diesem Maße verringert werden können , so daß sie etwa den proportionalen Dimensionen des natürlichen Flugapparates der Vögel und sonstigen Flugtiere gleichkommt. Bei Ausführung richtiger Bewegungen, die natürlich systematisch wie beim Schwimmunterrichte erlernt werden müßten, ist daher nicht abzusehen , warum der Mensch mittels eines wirklich kunstgerechten Flugapparates nicht auch jein Körpergewicht in der Luft sollte fortschaffen können wie der Vogel , da doch die motorische Beschaffenheit seines Organismus eine so vorzügliche ist , daß die aktive Kraft die passive frei und leicht überwindet. Es ist ganz richtig , daß die Arme allein hierzu nicht ausreichend sein würden. Diese sind aber auch nicht unsere Bewegungsorgane, jondern vielmehr die Beine. Die bedeutende Stoßkraft derselben, bei richtiger Konstruktion eines Flugapparates benußt und verwendet, würde ebenso beim Fliegen wie beim Schwim men zur Fortbewegung bedeutend beitragen und eben auch die nicht in Abrede zu stellende Schwerfälligkeit unseres Körperbaus den Flugfieren gegenüber ausgleichen. Genug: Gewicht, Bewegungsmoment und Kraft, als die mechanischen Bedingungen für jede Art Motor - sei es Organismus oder Maschine und gleichviel für welches Medium bestimmt, ob Luft, Wasser oder Erdboden diese Bedingungen stehen beim Menschen in den ebenmäßigsten Verhältnissen und Beziehungen zu einander. Zur Fortbewegung in der Luft würde es sich bei ihm nur darum handeln, einen wirklich kunstgerecht fonstruierten , gut funktionierenden Flugapparat zu besitzen und richtige Flugbewegungen damit auszuführen, die natürlich systematisch wie die Schwimmbewegungen er lernt werden müßten. Der Gegenstand bedarf natürlich einer viel gründlicheren Erörterung und Ausführung, als es hier thunlich ist. Ich erlaube mir daher, den sich für die Sache näher interessierenden Leser auf mein durch jede Buchhandlung zu beziehendes gemeinfaßliches Werk: ,,Wechmars Flugtechnik" aufmerksam zu machen '). 1) Wedmars Flugtechnik", im Kommissionsverlage von Spielhagen und Schurich in Wien, durd) jede Buch . handlung zu beziehen. Von diesem Lieferungswerte ist bisher erschienen das erste Buch : Fundamentalsätze der Flugtechnik , Leitfaden zur Orientierung auf diesem Gebiete, besonders für den gebildeten Laien, 3 Abteilungen: a. Fundamentalfäße ; b. Erläuterungen ; c. Ausführungen, " Das zweite Buch : Der Wechmarsche Flugapparat , Anleitung zu Flugübungen mit demselben, nebst einem Anhange: Disputation über die Möglichkeit des persönlichen Kunstfluges." 5 Figurentafeln 2c. Ein drittes Buch): Luftschiffahrtstunde " , ist noch im Werden.
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Eine Vergnügungsfahrt.
Don J. E. Stewart.
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Ernst von Wechmar. Zur flugfrage. 218
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Die Lösung des Flugproblems in dieser Richtung, als eine physische Freimachung des Menschen von der Erdscholle und die Beherrschung des Luftelementes bis zu einem gewiffen Grade, gleich dem Vogel, wäre in jedem Falle von großer Bedeutung. Doch außer die sem mehr idealen Fortschritte würde sich zweifellos auch so mancher praktische Nußen für die Menschheit | ergeben. Die Rea lisierung dieses Kunstfluges sollte daher, wie ich meine, schon um der Liebe zur Wissen k B schaft und Wahr: heit wil: Ien, felbft
mus und die Umwandlung der passiven Kraft | Sollten die praktischen Versuche hinsichtlich derselben in aktive. Vollständig neu bei meiner dieser Verbesserung , wie ich hoffe , zu einem Erfindung ist ferner das in 2 und 3 Berührte. günstigen Resultate führen , so bin ich ſelbſt= Fassen wir die einzelnen Figuren der bei- verständlich gern erbötig , dem Urheber der gefügten bildlichen Darstellung näher ins Auge, Idee nicht nur die Ehre und den Ruhm, so ergibt sich, daß zunächst die Hängevorrich: sondern auch, sobald er es wünscht und sich tungen für Anfänger , veranschaulicht auf zu erkennen gibt , den etwaigen in Zukunft S. 217 u . 19, zur Ermöglichung eines syste- sich ergebenden materiellen Nuganteil ohne matischen Flugunterrichts dienen . Die Luft- weiteres zu überlassen. Bemerken muß ich polster (auf der Figur S. 209 am Körper des noch, daß unter einer Unmaſſe von derartigen Fliegenden ersichtlich) haben zum Zwecke, in Einsendungen , mit denen ich wahrhaft übererster Reihe bei den Uebungen zum Schuhe flutet wurde , leider nur diese eine mir als des Ober- und Unterkörpers zu dienen und zweckmäßig und verwendbar erschien . Doch sodann auch zur Verbesserung des spezifischen sage ich für die gute Absicht meinen besten Gewichtes beizutragen. Von viel wesentliche Dank und bitte in Zukunft nur darum , daß rem Belange zur Erreichung dieser Absicht er- | die freundlichen Einsender bei ihrem löblichen weisen sich jedoch der Fallschirmballon oder Intereſſe für die hehre Sache zunächst wenigGleicher , welcher , wie auch der Fallschirm stens im allgemeinen soweit als thunlich aus für horizontale Körperlage und der die Stelle ineinem Werke : „ Wechmars Flugtechnik“ ſich des Flugschwanzes vertretende „ Steuerer oder vorher über die Konstruktion meines Apparates Flugfächer " (auf S. 211 u . 212 fenntlich) ein | informieren möchten, um sich und mir unnüße mächtiges aerodynamiſches , wie fallſchirmartiges | Zeit und Mühe zu ersparen. Selbstredend bedarf der Apparat, wie dies Heb-, Hilfs- und Schußmittel für die Ucbungen ja bei allen derartigen Erfindungen notwendig wie für den Freiflug bietet. Während der „ Fittich oder Flugmantel" ist, noch immer weiterer Vervollkommnung und (S. 209–12 und 218) , als Ersagmittel der kann einstweilen nur zu Verſuchszwecken geVogelflügel , wie diese vornehmlich durch die eignet bezeichnet werden . Nur nebenher sei hier erwähnt , daß mir Arme in Bewegung gesezt oder doch dirigiert Anhängevorrichtung wird, wurde für die vorgenannten Flugmittel : die Sache, um sie auf diesen Stand zu führen, für Anfänger den Fallschirmballon oder Gleicher, dann den nebst jahrelangen, Tag und Nacht gewidmeten (S.218). Fallschirm für horizontale Körperlage und den Studien, Vermögen und Gesundheit gekostet hat. Steurer, die Beinkraft als Bewegungsmittel Doch das ist Erfinders Schicksal. Vicle ahnen aber dergleichen gar nicht. gemacht. bei einer noch so skeptischen Auffassung, wohl nutzbar J Im übrigen bieten die Abbildungen Wenigstens vermag ich mich der frohen des Versuches wert befunden werden. „ Probieren geht über Studieren" , das ist auch hier (S. 209) die vordere Ansicht des gewöhnlichen Zuversicht hinzugeben, daß meine Mühe denn senschaft dienlich meine Ansicht , und daher unterzog ich mich Fluganzuges (Fittich , Fallschirmballon und doch wohl nicht zu sein, will die der freilich keineswegs leichten Aufgabe, einen Luftpolster), S. 211 die Rückenansicht und nuplos gewesen königl. preußische Flugapparat für den persönlichen Kunstflug, S. 212 die Seitenansicht des Fluganzuges sein wird. Eben, Militär - Luftschifwie ihn die Abbildungen zur Darstellung brin für geübtere Freiflieger (Flugmantel, Steurer wohl hauptsächk ferabteilung in gen, zu konstruieren. und Luftpolster) , S. 215 stellt Fitlich und lich um der Wij: B Eine übersichtliche Abbildung desselben, Steurer zusammengelegt dar , ferner S. 218 nach den neuesten Verbesserungen , bieten die einen Freiflieger in der vorderen Ansicht. Was die neueste Verbesserung meines Flugbeigefügten Figuren. Was die Konstruktion anbelangt, so bezweckte ich damit dreierlei, nämlich : apparates anbelangt, so besteht dieselbe darin, 1. einen Ersatz zu schaffen für die den daß auch die Beinkraft auf die Arme über : Vögeln und sonstigen Flugtieren von Natur tragen und sohin auch für die Bewegung der verliehenen , uns aber fehlenden Flugorgane, Flügel durch eine Vorrichtung nugbar gemacht Befestigungsvorrichtung für Anfänger 2. das spezifische Gewicht des Menschen wurde, wie sie durch die Abbildung (S. 204) (S. 219). ersichtlich wird. Es führen nämlich von den zu verbessern, und Frühjahr die ersten Vernächſtem mit Berlin 3. die zur Erlernung des Fliegens nötigen Handhaben der Flügel aus zwei starke Rie: Mittel und Vorkehrungen zu bieten, um die men oder Schnüre (S) durch je einen an suche mit meinem Flugapparate anstellen, und Nebungen zum Fliegen ebenso gefahrlos und den Schultern , am Gurt und an den Knien lasse ich auf Bestellung dieser Abteilung einen systematisch betreiben zu können wie beim befestigten Ring hindurch zu den Füßen , um Apparat anfertigen. deren Gelenke sie befestigt werden. Die Ich bemerke noch, daß der Preis desſelben Schwimmunterrichte. Bezüglich des ersten Puriftes, nämlich einen Ringe haben den Zweck , das Schlenkern (Fittich , Fallschirmballon und Luftpolster) Ersatz zu schaffen für die den Vögeln und oder Verwickeln der Schnüre zu verhindern . | 300 Marf = 180 fl. öst. W. beträgt. Auch darf sonstigen Flugtieren von Natur verliehenen, Bei den Flugbewegungen sollen die Arme ich wohl hoffen , daß sich edle Freunde und uns aber fehlenden Flugorgane, wurden wohl die Flügel vor und rückwärts dirigieren Gönner 1) der Sache (vielleicht auch Sportübrigens aber nie zu öffentlicher und gleichzeitig die durch jene Züge mit den klubs) finden werden, die zur ersten Heranbilmehrfache Versuche gemacht. Sie Flügeln in Verbindung gebrachten Füße durch dung eines Flugsports, nachdem nun einsolcher Bedeutung gelangte mußten aber, so verdienstvoll die leitende Idee kräftige Tritte, nach Art des Schwimmers, Flugapparat um einen verhältnismäßig gean sich sein möchte, abgesehen von dem irratio- die Bewegung der Flügel im selben Tempo ringen Betrag bezichbar ist , das Ihrige beitragen werden. nellen, zumeist tollkühnen Vorgange, auch der kräftig unterſtüßen. So ist wohl Hoffnung vorhanden , daß Die Jdee dazu wurde mir in einem anotechnologischen und physiologischen Mißgriffe wegen, total fehlschlagen. Zudem ich mich be- nymen Briefe mitgeteilt, dessen Einsender sich eine Idee , deren Realisierung als eine sulmüht habe , diese Mißgriffe zu vermeiden, unter dem Pseudonym : „ Vorwärts !" gezeichnet turerrungenschaft zu betrachten wäre , endlich schmeichle ich mir auch, wesentlich neue Ideen hat. Ich bin daher leider ganz außer stande, Lebensfähigkeit erhalten wird . in Anwendung gebracht zu haben . Hierzu persönlich meinen Dank für dieſe Selbſtlosigkeit und Anfragen ſind an mich zu richten rechne ich namentlich die Nebertragung der direkt abzustatten und vermag dies nur auf unter1)derBestellungen Adresse : E. v. Wechmar, durch die Verlagsbandmotorischen Kraft einzelner Teile des Organis- | dem Wege allgemeiner Deffentlichkeit zu thun . tung von Spiethagen & Schurich in Wien 1, Kumpig. 7.
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Freifleger in vorderer Anſicht (S. 218).
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222 welche sogar wissenschaftlich zu behandeln begonnen wurde, wie wir aus der "1 Gemeinnützigen Naturgeschichte" des bekannten Ornithologen Bechstein von 1795 ersehen, welcher der Schilderung der in seiner thüringischen Heimat verbreiteten Haus- und Ziertauben eine besondere Aufmerksamkeit schenkt. Die Hauptorte des damaligen Taubensportes waren Berlin, Leipzig , Frankfurt und Nürnberg , und derselbe ward in ziemlich rationeller Weise mit Rücksicht auf die Zucht der bereits bekannten Rassen, wie auf Erzielung neuer Farben und Varietäten durch Kreu-
Ckara Brand Blondinette Saffan".
Der
Orientalische Kraustauben (S. 234).
Taubensport. Von Karl Müller .
zung und unter gegenseitigem Austausch der erzielten Neuigfeiten schwunghaft betrieben. Erst als infolge der Schlachten von Auerstädt und Jena jene schweren Prüfungen über Eatinette Pafcha". Preußen hereinbrachen , erlahmte und schwand dieFreude an diesem unschuldigen Zeitvertreib in Berlin, und die kriegerischen Stürme und Ereignisse der napoleonischen Zeit verdrängten diese friedlichen Freuden aus den Gemütern. Erst kurz vor der Bewegung von 1848 begann die Freude an der Taubenzucht
Die Freude an der Zucht der Tauben und namentlich der Ziertauben hat sich in den letzten dreißig Jahren bei uns in Deutschland immer weiter verbreitet, und dazu ist seit dem letzten deutsch-französischen Kriege noch die sehr zeitgemäße Liebhaberei für die Zucht der Brieftauben gekommen. Dieser Sport ist aber nichts Neues. „ Es ist alles schon einmal dagewesen," läßt Gutkom seinen weisen Rabbi Ben Akiba sagen , und in der That ist die Liebhaberei für Tauben im allgemeinen nicht. nur eine, deren Alter nach Jahrtausenden zählt , denn 3000 Jahre vor Christus befaßten sich urkundlich die alten Aegypter und in späteren Jahrhunderten die alten Griechen und Römer und die muslinischen Herrscher und Vornehmen in Indien damit, sondern nachweisbar war im Mittelalter die Taubenzucht, und insbesondere die der Ziertauben , ein Sport , welcher namentlich in den Klöstern getrieben wurde , wor auf dann im 16. und 17. Jahrhundert diese Liebhaberei sich in Holland und Italien einbürgerte und beinahe zur Leidenschaft gestaltete. Diesen Beispielenfolgte
auch Deutschland, wie wir aus der Naturgeschichte unseres alten Konrad Geßner erfahren, und im letzten Viertel des vori gen Jahrhunderts war bei uns in den größeren und kleineren Städten die Taubenzucht eine allgemein verbreitete Liebhaberei,
bei uns wieder aufzuleben , anfangs angeregt durch Einführung neuer Taubenrassen und Varietäten aus dem Auslande, zumal aus England, wo die Taubenzucht
CopaCam Möwchen ( 234).
Amerikanische Pfauentaube (S. 234),
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schon seit 150 Jahren ein beliebter und eifrig betriebener Sport geblieben und der Gegenstand einer nicht unbedeutenden Litteratur geworden war. Als nach den unruhigen Bewegungsjahren und nach dem Eintritt der Reaktionsperiode die praktische Politik kalt gestellt wurde und man sich nachfriedlicheren Bethätigungen umfah, verfiel man auf die unschuldigen Vergnügun: gen der Hühner und Taubenzucht , und ziemlich gleichzeitig mit der Einführung der Cochinchina- und anderer indischen Hühner begann mit der Verbreitung der englischen Ziertauben auch bei uns die neue Aera der Taubenzucht , welche namentlich im Bürgerstande viele Freunde und Verehrer fand und in den sich allmählich bildenden Geflügelzuchtvereinen und durch die mit denselben verbundenen Geflügelausstellungen einen mächtigen Impuls er hielt. Seither entstand auch bei uns nicht nur eine allgemeinere Sympathie für die reinliche, sanfte, zierliche Taube, sondern infolge davon eine ganze Litteratur der Taubenzucht , als deren schönstes Ergebnis uns das „Illustrierte Mustertaubenbuch" von Gustav Pütz in Stettin (Hamburg, J. F. Richter, 1887) vorliegt, das auf 81 prächtigen Farbendrucktafeln die bedeutendsten Rassen und Varietäten der Haus- und Ziertauben in Aufnahmen nach der Natur vorführt und in einem ziemlich umfangreichen Terte sich auch über die Praris der gesamten Taubenzucht verbreitet. Wir erachten es daher für eine Pflicht, hier, wo wir uns auf die Zucht selbst nicht einlassen fönnen und wollen, auf dieses Werk hinzuweisen. Vom Standpunkte des Sportes , respektive von der ästhetischen und idealen Seite aus betrachtet, ist die Taubenzucht unseres Erachtens unbedingt eine der interessantesten und anziehendsten Liebhabereien, welche in das Gebiet der praktischen Beschäftigung mit der Natur einschlagen. Wir schicken dabei sogleich voraus, daß wir dabei die Nußtaubenzucht nicht im Auge haben, und daß wir bezüglich des Nußens , welchen die Taubenzucht überhaupt abwerfen kann , ziemlich skeptisch find. So viele landwirtschaft= liche Schriften diese Möglichfeit nachweisen wollen , so hat uns doch seither noch keine wirk lich davon zu überzeugen vermocht. Sie mag ein zweckmäßiger Nebenzweig der Landwirtschaft sein, wo es sich um Feldtauben handelt und eine gute Marktgelegenheit in der Nähe ist. Allein die Zucht der Haus- und Ziertauben
wenigstens soweit sie nicht mit der Absicht auf Erzielung von Breistauben und neuen Varietäten für den Markt und im Hinblick auf Phantasiepreise betrieben wird ist in unseren Augen ein Sport, eine der minder kostbaren Liebhabereien, eine der anziehendsten und anregendsten Beschäftigungen mit der stummen Kreatur ", welche ja auf jeden geistig gesunden denkenden und fühlenden Menschen in jedem Stande einen so ungemein erfrischenden und sittigenden Einfluß ausübt. Wir sehen in ihr einen anregenden und befriedigenden Zeitvertreib für die Muße stunden des geistig beschäftigten wie des nach körperlicher Thätigkeit ruhebedürftigen Mannes. Wir wissen aber, daß auch die Frauen sich lebhaft für diese Vögel zu interessieren vermögen. Wir räumen ein, daß die Haustaubenzucht Geldopfer verursacht, wie alle Liebhabereien ; allein wir
heben auch hervor, daß die Liebhaberei im bescheidensten Umfang und mit beschränkten Mitteln betrieben werden kann und bei wenigen Paaren ebensoviel Genuß und Befriedigung zu gewähren vermag, wie bei Dußenden. Denn das ist eben der Vorzug der Taubenzucht, daß man sie mit ganz geringen Vorbereitungen und Hilfsmitteln und mit nur wenigen Paaren betreiben kann, wie aus jeder guten praktischen Anleitung zu ersehen ist. Gelegentlich sei noch bemerkt, daß die Taube sich vor allen anderen Vögeln auszeichnet durch die große Aehnlichkeit der beiden Geschlechter untereinander, durch ihre Gewohnheiten beim Brüten , in der Pflege und Ernährung der Jungen , durch die Hilflosigkeit und Nacktheit der Jungen beim Ausschlüpfen aus dem Ei und durch ihre wunderbar rasche Entwickelung und frühe Reife. Auch ihr Körperbau weist
Swergkröpfer (S. 237). Sarah Bernhard und Gleveland (S. 238).
Englische Kröpfer (S. 238).
Karl Müller. 226 manche eigentümliche Unterschiede auf: der lange Darm ist weit länger als bei anderen Vögeln, während der Blinddarm nur rudimentär vorhanden ist und nur Schleim absondert; mehreren Varietäten fehlen die Del- oder Fettdrüsen für das Gefieder, und alle Tauben ent= behren bekanntlich der Gallenblase , was bisweilen zu Verdauungsstörungen führt und die ungewöhnliche Vorliebe für Salz erklärt , welche die Tauben besonders kennzeichnet , welche in diesem eine absolute, wesentliche Bedingung für ihr Wohlbefinden sehen mögen. Innerhalb sechs Wochen ist die junge Taube imstande, für sich selbst zu sorgen, und ihre Eltern haben dann wahrscheinlich schon ein neues Paar Eier, das ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt ebenfalls ein in der Vogelwelt seltener Fall. Unter allen Umständen liegt ein hoher Reiz in der Beschäftigung mit diesen schönen, reinlichen, friedlichen , sanften und doch so unendlich mannigfaltig gestalteten Vögeln , welche verhältnismäßig so wenig Pflege erfordern und so ungemein zahm und zutraulich werden. Nicht umsonst galt schon im fer nen Altertum die Taube vielen Völker schaften als ein heiliger Vogel, als Sym bol der Sanftmut, Reinheit und Unschuld, und diente als Drakel, als ein den Göt
Schwingen und Schwanz einer Spikenblondinette (3.245).
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Blaue Pfaffentaube (S. 234). tern besonders willkommenes Opfer. Ein tauben am hintersten Ende der Rückgeheimnisvoller Reiz umgibt noch heute entartung sich wieder in die Felsentaube die Entwickelungsgeschichte unserer Haus- verwandelt habe. Schon diese Zweifel taube und ihre ganze Devolution . All- geben dem Naturfreund zu denken und gemein wird von unseren Zoologen und dürften sein Interesse für diesen Vogel Biologen anerkannt, daß wir den eigent steigern , zumal angesichts der Thatsache, lichen Ursprung der Taube nicht kennen. daß ähnliche Fragen schon dem Aristoteles Man hat noch keine Urrasse von ihr ge- und Plinius sich aufgedrängt haben müssen, funden, sondern nimmt an, sie sei durch welche sich mit dem Wesen und Leben der Domestizierung und klimatische, örtliche Ein- Taube wißbegierig beschäftigten . Welche flüsse aus der wilden Felsentaube, Menge von merkwürdigen und mysteriösen Columba livia, entstanden. Allein Fragen treten an den flar denkenden und wie will dies bewiesen werden forschenden Taubenzüchter heran ? Zunächst, angesichts der so unendlichen wie sind diese an Gestalt und Farbe, an Differenzierung nach Ge- Bau und Habitus so verschiedenen Rassen stalt , Farbe und Habi- und Varietäten der Haus- und Ziertauben tus ? Nirgends fin entstanden ? Gab und gibt es Urrassen den wir von Pfautauben , Kröpfern , Bagdetten ? einthat und wo ? Oder sind diese einzelnen Formen säch durch natürliche Zuchtwahl, durch örtliche liches oder klimatische Einflüsse, durch Domesti Zeug zierung und künstliche Kreuzung und Vernis, daß paarung, durch Anpassung an örtliche Becine un dingungen u. s. w. entstanden? Ferner: serer sind die Eigenschaften und äußeren Erscheinungen, durch welche sich diese verZier schiedenen Rassen und Varietäten differenzieren , konstant, oder aber in welchem Maße sind sie wandelbar und vergänglich? Daß letzteres wenig stens bedingterweise der Fall , das bemerkt ein aufmerksam beobachtender und auch einigermaßen mit Naturwissenschaften vertrauter Tauben: züchter bald, oft schon an den Generationen eines einzigen Jahres innerhalb einer einzelnen Taubenfamilie. Allein das Prinzip und das Verhält DEL nis dieser Abartung zu ermitteln, übt einen prickelnden, dauernden Reiz Schwarzer Trompeterhahn (6, 237).
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229 auf jeden Züchter und macht ihm auch feine Tauben , deren Devolution und biologische Verhältnisse noch entschieden anziehender und in ihrer Rätselhaftigkeit interessanter. Nur das mag als auf Er fahrung beruhende und einen deutlichen Wink bei der künstlichen Paarung abgebende Thatsache hier angeführt werden , daß in
Zeich nung und Farbe die Jungen dem Geschlecht derEltern folgen und daß bei Paarung ver schiedener Farben und Stämme die Jungen der Farbe und Zeich nung je des entgegenge setten Geschlechtes folgen, wor= auf der Züchter bei der Paarung Rücksicht nehmen muß. Wir brauchen jedoch nicht einmal so weit zu gehen, denn schon die einfache Verglei chung der einzelnen Tauben rassen unter: einander in ihrer endlosen Mannig faltigkeit und Veränderungsfähigkeit ist ja in hohem Grade anziehend, fesselnd, lehr reich und unterhaltend. Die Möglichkeit dieser Vergleichung geben wir unseren geehrten Lesern in den Holz schnitten, welche den gegenwärtigen Aufsatz begleiten und zieren. Wir können dem Leser allerdings nur die Form, die Kon turen geben ; der belebende Reiz der Farbe fehlt, wie er z . B. in dem schönen Muster
Der Taubensport. 230 taubenbuch von Püt , dessen wir oben er wähnten, vorhanden ist. Allein dem Kenner wird schon das genügen , und dem Auge des Laien können wenigstens die wesent : lichsten Eigenschaften nicht entgehen, durch welche sich diese einzelnen Rassen unterscheiden. Vergleichen wir die beiden Tauben auf Spalte 236 und 237, die Archange:
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wickelung der charakteristischen Attribute desselben zeigt. Aehnliches gilt auch von der verbesserten englischen Pfauentaube (S. 230) , bei welcher die merkwürdige Verbesserung in dem dunkeln Lah, Unterund Hinterleib besteht, der von dem sonstigen hellen Gefieder so auffallend absticht. Grundsäglich und naturgemäß haben die Pfauentauben gemeinhin ein ganz weißes Gefieder, zuweilen sind auch Kopf und Schwanz schwarz , und man hat ausnahmsweise auch schon ein zelne farbige Pfauentauben gezogen, deren charafteri: stische Eigenschaf ten aber nicht kon: stant ge= blieben zu sein scheinen. Aberdiese Färbung, wie S. 230 , ist eine ganz neue und phänomenale und hat dieser Taube einen Konkur renzpreis bei einer Ausstel lung ver schafft. Wir be merken nämlich Verbesserte englische Pfauentaube (S. 231). beiher, daß die ler Taube und das Gelbe Nönnchen mit Illustrationen zu gegenwärtigem Aufsat der schottischen Pfauentaube Queen of nur Preis tauben darstellen, welche auf Scots" (S. 239) , welcher Unterschied nach verschiedenen Ausstellungen durch spezielle allen Teilen : der Körperbau, Wuchs , Ha- neue Eigenschaften und Vorzüge gesiegt haben , welche über das bisher Bekannte bitus , Befiederung, Farbe ! Die beiden ersteren treten uns gewiffer hinausgehen und die wir in Kürze anzu: maßen auf den ersten Blick als Tauben des deuten uns erlauben. Man nimmt im allgemeinen an, was Weitfluges entgegen, während die schottische Pfauentaube uns den Typus der eigent wenigstens die Kenner und Historiker der lichen Haustaube und die höchste Ent: Tauben uns auf Treu und Glauben ver-
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sichern, daß die farbigen Tauben und die durch speziell eigenartigen Bau und Gefieder sich auszeichnenden aus dem Orient und namentlich aus Indien kommen. Allein hiermit stimmt die Thatsache nicht überein, daß man heutzutage in Asien nur sehr wenige Rassen von Ziertauben mehr findet und daß die morgenländische Taubenzucht in jeder Hinsicht von der europäischen über holt ist. Die vorgenannte Behauptung mag daher für das Mittelalter gelten, wo, wie wir nicht in Abrede ziehen wollen,
Asien weder so mannigfaltige , noch so schöne Taubenvarietäten mehr hat, wie bei uns in Europa und speziell in England. Und doch sind, wie die noch vorhandenen Bilderwerke und Bücher über Tauben be weisen, auch bei uns innerhalb eines Jahr hunderts viele Rassen und Varietäten aus gestorben oder entartet , jedenfalls aber verschwunden. Daß der Taubenzüchter es bis auf einen gewissen Grad in der Hand hat , durch fünstliche Kreuzung und Verpaarung neue
daß ihm in diesen Vögeln etwas ganz Neues, Ungewohntes und in den meisten. Fällen etwas ungemein Graziöses entgegentritt. Man betrachte die beiden Täubchen S. 220 : sie sind Repräsentanten jener beiden Varietäten Blondinette und Satinette, welche durch künstliche Kreuzung und verbessernde Inzucht aus der Rasse der Möwchen entstanden sind. Wie überraschend treten bei der Blondinette ,,Hassan,, die Urformen des Möwchens nebst den Attributen anderer Rassen hervor. Hier haben wir die hübsche Schnippe, die volle Halskrause der Möwchen, aber dabei die dunkle Färbung von Kopf, Brust, Schild, die Flügelund Schwanzbinden, und die Latschen oder Federfüße, wie man sie sonst bei Möwchen noch nie vereinigt gefunden hat, ein unver kennbares Ergebnis absichtlicher und umsichtiger Züchtung. Nicht minder hübsch ist die Satinette Pascha", zwar glattföpfig, aber mit warziger Wachshaut, dunklem Stirnfleck , dunklem Schild , hellen Schwingen, hübschen Schwanzbinden, breiten Latschen und dem herrlichen Atlasspiegel und Metallglanz auf allen dunkleren Partien des Gefieders . Wir haben noch die meisten Züge des Möwchentypus , allein mit denselben vereint noch einige weitere veredelnde und verschönernde Eigenschaften, eine Verbesserung in ästhetischem Sinn. Minder ästhetisch wirksam, aber eine Steigerung der Rassenmerkmale und typischen Eigenschaften sind die Kennzeichen, welche uns in den beiden Tauben der S. 232 u. 233 entgegentreten. Bei der Berbertaube Schwarzer Prinz" ist zumeist die samtartige Dunkelheit des Gefieders und der Umfang des Bartes und die drüsige Wachshaut um die Augen auffallend , bei der schwarzen Brieftaube ,,Successful " finden sich die ungewöhnliche Größe und Stärke des Körpers , der langgestreckte Leib , die mächtigen Schwingen und Steuerfedern und der bedeutende Umfang der Schnabelund Augenwarzen, welche als erzielte Verbesserungen in die Augen fallen. Noch überraschender sind die Züchtungsresultate, welche bei den beiden folgenden. Vögeln auf S. 227, der blauen Pfaffentaube, und aufS. 242, dem Eulenmöwchen , erreicht worden sind. Auch hier ist der Rassentypus noch unverkennbar, aber mit weiteren Eigenschaften verquickt, welche diese Tauben zu neuen, fremdartigen Erscheinungen umgestalten. Der Kopf mit der Spithaube, die dunklen Schwingen mit den zierlichen weißen Binden und der starke , breite Schwanz modifizieren den Typus der Pfaffentaube in überraschendster Weise. Ganz dasselbe kann man von dem Eulenmöwchen sagen , welches die wesentlichen Merkmale der beiden Rassen in reizendster Weise potenziert und tombiniert und so eine der zierlichsten und schönsten Varietäten der Haustaube erzielt hat , welche überhaupt vorhanden sind. Ueberaus elegant und niedlich sind auch die beiden Möwchen auf S. 221 und die neue Amerikaner Pfauentaube (S. 222), deren Schwanzfedern in einer etwas lockeren Spite enden, welche dem Rade das Ansehen gibt , als wenn
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Schwarze Berbertaube Schwarzer Pring" (S. 234).
vielleicht schon zur Zeit der Kreuzzüge manche neue und schöne Rassen von dort her über Griechenland und Italien zu uns gekommen sein mögen, welche dann , wie bereits angeführt, besonders in den Klöstern eine emfige Pflege und Verbreitung fanden, bei welcher ohne Zweifel durch natürliche und künstliche Zuchtwahl neue Rassen und Varietäten entstanden sein werden. Aber Thatsache ist es anderseits, daß, wenn auch in früheren Zeiten und namentlich bei den indischen und mittelasiatischen mohammeda nischen Kaisern und Fürsten ganze Stammbäume und Merkbücher aller Taubenrassen geführt wurden , viele dieser Rassen im Lauf der Zeiten ausgestorben sind, und daß man heutzutage in dem uns bekannten
Schwarzbraune Brieftaube ,,Successful" (S. 231).
Varietäten zu erzielen oder hervorragende kennzeichnende Merkmale und Eigenschaften einer neugewonnenen Varietät zu vervoll fommnen und wenigstens eine Zeitlang konstant zu machen, das zeigen uns die Illustrationen zu unserem Artikel und die neuesten Geflügelausstellungen, und hierin liegt für den Naturfreund und den prak tischen Züchter eine große Ermunterung und die Verheißung eines lohnenden Er folges seiner Bemühungen. Wer die neugewonnenen Varietäten in unseren Abbil dungen mit dem Auge des Kenners oder des Liebhabers betrachtet , der wird als dann die namhaften Fortschritte erkennen, welche sich darin kundgeben ; aber auch dem Auge des Laien kann nicht entgehen,
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es am Rande mit Spitzen besetzt wäre. Diese Zierat tritt noch augenfälliger auf bei einer neugewonnenen Varietät , der fogenannten Spitzenblondinette , wo die und äußersten Ränder der Schwung Steuerfedern gewissermaßen mit flaumigem Gebilde bedeckt sind (wie auf S. 226 zu sehen ist) , so daß sie bei der Entfal tung halb durchscheinend und darum wie ein Besatz von feinen Brüsseler Spitzen erscheinen. Von derartigen neuen Erzeugnissen der Taubenzucht , von solchen überraschenden Errungenschaften einer rationellen Zucht überhaupt hat der Orient dermalen nichts aufzuweisen. Sie sind nur im civilisierten Europa möglich, und in ihrem Anblick liegt ein ungemeiner Sporn für die Findigfeit und den Ehrgeiz eines verständigen Taubenzüchters. Allerdings ist diese Gewinnung neuer Varietäten durch künstliche Kreuzung der Rassen , durch absichtliche Zuchtwahl und Verpaarung in der Taubenzucht eine schwierige und delikate Sache und erfordert eine große Geduld , feine Beobachtungsgabe, einen scharfen Blick und eine ungemeine Findigkeit , wie auch der berühmte Charles Darwin zugibt, welcher sich ungemein für die Taubenzucht interessierte und der Variabilität der Taube große Aufmerksamkeit schenkte. Allein ge= rade die Anforderungen, welche die rationelle Zucht bei dem Hinblick auf Veredelung und Vervielfältigung der Rassen und Varietäten an den Taubenbesitzer stellt, sind ja ein mächtiger Sporn für den Chr geiz und die Wißbegierde des Forschers und erheben diesen Zeitvertreib zur Höhe einer wissenschaftlichen Arbeit. Nichts schmeichelt ja dem Menschengeist mehr als das Bewußtsein des Vermögens , in den Gang der Natur , in den Verlauf des Tierlebens verbessernd , veredelnd, dirigierend , vermannigfaltigend eingreifen zu können , wie es in der rationellen Tierzucht und namentlich bei unserem Hausgeflügel geschieht . Dies ist keine Spielerei mehr, sondern eine höhere, eine produktive wissenschaftliche Thätigkeit, welche zu ihrem Gelingen die genaue , auf sorgfältige, eifrige und langjährige Studien gegründete Kenntnis der biologischen Grundgesetze der Tierwelt voraussetzt , den Geist in der anregendsten Weise beschäftigt und über die Prosa des Alltagslebens und den sozialen Jammer der Gegenwart er-
tive Arbeit für die Mußestunden. In diesem Lichte betrachten und von diesem Gesichtspunkte aus betreiben schon jetzt Tausende von Männern in Deutschland und noch mehr in England die Taubenzucht. Geistliche, Lehrer, Beamte, Richter, Aerzte , Gebildete aller Art , befassen sich mit der Zucht der Haus- und Ziertaube in dieser Weise und Absicht. Ein Blick auf die Verzeichnisse der Prämiierungen bei Wettbewerben und Ausstellungen zeigt uns , daß die meisten und wichtigsten Preise von solchen Männern errungen wurden, die ein höheres wissenschaftliches Interesse leitet,
hebt. Wer unsere Taubenbilder in diesem Aufsatz betrachtet, wer sichheutzutage unter den Neuheiten einer Geflügelausstellung umsieht und alle diese Resultate scharf sinniger Kombination und verständiger Anwendung bekannter Grundsäße in Zucht wahl und Evolution überschaut, sollte der sich nicht fragen dürfen : Quo non ascendam ? Labor improbus omnia vincit. Dies ist die ideale Seite des Taubensportes, auf welche wir kommen und die wir den Gebildeten unserer Nation ans Herz legen nicht als Modesache, nicht als wollten ein heiteres Spiel oder einen anregenden Zeitvertreib , sondern als eine erfrischende Erholung für den Geist, als eine produk
nicht von den eigentlichen Fanciers, welche neue Varietäten für den Handel erzielen wollen, nicht von denen, welche den Tauben sport nur als Sklaven der Mode oder zum Kitel der Eigenliebe betreiben. Wir glauben, in dem bereits Gesagten auch schon genug sam bewiesen zu haben, daß unter diesem Gesichtspunkt der Taubensport nicht nur seine volle Berechtigung hat , sondern dem ernsteren Sinn auch einen reichen geistigen Lohn bietet und tausend stille Reize hat. Er bietet keine Resultate, welche im Sturm errungen werden können ; alle Erfolge müf-
Archangeler Taube (S. 230).
237 oder den schwarzen Trompeter (S. 227) oder die Rote Perücken (S. 244) und Schlagtaube (S. 245) ist nicht bloß eine einzige, sondern eine fortgesetzte Kreuzung des neuesten Produktes bald mit diesem, bald mit jenem Teil des Elternpaares , eine ganze Reihe von Durchgangsgenerationen erforderlich, um die kennzeichnenden und erstrebten Eigenschaften und Besonderheiten zu entwickeln und zu befestigen und die Zucht zum erwünschten Ziele zu führen. Allein dies ist nicht langweilig, sondern für den wissenschaftli chen Geist, für den beobachtenden Sinn im höchsten Grade fesselnd und lehrreich und
Gelbes Nönnchen (S. 230). anregend , denn zu welch merkwürdigen Entdeckungen und Ergebnissen führt diese Beschäftigung, wie viel neue Erfahrungen entfaltet sie ! Welcher Wechsel im Einen, welche Mannigfaltigkeit im Einfachen tritt da zu Tage ! Werfen wir z . B. nur einmal einen Blick auf S. 224 und 225, welche uns vier verschiedene Varietäten von Kröpfern vorführt , welche möglicherweise alle nur aus einer einzigen fortgesetzten Zucht und Zuchtwahl entstanden sind. Da haben wir zunächst oben einen Zwergfröpfer, der zwar noch unverkennbar
sen durch Studium und ernsthafte Arbeit den Typus der Kropftaube trägt , aber erzielt werden. Um eine Varietät zu pro- einen minder entwickelten Kropf mit hellduzieren, wie das Eulenmöwchen (S. 242) farbigem Lat , dunkle Brust und Unterleib,
238 einen dunklen Schild mit weißen Schwin gen , weiße Schulter , weißen Schwanz, weiße Hose und weiße Latschen zeigt, also mit Attributen , welche sonst bei Krö pfern selten oder nicht in dieser Entwicke: lung vorkommen . Unter diesem, der noch immer den Typus des Kröpfers trägt, ſtehen dann die beiden Zwergkröpfer ,,Sarah Bernhard" und Cleveland " , in Größe, Färbung und Zeichnung verschieden, aber bis auf die nackten Beine und Füße hinab von noch ausgesprochenerem Kröpfertypus . Ihnen gegenüber sehen wir dann einen noch entschiedeneren Repräsentanten des Kropftaubentypus , den neuen englischen Kröpfer mit dunkler Stirnplatte , hellem Lah, Rücken, Brust und Bauch dun: fel, Schild am Flügel oder Flügeldecke dunkel mit hellen Flecken, die Schwungfedern weiß mit dunkeln Rändern, Schwanz dunkel , die Hosen und Strümpfe hell und die Zehen bis zu Den Nägeln hinaus befiedert, - ein in seiner Art. wirklich schö ner und voll fommener Vogel. Es ist aber nicht nur denkbar, sondern sehr möglich, daß alle diese vier Varietäten aus einer einzigen Kreuzung hervor: gegangen und in ihrer nunmehrigen Gestalt nur durch wiederholte Verpaarungen der er zielten Jungen mit einem Individuum des ursprünglichen mütterlichen oder väterlichen Typus hervorgegangen sind. Hierin allein liegt schon eine Ahnung des Reizes , der Spannung und des lehrreichen Ergebnisses , welches eine solche Zuchtwahl von Tauben mit sich bringt. Vom Praktischen der Zucht wollen und müssen wir , wie schon oben gesagt , hier absehen. Unsere Absicht war , unseren Lesern den Taubensport unter einem neuen, höheren, idealeren Gesichtspunkte zu zeigen und unter den Gebildeten unserer Nation dafür Propaganda zu machen , damit er auch bei uns jene Beliebtheit erreiche wie 3. B. in England, wo nach Charles Dar wins Anregung und Vorbild ihn Tausende
Ludwig Ganghofer. Hans im Urlaub. 239
von ernsthaften und hochgebildeten Män nern mit Genuß und Erfolg betreiben. Wird dieser Zweck auch nur einigermaßen erreicht, so sind wir befriedigt, weil bewußt, daß wir ein fruchtbares Korn in die Furche der Zeit geworfen haben , das im Laufe der Jahre zu einer reichen Ernte gedeihen wird. Hans
im Urlaub. Von
Ludwig Ganghofer. m unbe weitenHofe der Chevaulegers-Kaserne uber der zweiten Esn die Urla standen
Echottische Pfauentaube Königin der Schotten" (S. 230). kadron zum letzenmal in Reih und Glied. In regelmäßiger Tachtung" spitten sie die Ohren und horchten auf die schneidige Anrede, die ihnen der gestrenge Herr Ritt meister hielt, um ihnen zum Abschied aus einanderzusetzen , daß der musterhafte" Soldat auch im Urlaub seine Pflichten hat, daß er auch im Urlaub die Ehre seines Rodes wahren muß, und daß ihm gleich sam auch in der heimatlichen Dorfluft die Fahne flattern soll als Weiserin für eine lobenswerte Führung , als Warnerin vor Wirtshaushändeln und sonstigen Erzessen , die der Würde eines Vaterlandsvertei digers zuwiderlaufen. An diese theoretische Apostrophe schloß sich die kurzgefaßte Dar legung der praktischen Anwendung im ,,Nichteinhaltungsfalle". Acht Tage Dunkelarrest für jeden,
240 über den mir nach Ablauf des Urlaubs von irgend welcher Seite eine Klage zukommen sollte. Habt ihr mich verstanden?" Zu Befehl, Herr Rittmeister !" scholl es unisono aus der langen Reihe.. „ Also , dann soll es gut sein , wenn sich jeder das hinter die Ohren schreibt. Auseinander marsch!" Die Sporen klirrten , die Pallasche rasselten, und die Schar stob auseinander wie ein Bienenschwarm nach dem letzten Tropfen eines Gewitterregens . Langsam 30g der Rittmeister die weiß behandschuhten Finger durch den schwarzen Vollbart und schaute mit prüfenden Augen den Enteilenden nach . Dann plößlich vier er mit lauter Stimme: Johannes Kreiter!" „ Zu Befehl, Herr Ritt meister !" flanges frisch und kräftig zur Antwort, und einer der Urlauber fam zurückgeschossen, um vor seinem Vorgesetzten sich in stramme Positur zu stellen. Es war eine schlanke, sehnige Gestalt, welcher der dunkelgrüne Waffenrock mit den pfirsich roten Aufschlägen und den blizenden Gold: knöpfen wie angegossen Unter faß. dem Müßenrande fräuselte sich ein lichtblondes Haar hervor, ehrlich und sorglos blitten die blauen Augen aus dem hübschen, sonnverbrannten Gesichte, und wie ein weißer Schmetterling auf einer Mohnblume saß das silbern schimmernde Schnurrbärtchen über den roten Lippen. Mit freundlichem Wohlgefallen ruhten die Blicke des Offiziers auf der Gestalt des schmucken Soldaten. Johannes Kreiter ! Sie haben gehört, was ich Ihnen und den anderen soeben vorgehalten habe. Aber Ihnen möcht' ich noch etwas sagen, das Sie ganz besonders sich zu Herzen nehmen sollen. Nicht etwa , weil ich glaube , daß Sie der erste wären, der sich im Urlaub gegen den solim datischen Anstand verfehlen wird Gegenteil. Aber so ein verwünschter Urlaub hat mir schon oft die besten Soldaten
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verdorben. Und mein allerbester Soldat | bündel wurden gepackt , und dann eine sind Sie — durch Ihren unermüdlichen Stunde später zogen die Urlauber , Hans Eifer , durch Ihre tadellose Führung so unter ihnen , in fröhlichen Gruppen zum wohl im Dienste wie außerhalb der Kaserne. Thor hinaus. Ich habe Freude an Ihnen, es würde mich Am liebsten wäre Hans schnurstracks also doppelt betrüben , wenn ich gerade zum Bahnhof gerannt, aber der Abschiedsvon Ihnen nach dem Urlaub schlimme kneipe, die für den Nachmittag im SchimDinge zu hören bekäme. Verstanden ? " melwirtsgarten " angesetzt war , konnte er Wird sich nie fehlen , Herr Ritt sich nicht gut entziehen. Es kostete ihn meister !" erwiderte Hans , dem der helle ohnehin noch Mühe genug, wenigstens den letzten nach Tölz führenden Abendzug zu Stolz aus den Augen glänzte. Und im entgegengesetzten Falle, ver- erreichen. Zu später Nachtstunde langte sprech' ich Ihnen , zum Unterschied von er in dem kleinen Bergstädtchen an. Dort stand er eine Weile unschlüssig inmitten den anderen, vierzehn Tage." der stillen , dunklen Straße. Er hatte ,,Sehr wohl, Herr Rittmeister ! " ,,Na also , und somit adieu ! Sie freuen drei gute Stunden noch zu marschieren, sich wohl schon gehörig nach Hause. was ?" "Ich bin gern Soldat, Herr Rittmeister ; aber daheim is's halt auch schön - mit Verlaub." Natürlich ! Und ein Mädel wartet wahr scheinlichauch schon, so ein properes, knallgesun des Frauenzimmer was ?" ,,Is mir niy bekannt, Herr Rittmeister," schmunzelte Hans errötend. „ Na, na, nur fein Jeſuit ſein! Und jezt Gott befohund Ien Das Gulenmöwchen (S. 234). lustigen UrLaub ! Rechtsum kehrt marsch!" Klirrend schlug Hans in stramm erefutierter Wendung die gespornten Abfäße aneinander und eilte mit strahlendem Gesicht der Thür zu. Drinnen in der Flur drängten sich seine Kameraden um ihn, und in neugierigen Fragen scholl es durch einander: Was hat er denn wollen ? Was is denn g'wesen ? Was hat er denn g'fragt ?" Was er g'fragt hat?" lachte Hans . „ Ob die Menaschknödel mir g'schmeckt haben heut' auf Mittag. " Und in langen Sprüngen nahm er die Treppe. Droben im Mannschaftszimmer ent: wickelte sich nun eine laute, lustige Geschäftigkeit. Die Armierungsstücke wurden zur Ablieferung hergerichtet , die Truhen geordnet und verschlossen , die Wander-
243 fragen, und dann fonnte er mit einem Juhschrei antworten : Ichbin's, Mutterl - dein Hansei in Urlaub bin ich da !" Als Hans in seiner Ueberlegung bei dieser vorgeahnten Zwiesprach angelangt war , hatte er auch schon einen Entschluß gefaßt. Er stolperte auf das Bräuhaus zu, wo er eben vor Thorschluß noch Einlaß erhielt. Die Neiglhalbe", die man ihm reichte, schmeckte ihm wie schäumender Anstich" , und als dann in der Schenk-
stube die Lichter gelöscht wurden , strecte er sich mit einem behaglichen Seufzer auf die Holzbank, auf welcher er gesessen. Doch . fand er keinen rechten Schlaf. Er machte nur ab und zu einen Nicker, und in diesem Wechsel von Wachen und Duseln flossen ihm Gedanken und flüchtige Träumebunt durcheinander. Wie hätte er auch ruhig die Augen schließen kön nen bei diefer erwar tungsvollen Unruhe , die ihn durchzitterte. Es gab ja neben Bater und Mutter , neben Haus , Thal und Bergen noch ein Etwas, das ihm unablässig vor den Augen schwebte. Hans brauchte also keinen Weffer , um die vorgenom mene Zeit des Aufbruum seine Heimat , die Jachenau , zu erches nicht zu versäumen. Wohl eine Stunde reichen. Sollte er nun in der nächtigen vor Eintritt der Dämmerung machte er da mußte er um Finsternis hineinstolpern in das liebe sich auf den Weg Thal, nach dessen Anblick ihn gesehnt und Tagesgrauen die große Isarbrücke ergedürstet hatte zwei lange Jahre? Sollte reichen, und die Heimat gerade dann, wenn er die alten Eltern, die sich nach schwerer die Sonne mit dem ersten Blizer herTagesarbeit des Schlummers freuten, aus überspiste über die Lengrieser Berge. dem guten Schlafe wecken und ihnen so Leise pfeifend wanderte er auf der leicht das Wiedersehen , die Freude über seine betauten Straße dahin. Von der ersten Ankunft schmälern? War es nicht besser Hecke schnitt er sich einen Stock und schulund schöner, wenn er am hellen Morgen terte ihn mit dem Bündel. Dann wieder heimkehrte , begrüßt von seinen lieben, pflückte er vom grafigen Straßenrand eine sonnigen Bergen ? Dann konnte er durch hohe Schmele und zernagte sie in Gedanden Garten unvermerkt sich heranschleichen ken bis auf die Rispe, welche er schließlich an das Haus und konnte, während in der in die ihm zur Rechten vorüberströmende Stube die alten Leutchen bei der Morgen : Isar warf. Eine Weile lauschte er nun suppe saßen , unvermutet an das Fenster auf das Gurgeln und Rauschen des klopfen. Ja, was is denn, wer is denn Wassers , und dabei fiel ihm ein , wie da?" würde der Vater oder die Mutter es die Menschen in den Bergen um so 11
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wenig auf die eigenen Füße und hebt sein Lallen und Lärmen an , dann zieht sich die Natur verschüchtert in sich selbst zurück wie eine Schnecke in ihr schimmerndes Haus. Dieses Lärmen und Lallen des erwachenden Tages fing schon an, als Hans die Jfarbrücke erreichte. Vom Lengrieser Kirchturm scholl das Morgenläuten herüber, in den zerstreuten Gehöften brüllten die Kühe und schlugen die Hunde an, verwischte Menschenstimmen ließen sich von überall vernehmen , Peitschenknall , Huf schlag und Rädergerassel näherten sich auf der Straße, und von der Jsar klang das Schreien und Schelten der Flößer , die sich schon an ihre schwere, nasse Arbeit machten. Jenseits der Brücke nahm den Wandernden ein dämmeriger Laubwald auf. Hier waren die Vögel schon munter und huschten zwitschernd und singend unter den Wipfeln umher , durch deren Blätter der fahle Himmel mit seinen verirrten, in zarter Röte leuchtenden Wölflein niederblickte. Am Abhang eines kleinen Hügels trat Hans aus dem Walde, und beim Anblick des lieben , lang entbehrten Bildes , das nun vor ihm gebreitet lag, schoß ihm das Wasser in die Augen. Hingestreckt in stundenweite Ferne dehnte sich zu seinen Füßen das schöne, üppige Jachenauerthal, überhaucht von allem Dufte eines Sommermorgens. Leichte Nebel schwebten noch, den stillen Lauf der Jachen bezeichnend, über den saftiggrünen Wiesen , die von zahllosen Baumgruppen durchsetzt , von hundertfältigen Planken und Hecken durchzogen waren. Ueberall , wo sich in der Nähe der Straße , deren weiße Serpentinen abwechselnd in dem schönen grünen Grunde aufleuchteten und wieder verschwanden, die Bäume dichter aneinander drängten, lugten durch ihr Laubwerk die hellen Mauern der Gehöfte , oder streckten sich über ihre Wipfel die braunen und roten Dächer , von welchen dünne, bläuliche Note Perüdentauben (S. 237). Schlagtaube Baby Mine" (S. 237). Rauchsäulen sich senkrecht in die vom Morgenschatten noch überschleierte Luft ervieles besser hätten als die Jsar. Denn recht, Hansei !" durch den blaudämmernden | hoben. Ueber den langgestreckten , dichtbewaldeten Isarhöhen , die das Thal zur wenn die Menschen hinausziehen müssen Himmel zu. in die öde , flache Ebene, wo ihnen das Hans schmunzelte. Er kam sich so Linken begrenzen, wie über den WalchenHerz vergehen möchte vor Sehnsucht nach gescheit vor bei diesen Gedanken. Er seeer Bergen, die den dunkeln Hintergrund ihren lieben Bergen, so kommt ihnen doch wußte sich eben nicht zu sagen, daß, was bilden , glänzte noch kein Sonnenstrahl. einmal wieder die Stunde , wo sie die er fühlte , nur zum kleineren Teile sein Doch über die kahlen Schroffen und steilen Schusterrappen zur Heimkehr satteln können. eigenes Empfinden war , zum größeren, Abstürze der Benediktenwand, die das Thal Für das arme Wasser aber, das doch auch besseren Teile die erhebende Wirkung der zur Rechten abschließt gegen das Tölzer ein Kind der Berge ist, gibt es nur immer Natur, welche in keiner Zeit so innig und Vorland , wirkte schon das steigende Geein Scheiden, doch keine Rückkehr und kein verständlich zu den Menschen redet als in stirn sein leuchtendes Farbenspiel, und Wiedersehen. Deshalb tönt wohl auch, der Kindheit eines neugeborenen Tages, tiefer von Minute zu Minute senkte sich meinte er, das Rauschen aller Bergwässer im Morgengrauen , wo aus jedem ihrer dort oben der goldene Glast über die gar so schwermütig, denn was die Wellen Atemzüge erquickende Frische weht , wo mächtigen Schutthalden , über die langzu sagen haben, ist ja nichts anderes, als jeder ihrer träumerischen Laute so geheim gestreckten Latschenfelder und über die lichtein ewiges B'hüt dich Gott ! " Da hat nisvoll und doch so deutlich an das Ohr grünen Almengehänge dem Bergwald zu. es der liebe Herrgott mit den Menschen des lauschenden Menschen schlägt, und wo Wie angezaubert stand Hans noch doch besser gemeint. Bei diesem Gedanken sie ihm in keuscher Unschuld ihre Schönheit immer auf der gleichen Stelle und schaute blickte Hans in die Höhe, und als er zwei zeigt, gleich einem schönen, schlummernden mit trunkenen Blicken ringsumher. Alles , große , im Erlöschen heftig flimmernde Weibe , das durch die ersten , leisen Be jeder Fels , jeder Baum und Grashalm Sterne sah, kam es ihm vor , als blinzle wegungen im Erwachen unbewußt und schien ihm so bekannt, und dennoch sah er ihm der dort oben mit seinen leuchtenden sorglos seine zärtlichsten Reize enthüllt. alles in neuem Lichte, in neuer, doppelter Gottesaugen ein freundliches Hast schon Kaum aber stellt sich der junge Tag ein Schönheit. Heimat ! Heimat ! Du wun-
J 247 derfüßes Wort, wie weißt du doch in der Stunde des Wiedersehens die Seek des nach langer Trennung Heimwärt ehren den zu durchtränken mit ungeahnter Wonne und seligem Entzücken ! Wie ein Abglanz der Sonne, die über jene Höhen leuchtete, Lag es auf dem Gesichte des Burschen. Tief atmete er auf, fuhr sich mit zitternder Hand über die feuchten Augen, und dann wanderte er mit hastenden Schritten weiter. Bald traf er einen , der ihn kannte, der ihn mit freundlichem Gruße anrief und zu kurzem Geplauder festhielt. Das wiederholte sich noch öfters , und so kam es, daß die Sonne schon über allen Wiesen lag, während Hans noch eine halbe Wegstunde vom eigentlichen Dorf entfernt war. Nun tummelte er sich aber, daß ihm vom raschen Gange bald die Stirne glühte. Dabei achtete er mit keinem Blick auf die Gräfer und Blumendolden des Wegrandes , auf denen der Tau gleich tausend Edel ſteinen blizte , mit keinem Blick auf das schimmernde Sonnenspiel im Laub der Bäume, auf das blendende Gleißen des Wassers in den Wiesenteichen und im leise rinnenden Bache, auf die ganze, funkelnde, glitzernde Schönheit, die ihn umgab. Er eilte mit dem Auge nur immer dem Wege voraus und suchte zwischen Dächern und Bäumen den First des elterlichen Hauses. Nun leuchteten seine Blicke auf hinter der Kirche sah er den schmalen , braunen Giebel hervortauchen , hinter dessen kleinem Fensterlein sein Stübchen lag. Wie er es wohl finden würde? Natürlich in bester Ordnung. Dafür kannte er ja sein Mutterl. Und die Mutter selbst , und der Vater ? Ob sie sich wohl verändert hatten in dieſen zwei langen Jahren ? Ein paar graue Här chen mochten sie wohl mehr bekommen haben, sonst aber würde er sie sicher frisch, gesund und zufrieden treffen. Und die Wiesen und Felder ? Und die wohlgenährten Inwohner des Stalles ? Und Jackt, der weißhaarige Spitz ? So drängte sich ihm Frage um Frage auf, und er be antwortete sie alle, wie es seine Sehn sucht, seine Erwartung nur wünschen fonnte. Allmählich aber nahmen seine fröhlichen Züge einen bedächtig sinnenden Ausdruck an. Auch war es nicht mehr jenes dunkle Dach , das seine Blicke gefangen hielt , sondern ein weißglänzendes , statt: liches Bauerngehöft , das er hart neben dem Elternhause aus dichten Obstbäumen langsam hervortreten sah. Zwischen diesen weißen Mauern waren die beiden Jahre wohl auch nicht spurlos vorübergegangen ? Ob wohl der Kirchbauer noch immer so knorrig und kurz angebunden wäre ? Und die Bäuerin noch immer so lustig und riegelsam ? Und wie es wohl seinem einstigen Schulkameraden , dem Franzl , erginge , und dem kleinen Steffel , und und Ja, dieses „ und "! Vor zwei Jahren war's ein achtzehnjähriges Dirnlein gewesen , schlank aufgeschossen , mit braunen Hängezöpfen und schüchternen Augen.
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Hans hätte von sich und der Rosl eine „ Ja , grüß dich Gott , Hans ! (S. 251 ) lange Geschichte erzählen können , wenn Grüß dich Gott auch! Laßt dich auch wiegleich in dieser Geschichte von nicht viel der amal anschaun in der Jachenau ? Also - halt an guten Einstand in Urlaub ! " anderem zu berichten war als von Herz: No schau , an bessern Einstand hätt' klopfen und unbehilflichem Lächeln auf der einen Seite, von Erröten und scheuen ich ja nie net haben können, als daß mir Blicken auf der anderen. Bei Hans aber du am Weg in d' Händ' 'neinlaufst!" erhatte diese Geschichte in den beiden Jahren widerte Hans , drückte und schüttelte Rosls still und langsam sich weiter entwickelt, Hand und schaute ihr mit leuchtenden hatte in seinem Herzen ein stetig sprossen Blicken in die Augen. Aber jetzt sag des Leben geführt, mit sanften, glatt sich nur grad , wie geht's dir denn allweil lösenden Konflikten , mit einem selig vor und sauber, Deandel, sauber bist worden geahnten Schluß. Bei der Rosl jedoch daß's net zum fagen is ! " passiert schon !" schmollte Geh weiter in welchem Kapitel mochte bei ihr die Geschichte stehen ? Ja, wer ihm das hätte sie und zwinkerte ihn so cigen von der Seite an. Auch wieder einer, der's Komverraten mögen! Während er so in immer mehr sich ver- plimentmachen g'lernt hat in der Stadt! zögerndem Weiterschreiten alles aus seiner Schöne Sachen , wo man lernt da drin und Erinnerung zusammentrug, was eine befrieSie unterbrach sich, zog das Mäulchen digende Antwort auf jene Frage befürworten konnte , hörte er plöglich auf dem auf, und wieder erwachte in ihren Augen niedereingeplankten Wege rasche , leichte jener feindselige Blick. Er aber lachte nur. „ Ah ja g'ho: Tritte sich nähern. Hastig blickte er auf und sah um eine buschbeschte Ecke eine belt wird einer schon da drin Dirne biegen, die eine blizende Sense über So , so ? Und da meinst wohl , es wär' kein Wunder , wann einer dabei der rechten Schulter trug. Dem Hans gab's im Herzen, was man Schaiten lassen * ) müßt' ?" Jest stußte Hans aber doch. Er zog so sagt , einen Riß. War das die Rosl oder war sie's nicht ? Diese schlanke, die Brauen in die Höhe und wollte schon und dennoch wohlgerundete Gestalt in eine Frage stellen. Da entzog ihm Rosl dem schwankenden , dunkelgrünen Woll- ihre Hand und machte eine Bewegung , wie röcklein, in dem schwarzen, straff anliegen- um an ihm vorüberzuschreiten und weiter den Mieder, und in dem geblumten Für zuwandern. Darüber vergaß er jene Frage stecktuch , unter dessen roten Fransen sich und stellte die andere : „Ja was is denn ? die weißen Linnenärmel niederbauschten Pressiert's denn gar a so ? Wo mußt bis zu den Ellenbogen der vollen , sonn denn hin ?" gebräunten Arme? Der grüne Filzhut „In die Brandwieſen ' nauf. Die untere mit den glänzenden Quasten schien in der Hälften hab' ich gestern schon g'mäht, aber Sonne wie von Feuer umwoben ; wie's heu is nig worden , weil d' Sonn' | Goldfäden schimmerten die Zaushärchen kaum a paarmal ' rausg'spißt hat aus die an den Schläfen , und leuchtende Linien Wolken. Heut' aber hat der Vater g'meint, umfäumten die ganze Gestalt. Ein rosiger könnt's dengerst gut werden , so daß er Schatten lag über dem Gesichte, das wohl die gestrige Mahd einführen könnt' bis auf nicht schön zu nennen war, aber es schaute Mittag. Und ' s Frischg'mähte könnt' nachso frisch und freundlich, so anziehend und her bis auf ' n Abend gut sein , wenn d' gewinnend in die Welt dazu blinkten Sonn' anhalt und wann ich mit ' m Mähen zwischen den roten Lippen die weißen Zähne | fertig werd' bis um a neune." Da därf ich dich freilich net auf. hervor, und die dunkeln Augen glänzten aber das wirst ja doch verhalten , wie schwarze Kirschen. das Deandel hat sich lauben , daß ich a Stückt noch mitgeh' !" „Kreuzfaren Sie sagte nicht ja , sie nickte nicht aber ausg'wachsen ! " stammelte Hans, dem der Herzschlag zu einem völligen Wirbel einmal, sondern schte sich nur langſam in geworden. Und bedenklich schwankte ihm Bewegung. Keine Antwort ist auch eine, die Stimme , als er die Dirne anrief: mochte sich Hans denken, und während ei meiner Seel' — ja grüß' dich | sich dicht an Rosls Scite hielt, leitete er Rost das Gespräch wieder ein : Weswegen hat Gott, Rost ! “ ( S. 254.) Längst hatte Rost ihn gesehen und denn der Vater net dein' Bruder ins erkannt. Jähe Blässe und rasch darauf Mähen g'schickt, den Franzl ?“ eine brennende Röte war über ihre Züge Der hat die ganze Wochen mit'm geflogen. Und unter diesem Erröten zuckten Holzführen´z'ſchaffen. “ Ah so! Aber sonst geht's ihm doch ihre Lippen, blickten ihre Augen so finster, und fürchten sich zwischen ihren Brauen allweil´gut , was ?“ Natürlich ging's ihm gut und dem zwei zornige Fältchen. Dann aber machte sie mit dem Kopf eine hastige Bewegung, kleinen Steffel auch , ebenso dem Kirchals wollte sie irgend etwas, das sie drückte, bauer und der Bäuerin, und nachdem das von sich abschütteln, als wollte sie sagen: Wohlbefinden dieser beiden abgethan war, geht's denn mich was an!" brauchte das Gespräch aus dem KirchAch was Und nun war alles verflogen , was auf bauernhof nur hinüberzuspringen über die Zorn und Aerger deuten konnte, und ihre Straße, um mitten drin zu sihen zwischen Augen blißten wieder hell , als sie jezt *) Späne lassen ; im bildlichen Doppelſium : alles dem Burschen die Hand entgegenstreckte Ungeschlachte ablegen aber auch : an Wert und Kraft und ihn mit fröhlicher Stimme anricf: vertieren.
250 Hans und seinen Eltern. Nun hatte Rosl dem Burschen ein langes und breites zu erzählen , wie fleißig allezeit die alten Leutchen gewesen , wie frisch und musper
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sie wären, daß man aber seit langen Mo- |Antwort hin und her, und dabei wunderte naten keine andere Rede von ihnen hätte sich Hans nur über das eine , daß Rosl hören können , als wann ihr Hanst in sich mit keinem Worte danach erkundigte, Urlaub käme. So ging es mit Frag' und wie es denn ihm selbst ergangen wäre in
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RJERICKEX Grüß dich Gott, Hans! " (S. 249).
diesen zwei Jahren. Da hub er schließlustig , daß Rosl ein um das andere mal lich aus freien Stücken von seiner Sol hell auflachen mußte. Aber zwischen Lachen datenzeit zu plaudern an und schilderte und Lachen zeigte ihr Gesicht ein gar selt: das Kasernenleben , sowie die Abenteuer fames Mienenspiel , das mit ihrer lauten des Ererzierplatzes und der Reitschule so Fröhlichkeit durchaus nicht harmonieren
wollte. Da zuckten ihre Lippen so spöt tisch und ungläubig , und immer wieder schaute sie mit so zweifelndem Blicke zu ihm auf, daß er einmal losplatte : „ Aber was hast denn , was schaust mich denn
Ludwig Ganghofer. Hans im Urlaub. 254 allweil so g'spassig an ?" ?" -No ja, man als ich so dumm g'fragt hab', - denn daß wird dich doch noch anschaun dürfen ! " ich dir's sag' : je mehr d' mich anschaust, so lieber is mir !"" Jest das ist eigentlich schon wahr und am End' weiß ich auch net, weswegen Eine verfängliche Pause trat ein. Hans 253
255 selbst schien über das Wort erschrocken, das er gesprochen, und Rost, die das dunkelrote Gesicht zur Seite gewandt hielt, unterzog den Graswuchs der Wiesen einer ein-
AU
RJERICKE Y Grüß dich Gott, Roel!" (S. 218). "Ja , sakrisch heiß wird's heut'," er gehenden Betrachtung. Schweigend schritten fie ein Weile nebeneinander her, bis Rost widerte Hans mit fleinlauter Stimme. die Backen aufblies und mit einem Seufzer Wirst es sehen, dein Heu wird gut, eh meinte : Heut' macht's aber schon a da vor noch dran denkst ! " mische Hit' iv aller Fruh'!" Rosl versicherte, daß ihr das besonders
lieb wäre , nachdem das Heu der übrigen Wiesen nicht gerade im besten Zustande. unter Dach gekommen. Die Gründe dieser betrübenden Thatsache gaben Stoff zu weiterem Gespräche , und sie wurden mit
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so wichtigem Ernste behandelt , daß die | schier gar nimmer aufhören , so g'freut's | auf amal ?" lenkte er begütigend ein und rückte ein wenig näher. beiden nicht mehr des Weges achteten und mich wieder, ' s Arbeiten daheim!" selbst verwundert schienen, als sie plöglich Lächelnd ließ sie ihn gewähren , holte Was werd ich denn haben ? Giften vor der „Brandwiese" ſtanden, die inmitten einen im Walde versteckten Rechen herbei, thu ' ich mich ! G'schieht mir aber schon eines sanft ansteigenden Buchengehölzes lag . und hinter Hans einherschreitend breitete recht ! Ich selber hätt' die G'scheiter sein Ueber die Ränder des grünen Grundes sie mit dem Rechenstiel das gemähte Gras müssen und hätt' net zugeben sollen, daß warfen die Bäume ihre goldig umfäumten zum Trocknen aus. Als Hans den ersten mit da ' rauf´ gehst !" „ No, und was is denn nachher dabei ? Schatten , und während auf der unteren Streifen durchgemäht hatte , warf er den Hälfte der Wiese das gestern gemähte Waffenrock ab, stülpte die Hemdärmel in Is denn das gar so 'was Schiechs , daß Gras zu langen Reihen gehäuft war, gaukel- die Höhe, und so sehr auch Rost schmollen, ich mitgangen bin ?" Und wenn dich der Steffel ten Hunderte von Schmetterlingen um schelten und sich sträuben mochte, sie mußte die Blumen des noch stehenden Grases, ihn wieder zur Sense greifen lassen. Nun g'sehen hätt' ?" So hätt' er mich halt g'sehen ! Hättſt aus dem die erwärmte Luft in zitternden ging's mit dem Mähen noch flotter vorwärts . Manchmal plauderten sie eine ja deine Leut' nachher verzählen können, Wellen aufwärts stieg. „ Jezt da schau ," meinte Rost , wobei Weile, dann wieder arbeiteten sie schweigend wie's g'mesen is ! " Energisch schüttelte Rosl den Kopf. sie die Sense von der Schulter nahm, weiter. Dabei verging ihnen die Zeit wie „jekt hast dich vor lauter Plauschen bis im Fluge, und als nach etwa vier Stun Ah na! Ich dank' schön ! Ja — an da ' rauf verstiegen . Geh' weiter , jezt den der letzte Grashalm gefallen war, andrer wann's g'wesen wär' , da hätt's aber mußt dich schon tummeln , daß d' heim- stellten sich die beiden voreinander hin und mir selber gleich sein können aber grad du !" kommst. Kannst ja doch deine alten Leutln schauten sich lachend in die Augen. Diese Worte übten auf Hans eine ganz „Also , Rosl was sagst jcht ?” net gar so lang auf dich warten lassen wegen nir und wieder nir !" "/ Was soll ich denn sagen ? Gar nix ! andere Wirkung, als sie wohl üben sollten. Er hörte nicht ihren scharfen, bitteren Ton, Wegen niz und wieder nir ? " lächelte Lachen thu' ich ! " Hans diplomatisch. No ja, so wenn du Und wieder klang es lustig zusammen, sondern hörte nur ihren Sinn, d. h. nur meinst , muß ich mich freilich auf d ' Füß ' sein helles Lachen und ihr fröhliches Kichern. jenen Sinn, der für sein eigenes Emmachen. Aber grad' sehen möcht' ich noch, Da scholl aus dem tieferen Gehölze ein pfinden der einzig mögliche war. wie d' bei der Schneid' bist und wie dir's freischender Juhschrei. "1 Grad ich ?" lächelte er leise vor sich Gras fallt unter der Sensen. " Rost erschraf und stotterte : „ Jeht is hin, und es leuchteten ihm die Augen, „ Da wirst nix B'sonders net sehen," gut, jetzt bringt mein kleiner Bruder, der mit denen er das Mädchen von der Seite brummte Rost ein wenig ärgerlich , trat Steffel, ' s Essen ! Geh weiter, Hans, um betrachtete. Grad ich ! No schau , und an den Rand des stehenden Grases und Gottes willen thu' ich dich bitten , jest da wär' ja erst recht nir Uebles net dran, schwang die Sense. Aber sei es, daß die mußt dich verstecken ! Wenn der Steffel wann d' Leut' dazu sagen thäten : ,ah, so prüfenden Augen des Burschen sie störten, daheim verzählen that ' , daß er dich bei was ! grad der Hans ! Kannst mir's glauoder daß ihr sonst die Arbeit nicht recht mir daheroben ' troffen hat , was müß- ben, Rost , das wär' mein ganzer Stolz von der Hand gehen wollte sie war ten denn meine Leut' nachher denken und mein' einzige Freud' !" Jetzt den schau an, wie der daherredt," nicht besonders // bei Schneid ,“ das Gras von uns ! " Er befann sich nicht lange, sprang auf stotterte sie, halb befangen und halb entfiel ihr wirr über die Sense, statt zu einem Meinst leicht, bei uns heraus ebenen Streifen sich zusammenzulegen, und seinen Waffenrock zu , raffte ihn von der rüstet. häufig mußte sie die gleiche Stelle zum Erde und huschte hinter das nächste Ge- geht's auch so wie in der Stadt ? " No freilich, wie soll's denn anders zweitenmal übermähen, weil sie beim ersten büsch. Von dort aus sah er mit an, wie Schnitte allzu hohe Stoppeln hatte stehen Steffel über die Wiese heraufstolperte, wie sein? Db heraußen im Dorf oder drin bei so ' was gibt's grad lassen. Da schalt sie nun mit ärgerlichen Rost das an einem Stricklein hängende in der Stadt und a Herrischer Worten auf das Gras , das schon zu trocken Geschirr in Empfang nahm und wie sie an einzige Sprach' wäre, und weiterhin gab sie ihrem Vater ihre ganze Ueberredungsgabe aufbot, um kann's seiner Liebschaft auch net viel andie Schuld , der die Sense am ver den kleinen Knirps , der sich wohl lieber ders sagen , als wie's bei uns a Bursch wann er ihr sagen wichenen Abend nicht scharf genug ge- ein paar Stunden im Heu gefugelt hätte, sei'm Dirndl sagt und wieder zu schleuniger Heimkehr zu bewegen. will, daß er ihr gut is. No also dengelt hätte. Geh her , laß anschau'n ! " lächelte Während dann Steffel mit verdrossenem so soll's halt g'sagt sein, Roslich bin Hans , nahm ihr die Sense aus der Hand Gesichte gegen das Thal hinunter schlen dir gut ! Aber ich mein' , ich hätt's net ich bild' mir und prüfte die Schneide mit dem Daumen derte, setzte sich Rost unter eine schattige erst noch sagen brauchen ! Grad g'spürt schon lang es hast du ein, Hans sich Als essen. zu begann und Buche nagel. Obwohl er von dieser Prüfung gelt, grad ich ? Und so ist's nun wieder blicken ließ , empfing sie ihn ich, Rost völlig befriedigt schien , ließ er sich den Wetstein reichen , den Rost in einem höl- mit ärgerlichem Gesichte und finsteren Au- ja net erst seit heut'. Wann dich aufz zernen Kübelchen an der linken Hüfte trug, gen. Darüber verging ihm das Lachen ; Lesen verstanden hast, so hast mir's ja vor die Augen und wette dann drauf los , daß es im er schaute sie verwundert an und setzte sich zwei und drei Jahr schon aus Ïesen müssen. Und die ganze Zeit drin Seite. ihre an kopfschüttelnd Walde ein zischendes Echo gab. Sodala ! Daz'erst hast mir bei der Arbeit in der Stadt , da hab' ich kein anders Jezt mein' ich, schneidt's! Probieren wir's jest fannst mir auch helfen Denken net g'habt als wie an dich. Und amal ! " Er spreizte die Füße, bückte sich g'holfen ein wenig und schwang mit kräftigen Ar beim Essen ," brummte sie und hielt ihm heut' in der Fruh den ganzen Weg her alleweil du und alleweil du. Und schau men die Sense. Schmunzelnd schaute Rosl die Schüssel hin. war ich ja dengerst in mei'm guten da ihn schien Einladung ihrer Ton Der ihm zu ; sie schien ihre helle Freude daran dir g'sagt hab' nach'm zu haben, wie nun das Gras so glatt und nicht sonderlich anheimelnd zu berühren . Recht , wann ich an bessern Einsauber unter jedem Schnitte fiel, und wie Er zuckte die Achseln und erwiderte mit ersten Gruß : ich hätt' mir dank' stand in der Heimat net wünschen können, Ich : Getränkten eines Miene der es zu einem Streifen sich reihte, so gleich noch kein' Hunger net ! " als daß mir grad du am Weg in d' mäßig und eben , als wäre er mit dem dir schön, ich hab' mir is auch der Appetit Händ 'nein laufst. Grad du , Rosl und also No // Lineal gezogen . grad du !" Du kannst es aber ! Von der Bauern vergangen !" All diese Worte hatte er so offen und Unwillig stellte sie das Geschirr beiseite, arbeit wenigstens hast nig verlernt - drin wirst ließ die Unterlippe hängen und starrte wie ehrlich aus seinem Herzen herausgefpruin der Stadt. Aber jezt gib her, in trüber Kümmernis zum lichten , wolken delt, dazu hatte seine Stimme einen so dich doch net plagen da ! " warmen, innigen Klang, und ein so helles „Plagen ? Gott bewahr' ! Das is mir lofen Himmel auf. „Aber geh, Nost, was hast denn jeßt Leuchten war in seinen Blicken, daß Rost , ja grad a liebe Unterhaltung. Ich möcht'
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wären nicht von irgend einem dunkeln | g'weint hab' ich , nir als g'weint und Etwas ihre Augen umflort gewesen, wohl g'weint. " Und unter der drückenden Erinnerung deutlich hätte merken müssen , wie es in Wahrheit um Hans bestellt war. an jenes Weinen und Weinen flossen ihre So aber saß sie regungslos , mit zucken Thränen noch reichlicher als zuvor. den Lippen, mit gefurchter Stirne und einem „ Rosl , Rosl , " stammelte Hans , so so finsteren Gesicht, als wäre ihr die un- thu ' dich doch trösten - so schau, es wird sagbarste Kränkung widerfahren, als hätte ja jest recht mit uns !" fie vor Zorn und Ingrimm in diesem Augen„Na, nie und nimmer im Leben ! Mit blick die ganze Welt vergiften mögen. uns is's aus ! Und du allein , das kann Hans jedoch blickte noch immer träume ich dir sagen , du allein bist schuld dran ! risch lächelnd vor sich hin , und als er Mir daheim, mir is kein ' Stund' net vernun das Gesicht hob und ihre drohende gangen , wo ich net deiner denkt hab'. Miene sah, verstärkte sich nur sein Lächeln. Grad sehen hab' ich wen dürfen von Vertraulich neigte er sich zu ihr , drückte deine Leut', so bin ich drauf zug'schoffen sachte den Ellenbogen an ihren Arm und und hab' g'fragt, ob's nir wissen von dir und den Schnaufer flüsterte : No also, Rost, geh, schau, jetzt und wie's dir geht mußt halt auch 'rausrücken mit der Sprach' ! hab' ich verhalten , so oft ich wen reden Oder hat's dir am End' d'Red ' ver- hab' hören von dir. Und du in der Stadt du treibst es derweil a so ! Daß schlagen , weil ich gar so scharf ins Zeug drin geh' ? Aber weißt, der Urlaub is kurz , und d' von "/einer Straf' in die ander' kommen ſo a gute Stund ' kommt ja net gleich bist wieder drum hab' ich mir halt denkt, „Was ? Was is jekt das ? ” ich muß die schöne Zeit auch recht schön „Ja und daß dich bald keiner von ausnußen !" deine Kameraden nimmer mögen hat , und Ausnußen ? So ? Ausnuten ?" fuhr daß dir a jeder ausg'wichen is , der was Rost jählings mit schneidender Stimme halt't auf an ordentlichen Umgang. Ja auf. " Ah na, mein Lieber ! So weit und daß dich schier nimmer auskennt is's allweil noch net mit uns ! Für das hast vor lauter Schulden und und
du , Roslund du hast solchene Schlech= tigkeiten glaubt von mir ?" Sie blinzelte mit scheuen Augen zu ihm empor, aber sie hielt seinen flammenden Blick nicht aus , und weil ihr von neuemt die Thränen kamen , fuhr sie mit der Schürze zum Gesichte. Da griff er mit zitternder Hand nach seiner Müße. „Wann d ' jezt nix z'reden | hast nachher is's freilich ausg’redt zwischen uns ! B'hüt' dich Gott, Rosl— b'hüt' dich Gott ! " Kurz wandte er sich ab noch einmal blickte er über die Schulter zurück, aber Rost sprach kein Wort und rührte und da drückte er die keine Hand Müße auf das frause Haar , schritt quer über die Wiese hinunter, suchte sein Bündel und seinen Stock und verschwand im Gehölz. Nun gab es zu Hause freilich kein so lustiges Wiedersehen , als sich Hans auf seiner Morgenwanderung das ausgemalt hatte. Wohl hatten die beiden alten Leutchen über die Ankunft ihres Buben eine zitternde Freude ; während aber Hans am Abend mit dem Vater ins Wirtshaus ging , hatte die Mutter Kreiterin rings um die Kirche von Haus zu Haus zu ermal hast dich wohl täuscht mit der guten daß dich d' Weiberleut' g'scheut haben auf zählen, wie „ gar viel traurig" ihr Hansl Stund ' ! Mein' schier , es wird dir nix Schritt und Tritt, weil d ' alle acht Tag' in Urlaub gekommen wäre ; und dann in nußen mit ' m Ausnuten bei mir eine ſizen haſt laſſen — ja — und über der Nacht, da fuhr sie sich immer wieder wenigstens net ! A solchene bin ich noch | haupt weil dich aufg'führt hast , daß mit den dürren Händen in die grauen lang' net , wie du eine brauchst , du gar kein rechtschaffener Mensch nimmer an Haare und seufzte so häufig und laut, daß du Respekt vor dir haben kann , na , gar der Vater Kreiter immer wieder zu brumDie Worte erstickten ihr in einem feiner net ! Und mir - mir is das lehte men hatte : Jetzt schlaf amal, Alte !" Am anderen Morgen aber machte die krampfhaften Gelächter ; aber es mochte Bröserl Lieb' vergangen ! " ihr wohl nicht gar so lächerlich zu Müte Sie versuchte tief aufzuatmen , aber Mutter große Augen, als Hans mit einem sein, denn während sie lachte, rannen ihr es wollte ihr nicht gelingen , denn das Gesicht in der Stube erschien , aus weldie dicken Thränen über die Wangen Schluchzen stieß sie die Leute sagen: chem alle Traurigkeit verflogen war. Es sah sich an, als hätte er mit dem heimiund nun plöglich schlug sie beide Hände wie ein Bock. vor das Gesicht und brach in ein BitterHans saß mit offenem Munde und schen Gewande einen anderen Menschen liches Schluchzen aus , das ihren ganzen aufgerissenen Augen , als hätte er einen angezogen. In seinen Augen war ein Körper erschütterte. betäubenden Schlag vor den Kopf erhalten. sorglos ruhiger, heller Blick, eine glückliche " Jesus Maria ," stotterte Hans er Solange Rost gesprochen, hatte sein Ge- Zufriedenheit sprach aus seinen Mienen, schrocken , jest is's gut jest wird's sicht in brennender Röte geglüht , nun und heiter lächelten seine Lippen . aber Ernst! Rost, Rost- ja mein Gott aber wich dieses glühende Rot einer fahlen. Während sie zusammen die Morgen-ja was is dir denn so sag ' mur Blässe , und während er von der Erde suppe aßen , begann er von seinem Sol// grad emporsprang, fuhr es ihm in bebenden | datenleben zu erzählen und fing dann zu Er wollte ihr die Hand vom Ge- Worten über die bleichen Lippen: "/Eins fragen an, wie es denn all die Zeit her sichte niederziehen , sie aber riß sich ge- grad, Rost, grad cins will ich dich fragen im Dorfe zugegangen wäre, wo man gewaltsam von ihm los, und während alles wer hat dir solchene Schlechtigkeiten tauft hätte, und wo der Tod zu Gevatter an ihr zitterte und bebte , schluchzte sie: sagen können von mir ?" gestanden , ob es irgendwo eine Hochzeit „Ja fagen ja freilich will ich dir's Rost fuhr sich mit den Handballen gegeben , ob irgendwo eine solche bald in Aussicht stünde? fagen du ! Gar net wissen kannst ja, über die nassen Augen und schwieg. was du mir an'than hast, na, gar net Da hatte die Mutter Kreiterin na Da rüttelte er sie zornig am Arme red' !" wissen ! Und wahr is's jezt grad mit und schrie : „ Red ', fag'ich türlich zu erzählen und zu plauſchen, daß " Ich sag' dir's net ! Ich will kein' sie fast kein Ende finden wollte. Fleiß jest grad will ich's net leug,,No ? Und drüben beim Kirchbauer ? nen , wie gut als ich dir g'wesen bin ! Handel net stiften und will net schuld Rührt sich da noch nir? Für den Franzl, Gern hab' ich dich g'habt, seit daß ich sein, daß's a Schlagerci abseht ! " denken kann. Und gar kein andern hab' „Ah so ? Da haft halt Mitleid mit mein' ich, wär's allweil Zeit, daß er sich) und d'Rosl ich ang'schaut , weil ich g'meint hab', es dem andern, gelt ? So muß ich dir halt um a G'sellin umschauet gibt kein Brävern und kein' Beffern net selber an Namen nennen der Müller is doch auch schon in die Jahr' ! “ als wie der Hans. Und selbigsinal, wie naz' der im Frühjahr von die SolNatürlich hatte sich der Franzt schon d ' fort bist zu der Militari , da haft mir daten frei worden is , der einzige vom umgeschaut , und in acht Wochen , gerade grad dein' Hand hinboten und nir hast Dorf, der in der gleichen Garnison g'wesen einen Tag früher, bevor Hans wieder fort g'sagt als : B'hüt' dich Gott ! Jch aber is mit mir - red red',' , fag' is cr's, mußte in die Stadt, sollte der Kirchbauerfag' ich hab mir denkt , es wird schon noch oder is cr's net ?" franzl Hochzeit halten. Seine Schweſter aber weil's mir recht werden mit uns „Ich sag' nix , und da kannst jezt aber, die Rost, scheine sich mit dem Umhalt gar so arg g'wesen is , daß d ' fort fragen wie d' magst! " schauen Zeit zu lassen. Das wäre eine haft müssen, bin ich die ganze Nacht in Gut also gut ! Aber a lezte gar stolze. Von allen Burschen im Dorfe meiner Kammer g'legen , und nix als Frag' , die muß ich ja dengerst noch stellen : | stünde ihr keiner zu Gesicht, und der Müller-
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naz ' , der sich seit dem Frühjahr um die Sogar am Hochzeitstag ihres Bruders | unlieb g'wesen, wenn d ' ' was g'habt hättſt Rost schier die Füße frumm laufe , der zeigte Rosl dieses finstere, verdroffene Ge- gegen mich, wo ich dir allweil so a guter scheine ihr am allerwenigsten zu gefallen. ficht . Sie saß beim Brautmahl der Freund war. "1 No freilich, freilich . . . “ stotterte Naz „ So , so ? Der Müllernaz' ?" lächelte Kirchbauer selber sagte : wie eine „ ang'malne Hans , dann schob er den Teller zurück, Türfin " , und schüttelte den Kopf über die und verdrehte die Augen, als wär ' es ihm wischte am Tischtuch den Löffel sauber und vertauschte Gretl " . Ihre Laune wurde in der Nähe des „ guten Freundes “ nicht sagte: „ Jezt aber, Vater, mußt mich ein auch nicht besser, als nach dem Mahl die sonderlich geheuer. i „Hast schon recht fleißig tanzt ? " weiſen in d' Arbeit. Denn die paar Monat | Tanzmusik mit Schmettern und Klingen grad nobel." Ja, ja "/ über, wo ich da bin, sollst du und d ' Mutter die Fenster zittern machte. Und es fehlte " a gut's Rasten haben . ihr doch nicht an Tänzern ; sie wurde vielMan sieht's dir aber auch an. €3 Und dieses Wort machte Hans in den mehr von tanzlustigen Burschen ohne Unter- lauft ja ' s Waſſer über dich ' runter , wie kommenden Tagen und Wochen auch zur laß umdrängt, so daß sie den Kreiterhans über ' s Mühlwehr. " „Hat ja a damische Hit' daherin ! Wahrheit. Er legte sich so wacker ins wohl hätte mangeln können , der sich in Zeug, daß dem Vater Kreiter und seiner beschaulicher Ruhe mit Krug und Pfeife Schier zum Verschmelzen . " So komm, gehn wir halt a bißl in alten Bäuerin nichts anderes mehr zu unterhielt, als hätte ihm der Doktor das thun blieb , als auf der sonnigen Haus- Tanzen verboten. Nur manchmal erhob d ' Wirtsſtuben ' nunter , da is kühler und bank zu ſizen und die Hände in den sich Hans , setzte sich zu einen der Gäste da trinken wir a Maß miteinander." Schoß zu betten. Hans war mit jedem und plauschte eine Weile mit ihm. Be= Dieser Vorschlag schien den Beifall Morgen munter, noch ehe die Sonne über sonders lange hatte er mit dem Schreiner des Müllernazi nicht zu finden. Hans die Berge lugte, und niemals beendete er muckt zu verhandeln ; und es mußte auch aber fragte nicht mehr lange, er packte den sein Tagwerk, bevor ihn nicht die sinkende irgend eine wichtige Sache sein, welche die Burschen am Arm und zog ihn hinter sich Dämmerung zur Ruhe zwang. Man sah beiden zu besprechen hatten, denn sie steckten her zum Tanzsaal hinaus. Im gleichen Augenblicke kam Rost mit ihn bei keiner Lustbarkeit , sah ihn an die Köpfe dicht zusammen und tuschelten. keinem Sonntag im Wirtshaus . Während ſo leise miteinander, daß Rost kein Wört ihrem Tänzer aus dem Mahlzimmer. Ein die anderen Burschen am Sonntag nach lein vernehmen konnte , so sehr sie auch jähes Erblassen flog über ihre Wangen, mittags auf der Kegelbahn zechten und im Vorübergehen immer die Ohren spiste. als sie jene beiden in so verdächtigem Zutüchtig aufrebellten ", machte Hans mit Das war nun allerdings keine Auf- sammenhange gegen die Treppe stolpern sah. „ Duda schau," stammelte sie,,, was dem Vater einen Spaziergang durchführung, wie sie zu einer lustigen Hochzeit der Hans Wiesen und Felder , und wenn sie davon paßte. Man konnte es also der Rosl mit wird er denn jezt haben nach Hause kamen, ging die Mutter Krei- dem besten Willen nicht verargen , wenn mit 'm Nazi ?” //Was werden's denn haben ? Nix !" terin mit dem großen Steinkrug um Bier, sie schließlich den beiden Heimlichthuern. und dann ſaßen die drei zuſammen bis in den mit dem Ellenbogen zwischen die Köpfe fuhr brummte der Schreinermuckl. 3'heiß späten Abend auf der Hausbank und hielten und dazu den Kreiterhans mit einem recht wird's ihnen halt sein heroben , und so Heimgarten unter sich und mit den Nach- spißig klingenden Gelächter fragte : „No, werden's halt ´'nuntergehn in die kühle barn , die sich gerne einstellten , um den du , was is denn mit dir ? Mir scheint, Stuben. " "/ Es is aber auch heroben wie in ei'm Hans von der Stadt und den Soldaten dir sind in der Stadt drin d' Füß einBackofen. " erzählen zu hören. Da kam besonders häufig g'rostet ?" der alte Kirchbauer , und wenn er dem So ? Meinst ?" lächelte Hans , „ da „ No , wir könnten ja nachher auch auf Hans die schwielige Rechte hinbot, pflegte muß ich ja gleich probieren, ob ich's Mar- a Krügel ' nuntergehn . er statt eines Grußes etwa zu sagen : schieren noch vermach' ! " Mit diesen Worten „ Ja , ja , geh , komm ," drängte Rosl Hanzl, ich sag' dir's die ganze Wochen erhob er sich, leerte seinen Krug und stapfte und steuerte schon der Thür zu. Der Muckt aber haschte sie bei den hab' ich dir wieder zug'schaut du g'fallst in den Tanzsaal hinaus. mir! Mit so ei'm Buben is a Vater aufMit dunkelrotem Gesichte schaute Rost Röcken und lachte : „ Oho ! Pressiert's denn g'richt' ! " Auch der Franzl sprach zuweilen ihm nach und überhörte es faſt , daß der gar a so ? 3'erst reißen wir schon noch vor ; der spielte aber immer den Getränkten Schreinermuckt den nächsten Tanz von ihr unseren Landler ' runter ! " Und da gerade und warf es dem Freunde in langen haben wollte. Als sie aber mit dem die Tanzmusik einseßte , schlang er den Worten vor, daß Hans in all diesen Tagen Burschen nur erst ins Reden kam, da Arm um die Dirne und wirbelte sie hinein weder Lust noch Zeit gefunden, einen Fuß war es ihre nächste Frage , was er denn in den stampfenden, staubenden Kreis . über die Schwelle des Nachbarhauses zu mit Hans so Wichtiges „ abzukarteln “ hätte. Inzwischen saßen Hans und Nazi schon sehen. Lächelnd entschuldigte sich Hans Ah mein weißtum an Handel drunten im „Herrenstüberl" Herrenstüberl" , in einem solchen Vorwürfen gegenüber mit der end is's ' gangen , ja , wegen unserer Wiesen engen Verschlag, der nur durch eine dünne losen Arbeit unter der Woche und mit drunten am Bach. Die hätt' er schon Bretterwand von der eigentlichen Wirtsder begreiflichen Müdigkeit am Sonntag ; lang gern g'habt, der alte Kreiter, und da stube getrennt war. Natürlich stand der dabei schaute er dem Franzl wohl über hab' ich halt jetzt dem Hans versprochen, Maßkrug vor ihnen , und etwas ganz die Schulter hinweg , und recht häufig daß ich bei mei'm Vater a guts Wörtl Natürliches war es auch, wovon sie redeten . Wovon sollte man auch auf einer Hochzeit geschah es , daß er dann hinter einem einleg'." Während der Schreinermuckt der Rost reden , wenn nicht vom Heiraten ? Und Fenster des Kirchbauernhofes ein finsteres das erklärte , hatte Hans im Tanzfaal daß der Müllernaz ' schon längst in den Mädchengesicht gewahren konnte. Weiß Gott, es war ein recht finsteres draußen einen vierschrötigen Burschen auf richtigen Jahren" wäre, das gab er dem Gesicht, das die Rost in all diesen Tagen gegriffen, dem vor Tanz und Trunk das Hans auch gern zu , aber's Finden is halt so schwer's Finden" meinte er. zeigte. Und an dieser üblen Laune war Gesicht in feuriger Röte glühte. Staunend lachte ihm Hans ins Gesicht. Hans doch sicher nicht schuld ; denn an „ Du , Nazi , geh , sag mir amal , ob Werktagen führten ihn seine Wege nie ich dich leicht mit was beleidigt hab' , „ Was ? a Bursch wie du ? Und fein mals mit Rosl zusammen, und wenn er ihr weil d' mir den ganzen Tag schon so aus: richtigs Deandel finden ? Das geht mir schier net ein ! Wie wär's denn mit der am Sonntag auf dem Kirchgang begegnete, weichst ?" „ Du ? Mich? Und beleidigt ? Und aus- | Brandtnerleni ?“ grüßte er so freundlich wie nur irgend weichen ? Jch? Dir ? Gar fein' Red' net !" Nazi schüttelte den Kopf und machte einer : // Guten Morgen, Rost - gelt ? heut macht's aber woltern an schönen pustete der Müllernaz unter dem Taschen ein saueres Gesicht, denn er erinnerte sich Tag?" Dabei pflegte er den Hut mit tuch hervor, mit dem er sich den Schweiß der handgreiflichen Abfertigung , die ihmi 1 Leni vor einigen Jahren auf der Altacher einem Respekte zu ziehen , mit welchem von Stirn und Backen wischte. No also, nachher bin ich schon z'frie Kirchweihe versezt hatte. selbst die anmaßendste Pfarrersköchin sich) den ," lächelte Hans. Wär' mir recht | Wieder nannte Hans einen Namen hätte zufrieden geben können.
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Reiche Saat wogt auf den Feldern Wie ein grünes Wellenmeer; Auf den Bergen, in den Wäldern Lacht um uns die freude her. Jeder neue Tag entfaltet Neuen Blütenschmud der flur, Und die Schönheit, die veraltet, Wird ein Segen der Natur. Jugendfinn und Jugendblüte, Beide schön ! doch sie vergeh'n. Edelfinn und Seelengüte, Das find Reize, die besteh'n. Lerne du von Mutter Erde, Blah'n und Welfen ist voll Sinn : Daß zur Frucht die Blüte werde, Darum stirbt ihr Schmud dahin. E. v. d. Rede.
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KEVER
Im Sommer. Son R. Behle.
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und da kommt | aber lächelte sie nur immer an, und es schau No also und wieder schüttelte Nazi mit fäuerlicher Miene den Kopf. So ging es weiter, Name jezt so einer daher und redt mir die war ein verheißungsvolles Leuchten , das um Name kam aufs Tapet, Nazi erledigte schlechtesten Sachen nach: daß ich als in seinen Augen erwachte. Endlich wieder fand Rosl die Sprache. jeden Vorschlag mit einem kurzen Nein Soldat ein' Straf' um die ander' kriegt Aber willst denn jezt gar net amal und ... und oder einer langatmigen Widerlegung, und hätt' und Es waren in der That gar böse Dinge, mit mir tanzen ? Gar net an einzigsmal ? " dabei merkte er nicht , wie Hans von Namen zu Namen immer aufmerksamer welche Hans nun an den Fingern herzählte. Da fielen ihr plöhlich jene zwei Perlen das war das ein über die Wangen, und andere rollten nach. „ Ah , ah , ah“ gegen die halb offene Thür lauschte. Jetzt hörte man Schritte in der Wirts - zige Wort , mit welchem der Müllernaz ' „ Schau - schau , Hanst — wann ich dich stube draußen. "} So , set dich nur da dieses Register zu begleiten wußte, is ja doch selber drum anreden thu’ ? ” Sie hatte noch nicht ausgesprochen , und : Kellnerin ! à Maß ! " lang alles net wahr , is ja alles verlogen !" 'rein die Stimme des Schreinermuckt , und zu Unter diesen Beteuerungen blies er die da hielt er sie schon mit engem Arme an gleich erzitterte die dünne Holzwand , als Backen auf und wischte immer wieder das die Brust gedrückt und flüsterte ihr mit hätte sich jemand von außen mit dem Tuch über die Stirne , auf der ihm der heißer Zärtlichkeit ins Ohr ; „O mein , Rosl , selber wann mich drum anreden Schweiß in dicken Tropfen ſtand. Rücken dagegen gelehnt. Drin im Herrenstüberl aber meinte „Ja, Nazi, so falsch und verlogen is thust, da muß ich ja, und wann ich auch Hans mit gehobener Stimme: Dir is a das alles , wie wie ich kann dir hundertmal net möcht' ! Aber ich mag und wie !" schwers Raten, das muß ich sagen ! Aber gar net sagen , wie ! " Mit einem unge- ja auch, Rost, ich mag ja Er schleuderte den Hut gegen die Decke, halt - jest fallt mir eine ein, die taugt stümen Rud schob sich Hans hinter dem dir g'wiß die Schwester vom Bräuti- Tisch hervor , stand hochaufgerichtet , und und wie ein Glockenton hallte sein Juhdie Kirchbauernrost ?" gam droben man sah es der Haltung seines Kopfes schrei durch alle Räume des weiten, lärmNazi machte einen schiefen Kopf und und seinen Augen an , daß er hinaus in erfüllten Hauses . Dann eilten sie die Treppe hinauf schielte seinen Ratgeber mit zwinkernden die Stube lauschte, während er mit einer Augen von der Seite an. Er mochte wohl Stimme von eigenartig erregtem Klange und versanken im Strudel der Tanzenden. seine Gründe haben , weshalb ihm dieser vor sich nieder sprach : // Und grad so hätt' Und während sie sich von den dichtVorschlag nicht ganz geheuer dünkte. Den ich auch kein Wort net dafür , wann ich gedrängten Paaren aus einer Ecke in die Hans hinwieder mochte es ganz besonders dir sagen sollt ' , wie's mir selbigsmal andere stoßen ließen , hingen sie mit den reizen , sich heim Nazi einen Kuppelpelz g'wesen is aber laſſen wir's gehn ! Augen aneinander, und das war ein Wispern zu verdienen , denn er begann das Lob Ich hab ' mir natürlich denken müssen, wer und Flüstern ohne Ende ! Als dann die Tanzmusik verstummte, der Rost in so warmen Worten zu singen, solchene Sachen glauben kann_von_mir, daß nicht nur dem Müllernaz' die Augen der mag mich net und hat mich nie net gingen sie in das Mahlzimmer, und Hans und Backen zu brennen begannen, sondern mögen ! Aber no mag's mir jezt im bestellte süßen Wein , den sie gemeinsam daß auch einer stillen Lauscherin in der Herzen auch sein , wie's will morgen aus einem Glase tranfen. Dazu plauschten Stube draußen die Wangen glühten und muß ich ja wieder fort in d' Stadt, und und lachten sie , daß der Kirchbauer ein unter ihrem Mieder das Herz wie ein bis ich heimkomm' übers Jahr , wird sich ums andere Mal den Kopf schüttelte und Hammer schlug. d' Rost schon ein' ausg'sucht habenan sagte : Jezt schau mir nur einer das „Ja, dú so a Deandel is d ' Rosl ! | recht an Braven 'leicht gar denselbigen Deandl an wie die der Hamur jetzt anpackt hat ! A ganze Kamödi lacht aus aus „ Lengries ' ! " Und jest red' !" Die Wendung , welche die Worte des ihrem G'sicht ! “ Der Nazi zog die Stirne in Falten, Wurde Rosl von einem Tänzer geholt, Kreiterhans genommen, war nun allerdings kraute sich die Ohren und knurrte : Ja ich mein' eine so sonderbare und unerwartete , daß so sezte sich Hans zum Kirchbauer oder die Sach' is a so weißt allweil , es is dir net ernst mit dei'm man es dem Müllernazi nicht verargen zur Bäuerin und plauderte mit ihnen „ verich glaub', du haltst mich für an konnte, wenn er vor Staunen und Studieren | standsam “ von der „ Bauernsach'“ , damit Nat die alten Leute erkennen möchten, wie gut Mund und Augen aufriß . Narren ?" Was ? Ja wieso denn ?" Doch war das Gesicht, das er machte, er in aller Arbeit bewandert wäre. Kam Rost aus dem Tanzsaal zurück, „No mein, mir is halt allweil g'wesen, ein gar so urdummes, daß Hans mit bestem wie wenn dir selber an der Rost was Willen seinen Ernst nicht bewahren konnte. dann saßen die beiden wieder beisammen, g'legen wär', ehvor d' zu die Soldaten 'kom- Um das Lachen zu verbergen, das er nur und wieder begann das Nippen aus deni men bist. " mit aller Gewalt noch verhielt, wandte er einen Glase , das Kichern und Flüstern. Da hast net so unrecht ! Aber das is an sich hastig ab , stieß mit dem Fuß die Im Uebermut ihrer glückseligen Laune alte G'schicht' und daß ich dir's cin Thür vor sich auf, und ohne einen Blick kniff Rost einmal den Hans in den Arm, b'steh'd' Rost selber hat mir drüber nach links oder rechts zu werfen , schritt und dazu schmollte sie ihn an: „Wie hast weg g'holfen. Denn wie ich in Urlaub er quer durch die Wirtsstube in die Flur denn aber auch 's Herz haben können, daß ' d wie mich das hinaus. Da hörte er hinter sich einen mich zappeln laßt acht lange, harbe Wochen ? heimkommen bindu das kann Stuhl fallen, hörte flüchtige Tritte, und be: Weswegen hast denn net in der ersten Deandel da behandelt hat ich dir fein gar net sagen . Weißt , und vor er noch die Hausthür erreichte, fühlte er Stund' gleich g’redt und haſt mir g’ſagt z'lett is's auf'kommen , daß ihr einer die den zitternden Druck einer Hand auf seinem daß alles verlogen is , was dir der Nazi nachg'redt hat ?" schlechtesten Sachen von mir verzählt hat | Armie. Rost stand vor ihn . Ihr Gesicht war „Warum? In der ersten Stund' da so einer von Lengries drüben , so a blaß , ihre Lippen zuckten , und an den hat's mich z'arg verdrossen und ich hätt' Haderlump ! " Gch einer von Lengries ? geh ! " Wimpern ihrer flehenden, angstvollen Augen fein Wörtl nimmer über d ' Lippen bracht. stotterte Nazi und atmete dann erleichtert auf. hingen zwei schimmernde Perlen. Die Aber schon in der ersten Nacht , wie ich Ja , von Lengries ! Aber jest sag' Silbermünzen ihres Mieders schlugen klir net schlafen hab' können , da hab' ich mir amal selber du bist ja zwei Jahr lang rend aneinander, und der Wellengang des denkt : gern haben muß dich 's Deandl ja seidenen Fürstecktuches deutete auf Sturm dengerst, schon ihrem ganzen Reden nach — mit mir in der gleichen Kasern' g'wesen —" „No , jezt das is doch g'wiß ! “ sag amal auf dein G'wissen hin , ob ich in Rosls Herzen. Aberaber Hans du wirst doch „Ja , schau, und da is a ganze Ruh' mich grad an einzigsmal so aufg'führt über mich kommen. Aber ich hab' mir hab' , daß mir einer bloß uns Nagel- net schon heimgehen wollen ! “ "Ja , weswegen denn net ? Was hätt' denkt, z'erst muß ich dir durch mein' Aufschwarze ' was Schlecht's hätt' nachsagen . ich denn noch zu suchen da ?" können ?" führung zeigen, daß ich a Mensch bin, den wie kann Gott bewahr' Trostlos starrte sie ihn an, und dabei man haben kann. Und mit' m Müllernaz 205 bewegten sich wortlos ihre Lippen. Hans | — so´hab' ich mir denkt — da muß ich man denn dir 'was nachsagen?" 12
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mir amal die rechte G'legenheit aussuchen, | schied vom Deandel schon g'nommen g'habt | rat A. eingeladen hatte ; dieser lehnte indessen, wo ich ihn einzwick', daß er mir g'wiß aber mein , a. Jahr is halt lang dringender Geschäfte halber , ab , sandte aber nimmer auskann ; denn wenn ich bloß und zweimal 'bunden, hab' ich mir denkt, am Morgen des zum Diner bestimmten Tages Fäßchen, mit Meldung, daß soeben daß er er soeben fag' , er hat g'logen , so redt er wieder halt't besser und so hab' ich mich a en ein Fäßchen, mit der der Meldung, von seinem Bruder in Königsberg eineFreude Senweiter, und es bleibt auf d'lett a Klampfert bißl spater zur Ros! ans Kammerfenster dung erhalten Kaviar habe und sich eine an mir hängen, ich mag mich wehren, wie g'schlichen aber wie ich mich im Garten daraus mache , seinem Freunde davon mitzuich will. Es is ja schon so : wie mehr ' rumbieg' ums Hauseck, da hör' ich schon teilen. Der Geheimerat war ganz gerührt, gab als nach ei'm Hund Steiner wirfst, so mehr mei'm Deandl ſein' zornige Stimm ' , und dem Ueberbringer ein reichliches Trinkgeld und bellt ergleich richtig beim Kragen muß i zwischen 'nein hör' ich den Nazi reden konnte dann der Versuchung nicht widerstehen, ihn erwischen und fest zudrucken , daß er der hat ihr ans Fenster klopft , und ' s Probe zu halten. Der Kaviar war köstlich und kein' Muckſer mehr außibringtja, Deand! Deandl natürlich meint , ich bin's , und ein ums andere Mal fuhr er mit dem Löffel was ist das ?! Welcher und der ander fangt 3 hinein ; aber —schau — ung'fähr auf a solchene Art — " macht auf Geschmack! Die obere Schicht nur war Blitzschnell hatte Hans beobachtet, daß Plauschen an und verschwört sich heilig, Kaviar, das übrige schwarze Seife ! der Kirchbauer und die Bäuerin in ein's Deandel sollt' sich nur grad mit mir Jezt war der gute Geheimerat nicht mehr eifriges Gespräch mit dem hochwürdigen net einlassen, weil alles wahr wär' , was gerührt, sondern ganz geschlagen und wütend Herrn Pfarrer verwickelt waren und er ihr von mir g'sagt hat, und er könnt's und fuhr endlich abends ins Theater, um seine da schlang er den Arm um Rosls Hals, beweisen, und er hätt' bloß im Wirtshaus schlechte Laune etwas zu zerstreuen und auf zog ihr erglühendes Gesicht mit flinkem Griff fein' Streit mit mir anfangen wollen ; Rache zu sinnen und, siehe da, in der Loge an sich und „ druckte zu ", daß Rost mit dem ' s Deandl hat's ihm aber hing'sagt , daß ihm gegenüber, faß Geheimerat A. Rien besten Willen keinen „ Muckser" mehr hätte ihm 's Lugen vergangen is, und nachher hat trouvé, nous aurons! " dachte winktsein ihmFreund, zu, daß Revanche er ihn sprechen thun können. Uebrigens schien es ihr für sie ' s Fenster zug'schlagen, daß d' Scheiben möchte, und im Zwischenakte treffen sie sich im diesmal auch am guten Willen zu fehlen. - drin grad so g'scheppert haben. Ich aber Foyer, wo Geheimerat B. seinen Dank für Fünf Tage waren vergangen, seitdem hab ' den Nazi an mir vorbeilassen , und den Kaviar abstattet und dabei bemerkt, er der Kirchbauerfranzl in der Jachenau seine draußen auf der Straßen hab' ich ihm habe die so köstliche Gabe aber nicht selbst Hochzeit gehalten seit vier Lagen also d ' Hand auf d ' Achsel g'legt — ein Wort verzehren , sondern ihren beiderseitigen VorLand Johannes Kreiter wieder beim Regi- hat's ander geben - und du lieber Himmel gesetten, Minister C., deffen Geburtstag heute mente, um sein lehtes Jährlein abzudienen . schau'n S' , Herr Rittmeisterda is durch ein Diner gefeiert werde, damit überSeine Kameraden machten große Augen zu mir z'lest nir anders übrig blieben ich raschen wollen und demgemäß das Fäßchen Jäger einhändigen , mit dem dem sonderbaren Kopf, den Hans umhertrug. hab ' ihn halt beim Krawattl packt und hab' ſeinem Auftrage, es erst am Abend lassen zum Vorschein zu Zu Mittag des fünften Tages nun ge- ihm sein' Kittel ausklopft, daß der Staub bringen und, auf Befragen, zu sagen , Geschah etwas , das die ganze Schwadron in aufg'flogen is ! Und- und Sie, Herr Ritt heimerat B. habe es von Geheimerat A. alz begreifliche Aufregung versette - Johannes meister, Sie sind mir halt erst wieder ein- Rarität erhalten und sich erlaubt , es dem Kreiter hatte sich zum Rapport gemeldet. g'fallen, wie der Nazi seine Prügel schon Herrn Minister anzubieten. Geheimrat A. erschrak furchtbar und dachte Und nun stand er droben in der Kanzlei q'habt hat !" Der Rittmeister lachte , daß ihm der mit Schaudern , was wohl geschehen könne, vor dem Rittmeiſter in strammer Achtungdas Fäßchen auf der Tafel des Ministers stellung . Schnurrbart zitterte. Ich will Ihnen wenn erschien, doch war es vielleicht noch Zeit, das Mit prüfenden Blicken betrachtete ihn etwas sagen, Kreiter ! Die Geschichte geEntsetliche abzuwenden, und so verließ er sofort Sie haben sich zum fällt mir, und ich hätt' es an Ihrer Stelle das Theater, um nach dem Hotel des Ministers Also der Offizier. wohl ebenso gemacht. Und so will ich zu eilen , aber der Regen goß in Strömen. Rapport gemeldet ?" "Zu Befehl, Herr Rittmeister ! " mir denken, daß Sie mir das alles nicht keine Droschke war zu sehen und im Eifer // Ueber wen haben Sie sich zu beim Rapporte, sondern privat erzählt haben. hatte er obendrein vergessen, sich aus der GardeAberrrrr follte ich von irgendwelcher robe seinen leberzieher geben zu lassen. schweren ?" Es blieb ihm nichts anderes Ueber mich selber - " Seite eine dienstliche Meldung erhalten , was thun ? Sie übrig, als in seiner leichten eleganten Kleidung, Der Rittmeister horchte auf und zog so kann ich Ihnen nicht helfen den strömenden Regen und Straßendie Brauen in die Höhe , während Hans wissen, was ich Ihnen versprochen habe ! " durch ſchmutz, nach der ziemlich entfernten Wohnung Kaum hatte der Rittmeister ausgeredet, des Ministers zu wandern, dort angekommen, mit stotternder Stimme weiterhaspelte : und vier Tag' hat's mich jekt als eine Ordonnanz die Post des Tages den Jäger nach dem unglücklichen Fäßchen zu "Ja schon druckt und drum muß ich's sagen, brachte. Mit seltsamen Augen betrachtete der fragen und ihn, unter Beifügung eines Fünfweil ich sonst dem Herrn Rittmeister gar Rittmeister ein Schreiben , das den Post- markstücks zu bitten, den Kaviar nicht auf die nimmer in d ' Augen schauen könnt' ! Denn stempel ,, Tölz " und ein gerichtliches Siegel Tafel kommen zu lassen. Der Jäger wußte wie ich selbigsmal in Urlaub dürfen hab' , trug. Er öffnete, las – und schaute lächelnd von nichts, die übrigen Domestiken auch nicht da hat mir der Herr Rittmeister eigens auf: Johannes Kreiter - melden Sie sich und Herr A. mußte sich mit der Versicherung daß der bewußte Kaviar unter keinen noch g'sagt , daß ich ganz b'sonders mich beim Wachtmeister aufIhre vierzehn Tage ! " begnügen, Umständen zum Vorschein kommen solle und ordentlich aufführen sollt und jet „Zu Befehl, Herr Rittmeister !" kehrte halb beruhigt nach dem Schauspielhause Rechtsum kehrt die Sporen klirrtenim zurück, um seinen Ueberzieher zu holen und hab' ich halt dengerst drauf vergessen ja- und in der lezten Nacht noch, da Anschlag der Fersen- und mit fröhlichem zwar wieder zu Fuß, weil, naß und schmußig hat's an Handel ' geben , und da hab' ich Gesichte marschierte Hans zur Thür hinaus . wie er war, keine anständige Droschke ihn aufein' recht durchg'haut, so ein' " Draußen ließ er den Pallasch auf die nehmen wollte und bald stand nun GeheimeZur rechten Zeit noch verschluckte Hans Steinplatten rasseln, schnalzte mit Zunge rat B. dem vor Frost mit den Zähnen klappernim Gange gegenüber. das Wort, das ihm auf der Zunge gelegen. und Fingern , und ficherte: "Kann ich den Freunde Mein Gott !" ruft er dabei , „ Sie sehen Dem Rittmeister schien das Lachen näher grad vierzehn Tag' in ei'mfort an mein ja aus wie eine gebadete Kate ! Wo sind Sie zu sein als das Zürnen. Dennoch aber Rost denken !" denn gewesen ?" furchte er die Stirn und herrschte den „ Nun, wo anders als beim Miniſter !" war Soldaten an: Erzählen Sie ! Wie ist die ärgerliche Antwort; übrigens ein recht dummer Spaß von Ihnen ! Es ist unverantdas zugegangen ?" My Pi Fizi e r t. wortlich! Sehen Sie nur, wie durchweicht und Und Hans erzählte, erzählte alles , vom Die Geheimräte A. und B. waren Jugend- beschmugt ich bin !" ersten Urlaubstage bis zum Tage jener Wenn's weiter nichts ist," lacht GeheimeHochzeit. //Und schauen S , Herr Nitt freunde und hatten aus ihrer lustigen Jugend3., dann ist's nicht schlimm und läßt sich rat die sehr unlöbliche Gewohnheit mit her meister," schloß er endlich, wie nachher seit übergenommen, sich hin und wieder zu myſti- | leicht wieder gut machen. Wissen Sie, ich der Kirchbauer in der Nacht mit seiner fizieren, zu deutsch anzuführen". schicke Ihnen morgen Ihren Kaviar zurück Bäuerin und mit der Rost heimgangen Eines Tages nun gab Geheimerat B. ein damit können Sie alles waschen lassen." ~ v. P is, da hab' ich freilich mein' g'hörigen Üb- kleines Diner, zu dem er natürlich auch Geheime-
er Sammler
Kaiser Wilhelm.
Neue Rosen. Don D. Hüttig. Endlich ist es einem Deutschen nach vieljähriger Mühe und zahlreichen Versuchen gelungen, vier neue Nosen zu erziehen, die auch sofort die Anerkennung der Deutschen gefunden haben unserer deutschen Fachgeroffen, die gewöhnlich drei Jahre zu dem Urteil brauchen, daß die von einem Deutschen gezogene neueRose zur Prüfung zugelassen werden darf, während die Züchtungen der Engländer, Franzosen und Amerikaner sofort ange nommen, sofort und ohne Prüfung als etwas Entzüdendes, Neues dem Handel übergeben werden". Der glüdliche Deutsche, dem es gelang, für seine Rose Kaiser Wilhelm der Siegreiche" in der vorjährigen Ham burger Rosenausstellung den ersten Preis zu erzielen , ist Herr Rettor Drögemüllerin Neustadt a. d. Elbe, der sich seit Jahren bemüht hat, durch künstliche Befruch tung mehrerer Sorten Taufende von Sämlingen zu erziehen, von denen er vier ausgewählt und dem Urteil der Stenner unterstellt hat. Es ist ihm gelungen , für die eine Sorte den höchsten Preis der Deutschen zu gewinnen , für die anderen drei ebenso und zugleich die Anerkennung des Aus. Landes. Wir geben hier eine kurze Beschreibung dieser eine zur Abwechselung deutschen Rosen, denen wir Engländerin und eine Amerikanerin anschließen. Die vier deutschen Rosen des Herrn Drögemüller heißen: Kaiser Wilhelm der Siegreiche", First Bismard", Fürstin Bismard" und Weiße Seerose". Die Engländerin heißt Gelbe Malmaison" und die Amerikanerin Amerikanische Schönheit . Beigefügt ist noch eine Abbildung von der schönen 20. F. Benet (S. 274). Kaiser Wilhelm der Siegreiche" (1. oben).
ist eine Theerose und entstand aus einer Kreuzung durch fünstliche Befruchtung zwischen Madame Bérard und Perle des Blume ist groß, jardins. sehr groß , Die sehr gut gefüllt, öffnet sich leicht , hat eine schöne Form und gute Haltung. Die Farbe ist von außen schön weißlichgelb , innen glänzend dunkel gelb, farminrosa angehaucht. Der Strauch ist von starkem Wuchs, hat eine glänzend grüne Belaus bung, rötliche Dornen und erträgt die Unbilden des Winters ziemlich Leicht. Die Theerose Fürst Bis mard" ist ein Abkömmling (Sport nennen's die Fachmänner) der schönen Sorte Gloire de Dijon, blüht aber reichlicher als diese und ist rein gelb von Farbe. Die Sorte dürfte sich gut zum Treiben eignen. Fürstin Bismard" ist eben falls eine Theerose, die aus Gloire de Dijon und Comtesse d'Oxford entstanden ist. Sie wächst sehr kräftig und der Strauch hat ein glänzend grünes , festes Laub. Holz und Bewehrung sind wie bei Gloire de Dijon Die Blume ist groß, ganz gefüllt und von schöner Haltung ; die Blumenblätter sind hohlziegelartig übereinander gelegt ; die Farbe ist ein wenig veränderlich, aber immer schön und wechselt von chinesischrosa bis firschrot . Sie blüht beinahe unaufhörlich und ift bis heute der schönste Sämling, der jemals aus Gloire de Dijon erzogen wurde. Die Weiße Secrose " ist eine Theehybride , also aus einer Remontanterose (Mademoiselle Eugénie Verdier) und einer Theerose (Gloire de Dijon) entstanden. Der Strauch ist sehr fräftig, hat entwidelt aufrechtstehende Zweige, ist wenig bewehrt und mit glänzend grüner Be laubung bekleidet. Die Knospe, welche bei den Thee hybriden schöner zu sein pflegt , als die geöffnete Blume, die Knospe, sagen wir, ist von tegelförmiger Gestalt und kurz vor dem Aufblühen von wirklich idealer Schönheit. Die Blume steht aufrecht und besitzt große , lange, halt. bare Blumenblätter; ihre Farbe ist glänzend atlasweiß wie bei der Seerose unserer stehenden Gewässer (Nymphaea alba), an die sie auch als aufbrechende Knospe lebhaft erinnert. Wegen ihrer auffallenden Schönheit und Halt barkeit ist diese Sorte eine ganz vorzügliche Schnittblume. Die Gelbe Malmaison" (S. 273) ist wie ihre schöne Schwester Souvenir de la Malm aison" eine Bourbonrose und dieser ähnlich ; nur hat die Blume eine stroh- oder primelgelbe Farbe. Sie kommt erst in dem nächsten Jahre in den Handel, und zwar haben, wie bei allen anderen hier genannten Rosen, die Herren Gebrüder Schultheis in Steinfurth bei Bad Nauheim in Hessen, die berühmte Rosenfirma , den Alleinverkauf bis auf weiteres übernommen. Die Amerikanische Schönheit" (S. 276) oder American Beauty ist 6 cm groß, schön gefüidt, tar minrosa und erscheint aufrechtstehend stets einzeln am Ende jeden Triebes. Die Blätter sind groß, glatt und glänzend. Die Berichte der amerikanischen Zeitschriften über diese Rosensorte lauten sehr günstig; sie läßt sich im freien Lande wie ganz besonders zum Treiben im Topf verwenden und ist schließlich eine ausgezeichnete Schnitt blume.
Ein Reisebericht Fr. Gerfläckers . (Bisher ungebrudt.) Viele Leser werden sich wohl noch des großen Aufsehens erinnern, welches Fr. Gerstäder mit seinen Reiseromanen vor drei bis vier Jahrzehnten hervorrief. Sein mehrbändiger Roman z. B. Nach Amerika" trug nicht wenig dazu bei , die deutsche Auswanderung nach dem stillen Ocean zu befördern. Er war eine Zeitlang der gelesenste deutsche Nomanschriftsteller, und alle Journale rissen sich um seine Reiseaufsätze , welche von reichen Erfahrungen, scharfer Beobachtung und einer lebhaften, manchmal zu lebhaften Phantasie Zeugnis ablegten. So wurde er u. a. auch Mitarbeiter an der , Europa", welche damals Gustav Kühne, der Letzte vom Jungen Deutschland, von 1846 bis 1856 leitete. Durch Zufall ist nun einer der Auffäße: Von Batavia nach der Weser", ungedrudt geblieben. Der Güte der Frau Dr. Kühne, geb. Harkort, verdanke ich den höchst interessanten Aufsatz, von welchem gewiß die Leser unserer Zeitschrift mit Ver gnügen Kenntnis nehmen werden. In diesem Artikel prägt sich die ganze Eigenart, des genialen Plauderers, Ro manciers undWeltreisenden aus ein Erzähler gleich der Schehe rezade in Tau und send eine Nacht" zaubert er eine in Europa noch we benig fannte Welt im fleinen vor unser Auge. Er belehrt und un-
Gelbe Malmaison (S. 272).
Ein Reisebericht fr. Gerstäckers. 275
274 Der
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kluge Fisperl. Eine lehrreiche Hundegeschichte.
334 terhält zugleich und mit bewunderungswürdiger plastischer Anschaulichkeit weiß er Land und Leute vor uns hinzustellen. Wer diese Blätter liest, glaubt den lustigen Erzähler in seiner grün ausgeschlagenen Jagdjoppe leibhaftig vor sich zu sehen, wie er im Café Märker zu Dresden zumeist Billard spielte und dabei vor einer Corona berühmter Leute, wie Berthold Auerbach, Karl Gutzkow, Gustav Kühne u. s. t. seine Jagdabenteuer in rosiger Laune erzählte. Den 27. Januar. Endlich an Bord - nach langer, Langer Pilgerfahrt das Schiff betreten, das mich der Heimat ich will meinen Lesern zum wieder entgegenführen sollte neuen Jahr nun allen das Gefühl wünschen , das die Brust des armen, wegemüden Wanderers durchglüht, wenn er zuerst die Schritte wieder heimwärts- heimwärts o wie süß das Wort schon klingt - lenken darf. Alles liegt dahinten, was das Menschenherz gelitten - getragen alle die einsamen alle Entbehrungen , alle Gefahren Tage und traurigen , ewig langen Nächte, und vor uns das herrlichste Ziel, dem der Wanderer nur entgegenstreben das Vaterland ; was sind da die wenigen fann tausend Meilen Salzwasser, die uns noch von den teueren Küsten trennen, und die Stürme und Klippen , die da zwischen liegen in dem einen Gedanken der Heimfahrt schwinden sie zu einem Nichts zusammen , und das Herz ist schon daheim, während der Körper noch, von schwellenden Segeln geführt, dem, o so lang , so heiß ersehnten Lande entgegenfliegt. Vaterland? - und haben wir armen Deutschen denn wirklich ein Vaterland? müssen wir nicht in jedem fremden Weltteil spezifizieren, ob wir von Anhalt-Dessau oder Sachsen-Roburg , von Preußen , Desterreich oder Lippe-Detmoldfind ? Steden dieschwarzrotgoldenen Flaggen nicht etwa nur traurig und verstedt in den Privat wohnungen und hinter den Spiegeln einiger to eniger o so weniger Deutschen in fremden Weltteilen , anstatt von den Gaffeln unserer Schiffe, von den Dächern unserer Konsuln stolz und lustig hinauszuflattern, als die Farben cines einigen, starten Voltes ? Vaterland - du schöner Traum neben mir liegen deutsche Zeitungen und was fteht darin? Ordensstiftungen und Verleihungen, Truppensendungen und Neid und Eifersucht zwischen den Staaten, die gerade mit feftverschlungenen Händen jest und verschlungen zusammenstehen sollten. Ja, fest sind wir und verschlungen auch, aber leider in einem anderen Sinn als dem rechten , und ein Teil der Völker aber fort, fort mit af den traurigen Bildern , die mir das Leben nicht jetzt, nicht in dieser Zeit verbittern sollen nicht das politische Deutschland ist es, nach dem ich mich sehne , dem ginge ich, wäre das irgend möglich, lieber noch ein paar Seemeilen aus dem Wege, nein, die guten Menschen sind es, zu denen ich auriid will, zu den alten,
W. F. Bennet (S. 271).
liebgewonnenen und ach so lieb behaltenen Bäumen, Städten und Straßen , zu den Lerchen und Schwalben, zu dem tiefblauen Himmel und den nordischen Gestirnen der Heimat will ich zuriid, und das haben sie mir doch hoffentlich gelassen , wie es war und nicht auch zu Tode gebrüdt mit ihren Gesetzen und Verordnungen , ihren Beglüdungs- und Rettungsversuchen. und dem ziche ich entgegen, die Eegel blähen , das
fchöne, mächtige Schiff zieht fröhlich durch die schäumende | wir volifommen Zeit, unsere überaus schwierige Rechnung Flut , rechts und links gleiten die üppiggrünen Inseln mit ihnen in Ordnung zu bringen, und dieBoote wanderten der Sundastraße vorüber, unseren Weg kreuzen die wunder nach Tisch, mit dem Verkauf ihrer Artikel, wie es schien, lichen, schnellen Prauen der Eingeborenen und bleiben ziemlich zufrieden (und nachdem die Matrosen noch bei zurück, rechts dehnt sich die Küste von Sumatra, lints die läufig Früchte und Muscheln für alte Wäsche und Kleider von Java aus, und der fröhliche Gesang der Matrosen eingehandelt hatten) dem Lande wieder zu. lauter Deutsche, die ja auch zu den Ihrigen zurüdkehren. Gegen Abend erhob sich ein frischer Wind , uns eben zieht mir schon wie ein Vorbote fommender Lust durch gerade in die Zähne , und so unmöglich wurde es zuletzt, die Seele. dem engen Fahrwasser gegen diesen Sturm und die Die Bremer Barte Herder, Kapitän von Hagen, in Strömung in der dunkeln Nacht anzukreuzen, daß wir um ist ein stattliches , vortrefflich eingerichtetes Schiff und neun Uhr etwa wieder ein Stück vor dem Wind zurücksegelt auch, wie sich jetzt ausweist, vortrefflich. Die Kajüte laufen mußten, in sicheres Fahrwasser zu kommen. In ist höchst elegant eingerichtet, und der Kapitän sieht darauf, der Nacht räumte der Wind aber noch etwas auf, und den sauber polierten Mahagoni so blitzend und blank zu wir konnten wieder, mit freierem Seeraum, der Mündung erhalten wie möglich. Das Schiff ist dabei voll geladen und geht 17 Fug tief und hat überhaupt 600 Tonnen , fährt also auch nicht so topfunter und über, als ob es in Ballast ginge, und mit nur irgend günstigem Wetter dürfen wir wohl mit Recht auf eine gute und schnelle Reise rechnen. Mit uns zusammen aus ging die Hamburger Brigg Christian, Kapitän Binder, nach Benculen in Sumatra , bes stimmt , Pfeffer für China einzunehmen. Es ist jetzt gewissermaßen ein Wetteifer zwischen den beiden Schiffen, wer zuerst durch denn dort scheiden die Sundastraße kommt sich unsere Bahnen , bis jetzt sind wir noch voraus und werden uns auch wohl so halten. Der Herder segelt jedenfalls besser bei dem Winde als der Christian , und das thut hier, wo wir fortwährend frenzen müssen, sehr viel. Den 30. Januar. Noch lavieren wir in der Sundastraße gegen den Westmonsun und die gewaltige mit diesem natürlich laufende Strömung an; die anderen Schiffe, die Hamburger Brigg Christian, die preußische Barke Rita , und eine Holländische Barte, die teinen Namen am Deckt führt, haben wir lange überholt. Heute morgen umjegelten wir die nach Norden am weitesten American Beauty (S. 272). ausstredende Spike Javas, das Kap Michalas, und kamen in die Nähe von Anyer , das wir schon länger sehen konnten. Hier kommt gewöhnlich ein Postbote an Bord, um nach Batavia Namen und Bestimmung des Schiffes der Sundastraße zuhalten. Morgens waren wir an der rapportieren zu fönnen. Vor dem aber, vor der fleinen Insel Kratatau tein Schiff weiter in Sicht , und das Insel , Dwars in den Weg", die wie der alte felige Martin Wetter trib und regnerisch. Noch einen Tag jest hoffentlich Haase ihren Namen in der That mit Recht führt, hatte und wir sind in offener See und dann ziehen wir fröhlich uns schon ein schwer beladenes Fruchtboot angesegelt und der Heimat entgegen. die Malaien, die unter Schreien und Jauchzen , aber 31. Januar. Beim Hinaustreuzen aus der Straße immer im Taft zu ihren Ruderschlägen , herangekommen fiet heute leider einer von des Steuermanns Affen über waren, fletterten nun an Bord, und boten in einem Bord - der arme Kerl versuchte noch langehinter dem Schiff schauerlichen Gemisch von Eprachen, auf das sie sich nicht herzuschwimmen , wir liefen ihm aber zu schnell . Auch) wenig gut zu thun schienen, ihre Waren feil. einer von den fleinen Zwerghirschen segnete das ZeitlicheSie hatten füße Kartoffeln , Bananen , Ana wenn das so fortgeht, werden wir nicht viel von unseren nas, Tamarinden, Zwiebeln und Pampelmus , und Tieren behalten. außerdem noch Hühner, Affen, Zwerghirsche, Vögel, Den ersten Februar arbeiteten wir uns mit ziemlich eine Art Marder und Muscheln. Wir tauften ihnen guter Brise glüdlich aus der Straße hinaus, wir hatten noch wenigstens die halbe Bootsladung ab, demzufolge all die anderen Schiffe , die selbst darin und vier Tage wir jetzt eine förmliche Kolonie von sieben Affen, fünf vor uns ausgelaufen waren , überholt , und feines von 3werghirschen und Gott weiß wie viel Dugend Reis- allen mehr in Sicht. Der Herder hat sich bis jetzt als vögeln, Fasanen, Hühnern, Enten zc. an Bord haben. ein vortreffliches Fahrzeug bewährt, und ich will nur Es ist eine förmliche Menagerie, und der große präch hoffen, daß er so aushält. tige Neufundländer , der dem Kapitän gehört , ging Schiffe steuern von hier aus , und in dieser Jahreszwischen all dem Zeug und den schnatternden Malaien zeit, im Westmonsun , so viel südlich als möglich , um ganz ernsthaft herum, beschaute sich bald bald fünfzehn bis achtzehn Grad südwestliche Breite zu das eine und bald das andere und stieg erreichen, wo der Südostpassat vorherrscht und sie dann dann endlich fopfschüttelnd wieder aufs einen trefflichen Wind bis zum Kap haben. Quarterded hinauf, als ob er hätte Den 6. Februar. Bis jetzt macht sich unsere Reise jagen wollen: Kurioses Zeug, die Men vortrefflich - heute schon, und noch auf dem 1212 Grad sch en was sie alles für Bedürfnisse ha südwestlicher Breite, 102 östlicher Länge, befamen wir den hatte er nicht recht? ben" und Südostpassat und laufen jetzt oft bis neun Knoten (oder Eine entsehliche Konfusion entstand englische Meilen) die Stunde. Es weht eine unbezahlbare aber beim Bezahlen, denn natürlich hatte Brise. feiner von uns von dem nichtswürdigen javaniDen 14. Februar. Was für ein herrliches Gefühl schen Papier- oder Kupfergeld mitgenommen (von es doch ist, mit gutem Wind, auf einem guten Schiffüber Silber habe ich in den Monaten, die ich auf Java die wogende tiefblaue See zu gleiten ! Das Meer ist dann war, auch nicht ein Stück gesehen) und englisches nicht mehr tot und langweilig wie bei einer Windstille, Gold und englische Schillinge fannten sie wohl wo es sich, einem schläfrigen Walfische gleich , nur oben recht gut, weigerten sich aber hartnädig, sie zu faut wälzt und dehnt , und feine Verminderung seiner ihrem vollen Wert zu nehmen und versuchten erst spiegelglatten Oberfläche zeigt, als eben das ewige Heben das Aeußerste, noch daran ju mäfeln und zu dingen, bis und Steigen o eine Windstille ist etwas Entsetzliches-, wenn die Segel schlaff und schwer gegen die Masten sie dann endlich sahen, daß es gar nicht anders ging . Eine andere Schwierigkeit bestand in den javani schlagen , und das Schiff auf der langsamen Dünung reund , roepiah Silbergulden und herumtaumelt und sich wie ein Betrunkener, der zu müde schen Kupfercepis , von denen der Silbergulden 120, der Kupfer ist , ein Bein vor das andere zu setzen, oben nur im gulden nur 100 der elendesten Miinzforte hat, die außer Kreise dreht. Wie anders ist da das Gefühl , der ganze Anblick dem Heller vielleicht in der Welt eristiert. Das tleine alle Eegel gespannt und gebläht, Silbergeld, was sie dabei zuleht in Wechsel brachten, einer scharfen Brise bestand teils aus schlechten Vierteldollaren , einzelnen die Taue straff, das Schiff nur eben zum waderen Lauf Schillingen und amerikanischen 10-Centstüden, das man ein flein wenig auf die Seite gelegt, wie ein flüchtiger nachher an sie selber faum wieder los werden fonnte. Renner und gerade wie ein Pfeil vom Bogen seine Da der Wind indessen total eingeschlafen war , befamen Richtung verfolgend; das Meer voll Kraft und Leben, die
Unsere Einzelbilder. - Was aus einem fleischertrakttopf alles werden kann . 1 Ein praktisches Buch. 279 278 277
舒
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Wogen dunkelblau mit den schneeweißen Kronen einander jagend und toll und jubelnd hinter den ihnen immer und immer wieder entgehenden Schiffen dreinstürmend, die Luft frisch und fühl, selbst der Himmel mit den jagenden Wolfen ein Spiegelbild unseres fröhlichen Treibens hier unten. Gott gebe uns nur immer eine gute Brise nicht zu stark und nicht zu schwach wenn's aber denn dod einmal ein oder das andere sein muß, dann lieber ein bißchen zu stark. Am achten morgens überholten wir eine holländische Barke, sie hatte ihre Vorbram und Vorbramrahe an Dec, und wir liefen rasch zu ihr auf ; als wir aber nicht mehr weit von ihr entfernt waren, bekam sie die Nahen wieder nach oben, setzte die Segel, und es begann nun ein Wettlauf zwischen den beiden Schiffen. Bis jetzt hatten wir alles überholt, was uns in den Weg gekommen, dies Schiff schien aber ebenfalls ein guter Renner, und es gab tüchtige Arbeit, hinanzukommen. Gegen Abend überholten wir den Holländer, jei es aber, daß unsere Leute in der Nacht nicht recht aufgepaßt und den Wind viel leicht nicht nach besten Kräften benutzt hatten , turz , am nächsten Morgen war der holländer wieder voraus, und zwar ein weit größeres Stüd, als wir je über ihn vorgefommen waren. Am Abend vorher hatten wir uns die Flaggen gezeigt und mit Sonnenuntergang einander freundlich gegrüßt (was auf See durch dreimaliges Auf- und Nieder ziehen der Flagge geschieht), jetzt aber hörte die Freund schaft auf, und es galt ihn wieder zu kriegen. Die Rahen, von denen einige ein wenig zu tief standen, daß die Segel mehr bauschten als nötig war, wurden fester angezogen, die Segel genau nach dem Wind gerichtet, und fort ging's mit acht, neun, ja manchmal zehn Meilen Fahrt. Gegen Abend waren wir wieder mit ihm gleich. Ich hatte aber nie im Leben geglaubt, daß zwei Schiffe so egal mitsammen segeln können, während beide ihr Bestes thun, wie wir es in der letzten Woche gethan haben , denn bis gestern am 13. waren wir noch ziemlich in einer Linie miteinander, bald er ein wenig vor , bald wir, und erst feit gestern abend haben wir ihn etwas zurüdgelassen , es ist aber darum gar nicht gesagt, daß er uns bis morgen doch nicht am Ende wieder aufkommt. Heute ist die Brise ein wenig leichter, und wir haben am großen Mast noch ein Stysail und Oberbramleesegel angebracht. Das Stysail (das sich die Deutschen mert würdigerweise mit Schei- Sail übersehen) kommt eigentlich nur wenig, und dann nur bei großen Schiffen vor. Es steht über dem großen Bramsegel fast in der äußersten Spike des Tops " und ist das fünfte von unten. Unten nämlich fommt zuerst das große Segel " , über diesem das Marssegel , dann das Bram, dann das Oberbram und nun noch über diesem das Stysail oder Himmelssegel, wie es der Engländer nennt; was wir doch eigentlich unmöglich mit Schei- Sail übersetzen können. Auf Striegsschiffen besonders haben oft sehr große Schiffe noch manch mal zwei Segel selbst über diesem Stysail den Moonrafer und Starscraper , wie sie, glaub' ich , heißen (Mondreicher und Sternfrater) ; diese, die natürlich nur bei ganz leichtem Winde aufkommen fönnen, dienen aber mehr zum Zierat als wirklichenNutzen, und kommen daher auch nur sehr selten vor. Der 9. März. Tüchtiger Sprung das, vom 14. Februar auf den 9. März, für ein Tagebuch, aber lieber Gott, die Zeit der Romantik auf See -die der Piraten und anderer Ungeheuer ist vorbei- fein Meerweibchen macht ihre Toilette mehr in den schaukelnden Wogen und fodt den träumerischen Fischer" zu sich herab - nicht einmal träumerische" Fischer gibt's mehr, höchstens noch schläfrige, und selbst der fliegende Holländer ist irgendwo eingelaufen, oder endlich einmal led geworden und gesunken, da gibt's nachher nicht einmal mehr etwas zu notieren, viel weniger zu beschreiben. Heute ist freilich einmal ein bißchen Abwechselung draußen wir sind am Kap der guten Hoffnung, und obgleich dies ist, was sie die gute Jahreszeit nennen, um das Kap von Osten nach Westen zu umsegeln , peitschten wir doch wieder mit doppeltgerefften Segeln gegen einen scharfen West-Nord-Westen, der genau aus der Gegend her wehte, wo wir hingwollen, und uns immer wieder nichts mutigerweise nach Süden hinunter aus unseremKurs schlägt. Es ist ein förmliches Vergnügen , bei solchem Wetter am Tisch zu sihen und zu schreiben ; vor die Brust habe ich ein Rüdentiffen gestopft verkehrte Welt - denn der ganze Brustknochen ist mir schon von dem ewigen gegen den Tischwerfen, blau geworden- undbaldlinks, baldrechts hinüberfahrend, mit dem Stampfen des Schiffes, muß man in ordentlicher Balance sitzen. Ich wollte, ich hätte alle deutschen Recensenten hier mit mir am Tisch, da tönnte man doch noch Spaß haben. Da wir sehr tief geladen liegen , schlägt fortwährend eine Wassermasse über Deck , verhältnismäßig segelt der Herder aber doch ziemlich ruhig - es ist ein ausge
zeichnetes Schiff und jedenfalls das beste, in dem ich noch gefahren bin, die Jane Remorino ausgenommen . Bis jetzt war unsere Reise vortrefflich. Am 28. verloren wir erst die holländische Barke aus Sicht , mit der wir fast drei Wochen zusammengeblieben waren ; sie mußte aber dochzuletzt zurüdbleiben. So verging die Zeit ziemlich mnonoton - das ist eine entsetzliche Geschichte, wenn man von weiter nichts als Wind reden hört, und sich auch für weiter auf der Welt nichts interessiert, als von welcher Seite der Wind herbläst und ob er einen Strich aufräumt oder wegschrahlt. Aber gesund befindet sich der Körper in der frischen Seebrise der Mensch hat einen Appetit, daß er sich selber darüber freut. Den 5. März, etwa auf 300 südl. Breite und 410 östl. Länge , also nicht weit mehr von der Küste entfernt, friegten wir den ersten Gruß vom Kap- einen tüchtigen Südwest, vor dem wir vierundzwanzig Stunden mit dicht gerefften Segeln lagen. Am 6. März abends um 11 Uhr bekamen wir die Küste von Afrika in Sicht und liefen am 6. daran hin. Eine niedere, dunkle Hügelkette zog sich am Lande hin- die Hänge schienen meistens mit braunem Gras bewachsen, und nur hie und da traten düstere Waldflecken deutlicher von dem helleren Grunde ab. Die ganze Küste schien übrigens in Brand zu stehen ; überall stieg dider Qualm empor, und an einer Stelle glaubte ich sogar, durch das Fernrohr einen viereckigen Kraal zu erkennen, in dessen einer Ede eine Partie dunkler Gegenstände, vier Häuser, in Flammen standen, es war übrigens zu weit, irgend etwas deutlich) unterscheiden zu können. Es mag ein gotteslästerlicher Gedanke gewesen sein, aber wahr ist's, daß beim Anblick der fremden, geheimnis vollen Küste, die ich nicht betreten sollte, allerhand nichtsnutzige Wünsche in mir emporgestiegen. Ich wäre in dem Augenblick vollkommen damit einverstanden gewesen, wenn wir irgend ein paar Masten über Bord gejagt hätten oder so aus Versehen einmal auf die Küste aufgelaufen wären . Nachher eine prächtige Wanderung durchs Land nach demKap- einige aufgeregte Kafferhorden allerdings, die uns hätten im Wege sein können, aber das wäre das wenigste gewesen. Leider segelten wir schlank und gut vorbei , ja am achten bekamen wir eine Ostbrise, die uns acht und neun Meilen die Stunde, unserem Ziel ent gegenjagte. Auch gut, desto früher famen wir nach Hause, aber die Hoffnung habe ich deshalb doch noch nicht aufgegeben, denn es bläst jetzt draußen, was das Zeug halten will, das Schiff stampft mit Riesenmacht in die höher und höher wachsende See, und es kann am Ende noch eine ganz freundliche Nacht werden. Eine herrliche See steht jetzt draußen das Wasser ist hier, so in der Nähe der Küste, tief dunkelgrün , und wenn sich die Wellen mit ihren glasigen Naden und weiß schäumenden Kronen im Sonnenlicht überstürzen, ist der Anblick wirklich groß. Am 5. hatten wir ebenfalls sehr hohe und eine wahrhaft wundervolle See, auf die der fast gefüllte Mond sein magisches Licht mit einem feen haften Glanz niedergoß. Ich fonnte mich erst von dem Anblick gar nicht losreißen, und als ich mich endlich, abwendete nach unten, um zu Bette zu gehen , gab mir die See eine Probe mit - ich bekam eine solche Welle über den Kopf, daß ich mich augenblidlich troden wieder anzichen mußte.
務 Was aus einem Fleischextrakttopf alles werden kann. Es eristieren in jedem Haushalt eine Menge kleiner Gefäße, die sehr häufig ihres Inhalts entleert, in den Scherbenkasten wandern. Da ist z. B. der Liebigsche Fleischertrakttopf. Seine Form eignet sich als Blumenvase für größere , als Tintenfaß für kleinste Eremplare. Nimmt man eine dunkelblaue Porzellanfarbe , reibt diese mit etwas Didöl (eingedidt in Terpentin), Nelkenöl und ein paar Tropfen Terpentinöl, malt damit die Gefäße nach japanischem Muster oder nach Art der sächsischen blauen Porzellane (Zwiebelmuster) und läßt sie dann beim ersten
Bemalter Fleischertrafttopf.
besten Porzellanbrenner einbrennen, so hat man eine originelle Verwendung für die faft wertlosen Töpfchen gefunden. In ähnlicher Weise lassen sich verschiedene Mineralwasserflaschen bearbeiten. Zu diesen Arbeiten nimmt man Delfarbe, malt Ornament, Figur, Sprüche 2c. auf, läßt sie trocknen und laciert später das Ganze stark mit Dam marlad. Diese Majolikaimitationen lassen sich vorzüglich zum Ausfüllen von Lücken auf Renommierbrettern und Kaminaufsätzen verwenden. Spezielle Muster für derartige Arbeiten und aus Leider bricht hier das Manuskript ab, aber auch dieses Bruchstück wird sicherlichunsern Lesern eineinteressante führlicher Tert sind im Stizzenbuch für häusliche Kunst von S. Rosenbaum und Dr. Hardt , Berlin SW. zu Adolf Kohut. Lektüre gewährt haben. Ostar Hülder. finden.
Unsere Einzelbilder. Dieses Heft, an 3lustrationen ohnehin besonders reich, enthält auch noch verschiedene vortreffliche Einzelbilder in musterhaften Schnitten, zum Teil in Farben ausgeführt. 3n liebenswürdiger Weisestellt R.H. Wehle den Sommer dar, dieschlanke Frauengestalt mit dem netten Kind daneben wird jedem Beschauer ein angenehmes Gefühl erwecken. Ernster mutet der schöne Studienkopf von W. Löffz an, der die erste Seite des Heftes schmidt, aber auch an ihm erhebt sich der Beschauer. Tief traurig ist die Scene, die . Rauchinger in seinem Erlöser Tod in den Sibi rischen Bergwerken " darstellt. Welch reiches Leben mag hier unter Martern und Qualen geendet haben ! Und doch auch auf dieser Glenden Ende ist ein Lichtblick gefallen : das Mitleid des Gefährten, das deutlich aus deffen Auge spricht. Von menschlichem Mitempfinden, opferwilligem Handeln zum Helfen in schwerer Not erzählt auch O. Wergelands Bild: In höchster Not. Jeder von diesen Edlen, die dem Lied bedrängten Menschenbruder zu Hilfe eilen , darf das vom braven Mann für sich in Anspruch nehmen. - Die Beilage, die in diesem hefte die meisten Freunde finden wird , dürfte das große farbige Blatt Die Jungfrau sein, der sowohl im Kadenschen wie im Betterschen Artikel des Preisenden so vieles gesagt worden ist.
Ein praktisches Buch . Mit diesen Worten wäre eine kurze aber treffende Kritik des Geographisch-statistischen Weltleritons" gegeben, welches Emil Metzger bei F. Krais in Stuttgart herausgibt (18 Lign. gr. 80 à 50 Pf.). Zwar ist Welt -Veriton etwas viel gesagt, da es sich in Wahrheit nur um ein Erd -Veriton handelt, aber wir wollen feine Silbenspalterei treiben , sondern unsere Freude über das praktische , fast den Bedürfnissen eines jeden Gebildeten entgegenkommende Buch aussprechen. Soviel aus den bisher erschienenen 3 Lieferungen zu ersehen , hat es sich Mehger ehrliche Mühe kosten und feine Arbeit ver drießen lassen, das Ganze der politischen und physikalischen Geographie in leritalische Form zu bringen und dabei jedem praktischen Bedürfnis entgegenzukommen. Die Frage nach Lage, Einwohnerzahl, Post, Telegraph, Dampferverbin dungen, Gerichts , Industrieverhältnissen 2c. finden durch ihn zuverlässige und genügende Antwort und mit gutem Gewissen kann das Werk zu den Büchern gezählt werden, die ein Anrecht haben, in jeder Familie, auf jedem Bureau einen bevorzugten Platz zu erhalten. Möchte ihm dieser beschieden sein: der fleißige Autor und der junge unter r. nehmende Verlag haben es gleich sehr verdient.
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Zum Kopfzerbrechen . 281
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0 Charade. (2 Silben.) Das Erste hält zusammen das Zweite, Und hältst du nicht das Erste, So wirst du im Ganzen gehalten .
Bwrißlbige Charade. Männlich sei stets meine Erste, doch lieblich und zart sei die Zweite ; Herrlich dann wird der Bund , schließen ihn beide aus Wahl. Doch verbindest du sie und gibst zur Ersten die Zweite, Wird ein Unding entstehn , dir und den andern cin Graus.
Preisaufgabe. Wo ist der Rekrut : Arithmogryph . 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7 Tilet cines : 8. 6. 9. 3. 4. 10 bon : 11. 3. 12. 13. 7. 8= 10 . 14. 6. 13. 13 3. 4. 13. 6. 4 =S . 15. 16. 1.4 . 10. 13. 7.1.4 . berühmter : 2. 1. 8. 13. 15. 6. 10. 7 und 14. 6. 9. 17. 6. 4. 1. 10. 13 7. 1. 18. 7= 19 . 15. 13-3. 12. 12. 7. 10= 19 . 15 . 13 belanntes deutsches : 10. 17. 8. 1. 14. 5. 11. 6. S. 13 3. 18. 7. 12. 1. 4. 3= 17 . 3. 13. 13. 1 gefeierte : 10 . 20. 4. 19. 7. S. 1. 4 . 3. 4. 18. 7. 8. 10. 10. 7. 4 Sieger in vielen : 10. 14. 5. 12. 3. 14. 5. 13. 7. 4 auf dem 10. 11. 5. 3. 11. 5 . 16. 8. 7. 13 . Erster deutscher 10. 21. 3. 13. 11. 6. 4. 19. 8. 7. 10. 10 im : 3. 15 19. 15. 10. 13 dieſes 1. 3. 5. 8. 7. 10 in 3. 12. 13. 7. 4. 16. 15. 8. 19 .
AkroBichon. At Acht Adel After Gid Alſt Auber Diga Gros Meise Ede 3da Sofrates Rebus Moit Rad Wald Ulm Zand Turn Alle oben gegebenen Wörter sind durch Vorſchen je eince Buchstaben in andere Worter umzuwandeln und dann so zu ordnen , daß die Anfangst uchstaben der neuen 20 Wörter ein bekanntes Sprichwort ergeben. gese Pese
Skat- Aufgabe Hr. 24. (Eingesandt von N. K.) A (Vorhand) ſpielt mit den folgenden Karten Grand : Treff-Aß, in den andern drei Farben je Aß , Zehn, König. Die Karten sihen für A so ungünstig , daß er Schwarz wird. Wie sind die Karten verteilt und wie ist der Gang des Spiels ?
Geographisches Zahlenräffel. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 1 : eine Stadt in Lippe. $ 9 8 10 : eine Stadt am Main. 11, 12, 2, 13, 2, 9: eine Stadt in Westfalen . 7, 2, 12, 1 , 2, 6, 14, 2, 15, 13 : eine Stadt am Rhein. 2, 4, 2 , 6 : eine Stadt in Ostpreußen, 7, 8, 1, 14, 10, 15, 13 : cine Handelsstadt. 5, 14, 10 , 15, 13 : eine Stadt in Thüringen. 11, 8, 17, 15 , 2 , 10, 18, 7 : eine Stadt, bekanntdurch Rich. Wagner. 18, 5, 15, 13, 8, 10 : eine Festung an der Elbe. Die starkgedruten Ziffern ergeben, von oben nach unten gelesen, eine durch den 39jährigen Krieg bekannte Stadt.
Die einzelnen Etücke obiger Zeichnung sollen so zu sammengestellt werden , daß sich aus ihnen das Brustbild cines Netruten ergibt. Unter die Löser kommen folgende Preise zur Verlosung . Vedingung ist , daß die Lösung bis zum 1. November eingesendet wird , und ihr der Nachweis beiliegt, daß Einsender Abonnent ist. Preise . 1. Preis : 3. v . Falke. Hellas u. Rom. 2. Preis : W. Kaden. Die Riviera. 3. Preis : Kleinu. Thomé. Windmühlenrätsel. Die Erde und ihr org . Leben . 4. Preis : J. v . Falle. Preis:: i.. stulturvölfer. 5. Preis BEEEEEEH A BFlügel str. Kostümgeschichte der Stulturvöller. die Buchstaben sindleeren untenilchender 3. Windmühle Felder der vier In die 16 v. Hellwald. Die Erde u. ihre Völfer. 6. Preis : Erfter ILLLRS so zu verteilen , daß dieselben , in den ein Jahrgang des Humoristischen Deutschland. 7. Preis : A. v. d. Linde. Gutenberg. 8. Preis : H. Zöller. nach der Spitze zu gelesen, zelnen Flügeln vom Centrumman in jedem Flügel , vom Die Deutschen im brasil. Urwald . 9. Preis : Mengenvier Wörter ergeben ; stellt 10. Preis : Die weite obersten angefangen, in der Richtung nach rechts zunächst dorfet. Der Sonnenschein. die ersten Buchstaben, hierauf die zweiten u. f. w . zusammen, Welt I. 11. Preis : 3. v. Falle. Aeſthetil des Kunſtso erhält man vier andere Wörter ; die Buchstaben des gewerbes. 12. Preis : A. v. d. Elbe. Der Heliand. untersten und der beiden seitlichen Flügel ergeben auch infänger. 13. Preis : Th. Zolling. H. v Kleist. 14. Preis : umgekehrter Folge, von der Svike zum Centrum , jeein Wort . &. Werner. Der Egoist. 15. Breis : Kulturhisto rische Stamm bücher. 16. Preis : Ludwig Walesrode. Der Storch von Nordenthal. 17. Preis : E. v.Wolzogen. Heiteres u. Weiteres. 18. Preis : J. Scherr. Letzte Gänge 19. Preis : Paul Lindau Der Zug nach dem Westen. 20. Preis : J. Scherr. Geſtalten u. Geschichte. 21. Preis : Dammer. Der Naturfreund. 22. -25 . Preis : Je 3 Vände der Collektion Spemann nach Auswahl.
Schach -Aufgabe in Typen XXXI . Von Paul Haſſe in Berlin. weiß : Kf3 . Des . Tc2. Lgs. Ba3, a5, d2, g5 Schwarz: Kd6 . Sa7, d5 . Bd7, g7. Weiß sieht an und setzt in drei Zügen matt. Lösung von Nr. 38 . Ke5 - do Ke5 - e1 : 1... 1. Dc2 - c8 2. Des - ci + Kel - e5, f3 2. La7 - c5 + Kd6 - eɔ̃ 3. La7 — bs, Del - g1 . 3. Des - e8 . Lösung von Nr. XXX. Kd5 - cl 1. Ke3 - d2 e5 -cl 1 .. 2. Dh8g8 . . g3 ‡ — Dh8 2. Kd3 - e4 1. 1. · C5 - ck 2. Dhs es: +. 2 Les c6 +.1.. Kd5 - d6, e6 2. Dh8c5 : Schach- Aufgabe Hr. 39 . Von Adolf Steif in München. Echwarz. A B C D E F G H 00
8
8
ry 6
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5
5
DOD
Auflösungen zu Heft 12, S. 1239. Rätsel: List , Lust, Last. Kapselrätsel : 1. Wir halten uns von Capri Champagner u. s. w. 2. Ob sie den Brief gelesen hat , Therese u. s. w. 3. Man sandte feine Weine Nathalien u. f. w. 4 In Sicht dann end. lich kam er, Ade Neapel nun ! Ich halt' einen Same. raden. " Logogryph : Frad, Wrack. Homonym : Marke. Citatenrätsel: Eine Schwalbe macht teinen Sommer. Vogel ") . Bad Homonym : „ Elster“ („ Fluß Rebus : Die Nebe dehnt sich sonnenwärts, Nach Liebe sich das Menſchenherz . Wem Licht und Leben geht verloren, Der wäre besser nie geboren . Skat-Aufgabe Nr. 23. Zm Ekat lagen : Carreau-9 und Garreau»8. B hatte: Treff 10 , Pique- 10, Cocur- Ak, Coeur-10, Coeur-König , Cocur- Dame , Carreau - Aß, Carreau 10, Carreau-König, Garreau- Dante, Chatte: Pique- Vube , Coeur- Bube, Carreau-Bube, Treff-9 , Treff -8 , Treff-7 , Pique - 9 , Pique- 8 , Pique- 7, Coeur-9. A macht die ersten sieben Stiche. Die Gegner haben dann Rest; aber im ganzen nur 36 Points.
ས
Homonym . Wenn Männer in die Nacht hinein Eich lassen gutlich ſein, So stell' schon vor dem letzten Glaſe Wein Ich unfehlbar mich ein. Wiast dann mit mir du heimwärts ziehn, Wird's wohl nur schwer von ſtatten gehn. Und dennoch wirst du manchem Leid entfliehn, Will ich dir treu zur Seite stehn. Doch Undant Lohn ! Am nächſten Tag Haft me'n du schon vergessen : Da sonst ich dir am Herzen lag, Verschmähst mich nach dem Essen !
4
3
3
2
2
1
1
D E F G H Weiß. Weiß zieht an und setzt in zwei Zügen matt. A
B
C
+
H. Umselmann. 283
Charakter und Handschrift. - Saisongemäß. 284
L. v. Pröpper.
Aus Küche und Haus. 285
zu, wenn diese Schleife unten offen ist, wie sie Fig. 60 zeigt. | Eisen, also von besonderer Haltbarkeit. Trotzdem wiegt Schwiedland erklärt das häufige nach links unten sich ver er nur 2 k und kann bequem bei Fußtouren transportiert Charakter und Handschrift. licrende Zeichen, wie es Fig . 61 zeigt, als Schlagfertigkeit. werden. Der auf der Zeichnung sichtbare Sih ist aus Don Eine Beobachtung, die uns nicht selten in der Schrift vor, durchbohrtem amerikanischem Holz, feinpoliert, und dadurch ſichtiger, mißtrauischer Leute aufstieß, ist die: sie schreiben dem ganzen Stuhl ein Etwas gegeben, das ihn ebenso bes H. Amselmann. das Zeichen, bevor sie den eigentlichen Buchstaben hinsetzen. | haglich als elegant aussehend macht. Zwischen den beiIX. Der Schreiber der Handschrift Fig . 62 sett fast aus den Füßen befindet sich eine aus Kallito hergesteüte Indem wir daran gehen , in diesem Abschnitt über | nahmslos feino sonst ziemlich zusammenhängende Schrift Provianttasche, die mindestens immer für einen ganzen Tag Interpunktion und Punktion, d. h . über die Anwendung vor einem u ab und in einzelnen Fällen zeigt der von dem vor Borrat faßt und es dem Touristen ermöglicht, seinen Pro der Zeichen über 1, i (und auch u) zu sprechen, möchten wir hergehenden Buchstaben zu dem fraglichen Zeichen führende viant mit sich zu führen. Der eiserne Querstab über der unseren Lesern zu bedenken geben, daß diese anscheinenden Strich zur Genüge, daß die Feder vor dem Buchstaben u Tasche ist mit einem Griff versehen , um den Stuhl auch Kleinigkeiten für den Graphologen durchaus nicht ohne nicht absetzt, um ihn dann etwa vor dem Zeichen zu schreiben. bequem tragen zu können. Karl Hirsch u. Co., Berlin W, Interesse und Wichtigkeit sind. Leipzigerstr. 2, liefern den Stuhl im deutschen und öfterEs kann nicht unsere Absicht sein , den Mangel der Zur Beurteilung eingegangener Handschriften . reicheungar. Postgebiet für Mark 4.50 portofrei. Interpunktion bei den Damen zum tausendstenmale zu J. V. in T. Bildung und Intelligenz nicht sehr ent erörtern ; nur so viel widelt, gutmütig, aber nicht ohne Derbheit. Eigensinnig. ſei bemerkt, daß es ein Hält viel auf einen guten Braten , ein gutes Glas Wein charakteristisches Zeichen | u. dgl. Aus Küche und Haus . Mehrjährige Abonnentinnen in Würzburg . Rein für beide Geschlechter ist, Die Von ob 3. B. Ort und Das Proben I und II sind zu sehr zu dem Zwed der Beurteilung tum durch Punkte unter geschrieben und haben dadurch an Individualität eingebüßt, Fig. 59. T. von Pröpper. sich in ihren Teilen ge- namentlich I, die an und für sich schon sehr kalligraphisch trennt sind oder nicht, ob es also 3. V. heißt : Stuttgart, ist. Probe III leider sehr klein, intelligent, lebhaft, PhanOktober. den 5. VII. 87., oder : Stuttgart den 5 VII 87. Die Ab taste und Eitelkeit , Güte , doch nicht ohne Schärfe und Schildkröt ragout (Fansse Tortue). Man wesenheit der Interpunktion besagt in diesem Falle Ver- ziemliche Neigung zur Verschwiegenheit. trauen, wenig Vorsicht oder wenig Pedanterie , das Vor2. S. in Rußland. Eitel und gutmütig , noch nehme einen schönen abgebrühten Kalbstopf, der nicht zu handensein dagegen verkündet Vorsicht, Ordnung. Ebenso etwas grün und unausgebacken ; flüchtig, nicht ohne es zu furz, sondern einige Querfingerbreit hinter den Ohren abweist die Anwendung eines Punktes und Gedankenstriches wissen und nicht ohne das Bestreben , den Fehler gut zu geschnitten ist, und beine ihn aus, indem man, der unteren am Ende eines Abschnittes und überhaupt die häufige Ver- | machen . Sinnlich und sehr der augenblidlichen Stimmung Lange nach, einen Emſchnitt macht und das Fleiſch dicht an den Kinnbacken , der Schnauze und über der Stirne wendung dieser beiden Zeichen auf Vorsicht , Erfahrung, unterworfen. ablöst ; dann wässere man ihn , bringe ihn mit faltem Haute Autriche. Proben zu klein. A. K. in Hersb ... Ihre eigene Handschrift ist zu Wasser und etwas Salz zu Feuer, lege ihn, wenn er eins mal aufgelocht hat, in faltes Wasser und schneide ihn das Lalligraphisch zur Beurteilung, die beigelegten Proben, übers dies meist Adressen, würden allein den für graphologische nach in 5 cm große , vieredige Stüde . Die Ohren Beurteilungen ausgesetzten Raum von drei Nummern be- werden , dem Rande entlang, mit einer Schere ges zadt ausgeschnitten und alles nun mit 34 1 fräftiger anspruchen. Fig. 60. Fig. 61 . Irene in Wien. Eitel , kokett und selbstbewußt, Bouillon, + 1 weißem Wein, 'sS 1 Esia , einem Lorbeerblatt, zwei Citronenscheiben, zwei Zwiebelschniken , einer etwas gesucht , intelligent , sorgfältig , berechnend . MigMißtrauen. Punkt hinter Unterschrift legt gleich trauen tritt ziemlich hervor, nicht ohne Schärfe. Zeichen Möhre, sechs Gewürznellen , acht weißen Pfefferkörnern falls Zeugnis Der ab von der Vorsichtder des Schreibenden ; Punkt von und Salz weich gekocht. So vorbereitet, kann man den einer gewissen Noblesse. und Gedankenstrich laſſen diese Eigenschaft noch+ verstärkt • ..hoff in B ....nih. Sie verbinden mit In Kalbstopf wochenlang bewahren und dann jederzeit zu erscheinen. Michon macht darauf aufmerksam , daß LudRagout, Suppe , oder Mayonnaise verwenden. eigen sind Sie Züge; originelle mehrere oder einen telligenz wig XI., der wegen seines Mißtrauens bekannte französische Annig und verharren gerne bei Ihren Ansichten, zu denen 3ur Fausse Tortue nun werden sechs bis König , den Punkt sogar vor die Unterschrift ſezte. Ich Sie nicht immer auf dem Wege strenger Logit tommen. zehn feingehadte Schalotten, mit Butter und etwas Mehl felbst habe etwas Aehnliches beobachten können. Ein Freund, Fm gut, aber befehlshaberisch , nicht ohne gute schön braun gedämpft, mit guter Bouillon und einigen der zeitweise von hochgradigem , geradezu krankhaftem Mig- Im ganzen Eglöffeln Rindfleischjus oder etwas Fleischertrakt angevon sich selbst. trauen heimgesucht wird , schreibt je nach der augenblick- Meinung Baron in Innsbruck. Gut, lebhaft, licbens, | rühit, ein Glas Madeira und eine Meſſerſpite Cayennelichen Stärke dieses Dämons die Unterschrift mit oder ohne würdig, eitel, S. pfeffer hinzugegeben und dies eine halbe Stunde gekocht, Weltkind . Etwas gesuchtes Wescu. Punit D An der Oble. " 1) Offenbar Damenhand, der die dann durch ein Haarsieb gegossen, sorgsam abgesettet und wieder aufgekocht. Jeht nimmt man die Kaibstopfstücke Feder infolge Alters oder sehr starter Nervosität mehr nicht oder Geمیں danken- pariert. Außer auf Güte und Einfachheit wagen wir wegen aus ihrem Sude , läßt sie abtropfen , in der Sauce aufs ſtrich. Kleinheit der Probe auf nichts zu schließen. ”2) Zu klein. | kochen und fügt kurz vor dem Anrichten noch etwas Ansuchen Einmal Auf 3) Intelligent, aber gesucht, eitel und etwas derb, beansprucht Madeira und Eierllößchen (Schildkröteier) dazu , fann ließ ein recht viel Platz auf der Welt. Den Freuden des Lebens aber auch noch Morcheln, Trüffeln, Champignons, je nach Brief nur zugethan , eigensinnig. 4) Einbildung, Intelligenz , Sinn | ihrer Art zubereitet, und Farceklößchen hineingegeben. Fig. 62. zu dent für Repräsentation, starke Neigung im Hause und sonst Für die Eierllößchen treibe man sechs hart ge= lich durch das unbedingte Regiment zu führen. Sollten Sie nicht tochte Eidotter durch ein Sieb , verrühre sie mit zwei blicken, frischen Eidottern, 30 gr Butter, Salz und Muskatnuß sein ? Probe übrigens zu gering. daß das eine guteV.Tänzerin in Budapest. Das angenehmste aller Menschen zu einer glatten Masse , forme mit der Hand, die man Vertrauen des Schreibenden selbst zu denjenigen, denen er kinderH.sind Sie nicht : nervös, reizbar, scharf, launisch, citel, öfters mit Mehl bestäubt, haselnußgroße , den Schildsich sonst gerne anschloß , sehr ins Wanten geraten war : voll Widerspruchgeist und Eigensinn. Doch mag schwache tröteiern ähnliche Klößchen daraus und koche sie drei bis nicht nur ein Gedankenstrich, es ging und oft gestörte Gesundheit an vielem die Echuid tragen. vier Minuten in Bouillon ab. folgte Unterschrift der ihr auch einer voran! Beim Anrichten garniert man die Schüssel mit in Elsa in Nürnberg ; A. Schäff .. in Alth.; Eine große Rolle spielt auch das Pünktchen über i und Ch. P. in Kairo ; Wilhelm in Hamburg ; E. S. schwimmender Butter gebackenen Weißbrotdreiecken und wenig. Zeichen, diese u . Wer dem über die Schleife istens und das Heilbro nn; H.. ... ed in Köln ; G.. K.. in hartgekochten ཁ་ erste, unregelmäßig oder selten anbringt, der in die Mitte. Eivierteln und stellt die Ohren aufrecht in Kleinbockenh.; afe zu falligraphisch. wird fein Pedant sein und für strenge Ordnung nur eine Sch i ld l r öt juppe (Mock - Turtle - Soup). begrenzte Vorliebe zeigen ; das gegenteilige Verfahren, d. h . Man schneide den wie bei dem vorigen Rezepte vorge * eine sorgfältige Punktion , führt auch zum gegenteiligen richteten Kalbstopf in 2 cm große Stückchen, dämpfe vier Schluß. Lebhafte, ungestüme Menschen bringen den i-Punkt Saifonge mä . Eßlöffel Mehl in 125 gr Butter braun und gieße nebst gewöhnlich uni ein Ertledliches zu weit hinten an, da sie 1/ 1 Rotwein und etwas Fleiſcheytrakt so viel Bouillon Nachstehende Abbildung bringt einen für die Reise- dazu sich , wenn sie das Wort oder doch einen Teil desselben , daß die Brühe gebunden , aber ja nicht dick sei, beendigt haben , die Mühe nicht nehmen mögen, den ves | saison empfehlenswerten Touristenstuhl zur Anschauung, laſſe lasje etwa eine Stunde fochen , nehme alles Fett ab und alles_Fett treffenden Ort genau aufzusuchen. Derbe Materialiſten gieße sie durch ein Sieb , würze mit 1 1 Madeira und und energische Leute schreiben gewöhnlich auch derbe Punkte, einer Messerspitze Cayennepfeffer und thue die Kalbstopfsanfte und zarte Menschen umgekehrt. Es ist ein Zeichen. stückchen und Eierllößchen (). „ voriges Rezept“) hinein. von Entschlossenheit und Eigenſinn , wenn der Punkt die S ch i l d k r ö tmayo unaiſe. Hierzu muß man Gestalt cines accent grave annimmt, wie ihn Fig. 59 pour bien faire", eigentlich den Rüdenschild einer zeigt. Das nämliche gilt übrigens von dem InterpunktionsSchildkröte haben , der in seinen Restaurationen auch leicht punkt. Prinzipielle Gegner der Graphologie werden sehr zu erhalten ist , fann aber natürlich auch eine Schüſſel geneigt sein, sich über ein Verfahren lustig zu machen, das benutzen. So wie so schneide man den wie zum Ragout sogar den Punkt in den Kreis der Betrachtung zieht. Sie vorgerichteten und abgefochten Kalvskopf in passende Stücke, önnen sich damit trösten , daß gerade diese Frage unter vermische sie mit Mayonnaisejauce, lege sie gehäuft in die Umständen einen starten praktischen Wert besitzt. Man Schildkrötschale und übersäe fie reichlich mit Kapern, um» beachte diese Zeichen ganz besonders bei Fälschungen und gebe sie mit einem Kranze von seinem Salat und stelle anonymen Briefen : gewöhnlich verſteht es der Fälscher in Schale über eine mit achteckig gefalteter Serviette be, die diesem Punkt, indem er bei der Nachahmung einer fremden deckte Schüssel. Handschrift nicht daran denkt , diese Kleinigkeiten zu beRehbraten. Man nehme einen Hammelschlegel rüdsichtigen. mit dem Bein , entferne die Haut und alles Fett und Touristenstuhl aufgeklappt und geschlossen. Wir hatten schon früher Gelegenheit, von dem u-Zeichen gebe ihm das Ansehen eines Rehſchlegels ; lege ihn dann zu sprechen und die Beobachtung zu erwähnen , wonach mit Pfefferkörnern, ein paar Gewürznellen und einem dasselbe auf Vige deutet, wenn es geschlossen ist, d. h. als der uns als besonders zweckmäßig aufgefallen ist. Es | Vorbeerblatt in einen Topf und gieße tochenden roten Preis erscheint. Nach unserer Erfahrung trifft das nämliche | handelt sich hier um einen zusammenlegbaren Stuhl aus | Wein darüber, welches man mehrere Tage lang alle Tage
Neueste Erfindungen. 286
Der gestirnte Himmel im Monat Oktober. 287
} 288
-Dampf
dreimal wiederholt übergegossen und ebenso den dritten Tag. Am vierten Tage | bezeichnete eine solche für den Großbetrieb darstellt, natürlich und bisweilen etwas nimmt man das Fleisch aus der Kasserolle, bratet es im läßt sich dieselbe auch für Haushaltungen mit Kurbelanfrischen Wein zusetzt. Backofen (Röhre) mit Butter halb gar und legt es, zwei | trieb konstruieren. Ein Nachteil bei diesen Maschinen Hierauf wird der bis drei Tage lang, wieder in die Kasserolle, worauf man besteht darin, daß bei erfolgtem Waschprojeß die Wäsche Schlegel schön es vollends gar bratet und währenddessen fleißig mit nicht genügend abgespült werden kann, da der zum Abfluß spidt, in Butter ge- der durchgeseihten Marinade begießt. - Sehr wohl dienende Hahn von dem Wäscheknäuel stets verstopft wurde, braten und etwas von schmeckend und mild. gerade dieſes Waſſer muß abgelassen werden können, der Marinade zuge= Bärenschinken. Man schneide cinen recht fleischigen, und weil es den meisten Schmutz enthält. Un nun dieses gossen, beim Aurich einige Tage alten Kalbsschlegel hübsch rund wie einen Wasser abzufangen, resp. aus demWaschraum zu entfernen, ten saurer Rahm an Schinken zu und halte ihn ist ein doppelter Boden a angeordnet , der aus gewelltem die Sauce gethan ein paar Minuten in brau Blech, ebenso wie der Trommelmantel, zum Mitnehmen und beim Auftragen send kochendes Wasser, nehme des Wäscheknäuels hergestellt ist. In der einen Hälfte Warm Kalt eine Papiermanschette ihn dann heraus und reibe des Wellblechbodens find fiebartige Löcher eingebohrt, durch Wasser Wasser ihn - um das Bein gebunsogleich, während er noch welche das Wasser in den Raum b abfließt, der herab,den. - Hat schon rechtheiß ist,mit Salpeter und | fallende Knäuel verſchließt dann diese Löcher und beim mehr als einen Jäger Weiterdrehen der Trommel fließt dieses unreine Wasser getauscht. durch die hohle Welle c ab ; da auf Hirschbraten. dieser Hälfte der Rückfluß durch die Man habe ein saftiges, vollen Beden nicht möglich ist, so findet nicht unter zwei Stilo der Abfluß kontinuierlich wie der Zufluß. C schweres Stüd Rindfleisch), des reinen Wassers bei e statt. Al. 31. am besten Rückenstück, Nr. 39 001. Oskar Schimmel in Chemspice es mit Speď und nih (Sachsen) . durchziche es mit zwei Gasplätteisen (Fig . 2). Bur bis drei feingeschnittenen Vermeidung des umständlichen und zeitKnoblauchzehen, würze Heißmachens des Bolzens raubenden mit Salz und Pfeffer beim Plätten ist hier ein Plätteisen α und lege es in eine gut beschrieben, welches durch den Schlauch schließende Kasserolle, koche Gmit Gas geheizt wird . Das Gas nun 1 1 Weincſfig mit strömt durch eine Drüse g, zugleich mit 1½ 1 Wasser, 100 g etwas gepreßter Luft (bei a) in den Fig. 1. Waschmaschine. Zuder, Echeiben einerhalRaum & des Plätteisens , von wo es ben Citrone, zwei Lorbeerrecht kräftig ein ; | durch das Rohr P, nach unten brennend, die Bodenplatte blättern und zwei gan fein gestoßenem Salz von allen Seiten einen engen, nur eben zur Größe erwärmt. Die nötige Luft wird durch das Hin. und Herzen , je mit einer Ge lege ihn hierauf in streue den Rest des Salzes darüber, bewegen des Eisens dadurch gleichzeitig beschafft, daß die würznelle bestedte Zwie passenden Steintopf, Umwenden vierundzwanzig | Verbindungsschläuche A und G den Winkelhebel in bei einmaligem ihn laſſe beln, Orte liegen und hänge ihn schwingende Bewegung versehen und dadurch den kleinen gieße es Stunden an einem kühlen die Nähe des warmen Öfens. Blasebalg D in Thätigkeit sehen und den Regulierbehälter d in Abtrocknen , zum nun, kochend füllen. V ist ein Druckſicherheitsventil . — Kl. 31 . über das Nach sechsunddreißig, oft auch schon nach vierundzwanzig Nr. 38 932. Richard William Thomas und das Fleisch rasch trodnet, wird der nachdem je Stunden, Fleisch, Pering Castl Shmith in London . dece Die Schlegel , entweder mit Mull umwidelt, achtundvierzig Stunden in ganz leichten Rauch gehängt, oder auch Kasserolle gleich), gewie Schinken bedeckt, mit knapp Wasser zu und tocht, welches sonst erst nach dem Räuchern gesielle fie schicht. Der geflirnte Auf beide Arten ist dieser Schinken ein an einen Himmel im kühlen sehr feines, zartrosa aussehendes Gericht von Monat Ort. An. außerordentlichem Wohlgeschmack. Auf einen 6 kg schweren Schlegel rechnet man 200 g deren Ta. Oktober. E ges wird Salz und 60 g Salpeter. Russische Küche. Gebratene Schnepfe. Man lasse die MaIn diesem Monate fulminieren um Mitterrinade eine schöne ausgenommene Taube drei Tage nacht im Süden ein aufgc= in den Federn hängen, rupfe sie trođen und Teil der Fische , des focht, dresfiere sie , mache einen fünftlichen SchneWalfisches und des wieder Pfenschnabel von Holz , bestreiche ihn mit Widders , beim Zenith kochend Butter und halte ihn über ein Licht, daß er braun und glänzend werde, oder bewahre Schnepfenschnä. die Andromeda , ein bel auf; binde nun den künstlichen Schnabel an der Taube Teil der Kassiopeia und fest, belege sie inwendig mit etwas Speck , Wacholder. des Perseus, und unter beeren und Thymian und von außen mit Specscheiben, dem Pol ein Teil des Fig. 2. brate sie in Butler recht saftig und mürbe und bereite großen Bären, des DraGasplätt. dann auch falschen Schnepfenlot. Zu diesem nehme man eisen. chen , der Jagdhunde, des fleinen Bären und etwas geschabie Kalbsleber , dämpfe sie mit gehadtem des Bootes . Von den Speck und gebe fein geschnittene Citronenschale, Zwiebeln und Petersilie dazu , streiche es auf geröstete Weißbrot- Planeten ist Merkur nicht sichtbar, da er tief südlich amHimschnitten, lege sie um die angerichtete Schnepfe und zwischen metsäquator bleibt und höchstens 1 Stunde nach der Sonne jede ein Citronenviertel , deren Saft sehr gut zu den kulminiert. Venus ist Morgenstern und kann immer besser, Echnitten schmeɗt. zuleht 2 Stunden lang, am Osthimmel gesehen werden. Am. Schluß des Monats erreicht sie wieder ihren größten Glanz . Mars geht gegen 1 Uhr morgens auf und kommt am 11. um 9 Uhr morgens in Konjunktion mit dem Monde. Jupiter hat Neueste Erfindungen. sich der Sonne so sehr genähert, daß er nicht mehrgesehen wer Waschmaschine (Fig. 1 ) . Zur Erleichterung der schwerden kann. Saturn geht nun schon bereits in denspäten Abendften Arbeit im Haushalt, der großen Wäsche, sind verschiedene stunden auf und sieht 6½ Uhr morgens im Meridian. Am. Waschmaschinen im Gebrauch. Unter diesen gibt es eine 2ten tritt der Vollmond ein, am 109ten das lezte Viertel, Reihe mit schiefliegender Wäschetrommel, wie die in Fig. 1am 28ten der Neumond, am 31len das erste Viertel.
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X Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Verantwortlicher Herausgeber : W. Spemann in Stuttgart. Redakteur : Joseph Kürschner ebenda. Nachdruck, auch im einzelnen, wird strafrechtlich verfolgt. — Uebersehungsrecht vorbehalten.
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Gratisbeilage für die Abonnenten auf ,,Dom Fels zum Meer".
Verlag von W. Spemann in Stuttgart.
Drud von Gebrüder Kröner in Stuttgart.
Die
Jungfrau
im
Berner
(Von der Wengernalp aus gesehen.)
Oberland .
S.STAND X.A
Das Rösle vom Schwarzwald.
Von Paul Thumann .
Wer
war
es ?
es
Von Sophie Junghans.
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ie waren sechs Monate verheiratet, | alten Excellenzen wie zu den jungen und dachte noch einmal : Gott sei Dank, hatten aber noch kaum eine ruhige Attachés, ja zu Frauen wie zu Männern. daß dies alles bald vorbei ist. Er selber halbe Stunde zusammen verlebt. freundlich und ruhig , und mit ge mußte sich auch zum nächsten Tanze entAls sie sich verlobten , war noch ringer Veränderung ihres unter der Herr- schließen, und suchte eben mit den Augen ebensoviel Aussicht auf ein beschauliches schaft von einem Paar großer , grauer nach Frau von Quaadt, einer GutsnachLandjunkerliches Dasein, wie auf die atem Augen stehenden Gesichtchens, ihrer eigenen barin aus der Heimat und amüsanten Lose diplomatische Existenz , der man jetzt nämlich , die trok hübscher, gerader Nase bösen Zunge , bei der man die Unterangehörte, gewesen . Dann aber hatte das und kurzer Oberlippe doch noch der Haupt- haltung sehr bequem hatte. Indessen war Zünglein der Wage nach dieser letteren zug dieses jungen Antliges waren. Graf Harry Berg, ein etwas älterer Uni- 1 Seite hinübergeschwankt. Helwig von Eben war einmal ein solcher Moment | versitätsfreund , neben ihn getreten und Frießberg hatte die Stellung im Auswär- eingetreten. Helwig, dem nach einer langen, fagte jegt, den Kneifer zurechtrückend , in tigen Amte, welche durch eine Verschiebung wichtigen Konferenz mit seinem Minister seiner beiläufigen, indifferenten Weise : im Ministerium sich ihm öffnete, angenom der Kopf glühte, dachte bei sich : Gott sei Deiner Frau muß ich heute wieder men, und nun nach kurzem Brautstande Dank, daß dies alles jetzt einmal auf eine einmal mein Kompliment machen. Sie rasch geheiratet, weil es eigentlich unum Weile ein Ende haben wird . Es wurde hat die Wintercampagne in einer Weise gänglich nötig war, gleich ein Hauß machen beim belgischen Gesandten getanzt; Herr durchgeführt , die mir Bewunderung abzu können. von Frießberg hatte seine Frau hinbegleitet, nötigt. Sie ist sich immer gleich: nichts Die junge Frau hatte sich auch hinein sich unvermerkt auf eine Weile entfernt, berührt sie ... die geborene Weltdame! gefunden , hatte eine Saison hindurch eben jener Besprechung wegen mit seinem Ich hätte das dem kleinen Mädchen gar wöchentlich acht bis zehn Bälle und die Chef, und hatte nun, hierher zurückgekehrt, nicht zugetraut. " „Ja, Emmy ist riesig ausdauernd im entsprechende Anzahl Diners mitgemacht noch ein Stündchen auszuhalten. Er stand -die im eigenen Hause inbegriffen also unter der Thür, die aus einem Neben Vergnügen. Nerven scheint sie überhaupt und sich mit bestem Anstand aus der salon in den Hauptsaal führte, und ließ nicht zu haben ," sagte der junge EheAffaire gezogen. Helwig bewunderte sie etwas zerstreut und innerlich noch mit mann, plößlich ein wenig gereizt, er wußte manchmal, das heißt, wenn er Zeit dazu ganz anderen Dingen beschäftigt , seine selbst nicht recht warum . Vielleicht, daß fand : die vollkommene Hoffähigkeit ihres Augen über die Gesellschaft im Saale und seine eigenen, nun doch endlich etwas gesich immer gleichen , freundlich verbind- die eben zu zwei Quadrillen aufgestellten reizten Nerven ihm den kleinen Streich spielten. lichen, aufmerksamen und doch nie allzu Paare gleiten. "/ Um so besser für fic," meinte Graf angelegentlichen Wesens , das vollendete Seine Frau suchte er nicht gerade; Maß ihrer Verbeugungen , die reizende er wußte ja, daß sie da sei, und hatte sich Berg trocken , bei dem Leben , welches Kühle eines halb träumerischen , immer von der Gesamtwirkung ihrer Toilette ihr geführt habt. " Helwig licß die letzte Bemerkung unbereiten und doch nie ermüdenden Lächelns . schon vorher überzeugen können. Das aber war es eben , und das war Dieselbe war heute keine besonders auf beachtet. // Aber es ist , wie du sagst," Nichts berührt sie ... auch das Geheimnis ihrer Ausdauer wäh- fallende. Unter den reichfarbigen Sammet fuhr er fort. rend dieser furchtbar angreifenden Antritts- roben und der Fülle lang accreditierter nichts geht tief bei ihr ... Bei Gott, saison als Frau der großen Welt, daß Botschafterinnen machte das weiße Spißen wenn es nicht für die Ruhe eines Mannes Emmy inmitten dieses Wirbels, in dem die kleid dieser mädchenhaft jungen Frau des so bei weitem am besten wäre, könnte man meisten übrigen völlig aufgingen, eigentlich angehenden Diplomaten ganz den beschei- sich fast beklagen über einen solchen völligen immer nur halb bei der Sache war. Daher denen Effekt , der etwa dieser ihrer Stel Mangel an Eindrucksfähigkeit." Graf Berg sah seinen Freund von der ihre innere Ruhe bei aller äußeren Rast- lung entsprach. Uebrigens hatte er sic losigkeit der ineinander geschobenen und nun auch entdeckt ; sie tanzte eben vis- a-vis Seite an, mit etwas wie leisem Befremausgewechselten Tage und Nächte : sie einem der Attachés der spanischen Gesandt den. Nur gut, daß, wie er genau wußte, hätte sonst vor lauter Vergnügungen halb schaft , einem jungen, schlanken Kastilier , Helwig , der vollendete Kavalier , auch mit dunkelm , furzgeschorenem Kopf und gegen seine Frau, sich keinem anderen aufgerieben werden müssen. Helwig war sehr kräftig , sonst hätte cinem Glutblick , der die kühlen , weißen Menschen auf der Welt gegenüber in ähner es auch nicht ausgehalten, da bei ihm | Spißen auf den Schultern seiner deutschen licher Weise gehen gelassen haben würde. Ich dächte, du könntest dich nicht benoch die keineswegs unbedeutenden Amts- Nachbarin versengen zu wollen schien. geschäfte hinzu kamen. Aber er sah seine Emmy sah diesen gefährlich hübschen klagen," sagte er jezt mit soviel Nachdruck, schlanke , zwanzigjährige Frau manchmal Landsmann des Don Juan zuweilen ein- wie dessen überhaupt jemals bei ihm zur fast verwundert an, von weitem , etwa mal an, wenn es der Lanz gerade so mit Verwendung kam, während sein Blick der wenn er lange im Auswärtigen Amte sich brachte, meist aber blickte sic in auf jungen Frau von Frießberg und ihrem zurückgehalten, noch spät unter die Thür richtiger Zerstreutheit neben ihm vorüber. Partner , dem spanischen Attaché , durch eines vollen Ballfaales oder eines bril: Sie sah überhaupt heute vielleicht noch die Verschlingungen einer Tour beständigen lanten Salons trat und fein Blick zufällig gleichgültiger als sonst, wenn nicht sogar Händereichens fölgte. „ Ich hatte damals auf Emmys blonden Kopfund schöne Schul etwas abgespannt aus. den richtigen Blick und dachte doch nicht tern traf. Sie sprach gerade so zu den Auch ihr Mann bemerkte dies jezt | einmal, daß ſie ſo hübsch werden würde. “ 13
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} Wer ? wann ? von wem sprichst du ? " fragte Frießberg verwundert. " Onur von deiner Frau , damals Emmy Lenzom. Es war vor drei Jahren, jenem Winter , ehe du nach Petersburg gingest. Die Kleine fiel mir auf, ich hatte sogar Absichten , die deinen später zum Ausdruck gekommenen sehr gefährlich hätten werden können . Sie war auch recht zu traulich gegen mich ... zu zutraulich, Graf Harry fuhr sich hier mit Leider der Linken über den kurz rasierten eleganten Kopf mit seiner angehenden Platte, die ihn, zusammen mit einem frühen Embonpoint , älter erscheinen ließ , als er Ich mußte entdecken , daß sie war. mich für eine Art von altem Onkel an sah , und eben meiner Ungefährlichkeit wegen begünstigte ... sehr schmeichelhaft, ha, ha ... Gegen andere war sie desto zurückhaltender, furchtbar kalt- und scheu... der Kuckuck Und zudem erfuhr ich damals soll mich holen, wenn ich noch weiß, wo daß das kleine Frauenzimmer, und wie Kindskopf der sie war, eine sehr entschie: dene Neigung mit sich herumtrage. Das waren mir denn doch too many odds, wie die Engländer sagen. Bequem war ich gab sie auf ... Erinnerst ich immer du dich nicht, wir sprachen noch dar über ?" „Ich glaube , du bist verrückt , " war hierauf Helmigs Entgegnung. „ Danke ," sagte Graf Harry trocken . „ Das soll wohl , höflicher ausgedrückt, heißen , daß du dich der kleinen Episode nicht mehr erinnerſt ?" " Wovon spricht der Mensch eigentlich ?" sagte jezt Herr von Frießberg mit unter drückterHeftigkeit mit den Schulternzuckend. „ Du mußt die Personen total verwechseln ... ich habe ja doch meine Braut , das heißt Emmy Lenkow, die dann ganz bald meine Braut wurde , und jetzt meine Frau ist, erst vor dreiviertel Jahren im Haufe meines Onkels von Heyden überhaupt kennen gelernt. " // Und hast sie früher nie gesehen ?" Was sichst du mich so sonderbar an ? Nein, gewiß nicht. " " Du verkehrtest auch nicht vor drei Jahren , im Winter von achtzig auf ein undachtzig, bei Gröbens ... biſt nicht im November drei Wochen zur Jagd auf Gröbendorf gewesen ?" Allerdings war ich das !" " Und gibst du vielleicht zu, daß auch ich zu gleicher Zeit dort eingeladen war ?" fuhr Graf Harry fort . „ Nun freilich .. ... wir waren ja an fangs in einem Zimmer logiert. Willst du mir etwa selber den Beweis zuschieben, daß ich an Gedächtnisschwäche leide?" lachte Frießberg jekt. Nun, das war eben jene Zeit , von Außer der ich sprach, " sagte Graf Berg. bei Gröbens habe ich Fräulein von Lenhow überhaupt nie angetroffen. Und daraus dürfte der Schluß zu ziehen sein -- " Daß ich sie damals auch gesehen habe ; daß sie sich unter dem Schwarme von Mädchen befand , die Frau von Gröben !
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um sichzu versammeln liebte, " nahm Helwig | warf Frießberg nach einer Weile halb nach kurzer Pause das Wort , in einem fragend hin. „ Ja , gewiß , schade. Sie starb vor Ton , den man hätte betreten nennen Wenn du es sagst, muß es also zwei Jahren. Erinnerst du dich nicht ? können. wahr sein. Auf Ehre , ich hatte davon Das Begräbnis mußte fast acht Tage vernicht die mindeste Erinnerung behalten. " schoben werden , weil wegen der Budget„ Merkwürdig, " war alles, was Graf beratungen im Reichstage Hans Gröben Berg hierauf erwiderte. Frießberg war von hier nicht abkommen konnte. " es, der nach einer Weile das Thema noch Und was sagte fie ?" fragte Herr einmal aufnahm mit den Worten : Son von Frießberg darauf. derbar aber doch, daß Emmy bei unserem Zu jener Verzögerung ihres Leichenspäteren, eigentlichen Bekanntwerden jener begängnisses ? Nichts , soviel ich weiß ," Zeit bei Gröbens niemals auch nur mit entfuhr es dem Grafen. Aber Harry, du bist unausstehlich! der flüchtigsten Anspielung gedacht hat. " Graf Harry, eine lächelnd an ihm vor du hast recht , dich über mich lustig zu über schwebende Dame mit tiefer Ver- machen " nach kurzer Pause, mit einem beugung begrüßend , wurde hierdurch der kleinen Seufzer: „Ich meinte natürlich, Antwort überhoben : wenigstens gab er was sie eben bei jener Gelegenheit gekeine. Und so war es wieder sein Freund, äußert habe, deren du Erwähnung thatest. der nach einigen Minuten noch einmal be: Es würde mich doch interessieren , jene gann : Du sagtest , Harry , sie sei da Bemerkung der gescheitesten alten Frau, mals ... sie habe .. die du je gekannt haft, über meine jezige Er stockte. Graf Berg drehte den Gattin zu erfahren , besonders ihres InWer sei ? was ſei haltes wegen . Aber du wirst die GeKopf zu ihm um. sie ? wer habe ? ... entſchuldige : ich habe schichte nicht mehr genau wiſſen und irgend etwas // erfinden , und daran liegt mir nicht genau gehört, was du sagtest. " nichts Besonderes," erwiderte Hel- | nichts . ' „ Wenn du freilich die ipsissima verba Ich meine wig mit einem kurzen Lachen. " sagte Graf Harry, sich die nur, ich hätte dich eben dahin verstanden, verlängst ! Und doch ist mir die ehe wir | Stirne reibend. als sei Emmy zu jener Zeit mit irgend einem ganze kleine Episode jest wieder recht uns kannten , also Interesse behaftet gewesen. Für wen wohl, wohl erinnerlich, wahrscheinlich , weil ich gar nicht so unbeteiligt war, wie die gute wenn ich fragen darf? " Graf Harry zuckte die Schultern bis alte Frau wähnte. Wir saßen zusammen Fragen darfst du , aber auf dem erhöhten, kleinen Divan im großen an die Ohren. du fragst mich zu viel. Ich habe nie Ecksalon . Durch die ganzen Zimmer hinNäheres erfahren. “ durch wurde sich gejagt , musikalisches // Nie Näheres erfahren ?" wiederholte Pfänderspiel oder was weiß ich und Frießberg in einem Tone des Zweifels , die siebzigjährige Großmama und ich, wir der kaum noch höflich war. Und dann sprachen , der Himmel weiß , wie es gemit hörbarer Bitterkeit : „ Nie Näheres er kommen war, von der Liebe ... der Liebe fahren von einer Sache , die doch jeden bei anderen Leuten natürlich. Die kleine falls in der üblichen delikaten Weise mehr Lenhow mochte unter dem Toben etwas als einmal das Gesprächsthema unter stiller sein als die übrigen, kurz , die alte uns Herren gebildet hat. Frau sagte einmal , sie mit den Augen // Da bist du sehr im Irrtum," er bezeichnend : Ich müßte mich sehr irren, widerte Graf Berg rasch und ernst. // Eine oder die trägt auch so etwas mit sich einzige, höchst diskrete Andeutung erhielt herum , und zwar etwas , was"/ sehr tief ich, aber sie war derart, daß sie mir das bei ihr geht ... Und dann . . Und dann - " fragte Herr von Frießmals genügte. " // Und du wüßtest nicht mehr, bei welcher | berg rasch. „ Ja , dann fügte sie noch Gelegenheit und durch wen?" meinte Herr etwas hinzu, was mich frappierte," fuhr GrafHarry mit fast verlegenem Lachen fort. von Frießberg wieder ungläubig . Du wirst mir nichts verschweigen," „Doch, " sagte Graf Berg sofort. „ Es ist mir jetzt eingefallen. Du weißt ja, drängte sein Freund, da er stockte. daß ich, wahrscheinlich meines vertrauen„ Oh, es war nichts Besonderes ; die alte Frau drückte sich immer ziemlich präge erweckenden, soliden Aeußeren wegen" mit der leisesten, deutenden Handbewegung nant aus, weißt du , deshalb hafteten die 4 // bei Worte bei mir. Sie sagte etwa: Sic über seine behäbige Figur hin den alten Damen immer in besonderer scheint sich aber stark vergriffen zu haben, Gunst stehe. So war ich auch ein Lieb- die Kleine , denn fie leidet offenbar ling der guten Großmama Gröben , der und das dürfte in ihrem Alter nicht sein. " gescheitesten alten Frau übrigens , die ich Gerade da wurden wir unterbrochen und je gekannt habe ... Und gerade sie ließ haben das Thema, wie es sich traf, später einst , während wir beiden beschaulichen nie wieder aufgenommen . Naturen , sie und ich , dem Treiben der Und du hast wirklich keine Ahnung, jungen Welt von weitem zusahen , jene auf wen , das heißt auf welchen GegenBemerkung fallen , ganz flüchtig, so wie stand der Neigung sich die Anspielung beman zu einer völlig unbeteiligten und zu zogen haben könnte? " gleich furchtbar diskreten Persönlichkeit „ Nicht die mindeste," versicherte Graf wohl einmal spricht." Harry. Frau von Gröben wußte wahrDie alte Frau von Gröben ist tot?" scheinlich selber nichts. "
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//Vielleicht warest du gemeint, " be- |fandtschaft hier ja erst seit einigen Mo- | Silberstift heraus und öffnete das Buch. "1 Du hast keinen Tanz mehr fret .. merkte Herr von Frießberg nach vollen naten attachiert. zwei Minuten mit einem etwas gezwun„ Ich meine aber, ich hätte das Gesicht// schade," sagte er. genen Lachen. schon vor Jahr und Tag hier gesehen,' Warum ? Für wen wünschtest du einen ? " fragte Emmy in ihrer ruhigen Art. Graf Harry fuhr herum und blickte beharrte Herr von Frießberg. Wenn es nun für mich gewesen wäre ?“ seinen Freund an mit großen , runden „Kann auch sein,“ meinte Graf Harry , Augen, wie ein Mann, deſſen Verständnis ein Gähnen unterdrückend ... Ganz recht, sagte er mit einem Versuche , sehr scherzdurch einen plöglichen Lichtstrahl über er erzählte mir, daß er von London aus , haft auszusehen. raschend erleuchtet ist. Dann schlug er wo er auch schon bei der Botschaft war „ Du wolltest mit mir tanzen !" sich langsam vor die Stirn. Da hast er muß als ein halbes Kind in den Dienst Es war dies im Verlaufe der hundertdu einen Beweis der grenzenlosen Be- lanciert worden sein mit einigen eng undzehn durchtanzten Nächte dieses Winscheidenheit, welche leider den eigentlichen lischen Freunden einen Besuch hier ge- ters allerdings einigemal vorgekommen, Grundzug meines Charakters bildete ! Jett, macht habe. Verschiedene Engländer zieren aber doch nicht so oft , daß Emmy ſich da ich es mir überlege . . . wie freundlich ja gewöhnlich den Kreis auf Gröben nicht jetzt ein wenig gewundert hätte. hat sie mich manchmal angeblickt ! ... wie dorf ... ob er damals vielleicht dabei hättest du es doch früher gesagt." offenbar war ihr mit meiner Gesellschaft war ? darauf weiß ich mich wirklich nicht Helwig hatte indessen die Tanzfarte mehr gedient , als ... als ... nun , als mehr zu befinnen ! Aber du entschuldigst einer genaueren Durchsicht unterzogen und mit der des kleinen Hans Gröben und mich ... da sehe ich eben die Gräfin Ly- tippte jezt mit dem hell behandschuhten seines Vetters Priesdorf zum Beispiel ! nowsky ... ich bin da moralisch engagiert ... Finger vier , fünfmal darauf, allemal an Einmal , als ihr alle auf Schwarzwild ich glaube, der Graf schießt sich mit mir, die Stelle, an welcher ein gewisser Name aus waret und sehr lange bliebet, so daß wenn ich diesmal die Lanciers nicht mit zu lesen war. „Hier haben wir entschieden wir anderen nicht ohne Besorgnis waren seiner Frau tanze ... Auf Wiedersehen ! " deinen Haupttänzer. Welchem Umstande Da legte Helwig , impulsiv wie er verdankt er diese Auszeichnung ?" aber nun ist's genug," unterbrach er sich Emmy zog , hinblickend , die dunkelplöglich, in einen total anderen Ton über war , noch einmal zwei Finger auf den gehend, da ihm ein Zug der Pein auf Aermel von Graf Harrys Frack : „Ich bin blonden Brauen ein wenig in die Höhe dem Gesicht seines Freundes nicht länger ein Narr, Harry, aber weißt du wirklich sie hatte dunkle Wimpern und Brauen und sagte : bei blondem Haar verborgen bleiben fonnte. Genug der nicht mehr als du sagst ?" schlechten Wize, Helwig. Du bist offenbar Graf Harry lachte. „Cher weniger „ Ah, der Herr von Santa Cruz ? Er auch überanstrengt , nicht im Vollbesige als mehr , lieber Junge ! Ich weiß gar erbat sich gleich im Anfang meine Tanzdeiner Fähigkeiten , heute abend , sonst nicht, wie du mir heute vorkommst ! Wenn karte, und ich habe gar nicht acht darauf hättest du eben nicht ausgesehen , als ob es geschehen könnte , ohne deinen alten gehabt, was er alles belegte, weil ich dich du mich, bei Gott, ernst nähmest. Nein, Freund hier," leicht auf sich deutend, bei so verstanden hatte, als ob wir nicht lange beruhige dich; dein Freund, Graf Berg, deiner Frau in heillosen Mißkredit zu bleiben würden ..." Helwig wollte eben in plöglich vermag alle möglichen außergewöhnlichen bringen, so würde ich dir raten, sie selber besserter Laune versichern , daß er , wenn Eigenschaften in sich vereinigen: er ist ein zu fragen. " Fragen ! sie fragen ich meine es ihr recht sei , in der That auch nicht ganz famoser Kerl , das gebe ich zu aber zum Gegenstande einer unglücklichen Frau fragen ..." stieß Frießberg mit halb | diese Absicht habe, aber er kam nicht dazú, da Emmy fortfuhr: Liebe eignet sich seine Person nun einmal unterdrückter Stimme hervor. „ Nun, ich dächte, das wäre bei weitem nicht. Warum sollte man mich auch unUebrigens tanzt er sehr gut, und ich glücklich lieben ? Bin ich doch nur allzu das einfachste ... nur müßte ich selbst tanze gerne mit ihm . " Helwig überlegte einige Augenblicke, gerne bereit, die lieben Kinder alle glücklich verständlicherweise bitten , mich ganz aus deni Spiele zu lassen. " zu machen !" dann sagte er freundlich: "I Ich würde es Die Worte waren kaum gesprochen, als Damit war er fort und stand eine aber doch nicht zu oft thun, Emmy. Graf Graf Harry fühlte, daß er wieder nicht den Minute später hinter dem Stuhle der Pajadillo , obwohl er auf dem diplomarichtigen Lon getroffen hatte. War es Frau von Lynowsky , in so enger Nachtischen Parkett , wie ich höre , kein Neuihm bei seinem lustigen Wortschwall doch zu- | barschaft mit ihr , daß es ihm möglich ling ist, scheint dennoch nicht ganz so verlezt selber nicht mehr gegenwärtig gewesen, war, genau die Stelle unter ihren schönen, traut mit unseren geselligen Gebräuchen, daß man von der Gattin seines Freundes dunkel umhauchten Augen wahrzunehmen, wie man annehmen könnte. " „ Nicht ? " fragte Emmy . redete. Zum Glück schien Frießberg zu an welcher sie , oder vielmehr ihre Zofe, Nein," sagte ihr Gemahl , ein ganz leht nur halb hingehört zu haben ; er das aufgelegte Rot nicht recht verrieben strich wie in Gedanken mit der Hand fort: hatte , so daß es einen scharfen Rand klein wenig irritiert , vielleicht durch die während über den hübschen , dunkeln , spit bildete. Das that aber in diesem Falle Notwendigkeit dieser Wiederholung. „ Es zulaufenden Kinnbart , oder nahm das gar nichts ; Graf Harry stand sogar so hat etwas Kindiſches, Naives, ſeine PartnerSchnurrbärtchen zur Abwechselung zwischen gut mit dieser hübschen Freundin, daß er schaft einer vielumworbenen Tänzerin, wie die weißen Zähne und murmelte jest da privilegiert war , wenn es unbemerkt ge- dit cs bist, sechsmal an einem Abend aufbei : „ Du warst es also nicht ... wenn schehen konnte vielleicht beim Durch erlegen zu wollen. Wo bleiben da die ich mich nur besinnen könnte, wer damals gang unter ein paar Portieren her, wenn anderen ?" Sechsmal?" sagte hierauf Frau noch alles im Hause war ... einer jener man sich in ein anderes Zimmer verfügte verwünschten Schwärme von indifferenten verbessernd mit dem Finger über eine solche von Frießberg , ihr Tanzkärtchen gelassen Hat er sich Menschen , wie sie sich Hans Gröben in Stelle zu fahren und dafür einen lachen wieder zur Hand nehmend. so oft eingeschrieben ? Ich werde ihn seiner chronischen Uebergastlichkeit jeden den Dank zu erhalten. Herbst auf den Hals zieht ... Der Teufel Herr von Frießberg war indessen zu darauf aufmerksam machen, daß es nicht mag sich eines jeden einzelnen erinnern !" seiner Frau getreten , worauf Herr von wieder geschicht. " Er deutete mit dem Kopfe nach dem Santa Cruz , alias Graf Pajadillo „ Ja , thue das , " bemerkte Herr von spanischen Attaché, der eben Frau von man hatte die Wahl zwischen diesen beiden Frießberg. Ich würde mich sonst in diese Frießberg den Arm reichte , um sie auf Abkürzungen seiner unmöglich langen, vollen unangenehme Notwendigkeit verseßt fin ihren Plaz zu führen : „War er etwa spanischen Grandentitulatur - sich mit den ," hatte er hinzufügen wollen , aber ausdrucksvoller Verbeugung entfernte. auch von der Gesellschaft?" zum Glück hielt er noch rechtzeitig inne. „Wer ? Don Esteban von Santa Cruz Wie spielend griff Helwig nach dem Die Worte, oder vielmehr das Maß von di los Pajas di Pajadillo ? " fragte in Elfenbein kahierten Tanzordnungsbüch- angelegentlicher Auffassung der Sache , Graf Berg mit übertriebener Geläufigkeit. lein, welches an seidener Kordel vom Fächer welches dieselben verraten hätten , würde Wo denkst du hin ! Der ist der Ge- haken seiner Frau herniederhing, zog den in einem zu lächerlichen Mißverhältnis
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gestanden haben, nicht nur zu der ganzen Angelegenheit selber, sondern auch zu dem so vollkommen korrekten und maßvollen Benehmen, welches seine junge Frau bis her ausgezeichnet hatte. Lust mit ihr zu tanzen hatte er übrigens noch immer. Und nun überkam ihn das Verlangen, gerade dem Grafen Pajadillo einen Walzer abzujagen, obwohl der Versuch bei dem heißblütigen Kastilier vielleicht nicht ganz unbedenklich war. Noch einmal griff er nach dem Elfenbeinbüch lein und sagte lächelnd : „Du hast mich früher einmal mit einem ähnlichen Kom plimente, wie heute hier unseren Spanier, bedacht. Und ich habe lange nicht das Vergnügen gehabt , mit dir zu tanzen. Erlaubst du , daß ich ihn bitte , mir den nächsten Walzer abzutreten ?" "/ Gewiß ," sagte Frau von Frießberg fühl. Das heißt der Ton war kühl , ihre Wangen waren es in diesem Augenblicke nicht, sondern färbten sich ein wenig tiefer, was dem Auge ihres Gatten nicht entging . Sie ärgert sich , soweit das ihre Natur zuläßt," dachte er, sagte aber weiter nichts , # als : Dann adieu ſo lange !' Er fand den jungen Grafen im Neben zimmer am Büffett, wie er sich eben mit einem Glase seines heimatlichen Xeres gestärkt hatte und nun einige goldene Perlen der Flüssigkeit sehr sorgfältig mit dem winzigsten Batisttuche von seinem dunklen Bärtchen abtupfte. Mit dem liebenswürdigsten Lächeln begrüßte ihn der Gatte seiner lehten Tänzerin Helwig von Frießberg konnte unwiderstehlich lie- | benswürdig sein , wenn er wollte ; aber der jugendliche Attaché gab ihm hierin nichts nach. Er war ganz Verbindlich keit auf die höflichen Worte , von einer Verbindlichkeit, die sich, sozusagen in jeder Linie seiner geschmeidigen Gestalt aus drückte. Und wie geschmeidig war diese Geſtalt , wie hübsch war der Spanier über haupt ! Das vollendete Urbild - nicht unſeres etwas verlebten Opernhelden, sondern des Byronschen Don Juan , dieses jugendschlanken, knabenhaft verführerischen Daß er aber Lieblings der Frauen . • durchaus kein Knabe war, sondern ein im vieljährigen Winterlichte der Salonlustres gereifter Mann der Welt , das bewies Graf Pajadillo jezt, schon durch die wenig mehr als zwei Linien Höhe, welche seine Figur während der kleinen Anrede Frießbergs zu gewinnen schien, durch ein kaum merkliches Etwas der Veränderung in seinen schönen, dunkeln Zügen, durch wenig mehr als einen einzigen, kurzen Blick. 1 „ Ich komme , Sie um eine kleine Gunst zu ersuchen , lieber Graf," hatte Herr von Frießberg gesagt. „ Meine Frau hat keinen Tanz mehr für mich übrig ich komme allerdings etwas spät ... "/ Sie sind heute abend der Bevorzugte . mit einem angenehmen , leichten Lächeln deshalb wende ich mich an Sie. Wollen Sie mir gestatten, einmal Jhre Stelle an zunehmen ? Mir Ihren nächsten Tanz mit Frau von Frießberg abtreten ? "
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Graf Pajadillo hatte mit einer Auf- fühl des Rhythmus hatte. Helwig wußte merksamkeit zugehört, die schon an sich eine das übrigens nicht erst seit heute. Gerade Höflichkeit war. Für einen kurzen Augen- bei einem Walzer war ihm zuerst die Idee blick war sein hübsches , dunkles Gesicht gekommen, sich mit ihr zu verloben. Auch mit ihm tanzte sich's gut , das noch etwas dunkler geworden. Jeht aber lächelte er, und sagte in seinem vollkom- wußte er, und er fühlte seiner Frau wohl an, wie sie es empfand. Wie schmiegte menen Französisch: Gestatten Sie mir un petit amen- sie sich in seinen Arm, leicht, und doch so wie in träumc= dement , Herr von Frießberg ! Es ist hingegeben warm" keine kleine Gunst , die Sie erzeigt zu rischem Genießen ; wie überließ sie sich ihm, haben wünschen. Man verzichtet nicht sicher des völligen Einklanges jeder Begerne auf das Vergnügen und die Ehre wegung, manchmal , wie es ihm scheinen eines Tanzes mit Ihrer Frau Gemahlin, wollte, mit halb geschlossenen Augen, ein wie Sie selber gewiß am besten begreifen leises, sehnsüchtiges Lächeln auf den leicht werden. Gegen einen anderen als Sie geöffneten Lippen ! zurückzutreten, würde mir mein lebhaftes Er preßte fie fest und fester an sich — Gefühl für die Größe dieser Ehre nicht war sie doch seine Frau ... und er fühlte erlaubt haben. Hier aber liegt die Sache kein Widerstreben, während sie sonst leicht anders. Die Rechte des Gemahls sind etwas Sprödes hatte. Sie ging ganz auf immer vorbehalten . Bitte, wählen Sie. " im Tanze. Ja, das war es ... und nun Damit zog er ſein Tanzkärtchen her- kam der Gedanke : Musik und Rhythmus vor, und Frießberg nahm es mit einer üben diesen Einfluß auf sie ... der Partlächelnden Verbeugung, während er diesem ner ist ihr ziemlich gleich, wenn er nur kleinen Schlingel von Attaché für seine Takt hält. Sie denkt gar nicht an mich Geistesgegenwart und sogar die kaum merk in diesem Augenblicke , oder ich bin liche Malice der lezten Worte im stillen ihr gerade recht , um die Illusion vollsie denkt jest ein unfreiwilliges Kompliment machte. kommen zu machen Eine kleine Revanche blieb ihm noch. Er hier in meinem Arm an einen anderen ! sagte : „ Dann darf ich wohl um den Und zwar an denjenigen , der damals nächsten Walzer bitten. Es ist der vierte, vor drei Jahren ... Hier brach die Musik plöhlich ab, der Tanz war zu Ende. den Sie belegt hatten. Graf Pajadillo verneigte sich zustim Emmy richtete sich hastig zu ihrer gewöhn mend , nahm mit der sachlichsten Miene lichen Haltung auf. Sie vermied die Augen von der Welt vermittelst des Silberstifts ihres Mannes, auch als er ihr mit einem das Wegstreichen eines Namens auf seiner Händedruck sagte: „Ich danke_dir. “ Karte vor und meinte nur noch: Ihre Von frühem Nachhausegehen konnte übri Frau Gemahlin walzt eben à la perfec- gens nunmehr keine Rede sein, das fühlte tion ." Dann trennte man sich mit Ver- Helwig wohl, denn Graf Pajadillo hätte beugungen und einem Händedruck , oder eine weitere Verkürzung seiner durch das vielmehr mit einem leichten Inrapport Tanzfärtchen der Frau von Frießberg versehen der ersten bis dritten Fingergelenke. brieften Rechte faſt als eine Beleidigung Der zweitnächste Tanz gehört mir," ansehen können. Endlich aber war doch der Abend oder sagte Helwig halblaut, als er wieder zu seiner Frau trat, die eben mit einer gleich waren vielmehr zwei Drittel der für die altrigen jungen Dame plauderte. Ich habe arbeitende Welt unserer Breiten geltenden mich mit dem Kastilier gütlich abgefunden." Nacht herum. Helwig hatte seiner Frau Ah ?" sagte Emmy halb fragend, den seidenen, mit fräufelndem Straußenund blickte beharrlich vor sich hin. So federnbesaß sich ihr an Hals und Wange aufmerksam ihr Gatte sie betrachtete, er schmiegenden Leberwurf umgehängt , und kam nicht darüber ins flare , ob ihr der sie saßen zusammen im Wagen , dem zweiTausch lieb oder leid oder völlig gleich fizigen Coupé , in dem sie nun schon so Ich will vielmals etwa um diese Zeit auf laut= gültig fei. Er fügte hinzu : ihn übrigens durchaus nicht in ein falsches losen Rädern in die entfernte TiergartenLicht bei dir setzen. Er gab mir mit vollstraße nach Hause gerollt waren. Der Weg war meist lang, aber beide kommener Höflichkeit zu verstehen , daß jeder einzelne Tanz mit dir für jeden waren gewöhnlich zu abgespannt, um sich anderen als mich nur von der Spige seines groß zu unterhalten. Das war Emmy kastilischen Degens zu holen gewesen wäre." so gewöhnt, und sie verfiel überhaupt ſehr Jeht blickte die junge Frau rasch und leicht in Schweigen , wenn man sie nicht wie erschrocken auf, in das Gesicht ihres anregte. Heute sagte Helwig während der NachGemahls . Aber nur einen Augenblick : als sie hinter dem Barte sein ironisches hausefahrt zu ihr : „ Es kam mir vor, als Lächeln sah, wandte sie sich , diesmal mit fähest du heute ein flein wenig angegriffen entschiedenem , unwilligem Erröten ab. aus , Emmy. Fühltest du dich nicht so Der Scherz war augenscheinlich nicht nach wohl wie sonst ?" „ doch , ganz wohl ," sagte Emmy, ihrem Geschmacke gewesen. Herr von Frießberg mußte dem Grafen etwas verwundert. „Ich bin allerdings Pajadillo sehr bald darauf noch einmal ziemlich müde." in seinem Herzen ein Kompliment , das Das ist kein Wunder , liebes Kind. eines unfraglich guten Geschmackes, machen . Ich habe dir übrigens etwas mitzuteilen, Ein Walzer mit Emmy war ein Genuß, was dir unter diesen Umständen vielleicht wenigstens für jeden, der selber das Ge- auch nicht unangenehm sein wird. Es ist
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,vertraulich' , fügte er mit einer Anspielung weiterer Gedanke kam, und er ließ plößlich | zum Tollwerden ; immer aber kehrte das auf den Amtsstil halb lachend hinzu. „ Wir ihre Hände los. „ Gehst du so ungerne hier gleichsam verschleierte Wesen wieder zurück. Herr von Frießberg war natürlich in fort ?" werden auf Reisen geschickt." „ Auf Reisen ?" Sie sah ihn, sich wei„ Nein , das ist es nicht , " sagte sie. regelmäßigem Verkehr mit seinem Miniſter. tere Worte sparend , in ruhiger Erwar ,Ich würde Gott danken für . . . für eine Er erhielt chiffrierte Depeschen und ferVeränderung ... für etwas mehr Ruhe, tigte welche aus, und hatte alle die zwischen tung an. Ja. Ich hatte heute abend die ent wenn wir auch wirklich welche bekämen .. seinem und anderen Höfen hin und her scheidende Unterredung mit Herrn von Hol wenn wir wirklich zu unserem Ver- spielenden Bezüge, welche auf seine Senbruch" das war der Minister. "/Was gnügen reisten und einmal nach unse dung irgendwie von Einfluß sein konnten, ich jetzt sage, darf übrigens in der That rem Gefallen leben könnten , wie andere scharf im Auge zu behalten, nicht minder außer dir weiter niemand erfahren . " und Leute!" wie auch die Bewegungen des diplomatinun sette er ihr kurz auseinander , in Wieder überraschte ihn etwas , in ihrem schen Herrn, mit welchem er zufällig zuwelcher delikaten Sendung er sich in einen Tone diesmal, etwas wie eine leise Bitter- sammentreffen sollte. Bei alledem aber südeuropäischen Kurort zu begeben habe, keit, die ihm neu war. Vielleicht hatte er war sein Sinn unausgesetzt auf eines in welchem jest bald, schon im Vorfrüh sich aber auch bisher nicht die Zeit ge gerichtet : auf das Herbeiführen und Erling, ein leitender ausländischer Staats- nommen, so genau hinzuhören, wie gerade greifen eines günstigen Momentes , in dem mann eintreffen sollte, um mit diesem in heute. Du sollst nach deinem Gefallen er an seine junge Gattin eben die Frage einer nach außen hin gänzlich unverfäng leben, Emmy," sagte er jegt nachdrücklich. richten könnte, welche er in jener Ballnacht lichen, privaten Weise verkehrend, gewisse, „ Wir wollen , wenn du bereit sein kannst, erfolglos dem Grafen Berg gestellt hatte. zwischen beiden Regierungen schwebende schon morgen abend oder übermorgen abAn einem Aprilabend, der warm und Verhandlungen mündlich fördern zu können, fahren , damit wir recht langsam reisen weich war , wie eine Sommernacht, hatte und zwar so , daß die sämtliche , immer können. Und dann machen wir Station man auf der Terrasse des Hotels soupiert, auf dem Qui vive befindliche europäische in der Schweiz . Sir Arthur ist ja noch die über den Secspiegel hinaushing. Das Diplomatie einmal kein Arg daraus hatte. gar nicht in Irun, wir haben Zeit ich Haus , eine der großen Pensionen am Du begreifst ja wohl, warum man mich kann zwei Monate fortbleiben ..." er hatte Genfer See, war schon mit Besuchern bis schickt. Eben meiner Neuheit wegen. Auf sie leicht um die Taille gefaßt und neigte unter das Dach gefüllt, Leuten aller Nauns wird man nicht groß acht geben, man seine Stirn gegen die ihre, so daß sein tionen , englischen Familien mit Kinderfennt mich noch nicht. Um jeden Preis kurzes dunkles Haar und ihre blonden stuben voll Babies , eleganten französischen muß der Sache ihr unoffizieller Charakter Stirnlöckchen sich berührten : wir wollen Ehepaaren , Amerikanern , einzeln und gewahrt bleiben. Ich erhalte Urlaub nachholen , was wir versäumen mußten, truppweise, Deutschen, Holländern, Dänen , ,meiner Gesundheit wegen . Da trifft es und dies als unsere vor sechs Monaten ein Schwarm, über deſſen modernen Häupsich denn ganz gut , daß ich wirklich ver nicht gemachte Hochzeitsreise betrachten." tern die alte Alpennatür einen großartigen teufelt überarbeitet bin." Helwig von Frießberg hatte in den Frühling erblühen ließ . Auf der Terrasse scharten die Insſaſſen Und ich soll dich begleiten ?" fragte nächsten acht Tagen die Erfahrung zu Emmy Leise. Trog aller diplomatischen machen, daß sich nicht alles nachholen läßt, des Hotels sich Tisch an Tisch ; fast alle Voreingenommenheit der Gedanken hatte was man versäumt hat, zum Beispiel auch waren sie durch den herrlichen Abend hincr Zeit gehabt , genau auf ihren Ton zu nicht die Hochzeitsreise. Ihm wenigstens ausgelockt worden . Tiefe , weiche Dämhören , aus dem er nicht flug werden gelang die Rolle des in den Flitterwochen merung hatte sich herabgesenkt. Ein befonnte. Sie waren indessen zu Hause an- befindlichen Ehemannes nicht mehr ; daran hagliches Summen vieler heiterer Stimmen, gelangt und standen einander gegenüber war aber nicht er , sondern seine Frau dazu das Klirren der Tischgeräte ; gewandte, in dem nur durch eine gedämpfte Flamme schuld . Sie hatte ihn bei den Versuchen, sprachfertige Kellner , die zwischen den crleuchteten kleinen Salon , an der Thür einen in ihrer Che bisher noch nicht ge- Tischen hin und her gleiten, bald auf der von Emmys Ankleidezimmer, auf der Stelle, hörten Ton anzuschlagen — jcht, da man helleren Seite der Terrasse , im Licht, an der sie sich meist gute Nacht zu sagen sich die Zeit dazu nehmen konnte ein , welches den großen Fenstern des gaserpflegten. zweimal so sonderbar, mit einem so ver hellten, anstoßenden Speisesaales entströmt, "Ja du bist sogar unumgänglich zweifelt aufrichtigen Befremden, angesehen, bald an den ferneren , nach der Brüstung notwendig , Emmy. Merke wohl , wir daß er durch einen solchen unbewußt kri- auf der Seefeite zu gelegenen Plätzen, wo reisen nur in unseren eigenen Angelegen- tischen Blick wirksamer zurückgeschreckt sie über einzelnen Tischen jetzt Lampen heiten ! Wir führen ein Touristenleben, wurde von diesen legitimen Zärtlichkeits- anzünden. Hier : das elegante Weben und haben den Verkehr , den ein solches mit beweisen seiner rechtmäßigen Frau gegen Schwirren des internationalen Touriſtensich bringt. Wirst du mit Lady Nor- über , als er es in einem anderen , etwa lebens , dort : von unten in regelmäßigen wood" das war die Frau des fremden auch denkbaren, aber nicht legitimen Falle Pausen das Anſchlagen der Secwellen an Diplomaten näher bekannt und be- durch das umständlichste Verteidigungs- die Pfeiler des Hauses, der feuchte Atem der weiten, dunklen Wasserfläche, ein ferner freundest dich mit ihr, um so besser. Er manöver gewesen sein würde. Sonderbar : sie waren Tag und Nacht Ruderklang , aus der Tiefe aufblickende, cellenz Holbruch meinte , mit einem sehr schmeichelhaften Kompliment für dein ganzes zusammen in der ungestörten Gemeinsam vom meilenweit entfernten anderen Ufer Auftreten , daß deine Gegenwart auf die keit des Selbanderreisens , in langen Tete- widergespiegelte Lichter, und das alles umfleine Angelegenheit denn, lieber Him - a-tetes im Eisenbahncoupé , zusammen in schließend die nur geahnten, vom Dunkel mel, es ist ja schließlich keine Haupt- und Wartesälen und Hotelzimmern, auf Dampf verschlungenen gewaltigen Konturen der Staatsaktion , um die es sich handelt schiffverdecken und auf Touriſtenefeln, und Berge. nur fördernd einwirken könne." immer hielt die junge Frau ihren Mann Wenn man so sitt , in solcher UmFrau von Frießberg quittierte über bei aller Freundlichkeit unsichtbar gewisser: gebung, und so gut zu Abend gegessen hat, dieses Kompliment nicht ganz so liebens- maßen auf Armeslänge von sich. wie man es in Mont Asnières auy Rives würdig , wie sie vielleicht gesollt hätte, Helwig aber zeigte jcht , daß er eine pflegte , so kann man kaum umhin, ſich nämlich nur mit einem, freilich unwillkürliebenswürdige Natur war. Jnnerlich war behaglich zu fühlen. Emmy schien es zu lichen, tiefen Seufzer. er betreten, wenn man so sagen darf, aber thun; sie hatte sich in ihren Stuhl zurückIhr Gatte sah sie betroffen an under ließ sich nichts merken. Er ungab seine gelehnt sic saß an der Schmalseite des ergriff ihre beiden Hände. "Was war das, Frau mit unermüdlicher, ritterlicher Auf- Tisches , welcher dicht an der Brüstung Emmy ? Ich hatte gedacht, die Aussicht merksamkeit, die sie auch wohl anerkannte über dem See stand , mit dem Rücken auf diesen Wechsel, auf die hübsche Reise – und dankbar annahm . Sie wurde wohl gegen das Haus , das Antlig nach der denn Frun ist wirklich kein übler Aufent einmal wärmer und lebhafter , und in Richtung gewandt, die am Tage eine der sie — reizend | schönsten Aussichten der Erde erschloß halt - würde dir Freude machen. " Ein | solchen Augenblicken fand er ſic
304 und schaute träumerisch in das gleichsam belebte Dunkel des nächtlichen Gewässers hinaus. Ihr Gatte hatte zu all diesem noch den Genuß einer vortrefflichen Cigarre gefügt, nachdem er seine Frau gefragt, ob ſie gestatte, und bereitwillige Erlaubnis er fie halten hatte. Jedes von ihnen fühlte, daß man heute stundenlang ruhig so fort sigen fönne. // Dies ist nicht übel," meinte Helwig endlich, indem er von seinem Plaße aus neben ihr, an der Langseite des Tisches das schmale Handgelenk seiner Frau spielend mit zwei Fingern ergriff, als ob er es messen wollte. //Eine solche Ruhepause gewissermaßen in einer Eristenz, welche die Eigentümlichkeit hat , den Menschen nicht zu Atem fommen zu lassen ! Jetzt kann man sich wieder einmal auf sich selbst be sinnen. Man hat Zeit, inne zu werden, daß man" der allerleiseste Druck jener zwei Finger „vom Schicksal eigentlich über Verdienst behandelt worden ist. Das heißt , ich spreche für mich. Wenn ich denke, wie ich noch voriges Jahr ... Wie lange kennen wir uns eigentlich, Emmy ? " es war ihm so ziemlich geDa die Frage leicht hinzuwerfen glückt nämlich , wie ein Kind des allerleßten Augenblickes, in einem Tone, dessen Un befangenheit gut nachgemacht war." Emmy lehnte sich vor, um aus der Karaffe Waffer in ihr Glas zu gießen , wobei sie ihre Hand an sich nahm und sagte : „ Es war im lehten August , als du zuerst in das Haus des Onkels von Heyden kamst. Das sind acht Monate." // Etwa acht Monate," wiederholte er, „und jezt sind wir schon ein altes Ehe paar! Wir haben uns rasch zusammen gefunden. Rasch und gut." Er sah ihr zuweilen nach den Augen , während er sprach, aber sie wendete ihm die ihrigen nicht zu . Mit einer um so größeren verstohlenen Aufmerksamkeit beobachtete er sie, als er jegt fortfuhr : " Sonderbar aber doch, daß wir einander früher nicht begegnet waren, da du schon mehrere Jahre dich in so ziemlich denselben Kreisen wie ich bewegt hattest. " Er wartete. Emmy schwieg noch, was ihn mit einer Art von Schrecken erfüllt haben würde denn für ihre unbedingte Wahrhaftigkeit hätte er bis heute die Hand auf den Block gelegt wenn er nicht an einem gewissen Etwas von Veränderung in ihrer Miene hätte merken müssen, daß sie eine Antwort nur hinzögerte, nicht aber ganz unterlassen wollte. Daher wagte er es und fuhr fort : Und doch kann es nicht gewesen sein. Unsereins trifft ja freilich so unendlich viele Menschen , so viele, daß man sich mit der Zeit eine gewiſſe Kurzsichtigkeit und ein ebenso kurzes Gedächtnis angewöhnen muß. Aber dessen bin ich doch sicher : dich würde ich nicht übersehen haben. " Wieder eine Pause. Und jest begann das Herz des Mannes stark zu klopfen. Endlich aber sprach die junge Frau . " Und doch irrst du dich," sagte sie. Wir sahen
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einander im Hauſe des Onkels durchaus nicht zum erstenmal ..." „ Nicht?" Es schien ihr so schwer zu werden, fortzufahren, daß er immer wieder Jedenfalls aber ein eingreifen mußte. ganz flüchtiges Zusammentreffen, bei welchem Beobachtung vor mir du jeden Vorteil der "/ voraus hattest .. //Flüchtig? Ich weiß nicht , ob man es so nennen kann ," sagte sie und fügte in einer eigentümlich tonlosen Weise hinzu : // Wir waren schon einmal wochenlang zu samen unter einem Dache. " Hier nun stellte sich der Nachteil des nicht ganz offenen Verfahrens heraus , welches Helwig von Frießberg heute eingeschlagen hatte. Die grenzenlose Verwunderung , die hier am Plate gewesen wäre, und die er, als er durch den Grafen Harry zuerst von der Sache gehört , auch wirklich empfunden hatte , die mußte er hier nur spielen , weil er sich ja nicht merken lassen durfte, daß ihm Emmy nichts Neues fagte. Vielleicht gelang es ihm damit auch nicht so ganz , denn seine Frau meinte endlich kalt : „ Oh, bemühe dich nicht weiter, Helwig ... du bist entschuldigt. " Du aber nicht, Emmy, " rief er hier Wie ist es möglich, daß du mir lebhaft. bei unserer späteren , wirklichen Bekannt schaft von diesem Zusammentreffen (welches ich auch nur vergessen haben kann, weil du damals noch unter die sehr jungen Damen zähltest) niemals ein Wort erwähnt hast ? Es wäre doch so natürlich gewesen !" Die letzten Worte trafen. Emmy rückte auf ihrem Size, und ihre Stimme. war nicht ganz sicher , als sie erwiderte : // Eben weil du es so ganz , so völlig vergessen hattest, sprach ich auch nicht davon. Warum hätte ich es thun sollen ?" Eine ziemlich lange Pause. Als er jest wieder sprach, war er näher an ihrem Ohr , als bisher , mit einer verhaltenen Empfindung in der Stimme, deren Natur noch nicht recht deutlich werden wollte. "/ Du aber hast mir dies Vergessen nicht nach sekundenlangem verziehen ..." // auch heute noch nicht ... " Schweigen Ihre Wange war jetzt heiß , und sie bewegte sich unter seinem Blicke ; die blaß roten und tiefpurpurnen Anemonen , die sie heute abend vorn an das Kleid gesteckt hatte, schienen durch einen tieferen Atem: zug seinem Auge entgegengehoben zu werden . //Was fällt dir ein," sagte sie end lich. "1 Das wäre lächerlich. Ein wenig allerdings , liebes Kind," meinte er gutmütig und ohne die geringste Ahnung davon, was er mit diesem Worte anrichtete. // Gerade in dieſem besonderen Falle" - er zog jezt , im Schutze des Halblichtes , in dem niemand von der um gebenden Menge auf sie beide acht hatte, ihre Hand leicht an seine Lippen ,da ich nachher so entschieden nachgeholt habe, was ich damals versäumt hatte." Er fühlte deutlich, wie sie ihm ihre Hand gerne entzogen hätte. Aber er ließ dieselbe nicht los. Uebrigens bin ich bestraft, wenn ich es denn zu sein verdiene," sagte er.
306 Bestraft? wieso ?" kam es nach einer Weile sehr leise von Emmys Lippen. Er stürzte ein ganzes Glas des italienischen Tischweines hinunter, ehe er sagte : „Oh - durch eine wahrhaft verzehrende Neugierde, die mich in betreff des früheren Lebens meiner kleinen Frau in jüngster Zeit erfaßt hat. Und zwar gerade jener Periode, da ich, demnach, in unbegreiflicher Blindheit noch an ihr vorübergegangen bin . Ich wäre ja freilich doch schon zu spät gekommen. Sei einmal gnädig , Emmy, sei großmütig ... behandle mich besser, als ich verdiene : verrate mir : wer war es, den du damals geliebt hast ? “ Er hatte scherzend gesprochen , aber freilich so , wie man manchmal scherzt, nur um dem allerleidenschaftlichsten Ernste auszuweichen. Und Emmy? Sie überfah vollständig den Ausweg, den er ihr, eben durch diesen scherzenden Ton, geboten hatte. Sie rief, oder sagte mit einer unterdrückten Heftigfeit, die er noch nie an ihr wahrgenommen hatte : „ Ich bestreite dir das Recht, eine solche Frage an mich zu richten!" IndiesemAugenblicke nahte einschwarzbefracter Kellner mit der offenbaren Absicht , die an dem Pfeiler zunächst diesem Tische befindliche Lampe anzuzünden. Es war, als wollte Frau von Frießberg diesen Anlaß benutzen , um aufzustehen, zu ent fliehen geradezu. Ihr Gatte hielt sie sanft auf ihrem Sihe zurück, zugleich aber winkte er dem Kellner , einstweilen hier das Lichtanzünden sein zu lassen und weiter zu gehen. Denn man saß keineswegs in völliger Dunkelheit. Die übrigen, in einiger Entfernung brennenden Lampen erhellten den Platz gerade genug, um den jungen Diplo maten auf dem Gesichte seiner Frau, trodem dasselbe sich im Schatten befand, einen intensiven Ausdruck wahrnehmen zu lassen, den er dort nie gesehen hatte. „ Emmy, " sagte er, nachdem der Kellner und mit ihm die Gefahr unbequemer Erleuchtung vorüber war,,, Emmy , was war das? Du nimmst eine Sache gleich furchtbar ernst, die ..." Die du, wie es sich gehört, nur von der lächerlichen Seite auffassen wolltest," unterbrach die junge Frau rasch. „ Du hast recht. Es war immer eine Albernheit von mir, keinen Scherz zu verstehen. " Auf eins hatte sie noch gar nicht acht gehabt in ihrer Ueberrumpelung beim Hüten eines leidenschaftlich gewahrten Geheimnisses , wie nämlich dasselbe, oder vielmehr die Kunde von seinem Vorhandensein in den Besit ihres Mannes gekommen fein konnte. Darüber begann sie sich erst zu wundern und zu quälen , als sie wieder allein war. Um keinen Preis jedoch hätte sie später noch einmal von der Sache angefangen und eine Frage darüber an ihn gerichtet. Wohl aber trugen diese peinigenden Zweifel, wie damals ihr Herzensfummer hatte entdeckt werden können, dazu bei , sie jetzt noch scheuer und verschlossener zu machen. Dies ist aber vorgegriffen . Ihr Mann *
A 307 sagte auf ihre leßten Worte mit einem etwas erzwungenen Lachen : „ Nun, ganz so scherzhaft wie du eben annimmst, war die Frage am Ende nicht gemeint. Ich poche keineswegs auf ein Recht, das wäre zum mindeſten unliebenswürdig , und so hast du mich hoffentlich noch nicht ge// funden . . „Dnein, nie ! " sagte Emmy in einem sonderbaren Tone. „ Und eben deshalb habe ich wohl dein Vertrauen verdient. Komm, kleine Frau, " fuhr er wieder halb neckend fort denn groß war noch immer seine Furcht , bei diesem Thema allzu ernst und damit am Ende gar lächerlich zu werden „warum willst du eigensinnig sein und mir ein Stück deines Lebens vorenthalten? Warum willst du nicht gestehen, wer der Vorgänger deines Mannes in deinem Herzen war ? Kein übler Bursche hoffentlich - nein, dazu ist dein Geschmack jedenfalls zu gut gewesen ! Aber doch ein großer Thor, sonst hätte er mir nun und nimmermehr dies Quartier räumen dürfen. Wer war es ? Wie ?" fuhr er nach kurzer Pause fort, 77willst du wirklich nicht reden, Emmy ? " „Nein," sagte sie mit leidenschaftlichem Nachdruck, nein nie, nie. " Vorüber jezt, mit diesen Worten und der Art, wie sie gesprochen worden waren, jede Möglichkeit, die Sache obenhin und scherzhaft zu behandeln. Helwig schwieg, tief getroffen. Als er wieder sprach, war es mit nicht länger verhehlter Bitterkeit. „ Du gibst also zu, daß von deiner Seite damals eine nun, eine tiefere Neigung vorhanden war ?" Wie ihre wenigen Worte gerade diesen Schluß gestatteten , wäre vielleicht schwer darzuthun gewesen, aber Emmy beachtete den Mangel an Logik nicht, weil ihr Mann auch ohne diese an die Wahrheit gelangt war. „ Ja, ich gebe es zu, " sagte sie unverweilt, sich höher aufrichtend . „Warum sollte ich lügen ? Aber mehr erfährst du nimmermehr !". „ Nicht ?" fragte er mit bedeckter Stimme.
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Nein! Uebrigens thue ich dir kein Unrecht mit jenem Zugeständnis . Du " ein merkwürdiges Sinken des Tones bei * den letzten Worten du kanntest mich ja danials nicht. " Die nächsten Worte , die Helwig von Frießberg beträchtlich später an seine Frau richtete, enthielten die höfliche Anfrage, ob es ihr nicht zu kühl werde. Darauf meinte sie , leicht fröstelnd , ja, es sei wohl Zeit hinaufzugehen. Ihr Gatterückte ihren Stühl, bot ihr ritterlich den Arm und führte sie durch die Tischreihen hindurch, wobei viele Blicke dem stattlichen Paare folgten. Fast jedermann von der übrigen Touristenge sellschaft fah die beiden schönen Menschen gerne an , bei denen zudem der Ausdruck der ganzen Persönlichkeit irgendwie ein anderer als der der modernen Gleichgültig keit und Farblosigkeit war. Daher es eine Art von Bedauern erregte, als man am folgenden Tage erfuhr, daß sie weiter gereist seien.
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Es war eine sonderbare Reise. Durch geschleppt brachten. Herr von Frießberg wilde Berge den südfranzösischen Golfen hatte bemerkt , daß der Sit auf diesem zu, denn jene Küste entlang sollte dann der weitschauenden kleinen Altane der LiebWeg gehen nach dem kleinen Pyrenäen- lingsplaß seiner Frau war. Heute hatte sie sich erst von demselben bade , welches das Ziel war. Es war nicht der nächste Weg , aber man hatte erhoben, als es die höchste Zeit war, für die Wirtstafel unten soweit Toilette zu ja Zeit. Und es war die wunderlichste Zeit, machen , als sie dies gewöhnlich that. Ihr die Helwig noch durchlebt hatte. Wunder Mann trat bald darauf bei ihr ein und lich durch das ganz neue Verhältnis zu betrachtete sie in ihrem vollkommen sitenseiner Frau, mit seinem eigenen, quälenden den Kleide von ziemlich dickem weißen Reize. Aeußerlich war Herr von Frieß- Stoffe ; alles ganz weiß , aber ein warmes , berg ganz ruhig und beherrscht, dazu heiter gelbliches Weiß , zusammen mit dem Goldund ein sehr angenehmer Gesellschafter ; ton des Haares von eigentümlich reizendabei aber beobachtete er die junge Frau der Wirkung. Sie hatte auch wieder einen unablässig und mit einer leidenschaftlichen , Blumenzweig irgendwo angebracht , und dieser kleine Zusak bewies , daß der beverstohlenen Aufmerksamkeit. Er umsorgte sie auf das liebevollste, ſondere Effekt der Toilette nicht ganz so und sie nahm das hin , wie man es sich zufällig war, wie man hätte denken können. Wie hübsch du dich heute gemacht nicht anders wünschen konnte , doch aber blieb sie still und befangen. hast ," sagte denn auch Herr von FrießDies Wesen hatte er endlich angefangen, berg jest. So sehe ich dich am allersich nicht zu seinen Ungunsten auszulegen. liebsten. " Es fiel ihm dabei ein, daß sie Und nun ging in seinen dunklen Augen auch ganz weiß, in gelblich weiße Spißen, zuweilen ein siegreiches Leuchten auf. Öft gekleidet gewesen war auf jenem Balle kam ihm die Frau vor wie eine liebliche beim belgischen Gesandten, an dem Abend, Braut, um die er warb. dessen Folgen er seitdem in jeder Stunde Sie hatten in einem reizenden Berg seines Lebens gespürt hatte. nest des engen Rhonethales übernachtet. Aber er empfand ſie in diesem AugenAm anderen Morgen bezeigte Emmy ein blicke nicht mehr unangenehm . „ Gefalle etwas lebhafteres Entzücken als sonst wohl ich dir ? das freut mich," hatte Emmy über die wirklich wundervolle Umgebung. einfach erwidert, aber diese Worte hatten Da meinte er : „ Gefällt es dir so gut hier? jeht für ihn eine Glaubwürdigkeit, die dann wollen wir ein paar Tage bleiben ! ihn beglückte, wie selten etwas in seinem Ich sollte denken , man könnte famose Leben. Die steinerne Treppe , die von es Ausflüge von hier machen. Und wir haben hier zum Speisesaal hinabführte ja Zeit. " war noch die alte, ursprüngliche des vierSie schien gerne auf den Vorschlag | zehnten Jahrhunderts - war eng , ſo einzugehen. Zu Gunsten desselben sprach daß man hintereinander gehen mußte. übrigens auch der Umstand , daß man Aber unten vor den modernen, hohen keineswegs auf die gewiß mehr malerische Flügelthüren des Saales zog Helwig den als bequeme landeseigentümliche Lebensrunden Arm seiner Frau durch den seinen, und Quartierweise angewiesen war , auf um sie hinein zu führen , und er that Delgekochtes und steingeplattete Gemächer, dies mit einer fast übermütigen Heiterin denen hie und da ein Stückchen Kirchen- feit . Und mit einem so recht innigen Bearchitektur mit uraltem Spinnwebenschmuck überraschend hervorspringt , wo unsereins hagen nahm er jcht seinen Platz an der Tapete zu sehen gewohnt ist. Man be- langen Tafel ein , zwischen Emmy und wohnte allerdings auch ein echtes Feudal- einer hübschen Amerikanerin in mittleren schloß , dasselbe aber gehörte einem großen Jahren, deren zwei ebenfalls hübsche junge Hotelbefizer aus der Schweiz, der es mit Töchter gegenüber saßen. Man konnte allen modernen Bequemlichkeiten einge sich mit der weltgewandten, viel gereisten richtet hatte. Ueber den Steinfliesen, wo Frau recht gut unterhalten , und Helwig sie noch vorhanden waren , lagen dicke that dies um so lieber , als auch Emmy Teppiche , und der ehemalige Rittersaal an der Familie , zu der auch ein erwachwar jetzt die Salle à manger, in welcher sener Sohn gehörte , Gefallen zu finden jeden Nachmittag um sechs Uhr von einer schien . allen möglichen Nationen angehörigen GeEin Plag auf der anderen Seite des sellschaft diniert, und zwar sehr gut diniert | Tisches , seiner Frau schräg gegenüber, wurde. war eine Weile leer geblieben. AngeVon dem vorspringenden Steinföller legentlich zu seiner Nachbarin zur Linken, vor den Fenstern der Frießbergschen Zim- der Frau Colonel Grant" gewendet, hatte mer aus konnte man außer einem wunder: Helwig so wie man weit seitwärts, ohne vollen , in dämmernder Ferne verschwim- hinzublicken, ſicht, gesehen, daß jener Plaz menden Stückchen Alpenkette auch in dem dann von einem Herrn eingenommen wor Engthale in nächster Nähe die schmale den war, und geglaubt , es sei dies der weiße Straße beobachten, auf welcher allein junge Grant, der etwas zu spät gekommen. man das Hotel erreichte. Da kamen die So war er so unvorbereitet wie nur mög Reifenden an, meist in den landesüblichen, lich auf das, was er zwei Minuten später von kleinen Pferden gezogenen Wägelchen, sah : ein nur zu wohlbekanntes Gesicht , viele auch auf Saumtieren oder Efeln, hübscher als je in seiner warmen, dunkeln während kräftige Träger das Gepäck nach- | Blüte, ein reizendes , schwarzes Bärtchen
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über jungen Lippen und ein paar Augen, | Erklärung der Sache , die ihn mit Wut die man so leicht nicht wieder vergaß, und Verzweiflung erfüllte. wenn man sie einmal gesehen hatte , und "Ich wundere mich, daß Sie nicht die jest mitredeten, während der gewandte über Paris gegangen sind , " warf er jezt Mund sprach zu seiner , Frießbergs hin . mit anderen Worten , Frau natürlich "Ich hatte in Paris nichts zu thun," das Gesicht, das Bärtchen und die Augen des Don Esteban von Santa Cruz di los Pajas , Grafen Pajadillo . Einfach zu sagen, daß Helwig von Frießberg erschrak, würde nicht das rich tige Wort sein. Es war ihm , als gehe um ihn, mit ihm, in ihm eine Verände rung vor, für die sich in der Sinnenwelt nicht leicht ein Vergleich findet, doch aber etwa , als ob über einer reizvollen , son: nigen Landschaft das Tagesgestirn sich plötzlich verfinsterte, nichts als einen fahlen, lichtlosen Tag zurücklassend , in dem man noch alle Gegenstände sah , aber wie anders , wie anders als bisher ! jene blei farbene Helle, von der man sagt, daß sie irgend einem Furchtbaren, einem Erdbeben vielleicht, vorhergeht. Und auch sein Herz war ihn mit einemmale wie Blei in der Brust geworden. Das hinderte aber keineswegs die höfliche Begrüßung, welche nun alsbald auch zwischen den beiden Herren über den Tisch herüber stattfand. Wie in aller Welt kommen Sie hier: her, lieber Graf?" fragte Herr von Frieß berg mit einem kühlen Lachen. Er lachte überhaupt in den nächstfolgenden zwei, drei Tagen mehr als je zuvor, meist frei lich in reinem Hohne über sich selber, über den Narren, der er die letzte Woche lang gewesen war. „ , ich bin bis Lyon mit der Südbahn gefahren und habe von da einen Wagen genommen , um mehr von der Gegend zu sehen," sagte der Spanier mit harmloser Miene. Nun, daß Sie mit irgend einer Bahn gefahren sind und schwerlich einen Luftballonals Beförderungsmittel benuht haben, konnte man allenfalls annehmen," meinte Helwig von Frießberg hierauf. "/ Da aber Ihr Posten bisher in Berlin war , kann man wohl einiger Verwunderung Aus druck geben , wenn man das Vergnügen hat , Ihnen mit einemmale in Südfrankreich zu begegnen . " Der kleine Don Juan verbeugte sich darauf über den Tisch hin ; es war dies eine besondere Art der Erwiderung in etwas schwierigen Fällen , die ihm eigen : tümlich war. Doch konnte er nicht wohl umhin, auch wörtlich zu antworten , und sagte : „Ich habe vierzehntägigen Urlaub nach Madrid eine kleine Tour ... in Fa # milienangelegenheiten ... — Es ließ sich hierauf zwischen » Ah Diplomaten nicht mehr viel sagen ; viel leicht war // die kleine Tour" ebenso pri vater Natur wie diejenige , auf welcher Helwig von Frießberg mit seiner Frau begriffen war , das heißt , ebenfalls eine vertrauliche Sendung. Vielleicht und doch glaubte Herr von Frießberg dies nicht, sondern gab sich selber eine andere
fagte Graf Pajadillo kaltblütig. Helwig knirschte innerlich , indem er dachte: Wie, nicht einmal die Mühe gibt er sich, einen Vorwand zu erfinden ! Indes fand sich der Kastilier veranlaßt , doch noch hinzu zufügen : Lyon dagegen berühre ich gern; ich habe dort einen Freund , den ich bei solchen Gelegenheiten allemal begrüße, und der es mir nicht verzeihen würde , wenn ich ihm vorbei reiste. Ce cher Roqueder junge Graf lächelte in sich maur" hinein , während seine Augen blisten "/ wie dankbar bin ich ihm, da er die Ur sache dieses für mich so überaus angenehmen Zusammentreffens gewesen ist. " Dabei verneigte er sich leicht gegen Frau von Frießberg . Emmy mischte sich hier ins Gespräch. // Sic reisen demnach auch langsam und unregelmäßig , gerade wie wir ," sagte sie freundlich. „ Es ist so hübsch, einmal Zeit zu haben , finden Sie das nicht auch?" Ein wahres Göttergeschenk !" sagte der Spanier mit heimlichem Nachdruck. So sind Sie also nicht nur für heute hier, sondern zu längerem Aufenthalte ?" „ Zu längerem Aufenthalte ? Nein. Aber wir dachten noch einige Tage zu bleiben ," mit einem halb fragenden Blick nach ihrem Gatten . „Gewiß , wenn du noch Lust hast. Dein Wunsch hat uns hier zurückge halten," bemerkte ihr Gatte. Sein Ton war so frostig , daß Emmy ihn verwundert ansah und er sofort merkte, wie er sich in dieser Weise nicht ferner gehen laffen dürfe. „Ich dachte , auch dir gefiele es hier," sagte sie , und das klang, wie wenn ein gescholtenes Kind spricht. // Wer bezweifelt das ?" sagte Herr von Frießberg. Auch müssen wir wirk lich noch den Ausflug nach dem Bergkloster machen, von dem so viel die Rede gewesen ist. Unsere Nachbarinnen hier rechnen dabei auf uns . Damit waren die amerikanischen Damen gemeint. Graf Pajadillo hatte aufmerksam hingehört. Dann bleibe ich auch ," sagte er jegt , " immer vorausgeseht , daß Sie mir das Vergnügen gönnen, zuweilen von Ihrer Geſellſchaft zu sein. " „Ich wollte, du wäreſt ſtatt deſſen in der Hölle !" so würde etwa die Antwort des Herrn von Frießberg gelautet haben , wenn er unter dem Einflusse irgend einer unausweichlichen Macht jest plößlich die volle Wahrheit zu sagen genötigt gewesen wäre. // Gewiß , lieber Graf ," so hieß diese Antwort thatsächlich , // wir werden uns sehr freuen." Und Frau von Frießberg schritt nun dazu , die Bekanntschaft des schlanken Attachés mit den Grantschen Damen zu vermitteln, eine Bekanntschaft, zu welcher diese Republikanerinnen, wenig stens die beiden jüngeren, schon während
312 des vorhergegangenen Gespräches durch lebhaft teilnehmende Mienen eine ganz unverhohlene Neigung gezeigt hatten . Die Vorstellung erfolgte also , und nun unterhielt man sich den ganzen noch übrigen Der junge Grant Abend vortrefflich. paßte im Alter zum Grafen Pajadillo, dem er auch an Frühreife und Selbstbewußtsein wenigstens nichts nachgab. Und am nächsten Tage und einigen darauf folgenden war diese Geſellſchaft so ziemlich vom Morgen bis in die Nacht zusammen. Drei Herren und vier Damen, die Amerikanerin mit den beiden Töchtern und Emmy - da war es natürlich, daß dem Herrn von Frießberg, der nicht wohl zum Nachteil der übrigen Damen den Hauptkavalier seiner Frau spielen konnte, meist die Unterhaltung der amerikanischen Mama und der einen Tochter wenigstens zufiel, während die beiden jüngeren Herren die Ritterdienste bei den beiden anderen Damen. übernahmen . Und solche Ritterdienste gab es auf Spaziergängen, Ritten und Fahrten, beim Erklettern steiler Hänge , Besteigen der Saumtiere, Erklimmen der hohen Sitze auf den landesüblichen Karren, fortwährend . Und da ließ sich bemerken, daß , ein so vollendeter Gentleman wie der junge Spanier in seinem Benehmen auch war , er dennoch das Fräulein Grant meist bei solchen Gelegenheiten den Hilfsleistungen ihres eigenen Bruders überließ was ihm die striktere Höflichkeit eigentlich hätte. verbieten müssen und die Sache für Miß Maud wenigstens /! furchtbar unintereſſant" machte , wie sie selber sich ausdrückte und fast immer an der Seite der Frau von Frießberg zu finden war. Dem jungen Grant wäre es anders auch lieber gewesen, aber das Geschwisterpaar hatte sich in diese Verteilung der Rollen ergeben müssen. Herr von Frießberg schien dieselbe kaum zu bemerken. Die anderen fanden ihn alle höchst unterhaltend, amüsant und liebenswürdig , nur Emmy nicht. Wenn einem Manne fortwährend moralisch die . Kehle zugeschnürt gehalten wird von einem unsichtbaren Todfeinde, so wird er diesen wenig beneidenswerten Zustand vor Fremden allenfalls verborgen halten können, vor seiner eigenen Frau aber schwerlich, wenn er und sie während der vierundzwanzig Stunden des Tages selten mehr als zehn Schritt weit voneinander ent-fernt find. Gegen sie war sein Benehmen der letzten Tage und Wochen total verändert , ohne daß sie mit Worten hätte sagen können oder mögen, worin die Veränderung bestehe. Uebrigens waren sie, obwohl fortwährend zusammen , fast nie mehr allein miteinander, außer abends in ihrem Zimmer. Und Helwig schien jest sehr weit entfernt von dem Wunsche, eine Gelegenheit vertraulichen Alleinseins mit seiner Frau herbeizuführen. Der Ausflug, von welchem schon vor der Ankunft des Grafen Pajadillo die Rede gewesen war , sollte einem alten, einem_alten, einige Stunden weit hinten in den Bergen reizend gelegenen Cistercienserkloster gelten.
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Abends nach Tische saß die Gesellschaft | interessant genug gewesen. Er verlange zusammen auf der breiten Steinterraffe dabei einige Gefahr. DieJagd auf Schwarzüber der Rhone und besprach gemütlich wild habe er deshalb vorgezogen ... und das für den folgenden Tag in Aussicht da hatte ich allerdings das Vergnügen, genommene Vergnügen . von einem wütenden Keiler einmal bei Der Abend war sehr schön, der Son : nahe gespießt zu werden. Es war ein nenuntergang ganz besonders glühend und absurdes Abenteuer." farbig gewesen. Und während jezt auf „Wo , sagten Sie, habe dasselbe statt die enge Thalsohle sich schon die Nacht gefunden?" fragte Herr von Frießberg. gesenkt hatte und nun das Dunkel an Der Graf hatte davon gar nichts gesagt. den steilen Bergwänden hinauf kroch, „ Es war in Westpreußen," befann er sich Wenn ich nicht irre, auf einer der glommen die höchsten Gräte wie durch jetzt. sichtig in jenem Rosenlichte, welches dieser Gröbenschen Besitzungen .' Stunde in den füdlichen Berggegenden so Frau Oberst Grant, die amerikanische Mama, mahnte hier, daß man heute abend oft einen feierlichen Zauber verleiht. Der Abglanz desselben lag auf dem nicht allzu spät zu Bette gehen dürfe, da Gesicht der jungen Frau von Frießberg, die Gesellschaft am anderen Morgen frühe als sie jest träumerisch in den lichten aufbrechen wollte. Ich wenigstens muß Himmel schaute , an welchem ihr gegen mich jetzt zurückziehen , sonst fällt mir über, im Norden , ein fesselndes Wolken morgen das frühe Aufstehen zu schwer," gebilde in gewaltigen Massen sich auf: sagte sie. „Kommt , ihr Mädchen , euch baute, völlig unbeweglich, ain Tage blen wird es ebenso gehen.' dend weiß, jekt von der für irdische Augen Also allgemeines gute Nacht sagen. schon versunkenen Sonne noch glühend an Auch Frau von Frießberg hatte sich ergestrahlt. hoben. // Gehen Sie auch schon?" Das „ Das Wetter wird morgen schön wer war der junge Graf, ein weit tieferes den," sagte der Spanier dicht neben ihr. Bedauern in der Stimme, als der kleine Die Worte an sich waren gewiß unver- Umstand zu rechtfertigen schien. Er stand fänglich genug, der Ton aber, in welchem dicht vor Emmy; zum erstenmal sah sie er, leise und innig , gewissermaßen jedem ihn an mit dem allerleisesten Befremden derselben kosete, war es weniger. // Das in den klaren Augen, während die seinen Wetter wird morgen schön werden ," be- ihr einen jener weichen Glutblicke zusandten, deutete auch in diesem Falle eigentlich : die sie bisher vielleicht als eine berechtigte ich werde morgen noch einen langen , kastilische Eigentümlichkeit hingenommen glückseligen Tag an deiner Seite verleben, hattc. Vielleicht wäre sie auch jetzt nicht du schönes Weib eines anderen neben aufmerksam geworden ohne dasjenige, was dir , stundenlang in dem unbeanstandeten ihre Hand empfand, die sie ihm eben wie Selbander der Fahrt in diesen köstlich gewöhnlich zur guten Nacht gereicht hatte. engen Bergkarren , so dicht , daß ich den Er ließ dieselbe jest rasch los . „ Also Reiz deiner jungen Glieder durch alle deine auf morgen denn ich hoffe , es gibt Hüllen hindurch fühle bis in meine Finger kein Erdbeben in dieser Nacht " oder, spigen ! Denn nicht wahr, ich darf mir wie er franzöſiſch ſich ausdrückte : „ j'espère doch das Vergnügen und die Ehre sichern, que la terre (C ne croulera pas jusqu'à noch einmal Ihr Kavalier zu sein , ma- demain . . .‘ dame la baronne ?" hatte er vorhin in Er hatte halb scherzend gesprochen. wohl berechnet leichtem und doch heimlich „ Warum , Herr Graf?“ Das klang ein angelegentlichem Tone scheinbar nur so wenig scharf und kam von Herrn von hingeworfen , und Frau von Fricßberg Frießberg , der hinter den jungen Spa nier getreten war. hatte unbefangen zugesagt. Es war die Rede davon geweſen , об Die Männer standen sekundenlang die Herren Waffen mitnehmen sollten, da Auge in Auge. Dann verschleierte sich von Savoyen herüber zuweilen Wölfe in gleichsam der dunkle Blick des Südlänjene Vergeinfamkeit streiften . Die Ge- ders , und er meinte , mit einem leichten, fahr vor ihnen war es weniger, welche in weichen Lächeln : „ O, das wäre doch schade. " Betracht kam, als die Sportluft, der mit Als wenig später auf ihren Zimmern cinem gelegentlichen Schuß auf eine solche die beiden Gatten einander gute Nacht Bestie und der Erbeutung ihres fast noch wünschten , war es, als ob Emmy ihrem winterlichen Belzes gedient gewesen wäre. Mann gerne noch etwas gesagt hätte. Sie " Sie sind gewiß ein guter Schüße, Graf sah ihn wie schüchtern und unsicher ein Pajadillo," sagte Herr von Frießberg. paarmal an, fand aber auf seinem Antlig Ein ziemlich passionierter wenigstens," so wenig, was zu längerem Plaudern auf meinte der Spanier. Im weiteren Ver- gefordert hätte, daß sie den Versuch aufLaufe des Gespräches steuerte er ganz be- gab ... Auch du wirst gut thun , die scheiden die Mitteilung bei, daß er in den Stunden der Ruhe recht auszumußen," lezten Jahren bei Besuchen in der Heimat meinte er noch , nicht unfreundlich das Glück gehabt habe , zwei gewaltige Schlafe wohl. " Bären zu erlegen. Dann haben Sie bei Ja , wenn ich schlafen kann," entfuhr uns in Deutschland sich die Jagd doch es ihr. Du auch gute Nacht.“ Ein frischer, klarer Morgen ; eine leuch gewiß auch nicht entgehen lassen ?" warf Herr von Frießberg hin. tende Sonne, aber ein scharfer Hauch in Er habe oft Einladungen gehabt, sagte der Luft , die von Norden in das Thal Der Kastilier, aber die Jagd sei ihm nicht hineinblies. Vor dem Hotel standen drei
315 der leichten , mit einem Pferde bespannten drei und viersizigen Karren, deren sich der Anwohner im Verkehr über das Gebirge bediente. Vom Hotel aus wurden Schließkörbe mit einem kalten Mittagbrot und Wein unter den Sigen untergebracht. Fräulein Maud, die ältere der amerikanischen Schwestern , hatte schon ihren Play im Wagen eingenommen und rief jetzt mit Humor, und vielleicht nicht ohne eine leichte Bosheit, eingedenk der früheren wiederholten Personenverteilung , ihrem Bruder zu : „Komm , Fred - wir beide gehören ja doch zusammen , alter Junggesell und alte Jungfer old bachelor and old maid " fie fonnte das sagen , da sie ein frisches , zwanzigjähriges Mädchen war „das Schicksal will es so und wir vertragen uns ganz gut ! " Es schien also, als ob Herr von Frießberg wieder der Frau Grant und ihrer jüngeren Tochter als Kavalier zufallen würde , da Graf Pajadillo , der das schmuckste , lebhafteste Pferd und den am besten gehaltenen Wagen ausgesucht hatte, auf Frau von Frießberg als auf seine Dame augenscheinlich rechnete. Er stand jezt neben dem Kopf des Tieres , dasselbe streichelnd , — der schlank befracte junge Attaché vom Parkett verwandelt in einen Gebirgstouristen mit Lodenjoppe und Jägerhut , welche Tracht ihn beiläufig fast ebensogut kleidete. Aber als sei der Einfluß seiner Nähe auf das Tier gerade kein besänftigender , oder als wirke das heiße spanische Blut selbst bei dieser Berührung anregend , genug, das Pferd warf gerade jezt seinen schellenund neßgeschmückten Kopf höchſt auffällig in die Höhe , ja es machte sogar einen Versuch , im Geschirr zu steigen, der seine Crwünschtheit als Zugtier auf nicht ungefährlichen Gebirgswegen in ein ziemlich zweifelhaftes Licht seßte. Ueber Fricßbergs Gesicht war ein Schatten von Unruhe geflogen , während der Graf das Tier etwas ärgerlich wieder zur Stetigkeit zwang. Eine sehr bemerkliche Folge aber hatte der kleine Vorfall jeht bei einer dritten Person der Gesellschaft. Emmy von Frießberg eilte auf den Wagen zu, in welchem eben Mrs. Grant Plaz genommen hatte. „ Das abscheuliche, tückische Tier !" rief sie dabei mit einer Lebhaftigkeit , die man gar nicht an ihr gewohnt war. "1 Es hat mich neulich so in Schrecken gesetzt ! Verzeihen Sie , Herr Graf .. aber ich steige hier ein und #1 vertrauc mich lieber meinem Manne an. Damit hatte sie ohne weiteres , und che ihr jemand helfen konnte , den Sitz neben Frau Grant erklommen. Der Kasti lier war tief erblaßt , aber er faßte sich fofort. "/ Es scheint, daß Sie , Fräulein Millic , demnach genötigt werden sollen, mit meiner Gesellschaft sich zu begnügen und sich noch dazu meiner so ausdrücklich angezweifelten Lenkerfähigkeit anzuvertrauen. Wollen Sie es thun? Darf ich bitten ? Ich füge hinzu" — dies in cinem | Tone leicht verächtlicher Bitterkeit ge14
316 sprochen, dem Tone dessen, der einen allzu durchsichtigen Vorwand eines anderen so zusagen mit dem Fuße von sich stößt daß es mit dem Pferde nicht die mindeste Gefahr hat. Dasselbe geht vollstän dig sicher." "1Millie ist gewöhnlich sehr mutig , " begann hier Frau Grant, geleitet von dem Bestreben der Weltdame , der Gesellschaft über die etwas peinliche Scene hinweg zuhelfen; " manchmal ein bißchen follkühn fogar. Aber ich bin überzeugt, Herr Graf, Sie werden desto vorsichtiger sein. Wir bleiben ja auch immer nahe zusammen. " Der Graf verbeugte sich , ein etwas ironisches Lächeln mit dem Bärtchen zu gleich glättend und gleichsam hinwegstreichend . Ich fürchte mich nicht, Mama," rief ihrerseits Fräulein Millie, indem sie die stüßende Hand des Grafen annahm und von ihm hinaufgehoben wurde. Dem Gatten Emmys war demnach nichts übrig geblieben als eine ziemlich paſſive Rolle, von der man nicht sagen konnte , daß sie auf seine Stimmung besonders günstig gewirkt hätte. Er war im ersten Augenblick über das Verhalten seiner Frau tief betroffen gewesen und dann einen Moment lang sogar stark versucht, seinen Platz im Wagen der Frau Grant nunmehr an den Grafen abzutreten und selber das störrige Pferd und Fräulein Millie zu übernehmen , so daß Emmy ihren für ihn offenbaren Zweck, der Nachbarschaft des Spaniers zu ent gehen , dennoch nicht erreicht hätte. Und zwar entsprang diese beinahe rachsüchtige Regung dem tief bitteren Gefühl : fie durfte es nimmermehr so weit kommen Lassen, daß solche Manöver, solche Schug maßregeln nötig wurden ! Augenblicklich aber war etwas anderes gefolgt, der Gedanke, ihr starker, überwältigender Impuls derFlucht vor jenem Manne war der einer unschuldigen, reinen Natur zu ihrer eigenen Rettung. Es wäre schwere Sünde , ihr die helfende Hand versagen zu wollen. Und ' inzwischen war der Augenblick einer Wahl vorüber und das neue Arrangement der Pläge zur voll endeten Thatsache geworden . Die Fahrt hinein in die Berge, welche sich von hier aus stetig hoch und höher, bis zu dem höchsten Gipfel Europas erheben, nahm ihren Verlauf. Die Gegend war durchweg das , was man mit einem leider nunmehr abgebrauchten Ausdruck wild romantisch" zu nennen pflegt , die Aussichten wechselnd und überraschend. Eine vor kurzem geäußerte Annahme, die sich bald als trüglich darthun sollte, war übrigens diejenige der Frau Grant , man werde immer nahe zusammen bleiben. Die Kräfte der drei Pferde erwiesen sich alssehr ungleich und die Angaben der Eigentümer über ihre Leistungsfähigkeit so zu verlässig , wie es der Charakter der stets zu viel versprechenden Südfranzosen überhaupt ist. Den letzten Wagen , den , in welchem Herr von Frießberg mit den beiden Damen , also schon drei Personen, sich befanden , hatte außerdem auch noch
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der Sohn des Führers , ein fast erwachschwippte er leicht eine zähe Gerte, die er sener Bursche , bestiegen , während sein sich unter der Weile geschnitten hatte, und Vater auf dem vordersten Karren , den nichte, nicht eben Gutes verheißend, nach die amerikanischen Geschwister innehatten, dem abgegerbten Felle des armen Gehockte, mit dem Rücken gegen die Infassen, schöpfes hin und werde nicht viel das Gesicht nach rückwärts , die Beine ge später als die Herrschaft auch zur Stelle fein. mächlich in der Luft_baumelnd . Was sagen Sie zu unserer Idee, Herr von Frießberg fuhr selber. Aber all seine lebung in diesem Fache gnädige Frau? " fragte Helwig jest Frau konnte es nicht dahin bringen, daß sein Grant. " Würden Sie dabei sein?" „ Die Jdee ist vortrefflich," meinte die Pferd , ein ursprünglich kräftiges , aber altes und stark verbrauchtes Tier, mit den Dame. " Sie haben wahrlich recht , daß jüngeren Genossen vorn auch nur im ent Sie sich lieber auf ihre eigenen Füße als ferntesten Schritt hielt . Man blieb zu auf die Beine jenes Unglückspferdes verrück, und es stellte sich bald heraus, daß lassen wollen. Ich muß leider verzichten, dieser Teil der Gesellschaft den Rendez- so gerne ich thäte wie Sie. Aber ich muß vousplatz für das Mittagessen oder den mich ein wenig schonen , darf mich nicht Lunch, wie man es nennen wollte , sehr erhitzen, was doch wohl unvermeidlich wäre. viel später als die übrigen erreichen würde. Ich werde mich in Geduld faffen müſſen Das hätte am Ende nicht viel aus- und im Wagen bleiben. " Das höfliche Widerstreben Frießbergs, gemacht, aber es war nicht angenehm, das arme Tier unter der vierfachen Last die sie allein dem Burschen als Kutscher zu stets ansteigenden Wege keuchen zu fühlen . überlassen, ja selbst sein Anerbieten, ferner Der junge Bursche lief schon längst leicht zu fahren und den Buben seiner Frau füßig nebenher, verschwand einmal zwischen als Führer mitzugeben, beseitigte die Ameden dichten Gebüschen der Bergwände und rikanerin lachend, aber bestimmt, wobei sie erschien wieder, mit der treuherzigen An- glaubwürdig versicherte, es mache ihr dies mut seiner Landsleute den Damen ein alles gar nichts aus , sie sei schon unter paar Blüten bietend , die er zwischen dem ganz anderen , viel erschwerenderen UmGestein entdeckt hatte. ständen gereist, und so weiter. Kurz, sie Man war aber jest so hoch, daß, ein blieb figen, das braune Bürschchen nahm merkwürdiges Memento des Winters , der den Plag des Lenkers ein in der kaum unten schon so lange vergangen war, hie verhehlten Absicht , mit dem Gerben des und da Schneemassen aus schattigen Ver- Pferdefelles auf lebendigem Leibe heute . tiefungen der Felsen hervorleuchteten. Und ein gutes Stück weiter zu kommen zu diesem Schnee besser als zu den Blumen welcher Mrs. Grant im stillen aber die in den Händen der beiden Frauen paßte ebenso entschiedene , dies nicht zu dulden, • und man nahm // auf der eisige Wind , welcher zuweilen einmal entgegenseite ganz unerwartet aus einem Felsenloche ein halbes Stündchen etwa ! " voneinander herauspfiff , während an anderen Stellen Abschied . Der Wagen rollte weiter, und die Sonne sengend heiß brannte. das Leyte, was die Amerikanerin von ihren Mit dem Vorrücken des Tages jedoch seitherigen Gefährten sah , war der von verschlug sich die Sonne immer öfter, die ihrem Gatten sorgfältig unterstüßte AufLuft wurde dadurch angenehm gefühlt, stieg Emmys zwischen dem Geröll zur und Emmy konnte endlich ihr Verlangen Seite. Dann kam man einander aus dem nicht länger verbergen , dem Schnecken Gesicht. gange des Wagens auf eine Weile zu Der junge Führer hatte den Weg, den entrinnen. Sie machte ihrem Manne den die Fußwanderer verfolgen sollten , sehr Vorschlag , den Buben fahren zu lassen, genau beschrieben. Der Pfad verließ , wie auszusteigen und nebenher zu gehen. Man er gesagt hatte, nach kurzer Zeit das Thal fonnte mit den Augen einen Pfad ver- des Luc und bog seitab in eine Art folgen, der etwa in der Höhe eines mäch Schlucht. Die Umgebung war hier zwar tigen Hauses an der Felswand über der wild und ernst, aber immer noch von großer Straße diese begleitete. Der Bursche hielt Schönheit. Beide fühlten diese vielleicht, sich meist auf demselben , wenn er nicht ohne groß acht auf die Einzelheiten zu wie eine Ziege an den Felsen herum haben, so voll waren Mann und Weib fletterte. Er wurde jezt herabgerufen, von ihren eigenen Gedanken. Uebrigens befragt. Ja, das war der Fußpfad , der kümmerte sich auch Emmy um den Weg auch nach Pont Luc der Ruine , bei gar nicht : sie überließ sich mit voller welcher man tafeln wollte führte. „ Willst Zuversicht ihrem Gatten auf die Andu fahren , während wir den Weg dort weisungen des Burschen vorhin hatte sie verfolgen?" hieß cs ; und werden wir nicht einmal hingehört . Was Herrn von Frießberg betraf, auch nicht fehlgehen ?" Nein, fehlgehen könne man gar nicht, so war er seit gestern abend fest übermeinte cr . Und wenn man sich etwa zeugt , daß zwischen dem jungen Grafen fünf Minuten weiter rechts um den und seiner Frau eine alte Beziehung be = Felsvorsprung wende , so strecke man be: stehe, von deren Kenntnis man ihn ausdeutend zu, während die Straße erst noch schließe. Welcher Art dieselbe aber sei , zweimal eine Brücke zu passieren habe, darüber war er keineswegs im flaren . über den in der Tiefe gurgelnden Luc. Ueber die Gegenwart, den augenblicklichen Allein aber mit dem Pferde wolle er das Stand der Dinge , ging seine Ueberzeuselbe schon in Gang bringen. dabei gung im ganzen dahin, daß Emmy den
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besten Willen habe, auf dem rechten Wege der Blöcke, die hier den Pfad verengten , | gewesen , und auf Wunder rechnet man und sogar wenn möglich gerade in der niedergleiten. Ich warte hier. Aber nicht. Mitte desselben zu bleiben und als eine bitte" - etwas ängstlich zu ihm empor Die eine Hoffnung , welche jezt blieb, // war die, daß das Gestöber, etwa wie ein brave deutsche Frau diesem gefährlichen | gewandt ,,bleib nicht zu lange.' kleinen Don Juan zu widerstehen bis ans „ Nicht länger als fünf Minuten," Frühlingsschauer , von kurzer Dauer sein Ende. Die Hölle aber von demütigen tröstete er und war ihr gleich darauf aus werde. Im anderen Falle war der einzige der Pein bei dem Gedanken, wie so viel den Augen. Ihr war, als bleibe sie eine Ausweg der, umzukehren durch die Schlucht überhaupt schon möglich sei! Die kaum Ewigkeit allein , und doch hatte er die und die Straße wieder zu erreichen , welche greifbare Reue , der Stachel der unent Frist um nur dreißig Sekunden über man gefahren war. Helwig zog seine Frau an sich und rinnbaren Empfindung, daß er, er selber, schritten , als er jest wieder erschien mit Helwig von Frießberg, ein blinder Thor einem Gesicht, dem er jeden Ausdruck von wandte mit der Hand ihre Wange sanft zu gewesen sei bisher , daß er sich irgend Unbehagen zuvor sorgfältig zu nehmen ge- sich, an seine Brust, so daß ihr Gesicht vor dem treibenden Schnee geschützt war. Weietwas Unerseßliches habe entgehen lassen ! sucht hatte. So kam es, daß beide nicht viel mit„Hinter uns haben wir das Kreuz ter zu gehen wäre Thorheit , Emmy," sagte einander sprachen, er aber doch jeden Schritt nicht, Emmy," sagte er heiter und zuver er ernst, aber doch so , daß sie die Angst und Tritt seiner Frau mit Sorgfalt be- sichtlich, also muß es noch vor uns sein. nicht durchhören sollte , die an ihm zu hütete. Der Bursche hatte vorhin be- Komm ... es kann nun nicht lange mehr nagen begann. „Wir wollen uns zurückschrieben, an welcher Stelle die Fußgänger dauern. Selbst ohne Kreuz hätte ich ja wenden, nach der Schlucht zu. So haben die Schlucht wieder verlassen sollten : auf doch, da ich so scharf ausschaute , jenen wir wenigstens den Wind im Rücken. einem Geißhirtenpfad , dessen Eingang aufsteigenden Pfad wohl entdeckt" er Diese Frühjahrsgestöber pflegen nicht von zwischen dichten Ginsterbüschen nicht ganz konnte nicht wissen , daß ebenfalls seit langer Dauer zu sein. Schlimmsten Falles leicht bemerklich und deshalb von den Berg diesem Frühjahr jener Pfad die ersten müssen wir eben ganz umkehren. " „Ja,“ sagte Emmy noch ziemlich tapfer, bewohnern mit einem hölzernen Kreuze be- zwanzig Schritt weit hinweg gespült und zeichnet worden war. Daß die Frühjahrs- nur mehr ein handbreiter Felsvorsprung und vielleicht treffen wir dann sogar die gewässer dieses Kreuz losgespült hatten davon übrig war aber ich habe nichts anderen wieder, denn sie werden die Partie wohl auch aufgegeben haben. " und die zwei Pfähle desselben vor einigen gesehen. Ich muß übrigens gestehen" Helwig hütete sich , sie daran zu erWochen in den Luc hinuntergeschwemmt lächelnd daß mir die Aussicht auf und von dieſem der Rhone zugeführt worden unser Frühstück jezt immer erwünschter innern, daß sie, ehe sie ausstiegen, stundenlang gefahren waren und daß Emmys waren, die sie wahrscheinlich längst in das wird. " Mittelmeer geschaufelt hatte, wußte der Wieder ein eifriges Weiterstreben in Kräfte für diesen ganzen Weg zu Fuß Bube nicht. der Schlucht, die jest ihre kirchenhohen schwerlich ausgereicht hätten. Eine weitere Herr von Frießberg und seine Frau Wände nach oben mehr und mehr ancin- Viertelstunde später wäre ihm selbst dieſe waren etwa eine halbe Stunde lang in ander zu neigen begann. Mit einemmal Aussicht auf eine fast unendliche Fußwander Schlucht tapfer vorwärts geschritten, blieb Helwig stehen und sagte , sich leicht derung wie eine wiedergeschenkte Lebenswobei er trotz aller inneren Befangenheit über das Gesicht fahrend , hastig : "1Was hoffnung erschienen. Aber da war es auch damit vorüber. immer einmal wieder nach dem Kreuze war das ?" Das Schneetreiben hörte nicht auf, ausgeschaut, und wenn er dasselbe noch „ Schnee," erwiderte Emmy darauf tonſondern wurde vielmehr von Minute zu nirgends bemerkte , sich beruhigt hatte. los. Ich habe es auch gefühlt. “ Der Weg wurde aber immer beschwerJa, die eisig prickelnden Punkte, welche Minute heftiger. Und dann hatte es einen. licher, das Geröll unter den Füßen immer Wange und Stirn nun schon ein paar Grad erreicht, der sich nicht wohl steigern maffiger und hinderlicher. Emmy stand mal berührt hatten , waren winzige Schnee- konnte. Die ganze Luft war jest cin einmal ganz erschöpft still , und ihr krystalle gewesen. Mit einem unheimlichen Schnee, der kaum noch wirbelte, weil die Gatte, fie leicht stügend, sagte : „ Dies ist Gefühl blickte der Mann empor. Mian aneinander gedrängten Flocken dazu keinen ein abscheulicher Weg ... ich werde den fah hier nicht viel vom Himmel, aber dies Plat hatten. Der Wind trieb ihn stetig Buben beim Ohr nehmen, wenn wir ihn Wenige war farblos , die Sonne völlig ver: in einer gleichmäßig schrägen Lage , und wieder treffen. Und das Zeitmaß dieser schwunden, und den Wanderern blics jetzt ganz still sanken unendliche Massen allenthalben hernieder. Mit fast ungläubigem , Leute ist gewöhnlich ganz toll ... fie ein rauher Wind entgegen. reden bei Zeitbestimmungen völlig ins Noch weitere zehn Minuten und die staunendem Entschen sahen die beiden, wie Blaue hinein. Wir sollten doch Scene ringsumher hatte sich verhängnis rasch die weiße Decke rings über allem Er hatte seine Uhr hervorgezogen und voll verändert. Die Schlucht freilich hatte sich verdichtete, dann wurden die Augen schien betroffen ... // Den Teufel auch .... sich aufgethan , aber der freie Blick , den sekundenlang und immer länger so geblenwir sind fast eine Stunde unterwegs, die Zweifelnden sonst freudig begrüßt haben det , daß alles rot erschien anstatt weiß. Emmy ... und in weniger als einer halben würden, da er ihnen wahrscheinlich vergönnt Es war ein sonderbarer Zustand , dessen sollten wir auf diese Weise in Pont Luc hätte, die einzuschlagende Richtung zu erschärfste Qual aber freilich abgeſtumpft sein! Ganz wie ich sagte" er war fennen, war jest nichts als die Aussicht wurde durch das traumhaft Lähmende, wieder in einen leichteren Ton gefallen auf eine undurchdringlich graue Luftschicht, welches eine der Hauptgefahren für den „ dies Volk kennt keine andere Ühr als die angefüllt von Myriaden wirbelnder Flocken. im Schnee Verirrten bildet. Sonne, und so feine Zeitunterschiede wie Keine fünf Schritt weit konnte man sehen : Helwig von Frießberg kämpfte gegen der zwischen einer halben und einer ganzen ein heftiger Schneesturm , lebensgefährlich diese Erstarrung, auch die moralische, wie Stunde mögen ja wohl für sie nicht eri- selbst für den, der jeden Schritt breit Land ein Mann. Emmy war ihm nicht durch stieren. Du bist aber müde - " Von hier kannte, ein grimmiger Todfeind aber Furcht und Klagen lästig gefallen , aber neuem war ein Schatten über sein Gesicht den Fremden , Verirrten, hatte begonnen. auch an der Energie schien es ihr zu fehlen, geflogen, und er wischte sich ungeduldig Und verirrt waren sie, darüber konnte die sich mit wütender Lebenslust anstemmt die perlende Stirn. „Wir sind doch noch für Helwig kein Zweifel mehr walten: gegen das Versinken. Sie hatte sich dicht nicht an dem Kreuze vorbei ! ... Willst völlig und hoffnungslos vom Wege abge an ihren Gatten geschmiegt, ging vorwärts , du ein paar Augenblicke ruhen , liebes kommen, allein und hilflos in einer allem wenn er ging , und war meist ganz still. Jest sollte aber auch der Augenblick Kind , während ich zurückgehe , nur um Anscheine nach ganz menschenleeren Gekommen, in welchem den kräftigeren Mann jenen Vorsprung herum, und mich noch birgsöde ! Jest hier noch, wenn man etwa weiter die Verzweiflung erfaßte. Sie befanden einmal davon überzeuge , ob wir das Ding doch nicht am Ende übersehen haben?" strebte, einem wegkundigen Manne zu be: sich, ohne daß er es wußte , auf einem jener stundenweiten Geröllfelder , welche Gewiß , wenn du meinst ," sagte gegnen , der sie zurecht gewiesen hätte Emmy und ließ sich bereitwillig auf einen ein solcher Zufall wäre eine Art Wunder | unterhalb der höchsten Gipfel ſich in diesen
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322 Alpengebieten häufig ausbreiten . Und Helwig hatte , als er sich umwendete , in dem dichten Schneetreiben die Richtung verfehlt : er vermochte den Eingang zu der erst vor kurzem verlassenen Schlucht jest nicht zu finden. Bitter wie der Tod war ihm der Mo: ment , da er es ihr sagen mußte. Ich weiß nicht mehr , wo wir sind , Emmy," brachte er zwischen den Zähnen hervor, mit einer Stimme, welche stille Verzweif Lung kaum aus der Kehle herausließ. Aber verliere den Mut nicht , Liebling. Wir wollen nun ganz langsam vorwärts gehen, um nicht weiter in die Jrre zu geraten. Sobald es etwas heller wird , muß man ja die gewaltigen Felsenwände, zwischen denen wir vorhin waren , erken nen. Und einmal wieder in der Schlucht, sind wir gerettet . " „ Gerettet?" wiederholte sie träumerisch, wie verwundert. Er verwünschte jetzt den unbedachten Ausdruck: Es hatte sich der jungen Frau indessen nach und nach eine tödliche Mattigkeit bemächtigt. Sie war zwar immer gesund gewesen , aber doch feine Heroine , und ihre physische Wider standskraft , vielleicht etwas beeinträchtigt durch das Leben der letten sechs Monate, hatte nahezu ihre Grenze erreicht. „Gerettet?" sagte sie noch einmal und schwieg dann wieder lange . Beide ver janken jezt bei jedem Schritte tiefer in den Schnee; die Kniee der Frau wankten unter ihr, aber sie hielt sich noch aufrecht, von ihm auf das fräftigste gestützt . Ein mal sagte sie leise : Ohne mich wärest es würde dir eine du faum in Gefahr Kleinigkeit ſein, irgend eine geschützte Stelle zu erreichen „ Ich glaube kaum , Emmy ," sagte er in einem Tone , deſſen ſchmerzlicher Anflug der auch damit nur dargethanen Gefähr lichkeit der Lage galt. " Doch," beharrte sie. Aber ich weiß, daß du bei mir aushalten wirst." Ein krampfhaftes Pressen in seinen Arm , an seine Brust mar darauf seine Antwort. Die Kleidung der jungen Frau war natür lich nicht im entferntesten diesem furchtbaren Umschwung des Wetters angemessen ; die seine ebensowenig , doch hatte er zum Glücke den großen Mantel mit aus dem Wagen genommen, der sie jest beide ein hüllte. Wieder war eine schreckliche halbe Stunde vergangen, da sagte Emmy, stehen Ich kann nicht mehr lange, bleibend : Helwig. Und mir ist so sonderbar , als müßte ich einschlafen. Jezt aber kann ich noch denken ... möglich ist es ja immer unendlich rührend war der Verhin" such, die nächsten Worte mit einer Art von „ daß liebevoller Schonung auszusprechen - daß ich dann sehr krank würde, vielleicht stürbe du wirst gewiß den Rückweg finden deshalb muß ich dir jetzt etwas "/ ſagen. Ihr Köpfchen wie ihre beiden flachen Hände lagen auf seiner Brust , während er fie an sich gepreßt hielt, und sie sprach jekt , wie schon halb träumend , nach der
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Stelle hin, an welcher sie das Herz ihres | schuldbewußt ausgesehen , als er nach der bis völligen Wiederherstellung Emmys Mannes klopfen fühlte. " Weißt du noch, was du mich fragtest zu welcher er seine Abreise verschoben hatte an jenem Abend auf der Terrasse in Mont die junge Frau und ihren Gatten wiederbegrüßte. Seine Empfindung für die Asnières ? " „ Db ich es weiß ," sagte er, und für erstere schien durch jenen denkwürdigen einen Augenblick trat selbst die Todesnot Tag eine so liebenswürdige Abklärung gezurück vor der Lebhaftigkeit, mit welcher die wonnen zu haben , daß Emmys Gemahl damals erlebte Empfindung wiederkehrte. es nicht schwer fand , ihm zum Abschied „ Du wolltest wissen , wer es gewesen warm die Hand zu schütteln und ihm ein sei .. damals , auf Gröbendorf , vor drei herzliches Auf Wiedersehen" zuzurufen. Jahren." „ Ja,“ sagte er rauh . Sie wandte nun an seiner Bruſt den Der neue Fürft von Bulgarien. Kopf ein wenig in die Höhe. Du warest es ... du ... der mich kaum fah. Damals Das bißchen Bulgarien " will noch immer bin ich fast an dir gestorben. Und des: nicht zur Ruhe kommen. Am 7. Juli hat halb demütigte es mich so furchtbar , daß die Sobranje bekanntlich einstimmig den Oberdu mich später nicht einmal wieder erkann- lieutenant im k. F. 10. Husarenregiment, Prinzen test. Und ich gelobte mir, du solltest von Ferdinand von Koburg, Herzog zu Sachsen, jener Zeit nie etwas erfahren. Es sollte zum Fürsten gewählt. so bleiben , wie es war. Dieselbe sollte ges für dich nicht dagewesen sein. Verzeih Derselbe, boren zu mir," sagte sie noch nach einer Weile und Wien den 26. hauchte einen Kuß auf seine Kleider. Februar Was, Emmy, was ? " stieß er hervor, 1861 , ist der während er sie fester an sich preßte. Und jüngste Sohn dann schickte er, nach alter Gewohnheit der des verstorbeMenschen , einen Blick wilden Flehens nen Prinzen Ferdinand hinauf zum Himmel. von KoburgNach einer Weile mußte er Emmy Kohary und tragen , da ihre erstarrenden Glieder ihr derPrinzessin Prinz Ferdinand von Koburg. nun völlig den Dienst versagten . Doch Klementine aber verlor sie nicht durchaus das Be von Orleans, wußtsein , sondern blieb in einer Art von Tochter des Erkönigs Ludwig Philipp von Halbschlaf, der sich erst dann in einen tiefen, Frankreich. Was eigentlich die Augen der nach Bulgaren auf diesen Prinzen lenkte , wenn wirklichen Schlummer löste, als sie einer weiteren Stunde fast übermenschlicher nicht sein Reichtum und seine verwandtschaftBeziehungen, ist schwer zu sagen , denn Anstrengung ihres Gatten, während welcher lichen man weiß nichts von ihm, als daß er bisher er sie im Schneegestöber durch die ganze, ein eleganter Kavalier, ein schneidiger Reiter, endlich wieder erreichte Schlucht trug ein Dilettant der Ornithologie und ein eifriger in einen unten auf der Landstraße ange Sammler von altem Porzellan und anderen troffenen Wagen gebettet werden konnte. objets de vertu war. Er hatte seine GeneigtSie erwachte zu klarem, gesundem Bewußt : heit für Uebernahme des bulgarischen Thrones sein erst wieder in einem der Betten des an die Geneigtheit der Großmächte zu seiner Hotels , in ihrem Zimmer, und dort stellte Anerkennung geknüpft und sich in diesem Sinne gegen die Deputation der Regentschaft auch ein vielstündiger Schlaf ihren Gatten auch und der Sobranje ausgesprochen, welche ihm von den unerhörten Anstrengungen jenes feine Erwählung anzuzeigen und ihm dazu Glück zu wünschen gekommen war, und hatte Gebirgsabenteuers wieder her. * wochenlang mit der Annahme der Wahl gezaudert und die Reise nach Bulgarien bis dahin Die Sorge und Angst der übrigen vertagt, wo er der Anerkennung wenigstens Gesellschaft, als sie sich in Pont Luc ohne der anderen Mächte außer Rußland sicher wäre. jene beiden zusammenfanden und nun der Allein feine der Mächte hat ihn anerkannt, die meisten haben ihn vor der Annahme als furchtbare Schneesturm losbrach, würde einer Art échauffourée gewarnt. Trok alledem schwer zu schildern sein. Graf Pajadillo ist Prinz Ferdinand am 9. August mit einem und der junge Grant hatten sich noch wäh förmlichen Stabe von Wien abgereist und in rend desselben mit so viel Leuten, wie Grant Bulgarien angekommen und offiziell mit Hulnur zusammenraffen konnte, unter eigener digungen aller Art empfangen worden . Alle Lebensgefahr auf die Suche begeben und Welt zerbricht sich nun den Kopf über die Motive, von derselben erst abgelassen, als vom Hotel welche den Prinzen zu diesem gewagten Schritt aus ein Bote fie erreichte mit der Nach bestimmen, den er in einem Rundschreiben an richt, daß die Verirrten zurückgebracht seien. die Mächte diesen mitgeteilt hat ; allein niemand vermag einen stichhaltigen Grund zu Die Sorge erst und die Freude nach finden, und so ist denn allen möglichen politi her war bei der Familie Grant so auf- fchen Konjetturen Raum gegeben. Allein das richtig und groß gewesen, daß von da an find nur Gerüchte, und es liegt dem Schritte eine lebenslängliche Freundschaft sie mit des Prinzen die psychologische Erklärung näher, Herrn und Frau von Frießberg verband. daß bei ihm Eitelkeit im Spiele ist , welche, Aber auch Graf Pajadillo gewann eine wie die ,,Kölnische Zeitung" sagt, //den Menschen Art Anteil an dem Bunde, den hier die wohl zu Thorheiten zu verleiten, nicht aber zu Elemente gekettet. Er hatte so eigentümlich heldenhaften Thaten zu begeistern vermag". m. bewegt, man könnte fast sagen, ein wenig
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Algier.
Hof des Museums (S. 340).
Algier .
Don H. Brugsch- Pascha.
Algerien , die Berle aller französischen Kolonien , ist bis in die Gegenwart hinein ein Schmerzenskind seines stolzen Be sizers geblieben, vielleicht richtiger ausge drückt, eine schöne Sklavin, die mehr em pfängt, als sie als Gegenlohn bietet und für das Empfangene nicht einmal die Gefühle des Dantes hegt. Französische Sitte und Gewohnheit, französischer Lurus und leicht lebiger Sinn, aber auch französische Zucht und Strenge hat seinen Einzug in das reiche Land gehalten. Aber nur das Rif, der Küstenrand, wenige Meilen bis zu den luftigen Höhen des waldreichen Toll, in südlicher Richtung hinauf, hat sich dem
gallischen Zwange gefügt, während das hinter das Reich der Wüste mit ihren Dafen und Militärposten noch in der Gegenwart eine widerwillige, unftäte Bevölkerung birgt, in deren Herzen die Rache kocht und in deren Adern das Blut des geborenen Kriegers wallt. Mit dem Kö nige der Wüste , dem Löwen , teilt der freie Sohn der Wüste die Gier nach Raub und Mord , und verloren ist der Feind, der nicht die Stärke des ebenbürtigen Gegners in sich fühlt. Die Geschichte des Landes ist in großen Zügen bald auf das Papier geworfen. Im grauen Altertume hausten auf dem
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üppigen Boden der westlichen Ränder der Nordküste Afrikas, unter dem blauen Himmel mit seinem milden Klima, chamitische Einwanderer von gelblich- brauner Hautfarbe, welche den weiten Weg von Asien aus nach dem Untergange der Sonne zu längs der Meeresküste eingeschlagen hatten, um das ersehnte Glück in den Gärten der Hesperiden zu finden. Zu ihnen gesellten sich neue Einwanderer , von heller Hautfarbe, blond- oder rothaarig und mit blauen Augen im wilden Angesicht , welche die gefährliche Reise von Europas nächsten Küsten zur See angetreten hatten, um den univirtlichen Gestaden ihrer Heimat zu entfliehen und neben den Chamiten den von den Wogen des Mittelmeeres bespülten Küstenstrich des dunkeln Weltteiles für sich in Besitz zu nehmen. Die ältesten , in buntfarbigen Abbildungen getreu dargestellten Ahnen der verschollenen europäischen Urrasse erscheinen bereits im vierzehnten Jahrhundert v . Chr. Geburt auf den Wänden ägyptischer Denkmäler als ein absonderlich aussehender Menschenschlag. Die helle Hautfarbe und das blaue Auge verrät den Europäer, aber die Federn auf dem dichtbehaarten Scheitel, die tättowierte Haut und das ungegerbte Rindsfell auf dem Rücken läßt eher an einen Buschmann denken, als an die Vertreter der ältesten Vorfahren unseres eigenen Geschlechtes . Die lange Locke, welche von ihrer rechten Kopfseite aus über das Dhr niederwärts hängt, scheint der erste Kulturfortschritt nach ihrer Ankunft bei den Chamiten gewesen zu sein. Denn die Völker des Nordens ", wie sie auf den Denkmälern im Nilthale bezeichnungsvoll genannt wer den, entlehnten ihren Nachbarn den merkwürdigen Haarzopf, welcher als eigentümliches Abzeichen der libyschen Bewohner in diesem Teile Afrikas sich von Geschlecht zu Geschlecht bis in die griechischen Zeiten hinein forterbte. Der Zopf, der Kriegswagen, die Pferdezucht und der Waffenschmuck fiel den griechischen Reisenden bei ihrem Besuche der libyschen Küsten im Westen regelmäßig auf. Wie die Venezianer und Genuesen im Mittelalter ihre Handelszüge nach allen Teilen des Orients ausdehnten , um an neu angelegten und befestigten überseeischen Handelsplätzen feste Stationen dem vaterländischen Weltverkehr zu schaffen, so hatten lange vor ihnen die Phönizier das Beispiel dazu gegeben und auch an den günstig gelegenen Küstenplägen der heutigen Provinz Algerien es nicht verabsäumt, Kolonien zu gründen und ihren Schußgottheiten, dem Stadtkönig Baal und der himmlischen Astarte, Altäre und Tempel zu errichten. Schon im Altertume öffnete der Handel und die Mission den Weg zu den unbekannten Völkern der Welt. Die alte Phönizierstadt Karthago galt gleichsam als die Mustermutter aller übrigen. Die Römer machten bekanntlich der phönizischen Handelspolitik an der nordafrikanischen Küste ein Ende , und das heutige Algerien wurde der römischen Weltherrschaft einverleibt. Mauritanien , das
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Kenyon Cof 1885-
Gine arabische Frau
Land der Mauren, nannten sie den west lichen Teil des Landes , Numidien den östlichen. Das oströmische Kaiserreich übernahm das verfallene Erbe des weströmi schen. Die Eroberung des Landes durch den Feldherrn Belisar bildet eine merk würdige Episode der damaligen Zeitgeschichte. Im Jahre 429 waren die ger manischen Vandalen, hellfarbig, blondhaarig und blauäugig, wie ihre stammverwandten Vorgänger, die Völker des Nordens " , als friegerische Seefahrer gen Afrika gezogen und hatten hier mit dem Mittelpunkt Algerien das vandalische Reich gegründet, um etwas über hundert Jahre später (534) vom oströmischen Feldherrn Belisar über wunden zu werden. Im siebenten Jahrhundert sind es die Araber, welche auf ihrem Zuge nach Spanien dem Römerreiche in diesem Teile Afrikas ein jähes Ende bereiten . Die Söhne des Hedschas setzen sich fest , die arabische Sprache und Sitte gewinnt ihren
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hoheit , türkische Janitscharen leisteten in den Kämpfen gegen die Spanier thatkräftige Hilfe, und der Dey von Algier , wie sich das Oberhaupt des neuen Staates bezeichnete , übernahm die Stelle eines Hauptmanns von Seeräubern, deren Uebermut und Plünderungssucht die seefahrenden Völker Europas das ganze Mittelalter hindurch in Schrecken sette. England und Frankreich rafften sich, durch die Not gedrungen, mit aller Macht auf, um den gefürchteten Piraten des Mittelmeeres das Handwerk zu legen. Die Kämpfe der Franzosen um den Besitz von Algerien sind zu bekannt, sie gehören ja der neueren Geschichte an, um hier besonders geschildert zu werden. Die berühmtesten Generale, welche unter Karl X., Louis Philipp und Napoleon III. Kriegsdienste leisteten, erwarben ihre Lorbeeren und ihren Namen in Algerien. Die wiederholten Kämpfe gegen den Emir Abd -elKader, einen dem Priesterstande gewidmeten Kabylen vom Berberstamme in der Wüste, sind noch in aller Erinnerung und rufen die Heldenthaten eines der gefährlichsten und tapfersten Gegner der Franzosen in das Gedächtnis zurück. Gegen Ende des Jahres 1847 unterwarf sich der Löwe von Algerien , der Kabylenführer Abd - el-Kader, der französischen Uebermacht, um in der Verbannung, fern von dem Schauplah seiner kühnen Thaten , die Vaterlandsliebe mit der dauernden, auf den Koran beschworenen Trennung von der Heimat zu büßen. Ich habe das Glück gehabt, den Alten vom Berge vor wenigen Jahren kurz vor seinem Tode in seinem Hause zu Damaskus begrüßen und mich mit ihm in seiner Muttersprache unterhalten zu können. Die fleine, schmächtige Gestalt des damals nicht ganz achtzigjährigen Greises mit dem blassen Antlitz, welche in das Kleid eines mohammedanischen Geistlichen gehüllt war , ließ den berühmten Krieger nicht mehr ahnen. Er beklagte, in der Fremde sterben zu müssen, und nur die blizenden Augen, welche er auf den stets siegreichen Prinzen Friedrich Karl von Preußen richtete, ließen die Gefühle erraten, welche in der Stunde jener denkwürdigen Zusammenkunft zweier Helden sein Herz bis in das Innerste bewegten. (S. 333). Algerien und seine Hauptstadt Algier , AlDschefair der Araber , ist in dem verflossenen Zeitraum seit seiner Eroberung unter der FremdEingang , Allah und seinem Propheten herrschaft ebenso französisch geworden als Mohammed werden Moscheen und Bet- Britisch- Indien englisch. häuser gestiftet, und die weströmischen LiFrankreich hat das ganze Füllhorn der byer werden vollständig arabisiert. Auf der sogenannten Segnungen der Kultur über altlibysch oder chamitisch-phönizisch- römisch- das Land bis zur Bergmauer des Kleinen vandalischen Völkerschicht ruht eine neue, Atlas ausgeschüttet und dadurch äußerlich die semitisch- arabische, welche das dick ge- die Täuschung hervorgerufen, als befände wordene Blut der Mischrassen verjüngt man sich in einer echt französischen Pround nach der Vertreibung der Mauren vinz. Eisenbahnen, Kunststraßen, Pferde(spanischen Araber) und der Juden aus bahnen und Telegraphen durchziehen Stadt Spanien im Jahre 1492 neue Lebenskräfte von außen her empfängt. Die Kämpfe gegen die Spanier führten zu ausgedehnten blutigen Seefriegen, welche dem Barbareskengebiete eine ener gische kriegerische Einheit verliehen. Sultan HaiBarbarossa reddin stellte sein Land im Jahre Kabylengürtel (6. 334.) 1520 unter türkische Ober-
331 und Land, Regierungsgebäude , Kirchen, Theater, Hotels, Kaffeehäuser, Restaurants und Verkaufsläden , an ihrer Spiße die magasins des modes , prächtige Straßen und Plätze mit hübschen Häusern und Villen in und außerhalb Algiers lassen den Gedanken an die Welt des Orients kaum mehr aufkommen , und die französische Sprache, welche zugleich als die offi zielle, im Verkehr der Behörden mit der Bevölke rung die allein zuLässige ist, hat in der Unterhal tung und imschrift: lichen Austausch lin guisti sches Bürgerrecht er: reicht. Selbst der mau rische Kaufmann, welcher in der Landestracht in seiner engen Bude (S. 342) die Schätze und den Tand des MorgenLandesund wie vieles da: von ist nicht Pa riser Fabrifat ! den VorüberWeins gehenden feilbietet, ver: schmäht es nicht mehr, über seinem Laden eine fran zösische Inschrift anzubringen und mit dem fauflustigen étranger " die Verhandlungen in französisch gebrochener Zunge zu führen. Etwa 25000 Franzosen haben in Algier sich ihr Heim gegründet , 6000 Juden spanischer Abkunft mit ihren schönen Frauen und Töchtern handeln und schachern mit Christ und Muslem unter dem Schuß der französischen Trifolore , 15000 Moham
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medaner da oben in der Altstadt , zu der | in einen Burnus hüllt und mit dem Kopfman auf Treppen, wie in Nazareth oder stück desselben das Haupt kapuzenartig Bethlehem, zwischen den Mauerwänden der bedeckt. engen Gassen (S. 344) emporflimmt, beten Die Tracht seiner Augen " und Vollzu ihrem Allah, und ihr ,,Sänger " ruft von monde" weicht wenig von der ihrer Schwedem luftigen Geländer des Minarets die stern im übrigen Morgenlande ab (S. 328). Gläubigen in den vorgeschriebenen Tages Eine dichte Umhüllung verbirgt bei einem zeiten zum Gebet nach den kahlen, leeren | Ausgange die Formen des Körpers, und der Gesichtsschleier ist freundlich genug ge= legt , um die leuchtend schwarzen Gud fensterlein mit den dunfel gefärbten und künstlich verlän gerten, halbmondförmigen Augenbrauen darüber in wün-
Muf dem Wege jur blauen Quelle (S. 342). Räumen der Moschee . - Die Tracht der eingeborenen städtischen Araber, der Mauren , wie man sie hierzulande zu bezeichnen pflegt , ist bei Mann und Weib die herkömmliche geblieben . Der Fes oder der Turban auf dem Haupte und die breiten gelben Pantoffeln an den nackten Füßen bilden nach oben und nach unten das Erkennungszeichen des Arabers , der seinen Leib der Sonnenhige wegen gern
schenswertester Deutlichfeit er: fennen zu Lassen. Armbän der , ge= wöhnlich von Silber, schüt teln an den schön geformten Handgelenken, und zahlreiche Ringe schmücken die Finger, deren Nägel nach T E FH- LLINGTO orientalischerSitte mit der Pflanze Henna rot gefärbt sind. Halsbänder fehlen natürlich nicht , und wem es die Mittel nicht gestatten , der wählt Glasperlen statt der edeln Metalle , aus welchen der Schmuck bei der reicheren Klasse der weiblichen Bevölkerung besteht. Für Stadt und Dorf liefert die franzö sische Industrie die Stoffe bis zur Seide hin, aus welchen die landesüblichen arabischen Trachten zugeschnitten und genäht
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336 werden. Die einheimische Hausindustrie, in seiner äußeren Erscheinung würdig dar- | pheten, das verraten schon die Amulette, trok des festeren Gewebes und der origi zustellen, so trägt der höhere Schwarze welche er in Lederkapseln an einer Schnur nellen Muster und Farben , kann ihre von Algier mit Vorliebe das arabische um den Hals trägt. Die beschriebenen Preise nicht mehr nach der billigeren Ware Gewand, mit dem breiten Bund um die Papierstreifen, welche den unwiderstehlichen des MutTalis terlandes man ge= gen un richten. Nur in heil und den GoldKrankhei und Silten ent berarbei halten ten , die und sorgsam in weniger die le= durch ihre derne Schönheit als vielHülle einmehr genäht durch ihre sind, verecht mauLassen ihn weder bei rischen Zeich Tag noch bei Nacht nungen und geldas Auge ten ihm reizen, sticht die als FeWare den tisch, den fremden feine Nebenheidnisch buhler gebliebedurch den nen Landsniedrigen Leute in Preis aus. Der der Hütte breite Kazu bewahren pfle= bylengürgen. Der tel (S. 330),welFliegenchen der wedel aus Sohn der geflochtenem Wüste um die Stroh in Hüfte zu der Hand binden des fran pflegt, zösischen gibt eine schwarzen Vorstel Monsieur ist kein gelung des ornamen ringes talen GeWahr schmackes zeichen für seine diesseits der Berge eigene in AlgeMeinung über den rien. Wert seiDerNeger nes lieben und seine werte Ichs . Er dunkle kann sich etwas lei: Genossin, welche sten,selbst vom Süden Flie den her gen ge= in das genüber, Land einund sein pfiffig ge= gewan Negerin (S. 336), dert sind, Spitter Mund ziehen die Aufmerksamkeit des angekommenenReisen offene Weste, und ein mächtiger Strohhut | scheint sagen zu wollen , wie ich da gehe den gewöhnlich in hohem Grade auf sich. mit rot befranster Krempe bedeckt das mit und stehe, thue ich es dem Besten an Wie sich der Eingeborene aus dem Herzen dem Fes und dem breiten Musselinstreifen Kulturhöhe gleich. Die schwarze Schwester, welche sich auf Afrikas in Amerika gern in die Tracht bekleidete Haupt (S. 339). Er ist ein gedes Yankee steckt, um den Kulturmenschen treuer Anhänger Allahs und seines Pro- unserem Bilde (S. 335) dem Leser nachihrem
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leibhaftigen Konterfei vorstellt, scheint eben biliar im Innern ist französisch liegen auf so leicht als ihre dünne Tracht zu sein, und denhöhen in der Umgebung der Stadt. Uep ich wette eins gegen tausend , daß sie zu pige Gärten, in welchen schlanke Palmen und Orangenanpflanzungen den Charakter des morgenländischen landschaftlichen Bildes vollenden, entzücken durch den Wechsel des Pflanzenlebens und der Werke von Menschenhand, und es zieht wie Wonne in das Herz des Reisenden ein, welcher zum ersten CRICK mal die Schwelle des Orients betritt. Ein mildes Klima wandelt den Winter zu einem europäischen Frühling um und ladet die Kranken zu einem länge: ren Aufenthalte in der Nähe der Stadt ein. Im Hintergrunde von Algier steigen die waldreichen Höhen des Toll wie Vorberge zu der Gebirgswand des Kleinen Atlas hinauf, dessen Kämme, höher als drei tausend Fuß über dem Meeresspie gel, mit glitzerndem Schneelager beTas Innere einer Villa (f. ut ). deckt sind. Hinter der steinernen Wand beginnt das Reich den Mitgliedern des corps de ballet ge- der Steppe und Wüste , das hört , welche im Dienste der Aphrodite Gebiet des Löwen und KabyTerpsichore vor Mauren und Fremden len , die nördlichste Linie der gegen bare Münze an ihrer , Glas Sahara, welche ihre unermeßperlenkette um den Hals befindet sich ein liche Fläche nach Süden hin goldenes oder vielleicht silbernes Schaustück ausdehnt. ihre Künste im als Beweis dafür Vom Quai aus führt eine stampfenden Negertritt aufführt. Die ge- breite, vornehme Freitreppe zuwaltigen Ringe in den Ohren mit reichem nächst nach dem Boulevard, Gehänge daran gehören zu den beliebtesten welcher auf einem Bogenbau Schmuckgegenständen bei den Negerinnen, mit stattlichen Kaufhallen ruht und der Schlüssel, welcher an dem langen und die allgemeine Promenade Glascollier befestigt ist, weist offenbar auf der schönen Welt bildet. Die die Besitzerin eines eigenen Heimes in der französioberen Stadt hin. sche Stadt Wer von Marseille aus auf einem der mit ihren Dampfer der messageries die Reise nach luftigen, Algier unternimmt, findet schon den voll reinlichen sten Lohn für den Seeweg in dem Anblick Straßen, der Stadt bei der Einfahrt in das breite welche dem Bassin des Hafens . Es ist eine Augen Meeresweide sondergleichen, welche das prächtige ufer paral Naturgemälde in allen seinen Teilen dem lel laufen, nimmt Wanderer darbietet. Ein blauer Himmel wölbt sich über Land und Meer , vom langen Quai steigt die französische Stadt mit ihren Kirchen, Palästen und Gebäuden in Gestalt eines Dreieckes zur Höhe empor. An der Spitze des Dreieckes zeigen die Minarete der Moscheen die Lage der arabischen Häuser an , überragt von der Citadelle der Kasba, einer alten Befesti gung des Barbareskendey, zu welcher nahe an fünfhundert Stufen emporführen . Eine starke, an dreißig Fuß hohe Mauer schließt, von der Landseite aus , die alte und die neue Stadt ein ; die vorspringenden Türme und die Wallgräben zu ihren Füßen lassen Algier als eine Festung erscheinen . Die Franzosen haben es nicht versäumt, ihre Stärke durch moderne Bastionen und Batte: rien bis zum Duai und dem Leuchtturm hin zu erhöhen, um sich gegen einen An griff von der Wasser und Landseite her in angemessener Weise vorzusehen. Vorstädte, Dörfer und reizende Villen , deren Bau und Einrichtung im maurischen Stile ausgeführt ist (f. o. ) nur das Mo-
ihren Anfang. Nur in nörd licher Richtung, in der Nähe des Regie: rungsplates, auf welchem sich die folos fale Reiterstatue des einst vonFrankreich vergötterten Herzogs von Or leans er: hebt , erinnert die Anwesen
339 heit der großen Moschee" (aus dem zwölften Jahrhundert) und der fünf Jahrhun derte später im maurischen Stile erbauten neuen Moschee" an die vergangene mohammedanische Epoche der französisch gewordenen unteren Stadt. Der Aufstieg zu der arabischen oberen. Stadt, an der Spitze des Dreiecks, ändert mit einem Schlage das heitere Bild des europäischen Lebens und des europäischen Verkehrs , denn es versetzt in die Welt des Orients mit ihren engen schmutzigen Gassen, mit ihrem langweiligen, fensterlosen Häuserstil, mit ihrer Abgeschlossenheit von der Außenwelt und mit ihren Haremsträumen und ihren unverstandenen Gedanken. Da schleicht ein verhülltes maurisches Weib an der Rinne in der Mitte der engen Gasse entlang, unter den schmucklosen Erfern mit ihren gebrechlichen Holzstüßen stehen und hocken maurische Diener und Neger (S. 350) , um die neuesten Ereignisse im Hause des Herrn in geschwätziger
T
Neger (S. 335)
Breite auszutauschen, ein Bauer treibt den mit Kohlen beladenen Esel durch die gewundenen Gänge des Stadtviertels , und der Ruf des Sängers schallt von der Höhe eines Minarets (S. 354) über die flachen 15
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heit, das Leben und Treiben der Dörfler, die Trachten der Männer und Weiber und ihre Sitten und Gewohnheiten von nächster Nähe aus kennen zu lernen und damit das allgemeine Bild der algerischen Bewohner zu vervollständigen. Da siten an der Lehmmauer (S. 346), welche den Brunnen mit demWasserrade umschließt, drei libysche Bauern, um sich durch ein unterhaltendes Spiel auf dem Sande des Bodens die Zeit zu vertreiben. Dort hat ein anderer seinen Ziegenschlauch mit dem Wasser aus der blauen Quelle ( S. 332) gefüllt und den Esel mit der schweren Last beladen , um sie heimwärts zu führen. Auf einem anderen Grautiere hockt ein verhülltes Weib , um sich über Land tragen zu lassen , während aus einer buschigen Schlucht Reihe von Bäuerinnen eine Singende Kabylenfrauen (S. 342). THEWRITTNEY OC hervortritt (S.340) , um den gemeinsamen Weg unter Lautem Gesange zurückzu Dächer der Häuser hinweg. Hie und da unter | Teppichen lagerten , man hört die Laute, | legen. Sie sind unverhüllt wie die Weiber bricht das Grab eines Heiligen (Marabut) welche die Sklavin zur Freude der Herrin der Fellahs im übrigen Orient, denn der oder eines längst vergessenen Dey die Ein- spielt , man lauscht den Erzählungen aus Bauer ist nicht eifersüchtig, und die Vertönigkeit des Straßenlebens . Der Sarg Tausend und eine MO AA RA MA oder der steinerne Grabhügel, mit gestickten Nacht", und die ErinLY M TEM P ROVER D ENT ARMES seidenen Tüchern bedeckt und von brennen nerung an das VerIES ARMEKSI den Lampen erleuchtet , ruht in einem fa- gangene weckt selbst pellenähnlichen Gebäude, vor dessen offenem, die christlichen Sklaven aber vergittertem Fenster der fromme Mos- wach, welche im Hause Iem stehen bleibt, um mit erhobenen Hän Knechtesdienste ver: den ein stilles Gebet zu murmeln. Nur richteten und das harte der Jude, welcher die maurische Oberstadt Los der Verbannung bewohnt , zieht teilnahmlos vorüber , um unter der Hand ihrer seinen Weg nach dem Suf oder dem Peiniger ohne HoffMarkte einzuschlagen und in der engen nung auf Erlösung geBude seinen Kram feilzubieten. duldig ertragen. Aber Wer eine Vorstellung von dem arabisch die Gegenwart zermaurischen Baustil , von dem Reichtum stiebt die Bilder der seiner Ausschmückung , von der Anmut Phantasie , denn das eines vornehmen Hauses aus der Zeit der Museum ist ein proDen gewinnen will, findet in dem fog. Mu saischer Name für ein geworden, ſeum (S. 325, 352) alles, was sein Herz Denkmal begehrt. Ein ehemaliger Palast, einschließ dessen Poesie nur noch lich des dazu gehörigen Harems , welchen in der verflossenen Zeit einer der letzten Den Namens Mustafa ruht. Selbst die aufführen ließ , ist in ein Museum ver- reiche Bibliothek wandelt worden, das jedem Besucher offen von arabischen steht. Die maurische Architektur mit ihren Handschriften spiralförmig gewundenen Säulen , mit ihren und Büchern kann Hufeisenbögen und Galerien , welche um das verlorene Paden freien Gartenhof herumlaufen , mit radies nicht verihren Ornamenten in verschlungenen Linien schmerzen lassen . und Arabesken, mit ihrem Inschriftenschmuck Die Ausflüge und Mosaitfußböden, mit ihren eingelegten in die baum- und Thüren inHolzschnitzwerk, mit einem Worte: gartenreiche Umalles erinnert an den noch erhaltenen Wer gebung von Alfen an die maurische Kunst aus den Zeiten gier mit ihren der Herrschaft der Araber in Spanien. Man Dörfern und sieht die schönen Frauen, welche einst auf Landhäusern gibt der breiten Galerie im Hofe auf kostbaren reichlich GelegenMiurischer Kauflaben (S. 331).
Gibt es Vorboten der Erdbeben ? 343
344 führung in der Stadt scheint im Dorfe | zeigen, auch wenn der dienstthuende Beamte unbekannt zu sein. nicht gerade darauf achtet. Natürlich können Wem die Mittel und die Zeit zu Ge- solche Erdbebenwarnungen im besten Falle nur bote stehen, sollte nicht versäumen, Algier ganz kurze Zeit vor Eintritt der verderblichen Bodenerschütte stattfinden ; auch werden und die nächste Umgebung und damit einen sicherlich nicht rung alle durch nachkommende Erdder glänzendsten Punkte des Morgenlandes beben gerechtfertigt werden. fennen zu lernen , denn das Arabertum Allein immerhin würde dadurch doch ein hat dem ganzen Lande den Charakter des erster Schritt auf einem überaus wichtigen Orients verliehen . Nur den deutschen Gebiete geschehen, und man darf sich durch anLandsleuten in der Fremdenlegion dürfte der Genuß an Natur und Volf verleidet werden ; die harte Dienstfuchtel und die militärischen Posten in der Wüste fönnen nicht durch den Reiz eines prächtigen und klimatisch milden Himmelsstriches aufgewogen werden.
345 | aussagen von Erdbeben noch eine neue hypothese über die Ursache der Erdbeben an. In einer der letzten Sizungen der Pariser Akademie der Wissenschaften wurde eine neue, von Oppermann aufgestellte Hypothese über die Ursache der Erdbeben mitgeteilt . Es wurde dabei bemerkt, daß die viel ver: breitete Ansicht, Erdbeben entständen einfach durch den Druck hochgespannter Wasserdämpfe, nicht richtig sein könne, vielmehr zeige sich in
Gibt es Vorboten der Erdbeben ? Diese Frage ist schon aufgesehr häufig worfen und in verneinendem Sinne be: antwortet worden. In einigen Gegenden glaubt man an atmosphärische Vorzeichen : lange Trockenheit, ein eigentümliches Aussehen der Luft sollen häufig den Erdbeben in Südamerika voraufgehen. Humboldt berichtet, daß die Rauchsäule , welche der Vulkan bei Pasto ausstieß, in derselben Zeit verschwand, als die Städte Riobamba und Tacunga von einem Erdbeben heimgesucht wurden. Auch Brunnen und Quellen sollen oft vor Eintritt von Erdbeben auffallende Veränderungen zeigen . In Süd italien will man beobachtet haben , daß der Wasserspiegel der Brunnen furz vor Erderschütterungen sinkt, so daß die Seile verlängert werden müssen. Nicht selten wird das Wasser der Brunnen bradig und trübe, wie be sonders vor dem Erdbeben von Catania beobachtet wurde. All diese und ähnliche Wahrnehmungen sind jedoch ziemlich unsicher, sofern man daraus sichere Schlüsse über die Wahr: scheinlichkeit eines erst bevorstehenden Erdbebens ableiten will. Dagegen hat man in neuerer Zeit in Italien die Beobachtung gemacht, daß kurz vor dem Eintritt von Erdstößen auf den Telegraphenlinien plößliche Störungen eintreten , indem die Galvanometernadeln in Schwankungen geraten und sich erst nach geraumer Zeit wieder beruhigen. Schon im Jahre 1873 machte der italienische Gelehrte Serpieri den Vorschlag, daß bei solchen ungewöhnlichen Bewegungen der Nadel die betreffende Telegraphenstation den übrigen das Wort Erdbeben " telegraphieren solle, und in der That bestätigte sich der verKenyonCak mutete Zusammenhang in mehreren Fällen. So sah der Telegraphist von Urbino am 18859. August 1879 um 34 Uhr nachmittags, daß die Galvanometernadel um 5° aus ihrer Ruhelage abwich. Etwa eine halbe Stunde später Araberstraße in der oberen Stadt (S. 332). wurden die Orte Cagli und Gubbio von einem Erdbeben betroffen . Bei Gelegenheit der leßten Erdbeben in Stalien hat Professor Luvini in Turin Nachforschungen angestellt, ob den Boden: fängliche Mißerfolge nicht abschrecken lassen. den Wirkungen fast aller Erdbeben eine größere erschütterungen wiederum Ablenkungen der Aehnliche Einrichtungen auf anderen Gebieten, Aehnlichkeit mit den Erschütterungen, die durch Nadel vorausgegangen seien, und in der That z. B. die Sturmwarnungen, welche in ver- erplosionsartige Verdampfung hervorgerufen find solche an zwei Stationen beobachtet schiedenen Staaten eingerichtet sind , ergeben werden. Wenn Wasser durch Infiltration sehr worden, an anderen hat man wahrscheinlich auch nur höchst unvollkommene Resultate ; Erd: tief in das Erdinnere eindringt, so muß es nicht darauf geachtet. Luvini ist daher neuer bebenwarnungen würden aber im allgemeinen dort stark erhitzt werden, und infolge seines dings auf den Vorschlag von Serpieri zurück sehr viel wichtiger sein und außerdem fast größeren Lösungsvermögens in Kalkstein und gefommen und hat die Telegraphenbeamten in feinerlei Kosten verursachen. Voraussichtlich den ähnlichen Gesteinen Höhlen auslaugen, die Stalien aufgefordert, alle ungewöhnlichen Be: wird man bald in Italien nach dieser Richtung oft miteinander in Verbindung stehen und als wegungen der Galvanometernadel zu beachten hin vorgehen, und wenn unter Dußenden auch geschlossene Behälter betrachtet werden können. und eintretenden Falls die fernen Stationen nur eine einzige Warnung zeitig kommt, so Wenn aber solche Behälter, in denen der Dampf zu warnen. Er empfiehlt die Aufstellung von werden die dadurch geretteten Menschenleben ungleich erhitzt ist, nur durch verhältnismäßig selbstregistrierenden Apparaten, welche gestatten, die Einrichtung glänzend rechtfertigen. dünne Gesteinswände voneinander getrennt ungewöhnliche Bewegungen der Nadel anzuWir fügen diesen Mitteilungen über Vor: sind, so müssen diese Scheidewände allmählich
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ngton .
Welli
Spielende libysche Bauern (S 342).
vom Wasser gelöst werden. Erfolgt endlich der Einbruch einer solchen Wand, so muß eine Dampferplosion entstehen. In Gegenden des Erdinnern, die sehr höhlenreich sind, kann eine derartige Explosion nochandere nach sich ziehen, und zwar so lange, bis alle zu schwachen Tren: nungswände eingestürzt sind. Dann entsteht eine neue, größere Höhle, in welcher geraume Zeit der Dampf eine mittlere Temperatur und einen entsprechenden Druck annimmt und nach außen völlige Ruhe herrscht. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß auf die geschilderte Weise Erdbeben entstehen können und in ein zelnen Fällen auch wirklich entstehen; ob jedoch alle oder auch nur die Mehrzahl der Erder: schütterungen auf diese Art zustande kommt, dürfte jedoch fraglich sein.
Das Haar der Frauen. Von J. von Falke.
jenn ich in der folgenden Betrachtung Augen und Gedanken auf die Köpfe der Frauen richte, so wolle die schöne Leserin teine gedenn dieser gelten meine Worte lehrte Abhandlung erwarten. Ich habe nichts davon zu sagen, wie etwa die Kunst und die Wissenschaft der Natur in ihrem Mangel zu Hilfe kommen , nichts davon, wie man neue Haare anpflanzen könne; ich habe keine Beförderungsmittel des Wachstums , feine ge: heimen Färbe- oder sonstigen Schönheitsmittel
zu enthüllen. Meine Be trachtung hat das schönste und tadelloseste Haar zur Voraussetzung, und nur, was sich aus diesem machen läßt und gemacht wird oder gemacht werden muß, davon soll die Rede sein. Meine Aufgabe ist also eine fünstlerische, eine ästhetische. Das Haar ist ein Kunst material, so gut wie ein anderes ; es besteht aus Fäden wie das Material der tertilen kunst, nur daß es nicht gleich diesem von seinem Plate, von dem Boden, auf dem es gewachsen ist, entfernt werden kann : wenig stens in der Regel nicht, denn es geschieht ja auch, sobald die Natur den nötigenReichtum verjagt hat; man macht eine Anleihe von anderer Köpfen. Nicht alle können gleich Lady Godiva, nur bekleidet mit der Fülle ihres Haares, wie ungesehen durch die Straßen reiten ; nicht alle können sich einer leppigkeit des Wuchses rühmen, wie eine amerikanische Freun din , deren Haar, wenn sie es auflöste , in wogenden Massen herabfiel bis nahezu zum Boden und die ganze Gestalt gleich einem Mantel umgab. Die Arme trug und litt schwer an dieser Schönheit. Ich würde an solche Ueberfülle nicht geglaubt haben, wenn ich sie nicht gesehen hätte. Aus diesem Material nun, das ganz sein eigen ist, soll ein Aeußeres , die Frisur, ge: schaffen werden. Dieses Aeußere hat, wie jedes andere, die Schönheit zum Ziel. Aber wie das Material feine eigentümlichen Eigen fchaften besitt, so kann auch die Schönheit der Frisur nur eine eigentümliche sein ; die ganze, wie immer mannigfaltige Gestaltung in Be: arbeitung und Form ist mit keinem anderen Kunstwerk zu vergleichen. Man kann die Frisur als ein Kunstwerk von diesem rein künstlerischen, gewissermaßen absoluten Standpunkt betrachten, und wir
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werden es auch thun. Wir werden die Bedingungen einer solchen , ich möchte sagen, abstrakten Frisur untersuchen. In Wirklichkeit aber , in der Praxis treten zwei Momente hinzu, zwei Momente von außen, welche der Frisur die Unabhängigkeit nehmen und ihre Gestaltung in entscheidender Weise beeinflussen. Das ist erstens die Persönlichkeit der Trägerin, insbesondere Form und Cha rakter ihres Kopfes , und zum anderen die von dem Einzelnen wieder unabhängige herrschende Mode. Es gibt demnach einen freien, rein künst lerischen Standpunkt der Betrachtung, sodann einen individuellen, und drit: tens einen historischen. Wir wollen es versuchen, soweit es möglich ist, sie nacheinander zu be sprechen , soweit es möglich ist, denn wie die Dame bei ihrer Coiffure alle drei Momente zu gleicher Zeit berücksichtigen muß oder be: rücksichtigen sollte , die natürliche Schönheit , die Harmonie mit ihrer Individualität und die herrschende Mode, so werden wir auch in unserer Betrachtung nicht umhin können, zum öfteren von dem einen Moment auf das andere hinüberzugreifen. Ich habe gesagt , daß die Frisur ein Kunstwerk sein soll. Ein Kunstwerk seht Ordnung, Arbeit, bewußte Absicht voraus. Die Frisur ist ein Kunstwerk, wenn sie dem entspricht, einerlei in wie einfacher oder komplizierter Gestalt oder mit welchen Mitteln sie hergestellt ist. Es erscheint demnach ein zigeunerhaft wildes , verwirrtes Haar ausgeschlossen , und es ist ausgeschlossen , wenn es die Folge der Unordnung, der Vernachlässigung ist. Es kann aber auch diese Wildheit, wie wir das ja als eine Mode erlebt haben, mit absichtsvoller Kunst und Mühe hergestellt sein. Ich sage nicht , daß das schön ist; es kann aber schön und hier muß ich schon den zweiten sein wenn es mit der Standpunkt berühren Individualität des Kopfes in Harmonie steht. Die künstlerische Anordnung des Haares fann nun von doppelter Art sein , entweder nach unten oder nach oben. Die erstere iſt die einfachere und natürlichere, dem natür lichen Fall der Haare entsprechend ; die zweite ist es , welche stets zu den überkünstlichen Moden geführt hat. Die einfachste Form von jener Art ist, das Haar glatt und schlicht über Nacken, Schultern und Rücken herabfallen zu lassen. Fast möchte man diese Frisur nicht als Kunstwerk ansehen, weil sie nichts weiter zu sein scheint, als eine einfache Nachgiebigkeit an die Natur, und doch verlangt gerade sie eine besondere Pflege und sett besondere Absicht voraus. Gerade in dieser Einfachheit liegt die höchste Koketterie , wenn wir das Wort in gutem Sinne nehmen wollen. Bekanntlich ist es die Frisur der Kinder und unerwachsener Mädchen, wenn sie festlich ge= schmückt werden ; aber auch die Dame verschmäht sie nicht, wenn sie noch ihr Haar mit Stolz zu zeigen vermag. Wie lange und wie sehr ist die Kaiserin Elisabeth in dieser Haartracht bewundert worden ! Und ohne Frage liegt darin eine außerordentliche, der Natur so homogene Schönheit, wenn anders - und das das Haar selbst in Schönist ja unerläßlich heit, Fülle und Länge sich zeigen kann . Niemand wird in dieser Weise seine Armut ent: hüllen oder den Schnee des Alters den Blicken ausbreiten wollen . Aber auch die Ueberfülle
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kann ein Hindernis sein, wie denn jene ameri : Coiffure nicht bloß zu erbauen, sondern auch werk, sondern auch eine sehr künstliche Leistung. kanische Dame nicht also hätte sich zeigen dürfen, mit allerlei Zierde zu schmücken hat. Es genügt nicht ein einfaches Flechtwerk, ein ohne aller Augen in auffallender und darum Aber auch diese Richtung hat ihre einfachen Zusammenlegen und Verschlingen der Flechten belästigendster Weise auf sich und ihre Schön- Kunstformen, für welche man die Frisuren der und Zöpfe, ein Aushelfen mit fremdem Haar, heit zu lenken . Griechinnen in klassischer Zeit als Muster be wodurch man doch nur bis zu einer gewissen Wie also diese Frisur einigermaßen gefähr trachten kann. Sie teilten das Haar so beschränkten Höhe emporsteigt. Der Friseur lich ist und eben nur in gewissem Alter und ist die Grundform - vom Scheitel bis zur bedarf der Versteifung und Unterstützung seines bei gewisser Beschaffenheit eine Schönheit bildet, Stirn, schlugen es wellig nach beiden Seiten Gebäudes, er bedarf der Nadeln, Kämme, der so ist sie auch sehr selten in der Geschichte der über die Ohren zurück und vereinigten es rück: Unterlage von Kissen, über welche das Haar Trachten vorgekommen. Stalienerinnen haben wärts in ein Nest, einen Knoten, ein Geflecht geschlagen wird, wie Anno 1780 bis 1790, sich im späten Mittelalter wohl so getragen, und von verschiedener Gestaltung, das in der Höhe des Drahtgeflechtes wie bei der Fontange ; er die Künstler haben ihren Madonnen die goldene des Hinterhauptes gehalten wurde, ohne in den bedarf aller der Zuthaten von Spizen, Tüll, Fülle der Haare so schlicht und gerade über Rücken und Schultern ausgebreitet. Die Mode hat es stets vorgezogen , wenn sie das Haar frei und herabfallend zu tragen gebot, einer anderen Schönheit der Natur mit der Kunst zu folgen, das Haar nämlich in Locken zu ordnen, die in Wellen oder geringelt vom Scheitel zu den Seiten wie rückwärts sich herabsenken. So ist die einfachste Form. Die Kunst aber hat ein mannigfaches Spiel damit getrieben und zwischen den horizontalen Wellen , wie die Da men der Minnesingerzeit sich trugen, und den Schmachtlocken sentimentaler, romantisch angehauchter Engländerinnen des neunzehnten Jahrhunderts und unverheirateter älterer junger Damen" eine Fülle von Varianten geschaffen. Jene ,,Korkzieherlocken" haben wir noch in unserer Jugendzeit erlebt ; wo sie heute noch vorhanden sind , eine seltene Erschei= nung, hat sie längst der Schnee des Alters gebleicht. Aufgelöstes freies Haar und ungebundene Lockenfülle sind aber kaum Alltagstracht, zumal nicht bei der Jugend , die sich frei und ungehindert bewegen will. Die Ordnung in der Ungebundenheit zu erhalten, erfordert Pflege und Ruhe, Gemessenheit in der Bewegung. Es ist daher jener Mode das gebundene Haar, der 3opf, zur Seite gegangen, und zwar als die Tracht der bürgerlichen Frauen im Gegensat zu den vornehmen und ritterlichen Damen. Es ist die Tracht der Arbeit, der Geschäftigkeit, der dienenden Klasse, allerdings nicht allein. und nicht immer, denn im frühen Mittelalter, bevor der hösische Anstand und das ritterliche Gesellschaftsleben sich ausbildeten, im zehnten. und elften Jahrhundert und früher schon von den Frauen und Töchtern Karls des Großen wurden die geflochtenen und mit Gold durchwundenen Zöpfe selbst von den höchsten weiblichenHäuptern der Christenheit getragen. Schön ist diese Frisur in feiner Weise; der gerade Zopf, dieser steife Schwanz , widerspricht der Natürlichkeit und den künstlerischen Eigenschaften des Haarwuchses und kann nicht den Anspruch auf ein Kunstwerk erheben, noch weniger vermag er die Schönheit des Haares zur Geltung zu bringen. Er kann sie nur allenfalls durch) Farbe und Länge ahnen lassen. Nicht mit Untj_Wj recht verbindet sich mit der Idee des Zopfes ein gewisser Grad der Lächerlichkeit, die er freiNote Meerstraße in der oberen Stadt (S. 239). lich mehr dem männlichen Geschlecht verdankt. als dem weiblichen. Schlichtes , loses Haar, Locken und Zopf Nacken herabzufallen. Die schönen Linien von Bändern, Blumen, Federn und aller jener sind die Grundformen für die Frisur nach Kopf und Hals herab zu Rücken und Schultern sonderbaren Gegenstände, mit deren Hilfe der unten", wie ich sie mit einem gemeinsamen blieben davon völlig unberührt. Gerade diese Friseur in der zweiten Hälfte des achtzehnten Ausdruck bezeichnen möchte. Die Geschichte der Schönheit der griechischen Gestalten , die wir Jahrhunderts die Coiffuren zwei Schuh und Moden hat sie in vielen Varianten zur Er in den letzten Jahren an den Tanagrafiguren höher noch über den Scheitel hinaufführte und scheinung gebracht ; diese Varianten lassen sich aufs neue bewundern gelernt haben, die ge- den Kopf nur wie das Piedestal , wie den aber weder an Zahl noch Mannigfaltigkeit mit hobene und getragene Haltung , kommt so zu schmalen Unterbau eines Monumentes er: scheinen ließ. denen der hohen Frisuren, der Frisuren nach freiester Erscheinung. Bei solcher Richtung der Moden wird die Diese altgriechische Frisur steigt nicht über oben", vergleichen. Alle extremen und bizarren Schöpfungen der Mode gehören dieser zweiten die Höhe des Scheitels empor. Es ist aber Aufgabe des Friseurs um so schwieriger, wenn Richtung an. Hier ist das eigentliche Reich des felten, daß sich die Mode damit begnügt hat. er, wie es ja doch sein soll, die Individualität Künstlerfriseurs, des académicien, wie ihn die In den meisten Zeiten, fann man sagen, hat der Trägerin in Kopf und Gestalt zu berück französischen Damen gegen Ende des vorigen sie das Haar empor gebaut, gegen die Natur, sichtigen hat, wenn er seine fünstliche , der Jahrhunderts in der Blütezeit der hohen denn das Haar fällt doch seiner Beschaffenheit Phantasie entsprungene Bildung damit in EinFrisuren nannten. Hier ist er Architekt, der nach herab und steigt nicht steil empor. Eine klang sehen, wenn er die Schönheit hervorGebäude errichtet , ein Deforateur , der die Frisur dieser Art ist daher nicht bloß ein Kunst- heben, die Fehler verdecken , die Vorzüge an
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der gleichen Art den gleichen Fehler. In solchem Falle muß vielmehr die Frijur vortreten und so die zu niedrig abfallende Linie höher erscheinen oder ver: schwinden lassen , daß man ihrem Laufe nicht folgen kann. Tritt dagegen die Stirn vor, die Nase zurück, so wird man die Frisur nicht noch weiter vortreten lassen, da sie den Fehler des Profils ja nur vergrößern würde. Aehnlich fordern schmale und breite Gesichter das Bedenken heraus. Nehmen wir ein schmales, langes Gesicht, so wird es noch schmäler erscheinen, wenn die Frifur die Schläfen zudeckt, so die Stirn verengt, und gar Schmacht und Schraubenlocken diesseits der Ohren herabrollen und einen großen Teil der Wangen verhüllen. Was bleibt übrig vom Ge: sicht ? nur ein schmaler, senkrechter Streif, der ein Stück Stirn, dann die Augen, Nase, Mund und Kinn ent hält. Türmen sich nun noch die Haare von der Stirn empor, so erscheint das
Im Innern bes Museums (S. 340) das Licht sehen will. Denn dieser Aufgabe fann er sich nicht entziehen. Er muß sie viel mehr stets vor Augen haben, denn er kann mit seinem Kunstwerk ebensoviel verderben als gut machen, ebensosehr verhäßlichen als verschönern. Eine schöne, edle, regelmäßige Kopfbildung kann allerdings viel vertragen, auch an Sonderbarkeiten , ohne gerade ruiniert zu werden, obwohl es sich leicht begreift, daß eine normale Bildung des Gesichtes und des Kopfes auch eine natürliche, regelmäßige Frisur verlangt und jede Bizarrerie ihr nur schaden kann. Der Friseur muß also , soviel ihm die Mode Freiheit läßt, das Haar in solchem Falle möglichst regelmäßig zu gestalten suchen. Hat er volle Freiheit, so werden die herabfallenden Lockenfrisuren diejenigen sein, welche am meisten entsprechen, am meisten mit Kopf und Gesicht sich in Harmonie befinden. Aber ach! ein jeder Kopf ist nicht so regel mäßig gebildet ; ja ein jeder hat seine Individualität, seine Eigentümlichkeit in Form, Profil und Façon. Selbst die Größe der ganzen Gestalt ist zu bedenken . Denn ist die Dame klein von Gestalt und der Friseur er baut ihr eine zwei Fuß hohe Frisur, so er scheint der Kopf, der doch das Oberste, das Krönende der ganzen Erscheinung bildet, wie in die Mitte derselben gerückt . Die Dame wird. nur um so kleiner erscheinen. Andererseits, ist die Figur von Natur schon sehr groß, so wird die hohe Frisur sie in das Riesenhafte emporziehen, für eine Frau, mit dem Mittelmaß verglichen, in Ueberlebensgröße". Run gibt es Köpfe, welche zu lang sind, andere, welche den Fehler zu großer Breite und Kürze haben oder zu rund gestaltet sind. Es gibt Köpfe mit zu hoher oder zu niederer Stirn, Köpfe, bei denen die Stirn vortritt oder zurückflieht, Köpfe mit starter, langer oder furzer Nase, sogenannte Soubrettengesichter, Gesichter für Kammerzofen und Gesichter von aristo kratischem Charakter, aber von aristokratischer Häßlichkeit. Alles das soll vom Friseur be: dacht sein; die Frisur soll den Eindruck der
Fehler mindestens abschwächen oder verdecken. Nehmen wir eine kurze Stirn , so wird der Friseur gewiß irren , wenn er sie durch herüberhängende Haare, durch tief heruntergehende Coiffure noch mehr verkürzt oder gänzlich zu deckt. Heute ist das die Mode, aber doch nur eine der Moden und der Friseur oder selbstver= ständlich die Dame selber, deren Wahl und Geschmack durch den Friseur oder das frisierende Kammermädchen ja nicht aufgehoben wird sie müssen wissen, was zu thun, was zu wählen ist.. Wie heute die Moden gehen, lassen sie immer eine gewisse Freiheit. Andrerseits, ist die Stirn zu hoch, so ist eine Frisur, welche die Haare von der Stirn aufwärts, von den Schläfen rückwärts schlägt und so die Stirn noch erhöht, gewiß eine ver: kehrte. Flieht die Minaret (S. 339). Stirn raschzurück, so macht man mit
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lange Gesicht nur um so mehr verlängert. Hier buchstäblich gesagt, so muß auch dem modernen | Handschrift in Betracht kommen, sollen ist die Mode von heute gut angebracht, welche aristokratischen Kopfe eine Frisur von glei im folgenden erörtert werden . einen Teil der Haare über die Stirn herab- | chem Charakter gegeben werden . Wollte man Gewiß wäre es verlockend , zunächst fallen läßt ; ſie verkürzt das allzu lange Gesicht. einen Kopf mit kleinlichem Gelock daraus eine Geschichte der Handschrift zu geben, und damit wird die machen, ihm eine freie Frisur geben , wie sie In zweiter Linie Aufgabe wiederum schwieriger - ist es der dem Soubrettengesichte steht, man würde des zu verfolgen , wie aus der Zeichenschrift, Ausdruck, der Charakter des Gesichts, welcher Irrtums , des Widerspruchs sofort gewahr den Hieroglyphen, eine Wortschrift , dann bei der Frisur zu beobachten ist. Ein Künstler: werden. Der Friseur, wenn er sein Hand eine Silbenschrift und schließlich eine Buchfriseur muß das sofort erkennen. Der ver- werk als Kunst versteht, muß das auf den stabenschrift entstanden ; der uns vergönnte schiedene Charakter beruht freilich auch auf ersten Blick erkennen. Raum zwingt uns jedoch , nur über die den Formen des Gesichts, doch nicht allein. Jener Zusammenhang, den ich eben an: Hygieine betreffs der heutigen BuchstabenEine kurze , aufgeworfene und doch zierliche gedeutet habe, zwischen den historischen Perschrift zu sprechen. Naſe gehört zum Soubrettengesicht , wie die sönlichkeiten , zwischen dem Charakter einer großgeformte zum aristokratischen Antlik; ob Zeit und dem Charakter ihrer Frisuren ließe schön, ob häßlich , macht dabei keinen Unter- sich die ganze Geſchichte verfolgen und in allen Betrachten wir zunächst eine der wichschied. Zwischen beiden steht das vollkommen Epochen deutlich erkennen . Ich wollte aber ovale Geficht mit ebenmäßigen Zügen . Es nicht Geschichte schreiben, sondern nur ein tigsten Beziehungen : die Lage des gründet sich darauf eine dreifache Art der paar Grundzüge der praktischen Aesthetik an Heftes und der Schrift. Wir haben Frisur, vielmehr ein dreifacher Charakter, der das Licht stellen. Sie ließen sich leicht weiter vier Möglichkeiten , das Buch zum Schreiben sich durchführen läßt ebensowohl mit den führen und auch auf die Hüte und Hauben vor uns zu legen : 1) die gerade Mittelhängenden wie den getürmten Frisuren, oder der Frauen anwenden . lage , 2) die schräge Mittellage , den Varianten, die zwischen ihnen stehen . Das 3 ) die gerade Rechtslage , 4) dic ist die leichte Frisur, die edle und die strenge schräge Rechtslage. oder stolze Frisur, wie sie kurz bezeichnet werWie sollen wir das Buch legen ? Zur den kann. Kein Zweifel, daß das pikante Das Auge Beantwortung dieser keineswegs leichten Gesicht mit unregelmäßigen, aber doch reizenFrage müssen wir etwas weiter ausholen. und die Handschrift. den Zügen und lebhaftem Ausdruck jene Frisur Sowohl die deutschen als die lateinierfordert, die ich die leichte genannt habe, Don schen Buchstaben bestehen aus Elementen: doch eine Frisur, die sich von der Regelmäßigkeit und Symmetrie freihält, nicht nach beabdem Haarstrich ( ) , dem Grundstrich Hermann Cohn. ſichtigter Schönheit und Grazie, vielmehr nach (/) , der nach rechts laufenden BogenKoketterie und scheinbarer Willkür aussieht. linie ( Ɔ ) und der nach links laufenZierliches, kleines Gelock, ein wenig krause Jenn wir den Augapfel eines Men: den Bogenlinie ( C ) . Es wäre schwierig Wildheit entsprechen ganz dem Zweck, ebenso schen betrachten, welcher bei Lebzeiten und ziemlich nuglos , hier die anatomischen die Moden , wie sie in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts nach dem Fall der sehr gut in die Ferne gesehen, so finden Details mitzuteilen, durch welche das Zugroßen Fontange mit der kleinen Puderfrisur wir , daß derselbe eine Kugelform be: sammenspiel gewisser Muskeln der Finger sigt ; wenn wir dagegen den Augapfel diese vier Clemente der Buchstaben hervor die herrschenden waren.
Was dem edeln Antlich mit regelmäßig schließt Dasselbehabe gegeben. darüber ich Andeutungen schon Zügen entspricht, ſchönen Wildheit, Unregelmäßigkeit, Bizarrerie, Phan: tastik aus ; es verlangt gleicherweise maßvolle Bildung, Ordnung, Symmetrie, Kunst mit Na türlichkeit vereint. Sollten wir in der Ge schichte der Trachten nach Mustern suchen, so stellen sich uns die Frisuren der Griechinnen Locken: wohlgeordnete Zeit, das in klaſſiſcher Damen in der höfischen der ritterlichen haar kunstund doch Jahrebenso die freien Zeit undHaartrachten im siebzehnten vollen +3
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hundert zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges dar. In all diesen Epochen herrschte auch in Leben und Sitte eine gewisse Natürlichkeit, mit freiem Anſtande gepaart. Das Gegenbild würde man in den barocken und kolossalen Coiffuren vor dem Beginn der französischen Revolution finden, oder unmittelbar nach derselben zur Zeit der Restauration und Reaktion , als die Damen das Haar über hohe , mächtige Kämme hinaufhoben und von da in zierlichen Locken trauerweidenartig herabfallen ließen cine ganz manicrierte Weiſe. Vertritt die griechische Frisur der klassischen Zeit den edeln und schönen Stil, so diejenige der römischen steifender oderrömischen strengen WennKaiserzeit Köpfe Stil. man dieden Kaiſerinnen betrachtet, die in zahlreichen Büsten erhalten sind, so wird sofort klar, was unter der strengen Frisur zu verstehen ist. Selten find die Gesichter dieser Damen schön , aber Sie haben gebietenden, imperialistischen Aus druck. Die Frisuren sind durchaus künstlich, symmetrisch, steif, sei es, daß sie diademartig die Stirn umrahmen , sei es selbst, daß sie wellig geordnet sind. Zu diesen Gesichtern, zu Köpfen von dieser aristokratischen Haltung gehören solche Frisuren. Und so ist es mit den aristokratischen Gesichtern überhaupt, auch mit denen von heute. Wie den römischen Kaiserinnen ihre Frisur zu Gesichte steht",
bringt. Wir können uns aber die Hauptvorgänge klar machen , wenn wir nach Erlenmeyer den Zeigefinger beob achten, welcher ja bei der Federführung die Hauptaufgabe hat '). Derselbe führt nun bei den genannten vierGrundelementen unserer Schrift folgende Bewegungen aus : 1 ) beim Haarstrich oder Aufstrich eine Streckung (Extension), 2 ) beim Grundstrich oder Abstrich eine Welche feineren Vorgänge im Innern Beugung (Flerion) , 3 ) beim Bogen, des Auges diese Dehnung des hinteren der nach links läuft , eine Heranbe Teiles des Augwegung an die Brust , Anziehung apfels hervor (Adduktion), und 4) beim Bogen, der nach rufen , ist noch rechts läuft, eine Fortbewegung von b A. nicht mit voll der Brust , Abziehung (Abduktion ) . ос Durch diese vier Bewegungen des Zeige: kommener Fig. 1. Fig. 2. Sicherheit fest fingers können wir, ohne irgend merklich normalen Auges. gestellt . tt desdes 1 Durchschni Das unsere Hand zu verſchieben, jeden einzelnen kurzſichtigen 2 Durchschnitt Auges. eine aber steht Buchstaben , wenn er nicht allzu groß absolut fest, daß ist, ausführen. andauernde Beschäftigung des AuAus den Buchstaben sehen wir aber ges in der Nähe , namentlich bei die Worte zusammen , und wir müssen fchlechter Beleuchtung, die Entstehung nicht allein den Zeigefinger, sondern auch der die Hand bewegen, wenn wir die Buchvermehrt. hervorruft staben und Kurzsichtigkeit die entstandene (Myopie) zu Worten aneinanderreihen wollen . Es wird also zu den Aufgaben der Wir thun dies nun in der deutschen und Sygicine gehören , alles zu verhüten, in allen europäischen , indogermanischen was uns zwingt, Gegenstände dauernd in Schriften in der Richtung von links Die semitischen Völker der Nähe zu betrachten , zumal ja die nach rechts. Kurzsichtigkeit unheilbar und obendrein schrieben allerdings von rechts nach links ; dasselbe thaten auch die Griechen in den erblich ist. Zu den Arbeiten in der Nähe gehört ältesten Zeiten, wie man auf alten Münzen vornehmlich Lesen und Schreiben; wir sehen kann. Mitunter verbanden sie beide müssen daher alles aufbieten , um den Schriftarten miteinander. Sie fingen bei Schädlichkeiten, welche diese Beschäftigungs- der linken Hand an und kehrten auf der weisen mit sich führen, entgegenzutreten. 1) Vgl. Erlenmeyers lefenswerte Arbeit : „ Die Schrift. Einige Punkte , welche in betreff der Grundzüge ihrer Physiologie und Pathologic". 1879.
eines Menschen betrachten, welcher nur in die Nähe gut sehen konnte, also kurzsichtig war, so überzeugen wir uns, daß derselbe eine Eiform hat (Fig. 1 u . 2) . Der Durchmesser des gesunden Auges von vorn nach hinten mißt 24 mm, der eines stark furzsichtigen mißt 36 mm. Je kurzsichtiger, desto länger wird die Achse ; das Wesen der Kurzsichtigk des Auges .eit ist also ein Lang: bau
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nächsten Zeile wieder zur linken Hand zurück; man schrieb in Schlangenlinien und nannte diese Schrift die Furchenschrift , Bustrophedon (von Boos, das Rind, und otpepo, wenden) , da die Schrift sich hin und her wendet wie adernde Rinder. Palamedes erfand sogar besondere griechische Buchstaben , welche ganz gleich aussahen, gleichviel ob man sie von rechts nach links oder umgekehrt schrieb, z . B. 2, F, X, E und andere.
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F.SOENNECKEN BONN
GES CESCHUTZT
Nun fragt es sich nur : Gerade oder schräge Mittellage? Ich ließ vor sieben Jahren in Aussee die Schüler einer höheren Volksschulklasse bei gerade vor ihnen liegendem Hefte ein Diktat mit senkrechten Grundstrichen nachschreiben ; alle Schüler saßen kerzengerade. Wie mit einem Zauberschlage aber drehten sich alle nach rechts und stürzten nach vorn, als sie bei derselben geraden Mittellage wieder mit schrägen Grundstrichen schreiben. sollten. Es ist dies auch ganz erklärlich aus einem rein anatomischen Grunde. Wenn wir bei gerade vor uns liegendem Hefte schräge Striche machen wollen der Leser probiere es nur einmal müssen wir die Hand im Handgelenk abduzieren ; das ist aber fast gar nicht oder nur auf Momente möglich; man kann. diese Abduktion keine Minute aushalten. Sobald wir uns aber schief setzen , d. h. die rechte Schulter nach hinten, den linfen Arm auf den Tisch und den Kopf nach rechts gedreht, die wir können schrägen Striche sehr gut schreiben , weil wir nun nicht die Hand zu abduzieren, sondern nur den Arm nach rechts zu bewegen brauchen , was mit größter Leichtigkeit lange Zeit möglich ist. Man verwarf also die schrägen Grundstriche bei gerader Mittellage und empfahl , was mit Recht besonders Dr. Schubert in Nürnberg betonte , die senkrechte Schrift bei gerader Mittellage. Diese ist sicher ganz unschädlich. Manschrieb ja bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts überhaupt nur senkrecht. Nicht allein im germanischen Museum zu Nürnberg, sondern auch in allen größeren Bibliotheken findet man Ur funden und Briefe genug , die nur senkrechte Grundstriche zeigen. Erst im Jahre 1809 führte der Kalligraph Heinrigs in Krefeld die schräge Schrift ein, und sie verbreitete sich besonders schnell, da man vielleicht etwas rascher schräg als senkrecht schreibt. Die schräge Schrift hat sich in unserem Jahrhundert so eingebürgert, daß der Kampf gegen. sie, speziell gegen die an sie gewöhnten Schreiblehrersehr schwer wird. Um die Schrägschrift beibehalten und doch womöglich die ärztlichen Wünsche erfüllen zu können , empfahl Lochner den sogen . Schwabacher Federhalter , bei welchem die Feder Fig. 5. nicht in einer Linie mit dem Federhalter (Fig. 5) , sondern nach
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Die Querachse des Körpers oder die Verbindungslinie der Schultern muß parallel dem Rande des Tisches bleiben und der Kopf darf nicht seitwärts gedreht werden! Es genügt eine ganz unbedeutende Drehung des Kopfes um die Querachse in den obersten Halswirbeln, um die Augen genügend nach unten zu senken; dabei braucht aber der Kopf nicht im ent: ferntesten nach unten zu sinken. Diese Haltung ist aber natürlich nur möglich, Wir schreiben alles von links nach wenn wir das Heft gerade vor uns rechts, also im Sinne der Abduktion , haben. einer Abziehung des schreibenden Armes Ganz anders , wenn das Buch nach vom Körper, im Sinne einer centrifugalen rechts geschoben ist. Dann genügt nicht Bewegung. Viele behaupten , daß diese allein eine Senkung, sondern wir müssen, Bewegung bequemer sei als die umgekehrte, wie Dr. Ellinger in Stuttgart schon und meinen, daß man ja eine Kaffeemühle 1868 nachwies , 1) die Augen nach unten oder eine Drehorgel von links nach rechts und nach rechts zugleich drehen, sie drehe, daß man einen horizontalen Strich rollen , eine Stellung, die nur sehr kurze immer von links nach rechts ziehe , daß Zeit ausgehalten wird, und 2) bleibt dabei man ein Streichholz von links nach rechts das linke Auge 4-6 cm weiter von anreibe u. s. w., und sie stüßen sich zum der Schrift (f. Fig. 3 u. 4) als das Beweise auf den berühmten Codex atlanti- rechte, was ein Undeutlichsehen zur Folge cus , welchen Leonardo da Vinci hat und uns zwingt , lieber den Kopf schrieb und welcher in der ambrosianischen nach rechts zu drehen als das Auge. Wird aber der Kopf nach rechts geBibliothek in Mailand aufbewahrt wird. Leonardo hatte nämlich im Alter eine dreht , so ermüden gar bald die HalsLähmung der rechten Hand, er schrieb damuskeln, welche ihn drehen müsher diesen Coder mit der linken Hand, und zwar von rechts nach links. sen ; um den Andere halten wieder die Adduktion Halsmuskeln der Hand für bequemer, besonders Forscher, die Arbeit zu ersparen, drehen welche lange im Orient gelebt haben. Ich glaube, daß sehr viel von der Gewohnwir lieber den Rumpf nach heit in der ersten Kindheit abhängt rechts. Natür und daß wir alle eben von Jugend auf lich gleitet dabei nur gewöhnt wurden, von links nach rechts zu schreiben. der rechte VorWir haben nun in Europa allgemein Fig. 3. Blidrichtung bei geraber derarm immer Mittellage bes Heftes. eine Abduktionsschrift , und bei dieser mehr herab , so muß nicht allein der Zeigefinger und die daß der Körper Hand, sondern auch der Vorderarm eine eine Stüße auf dem linken VorderBewegung vom Körper fort machen. Der arme sucht . Dieser mit dem Oberarm Vorderarm liegt aber beim Schreiben nur wird nun weit auf den Tisch hinaufgeauf seinem äußeren Rande nicht weit vom schoben , die Brust an den Tisch ange drückt Ellenbogen auf, und sein hinteres Ende bildet, wie Erlenmeyer sehr richtig be- und so obachtet hat, den Hauptstützpunkt für die diejenige Ver schreibende Hand , den stabilen Punkt. Um diesen Punkt bewegt sich der schrei- frümbende Arm, und wir müssen daher in der mung Richtung eines Kreisbogens schreiben, der Wirdessen Radius so lang ist als die Ent- belsäule fernung der Federspitze vom Stützpunkte hervor des Vorderarms . gerufen, Daher ist es auch so schwierig , eine die wir gerade Linie zu ziehen ; das natürliche so oft bei Fig. 4. Blick beiHeftes. geraber,Rechtslage des ist die Kreisbewegung. Die Linie Kindern erscheint oft nur schief und nicht freis- finden. Diese förmig , weil das Papier zu schmal ist, um die Kreisform zum Vorschein kommen vollkommen verkehrte Körperhaltung zieht zu lassen. (Alexander von Humboldt schrieb aber erfahrungsgemäß sehr bald ein Herabsinken des Kopfes gerade nach unten oder bekanntlich alle Zeilen schräg.) Aus dem Mitgeteilten folgt, daß, wenn auf den linken Arm nach sich, und so liegen wir ohne Ermüdung dauernd schrei nach wenigen Minuten Nase und Auge ben wollen, wir dem Papiere eine solche dicht auf der Schrift. Lage geben müssen, daß die Abduktion Es folgt hieraus , daß wir jede der Hand leicht möglich ist , ohne daß Rechtslage des Heftes , sei sie nun der Körper seine gerade Haltung deswegen gerade oder schräg, durchaus verändern muß. Welches ist nun die meiden und das Heft stets in die Mittellage bringen müssen. gerade Haltung?
H. Cohn. Das Auge und die Handschrift. 362 | wir die Münze oder unseren Kopf drehen , um die schrägen Buchstaben zu entziffern . Wenn nun das Heft schräg in der Mitte vor uns liegt, so stehen die an sich schrägen Grundstriche senkrecht zum Tischrande und zur Basallinie , und wir fönnen sie dann eben ohne Kopfdrehung bequem lesen oder schreiben. Will man also schräge Schrift beibehalten , so muß man das Heft in schräge Mittellage bringen, so daß die Zeilen etwa 40 ° nach oben aufsteigen ; dann stehen ja die Grundstriche senkrecht zur Basallinie und wir haben dabei die Möglichkeit der leich testen Abduktion unseres Vorderarmes .
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ISSOENINECKEN BONNEFIPZIG.
| Javalin Paris ,daß,wenn die Zahl derMyorechts abduziert steht. Der Erfinder glaubte, pen im Elsaß nach der Annexion zugenommen der Federhalter erspare der Hand die habe (was gar nicht erwiesen) , die EinAbduktion , und man könne die Hand führung der deutschen Schrift die Ursache gerade halten und trotzdem mit diesem . Adolf Weber findet, daß der völlige sei Halter schräg schreiben. Das ist aber ein Mangel an Haarstrichen und die leicht gegroßer Irrtum, wovon man sich leicht über schweifte Form der Buchstaben der lateizeugen kann, wenn man an einen gewöhn nischen Schrift den Vorzug gibt. Während lichen Federhalter eine zweite Feder in das Kind bei den deutschen Buchstaben der abduzierten Richtung anbringen läßt ; genau visieren muß , damit die beiden dann müßte ja bei gerader Handhaltung Striche einen spißen Winkel miteinan die gewöhnliche Feder senkrecht und die der machen und in einem Punkte die Lochnersche Feder schräg schreiben ; man | Linie treffen , erfordert das Zusammentreffen wird aber stets nur 2 parallele Striche der runden Umbiegungsstelle mit den vorerhalten, und zwar 2 parallele senkrechte gezeichneten Linien bei den lateinischen bei gerader und 2 parallele schräge Striche , da bei abduzierter Handhaltung. Mit diesem Diese verständige Heftlage ist erfreu: Buchstaben cine geringere Visierarbeit Instrumente war also die schräge Schrift licherweise bereits in Württemberg amtlich nur eine linienförmige und feine punkt : ebensowenig zu retten als mit der nach in allen Schulen eingeführt. Bei uns förmige Berührung nötig ist. Das Schreiben ist ja eine Kunst ; die demselben Prinzipe gearbeiteten Sön: wird leider noch immer in den preußischen neckenschen sogenannten Normalfeder, Seminarien und daher auch in den Schulen Funktion der Hand ist es, die Buchstaben die in jeden beliebigen Halter gesteckt gelehrt , daß das Heft sich in gerader auszuführen , die Funktion der Augen ist Rechtslage befinde. Hoffentlich wird diese es , die richtige Ausführung der Details werden kann. Wir Aerzte würden also zu dem Re: Anordnung bald der rationellen schrägen beim Schreiben zu kontrollieren und nicht ſultate gekommen sein, daß man die schräge Mittellage weichen ; denn nur bei dieser allein wie beim Lesen sie nur zu erkennen. Schrift im Intereffe guter Körperhaltung können wir, falls die schräge Schrift bei Weber beobachtete auch, daß ein achtjähriges ganz aufgeben und ausschließlich eine behalten wird, die gute Körperhaltung Kind die lateinische Schrift nach 1 Jahr steile Rundschrift , die offenbar ganz am längsten ohne Ermüdung bewahren bereits besser schreibe als die deutsche nach unschäd zwei Jahren. Er wünscht also eine latei und schädigen unser Auge nicht . 90 Natürlich nuzt auch die beste Heftlage nische Rundschrift , wie sie schon lange lich ist, einführen nichts , wenn das Subsellium nicht richtig | in Frankreich und England gebräuchlich ist. за gebaut ist. Die richtigen Entfernungen Sönneden, der sich ja aroße Vermüſſe, ! wenn nicht Normat des Tisches und des Stuhles , resp . der dienste um die Rundschrift erworben, ging in neuerer noch weiter und behauptete, daß man la Bank sind ja schon zum Ueberdruß oft in Zeit aus: Fig. 6. Sönnecenz populären Artikeln mitgeteilt worden. Die teinische Buchstaben weiter als deutsche Normalfeber. gezeich horizontale Entfernung, die sogenannte lesen könne. Darin hat er sich aber nachnete UnDistanz, soll null oder noch besser 3-5 cm weislich geirrt ; wenn die Buchstaben gleich tersuchungen über diese negativ sein , die vertikale Entfernung, groß und gleich dick sind, werden sie gleichFrage von Geheimerat die sogenannte Differenz , muß der Ent weit gelesen , mögen sie nun lateinisch, Adolf Weber in fernung der Bank vom herabhängenden deutsch, arabisch oder japaniſch ſein. Nach meiner Ueberzeugung ist der Darmstadt und von Prof. Ellenbogen entsprechen +5 cm, die UnterBerlin und Dr. Rembold schenkel müssen rechtwinklig zu den Ober- Nachweis nicht geliefert und würde auch in Stuttgart angestellt worden schenkeln stehen, die Füße müssen vollkom : | sehr schwer zu liefern sein, daß gerade die wären, die dargethan , daß men unterstüßt sein. Kleine Kinder dürfen deutschen Buchstaben für die Augen geunter gewissen Umständen die schräge nicht an großen Pulten , große nicht an fährlicher seien als die lateiniſchen. kleinen Pulten sißen. Schrift nicht schädlich sei . Leider ist diese Vor zwei Jahren wurde von hervor Wir befanden uns nämlich alle früher Fundamentalforderung fast noch in keiner ragenden Männern die Bildung eines in dem großen Irrtum , daß die Basal öffentlichen Schule in Breslau erfüllt ; Vereins für Lateinschrift in Aussicht linie der Augen , d . h . die horizontale groß und klein siht an demselben Tische genommen ; an ihrer Spise stand Herr Verbindungslinie beider Augenmittelpunkte in derselben Klasse. Hoffentlich wird darin Direktor Dr. Fricke in Wiesbaden. Ich beim Lesen und Schreiben parallel dem Wandel eintreten , sobald erst einmal wurde aufgefordert, den Aufruf zu unterHeftrande oder parallel den Linien des gründliche staatliche Revisionen der hygiei- zeichnen ; ich stellte aber zur Bedingung Heftes laufe. Die genannten Forscher nischen Verhältnisse aller Schulen statt für meine Unterschrift , daß zunächſt aus aber wiesen nach, daß die Basallinie ganz finden und wenn endlich die sehnlichst dem Entwurfe der Paffus gestrichen werden unabhängig sei von der Lage der Linien herbeigewünschten Schulärzte vom Staate müsse , daß die deutschen Buchstaben dem des Buches, daß sie sich vielmehr wesent werden eingeführt werden! Jedenfalls Auge gefährlicher seien als die lateinischen. lich nach dem Grundstriche der Buch halte man im Hause auf richtiges Arrange: Erst als man dies gethan, trat ich, und staben richtet, und zwar so , daß sie sent ment von Tisch und Stuhl und auf gerade zwar sehr gern, bei. Denn es sind eine Reihe anderer guter recht auf den Grundstrichen der Mittellage des Heftes bei senkrechter, auf Schrift steht. schräge Mittellage bei schräger Schrift ! Gründe, die mich schon seit Jahren veranVon der Richtigkeit dieser überaus Auch ermahne man stets von neuem die laßten , nur lateinisch zu schreiben und wichtigen Thatsache kann man sich leicht Kinder ; denn selbst die besten Vorkehrungen die Verbreitung der Lateinschrift zu embeim Lesen überzeugen. Die Grundstriche hindern die Schüler nicht, ihre Augen dem pfehlen. Es sei gestattet , hier nur vier Punkte kurz zu nennen. der Druckschrift stehen senkrecht ; wir halten Papiere zu sehr zu nähern. * 1) Offenbar sind die deutschen Buchdas Buch senkrecht , und die Basallinie * staben , besonders die großen , unleserunserer Augen steht wagrecht. Es wird Wenden wir uns nun zu einer anderen, licher als die lateinischen. Es unterliegt uns aber ganz unmöglich , bei gerader Kopfhaltung ohne Aenderung der Basal- neuerdings viel ventilierten Frage : Latei keinem Zweifel , daß //„ DENTSCHE linie ein Blatt zu lesen , wenn wir das nische oder deutsche Buchstaben? SCHRIFT" |_ weniger lesbar ist als Es ist vielfach, besonders im Ausland , " DEUTSCHE SCHRIFT " . selbe in schräge Mittellage bringen. Wir Alle Schilder und Straßennamen drehen sofort den Kopf nach. Sehr schön die Ansicht verbreitet, daß gerade die deut sieht man dies auch beim Lesen von Auf- fchen Buchstaben den Augen schädlich seien werden ja daher längst schon lateinisch geschriften auf Münzen. Entweder müſſen und die Kurzsichtigkeit erzeugen. So meint | schrieben; die Buchſtaben auf den Münzen 16
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366 des Deutschen Reiches sind lateinisch gesche Schriftwesen und die Notwendigkeit | Weber zum Unterschied von dem Lichte, prägt, und selbst Excellenz Stephan hat seiner Reform". Bonn 1881. ) welches eineNormalkerze aussendet, Metertrotz alles Strebens, nur deutsche Bezeich Man bog die Schrift unten und oben kerzenhelligkeit. Ich fand in dem nungen im Postdienst einzuführen , doch um , davon der Name Fraktur", ge- Erfer meiner Studierstube, welcher 4 Glasnicht DEUTSCHE REJCHSPOST ; brochene Schrift , im Gegensaße zu der scheiben mit 6,6 Quadratmeter Glas hat, PÓSTKARTE", jondern DEUTSCHE Antiqua" , den lateinischen Buchstaben. im Dezember und Januar bei täglicher REICHSPOST ; POSTKARTE " und eben Man nannte die Fraktur im Mittelalter Messung mittags zwischen 12 und 1 Uhr so alle Vordrucke auf den Postanweisungen auch „Textur", und fein Geringerer als die Helligkeit desselben Papieres zwischen mitlateinischen Buchstaben drucken lassen. Albrecht Dürer hat in einer eigenen 93 und 1117 Meterkerzen (M.-K.) , also 2) Unsere deutschen Kinder werden Schrift ,, Unterweisung in der Messung um das 12fache variieren. An dunkeln mit acht Alphabeten gequält : großes mit Zirkel und Richtscheit" sich im Jahre Zimmerplägen fand ich an verschiedenen deutsches geschriebenes , kleines deutsches 1525 bemüht, nachzuweisen, daß man von Tagen an 1-32 M.-K. Die Helligkeit eines Plates ist vorgeschriebenes , großes deutsches gedrucktes, dieser geschmacklosen Schrift zu den einkleines deutsches gedrucktes , großes latei facheren mathematischen nehmlich abhängig von der Größe des Himmelsstückes, welches ihn beleuchtet. nisches geschriebenes , fleines lateinisches alten Formen zurückWie kann man dieses Himmelsstück meffen? geschriebenes, großes lateiniſches gedrucktes , kehren müſſe. In allen übri fleines lateinisches gedrucktes . Dic 300 Auch in dieser Hinsicht verdanken wir in Unterrichtsstunden für die vier deutschen gen Leonhard Weber ein neues , sehr prakLändern , Alphabete können entschieden nüßlicher denen die Mönche diese tisches Meßinstrument , den sogenannten verwendet werden. Raumwinkelmesser , der allerdings Frakturschrift ebenfalls 3) Alle anderen civilisierten Na eingeführt hatten, in schwierig zu beschreiben ist. tionen schreiben lateinisch, und jeder Frankreich, Italien und Fig. 7. Gotisches M Denkt man sich von einem Punkte des (start verkleineri). Ausländer bittet uns , ihm deutsche Briefe Spanien , verließ man Schreibtisches aus Strahlen gezogen, die, nur mit lateinischer Schrift zu schreiben. In sie im 16. Jahrhundert alle Fensterkanten , event. die Kanten der Bern wird bereits amtlich das deutsche nur glücklicherweise und schrieb wieder lateinisch ; gegenüberliegenden Dächer streifend, gerade in lateinischer Schrift in den Schulen gelehrt, nur in Deutschland behielt man sie noch auf freien Himmel treffen, so begrenzen und nur in lateinischer Schrift werden bei und hielt sie fälschlich noch diese Strahlen in ihrer Gesamtheit eine dort die amtlichen deutschen Erlasse gedruckt . | immer für etwas Nationales ! förperliche Ecke. Den Inhalt dieser Ecke 4) Man kann viel schneller latei Sehr viele Schulmänner sind bereits nennt Weber den Raumwinkel. でん " macht für die Beseitigung der deutschen Schrift ; Bekanntlich teilen wir einen ebenen nisch schreiben als deutsch ; „ zz 6 Tempi nötig , „ a “ nur 2 ; bei „ " so ſo ſchließt der Realgymnasialdirektor Dr. Winkel in Grade ein. Wenn wir um find 7, bei „ 772 “ nur 3 Tempi notwendig Sommer in Braunschweig sein Oster einen Punkt einen Kreis legen und ein u . ſ . w . Das deutsche ABC hat 107 programm mit den Worten : Wenn es bestimmtes Stück aus der Peripherie dieses Takte , das lateinische 68 ; also 11 : 7. übrigens in meiner Macht läge, so würden Kreises herausschneiden, so sagen wir , der Das deutsche Alphabet hat auch nach wir die sogenannte deutsche Schrift mit Winkel betrage 5. Wir haben nämlich Sönnecten 36 % mehr Druckstellen als einem Schlage über Bord werfen und uns willkürlich den Kreisumfang in 360 gleiche das lateinische (z . B. und ) und auf die lateinische Schrift beschränken, um Teile oder Grade zerlegt, und von diesen 60 % mehr Absetzungen , d . h . Buchstaben, die dann sofort die Zahl der Lese- und Schreib nimmt der Winkel nur 5 ein ; also eigent verbunden wer stunden in den unteren Klassen erheblich lich müßten wir sagen : 360 ; wir lassen nicht mit den folgenden den können (z. B. zi d), muß also vermindern zu können. Wann werden wir aber der Bequemlichkeit wegen den bemehr Zeit rauben als das lateinische. endlich von diesem unglücklichen Geschenk kannten Nenner 360 fort und sagen kurz: der Winkel ſei 5º. Diesen unleugbaren Thatsachen steht des Mittelalters befreit werden ! " Ebenso können wir uns den RaumFast alle Regierungen in Deutsch nun ein Irrtum gegenüber , der ziemlich allgemein verbreitet ist , daß wir nämlich land sind auch der Lateinschrift geneigt ; winkel in Grade geteilt denken. Wenn aus deutschem Patriotismus die deut sie werden aber den ausschließlichen Ge wir eine Kugel von 57 mm Halbmesser sche Schrift beibehalten müßten ; sie sei brauch nicht eher anordnen , bis sich der haben und deren Umkreis in 360 Grade eine berechtigte Eigentümlichkeit der Ger- Wunsch danach im Volke allgemeiner aus- teilen , so ist jeder einzelne Grad dieses manen ; ein Frrtum, den selbst unser cmi spricht ; daher wäre es gut, wenn möglichst Umkreises 1 mm lang. Wenn wir nun nenter Reichskanzler begeht , welcher viele durch ihren Beitritt zu dem Verein über einem solchen Grade auf der Kugel bekanntlich öffentlich wiederholt erklärt für Lateinschrift die Einführung der ein Quadrat zeichnen , deffen Seite also hat , daß er kein Buch mit lateinischen einheitlichen Schreibung für wünschenswert 1 mm lang ist, fo erhalten wir ein FlächenBuchstaben lesen mag, und der selbst seinen erklären würden. Die Mitgliedschaft kostet stück der Kugel, das wir cinen QuadratNamen mit deutschen Buchstaben schreibt. nichts als eine Unterschrift, welche an Direktor grad nennen können. Eine solche Kugel würde dann 41000 Quadratgrade auf Unsere sogenannte deutsche Schrift hat Dr. Fricke in Wiesbaden zu senden iſt. nun aber weder mit den Germanen noch * ihrer Oberfläche enthalten . ** mit den Goten das Allermindeste zu Wenn wir nun z . B. eine körperliche Wir wollen nun noch einen dritten, Ecke hätten , welche aus der Kugel nur thun ; man könnte sie ebensogut böhmische Schrift nennen. Es ist sicher historisch jezt besonders aktuellen Punkt besprechen, 50 solcher Quadrate herausschnitte, ſo müßnachgewiesen, daß sie nichts als eine ver das allerwichtigste Requisit beim Schreiben : ten wir sagen : der Raumwinkel nimmt 50/1000 der Oberfläche ein, oder kurz und schnörkelte lateinische Mönchsschrift die Beleuchtung. ist. Früher schrieb man in Deutschland Das Tageslicht ist ein überaus einfach: derRaumwinkel ist 50 Quadratgrad. Dasingeniöse Instrument von Weber ') alles lateinisch, erst im Mittelalter fingen schwankendes ; man kann es seit drei die Mönche an , durch allerlei Köpfchen Jahren messen mittels eines äußerst sinn ist nun so eingerichtet, daß eine Glaslinse und Füßchen Verzierungen, die dem goti reichen Instrumentes , eines Photometers, von 114 mm Brennweite ein umgekehrtes schen Baustile ähnlich waren, an den alten welches Prof. Leonhard Weber in Bres Bild von fernen Gegenständen entwirft, lateinischen Buchstaben anzubringen ; daher lau erfunden. Man bestimmt mit dem also von den Fenstern, von den gegenüberder Name "1gotische Schrift" , nicht aber selben , wieviel Normalstearinkerzen (von liegenden Dächern und von dem den Plaz von den Goten. Sehr schöne Beispiele denen 6 auf 1 Pfd . gehen) einem Papier beleuchtenden Stück Himmel (s . Fig. 8). Dieses Bild fällt auf eine in kleine dafür hat Sönnecken im germanischen in 1 Meter Entfernung gegenübergestellt Museum zu Nürnberg gefunden und ab- werden müßten, damit dasselbe ebenso hell Quadrate von 2 mm Seite geteilte Gittergebildet. (Siehe beifolgendes M Fig. 7 aus erleuchtet sei , als es von dem Tageslicht 1) Vergl. Zeitschrift für Instrumentenkunde, 1884. Sönneckens intereſſanter Arbeit : „ Das deut- beleuchtet ist. Die gefundene Zahl nennt
Hermann Cohn.
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369 zeichnung, und man kann nun mit Leich- lang) auf 1 m Entfernung in 1 Minute |Tische haben will. - Die Petroleumtigkeit in einer Minute mit einem Bleistift laut vorzulesen. Hat das Papier aber nur lampen brennen erfreulicherweise nicht die Bilder aller gegenüberliegenden Dinge eine Helligkeit von 2 M.-K. , so werden wenn sie keinen Cylinder haben; aber auf das quadrierte Papier zeichnen . Dann knapp 6 Zeilen, bei 10 M.-K. nur 12 3ei wie oft wird bei Gasflammen ohne Cywerden die Quadrate , die vom Himmel len in 1 Minute gelesen. Ich begnüge linder geschrieben ! Dies ist wegen des eingenommen werden, nur einfach abge mich also für das Minimum mit dem Zudens der Flamme bekanntlich sehr nachzählt , und das ist der Raumwinkel, in 5. Teile des Lichtes, bei dem man bequem teilig. Die einzige offene Gasflamme, die Quadratgraden ausgedrückt. (Man hat wie am hellen Fenster lesen kann , statt ohne Flackern brennt, ist die Albokarbonnatürlich noch eine kleine Korrektion nötig mit 50 Kerzen nur mit 10 ; darunter aber flamme (Naphthalindämpfe im Gas) , welche auch 5-7mal heller als die einbetreffs der Höhe des Einfallswinkels , der gehe ich nicht herab. an der Seite des Instrumentes abgelesen Nun können wir mit größter Leich fache Gasflamme ist. tigkeit bestimmen , ob ein wird.) Aber freilich selbst die besten Glocken Platz zum Schreiben ge- über den Cylindern geben in mehr als eignet ist oder nicht. Wir 2 m seitlicher Entfernung nicht mehr gehen mit dem Raumwinkel 10 Kerzen ). Das ist wohl zu beherzigen P messer von der Wand her so und kein Plaz, der weiter als 12 m nahe an das Fenster heran, bis von der Lampe entfernt ist , zum das Himmelsstück , welches Licht Schreiben zu benußen. Am hellsten auf den Play wirft, 50 Qua zeigten sich unter den Petroleumlampen dratgrade beträgt. Alles , was der Excelsiorbrenner, die hygieinische Norjenseits dieses Plates liegt, ist mallampe von Schuster und Bär in Berlin für das Schreiben un- und die Blizlampe von Hermann in Brieg, brauchbar, da man dort unter den Gaslampen die Wenhamlampe. an trüben Tagen nicht mehr auf 10 MeterWenn wir uns nun fragen : Welche ferzen rechnen kann. Mittel gibt es , um die Anstrengung der G Das Instrument ) kostet Augen beim Schreiben zu vermindern , so nur 30 Mark; es sollte müssen wir außer den genannten noch kurz Fig. 8. Webers Raumwinfel in feiner Schule fehlen ! drei Punkte erwähnen . messer. Freilich würde man1) Der Schreibende muß sein Auge cher Schulvorstand er von Zeit zu Zeit ausruhen, wie der Mir lag nun daran, die Beziehungen staunen , wenn er mit dem Raumwinkel- Wanderer seine Beine von Zeit zu Zeit zwischen Raumwinkel und Helligkeit messer seine Klassen prüfen würde. Von ausruht. Nach 3. Stunden sollte man an trüben Tagen zu finden. Aus vielen 2461 Gymnasiasten in Breslau sahen immer 1 Stunde Pause machen und den Hunderten vergleichender Messungen an 3. B. 459 von ihren Pläßen überhaupt Augen Erholung gönnen. Zimmerplätzen kam ich zu folgenden Re kein Stückchen Himmel , und in der 2) Um die Dauer des Schreibens abſultaten : Serta des Elisabethgymnasiums befanden zukürzen, ist die Stenographie erfunden . 1 ) An Plätzen, auf welche gar kein sich allein 80 % in dieser Situation. Im Welches das beste System ist , kann ich Himmelslicht fällt , deren Raumwinkel Zeichensaale des Magdalenengymna- nicht beurteilen ; ich bediene mich seit 33 also 0° ist, beträgt die Helligkeit an trüben fiums hat die Hälfte der Schüler gar kein Jahren des Stolzeschen Systems und bin Tagen nur 1-3 Meterkerzen , ein Licht, Himmelslicht ; nur der erste Schüler auf mit demselben überaus zufrieden , da es das mithin nur von den reflektierenden jeder Bank hat auf der Hälfte seines alle meine Anforderungen an Schnelligkeit Wänden herrührt. Plates das gewünschte Minimum von und Deutlichkeit vollkommen erfüllt. Auch 2) Ist der Raumwinkel an einem 50 Quadratgrad , jeder 2. , 3. und 4. Schü begreife ich nicht, wie man behaupten kann, Plate kleiner als 50 Quadratgrad, ler hat weniger als 50 °. Es wäre sehr daß man beim Stenographieren so seine so ist die Helligkeit an trüben Tagen klei- interessant, wenn in allen deutschen Schulen ganze Sinnesthätigkeit auf das mechanische ner als 10 Meterkerzen. in die Pläne der Klassenzimmer ein schwar : Firieren verwenden müsse, daß man wenig 3) Ist der Raumwinkel größer als zer Strich eingezeichnet würde an den von dem , was von dem , was man niedergeschrieben, 50 Quadratgrad, so ist selbst an trüben Stellen, wo der Raumwinkel weniger als wisse ; wer das System ordentlich gelernt Tagen die Helligkeit größer als 10 Me 50 ° beträgt. Das würde mehr nußen hat - und einige Monate reichen völlig terkerzen. als alle Jeremiaden über finstere Schulen . dazu aus stenographiert mit VerſtändIch verlange , daß beim Schreiben Freilich müßten von den Regierungen is. Wir ersparen mit der Kurzschrift die geringste Beleuchtung 10 Meter diese Untersuchungen angestellt und staat den fünften Teil der Zeit ; wir strengen ferzen seien. Das ist keine große Hellig liche Schulärzte in Deutschland , sowie in unser Auge also auch nur den fünften Teil feit. Man kann sich nach Weber leicht Frankreich, Ungarn und Schweden ein der Zeit an. Schon aus diesem Grunde von derselben überzeugen, wenn man ein geführt werden; denn welche Ansicht die ist der obligatorische Unterricht der Blatt Papier horizontal an eine Stearin Kommune mitunter über diese Fragen Stenographie in der Schule wünferze heranbringt ; der Punkt des Papieres, hat , geht daraus hervor , daß 3. B. in schenswert. Virchow hat bei der Deder 15 cm unter und 20 cm seitlich von Breslau noch immer Klassen eristieren, die batte über diese Frage im preußischen der Flamme sich befindet , ist so hell be bereits vor 22 Jahren von sachverständigen Abgeordnetenhause (11. März 1886) auf leuchtet , als wären 10 Normalferzen in Aerzten als zu finster bezeichnet wurden, die Bedenken, daß die Stenographie eine 1 m Entfernung ihm gegenübergestellt ; und daß die städtische Schuldeputation Belastung der Schule involviere, die golde dieser Punkt hat also 10 Meterkerzen vor kurzem das Anerbieten von 57 nen Worte erwidert : Und was wäre es Breslauer Aerzten , unentgeltlich denn für ein Unglück , wenn man zu gunHelligkeit. Warum verlange ich als Minimum als Schulärzte zu fungieren ab: sten der Stenographie etwa eine Stunde beim Schreiben gerade 10 Meterkerzen ? gelehnt hat. alte Grammatik aufgeben würde? Daß Ich habe mich überzeugt, daß Personen. Was die Abendbeleuchtung betrifft, die alten Sprachen etwa noch einen idealen mit gefunden Augen bei guter Tagesbe so ist nachgewiesen, daß man stets Gloden Zweck hätten, ist doch nur eine Einbildung leuchtung am Fenster oder auch bei 50 auf die Flamme seßen muß, wenn man verstockter Philologen. " Meterkerzen (M.-K.) künstlicher Beleuch zum Schreiben genügend Licht auf dem 1) Vergl . die Details in meine: Schrift: Untertung imstande sind, 16 Zeilen Zeitungs1) zu beziehen von Optifus Heidrich in Breslau, suchungen über den Beleuchtungswert der Lampengloden.. Wiesbaden 1885, Bergmanns Verlag. schrift (Bourgeoisschrift, die Zeile 100 mm schweidnitzerstraße 27. 367
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Jedenfalls handeln die Eltern weise, | gewiß eine zweckmäßige Anpassung " ; aber |Kartoffeln, Kaffee, Butter und Brot, ohne und eine Fleisch , mit dem Ernſt eines bedrängten Fawelche ihre Kinder in Tertia oder Sekunda, wenn man eine Krankheit wo jadas Vielschreiben beginnt, die durchaus solche ist ja die Kurzsichtigkeit mit ihren milienvaters; und 25 Jahre lang habe ich ausgeharrt, bis ich endlich bei allmählich steigenebenso der Verbesserung der Verhältnisse eine leidliche nicht schwierige Stenographie erlernen lassen. im Alter eintretenden Folgen 3) Endlich hat man bekanntlich in der neuesten Zeit in der Technik solche Fort schritte gemacht, daß man mit geschlosse nen Augen schreiben kann. Denn selbst Blinde sind jest imstande , mit der von Remington erfundenen Schreibmaschine zu schreiben. Sic nimmt weniger Raum
betrachtet, so muß man auch die krummen Bäckerbeine , die Plattfüße der Bergbe wohner , das Emphysem der Trompeter und den gewölbten Rücken der Preisturner als zweckmäßige Anpassungen preiſen. Aber selbst wenn wir nur die geringen Grade von Myopie betrachten, die noch
ein als eine kleine Nähmaschine, hat eine Klaviatur , die auch im Finstern gespielt werden kann , und ist bereits in Amerika und Europa vielfach in großen Geschäften und Bureaus verbreitet. Es bleibe einem späteren Auffage vor behalten, über andere wichtige Punkte, welche Handschrift und Auge betreffen, zu ſprechen; dahin gehören z . B. die Farbe des Papieres, die Länge der Zeilen, die Größe der Buchstaben, die Form der Feder, die Beschaffenheit der Tinte 2c. Zum Schlusse für heute sei es uns nur noch gestattet, die so häufig aufgeworfene Frage zu beantworten : Sft denn die Kurzsichtigkeit wirklich eine so ernste Krankheit, daß es sich lohnt, alle erdenk lichen Vorsichtsmaßregeln gegen sie beim Lesen und Schreiben zu treffen ?" Die Frage ist berechtigt ; denn es läßt sich nun einmal nicht wegdisputieren, daß eine große Anzahl Kinder mit gesunden Augen auf die Schulen kommen und während der Schulzeit kurzsichtig werden, und zwar um so mehr, je mehr Anforderungen von der Anstalt an Lesen und Schreiben ge-
nicht Krankheiten sind (und wer will vor her bestimmen , ob sie nicht allmählich in höhere Grade übergehen ?) , so sind auch diese immerhin mit Ünbequemlichkeiten ver bunden. Ich will gar nicht von der Wehrhaftigkeit unseres Volkes sprechen. Was ist der kurzsichtige Soldat ohne Brille? Wenn sie zerbrochen, verbogen, verloren gegangen, ja nur angelaufen ist, so ist der Soldat schon im Felde nicht mehr zu brauchen. Die überwiegende Mehrheit der For: scher lächelt daher über diesen krankhaf ten Darwinismus und bleibt bei der Ansicht, daß es die Aufgabe der Hygieine und der öffentlichen Belehrung bleiben wird, das Auge vor Kurzsichtigkeit zu bewahren und also auch alle Mittel aufzu suchen, durch welche die mit dem Schreiben verbundene Gefahr von den Augen fern: gehalten werden kann .
Alfred Krupp.
Die jüngst vergangenen Wochen sahen einen weltbekannten Mann aus dem Leben ab-
Existenz errang. Meine leste Erinnerung aus der Vergangenheit ist die so lange dauernde drohende Gefahr des Unterganges und die Ueberwindung durch Ausdauer , Entbehrung und Arbeit, und das ist es , was ich jedem jungen Manne zur Aufmunterung fagen möchte, der nichts hat, nichts ist und etwas werden will." Diese Briefstelle und die Ansprachen und Druckblätter, welche Krupp in verschiedenen Stadien seines Lebens und Geschäftsganges an seine Arbeiter gerichtet hat , sind feine schönste und vollständigste Autobiographie , welche nur noch mit einigen Zahlen illustriert zu werden braucht, um erschöpfend zu sein. Erst 1848 übernahm Krupp das Geschäft, das bis dahin noch in den ursprünglichen Gebäuden geblieben war , auf eigene Das es langsam aus . Das Rechnung und dehnte es von seinem Vater erfundene Verfahren der Gußstahlbereitung hatte sich nun endlich ganz erprobt , und es war gelungen , Blöcke von 20 Zentnern zu gießen ; das Werk beschäftigte 200 Arbeiter. Auf der Londoner Ausstellung von 1851 stellte Krupp den ersten Gußstahlblock von 45 Zentnern und die erste Sechs: pfünderkanone aus Gußstahl aus. Im Mai 1885, von wo eine andere Aeußerung Krupps über sein Etablissement vorhanden ist , ver mochte er Gußstahlblöcke von mehr als 1000 Zentnern zu gießen , hatte schon etwa 18000 Stück Geschütze jedes Kalibers geliefert und beschäftigte 20000 Arbeiter und Bergleute. Und gerade das, was er an liebreich und weiſe fürsorglichen Einrichtungen für das geistige und leibliche Wohl seiner Arbeiter und ihrer Familien gethan, für die er nach seinem Tode noch eine Million Mark ausgesezt hat , das
stellt werden. Die Hälfte aller Pri- gerufen, den Kanonenkönig Alfred Krupp. Alfred Krupp maner in Deutschland ist ja nachgewar nicht nur wiesenermaßen kurzsichtig. einer der Die Myopie ist in geringem Grade größten In cntschieden ein Gebrechen, in höheren Gradustriellen, den ist sie eine wahre Krankheit , die im sondern auch späteren Lebensalter Augenmuskelfrankan Adel des heiten,Glasförpertrübungen , Entzündungen Charakters und Gemütes der Aderhaut, Blutung und selbst Ablösung einMann von der Nezhaut häufig genug zur Folge hat. der seltensten Zudem ist die Kurzsichtigkeit auch erblich. Seelengröße Freilich fehlt es auch neuerdings nicht und Vollkom- | an Personen, welche behaupten , daß die menheit und Myopie bei geringen Graden eigentlich ein Musternüglich sei , da es gar nicht nötig wäre bild für un Alfred Krupp. in der Ferne genau zu sehen, vielmehr bei serejungeGeder heutigen Kultur das Auge hauptsäch- neration . Als Sohn eines kleinen Gußstahlfabrilich nur in der Nähe gut zu sehen brauche. | kanten in Essen am 11. April 1812 geboren, sah er Hatte doch auch schon der alte Physiker seine Kindheit und Jugend von einem vollen Cardanus geäußert , daß die Myopen Genüge und bescheidenem Wohlstand umgeben, sehr glücklich seien ; denn sie seien beson: bis sein erst 3yjähriger Vater am 8. Oktober 1826 starb und an den erſt 14jährigen Sohn ders verliebt, da sie die körperlichen Fehler die Notwendigkeit herantrat, im Verein mit nicht merken und alle menschlichen seiner Mutter das Werk des Vaters fortzualle menschlichen Wesen für Engel halten. führen, unter Umständen , welche er selbst in Andere haben sogar in jüngster Zeit einem Briefe folgendermaßen schilderte : Mein behauptet , die Kurzsichtigkeit , welche in Vater hatte sein großes Vermögen durch die der Jugend entsteht, sei eine Art Natur erstrebte Fabrikation bereits verloren, als er, hilfe, sie sei, da ja die Menschen haupt von Kummer gebrochen, starb , und ich sollte fächlich in der Nähe arbeiten müssen, eine nun, 14 Jahre alt, laut Testament für Rech zweckmäßige Anpassung der Art an nung meiner Mutter die Fabrik fortsehen, gegebene Verhältnisse" im Darwinschen ohne Kenntnis, Erfahrung, straft, Mittel und Kredit. Von da an hatte ich die Sorgen Sinne. Wie wenig haben diese Autoren eines Familienvaters und die Arbeit bei Tage, den großen Darwin verstanden ! Wenn des Nachts Grübeln , wie die Schwierigkeiten sich die Haut des Zeigefingers bei einem zu überwinden wären. Bei schwerer Arbeit, Violinspieler allmählich verdickt, so ist dies | oft Nächte hindurch , lebte ich oft bloß von
erhebt diesen Fürsten der Industrie noch zu einer besonderen Höhe und Erhabenheit des ganzen Wesens und stellt ihn uns dar als das Muster eines Mannes aus dem Volk und mit einem Herzen für das Volk. Wie die finnreiche, bis ins einzelne wunderbar durchdachte Organisation der Verwaltung seiner Eisenwerke eine musterhafte ist , so war es auch ſein Charakter : streng gegen sich selbst, von unermüdlicher Thatkraft, findig, strebsam, wißbegierig, cinfach und anspruchslos, war er gastfreundlich, wohlthätig und immer hilfsbereit, wo es galt, unverschuldetes Unglück zu unterstüßen , der Armut , Unwissenheit und dem Elend zu steuern, die herben Unterschiede der Stände vermittelnd auszugleichen. Orden, Titel, Ehrenstellen, den Umgang der Großen verſchmähte er ; ein Fürst der Arbeit , wollte er nur Alfred Krupp bleiben, wenn er auch fürstlich lebte, dachte, baute und reiste. Von seiner wohlbedachten und schrankenlos freigebigen Wohlthätigkeit, welche mit der Bu nahme seiner Mittel stieg, haben nur wenige eine Ahnung. Aber auch er entging nicht der Vereinsamung des Genies. Die großen Opfer und Entbehrungen seiner Jugend wurden ihm nicht durch einen frohen Lebensabend gelohnt, denn in den letzten Jahren war er nicht mehr fähig , die Früchte seines Fleißes und seiner Sorgen zu genießen. Einsam und hypochondrisch lebte er auf seinem fürstlichen Befistum, dem Hügel", wie er sein schloßarti ges, in den siebziger Jahren erbautes Herrenhaus nannte , bis ihn der Tod seiner ehren| vollen Laufbahn entriß. Aber seine Eisenwerke , wohl die größten in der ganzen Welt und viele Quadratkilometer Flächenraum bedeckend , bilden ein in seiner Art einziges Monument seiner Wirksamkeit.
Wunderbares
Dr.
Jekyll
Ereignis des
und
Mr. Mr.
Hyde
Don Robert Louis Stevenson.
Geschichte der Thür. faßt. Solcher Art war zweifelsohne das | Risse. In diesem Schlupfwinkel suchten. er Advokat Mr. Utterson war ein Band, welches ihn mit Mr. Enfield, seinem Bettler ihre Zuflucht und wetteiferten um Mann von rauhen Gesichtszügen, entferntenVerwandten und wohlbekanntesten das Unterkommen ; auf den Treppenstufen die selten durch ein Lächeln er Manne der Stadt, verknüpfte. Es war boten Kinder ihre Waren feil, und in dem hellt wurden ; er war falt, im für manche eine harte Nuß zum Knacken, morschen Holz versuchten Schuljungen ihre Seit undenklichen Zeiten war Gespräch karg und verlegen , mit seinen was diese beiden aneinander fanden oder Meſſer. erschienen , um diese ungeniemand . aber hatten sie Interessen ungen gemeinsamen welche zurück. sehr er hielt Gefühlsäußer Sein Aussehen war finster , obwohl er Leute , welche sie bei ihrem Sonntags- betenen Gäste zu vertreiben oder ihrer eine gewisse Liebenswürdigkeit besaß . Bei spaziergange trafen , sagten aus , daß sie Ausgelassenheit ein Ende zu machen. Mr. Enfield und der Advokat gingen freundschaftlichem Zusammensein und wenn kein Wort miteinander sprachen , immer der Wein nach seinem Geschmack war, finster aussahen und wenn ihnen ein Freund auf der anderen Seite der Straße , und Leuchtete etwas außerordentlich Menschen begegnete, diesen als eine Erlösung be- als sie sich dem Eingange gegenüber befreundliches aus seinen Augen, in der trachteten. Trotzdem betrieben die beiden fanden, erhob der erstere seinen Stock, darThat etwas , das er in seinem Gespräch Männer diese Ausflüge mit dem größten auf hinweisend. Hast du jemals diese Thür bemerkt?" nicht zum Ausdruck brachte , das aber Eifer , betrachteten sie als ihre größte dennoch sich in den stillen Zügen dieses Freude in der Woche und ließen nicht fragte er , und als sein Begleiter es Nachtischgesichts sich ausprägte und öfter nur alle Vergnügungen im Stich, sondern bejahte , segte er hinzu : // sie erweckt in noch laut durch die Thaten seines Lebens kümmerten sich auch nicht um Geschäfts- mir die Erinnerung einer sonderbaren GeEr war streng gegen angelegenheiten. befundet wurde. schichte. " Bei einem dieser Ausflüge gerieten ſie sich selbst, trank Gin, wenn er allein war, „Wirklich ?" sagte Mr. Utterson mit um seinen Geschmack für Weingetränke zu in eine Nebenstraße eines belebten Lon- cinem leichten Wechsel der Stimme, „ und ertöten , und obgleich das Theater seine doner Stadtteiles . Die Straße war schmal wie hängt das zusammen ?" Freude war, hatte er seit zwanzig Jahren und verhältnismäßig ruhig , doch war an }} So höre: Es war dieser Weg, " ermit feinem Fuß die Schwelle eines solchen Wochentagen der Handel dort ein lebhafter. widerte Mr. Enfield, es war gegen 3 Uhr Dabei besaß er eine be- Die Einwohner waren anscheinend gut an einem dunkeln Wintermorgen auf dem überschritten. währte Toleranz für andere ; mit Neid be- fituiert, noch dabei auf bessere Lage speku Nachhausewege von einem Orte , der am wunderte er das hohe Maß von Geistes- lierend , legten sie kokett ihre Waren in anderen Ende der Welt lag , und mein kraft, welches jene bei ihren Missethaten das Schaufenster, daß diese gleich einer Weg führte mich durch einen Stadtteil, bewiesen. Bei Ausschreitungen war er eher Reihe lächelnder Verkäuferinnen im höchsten wo buchstäblich nur Lampen zu sehen Selbst am waren. Ich ging Straße auf Straße, geneigt, zu helfen, als anzuflagen. „Ich Grade verlockend waren. halte es mit Kains Keßerei, " pflegte er Sonntage , wenn die Läden geschlossen und alle Leute schliefen, Straße auf Straße zu sagen, „ ich lasse meinen Bruder seinen waren und kein Verkehr in der Straße war wie für eine Prozession erleuchtet, eigenen Weg zum Teufel gehen ." Bei war, hob sie sich doch, gleich einem Feuer alles leer wie in der Kirche. Jch geriet diesem Charakter hatte er häufig das Glück, | im Walde , von den unbedeutenden der schließlich in einen Geisteszustand, wo der die lehte achtbare Bekanntschaft und der Nachbarschaft ab ; mit ihren frisch gemalten Mensch horcht und horcht und sich nach lehte gute Einfluß in dem Leben solcher Fensterläden, den sauber polierten Messing- | dem Anblick eines Konstablers zu schnen Heruntergekommener Leute zu sein. Zu schildern, der herrschenden Reinlichkeit und beginnt. Plößlich wurde ich zweier Gelchteren zeigte er , solange sie noch sein dem freundlichen Ausschen fiel sie den stalten gewahr: die eine war ein kleiner Haus betraten , keinen Schatten der Ver- Spaziergängern gleich wohlthuend in die Mann, der von Osten in schnellem Schritt daherkam , die andere ein Mädchen von Augen. änderung im Benehmen. Zwei Häuser von der Ecke an der ungefähr acht bis zehn Jahren , welche, Dies war für Mr. Utterson ohne Zweifel eine leichte Kunst, da er sehr be- linken Seite wurde die Reihe durch einen so schnell es ihr möglich war , über die liebt war ; sogar seine Freundschaften Hofeingang unterbrochen , und gerade an Straße lief. An der Ecke rannten nun schienen in einer ähnlichen Gutmütigkeit der Stelle erstreckte ein geschmackloses Block- | die beiden aneinander ; darauf erfolgte der begründet zu sein. Das Zeichen eines be- haus seinen Giebel auf die Straße. Es entschliche Teil dieser Sache ; denn der scheidenen Mannes , seinen Freundeskreis hatte zwei Stockwerke, zeigte keine Fenster, Mann trat unbarmherzig auf das Kind aus den Händen der Gelegenheit zu nur eine Thür im unteren Stockwerk, das und ließ es schreiend am Böden liegen. empfangen , war des Advokaten Weise . obere bestand nur aus einem bemalten Es hört sich nicht so schlimm an, aber es Seine Freunde bestanden in seinen Ver- Mauerwerk, dessen Farben längst verblichen war schrecklich anzusehen. Der Mann gewandten oder solchen Leuten , die er be- | waren ; das Ganze trug in jeder Beziehung bärdete sich nicht wie ein Mensch, sondern reits lange Zeit kannte ; seine Neigungen den Stempel vollkommener Vernachlässi wie eine wilde Tigerkaze. Jch stieß ein glichen dem Epheu, cinem Erzeugnis der gung. Die Thür, weder mit einer Glocke lautes Hallo von mir , lief so schnell Zeit, der nach und nach erst feste Wurzel | noch einem Klopfer versehen , war voller | ich konnte, um den sauberen Herrn zu er-
1 Robert Louis Stevenson. 376 greifen , und brachte ihn an den Ort der That zurück, wo sich bereits eine ganze Gruppe um das schreiende Kind gebildet hatte. Er war ganz ruhig dabei und sette mir keinen Widerstand entgegen, warf mir aber einen so häßlichen Blick zu, daß mir der Schweiß ausbrach. Die herbeigeeilten Leute bestanden zumeist aus den Angehörigen des Kindes , und bald darauf erschien auch der Arzt , nach dem die Kleine geschickt worden war. Nach der Aussage des Arztes Sawbones stand es mit dem Kinde nicht so schlimm, es war nur durch die Angst so mitgenommen. Hiermit denkst du wohl , wäre die Sache Aber es war noch abgethan gewesen . ein merkwürdiger Umstand dabei, den ich erzählen muß. Ich hatte gegen diesen Menschen vom ersten Augenblick an cinen Widerwillen , ebenso des Kindes Angehörige , was freilich kein Wunder war. Auffallend war jedoch des Doktors Benehmen; er war ein trockner, geschickter Mediziner, nicht alt, nicht jung, mit ſtarkem Edinburgschen Dialekt und so beweglich wie eine Sackpfeife. #! Es ging ihm wie uns allen immer wenn er meinen Gefangenen ansah , be merkte ich, daß Sawbones blaß vor Wut wurde und Lust verspürte , ihn zu töten. Wir errieten gegenseitig unsere Gedanken, und da das Töten außer Frage war, thaten wir das Nächstbeste. Wir sagten dem Manne, daß wir ein solches Aufsehen von der Sache machen wollten , daß sein Name von einem Ende Londons bis zum anderen stinken würde. Wenn er irgend Freunde oder Kredit hätte , wollten wir sorgen, daß er sie verliere. Während der ganzen Zeit, als wir in der Hiße des Augenblickes solches hervorstießen, mußten wir die Weiber , so gut wir konnten, zurückhalten, denn sie waren wie die Furien, so wild. Niemals sah ich so viele haßerfüllte Gesichter , und dabei stand der Mann in der Mitte, mit einer Art finsterer, höhnischer Gleichgültigkeit -wenn auch furchtsam, das konnte ich sehen aber wenn ich eine genaue Beschreibung davon machen soll, wie der leibhaftige Satan. - Wenn{ Sie aus dieser Sache Nußen ziehen wollen, ſagte er , so bin ich natürlich hilflos . Kein Gentleman der nicht eine Scene zu vermeiden sucht, fuhr er fort, stellt mir euere Forderungen ! Wir forderten hundert Pfund für des Kindes Angehörige ; er mürde sich wohl gerne herausgezogen haben aus der Affaire , wenn nicht die Anwesenden ihn mit Unheil bedroht hätten, ſo daß er sich zuleht darin fügte. Unsere nächste Sorge war, das Geld zu erhalten . Und kannst du dir denken, wohin er uns führte ? Zu jener Thür , schnell zog er einen Schlüssel, ging hinein und kam bald mit zehn Pfund in Gold und einem Wechsel für die Bank von Coutto zurück, welcher zahlbar an den Ueberbringer und unterzeichnet mit einem Namen war, den ich nicht nennen kann , obwohl er sehr wichtig für diese Geschichte ist, der aber sehr wohl bekannt und oft gedruckt worden ist. Die Zahlen waren flüchtig geſchrieben,
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aber die Unterschrift war wertvoll und dort ein noch aus, nur bisweilen der Mann unverfälscht. Ich nahm mir die Freiheit, meines Abenteuers . Vom ersten Stockdiesem Manne zu erklären, daß die ganze werk gehen drei Fenster nach dem Hof Angelegenheit mir verdächtig vorkäme, um hin ; diese sind stets geschlossen , aber so mehr , da es im gewöhnlichen Leben dennoch rein . Dann ist ein Schornstein wohl nicht vorkäme, daß ein Mensch um dort , welcher meistens raucht , woraus vier Uhr morgens in eine Kellerthüre ich schließe , daß jemand dort wohnen. ginge und dann wiederkehrte mit einem muß. Ganz sicher ist es dennoch nicht, fremden Wechsel auf hundert Pfund. Er da die Hofgebäude so aneinander geerwiderte gelassen und höhnisch : Beruhigen baut sind , daß es schwer zu sagen ist, Sie sich, ich bleibe bis die Bank geöffnet wo das eine aufhört und das andere an= wird , und werde den Wechsel selbst ein- fängt. " lösen. So gingen wir, der Doktor , der Das Paar ging cine Zeitlang schweigend Vater des Kindes und ich, mit unserem weiter, dann wiederholte Mr. Utterson nochgemeinschaftlichen Freunde nach meiner mals : Enfield, das ist ein guter GrundWohnung, wo wir den Rest der Nacht sag von dir. " verbrachten. Am folgenden Tage gingen „ Ja , das ist auch meine Meinung, " wir, nachdem wir gefrühstückt hatten, sämt: lautete Enfields Antwort. lich nach der Bank. Ich gab den Wechsel "/ Aber dennoch möchte ich einen Teil selbst auf, indem ich sagte, daß ich allen wissen, " fuhr der Advokat fort ; // kannst Grund hätte, zu glauben, eine Fälschung du mir den Namen des Mannes nennen, liege hier vor. Aber nichts Derartiges, der das Kind trat ?" der Wechsel war echt. " 7/ Warum nicht, " meinte Mr. Enfield, "/Na nu," sagte Mr. Utterson. ‚ich sehe keinen Grund ein , weshalb ich " Ich sehe, du fühlst wie ich ," ent- ihn verschweigen sollte. Hyde war sein gegnete Mr. Enfield ; es ist eine sonderbare Name. " Geschichte, um so mehr, da dieser Mensch "/ Hm ! Wie sieht der Mann ungefähr so abstoßend war, daß niemand etwas mit aus ?" fragte Mr. Utterson. ihm zu thun haben wollte ; der Aussteller „ Es fällt mir schwer, ihn zu beschreiben. aber des Wechsels ein Mann, der sehr ver- In seiner Erscheinung liegt etwas Abmögend und geachtet ist , und (was das stoßendes , etwas durchaus Mißfallendes, Schlimmste ist) ein Mann , der, wie man in einem Wort Verabscheuungswürdiges. sagt , Gutes thut. Ich vermute , daß Ich habe noch keinen zuvor gesehen , der hierbei cine dunkle Vergangenheit im Spiele mir so mißfiel, doch weiß ich kaum warum. ist und ein chrlicher Mann auf diese Weise Er muß irgendwie mißgestaltet sein, jedenseine Jugendstreiche büßen muß . Black falls macht er den Eindruck eines verMail House (Haus der dunkeln Vergangen wachsenen Menschen, wiewohl ich die Stelle heit) nenne ich seit der Zeit das Gebäude nicht anzugeben weiß. Er sicht ganz außer mit der Thür, obwohl selbst das noch nicht gewöhnlich aus, und dennoch kann ich nichts alles genau erklärt, " fügte er, in Nachsin- | Besonderes an ihm finden . Beim besten Willen kann ich ihn nicht beschreiben, das nen verfallend, hinzu . Aus diesem Brüten wurde er durch ist nicht etwa Gedächtnisschwäche , denn Mr. Utterson erweckt, der ihn fragte : „ Und mir ist es, als stünde er mir vor Augen. " du weißt nicht , ob der Unterzeichner des Mr. Utterson ging wieder eine Weile Wechsels dort lebt ?" stillschweigend weiter , sichtlich überlegend, „Ist das denn eine passende Wohnung und fragte schließlich : Bist du auch sicher, für ihn ? " entgegnete Mr. Enfield. // Ich daß er einen Schlüssel benutte ?" habe aber seine Adresse aufgeschrieben , er Aber mein lieber Freund i. . . " bc= gann Mr. Enfield ganz überrascht. wohnt in einem der anderen Viertel." „ Ja, ich weiß, es erscheint dir wunderUnd fragtest du niemals nach dem Plag mit der Thür," erkundigte sich Mr. Ut bar ; der Grund, weshalb ich nicht nach dem Namen des anderen Beteiligten frage, terson . „ Nein , ich besite zu viel Zartgefühl ist der , weil ich ihn bereits fenne. Du dazu . Ueber das Fragestellen denke ich siehst , Richard , deine Geschichte ist schon überhaupt sehr streng, es sieht einer Ge- bekannt , und wenn du in irgend einem richtssitung gar zu ähnlich. Wenn du Punkt von der Wirklichkeit abgewichen eine Frage stellst , so gleicht diese einem bist, thätest du gut, es zu verbessern. „Ich finde , du hättest mich warnen hingeworfenen Stein, der vom Gipfel des Berges heruntergeschleudert , andere mit können ," erwiderte der andere mit einem sich reißend, weiter und weiter rollt und Anflug von Niedergeschlagenheit ; „ aber plöglich einen guten alten Vogel (das ich bin genau bei der Sache geblieben, wie jenige, was man am wenigsten denkt) in du es nennst. Der Geselle hatte einen seinem eigenen Neste trifft. Nein, ich habe Schlüffel , oder vielmehr er hat ihn noch. es mir zur Regel gemacht, um so weniger Ich sah, daß er ihn vor einer Woche noch zu fragen, je mehr mir eine Sache aben benußte. " Mr. Utterson seufzte tief , aber sagte teuerlich erscheint." „ Eine sehr gute Regel dies, " sagte der kein Wort, und der junge Mann bemerkte Advokat . dann : „ Das ist wieder eine Lehre, daß man „ Jedoch habe ich den Platz selbst unter- nichts sagen soll ; ich schäme mich meiner sucht ," fuhr Mr. Enfield fort. Es hat plauderhaften Zunge. Laß uns das Gekaum das Aussehen eines Hauses . Es lübde thun , niemals auf dies Thema zuhat keine andere Thür, und niemand geht | rückzukommen. "
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Robert Louis Stevenson. Wunderbares Ereignis des Dr. Jekyll und Mr. Hydė. 381 380 379 , und noch dachte sechs Wenn jemand | Nähe war, schlug Von ganzem Herzen, " sagte der Ad- | den Patienten empfing. vokat ; gib mir die Hand darauf, Richard. " mir nähere Auskunft geben kann, " dachte Mr. Utterson über dieses Problem nach. Bis dahin war sein Verstand nur von der Utterson, so ist es Lanyon." Das Suchen nach Mr. Hyde. Von dem ihm bekannten Diener wurde Sache berührt, jezt aber begann seine EinAn jenem Abend kehrte Mr. Utterson er feierlich bewillkommt , aber Utterson bildungskraft ihn noch zu foltern, und wie in gedrückter Stimmung nach seiner Jung- ließ sich zu keiner Verzögerung Zeit, fon- er in der Dunkelheit der Nacht in dem gesellenwohnung heim und setzte sich zu dern eilte sofort in das Speisezimmer, wo mit Vorhängen versehenen Zimmer dalag, Tisch, ohne den geringsten Appetit zu ver- Lanyon allein bei einem Glase Wein saß. entrollte sich Mr. Enfields Erzählung in spüren . Es war sonst seine Gewohnheit, Der eben Genannte war ein Herr von kräf leuchtenden Bildern vor seinen Augen. am Sonntage nach beendeter Mahlzeit tigem, gesundem Aussehen, mit einem stark Es war ihm, als sähe er nächtlicherweile dicht bei dem Kaminfeuer zu fizen , irgend geröteten Gesicht; sein Haar war frühzeitig eine durch unzählige Laternen erhellte Stadt, ein trockenes Andachtsbuch vor sich auf weiß geworden, seine Bewegungen waren dann die Gestalt eines eilig daherschreidem Lesepult ; wenn dann die Uhr der gewandt , dabei besaß er ein zwar unge- tenden Mannes und ein Kind , welches, Als vom Arzt kommend, nach Hause lief; diese ganz nahe gelegenen Kirche zwölf schlug, stümes, doch entschiedenes Wesen. ging er bedachtsam und dankbaren Herzens Lanyon Mr. Uttersons ansichtig wurde, beiden begegneten sich, und jene Tigerkate zur Ruhe. In dieser Nacht jedoch nahm sprang er vom Stuhle auf und hieß ihn in Menschengestalt trat das Kind zu Boden er, sobald sein Tisch abgeräumt wurde, ein herzlich willkommen, ihm beide Hände ent- und ging ungeachtet des Schreiens weiter ; Licht und ging in sein Arbeitszimmer. gegenstreckend. Die Genialität dieses Man- oder er sah ein Zimmer in einem reichen Dort öffnete er seinen Geldschrank , ent- nes erschien wohl etwas theatralisch, aber Hause, sein Freund lag im Traume lächelnd nahm dem geheimsten Fach desselben ein sie beruhte auf seinem wahren Gefühl. da ; plößlich wurde die Thür des Zimmers Schriftstück , welches auf dem Umschlag Diese beiden Männer waren alte Freunde, geöffnet, die Vorhänge des Bettes zurückach!! eine Gestalt stand und_ach die Aufschrift : Dr. Jekylls letter Wille" Schul- und Kollegienkameraden, sie achteten geschlagen, und trug, und seşte dann sich nieder, um mit sich gegenseitig und , was nicht immer da- dort, die den Schläfer weckte , und der umwölkter Stirn nochmals den Inhalt mit verbunden ist, erfreuten sich stets ihres Macht gegeben war über ihn , so daß er selbst zu jener späten Stunde aufstehen zu studieren. Der Wille war ein eigen Beisammenseins. Nachdem die Freunde eine Weile harm- und nach den Befehlen jener Gestalt hanHändiger, denn Mr. Utterson hatte, obwohl er ihn nun, da er einmal fertig war, ver los geplaudert hatten , ging der Advokat deln mußte. Von diesen beiden Bildern wahrte , seiner Zeit seinen Rechtsbeistand zu jenem Thema über, welches seine Ge- wurde der Advokat die ganze Nacht verdazu verweigert. Das Testament enthielt danken auf so unangenehme Weise in An- folgt, und selbst wenn er ein wenig einschlief, war es nur, um die Erscheinung nicht nur den Paragraphen, daß nach dem spruch nahm . Ableben des Dr. Jekyll, N. D. , D. C. L. , "Ich vermute, Lanyon, " sagte er, du noch leiser durch die im Schlafe liegenden L. L. D., F. R. S. , alle Besitztümer und und ich, wir sind die beiden ältesten Freunde, Häuser gleiten zu sehen , oder sie eilte schneller und schneller , fast schwindelsein sämtliches Vermögen in die Hände welche Henry Jekyll hat ? " Ich wünschte , seine Freunde wären erregend durch die langen erhellten Straßen, seines Freundes und Wohlthäters Edward Hyde fallen solle, sondern auch noch den jünger, " bemerkte Dr. Lanyon, „doch ver- drückte an jeder Ecke ein Kind nieder und sonderbaren Sah, daß im Falle Dr. Jekyll hält es sich wohl so . Doch wozu das ? ließ es schreiend zurück. Und doch hatte die Gestalt des Mannes kein Gesicht, woran verschwinden oder auf unerklärliche Weise Ich sehe Jekyll jest selten." er ihn hätte erkennen können. Selbst im dachte, „Ich . Utterson meinte ?" So drei Monate abwesend sein sollte, besagter " Mr. Hyde ganz an Henry Jekylls Stelle ihr hättet doch das Band gemeinsamer Traum konnte er das Gesicht nicht sehen, oder es war eines , welches vor seinen träte, ohne jegliche Verzögerung und frei Interessen ?" verschwamm, so daß er hierdurch Augen en. Verpflichtung und " Schulden allen von Das war allerdings der Fall, " lautete Nur eine geringfügige Summe für des die Antwort ; "} aber seit länger denn zehn außerordentlich neugierig wurde, den wirkDoktors Haushalt solle er verpflichtet sein Jahren ist Henry Jekyll mir ein zu großer lichen Mr. Hyde kennen zu lernen. Er 1 auszuzahlen. Dieses Schriftstück war dem Phantast geworden , er ist sehr eigentüm dachte , wenn er ihn ein einziges Mal mit Advokaten längst ein Dorn im Auge. Es lich geworden ; dennoch intereſſiere ich mich eigenen Augen sehen könnte , würde das beleidigte ihn sowohl vom Standpunkte fernerhin für ihn um der alten Freund ganze Geheimnis sich aufklären, wie es oft des Advokaten als vom Standpunkte ge- schaft willen , aber ich sehe diesen Mann mit geheimnisvollen Dingen geht , wenn ſunder Vernunft ; alles Phantastische erschien nur äußerst selten. Solch unwissenschaft- man sie aus der Nähe betrachtet. Vielihm unbescheiden. Bisher war es seine licher Unsinn würde selbst Damon und leicht würde er dann den Grund für seines Unkenntnis über Mr. Hyde , die seinen Phintias entzweit haben, " fügte der Dok Freundes Interesse, resp. Knechtschaft diesem Manne gegenüber einsehen, sowie er auch) Aerger verursacht ; jest war gerade sein tor plöglich zornerrötend hinzu . Kennen desselben , was ihn erregte . Er Dieser Gefühlsausbruch war für Mr. die Ursache für die wunderbare Klauſel fand die Sache schon insofern arg , als Utterson eine kleine Beruhigung ; sie haben des Testamentes zu finden hoffte. Es Hyde mur ein Name für ihn war , von sich also nur über eine wissenschaftliche war immerhin der Mühe wert , ihn zu dem er weiter nichts erfähren konnte; ärger Frage entzweit, dachte er, und da er kein sehen , ihn, der so ohne jegliches Mitleid noch erschien sie ihm jezt, wo er so Fluch- Mann voll wissenschaftlichen Eifers war, war ; ein Gesicht, welches sich nur zu zeigen würdiges über jenen Menschen gehört; und | fügte er bei sich hinzu : „ Also weiter nichts. " brauchte , um in des Advokaten Seele aus dem unbeſtimmten Nebel, der ihn bis- Einige Sekunden ließ er seinem Freunde einen unnennbaren, endlosen Haß heraufher verwirrte , erhob sich nun in deut Zeit, den Gleichmut wieder zu finden, dann zubeschwören . lichen Zügen das Bild eines entschiedenen stellte er jene Frage , um derentwillen er Seit jener Zeit machte Mr. Utterſon Gegners. eigentlich gekommen war. Hast du je Jagd auf die Thür in der Nebenstraße. Bom frühen Morgen an bis spät in die Ich hielt die ganze Sache für eine seinen Schüßling - Hyde getroffen ?" "/ Hyde ? " wiederholte Lanyon ." „ Nein, Nacht hinein widmete er seine MußzeTollheit, " sagte er, das gewichtige Papier stunden der steten Beobachtung und war in den Geldschrank zurücklegend, „doch nun ich habe nie von ihm gehört. muß ich fürchten , daß Schande dahinter Das war alles , was der Advokat an auf diesem seinem erwählten Posten zu verborgen ist." Erkundigungen mit nach Hause nahm, wo- finden. Seine Absicht war, Mr. Hyde auf Nach diesem Selbstgespräch löschte er selbst angelangt, er sich auf dem Bette jeden Fall zu sehen. Endlich wurde seine Ausdauer belohnt. fein Licht aus, zog seinen großen Mantel hin und her wälzte, bis der Morgen tagtc. an und ging nach Cavendish- Square, jener Es war für ihn eine unruhige Nacht, da Es war eine schöne Winternacht, die Straße Citadelle der Mediziner , wo auch sein sein Geist sich fortwährend mit dieser so sauber und glatt wie ein Ballſaal ; die Laternen, welche kein Wind bewegte, ließen Freund, der berühmte Dr. Lanyon, wohnte Frage beschäftigte. Die Kirchenuhr , welche ganz in der jeden Gegenstand im genauen Ümriß erund seine von allen Seiten herbeiftrömen-
1 Robert Louis Stevenson . 382 kennen . Zu dieser Stunde war diese Nebenstraße, im Gegensatz zu dem Londoner Trubel , ringsumher einsam und still . Die alltäglichen Laute aus den Häusern waren weithin hörbar, und der Tritt eines jeden Passanten kündete sich dem Lauscher lange zuvor schon an. Kaum stand Mr. Utterson einige Minuten auf seinem Posten, als er einen besonders leichten Schritt sich nähern hörte. Im Laufe seiner nächtlichen Patrouillen hatte er sich längst an den Eindruck gewöhnt, den der Schritt eines einzelnen Menschen , der noch eine ganze Strecke entfernt ist , hervorbringt, und wie derselbe sich plöglich von dem tosenden Lärm der Stadt abhebt. Nie zuvor war seine Aufmerksamkeit so scharf und entschieden in Anspruch genommen , und ein überzeugendes Gefühl von Erfolg bemächtigte sich seiner , so daß er in den Eingang des Hofes zurücktrat. Die Schritte wurden, als sie das Ende der Straße erreichten, schneller und lauter. Der Advokat konnte von seinem Verstecke aus bald ſehen, was für einen Menschen er vor sich hatte. Er war klein und ein fach gekleidet ; aber sein Blick berührte selbst aus dieser Entfernung den Beobachter schon unangenehm. Jener ging, um den Weg abzukürzen , schräg über die Straße, direkt auf die Thür zu, woselbst angelangt , er gleich einem Heimkehrenden den Schlüssel aus der Tasche zog. Mr. Utterson trat hervor, und seine Schulter berührend , sagte er : „ Ich vermute, Sie sind Mr. Hyde." Mr. Hyde fuhr erschreckt zurück, doch gewann er bald seine Fassung wieder, und ohne den Ad vokaten anzusehen , erwiderte er : „ Das ist mein Name. Was wünschen Sie von mir ?" Ich bin ein alter Freund von Dr. Jekyll - Mr. Utterson aus der Gauntstraße, von dem Sie wohl schon gehört haben werden und da ich Sie hineingehen sche, möchte ich Sie bitten, auch mir Ein laß zu gewähren. " „ Dr. Jekyll werden Sie nicht treffen, da er nicht zu Hause ist, " versette Mr. Hyde, den Schlüssel einsteckend. Dann forschte er, ohne aufzusehen, weiter : „ Woher kennen Sie mich ?" „Wollen Sie mir erst einen Gefallen !! erweisen?" jagte Utterjon . Mit Vergnügen, " entgegnete der andere ; „und was soll es sein ?" „Laſſen Sie mich Ihr Gesicht sehen, " sagte der Advokat. Mr. Hyde schien zu zögern, dann aber besann er sich und stellte sich mit einem trogigen Gesicht dem Advokaten gegen über ; so starrte das Paar sich einige Scfunden lang an. "} Nun werde ich Sie wieder erkennen, " sagte Mr. Utterson, „ es mag von Nuhen sein. " !! Ja, " entgegnete Mr. Hyde , // es ist mir lieb, daß wir uns getroffen haben, und apropos ! ich will Ihnen meine Adresse geben. " Dabei nannte er mir die Nummer einer Straße in Soho . Guter Gott , " dachte Mr. Utterson, sollte er gleichfalls an das Testament
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gedacht haben ? " Er behielt jedoch seine | klopfte an die Thür. Ein gut gekleideter Gedanken für sich und murmelte eine An- älterer Diener öffnete ihm . erkennung für die erhaltene Adresse. „ Ist Dr. Jekyll zu Hause , Poole ? “ "/ Und jezt sagen Sie, " sagte der andere, fragte der Advokat. woher kennen Sie mich?" // Ich werde nachsehen, Mr. Utterson, " „ DurchBeschreibung," wardieAntwort. sagte Poole, indem er den Besucher in einen Wessen Beschreibung ?" großen, hohen, gemütlichen Vorsaal führte, „Wir haben gemeinsame Freunde, " der nach Sitte der Landhäuser mit Fliesen sagte Mr. Utterson. belegt war. Derselbe war durch ein offenes, „ Gemeinsame Freunde ? " wiederholte helles Kaminfeuer erwärmt und mit kostMr. Hyde ein wenig heiser. "/ Wer sind baren Eichenmöbeln eingerichtet. // Wollen diese ?" Sie hier bei dem Feuer verweilen, gnädiger „ Jekyll zum Beiſpiel , " äußerte der Herr , oder soll ich Ihnen Licht in das . Advokat. Speisezimmer bringen?" Der hat es Ihnen sicher nicht gesagt ! " „Hier, danke , " sagte der Advokat und rief Mr. Hyde mit einem Ausbruch des trat näher an den Kamin , auf dessen Aergers aus. „ Daß Sie lügen würden, Brüstung er sich stüßte. Diese Halle , in glaubte ich allerdings nicht. " der er jcht allein gelassen wurde, war ein „Halt ! " sagte Mr. Utterson , „ das ist | Lieblingsplatz seines Freundes , des Doktors , kein passender Ausdruck. " und Utterson selbst war gewohnt , davon Der andere brach in ein wildes Lachen als von dem angenehmsten Raume Londons aus, und im selben Augenblicke hatte er zu sprechen. Aber in dieser Nacht schaumit unglaublicher Haft die Thür aufge- derte sein Blut , Mr. Hydes Gesicht schlossen und verschwand im Hause. schwebte ihm stets vor Augen ; er fühlte, Als Mr. Hyde ihn verlassen hatte, was selten bei ihm vorkam, Widerwillen blieb der Advokat einen Augenblick stehen, und Unlust am Leben. In dieser geistigen. ein Bild innerer Unruhe. Darauf ging Gedrücktheit sah er das flackernde Feuer, er langsam weiter, alle paar Schritte stehen welches sich auf den blanken Möbeln abbleibend , die Hand sich nachdenklich an spiegelte und seinen unftäten Schatten auf die Stirn legend. Das Rätsel , welches den Wänden abmalte , gleichsam als eine ihn auf dem Wege beschäftigte , war ein Drohung an. Er schämte sich seines ersolches, das selten gelöst wird. Mr. Hyde leichterten Aufatmens , als Poole bald war klein und zwerghaft , er machte den wiederkehrte und ihm ankündigte, daß Dr. Eindruck eines verwachsenen Menschen , Jekyll ausgegangen wäre. „Ich sah Mr. Hyde durch die alte, ohne jedoch eine namhafte Mißbildung zu besigen, sein Lächeln berührte unange- verfallene Thür hineingehen, Poole," sagte ist das in der Ordnung, nehm. Dem Advokaten gegenüber hatte der Advokat ; er sich mit einer seltsamen Mischung von wenn Dr. Jekyll nicht zu Hause ist ?" „ Ja, gnädiger Herr , Mr. Hyde hat Schüchternheit und Keckheit gezeigt , er sprach mit heiserer , gebrochener , etwas einen Schlüssel , " entgegnete der Diener . „ Ihr Herr scheint dem jungen Mann flüsternder Stimme. Alles nahm gegen ihn ein, aber keiner von den Punkten großes Vertrauen zu schenken, " meinte Mr. konnte den unbewußten Abscheu und Wider- Utterson nachdenklich. willen erklären, womit Mr. Utterson ihn Dem ist allerdings so, gnädiger Herr," betrachtete. !/ Es steckt jedenfalls noch etwas sagte Poole, "/ wir alle haben den Befehl anderes dahinter; wenn ich nur einen Namen erhalten, ihm zu gehorchen. " // Soviel ich weiß, habe ich Mr. Hyde dafür finden könnte, " sagte der beunruhigte Herr. "/ Gott schüße mich ! Der Mann hier nie getroffen ? " sagte Utterson . macht kaum den Eindruck eines Menschen, „ Nein, ganz sicher nicht, gnädiger Herr ; er gleicht eher einem Affen , oder ist es er speist hier nur zu Mittag," bemerkte der Wir sehen ihn in diesem Teile der Abglanz einer verlorenen Seele , der Diener. sich so auf der sterblichen Hülle abmalt ? des Hauses überhaupt sehr selten ; Mr. Das letztere glaube ich, denn oh ! mein Hyde kommt und geht meistens durch das armer, alter Harry Jekyll, wenn ich jemals Laboratorium. “ „Nun, dann gute Nacht, Poole !" das Zeichen des Satans auf einer Stirn "/ Gute Nacht, Mr. Utterson. " las, so ist es bei deinem neuen Freunde. " Um die Ecke biegend , gelangte man Der Advokat ging schweren Herzens auf einen großen Play , der mit schönen heim. Armer Harry Jekyll," dachte er, mein alten Häusern bebaut war, die jest allerdings verfallen und von ihrem ehemalig Gefühl sagt mir, daß er im trüben Wasser guten Zustande heruntergekommen . Die fischt. Er war wohl ausgelassen in seiner Räume waren parzelliert und von Men Jugend, doch das ist lange her ; im Gesetze schen aller Arten und Stände bewohnt. Gottes aber gibt es keine Verjährung. Es Die Einwohner bestanden aus Karten muß der Geist einer alten Sünde , der zeichnern , Bauleuten, unterirdischen Ad- Krebs einer verborgenen Schande sein, und vokaten und Agenten zweifelhafter Unter- die Strafe kommt pede claudo, jahrelang nehmungen . Ein Haus jedoch, das zweite an nachdem die Sünde dem Gedächtnis entder Ecke, war noch vollständig erhalten und schwunden oder die Eigenliebe den Fehler machte, obwohl sonst im Dunkeln daliegend, beschönigt hat. " Mit diesen Gedanken benur von einer Laterne erhellt , den Ein schäftigt , blickte der Advokat auf seine druck eines reichen und vornehmen Hauses. eigene Vergangenheit zurück. In allen ob Dort angelangt, blieb Utterson stehen und Winkeln seines Gedächtnisses suchte er, об
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er nicht irgend eine alte Schuld an das | Unwillen erregte, aber der Doktor ging Licht fördern könnte. Seine Vergangen leicht darüber hinweg : „ Mein armer utter heit war durchaus tadellos, wenige Menschen son , es ist dein Unglück , cinen solchen konnten die Blätter ihres Lebens mit so Klienten zu haben ; ich sah niemals einen geringer Furcht lesen ; dennoch war er bis Menschen in solcher Verzweiflung, wie du zum Staube gedemütigt durch seine vielen es über mein Testament bist ; es sei denn schlechten Handlungen, welche er begangen jener strenge Pedant Lanyon , der auf hatte; und doch war er in aufrichtiger meine wissenschaftlichen Keßereien, wie er Dankbarkeit erhoben durch die, welche er es nannte, schalt. D, ich weiß, er ist ein fast begangen hätte , aber noch rechtzeitig guter Kollege du brauchst gar nicht davor bewahrt worden war. Zu seinem die Stirn zu runzeln ein ausgezeich vorhergehenden Gegenstand der Betrachtung neter Kollege, und ich wünschte ihn öfter sich wendend, überkam ihn ein Strahl der zu sehen, aber trotzdem ist er ein Pedant Hoffnung. //Wenn man nur etwas Näheres durch und durch , ein unwissender , geüber diesen Mr. Hyde nachforschen könnte, schwäßiger Pedant. Ich war niemals so müßte man, nach seinem Blick zu ur enttäuschter als durch Lanyon. " teilen , dunkle Geheimnisse über ihn er"/Du weißt, ich war nie damit einverK fahren, im Vergleich zu denen des armen | standen, " fuhr Utterson rücksichtslos fort, Jekylls schlimmste gewiß der reine Sonnen- das neue Thema ganz außer acht lassend. schein sind. Die Dinge können so nicht „Mein Testament ? Ja gewiß , das weiter gehen ; ich friere bei dem Gedanken weiß ich, " sagte der Doktor ein wenig an dieses Geschäft , das sich gleich einem scharf, //du hast es mir bereits gesagt. " Diebe an Harrys Bett schleicht ; armer „Nun , ich sage dir das nochmals, " Harry, welch ein Erwachen ! Und die entgegnete der Advokat, "/ ich habe etwas Gefahr dabei ; wenn dieser Hyde das Vor- über den jungen Hyde in Erfahrung ge} handensein des Testamentes ahnt, wird er bracht. " doch sicher ungeduldig nach der Erbschaft Das große, schöne Gesicht Dr. Jekylls werden. Auf jeden Fall muß ich das wurde blaß bis in die Lippen, und seine Rollen des Rades hemmen, wenn Jekyll Blicke verdüsterten sich. Ich habe keine mich nur handeln läßt, " fügte er hinzu, Lust, noch mehr davon zu hören, " sagte "/wenn er mich nur handeln lassen wollte. " er, ich dächte , wir hätten uns geeinigt, Wieder war es ihm , als hätte er die sonder dieses Thema fallen zu lassen. vor baren Klauseln des Testamentes // Was ich von ihm hörte, war verabAugen. scheuungswürdig, " sagte Utterson. Das ändert nichts , du verstehst meine Dr. Jekyll war ganz unLage nicht," erwiderte der Doktor mit einer gezwungen . gewissen Unsicherheit des Benehmens, ich Vierzehn Tage darauf wollte der Glücks- bin in einer seltsamen, ganz eigentümlichen + zufall , daß Dr. Jekyll seinen fünf oder Lage. Es ist eine jener Angelegenheiten, sechs alten Bekannten , die sämtlich kluge die durch vieles Reden nicht besser werden. " Leute, sowie Kenner guten Weines waren, „ Jekyll ," sagte Utterson , „du kennst eines seiner so angenehmen Mittagessen mich, ich bin ein Mann, auf den man bauen gab. Mr. Utterson richtete es so ein, daß kann , erleichtere doch dein Herz im Verer noch zurückblieb , nachdem die übrigen trauen, und zweifelsohne kann ich dich aus bereits fortgegangen waren. Dieses war dieser Sache erlösen. " nun gerade nichts Neues , sondern cr„ Mein guter Utterson, " sagte der Doktor, eignete fich häufig . Wo Utterson einmal „ das ist wirklich über alle Maßen gut von beliebt war , war er sehr beliebt. Alle dir, und ich kann kaum Worte finden, um Gastgeber liebten es, den trockenen Advo- dir meinen Dank auszudrücken. Ich glaube katen noch zurück zu halten , wenn die dir vollkommen , ich würde dir vor allen leichtherzigen und lösen Zungen den Fuß anderen vertrauen , noch mehr als mir bereits wieder über die Schwelle gesezt selber, wenn ich die Wahl hätte ; aber es hatten, sie saßen gerne mit ihm , der so ist wirklich nicht das , was du denkst , so wenig aufdringlich war , und klärten so schlimm ist es nun wirklich nicht . Nur nach der vorangegangenen Ausgelassenheit um dein gutes Herz zu beruhigen, will ich und Fröhlichkeit ihre Gemüter in des dir das eine sagen, daß ich, sobald es mir Mannes reichem Schweigen . Dr. Jekyll gefällt , den Mr. Hyde ganz los werden machte von dieser Regel keine Ausnahme, kann. Ich gebe dir mein Wort darauf und wie er nun an der anderen Seite des und danke dir nochmals , nur eine fleine Kaminfeuers faß ein großer, wohl ge- Bitte , von der ich weiß , daß du sie er formter, gut aussehender Mann von fünfzig füllen wirst," fügte ich noch hinzu; dieses Jahren, mit einem leichten Anflug von ist eine Privatangelegenheit, also lasse die Schlauheit im Gesicht, das jedoch daneben Sache ruhen. " alle Zeichen der Fähigkeit und FreundlichUtterson blickte überlegend ins Feuer. feit trug, fonnte man in seinen Blicken. Ich hege keinen Zweifel, du hast volllesen, daß er für Mr. Utterson eine auf- kommen recht, " sagte er sich erhebend. richtige, warme Freundschaft hegte. „ Nun, da wir aber doch einmal die An„ Ich wünſche mit dir zu reden, Jekyll, " gelegenheit berührt haben, so gibt es einen begann der Advokat ; du erinnerst dich Punkt , den ich auf alle Fälle klarlegen ja wohl deines Testamentes ?" möchte. Ich hege wirklich viel Interesse Ein genauer Beobachter würde er für den armen Hyde. Ich weiß, du hast raten haben , daß dieses Thema seinen ihn gesehen , er erzählte es mir , und ich
387 | fürchte, er war grob gegen dich. Dennoch nehme ich sehr großen Anteil an diesem jungen Mann, und wenn ich hinweggerückt bin, Utterson, so wünsche ich, daß du ihn verträgst und ihm zu seinen Rechten verhilfft . Ich glaube , du thätest es , wenn du alles wüßtest, und mir wäre ein Stein vom Herzen, wenn du mir das Versprechen geben wolltest." „Ich kann nicht sagen, daß ich ihn je mögen werde," sagte der Advokat . Danach frage ich auch nicht , " ficl Jekyll ein , seine Hand auf des anderen Arm legend, ich verlange nur Gerechtigkeit und bitte dich , ihm un meinetwillen zu helfen, wenn ich nicht mehr bin. " Utterson stieß einen tiefen Seufzer Ja , " sagte er dann , „ ich veraus. spreche es ! " Der Mordanfall auf Carew. Fast ein Jahr später, im Monat Of= tober 18 .., wurde ganz London durch ein mit besonderer Roheit vollführtes Verbrechen in Angst versezt. Die Sache crregte um so mehr Aufsehen, als der Ermordete eine hohe Stellung eingenommen hatte. Was man Näheres darüber in Erfahrung brachte, war wenig, aber grauenerregend. Ein Dienstmädchen, welches allein in einem am Flusse liegenden Hauſe war, begab sich um 11 Uhr in ihre Kammer, um zu Bett zu gehen. Obgleich es kurz zuvor noch nebelig gewesen, war der Himmel bei Beginn der Nacht doch wolkenlɔs, und der volle Mond beleuchtete herrlich die kleine Gaſſe , auf die das Fenster ihres Zimmers hinausführte. Sie muß wohl romantisch angelegt gewesen sein, denn sie sezte sich auf ihren Koffer, der unmittelbar unter dem Fenster stand , und verfiel in träumerisches Nachdenken. Niemals (pflegte sie unter strömenden Thränen zu sagen, wenn sie jenes Erlebnis erzählte) hatte sic sich so im Frieden mit allen Menschen gefühlt und freundlicher über die Welt gedacht als in diesem Augenblick. So dasisend , wurde sie eines älteren , schönen. Herrn mit weißen Haaren ansichtig, welcher das Gäßchen entlang kam ; von der anderen Seite her begegnete ihm ein anderer, ſehr kleiner Herr, welchem sie zuerst wenig Beobachtung schenkte. Als sie in Sprachweite kamen (welches gerade unter des Mädchens Fenster` geſchah) , verbeugte sich der ältere Herr und redete den anderen mit großer Höflichkeit an. Es machte nicht den Eindruck, als ob der Gegenstand seiner Frage von großer Wichtigkeit wäre ; nach seiner Handbewegung zu urteilen , erkundigte er sich nur nach dem Wege ; der Mond schien gerade auf sein Gesicht , als er sprach, und das Mädchen beobachtete dasselbe mit Wohlgefallen , denn es atmete Unschuld und freundliche Gemütsart, gepaart mit hoheitsvoller Würde und wohlbegründeter Selbst: zufriedenheit . Dann schweifte ihr Blick zu dem anderen herüber, und sie war überrascht, in ihm Mr. Hyde zu erkennen, der einmal ihren Herrn besucht hatte und gegen den sie eine Abneigung besaß. Er hielt einen schweren Stock in der Hand , mit 17
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welchem er spielte , aber er gab keinen Mr. Utterſon und der Inspekteur wechMr. Utterſon überlegte eine Weile, ? Ton zur Antwort und hörte nur mit schlecht : dann sagte er den Kopf erhebend : Wenn selten Blicke . „ Er scheint kein beliebter . verhehlter Ungeduld zu, dann brach er plötzlich | Sie mit mir fahren wollen , glaube ich, Sie Charakter zu sein, " bemerkte der lettere . Und nun, meine gute Frau , "möchten wir in einen Anfall von Wut aus , stampfte zu seinem Hause bringen zu können. " Es war gegen neun Uhr des Morgens uns gern ein wenig umsehen .' mit dem Fuße , schwenkte den Stock und In der ganzen Ausdehnung des Hauses, gebärdete sich (nach des Mädchens Be- und der erste Nebel in der Jahreszeit. ſchreibung) wie ein Verrückter . Der alte Eine große schokoladefarbige Wolkenmasse welches von niemand außer dieser alten Herr trat mit etwas überraschter und ver- bedeckte gleichsam wie mit einem Mantel Frau bewohnt war , hatte Mr. Hyde nur Letter Miene zurück ; das brachte Mr. Hyde den ganzen Himmel , aber der Wind zer- wenige Zimmer benugt, aber diese waren noch mehr auf, und er schlug ihn zu Boden . streute hie und da die Gebilde des Nebels, mit Lurus und gutem Geschmack ausge Im nächsten Moment trampelte er voll so daß , wie die Droschke sich langsam von stattet. Ein Kabinett war mit Wein antierischer Wut sein Opfer mit Füßen , einen Straße zu Straße bewegte, Mr. Utterson gefüllt. Das Geschirr war von Silber, Sturm von Schlägen auf ihn herabhageln einen mannigfachen Farbenwechsel in der das Leinenzeug clegant ; ein gutes Bild Lassend , unter denen die Knochen hörbar Dämmerung sah; denn hier war es dunkel hing an der Wand , ein Geschenk (wie zerbrachen und der Körper auf dem Straßen wie am späten Abend, dort wieder leuchtete Utterson vermutete) von Henry Jekyll, der damm gleich einem Gummiball hüpfte . ein brauner oder rötlichgelber Schein, gleich ein großer Kenner war. Die Teppiche Angesichts dieser Schreckensscene fiel das einer fernen Feucrsbrunst, und hier wieder hatten schöne Muster und Farben. In war der Nebel ganz zerteilt und ein schmaler diesem Augenblick jedoch boten die Zimmer Mädchen in Ohnmacht . Es war zwei Uhr, als sie sich wieder Streifen Tageslicht sichtbar. Das clende den Anblick dar , als ob sie erst kürzlich erholt hatte und nach der Polizei rief. Der Viertel Soho erschien unter diesen wech- und in großer Hast durchwühlt worden Mörder war längst verschwunden, aber sein selnden Beleuchtungen, ungerechnet seiner wären. Anzüge lagen auf der Erde, von Opfer lag unglaublich zugerichtet mitten schmuzigen Wege und unreinlichenPassanten, denen die Taschen umgekehrt waren ; verin dem Gäßchen. Der Stock, mit welchem sowie den nicht ausgelöschten oder wieder schließbare Schubladen standen offen, und er die That vollführte, war, obgleich aus angezündeten Laternen , die dieses Chaos auf dem Herde lag ein Haufe grauer Asche, selten starkem , zähem Holz in der Mitte zu erhellen versuchten, dem Advokaten wie als ob viele Papiere verbrannt worden durchgebrochen unter der Anstrengung dieser eine jener sagenhaften Städte. Seine Ge- wären. Aus der heißen Asche nahm der entschlichen Grausamkeit ; die eine zer danken waren von der dunkelsten Färbung, Jnspekteur den Ueberrest eines grünen Checksplitterte Hälfte war in den Rinnstein ge- und wie er hin und wieder seinen Begleiter buches , welches dem Feuer Widerstand gerollt die andere war ohne Zweifel von betrachtete, überkam ihn etwas von jenem leistet hatte. Die andere Hälfte des Stockcs dem Mörder mitgenommen. Eine Börse Schrecken vor dem Gesez und des Gesetzes wurde hinter der Thür gefunden, und da und eine goldene Uhr wurden bei dem Toten Dienern, der bisweilen die ehrlichsten dieses seine Vermutungen bestätigte, war der Beamte hoch erfreut. Ein Besuch bei gefunden, aber keine Karten oder Papiere, mit Menschen befällt. Als die Droschke an dem bezeichneten der Bank, wo mehrere tausend Pfund auf Ausnahme eines gesicgelten und gestempelten Schreibens , welches er wahrscheinlich Hause anlangte, teilte der Nebel sich etwas, des Mörders Namen lagen, erhöhte seine nach der Post hatte bringen wollen , und und jest sah er eine Ginkneipe , ein ge- Befriedigung. welches die Adresse von Mr. Utterſon trug. wöhnliches französisches Speisehaus , ein „ Sie können sich darauf verlassen, " Dieses wurde dem Advokaten am nächsten Laden, in dem die einzelnen Speisen für sagte er zu Mr. Utterson, " ich habe ihn Morgen, ehe er aufstand, durch einen Boten Pfennig zu haben waren und der Salat in der Hand . Er muß den Kopf verloren überbracht ; er hatte es kaum gesehen und zwei , Pfennig kostete ; zerlumpte Kinder haben, sonst hätte er den Stock nicht zudie näheren Umstände erfahren , als er fauerten in dem Thorwege und Frauen rückgelassen , und vor allen Dingen hätte feierlich ausrief: „ Ich sage nichts, che ich der verschiedensten Nationalitäten gingen er das Checkbuch verbrannt. Geld ist Leben den Leichnam geschen; dies wird ein sehr ein und aus, um dort ihren Morgentrunk für den Menschen. Wir brauchen nur bei ernster Fall sein. Warten Sie, bitte einen zu nehmen. Im nächsten Augenblick war der Bank auf ihn zu warten und die mit Augenblick, bis ich mich angezogen habe. " der Nebel wieder jo dick wie Umbraerde und | seiner Unterschrift versehenen Wechsel her- · Mit derselben ernſten Micne nahm er sein verhüllte ihm diesen unfreundlichen Anblick. auszubringen." Das lehte jedoch war nicht so leicht Frühstück zu sich und fuhr nach der Po- Hier war das Heim des Jünglings Henry lizeistation, wohin die Leiche gebracht worden Jekylls , eines Mannes, welcher der Erbe ausführbar ; denn Mr. Hyde hatte wenig . Vertraute selbst der Herr jenes Dienstwar. Sobald er in die Zelle trat, nickte einer viertel Million Sterling war. Ein alte Frau mit elfenbeinartiger mädchens hatte ihn nur zweimal gesehen ; er mit dem Kopfe. „ Ja, " sagte er, „ ich erkenne ihn. Ich Gesichtsfarbe und silbergrauem Haar öffnete er war niemals photographiert worden, bedaure , sagen zu müſſen , daß dies Sir die Thür. Sie hatte einen bösen Ausdruck, und die wenigen , welche ihn beschreiben Danvers Carew ist. der durch Scheinheiligkeit übertüncht war, konnten, waren sehr geteilter Ansicht, wie // Guter Gott, Herr, " rief der Beamte aber ihr Benehmen war ein ausgezeichnetes . das bei oberflächlichen Beobachtern zu sein aus , ist es denn möglich ?" und im „Ja," sagte sie , "/ dies wäre Mr. Hydes pflegt. Nur in einem Punkte stimmten sic nächsten Augenblicke leuchteten seine Augen Wohnung, aber er sei nicht zu Hause ; er wäre überein , das war der Eindruck des Vervoll professionellen Chrgeizes . Dies wird in dieser Nacht spät heimgekommen und wachsenseins , welchen der Flüchtling auf großen Aufruhr erregen, " sagte er. „ Viel- sei nach Verlauf von kaum einer Stunde seine Beobachter machte. leicht könnten Sie uns zu dem Menschen wieder weggegangen ; dies sei nichts AußerDer wunderbare Brief. verhelfen , " worauf er eingehend erzählte, gewöhnliches , da er überhaupt unregelEs war schon spät des Nachmittags, was das Mädchen gesehen hatte, und zeigte mäßig lebe und oft abwesend wäre, z . B. dabei den zerbrochenen Stock. habe sie ihn seit zwei Monaten erst gestern als Mr. Utterson sich vor Dr. Jekylls Thür einfand, wo er sofort von Poole Mr. Uitersons erster Gedanke war wiedergesehen. " Mr. Hyde , und als ihm nun der Stock Nun wohl , " sagte der Advokat, wir empfangen und durch die Wirtschaftsräume gezeigt wurde, erkannte er ihn, so zerbrochen wünschen seine Zimmer zu sehen ; " und als über ein Stück Feld , welches einst ein . und zersplittert er auch war , als den, die Frau erklärte , daß es unmöglich sei, Garten gewesen war , zu dem Gebäude welchen er vor einigen Jahren dem Henry fügte er hinzu: // Dann muß ich Ihnen geführt wurde, welches einfach unter dem wohl sagen , wer dieser Herr ist. Es ist Namen des Laboratoriums oder der SetJekyll geschenkt hatte. „ Ist der Mörder eine Persönlichkeit von der Juspekteur Newcomen von Scotland | tionsräume bekannt war. Der Doktor hatte das Haus von den Erben eines berühmYard." fleiner Gestalt ?" forschte er weiter. Schadenfreude leuchtete aus den Augen ten Wundarztes gekauft, und da er mehr Besonders klein und bösartig aussehend nach des Mädchens Bericht, " sagte der Frau. „ Ah ! “ sagte sie, „ er ist in Not ! chemisches als anatomisches Interesse besaß, hatte er die Bestimmung des Blockgebäudes Was hat er gethan ?" der Polizeibeamte.
Robert Louis Stevenson . Wunderbares Ereignis des Dr. Jekyll und Mr. Hyde. 393 392 am Ende des Gartens verändert. Es war seiner Entdeckung führen könnte ? " fragte | sich des Gefühls nicht erwehren, daß auch der Name eines anderen mit in den Strudel das erste Mal, daß der Advokat in diesem | der Advokat. „Nein, " sagte der andere, es ist mir dieser Wandelgeschichte gerissen würde . Es Teil der Wohnung seines Freundes empfangen wurde ; und er betrachtete mit ganz gleichgültig , was aus Hyde wird, war wenigstens eine figliche Entscheidung, Neugierde das schwarzbräunliche fenster- ich habe ganz mit ihm gebrochen. Ich welche er zu treffen hatte, und selbstverlose Gebäude und sah sich mit einem un dachte an meine eigene Stellung , welche trauend, wie er war, fing er an, sich nach mutigen Gefühl des Fremdseins um , in die verhaßte Angelegenheit ein wenig ge- einem guten Rat zu sehnen. Dieser war nicht so leicht zu finden , aber er konnte dem er den Zuhörerraum überschritt, der fährdet." einst mit den eifrigen. Studenten angefüllt Utterson befann sich eine Weile ; er ihn doch suchen. Bald nachher faß er mit Mr. Gueſt, war, jest aber leer und ruhig dalag ; die war überrascht über seines Freundes SelbstTische waren mit chemischen Apparaten sucht und atmete dennoch erleichtert auf. seinem Vorgesezten , am eigenen Herde; bedeckt , der Fußboden war in wirrem Nun," sagte er schließlich, laß mich den eine Flasche guten alten Weines , der lange tief verborgen im Keller seines Hauses Durcheinander mit Packstroh bestreut und Brief sehen ! " Der Brief war mit merkwürdig steiler gelegen , stand zwischen ihnen in einiger das Licht fiel schwach durch die umnebelte Kuppel. Am anderen Ende führten einige Handschrift geschrieben und trug die Un- Entfernung vom Feuer. Der Nebel lagerte Stufen zu einer mit rotem Zeuge ver- terschrift Edward Hyde". Der Inhalt noch über der Stadt , und die Laternen hangenen Thür und durch diese wurde des Schriftstückes war, daß des Schreibers leuchteten wie Feuerkugeln. Troß dieser Mr. Utterson endlich in des Doktors Wohlthäter Dr. Jefyll, dem er seit lange dampfigen Atmosphäre rollte das Leben Kabinett eingelassen. Es war ein großes seine Wohlthaten so schlecht vergolten und Treiben der Stadt wie gewöhnlich sich Zimmer, ringsumher mit gläsernen Wand- hatte , sich keine Sorge um seine Sicher- ab. Das Zimmer wurde durch das Feuer Unter anderen heit zu machen brauche, da er Mittel zur erhellt , die Farben der bemalten Fenſter schränken ausgestattet. Sachen befand sich auch ein großer Spiegel, Flucht habe, auf welche er ein festes Ver- traten greller hervor, und die Sonne cines sowie ein Arbeitstisch dort ; drei staubige, trauen sehe. Dem Advokaten gefiel der heißen Herbstnachmittags fing an, den Lonmit eisernen Stäben versehene Fenster Brief insofern , als er ein besseres Licht doner Nebel zu zerstreuen . Allmählich wurde führten auf den Hof. Das Feuer brannte auf diese freundschaftliche Beziehung warf, der Advokat mitteilsamer. Vor niemand hatte im Kamin, auf dessen Sims cine Lampe als er vermutet hatte, und er schämte sich er weniger Geheimnisse als vor Mr. Guest, wußte aber auch , daß dieser sie für gesezt wurde, da selbst die Häuser mit sogar seines früheren Argwohns . dichtem Nebel angefüllt waren , und dort behielt. Guest war oft in Geschäftssich Hast du das Couvert noch?" fragte er. dicht bei dem Feuer saß Jekyll sterbens; " Ich habe es verbrannt, ehe ich recht angelegenheiten bei dem Doktor gewesen frank aussehend . Er stand nicht auf, um wußte, was ich that; aber es trug feinen er fannte Poole ; es war kaum möglich, seinen Besuch zu begrüßen , sondern hielt Poststempel. Das Schreiben würde so daß er nicht gehört haben sollte, wie vertraut Mr. Hyde in dem Hause gewesen. ihm nur seine kalte Hand hin und hieß abgegeben." ihn mit veränderter Stimme willkommen. "/ Soll ich es behalten und darauf war ; daraus konnte er Vermutungen ziehen. „Und nun," sagte Mr. Utterson, hast schlafen ?" fragte Utterson. War es nicht ebensogut, wenn er ihm den du die Neuigkeit gehört ? " Geheimnisvolle der „ Ich wünſche, daß du für mich han- Brief zeigte , der das Der Doktor schauderte zusammen. Ich delst," war die Entgegnung. Ich habe Sache aufklärte ? und vor allen Dingen großer Kenner der Handhörte sie auf dem Plage ausrufen , als alles Vertrauen zu mir selber verloren. " war Guest ein er konnte vielleicht den natürlichen schriften, ich im Speisezimmer saß . " "Ich will es mir überlegen ," meinte „ Auf ein Wort, " begann der Advokat der Advokat. // Doch nun noch ein Wort : und pflichtgemäßen Schritt leicht herauswieder, // Carew war mein Klient, du bist war cs es Hyde , der dir jene Klausel über finden. Außerdem war der Gelehrte ein guter Ratgeber ; er würde kaum dieses seltes auch ich muß wissen , was ich zu das Verschwinden in deinem Testamente same Schriftstück lesen, ohne eine Bemerthun habe. Du bist doch nicht auf die diktierte ? “ Lollheit verfallen, diesen Gesellen zu verDer Doktor schien von einer Schwäche kung fallen zu lassen, und durch diese würde ihm vieldachte Mr. Utterson bergen ?" befallen zu werden ; er schloß fest den leicht ſein künftiger Weg vorgezeichnet sein. Utterson, ich schwöre bei Gott, " rief Mund und nickte bejahend. der Doktor aus , ich schwöre bei Gott, Ich wußte es ," sagte Utterson , „ er Es ist eine traurige Sache mit Sir daß ich ihn nie wieder vor Augen sehen wollte dich ermorden ; du bist ihm glück Danvers, " sagte er. will. Ich gebe dir mein Ehrenwort, daß lich entronnen. “ „ Ja, gewiß. Es hat viel Auffchen erich für diese Welt mit ihm abgerechnet „Ich habe, was weit mehr ist, eine Er- regt, " entgegnete Guest, „ der Mensch war habe. Es ist alles aus. Er bedarf meiner fahrung gemacht. Gott , Utterson, natürlich verrückt . " Hilfe nicht ; du kennst ihn nicht , wie ich welch eine Erfahrung habe ich gemacht ! " „Ich würde gern ihre Ansicht darüber ganz sicher; Und er bedeckte für einen Augenblick mit hören," erwiderte Utterson. ihn fenne; er ist sicher Ich habe achte auf meine Worte , man wird nie den Händen sein Gesicht. hier ein Schriftstück von ihm ; es bleibt wieder etwas von ihm hören. ' Beim Hinausgehen wechselte der Ad- unter uns, denn ich weiß kaum , was ich Finster hörte der Advokat zu. Das vokat einige Worte mit Poole. thun soll, es ist wenigstens eine sehr unfieberhafte Benehmen seines Freundes " Es wurde heute ein Brief hier ab- angenehme Angelegenheit . Aber hier ist wollte ihm nicht gefallen. Du scheinst gegeben, " sagte er, wie sah der Bote aus ?" es; ganz nach ihrem Geschmack : der Autoseiner sehr gewiß zu sein, " sagte er, „und Aber Poole wußte gewiß , daß alles graph eines Mörders ! " in deinem Jnteresse will ich dir wünschen, nur durch die Post gekommen war , und Guests Augen leuchteten, und er sehte daß du recht behieltest. Wird eine Unter durch diese auch nur Empfehlungsschreiben. sich sofort hin und studierte den Brief mit Nein, " sagte er, „ verrückt Diese Auskunft erfüllte den Besucher Leidenschaft. suchung eingeleitet , so wird wohl auch dein Name dabei genannt werden. " von neuem mit Befürchtungen. Gewiß ist der nicht ; aber es ist eine merkwürdige Ich bin seiner ganz sicher," erwiderte war der Brief durch die Thür des Labo Handschrift. " Jekyll , ich habe Gründe dafür , die ich ratoriums gekommen , möglicherweise war "/ Und auf jeden Fall ist der Schreiber nicht sagen kann. In einer Sache aber er sogar in dem Kabinett geschrieben ; und erst recht merkwürdig, " fügte der Advokat kannst du mir raten. Ich habe einen wenn dem so war, mußte die Angelegen hinzu . Brief empfangen und weiß nicht , ob ich heit anders angefaßt und mit desto größerer Da kam gerade der Diener mit einem ihn der Polizei übermitteln soll. Ich Vorsicht behandelt werden. „ Neueste Nach- | Billet. möchte ihn in deinen Händen lassen; du richten , Ermordung eines Parlamentmit"} Ist das von Dr. Jekyll ?" forschte der wirst weise urteilen , das ist sicher ; ich gliedes ! " riefen die Zettelträger auf den Gelehrte. Ich glaubte , die Handschrift habe ein großes Vertrauen zu dir. " Straßen. Das war der Begräbnißschmuck zu erkennen. Ist es eine Privatangelegen= „ Du fürchtest wohl , daß dieser zu eines Freundes und Klienten, und er konnte | heit, Mr. Utterson?“ 391
" Robert Louis Stevenson .
394 " Nur eine Einladung zum Mittagessen. Weshalb wünschen Sie es zu sehen?" // Einen Augenblick. Ich danke Ihnen, Mr. Utterson," und der Gelehrte legte die beiden Schreiben nebeneinander und verglich fie voller Eifer. Dankend gab er dann die beiden Schriftstücke zurück und setzte hinzu : „ Ein sehr interessanter Autograph ! " Einen Augenblick kämpfte Mr. Utterson mit sich selber. Weshalb dieser Vergleich, Guest?" forschte er dann plöglich. " Die Handschriften gleichen sich sehr, in manchen Punkten sind sie ganz ähnlich, nur verschieden gesenkt." !! Etwas verstellt, " meinte Utterson. "Ja, Sie haben recht, ein wenig ver# ſtellt. „Ich wollte von diesem Billette hier nicht sprechen, wie Sie wissen, " sagte der Advokat. „Nein, gewiß, “ ſagte Guest. „ Ich verstehe das wohl. “ Aber kaum war Mr. Utterson in jener Nacht allein , als er das Schriftstück in seinen Geldschrank schloß, wo es von jener Zeit an ruhen blieb. "Was, " dachte er, „Henry Jekyll fälscht für einen Mörder! " Und bei dem Gedanken erstarrte ihm das Blut in den Adern.
Dr. Lanyons merkwürdiger Zustand. Die Zeit verging ; Tausende von Pfunde wurden als Belohnung ausgesetzt, denn der Tod des Sir Danvers wurde als öffentliche Beleidigung betrachtet ; aber Mr. Hyde war den Nachforschungen der Polizei entgangen, als ob er niemals existiert hätte. Üeber seine Bergangenheit erfuhr man manches, jedoch nur Schlechtes . Es kamen Geschichten von seiner Grausamkeit ans Licht, von seiner Hartherzigkeit und Leiden ſchaftlichkeit ; man sprach von seinem lasterhaften Leben, seinen sonderbaren Gefährten, von dem Haß, der ihm von allen Seiten entgegengebracht wurde ; aber nichts wurde über sein jetziges Verbleiben kund . Seit jener Zeit, wo er am Tage des Mordes jein Haus in Soho verlicß, war er spurlos verschwunden. Mr. Utterson erholte sich allmählich von seiner Aufregung und fand seine Gemütsruhe wieder. Der Tod des Sir Danvers war nach seiner Meinung reichlich gefühnt durch Mr. Hydes Verschwinden. Da jest dieser schlechte Einfluß entfernt war, begann ein neues Leben für Dr. Jekyll. Er gab seine Zurückgezogenheit auf , crncuerte die Beziehungen zu seinen Freunden und wurde wieder ihr vertrauter Gaſt und Unterhalter. War er stets seiner Wohlthaten halber bekannt, so lobte man jezt auch seine Religiosität . Er war stets geschäftig , ließ sich viel schen und that Gutes, wo er konnte. Sein Geficht wurde heller und freundlicher, und zwei Monate hindurch lebte der Doktor in Frieden. Am 8. Januar hatte Utterson eine kleine Mittagsgesellschaft bei dem Doktor mitgemacht; auch Lanyon war dort gewesen. Der Blick des Gastgebers war von einem zum anderen gewandert, gerade wie in den alten Zeiten, wo diese drei unzertrennliche Freunde waren. Am 12. jedoch und wieder
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am 14. blieb die Thür dem Advokaten | schrieb er an Jekyll, indem er sich darüber verschlossen. Der Doktor sei an das Haus beklagte, daß er nie angenommen worden. gebunden und sähe niemand, sagte Poole. sei, und erkundigte sich genauer nach dem Er versuchte es nochmals am 15., doch unglückseligen Bruch mit Lanyon. Der wurde er wieder abgewiesen. Da er aber nächste Tag brachte ihm eine lange , sehr in den lezten zwei Monaten seinen Freund pathetisch klingende, stellenweise geheimnisfaſt täglich gesehen hatte , fiel ihm dessen volle Antwort. Die Erzürnung mit Lanyon erncuerte Vorliebe für die Einsamkeit schwer war nicht mehr gut zu machen. Ich taaufs Herz. Am 5. Tage war Mr. Guest dele unseren alten Freund nicht , " schrieb bei ihm zu Mittag, und am 6. ging er zu Jekyll , „ aber ich teile seine Ansicht, daß Dr. Lanyon . wir uns nicht wieder sehen dürfen. Ich Dort wurde er wenigstens nicht abge will fortan ein durchaus zurückgezogenes wiesen ; aber als er in das Zimmer trät, Leben führen ; du darfst nicht überrascht war er entsest über das veränderte Aus- darüber sein, noch an meiner Freundschaft sehen des Doktors . Das Zeichen des Todes zweifeln, wenn meine Thür selbst dir verwar auf seiner Stirn zu lesen. Der blühende schlossen bleibt. Du mußt es ertragen, Mann war bleich geworden , sein Fleisch wenn ich meine eigenen dunkeln Wege gehe. abgefallen ; er war sichtlich elender und Ich muß eine Strafe tragen und bin einer älter geworden ; und doch waren es weniger Gefahr ausgescht, die ich dir nicht nennen die Zeichen eines physischen Uebels , die des darf. Wenn ich der größte Sünder bin, Advokaten Aufmerksamkeit erregten, als vicl- bin ich auch der größte Dulder. Niemals mehr der Blick seines Auges und die Art habe ich geglaubt , daß es so unmenschdes Benehmens , welches ein tiefes Gemüts- | liche Leiden und Schrecken auf dieser Welt leiden zu verraten schien. Es war unahr- gäbe; und du kannst mir nur insofern dies scheinlich, daß der Arzt sich vor dem Tode Los erleichtern , als du mein Schweigen fürchtete, und doch war Utterson schließlich respektierst. " Utterson war darüber höchst versucht, es zu glauben. „ Ja, “ dachte er, erschrocken. Der schlechte Einfluß Hydes // er ist ein Arzt , er muß seinen Zustand war entschwunden, der Doktor war zu seinen am besten kennen, und weiß, daß seine Tage alten Gewohnheiten und Freunden zurückgezählt find , und das Wissen muß mehr gekehrt; eine Woche zuvor noch schien es, fein , als er ertragen kann . " Und doch als solle er ein fröhliches und ehrenvolles kann." fagte er mit großer Ruhe und Festigkeit, Alter genießen. Doch plöglich hatte nicht als Mr. Utterson eine Bemerkung über sein nur Freundschaft , sondern auch Gemütselendes Ausschen fallen licß , daß er ein ruhe und der ganze Halt seines Lebens Schiffbruch gelitten. Ein so großer überdem Tode geweihter Mensch sei . Ich habe einen Anfall gehabt, " sagte raschender Umschwung ließ auf Geisteser , " von dem ich mich nie wieder erholen gestörtheit schlicßen ; doch nach Lanyons werde. Es ist nur eine Frage der Zeit . Aeußerungen und Benehmen mußte der Das Leben war angenehm , ich liebte es Grund tiefer liegen. Eine Woche später wurde Dr. Lanyon nur zu sehr. Ich denke bisweilen , wenn wir alles wüßten, würden wir froh sein, bettlägerig und kaum vierzehn Tage darauf Nachdem das Begräbnis , das starb er. hinweggerückt zu werden . " „ Jekyll ist auch krank," bemerkte Utter- | Mr. Utterson sehr traurig gestimmt hatte, vorüber war, verschloß er die Thür seines son. // Hast du ihn gesehen ? " Lanyons Gesichtsausdruck veränderte Geschäftszimmers, und dort, allein bei mesich , und indem er zitternd die Hände aus- lancholischer Beleuchtung sigend, nahm er streckte , sagte er mit lauter , unsicherer ein versiegeltes Schreiben seines totenFreun. Stimme : Sch will von Dr. Jekyll nichts des zur Hand. Privatsache : nur zu eigenen mehr sehen, noch hören ; ich habe ganz mit Händen des J. G. Utterson, und im Falle ihm gebrochen und bitte dich, mir jegliche er vor mir sterben sollte, soll dieses Papier Der AdErklärung über einen, den ich als tot be- ungelesen verbrannt werden.' vokat fürchtete sich vor dem Inhalt. „Ich trachte, zu ersparen." „ Still , still ! " ſagte Mr. Utterson ; und habe heute schon einen Freund begraben, nach einer Pause fuhr er fort: „ Kann nichts dachte er , sollte dieses mich den zweiten in der Sache gethan werden? Wir sind kosten?" Doch er bezwang seine Furcht drei alte Freunde , Lanyon ; wir werden und brach das Siegel auf. Inliegend fand er noch ein Couvert mit der Aufschrift : keine anderen mehr erwerben. " "1 Nichts kann geschehen , " entgegnete // Erst nach dem Tode oder Verschwinden von Henry Jekyll zu öffnen. " Utterson Lanyon , "/ frage ihn selbst ! " Er will mich nicht sehen," sagte der traute kaum seinen Augen . Wieder das Wort „ Verschwinden ", wie in dem unAdvokat. Ich bin nicht erstaunt darüber," war klugen Testament , welches er längst dem die Antwort. Eines Tages , Utterson, Verfasser zurückgegeben hatte ; wirklich auch nach meinem Tode wirst du die Sachlage hier das Wort „ Verschwinden" im Zuvielleicht verstehen. Ich darf es dir jekt sammenhang mit Henry Jekylls Namen . (Schluß folgt.) nicht sagen. Wenn du Zeit hast, um über andere Dinge mit mir zu sprechen , dann bleibe ich ja hier, kannst du aber dies verSpruch . haßte Thema nicht vermeiden , dann gehe Die Früchte, die zuviel Sonne haben, Fallen frühreif auf Wiesen, in den Grabenz lieber weg, denn ich kann es nicht ertragen, Kinder, die verhätſchelt, verzogen , davon zu reden. " Werden ums spätere Glück betrogen ! Alfred Friedmann. Sobald Utterson zu Hause anlangte,
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Alma Tadema.
Alma Tadema (Selbstporträt).
Alma
Tadema.
Don Karl von der Brügge.
Nichts ist lehrreicher und intereſſanter, als den Lebensgang und die Entwicke: lung eines bedeutenden Künstlers zu über schauen, zumal wenn derselbe sich noch unter den Lebenden befindet und uns von Jahr zu Jahr reifere und gediegenere Leistungen seiner Kunst vor Augen führt und wenn wir in der Lage sind, in unserer Schilde rung seiner Leistungen Wort und Bild zu verbinden. Dies macht die Würdigung erst lehrreich und unterhaltend. Niemand wird zu bestreiten wagen, daß Laurens Alma Tadema , der geniale holländische Maler, welcher als königlicher Hofmaler , Royal Artist , und Mitglied der Londoner Akademie der Künste einer der bedeutendsten und eigenartigsten Maler ein Künstler wel der Gegenwart ist , cher wirklich sui generis , reidh an Gestaltungsgabe und Phantasie und von einer gesunden Realistik ist, wie wenige andere, und mit seinem ganzen Wesen in dem von ihm behandelten Stoffe aufgeht. Es
gab eine Zeit, wo er verkannt und als Manierist verschrieen wurde ; aber er hat den Weg verlassen , der ihn einseitig zu machen drohte, und sein richtiges Gefühl, sein gesundes Urteil und die strengen Anforderungen , welche er an sich selbst , an seine Vervollkommnung und Fortbildung stellt, haben ihn zu einem der mit Recht gefeiertsten Meister unserer Zeit gemacht . zu zeigen, wie er dies geworden, ist der Zweck dieses Tertes , womit wir die meister haften Holzschnittkopien von einigen seiner hervorragendsten Werke begleiten. Laurens Alma Tadema ist am 8. Januar 1836 in dem friesischen Dörfchen Dronrijp bei Leeuwarden in Holland geboren , wo die Tademas als eine geachtete Sippe schon seit Jahrhunderten seßhaft sind. Sein Künstlertalent ist ein Familien- und Stammeserbe, denn den Friesen ist ja ein reger Formensinn angeboren. Der Name Alma , den er seinem Familiennamen behufs Unterscheidung von anderen Namens
399 vettern vorsehte, ist ebenfalls ein friesischer, den er von einem Paten annahm . Sein Vater Pieter Tadema war Notar , ein Mann von hervorragender Intelligenz und ästhetischem Sinne, welcher sich besonders in seiner Liebe zur Musik äußerte , den auch der Sohn von ihm geerbt hat. Namentlich aber war seine Mutter eine sehr verständige und energische Frau, und reiht sich in allen Stücken der langen Reihe der Mütter bedeutender Söhne an. Früh verwitwet, schwach von Körper, arm an weltlichen Gütern , hatte diese wackere Frau die schwere Aufgabe, für ein ganzes Häuf lein fleiner Kinder zu sorgen, wovon zwei ihre eigenen, die anderen angeheiratet waren und einer ersten Ehe ihres verstorbenen Gatten entstammten. Es war ein Kampf ums Dasein , den die gute Frau führte, aber heiter, ruhig, gefaßt und unentwegt im Guten. Wenn der Sohn vom Vater die Vorliebe für Musik erbte, so verdankt er der Mutter die noch unendlich wertvollere Erbschaft der ruhigen Ausdauer, der wunderbaren Energie , der Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen und Schwierigkeiten zu überwinden , und ein mächtiges unerschütterliches Pflichtgefühl die Attribute jedes Mannes , der sich über die Scheidemünze der Menschheit erhebt. Er war vier Jahre alt, als er seinen Vater verlor, und so brauchen wir nicht erst zu sagen, daß er eine harte Jugend zu durchleben hatte. Früh äußerte sich bei ihm die künstlerische Begabung , der Formensinn, die Beobachtungsgabe, der Drang zur Verwertung der hingenommenen Eindrücke in Zeichnungen . Ein Bleistift war sein Lieblingsspielzeug. Allein seine Mutter und sein Vormund sahen in der Beschäftigung mit der Kunst keinen soliden Lebensberuf und hatten für Laurens andere Zukunftspläne : er sollte womöglich Notar werden wie sein Vater oder gar Jurist. Die Vorfrage dazu war eine klassische Bildung, die er in der öffentlichen Schule zu Leeuwarden erhalten sollte. Die ersten Sprachstudien in Latein und Grie-
chisch behagten ihm anfangs nicht sehr, allein als er älter wurde, erwachte in ihm unbewußt ein gewisser Sinn, ein Verständnis des klassischen Altertums und eine Vorliebe für dasselbe, die sich in späteren Jahren in bewußter Weise steigerte und durch emsige, fruchtbare Studien vertiefte und erweiterte. Damals legte er den Grund zu seinem hohen Verständnis altrömischen Lebens, das er später durch das Studium der Ueberbleibsel des klassischen Altertums vervollkommnete. War er auch nur ein mittelmäßiger Schüler , so zeichnete und skizzierte er daneben desto fleißiger und brach sich selbst den Morgenschlaf ab, um die Mußestunden zu vermehren , die er seinen künstlerischen Studien widmete und die ihn befähigten, schon mit siebzehn Jahren ein Bildnis seiner Schwester zu malen, welches in einer holländischen Galerie ausgestellt wurde. Gleichwohl hielt man ihm stets ent gegen, daß er sich mit seinem Streben ver-
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Alma Tadema.
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EX
Nowwading
COOPER Teil des Gestes ber Weinlefe " (E. 408).
gebliche Mühe gebe , indem er niemals Künstler werden dürfe. Sein Schmerz darüber, den er noch überdies aus Pietät der Mutter verhehlen mußte , grenzte an Verzweiflung , und der innere Kampf zwischen Neigung und demjenigen , was Laurens für Pflicht ansah, erschütterte die Gesundheit des zarten Knaben so gewaltig, daß er schwer erkrankte und an seiner Wiedergenesung zweifeln mochte. Auf diesem Krankenbette entrang er der Mut ter und dem Vormund das Versprechen, daß er sich der Kunst widmen dürfe man gab es ihm vielleicht mit dem Gedanken , daß es niemals zur Erfüllung fommen werde. Allein ihm brachte es
und deutlich vor : er wollte Historien maler werden. Zu diesem Behuse trat er , unmittelbar nachdem er die Akademie verließ, in das Atelier des berühmten belgischen Historienmalers Leys, bei welchem er alle Anleitung fand, die ihm noch fehlte, und dem er gerade diejenigen Eigenschaften verdankt , welche dermalen seine Arbeiten auszeichnen : die historische Genauigkeit, die Sorgfalt im Detail , die Einfachheit der Mittel. Tademas erste Arbeiten spiegeln natürlich einiges von der Manier seines Meisters wieder , haben etwas von seiner Härte und Genauigkeit. Allein der Einfluß von Leys war von kurzer Dauer
Genesung, Kräftigung und die Erfüllung seines Wunsches . Vom Krankenlager erstanden, beschäftigte er sich mit der Frage, wo er sich zum Maler ausbilden solle. In ganz Holland fand er merkwürdigerweise in feiner Kunstschule und keinem Atelier Aufnahme; so mußte er nachAntwerpen auf die Kunstakademie , wo er unter Wappers, dem Führer der nationalen Bewegung in der Kunst, seine Studien mit einem Eifer begann , der ihn beinahe aufrieb, denn er arbeitete Tag und Nacht wirklich fieberhaft, um die vermeintlich verlorene Zeit einzubringen. Er versuchte auch zu komponieren und die ersten Stoffe, welche er wählte, waren Goethes ,,Faust" entnommen, allein der junge Künstler stellte solch strenge Anforderungen an sich, daß ihn feine seiner Arbeiten befriedigte und er Duhende von mühevollen Kompositionen wieder zerriß , weil er sie noch für zu unreif und unvollkommen hielt , da sein Können noch nicht seinem Wollen entsprach. Nur ein Ziel schwebte ihm klar
und Tademas Individualität war eine zu fräftige für bewußte oder unbewußte Nachahmung. Als Leys im Jahre 1859 die Fresken zu Antwerpen malte , ließ er sich bei diesen Arbeiten von Tadema helfen , vergütete diesem aber nie einen Centime für feine Mitarbeit. Da nun Tadema wenig stens für einige Zeit seinen festen Wohnfit in Antwerpen nehmen mußte , bewog er seine Mutter und Schwester, welche seit 1838 in Leeuwarden gewohnt hatten, zu ihm nach Antwerpen zu ziehen , wo er nun auf dem Punkte zu sein schien, sogar in der so gering geachteten Laufbahn eines Malers sich Bahn zu brechen . Mutter und Schwester lebten bei und mit ihm, und die geliebte Mutter, welcher der Sohn so viel verdankt, starb einige Jahre später bei ihm , nachdem ihr noch die Genug thuung geworden war, den Erfolg einiger größeren Arbeiten des Sohnes zu erleben, worunter das im Januar 1861 von ihm ausgestellte Bild , dem er zuerst seinen Ruf verdankte : Die Erziehung der
Kinder Chlodwigs " , welches wir S. 415 unseren Lesern in einer Holzschnittkopie vorführen . Auch erlebte sie es noch, daß er sich 1862 in Amsterdam seine erste goldene Medaille errang. Im Jahre 1863 heiratete Tadema eine französische Dame und siedelte zwei Jahre später nach Brüssel über , wo er bis zum Tode seiner Gattin, 1869, blieb und eine ungemein große Fruchtbarkeit entwickelte. Der Beifall, welchen seine Bilder in England, seinem besten Markte bis auf den heutigen Tag , gefunden hatten, bewog ihn im Jahre 1869, nach London zu übersiedeln, wo für ihn gewissermaßen eine neue Epoche in seiner Laufbahn begann. Englisches Leben und englische Sitten gefielen dem Friesen und bewogen ihn zu dauernder Niederlassung , und so erhielt er 1873 die Bürgerrechtsurkunden von der Königin. Schon im Jahre 1871 hatte er sich mit einer englischen Dame, Laura Theresa Epps , wieder verheiratet, deren edle , klassisch schöne Züge wir auf vielen seiner Bilder bewundern und die selbst eine tüchtige Malerin ist. Auch Tadema hat die Wahrheit des alten Sprichwortes an sich erfahren müssen, daß der Prophet in seinem Vaterlande. nichts gilt, und der Pfennig nirgends weniger, als wo er geschlagen ward. Für seine früheren Bilder von 1856 an erhielt er nie mehr als 600 Gulden für das Stück, und darum hatte er sich einen Markt auswärts suchen müssen und war nach England gekommen. Auch sonst hatte er nur über eine ingrata patria zu klagen, an welcher er. doch mit allen Fasern seines Wesens hing, denn eigentlich erst seit 1880 ist man in Holland stolz auf den Landsmann und läßt ihn als bedeu-
Karl von der Brügge. Alma Tadema. 405 404 tenden Maler gelten. So lange er auch| Periode , das , Ave schon fern von Holland lebt und obwohl Caesar ! Io saturnasein Ruf förmlich ein kosmopolitischer, ist lia! " wovon wir S. Tadema doch noch mit Leib und Seele 412 eine Kopie geben Holländer. Alle Nationen haben ihn mit und auf welches wir Ehren überhäuft und seine Bilder gekauft, noch zurückkommen wer allein die, wenn auch späte Anerkennung, den. welche er in seinem Geburtslande erMan kann, wie die langte , ist für ihn einer der größten erwähnte Ausstellung in Grosvenor-GaleriedeutTriumphe. Alma Tadema ist nicht nur einer lich erkennen ließ , in unserer besten, sondern auch unserer fleißig- Alma Tademas künstleriTICAESAR DIVIANG F sten und fruchtbarsten Maler der Gegen- scher Laufbahn drei deutAVGUSTOS wart. Seinen eigenen Aufzeichnungen lich geschiedene Perioden IHRVU. nämlich zufolge hat er jegt gegen dreihundert unterscheiden, unsicheren noch des die die ungerechnet vollendet, Staffeleibilder Handzeichnungen, Aquarelle und Skizzen, Tastens und Ringens, welche man von ihm besitzt. Im Winter welche von 1852-1862 1882-83 veranstaltete er eine Ausstel- dauerte ; die des Durch789 lung seiner Werke in der Grosvenor bruches zu flar bewußwelche , Schaffen tem seiner galerie in London, welche über 150 Bilder von den ersten Anfängen bis zur von 1863-1869 währte Gegenwart herab enthielt und einen voll und die der vollkommeständigen Ueberblick seines ganzen Ent- nen Meisterschaft seit wickelungsganges gewährte, welcher ebenso 1870. Seiner ersten PeMA interessant wie lehrreich war. Das erste riode gehört jene Reihe der Bilder aus seiner Jugendzeit war von Bildern an, welche sein eigenes Porträt, welches er in seinem er dem frühen Mittelsechzehnten Jahre gemalt hatte und noch alter und namentlich der merowingischen Gein seinem Atelier aufbewahrt. Es hat Die Stulpturengalerie (S. 407). als Arbeit eines fünfzehnjährigen Jungen schichte entlehnte , und bereits bedeutende Eigenschaften, denn selbst deren Ursprung mansich in dieser schüchternen kindlichen Malerei aus seiner früheren Umgebung leicht er zur Zeit, als Alma Tadema an der dorverrät sich schon der künftige Meister, klären kann. Diese romantische Vorliebe tigen Akademie unter dem Professor der und unmittelbar daran schloß sich eines für das frühe Mittelalter beherrschte einen Historie , Detaye , studierte. Der Zufall der größeren Bilder aus seiner ersten großen Teil der Antwerpener Schule spielte Tadema damals die Geschichte der Franken " von Gregor von Tours in die Hände, und die gewaltigen Menschen jener fränkischen Vorzeit, von welchen Gregor uns solch frappante le= bensvolle Bilder entwirft , ergriffen mächtig die Phantasie des angehenden Künstlers . Die meisterhaften Schilderungen Gregors sind eine ebenso WE reiche Fundgrube für den bildenden Künstler als die Edda , das Nibelungenlied oder die alten Sagas . Und vieles, was Gregor faum angedeutet hat, gab Tadema den Stoff zu vollendeten großen Bildern , wie seine erste historische Komposition : ,,Klo: thilde am Grabe ihrer Enkel ", ein Bild, das jedenfalls großartig gedacht und vonhoher, Besuch bei der Wöchnerin (S. 426). tragischer Wirkung
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ist, wenn es auch vielleicht in der Ausführung weniger vollendet ist, als irgend eines von Tademas früheren Werken. Diesen folgte dann das schon erwähnte Bild , welchem Tadema seinen wirklich großen Erfolg verdankte: „ Die Erziehung der Kinder Chlodwigs" (siehe S. 415) , in welchem wir , neben dem Einflusse seines Lehrers Leys , schon in mehr oder minder ausgesprochener Weise die meisten der Charakterzüge finden, welche den Meister später berühmt gemacht haben: die holländische Sorgfalt für das Detail, das treue Festhalten an den geschichtlichen Thatsachen, das Streben ebensowohl nach historischer Treue und Lokalfarbe, Genauig feit des Beiwerkes , Reinheit und Klarheit der Farbe wie geschickte Gruppierung der Figuren. Gegenüber von Klothilde am Grabe ihrer Enkel" dokumentiert dieses Bild , welches um den Preis von 1600 Franken von der Antwerpener Gesellschaft zur Ermunterung der schönen Künste angekauft wurde und nun im Besitz des Königs von Belgien ist, einen bedeutenden Fortschritt. In derselben Periode entstand auch das Bild „ Der Besuch bei der Wöchnerin" (S. 403) , welches wir als einen Versuch im höheren Genrestück bezeichnen dürfen, der wenigstens als Beweis seines Strebens nach treuer Lokalfarbe und fulturhistorischer Genauigkeit kennzeichnend ist. Diesem merowingischen Kreise gehört noch eine lange Reihe anderer Bilder an, welche sich durch bedeutende Gestaltungsgabe und prächtige Farbe auszeichnen, deren einzelne Aufzählung uns aber zu weit führen würde. Allmählich scheint jedoch das Wilde und Barbarische, was in dieser Zeit des frühen Mittelalters liegt, den feinfühlenden sinnigen Künstler eher zurückgestoßen als befriedigt zu haben, und in einem kaum ihm selbst deutlich bewußten Schule eines David nie gelang. Eines Uebergange, welcher eben die zweite Pe- seiner ersten Bilder aus dieser Periode war riode seines künstlerischen Entwickelungs- sein ,,Phidias bei der Arbeit am Parganges bezeichnet, wandte er sich zur Ge- thenon" (S. 421) , womit er gewisser schichte und zum Leben jener Nationen, maßen ein neues Gebiet betrat. Ent welche nicht allein die Quelle unserer gan schiedeneren Erfolg erzielte das Bild „ Die zen eigenen Kultur, sondern für uns auch Genesende" von 1869 (S. 424) , ein die Verkörperung von Schönheit und Kunst ergreifendes Stück römischen Lebens. Die sind. Er wandte sich mit dem ganzen Genesende selbst auf ihrem Ruhebett im Eifer seines Strebens dem Studium des Atrium ist nicht besonders anziehend , weil Altertums , des Lebens und der Kultur der die Haltung nicht anmutig ist ; dagegen Völker der alten Welt zu und begann, be- sind die vorlesende alte Frau und die wußt oder instinktiv , mit den Aegyptern, Sklavin fein individualisiert, und beinahe welche an der Wiege der Kultur saßen und zum erstenmal offenbart auf diesem Bilde in deren Verständnis er sich , nach dem der Künstler seine leidenschaftliche Vorliebe Zeugnis des Aegyptologen Georg Ebers, für Blumen und seine Meisterschaft in deren hineingearbeitet hat wie kein anderer Künst Darstellung und dekorativen Verwendung . ler. Dieser Stufe seiner Entwickelung ver- 3wei reizend gedachte und meistermäßig danken wir viele seiner schönsten und ge- ausgeführte Pendants sind die Skul lungensten Bilder, deren Entstehung in pturen-" und die Gemäldegalerie" die Jahre 1863-68 fällt. (S. 405 u. 417), in welchen seine Vorliebe, In seiner dritten Periode begann er die Bilder bis auf den letzten Raum figurensich dem griechischen und römischen Alter- reich auszufüllen , unaufdringlich und in tum zuzuwenden, welche noch bis zur Stunde anziehendster Weise hervortritt und die Besein dankbarstes Feld und seine Stärke sind, leuchtung von wunderbarer Wirkung ist. namentlich das römische Kulturleben, das Ein wirksames und treu dem Leben abgeer zu veranschaulichen weiß wie kein anderer lauschtes Bild ist die Gruppe in dem Bilde unserer neueren Künstler und mit einem , 3um Flusse hinunter" (S. 427) mit den gefunden Realismus und einer Lebenstreue, herrlichen Kontrasten in den Köpfen der wie es der antikisierenden französischen Figuren . Eines seiner figurenreichsten und
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Eine Vorles belebtesten Bilder ist das Fest der Weinlese", welches mit Recht für eines seiner vorzüglichsten Bilder gilt und aus welchem wir zwei Holzschnittkopien (S. 400 u. 430) geben. In wenigen seiner Bilder hat er das künstlerische Vermögen, dem Beschauer seine eigene Idee und Absicht verständlich und anschaulich zu machen , so glänzend bethätigt, in keinem hat er so viele Kontraste mit Glück vereinigt. Wenn er aber in diesen Bildern und in manchen anderen durch Figurenreichtum wirkt und besticht, so weiß er wieder in anderen gerade durch Beschränkung in der Figurenzahl oder nur durch eine einzelne Figur und ihre Umgebung eine mächtige künstlerische Wirkung hervorzubringen. Als Beleg dafür führen wir unseren Lesern eine Kopie des Bildes aus dem Jahre 1879 : Wohlbeschütter Schlummer" (S. 418) vor, welches durch seine ausgeprägte Individualität, seine Einfachheit , Zartheit und ungesuchte Grazie einen unsäglichen Reiz ausübt. Für den gewaltigen Effekt , welchen Tadema in seinen Bildern mit wenigen Figuren zuwege bringt, zeugen seine ,, Sappho ", seine Kleopatra" und eine Menge seiner anderen großen Gemälde, vor allem aber seine von uns besonders hochgeschäßte Vorlesung aus Homer" (S. 407),
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einzelnen Werke noch Dußende von Seiten füllen , aber es drängt uns , vom KunstOMHP werk zum Künstler , vom Künstler zum Menschen überzugehen. Der Wahrheit gemäß können wir hier versichern , daß in Alma Tadema der Mensch ebenso achtbar und liebenswert ist als der Maler. Schon seine persönliche Erscheinung und sein Gebaren machen einen gewinnenden Eindruck: eine untersette , fräftige Gestalt, ein einnehmendes Gesicht mit regelmäßigen Zügen, in dem ein wohlthuendes Gemisch von Herzensgüte und Willenskraft sich ausspricht, freundliche beobachtende Augen, mit einem offenen Blicke, eine ansprechende vertrauenerweckende Stimme von angenehmer Klangfarbe , ein biederes offenes Gebaren , einfach und mannhaft , ohne jede Spur von Dünkel oder Affettation so tritt uns Tadema entgegen. Wer nur immer ihm näher tritt, der ehrt ihn nicht nur um seiner Verdienste willen, sondern der muß ihn bald lieb gewinnen. Warmherzig und großmütig, wie er ist, wird er von jungen Künstlern niemals vergeblich um Rat oder Hilfe angegangen ; seine freigebige Hand ist immer offen und gerne leistet er dem ernsten Arbeiter in jedem beliebigen Fache mit seiner Zeit und Kraft Selbstsucht ist ihm gänzlich Beistand . fremd, und seine einfache, gemütvolle, herzliche und offene Natur verleugnet sich niemals . Seine Unterhaltung , wenn er zum Plaudern aufgelegt , ist in hohem Grade gedankenreich , erheiternd , fesselnd , voll treffender und tiefer Gedanken, reicher Erfahrung und gründlichem Lebensernst. Er besitzt eine Gabe der Mitteilung, um über Kunst im allgemeinen und über seine eigenen Anschauungen über dieselbe zu aus Homer (6 409). sprechen , wie man sie nur bei wenigen Künstlern findet ; seine Ausdrucksweise ist worin er mit wenigen Figuren eine mächtige des an Lebenstreue und feiner Indivi- anschaulich, flar und von einer entschiedenen Wirkung erzielt : zur Rechten der Vorleser dualisierung geleistet , besonders in den Individualität. Seine Ansichten über Kunst mit dem Papyrus in der Hand, mit dem Porträts seiner Frau und Tochter, welche und Können sind nicht nur instinktiv und von Begeisterung glühenden Gesichte, wie er auf seinen verschiedenen Bildern ange- im Gefühle wurzelnd , sondern klar bewußte er eben, irgend eine Stelle voll Eifer er bracht hat , dann aber auch in den paar Ueberzeugung und Erfahrung. Seine Rede klärend , sich in anmutiger Haltung halb männlichen Porträts , welche er teils als ist wie seine Arbeit, sie trägt ihr eigenes vorbeugt ; sodann die vier Personen, welche solche gemalt, teils in seinen Gemälden auf Gepräge , und selbst seine gewöhnlichsten ihm mit verschiedenen Affekten zuhören : genommen hat und die zu dem Bedeutendsten Bemerkungen sind von einer unbewußten die junge Frau mit den Narzissen im gehören, was im modernen Porträtfach ge- und ungesuchten Originalität . Alle meine Bilder," äußerte er einst gegen eine Dame, schönen Haar und dem Tamburin in der leistet worden ist. Jedes Jahr bringt neue Werke von sind der Ausdruck einer einzigen Idee; sie Hand , während sie , vom Vortrage tief ergriffen , mit der anderen wie unbewußt Alma Tadema zur Aufstellung, und weit handeln von verschiedenen Gegenständen, die Hand des schönen Jünglings mit der entfernt, sich durchseine wunderbare Frucht allein einerlei Stil des Gedankens spricht Leier neben ihr ergreift, um ihn gewisser barkeit zu erschöpfen , überrascht er jedes sich in ihnen aus." Und dies gilt von maßen zum Mitgenusse einzuladen , zwei Jahr durch unverkennbare Fortschritte und seinem ganzen Wesen: alles an ihm ist einzig schöne, wirklich erhabene und ideale Vervollkommnung , durch neue Ideen und erwogen. Er ist einer der wenigen wirkGestalten. Dann der Jüngling, der, das Stoffe. Seit 1876 ist er nicht nur Royal lich originellen Menschen der heutigen GeKinn in der Hand, in Ziegenfelle gekleidet, Artist, sondern kooptiertes Mitglied der sellschaft, welche wie unerschütterliche Felsen am Boden liegt und mit naivem Staunen britischen Königlichen Akademie der Künste, aus der glatten Flut einer zahmen und dem Vortrage folgt, und der fernerstehende wohl eine der höchsten Ehren und Aner konventionellen Welt emporragen. Ganz blumengekrönte gereifte Mann im Mantel, kennungen, welche ihm je zu teil geworden erfüllt von Thatkraft, von glühender Liebe in dessen Zügen sich eine gewisse Wildheit, sind . Er erhielt die Anzeige von seiner Er- für alles Gute und Schöne, verbreitet er ein ehrfurchtsvolles fast grausendes Staunen wählung in Rom, wo er damals den Winter schon durch seine bloße Gegenwart ein ausdrückt. Es ist eines der in Zeichnung zubrachte und sich mit Feuereifer dem Stu- Gefühl von Kraft und erhebt alle, welche und Kolorit, namentlich des Fleisches , voll dium altrömischer Kunst und Archäologie mit ihm in Berührung kommen, in höhere endetsten Gemälde Tademas . hingab ; seine Wahl war für ihn ein mächtiger geistige Sphären, hoch über die niedrigen Allein außer in Historie und Genrebild, Sporn für seine Thätigkeit, und das erste schmutzigen Alltagsinteressen . Er besigt in seinen eigentlichen Fächern , zeichnet sich Bild, welches er unmittelbar danach aus- hervorragendem Grade jene nach Goethe Tadema auch im Porträtfach aus und stellte , war sein berühmter ,,Agrippa". höchste und glücklichste Gabe , welche dem Wir könnten mit der Schilderung seiner Menschen beschieden werden kann die hat hierin Mustergültiges und Ueberraschen- | 18
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nivellierende Konventionalität an der Tagesordnung ist. Das Geheimnis meines Erfolges in meiner Kunst, " äußerte er einmal, besteht darin , daß ich immer
meinen eigenen Ideen treu geblieben bin, daß ich nach meinem eigenen Kopfe gearbeitet und nicht anderen Künstlern nachgeahmt habe. Um in irgend etwas im Leben Erfolg zu haben , muß man vor allem sich selbst treu bleiben, und ich darf sagen, daß ich dies gewesen bin." Ja, noch etwas mehr. Tademas Erfolg als Künstler besteht namentlich auch darin, daß er seine Kräfte genau kennt und niemals über dieselben hinausgehen, niemals sich selbst überbieten will . Der malerischen Behandlung wilder Leidenschaften und gewaltsamer Affekte ist er von jeher mit weiser Selbstbeschränkung aus dem Wege gegangen , in dem klaren Bewußtsein, daß dies jenseit des Bereiches Das Ruhige, seines Könnens liegt. Gegenständliche Strenge, Beschauliche , finden in ihm den gewandtesten künstlerischen Vertreter und bilden seine Sphäre, aus der er niemals heraustritt. Alma Tademas Haus ist ein ungemein anziehendes , der Sammelpunkt der gewähltesten , geistig anregendsten Gesellschaft, eine Atmosphäre von reiner geistiger Höhe und Reinheit , aber ohne alle Prätensionen, ohne alles Haschen nach Ostentation, ohne alles Buhlen um den Verkehr mit der höheren Gesellschaft. Dank seinem Talent und seinem bewundernswerten Fleiß stehen ihm die Mittel zu Gebot, sein häusliches Leben ganz nach seinem Geschmack einzurichten, der ein ganz origineller und durchaus künstlerischer ist. Seine frühere Wohnung Townshend House , die er nur aus Mangel an Raum mit einer größeren in St. Johns Wood beim Regents Park vertauscht hat , war ein künstlerisches Schmuckkästchen und das Sprichwort von London durch ihre reiche und geschmackvolle Einrichtung. Da er aber nicht das Leben eines Künstlerfürsten führen, sondern nur ein für das Notwendige , Nützliche und Angenehme genügendes behagliches Heim haben will , so hat er das neue Haus gekauft, welches früher einem französischen Maler, einem Junggesellen , gehörte und einen für London großen Garten hat. Dies hat er sich ganz nach seinem Geschmack und Bedarf umgebaut und darin Ateliers für sich , seine Frau und seine Tochter Anna eingerichtet , welche ebenfalls eine sehr begabte Malerin ist. Dies Haus ist natürlich ebenfalls mit vollendetem künstlerischem Geschmack angeordnet und mit all den Kunstschätzen alter und neuer Zeit angefüllt , welche Tadema im Lauf der Zeit angesammelt hat und die an sich schon höchst sehenswert und interessant sind, aber durch des Hausherrn Erläuterung es noch mehr werden. In diesem Hause herrscht eine graziöse und freigebige Gastfreundschaft ohne Prunk und Schaugepränge, in welchem jeder geistig bedeutende Gast der künstlerischen oder wissenschaftlichen Kreise herzlich willkommen ist, und worin die gewählteste Gesellschaft Londons aus dem gebildeten Mittelstand und den künstlerischen und gelehrten Kreisen mit einer Zwanglosigkeit und Herzlichkeit verkehrt, wie sie in dem konventionellen ge=
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Diese hat Ta Gabe der Persönlichkeit. dema groß gemacht, und er wagt, derselben treu zu bleiben und sie geltend zu machen in diesen modernen Tagen , wo die alles
£. Purtscheller.
415 selligen Leben der engumschriebenen und voneinander abgeschiedenen konzentrischen Kreise, welche die Gesellschaft" bilden, In diesen Kreisen findet die selten ist. Familie Tadema ihre geistigen Anregungen und erhält sich durch jene geistige Frische und Gesundheit, welche zu einem dauernd gedeihlichen künstlerischen Schaffen un erläßlich ist.
Eine Bergfahrt. Von
T. Purtscheller .
m Nordrande des Bergmassivs der Graji Am schen Alpen, zwischen den vielgepriesenen Thälern von Savaranche, Cogne und Valnontey erhebt sich einer der gewaltigsten Bergriefen des ganzen Alpengebietes die majestätische Grivola (3969m). Der blinkende Firnmantel, welcher sie ander Nordseite umkleidet, strahlt weit hinaus in die sonnendurchglühten, fruchtschweren Gefilde der oberitalischen Lande und läßt schon in weiter Ferne die charakteristische Horngestalt des Berges erkennen. Besonders stattlich zeigt sich die Grivola, wenn wir sie von dem tiefen Einschnitte des Aostathales oder von einem ge: eigneten Uebersichtspunkte in unmittelbarer Nähe erblicken. Vornehme Hoheit und Majestät liegt in ihrer Erscheinung, und dem Auge bietet sich ein Bild dar, in welchem sich die wildernste Physiognomie des Hochgebirges in vollendeter Weise ausspricht. Die Grivola ist nicht der höchste Gipfel der Grajischen Alpen. Der erste Rang gebührt dem Grand Paradis (4061 m), ein Name, den dichterische Phantasie nicht mit Unrecht gewählt hat. Die Grajischen Alpen, an Ausdehnung der
Eine Bergfahrt. 416
Ortlergruppe nahezugleichfommend, vereinigen durch ihre begünstigte Lage zwischen den mächtigsten Gebirgssystemen der Alpen, der Montblancgruppe und den Walliser Bergen, und dem nicht fernen Mittelmeere all die Vorzüge und Schönheiten, die südlichen Gebirgsgegenden eigen zu sein pflegen. Schöne Bilder aus mancherlei Alpengegenden erblassen gegen die überwältigende Pracht eines leuchtenden Sommertages in dieser eigentümlichen Gebirgswelt. Noch eine andere Merkwürdigkeit birgt dieses Gebirge in seinem Schoße. Es ist die Heimat der Steinböcke, dieser im übrigen Alpengebiete bereits ausgestorbenen edlen Tiergattung. Die auf 500 bis 600 Stück geschäßte Kolonie verdankt ihre Erhaltung und Sicherung dem verstorbenen König Viktor Emanuel, dessen Andenken von der Bevölkerung jener Gegenden in hohen Ehren gehalten wird. Wahrheit und Dichtung haben eine Art Legende um das Haupt des ritterlichen Weid: mannes gewoben; zahlreich sind die Sagen und Anekdoten, die über ihn verbreitet sind, aber aus allen tritt uns die edel menschliche Gestalt des großen Königs entgegen , dem das junge Königreich zu ewigem Danke ver pflichtet ist. Mein Freund, Professor Dr. K. Schulz, und ich hatten von dem Rifugio Vittorio Emanuele GUIDOL MEDIENGT
Die Erziehung der Kinder Chlobwigs (S. 402).
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QAAKSE
MENEA
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Die Gemäldegalerie (S. 407). den Gipfel des Grand Paradis erstiegen und waren abends in Cogne eingetroffen. Das von uns berührte, bei Cogne mündende Hochthal Valnonten gehört unstreitig zu den be achtenswertesten und großartigsten in der ganzen Gebirgsgruppe. Nur wenige Thäler unserer Alpen mögen ihm an Reiz und Erhabenheit der Scenerie gleichkommen oder dasselbe überbieten. Von besonderem Intereſſe ist der den Thalhintergrund erfüllende Glacier de la Tribulation der aus den ausgedehnten Firnen des Grand Paradis seinen Ursprung nimmt. Ein auserlesener Kreis von ge= waltigen Gipfelriesen erhebt sich in stiller Weltabgeschiedenheit über jenem einsamen Bergwinkel. Die Zahl der deutschen Reisenden, die die Val de Cogne besucht haben, ist sehr gering. Wir waren daher recht freudig überrascht, dort die kühne Bergsteigerin, Fräulein Anna Voigt aus Erfurt begrüßen zu können. Hervorragende französische und englische Alpinisten wird es aber nur wenige geben, welchen das herrliche Hochthal fremd geblieben wäre. Das nach dem Thale be nannte Dorf Cogne liegt in einem breiten, gut angebauten Becken, das den Wan derer, der durch die wilden Felsschluchten der unteren Val de Cogne herausgestiegen ist, doppelt anmutig berührt. Unweit Cogne befinden sich reiche Magneteisengruben, die den Ruf genießen, das beste Eisen in
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ganz Europa zu liefern. Das Produkt wird in dem föniglichen Arsenale in Turin zu Gewehrläufen verarbeitet. Mit dem Besuche von Cogne verbanden wir die Absicht, der Grivola einen Besuch abzustatten. Das prächtige Reisewetter, durch welches sich der Sommer 1885 vorteilhaft vor feinen Vorgängern auszeichnete , war Ende August einigen regnerischen Tagen gewichen. Auf den hohen Gipfeln war bereits der erste Schnee gefallen. Demungeachtet wollten wir unser Vorhaben ausführen und brachen nach mittags am 25. August auf, um auf dem Chalet de Pousset supérieur ein Nachtlager zu beziehen. Das Thal, in welchem sich die genannte Alpe befindet, liegt südöstlich von Cogne und kann in drei Stunden erreicht werden. An dem bei Cretaz hinanführenden Pfade trafen wir noch einzelne Fruchtäcker, auf welchen die goldige Frucht der Halme sich wiegte, einige Kartoffelfelder und Wiesen, alles auf steilen Hängen hingelagert. Dünne Lärchen bestände, und hie und da auch einzelne Tannen vertraten notdürftig die Waldbedeckung , die in jenen Bergen leider gänzlich vermißt wird. Hingegen hat sich die Strauchvegetation größere Flächen zugeeignet. Alpenerlen, Rhododendrons, Wacholdersträuche und insbesondere die Sebe (Juniperus Sabina L.), welche die Stelle
unserer Legföhren einnimmt , bedecken allent: | halben die Hänge und vermitteln den Ueber gang in die Weideregion . In den höheren Partien des Gebirges , insbesondere in den ausgedehnten typisch entwickelten Terraffen und Hochplateaus herrscht durchgehends jenes graubraune, erdfahle kolorit , das die südlichen Alpengebiete und vor allem die ,,Grauen Berge" kennzeichnet. Ein milderndes Element in den ernsten Zügen der Landschaft bilden die zahlreichen darin eingestreuten Seen , welche den Wanderer durch ihre Anmut und Lieblichkeit überraschen. Bei der Alpe Ours dessus, deren Besitzer uns neugierig fragte, ob wir Anglais" feien, verließen wir die bisherige Richtung, umgingen einen Rücken und bogen in das nächste parallel laufende Thal ein, wo wir alsbald der Chalets de Pousset dessous ansichtig wurden. Dieselben waren verlassen und wir stiegen auf steilen Rasenhängen aufwärts zu der eine Stunde entfernten oberen Alphütte. Weidende Rinder, deren Geläute sich schon von weiter Ferne vernehmen ließ, deuteten uns den kürzesten Weg an. Der Senner, der wie alle seine Landsleute in Cogne ein französisches Patois sprach, nahm uns bereitwillig auf. Dritthalb Tage verweilten wir - durch Witterungsverhältnisse zur teilweisen Un-
GENIOL
NOSTRI FELIXIL
Wohlbeschütter Schlummer (S. 407)
420in der räumlich unthätigkeit verurteilt gemein beschränkten und äußerst primitiv eingerichteten Hütte. Der erste Halbtag wurde mit einem Gang auf die Punta del Pousset (3046) , einen oberhalb der Alpe sich schroff erhebenden Felsgipfel , ausgefüllt. Die Ersteigung desselben nimmt eine Stunde in Anspruch und sie kann über die Südwesthänge ohne Gefahr ausgeführt werden. Als Schulz und ich an die Nähe des Gipfelgrates gelangten , gewahrten wir drei Steinböcke , die sich in langsamer Flucht nach aufwärts bewegten. Sie befanden sich an einer nahezu senkrechten Stelle der Steil: wand , die von schmalen Felsbändern durchzogen wird . Mit gewaltigen , genau abgemessenen Sprüngen überwanden sie die 4 bis 5 m hohen Felsstufen, indem sie sich mit einem plößlichen Ruck emporschnellten . Ihre Bewegungen erfolgten ohne jedeHast, mit großer Sicherheit und Ueberlegung . Das von ihren Sufen losgelöste Gestein verursachte ein starkes Gepolter . Als sie den Gipfel erreicht hatten, entschwanden sie unseren Blicken. Die Witterung des nächstfolgenden Morgens ( 27. August) sah, als wir die Hütte verließen, um die Grivola in Angriff zu nehmen, nicht besonders günstig aus. Der Zug des Gewölfes und die da und dort aufsteigenden Nebel schienen einen regnerischen Tag anzukündigen. Auf dem kürzesten Weg stiegen wir zu dem Col du Pousset (3280 m) hinan, auf welchem erst die endgültige Entscheidung , betreffend die Fortsetzung der Tour, gefällt werden sollte. Schulz fühlte sich etwas unwohl und wollte angesichts des zweifelhaften Wetters von der Tour abstehen. Doch erklärte er schließlich, an der Besteigung teilzunehmen, die ich nur sehr ungern aufge: geben hätte. Da die Südostwand des Berges, auf welcher gewöhnlich der Anstieg erfolgt, mit einer Lage Neuschnee bedeckt war und die Kletterei unter diesen Umständen zu mißlich erschien, beschlossen wir, den nordöstlich herab: ziehenden Felsgrat zu gewinnen und von dort die eigentliche Gipfelpyramide zu erklettern. Die auf den Felsgrat führenden Wände waren bald überwunden, desto größere Schwierigkeiten und Zeitaufwand beanspruchte jedoch die cirka 1 km lange Gratstrecke. Der Grat erwies sich in einer Weise zerfägt und ausgezackt, daß das Fortkommen mehr als einmal fraglich erschien. Weder auf der sehr steil abfallenden Südwand, noch auf der völlig vereisten Nordseite kamen wir erheblich vorwärts. Eine harte und müh ſame Arbeit stand uns bevor. Eine Reihe Felstürme war zu umgehen, andere zu überklettern, wobei wir wiederholt das Seil zu Hilfe nehmen mußten. Ein drohend aussehender, auf zwei Seiten überhängender Zacken mußte in der Weise überstiegen werden, daß ich Schulz von oben herab das Seil zuwarf, worauf derselbe die abschüssige, glatte Platte passierte. Ich be: festigte dann das Seil um einen Vorsprung und ließ mich auf den jenseitigen Einschnitt hinab. Da aber der Zacken überhing, so mußte mich mein Freund, damit ich wieder Fuß fassen konnte, zu sich hinüberziehen . Eine große Verlegenheit bereiteten die Steinfälle und das lockere Blockwerk, vor welchen alle Ersteiger der Grivola gewarnt werden müssen. Als ich mit Schulz durch das Seil verknüpft, voranschritt, löste sich 1-2 Schritte hinter mir, aus einem nicht ganz aufgeklärten Grunde, ein cirka 50 kg schwerer , länglich prismatischer Stein und wälzte sich über den Kopf und den Oberkörper des unterhalb kletternden Freundes weg, glücklicherweise ohne ihn stark zu beschädigen . Nur das furchtbare Gepolter des lange nicht zur Ruhe kommenden Ungetüms erinnerte daran, welch verderbliche Wirkungen dasselbe hätte. anrichten können. Der glückliche Ausgang
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COOPER SC Phidias bei der Arbeit am Parthenon (S. 407)
dieser Affaire war dem Umstande zuzuschreiben, daß Schulz kaum 1 m von dem in Bewegung geratenen Stein sich befand , wodurch dessen Kraft noch nicht zur Wirkung gelangte. Kaum minder schlimm und gefahrvoll war die Lage, in die ich 14 Stunde später gedrängt wurde. Wir kletterten an der vereisten Nordseite des Grates und wollten eben wieder auf den Kamm gelangen, als sich uns eine ganz vereiste Rinne (Couloir) entgegenstellte. Da das Eis von dem Schnee verdeckt war, so stieg ich, von Schulz seitwärts am Seile gehalten, in den Einschnitt hinein, in der Voraussetzung, in wenigen Schritten die trockenen , schneefreien Felsen zu erreichen. Die ersten Schritte boten teine Schwierigkeiten dar, aber bald stieß ich auf blankes Eis. Umsonst versuchte ich mit meinem Pickel einen Stand zu gewinnen und meine erstarrten Hände in den Schnee einzu graben. Auf die Dauer konnte ich in dieser Stellung nicht verharren, ich mußte unbedingt vorwärts, da ein Tritt rückwärts noch gefähr licher und schwieriger gewesen wäre. Mit der linken Hand griff ich nach den eingeschneiten Steinen, die, wie befürchtet, sofort hinab follerten, doch gelang es, das rechte Knie noch rechtzeitig auf einen Felsabfaß aufzulegen, der eine Stüße darbot. Im anderen Falle wäre ich, obwohl mit Schulz durch das Seil verbunden, eine Strede weit in die eisige Rinne hinabgeglitten , die in den unten befindlichen Gletscher mündete. Durchdiese Vorkommnisse zu der größten Vorsicht veranlaßt, erreichten wir endlich die Südseite an dem oberen Teile der Pyramide, auf welcher sich die Schwierigkeiten erheblich verminderten. Wir bewegten uns, den Seiten grat verlassend, am Fuße einer hohen, senk recht abgerissenen Felemauer, an deren oberem
Rande ein längliches Felsstück 4-5 m weit in abenteuerlicher Stellung in die Luft hinaus starrte. Auf der gewöhnlichen Anstiegsrichtung näherten wir uns bald der Spike , die sich mittlerweile in schwere , düstere Nebelschleier gehüllt hatte. Der Neuschnee lag glücklicher: weise nur mäßig hoch auf den Felsen und war zum Teile durch die Gewalt des Sturmes weggekehrt. Das längst erwartete Steinmännchen trat endlich aus dem Nebel hervor , und ein paar Minuten später (1 Uhr 35 Minuten nach mittags ) standen wir auf dem höchsten Punkte der Grivola. Bei günstiger Witterung hätten wir hier, entsprechend der außerordentlich günstigen Lage des Berges, eines der großartigsten, herrlich sten und ausgedehntesten Panoramen genießen können, wie es deren im Bereiche der Alpen nur wenige gibt. Von den Riesen des Wallis und der Berninagruppe, von den stolzen Bergen Savoyens und der Dauphiné wird das Auge feine der bedeutenderen Gebirgsgruppen, keinen der hohen Alpengipfel vermissen. Besonders majestätisch nach den Berichten aller Ersteiger- präsentiert sich von hier der Monarch der europäischen Gebirgs welt , der. Montblanc und all die zahlreichen Nadeln und Kuppen, die in den Bereich seines glänzenden Hofstaates gehören. Westlich schimmern die kühnen Felshörner und Firngipfel der Belvourgruppe und der Alpen von Disans , die formenreichen Berge der Maurienne und der Tarentaise, aus welch letteren besonders prächtig Mont Pourri, Grande Caffe und Grande Motte hervor ragen. Im Süden thront über einem Heer niederer Berge die einsame Pyramide des Monte Viso . Als zweiter Glanzpunkt der Grivolaaussicht erscheint , wie natürlich, die
nahe Gruppe des Grand Paradis und der Tour de St. Pierre mit ihren ausgedehnten, hellglänzenden Firnen und mächtigen Eislagen. Unser Aufenthalt auf dem Gipfel, der uns durch die trübe Witterung wenig genußreich gemacht wurde, betrug nahezu 4 Stunden. Wir beschlossen durch die steilen Rinnen an der Südostseite direkt zum Glacier de Trajo abzusteigen, wenn auch der Neuschnee größere Hindernisse bereiten sollte. Langsam, mit großer Vorsicht, fletterten wir die verschneiten. Felsen hinab, wobei sich oftmals nur einer von uns fortbewegen durfte. Sämtliche Rinnen fielen, soweit wir dieselben übersehen konnten, mit außerordentlicher Steilheit und teilweise sogar in senkrechten Wänden auf den Gletscher ab, und es war daher wichtig, diejenige auszumitteln, welche uns gestatten würde, letteren zu erreichen. Mehrmals, als steile Abbrüche das Fortfommen erschwerten, wechselten wir die Rinnen, indem wir die sie trennenden Felsrippen überkletterten. Diese Arbeit wurde durch die Schneebedeckung sehr verzögert und nahm mehr als drei Stunden in Anspruch. Mit zunehmender Spannung näherten wir uns den leßten Steilmauern. Der Gletscher, früher in furchtbarer Tiefe , lag jest nahe vor uns. Ein donnerähnlicher Krach oben an den Wänden, hervorgerufen durch einen fallenden Stein, veranlaßte uns zu einer schleunigen Flucht unter einen Felsen, doch kamen die Trümmer nicht zu uns herab. Wir hatten noch cirka 30 m bis zu der Schneezunge, die sich vom Gletscher heraufzog , aber ausgewaschene , glatte Felsstufen hinderten das Herunterklettern. Schulz wurde von mir am Seile hinabgelassen; auch ich hätte gerne diese Methode praktiziert, aber
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424 es fand sich nirgends ein geeigneter Vorsprung zur Befestigung des Seiles vor. In dem Einschnitte zur Linken plätscherte ein kleiner Wasserfall über die Felsstufen , und als ich die Stelle untersuchte, erspähte ich einige passende Griffe, die mir das Absteigen er möglichten. Der größeren Vorsicht wegen schlug ich das Seil um einen Zacken und er:
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ter dem Getöse der durch seine Hufe in Be wegung geratenen Steinmassen freuzte er 30 bis 40 Schritte vor uns, unseren Weg. In der Alphütte angelangt, fing es wie: der zu regnen an. Die Frage, ob wir den Abstieg nach Cogne fortsehen oder auf der Alpe nächtigen sollten , wurde in legterem Sinne entschieden.
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gut gepflegte Straße, indem wir auf der uralten römischen Brücke, einem ebenso fühn als großartig angelegten Werke, die tiefe Schlucht des Thalbaches überschritten. Das unvergleichliche Aostathal mit seinem majestätischen Bergkranze, seinen zauberhaften landschaftlichen Bildern , den Resten seiner denkwürdigen geschichtlichen Vergangenheit, seinen Schlössern und Villen lag offen vor uns da. Und wie damals vor einem Jahre, so regt sich auch heute noch in des Schilderers Brust eine stille Begeisterung , eine träumerische Sehnsucht nach all diesen Herrlichkeiten, die nur derjenige in ihrer ganzen Tiefe erfassen wird, der selbst einmal einen Blick in dieses wunderbare Paradies, in die Zauberpracht südlicher Alpenthäler gethan hat.
Hypnotismus und Jurisprudenz. Don Max Delloir.
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Der Genesende (S. 407). reichte , wenn auch etwas durchnäßt, den Schneerand. Der Kletterei ledig, und froh, dem Felslabyrinthe entronnen zu sein , passierten wir den Bergschrund und trollten dann über den nahezu ebenen Gletscher hin, dessen Spal: tennet wir an der rechten Seite umgingen. Ohne besondere Mühe erreichten wir den Col, auf dem wir vormittags , elf Stunden zehn Minuten vorher, gestanden hatten. Auf dem Abstieg zur Alpe, als es bereits dunkel geworden war, begegnete uns ein starker Steinbod. In gewaltigen Sprüngen und un-
Am zweitnächsten Tage bei noch nächtlichem Schattendunkel stiegen wir durch die wildromantischen Schluchten des Cognethales in die Val d'Aosta hinaus. Schwere Nebelgebilde, die Vorboten weiterer Regenfälle , hatten die Stirn der Berge eingehüllt. Aber unter dem düsteren, bleifarbigen Zelte des Firmamentes entfaltete die herrliche, überreiche Vegetation die Maienpracht der Kulturen , die Schönheit der Landschaft ihre ewig neuen, unerschöpf lichen Reize. Unfern von Pont d'Ael verließen wir die
johl wenige Fragen der gerichtlichen Praris haben gerade in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit des großen Publikums in dem Maße auf sich gezogen, wie die Frage der Zu rechnungsfähigkeit. Man wird sich erinnern, daß in zahlreichen Prozessen die Angeklagten freigesprochen wurden, weil man nachweisen konnte, daß sie im Augenblicke der That fein flares Bewußtsein hatten und öfters an solchen partiellen Geistesstörungen litten; auf Grund medizinischerErrungenschaften sahsichdieJurisprudenz genötigt, den Begriff der zurechnungslosigkeit weiter als bisher zu fassen . Eine vollfommene Revolution der bestehenden Ansichten dürfte jedoch eintreten, wenn die Thatsachen. des Hypnotismus von der amtlichen Wissenschaft anerkannt und in ihrer hervorragenden Bedeutung gewürdigt worden sind , und die nachfolgenden Zeilen haben den Zweck, die Beziehungen zwischen den hypnotischen Zuständen und der forensischen Medizin klarzulegen. Unter Hypnotismus versteht man im Anschluß an die von James Braid gegebene Definition eine durch künstliche Mittel hervor: gerufene Veränderung des Nervensystems, die sich zunächst durch allgemeine Abspannung zu erkennen gibt. Hervorrufen kann man diesen Zustand durch die verschiedenartigsten Manipulationen , die im Grunde aber alle darauf hinauslaufen, die Aufmerksamkeit der Versuchsperson auf einen bestimmten Punkt zu bannen ; am bequemsten dürfte die Methode sein, die der dänische Magnetiseur Hansen seiner Zeit anwandte und die darin besteht, das Subjeft einen leuchtenden Punkt firieren zu lassen. Ist das Individuum geeignet, so verfällt es bald in einen schlafähnlichen Zustand, in dem man dann mit ihm die mannigfaltigsten Experimente ausführen kann , die zum Teil wohl jedem Leser aus eigener Anschauung bekannt sind. Schaustellungen dieser Art sind ja leider in Deutschland keine Seltenheit mehr, und die Gerichte werden auch bei uns fich bald mit. der Frage beschäftigen müssen, ob derartige Vorführungen überhaupt gestattet werden dür: fen oder nicht . Schon im Jahre 1784 , als die zur Untersuchung des Mesmerismus eingesetzte Kommission ihren Bericht veröffentlichte, erschien daneben ein zweiter, von Bailly redigierter, der die Regierung auf die Gefahren aufmerksam machte , die aus der Praxis der Mesmeristen für die öffentliche Sittlichkeit er:
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wüchsen. In der Broschüre wird nachgewiesen, | die Gefahren für die Gesundheit, die sie in wie in zahlreichen Fällen die mysteriösen Mani- sich bergen , sind zu groß, um übersehen zu pulationen, die Intimität des so entstehenden werden. Wird nicht ein jeder Versuch mit der Verkehres und das ungestörte Beisammensein größten Sorgfalt ausgeführt, ist das Subjekt Anlaß zu unsittlichen Handlungen wurden, ja dem Operator nicht völlig bekannt oder dieser daß manche Personen nur aus diesem Grunde gar ein Neuling auf dem Gebiete, so können sich mit dem Magnetismus beschäftigten. Auch die Erperimente die schlimmsten Folgen für in neuerer Zeit sind manche solche Fälle vor das Nervensystem nach sich ziehen. Vor wenigen gekommen ) , und in England soll noch heute Monaten erst ist dem Magnetiseur Donato eine mesmerische Gesellschaft bestehen , welche in Stalien und neuerdings auch in Holland unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Unter die Erlaubnis entzogen worden, öffentliche suchungen ihr unmoralisches Treiben verbirgt. Vorstellungen zu geben , weil nachgewiesener Noch in einer anderen Beziehung können maßen drei seiner Subjekte nach den Erperidie hypnotischen Experimente mit der öffent menten erkrankt sind, und schon im Jahre 1880 lichen Rechtspflege in Konflikt kommen, denn wurden aus einem ähnlichen, wenn auch nicht stichhaltigen Grunde die Produktionen Hansens 1) Dr. Ladame , La Névrose hypnotique. polizeilich inhibiert. Da es denHerren jameistens Genf 1881, S. 13. Vgl . auch den interessanten hierher gehörigen Aufsatz Ladames in der Revue de l'Hyp- nur darauf ankommt, möglichst schnell frap notisme, Juli 1886, Paris . pierende Resultate zu erzielen und ihnen die
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འར་ཁོ་ རི་ ཡ
Der Pyrrhische Tanz.
| Versuchspersonen sonst ganz gleichgültig sind, da sie ferner die Nervendisposition des Subjettes nicht kennen und es daher oft falsch behandeln, so ist es kein Wunder, daß solche Sigungen für die öffentliche Gesundheit gefähr lich werden. Auch die Möglichkeit ist ins Auge zu fassen, daß neben den ernsteren Nervenstörungen eine gewisse Disposition für diese Zustände verbleibt und die Individuen spontanen Anfällen von Hypnotismus und Somnambulismus ausgesetzt sind. Tritt dieser Fall ein, so entsteht damit ein Problem, das, soviel mir bekannt, bisher von unseren Gerichtsärzten noch nicht in Angriff genommen worden ist und doch für die Frage der Zurechnungsfähigfeit die allergrößte Bedeutung hat. Das Wesen der Zurechnungsfähigkeit besteht bekanntlich darin, daß der Betreffende entweder unter dem Drucke einer stärkeren äußeren Gewalt gehandelt hat oder nicht im Besize eines normal entwickelten vernünftigen Willens ist. Zu der letteren Kategorie zählt man u. a. auch die Nachtwandler, welche unter dem Ein: flusse des Mondes, ohne sich dessen bewußt zu werden, Spaziergänge unternehmen , Möbel zertrümmern, stehlen und oft sogar sich selbst berauben. Dahin gehören nun ebenso diejenigen Personen, welche von selbst in hypnotische Zustände verfallen, denn auch bei ihnen ist die freie Selbstbestimmung verloren ge= gangen und an ihre Stelle der unbeschränkte Einfluß äußerer Gewalten getreten. Zwei sehr lehr: reiche Beispiele dieser Art sind von den Doktoren Motet ) und Dufay ) beobachtet worden ; die meisten solcher Fälle aber gehen unbemerkt an den Gerichten vorüber. Und doch könnte die Berücksichtigung dieser Möglichkeit gar manchen vor entehrender Strafe bewahren, der jetzt noch für Handlungen verurteilt wird, für die er in der That nicht verantwortlich ist. Mit vollem Rechte sagt Dr. Ladame: ,,Diese Thatsachen allein würden zu dem Beweise genügen , daß das Studium des Hypnotismus unentbehrlich für den Gerichtsarzt ist, der gar oft die Richter von der Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten wird überzeugen können." Ebenso ferner, wie ein Mensch im som 1) Motet, Annales d'Hygiène et de Médecine légale 1881 , d. V, S. 214, und Annales médicopsychologiques 1881 , b. I, G. 472. 2) Dufay, Revue scientifique, Dej. 1883, Bd. V.
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dem dafür nicht verantwortlich ist , ja daß er als Spielball in der Hand anderer sich selbst zu morden vermag. Man glaubt die Märchen eines Bulwer oder Edgar Poë zu lesen, wenn man die Berichte über solche Experimente durchblättert, und was nur irgend die ausschweifendste Phantasie zu ersinnen vermag. das sehen wir von Männern der Wissenschaft unwiderleglich festgestellt. Die Arbeiten von Liébault, Vernheim , Liégeois , Beaunis, Richet, Dumontpallier , Voisin, Bérillon, Magnin , Bitres und anderen bieten dem Dichter und Schriftsteller eine unerschöpfliche Fundgrube merkwürdigster Thatsachen, dem Juristen eine reiche Fülle von neuen, ungeahnten Komplikationen . Bisher hat nur Prof. Liégois ) diese Seite der Frage eingehender behandelt, doch ist die Zeit nicht mehr fern, wo unsere Gerichte sich mit ihr werden beschäftigen müssen. Denn nicht mur, daß man das somnambule Subjekt im Schlafe zum willenslosen Werkzeug degradieren. kann, nein auch im wachen Zustande steht es noch unter dem Einflusse der Suggestion und führt alles das aus, was man ihm im Schlafe befohlen hatte. Diese sogenannten posthypnotischen Experimente sind Gegenstand eines längeren Studiums meinerseits gewesen, und ich glaube mit Recht behaupten zu fönnen, daß sie für unsere Kriminalistit von höchstem Werte sind, doch will ich mich hier darauf beschränken, einige Beispiele aus der Erfahrung anderer anzuführen, und meine eigenen Untersuchungen gelegentlich in einem besonderen Aufsatze zusammenfassen. So erzählt der bekannte Pariser Advokat Charles Foureaur in der Zeitschrift La Loi " vom 4. November 1885 : Ich hypnotisierte ein Fräulein X in der Wohnung des Herrn Focachon und befahl ihr im Schlafe, am nächsten Tage zu einer bestimmten Stunde wiederzukommen, sich heimlich und mit größter Vorsicht einzuschleichen, ein Armband aus einem Schranke zu nehmen und es mir zu bringen. Man kann sich feine Vorstellung von der Pünktlichkeit und Genauig feit machen, mit der meine Befehle ausgeführt wurden , noch weniger aber von der erstaun= lichen Geschicklichkeit, die das Mädchen bei dem Diebstahle an den Tag legte. Ich hatte, hinter einer Glasthür verborgen, dem Vorgange zugeschaut, eilte dann nach meiner Wohnung zurück und wartete dort auf das Mädchen, das auch bald fant, mit unendlichen Vorsichtsmaßregeln das Kleinod aus der Tasche zog und es mir einhändigte." Foureaur erzählte nun weiter, daß Herr Focachon das Mädchen am selben Abend hypnotisierte, ihr aber nicht das Geständnis zu entreißen vermochte, wer sie zu dem Diebstahle verleitet hatte. Während des Schlafes entspinntsich dann folgende Unterredung, welche Anlaß zu einem neuen interessanten Erperimente wird: Teil des Festes der Weinlefe " (S. 408). Ich möchte mich an jemand rächen. Wollen Sie wissen, Sie mir helfen ? - Sogleich. und Dr. Mabille 2 ) berichtet von einem ähn meint man, daß es auf einem hohen Berge | daß Herr F....mein Feind ist. - Ich glaube Nun wohl , Sie werden ihn delichen Ereignisse. Ganz erschütternd wirkt die stände, so gibt es sich alle erdenkliche Mühe, es gern. Erzählung von jenem elenden Arzte, der eine um nicht herabzufallen u. f. w. Diese Sug- nunzieren ; gleich nach dem Erwachen werjunge Frau während ihrer Anfälle von Som gestionen lassen sich besonders leicht in dem den Sie an den Friedensrichter von Charmes nambulismus mißbrauchte, ohne daß sie das somnambulen Zustande erzeugen, wie Prof. schreiben, Sie wären angeklagt, ein Armband von irgend etwas ahnte ; als sie später die ihr Charcot eine der drei hypnotischen Perioden gestohlen zu haben, aber Sie wären unschuldig ; unerklärlichen Folgen bemerkte, wurde sie irr: genannt hat, weil da das Versuchssubjekt nichts der Schuldige sei vielmehr Herr F ... und sinnig und verfiel bei der Geburt des Kindes weiter als eine Maschine ist, die dem leisesten Sie hätten selbst gesehen , wie er den DiebAber das ist ja nicht wahr; Druck des Operators gehorcht. Das Subjekt stahl beging. in Tobsucht. Den ausgiebigsten Stoff für unsere Be denkt nur so weit, als es nötig ist , um die ich habe doch das Armband gestohlen. trachtungen bieten jedoch jene hypnotischen eingegebene Idee auszuführen, es thut, was schadet nicht , Sie werden es schreiben . Erscheinungen, welche durch Suggestion hervor man von ihm fordert und hat mit dem Er: Schön, aber wenn es doch nicht wahr ist .. wachen alles vergessen, was inzwischen mit ihm Doch, es ist wahr ; Sie sind ein viel zu gut 1) Ladame , Annales d'Hygiène et de Méde- vorgegangen ist. Es leuchtet ein, daß mittels cine légale, Juni 1882, S. 518. 1) Liégeois , De la suggestion hypnotique 2) Mabille, Annales médico - psychologiques der Suggestion der Hypnotisierte zu den größ dans ses rapports avec le droit civil et le droit ten Verbrechen verleitet werden fann und trot criminel. Nancy 1885. 1884, G. 83. nambulen Zustande handelt , ohne es zu wissen, ist er auch allen Anfechtungen aus gesetzt , ohne sich derselben erwehren zu können und ohne davon etwas im normalen Zustände zu wissen. Schon vor vier Jahren veröffent lichte Dr. Ladame einen Fall ) , wo ein junges Mädchen im hypnotischen Zustande geschändet worden war und beim Erwachen nicht die geringste Erinnerung an das Vorgefallene hatte,
gerufen werden. Unter Suggestion versteht man die willkürliche Erzeugung von Vorstellungen und Ideen bei den Hypnotisierten und unter Verbalsuggestion die Erzeugung von Gedankenreihen mittels des gesprochenen Wortes. Sagt man z . B. zu einem solchen Subjekte, daß es sehr heiß sei , so fängt es sofort an zu schwißen, spricht man von einem großen Lärm , so hält es sich die Ohren zu,
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Das Opfer Baals.
Von 6. Motte.
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Richard Voß. Der rote Streifen. 434:
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erzogenes Mädchen, um zu stehlen ! Verstehen | gens sehen ; ich werde Ihnen ein glückliches Aus dem Mitgeteilten scheint sich uns mit Sie mich wohl, Sie sind es nicht ! (Mit neues Jahr wünschen und dann sofort ver: | Notwendigkeit die Forderung zu ergeben, daß Ueberzeugung :) Nein, ich bin es nicht ! — Herr schwinden. Am Neujahrstage ereignete sich die Gerichtsärzte zu dem Studium des HypnotisF ... ist der Dieb, Sie haben es gesehen. nun folgendes : Die Dame befand sich um zehn mus verpflichtet werden, damit sie ein richtiges (Mit Energie :) Ja , ich habe es gesehen . Er Uhr in ihrem Zimmer, als sie klopfen hörte. Urteil über den Geisteszustand der Angeklagten ist es ! g Sie werden an den Friedensrichter | Als sie „ Herein" gerufen hatte, sah sie Prof. | fällen können. Vielleicht werden sie auch manchschreiben. Sofort. Beaunis zu ihrem großen Erstaunen einmal den hypnotischen Schlaf verwenden können, „ Bei ihrem Erwachen ist sie vollkommen treten und mit lauter Stimme ihr zum neuen um zu erfahren , was vorher mit dem Subvon der Wahrheit der Denunziation überzeugt, Jahr gratulieren. Gleich darauf ging er fort jekte vorgegangen war; aber wer würde es verfaßt selbst den Brief und hätte ihn auf die und , obwohl sie sofort an das Fenster trat, wagen , selbst in einem unbedeutenden Falle, Post getragen, wenn wir sie nicht wieder ein- | konnte sie ihn nicht mehr heraustreten sehen. sein Urteil auf den Aussagen eines Sominamgeschläfert hätten. Der Brief lautet : Was ihr besonders auffiel war , daß Prof. bulen zu begründen ? Man verbiete ferner im Charmes, 5. Oktober. Beaunis zu dieser Jahreszeit einen Früh Interesse der öffentlichen Sittlichkeit und der jahrsanzug trug (denselben , welchen er zur öffentlichen Gesundheit die hypnotischen SchauHerr Friedensrichter ! Ich möchte mich einer Pflicht entledigen. Zeit der Suggestion angehabt hatte). Troß- ftellungen ; man gestatte aber den Aerzten, den Diesen Morgen wurde bei Herrn Focachon dem man ihr bewies, daß Beaunis an jenem Hypnotismus als Heilmittel zu verwenden, ein Armband gestohlen, und ich bin für einen | Tage in Paris war , ja trok seiner eigenen und mache davon in den staatlichen KrankenAugenblick des Diebstahls angeklagt worden, späteren Versicherungen , ist sie noch heute vonhäusern Gebrauch. Die zahlreichen glücklichen jedoch vollkommen ungerechterweiſe , da ich | der Realität der Erscheinung überzeugt. Was | Kuren, welche die bedeutendsten Aerzte Frankgänzlich unschuldig bin. übrigens die Länge der Zwischenzeit betrifft, | reichs ausgeführt haben , beweisen , daß der Der Dieb ich muß ihn nennen, denn | so darf man nicht überſehen, daß der 1. Januar | Hypnotismus besonders für Nervenfranke von ich habe alles gesehen ist Herr F ... (der ein Datum ist, welches sich überaus leicht dem unschäßbarem Werte ist und daß es nur einer Name ist ausgeschrieben). Folgendermaßen Gedächtnisse einprägt , und daß daher dies richtigen Verwendung bedarf, um aus ihm die ereignete es sich. Er kam um 1 Uhr durch eine Experiment noch zu keinen Vermutungen größten Segnungen für die leidende Menschheit zu ziehen. Endlich aber eine Mahnung, die kleine Thür von der Rue du Four, schlich | Anlaß geben könnte. sich in den Salon des Herrn Focachon ein Die Folgerungen, welche sich aus der die sich an alle richtet : Man gebe sich nicht und ſtahl ein Armband der Frau Focachon, Möglichkeit solcher Thatsachen für die gericht leichtsinnig hypnotischen Experimenten hin, das sich in einem Schranke dicht am Fenster liche Praxis ergeben, brauchen wir wohl nicht denn das heißt seinen eigenen Willen preisbefand. Ich habe es gesehen. Er hat es in erst aufzuzählen. Thatsache ist, daß ganz ge- geben und sich zum bloßen Werkzeug eines seine Tasche gesteckt und ist dann fortge: sunde und normal denkende Menschen durch anderen Menschen degradieren , der dieses gangen. Ich schwöre, daß es so ist, wie ich hypnotische Behandlung zu willenlosen Werk Werkzeug beliebig zu seinen Zwecken verwenden es hiermit erkläre. Er allein ist der Dieb, zeugen herabsinken , falsches Zeugnis ablegen, kann. Ein Preisgeben seines Willens aber und ich bin bereit, es vor Gericht zubezeugen . die Wirklichkeit von Ereignissen beschwören, ist ein Preisgeben seiner Pflicht. (Unterschrift. ) die nie stattgehabt haben und auf lange Zeit „Keiner der Ausdrücke des Briefes ist ihr hinaus zu jedem Verbrechen bestimmt werden diktiert worden, und die lehte Phrase, wo sie können . Thatsache ist ferner , daß bei besonsich den Gerichten zur Verfügung stellt , ver- ders empfänglichen Subjekten nicht einmal dankt völlig der eigenen Initiative ihren Ur die Einschläferung nötig ist, sondern der ener Der rote Streifen. sprung. Jest hat sie alles vergessen und gisch ausgesprochene Befehl und die wiederDon würde ungemein erstaunt sein, wenn man ihr | holte Einprägung einer Idee vollkommen gedieſe Epiſode erzählte; sobald man es ihr jedoch nügt, um die oben angedeuteten Wirkungen Richard Boß. suggerierte, würde sie nicht verfehlen, ihr Zeug- hervorzurufen ¹). Diese Erkenntnis ist, nebennis vor Gericht niederzulegen und mit größter bei gesagt, vielleicht geeignet, Licht in den Aufrichtigkeit für Thatsachen einzutreten, welche berühmten Tisza- Eszlaer Prozeß zu bringen ; in Wirklichkeit nie existiert haben. “ die Aussagen des Knaben Morik Scharf Fines Abends im Hochsommer fuhr ich Wie man sieht, eröffnet sich für die Ver- sind wohl so entstanden , daß die steten Beauf der alten appischen Straße von brecher der Zukunft eine weite Perspektive. | Hauptungen einer von Juden verübten Greuel- Albano nach Rom. Es war starker Scirocco . Ohne sich selbst in die geringste Gefahr zu that, der lebhafte Wunsch , dem Knaben ein Ein dichter , gelber Brodem umqualmte begeben, können sie alle ihre Pläne ausführen, solches Geständnis zu entloden , seine rege Himmel und Erde; die Campagna lag verindem sie sich der posthypnotischen Suggestion | Einbildungskraft in dem Maße beeinflußten, sengt, und von der Küste her, wo die unund von der Küste her, wo die unbedienen, und sie können mit um so größerer daß allmählich das Bild jener Scene in ihm fengt, Ruhe operieren, da sie vor einem Verrate voll entstand , deren Wahrheit er nachher auf das geheuren Strecken der Stoppelfelder ankommen sicher find. Denn nichts in der Welt entschiedenste beteuerte. Auch die Herenpro- gezündet worden waren und schon seit vermag die hypnotischen Subjekte zu einem zeffe werden uns erst durch ähnliche Ueber- Tagen in Brand ſtanden, wehte der SüdGeständnisse zu bewegen , wenn ihnen im legungen psychologiſch_verſtändlich. wind die Gluten herüber. Es war wie Schlafe dasselbe verboten ist, und lieber erSchließlich sei noch mit wenigen Worten der Hauch des Samum . ſinnen sie die lächerlichsten Motive für ihre einer leßten Beziehung des Hypnotismus zur Längs der ganzen Kette des SabinerThat, ehe sie zugeben, aufAntrieb eines anderen Jurisprudenz gedacht, nämlich der Simulation zu handeln. So begegnete es mir, daß eine dieses Zustandes , um auf diesem Wege der gebirgs zog sich eine mißfarbige , maſſige Dunstschicht hin,, über über welche Spizen die Spigen welche die junge Dame, welche in schönster Eintracht mit Strafe zu entgehen. Ein solcher Fall wurde Dunstschicht hin Scalandrone gleich Gennaro Monte und des apdes chambre ihrer Mutter lebte, dieselbe beschuldigte, sie in neulich in Paris vor der ihrer Kindheit mißhandelt zu haben, und zwar pels de police correctionelle verhandelt, wo Felseninseln aufragten. Von dem Soracte nur deshalb, un einen Mordanfall zu moti eine junge , des Diebstahls angeklagte Frau und dem schönen Höhenzuge des Ciminivieren, den ich ihr suggeriert hatte und den behauptete , unter dem Einfluß einer Sug waldes war nichts zu sehen . sie wirklich ausgeführt hätte , wenn sie nicht gestion gehandelt zu haben . Eine eingehende Staub, überall Staub! Staub erfüllte. zur rechten Zeit daran gehindert worden wäre. Prüfung durch die Professoren Charcot, die Luft, Staub lag fußhoch auf der LandHier lag zwischen den Tage der Suggestion Brouardel, Motet ergab jedoch, daß die Staub hüllte jeden Gegenstand ein; und dem Lage der Ausführung ein Zwischen Frau gar nicht hypnotisch beeinflußbar war straße, eine dichte Staubkruste überzog alle die raum von zwölf Tagen, ein Beweis, daß die und die bei ihr auftretenden Erscheinungen zahlreichen Eindrücke der Zwischenzeit die Wir in das Gebiet der Hysterie gehörten. Jede verdorrten Pflanzen und Blumen am Wege, fung der Suggestion nicht abschwächen, son- Simulierung hypnotischer Zustände läßt sich so daß die ganze Begetation versteinert dern dieselbe zu genau der Stundé cintritt, nämlich sofort an dem Fehlen gewisser physt erschien. Die Pferde, der Wagen und dessen für welche sie festgesezt ist. Ja, Professor scher Kennzeichen erkennen, die künstlich nicht Insassen waren staubbedeckt ; mit jedem Beaunis ) berichtet sogar einen Fall , wo nachgeahmt werden können, während die psy- Atemzuge schluckte man Staub , feinen , zwischen der Suggestion und ihrer Realisierung chischen Phänomene der Täuschung unterliegen. heißen Staub. 172 Tage lagen. Am 14. Juli 1884 nämlich Am Wege Grab an Grab, Ruine an sagte er zu einer Dame in Nancy : ' „ Sie werhatte ich die Via Appia 1) Der berühmte Physiologe Prof. Ch. Nichet hat Ruine. Nicmalstotenhaften Stimmung gesolchen ciner Bulletin de in konstatiert. le Vgl. zahlreiche solcher Fälle la den mich am 1. Januar 1885 zehn Ühr mor | Sociôté de Biologie, Januar 1882 , S. 21 ; L'homme Bulletin de la Soc. fchen, niemals sie so sehr einem ungeheuren 1883 G. 528 ; de et l'intelligence la Soc . de Psych. de Biol . 1881. 6. 558 ; ,'Bulletin 1) Bulletin de la Société de Psychologie physioKirchhof gleich gefunden. Ich konnte mir logique 1885 , Vd . I, S. 20 . 19
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vorstellen, daß die Toten ihre Grüste zer- | Nebenmann, ein blutjungerhübscher Mensch, er ihnen unentriunbar verfallen ist. Und trümmert hätten und ihnen entstiegen wären. mit einem Blick, einer Miene, die ich nie ich sah es durch die graue Dämmerung Wie geſchleifte, zerstückte Leichname lagen vergessen werde, fuhr nach seinem Hut und hinter den roten Gestalten dahinschleichen, das ganze Heer der Rachegeister, die, nachlängs des Weges auf den verbrannten grüßte mich: scheu, fast demütig. Gräsern der Steppe die zertrümmerten Und dasselbe that nach diesem ersten dem sie den Mörder zur That gezwungen, Statuen neben den offenen Sarkophagen ; ein zweiter , dritter und vierter ; dasselbe ihn jagen und hchen : böses Gewissen und und die aufgeborſtenen Grabkammern, mit thaten alle die anderen, alle grüßten sie mich! Reue, Angst vor irdischer Strafe und Entden einsamen Cypressen machten einen Es war, als ob die ganze Schar von Uebel sehen vor einer himmlischen Vergeltung. Zu lebenslänglicher Zwangsarbeit vergeradezu spukhaften Eindruck auf mich. thätern und Verdammten das Bedürfnis Lotenstille herrschte, schweres Schweigen fühlte, wieder in Zusammenhang mit der urteilt ! Wie, wenn ein Unschuldiger darruhte über diesem Landschaftsbilde , das kultivierten Menschheit zu treten; als ob unter war wie eine antife Tragödie auf mich wirkte. alle diese Mörder von dem Verlangen beIch erstickte den Schrei , der sich auf Die Sonne ging unter. Ueber Rom seelt würden , einem Menschen aus jener meine Lippen drängen wollte, ich schloß Alz ich sie ſtieg am Horizont plöglich eine Lohe empor, Welt , die ihnen für immer verschlossen vor Entschen die Augen . als brächen Flammen aus dem Himmel. war, ihre Achtung zu bezeigen. Indem sie wieder öffnete, waren die letzten vorüberPurpurne Strahlen durchschoffen die Nebel, mich grüßten, mochten sie die dumpfe Em- gezogen. Ich hätte alles für einen Traum eine dunkle Röte floß über die Steppe, pfindung haben, daß sie doch noch in Genehmen können ; doch durch die feierliche breitete sich weithin wie Glanz eines Nord- meinschaft mit der Gesellschaft standen; und Stille der anbrechenden Nacht tönte noch lichtes, so daß feuerfarbenes Gewölk Rom es mochte eine Art von Beruhigung und immer das Klirren der Ketten. umstrahlte. Jeden Hügel der Stadt konnte Genugthuung für sie sein, daß ich mich Es war seltsam : in meiner Phantasie ich erkennen ; jeder leuchtete auf. nicht von ihnen abwendete. Sie sahen, wie blieb der Zug der gefangenen Mörder durch Wenige Augenblicke nur und das herr- ich ihren demütigen Gruß erwiderte, ernst die sommerliche, abendliche Campagna als liche Schauspiel war verschwunden , die haft und mit einer Erschütterung, die sich der lange, breite, scharlachrote Streifen Sonne untergegangen , aller Glanz von in meinen Augen widerspiegeln mußte, haften, als der er mir zuerst erschienen düstern Nebeln erstickt, alles Licht erlöschen. die sie auf meinem Gesicht lesen konnten. war. Ich sah die braune Steppe von der Es dämmerte. Aber was für Gestalten , was für roten Linie durchzogen. Aus dem Thal Das Grabmal der Metella lag vor Physiognomien ! Die meisten das mußte der Egeria stieg es auf, schlängelte sich mir , als ich etwas erblickte , das ich im ich gestehen geradezu bestialische Eri- über die verbrannte Flur, quoll an den ersten Augenblick für eine Hallucination hielt. stenzen, wirklich der Auswurf der Mensch- Fundamenten des Grabes der Cäcilia MeEs war ein langer, breiter, scharlachroter heit; den meisten stand es an der Stirn tella empor, glitt auf der appischen Straße Streifen; von dem Hain der Egeria her geschrieben : Mörder ! Die meisten flößten dahin, unter deren Cypressen und Totenzog es sich über die Campagna bis zu dem mir nicht Mitgefühl, sondern Entsehen ein. denkmälern es in der Dämmerung endlich Grabmal hin. Aber die leuchtende Linie Es waren welke Greise darunter und verlöschte. bewegte sich; es war wie ein ungeheurer junge Männer, fast noch Knaben ; es waren, Schon nach einigen Tagen befand ich Blutstrom, der bei dem Steineichenhain das wußte ich, darunter Leute, die mehr als mich wiederum vor dem Thor San Se= aus der Tiefe aufquoll und in einer breiten zehn Totschläge auf dem Gewissen hatten. bastiano ; dieses Mal zu Fuß . Bei dem Furche der Gräberstraße zufloß . Zugleich Die meisten zu lebenslänglicher Zwangs- Kirchlein ,,Domine quo vadis?" dem from= vernahm ich ein eigentümliches Geräusch, arbeit verurteilt und keiner von allen diesen men Lokal einer der schönsten christlichen wie Geflirr von Ketten . hatte eine Strafe unter fünfundzwanzig Legenden, schlug ich den mir so wohl beWas konnte das sein? Jahren abzübüßen. kannten Seitenweg ein, welcher von der Wir kamen der Erscheinung näher. Der Bei wenigen nur gewahrte ich Scham, appischen Straße in diephantastischen Niederote Streifen zog sich vom Grabmal der bei einigen Niedergeschlagenheit, bei fast rungen des Almo führt. Eine fräftige Metella fort auf die Straße hinüber. Ich allen Gleichgültigkeit und Stumpfheit, oder Tramontana hatte den erschlaffenden Scicrfannte: es war ein unabsehbarer Zug mühsam gebändigte Leidenschaft, kaum ver- rocco verdrängt, die Dünste hinweggefegt, die von Männern in hochroter Kleidung, hoch- hehlten Haß. Aber alle grüßten mich, und Luft gereinigt und die Hige gemildert. Es war noch früh am Morgen. Ein Chor von rot die Hose, hochrot der Rock, hochrot die es waren mehr als zweihundert. An cinem jeden dieser zweihundert klebte Lerchen begrüßte den leuchtenden Tag, aber Kopfbedeckung. Die Schar wurde von Soldaten mit schußbereiter Waffe eskortiert. Blut, ein jeder hatte Blut vergoffen, jeder da vernahm ich schon wieder, durch allen Jeht erreichten die ersten unseren hatte etwas Entfehliches begangen, etwas Jubel ihrer Lieder, jenes scharfe, rafselnde, Wagen. Der Kutscher mußte zur Seite Furchtbares erlebt und gesehen. Um alle furchtbare Klirren . Ich hörte die Ketten, fahren und die Pferde anhalten , um den diese zweihundert hlutroten Gestalten schien lange bevor ich die Gefesselten , die sich in Zug vorbeizulassen. Und nun sah ich der feuchte Dunst des Mordes zu schweben. einer Senkung befanden, sah. Dann kamen auch das: ein Gewirr schwerer Ketten, Die Geschichte aller dieser Verbrecher sie mir zu Gesicht, dann strahlte es grellgleich einem eisernen Neße die Straße über zu kennen, in den Seelen aller dieser Mörder rot auf, als hätten sämtliche Kardinäle der spannend. Sie waren an den Füßen ge- zu lesen, zu beobachten, wie darin der erste Christenheit ihren Scharlach über die Camfesselt, immer zwölf zusammen; außerdem Gedanke, die erste mordlustige Regung ent: pagna gebreitet, über diese gewaltige Gruft zwei und zwei mittels einer eisernen Stange standen, wie sie wuchs und wuchs, wie sie der antiken Welt und der olympischen aneinander geschmiedet. zum Entschluß ward , der Entschluß zur Götter. Sie waren beschäftigt , einen Sumpf Es waren Sträflinge , deren Arbeits- Ausführung. fraft der Staat zur Kultivierung der CamVon welchen Leidenschaften hätte man zu entwässern , 3zogen Gräben, warfen pagna benutt; es war die Abteilung der da erfahren, in welche Abgründe geblickt ! Dämme auf, legten Röhren. So beteiligten Mörder. Alle waren sie Mörder ! Der nach dem Ebenbilde Gottes erschaffene fich diese Totschläger und Feinde des allIch saß aufrecht im Wagen und sah Mensch als blutdürftiges , rasendes Tier, gemeinen Wohles an dem großen Kulturauf die an mir Vorbeiziehenden hinab : in wie ein solches die Beute belauernd , sich werk der Gegenwart : die fieberschwangere römische Wildnis in ein gesundes, frucht dieser Landschaft dieſe grellroten Gestalten ! auf sie stürzend, sie zerfleischend . Da erlebte ich etwas Seltjames. Neben dem Zuge der Mörder sah ich tragendes Ackerland zu verwandeln. Sie, Die ersten waren an mir vorbei die Dämonen des Menschengeschlechtes die gemordet hatten, halfen durch ihrer geschritten, entweder frech oder trozig. Auch schreiten: Haß und Neid , Wollust und Hände Arbeit das Leben des römischen fie sahen mich an , entweder feindselig oder Eifersucht , Rachsucht und Begierde ; alle Volkes zu erhalten ; fie, die geraubt hatten, schamlos. Dann kam einer, welcher sich die finsteren Gewalten , die Macht über trugen dazu bei, Besitz und Wohlstand zu schämte. Dieser senkte den Kopf vor mir den Menschen gewinnen, die den Menschen vermehren. und wagte nicht aufzuschauen. Aber sein reizen und stacheln, bis sie ihn packen, bis Ich beobachtete fie : es waren vortreff-
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liche Arbeiter ! Selten hatten die wachhal- | tenden Soldaten nötig, einen oder den anderen anzutreiben . Sie arbeiteten unter tiefem Schweigen, nur dann und wann hörte man ein halblautes Wort oder einen Zuruf. Aber still war es nicht, wo sie sich befanden : ununterbrochen klirrten an ihren Füßen die Ketten ununterbrochen jubiLierten über ihren Häuptern die Lerchen. Einen tiefen Eindruck machte es auf mich, als die ganze Schar, sobald die Sonne höher stieg und der Tag heiß zu werden anfing, zu singen begann : eine alte Schauerballade, deren Held einen Mord aus Rache begeht. Das Lied war eine Verherrlichung des Totschlages , und mehr als zweihundert in Ketten gelegte Totschläger sangen es . Als die Stunde der Rast gekommen, warfen sie ihre Geräte fort , stellten sich in Reih und Glied und wurden von ihren Wächtern in den Schatten des Hügels geführt, darin sich die Grotte der Egeria befindet und auf dessen Höhe der Hain jener Nymphe liegt. Hier lagerten sie sich, und ich sah die phantastischen Stätten von den roten Gestalten erfüllt. Immer stärker zog es mich zu den Verbrecherscharen, immer von neuem kam ich. Ich machte die Bekanntschaft der Offiziere, welche die wachhabende Mannschaft befehligten, ich wurde mit den Soldaten vertraut, ich durfte mich unter die Mörder mischen, mit ihnen mich niederlassen, wenn sie rasteten, mit ihnen marschieren, wurden fie abends in die Kasematten zurückgeführt. Ich erfuhr ihre Lebensweise, ihren Gemütszustand, ihre Verbrechen, ich erfuhr vieles davon aus ihrem eigenen Munde Die Ketten lassen sich so wenig von ihrem Körper lösen, wie die Verbrechen von ihren Seelen: sie arbeiten in Ketten , sie beten in Ketten, sie schlafen in Ketten, in Ketten sterben sie ! Ihre Sträflingstracht ist so eingerichtet, daß fic dieselbe wechseln können, ohne der Banden entledigt zu werden. Sie werden gut gehalten, ihre Arbeit wird ihnen sogar mit einem geringen Prozentsak bezahlt und der Erwerb für sie aufgehoben. Sie können mit dem Gelde ihre Nahrung verbessern, und ist die Strafzeit vorüber, so ist das übrige zu einem kleinen Kapital angewachsen. Um den Verbrechern jeden Fluchtversuch zu erschweren, wechseln die Provinzen ihre Gefangenen aus ; diejenigen Mörder, deren Bekanntschaft ich vor dem Sebaſtianischen Thore machte , waren Sicilianer. Für manche von diesen war der Totschlag ein Handwerk gewesen, ein Sport. Uebrigens kommt es selten vor, daß Fluchtversuche unternommen werden ; ich Hörte kaum davon reden. Auch vernahm ich von keiner Revolte unter den Gefangenen. Die Freiheit scheint für die meisten ihren Reiz verloren zu haben. Bald lernte ich unter ihnen vier verschiedene Gattungen von Mördern unter: scheiden. Diese vier Klassen scheinen mir typisch zu sein. Es gibt einen Mörder aus innerer Anlage. Er mordet, einem bestialischen Triebe folgend ; es ist bei ihm fast einé Naturnotwendigkeit. Dann der Berufs-
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mörder : einer, der den Mord als Geschäft | schlachtet ! Sie zerlegen den Leichnam, betreibt ; also der Bandit. Der Gelegen schaffen des Nachts Stück für Stück hinheitsmörder. Dieser denkt nicht an den aus aufs Feld , scharren ihn ein. Leber Totschlag : aber bei irgend einer Gelegen- und Herz behalten sie zurück, Leber und heit werden seine Begierden geweckt ; und Herz verkaufen sie anderen Tages zuſammen diese Gelegenheit macht ihn zum Diebe, mit den Eingeweiden geschlachteter Tiere. Unterdessen vermissen die Eltern den zum Räuber und Mörder. Er thut es gewöhnlich ohne Ueberlegung , ohne zu Sohn ; sie kommen zu ihren Feinden ; sie wissen, was er thut : es machte sich eben fragen, sie hören : ihr Sohn ſei dagewesen, fo . Zur vierten Gattung gehört der Mör- fei als Werber angenommen worden und der, der in seiner Leidenschaft tötet. Die voller Freuden davongegangen . Die Tochter gewöhnlichsten Motive dieser That sind : kehrt nach einigen Tagen von dem Besuche verschmähte Liebe, Neid, Eifersucht, Haß, bei der Gevatterin zurück , die freudigste Blutrache. Erwartung macht sie eilen; sie wundert Ich lernte alle vier Typen kennen und sich, daß ihr Geliebter ihr nicht entgegenkönnte von jedem derselben Beispiele über kommt , sie tritt ins Haus , sie wirft sich Beispiele anführen. Doch will ich nicht ihren Eltern an den Hals, sie dankt ihnen da bringt man den zerstückten Leichvon dem berichten, was mir erzählt worden ist, sondern von dem, was ich selbst erlebt nam , den der Hund eines Hirten aufgescharrt hatte. habe. Die Thäter leugneten die That nicht, MeinBeispiel jenes ersten Mördertypus ist über jeden Ausdruck gräßlich. Die und Carabinieri führten sie sogleich gefesselt antike Sage hat dergleichen Greuelgeschich- auf einem Caretto nach Rom . Wäre der ten aufzuweisen, und auch hier nur in dem Wagen nicht von einer starken Eskorte ungeheuerlichen Geschlecht des Tantalus . begleitet gewesen , so hätte das Volk die Das Gegenstück zu dem Morde der Atriden Mörder gelyncht. Ich sah die beiden Bestien erlebte ich vergangenes Jahr in Monticelli. (der Sohn hatte sich in die Macchien Dort, dicht unter dem Monte Gennaro, geflüchtet) . Der Mann blickte stumpf und liegt die graue Bergstadt, inmitten der öden gleichgültig, das Weib schaute frech drein. Campagna. Von Livoli aus wanderte ich Ein würdiger Mann, Bürger aus Montieines Frühlingstages hin und fand den celli, erzählte mir – und als Erzählung er wüßte von kleinen Ort in hellem Aufruhr. Die Gassen schreibe ich es nieder gellten von dem Geschrei der Männer und zwei ähnlichen Mordthaten, im Zeitraum dem Geheul der Weiber, darein sich Ver- eines Menschenalters an demselben Ort wünschungen und Drohungen mischten . verübt . Wie aber das römische Volk ein solches Das Volk war wie rasend, so daß ich nur mit Mühe das Geschehene erfahren konnte. ungeheuerliches Ereignis seinem Aberglau- Ein Mord war vor einiger Zeit verübt ben dienstbar macht, möge bei dieser Ge und gerade an diesem Tage entdeckt wor | legenheit erwähnt werden. Von dem Erlebten noch ganz in meinen den ; zugleich mit der That auch die Thäter. Diese waren ein Schlächter und sein Weib ; Nerven zerrüttet , kam ich nach Hause, wo ein junger Sohn hatte gleichfalls geholfen. ich meiner Frau im Beisein unserer DienſtDas Ehepaar besaß noch ein zweites Kind, leute das Gräßliche erzählte. Die Leute eine Tochter , die mit dem Sohne einer gerieten in die leidenschaftlichste Aufregung, feindlichen Familie ein Verhältnis hatte. und Rosa Principini , unsere langjährige, Es war ein wohlgeratener, blutjunger getreue, prächtige Dienerin, deren seltsame hübscher Mensch ; aber die Mutter des Lebensgeschichte ich bei einer anderen GeMädchens that ein Gelöbnis : „ Cher gäbe | legenheit erzählen werde, schien darüber einen fie des Jünglings Herz und Leber den Anfall von Raserei zu bekommen. Sie Leuten zu essen , als daß er ihre Tochter lief aus dem Zimmer und kam gleich wie"1 der, mit funkelnden Augen und keuchendem zur Frau bekäme." Doch die beiden lassen nicht voncin- Atem, ein Buch in der Hand : das Lottoander. Plötzlich scheinen des Mädchens und Tombolabuch. Eltern anderen Sinnes zu werden. Sie Sogleich fielen alle über das Buch her. Mörder!" Das Bild eines Mörders zeigen sich der Sache geneigt, begegnen dem jungen Menschen freundlich, machen ward aufgesucht und die darunter befindihn zutraulich, entfernen eines Tages die liche Zahl verzeichnet. „ Liebespaar ! " Man Tochter, dieselbe zu einer Gevatterin nach | suchte und notierte das Liebespaar. „ Hund ! “ Palombaro schickend, und laden den GcGe (Denn ein Hund hatte zur Entdeckung des liebten zu sich ins Haus, um sich mit ihm Mordes geholfen .) Auch der Hund that über die Heirat zu verständigen. Die Ver- seine Schuldigkeit und lieferte seine glücklobten sind glückselig. Gehorsam begibt bringende Nummer ab. Als vierten Gegendie Tochter sich fort, voll der schönsten stand acceptierte man nach langer Debatte Hoffnung ; im besten Glauben erscheint der die Zahl 12 ; denn in zwölf Theile war junge Mensch in dem feindlichen Hause. der Körper des Ermordeten zerstückt worden. Man empfängt ihn freundlich, seht ihm Alle unsere Leute sehten die vier MordSpeise und Trank vor, sagt ihm die Tochter nummern im Lotto, zuversichtlich auf einen zu, zeigt ihm das ganze Haus, führt ihn Gewinn rechnend . Bis zur nächsten Zichung Hier geschieht waren sie zu nichts zu gebrauchen ; und auch in den Keller. das Furchtbare : Vater, Mutter und Bruder wirklich kamen von den vier Nummern drei überwältigen den Aermsten : er wird ge- heraus-leider ! Rosa behauptete : hätten bunden , getötet , wird wie ein Tier ge- sie statt „ Liebespaar“ „ Eltern " geseht, so
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442 würden sie cine Quaterne gewonnen haben. Das Liebespaar sei schuld daran, daß es nur eine Terne geworden. Zu meinen Mördertypen zurückkehrend, ein Beispiel der zweiten Ordnung. Ich befand mich im Volskergebirge, mitten in den großen Felsenöden zwischen Cori und Segni , also gerade in der ver rufensten Gegend. Ich war allein , ich verirrte mich, die Nacht brach herein. Da sah ich den Schein eines Feuers ; an Banditen dachte ich nicht, sondern hielt das Feuer für eines , das Hirten sich angezündet. Ich ging also hin, mich im stillen beglückwünschend, für die Nacht wenigstens ein Unterkommen gefunden zu haben, mit der Aussicht auf Milch, Käse, Ricotta und Brot, mit der Hoffnung, morgen auf den rechten Weg geführt zu werden. Indem ich mich dem Feuer näherte, fiel mir auf, daß keine Hunde anschlugen. Hirten waren es also nicht , wohl auch schwerlich Jäger. Ich zauderte, ich über legte, ich ging weiter. Dann sah ich sie. Es waren zwei Männer , wie wohl habende volskische Bauern gekleidet ; sie lagerten am Feuer, ihre Büchsen neben sich. Der eine, eine mächtige Gestalt, hatte grellrotes Haar und eine wahre Mähne von Bart ; der andere war klein, häßlich, braun wie ein Afrikaner, ein rechtes Galgengesicht. Sie hatten mich bereits gesehen, es war also zu spät , zurückzuweichen. Der eine sprang auf, der andere griff nach der Büchse. Ich trat in Gottes Namen näher. „Wer seid Jhr ?" Ich sagte es ihnen : ein Künstler (der "/ Poet" würde mir schwerlich etwas geholfen haben), und ich sehte hinzu, daß ich mich verirrt hätte. Dann bat ich , mich am Feuer lagern zu lassen und mir etwas zu essen zu geben. Ich that sehr harmlos, als ob eine Begegnung mit bewaffneten Männern von solchen Physiognomien des Nachts in den volskischen Bergen die natürlichste Sache von der Welt wäre. Der Rotbart musterte mich, rief seinem Gefährten einige mir unverständliche Worte зи und bedeutete mir, zu bleiben. Der andere brachte zu essen : Brot und geräuchertes Wildbret. Nun lagerten wir uns . Ich begann frampfhaft zu kauen und aufge: regt zu schwazen von diesem und jenem. Schließlich brachte ich das Gespräch auf die schlechten Zeiten und daß ich ein armer Teufel sei, der in Rom nichts zu verdienen fände und nun das Land durchzöge ; mein Gepäck hätte ich in Cori gelassen , wohin ich wieder zurück wollte (was auch der Fall war). Ich pries das wilde Volskerland und das wilde Volskervolk , erzählte von Deutschland, von der großen Stadt "Berlino " , von dem Imperatore Guglielmo" und dem „ Principe Bismarck " . Da begannen sie lebhaft zu werden . Und als ich ihnen versicherte, daß auch für uns ihr Garibaldi ein großer Held wäre, wurden wir ganz vertraut miteinander. Sie berichteten mir von allem möglichen ; nur über ihr Leben in den Felsenbergen mochten sie nicht reden. Ich war auch gar nicht neugierig .
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Dann streckten wir uns zum Schlafen aus ; ich schlief auch wirklich ein. Früh erwachte ich . Meine beiden Wirte ruhten noch; doch mochte ich michnicht fortschleichen, ohne ihnen für ihre Gastfreundschaft gedankt zu haben. So wartete ich denn ihr Erwachen ab , ließ mir sagen , wohin ich zu gehen hätte, und nahm Abschied von ihnen. Dabei wollte ich dem einen , dem Kleinen , ein Zweilirestück in die Hand drücken ; aber der kleine wollte die zwei Lire nicht nehmen. Das war eine Neuig keit ! Ein Italiener schlug Geld aus ! So erlebt der Mensch doch immer noch Wunder. Als beste Freunde schieden wir. In Segni erfuhr ich dann, bei wem ich über nachtet hatte : bei niemand Geringerem als bei dem berüchtigten Barbaroſſa. Der Mann wurde mir in der Volsker stadt von allen Seiten gerühmt : er sei ein Galantuomo . Das konnte ich bezeugen. es sei als Bei Ein zweites Mal spiel für meinen dritten Typus erzählt hätte es mir schlimmer ergehen können ; allerdings hatte ich es dabei mit keinen Galantuomo zu thun. Das Lokal dieses Abenteuers war in Rom selbst ; ganz nahe beim Kolosseum, und es geschah am hellen Tage, gegen Mittag. Dort , beim flavischen Amphitheater, hatte ich einen Lieblingsplay, eine Vigna oberhalb der Titusthermen . Man
und sich in meiner Nähe ins Gras niederstreckte. Zufällig von meinem Buch aufsehend, gewahrte ich einen jungen Menschen in der Tracht sabinischer Hirten . Es war ein hübscher brauner Bursche, mit prachtvollen dunkeln Augen, die er unverwandt auf mich gerichtet hielt. Ich redete ihn an. Zuerst verstand ich kein Wort seines Dialektes ; doch schließlich geriet ich in eine lebhafte Unterhaltung mit ihm . Er war aus Serrone , einem jammervollen Bergnest , wo kein Grashalm_gedeiht, wo die Einwohner Hungers sterben müssen, wandern sie im Herbst nicht aus, um sich im Römischen als Feldarbeiter zu verdingen . Das hatte auch er gethan und in den Kastanienwäldern des Cavo- und des Algidumthales, die abgeschlagen und gleich an Ort und Stelle zu Kohle verbrannt wurden, Beschäftigung gefunden. Er wurde gut bezahlt und hatte überdies in jenen gesunden Gegenden nichts von der Malaria zu befürchten, daran an anderen Plätzen die Arbeiter wie die Fliegen starben. Zu Ostern hatte er sich ein Vergnügen machen wollen und war nach Rom gekommen zum erstenmal in seinem Leben. Das war eine Stadt ! Alle die Kirchen und im Corso die prächtigen Sachen . Wer die hätte ! Seine Augen funkelten, als er mir alle die Herrlichkeiten schilderte. Vieles noch plauderten wir miteinander,
gelangt zu der schönen Stelle, wenn man von San Pietro in Vincoli der Polveriera zugeht und sodann den ersten Weg linker Hand zwischen den Mauern einschlägt. Jezt hat auch hier das neue Rom begonnen, das alte , göttliche Rom zu zerstören ; so daß der einst entzückende Ört um alle seine Reize gekommen ist . Vor fünf Jahren noch war es droben selbst bei Tage tief einsam . Am schönsten war der Platz im Frühling ; dann leuchtete die grüne Wiese von Anemonen und Tazetten , Lorbeer mit seinen hellen Blüten wedeln , Laurustinus mit seiner Fülle schneeiger Blumen und viele andere Pflanzen des Südens schufen den einsamen Ort in den köstlichsten wilden Garten um. Ich kam häufig hin , auf den Trümmern von Neros goldenem Hause meine Vormittage verträumend. Vor mir die braunen Massen des Kolosseums, daraus mannshoch silbergrauer wilder Fenchel aufschoß und die mit leuchtendem Goldlack überzogen waren. Vor mir der Cölius mit seinen Kirchen und Klöstern , seinen Cypressengärten und phantastischen Wüsteneien, und vor mir der Lateran mit dem Gennaro, die Campagna mit dem Albanergebirge. Ich pflegte mich am Rande eines niedrigen Mauerwerkes niederzulassen, das mir als Lehne diente. Diese Brüstung umschloß einen Lichtschacht, der rund wie eine Cisterne und tief wie ein Abgrund bis in die unteren Geschosse des neronischen Hauses hinabführte, wo sich in den Korridoren die berühmten Grotesken befinden. Dort lag ich mit meinem Tacitus auch eines Mittags im März ; so vertieft in meine Lektüre, daß ich ganz überhörte, wie jemand kam
und er gefiel mir immer besser, so daß ich an dem aufgeweckten, heiteren Burschen meine Freude hatte. Endlich erhob ich mich , auch er stand auf. Mit einer unwiderstehlich liebenswürdigen Naivität bat er mich um eine Cigarre , um den Reſt einer solchen. Da ich kein Raucher bin, wollte ich meinem Sabiner statt des Tabaks Geld geben ; ich war eben im Begriff in die Tasche zu greifen, als ich sah, wie die Augen des Burschen sich auf meine Hand hefteten , mit einem so glühenden, begehrlichen , gierigen Blick , daß ich unwillkürlich vor ihm zurückwich. Doch in demselben Augenblick hatte er sich schon auf mich gestürzt, meinen Arm gepackt und versuchte nun, mir einen Ring, den ich am Finger trug , zu rauben . Es war ein schmaler Goldreif mit einem wenig wertvollen , aber sehr leuchtenden Stein. Ich hielt die Faust geschlossen und rang mit ihm. Ein förmlicher Kampf entspann sich ; mein Angreifer umfaßte mich und drängte mich mehr und mehr jenem Lichtschacht zu. Zugleich merkte ich , wie er sein Meſſer zu ziehen versuchte. Ich war mir bewußt: wenn du ihm den Ring nicht lässest, tötet er dich, wirft dich in den Abgrund ! Aber ich hielt meine Hand wie im Krampf zufammengeballt. Schon fühlte ich mich mit dem Rücken gegen die Brüstung gestoßen, fühlte mich bereits mit halbem Leib über die Tiefe gedrängt. Ein Schwindel ergriff mich, vor meinen Augen ward es Nacht. Da entriß mir der Räuber den Ring, da ließ er mich fahren . Halb bewußtlos glitt ich auf den Boden nieder. Noch heute bin ich überzeugt, daß nur Z
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die plöglich geweckte wilde Begierde es | Stricken gebunden und halb tot geschla- | aufgehalten hat, kennt das Kloster vor dem war , welche einen sonst nicht verbreche- gen. Die Sippe der Mißhandelten, den Sankt Paulsthor, jenes berühmte Kirchenrischen Menschen zum Raube antrieb , der Bruder an der Spike , zieht vor das gut mit den drei heiligen Quellen, welche leicht zum Morde hätte werden können. Haus des Ehemanns ; der Bruder fragt auf der Richtstätte des Apostels hervorAls lestes cin Begebnis edlerer Art. nach seiner Schwester , der Mann ver- brachen; an den drei Stellen, wo das Haupt Vergangenen Frühling und Sommer weigert ihm die Auskunft. Nun hält des Märtyrers dreimal auf dem Boden aufbrachten wir in Tivoli zu. Es war in ihm der Bruder vor , was er soeben ge- sprang. Das Kloster gehört den Trappisten . demselben Jahre , da ich Zeuge der Ab- hört : ob das wahr sei ? Es sei wahr. — führung jenes Mörderpaares von Monti- Ob er künftig sein Weib besser behandeln Wenige Miglien von Rom entfernt, lag es celli gewesen und im Dom von Vicovaro | wolle ? Das wisse er nicht ; er habe noch bis vor kurzem in einer pestschwaneinerunvergeßlichen Scene beigewohnthatte : das Recht , sein Weib zu schlagen. Der geren Umgebung von Sumpf und Wildnis, am Altare die Leiche eines Erschlagenen und Bruder fragt nochmals , der Mann ant zwischen gänzlich kahlen , unfruchtbaren darum herum die Weiber der beiden Sippen, wortet in ähnlicher brutaler Weise. Darauf Höhenzügen. Grub man die Erde auf, des Mörders und des Gemordeten, gegen zieht der Jüngling ganz gelaſſen ſein Dolch so fand sich bereits in wenigen Zoll Tiefe seitig sich Flüche ins Gesicht schleudernd messer und stößt es dem Schwager ins das Grundwasser. Die Mönche von Tre fontane waren, das wußten sie selbst, einem und einander verwünschend. Beide Creig- Herz. nisse fanden in den ersten zwei Wochen Ganz gelassen fand ich den Mörder sicheren Tode verfallen ; mancher brauchte unserer sabinischen Villeggiatur statt. Die auch nach der That . Er hatte sich gleich nur eine kleine Weile die Luft von Tre dritte Woche brachte einen dritten Mord, den Carabinieri überliefert , tröstete seine fontane zu atmen , nur einen Trunk von und zwar in Tivoli selbst. Eltern, beruhigte seine Freunde, sprach zum dem verpesteten Wasser zu thun und er Es geschah eines Sonntags . Eine Volk, das ihm geradezu Huldigungen dar- war ein verlorener Mann. Das Kloster Tombola war für den Tag ausgeschrieben brachte. Von allen Seiten erscholl sein starb allmählich aus . Es wurde von neuem worden, und Tivoli wimmelte von fremden begeistertes Lob ; man pries ihn laut, man mit Brüdern besetzt und starb wiederum Landleuten , von einer großen Menge, rief ihm zu : das habe er gut gemacht, aus . So ging es durch Jahrhunderte darunter auch ich mich befand. Zu dem daran habe er recht gethan , er sei ein weiter. lustigen Schauspiel , welches der Staat wackerer Jüngling ! Während Jahrhunderten beherbergte dem Volke gab , ihm dabei den letzten The man ihn abführte , wurde seine Tre fontane entweder die Schatten von Heller aus der Tasche ziehend, den Geist Schwester befreit ; die junge Frau befand lebendigen Menschen oder nur Totc. des Volkes verderbend , wie die Malaria sich in einem jammervollen Zustand. NachUnd die Bewohner dieses dem Himmel des Volkes Leib zerstört zu diesem dem sie erfahren, was ihr Bruder gethan, geweihten Begräbnisortes sind Trappisten, allergrößten Vergnügen , welches das rö- schrie sie gräßlich auf. Besinnungslos ward find ewig Schweigende. An dieser Stätte des Siechtums und des Sterbens wohnen. mische Volk kennt , spielten auf dem klei- sie in das Haus ihrer Eltern gebracht. nen Plas bei der Aniobrücke die MusikAls der Gemordete aufgehoben und Männer , die ihre Lippen nur bewegen banden verschiedener sabinischer Städte, die davongetragen wurde , brach seine Sippe dürfen , dem Himmel dienend ; denn in Donner der Wasserfälle übertönend . Plötz in wilde Lamentationen aus , welche die jenen heiligen Hallen darf kein profanes lich, mitten in dem Walzer aus „ Mam- Familie des Mörders mit Flüchen erwiderte.. Wort gesprochen , fein weltlicher Laut geUnter tiefem Schweigen sell Angot " — brach die Musik ab . Wenige Wie bei der Mordthat in Vicovaro standen hört werden. Schritte von dem Festplay war ein Mord auch hier die Weiber beider Familien auf nehmen die Brüder ihr Mahl ein , unter verübt worden : ein zwanzigjähriger Jüng offener Straße einander gegenüber und tiefem Schweigen verrichten sie ihre Arbeit, ling, der Sohn eines angesehenen Bürgers , heulten sich an . Das ganze Volk tobte mit. unter tiefem Schweigen leben sie nebenhatte den Mann seiner Schwester erstochen. Und jezt sei es genug der Schreckens- einander hin, bis ihre Lippen zum leßten Der Ermordete war der Besizer eines geschichten ! Nach solchen Erlebnissen kam Seufzer sich öffnen. Je eher das geschieht, gut besuchten Weinschankes gewesen , ein es mir vor , als ob jener leuchtende rote um so glücklicher sind jene armen Vergroßer, kräftiger, schöner Mensch, seit kurzem Streifen, von dem ich in diesen Blättern dammten zu preiſen. Denn Verdammte sind es, Verdammte zum zweitenmal verheiratet . Im Volke gesprochen , nicht allein das wilde Land hieß es , die erste Frau sei an den Miß- um Rom, sondern ganz Italien durchzöge, nach ihrem eigenen freien Willen. Mit diesen frommen Männern , mit handlungen ihres Mannes gestorben. Troh das Gewand der Göttin dieses von allen dem war es ihm leicht geworden , eine Kulturvölkern heilig gehaltenen und ge- diesen trostlosen Gestalten verglichen, find zweite zu finden, die einzige Tochter eines liebten Landes mit dampfendem Blut die Verdammten vor Gott , die Verdammten von Rechts wegen , jene Räuber, wohlhabenden Vignenbesizers . Bald nach fäumend . der Hochzeit wußte man im ganzen Ort, Aber ich muß von den Gestalten, die Mörder und Banditen in ihren Ketten daß die junge Frau von ihrem Mann auf seit einiger Zeit in einem Bilde der rö- glücklich zu preiſen. Es ist ein seltsamer Anblick : Mönche das gröblichste mißhandelt wurde , was mischen Campagna neben den herkömm ſie eine Zeitlang ertrug. Endlich flüchtete lichen Figuren der Schäfer , Hirten und und Mörder im Thal von Tre fontane sie zu ihren Eltern . Der Mann forderte Campagnuolen die Staffage ausmachen, nebeneinander lebend , miteinander arbeiseine Frau zurück. Sie kam auch wieder von diesen „ Roten “ des Landes muß ich tend; die einen in den eisernen Banden noch eines berichten. zu ihm . der strafenden Justiz , die anderen in der n Das war in der vergangene Woche Meine Bekanntschaft mit den in Schar- unzerreißbaren Feffel ihres Gelübdes ; der lach gekleideten Bebauern des Agro romano Räuber zu einer zeitweiligen Strafzeit gewesen . Die Frau hatte einen Bruder, der in beschränkte sich bald nicht mehr auf jene verdammt , der Mönch für Zeit seines Rom bei den Bersaglieri stand. Von einem eine große Schar vor der Porta San Se Lebens . Jenem ist das Leben der Seele, Landsmann erfährt der junge Mensch die bastiano, sondern ich lernte nach und nach das Wort, nicht versagt ; ihm ist crVorfälle in Tivoli ; er erbittet Urlaub, er alle die roten Streifen im Norden und laubt, sich mittels seines kleinen Verhält denselben als besondere Auszeichnung, Süden, im Osten und Westen der Stadt dienstes eine etwas bessere Existenz zu weil man sehr mit ihm zufrieden ist ; er kennen ; denn nach allen vier Himmels- verschaffen , Nachrichten zu geben und reist nach Hause und hört von allen Seiten gegenden entsendet die Sonne römischer Nachrichten zu empfangen , seine Famidie Mitteilungen seines Freundes bestätigt . Justiz von Rom aus ihre blutig gefärbten lie zu sehen, seine Freunde. Und der Das war an jenem Sonntagmorgen. Strahlen. Doch keine der römischen Straf- Mann ist vielleicht ein zehnfacher TotDer junge Mensch befindet sich noch kolonien war mir auch nur im entfern schläger ! Dagegen nun ein Diener der bei den Eltern , als eine Nachbarin ge- testen so merkwürdig wie diejenige von Kirche, ein Geweihter des Herrn. Er muß Laufen kommt: der Schwiegersohn habe Tre fontane. leben: stumm , vollständig empfindungslos seine Frau in den Keller gebracht , mit Jeder , der sich längere Zeit in Rom für alles, was von der Erde ist, durchaus
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gleichgültig gegen alles Menschliche , und ein echter Patriot, dabei durch seine Bil- | Absage um, bedeckte sein Haupt mit einem wären es die höchsten Interessen, die herr- dung , wie so manche vornehme Russen, großen Hute, hob seinen Stockfeierlich in die lichsten Errungenschaften des Menschen- Weltbürger. In seinem späteren Leben, Höhe und rief mit heiserer Stimme : „Ich geistes . Fastenkost ist die lebenslängliche im Jahre 1848, verfaßte er die in der bin euer Kaiser ! Einen Geistlichen her! Nahrung eines Trappisten . Er ist tot für allerlegten Zeit veröffentlichten Memoiren, Sogleich erschien ein solcher. Die Gemahlin Vater und Mutter, für Bruder und Freund. denen wir einige Einzelheiten über die Seiner Majestät, Maria Feodorowna, leiKein Lebenszeichen darf von seinen einst- Geschichte der Regierung Kaiser Pauls stete zuerst den Eid , sodann folgte der mals Geliebten zu ihm dringen, keine entnehmen, Angaben, welche um so mehr Großfürst Alerander , als ältester Sohn Kunde seines Daseins darf er ihnen sen- Beachtung verdienen, als der Verfasser oft und Thronfolger ; bei dieser Gelegenheit den ; er ist in Wahrheit ein lebendig in der Eigenschaft eines unmittelbaren trat der Kaiser auf ihn zu und befahl Augenzeugen erzählt. Im Grundton und ihm, der Eidesformel die Worte hinzuzuBegrabener. Es ist allgemein bekannt, was die Ver- in dem Wesen der berichteten Thatsachen fügen : Auch gelobe ich, daß ich niemals dammten durch das Gesez für jene Verträgt seine Darstellung den Stempel der dem Leben meines Kaisers und Vaters dammten durch eigenen Willen vollbracht Wahrhaftigkeit an sich. Ungenauigkeiten nachstellen werde. Diese hinzugefügten haben : Tre fontane ist heute eine der ge in Nebendingen finden ihre Erklärung Worte berührten alle Anwesenden wie ein fundeſten Stätten um Rom! Höhen und in dem Umstande, daß die Erzählung Donnerschlag." Was nun in der Erzählung Turgenews Tiefen find angebaut, entweder Gras oder der Vorgänge , welche sich zu Ende des gar Feldfrucht tragend. Die Sümpfe sind vorigen Jahrhunderts zutrugen , meh folgt, ist ein Schrei der Entrüstung über trocken gelegt. Eine dichte Waldung hoch- rere Jahrzehnte später niedergeschrieben die Haltung der neuen Regierung. Er schreibt : "/Im Verlauf weniger Stunden. stämmiger Eukalyptus umgibt das Kloster, wurden . und der Stand des Grundwassers befindet Wie die meiſten jungen Edelleute, so war die ganze Staats- und Rechtsordnung sich in einer Tiefe von mehreren Metern diente A. M. Turgenew anfänglich als Ge- umgeworfen ; alle Sprungfedern der Staatsunter dem Boden die Mörderin des meiner in einem Garderegiment. An dem maschine wurden ausgerenkt und verschoben ; römischen Landes, die Malaria, haben die Tage , an welchem Katharina II. plötzlich alles wurde durcheinander geworfen , das gefangenen Totschläger in Tre fontane einem Schlaganfall erlag , befand er sich Unterste zu oberst gekehrt, und so blieb es auf der Wache im Winterpalais und erfuhr vier Jahre hindurch. Die höchsten Stellen umgebracht . die einzelnen Umstände der Erkrankung erhielten Leute, welche kaum lesen konnten, und des Todes der Kaiserin. Seine Dar welche ganz ungebildet waren und nie stellung entspricht durchaus in fast allen Gelegenheit gehabt hatten , irgend etwas Details den Angaben anderer Quellen über das Gemeinwohl Förderndes zu sehen ; sie Zur Geſchichte der Regierung diesen Vorgang. Nur will er gehört haben, kannten nur Gatschino und die dortigen daß die vom Schlage gerührte Herrscherin , Kasernen ; sie hatten nichts anderes gethan, des Kaisers Paul I. obgleich unfähig zu reden, noch eine Zeit als auf dem Paradeplag ererziert, nichts lang bei Besinnung gewesen sei und durch anderes gehört als die Trommel und die n der zu St. Petersburg erscheinenden Zeichen alle ärztliche Hilfe abgelehnt habe. Signalpfeife. Ein Lakai des Generals In 2 " rina " (Rußlands Vorzeit) wurden vor kur fonen berichtet Turgenem folgendes : Feldmarschälle in der Taktik zu unterrichten. zem die Memoiren Alexander Michailowitsch Die ganze Familie des Großfürsten Sechs oder sieben damals in Petersburg Turgenews mitgeteilt. Der Verfasser dieser Paul war bei ihm in dem an das Sterbe- befindliche Feldmarschälle saßen an dem Aufzeichnungen, welcher in seiner Jugendzimmer anstoßenden Gemache versammelt. Tische unter dem Vorsitz des ehemaligen zeit als Militär an den Kriegen gegen Der Thronfolger war in großer Erregung ; Lakaien , welcher den in vielen Feldzügen Napoleon teilgenommen hatte und sodann in seinem Gesichte las man die größte ergrauten Heerführern in gebrochenem Rusals Verwaltungsbeamter in recht hohen Ungeduld darüber, daß der Tod einzutreten sisch die sogenannte Taktik beibrachte ! Seine Stellungen thätig gewesen war , zählte zögerte ; unaufhörlich erschien er in dem ganze Weisheit bestand im Frontdienste, 24 Jahre, als die Kaiserin Katharina Zimmer, wo die Kaiserin mit dem Tode in den Acußerlichkeiten des Wachestehens, plöglich starb. Während seines ganzen rang , um es mit sichtlichen Zeichen des in den Handgriffen und anderen Bagatellen späteren Lebens schwelgte er in den Er- Unwillens sogleich wieder zu verlassen. dieser Art. " Der Verfasser fährt sodann fort : innerungen an die glückliche und glorreiche Die Aerzte umstanden das Lager , auf // Die erste Heldenthat der neuen ReZeit der Regierung dieser Herrscherin, deren welchem jenes Licht erlosch, dessen Glanz, liberale Anschauungen und echt humane Größe und Ruhm die Welt erfüllt hatte, gierung war ein erbitterter, schonungsloser Gesinnung er teilte. Da er erst im Alter ohne etwas zur Rettung der Kranken thun Kampf gegen die schlimmsten Feinde des von 92 Jahren im Jahre 1863 starb, erzu können. In dem anstoßenden Gemach russischen Staates , die runden Hüte, die lebte er nochdie Bauernemanzipation, welche herrschte das tiefste Schweigen ; die Züge Fräcke und Gilets ! // An dem folgenden Tage rannten 200 ihm als die Verwirklichung einer Lieblings- des jungen Großfürsten Alexander Pawidee der Kaiserin Katharina erſchien. Tur- lowitsch und des Fürsten Platon Subow Polizeisoldaten und Dragoner, in drei oder genew , ein Verwandter des berühmten (welcher die letzten Jahre hindurch die vier Gruppen geteilt, in den Straßen umBelletristen , war ein Mann von hohem Stellung eines Günstlings eingenommen her und rissen in besonderem Auftrage allen Seelenadel und ungewöhnlich umfassender hatte) drückten die innigste Trauer aus . Vorübergehenden die runden Hüte ab, welche Bildung. Er hatte in den Jahren 1803 Die Personen, welche die Angehörigen der sogleich vernichtet wurden ; bei allen Fräcken bis 1806 in Göttingen studiert und war Kaiserin umgaben, suchten in ihren Mienen wurden die abstehenden Kragen abgeschnitten, auch später fortwährend bemüht, den Kreis zugleich eine freudige Hoffnung auf die die Gilets , nach Ermessen der Korporale seiner Anschauungen und Kenntnisse zu Zukunft und auch eine wohlanständige und Unteroffiziere, in Stücke zerrissen. Der erweitern. In den fünfziger Jahren diente Trauer über das Vergangene zu vereinigen. Feldzug war sehr bald siegreich beendet. sein Haus zum Sammelplag der hervor Alle mochten die Besorgnis hegen, daß Um 12 Uhr sah man in den Straßen keine ragendsten russischen Schriftsteller; hier man einer Zeit entgegengehe, da niemand | runden Hüte mehr ; Fräcke und Gilets waren unschädlich gemacht ; Tausende von. lafen Jwan Turgenew, Lew Tolstoi, Gont- werde frei atmen dürfen. scharow und andere Koriphäen der Litte„ Als der Großfürst Paul, gleich wie Einwohnern der Petropolis eilten, barhaupt, ratur ihre Werke vor ; hier erschienen die alle Anwesenden , aus dem Nebenzimmer in zerrissenen Kleidern", halbnackt ihre WohSpigen der russischen Gesellschaft , unter ein entsetzliches Aufstöhnen vernahm , stürzte nungen zu erreichen. ' Man weiß , daß diese Brutalität anderen die hervorragendsten Vertreter der er an die Thür ; der Leibarzt Rogerson Idee einer Emanzipation der Bauern. Tur empfing ihn mit den Worten : tout est ihre Erklärung fand in dem Hasse des genew war ein Edelmann im beſten Sinne, fini . Paul drehte sich sofort auf dem neuen Herrschers gegen alles , was irgend
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an Frankreich , an die dort herrschenden Moden, an die französische Revolution er innerte. Der Verfasser der vorliegenden Memoiren berichtet von diesen Thatsachen als Augenzeuge. Er war selbst an dem ersten Tage der Regierung Pauls in der größten Gefahr, wegen seiner Kleidung –
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| Befehlen zu fragen. Gleich an dem ersten | wollen u . s. w. Dann heißt es weiter Tage begleitete er den Kaiser auf einem in den Memoiren : Man crzählte bei der Spazierritte durch die Straßen der Haupt- Thronbesteigung Pauls mit Bestimmtheit, stadt, wobei alle Formalitäten in peinlichster daß Katharina in einem ihrem KabinettWeise beobachtet werden mußten. Der minister , Grafen Besborodko , in VerKaiser ritt an ein hölzernes Theater heran, wahrung gegebenen Testament den Großwelches Katharina hatte bauen lassen. Er fürsten Alexander zum Nachfolger und er trug unter anderem cinen Hut nach pol- rief den KriegsgouverneurArcharow, welcher dessen Vater, den Großfürsten Paul, zum nischer Mode von der Polizei gemiß sich im Gefolge befand, und sagte, auf das Generaliffimus aller Truppen ernannt handelt zu werden, und mußte in der Woh Theater hindeutend : „ Dies soll fort. " Dann habe. Mochte aber auch die erstere Vernung eines Freundes Schuß suchen. Erst kehrte er nach Hause zurück. Hier äußerte fügung stattgehabt haben , so kann man spät abends wagte er es, in einem Schlitten er seinen Unwillen darüber, daß an einer der Angabe von der zweiten Bestimmung sein Haus zu erreichen, nachdem er einige bestimmten Stelle, wo eine Pauke lag, eine keinen Glauben schenken. Katharina wußte Stunden hindurch dem Treiben der Ver- Trompete fehlte . Er rief Turgenew und am besten, daß alle Regierungsgewalt ihre treter der öffentlichen Ordnung aus dem befahl ihm , eine Trompete zu holen und erste Stüße in der Armee habe ; da erFenster zugeschaut hatte. Einige von den einem Generale in dieser Angelegenheit scheint es denn unmöglich , daß eine so durch die Polizeisoldaten Gemißhandelten zu erklären , daß er seine Pflichten nicht kluge und umsichtige Herrscherin zu gleicher suchten sich durch das Zeichen des Kreuzes kenne. Turgenem erzählt , er sei auf dem Zeit ihrem Enkel die Krone und dem von zu schützen ; andere wehrten sich und wurden Wege zu diesem General an der Stelle der Thronfolge ausgeschlossenen Vater desdann mit Faust- und Stockschlägen be- vorübergeritten, wo das hölzerne Theater selben die Verfügung über die Truppen Man erzählte , der straft. Klagen und Bitten blieben unge gestanden habe. Es war feine Spur mehr überlassen hätte . hört ; es galt feine Entschuldigung , kein davon zu sehen ; 500 Arbeiter waren da schlaue Kleinrusse Besborodko habe unAnsehen der Person ; ausdrücklich war den mit beschäftigt , den Platz zu ebnen ; fic mittelbar nach der Ankunft des GroßSchergen eingeschärft worden, so rücksichtslos arbeiteten bei Laternenschein. // Dieser Vor- fürsten aus Gatschino demselben das Teals möglich vorzugehen ; man drohte den gang, " bemerkte Turgenew boshaft, // gab stament der Kaiserin überreicht, und Paul nachsichtigen Soldaten mit Stockprügeln. mir Gelegenheit , zu erkennen, wie weit habe sodann dasselbe entgegengenommen, So übten denn die Unglücklichen ihre trau- sich die Macht der russischen Regierung zerrissen und ins Kaminfeuer geworfen. rige Pflicht mit ungewöhnlichem Eifer. erstreckte. ". Ist den so , so muß man bekennen , daß Daran knüpft der Verfasser sodann Besborodkos Handlungsweise des hohen Es gab neben diesem Kriege gegen die Garderobe des arglosen Publikums noch einige Betrachtungen über den Gegensah, Geistes eines Staatsmannes würdig war. cine andere Marotte des neuen Herrschers . welcher zwischen der Regierung Katharinas Paul schenkte ihm bei Gelegenheit der Er hatte den Wunsch , daß alle Thüren, und derjenigen Pauls bestand. Er schreibt : Krönung 15-20 000 Bauern. Zu den Fensterläden, Laternenpfähle u . s. w. schach- Die vierunddreißigjährige Regierung Ka- ersten fünf Monaten der Regierung Pauls brettartig, rautenförmig, schwarz und weiß tharinas II. , eine Regierung voll Weisheit, ward er mehr belohnt als während seiner angestrichen würden . Diese Operation wurde Wohlthätigkeit , Großmut , Besonnenheit, ganzen Dienstzeit in der Zeit der Renun auch an Privathäusern vorgenommen. Umsicht, Milde, Barmherzigkeit, hatte die gierung Katharinas . " Der Verfasser der vorliegenden MeTurgenew erzählt, daß der Diener seines Geister an einen regelinäßigen Gang der Freundes, welcher ausgesandt worden war, öffentlichen Angelegenheiten gewöhnt. Es moiren beschränkt sich im wesentlichen auf um für seinen Herrn , es koste , was es hatte keine Sprünge, keine schroffen Ueber die Reproduktion ſolcher Züge aus der wolle, aus einer Theatergarderobe einen gänge , keine einschneidenden Maßregeln Regierungsthätigkeit des Kaisers Paul, alten dreieckigen Hut zu verschaffen , über gegeben ; jeder kannte seine Pflicht , war welche sich auf das Gebiet der Militärcine Stunde lang auf der Straße warten sicher und ruhig in seinem Thun und verwaltung beziehen. Es tritt uns hier mußte , bis das Anpinseln des Hofthors Treiben ; niemand fürchtete sich.Katha- eine unglaubliche Beschränktheit des Horimit schwarzer und weißer Farbe voll- rina hatte die Körperstrafe für den Adel zontes des Monarchen entgegen. Bis zu endet war. aufgehoben. Paul wollte nicht in ihre seiner Thronbesteigung hatte Pauls BeKaum war Turgenew am Abend dieses Fußstapfen treten ; er nahm sich Peter I. schäftigung hauptsächlich in den zu Gatdenkwürdigen Tages nach Hause zurück zum Beispiel , aber nur darin, daß er schino veranstalteten Wachtparaden und Das SoldatenPeter Manövern bestanden. gekehrt, als er erfuhr, daß er zum wach- Edelleute mit Stöcken schlug . habenden Offizier beim Kaiser (,, Ordinarez") besuchte mindestens zweimal wöchentlich spielen war eine Leidenschaft bei ihm gePaul hat worden. Er ging in den kleinen Kunſternannt worden sei und anderen Morgens die Sigungen des Senats . sein Amt antreten müsse. Dazu war nicht seinen Fuß nicht ein einziges Mal dahin griffen der Kaserne auf. Diesen Zug in bloß eine neue Uniform , sondern auch eine gesezt; er nannte die oberste Behörde des dem Leben des Kaisers hat Turgenew in neue Coiffure erforderlich. Der Fürst Po- Reiches eine Versammlung von Schafen. seinen Memoiren um so treffender schiltemkin , welcher eine Art Kriegsminister- Kaum hatte Paul den Stock gegen den dern können , als er in der Eigenschaft stellung eingenommen hatte, war der Ur- Adel erhoben, so ahmten alle , welche ihn eines jungen Offiziers die ganze Zeit hinheber einer zweckmäßigen Aenderung in in Gatschino umgeben hatten, alle, welche durch sehr häufig mit dem Kaiser in Bedem äußeren Habitus der russischen Sol- eine Gewalt in Händen hatten, sein Bei- rührung kam und die ganze Einseitigkeit und Verkehrtheit der auf das militäriſche daten gewesen ; er hatte das Pudern der spiel nach.“ Hierauf berührt Turgenew die Frage, Wesen gerichteten Neigungen Pauls zu Haare, die Zöpfe und andere Bestandteile des Gamaschendienstes abgeschafft, und die ob man Katharina für die Regierung beobachten Gelegenheit hatte. Neben der Soldaten waren überglücklich gewesen. Jest Pauls verantwortlich machen dürfe. Er Kopflosigkeit, welche, in verschiedenen Versollten alle diese Dinge wiederkommen. Tur- bestätigt hierbei die auch in vielen anderen fügungen des Kaisers auffällt, ist jener genew erzählt , wie er sich einer ebenso zeitgenössischen Quellen anzutreffende An- glühende Haß des Despoten gegen alles qualvollen als lächerlichen Prozedur des gabe, daß die Kaiserin nicht gesonnen ge- wahrzunehmen, was in irgend einer Weise Kleisterns und Puderns der Haare habe wesen sei, Paul auf dem Throne folgen an die Zeit der Kaiserin Katharina erunterwerfen müssen und welche "/ Vogel- zu lassen; hätte sie, bemerkt der Verfasser, innerte. In dieser Hinsicht sind einige Episoden scheuche" man aus ihm gemacht habe, nach an ihrem Sohn einen irgend begabten dem ihm die Uniform von Gatschino" Rivalen gehabt, so hätte sie unmöglich so zu beachten, welche sich mit dem Kürassierangezogen worden sei. lange ruhig regieren können. Die Miß- regiment zutrugen , zu dessen Bestand der Turgenew mußte nun stundenlang im gunst Europas hätte dem Großfürsten Verfasser der vorliegenden Memoiren geVorzimmer der Arbeitsstube des Kaisers Ratgeber und Helfer verschafft , aber nie- hörte. Es stellte sich alsbald heraus, daß ſtehen, um, ſo oft dieser schellte, nach seinen mand fand sich , der ihm hätte beistehen dieses Regiment in hohem Grade der Ver-
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folgungswut des Kaisers ausgesetzt war . nur darum auslicß, weil dieses Regiment | Laune Pauls abhing, zeigt folgender UmAls einst der Chef des Regiments , Ge- früher den Namen des Potemkinschen ge- stand . Er hatte sich mit großer Anerkennung über die Leistungen der Truppen neral der Kavallerie, Fürst Wolkonsky , und führt hatte. Turgenew führt noch einen anderen bei den Manövern geäußert ; alles war ſein Adjutant, Turgenew, bei einer Feierlichkeit zu Moskau, wo die Krönung statt Zug des Gegensages an, in welchem sich nach Wunsch gegangen , nicht den kleinsten fand, in nicht vorschriftsmäßiger Uniform Paul zur Regierung seiner Mutter befand. Mangel hatte er entdeckt. Nachdem er erschienen waren, d . h. statt der Biceuni- Nachdem einst der General Archarow im aber auf der Reise von Moskau nach form den Küraß angelegt hatten, befahl Gespräch mit der Kaiserin Maria Feodo- St. Petersburg 172 Werst (Kilometer) der Kaiser seinem dejourierenden Kammer- rowna den Glanz und den Ruhm der zurückgelegt hatte, kassierte er, einer augenherrn , die // beiden Schafsköpfe " zu ent- Regierung Katharinas gepriesen und daran blicklichen Anwandlung folgend, 32 Stabsfernen ( Durakow won " ) . Ju der will die Bemerkung geknüpft hatte , daß es und Oberoffiziere zur Strafe dafür , daß kürlichsten, ungerechtesten Weise wurde eine am besten sei, auf dem von ihr vor sie während des Manövers erkrankt waren Anzahl von Offizieren dieses Regiments gezeichneten Wege zu verbleiben , erhielt und in den lezten zwei Tagen an den kaſſiert, wobei den Unglücklichen ihre Orden er 24 Stunden später den Befehl , sofort Uebungen nicht hatten teilnehmen können (!) . abgenommen, sie selbst aus der Hauptstadt sich auf sein Gut zu begeben und dort // Was soll man zu einer solchen Handfortgejagt" wurden. Alle Offiziere des zu verbleiben ; einige Monate später wurde lungsweise sagen ?" fragt der Verfasser der Regiments wurden bei der Feierlichkeit der der Bruder Archarows , General der Jn vorliegenden Memoiren. Wir antworten Krönung dadurch auf das empfindlichste fanterie und zweiter Kriegsgouverneur von mit der Frage nach der Zurechnungsfähiggekränkt, daß sie den Prozessionen u. dgl. Moskau, ebenfalls kaſſiert und in die Ver- keit des Despoten. Insbesondere für die Militärs war, nicht beiwohnen durften . Bei einer solchen bannung geschickt. Die Liebhaberei des Kaisers für Pa- wie Turgenew weiter ausführt, die Gefahr Gelegenheit geschah es wohl , daß alle 231 Offiziere des Regiments für die zwei raden und Manöver , für ganz zwecklose der Verbannung nach Sibirien oder des Stunden, welche die Feierlichkeit in An- Truppendislokationen u. dgl. kam während | Verschwindens in einem Kerker auf Lebensspruch nahm, in einen Turm, welcher sich der kurzen Regierung Pauls sowohl den zeit sehr groß. Das geringste Versehen im Kreml befand, eingesperrt wurden . An Militärs als auch dem ganzen Lande sehr bei den militärischen Uebungen konnte leicht Verhaftungen , Bestrafungen der Offiziere teuer zu stehen. Turgenem führt eine die furchtbarsten Folgen nach sich ziehen. gerade dieses Regiments fehlte es bei keiner Reihe von Beispielen ganz unsinniger ad- „Jeden Morgen ," schreibt Turgenew, Parade, welcher der Kaiser beiwohnte. Da ministrativer Maßregeln auf diesem Ge- " gingen alle, vom General bis zum Fähnlöste sich denn das Rätsel des besonderen biete an. Es herrschte oft eine heillose rich herab, zur Wachtparade wie zum BlutSo 3. B. wurde einmal gerüst. Niemand wußte, welches Schicksal Grolls, welchen der Kaiser gerade auf diesen Verwirrung. Er veranschlagt Truppenteil geworfen hatte in folgender vorgeschrieben, daß das sogenannte sibirische ihn dort ereilen werde. Dragonerregiment , welches aus dem per die Zahl der Opfer einer solchen Strenge Weise. Lassen wir Turgenew erzählen : Eines Tages erhielten alle dejourie- sischen Feldzuge zurückgekehrt war und sich in den Reihen der Offiziere und der Berenden Stabsoffiziere und Adjutanten den in Derbent im Kaukasus befand , seinen amten auf 12000 Personen , welche nach Befehl , sich in dem Saale vor dem Ar- Aufenthalt in Tobolsk nehmen müsse. Sibirien geschickt worden seien und sogleich es waren gegen nach der Thronbesteigung Alexanders I. beitskabinett des Kaisers zu versammeln. Der Marsch dauerte zwei von dort zurückkehren durften. Turgenew Es geschah. Paul trat heraus , erteilte 4000 Kilometer zurückzulegen die Parole, verschwand in seinem Kabinett, volle Jahre ; während dieser Zeit gingen stellt folgende Rechnung an. Gab es im kant nach fünf Minuten wieder und rief alle Pferde zu Grunde, die Truppen litten Laufe von vier Jahren (so lange währte diese denkwürdige Regierung) 12000 Opfer, mit lauter, heiserer Stimme : Der Jeka Unsägliches u. s. w. Lächerlich und zwecklos war ferner das so zählte man jedes Jahr deren 3000, terinoslawsche Adjutant soll vortreten.' Ich (als Adjutant des Jekaterinoslawschen Einführen von Fremdwörtern, wie „ De- jeden Monat 250 , täglich 8. — Allein Regiments) stellte mich vor den Kaiser hin. tachement", " Exekution ", " Publikation ", in der Peterpaulsfestung schmachteten 900 Er trat ganz nahe an mich heran und Aktion " u . dgl. , in die militärische Termino Gefangene , denen allen im März 1801 begann mich zu kneifen ; zur rechten Seite logie, während es in der ruſſiſchen Sprache die Beseitigung Pauls, die Erhebung Alestand, bleichen Angesichtes, der Großfürst nicht an Ausdrücken für diese Begriffe ge- randers die Erlösung aus dem Kerker brachte. Alexander, zur linken Araktschejew ; das fehlt hatte und diese lange Zeit hindurch Nicht umsonst bemerkte der sonst wortkarge Kneifen wiederholte sich; der Schmerz ent in Gebrauch gewesen waren . Chef Turgenews, Feldmarschall Ssaltykow, lockte mir Thränen. Die Augen Pawel Die Konzentration ungeheurer Truppen- einst während der Regierung Pauls , im Petrowitschs sprühten Funken des Zornes ; massen in Moskau im Frühling 1799 Gespräch mit dem Verfasser der Memoiren : zuletzt sprach er: Sagen Sie im Regi kostete Millionen. Das Frühlingshochwasser, Eine solche heillose Wirtschaft kann nicht ment, und dort wird man es weiter ver- die Unwegsamkeit der Straßen in der Zeit lange währen." Wenige Wochen vor der künden, daß ich aus euch allen den Geist des Ueberganges vom Winter zum Sommer Katastrophe erhielt der Feldmarschall ein Potemkins ausrotten und euch dahin fort erschwerte den Transport der Kanonen, eigenhändiges Reskript vom Kaiser des schicken werde , wohin die Naben cure der Fourage 2c. ins Ungemessene. In Inhalts : „Herr Generalfeldmarschall Graf Knochen sonst nicht hinbringen würden. unzähligen Fällen mußten die im Kote Ssaltykow . Ich erteile Ihnen den legten Mich nochmals und nochmals kneifend, stecken bleibenden Kanonen von den Lafetten Verweis . " Kurz und deutlich. Ominös wiederholte Seine Majestät diese Worte abgehoben , die letteren auseinander ge- war die Bezeichnung des Verweises als wohl fünf- oder*ſechsmal' und befahl mir, nommen werden. Zahllose Menschenleben eines „ leßten “ . mich zu entfernen ." gingen bei den dabei erforderlichen AnTurgenew macht in seinen Memoiren , Es hatte allerdings ein gewisser Gegen- strengungen zu Grunde. Alle Dörfer der wenn auch nur gelegentlich und leichthin, sah zwischen dem Großfürsten Paul und Umgegend der alten Hauptstadt waren von die Bemerkung, daß es nicht an Männern dem ehemaligen Günſtling der Kaiserin, cinquartierten Truppen so überfüllt , daß gefehlt habe, welche zur Ausführung, resp . Potemkin, bestanden. Doch hatte es nicht die unglücklichen Bauern mit ihren Familien Verschärfung der tyrannischen Befehle und eigentlich Konflikte zwischen beiden gegeben . nicht selten unter freiem Himmel im Walde Urteile Pauls die Hand geboten hätten . Aber der Haß des Thronfolgers gegen kampieren mußten. Die Manöver, welche Personen, wie Araktschejew und Kutaissow, den mächtigen Mann, welcher der Kaiserin solche Opfer erforderten, werden von Tur- tragen eine schwere Mitschuld an den aberKatharina als Freund und Mitarbeiter genem als zwecklose Spielereien geschildert, wißigen Brutalitäten dieser Regierung. Es zur Seite stand, war mehrere Jahre nach als „ kläglich in strategischer und takti gab eine große Anzahl von Militärs , welche dem Tode Potemkins noch so stark , daß scher Hinsicht , ohne allen Nuzen für die lange Zeit hindurch , vor 1796, zur UmPaul seine Wut an den unschuldigen Offi Praxis ", gebung des Großfürsten Paul in Gatschino zieren des Jekaterinoslawschen Regiments Wie sehr alles von der augenblicklichen gehört hatten und welche sich in der Zeit
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von 1796 bis 1801 in der Rolle von Schergen des geisteskranken Wüterichs gefielen, auch wohl gelegentlich ihreRechnung dabei finden mochten , andere Leute ins Unglück zu stürzen. So teilt denn Kaiser Paul die Verantwortlichkeit mit anderen Zeitgenossen und Helfershelfern . Dieser Gesichtspunkt verdient , wie uns scheinen will, eine schärfere Betonung. Die Greuelthaten eines Iman IV., welcher Tausende von Menschen tot quälen ließ , sind nicht bloß individuelle Verbrechen eines Einzelnen, sondern eine Kollektivschuld der Clemente, welche den blutdürftigen Tyrannen um geben. Daß er so leicht eine so große Anzahl von Henkern fand, wird von dem Urteil der Geschichte als ein mildernder Umstand " bezeichnet werden müssen. Ebenso ist die Reihe von Mißgriffen und Brutalitäten der Regierung, welche auf Katha rina II. folgte, nur dadurch erklärlich, daß es nicht an Subjekten fehlte, welche ähnlich beschränkt, despotisch, rohund leidenschaftlich unzurechnungsfähig waren wie der Kaiser selbst. Die Memoiren Turgenews betonen nur einzelne Züge der Regierung Pauls . Sie entsprechen um so genauer den Thatsachen, als sie sich auf die Reproduktion einzelner, das militärische Leben und Treiben betreffender Episoden beschränken. Unwesent licheres bezieht sich auf die Schwächen der Gesellschaft; es gibt da einige Beiträge zur Chronique scandaleuse der beiden Hauptstädte. Wir haben es mit den Aphorismen eines Senex loquax zu thun. Seine Reminiscenzen in betreff des Unwesens der Jahre 1796-1801 verdienen die Beachtung der Geschichtsforscher. Es ist erfreulich, daß man heutzutage in Rußland den Vorgängen jener Zeit so unbefangen gegenübersteht, daß der Publifation solcher Geschichtsquellen keine Hin Das Material dernisse entgegenstehen. zu einer Geschichte der Regierung Pauls zu sammeln, dürfte eine dankbare Aufgabe sein. Eine Fülle von Thatsachen findet sich in den zahlreichen Bänden der Zeit schriften Russkij Archiv " und Russkaja Starina " , sowie in anderen Sammelwerken. Die allerwertvollsten Angaben dürften u. a. in dem Archiv des Fürsten Woronzow" zu suchen sein. Diese Samm lung von über dreißig Bänden enthält zu ihrem größten Teile Korrespondenzen, insbesondere Privatbriefe der hervorragendsten Staatsmänner der Zeit Elisabeths, Katharinas, Pauls, Alexanders . Die Ausbeute an Stoff für eine Darstellung der Jahre 1796 bis 1801 ist überreichlich.
Tiergesellschaften. Von Friedrich Knauer. wir haben schon zu wiederholten Malen von dem interessanten Zusammen leben der Tiere an dieser Stelle gesprochen und wollen diesmal die Vögel nach dieser
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Richtung hin betrachten , die besonders busdickichten Indiens , alle Papageien, schöne Beispiele innigen geselligen Zusam- Bienenfresser , Krähen eines Gebietes von menlebens bieten. mehreren Meilen gesellschaftlich denselben Viele verbringen ihr ganzes Leben in Bambusbestand als Schlafstelle erwählen. stetem Beisammensein mit anderen ihrer Art, Bis in den späten Abend hinein dauert der bilden dann ganze Herden und Siedelungen . Zuflug, und bis in die Nacht hinein hört Wieder andere bleiben bis zur Brutzeit in man dumpfes Geräusch und Gemurmel. engem Verbande, lösen aber den geselligen Besonders laut machen sich in ihrer Heimat Verkehr über die Dauer des Brutgeschäftes die Kakadus (S. 460) ; in aller Frühe und sondern sich paarweise ab. Andere begrüßen sie den Tag mit lautem Geschrei ; bleiben wieder bis zur Paarungszeit und ebenso laut fliegen sie dann ihrem Fruchtnach dieser vereinzelt oder in ganz kleinen Gesellschaften , rotten sich aber, sowie die Brutzeit heranrückt, massenweise zusammen und bilden dann oft ungemein zahlreiche Tiergesellschaften, die an Masse nur durch die ungeheuren Brutzüge mancher Fischarten übertroffen werden. Ganz sonderbar sind zu dieser Zeit die Gesellschaften balzender Männchen, die wie die erotischen Finkenund Manakinmännchen mehrere Minuten lang von ihrem Site aus auf und ab schwärmen oder wie die Klipphähne auf Surinam vor einem Kreise von Zuschauern förmliche Tänze aufführen. Selbst jene Vogelarten , die vor, während und nach der Brutzeit in ihrer Heimat ein vereinzeltes Leben führen, überkommt, wenn der Winter heranrüdt und sie in die Ferne wandern müssen, das Bedürfnis, sich mit ihresgleichen zusammenzuscharen ; immer größer werden dann die einzelnen Trupps, und endlich sind gewaltige Schwärme beisammen , die gemeinsam in die Fremde ziehen. Solche Wanderzüge waren es, die uns die Vogelgesellschaften von früher Jugend so besonders lieb und heimisch gemacht haben. Stundenlang blickten wir den wandernden Scharen nach, die in wirren Haufen oder in streng geordneten Zügen in die Ferne dahinzogen. Wie ruhig zieht ein solcher Schwarm dahin, wie fügen sich alle zu eigenem Besten in die Ordnung; ab und zu lösen Hintermänner die Ermüdeten an der Spike ab, und willig folgen die Jüngeren ihren erfahreneren Gefährten. Gledjos (S. 461). Recht gesellige Vögel sind die Papageien, die höchstens während der Brutzeit paarweise leben , sonst immer in großer felde zu , kommen , wenn sie gesättigt sind, Gesellschaft beisammen sind und alles, wieder nach ihrem Ruheorte im Walde was sie unternehmen, immer gemeinsam und verträumen da die besten Mittagsstunthun. In aller Frühe , mit den ersten den, fliegen dann nocheinmal aufNahrungsStrahlen der Morgensonne sieht sie der suche aus und kehren in der Dämmerung Reisende im Urwalde erwachen; jest pußen wieder heim. Zu Tausenden suchen sie dann sie eifrig ihr Gefieder vom Nachttaue frei, zur Brutzeit die steilen Felswände an den fliegen dann ein paarmal, wie zur Uebung, Flüssen Südaustraliens auf, um hier, jedes unter lautem Geschrei auf und ab, sammeln Paar für sich, aber knapp neben dem sich dann in großen Scharen über dem anderen, in passender Höhlung die Nester Wenn eine AraragesellWalde, und nun geht es in gemeinschaft anzubringen. lichem Flug irgend einem Fruchtbaume schaft sich auf einem Fruchtbaume niederoder einem Weideplage zu. Werden sie läßt, so hört man, solange sie Mahlzeit angegriffen, so stehen sie einander bei ; ist halten, kaum einige leise , abgebrochene die Gesellschaft beim Fressen, so halten Laute ; stört man sie aber plöglich, dann einige Wache, und ihrem Warnungsrufe erheben sie ein so ohrbetäubendes Geschrei, wird wohl Beachtung geschenkt. Abends wie es von anderen Tierlauten wohl nicht fliegen sie alle derselben Schlafstelle zu, übertroffen werden kann. Recht bemerkbar und hier drängen sie sich eng nebeneinander. machen sich dem Afrikareisenden von weitem Oft müssen sie 20 Kilometer weit auf schon die Halsbandsittiche. Gleich nach Nahrung ausfliegen, kommen aber immer Sonnenaufgang erheben sie ihr kreischendes wieder zur alten Schlafstelle zurück. An Geschrei; in zahlreichen Trupps, die sich solch einem Schlafplas herrscht reges Leben oft zu großen Schwärmenzusammenschlagen, und Treiben, gar da, wo, wie in den Bam- fliegen sie einer Tamarinde oder sonst einem 20
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dichtbelaubten Baume zu, fliegen dann zur Tränke, dann wieder nach ihrenRuheplätzen, nach einigen Stunden abermals auf Nahrung aus und kommen am Abend unter Lautem Geschrei wieder bei ihren Schlafplätzen an. In sonderbarem Gegensatze zu diesen Schreihälsen steht die ernste Gesellschaft des Doppelhornvogels (Buceros bicornis) Indiens. Ihrer fünf oder sechs siten auf dem Wipfel eines hohen Baumes mit start eingezogenem Halse stundenlang bewegungslos da, ab und zu einen halb unterbrochenen
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aber sehr bald in einzelne Trupps und Paare sich aufEinigermaßen ge= Lösen. sellig erscheinen die Geier, wenn auch ihre Zusammenrottungen mehr auf Rechnung gleicher Nahrungsbedürfnisse Am geselzu sehen sind. ligsten scheint der Kondor (S. 464) zu sein, den man außer der Brutzeit immer in Gesellschaften, entweder in gleichmäßigem Fluge dahinschwebend, oder auch aufsteilen Felszacken nebeneinander sitzend, erblickt. Sowie einer aus der Gesellschaft eine Beute erblickt, stürzt er auf dieselbe nieder, und die anderen folgen rasch hinter ihm her. -Ge: sellig ist auch die Waldohreule, die außer der Paarzeit immer in Flügen lebt und ihre Schlafstellen aufsucht. Quaflaut hören lassend, Ist die Brutzeit vorüber, so sieht man der aber in ein ganz die einzelnen Familien der Bachstelze sich Brüllen vereinigen, und bald sind Schwärme von fürchterliches ausartet, wenn man die vielen Hunderten beisammen, die sich auf den Aeckern und Triften herumtreiben und stillen Gesellen stört. Ebenso endlich gemeinsam fortwandern. wunderlichneh Recht men sich die Clechos schlägt sich die Schneeammer nach der (Dendrochelidonlongi- Brutzeit mit anderen Paaren zu großen pennis) auf den Sunda Flügen zusammen , welche noch einige Zeit Inseln aus (S. 459). beisammen bleiben und dann die WanderEntweder durchhasten sie schaft antreten . Diese Gesellschaften sind in jähem Fluge in großen in Rußland so überaus zahlreich, daß man Der Schwärmen und bestän- sie dort Schneeflocken" nennt. dig schreiend die Luft, Edelfink tritt nach dem Brüten nicht nur oder sie sißen in kleinen mit seinesgleichen zu starken Flügen zuGesellschaften, mit ihrer sammen, sondern nimmt auch andere Finken Kopfhaube spielend, auf und Ammern in seine Gesellschaften auf, dürren,blattlosen Aesten. die in treuem Zusammenhalte in den WälJedem Besucher un- dern herumstreifen. Diese Flüge wachsen. serer Alpen ist das ge- im September immer mehr an, im Oktober sellige muntere Treiben sind ganze Herden beisammen und wandern unseres Alpenseglers nach dem Süden Europas und nach Nordbekannt, welcher in gro- westafrika. Im März wandern zuerst die Ben Scharen , immer Männchen , ein paar Wochen später die lärmend und zankend, Weibchen gemeinsam in die nordische Heimat einen alten Turm oder nach den alten Wohnplägen zurück. irgend eine Bergwand Uns allen befannt ist das gesellige Zuumfliegt. Gellend stür- sammenleben der Sperlinge, derenmassenzen diese lebhaften Vö hafte Schwärme Stadt und Land übergel in aller Frühe aus schwemmen. Interessant ist es, zu sehen, ihren Felslöchern her welcher Lärm und welches Gewimmel vor, steigen hoch in die herrscht, wenn allabends die Sperlinge aus Lüfte hinauf, daß sie weitem Umkreise zusammenkommen , um kaum mehr sichtbar sind, ihr Schlafquartier in den Schlupfwinkeln kommen dann wieder eines alten mächtigen Epheus zu beziehen, | tiefer herab und lassen ihr schönes Bauch- oder wenn in aller Frühe die ganze Schar weiß im Lichte flimmern und jagen uner erwacht. Hier in Wien sind mehrere müdlich den Kerftieren im Luftmeere nach. solche Plätze in der Stadt, wo täglich In den heißen Tagesstunden verbleiben viele Tausende mit großer Regelmäßigkeit fie in ihren Höhlen , und erst am Abend zum Schlafen sich einfinden und morgens durchkreisen sie wieder in Schwärmen die und abends ihrenschier unbeschreiblich lauten. Sangeslärm zum besten geben. Luft. Unter den Raubvögeln , die wenig In geselligstem Verkehr leben die Hang zur Geselligkeit haben, finden sich Webervögel (S. 466). Nicht allein, daß. nur wenige Arten gesellig zusammen. Einige fie vor und nach der Brutzeit in großen Falkenarten treten zu oft sehr zahlreichen Gesellschaften beisammen leben und Flüge Wanderschwärmen zusammen, die bisweilen von mehreren Tausenden bilden , welche monatelang zusammenhalten, in der Regel gemeinsam herumschwärmen, da und dort
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die Felder plündernd überfallen und nach herrscht. Tausendesammeln sich da im engen | gemeinsam, als liebe Frühlingsboten, im einiger Zeit wieder nach ihrer Geburtsstätte Umkreise. Ein Baum muß zwanzig und Frühjahre von weiter Ferne eintreffen zurückkehren, sie geben ihr geselliges Bei mehr Nester fassen. Beständig fliegen und ebenso im Herbste zu immer größeren sammensein auch während der Brutzeit Krähen ab und zu ; bis zum späten Abend Schwärmensichzusammengesellen und gleichnicht auf. Zwanzig , dreißig, ja hundert währt das Krächzen und Lärmen . Von zeitig fortziehen. Nester finden sich auf einem einzigen Baume, einer solchen Siedelung sind die Krähen Unter den Tauben leben viele Arten und immer neue kommen hinzu , da die fast nicht zu vertreiben. Nicht minder paarweise oder höchstens in kleinen Gesellalten ihrer festen Bauart wegen nicht so gesellig ist die kleine, muntere Dohle, die schaften, die nur zur Wanderzeit in zahlbald zu Grunde gehen. Solch ein über und nicht nur mit ihresgleichen zahlreiche Gesell- reichere Trupps sich zusammenschlagen ; über mit Nestern der Webervögel behan- schaften bildet , sondern auch mit den einige Arten wieder bilden große Gesellgener Baum Innerafrikas stellt wahrlich Saatkrähen und Krähen gern Gemeinschaft schaften . In geradezu die Sonne verfineine ganz merkwürdige Tiersiedelung vor. hält und mit ihnen zugleich die Winter- sternden Wolfenscharen zieht die WanderHöchst gesellige Tiere sind auch die reise antritt. In der Bukowina, wo diese taube( S.471 ) Nordamerikas, der Nahrung Stare, welche auch während der Brutzeit Rabenart in ungeheuren Mengen auftritt, halber oder um die Nistpläge aufzusuchen, in größeren oder kleineren Gesellschaften habe ich sie übrigens beisammen leben. Es machte mir immer auch im Winter in großes Vergnügen , an schönen August großer Zahl angeabenden die vielen Tausende meilenweit troffen . Gegen die über die Wälder zerstreuten Stare an großen kleineren Raubvögel Teichen in Scharen von Hunderttausenden verteidigt sie sich mit sich vereinen, als mächtige schwarze Wolken Erfolg , und sowie stundenlang über dem Wasser hin und her z . B. ein Turmfalk schwärmen und dann plöglich im Schilf sich sehen läßt, fällt niederfallen zu sehen, woselbst sie noch die ganze Geselleinige Zeit ihren Lärm schlugen und dann schaft über ihn her einschlummerten. Im Herbste wandern sie und verfolgt ihn fort, bleiben aber teilweise schon in Süd- stundenweit. All= europa zurück , wo ich zur Winterszeit bekannt ist das geStare mitten unter Drosseln und Raben fand. Die Männchen der Paradiesvögel sammeln sich zur Paarungszeit auf Neuguinea zu Gesellschaften von 10 bis 20 Stück die Eingeborenen nennen sie Tanzgesellschaften" - auf sehr hohen, wenig belaubten Waldbäumen und locken hier unter lebhaftem Schlagen der Flügel, erregtem Hin- und Herfliegen, Drehen des Schwanzes , Deffnen und Schließen der Federbüschel und quakendem Rufe die Weibchen herbei. Gesellig halten alle Rabenvögel zusammen . Die Krähen sammeln sich in aller Frühe auf irgend einem Gebäude oder Baume , fliegen gemeinsam auf die Felder hinaus, jagen im Verein einem Raubvogel nach, halten wäh rend der heißen Mittagsstunden auf einem dichtbelaubten Baume Rast , fliegen dann nochmals auf Nahrung aus, sammeln sich dann alle Abend auf bestimmtem Plate wie Kondors (S. 462). zu einem letzten Plauschen und senden von hier aus einzelne Kundschafter nach ihrer gemeinsamen sellige Leben unserer Schlafstelle im Walde, welcher sie dann Schwalben , deren bei Eintritt der Nacht in aller Ruhe einzeln Paare nahe nebenAuch die Alpenkrähen hal einander ihre Baue zufliegen. ten getreulich zusammen , stehen einander aufführen, in Schain der Gefahr bei und geben ihren Zu- ren nebeneinander der obliegen, sammenhalt auch während der Brutzeit Kerfjagd Jeder von uns hat schon gruppenweise , lebnicht auf. Sprin k einen Nestplatz von Saatfrähen (S.470) haft zwitschernd, auf zu Gesicht bekommen und den fürchterlichen Dächern und ZweiLärm vernommen, der da zur Brutzeit gen furze Rast halten,
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SPECH
Weberbogel (S. 462).
weite Wege dahin. Unbeschreiblich ist der Lärm, der Aufruhr, der da herrscht, wenn folch ein Wanderzug sich in einem Walde niedergelassen, die Aeste ob der schweren Last brechen, die geschäftigen, lärmenden Menschen von allen Seiten herbeieilen , um Unmassen von Tauben zu fangen und gleich an Ort und Stelle einzupöfeln , Bären, Wölfe, Füchse, Adler, Geier in Mengen sich einfinden, reichliche Beute zu machen. Auf den Brutplätzen ist der Wald im vollen Sinne des Wortes von Tauben überdeckt, und muß ein Baum an hundert Nester tragen. Trot alljährlicher massenhafter Vertilgung ist diese Taubenart bis heute nicht seltener geworden. - Auch unsere Felsentaube ist sehr gesellig ; im Norden vereinigt sie sich im Herbste zu zahlreichen Wandergesellschaften von Tausenden , und diese
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halten in der südlichen Fremde zusammen. Oft sieht man sie mit Dohlen und Krähen gemeinsam auf Bäumen. Gern freist sie in dicht geschlossenen Schwärmen Die prächtige ziemlich hoch in der Luft. Kronentaube Neuguineas streift in fleis nen Trupps in den Wäldern herum. Die Flughühner sind sehr gesellig, durchstreifen vom frühen Morgen an die Grasgebüsche der Steppen, fliegen am Vormittage zu Tausenden einzelnen Trinkplätzen zu, kehren auf demselben Wege wieder zu ihren Weideplägen zurück, lagern sich gruppenweise in selbstgescharrte Vertiefungen im Sande zur Ruhe hin, nehmen nach mittags eine zweite Mahlzeit , fliegen nochmals zur Tränke und eilen dann ihrem Schlafplate zu . So lebt das asiatische Faust- oder Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus) im Frühjahre in kleinen Trupps von 8 bis 12 Stück, durchweg Paare, während es im Herbste Flüge von mehreren Hunderten bildet. Aehnlich wie die Regenpfeifer, fliegt es in vollkommen geschlossenen Ketten, dabei laut schreiend. Droht einer
ruhenden Schar Gefahr, so erschallt sofort der Notruf, der alle die benachbarten Trupps warnt. In Schwärmen von Tausenden zieht es im Sommer fort . Zum Unterschiede vom Auerhuhn lebt das Birk huhn ( S.475) gesellig, und bilden die Weibchen und die Männchen für sich gesonderte Ketten. Die Gesellschaften der Männchen sind zahlreicher und bilden oft Flüge von mehreren Hunderten. Im hohen Norden gesellen sich in strengen Wintern mehrere Trupps zusammen und lassen sich Das Prai einschneien. riehuhn lebt bis zum Winter in Trupps von 20 und mehr Stück; im Winter schlägt es sich dann zu zahlreicheren Flügen zusammen und bleibt in so großer Gesellschaft bis zum Ebenso lebt das SchneeFrühjahr. huhn während des Winters in großen Scharen beisammen, von denen ab und zu kleine Trupps nach der Küste oder den Thälern hin abfliegen. Bisweilen treten sie in Mengen weite Wanderungen an. In Labrador bevölkern im Winter Tausende von Schneehühnern die Berge.. Das Haldenhuhn (Tetraogallus himalayensis) , auf den Bergeshöhen des westlichen Himalaya, lebt in Nudeln von Mehrere 5 bis 30 Stück beijammen. solche Gesellschaften bewohnen ein Berggebiet und verlassen dasselbe selten. Die Steinhühner leben bis zum Spätherbste paarweise und vereinigen sich dann bis zum Frühjahr in zahlreiche Ketten von oft 100 Stück ; ebenso die Rebhühner. Der Glanzfasan Innerasiens vereinigt sich im Herbste und Winter zu großen Gesellschaften , die sich aber ziemlich weit zerstreuen ; die Schwärme der Weibchen bleiben geschlossener. Wenn man einen
Perthühner (S. 469),
469 oder den anderen aufjagt, so jagt sein Geschrei alle Mitglieder desselben Schwarmes auf. Der Pfau lebt in Indien in Trupps von 30 bis 40 Stück ; oft aber vereinigen sich ihrer mehrere Hun derte. Nachts ist ihr Geschrei weithin hörbar ; vormittags und abends fom : men sie auf die Felder heraus , um zu weiden. Die Perl hühner (S. 468) le: ben in der Regel in sehr zahlreichen Ketten, welche aus 6 bis 8 Familien bestehen, seltener in Familien von 15 bis 20 Stück. Solche Gesellschaften halten eng zusammen ; sie stehen unter der Leitung eines alten Hahnes. Wird eine solche Gesellschaft erschreckt, so zerstreut sie sich nach allen Seiten. Sowie aber die Gefahr vorbei ist, rufen die Hähne den ganzen Schwarm trompetend wieder zu= sammen. Das Truthuhn lebt zeitweise in sehr großen Gesellschaf ten und durchwandert in solchen Banden oft weite Strecken. Im Okto= ber wan dert es dem Tieflande des Ohio und Missis sippizu, die Männchen in Gesellschaften bis zu 100 Stück, desgleichen die Weibchen in großen Banden mit den Jungen. Die Reise wird zu Fuß
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Der afrikanische Strauß (S. 473) lebt meist in kleinen Gesellschaften von 5 bis 6 Stück, fommt aber auch in Herden von 50 bis 60 Stück vor. In den Morgen- und Nachmittagsstunden sieht sie der Reisende, gemächlich weidend, voneinander etwas ge trennt, dahinschreiten; gegen Abend suchen sie gemeinsam ihr Nachtlager Der auf. Nandu lebt mit 5 bis 7 Hennen familienweise und bewohnt dann einen bestimmten Standplay. Nach der Brutzeit scharen sich wohl solche Familien. zu Herden von 50 und mehr Stück Saatträhen (S. 463). zusammen, doch haben solche Gesellschaf ten wenig Bestand , und schlägt sich ein zurückgelegt , die Nacht auf hohen Bäu- Trupp heute mit dieser, morgen mit jener Die Trappen (S. men verbracht. Das Buschhuhn be Herde zusammen. 472) leben in fleine: ren, aus mehreren Familien gebildeten Trupps, vereinigen aber sich nach der Brutzeit zu Herden von Hunderten und bleiben wochenlang in solchen Gesellschaf ten beisammen. Gern halten sich die Zwergtrappen in der Nähe der Gesellschaften der Großtrappen. Jm Oftober begin nen die Zwerg Wanderlauben (S. 465). trappen in schiefen un wohnt in kleinen Trupps die Waldungen regelmäßigen Kreisen gesellschaftliche FlugNeuhollands . übungen auszuführen, um sich für die
472 weite und schwierige Wanderfahrt zu rüsten. Die Schnepfen leben zwar im Sommer paarweise, aber doch in großer Nähe voneinander, im Herbste und Winter in großen gemischten Gesellschaften beisammen. Bei uns etwa von Mitte März an beginnt der „ Schnepfenstrich" , der aber nach Richtung und Tagesstunde vielfach wechselt. Die StrandLäufer reisen des Nachts in Gesellschaft und bilden in der Regel feilförmige Ketten; die Männchen ziehen für sich, die Weibchen mit den Jungen ebenfalls ; beide Geschlechter leben auch in der Winterherberge voneinander abgesondert. Einen interessanten Anblick gewährt das alljährliche Sammeln und Abreisen der Störche (S. 476) , das ich in der Bukowina und in Un= garn oft und immer wieder gern beobachtet habe. Lange schon, ehe die wirkliche Abreise angehen soll, sieht man auf feuchten Sumpfwiesen Störche von allen Seiten zusammenkommen und stundenlang bei einander verweilen, als gelte es, Verabredungen für die Reise zu treffen. Mit jeder Woche werden diese Gesellschaften größer und dauern dieselben länger. Mitt lerweile ist der Juli zu Ende gegangen, und jetzt sind alle die Storchfamilien der
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Mari
an
Weidende Strauße (S , 471). umgegend beisammen, oft eine Herde von obachter einen überaus lebhaften Anblick. vielen Tausenden. Endlich ist die Stunde So weit, als die mannshohen Rohrstengel des Abzugs da. Unter lebhaftem Klappern in gleichem Einerlei sich hinziehen und auf erhebt sich die Reisegesellschaft , schwebt den Pappeln und den Weiden, die da und noch eine Weile über der Heimat , um dort in die Höhe ragen, herrscht buntes Treiletzten Abschied zu nehmen , und zieht ben. Da fliegen kleine Silberreiher ab und zu, trockenes Reisig zum Nestbau zu holen ; nach Südwesten ab. Gesellige Tiere , die nicht vorsichtig fliegt der Fischreiher seinem Neſte nur mit ihresgleichen , sondern zu, das er auf einemstarken Aste einer großen auch mit anderen Sumpfvögeln Weide errichtet hat ; kaum hörbar huschen gern beisammen sind, sind die die gelben Schopfreiher durch die Luft; Reiher. Eine solche Reiher unter lebhaftem Geschrei machen sich zahl= siedelung , wie ich ihrer zahlreiche Nachtreiher um ihre Brut zu schaffen ; reiche in Südungarn zu Ge- bis zu zwanzig Reiherarten stehen auf sicht bekam, bietet dem Be einer einzigen Weide. Löffelreiher, Jbisse, Seeschwalben, Zwergschar ben, Möwen , Pelikane, Gänse, Enten, Nebelfrähen fliegen und lärmen durcheinander, daß man stundenlang ob dem Lärm und Gewirre ganz betäubt wird. Läßt sich ein Raubvogel erblicken, so verstummt der Lärm plöglich wie auf ein Machtgebot ; aber bald gibt es da und dort zwischen den Brütenden Streit, undsofort hebt die ganze Siedelung ihr ohrbetäubendes Geschrei von neuem an. Wie zahllos und mannigfaltig die Tierwelt ist, die sich an einem solchen Sumpfe (S. 483) niedergelassen hat, zeigt ein einziger Schuß, den der Jäger ins Rohrdickicht hineinTrappen (S. 471). feuert. Tausende von Vö-
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Birthühner (S. 468).
geln in allen Größen und Farben fliegen da in dichten Wolken aus ihren Verstecken auf und wirbeln angstvoll durcheinander. Auch in Deutschland finden sich da und dort Ansiedelungen des Fischreihers An der mit 100 und mehr Nestern. Seeküste brütet gern die Seescharbe neben dem Fischreiher. Die Fischreiher treten ihre Wanderreise immer bei Tage an und ziehen in Gesellschaften bis zu 50 Stück In Langsam in schrägen Linien dahin. zahlreichen Gesellschaften , besonders in Nordostafrika, finden wir den Nachtreiher. Ihrer Hunderte siten mit geschlossenen Augen, bewegungslos, den Hals tief eingezogen, da und werden erst lebendig , wenn der Abend heranrückt. Auf einen Lockruf des einen und anderen wird die ganze Schar munter und fliegt nun dem Sumpfe zu , an dem bald Tausende sid, einfinden. - Die Kraniche nisten zwar paarweise und dulden während dieser Zeit kein zweites Paar in ihrer Nähe ; später aber leben sie mit anderen ihrer Art gesellig beisammen; eine solche Kranichgesellschaft stellt immer Wachen aus und schickt , ehe sie einen Sumpf aufsucht, immer mehrere Kundschafter voraus. Das Kampfbläßhuhn (Fulica cristata) lebt während der Brutzeit streng paarweise auf bestimmtem Standplage, gesellt sich aber nach derselben sofort zu anderen Familien, so daß sich nach und nach zahllose Scharen zusammenfinden, die dann in der Winterherberge die großen Seen massenhaft bevölkern. Sie dulden andere Schwimmvögel nicht in ihrer Nähe. Unter den Gänsen zeich-
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net sich die Ringelgans durch Geselligkeit aus und lebt , wie andere Gänse, nur mit Tieren ihrer Art beisammen. Auf ihren Wanderzügen fliegt sie in wirren Haufen , während andere Gänse Keil - Die Enten brüten ordnungen bilden. gern in großer Nähe bei einander ; einige bilden ganze Brutgesellschaften. Die Männ chen vereinigen sich nach der Brutzeit gern in eigenen Gesellschaften . - Ganz besonders gesellig sind die Tauchenten. Die Eiderenten z . B. versammeln sich zur Brutzeit um kleine Inseln und gehen nun paar weise in nächster Nähe des Menschen daran, sich passende Niststellen auszusuchen. Die Männchen vereinigen sich, während die Weibchen brüten , zu ganzen Massen und leben unterdessen gemeinsam.
Jeht, da wir eine ganze Reihe von Zugvögeln fennen gelernt haben , die bei Cintritt der falten Jahreszeit vor den Konsequenzen der Witterung fliehen und oft ferne Gegenden aufsuchen , mag es am Plate sein, auch diesem Leben unserer Emigranten in der Fremde eine kurze Betrachtung zu teil werden zu lassen. Sind doch hier unzählige Wanderer zu großen Gesellschaften vereint, und sehen wir hier selbst solche Arten , die in der Heimat wenig Sinnfür geselliges Zusammenleben zeigen, einigermaßen mit anderen , wenn auch nur auf kurze Zeit, in gutem Einvernehmen. Istschon einfüdeuropäischer Sumpf, wie wir oben gesehen haben, ein wahrer Sammelplatz vielfältigsten Tierlebens , so spottet die Mannigfaltigkeit des Tierlebens an einem tropischen Sumpfe ( S. 479), wenn sich die europäischen Gäste eingefunden haben, jeder Beschreibung. Zahllose Scharen von Enten, Gänsen, Möwen, Pelikanen, Scharben, Seeschwalben, Reihern verschiedenster Art bedecken weithin das Wasser. Rohrdommeln, Regenpfeifer, Strand- und Uferläufer, Cisvögel, Kiebige, Schnepfen treiben sich an den Ufern und im Röhricht herum ; Pieper, Rohrsänger, Blaufehlchen beleben das Ufergebüsch ; Raubvögel aller Art streichen über dem Wasser dahin, das ihnen so reichliche Nahrung bietet ; Schakale durchschleichen die Sümpfe und Wildschweine
Störche zur Abreise sich fammelnb (S. 472).
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Eine Schreckensnacht.
H. Dickmann.
Wahrheit.
479 480 durchwühlen den schlüpfrigen Boden. Den andere Hunderttausende fliegen ab und zu. ganzen Tag hindurch währt das Kreischen, Die weiße Brust der Sißenden ist weithin Eine Schreckensnacht. Schnattern, Trommeln und Pfeifen, und sichtbar. Mit dem engsten Plätzchen fürlieb Von schnäbelnd beiPaare kaum sind die Schreihälse des Tages zur nehmend, siten die Ruhe gegangen, so beginnen mit den heu- sammen, fliegen gemeinsam dem Meere zu, Marinepfarrer Heims. lenden Schakalen um die Wette die Nacht- um zu fischen, und kommen ebenso wieder reiher zu frächzen, und ihnen antworten paarweise zum Neste zurück. Männchen Is war ein stiller Abend in See. Als purgar bald alle die anderen Tiere des Sumpfes, und Weibchen bebrüten dann abwechselnd Es LandKap zu Meer und von Nacht waren sich über purne die den Tag verträumten und nun sich die Eier. Ja es sollen sogar die überzähligen lagern begann, wir querab recken und lebendig werden. Männchen gern bereit sein , zeitweise bei Landsend gekommen , jener wildzerklüfteten, Ueberaus gesellig leben viele See- der Bebrütung auszuhelfen . Sind dann brandungumrauschten letten Spite von Engflieger land und (Longivon Europa, die in pennes), während schauerlicher andere nur Dede und Zerrissenzur Brutheit in den zeitingroße Atlantischen Gesellschaf hin Dzean ten sich zuausragt. sammenrotIm funkelnten, die den Abend: aber dann licht glänzte noch der an Zahl Himmel im wenige Westen, und ihres scharf, dun gleichen fin fel, hoch sich den. Man abhebend muß einen von dem golvonMöwen digen Hinbesetzten tergrund, ragte vor ,,Vogeluns der berg" ge= schlanke sehen ha Leuchtturm ben, umsich von Wolfsvon der Rock. Nun Zahl dieser sant da Ansammvorn die Sonne ins lungen eiin Meer nen richti demselben gen Begriff Augenblick machen zu leuchtete fönnen. aufdem hinWeithin beter uns lie: decken im genden Kap buchstäb Lizard das lichen flare , fun: feln de Dop : Sinne des Wortes pelgestirn seiner weißbrütende strahlenden Möwen die beiden BergLeuchtfeuer wände , so auf; vor uns daß sie wie zeigte gleich: mit Millio zeitig das erSp nen fleiner wähnte Wolfs Rock weißer sein abwechAfrikanischer Sumpf (6. 477). Pünktchen selnd weißübersät erstrahlendes scheinen. Jagt man sie durch einen Schuß die Jungen ausgekrochen und herange- und rotglühendes Licht ; und seitwärts , über auf, so jagen dichte weiße Wolken durch wachsen , so sieht man die furchtsamen Landsend hinaus, schien weitab von Steuerdie Luft dahin, ohne daß die Felswand Jungen unter Leitung der Alten vom Felsen bord in stillem Glanz das gelbe Feuer von dadurch sichtbar leerer geworden wäre. Be ins Wasser stürzen und gruppenweise im Longship fern über die stille See zu uns ginnen diese Millionen brütende Tiere zu Meere Schwimm- und Tauchunterricht herüber , und allmählich entzündete sich über vergehenden dem all und aufleuchtenden Licht schreien, so ist es ein geradezu besinnungs- nehmen. am Himmel droben unzählbarer Sterne Herrraubender Lärm , der da anhebt. lichkeit. Nicht weniger zahlreich sind die ,, VogelIch lehnte nachdenklich über die Neeling. 20ahrheit. berge" der Taucher. Wer z . B. einen von Neben mir der Kapitän der guten Bark ,, Mary Spiegel; der getreu Wahrheit dir zeigt Lummen besetzten Vogelberg (S. 484) beHavely", die hier in Stille trieb. Der sonst Aber hätt er die Wahrheit gesprochen, sucht, sieht da im März oder April Hundertsehr mitteilsame Mann schaute, wie tief in GeHing er längst unter Schloß und Riegel danken versunken, starren Blickes hinüber nach tausende, wie in Reihen geordnet, eng an Oder wäre zerbrochen. Landsend, von wo wir zuweilen das Donnern H. Didmann . einander aufden Felsvorsprüngen sitzen, und
(MEVER&KIRN)K
Eine Schreckensnacht.
Von Albert Rieger.
481 der auch in Stille starken Brandung des Ozeans gegen die Granitpfeiler des Vorgebirges ver nahmen. Er richtete sich auf und zeigte mit dem Finger hinüber. ,,Dadrüben," sagte er,,,habe ich die fürchterlichsten Stunden meines Lebens erlebt, und so oft ich seitdem hier wieder vor beigekommen bin, ist mir's immer zu Mut gewesen wie in der Kirche." ,,Erzählen Sie's mir, Kapitän !" Wir setzten uns jeder auf eine Taurolle. ,,Sie trauen es dem Felsen drüben nicht zu," begann er, jest , in Stille, was er im Sturm ist. Ich kenne ihn! Ich führte mein erstes Schiff, einen kleinen , guten Schoner. Seit drei Monaten war ich verheiratet, und meine Frau hatte mir nicht Ruhe und Rast gelassen: ich mußte sie mit an Bord nehmen . Und im Grunde that ich's ja so gern ! Aber es ist ein alter Seeglaube : Weiber an Bord, und wären's die jüngsten und lieblichsten, sind verderbenbringende Fracht. Ich sollte es auch erfahren. - Wir waren auf der Rückreise von New York. Die ganze Fahrt war stürmisch und schlecht ; ein Mann kam von oben und zerschlug sich den Schädel auf einem Bolzen ; und schließlich blieben wir vor dem Kanal im dichten Nebel in Stille liegen , den plöglich ein fliegender Sturm zerstreute, welcher über den Atlantik her uns anfauchte und , daß ich's furz mache : in selbiger Nacht scheiterte meine ,,Ellida" drüben am Vorgebirge, und von ihr und meinen Leuten habe ich nichts wiedergesehen. Meine Frau und ich hatten uns zusammengebunden, doch so, daß wir beide die Arme noch frei hatten zum Schwimmen. ,,Hätte uns wohl nicht viel geholfen, wenn wir nicht, als das Schiffauseinanderbrach, den Großmast gefaßt hätten und auf ihm ans Land geworfen worden wären. Er wurde von der wütenden See halb aufrecht stehend mit furchtbarem Ruck zwischen die Klippen gefeilt; und da hingen wir nun in der Saling, mit Händen und Füßen uns anklam-. mernd, in der gräßlichen Not der mondhellen Nacht; unter uns eine kochende Wafferhölle ; steiler , hoher, starrer , triefender Granit rechts und links und hinter uns, an dessen rauhem Gestein ich mir in dem Kampf ums Leben die Kopfhaut ab: geschunden hatte - Sie sehen die Narben noch , jeden Augenblick eine aufbäumende, weißsiedende, mächtig überbäumende See sich über uns brechend, und von oben gießender Regen. Am Morgen flaute der Sturm ab, die Seen gingen herunter, und wir fonnten uns gegen Mittag am Mast herunter lassen aber was half es uns? Meine Frau lag halbtot in einer Art Felshöhle, die etwas über Flut: wasser flach in den Stein ver: tieft war. Keine Nahrung als wenige Muscheln , die an den Felsen flebten; zum Trank Regenwasser, das ich mit Lebensgefahr aus Vertiefungen oben im Gestein in einer Muschelww schale schöpfte; schlaflos , hoffnungslos , vor uns langsamen, gräßlichen Tod - Herr, wenn ich daran denke, graust es mir noch! Rettung war nach Men schenermessen unmöglich- und doch wurden wir gerettet. Am-
Marinepfarrer Heims. Eine Schreckensnacht. 482 = Nachmittage sah ich von meinem Ausgud aus eine englische Kriegsbrigg langsam unter kleinen Segeln nahe der Küste hin fahren. Ich klomm so hochhinauf wie möglich, zog mein Hemd aus undsteckte es auf eine angetriebene Spiere- und mein Winken wurde bemerkt. Sie waren von Lizard aus geschickt, um die Küste abzusuchen. Herr, aber die Freude! und dann wieder die gräß liche Angst, als abermals ein Wetter herauf30g und wieder die siedenden Seen brüllend unseren Felsen berannten und kochend und rauschend sich hereindrängten in die Kanäle zwischen den Klippen und bis an das Lager meiner Frau spülten. Und die Nacht brach an, und der Mond ging auf, und für meine arme Frau galt's Leben oder Sterben, wenn die Rettung ausblieb! An sich selbst denkt man in solchen Stunden nicht. Die Brigg hatte seit Stunden beigedreht; aber sie lag weit ab; zweimal hatte sie ein Boot zu Wasser gelassen, und zweimal hatten sie den Kampf gegen die tosende See aufgeben müssen aber ich winkte weiter, immer weiter -- Jest machten die Wackeren , als es ein wenig abzuflauen schien, den dritten Versuch aber es dauerte lange ! Zu weilen sah ich sie im Boot hoch oben, dann verschwan= den sie im Wellenthal unter sprühenden Seen. Endlich,
483 als sie nicht mehr irren konnten, war ich heruntergeklettert an das Wasser und trat auf den äußersten Rand der Klippe. Meine Frau lag fiebernd und irre redend drinnen in der Höhle. Hoch stand schon der volle Mond am Himmel und warf bleiches , gespenstiges Licht aus den zerrissenen Wolfen auf die tobende Wassermasse, auf den Kampf der Helden im Boot, auf mich in meiner bebenden Angst da, nach stundenlanger Arbeit, kamen jie nahe ; jetzt sah ich sie dicht vor mir hoch oben auf
Ungarischer Sumpf (S. 474). 21
Paul Knuth. 484
Die Farbe des Wassers. 485
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WADR 55
feit und gingen nach Lee herum, um samt dem Boot aufgelaufen zu werden ; drei Riemen splitterten noch , als wir uns abstemmten, daß wir nicht zuletzt an der Bordwand zerschellten ; aber als ich dann an Deck stand und meine Frau in die Kajüte hineintrugenfie , da habe ich um den Großmast die Hände gefaltet im Gebet." Er schwieg und schaute still hinüber. Ueber uns funfelten die Sterne des Himmels flar und schön in der Nacht. Um uns spülte leise rauschend die See, die liebliche, furchtbare, die dienende und ungezähmte ; und flüsternd wehte ein Hauch über sie hin, als wäre es der Odem des Herrn, der in der Kühle des Abends auf dem Wasser wandelte.
der her: anstürzenden See; flarzum Abstem men stand einer vornim Bug, den Die Farbe des Wallers. Vogelberg mit Lummen (S. 478). Boots: haken in Fin jeder, der in die Schweiz reist , ist der Hand, ein anderer hob die Fangleine ¹), sie Fi überrascht von der prachtvoll smaragd mir zuzuwerfen im langen Bogen. Herr Gott, jekt behüte sie mit deiner Hand, daß sie nicht grünen Farbe des Wassers im Vieram Fels zerschellen! schrie ich zu Gott aus waldstätter See und der aus diesem meines Herzens Tiefen. Nun hielt ich die Leine hervorströmenden Reuß. Tags darauf und rannte, flog, fie um die Felszaden drüben kann der Reisende die tiefblauen Fluten zu schlagen - jest gießende See, die in weißem des Genfer Sees und der Rhone be Milchschaum über die Klippen brach ; die Möwen wundern , und wenn er der Südseite der schrieen Zuruf aus dem Boot - ich weiß Alpen einen Besuch abstattet , so wird er noch alles, alles und sehe und höre es- und erstaunt sein, daß der nördliche Zipfel des auf der See schoß das Boot herein in den Lago Maggiore grün, der südliche Kanal und, mit eisernem Arm gesteuert, hinein blau erscheint. Die drei genannten Seen in die Bucht hinter dem vorspringenden Fels ; kein Wort ward gesprochen die triefenden enthalten sämtlich ihre Zuflüsse von den Männer hoben mein Weib ins Boot, ich sprang Gletschern desselben Gebirgsstodes , des nach. Ab ! kommandierte der Bootssteuerer ; St. Gotthards , und doch zeigen sie so ichselbstfaßte einenRiemen; und nun begannein verschiedene Färbung ihrer Wässer. Mancher wird sich und andere nach der Ursache Kampf! Viermal warf uns die See zurück beim fünftenmal famen wir frei ; jest hoch dieser eigentümlichen Erscheinung gefragt, oben, jetzt unten, immer vierkant gegen die aber keine befriedigende Antwort erhalten auflaufende See an; zischende Seen vornüber, sausende Spriter von den Seiten. Ich ließ das haben. Gewöhnlich wird man dadurch getrö Pullen und schöpfte ohne Unterlaß ; aber als stet, daß es ander verschiedenen Tiefe der Seen da waren wir längs- liege, wodurch eine verschiedene Absorption der Morgen graute 1) Siche das Bild von Wergeland in diesem heft. des Lichtes bedingt würde, und mit dieser
486 = gelehrten Erklärung ist der Durchschnittsvergnügungsreisende sehr zufrieden, denn es ist ihm ziemlichunklar, was man unter Absorption des Lichtes so eigentlich zu verstehen habe. Die Ursache nach der Farbe ist also wo anders zu suchen, und die Naturforscher haben sich lange den Kopf darum zerbrochen. Unser Zeitalter ist nun ein erperimentierendes, und so hat denn auch das Erperiment die Lösung des Rätsels gebracht. Derjenige Körper, auf den es hier besonders ankommt, ist der kohlensaure Kalk. Derselbefindetsich infastjedem Boden, selbst ganze Gebirge bestehen aus ihm. Aus dem Boden löst das Wasser den fohlensauren Kalk auf, und zwar nur mit Hilfe von vorher aus der Luft aufgenommener Kohlensäure. Hierauf gründen sich die von Spring angestellten Erperimente : Gläferne Röhren von 5 m Länge und 4 cm lichtem Durchmesser , welche gegen das Eindringen vonseitlichem Licht durch übergeklebtes schwarzes Papier geschüßt waren und an den beiden offenen Enden durch Glasplatten geschlossen werden konnten , wurden mit sorgfältig (über Kalilauge und mangansaurem Kali) destilliertem Wasser gefüllt. Die Färbung dieser 5 m dicken Wasserschicht war ein unvergleichlich schö nes Himmelblau. Wurden nun geringe Mengen von kohlensaurem Kalf in das Wasser gebracht , so erschien es völlig schwarz , kein Lichtstrahl konnte passieren . Je mehr Kohlensäure jedoch hindurchgeleitet wurde, desto heller wurde die Färbung, weil sich der kohlensaure Kalk allmählich löste, und zwar erschienen nacheinander die Farben braun , hellbraun , gelb , grün und endlich blau, obschon letteres bei weitem nicht so intensiv war, als das des reinen destillierten Wassers . Die einfache Lösung ist also folgende: 1) Das reine Wasser, welches in dün nen Schichten farblos ist, zeigt in dicken eine himmelblaue Farbe. 2) Jst kohlensaurer Kalt mit Hilfe von Kohlensäure darin vollständig gelöst , so ist das Wasser gleichfalls blau. 3) hat sich fohlensaurer Kalk infolge des Verlustes von etwas Kohlensäure in sehr geringen, die Durchsichtigkeit nicht beeinflussenden Mengen ausgeschieden , so erscheint das Wasser grün. 4) Durch starke Ausscheidung von kohlensaurem Kalf, sowie durch mechanisch beigemengten Schmutz nimmt das Wasser ein lehmiges Aussehen an. Die Untersuchung des grünen Rhein- und blauen Rhonewassers bestätigt diese Säße. Wir tanzen also nach der Melodie: „ An der schönen blauen Donau " undsingen : „ Grüß mir meinen grünen Rhein", weil die Donau mehr Kohlensäure enthält , mehr moussiert als unser Rhein. P. Knuth.
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Ein
Sohn.
Don H. von
der
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Ein Sohn . 489 fahren das rechte Verständnis versagt, billigen aber mußt du's. Ich hatte, wie so oft , auch hier keinen Dank erwartet, nahm aber an , als du nach der Familie. des Landrates nicht fragtest, daß du stillschweigend meine Rücksichtnahme ehrtest, und nun dieser Vorwurf!" Die verschleierten Madonnenaugen füllten sich mit Thränen, und der zusammengepreßte , kleine Mund schien eine Flut von berechtigten Klagen zurückzuhalten . Kla Es blieb, wie schon so oft, Charlotten nichts übrig , als der Schwester Hand zu ergreifen und ihren Frieden mit derselben zu schließen. Diese ging auch großmütig darauf ein und wechselte geschickt den Ge sprächsstoff. "/ Wie gefallen dir meine Töchter," fragte sie, "/ nicht wahr, sie haben sich schön entwickelt ? Ach , das Glück hat ja seine Stätte nur bei der Jugend aufgeschlagen, nur solange man freudig hoffen und das Gehoffte voll genießen kann, vermag man glücklich zu sein : darum muß man sich im Alter zu diesen Glücklichen halten . Eigene Kinder, der natürliche Inhalt des Lebens , sind dir nicht von Gott beschieden, so teile denn meinen Reichtum ; ich bitte um deine Liebe für die Mädchen und gönne dir die ihre !" Gleich nach dem Mittagessen , sobald Charlotte sich von allen dem Guten und Erfreulichen , was die Schwester ihr bereiten wollte, losmachen konnte , ging sie, jede Begleitung ablehnend , hinaus . Sie hatte vorgegeben, die alten Stätten ihrer Jugend lieber allein aufsuchen zu wollen. Im Grunde war ihr am meisten darum zu thun , offen und ohne Zeugen mit Saukes zu sprechen. Sie wußte selbst nicht, welchen Eindruck ihr jetzt der Heisterbusch machen werde , wie sie mit der bekannten Familie nach so langer Zeit übercinkam , und ob das , was ihr aus der Ferne wünschenswert erschienen, bei näherer Besichtigung denselben Reiz besigen würde. Der nächste Fußpfad lief meistenteils auf dem Elbdeiche hin. Rechts hatte sie Weideland und das umbuschte Flußufer, links sah sie auf Feld und Wald , auf Häuser und Bauernhöfe. Nur wenig be friedigt von ihrer Auseinandersehung mit der Schwester legte sie den halbstündigen Weg, sinnend über manche dunkle Frage, rasch zurück.
jer Landrat ist ein sonderbares Ge- Liebesarmen gehalten fühlen und dich D misch," erzählte Antonie , während nie wieder losreißen können ," fügte sie Charlotte bei ihrem Kaffee saß. „ Er gilt mit jenem zärtlichen, weichen Lächeln hinfür auffahrend und hart , seine Kinder zu, das nur ihr eigen war. und die Leute, mit denen er amtlich ver// Ich schrieb dir schon , daß ich nicht kehrt, fürchten sich vor ihm. Mir kommt er auf lange deine Gastfreundschaft in An nur ungleich und fahrig vor und sehr bemit spruch nehmen würde ," erwiderte die Leidenswert. Er ist einer, der selbst nicht Schwester in ihrem Drange nach Klarheit weiß, ob er das Siechte treffen wird , und knapper, als sie sonst eine freundliche Auf der sich ärgert , in der Hauptsache nichts forderung beantwortet haben würde. "} Mög: ausrichten zu können. In seinem Hause lich, daß ich mich in Bleiden dauernd niederdringt er felten durch Ernestine kennst lasse ; doch nur, wenn ichmeinen eigenen Herd du ; sie mag sehr schwächlich sein, ist aber mit nüglicher Wirksamkeit gründen kann, ganz gewiß noch mehr verzogen und gleich andernfalls kehre ich nach Berlin zurück. " gültig. Sie allein würde sich fügen, viel„Luftig und von zarten Fäden sind leicht von ihm aufrütteln lassen , aber sie die Gespinste meiner Hoffnungen , ein hat zwei kräftige Verteidiger , mit denen Hauch zerreißt sie ," flagte Wilhelmine ; er nicht fertig wird. Hauptperson ist ihr wenn du doch auch dein Gemüt , deine Bruder, ein reicher Kaufmann aus Ham- Secle walten lassen möchtest, teure Schwe: burg , der sich hier eine schöne Villa ge- ster ; gebiete dem berechnenden Verstande baut hat. Herr Brammer soll seinem Schweigen und folge dem Bedürfnis des Schwager Ernestinens Geld vorhalten. Herzens. Nur dadurch wirst du endlich Da er ein sehr reicher Junggeselle ist, von wahre Befriedigung finden . " „Lassen wir die Zukunft, die noch von dem die Kinder vielleicht erben , meint man, daß er seinen Einmischungen Nach- manchem Wenn und Aber abhängt. Es druck zu geben weiß. Ihm zur Seite steht bleibt mir in der Vergangenheit noch vieles Mamsell Truhlsen, die du auch aus früheren unbegreiflich, das du mir aufklären mußt. Zeiten kennst, sie führt das ganze Haus- Du hast mir vor neun Jahren den Tod wesen, pflegt Ernestine seit ihrem zwölften Hermann Aschenbergs angezeigt, und jest Jahre und behandelt sie immer noch wie tritt er mir hier lebend entgegen. Wie ein Kind , das man vor jedem Luftzuge bist du zu diesen Briefen gekommen , die hüten muß. Brammers und der Truhlsen mir jenen unerhörten Frrtum bereiteten ?" Liebe für Ernestine und ihre Kinder ist Charlotte zog die beiden Briefe heraus , das Beste an den beiden. Jeder kleine welche sie der alten Freundin vorgelesen, Ankömmling, so viele ihrer auch sind, wird und bot dieselben forschenden Blickes ihrem wie ein Gewinn für die Welt aufgenom- Gegenüber dar. Allein keine Veränderung men. Herr Brammer gibt in Bleiden den der sanften Züge ihrer Schwester deuteten Ton an, er ist der reichste -und," fügte auf Schreck oder böses Gewissen . War fie mit leichtem Erröten hinzu , „ du wirst sie vorbereitet und eine große Schaubald bemerken , daß die Mütter ihn noch spielerin , oder lagen hier wirklich nur als Heiratskandidaten ansehen. " Mißverständnisse vor? Das Geplauder mit der Nichte wurde "/Den Tod Hermanns , sagst du , hätte durch den Eintritt Wilhelminens unter ich angezeigt ? Unmöglich , beste Lolo ; du Als sie auf das kleine Anwesen blickte, brochen, die mit vielen zärtlichen Worten hast wohl zu ausschließlich an ihn ge- welches sic so lange schon im Geiste bes nach Schlaf und Ergehen ihres Gastes dacht, mein armes Herz? Da du oft ver- schäftigte, wurde ihr ganz eigen ums Herz . forschte. Antonie entfernte sich bescheiden, sichertest , beide Aschenbergs seien dir so Noch war hier ihre Absicht nirgends aus und so waren die Schwestern zum ersten lieb wie Brüder, konnte ich doch nicht in gesprochen , sollte sie sich bescheiden , ſich zurückziehen? Nein, der Wunsch war zu mal allein. Sie saßen nebeneinander am kühler, derber Weise . . .' Fenster, und Frau von Müller machte CharMag sein," unterbrach Charlotte, pein lebendig in ihr, die Pläne zu reif getragen, lotte auf den Reiz der Aussicht in Gärten, licher von der Erwähnung ihres Verhält ihr eigenes Denken zwang sie zur That! über Wiesen und Felder aufmerksam. niffes zu Aschenbergs betroffen, als sie ge- Beschleunigten Schrittes ging fie auf die Blick hinaus, meine Lolo ! " sagte sie dacht. " Warum ist mir denn Hermanns alte Försterei zu . Landein, nahe dem Elbdeiche, lag auf innig, zwar ist's jetzt noch karg bestellt Verheiratung mit der Witwe seines Brueiner mäßigen Bodenerhebung das bäuermit den Schäßen des Frühlings, aber die ders nicht mitgeteilt ?" „Wie du fragst , Kind ! Es ist nicht liche Haus, von einem kleinen Stall, von Natur ist auch in ihrer Dürftigkeit reich , so aus der Fülle schafft sic. Gib dich meine Art , absichtlich kaum verharschte Busch und Baum umgeben. Prangte auch willig dem Duft, dem Zauber der Heimat Wunden zu berühren und Dinge zu beant Giebel noch das Hirschgeweih, so schien hin. Du wirst dich hier von den Geistern sprechen , die verleßend wirken können. doch das grünbemoste Strohdach kaum einer der Vergangenheit unischwebt, von unseren | Vielleicht ist dir für mein schonendes Ver- | Försterwöhnung genügt zu haben. Je näher
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die rüſtig Ausschreitende kam, je mehr erschaft nig nich an , und was Eauke ist, In diesem Augenblicke erschien ein kannte sie, daß unfruchtbare Dede, Verfall der hat auch keine Lusten dazu . Ich mag untersetter junger Mensch mit dickem Kopf und Vernachlässigung der Charakter alles mir quälen wie ich will, es geht nich vor und langen Armen in der Küchenthür. zu dem Anwesen Gehörigen sei. wärts . In Tagelohn will er nich ; ich ,,Bett dich ab , Rudchen ! " rief ihm die Eine kleine Weile still stehend und tief gehe öfter aufs Waschen oder Plätten in Mutter entgegen ; sehen Sie, er thut's ," atmend , faßte sie die Einzelheiten dessen, den Flecken, aber der Weg wird einen auch fügte sie zu Charlotte gewandt befriedigt was ſie ſah, ins Auge. Verbesserungspläne sauer , und die beiden kriegen nich ihr hinzu, als der Stämmige seine Füße länger regten sich sogleich in ihr. Das dürftige Recht . Sie wissen wohl, das arme Rud- als nötig auf einem vor der Thür liegenGärtchen mit dem verfallenen Zaun sollte chen ist so en büschen swaksinnig ; nu kuja den Bündel Heidekraut scheuerte. D, er entweder vergrößert und neu umfriedigt nieren ihn die Jungens , und er will nich versteht alles , was ich em anbefehle ! " oder ganz frei gelegt werden. Hier hinter nach Bleiden. Was Sauke is , den ärgert Endlich betrat der Bursche die Küche. dem Deiche gab es kein weidendes Vieh . das, und er will auch nich. Nu sihen sie , Mutter - Kaffee kochen," sagte er mit Wie, erblindete und zerbrochene Fenster, beide herum , und ich kann nich klagen, mühsam hervorgestoßenen Lauten. Kaffee kochen. Ja, ja, Rudchen, sieh. cine morsche Einfriedigung des Ziehbrun- daß sie faul sind , aber was Rechtschaffenes nens, ein halb herabgesunkenes Stalldach? duhen sie doch nich , wenn so der Mut das ist unser gutes Fräulein , das dich da hätte der rührige Sauke doch selbst fehlt. Vors Abbrechen mag ich nich ar- schon als kleines Kind herumgeschleppt nachhelfen können ! Wie sie die bekannten beiten, sagt Sauke. Denn das Haus , das und verzogen hat. " Charlotte war aufgestanden , sie bot Leute wohl finden würde? Während sie noch ganz gut ist, lauter Eichenbalken, soll mit den Eltern in der Stadt gelebt, hatte abgebrochen werden , und der Herr von dem Armseligen die Hand ; sein leerer, sie noch flüchtig den einen oder anderen Sternberg, der Nächste hierzu , will das irrender Blick versuchte, auf ihren Zügen gesehen; man würde sie wieder erkennen, Land haben. Soll man für den nu ar zu haften , auf ihre Hand fiel derselbe ihr eine gewisse Anhänglichkeit bewahrt beiten? Jedes Jahr denken wir, daß wir nicht, schüchtern streichelte er ihren Aermel. Wenn Sie Saufe guten Tag fagen haben, daran zweifelte sie nicht, aber natür- raus müssen , immer kommen die Herren lich die Jahre hatten viel verwischt und nich so weit , nu ist aber bald der letzte wollen, Fräulein , er ist mit seiner Flechterei auf'n Hof." zerstört : er mochte Mitte der Fünfzig, fie Verkaufstag auf dem Amte. " Sie gingen durch die hintere Thür. Und wo denkt ihr denn hinzuziehen, einige Vierzig alt sein , und Rudchen, ja, Doris ? Ihr müßt doch ein anderes Ob Da saß auf einer Bank am Haufe der der zählte nun einundzwanzig. alte , brave Gesell , der zwölf Jahre lang Unter diesen Gedanken war sie um dach haben, neue Pläne machen! " das Haus herum geschritten und stand Pläne machen. Ja, das is wahr, des Doktors Kutscher gewesen. Vielleicht jezt vor demselben , da , wo die schlecht aber wir wissen es noch nich. Sie werden hatte er sich von den dreien am wenigsten gehaltenen Bänke und Tische unter den einen doch nich gleich das Dach überm verändert, etwas grauer und faltiger, das einst verschnittenen Linden den Play be- Kopf abreißen. Herr von Sternberg ist war alles . Er flocht , ganz versenkt in zeichneten , auf dem man Kaffee trank. nich schlecht, auch der junge Herr soll sehr seine Arbeit, mit steifen Fingern an einem Man konnte von hier aus über den Deich rechtlich sein. Ein büschen stramm sind rohen Packkorbe von ungeschälten Weiweg auf die Viehweide und die Elbe blicken sie wohl beide. Ich habe öfter schon bei den und sah nicht eher auf , als bis und hatte sonst diesen Punkt gern aufge- gnädig Frölen geplättet , sie ist still und seine Frau ihn anrief. „ Was Sauke is , sucht. Jeht war alles leer. Sie trat in engelhaft, und ich hab ' ihr neulich gebittet, so hört und sieht er nich bei seine Körbe, “ das Haus . Es ward durch einen Mittel- uns nich raus zu schmeißen. Da, sagte murmelte sie entschuldigend . Nun aber fuhr er empor und richtete gang geteilt, auf beiden Seiten lagen zwei fie, könnte gar keine Rede von sein. Nu, Räume , rechts neben der Küche führte denken wir , daß wir wohl noch en Jahr sich ; Sonnenschein ging über das alte GeNe nu segget Se mal , unser sicht. eine leiterartige Treppe nach oben. Die jizen bleiben können." Lottchen. " Fräulein Das Kopf. den schüttelte Charlotte Küchenthür stand offen. Frau Doris hängte einen Wasserkessel über das offene Feuer war so die Art der Leute , eine peinliche Ja, ich bin's, Eauke, und habe mich des niedrig aufgemauerten Herdes . Char Lage, in der man nicht weiter kann , fest recht darauf gefreut , euch alle wieder zu lotte blieb in der Thür und beobachtete zu halten, um nur ja nichts Neues , das sehen. " Sie schüttelte seine derbe, schwieNun geh, Doris, und koche ungeſchen die Arbeitende. Ja, das war überlegt sein wollte, vorzunehmen. // Sauke lige Rechte. die kleine geschäftige Frau, gealtert wohl, hat doch bei Vater mit dem Pferde, wenn uns den Kaffee , nach dem Rudchen veraber nicht alt, rund, frisch und rührig, die nicht über Land gefahren wurde, geackert?" langt , ich trinke mit euch. Während du gute Doris , das Faktotum ihres Eltern- fragte sie. „ Ich meine, wir hätten Brot alles besorgst , bleibe ich hier bei deinem hauses . Ob sie noch immer mit einem forn , Hafer , Kuh- und Schweinefutter Manne. " Sie setzte sich auf das große fleinen Knig das lehte Wort nachsprach, selbst gebaut? Habt ihr keine Kühe , ihr Weidenbündel , das ihm gegenüber lag. Nachdem er auf ihre Frage fast dasselbe wie sie es aus Achtsamkeit und Respekt könntet sie doch gewiß gut ernähren ?" Gut ernähren“ fleinlaut und mit berichtet wie die Frau , sagte Charlotte, bei ihrer Frau Doftor gethan? Guten Tag , Doris ; fennst du mich Thränen kämpfend fügte sie hinzu. " Die daß es doch nun für ihn sehr nötig sei, lehte is frepiert, es war schon en büschen an die Zukunft zu denken , und was er noch, alte Seele ?" Ach, unser Lottchen ! altes Dier, und wir konnten nich so weit anfangen wolle, wenn er hier fort müſſe? Alte Seele. „Ja , dat segget Se man , Fräulein. Fräulein Charlotte , herrje , die Freude ! kommen, wieder eine beizuschaffen, seitdem sind die Herrschaften nich mehr so viel Es geht bei uns traurig mit lange Zügel Na, wer hätte das gedacht ?" , " Wie geht es euch , Doris ? Es sieht zum Kaffeetrinken draußen ; sie widern so hin. Was ich bin , so denke ich die Korbflechterci noch los zu kriegen. Weiden nicht gut bei euch aus , so verfallen und sich vor die schöne Ziegenmilch." !! Und was thut Sauke und Rudchen? sind bei uns an der Elbe billig , dem leer ; ihr seid doch alle gesund ?" sie nicht arbeiten? Wächst euch Jungen bringe ich's nach und nach bei, Mögen „Alle gesund. Ja , danke Fräulein ; so daß er helfen kann , und was sie is, aber kommen Sie in die Gaststube oder nicht zu , was ihr braucht ? " Ihr braucht. ja , wir haben so muß sie weiter ins Waschen und Plätten gehen hier ein büschen sißen. " Sie wischte mit ihrer blauen Schürze für uns und Ziege und Schwein genug . gehen. Eine Kate, wo wir so bei kleinen einen ſauberen Brettſtuhl ab, und Charlotte Was Sauke is, so meint er, er muß das abfutschieren, findet sich wohl ; man nich folgte der Aufforderung ; fic fragte dann Korbflechten lernen, damit, meint er, kann im Flecken , da sind die overmöhdigen hin und her über die Ursache des Zurück er sich ernähren, und Rudchen hilft aller: Bengels hinter meinem Jungen her. " wärts, das liebe Gööre. Er thut, was man Sie fing dann an, ihn über das Land, kommens . „ Ja sehen Sie , Fräulein, das ist so : ihm sagt, und macht's ganz ordentlich. Ein welches zum Heisterbusch gehörte , auszus Es sind vier Jahre , daß sie zuerst vom Gemüt so blank als Goldpapier, es verstehen fragen , ob es guter, crtragsfähiger Boden Verkaufen schnackten ; nu wendet die Herr ihn die anderen nur nich so gut wie ich. " sei ? Wie viel man hier herum jezt für
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den Morgen Land zahle ? Ob noch sonst des Gütchens durchschnitt , daß da die jemand als der Herr von Sternberg bieten Weidenplatte in der Elbe auch noch hierwerde ? Wie weit die Ländereien des Guts bei gehört. Der Sandstremel sieht so nach Sternberg von hier lägen ? Wie das Haus nichts aus, er trägt Sie aber schöne Korb in Mauer und Dach beschaffen sei ? Und weiden, von die wir bei Wintertag manerhielt auf alle diese Hauptsachen befriedi: ches Stück flechten können. " gende Antworten. Es schien ihr, als sei Ihr müßt hinüberschiffen, die Weiden der Verkauf des Besitztums besonders des zu schneiden ?" halb von der Regierung hinausgeschoben , " Ja , wo Se segget , aber ein Kahn weil keine Aussicht gewesen, einen zahlungsliegt da, und den habe ich immer gut in fähigen Käufer zu finden. Hatte sich aber Stand gehalten." Herr von Sternberg so lange besonnen, Die Sonne neigte zum Untergange, so war anzunehmen , daß er jetzt nicht allzu als Charlotte sich bis zu baldiger Wieder eifrig bieten werde. kehr verabschiedete, indes von Saufe noch Doris meldete den Kaffee ; sie hatte ein Stück Weges auf dem Deich begleitet im Gaftzimmer, links von der Hausthür, wurde. Sie schärfte ihm ein , nicht von einen Tisch mit weißem Tuche belegt und ihren Plänen zu sprechen, und fragte dann, ihre beste Tasse mit Goldrand, Rosenkranz wo sie die Kaufbedingungen erhalten und und Spruch , nebst Zucker , Milch und Näheres über Zubehör, Lasten und Zahlung Butterbrot für ihr Fräulein hingestellt. erfahren könne. Als dieses wiederholte, sie wolle mit der Er riet ihr , übermorgen geradeswegs Familie trinken , sagte Frau Saufe ver aufs Landratsamt zu gehen. Der Herr schämt, sie habe sich das doch nicht unter: Landrat habe jeden Donnerstag zehn Uhr stehen mögen, trug aber vergnügt ihr Ge- Sprechstunde , da komme nach der Reihe schirr hinüber in die Wohnstube neben jeder vor ; sie könne sich manche mündliche der Küche , wo alsbald Charlotte mit Auskunft holen, aber auch gegen Erstattung der Kutscherfamilie zusammen an dem der Schreibgebühren Grundriß und VerTische saß. kaufsbedingungen erhalten. Das Ehepaar wurde erst allmählich Als Sauke auf Charlottens Wunsch unbefangen der Schwachsinnige jedoch umgekehrt war , ließ sie sich seinen Vorbegann sogleich mit starken Kauwerkzeugen schlag, die Sprechstunde des Landrates zu die daumendicken Butterbrote zu verzehren, besuchen , vielfach durch den Kopf gehen. welche seine Mutter ihm neben den Kump Ja, wenn sie etwas Ernstliches in Angriff mit Kaffee gelegt. Charlotte fragte , ob nehmen wollte , durfte sie aus keinerlei der Junge arbeiten könne und womit er Art Echeu Dazugehöriges und ihrer Abbeschäftigt werde. sicht Förderliches versäumen. Hermann Ik will Se seggen ," entgegnete der Aschenberg würde auch , falls ein schwer Vater, daß er alles macht, wozu ich ihn wiegendes Bedenken gegen den Ankauf anstelle , aber er macht das dann immer vorlag, ihr dasselbe mitteilen, das erwartete zu . Er gräbt so fix wie einer, hört aber sie noch von der alten Freundschaft. Mochte nicht eher auf, als bis er an einen Graben, ihr der Weg nicht leicht werden , sie mußte eine Mauer oder einen Wald kommt, dann ihn beschreiten ! Es war nötig , hier zu steht er ganz verblüfft still und weiß nich, sprechen. Ihre bevorstehende Mitteilung wie er weiter soll. “ an Wilhelmine, die nicht ohne Kampf ab" Weiter foll" fügte die Mutter gehen würde, konnte sie noch verschieben ; hinzu . " Er vergißt nur das Essen nich. " sie hatte derselben immer gesagt , daß sie Charlotte erkannte , daß der starke nur als Gast komme und einen neuen Bursche eine sehr schäßbare Arbeitskraft Wirkungskreis suche. sein werde , falls es ihr gelinge , ihn an * * sich zu fesseln, so daß er sie verstehe und Während Charlotte den ersten Schritt ihr folge ; vielleicht konnte sie seine geistigen Fähigkeiten auch noch etwas wecken. gethan , ihren Zukunftsplan zu verwirkSie begann jest Saukes ihre Absicht lichen, wurde man im Haufe der Frau von darzulegen ; die guten Leute trauten ihren Müller durch einen Besuch erfreut. KammerOhren nicht, sie konnten die Freudenthränen herr von Sternberg war mit seinen beiden kaum zurückhalten , als Charlotte hinzu erwachsenen Kindern vorgefahren und aufs fügte, sie sollten alle bei ihr bleiben, man beste empfangen . wolle gemeinschaftlich das Gütchen verSternberg hatte früher in Hannover bessern und werde sicher so viel heraus gelebt und sich erst vor einigen Jahren, schlagen, daß man reichlich zu leben habe. als seine kränkliche Frau den Landaufent: Diese Aussicht schien das alte Baar halt wünschte, häuslich auf dem Sternberge zu verjüngen , Ueberlegungen und Pläne, niedergelassen. Hier war die Frau nach verständig und thöricht , stiegen in ihnen kurzer Zeit unter der Pflege ihrer Tochter empor und kamen zur Besprechung. Dann gestorben. Danach trug man vorläufig besah die erwünschte Herrin Haus und fein Verlangen, die Stille des Landlebens Ländereien unter Saukes Führung , ge- aufzugeben . Sternberg war ein Anhänger wahrte allerorten Vernachlässigung , aber des alten Königshauses : als solcher hatte zugleich die Möglichkeit, zu verbessern und er sich dem welfischen Parteitreiben nicht Neues zu unternehmen. entziehen können , aber unter der Aussichts„ Nu mut ik Se noch seggen, Fräulein, " losigkeit desselben mehr gelitten, als er sich hob Sauke an, als sie zusammen auf dem selbst eingestanden. In der Ruhe des Deiche standen, der Vor- und Hinterland Landlebens berührten diese Aufregungen
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495 ihn nicht mehr direft , und das that dem alternden Manne wohl. Dann , vor etwa einem Jahre , war der einzige Sohn, Waldemar, der sich zum Landwirt ausgebildet, nach Hause gekommen ; die Dekonomie des Gutes wurde pachtfrei und von Waldemar übernommen. Er widmete sich mit Eifer seinem Berufe, führte Verbesserungen ein und suchte ſich in der Umgegend heimisch zu machen. Bater und Schwester, von ihm angeregt, wurden mit fortgerissen und konnten sich vorläufig weder von dem Gute noch von dem langentbehrten Sohn des Hauses trennen. Waldemar hatte die Hauptmännin mit ihren beiden erwachsenen Töchtern in einer Gesellschaft getroffen und bald darauf bei ihr mit Vater und Schwester Besuch gcmacht. Man schien sich gegenseitig zu gefallen und hatte sich neuerdings öfter aufgesucht. Die Sternbergs waren alle drei etwas förmliche, gemessene Leute mit dunklem Haar und ernsten Augen, denen die Leichtigkeit und Anmut der gewandten Witwe , sowie das heitere , offene Wesen der Töchter anregend erscheinen mochte. Man saß rechts in dem kleinen Besuchszimmer neben der Eßstube und unterhielt sich bei einer Taffe Kaffee. Die Ankunft der Tante aus Berlin, die bald von ihrem Spaziergange zurückkehren werde, die Aussichten , welche das Frühjahr für die Ernte bot , die flüchtig hingeworfene. Aeußerung des Kammerherrn, daß er auf Waldemars Rat nun doch entschlossen sei, die vernachlässigten Ländereien des Heisterbusches zu erwerben , bildeten den Gesprächsstoff. Veronika Sternberg , ein gelassenes , schlankes Mädchen, mit glänzend schwarzem Haar, blasser Farbe und schmalen Händen, bewunderte eine funstvolle weiße Stickerei Antoniens und ging freundlich auf das lebhafte Geplauder Silvias cin. Frau von Müller schien völlig hingenommen von des Kammerherrn Mitteilungen. Der schärfste Beobachter hätte nicht gewahren. können, daß sie daneben dem Treiben ihrer Kinder lauschte , dem sich Waldemar mit aller Wärme seiner ctivas schwerfälligen Natur überließ. „ Ach , ich wollte , es wäre erst Pfing: sten!" rief Silvia , dann gibt es einen Ball. Sie haben mir das neulich versprochen, Herr von Sternberg. Vielleicht kommt mein Bruder Arthur dazu auf Urlaub. Er ist ein höchst eleganter Tänzer, Sie werden ja sehen! Dann tanzen Sie auch , Veronika? Da gibt es gar keine Ausrede ! Tanzen ist ja etwas Himmlisches ; ich begreife nicht, daß es Menschen gibt, die nicht tanzen mögen. “ „Haben Sie nie das treffende Wort gehört : *Eines schickt sich nicht für alle ? " fragte Waldemar Sternberg. Sie leben allerdings selbst erst seit so kurzer Zeit mit vollem Bewußtsein , daß man von Ihnen, Fräulein von Müller, die Kenntnis der tausend Spielarten anderer Neigungen kaum erwarten kann. “ Ach , wie thun mir die Leute leid , die sich nicht inimer so viel freuen wie
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ich. Ist es nicht wunderschön auf der | jezt heraus , auf den Steintisch zu springen ; | Seite fragte Veronika nach den KrankenWelt?" kommen Sie mit , ich will Ihnen alles und Diakonissenhäusern in Berlin. Brammer prahlte Wilhelminen von In diesem Augenblicke trat ein neuer zeigen !" Gast ein, des Landrates Schwager : Herr Die beiden Sternbergs folgten dem einer neuen Zimmereinrichtung vor , der Brammer. holden Geschöpfe gern. Silvia führte sie schönsten , die in Hamburg aufzutreiben Wilhelmine hatte ihn einladen lassen, durch die kleine Küche , in der Antonie sei und fügte mit einem Seitenblick auf sowie Sternbergs vorgefahren waren. Sie Fleisch schnitt und errötend zur Seite trat, Silvia hinzu : „Wenn ich ' mal ' ne junge, wußte , daß der Kammerherr mit einer als Waldemars Blick sie streifte , dann hübsche Frau in meine Billa führe, foll Partie Whist zu fesseln sei , spielte selbst ging's über den Hof in den großen , gut sie dasigen wie die Perle im Golde, und leidlich und dachte mit den beiden Herren gehaltenen Garten. Hier war Silvia nun 'ne Aussteuer braucht sie gar nicht." Dann eine Partie zu machen ; Charlotte mochte, gar nicht mehr zu halten. Sie hatte einen aß er mit vielem Appetit und begann den wenn sie zurückkam, daran teilnehmen. Wäh Strick zur Hand, und bevor ihre Genossen Fleischsalat als außerordentlich schmackhaft renddem konnte Antonie für das Abend den breiten Mittelweg hinunterschlen- | zu rühmen. brot sorgen und Silvia sich mit dem Stern derten , sprang fie auf und ab und noch Den hat meine Aelteste zubereitet," bergschen Geschwisterpaare unterhalten. einmal zurück durch den Strick. „ Scheint antwortete die Mutter , das Lob von sich Laut und breitspurig wie immer kam es nicht, als ob sie fliegen könnte ?" flüsterte ablehnend. „Ich habe Antonien das ganze Herr Julius Christoph Brammer in das Waldemar seiner Schwester zu , jede Be Hauswesen überlassen , sie hat ein besonkleine Besuchszimmer. Ein plumper, dicker wegung Silvias mit entzückten Blicken deres Geschick dafür. " Herr, nahe den Fünfzigen, mit rotem Ge- verfolgend . Der Schmausende brummte etwas von sicht und grau gemischtem Blondhaar. Er „ Ja , sie ist bezaubernd ," antwortete angenehmer Zugabe und sagte dann mit war eigentlich den aristokratischen Stern Veronika. „ Gar nichts von einem wohl vollem Munde über die Schulter weg zu bergs mit seinen derben Manieren unbeerzogenen jungen Mädchen, wie man's von seiner Nachbarin , sie könne das Rezept quem , Frau Wilhelmine wußte das, aber uns in der Stadt verlangte ; aber daß sie von der Sauce wohl für seine Haushälauf dem Lande gab es keine große Aus- reizend ist , gebe ich von ganzem Herzen terin aufschreiben , er wolle die Person wahl, und sie hatte andererseits Gründe, | zu. Rücksichtsvoll ist es nicht , " dachte | herſchicken. Silvia amüsierte sich augenscheinlich, dem reichen Emporkömmlinge , der Mit Veronika daneben für sich, daß die Kleine, vormund´ihrer Kinder war, ihr Haus an statt mit // uns zu gehen, sich ihrem Spiele daß Antonie in die Falle geraten , der fie entronnen , und suchte die Schwester genehm zu machen. So kam sie auch heute hingibt. dem neuen Gast mit warmer Liebens" Und meinst du nicht , daß sie noch zu einem spöttischen Augenspiel aufzureizen ; würdigkeit entgegen , die jedem das Gesinniger werden kann ?" fragte, als Silvia dieſe blickte aber ernst vor sich hin , gab fühl gab, als sei gerade er ihrem Herzen wieder vorübergeflogen war, der Bruder. acht , wo etwas fehlte, und besorgte mit wert und nahe. dem aufwartenden Mädchen die Bedienung. „ Sie ist ja noch so jung." Waldemar , den das neckische InterNachdem Brammer die Gesellschaft beIhre besondere Art wird sie wohl grüßt , ging er auf Silvia zu , hielt ihr immer behalten. Die kluge , aber haus esse verdroß, welches Silvia dem behäbigen feine große , rote Hand hin und sagte: backene Antonie ist wohl nie so gewesen, Hamburger zuwandte , versuchte ein GeSchlag ein, Kind, ich bitte, daß der Onkel, und sieh , da kommt die schüchterne Lis spräch mit seiner schönen Nachbarin anzuknüpfen. beth, die wird auch nie so sein. " wie sich's gehört, empfangen wird. “ Er wußte schon , daß sie Silvia tippte mit der Spike ihres Lisbeth machte ein bescheidenes Knig kaum anders zu fesseln sei als durch die Zeigefingers in seine Hand und lachte : chen und reichte dem Fräulein von Stern Schilderung von Luftbarkeiten und bunNur so viel sind Sie mein Onkel ! “ berg einen kleinen Strauß Veilchen , die tem Treiben. So beschrieb er ihr ein Ballett , das er kürzlich in Hannover geHere , wie kann man so undankbar sie sorglich für den Gast gesucht. sein ? Biz vor zwei Jahren kriegte ich Mittlerweile kehrte auch Charlotte in sehen, und hatte die Freude, daß sie mit für jede Konfekttüte, die ich dir mit aus das Haus der Schwester zurück. Von leuchtenden Augen und glühenden Wangen Hamburg brachte , einen Kuß , und jest Antonien crfuhr sie, wer zum Besuch da lauschend an seinen Lippen hing. „Ach, das muß ja gar zu schön , gar soll ich nicht ' mal mehr als Onkel gelten." sei. Obwohl die Bekanntschaft aller dieser Silvia rieb sich mit ihrem Batisttüchel- Leute sie interessierte , zog sie einstweilen zu herrlich sein ! " rief sie einmal über das chen in komischem Eifer die rosigen Lippen. doch vor, der geschäftigen Nichte zu helfen andere. // War Ihnen denn nicht wie im Ich bekomme auch nicht mehr die Nute, und die Whistpartie ungestört zu lassen. Feenlande ? Hätten Sie nicht für Ihr Herr Brammer. " Am wohlgeordneten Abendtisch im Eß- Leben gern mittanzen mögen ? D, wann Frau von Müller teilte den Herren zimmer vereinigten sich später alle die werde ich endlich so etwas sehen !" mit, daß drüben im Zimmer ihrer Töchter zerstreuten Glieder der Gesellschaft. Hier Ihre Frau Mutter könnte ja leicht der Whisttisch bereit stehe. Erfreut und bemächtigte sich die Hausfrau mit ihrer einmal mit Ihnen nach Hamburg fahren , mit etwas steifer Galanterie reichte der erprobten Weltgewandtheit wieder der Füh- da gibt es Theater und Balletts in Menge." Die Kleine schüttelte betrübt den Kopf Kammerherr ihr den Arm und führte sie rung und wußte den Verkehr zwanglos über die Hausflur. Brammer schloß sich zu gestalten. Nachdem Wilhelmine ihrer und flüsterte : #1 Das geht nicht , cs kostet an, doch nicht ohne Silvia mit dicker Faust Schwester die Anwesenden vorgestellt, nahm zu viel Geld ; Billets, Nachtquartier, es und breitem Schmunzeln gedroht zu haben. sie zwischen dem Kammerherrn und Brammer ist für uns zu teuer, sagt Mama." Waldemar blickte etwas erstaunt zu Sie faßte ihr Kleid mit ſpihen Fingern Platz, Charlotte an die andere Seite des und tanzte bis zur Thür hinter ihm her, Herrn von Sternberg bittend. Brammer Frau von Müller hinüber, die eben seinen „ ksch , ksch ! " rufend , als wenn sie ihre rief Silvia an, sie solle zu ihm kommen ; Vater bat , einen feineren Wein zu verHühner auf dem Hofe zusammentreibe. diese aber erwiderte schnippisch, sie fürchte suchen , und sich erkundigte, ob derselbe ihm Dann kam sie laut lachend zu den Ge sich vor seinen breiten Ellbogen, und lief auch schmecke. Silvia folgte seinem Blick schwistern zurück. Meinen Sie , daß ich weiter, so daß sie zwischen Waldemar und und fuhr , da sie ihre Mutter beschäftigt ihm die Onkelschaft abgewöhne? Ach, Lisbeth saß, welche sich der gütigen Veronika sah, noch leiser und flüchtig, ihren Finger wenn's auch für mich glückt , die arme angeschlossen. Neben Brammer winkte nun auf die Lippen drückend, fort : „ Es ist kleine Lisbeth kann sich nicht wehren, die Mutter ihre älteste Tochter , deren wegen Arthur , wir müssen sehr sparsam und wenn er mit der schön thut, ist mir's Nachbarschaft sich der Gast, auf Silvia sein. " ebenso greulich. Alte Männer sollten doch scheltend, gleichmütig gefallen ließ. Nach dem Essen trat Brammer auf Sie sind eine Jugend nicht so süß sein wollen ! Aber es ist noch Charlotte begann mit dem feinen alten Charlotte zu. ganz köstlich draußen im Garten, es gibt Herrn, der ihr artig entgegenkam , ein freundin meiner Schwester,Fräulein Wiese," eine Masse Schneeglöckchen, und die Veil Gespräch über die landwirtschaftlichen Versagte er zutraulich , die arme Ernestine chen kommen auch schon. Ich hab's auch | hältnisse der Provinz . Auf der anderen sieht nach Ihnen aus , gehen Sie doch
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A. von der Elbe. Ein Sohn . 501 500 499 Es war eine lange, daher. Brett fleinem | ; paßt ihn für Antonie bald zu ihr, sie kommt selten aus der sehen , daß nur Krankenstube und hat so wenig Freude. " sie hatte ihre Sachen heute abend wieder knochige Person, in hellem , steif gestärktem Wir gehen morgen ins Amthaus," fehr gut gemacht. Daß Waldemar Stern Waschkleide. Die kokette Hamburger Müze mischte sich Wilhelmine ein, //nicht wahr, berg sich sterblich in Silvia verliebt , ist auf dem spärlichen , ergrauenden Haar Lolo ? Du hast dich ja schon lebhaft nach klar. Vielleicht sollte ich die Unvorsichtige und das zierliche Schürzchen gaben der etwas mehr zur guten Form anhalten ; unschönen Gestalt ein seltsames Aussehen . der Freundin gesehnt. " Charlotte blieb nichts übrig, als zu aber sie ist reizend , sie gefällt , mag sie mit hartem Keifen schichte sie die Kinder es noch ein paar Jahre auf ihre Art auf den Hof. Mamsell Truhlsen konnte. bestätigen. Ist auch sie gut verheiratet, habe derb und glatt sein, je nachdem , jezt schlug treiben. „ Ach," fuhr Wilhelmine mit sanftem Aufblick fort , "} wir wissen ja , daß die ich nur noch für Lisbeth zu sorgen , die sie in den letteren Ton um. Charlotte erkennend, knigte sie mit be: teure Frau, unter dem Druck eines schwachen auch hübsch zu werden verspricht. So kann Ach, FräuKörpers leidend , die Dinge durch einen ich endlich genügend für meinen Arthur sorgtem Blick auf ihre Tasse. lein Wiese , wird sich nu aber die Frau trüben Flor sieht , und daß es Herzens- erübrigen. Antonie begleitete die Tante mit dem Landrätin freuen ! Bitte, treten die Damen pflicht der Freundschaft ist , die Wolken um sie her auf Augenblicke zu lichten Lichte hinauf. „Wie gefallen dir die Leute ?" man näher. Wollen entschuldigen, wenn und der Dulderin ein Aufatmen zu ver- fragte sie , oben im Giebelstübchen ange- die Frau Landrätin frühstücken. Unsere Bouillon darf durchaus nicht kalt werden. " fommen. schaffen. " Brammer hatte sich schon halb gelang// Sternbergs scheinen gedicgene, treff: Eie ging voran und öffnete mit der freien Rechten die Thür eines Vorzimmers, weilt abgewandt und Lisbeth, die in seine liche Menschen zu sein." Und der Landrätin Bruder ?" Nähe gekommen war, eingefangen. Seinen dann trat man durch eine zweite Thür „ Nun, sein Wesen liegt ziemlich auf zu der leidenden Frau cin. schweren Arm um die schlanke Gestalt Jener bedrückende Dunst , welcher in legend , die er zu erdrücken schien , sagte der Hand, genußsüchtig, bullerig, aher doch er : „ Na , Kind , wann besucht ihr mich ein guter Kerl , der seine Schwester und stark geheizten und schlecht gelüfteten Kinder'mal wieder mit Mama , ich habe euch ihre Kinder herzlich liebt und sich Silvias zimmern zu herrschen pflegt , schlug den allerlei Hübsches zu zeigen ; die frakeelige naive Keckheit nachsichtig gefallen läßt. Kommenden entgegen. Es war ein geEylphe lad' ich gar nicht mehr ein ," Es ist etwas in dem Verhältnis , das an räumiges, mit Teppichen, Portieren_und fügte er mit nccendem Blinzeln nach dem eine mächtige Bulldogge erinnert , welche Vorhängen verdunkeltes Zimmer. Frau mit einem Bologneser Schoßhündchen spielt. Ernestine Aschenberg lag auf einer Chaisejungen Mädchen hinzu. Komm ' mal her , Lisbeth ! " rief Sil- Lehteres ereifert sich ganz ernsthaft, wor longue, neben ihr spielte in einer Hürde via dagegen die Schwester sehr entschieden über der große Gesell sich höchlich er- das einjährige Jüngste. an. Die Kleine entsprang gehorsam dem gößt. " Mühsam richtete sich die Verzärtelte Aber sie hat doch recht ?" fuhr An: vom Lager empor und streckte den Einwuchtenden Arme. " Merke dir's , " sagte die Aeltere laut und Brammer ansehend, tonie auf. "/ Mir ist dieser Brammer durchtretenden dieHand entgegen. Willkommen, " Männer , die immer noch daran denken, aus unangenehm. Möglich ," fügte sie liebe Charlotte, endlich wieder einmal in zu heiraten, sind keine Onkels für uns. " halblaut und niedergeschlagenen Auges Bleiden. Wer hätte gedacht, daß wir uns Alle lachten ; selbst Brammer schmun- | hinzu , besonders deshalb , weil Mama | so lange nicht sehen würden ! Bitte, seht zelte mit komischem Zürnen. ,,' ne Teufels- mich ihm verblümt anbietet. Er mag es euch. Rike , Stühle! " Diese hatte schon gesorgt , konnte sich deeren, ' n wahrer "/Racker, na töf, cs soll nicht merken ; ich fühle ganz bestimmt, daß dir schlecht gehen ! ich ihm nicht hübsch genug bin , daß er indes nicht trennen und neigte sich zu Der Sternberger Wagen fuhr vor, mich kaum beachtet , und ich möchte ihm dem Kinde, mit dem sie tändelte. Wilhelmine erkundigte sich teilnehmend Veronika bat Antonie und Silvia, fie doch ausweichen, wo ich kann. " Fald zu besuchen. Während Waldemar So sprich doch offen über die Sache nach dem heutigen Ergehen der Leidenden, und Charlotte fügte hinzu, daß sie herzlich sich verabschiedete und das Haus verließ, mit deiner Mutter. " dachte er sie hat weiblichen Takt , ist Antonie schüttelte mit bitterem Lächeln bedauere, die Freundin noch nicht gekräftigt mutig und weiß, was sie will, ja, sie ist den Kopf. "} Du kennst Mama wenig, zu finden. Das Krankhein ist mir nun schon doch ein entzückendes Geschöpf ! Auf dem wenn du glaubst , daß sie mich nur zu halbe Gewohnheit," seufzte sie. ganzen Rückwege fann er diesem Gedanken Worte kommen ließe." Mamsell Truhlsen murmelte etwas weiter nach und fah ein reizendes Mädchen„Ist sie unfreundlich gegen dich ?" bild immer vor sich hergaukeln. ,,Nein, niemals ! Aber so überredend, von engelhafter Geduld" und mahnte an Etwas mehr Rücksicht mußt du doch überzeugend , gekränkt , daß man wirklich die Bouillon . „ Ihr verzeiht," lächelte Ernestine matt, auf Herrn Brammer nehmen, Kind, " sagte niemals etwas gegen sie ausrichtet. Doch die Mutter zu Silvia , als die Damen verzeih , Tante, daß ich so über meine ich bin ja gezwungen , mich regelmäßig allein waren. Du weißt , er ist dein Mütter rede ! Ich hege großes Vertrauen zu stärken. “ Während sie die Suppe ſchlürfte Vormund und ein langjähriger Freund zu dir, und es thut gut, einmal offen zu und Wilhelmine von dem peinlichenWechsel unseres Hauses." sein. Die Schwestern sind noch gar zu des Aprilwetters und den herrschenden „ Er ist ja ganz nett," erwiderte Sil- | kindlich. " Das erregte Mädchen warf in Ostwinden sprach , fand Charlotte Zeit, via, er muß nur nicht zärtlich sein, dann aufwallendem Gefühl die Arme um den ihre alte Freundin genauer zu betrachten. wird er mir unausstehlich." Nacken der Seelenverwandten und füßte Ernestine war stärker geworden und zeigte, Frau Wilhelmine begnügte sich mit sie innig. obwohl sie noch immer ein angenehmes Charlotte erwiderte die Umarmung Aeußere besaß, Aehnlichkeit mit demBruder. dieser kleinen Erinnerung; sie wußte, wie viel der reizenden Tochter naive Unbe: herzlich und bat die Nichte , ihr dies un Dasselbe glanzlose, fahle Blondhaar , die fangenheit wert war. Im übrigen begab willkürliche Zutrauen zu erhalten. verschwommenen Augen , die hängende Am anderen Tage mahnte Wilhelmine Fülle. sich die Hausfrau befriedigt von dem heutigen Abend in ihr Schlafzimmer, das gegen Mittag dazu, den versprochenen Be„Ich bin dir auch noch Dank schuldig, sie mit Lisbeth teilte. Sie überlegte, wie such auf dem Amte abzustatten. Charlotte Charlotte ," hub die Ruhende langsam Charlotte rang ihre peinlichen Empfindungen nieder wieder an , „ du haft mir damals — als die Dinge für ſie ſtanden. muß und wird bleiben. Ich kenne ihren und erklärte sich bereit. Die Schwestern der gute Heinrich starb — einen teil : nehmenden Brief geschickt. Ich wollte dir Thätigkeitstrieb und spiele ihr nach und gingen. nach den Haushalt immer mehr in die In der Flur der weitläuftigen Beamten immer antworten, aber ich komme ja nicht Hand, ein weiterer Schritt, und sie zahlt wohnung spielten die kleinen Knaben unter zum Schreiben. Und dann, als ich wieder auch, was wir brauchen. Braminer mag lautem Gekreisch Kriegen ; dann kam Nike heiratete, dachte ich -" sich sträuben , wie er will , er wird ein Truhlsen mit einer dämpfenden Tasse auf nicht , was fir dachte,
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denn das Kind begann zu ſchreien , Rike Truhlsen nahm es auf und trug es umher. „ Unser Kleinſtes wird schon so groß, " sagte die Mutter, eine Stimme, daß man erschricht. Ich bin an Baby gewöhnt, aber wenn es so weit kommt, daß es An sprüche an Unterhaltung macht , wird es mir zu viel. Dann muß es bald zu den anderen in die große Kinderstube.' „Die volle Ruhe wird gewiß zu deiner Herstellung beitragen ," meinte Charlotte tröstend . „Ach, an ein kleines Kind bin ich ganz gewöhnt, das möchte ich nicht entbehren," wiederholte die Frau träumerisch. Charlotte schüttelte den Kopf: ein Kind als gewöhntes Zubehör, seltsame Ansicht ! "!Beschäftigst du dich denn gar nicht mit den Größeren ? " Statt ihrer Dame , die sich müde zu rückgelehnt hatte, antwortete die Truhlsen spizig : Wo denken Sie hin , Fräulein Wiese, das fehlte noch, die wilden Rangen hier in der Krankenstube ! Nach Tisch dürfen sie alle der Mama guten Tag Sie sagen , dann aber marsch hinaus. sollten 'mal sehen, wie die Frau Landrat schon von der kurzen Zeit mit den Jungen angegriffen ist." Langweilst du dich denn nicht in der Unthätigkeit ? " fragte Charlotte schwankend zwischen Staunen und Mitleid. „ Ich bin's nun schon so gewöhnt, " flüsterte Ernestine matt. „ Ach, die Frau Landrat ſind ja so er geben, so still zufrieden mit dem Schicksal, ein wahrer Engel ," murmelte Mamsell Rike gerührt und küßte die schlaffe, weiße Hand ihrer Pflegebefohlenen. Da diese sichtlich nach Ruhe verlangte, erhoben sich die Schwestern und empfahlen sich. Ernestine flüsterte , man folle sie nicht vergessen, bald wieder besuchen, es sei doch eine kleine Abwechselung , und raffte sich dazu auf , der langentbehrten Freundin Hand herzlich zu drücken. Bewegten Gemütes verließ Charlotte die Bedauernswerte ; ja , das war sie, mochte ihr Leiden nun ernstlicher Art oder mehr aus Verzogenheit und Trägheit entsprungen sein. Im Vorzimmer begegnete ihnen der Landrat ; er fuhr sich rasch durch das verwilderte Haar und begrüßte die Damen , fehrte sogar im Gespräch mit ihnen um. „ Nun , wie haben Sie meine liebe Frau gefunden ?" fragte er haſtig, scharfen Blickes das eine und das andere Gesicht prüfend. Charlotte erwiderte, die alte Freundin sche nicht übel aus und sei stärker geworden . „ Ganz meine Ansicht, sie könnte mehr, müßte etwas wagen, aber ich predige ver gebens. Unmensch , Barbar nennt mich die Truhlsen und ruft meinen Schwager zu Hilfe. Und ich will doch natürlich nur Ernestinens Wohlergehen fördern. " // Sollte sie nicht selbst am besten fühlen, was sie kann ?" Er lachte hart. „ Erna huldigte von jeher den Grundsäßen der Orientalen, die gehen besser als laufen , stehen besser als
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504 " gehen , liegen besser als stehen crklären . Der Amtsdiener hieß die Kommende Charlotte erschrak ; wie mochte er in dieser warten, es sei schon eine Partei da; sie bitteren Weise sein Verhältnis im Hause nahm auf einer langen, braunen Bank in und seine Frau besprechen ? Auch sein öden Vorzimmer Plaz. Ein dicker Bauer mißtrauischer Blick war ihr aufgefallen, und eine alte Frau , die oftmals vor sich als er sie gefragt , wie sie Ernestine ge hinmurmelte, traten nach ihr ein. Endlich funden. Was hatten Zeit und Verhält war das Gespräch drinnen beendet, Charnisse aus dem einst so frischen, harmlosen lotte hörte noch ein paar hastige Worte Manne gemacht . Aschenbergs , dann kam der Mann, welcher Sie waren auf der Diele angekommen . zuerst die Sprechstunde benut , heraus, Den Gang herauf rannte und jauchzte die Klingel ertönte, und der Amtsbote gab die Bande der kleinen Jungen . Charlotten den Wink, hineinzugehen. Mit heftig klopfendem Herzen folgte Hermann Aschenberg wandte sich mit einer zornigen Falte zwischen den Brauen fie der Weisung und stand nun in dem Zur Riege ! " kommandierte er ge- nie betretenen Raume. um. Der Landrat saß hinter einem grün reizt, " ihr wißt , ich leide den Spektakel bezogenen Schreibtisch in dem durch eine | nicht !" Wie gescholtene Hündchen standen die Schranke geteilten Zimmer, das mit Bücherdrci kleinen Burschen da. Auch der vierte, ständern und Schränken an den Wänden kaum drei Jahre alt , trollte herbei und ausgestattet war. Er hatte sich über ein faßte ein Brüderchen an. Da fuhr der Aktenheft geneigt und den leisen Eintritt Vater auf: „ Du gehörst nicht zu dieser der Klientin überhört . Sie stand wartend , Riege. Marsch fort , Philipp ! In die sich sammelnd und zerstreut die GegenKinderstube!" stände überfliegend. Endlich blickte er empor und erschrak Er wandte sich wieder zu den Damen, fein Auge fiel auf Charlottens Antlitz, sichtlich. „Womit kann ich Ihnen dienen, Wiese ?" stieß er hervor. die ein Lächeln nur mühsam unterdrückte. Fräulein Frá Sie trat einen Schritt näher an die Er verfärbte sich vor aufwallendem Zorn. Spöttelte sie über ihn ? Sah sie in Schranke. Ich wollte um die gegen Erihm einen Narren , cinen Verrückten ? stattung der Kopialien erhältlichen VerkaufsWar es so weit mit ihm gekommen ? bedingungen des Heisterbusches bitten . // Mühsam seinen Grimm beherrschend, emWarum fommt "}Des Heisterbusches ? pfahl er sich an der Thür mit kurzem der, welcher darauf bieten will, nicht selbst? " Gruß den Damen und kehrte ins Haus „Ich bin es, die günstigen Falles den zurück ; jetzt aber zu seiner Frau zu gehen, Besitz zu erwerben wünscht. Was wollen Sie damit ?" Sie! wie er um diese Zeit zu thun pflegte, Er starrte sie mit erstauntem Blick an . schien ihm unmöglich. "/ Die arme Ernestine ," sagte CharIch möchte mich dort niederlassen lotte zur Schwester , indem sie den Amt und mir einen zusagenden und lohnenden hof verließen. " Steckt sie immer in diesem | Wirkungskreis schaffen. " Sie den verwahrlosten Heisterbusch ? traurigen Krankenzimmer? " „ Im Sommer fährt sie manchmal aus, | Sie Ackerbau treiben ? - Unsinn !" Charlotte lächelte. „ Eine Kritik meines ich habe sie auch einmal, als der Student Vorhabens suche ich nicht , Herr Landrat. da war, in der Wohnstube getroffen. " Und wie ist sie in diesen jammer Für jede sachliche Auskunft dagegen würde vollen Zustand geraten ? Früher war sie ich Ihnen dankbar sein. ' Sie werfen Ihr Geld hinaus und bequem und gleichgültig , aber doch nicht krank. " werden auf dem elenden Dinge bankerott. " Das sind wieder Mutmaßungen und „Die Kinder sind rasch nacheinander geboren , dabei haben die Truhlsen und keine Gründe. Ich gehe nicht unvorbe Bruder Julius fie allzu ängstlich gepflegt reitet , nicht ohne zu rechnen , an meine und mit Sorge umgeben , jegliches Un- Aufgabe. " Nun, da wäre ich doch begierig. Was gemach zum großen Leiden aufbauschend. ezt muß sie wohl wie eine Kranke be- verstehen Sie von Landwirtschaft? Und handelt werden, das zarte, schwer geprüfte ruhig überlegen, rechnen kann eine Frau Geschöpf, und ihr Mann stellt sie mit nie. Ich bitte Sie, lassen Sie doch hören, aller Rauheit nicht her. Arme Ernestine, was Sie vorhaben und wie Sie die Sache sie wirkt auf das Gemüt wie Nebel und anzugreifen denken ? " Charlotte lächelte wieder; wie obenhin trüber Dunst ; es gibt ja auch Menschen, // er fie beurteilte, es war in der That zum die wirken wie Sonnenschein. Nach der heutigen flüchtigen Begeg- Verwundern. Über gut, sie wollte seiner nung mit dem Jugendfreunde war Char Aufforderung folgen und wollte ihm vorlotten der Mut, ihn in seinem Geschäfts- rechnen , wie sie sich ihren Plan_zurechtzimmer aufzusuchen, wieder gesunken. Al- gelegt hatte : Zwanzig Morgen Land gelein sie schalt sich deshalb. Wußte sie hören zu dem Anwesen , etwa zehn vor, doch, daß sie von seiner Person nichts zehn hinter dem Deich. Das geschüßte wollte , daß jeder Fremde ihr an seiner Land ist etwas wertvoller , als das den Stelle lieber sein würde, daß sie lediglich Ueberflutungen der Elbe ausgesette ; es den Beamten suche, dessen Pflicht es war, ist hier herum der Morgen Land mit 800 ihr Rede zu stehen . So bezwang sie ihre bis 1000 Mark verkauft. Ich würde also Scheu und ging anderen Morgens nach höchstens 20 000 Mark und ein Geringes für die dem Abbruch anheimgegebenen. dem Landgerichte.
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Baulichkeiten zu zahlen haben. Natürlich | Sie wissen, daß wir hier für alle besseren schwer !" rief er zornig , sprang empor, muß ich dann für Viehankauf und Ver- Erzeugnisse leichten Absatz nach Hamburg nahm aus einem Fach ein Heft Papiere besserungen noch etwa 5000 Mark in die finden. Die Vierlander holen was an und legte dieselben auf den Tisch. Ich Hand nehmen, diese 25 000 Mark tragen guten Dingen da ist, für angemessene Be- habe Sie aus alter Freundschaft gewarnt, mir bei dem heutigen Zinsfuß von 32 % zahlung von den Höfen. Die Gelegenheit jest haben Sie es sich selbst zuzuschreiben, nur 875 Mark Zinsen, schlagen wir dazu zur Verwertung ist aber ein Hauptantrieb wenn Sie zu Grunde gehen !" an Abgaben, Brandkasse, Tagelohn dieselbe zur Hervorbringung. Es wäre vorschnell, Charlotte nahm die Papiere an sich, Summe, so hätte ich 1750 jährlich zu ver wollte ich Ihnen genau sagen , was ich zählte die Abschreibegebühren , welche auf dienen und meinen Unterhalt abzurechnen. bauen oder erzeugen will. Vermutlich dem ersten Blatt bemerkt standen, auf den Ich nehme an, daß ich vielleicht in den werde ich mich selbst in Hamburg umsehen, Tisch und verbeugte sich, um zu gehen. ersten Jahren nicht so viel verdiene, besige was gefordert wird , und so mich stets den Er war hart gegen sie gewesen, und sie aber außer dem angelegten Kapital auch Verhältnissen des Marktes anpassen , hoffent- kämpfte die bittere Empfindung nieder, noch etwas mehr, was ich bisher mit ver: lich aber bald Besonderes finden, auf deffen daß er sie doch auch gar zu wenig kenne brauchte. Später aber komme ich sicherlich Herstellung ich mich lege. Natürlich muß und begreife. im Ertrage höher und hoffe zu erleben, ich erst tasten, werde manchen Versuch umEr stürzte währenddem, wie im Käfig, daß ich den Wert meines Eigentums immer sonst machen, das soll mich aber nicht ent- in seinem abgeschlossenen Raume hin und mehr emporbringe. " mutigen. Mögen es nun Erdbeeren oder her. Die alte Anerkennung ihres VerEr hatte ihre knappe und lebhafte Veilchen sein , die ich baue , Roggen und standes , ihrer Thätigkeit und Rührigkeit begann seinen Widerstand gegen ihre Auseinandersehung in einem zwischen Miß- Hafer sind es schwerlich.“ trauen und Ueberraschung schwankenden Er hatte ihr mit sinnendem Ausdruck Wünsche zu überwältigen. Führte eine Gefühle angehört und mit gelegentlichem | zugehört : " Und wie wollen Sie dem solches Unternehmen durch, so war sie es, Kopfschütteln begleitet. Jest brach cr los : heruntergekommenen Boden bessere Erträge und der Antrieb , aus dem sie handelte, war durchaus anerkennenswert. Als er " Was in aller Welt veranlaßte Sie, Ihr abgewinnen ? " fuhr er auf. bequemes Leben in der Stadt , Ihren //Natürlich , wie jeder Bauer , durch sie im Begriff ſah zu gehen , rief er sie zurück. Fräulein Wiese Charlotte," ruhigen Zinsengenuß daran zu geben und Düngung und fleißige Bearbeitung. " „Ohne Stalldünger, ohne Viehstand?" sagte er milderen Tones , fast mit der alten fich in Arbeit und Sorgen aller Art zu stürzen ?" " Ich sagte Ihnen schon, daß ich Vieh Stimme , „ ich sprach doch nur in guter Es reizte Charlotte unsäglich, sich fort- anschaffen würde. Ich brauche ein Pferd Absicht gegen Ihren gewagten Plan, bitte während unrichtig von ihm beurteilt zu für den Acker , drei oder vier Kühe und verkennen Sie das nicht. Sehen Sie Ihr Vorhaben mit aller Gewalt durch, so wersehen. Er hatte ihr eigentliches, rühriges mehrere Schweine. " Ein Pferd für 20 Morgen ? Pah . " den Sie , wenn ich auch nicht_zustimme, Wesen offenbar ganz vergessen und hielt sie immer der Frau ähnlich , welche ihm „ Sie vergessen , daß ich viel unter doch stets in mir denjenigen finden, der am nächsten stand. So fühlte sie sich un- Spatenkultur haben werde. Daß , wenn Ihnen bereitwillig mit Rat und That zur willkürlich gedrängt , ihm ihre Denkweise ich einige Morgen mit Spargel besete , Seite steht. " Damit bot er ihr die Händ klar zu legen und ebenso lebhaft wie er oder mit Maiblumen bebaue , der Pflug über die Schranke entgegen. Sie hatte sich ihm wieder zugewandt fuhr sie auf: „ Meine Neigung, Gemüts- und das Pferd ganz überflüssig werden. „ Was wollen Sie mit der Milch an- und schlug kräftig, mit freundlichem Lächeln, art, Anlage treiben mich. Ich will leben, Es das heißt: ringen , wagen , schaffen , und fangen ? Sie werden hier keinen Tropfen in die ihr entgegengestreckte Rechte. nicht vegetieren, das heißt : träumen, ge- los , jeder hat selbst Kühe oder Ziegen. " wird mir in der ganzen Sache Ihr jurinießen , versinken. Warum soll ich mir „Ich beabsichtige keinen Milchverkauf. stischer Beistand von großem Werte sein , nur die Arbeit anderer , in diesem Falle Wahrscheinlich mache ich vom Rahm Deli- und ich freue mich, daß ich darauf rech: meines Vaters und Onkels nugbar machen kateßkäse. Es ist nicht nötig , daß so viele nen darf." und nicht selbst trachten zu verdienen ? Ich feine Käsearten aus Frankreich bezogen Dann verließ sie ihn mit dem Heft, bin alt genug , aber nicht zu alt für ein werden , wir könnten dieselben ebensogut das sie unter ihr Tuch steckte, um cs, unselbständiges Unternehmen . Die Not drängt anfertigen. Mit der abgerahmten Milch gestört von Wilhelminens Fragen, erſt in mich nicht dazu, aber das heiße Verlangen füttere ich Schweine. Vielleicht suche ich Ruhe für sich lesen zu können. etwas Nügliches mit meinem Leben anzu feine Würste für ein Hamburger AufschnittCharlotte legte die Strecke vom Landfangen. Wenn es mehr Leute gäbe, welche geschäft herzustellen. Doch wir geraten gerichtsamt nach dem Hauſe ihrer Schweſter die Arbeit dem Genusse vorzögen , stände viel zu weit in die Einzelheiten. Die in tiefe Gedanken verloren zurück. Des es besser um die Gesellschaft. Jeder wähle Hauptsache für mich ist vorderhand, einstigen Freundes Widerspruch ging ihr das ihm Gemäße ! Mich zieht es nach daß ich weiß, unter welchen Bedingungen noch einmal durch den Sinn, aber sie sagte dem langen Aufenthalt in der großen der Fiskus zu verkaufen beabsichtigt. Da sich, daß er nichts Ueberzeugendes vorStadt hinaus in die Natur. Im Verkehr nach kann ich erst mit einiger Sicherheit gebracht habe, daß sie unbeirrt ihren Weg mit einem alten erfahrenen Landwirt habe berechnen , wie hoch ich bieten darf. “ gehen wolle und werde. Unbemerkt von ich viel Theorie gelernt. Die guten Saukes Sie halten mit Eigensinn an Ihrer Wilhelmine gelangte sie auf die Treppe werden mir in der Praxis an die Hand firen Jdce werden sich ruinie | zum Giebelstübchen . Es erschien ihr sehr Idee fest und gehen. Erwerbe ich den Heisterbusch nicht, ren . Ein Frauenzimmer paßt nicht für überflüssig schon jetzt die Schwester ins so wende ich mich anderswo hin, ich will dergleichen. Ich meine es gut mit Ihnen. Vertrauen zu ziehen , sich noch einem schon finden was ich suche ! In dieser Gefällt es Ihnen in Berlin nicht mehr, Widerspruch auszusehen. Drängte sich ihr kurzen Zeit auf dem heimischen Boden so verzehren Sie bei der Müller in Ge- doch die Ahnung , daß Minchen etwas habe ich gefühlt , daß ich nie mehr auf mütsruhe Ihre ausreichenden Zinsen. Ge- | Störendes gegen ihre Wünsche unternehmen dem Pflaster Berlins ausdauern kann. " legenheit hie und da zuzugreifen , sich ein könne, immer wieder auf. Nein, sie wollte Ich hätte Sie nicht für solche Phan- bißchen zu beschäftigen, finden Sie immer. " und mußte erst Besizerin sein , bevor sie tastin gehalten, " erwiderte er schroff. „ Ein „Vielen Dank für die gute Absicht , sprechen durfte. Auf die kleine obere Flur, an der ihr Anwesen von nur zwanzig Morgen er mit der Sie mir raten. Ich kenne mich, nährt kaum einen Bauern, der alles selbst meine Neigungen und Fähigkeiten aber Zimmer lag , mündeten auch die Thüren thut und die geringsten Ansprüche macht. besser, als Sie dieselben kennen, und des von ein paar seitwärts befindlichen DachSie werden aus dem Dinge längst das halb bitte ich noch einmal um die Ab : kammern und der Eingang zu dem Boden, nicht herausschlagen, was Sie denken. " der sich über die nicht ausgebaute andere schrift. " „ Ich glaube doch, Herr Landrat, " ent So stürzen Sie Hälfte des Hauses hinzog . Von hier aus Den Teufel auch ! Ich werde die sich denn in tausend Widerwärtigkeiten, hörte Charlotte , als sie oben ankam , lagegnete sie zuversichtlich. Sache anders angreifen als ein Bauer. so machen Sie sich das Leben ohne Not | chende und jauchzende Töne Silvias herüber 22
A. von der Elbe. 508 ſchallen und zwar so eigenartig verschieden, | daß es lautete, als sei das fröhliche Ge schöpf bald oben , bald unten , bald fern und bald nahe. Dazwischen ein kläglich warnender Zuruf der sanften Stimme Lisbeths . Was mochten die Mädchen hier auf dem Boden treiben ? Charlotte öffnete leise die Thür. Ein Schreckenslaut ent fuhr ihr, den aber die Schwestern über hörten. Welch beängstigender Anblick ! Durch die offene Bodenthür drüben im Giebel, in der die Winde hing, fiel helles Licht in den Raum. Am Dachgebälk waren die beiden Enden eines Strickes befestigt, der mit unten eingelegtem Brett als Schaukel diente ; in derselben stand Silvias leichte Gestalt. Mit beiden Händen sich rechts und links am Strick haltend , wußte sie sich gewandten Schwunges in Bewegung zu sehen , hatte aber außerdem Lisbeth angestellt, die Schaukel zu treiben. Nun war diese so angebracht , daß Silvia bei starker Nachhilfe durch die Bodenluke hinaus ins Blaue flog , was sie allemal mit Jubel begrüßte. Lisbeth dagegen jammerte laut, warnte die Kecke eindringlich , that aber doch , was dieſe wollte. Charlotte trat sofort dazwischen . Sie hielt die Schaukel mit eigenen Händen auf und nötigte die Unvorsichtige herabzukommen. Welch ein Unsinn , Silvia," sagte sie erregt, „ ein Ungeschick, eine mürbe Stelle im Strick und du fliegst hinunter auf den Hof , vielleicht auf die spigen Latten des Gartenstafetes und wirst töd lich verletzt. Daß dies gefährliche Vergnügen aufhört , werde ich deine Mutter bitten die Schaufel fortnehmen zu lassen. " Silvia lachte zu dem allen. Laß Mama heraus ," erwiderte sie endlich, des Nachbars Heinrich , der mir die Stricke festgemacht hat , kann sie auch losknoten. Besonders soll Lisbeth kein Tadel treffen. Das Lamm thut ja was man ihm sagt und ist ganz unschuldig. Uebrigens ver sichere ich dich, Tante Lolo, daß es pracht voll geht so in den blauen Himmel hinaus zu fliegen. Möchtest du's nicht auch mal versuchen ?" Dabei streichelte sie mit allerliebstem Schelmgesicht der Gestrengen die Wangen . Diese begann jetzt auch zu lachen. „ Ich danke, Närrchen. Es bleibt also bei deinem Versprechen , daß es nicht wieder geschieht , unter der Bedingung will ich schweigen ." Damit verließ sie den Boden und begab sich in ihr Zimmer, wo sie so gleich die Zeichnung über Lage und Zubehör des Kaufobjektes studierte und sich in die einzelnen Säße der Bedingungen vertiefte . In diese Beschäftigung versenkt, hatte sie den Eintritt Wilhelminens nicht gleich beachtet, die kam, ſie zum Mittagessen zu holen. Mit unwillkürlicher Bewegung wollte Charlotte die vor ihr ausgebreiteten Pa piere beseitigen, aber es war zu spät, rasch herantretend hatte ihre Schwester die Auf schrift: "/Verkaufsbedingungen über die fiskalische Försterei Heisterbusch an der Elbe , unweit Bleiden" , gelesen und den
Ein Sohn.
509 Zusammenhang erraten. Sie legte ihre feine Hand auf die Papiere und fah Charlotte so groß und fragend an, daß diese sich wie auf einem Unrecht ertappt fühlte. „ Du denkſt an den Ankauf," sprach Wilhelmine mit leise bebender Stimme. // Allerdings, da es aber fraglich ist, ob ich zum Ziel gelange, wollte ich dich nicht mit in meine Sorgen und Beunruhigungen ziehen. " Wäre es wirklich diese Rücksichtnahme, so hätte ich dir zu danken, aber du scheust die wohlgemeinte Warnung, du hegst kein Vertrauen für deine einzige Schwester. wo könntest du wohl eine freuere Freun din finden ! Ist es nicht das schöne, erste Recht der Liebe, das natürliche Bedürfnis des verwandten Herzens , Pläne , Leiden und Freuden zu teilen?" Ihre sanften Augen wurden feucht. Nun ja, wenn du dich für das ganz Unfertige interessieren kannst. " Wilhelmine wies noch einmal jeden Zweifel an ihre Teilnahme weit von sich, und Charlotte schilderte in kurzen Zügen ihre Absichten. Dann kam Silvia gestürmt : Antonie sage, das Essen werde kalt , worauf die Hausfrau ihren Gast bat , die Auseinandersehung ruhen zu lassen und mit ihr zu Tisch zu gehen. Die Unterbrechung war beiden Schwe: stern willkommen. Charlotte gewann Zeit, um der peinlichen Empfindung Herr zu werden, die sie immer beſchlich, sobald sie mit der Schwester in Widerspruch geriet, das Gefühl der Beschämung zu bekämpfen, daß sie nicht so warmherzig , edel und offen sei , wie Wilhelmine , als sich und ihrem Verhältnis zu einander angemessen, erwartete. Die Hauptmännin aber überlegte, während sie in gewohnter heiterer Weise plauderte, was sich gegen diese ganz unerwartete Absicht der Schwester werde thun lassen und wie sie von der Verheimlichung Nußen für die Bekämpfung des Plancs ziehen könne. Nach Tisch schritten die Schwestern Arm in Arm im Garten auf und ab. In mild warnender Form wandte Wilhelmine gegen Charlottens Vorhaben fast dasselbe ein, was lettere sich oft gesagt : es war nicht abzustreiten , daß sie ein Wagnis unternahm. Ihr Leben blieb ohne Frage ruhiger und sicherer, wenn sie ihre Staatspapiere behielt , und es ließ sich nicht leugnen , daß schwesterliche Sorge berechtigt sei abzuraten. Hättest du meine triftigen Einwen dungen nicht gefürchtet , Geliebte ," hob Wilhelmine wieder an , so würdest du offener gewesen sein. In diesem Verschweigen liegt ein Bekenntnis , daß du deine Beschönigungen selbst als hinfällig erkennst. Du hast Lust zu dem Unternehmen und möchtest dir das Gelingen einreden. Es ist aber viel dagegen einzuwenden. Die drei Menschen, auf welche du dich verläßt, sind untüchtig. Eauke ist ein Gichtbrüchiger, die Frau keine Landwirtin und über den unglücklichen Sohn brauche ich nichts zu sagen. Du magst mit Onkel Bartels
510 ein bißchen auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Theorie umher gepfuscht haben, eigentliche Kenntnisse und Erfahrungen besizest du nicht. Suche dir einen anderen Wirkungskreis , sieh , ich biete ihn dir. In wenigen Jahren werden meine Töchter verheiratet sein , dann bleibe meine treue Gefährtin , meine Hausfrau ; wir können cin höchst glückliches Alter miteinander genießen!" Gegenüber so vieler Liebe und Ueberredung wurde es Charlotten schwer, ihren Standpunkt zu verteidigen. Sie fühlte nur wieder aufs neue die außerordentliche Verschiedenheit ihrer Neigungen und Bedürfnisse. Das , was ihr der Neiz des Unternehmens war , die rüstige Arbeit , das Ringen und Wagen, verwarf Wilhelmine durchaus als unweiblich und die ärgsten Schattenseiten der Sache. Lettere fuhr fort: Was ich bedenklicher finde, als die wahrscheinlich finanzielle Einbuße, ist das Herabziehende deines Vorhabens . Der Verkehr mit ordinären Leuten, das Rechnen und Feilschen, die fortwährende Beschäftigung mit materiellen Dingen stört die weibliche Anmut, die, Herzens - Lolo , verzeih , nie deine starke Seite war. Versteh mich recht ; ist es nicht eine wirkliche große Gottesgabe jemand zu besigen , der es wagt auf das Defizit unserer Natur hinzudeuten ? Sollen wir nicht in schönem Verein nach der Vollendung streben ? " Bei solchem Zureden erlahmte etwas in Charlotte. Gegen des Landrates polternde Einwendungen hatte sie ihre Absicht zu verteidigen gewußt , hier bei dem ihr entgegentretenden milden Idealismus ging das nicht. Der Schwester `Worte und Art der Darstellung hatten bei aller Zartheit etwas so Selbstgewisses , Unumstößliches, daß sie nie ganz ohne Wirkung auf Charlotte blieben. Es rührte sich et was in ihrer Seele, das sie wie feige Unsicherheit und das Aufgeben ihres eigentlichen Ichs empfand. Sie fühlte sich, wenn sie ihrer Natur nicht folgen durfte, zu einem farblosen Nichts zusammenſinken . Allein neben der anders Gearteten würde sie aus dem Zwiespalt nie herauskommen . Mochte die Warnerin recht haben, mochte sie selbst, nach Art der Unterdrückten , sich gern zu Geringeren halten, sie konnte nicht anders. Ja, wollte sie ihr eigenstes Wesen und damit ihre Freudigkeit retten, so mußte sie dem Einfluß der Schwester entrinnen. Sie gewann es über sich, Wilhelminen für guten Rat und freundliche Fürsorge zu danken, versprach den beabsichtigten Schritt aufs reiflichste zu überlegen , bat aber, jezt die Sache ruhen zu lassen. Die kluge Frau fühlte , daß sie mit ihrem Versuch der Einwirkung auf die Schwester bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegangen sei, und daß sie von ihren Worten einige Nachwirkung erwar ten dürfe. Daneben stieg ihr ein neuer Gedanke auf , wie sie das beabsichtigte Unternehmen Charlottens , welches ihr so sehr zuwider war , scheitern * lassen könne. *
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Das Gutshaus des Sternbergs war ein Was geht der die Müller an ? " | Mittel reichen nicht zu dem Unternehmen vielleicht beabsichtigt sie, ein Waisen: festes Backsteingebäude aus dem 17. Jahr- meinte Veronika , ihr Arbeitsförbchen zur hundert. Bald nach dem Dreißigjährigen Hand nehmend . „ Sie kann ihn doch nicht haus zu gründen, arme Kinder zu unterKriege erneuert, hatte es später den Aus- brauchen." richten ? Sie sprach sehr einſichtsvoll von puh der Zopfzeit erhalten. Ein Portal Nein, aber ihre Schwester, das Fräu- derartigen Berliner Anstalten. Ich könnte mich mit dafür interessieren, sie vielleicht von zusammengeschlossenen Sandsteinsäulen , lein Wiese. " Wie, als Konkurrentin ?" lächelte unterstützen. " auf dem dicke Engelsgestalten, mit sonder Dazu wäre es immer noch Zeit, mein barem Muschelwerk umgeben, das Fami- Waldemar . „Zum Landsit würde ich mir lienmappen samt Spruchband hielten, zierte etwas anderes aussuchen. " Kind ," nickte der Vater freundlich dem den Eingang. Ueber demselben erhob sich "1 Es scheint, daß die verständige Dame Mädchen zu . Laß Fräulein Wiese nur ein enger Balkon. Eine unten breite, nach praktische Zwecke verfolgt ; doch hört, was machen . Eine höchst verständige Dame, die oben schmaler zulaufende Steintreppe mit Frau von Müller schreibt. " Sternberg weiß was sie will , und der ich nicht zuplumpem Geländer , besetzt mit einigen fette feinen Kneifer wieder auf und las traue, daß sie schlecht rechnet. Es wäre ganz ergöhlich zu sehen , wie sie es angreifen rundbäuchigen Vasen, in denen zur Som- das rosa Briefchen vor, es lautete : Verehrter Herr ! würde , das verwahrloste Ding herausmerzeit Hortensien blühten , führte zum Hause hinauf. Rechts lag der WirtschaftsSie äußerten neulich bei mir, daß zubringen. Sie hat offenbar Verständnis hof, der seinen besonderen Eingang hatte. Sie den Heisterbusch zu kaufen beab für landwirtschaftliche Fragen und könnte Von links zog sich ein wohlgepflegter sichtigen. Zu meiner größten Ueber uns eine angenehme Nachbarin werden.“ Aber, Vater , sie darf das nie, nach raschung höre ich von meiner Schwester Garten um das Haus ; einige beschnittene Buchenhecken und seltsame Tarusgestalten, Charlotte , daß diese mit dem gleichen dieser Bitte der Schwester ! " Gedanken umgeht. hie und da eine nachgedunkelte Sandstein„Wenn Fräulein Wiese mich überbietet, Ich weiß nicht, wie weit Ihre Rück- kann ich sie nicht hindern. Ich werde figur , dazwischen geradlinige Rasenplähe mit Blumenfeldern, crinnerten noch immer sichtnahme, Ihre Courtoisie reichen könnte ; doch die Ländereien nicht über den Wert an die Nokokozeit. gestatten Sie, daß ich derselben Außer- bezahlen, um Frau von Müllers BedenkSeit der Gutsherr hier bleibenden Aufenthalt genommen , wurordentliches zutraue! So halte ich es lichkeiten zu zerstreuen, die sicherlich überdenn für meine Pflicht, Ihnen zu sagen, trieben sind. " den die Anlagen wieder sorgfältig gehalten daß ich die Erwerbung des fraglichen Wir könnten immerhin etwas höher und machten selbst in dieser frühen Jahreszeit den Eindruck des Herrschaftlichen und Besizes als ein großes Unglück für gehen , als wir beabsichtigten ," meinte Stattlichen. meine Schwester ansehen und mich von Waldemar überlegend. // Du brauchst nur Im Hause waren alle Räume groß Herzen erleichtert fühlen würde , wenn einzuwilligen, daß wir aus dem Heisterbusch und von bedeutender Höhe ; die Decken jenes Anwesen Ihnen zufallen sollte . ein Vorwerk des Sternbergs machen, dann meist mit Stud verziert , die Wände mit Mein impulsives Vertrauen zu Ihrer sind die Gebäude auch für uns etwas Familienbildern geschmückt, die Möbel aus edlen Gesinnung ermutigt mich, Ihnen wert. " auszusprechen , daß Charlottens mateEichen oder Nußbaumholz , schwer, dauer„Ich habe dir schon mehrfach gesagt, haft und von schöner Arbeit ; die ganze rielle Mittel nicht genügen , ihr beab- daß ich dagegen bin. Wir haben gesehen, Einrichtung zeigte Jahrhunderte alten ſichtigtes Unternehmen auszuführen. Die was dabei herauskommt, wenn das Auge Wohlstand . Sorge, daß sie wahrscheinlich sicherem des Herrn fehlt. Eine kleine Wirtschaft, die man dort einrichten müßte, verschlingt Im Eßzimmer saßen die drei FamilienRuin anheimfiele, bohrt an mir. glieder am Frühstückstische beisammen . Ein Nehmen Sie diese Zeilen gütig auf; den Ertrag. " „Aber damit sprichst du ja selbst aus, ich habe das Meine aus treuem Herzen Diener hatte das Geschirr abgenommen gethan, möge der Erfolg mir recht geben daß Fräulein Wiese sich ruiniert !" und die Postfachen hereingebracht . VeroWer weiß, wie sie's treibt und was nika , sauber und anspruchslos in einem und eine geliebte, verblendete Schwester vor harten Erfahrungen bewahrt bleiben. sie beginnen will." dunkelgrauen Morgenkleide und weißem !! Was wird's anderes sein als was Mit freundschaftlichen Grüßen von Häubchen , ließ sich, während die Herren wir auch könnten und sicherlich mit beſſerem ihre erste Cigarre anzündeten und Beschlag Haus zu Haus, hochachtungsvoll Ihre sehr ergebene auf die Zeitungen legten , cinige Briefe Erfolg als eine Frau . Mir erscheint es Wilhelmine von Müller." immer mehr als die Pflicht des Gentledurch die Hand gehen, deren Adressen und mutmaßliche Absender sie verkündete. Ein ,,Sonderbar , mich zum Vormund der mans hier einzuschreiten und die Verwandte paar Schreiben von Bieh- und Kornhänd- sicherlich wohl überlegenden , praktischen eines befreundeten Hauses vor dem verlern schienen die Herren wenig zu berühren . Schwester berufen zu wollen , " meinte der derblichen Schritt zu bewahren. “ "/ Warne sie, wenn du willst. „ Ein rosa Briefchen aus Bleiden mit Kammerherr, das Haupt wiegend. Die Warnung eines Konkurrenten ! goldenem Monogramm : v . M. Schon „Frau von Müller ist Idealistin, eine wieder eine Einladung zu Frau v. Müller?" herzenswarme Natur, bereit jedermann zu Dieselbe könnte mich in ein schlimmes Licht // Gib ! " bat der Bruder, während sich helfen, wohlzuthun, Verkehrtes zu hindern," sehen." „Würde auch nichts nußen , wie mir feine Züge spannten. sagte der Sohn anerkennend. "/ Man braucht Der Brief ist für Papa." das stille Walten der anmutigen Frau nur die Dame vorkommt. Wer weiß, wie kurz" Wartet nur Kinder, ich lese ihn gleich! " zu sehen , um ihr gut zu sein und das sichtig Frau von Müller urteilt. Vielleicht Der Kammerherr nahm den Brief, löste Beste von ihr zu erwarten. Dieser viel nehmen Gründe ganz persönlicher Art ſie den Umschlag und blickte hinein. In sei leicht nicht ganz korrekte Schritt , der sich gegen der Schwester Projekt ein. “ Persönlicher Art ! Du traust doch nen Zügen malte sich etwas wie Ueber aber auf deine, der ihren verwandte, edlé raschung, während er die Zeilen durchflog. Denkart beruft, dem dein Verhalten recht der Müller, dieser feinfühlenden Idealiſtin, Die beiden Geschwister sahen ihn erwar geben wird , erklärt sich aus dem Wesen keinen Eigennuß zu ?“ Der Kammerherr erhob sich ungeduldig. der Frau und macht dieſe mir nur lieber. tungsvoll an. Sonderbares Verlangen , wunderliche Es braucht ja nicht alles im Leben nach „ Warum sollte ich ihr diese kleine MenschEinmischung wenn auch, wie immer, in streng gemessener Form zu gehen. Gerade lichkeit nicht zutrauen ? Sie will das Ververbindlicher Form , " murmelte der Vater. im Durchbruch der Empfindung , in dem mögen einer mutmaßlichen Erbtante ihrer Ist es keine Diskretionssache ? Kannst bittenden Ausstrecken einer Hand, die sich Kinder keiner Schmälerung oder gar Gedu uns den Inhalt mitteilen ?" fragte nicht allein zu helfen weiß, tritt die wahre fährdung ausgesezt sehen. Mir ist von Waldemar, sichtlich ungeduldig. Innigkeit des Gefühles , des Vertrauens dem Gesichtspunkte aus ihr Verhalten ganz begreiflich." „I gewiß, warum nicht ! Es handelt zu Tage. " Vater! " Auch Waldemar sprang em „Was Fräulein Wiese nur vorhaben sich einmal wieder um den vielbesproche por . " „ Spricht denn aus dieſen zartſinnimag?" fragte Veronika sinnend. „ Ihre | por. nen Heisterbusch."
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Michael Nikiforowitsch Katkow .
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gen Zeilen nicht die reinste schwesterliche | Alexander II. zu erwartenden Reformen vorNichts vermag drastischer das Furchtbare Sorge? Ist diese nicht ein ausreichender, arbeiten und diese unterstüßen sollte und zu jener Krankheit zu illustrieren , als die vorschwerwiegender Grund, gegen das Unter einer gelegenen Zeit erschien. Unabhängig liegende Sammlung von Briefen und andern nehmen zu stimmen ? Wer selbst jo edel und wohlwollend einen Mittelweg gehend, ent Schriftstücken verschiedengradig Jrrsinniger denkt , dir zuzutrauen , daß du aus Rückschieden gegen Reaktion wie gegen Radikalis- ja gerade erst durch das Studium dieser Dokumus Front machend, sammelte das von Katkow mente lernen wir das Furchtbare der Geistessicht, aus Freundschaft für ihr Haus , der und seinem Jugendfreunde Leontiew mit Takt verwirrung erkennen und verstehen ; Melancholie, Schwester in einer Geschäftssache weichen redigierte Blatt die besten litterarischen Kräfte Manie und all die anderen Unterarten des Jrrkönntest , der rechnet nicht engherzig , der Rußlands, z . B. Turgenjew u. a. m , als Mit: finnes, ebenso die verschiedenen Stadien, die die ist unpraktisch und großmütig durch und arbeiter ; 1861 pachtete er auch die der Mos- Krankheit bereits durchlaufen ; die fortwährendurch follen wir uns von der cdlen kauer Universität gehörende russische Moskauer den Begriffsverwirrungen , das momentane Frau übertreffen, beschämen lassen ? Sollen Zeitung und redigierte sie im Sinne eines Ausleuchten kompakterer Gedanken 2c. 2c. -wir nicht auf ihre Intentionen eingehen, gemäßigten Liberalismus, als politische Ideale alles findet in jenen Dokumenten einen Ausdruck sei es in den Worten , sei es im ein paar tausend Mark mehr wagen, um cine Konstitution und Selbstregierung nach Duttus der Schrift, sei es in beidem zugleich. die eigensinnige Mitbewerberin zu ihrem englischem Muſter anstrebend. Allein seit 1863 Es liegt auf der Hand , daß , je weniger schlugen Katkow und seine beiden Zeitungen, schlagen?" Besten aus dem Felde zu welche sehr viel Geld eintrugen, in ihr Gegen ein Mensch die Kraft hat , seine Gedanken zu teil um . An- beherrschen, er auch an Kraft verliert , jene Du weißt , Waldemar , wir haben statt freisini zu verdecken. Dies tritt in frappantester Weise den Wert , welchen jene Erwerbung für ger Reformen, in eben jenen Schriftstücken zu Tage , wo er uns hat , genau berechnet , die Summe, welche dem We- seinen Gedanken Ausdruck gibt. Vor uns die wir zahlen können, ist nicht hoch und ſten zu ent: liegt eine Sammlung von ungefähr 50 Briefen steht fest. Wie dürfen nun verständige lehnen wären, u . a. , die alle von mehr oder weniger stark Männer sich durch eine solche haltlose predigte Kat angegriffenen und in der Krankheit fortgcDameneinmischung aus dem Häuschen kow nun abso- schrittenen Insassen vonJrrenanstaltenstammen. bringen und zu unüberlegtem Thun hinIutes Zaren- Wir haben diese einzelnen Schriftstücke nach der tum, orthodore Art und dem Grad des in ihnen zum Ausreißen lassen ?" Kirche, Verjün- | druck kommenden Charakters in aufſteigender „Aber man seht doch oft für eine gute gung der Welt Reihenfolge geordnet, und das Interesse, welches Eache den persönlichen Vorteil aufs Spiel ! ” durch die sla | diese Serie bietet , ist ein derart hohes und fuhr Waldemar gereizt empor. wische Rasse, vielseitiges , daß wir nicht anstehen , unseren (Fortfehung folgt.) welcher die Zu- | Lesern einige Details vorzuführen. Kaum würde man in den Schreiben der kunft gehöre, Michael Niliforowitsch Kattow. Feindschaft ge- ersten Briefe Bewohner eines Irrenhauses gen das Ausland, besonders Deutschland, und vermuten , denn der Inhalt sowohl als die die Selbstgenügsamkeit des russischen Reiches Schrift erscheinen in, wir möchten sagen , stilMichael Nikiforowitsch Katkow . im Innern, seine Berechtigung zur Welt- gerechter Form . Zumeist hält sich der Kranke u den hervorragenden Männern, welche in herrschaft nach außen . Dies schmeichelte den für genesen und er wünscht entlassen zu werden . letzter Zeit gestorben sind, gehört auch der Leidenschaften der auf deutsche Kultur und In den folgenden Briefen aber zeigt sich beMann , dessen Name an der Spiße dieser Intelligenz eifersüchtigen Massen. Als na reits der gestörte Geist des Schreibers in den Zeilen steht. Katkom wollte ein Beglücker türliche Reaktion und Widerpart dagegen ent- fortgesetten Anklagen , Reklamationen , Geseines Vaterlandes werden , vergriff sich stand der sogenannte Nihilismus , das unter- schäftsbriefen u . a. Einer unterzeichnet als aber in Ziel und Mitteln, und so hat in Wirk- | wühlende Treiben der nach Freiheit und Civili- Henri Charlemagne , ehemals H. Meyer", lichkeit kein Mann der Neuzeit schwerer an sation begehrenden intelligenten Minorität . andere machen Bemerkungen , wie : „ich weiß Rußland und dem russischen Volke gesündigt Katkow , mit seiner Kühnheit, seinem selbst gar nicht, wo ich den Kopf habe" oder „mein , als er, indem er den Fortschritt von Kultur jüchtigen Streben errang Ansehen , Einfluß Kopf ist zu schwach" u. dgl. m. In unserem und Humanität dort auf Jahrzehnte hinein und Vermögen , eine Stellung von ganz un Besit befindet sich ferner , als das Produkt man nannte ihn nur den jahrelanger Arbeit, eine von einem alten, Hemmte und lähmte. Man kann ihm eine hohe geahnter Höhe Intelligenz und Genialität und eine hervor: Vicekaiser. Vier seiner Töchter sind an rus- unheilbaren Frrsinnigen (Lehrer) zusammenragende Fähigkeit, auf andere zu wirken, nicht sische Fürsten verheiratet , zwei seiner Söhne gestellte Liedersammlung , sowie die Abschrift absprechen und namentlich nicht leugnen, daß dienen in St. Petersburg als Gardeoffiziere ; eines Hausfreund-Kalenders " , wobei sogar er einer der bedeutendsten Journalisten der er hinterließ, als er am 1. Auguſt auf seinen auch sämtliche Illustrationen mitkopiert worden Gegenwart war. Im Jahre 1820 in Moskau Gute Enamenskij am Magenkrebs starb , ein sind. Ein anderer , an primärer Verrüdtheit geboren, zeigte er schon in seiner Jugend eine fürstliches gut fundiertes Vermögen von mehr Leidender , ehemals Schlosser , hat eine ganze hervorragende Lernbegierde , regstes Streben als 1700000 Rubel, eine große Buchdruckerei, Kirchenverfassung abgeschrieben ; seine Schrift und eine glänzende ſchöpferiſche Einbildungs: zwei einträgliche Zeitungen und zwei schöne ist eine sehr regelmäßige , troßdem er nur fraft. Was ihm Litteratur und Wissenschaft Landgüter, dazu ungewöhnlichen Ruhm . m. schreibt , wenn er sehr aufgeregt ist. Wir in Rußland bieten konnte, genügte ihm nicht, dürfen hier überhaupt die Beobachtung nicht und es drängte ihn, aus dem reicheren Schachte vergessen, daß das Abſchreiben von Gedichten, Auffäßen , Anzeigen 2c. 2c . oft in buntemt westeuropäischer Bildung zu ſchöpfen ; cr ging eine Lieblingsbeschäftigung Durcheinander nach Königsberg und Berlin , um deutsche Philosophie zu studieren, er hatte kein höheres Handſchriften Irrfinniger. Per a roofinn und Melancholie Leidenven an Blödsinn Kranken bildet. In den Briefen begegnen wir Ziel des Ehrgeizes, als der russischen Jugend Don von einem Lehrstuhl der Moskauer Universität oft einem plößlichen Abbrechen des bisherigen R. Forrer. herab das Wesen der deutschen Philosophie zu Gedankenganges und einem ganz unvermittelten vermitteln . Er erhielt einen Lehrauftrag und Hinüberspringen auf andere Themata ; bei fortbegann seine Wirksamkeit ; da kam das Jahr geschrittenerer Krankheit zeigt sich bisweilen Allein das Echredlichſle der Schreden, 1848, das auch in Rußland Wünsche und Hoffjeglicher Zusammenhang gestört , so daß der Das ist der Mensch in seinem Wahn ! “ ganze Inhalt eines Briefes uns dann als nungen in der Jugend hervorrief. Der allzu eifrigen Polizei unter Zar Nikolai I. ward der Unwillkürlicherinnert, wird man an diesen Ausspruch wenn man eine Abtei | Rätsel Brief : erscheint. So beginnt beiſpielſweiſe ein junge idealistische Professor verdächtig ; cr Wo ihr Anliegen Ofwerten zu wisse thun wurde abgesett und unter polizeiliche Aufsicht | lung unserer Autographensammlung durchgeht, gestellt, gleich seinen Kollegen an den inner die mit dem Titel „ Pathologische Handschrifbefragt Achten in paar Hoßen schwarz in Erlaubnis ine Werden Bedürfnis ihn gute russischen Universitäten. Er benutte seine un- ten" überschrieben ist. willkommene Muße zu längerem Aufenthalte In der That ist die Art und Weise , wie belästige, pressant scie sie so gut abwarten in England , wo er die englische Verfassung uns hier die Umdüsterung des menschlichen trauf ab ihnen sie haben forrath . . .“ und Selbstverwaltung studierte und für dieselbe Geistes vorgeführt wird , von furchtbar frap = Noch konfuser ist der Brief, den wir nachschwärmte. Nach Kaiser Nikolais Tode nach panter Wirkung ; sie bietet uns psychologisch stehend wiedergeben. Man beobachtet, wie dem Rußland zurückgekehrt, gründete er 1856 ein ein äußerst lehrreiches Material und ist ge: Schreiber, sobald er begonnen einen Gedanken gemäßigt liberales Blatt, den Rußkij Wjestnit" eignet , allseitig das höchste Intereffe zu erniederzuschreiben und noch ehe er ihn fertig auf dem Papiere hat, der Gedächtnisfaden verloren (russischen Boten) , welcher den von Kaiser regen .
R. forrer.
Handschriften Irrsinniger. 519 518 Wasser zusammenberechnet ? ! ? Was die an Schrift wie Inhalt gleich groben Brief geht, wie sich in ihm auf diese Weise Gedanke Menschen nicht verstehen , begreift Gott ? ! ? richtet (vgl. auch Faksimile Nr. 6) ; er begrüßt auf Gedanke folgt, jeder , um im nächsten Momente schon wieder dem Gedächtnis entReligion : Nie zu viel übervorteilen , oder schwunden zu sein und durch einen neuen, mit übervorteilen laffen ? ! ? Soll - Hattes ? ! ? Gremitübersende Unterzechneter. Stimmvieherei ? ! ? Gräßlikoffer, Puppikindlidem vorangegangenen ganz unzusammenhängenamige Leder mitdem Anfüchen, Sen.. foffer ? ! ? Nichner und Arm ? ! ? Gestorben den erseht zu werden. Die Interpunktion ist forcher rangstens alseinen Frund. eine nicht minder merkwürdige, und ganz be7000 Menschen meiner Raffe in Tongking ? ! ? auchzu Händen unsrer käntuul..... General Prüdhomme ? ! ? Soll ich dir, den sonders intereſſant und im höchsten Grade 1884er Bienenkalender senden ? ! ? Wollfrappierend sind die zwischen die verschiedenen, Fig. 2. geboren grüßt unedel, neuedel und treuedel ? ! ? minder wichtigen Worte 2c. eingestreuten originellen Gedanken und Weisheitssäke merk= Schwarze Wildamsel im roten Feld? ! ? Antworte mir meine Briefe , mit Datum, nach sie zwar als seine herzlich Geliebte Frau ? ! ?" würdig , wenn wir bedenken , daß sie dem meinem Brief, für diesen z. B. am 19. 2c. allein schon nach einigen Zeilen geht er in ein Kopfe eines Irren entsprungen sind ! Der sich steigerndes Toben und Beschimpfen über, Frühestens ? ! ? Bedenkzeit ?" Brief trägt am Kopfe die Grundeinzeichnung Wir haben vorliegeneinesHauses, daneben einige „, erklärende" Worte und Ziffern. Dann folgt der Text, lautend : den Brief in dieser Aus" Benedict, Julius, August, Emil, Römu- | dehnung wiedergegeben, Ius ? ! ? Fahne Cubas , schwarz , goldgelb ? weil derselbe nach jeder зень Friedmann in Venomar-Jardin ? ! ? Fett und mager ? ! ? Richtung hin ein bedeut Gibt es ein Schweizer Lesesaal, so groß wie sames Interesse und psydas Churer Theatergebäude, oder viele kleine chologisch ungemein wertFig. 3. Vereine , sogenannte Pestalozzistübli , Geo- | volles Material bietet. graphie Stübli u. f. w . ? ! ? Ob Allendorf, Wir sehen hier einen einſt wobei er schließlich seiner abwesenden Ehehälfte ob Allenburg, Allenquell , Allenpart ? ! ? fenntnisreichen Kopf in Temperenzstudien ? ! ? Gibt's weder Gott, tiefster Nmdunkelung ; die Eindrücke die ihm seinen eigenen Fehler vorwirst , indem er ſie noch Kaiser, noch Fahne, noch Volk, um geblieben , haben sich zu einem unentwirrals total geisteskrank und verrückt im großen meine Gebete zu verstehen und zu erhören ? ! ? haren Chaos zusammengethan , manche der Maßstabe" bezeichnet. Ein anderer WahnCawärt ? ! ? Casurawelt ? ! ? Worte entbehren jeden Sinnes , andere er - ſinniger hat für eine Zeitung cine „ Anzeige“ // Sende mir ohne Anfrage ? ! ? Nichts Verausgefertigt, in der er den Satan S und die Stelle, wo er ihn gesehen, loren : Gott siehet ? ! ? 1885 ? ! ? KantonsHochen Hungenten anſtaltB.... 18.September Frau A. E. ... ? ! ? so genau beschreibt, daß man ganz rußschon , wa mother Werte Schwester Wr. ? , für einige an die Visionen der mittelalter= herweise? ! ?wer hen, de? ! ich wen rd mac .Sunstwachen &rugndens „Möglic r s เ un nu m un az , in dem ichhie beſſer bliu n Pr lichen Herenmeiſter erinnert wird. Prazing, Wochen , in die Kantonsanstalt R ... verbli Wie wir bereits oben geſehen, hören Sie nichhingstenflächentlichbeite Er ſeßt, bis meine Zelle renoviert und trocken verwirren sich, bei den fortgeschrit ist, wieder ? ! ? Bei Marthalen ? ! ? dort kann teneren Kranken die Begriffe oft Fig. 1 ich anlangen, mit Holzschuhen , Kleider von derart, daß nicht nur die einzelnen Roßleder, Ueberkleider von Malterſack-Zwilch- | scheinen als Ueberreste jüngst empfangener | Worte , sondern oft ganze Sätze durch die stoff, Unterhemd von Flanell , Zipfelkappe, Eindrücke. Ein Sat zeigt die Absicht , dem Verschiebung , die Neueinfügung und das oder Lederbärenkappe , oder Filzhut ? ! ? Adressaten mit dem vorliegenden Schreiben | Weglassen von Buchstaben für den UneingeStrick um den Bauch ? ! ? Maskiert oder einen Brief unmaskiert? ! ? Um die Straßen leichter vorzulegen, -32 JuniorHis Brys reinlich halten zu können , kann Vieh von ein anderer 00 ว Menschen auf die Weide gezogen werden, Sak ergeht gefahren , in Kastenstallwagen ? ! ? 1886 ? ! ? sich in unsin ,in der anger, hitdie ge klassen, datin dekeuken ,dat,den,die ideegeheiligt 32.Joe, wist , , 3 , in dethWelle Port 2 , did that beat, Ehrlichkeit , oder aufrichtig ? ! ? Lese alle nigen Aus : Auch debut, aus , gifts, sinchun dahhe, alle geboren, verden, atden ว 365 Namensapoſteltage, im Kalender, jeden | führungen, und seineReich , pomman, Jormer , Fumetubſt, und Gemüthigungs): the weaker, aftmitder überunge Sonntag, wenn du nicht in die Kirche gehst ? ! ? ht, ift, wit,and auch der heute, and,Wife, anda baughhigh,dinner & Widgeting der Diakoniſſenkalender 1886 ift schön ? ! ? dritten kom : Hast du den 1885er auch ? ! ? Langsam ? ! ? men Ideen Fig. 4. Gab's früher einen Greifenmord, beim Bau zum Ausdruck, die aus eines jeden Hauſes, in Londonderß ? ! ? $ 8i.0 W e " D6 illustrierte Statistik, über Obstkultur der Feder dieses Frren wie göttliche Ein- | weihten total unverständlich ge= worden sind. Den Höhepunkt er- Dig. Lat. der Rheinländer ? ! ? Paradieshochschule ? ! ? gebungen erscheinen, u . f. w. Rheinländer, Donauländer, oder Poländer ? ! ? Verlassen wir dies traurige Bild totaler reichen aber die Beispiele , wie sie Nie kann man genug die Wahrheit reden geistiger Zerstörung , um uns bei den Pro Dr. Fr. Scholz in seinem Vortrag über die und nie genug schweigen ? ! ? Wasserfälle, dukten einiger Frrsinnigen aufzuhalten, deren | Handſchrift und ihre charakteriſtiſchen Merkmale Brunnen in meinem Zimmer zeichnen ? ! ? Krankheit die Form der Monomanie ange zu geben wußte. (Vortrag gehalten in der Tiere zu quälen , ist noch fündhafter , als nommen hat. Ein gewesener Lehrer macht litterarischen Gesellschaft des Bremer KünſtMenschen zu quälen, weil Tiere vor keinem | Knüttelverse und gibt sie seinen Kameraden lervereins. Brenten, Karl Rocco. 1885.) Eine Richter klagen können , wie ich weiß auch zum besten ; ein ehemaliger Börſenſpekulant | Wahnsinnige soll „Frankreich“ schreiben , und nicht, wie meine Lehren befolgt werden, ich berechnet auf die Mokann nicht weit sehen , mit meinen sieben nate und Tage genau Kursklätter. Sinnen , Verstand und Bildung u. s. w. das Alter des Kaisers ist murger Müßte ich jemand töten , so würde ich in von Braſilien ; cin zu with Zukunft, vorzugsweise am 28. irgend eines junges Mädchen richtet Gelegenheit geboten, etwas zu molin Monates es thun wollen bei Sonnenaufgang an seinen Onkel Bitte д oder bei Sonnenuntergang, bei hellem oder über Bitte , und der bei trübem Wetter ? ! ? Warum lehrte Moses, treuherzig-naive In= alle Pharaos seien im roten Meer ertrunken ? ! ? halt dieses Briefes Charle Er will Alleinherrscher sein? ! ? Man schreibe | illuſtriert auf das trefjedes Jahr einmal an jedes Haus , heiligt fendste die Figur des gutmütig ge.م der Zweck die Mittel ? ! ? Sende mir nichtsarteten , fortwährend lächelnden oder ohne Ordre ? ! ? Edisons ? ! ? Bun Tier- vor sich her schwagenden Frren. Ein Vater, Big 5. gary ? ! ? Miniers ? ! ? Thur , Thorianer, der an Größen- und Verfolgungswahnsinn leidet, Cabanier ? ! ? Ein Schufter kann ihm Schuhe | schreibt an seine Söhne und Töchter, unter fortanmessen , oder ein Schneider Hosen , oder währender Bezugnahme auf seinen „ alten Adel ", drückt dies in folgender Buchstabenkombination ein Hutmacher einen Hut anprobieren oder seinen Reichtum und seine „ sämtlichen Erdteile“. aus : „ Fhrhahnhchhrhhhehihchhh" . Dasselbe Juer kann schreiben oder eine Haut schaben, Den Gegensatz zu jenen gutmütig an: | dividuum schreibt statt radikal" : „rhahdhih = als Monument ? ! ? u . s. w . ? ! ? Zehn gleich gelegten Kranken bildet der zweifelhaft zärt= | chahlhhhhhhh " , und „ Tedille“ überſeßt er in große Weltoberrichterämter 1/10 Land und liche Ehemann, der an seine Gemahlin einen , édillarrrg", sowie Xaidillahrrrrrrrrr“ .
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Ein anderer Kranker schaltet in einen Sah | oft ganz willkürlich ein anderes Wort ein, wie beispielsweise : „ In dem Rathause bei jeder zweiten Präfektur , liegen" ..., wo das Wort „Präfektur" für den Begriff „ Thüre“ steht dies analog den Verwechslungen, wie sie auch die Kinder während der Zeit , da sie das Sprechen lernen, häufig begehen. Nicht minder intereſſant als das Studium des Zuhaltes solcher schriftlichen Produkte Jrrfinniger ist cine Untersuchung derselben in Bezug auf den Charakter der Schrift. * ) Die verschiedenen Arten des Hrrsinns üben im allgemeinen auch eine ungleiche Wirkung auf die Schrift des betreffenden Indi: viduums aus , und das verschiedene Temperament wird trefflich durch die Schrift widergespiegelt. Der gutmütig geartete Blödsinnige und ebenso der Schwermütige bedienen sich
If plyer thand
Bettelbriefe.
Fig 12.
In schürtze der Herr
läßt erkennen, daß das oben Gesagte nur den Schlüffel zu einem Studium bilden soll , das geeignet ist , dem Graphologen sowohl als michdie teasen. Der dem Arzte und insbesondere dem Psychologen eine reiche Fundgrube zu verarbeitenden Materiales abzugeben ! ~ Papgeben sei qut
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Denken . Daß ücher weus kamenr Jiz. s.
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Deine. ર Frechheitfügen , in
Bei letterem tritt auch besonders scharf der Mangel an gehöriger Verbindung der zusam Buchmengehörenden staben zu Tage ; derselbe Umstand wiederholt sich
mehr oder scharf noch öftersweniger bei solchen rable Vr フマ Hershe schornit seiten Briefen (vgl . Fig. 8 2c. ) Jig. 6. und ist keineswegs nur zufälliger Natur. Eben: beide einer Schrift , die sich durch eine enge sowenig die Unregelmäßigkeit der einzelnen Aneinanderfügung der Buchstaben und Wörter Buchstaben sowohl , als die Anordnung des bemerkbar macht (vgl. Fig . 1, 2 und 4) die Schrift ist gleichzeitig eine mehr oder weniger gleichmäßige , meiſt ohne Meiner Lieben Elterner ſcharfes Gepräge. Häufig zeigt sich dabei cin ſpielendes Ausmalen der einzelnen Buchstaben , ein Anbringen. vieler unnüßer Schnörkel u . dgl. m . fürch Fragen ähnlich den verzierten Buchstaben, wie Ich Möchte sie das im Schreiben noch nicht reife Fig. 9. Kind produziert. Betreffs derart verschnörkelter Buchstaben vgl. die Fakſimiles von Fig. 3 und 4 ; bei Fig . 3 kenn- Ganzen, wie man sie in Fig. 6, 7 und 8 bezeichnet das „ F " in des Wortes wörtlichster Beobachten kann. Eine besondere Verunstaltung der Schrift deutung das „ oben hinaus“ ſeines Schreibers . zeigt sich bei den körperlich ge= schwächten, insbesondere bei par: tiell gelähmten Personen ; die rs er mblo rter Fire Geeh Schrift wird unsicher, zittrig (vgl. Fig. 9 und 10), oft bis zur uns 3is. 10 , Ichmöchte Sie höflich bellung befertigteit Leserlichkeit entstent (wie Fig. nach Scholz). Es scheint auch, Fig. 7. als gehe die Schrift mit dem Fortschreiten des Kindlichwer: Noch frappanter ist die Schrift von Fig. 4, das dens" parallel, denn eine bedeutende Zahl Produkt eines geistesschwachen Schreiners, der der uns vorliegenden Handschriften nähert sich ſeine Zeit mit Striden und Abschreiben zubringt ; jenem allbekannten Schrifttypus, wie wir ihn Buchstaben, Worte und Säße sind alle aufs engste anE einandergerückt, die Buchstaben selbst augentötend klein und zum Ueberfluß noch mit einer Menge kleiWin= nerer Schnörkel , Fig 10. (Ohne Kreuz teine Krone ) dungen 2c. verziert (vgl. bei dem das Schreiben erst crlernenden Kinde Fig. 4a, ein 1 /2mal vergrößertes W) . des oben (S. 517) Im Gegensah hierzu stehen die Schriftzüge ! vorfinden (vgl . Fig. 11 , Autorerlernenden mis
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Ein flüchtiger Blick über die vorstehenden wahn behafteten Irren (Fig. 5) . Hier erscheinen die einzelnen Buchstaben wie die Worte | Mitteilungen und die beigegebenen Faksimiles weit auseinandergezogen und, speziell beim Tobfüchtigen, mehr nur hingeworfen, als geschrieben. xe же ðillαxxxx
Bettelbriefe.
Don A. Dakar Klauhmann .
21s Jahre 1880 imletztenmal in Berlin die Patti zum gastierte, brachten die Zeitungen wiederholt Mitteilungen über die horrenden Gagen, die sie für jeden Abend erhielt, und einzelne journaliſtiſch-ſtatiſtiſche Schäfer rechneten sogar aus, wie hoch jeder Ton aus der göttlichen Kehle der Patti zu stehen kam und wieviel sie verhältnismäßig in jeder Sckunde und Minute ihres Auftretens verdiene. Vier oder fünf Tage nach Veröffentlichung dieser Daten wendete sich die Sängerin in höchster Verzweiflung an die Zeitungen. Sie hatte nämlich in der Zwischenzeit ungefähr zweitausend Bettelbriefe crhalten, und die Flut von Zuschriften, die täglich im Hotel Kaiserhof, wo sie wohnte, einliefen, schien noch im Zunehmen . begriffen . Ich hatte damals Gelegenheit , in einen Teil dieser Korrespondenz Einsicht zu neh=
men, und ich weiß, daß ich als Neuling auf diesem Gebiete des höheren Bettelns außer mir über die Schamlofigkeit und Drciſtigkeit war , mit welcher Menschen Forderungen an eine ihnen gänzlich unbekannte Person stellten. Nachdem ich mich später besonders mit Hilfe der Kriminal-
polizei mit dem Studium dieses höheren Bettelns näher beschäftigt habe, kommt mir dieser „ Geschäftszweig" allerdings nicht mehr so sonderbar vor wie früher, aber ich halte es im Interesse der Leser für geboten, einmal öffentlich Mitteilung von Dingen zu machen, die den meisten zuerst fremd , ja vielleicht unglaublich klingen werden. Vielleicht erinnern sich Leser und Leserinnen, daß zu gewissen Zeiten bei ihnen Briefe eingetroffen sind , in denen insbe sondere Frauen unter Schilderung der ents Müßte ich Jemand thöten, fo... sweise asur feglichsten Notlage um eine Unterstützung n Zuthicht, vorzug . ich i baten. Der Zeitpunkt, an dem diese Briefe s e ankanten , war gewöhnlich für den Leser t a s nd n un ne ge o th es M . ei ir oder die Leserin ein wichtiger ; es handelte Fig. 11. sich um ein Familienereignis , um einen der Tobsüchtigen (Fig. 6) und der mit Größen- | zum Abdruck gebrachten Briefes, und Fig. 12, freudigen Erfolg oder um irgend etwas Aehnliches , und gewiß hat die Mehrzahl *) Die Faksimiles ſind auf 23 des Originals verkleinert. vide Scholz) .
523 derjenigen, die solche Briefe erhielten, nach besten Kräften der Not, die sich ihnen da aufdrängte und bemerklich machte, zu steuern gesucht. Mögen sie sich nicht unangenehm berührt fühlen , wenn ihnen jest hier gesagt wird , daß ihre Großmut und ihre Wohlthätigkeit übel angebracht waren . Es gibt nämlich notorisch ganze Familien, die von dieser Art des brieflichen Bettelns leben, und nicht nur Berlin, das allerdings auf diesem Gebiete das reichste Kontingent stellt, hat solche gewerbsmäßige Bettelbriefschreiber und schreiberinnen auf zuweisen. Da lebt z . B. in irgend einem beſſeren Stadtteile Berlins cine verwitwete Dame mit einem anständig klingenden Namen , obgleich vielleicht der Adel , den sie führt, nicht ganz echt ist. Sie hat zwei Töchter, eine Gesellschafterin , das nötige Personal und macht zwar kein großes Haus , aber sie läßt sich auch vom Leben nichts abgehen , und doch lebt diese Frau mit ihren Töchtern systematisch vom Bettelbriefschreiben. Die Manipulation , die vorgenommen wird, ist einfach folgende. Es handelt sich für die Menschen, die dieses Gewerbe betreiben, und es sind in der weitaus größten Zahl Frauen , nur darum , die Zeitungen auf das genaueste zu studieren. Man sieht ja schon aus der Art und Weise des Juferierens , ob von jemand eventuell Geld zu erreichen ist, S. H. ob er wohl auch die Mittel besigt, ein reicheres Almofen zu geben ; und auf den Umstand, daß jeder Mensch in gewissen Verhältnissen zum Geben mehr bereit ist als sonst, bauen die Bettelbriefschwindler ihren wohldurchdachten Plan . Nehmen wir an , liebe Leserin , du ſeiest Mutter, und der Himníel habe über dich das schwere Schicksal verhängt, daß dir ein Kind gestorben sei. Du erhältst plöglich einen Brief, in dem dir cine andere Mutter schreibt , daß sie es nicht übers Herz bringen könne, dir ihren Trost vorzuenthalten. Sie habe zufällig deinen Namen kennen gelernt , habe auch deine Bekanntschaft aus der Entfernung gemacht, trotzdem du dich ihrer wohl nicht mehr erinnerst , und sei sehr von der Nachricht betroffen, daß du einen so schweren Ver Lust zu beklagen habest. Sie könne mit dir fühlen; denn auch sie hat einmal diesen Verlust zu beklagen gehabt. Sic wendet sich heute an dich , um dir ihr Mitgefühl anzubieten. Sie kann dir nicht mehr anbieten als dieses Mitgefühl , denn ach! sie ist arm , sie hat selbst noch eine Tochter, die schon alt ist, aber vollständig verfrüppelt cin trauriges Dasein führt. Es ist ein unschuldiges , beklagenswertes Geschöpf, dem sie nicht einmal die geringste Freude bereiten kann, weil es ihr am Not wendigsten fehlt. Sie weiß, daß du jest mit deinem Schmerz zu sehr beschäftigt bist, sonst würde sie dir sogar die Bitte vortragen , sie durch eine, wenn auch die geringste Gabe zu erfreuen, nicht um ihrer selbst willen , sondern wegen ihrer vertrüppelten und franken Tochter , die sie wohl auch in der nächsten Zeit auf den Kirchhof betten wird. D, sie hat es sich
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nicht träumen lassen , daß sie einst von | Hast du z . B. , werter Leser, einen LotterieAlmosen werde leben müssen , aber was gewinn gemacht , und es kommt in den der Himmel über uns verhängt hat, muß Zeitungen die Mitteilung davon, so kannſt du einen Eid darauf leisten, mit hunderten man mit Geduld ertragen ! Das ist der Inhalt jencs Briefes, und von Bettelbriefen überschwemmt zu werden. in 99 von 100 Fällen wird eine mit Allerdings werden dann unter diesen Briefen Gütern gesegnete Frau eine Unterstützung , auch solche von Menschen sein , die in der und seien es selbst nur zwanzig Mark, an That sich in größter Not und Verzweiflung die Schreiberin nach außerhalb absenden, befinden, aber der weitaus größere Teil, ja Die Wohlthäterin ist ja selbst in sehr weicher der allergrößte Teil stammt von gewerbsund ergriffener Stimmung, und die Brief- mäßigen Bettelbriefschreibern her, die mit schreiberin hat vor allen Dingen den Ton, solcher Sorgfalt nach Bettelgelegenheit durch den sie etwas erreichen konnte, vor suchen, daß es fast unmöglich ist , ihnen zu entgehen. trefflich zu finden gewußt. Umgekehrt erhält derjenige Vater, der Alle Künstler, die irgend einmal cinen die Welt mit dem Inserate beglückt hat, Erfolg zu verzeichnen hatten , sei es da daß ihm ein Stammhalter geboren sei, durch, daß ihr Bild prämiiert wurde oder einen Brief, der wieder nach anderem Modell daß ihre Statue angekauft , daß ihre gearbeitet ist. Es wird ihm in diesem Operette oder ihr Stück einen Erfolg gratuliert, und Glück und Segen in reich hatten, sie alle wissen davon zu erzählen, lichstem Maße auf Kind , Mutter und in welch unverschämter Weise diese GeVater herabgewünscht. Dann wird direkt legenheit von gewissen Leuten benut darauf hingedeutet , daß man von seinem wurde, um sie mit den unglaublichsten bekannten Edelmute (gewöhnlich erfährt Bettelbriefen zu beſtürmen . erst der Angebettelte in diesem Augenblick, Wenn ich das oben Gefagte wiederholc, daß er überhaupt so sehr edelmütig ist), nämlich daß ganze Familien von dem daß er sich also bei seinem bekannten Edel- Schreiben dieser Bettelbriefe in ganz bemit in diesem Augenblick der Freude auch haglichen Verhältnissen leben, so wird man derjenigen erinnern möge, denen jede Freude mir dies um so cher glauben , wenn ich vergällt ist, die mit der größten Heimlich hier im folgenden eine kleine Berechnung keit ihre bittere Not verbergen müssen, weil der mutmaßlichen Einnahme folcher Bettelsie nicht betteln wollen und weil sie doch briefschreiber anführe. Die Auslagen sind zu arm sind , um sich das Notwendigste verhältnismäßig geringe und bestehen im zu verschaffen. Auch in diesem Fall wer- Abonnement auf eine größere Zeitung, den wahrscheinlich die Briefschreiber und was aber in einer großen Stadt nicht einselbst schreiberinnen, denn es sind gewöhn- mal nötig ist, da man in dieser in Konlich mehrere, ihren Zweck erreichen, ebenso ditoreien und öffentlichen Lokalen genügend wie sie auf ihre Kosten kommen, wenn sie Zeitungen zur Verfügung hat. Die Baran Neuvermählte schreiben . auslagen sind nur diejenigen für BriefHier schreibt gewöhnlich wiederum eine bogen, Briefumschläge und die ZehnFrau, die der Braut alles Glück und allen pfennigmarken zur Frankierung der Briefe. Segen wünscht und die ihr mitteilt, daß Die Arbeit , die das Briefschreiben versie sich an sie wende in der höchsten Not ursacht, ist als solche gar nicht zu rechnen, und Verzweiflung deshalb, weil sie annimmt, denn die Bettelbriefschreiber haben gar daß die Braut in ihrem Zustand der Glück keine andere Beschäftigung , und irgend seligkeit , in dem sie sich als junge Frau etwas müssen sie doch auch dafür thun, befindet , sich doch vielleicht ein offenes daß sie in ganz behaglichen Verhältnissen Herz für Unglückliche bewahrt habe. Dann leben . Es ist natürlich für eine Mutter erzählt die Briefschreiberin einen Roman mit zwei Töchtern , oder selbst für eine von ihrer eigenen glücklichen Verheiratung, einzelnstehende Frau eine Kleinigkeit, vier von der Glückseligkeit der Flitterwochen, solcher Briefe täglich zu schreiben, troßdem dem schrecklichen Ende, das ihr Gatte nahm , dieselben gewöhnlich drei bis vier Seiten und von der Not und dem Jammer, den lang sind. Nehmen wir an, nur auf einen dieser Briefe käme eine Geldsendung sie seit jener Zeit ertragen mußte. Aber nicht nur bei solchen Familien- und diese betrüge zehn Mark, so haben ereignissen hast du Bettelbriefe von Men wir nach allgemeinen Erfahrungen viel zu schen zu hoffen , die gewerbsmäßig und niedrig gegriffen, und doch ist damit für sehr anständig von diesem Betteln leben, die Schreiberin eine monatliche Einnahme sondern sofort, sobald dein Name öffent von hundert Thalern gesichert. Ihre Einlich genannt wird. Du bist z . B. Beainter, nahme ist aber in der That viel größer, und der Reichsanzeiger und nach ihm die besonders wenn das Briefschreiben nur anderen Zeitungen bringen deine Beför energisch genug durchgeführt , der richtige derung zu einem höheren Posten, bringen Ton angewendet und die richtige Adresse deine Dekorierung mit einem höheren ausgewählt wird. Die Auslagen gegenOrden, und du wirst dich vielleicht schon über diesen Einnahmen sind natürlich verselbst überzeugt haben, daß alsdann unschl- schwindend kleine und betragen im ganzen bar Bettelbriefe eintreffen von Leuten, die Monat noch nicht fünfzehn Mark. die günstige Gelegenheit wahrnehmen, denDie Civilkabinette aller hochgestellten jenigen anzubetteln , der eben durch diese und königlichen Persönlichkeiten. fürstlichen Beförderung oder Ordensverleihung in freu dige Erregung und dadurch in eine zum wissen ein Lied zu singen von der UeberGeben geneigtere Stimmung gekommen ist. flutung , die ihnen fast täglich durch die Bettelbriefe zu teil wird, und die Persön-
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lichkeiten der deutschen Aristokratie , deren | hat und die vielleicht schon hundertmal | es ihm für die so oft bewährte MildthätigNamen öfters in der Oeffentlichkeit ge- in der Welt herumgeschickt wurden , um keit und den Edelmut als Anerkenntnis zu nannt wird , weil sie eine Stellung bei ihre Wirkung zu thun. Der wohlsituierte überreichen. Wie auch dieses Geschenk ausHofe oder im politischen Leben oder in Mann, und von ganzem Herzen wünschen gefallen sei, wisse er nicht, er könne eben der Armee haben , verwenden jährlich wir , daß alle Leser recht wohlsituierte nicht sehen , aber wenn es so ausgefallen Tausende von Mark nur darauf, um den Leute sein mögen, wird sich , besonders sei , wie er es wünsche , wie er wünsche, an sie herantretenden Wohlthätigkeitsan- wenn man bei einer freudigen oder traurigen daß es dem edlen Empfänger gefallen möge, forderungen Genüge zu leisten. Alle hoch- Gelegenheit an sein Mitgefühl appelliert, dann wäre es gewiß ein Kunstwerk. Der gestellten Leute haben bestimmte Summen doch vielleicht entschließen, in das Couvert, Schluß des Briefes , der wirklich vortreffangewiesen , die dazu verwendet werden, in welchem er die Pfandscheine und die lich abgefaßt war , ging natürlich darauf um der verschämten , dafür aber um so Steuermahnungen zurücksendet, auch einen hinaus , um eine Unterstüßung zu bitten, bittereren Armut Hilfe zu bringen, wenn Wertschein , zum mindesten einen Fünf- und der frischgebackene Kommerzienrat war solche sich _brieflich meldet. Der beabsich markschein mit hineinzustecken, und derBettel- ganz gerührt über den blinden , verzwei= tigte Zweck ist natürlich ein hochedler und briefschreiber hat seinen Zweck vollständig felten Greis , der ihn mit dem wertlosen achtungswerter , leider aber kennen diese erreicht und hat zum mindesten fünf Mark, Geschenke überraschte . Er wies selbst darauf Verhältnisse auch die Bettelbriefschwindler, auf die er im ganzen vielleicht dreizehn hin , daß man an dem mangelhaft angefertigten Gegenstande deutlich sehe, daß ein und da sie am zudringlichsten und frechsten Pfennig Auslagen hatte. mit dem Briefschreiben sind , so schleppen Eine noch gefährlichere Art von Bettel- blinder Mann sich mit ihm beschäftigt habe, ſie den Löwenanteil dieser für wirkliche briefschreibern sind diejenigen , die den und in dem Seelenzustand, in dem sich der Armut und wirkliche Not bestimmten ahnungslosen Adressaten außer den Briefen Mann befand, packte er eine größere BankEummen fort. auch noch Gedichte vorsehen. Es sind Ge- note ein und schickte sie an den blinden Mit Vorliebe angebettelt werden auch dichte fürchterlichster Art und sind alle nach Laubsägengreis ab. alleinstehende ältere Damen, denen gegen der Schablone gearbeitet . Es handelt sich) Ich hatte erst nach Jahren Gelegenüber sich die Bettelbriefschreiberin für eine nur darum, den Namen des Angebettelten heit zu erfahren, daß dieser blinde, zitternde Witwe oder für eine ältere Jungfrau aus- und den Ort zu ändern, aber unwillkürlich Laubsägengreis ein ganz gesunder , unge= gibt , die in ihrer Jugend von einem findet sich der Mensch, der sich, wie bereits fähr 30jähriger stellungsloser Kellner war, Manne verraten wurde und in das bitterste oben angedeutet, durch traurige oder fröh- welcher die Laubsägearbeiten von armen Elend kam und jetzt einſam und verlassen liche Ereignisse zum Geben mehr geneigt Nachbarskindern anfertigen ließ und ihnen in größter Not ſigt, als einzige Hoffnung weiß als sonst, durch eine solche Aufmerk- dafür ein Lumpengeld in Kupfer zahlte, und als einzige Rettung die Aussicht be- samkeit angenehm berührt, und insbesondere und jahrelang vortrefflich von diesem Bettrachtend , von der Adressatin mit einer Frauen sind stets für Verse zugänglich, teln lebte , bis ihm die Ortspolizei das Unterſtügung bedacht zu werden . An vor seien sie selbst noch so schlecht, um so mehr, Handwerk legte. nehme Frauen direkt wenden sich Schreibe- wenn sie nicht wissen, daß diese Verse in Man vergesse nicht , daß es für die rinnen , die sich gewöhnlich dann ganz der schwindelhaftesten Absicht verfaßt sind. Kriminalpolizei, die sehr oft weiß, daß ge= unbefugterweise für Offizierswitwen ausEine andere Art von Schwindlern, die wisse Leute von diesen Bettelbriefen leben, geben, und schildern ihr angebliches Elend Bettelbriefe schreiben, pflegt kleine Arbeiten sehr schwer ist , den Bettlern zu Leibe zu in solch romanhafter , packender Weise, daß beizulegen, wie z . B. Pappsachen , Laub- gehen , da sie ja keine Beweise für diesen jeder Uneingeweihte davon erschüttert werden sägearbeiten u. s. w . Hier sind die Aus- Bettel haben und nur in den seltensten muß. Da steht womöglich die Ehre der gaben für den Schwindler schon größere, Fällen in den Besit solcher Briefe gelangen, Tochter auf dem Epicl; die unglückliche es handelt sich gewöhnlich um das Paket die die Bettler an irgend welche Persön Mutter, die das schreibt , ist gezwungen, porto von mindestens 50 Pfennig , aber lichkeiten gerichtet haben. Es ist ja auch die Ehre ihrer Tochter zu verkaufen, wenn er erreicht seine Absicht auch früher und dieses um Unterstützung bitten" nichts ihr nicht Hilfe wird . Wiederholentlich ge- sicherer als die anderen Konkurrenten seiner Strafbares ; denn der Gesezes paragraph, braucht sie den Ausdruck: ich werfe mich !! Branche". Vor einigen Jahren kam ich der vom Betruge sagt , daß er eine Vorvor Ihnen, edle Frau, auf die Kniee und in der Provinz zu einem Banquier , der spiegelung falscher Thatsachen sei, um sich schreie, um Gottes Barmherzigkeit willen, sich gerade in der besten Etimmung be- einen Vermögensvorteil zu verschaffen, fügt helfen Sie mir ! und wenn die edle Frau fand, denn die Zeitungen veröffentlichten ausdrücklich hinzu : einen unberechtigten Vervielleicht erschüttert und unter Thränen in seit zwei Tagen die Mitteilung, daß er mögensvorteil. Als unberechtigten Verihre Kaffe gegriffen und die Unterstützung zum Kommerzienrat ernannt worden sei . mögensvorteil kann man es aber nicht beabgesendet hat, dann gibt es am nächsten Gerade als ich da war, traf ein Paket trachten, wenn man sich von jemand etwas Tage in dem Hause der Bettelbriefschreiberin ein , welches eine kleine Laubsägearbeit, schenken läßt. ein extrafeines Abendbrot oder einen ge- einen Uhrständer, enthielt , ein Machwerk Vor wenigen Monaten erst hatte ich mütlichen Kaffee mit allerlei Delikatessen. der traurigſten Art, wie es ungefähr Kinder Gelegenheit , in Berlin noch eine andere Einzelne dieser Bettelbriefschreiber und anfertigen. Zu diesem Uhrständer aber Art von Bettel kennen zu lernen, nämlich -schreiberinnen wissen aber, daß ein bloßer gehörte ein Brief , in dem der Absender den Erfinderbettel. Es verschickt hier ein Brief nicht immer und in jedem Falle mitteilte, daß er ein alter, seit Jahren er Individuum eine Broschüre , in welcher wirkt. Sie pflegen daher demselben Do- blindeter Mann sei, der nicht betteln wolle von einer ungeheuerlichen Erfindung von kumente beizufügen, durch welche der Zu- und der sich daher mit Laubsägearbeiten den weittragendsten Folgen geschrieben war, stand ihrer Not und Armut recht deutlich beschäftige. Ob dieselben gut oder schlecht die das betreffende Individuum gemacht demonstriert werden soll, und diese Doku- ausfallen, könne er nicht beurteilen, denn haben wollte. Wie alle oder wenigstens mente bestehen gewöhnlich in Pfandscheinen, er sehe ja nicht, und er sei auch gezwungen, die meisten Erfinder hatte der geniale Mann Steuermahnzetteln u . f. w. und bringen sich diesen Brief schreiben zu lassen. Aber kein Geld , um die Erfindung patentieren den Empfänger in die unangenehme Lage, er habe einst bessere Tage erlebt, an seiner zu lassen ; und nun hatte er in der konfus diese Papiere zurückschicken zu müssen. Wiege sei es ihm nicht gesungen worden, geschriebenen Abhandlung , aus der kein Prüft er die Papiere näher , so wird er daß er dereinst jahrelang als blinder, hilf Mensch klug werden konnte , angeblich so finden , daß sie gewöhnlich dem Datum loser, in bitterster Armut hinsicchender Greis viel von seiner Erfindung niedergelegt, als nach recht alt sind , daß die Pfandstücke den Rest seines Lebens verbringen solle . er verraten dürfe, bis seine Erfindung das längst verfallen sein müssen, und wenn er Er habe von dem Edelmut des Adressaten, Patent hatte. Er bat den Adressaten um ein Wissender ist , wird er lächelnd diese von dessen bewährter Mildthätigkeit schon eine Geldunterstützung, damit er sich das Scheine betrachten, den die Bettelbrief lange gehört und habe für ihn, trotz der Modell bauen und später das Geld verschreiberin auf irgend welche harmlose Nacht , die in der Blindheit ihn umgibt, schaffen könne. Die Briefe wurden meiWeise von einem Bekannten sich verschafft beifolgendes kleine Geschent angefertigt, um stens an Ingenieure, Techniker, hochgestellte
heißer Tag .Ein V on .Boutigny
HOUTTONY 18875
Hanns von Spielberg. 529
Das Röschen von Sternberg. 530
Kaufleute, Politiker, kurz an alle Menschen gerichtet, von denen man annehmen kann, fie interessieren sich für Erfindungen und für Menschen , die auf dem Wege sind, dem Vaterland einen ungeheuerlichen Dienst zu leisten. Daß unter hundert Empfängern kaum einer die Broschüre las, wußte auch der Absender, aber jedenfalls hatte er seinen. Zweck erreicht. Ich habe wenigstens von Bekannten, die mir von der Broschüre er zählten , wiederholt erfahren , daß sie auf den Leim gegangen waren und größere oder kleinere Geldbeträge an den Erfinder abgesendet hatten. Nach diesen Erörterungen fühle ich mich durchaus gedrängt, vor dem Leser die Frage zu beantworten, weshalb ich denn cigentlich diese Mitteilungen gemacht habe. Ich
| Gemütes folgend, jedem Petenten eine gewisse Summe zusendet, nur dem Gedanken folgend: " Du weißt doch nicht , ob nicht in Wirklichkeit die bitterste Not vorhanden ist. Hole den Kerl schließlich der Leufel , wenn er dich betrogen hat ! Du hattest den guten Willen, zu helfen ! " Den Bettelbriefschreibern aber , die ja natürlich nie ganz auszurotten sind , die aber gerade in den letzten Jahren ihr Geschäft besonders schwunghaft betreiben, würde durch solche Prüfung der Bittschriften sehr bald das Handwerk gelegt werden.
thue dies, weil ich um alles in der Welt nicht den Leser veranlassen wollte, von jezt ab alle Mildthätigkeit aufzugeben . Es wäre ein außerordentlich betrübendes Gefühl für mich, wenn ich mir denken könnte, einer der Leser würde von jezt ab, nach-
Röschen von Sternberg. Don
dem er vorstehende Enthüllungen gelesen, überhaupt nicht mehr seine Hand öffnen, wenn die Armut bei ihm anklopft. Nein, das Gegenteil war selbstverständlich von mir beabsichtigt. Ich möchte den Leser veranlassen, zu prüfen, sorgfältig zu prüfen, ob die Not, die an ihn herantritt, wirklich vorhanden ist, ob die Situation der Dame oder des Herrn , die seine Unterstützung verlangt, eine verzweifelte ist, ob sie eine solche ist, daß eine Unterstügung Wert hat und Segen bringt. Solche Ueberzeugung aber kann man sich sehr leicht verschaffen, selbst wenn Briefe von außerhalb kommen , indent man an bekannte Persönlichkeiten schreibt , ja sich direkt an die Behörden wendet, oder noch besser, indem man sich Auskunft bei Predigern und Aerzten erholt. Ich will hier gar nicht etwa vorschlagen, daß man sich nach der sogenannten Würdigkeit der Armen erkundigen soll; denn Armut und Not hat Anspruch auf unser Mitleid und unsere Hilfe, ganz gleichgültig, ob der Betreffende vielleicht nicht zu allen Zeiten seines Lebens so gehandelt und gelebt hat, wie er sollte. Aber thöricht und die wirkliche Armut schädigend ist es, wenn wir ohne jede Prüfung Leuten das Geld an den Hals werfen, die dasselbe nur benutzen, um ohne alle Arbeit doch in Freuden zu leben, weil sie mit den heiligsten Gefühlen ihrer Mitmenschen ihren niederträchtigen Spott treiben. Ich möchte den Leser veranlaſſen, unter keinen Umständen mehr ohne weiteres auf solchen Bettelbrief zu reagieren, insbesonbere nicht, wenn er die Kennzeichen an sich trägt, die ich oben anführte, sondern vielmichr stets genaue Nachforschungen zu halten und dann bei wirklicher Armut etwas tiefer in den Beutel zu greifen. Jedenfalls ist es aus hundert Gründen besser, wenn man sich überzeugt, daß von vier Bittschriften, die an uns gelangt sind , nur eine wahr haft Berücksichtigung verdient, und dann dieser die Gesamtsumme zuwendet, die man sonst den vier gegeben hätte , als wenn man, nur einer plöglichen Wallung des
Das
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noch nicht an das Morgen dachte, sondern die Stunden genoß , wie sie kamen , die Feste feierte, wie sie fielen . Mir kam das neulich alles in den Sinn , und das Herz ging mir ordentlich auf, als ich unter alten , vergilbten Papieren zufällig einen Brief fand, der aus jener frohen Zeit stammte und wunderbarerweise den Umwälzungen von zwölf Umzügen und drei Feldzügen entgangen war. Der Brief war von einem einstigen Regimentskameraden, cinem Lieutenant von Beyern, an mich gerichtet und lautet : „ Die Sache kann sehr schief gehen. Ich forge mich um die Sache. Haben Sie nichts von der Sache gehört? Wenn der Alte hinter die Sache kommt, sperrt er uns rettungslos ein, dann adjes Urlaub ! Notabene, was
ich eigentlichschreiben wollte , könnten Sie mir nicht ein paar Thaler pumpen, ich bin arm wie eine Kirchenmaus von Sternberg zurückgekommen . Wann ich sie wiedergebe, Hanns von Spielberg. weiß ich allerdings nicht , vielleicht weiß es aber Nathan Shaak, mein teurer Gech, daß sie doch noch einmal wieder schäftsfreund. Schicken Sie mir gleich und fehren möchten, die seligen, glücklichen, sorgen Sie, daß die Sache dem Obersten ersten Lieutenantsjahre ! Daß ihre goldige nicht zu Ohren kommt seht vor allem Unbefangenheit, ihre Frische, ihr fröhliches das Wurstblättchen im Kasino genau durch, Genießen so schnell verrauschen muß? So ob die Kerle nicht etwas über die Sache | schnell ja so schnell ! Da kommen die schreiben und wenn ja, nehmt es fort, daß großen und die kleinen Miseren und Sor der Alte es nicht in die Finger bekommt . gen, da kommt dienstlicher und anderweitiger Aber schön war die Sache doch ein Merger , da kommt denn auch ein wenig Kapitalspaß. Ihr getreuer Otto , Prinz Ehrgeiz und Strebertum , und jedes legt von Beyern. " ein Kuckucksei in unsere Brust, wir werIch mußte laut auflachen, als ich las : den alt und älter , werden griesgrämige Otto, Prinz von Beyern ! Nun stand er, Premiers und jugendlich sein wollende, der prächtige , gute , leichtsinnige Beyern diensteifrige Kapitäne, werden dann wieder wieder wie mit einem Schlage vor mir, griesgrämige , überalterte Compagniechefs er mitsamt seiner Sache ". Ich glaube, und raffen uns noch einmal zum Jugend- ich kann es heute ruhig ausplaudern, was frische heuchelnden Major auf und dann, für eine Bewandtnis cs eigentlich mit der von den Beteiligten wird dann winft uns wohl günstigsten Falls Sache" hatte eine Ruhestätte als Bezirkskommandeur ! es mir feiner, wenn je diese Zeilen einem Viele sind ja berufen, aber wenige sind von ihnen zu Gesicht kommen sollten, übelauserwählt ! Inzwischen sind die Knochen nehmen, am wenigsten der Prinz von Beyern steif , ist das Haar grau und der Magen selbst, der jezt am sonnigen Miſſouri seinen schlecht geworden, der Humor wurde längst Weizen baut und zu den wenigen gehört, als etwas Ueberflüssiges zu Grabe getragen die jenseits des großen Wassers ein reiches oder hatte sich zur bissigen Fronie um Glück gefunden: Wir haben es ihm alle geformit ; die elegante Taille ist längst auf gegönnt, der treuen, lieben Seele ! gegangen wie ein Pfannkuchen ; mit dem Wir waren alſo im Manöver in der Lanzbeinschwingen geht es bereits langenicht Neumark gewesen, dort, wo, wie man zu mehr, man lehrt schon die eigenen Kinder sagen pflegt, die Welt ein Ende hat, und Speere werfen und die Vorgesezten nebst befanden uns auf dem Rückmarsch. Man deren Frauen chren, und so geht es tag- kannte ja damals den Rücktransport vom aus, tagcinjahraus, jahrein, bis man Manöverterrain nach der Garnison per Bahn nach einer ernsten Rücksprache die Pensions- noch nicht, wir hatten daher volle acht bis tabelle vornimmt und seine Dienstjahre zu- zehn Märsche, che wir daheim waren. Es fammenrechnet. Man weiß schon, weshalb! waren schreckliche Quartiere, die uns blühten, Dann freilich, dann erfährt man erst, elende Bauerndörfer, selten einmal ein fleiwelche großen, welche hohen Freuden, wie ner Gutshof, auf dem dann ein mürrischer, viel Glück und Genuß diese Jahre denn im Sande seiner Felder vertrockneter Junker doch mit sich gebracht haben, und dankbar saß, der uns noch mehr langweilte als denkt man an all die Einzelheiten der Dienst jedes Bauernquartier. Die Leiche mit zeit zurück ; manche kleine und größere Reis " vulgo die übliche Halbgekochte, halbAnerkennung, die man fand, erscheint jest gebratene Manöverhenne stand täglich auf erst im rechten Lichte , mancher hübsche dem Tisch , und an jedem Abend kamen Zug echter, treuer Kameradschaft, der längst wir drei Offiziere von der Eskadron im vergessen war, taucht wieder auf. Aber am besten Quartier zusammen und spielten schönsten ist doch die Erinnerung an die Whist. Der edle Skat war zu jener Zeit feligen, glücklichen ersten Lieutenantsjahre, noch ein unbestrittenes Pierogativ der in denen ein fröhlicher Leichtsinn heute | Altenburger. 23
Hanns von Spielberg.
532 Eines Tages lagen wir , Beyern und | ich, allein zusammen auf einem einsamen Vorwerk, auf dem sich die Füchse gute Nacht sagten. Es war wirklich zum Gotterbarmen : Drei Katen und eine langgestreckte , Iccre Scheuer ringsherum Sand und Kieferkuseln und wieder Kieferkuseln und Sand das war alles . Und wir Unglückswürmer hatten die Aussicht, einen langen Ruhetag in diesem Neste totschlagen zu müssen. Ihr werdet gute Zeit haben, Messieurs , euch um die Gäule zu kümmern, " hatte der Rittmeister gesagt , als unsere Züge von der großen Landstraße abbogen. "/ Die Kerle verbummeln, bringt mir den Pug in Ordnung, er läßt viel zu wünschen übrig. Viel Vergnügen, es soll auf dem Vorwerk sehr hübsch sein. Morgen ganz früh komme ich zur Pferderevision herübergeritten. " Wir hatten wirklich aus verzweifelter Langeweile zwei Appelle abgehalten, der hohe Chef war bis auf einige nicht ordentlich „ verlesene " Mähnen leidlich zufrieden gewesen und dann mit einem spöttischen Blick auf die drei Katen wieder fortgeritten ; nun lagen wir beide im Grase und sahen in die Sonne, und die Gänse schnatterten um uns her, als wären wir ihresgleichen . Wir konnten nicht einmal einschlafen „ vor Langeweile " , wie Beyern behauptete. „Hecken Sie irgend etwas aus, Prinz Otto, und wenn es die größte Dummheit istich mache mit, " rief ich endlich mich halb aufrichtend in heller Verzweiflung . Frgend ein Witbold unter den Kameraden hatte dem guten Beyern, der sich bisweilen ein vornehmes Air gab und dann unglaublich komisch sein konnte, den Spitznamen Prinz angehängt, und er that das Klügste, was er thun fonnte, er anneftierte ihn dauernd, nachdem seine ersten Versuche, den nom de guerre abzuschütteln , unter allgemeinem Gelächter gründlich gescheitert waren. Seine Hoheit geruhten einen Augenblick recht ernstlich nachzudenken : „ Wollen wir die Katen in Brand stecken ?" sagte er dann. „ Die Strohdächer müſſen ſehr hübsch brennen und wir arbeiten zugleich für das allgemeine Wohl : Es ist ja eine Schande mit den Hundehütten . " „ Der Vorschlag wird verworfen. Unsere Schwefelhölzer sind für den Zweck zu schade. Haben Sie nichts Besseres im Sinn ? " // Wie wär's , wenn wir noch einen Appell abhielten ? " Unsinn! Prinz, machen Sie mich nicht rasend strengen Sie Ihre Gedanken gütigst etwas mehr an. „ Das können Sie ja auch. Ich über Lasse es Ihnen gern Sie sind der Aeltere. " „ Bitte, bitte : Ein Commando fatigue komint stets dem Jüngeren zu . " Beyern brummte etwas Uuverständliches vor sich hin und versank wieder in tiefes Nachdenken, während ich nach kleinen Steinen im Grase suchte, um die unverschämten Schnatterer zu vertreiben. Endlich sprang der Prinz auf: Heureka, Heureka ! " rief er frohlockend. Wir sind doch wirklich unglaublich schwerfällig — haben wir denn nicht unsere Krümper und liegt nicht Sternberg , das weltberühmte
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Sternberg, kaum eine Meile von hier ent- | schrötige Gestalt in Hemdärmeln , augenscheinlich der Herr Wirt . Er wälzte sich befernt ?" Ich wagte einen leiſen Einspruch : „ Die häbig die ausgetretenen Steinstufen herab Krümper stehen allerdings hier, aber und kam gerade zur rechten Zeit , um „Aber der Major wünscht nicht , daß Beyern, der immer noch nach oben schielte, sie auf dem Rückmarsch benutzt werden, die Zügel abzunehmen. Ich selbst war wollen Sie sagen. Sie haben recht, Cedlitz, schon vorher heruntergesprungen , stand dann bleiben wir also hier. " Und brummend neben dem Wagen und harrte etwas unließ sich Otto in das Gras zurückfallen. geduldig. "/ Nun, mein Prinz, kommen Sie? " Wir lagen wieder eine ganze Weile fragte ich, worauf Otto ziemlich_unwirsch schweigend auf dem Rücken und trieben erwiderte: "/ Warten Sie doch, Cedlig ! " und Wolkenkunde. // Es soll sehr hübsch sein dem Wirt mit der ihm eigenen Gradezza in Sternberg, " begann denn Beyern mit die Zügel hinwarf. Der Wirt zur Goldenen Traube schien einem refignierten Pfeifen. 7/ Bannewih lag im vorigen Jahre dort und erzählte Wun- zuerst unser Kommen ziemlich gleichgültig derdinge von einer kleinen Weinstube , in aufgenommen zu haben, wenigstens hatten welcher er mit den Honoratioren der Welt unsere Uniformen den welterfahrenen Herrn stadt gekneipt und in der ein bildsauberes sicher nicht in Aufregung versetzt. Als ich Wirtstöchterlein die Honneurs gemacht aber Beyern ansprach , malte sich plöglich eine Ucberraschung in seinem pausbackigen hätte. " Wenn wir nur einen Grund hätten, Gesicht, die mir zwar sofort auffiel, aber die Krümper zu nehmen, " drehte ich mich die ich mir nicht zu erklären vermochte. lebhaft um. Der Gedanke an die hübsche Erst als er jetzt, mich ziemlich ignorierend, Hebe elektrisierte mich , ich war schrecklich sich tief vor dem stolz vorüberschreitenden verlicbter Natur. „ Wissen Sie, Prinz, der Kameraden verneigte, schoß mir plöglich Grund braucht ja gar nicht allzu stichhaltig der Gedanke durch den Kopf, daß meine zu sein nur daß man nachher eine kleine scherzhafte Anrede an Beyern ihn zu der Vermutung gebracht haben könnte, ein Prinz, Entschuldigung hat. " Gründesind wohlfeil wie Brombeeren, " ein wirklicher Prinz, beehre sein Haus. Und deklamierte Beyern und meditierte aufs neuc. gleichzeitig kam mir die tolle Idee, ihn in „ Ich hab's , ich hab's , Sie Glückspilz, " seinem Frrtum zu lassen das mußte ja rief er dann. Ich brauche für meine einen Hauptspaß geben , wenn es gelang, Elvira cine Flasche Fluid , in Sternberg ihn durchzuführen. Ich rief Beyern nach : ist eine Apotheke, und Sie werden mir als „Ich will sehen, wo die Pferde unterkomKantonnementsältester doch die Krümper men , entschuldigen Sie mich gnädigst, nicht abschlagen, wenn ich Sie im Interesse Hoheit ! Ich komme sofort, um nach den Befehlen Eurer Hoheit zu fragen. " meines Chargenpferdes darum bitte. " Ich fiel ihm um den Hals, und dann Otto drehte sich etwas verwundert um, überschlugen wir uns beide im Grafe, daß aber er war die scherzhafte Anrede derart die Gänse nur so auseinanderstiebten . Eine gewöhnt, daß sie ihm kaum sonderlich aufhalbe Stunde später saßen wir auf dem ficl . Sorgen Sie nur, daß wir bald etwas 1 Krümperwagen, und die beiden alten Gäule zu essen und zu trinken bekommen ," antzogen uns langsam durch den tiefen, tiefen wortete er mit wahrhaft klassischer SeelenSand des Waldweges es war eine müh- ruhe und verschwand im dunklen Korridor. Der Wirt starrte ihm mit offenem selige, langweilige Fahrt. Aber dafür winkten dann auch die Munde nach. Dann fuhr er plöglich er-// Türme Sternbergs es waren ihrer schreckt empor : „Mein Gott, mein Gott, ' wahrhaftig zwei — bald verheißungsvoll, wandte er sich an mich, wir sind gar nicht und endlich , endlich rollte unser stolzes auf so hohen Besuch vorbereitet . Der Keller Gefährt über das wunderbare Straßen ist wohl leidlich imstande , aber mit dem pflaster der Stadt . Hier und dort wurde Effen wird es hapern. Was würden die cin Fenster aufgerissen , ein neugieriges Herrschaften denn befehlen : Alles , was in Gesicht lugte uns vier Wundertiere an, unseren Kräften steht, soll gewiß geschehen Seine Hoheit sind aber sicher sehr und die ersten beiden Jungen, die wir nach der Weinstube fragen wollten, rissen aus verwöhnt. “ wie Schuhleder. Schließlich fanden wir Ich dachte an unsere drei Katen und aber doch einen weisen Sternberger, der die Leiche mit Reis " , die seit fünf Tagen uns Bescheid sagte ; Beyern gab den Pferden unsere stehende Mittagsmahlzeit gebildet noch einen Klapps mit der Peitsche, so daß hatte, aber ich blieb ganz ernst. Während sie sich zum Trabe aufschwangen ; wir bogen der Wirt dem herbeigeeilten Haustnecht um zwei , drei Straßenecken und hielten Weisung wegen der Pferde gab und ihm endlich vor der Thür der „ Goldenen dabei, wie ich deutlich bemerkte, zugleich die Traube ". Das von dem Zahn der Zeit Wundermär von dem hohen Besuch ins etwas zernagte Wahrzeichen des Hauses Ohr flüsterte , legte ich mir meine Rolle prangte cinladend über der Pforte ; was je zurecht. Wir sind gar nicht verwöhnt , mein doch wichtiger war : hinter den schneeweißen Gardinen im Oberstock meinte ich einen Lieber, " sagte ich herablassend. „ Wir werden Augenblick ein hübsches Mädchengesicht zu mit allem vorlieb nehmen , wenn es nur sehen. Es war aber wohl Täuschung ge- gut ist. Vor allem schicken Sie uns eine wesen, denn gleich darauf lag wieder Flasche Rotspohn , den besten , den Sie im Keller haben , und dann sorgen Sie Musselinfalte neben Musselinfalte. In der Thür erschien eine dicke, vier- dafür , daß wir in etwa einer Stunde
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dinieren . Was würden wir denn bekommen | knickte förmlich vor Devotion zusammen hinzu. Wollen uns das merken ; notieren. können ?" der Prinz war ja allzu gnädig : „ Meine Sie es sich, mon adjutant, notieren Sie „ Eine gute Suppe, ein Gericht Krebse, gute Frau ist vor zwei Jahren gestorben es sich! Wie heißen Sie denn, mein liebes grüne Bohnen mit Beilage und ein geich habe aber eine Tochter, die mir die Kind? Ich nenne jemand , den ich gern habe, gern bei seinem Vornamen. " bratenes Huhn - würde das wohl genügen ? Wirtschaft führt, " berichtete er. Ihre Wangen tauchten sich in immer „ Ein Töchterchen? So , so, ein TöchterSie müssen uns entschuldigen, Herr Lieutechen," machte Otto und trank mit wahrhaft dunkleres Rot. „Rose, " brachte sie endnant, wenn wir geahnt hätten ..." Schon gut, schon gut. Nehmen Sie fürstlichem Durst. // Würde mich freuen, lich mit Mühe hervor. nachherRose ... ein reizender Name. Eine anstatt des Huhnes eine Ente Hoheit Ihr Kind einmal zu sehen liebt Hühnerbraten nämlich nicht - und gelegentlich -Sie können uns übrigens meiner Tanten, die Fürstin Taillaud-Pata= noch eine Bouteille bringen oder , warten gossi, hieß auch Rosa und war auch sehr der Prinz wird zufrieden sein. In diesem Augenblick wurde das Fenster Sie, bringen Sie lieber gleich zwei. Wegen hübsch. Nochmals , Fräulein Rosa, besten des Weinzimmers aufgerissen und Beyern des Diners haben Sie doch die nötigen Dank. Und nun zu Tisch, mon adjutant, Berief heraus : „ Wo bleiben Sie denn, Cedlig ? Anordnungen gegeben , mein lieber Lieute wandte er sich herablassend an mich. nant ?" wandte er sich dann an mich. ſtellen Sie uns nur auch etwas Gutes zu Das dauert ja ewig. Ich verdurſte. " Ich verbeugte mich devot nach dem " Zu Befehl, Eure Hoheit!" Ich mußte trinken." Das „ Diner“ verfloß in der animierFenster zu : „Ich komme schon , Hoheit. mich gewaltig zusammennehmen, um ernst Beyern war urfomisch. testen Stimmung. Die Speisen waren Sie sehen, der Prinz ist etwas ungeduldig, " zu bleiben raunte ich dann dem Wirt zu. zu . ,, Eilen Sie, Nachdem Herr Lehmann aber das Zim- einfach, aber gut zubereitet, der Rheinwein fliegen Sie, daß er wenigstens etwas Gutes mer verlassen hatte , pruschten wir beide zu den Krebsen war ebenso trefflich wie zu trinken erhält ! " los und dann sehten wir uns hinter unseren der Rotwein, und schließlich flüsterte mir Als ich endlich neben Beyern saß Rotspohn und wären mit einem Eifer thätig, Herr Leberecht Lehmann zu meinem großen, natürlich bescheiden auf einem Stuhl, wie der einer besseren Sache würdig gewesen freudigen Erstaunen sogar ins Ohr , daß es meiner Adjutantenrolle zukam, während wäre. Wir waren , als unser Wirt nach er sich erlaubt habe , eine Flasche Sekt er das Sofa occupiert hatte und ihm einem reichlichen Stündchen meldete, daß bereit zu stellen. "/ Er ist mir von der erzählte, daß der Wirt ihn für einen wirk- angerichtet sei — er habe sich erlaubt, den letzten Taufe beim Bürgermeister übrig in geblieben echter Cliquot nur Fis lichen, leibhaftigen Prinzen hielte und daß Tisch im Garten decken zu lassen wir die Komödie weiter ausspinnen müßten, äußerst gehobener Stimmung. Seine Hoheit habe ich nicht. " Seine Hoheit ziehen den Sekt stets wollte er sich ausschütten vor Lachen. Das geruhten sogar höchstseinen Arm in den war Wasser auf seine Mühle, er hatte sich meinen zu schieben, was Leberecht Lehmann in der Kellertemperatur vor - bringen Sie ihn nur her ! " flüsterte ich zurück, und im Handumdrehen völlig in die Situation mit einiger Verwunderung erfüllte. hineingelebt , lehnte sich vornehm in die Die größere Ueberraschung stand uns bald knallte der Pfropfen, und der Wein von der Champagne perlte schäumend im Sofaecke zurück und machte ein Gesicht, noch bevor. als ob er den Herzogshut auf dem Kopfe Der Garten war eine jener primitiven Glaje. trüge. Indeffen hatten wir beide doch alle Anlagen, wie man sie bei den kleinen WirtsBeyern hatte sich bald brav mit Mühe, nicht laut aufzulachen, als der Wirt häusern märkischer Landstädte häufig findet, dem bei der Bedienung helfenden Wirtzendlich mit einem Tablett eintrat. Der halb Ziergarten, halb Gemüsegarten, am töchterchen angefreundet. Aus Fräulein alte, dicke Herr , dem die Schweißtropfen Rande ringsum dichte Sträucher, in denen Roja war ihm inzwischen längst das „ Rösvor Erregung auf der roten Stirn ſtanden, hier und dort laubenartige Vertiefungen lein von Sternberg " geworden, und es fehlte war nämlich in aller Eile in cinen Frack eingeschnitten waren. In einer dieser Lauben nicht viel , so wäre er ernstlich aus der von wahrhaft antediluvianischen Formen war für uns gedeckt , vor dem Eingang Rolle gefallen und hätte eine fulminante geschlüpft, einen Frack, der ihm einst vor aber stand ein wirklich allerlichstes Mäd- Liebeserklärung vom Stapel gelassen. Zum zwanzig Jahren gepaßt haben mochte, der chen mit langen, dicken blonden Flechten, Glück war die Kleine ein verſtändiges Mädjezt aber an allen Ecken zu eng und zu rosigen Wangen und ein Paar Augen, chen, die dem hohen Herrn auch nicht um furz war und seinem Besitzer entschieden die , wie man beim Kommiß" zu sagen eines Zolles Breite entgegenkam und sich Höllenpein verursachte. pflegt, auf der Knopfgabel gepust schienen. schließlich , als Beyern sie um die Taille Beyern gewann aber sofort seine Fassung Bannewitz hatte nicht zu viel gesagt: das fassen wollte , ganz energisch los machte. wieder. Er kostete den übrigens wirklich Wirtstöchterlein zur Goldenen Traube war Mir schien es fast, als ob der geschäftige recht füffigen Wein mit vornehmer Gecin blitsauberes Ding. Herr Papa, der immer noch in dem schrecklaffenheit, blickte dann wunderbar gnädig Aber nun kam das Komische an der lich engen Frack paradierte, mit der Spröauf den Wirt, der bescheiden an der Thür Sache : die Kleine hatte zur höheren Ehre digkeit seines Töchterleins gar nicht ſonder1 stehen geblieben war, und fragte gedehnt : des Tages , sicher auf hohen obrigkeitlich einverstanden sei , mir war's , als ob "} Wie heißen Sie denn eigentlich , mein lichen Befehl des gestrengen Papas , ein er etwas murmelte, was fast wie „ Dumme Licber ?" schneeweißes Gewand angethan , an dem Pute" klang , er eilte ihr ins Haus nach Eurer Hoheit zu dienen : JohannAugust socben augenscheinlich der Plättbolzen das und kam erst nach einer ganzen Weile mit Leberecht Lehmann , " stammelte jener be- leste Wort gesprochen hatte ; in der Hand stark errötetem Gesicht wieder. Der Prinz fangen. hielt sie ein riesengroßes Bouquet von war indessen schon zu „ selig “ , um über " Ihr Wein ist gut, mein lieber Herr Georginen und Astern, und als wir uns den kurzen Abschied seines Röschens tiefen Leberecht, hätte gar nicht gedacht, daß man ihr nahten , trat sie einen Schritt näher | Herzenskummer zu empfinden , er dehnte hier so gutes Gewächs tränke. Wohl ein und stammelte einige Worte vom hohen sich behaglich in seinem Sessel , schwang wohlhabendes Städtchen, dies ... dies ..." Besuch willkommen heißen, von tiefer Chr sein Sektglas und fang: „ Nichts macht so heiter macht so froh, ersah michmitköstlich gespielter Ignoranzan . furcht und treuer Ergebenheit, und dabei „ Sternberg," fiel ich schnell ein. färbten sich ihre Wangen bald rot und Wie der Chi- Cla ... Cli - Cla ... Eliquot ! " " Ganz richtig : Sternberg ! Viele gut bald weiß, bis Beyern ihr endlich mitleidig Beiläufig bemerkt, ein Liedchen, das man fituierte Bürger - he ?" den Riesenstrauß aus der Hand nahm . Aber neuerdings wieder aus alten Pandekten uns war es „ Es geht , Eure Hoheit. Es ist ja jest gefiel sich der Schelm erst recht in ausgegraben haben muß freilich nur ein bescheidenes Städtchen, aber seiner Rolle und ich hatte das Zuschen. damals fast allzu geläufig, um dann lange es nährt seinen Mann. “ "/ Danke, danke, mein Kind!" schnarrte Zeit ganz vergessen zu werden. Es schien mir hohe Zeit, die Sizung Beyern that wieder einen tiefen Schluck. er und faßte ihr gnädig unter das Kinn. „ Sie haben Familie, mein Lieber ? " sagte Daß euer Sternberg so hübsche Blumen aufzuheben. Mit einiger Mühe brachte ich er dann zu mir herüberblinzelnd . haben könnte, hätte ich nicht geahnt, " sezte Otto auf die Beine und perſúadierte ihn, Johann August Leberecht Lehmann er mit kaum verstandener Zweideutigkeit sich etwas zurückzuziehen. Herr Leberecht
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540 Lehmann fand sich mit anerkennenswerter | es hohen Herrschaften recht zu machen | leise, daß ich nichts verstehen konnte. Dann Schicklichkeit in die für einen Kleinstädter ich aber weiß es! Ich muß Sie also be sagte er etwas lauter : Aber Röschen, was immerhin nicht ganz leichte Lage , einen stimmt bitten, das gewiß sehr gut gemeinte foll denn daraus werden?" Prinzen von Geblüt angcheitert zu schen; Vorhaben des Herrn Bürgermeisters zu verDu und ich müssen eben warten," Sie werden sich dadurch nicht entgegnete sie. Es klang ziemlich kleinlaut. er wies mir eine nach dem Garten zu ge- eiteln Legene Stube an, und bald schnarchte der nur mich, sondern vor allen auch den Prinzen. warten und ewig warten, // Warten brave Otto in allen Grundtönen des Baſſes, zum größten Dank verpflichten . " Röschen, das ist sehr schwer, wenn man als ob das Holzsägen seine tägliche BeEs mußte mir wohl gelungen sein, mit sich so sehr lich hat. ” dem Brustion der Ueberzeugung die schäftigung ſei. Aber der Vater sagt nicht ja ! Du Auch ich fühlte das Bedürfnis , mich schöne Phraſe war damals allerdings noch weißt ja , daß er gegen dich nichts hat, ein wenig zurückzuziehen, es gelang mir nicht erfunden zu sprechen. Herr Leh aber er mag -" fie stockte. aber nicht ohne einen kleinen Diskurs mit mann kraute sich zwar bedenklich hinter "/ Nunnur heraus mit der Sprache. unserem Wirt. Derselbe zog mich vielmehr, den Ohren, aber er versprach doch meinem Du wirst doch vor mir keine Geheimnisse haben?" gerade als ich die Thür schließen wollte, Wunsche nachzukommen. Als ich in unser Zimmer kam, schnarchte am Schlafittchen auf den Korridor zurück Er mag die Schulmeister nicht ; Hungerund setzte mich durch seine allerdings nicht Otto immer noch. Ich selbst warf mich leider und Rutenhelden nennt er sie." Das ist nicht gerade sehr schmeichelganz ungerechtfertigte Neugierde in die auf einen Lehnstuhl am offenen Fenster allergrößte Verlegenheit. Er fragte mich und versuchte auch einzuschlafen. Gerade haft, Rose. Aber weißt du, es gibt doch nämlich, welchen hohen Gast er eigentlich als mir Morpheus eben seinen ersten Götter- keine Regel ohne Ausnahme, und ich hoffe, zu beherbergen die Ehre habe. Ich war fuß senden wollte, hörte ich unter meinem er wird in mir wenigstens eine Ausnahme immerhin noch nüchtern genug, um cinzu- Fenster flüstern ; unwillkürlich blickte ich, sehen lernen. " Vater ist so sonderbar. Du glaubst sehen , daß ich uns beide in arge Gefahr von den buntgeblümten Vorhängen verbrachte, wenn ich dem guten Manne einen deckt , hinaus und sah im Gebüsch einen gar nicht fam die Sache hellen Frauenrock schimmern; wie ich näher falschen Namen aufband „In diesem Augenblick rief die Stimme dann heraus , so gab es sicher erst recht zusah, erkannte ich die kleine Rosa, die von des alten Lehmann : „ Rose wo steckst einen großen Skandal. Ich sagte daher den Fliedersträuchern halb verborgen am du denn , Rose ? Der Kaffee soll zurecht kurz entschlossen — wohlweislich diesmal Gartenzaun wenige Schritte von dem Fen gemacht werden! " ohne die Hoheit hinzuzufügen : „Otto von ster entfernt stand und sich augenscheinlich Ich hörte nur noch zwei laute Küsse Beyern , mein Lieber! " und überließ die mit einem jungen, hübschen Burschen ein und ein leises Adieu, dann raschelten die nähere Orthographie dieses Namens dem kleines Rendezvous gab. Die Schelmin, Zweige: das Rendezvous mußte wohl ein Herrn Lehmann ſelbſt. den Prinzen ließ sie schnöde abfallen und vorzeitiges Ende erreicht haben. Der ge„Otto von Bayern ! Also ein Süd- wahrhaftig jest erhielt der Glückliche einen , strenge Herr Papa war aber so laut gedeutscher ! " meinte er ganz in Hochachtung nein zwei Küsse ! Gut, daß Seine Hoheit wesen, daß auch Beyern erwacht war , er versunken. „ Das wird den Herrn Bürger- das nicht sahen. rieb sich die Augen, sprang dann auf und meister sehr interessieren . Man könnte dann Ich glaube, es war kein großes Ver- lief zum Waschtisch ; er mochte in weiser die Landesfarben anbringen. " brechen, daß ich ein wenig die Gunst der Selbsterkenntnis fühlen , daß eine kleine Mir fuhr es wie Blik und Donner Verhältnisse ausnutzte und lauschte. Die Ernüchterungskur durch kaltes Wasser ihm durch die Glieder. Die Landesfarben an- Gelegenheit war zu verführerisch. sehr dienlich sein würde. Und in der That, bringen ? Wie meinen Sie das denn ?" „ Aber, Röschen, “ hörte ich sagen, // wo das bewährte Mittel versagte auch diesmal fragte ich schnell . bleibst du denn heute? hast mich wohl gar nicht. Als Otto den Kopf aus der WaschHerr Leberecht Lehmann zwinkerte mit nicht mehr lieb, daß du mich so lange warten schüssel zurückzog, blickten die Augen klar den fleinen, listigen Aeugelchen. Ich sollte läßt?" und hell, und der deutlichste Beweis des „Ich konnte nicht abkommen , Karl, " Erfolges_seiner Kur war, daß er mir geeigentlich nichts verraten, Herr Lieutenant, Hast du denn stand : Cedlig, ich schäme mich furchtbar. aber Ihnen kann ich es doch wohl anver gab die Kleine zurück. trauen : der Bürgermeister, ein sehr loyaler nicht gehört, daß wir hohen Besuch haben : Ich glaube, Seine Hoheit hatten sich etwas Herr, hat von der Ankunft des Prinzen zwei Husarenoffiziere, und der eine von beiden übernommen. " // Seine Hoheit waren aber selbst in gehört, und da er zugleich Vorstand des ist sogar ein Prinz . " Es klang doch ein diesem Zustand bezaubernd ! " lachte ich. hiesigen Gesangvereins ist, so beabsichtigt klein wenig Stolz aus den Worten . er, Seiner Hoheit heute in der Dämmer// Ein Prinz ! " sagte der beneidenswerte "/ Die kleine Rose freilich scheint anderer "I junge Mann. " Sieh, ſieh : da mußte ich Ansicht zu sein. " Und nun erzählte ich stunde cine Serenade zu bringen. Um Gottes willen das fehlte noch! freilich zurückstehen. Solch Prinz ist na ihm, was ich soeben erlauscht hatte. Ich mußte schleunigst abwiegeln, zog da türlich etwas ganz Absonderliches. “ Otto war , wie man zu sagen pflegt, her mein Gesicht in die ernstesten Falten Rose lachte. „Weißt du, Karl, ich habe eine Seele von Mensch. Er konnte keinen und drängte den dicken Herrn in eine Ecke mir einen Prinzen eigentlich ganz anders Unglücklichensehen, ich war mehrmals Zeuge, daß er einem Bettler, der es wahrscheinlich des Korridors , so daß er mir nicht ent- gedacht. " schlüpfen konnte : „ Das geht nicht , Herr „ Wohl mit einer Krone auf dem Kopfe gar nicht verdiente, seine ganze Börse schenkte Lehmann ! " sagte ich dann überlegen. " Sie und cinem Scepter in der Hand? Nicht und dann in seiner Art einen halben Monat „krumm lag " . Es lag ein Funken versehen sich und mich in die größten Un- wahr ? " annehmlichkeiten , wenn Sie die sehr ach„ Nein, nein du mußt mich doch göttlichen Leichtsinns in ihm. Wo er gar tungswerte Aufmerksamkeit Ihres Herrn auch nicht für zu thöricht halten. Ich selbst eine Schuld auf sich lasten fühlte, Bürgermeisters nicht zu verhindern wissen. habe ihn mir nur etwas würdevoll und und wenn fie auch noch so harmlos war, , aber der Prinz , der kannte er keine Grenze in dem Bestreben, Bedenken Sie doch der Prinz will nicht gemessen vorgestellt // sie lachte herzlich. erkannt sein , nchmen Sie an, er sei in bei uns ist fie gut zu machen daß er auch in diesem fognito hier ; ich kann Sie versichern , er „ Nun , was ist's denn mit eurem gewiß an sich lobesamen Wollen manchmal nicht ganz den richtigen Weg einschlug und würde im höchsten Grade ungehalten sein, Prinzen?" „Der ist zu komisch. Schließlich hatte eine Extravaganz mit der anderen zudeckte, wenn er wüßte, daß man ihn zum Gegenstand irgend welcher Ovation machen wollte. er des Guten etwas zu viel gethan, und lag nun einmal in seinem Wesen. So auch diesmal. Kaum hatte ich ge= Ich kenne Hoheit genau : Hoheit würden der andere hat ihn zu Bett bringen müssen. endet, so sprang er auf: „ Der kleinen Rose in diesem Fall sofort abreisen." Und nun Er hat mir gar nicht gefallen !" Armer Otto ! Armer Prinz von Bayern ! von Sternberg muß geholfen werden, ich atmete ich tief auf und fügte sehr schmerzEs entstand draußen eine kleine Pause, bin es ihr schuldig. Das wäre noch schöner, lich hinzu: „ Sie ahnen ja gar nicht, mein lieber Herr Lehmann , wie schwer es ist, oder die beiden flüsterten wenigstens so wenn wir dem niedlichen Mädel nicht zu
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ihrem Schulmeister verhelfen wollten auf! " meinte der Wirt melden zu müssen. | durch ein flüchtiges Kopfnicken mitteilend, Cedlig, vorwärts ! Raten Sie, helfen Sie, Wahrscheinlich schien ihm dabei die Be- daß meine Aufgabe gelöst sei . "/ Das meinte ich in der That , lieber wir dürfen die seltene Gelegenheit, ein gutes zeichnung Pferd zu geringschäßend für die von Cedlig , " fuhr Otto fort . Solch Werk zu thun, nicht ungenutzt vorübergehen hochfürstlichen Krümpergäule. Ich verstand Beyern aber und eilte in hübsche Mädchen gehen fort wie frische laffen. " Ich hielt einen kleinen Dämpfer denn das Haus , uni Röschens Vertrauen zu Semmeln. Ich denke, Herr Lehmann wird doch für angebracht. // Uebereilen Sie sich gewinnen, was nebenbei bemerkt nicht ganz nicht nein sagen, wenn der Rechte kommt. " „Die Rose ist noch jung, Eure Hoheit nicht, edler Prinz ! Wer weiß, welche guten leicht war, denn die Kleine war scheu wie Ich war also während der wollen entschuldigen, ich hoffe, sie verläßt Gründe Meister Lehmann haben mag, dem ein Reh. Herrn Knabenerzieher seine Tochter vorzu- nächsten halben Stunde nicht im Garten mich so bald noch nicht. " anwesend und nicht Zeuge der wichtigen „Ah, jung gefreit hat niemand gercut. enthalten. " dort geführten Unterhandlungen, die aber Meine Eltern heirateten auch mit siebzehn Ach was ! " riefOtto erregt. ,, Gründe Gründe ! Solch Spießbürger, wie August nach Beyerns Erzählungen urdrollig ge- Jahren. Es ist hier gewiß kein Mangel an frischen, jungen Männern, und ich bin Leberecht oder wie der ehrsame Trauben wesen sein müssen. wirt sonst heißt, kann auch nur sehr spießDer Prinz wickelte also zunächst Herrn überzeugt , unser liebenswürdiges Wirtsbürgerliche Gründe haben wahrscheinlich Lehmann in Liebenswürdigkeit ein. Er töchterlein hat schon gewählt . " Otto ging hat er das schmucke Röslein irgend einem erkundigte sich nach den örtlichen Verhält- schnell auf sein Ziel los . Gevatter Bierbrauer zugedacht , der einen nissen , nach der Nachbarschaft, nach dem ,,Nein , nein," wehrte Lehmann ganz "! Und wenn die Rose dicken Bauch und einen noch dickeren Geld Geschäftsgang - was weiß ich noch - crschrocken ab. beutel hat. Ich habe übrigens schon cinen ich glaube fast , der Schelm ließ sogar heiraten will, nur nicht solch jungen Springfamosen Plan, in solchen Dingen bin ich etwas von einem Hoflieferantentitel durch- in-die-Welt, sondern einen ältern , verüberhaupt ein brillanter Stratege - aber blicken. Dann bot er seinem liebens- ständigen Mann. " Sie dürfen mir Ihre Unterſtüßung dabei würdigen Wirt" einen Stuhl an, „ ein ſo „ Aber, Herr Lehmann. " Beyern that nicht versagen." braver Mann dürfe nicht vor ihm stehen " entrüstet. // Das sind ja unverantwortliche „ Lieber Beyern, ich glaube, wir haben und Leberecht Lehmann wäre bei dieser Ansichten, Ansichten , die durchaus meine hier schon Hokuspokus genug getrieben " Gelegenheit fast zu Falle gekommen , da Billigung nicht verdienen. Gleich und wollte ich abmahnen , aber er lich mich er nur die äußerste Kante des Stuhles als gleich gehört zusammen — auch dem Alter Er hatte ganz ernst gesprochen, nicht ausreden. Mit unwiderstehlicher Elo- Basis für seinen umfangreichen Körper zu nach." quenz bewies er mir , daß ich der misc- benußen wagte. Aber das verschlug nichts, Leberecht war unter seinem strengen Blick rabelste Mensch auf Gottes Erdboden, daß der wackere Wirt zur Goldenen Traube biß förmlich zusammengeknickt und atmete ich der jammervollste Kamerad der Armee selbst auf die grobkörnigſten Schmeicheleien ordentlich auf, als Seine Hoheit gnädiger sei, wenn ich auf seinen großen Plan nicht naiv an , sein feistes Gesicht erglänzte in fortfuhren : „ Möchte übrigens die kleine Rose cingehen wollte und, da in mir selbst denn immer ſatterem Rot, und in den listigen wohl einmal selbst fragen, wie sie darüber doch auch ein gut Stück Tollheit steckte, Augen zwinkerte und blinkerte ce vor Ver- denkt. Ach, lieber Cedlig, bitte rufen Sie so gab ich schließlich nach und versprach, gnügen. Als ich zurückkam, merkte ich so- mir das Fräulein doch her." Herr Lehmann versuchte zwar einen mich seinen Weisungen fügen zu wollen. fort, er war Wachs in Beyerns Händen. „Ich will Ihnen übrigens aus gutem Ich hatte meinerseits meine - Mission bescheidenen Protest, aber so leise, daß ich Herzen den angenehmeren Teil der Affaire nach einigen Fährnissen auch glücklich zu ihn nicht zu hören brauchte. In einer überlassen ," meinte Otto endlich. Ihre Ende geführt und zwar hauptsächlich da- Minute war ich mit dem tief erglühten Aufgabe wird es sein , das Röslein dahin durch, daß ich schön Röschen offen erzählte, Röschen zur Stelle . „ Nun, nun, mein Kind ! " begann der zu inſtruieren, daß sie gerade heraus sagt, daß und wie der Prinz und ich Mitwie es um ihr Herz bestellt ist, wenn der wisser ihres Geheimnisses geworden seien. Prinz wohlwollend . „Brauchen sich nicht Herr Vater oder ich sie danach fragt. Auch Sic that ein wenig verschämt , was ihr zu genieren. Ihr Herr Vater hier — Ihr wird es gut sein , wenn sie es so einzu | vortrefflich stand ; als ich ihr dann aber trefflicher Herr Vater , " wiederholte er, richten weiß, daß ihr Herzallerliebster sich | sagte , daß Seine Hoheit beim Papa ein wollte nur gern wissen, wie es mit Ihrem nachher in der Nähe aufhält das Wie ? gutes Wort einlegen wolle , war sie sofort Herzen stände. Er hat mir gesagt , daß laffen Sie ihre Sorge sein ; diese jungen hoch erfreut sic mochte die Schwächen Sie noch gar keine Neigung verspüren, aber ich glaube Mädels sind in dieser Hinsicht erfinderisch des alten Herrn auch kennen und versprach sein Haus zu verlassen im höchsten Grade. Und nun zum Kaffee. sich daher von Beyerns Intervention viel ihm nicht recht. Wie wär's denn, würden Sie nein sagen, wenn der Rechte käme?" Meister Leberecht wartet gewiß bereits , und leicht mehr als ich. Lehmann saß wie auf Kohlen. Er man muß das Eisen schmieden, solange cs Otto war übrigens köstlich. „ Ah, mon warm iſt. adjutant , nehmen Sie Play. Aber bitte, hatte sein großkarriertes Taschentuch herIm Garten harrte unserer eine neue Herr Lehmann , bleiben Sie doch sitzen, vorgezogen und wischte sich damit ganz Ueberraschung : Aus den Zweigen ober- Herr von Tedlig schätzt es sich zur Ehre, respektswidrig die schweißbedeckte Stirn . halb der Laube flatterte eine blauweiße mit einem so vortrefflichen Mann, einem Roses Wangen färbten sich zwar auch noch Fahne weiß der Kuckuck , woher der so loyalen Staatsbürger an einem Tische eine Schattierung dunkler , aber fic antſtrebsame Wirt die Flagge so schnell her zu sigen ! Wir sprechen eben von Ihrer wortete doch mutig : „ Wenn's wirklich der bekommen hatte , wahrscheinlich hatte ein Familie nicht wahr ? Man muß Ihnen Rechte wäre , Eure Hoheit, warum sollte blauer Bettbezug herhalten müssen . Otto gratulieren : Ihre Fräulein Tochter ist aller- ich dann nein sagen ?" Recht so , recht so !" lachte Beyern. stieß mich verwundert an: Was soll denn liebst. " das heißen?" Ich hatte gerade noch Zeit Seine Hoheit sind zu gnädig. Aber „ Hab' ich es Ihnen nicht gesagt , Papa ihm zuzuflüstern: "/ Die bayrischen Farben ! es ist wahr, die Rose ist ein gutes, liebes Lehmann ! Und nun noch eins , Fräulein Eine zarte Aufmerksamkeit für Eure Herr Kind." Rose, aber ganz offenherzig : Wer ist denn lichkeit ! " denn schon kam Herr Leberecht „Gewiß ganz das Ebenbild Ihrer der Rechte ?" mit dem dampfenden Mokka an und Beyern seligen Frau : Sie haben einen guten GeDas hübsche Kind sah erst den Vater, hob schleunigst die Zeichen unpassender Ver- schmack gehabt, Herr Lehmann. Ja, ja dann mich mit einem angstvollem Blick traulichkeit mit mir auf, er war wieder aber wie lange wird es dauern, dann wird an und schlug dann die Augen zu Boden ganz Prinz. Ihnen Ihr Töchterchen auch entführt. " cs wurde ihr trotz aller guten Vorfäße Ah, mon adjutant, Sie würden mich Der arme, alte Mann schrak zuſammen . nicht leicht zu sprechen. Endlich holte sie verbinden , wenn Sie nach den Pferden ,, Entführt ?" fragte er ganz ängstlich. noch einmal tief Atem und stich dann sehen wollten. " Seine Hoheit meinten, es wird bald heftig hervor: Wenn's der Herr Vater „ Die Rosse Eurer Hoheit sind wohl- | ein Freier kommen, " ergänzte ich, Beyern | erlaubt : der Kärl Hellfrich wär mir der
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Liebste !" Damit wollte sie kurz kehrt Ich gab Rose einen kleinen Wink, | zwei Jahre später brachte ich ihn selbst machen und flüchten , aber Otto hielt sie ihren Herzallerliebsten herbeizurufen die nach Bremen, er hatte den Abschied nehmen faſt mit Gewalt fest. Lehmann war auf- Entscheidung mußte já fallen. Sie flog müssen und zog aus, ein neues Glück in der neuen Welt zu finden. Ich sagte es gesprungen: „ Der Hellfrich der Schul- | davon. meiſter das fehlte mir noch ! " rief er, Herr Leberecht war in der That schon bereits : Ihm wurde zu teil , was der alle Achtung vor seinem hohen Gast ver- schwankend. Und als nun Beyern noch Mehrzahl aller Kameraden in ähnlicher gessend , so daß ich schnell zu ihm heran- einmal in ihn drang , ihm in glühenden Lage versagt bleibt. Durch eigene Kraft, trat und ihm sehr ernst zuflüsterte : „Aber, Farben von dem Herzenskummer seiner allerdings erst nach manchen Fährnissen, Herr Lehmann, bedenken Sie doch : Seine Tochter erzählte und von dem Glück, das arbeitete er sich empor und gewann endHoheit ist zugegen. " ſie finden würde , als er beredt von der lich das Herz einer jungen, reichen Erbin, Beyern war in diesem kritischen Mo- Dankbarkeit des Paares sprach und schließ deren Güter er längere Zeit verwaltet ment wahrhaft groß . Während er rechts lich wiederum sein persönliches Fürwort hatte. Jest sigt er wirklich wie ein kleiner die weinende Rose zu beruhigen suchte, in die Wagschale warf — als dann end- Prinz auf seinen fürstlichen Besitzungen fascinierte er nach links hin den armen lich Hellfrich und Rose selbst vor ihn hin- am Missouri , aber er hat seine deutsche Wirt und Vater völlig : Er sah ihn erst traten und der junge Mann in einfacher, Heimat nicht vergessen : Im Jahre 1870 eine Weile fast verachtungsvoll an , bis wirklich herzgewinnender Weise um seine war er einer der ersten, die herüberkamen Meister Leberecht die Augen gramerfüllt | Einwilligung bat , fuhr er sich ein paar- das Vaterland zu schüßen , an meiner senkte, und sagte dann langsam und mit mal mit dem fettigen, engen Aermel seines Seite holte er sich bei Vionville das Kreuz gemessener Würde : Ich hätte allerdings Frackes über die Augen und murmelte ein von Eisen . Auch das Röschen von Sternberg hab in Herrn Leberecht einen weniger hart- freilich kaum recht verſtändliches Ja ! Damit war aber das Eis gebrochen. ich noch einmal wiedergesehen. Sie war herzigen Vater vermutet. Oder sollte ich vielleicht annehmen müssen, daß Fräulein 〃 Und nun eine Flasche Sekt her , Sie allerdings schon eine recht volle, aufgeblühte Rose ihr Herz einem Unwürdigen geschenkt bester aller Väter , damit wir auf das Rose geworden, als ich fast ein Jahrzehnt hat? Haben Sie eine begründete Ab- Wohl des Brautpaares trinken können ! " nach ihrer Verlobung wieder durch Sternrief Beyern laut . Mir aber flüsterte er berg kam, aber noch immer ein „ bligneigung gegen den jungen Mann ?" " Ich mag die Schulmeister nicht, " zu : „ Tedlik, die Pferde ! Es ist hohe Zeit, sauberes " Frauchen. Ihr Gatte hatte die knurrte der Alte wie ein Pudel, der Schläge daß wir uns aus dem Staube machen Schulmeisterei aufgegeben, und sie schalteten erhalten hat. ich vermag meine Rolle nicht mehr weiter als Wirt und Wirtin in der Goldenen Traube, deren Rotspohn noch eben so vor!! Welch trauriges Vorurteil ! Das hätte zu spielen.' ich bei einem so gebildeten Manne , wie In aller Eile besorgte ich den Wagen trefflich war, als ehedem . Sie erkannte mich nicht gleich, ich hatte bei Ihnen, Herr Lehmann, nicht erwartet ! und ordnete mit Lehmann, der allmählich Sind denn die Schulmeister, " fuhr Beyern in den richtigen Paroxysmus der Braut- inzwischen auch die Uniform gewechselt, und faſt pathetisch fort , nicht die Verbreiter, vaterrührung hineinkam , die Rechnung. aus dem schmächtigen Sefondelieutenant die Träger des Wissens und der Bildung? Dann tranken wir noch einmal auf das war ebenfalls ein rundlicher Rittmeiſter Ist ihr Beruf nicht der edelsten und Glück der Rose von Sternberg, und schließ- geworden. schönsten einer? Wahrlich je höher lich faßte sich der Alte ein Herz und Als ich mich aber zu erkennen gab, man auf des Lebens Höhen steht , desto brachte das Wohl Seiner Hoheit , des war die Freude groß : Ich mußte namehr lernt man erkennen , wie hoch und Prinzen Otto von Bayern , seines erhabenen türlich ihre allerliebsten Kinder bewundern und erfuhr , daß der älteste Bube edel die Aufgabe ist , die heranwachsende Gastes , aus . Ich saß schon auf dem Wagen , als Otto getauft war : sie hatte den Prinzen Jugend, die Hoffnung des Landes zu erzichen und zu bilden. Ist das nicht Otto noch einmal kehrt machte eine nicht vergessen. Dann holte sie ein kleines plögliche Idee schien in ihm aufgetaucht. Schmucketui hervor und darin lag auf auch Ihre Ansicht, Herr von Tedlitz?" Ich stimme Eurer Hoheit aus tiefster Rose stand mit ihrem Bräutigam in der einer einfachen goldenen Kette eine verSeele bei ! " beeilte ich mich mit einem Hausthür, er ging auf sie zu und fragte: gilbte Karte : Zum freundlichen Anvorwurfsvollen Blick auf Herrn Lehmann !! Nun, kleine Rose, wo bleibt mein Dank ? denken an Otto von Beyern ! " Der Schelm E"" aber so undeutlich gezu entgegnen. Der Aermste sank immer Hab' ich denn nicht einmal einen einzigen, hatte das kleinen Kuß verdient ? " Und Rose sah einen schrieben , daß es einem „ A “ zum Vermehr in sich zusammen. Und nun sagen Sie mir, können Sie Augenblick verschämt zu ihrem lächelnden wechseln ähnlich sah. wahrhaftig, dann Die schöne Kette, " erzählte Frau Rose gegen den jungen Mann selbst einen trif- Schak auf und dann mir mit Stolz, bekam ich, bald nachdem tigen Einwand erheben ? Ist er unsolide ? erntete der Prinz seinen süßen Lohn. Sie sind doch der größte Schelm der Prinz mit Ihnen hier gewesen war, Hat er je Ihnen gegenüber die schuldige Achtung außer Augen gesetzt ?" Otto wurde auf der Welt, Beyern! " brummte ich ver- durch die Post zugeschickt. Wir wollten Sie schweigen, Herr drießlich , als wir durch die Dämmerung uns auch bedanken und schrieben einen der reine Cicero . langen Brief, aber wir haben nie eine Lehmann ? Haben Sie in Herrn Hellfrich fuhren . nicht das Vertrauen , daß er Rose liebt, Er lachte : „ Aber er schmeckte doch Antwort erhalten : die hohen Herren haben glauben Sie, daß er sie nicht auf Händen | der Kuß von der Rose von Sternberg . " ja gewiß so viel zu thun. Ich brachte es nicht über das Herz , tragen wird ?" * * * sie war ihr die Wahrheit einzugestehen Lehmann ermannte sich endlich ein so glücklich in der Illusion , wozu sollte wenig : Ich habe ja gar nichts gegen Das war also Beyerns , Sache". Seine ich sie ihr rauben. ihn . • · wenn er nur nicht Schulmeister "1 wäre. " Sorge war übrigens unbegründet, wir beEs geht ihm gut, unserem Prinzen, „Also find Sie immer noch nicht be- gruben die Affaire in unserer Brust, und sagte ich. Auch er hat Sie übrigens kehrt, mein Herr? Um eines nichtigen Vor- glücklicherweise kam unseren Vorgesetzten gewiß nicht vergessen , wenn er sich aber urteils halber wollen Sie das Glück Ihrer auch sonst nichts über den übermütigen auch gar nicht mehr an unser kleines Abeneinzigen Tochter verscherzen ? Ich hätte Streich zu Ohren . Hätte der gute Dtto teuer hier erinnern sollte, eines vergißt er besser von Ihnen gedacht ! Aber wie, wenn der einen Tollheit nicht bald eine Reihe sicher nicht : Ihren Kuß zum Abschied, ich nun selbst als Freiwerber für den ernsterer folgen lassen, so wäre er sicher Frau Rose ! " jungen Mann auftreten würde - könnten heute noch im Dienst und , wie ich verUnd Frau Rose crrötete und sah wieder Sie auch dann noch auf Ihren hart- mute, in einer sehr hohen Stellung. Aber ganz aus, wie das Röschen von ehedem ... der Prinz war unverbesserlich kaum wie das Röschen von Sternberg. näckigen Sinn beharren ?"
2. v. Freydorf.
Die Ausstellung für Kunstschmiede-Arbeiten in Karlsruhe.
549 gethan, ist ein danteswertes Verdienst um die deutsche Schmiedeeisenkunst . Im Mittelalter stand sie in hoher Blüte: die Einfassung des schönen Brunnens mit dem losen Ring , dem Handwerkszeichen , bei der Frauenkirche in Nürnberg und noch hundert andere Gitter, Thüren, Schlösser , in Wien, in Augsburg, in München geben Zeugnis davon. Auch noch später in der Renaissance-, in der Rofoto: und Barockzeit bildeten die reichver schnörkelten Treppengeländer , die Gartenpforten und Balkongitter eine stolze Zierde fürstlicher Schlösser, aber die schweren Volkskämpfe , die durch halbe Jahrhunderte jedem Lurus feind gewesen sind, ließen auch die feine Schmiedekunst darniederliegen . Erst mit des Deutschen Reiches Auferstehung erheben sich auch die Ge= werke zu Schmuck und neuer Entfaltung, und mit der steigenden Wohlhabenheit wird das Bedürfnis nach Schönheit in allen Zweigen der Industrie wieder fühlbar. Schon hatten sich nach hundertjährigem Nante, auch im Fach der Kunstschmiede erfreu Schlaf ausgeführt von Frans Brechenmacher (S. 553). liche Fortschritte gezeigt, doch die alte Technik, der gute Geschmack war verloren gegangen; wo früher die Formen rund und voll und gediegen dem wulstigen, aber biegsamen Charakter des Metalls entsprechend gewesen, wurde zulett mit dünner Blecharbeit nachgeahmt, wie wenn Die Ausstellung für Kunstschmiede- Arbeiten in Kinder spielend Papier ausschneiden, um es durch Falten und Biegen zu Blumen zusammenKarlsruhe. zudrücken; künstlich gemacht mag es wohl sein, aber erfreulich ist es gewiß nicht. Da dachte Von der badische Kunstverein, der sein Auge sorgend und liebevoll überall umherschweifen läßt, um zu sehen, wo er Gutes schaffen und helfen A. v. Freydorf. fann, auch hier fördernd einzugreifen. Eine Konkurrenz mit Preisverteilung für ir leben im Zeitalter der Ausstellungen; lende Glanz aus Palast und reichem Wohnhaus. die besten Kunstschmiedearbeiten wurde ausW bald hierhin bald dorthin weisen der Nur ganz schüchtern wagte sich das Eisen in geschrieben ; sie sollte erst nur klein sein und Tagesblätter lobende Annoncen und locken die die vornehme blißende und blinkende Gesell in der sogenannten Gewerbehalle untergebracht aber die Beteiligung durch ganz stilvoll gezeichneten, farbenprächtigen Ankündi- schaft und wo es dennoch, seiner Tüchtigkeit werden gungen, welche in Wartesalon und Eisenbahn bewußt, sich hervorthun wollte, da wurde es Deutschland war so überraschend, so unerwartet, coupé das reisende Publikum aufmerksam als roher Emporkömmling mit demütigender daß sie sich ganz von selbst zu einer Ausmachen auf all die zeitweise zusammengebrachten Mißachtung geflissentlich übersehen ; kaum ward stellung gestaltete. Da hat denn unser kunstSchäße, entweder der ganzen Welt oder der ihm in der Vorhalle hinterster Ede ein be- sinniger Großherzog , der immer bereit ist, wenn es gilt zu helfen, seine Teilnahme thätig einzelnen Länder und Städte, die an ver- scheiden Pläßlein gegönnt. das Eisen, das gemeine graue bewiesen und der Kunstschmiede- Ausstellung Und doch schiedenen Orten reichlich gesammelt aufgebaut und sachgemäß nebeneinandergereiht , zu be- Metall ist des edelsten Goldes wert ! ja es ist seinen Schuß mit Rat und That angedeihen wundern sind. Abwechselnd öffnen Berlin und selbst ein würdiges Bild des Menschen , der lassen. Die Herren des Komitees, Professoren, München ihre heiligen Hallen der Kunst, auf diese Erde bewohnt und sie sich nußbar Künstler und Fachmänner , haben in aufdaß Malerei und Plastik zeigen können, was machen muß. Ist es nicht wie er zu harter opferungsvollster Weise sich der Sache gefie Schönes vollbracht haben. Frankfurt ruft Arbeit geschaffen, das Schwerste muß es voll widmet und die kleine Sonderausstellung mit Handel und Gewerke zum Wettkampf, oder in bringen, da hochgetürmte Lasten tragen, dort so viel Geschmack und Feinheit zusammenKassel verwandelt sich die schattige Kaftanien mit scharfer Schneide den Boden durchfurchen. gestellt, daß sie jeden, der sie besucht, auch den allee der Aue zur mittelalterlichen Straße, darin auf daß er tausendfältige Frucht hergebe zur Laien und den nur zufällig Hindurchwanderndie Kunstschäße altdeutscher Meisterschaft sich Ernährung seines Herrn , es ist eben der den mit größter Freude und Bewunderung den bewundernden Blicken zeigen. Wer aber Bauer unter den Metallen, der alles schafft, erfüllen muß. Für Fachmänner aber ist sie in diesem Jahre eine Reise nach der Schweiz alles wirkt ; aber es ist daneben auch aus: geradezu von unschäßbarem Wert. Da jest im Sommer das große, glasübervorhat, der nimmt sicher seinen Weg über bildungsfähig wie der Mensch, welchem höhere Freiburg i . B., um der schwesterlich vereinten Schulung geworden, und es kann sich wie er dedte, hohe Orangeriegebäude seinen südlichen Schwarzwald und Vogesen Industrie- Aus: allmählich erheben zur höchsten Kunst. In des Drangenwald ins Freie geschickt hat, so konnte stellung einen gebührenden Besuch abzustatten. Feuers Glut erprobt das Eisen seine unend es neue Einquartierung gut aufnehmen , und Doch derartiges hat man schon oft und liche Gestaltungsfähigkeit, unter dem Hammer statt der weißen Orangenblüten nehmen sich viel gesehen ; ungleich lehrreicher, für den Fach- teilen sich Aeste, Blumen erblühn und Ranken, die dunklen eisernen Blumen und Ranken ganz mann und kunstverständigen Laien weit inter- es wird zum Schmuck des Lebens ohne dabei gut aus und sind wohl untergebracht an den essanter sind Specialausstellungen, die sich an Tüchtigkeit zu verlieren oder eitel Spielerei breiten Wänden , deren roter pompejanischer nur einem einzigen Zweige von Kunst oder zu treiben. Dabei ist es sich stets seiner Da Hintergrund äußerst glücklich gewählt ist für Gewerbe ausschließlich widmen, diesen aber um seinsnotwendigkeit und eines reellen Zieles be- das ernste, schwarze Metall. Schon das erste Eintreten bringt eine angeso vollständiger , ja erschöpfend zur Veran wußt: wie leicht und luftig ein solch geranktes schaulichung bringen können. Blumengitter auch aussehen mag, stark und nehme Ueberraschung : aus der heißen Sommer: So hatte Nürnberg vor Jahren eine ganz kräftig hält es jeden Eindringling zurück von luft tritt man in den kühlen schattigen Vorneue originelle Idee verwirklicht durch seine dem ihm anvertrauten Garten. Daß aber raum, eine große Rotunde , die herrlich ausAusstellung edler Metalle und ihrer Legierungen. auch das Eisen die höchste irdische Würde er geschmückt ist. Aus grün verzierten Nischen Was die Welt aus Gold und Silber , aus reichen kann , für welche sich sonst nur das ragen die Büsten der hohen Protektoren empor, Platin und Bronze, ja auch noch aus Messing Gold berechtigt hält, das beweist die eiserne des großherzoglichen und des erbgroßherzoglichen Paares. Darüber hin find oben an der und minderwertigem Metallmaterial nur immer Krone der lombardischen Könige. So ist es denn nur Gerechtigkeit und Er- Rundung in bunten Farben und schöner Zeichherzustellen vermochte in alter und neuer Zeit, das war dort vertreten . Schmuck und Ge munterung für ferneres Schaffen, wenn einmal nung die Wappen der deutschen Staaten angeschmeide , Tafelaufsäte , Spiegel- und Bilder dem Eisen allein die Hallen einer Ausstellung bracht, die sich zu gegenseitigem Nuß und Fromrahmen, Lampen und Basen, furz all der strah geöffnet werden. Daß Karlsruhe dies zuerst menfördernd an der Ausstellung beteiligt haben :
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Die Ausstellung für Kunstschmiede -Arbeiten in Karlsruhe. 551
552 Württemberg und Bayern, Preußen, Sachsen, von Peter Sipf in Frankfurt a. M., und das Silberfarbe zeigen. Die reich verwandten Nägel Elsaß- Lothringen , über dem Eingang zur Lob des Prüfungskomitees ist ihm mit Recht und Nieten sind nur da gebraucht, wo sie als großen Halle weht das deutsche Banner mit zu teil geworden. Ausschmückung des Ornamentes richtig wirken; dem gekrönten , sieggewohnten Adler , und in August Ber aus Niederrad bei Frank- zwischen den beiden breiten Bändern ist eine der Mitte der Vorhalle auf hohem Postament furt a. M. hat ein Schlosserschild ausgestellt, reiche Füllung von sich wiederholenden Adlern steht, von Künstlerhand geformt, der Meister das gerade nicht schön zu nennen ist , aber und Löwen auf blau und rotem Ledergrund. Schmied, eine prächtige lebensvolle Gestalt im darum interessant erscheint, weil es ein erster Man kann nicht leicht etwas Gediegeneres und Handwerksanzug mit dem Lederschurz und der Versuch ist zu echter freier Hand- und ge- Geschmackvolleres sehen, als diese Eisenthür, Lederkappe auf dem vollen Haar, wie er eben triebener Schmiedearbeit ohne Schrauben, Nieten die wohl wert wäre , den höchsten Hort von vom Schmiedofen kommt, in der nervigen und Lötungen. Der Meister selbst gibt eine deutschem Jdealismus und die Kronen, Perlen Hand eine blühende Blume mit Blättern und Erklärung dazu: ,,Die Figur ist aus einem und Edelsteine echter Kunst zu verwahren. Ranken, auf die seine Augen in Liebe und Stück geschmiedet , der Hut warm getrieben, Jean Germann in Sachsenhausen hat sinnender Betrachtung zufrieden niederschauen. die Fußstüßen sind mit Sockel und Ballhammer an Teilen von Treppengeländern und GrabNicht auf der Wiese hat er die Blume ge- warm gerieft und von der Hand gebogen, der gittern die Verwendung des Deltametalls recht pflückt zu raschem Verwelken : in der heißen umwundene Ast ist aus einem Stück, die Blätter schön gezeigt. An dem ersteren ist es so innig Glut seiner Effe ist sie ihm entsprost, und aus vollem Eisen warm herausgeschmiedet und verwoben mit dem Eisen, daß man den Ueberwie er sie mit seinem Hammer berührte in angeschweißt." gang nicht sieht, nur wie von Abendsonnenweihevoller Stunde, da hat sie sich dem rauhen Einen wunderschönen Ofen- glut angehaucht sind die hervorragenden Teile, Meister zu prangender Blüte entfaltet als die schirm hat Bühler in Offen von Blumen und Blättern schimmernd, verZauberblume der Kunst, da ist sie der Blumenburg geliefert ; um den fein goldet, während am zweiten das schwarze schlüssel geworden, der ihm das Reich des stilisierten Rahmen schlingen Eisen selbständig ein solides Gitter bildet, um Schönen erschließen soll , und von unsichtbarer sich Blumengewinde in ganz das sich das feine Deltagerank in seinem urGewalt fortgezogen , wird er ihr folgen, ihr, sprünglichen goldenen Glanz wie ein Schlingdie ihn leitet wie des Knaben Wunderhorn gewächs malerisch hindurchzieht. weiter und weiter auf der Bahn zu Das pfälzische Gewerbemuseum in Kaisersunsterblichen Werken. lautern stellte eine ganze Musterkarte von Bildhauer, Pauser, Ein nochjunger Wandleuchtern, Ornamenten , Rosetten, Blech: Schüler des Professor Volz, ist's , der die vasen mit Blumen , Blattfelchen und Feuerman darf Statue geschaffen hat geräten, Uhrkastenfüllungen und Thürdrückern ihm wohl Glück wünschen zu solchem zur Verfügung. Auch Wasserspeier Anfang. sind dabei, und es steht zu hoffen, Auch das hier in der Vorhalle ausdaß statt der langweiligen , ofen: gestellte schöne Diplom von Gagel, rohrähnlichen Abläufe, die jetzt noch welches an die Preisgekrönten zur unsere Dächer verunzieren , die einen trägt Verteilung kommen wird, alten malerischen Drachen, mit flotten Zug. Am Fenster der Schmiede, weitaufgesperrtem Rachen, in ihr von Handwerksgerätschaften umgeben, steht altes Recht bald wieder eingesetzt der Meister, auch er hat ein eben geschaffenes werden. Kunstwerk in der Hand. Der Morgensonne Eine Abschlußthür von Platt: schimmernder Strahl fällt leuchtend nieder auf ner in Berlin zeigt außer der ihn, wie auf das Stillleben von Gitterbruchschönen Form auch noch , wie die stücken, Hammer und Zangen, Rahmen und einfache Naturfarbe des Eisens Es werde Beschlägen zu seinen Füßen . künstlerisch verwertet werden kann: Licht !" sagt der Strahl , und unter seinem in den Schattenteilen und tieferen Füllungen Einfluß erhellen sich schon die Augen des ist sie wie von Alter geschwärzt, nach außen Meisters . aber, wo durch Vorüberstreifen wohl hätte Nun aber betraten wir endlich erwartungsAbnußung stattfinden können , licht und hell, voll die Schwelle der Ausstellung - da sperrt gleichsam abgeglättet. uns allsogleich den Weg ein hohes Parkthor, Je weiter wir kommen, desto mehr übereingefügt zwischen alt bemoosten Mauern mit zeugen wir uns von der großen Mannigfaltigschlingendem Epheu und blühendem Blumenflor. feit der teils nüßlichen, teils dekorativen GegenZwischen den schwarzen Stäben hindurch, stände, die hier bei einander aufgestellt sind noch halb versteckt und darum die Neugier um unmöglich ist es, sie alle genauer zu betrachten, so mehr reizend, wirkt der weite Raum dahinter denn es sind weit über 300 Nummern, und lange Mitte Allee dessen eine gar malerisch, in nur die hervorragendsten können wir flüchtig schöner Kandelaber sich hinzieht, in der Ferne erwähnen. Einen großartigen Eindruck in Springbrunnen und am oberen ein plätschernder seinen mächtigen, schön proportionierten VerEnde, von Tannengrün umfränzt , die Büste hältnissen macht der auf Bestellung Sr. Kgl. des Kaisers. Ihm, diesem hohen Neubegründer Becher aus einem Straußenei. Von Paul Martus (S. 553). Hoheit des Großherzogs von Baden ausge deutscher Macht und, damit verbunden, Wieder: führte Kandelaber zu vier Laternen des Karl erwecker deutscher Kunstblüte, gebührt auch hier realistischer Form , äußerst graziös mit nach Schwickert aus Pforzheim, welcher ihn nach dankend der vornehmste Play. geahmter Kordel an die Arabesten gebunden, eigener Zeichnung ausgeführt hat. Ihm wäre Die Drangeriehalle eignet sich vortrefflich deren Mittelpunkt durch einen grinsenden Mas statt des dritten wohl der erste Preis ge= zu solcher Ausstellung , die tiefen Fensterein caron gebildet ist. worden, wenn er fertig dagestanden hätte, es Aus Privatbesitz sind zwei Kunstwerke des schnitte bilden einzelne Kabinette, und auf dem aber leider nur ein Drittel daran vollendet. ist roten Hintergrund der Wände treten die schwar: Schloffers Gustav Frey aus Nürnberg in Den ersten Preis hat Paul Markus in zen Beschläge, die Aushängschilde und Laternen die Ausstellung gelangt, die jeden Kenner ent: Berlin davon getragen. In dem kleinen Raum, mit ihren dunklen Umrissen in gediegenem zücken müssen ; zwei Wandleuchter für Gas sind der seinen Namen trägt, steht ein Kabinettstück, Ernste hervor. Den oberen Teil der sehr hohen es, in einer interessanten neuen Form, gebildet ein Meisterwerk am andern ; in jeder Technik, Fenster hat man durch schräg liegende Store aus Motiven des Lüfterweibchens oder Jung welche die Schmiedekunst erfordert, ist er unabgeschnitten, so fällt das Sonnenlicht schwach fernablers . Es ist eine Art Sphing mit Frauen übertroffen. Vor allem prangt da der Kamingedämpft herein, um über das Ganze einen topf und Engelflügeln, der Leib endet in Adler: schirm aus dem Schlosse Sr. Kaiserl . Königl. malerischen Ton zu breiten, und in der oberen flauen, welche die hohen Leuchtblumen empor: Hoheit des deutschen Kronprinzen , eine Gabe Höhe der Wände schlingen sich im Gegensatz halten, aus deren Kelch die Gasflamme hervor zur silbernen Hochzeit des hohen Paares; nur zum düstern Metall durchfrisches grünes Tannen: leuchten soll. der Rahmen und das Gestell mit den feinen reis die lustigen Farben unserer badischen gelb: Derselbe Schlosser hat eine gotische Thür goldenen Knöpfen ist von Eisen geschmiedet, roten Fahnen. Da wir vom allgemeinen Ein- eingesandt, welche Direktor Essenwein für das die Platte selbst aber von getriebenem Kupfer, druck befriedigt den Blick zum Thore selbst germanische Museum gezeichnet hat (S. 554). zeigt den Adler mit dem Monogrammschilde. wieder zurückwenden, bemerken wir in seinen Das Blattgerante ist im dunkelrötlich natürlichen Auch ein ovaler Toilettespiegel desselben reichgeschmiedeten Ornamenten einen Zettel mit Rostton des Eisens gehalten, während die fein- Meisters ist originell genug ; von zwei großen den Worten : Ehrendiplom ; es ist ein Werk gegliederten Ornamente, blant gepußt, weiße Wallroßzähnen, die eben so fräftig ausschauen
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2. v. Freydorf. Die Ausstellung für Kunstschmiede-Arbeiten in Karlsruhe. 554
555 wie die dunkeln Metallranken , aus denen sie | Einfluß seiner Schönheit gebietenden Gattin | lein mit feurigem Auge, mit Händen , denen hervorquellen , wird das Glas umrahmt und dies Wunder geschaffen. man wuchtige Arbeit wohl ansieht auf den festgehalten. Gar zierlich dagegen und so fein Man erzählt sich, als die Herrn des Komi: ersten Blick, und das ruft aus : ,,Freut mich, cifiliert, als gälte es Silber und Gold, ist tees davor gehalten und sich in preisenden daß Ihr das Ding da bewundert; denn wißt : ein Thürgriff in stilisierter Vogelform, und in lustigem Humor sehen wir ein großes Straußenei zum Becher umgeformt; doch nicht aufrecht steht das Ei, es liegt und bildet so den Leib selbst des Vogels , den es darzustellen hilft. Auf hohen, dünnen Beinen geht dieser einher, die Flügel hängen ihm etwas schlaff zur Seite, auf hohem Hals, den man wohl als Handhabe benußen soll , ragt der Kopf, mit flachem Schnabel und zwei klugen Augen fröhlich empor (S. 551 ). Die schönste Nummer aber unter all dem Reichtum von Paul Marcus - mehr als 30 Stücke hat er eingesandt , ist wohl der Wandarm, entworfen von Maler Koch, Lehrer am Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin. Dieser ist geradezu wundervoll in Zeichnung und Ausführung. Von feinem Bandornament an beiden Langseiten umschlossen, brechen im Mittelstück aus schweren Akanthusblättern die geschwungenen Stiele der Ranken hervor und in prächtigen Linien runden sich die Ornamente. Da sind noch Kronleuchter , Kamin: böcke, Ofenschirme und Ampeln - und immer neu bewundernd geht man von Stück zu Stück. Wohl hat also Paul Marcus diesen ersten aber es ist schade, daß es Preis verdient nur einen ersten gibt , wir wüßten noch manchen, dem wir ihn gerne geben möchten. Da ist z. B. das Portrait unseres Großherzogs Friedrich, eine getriebene Arbeit in Schmiedeisen, die nebst der Umrahmung so fein ausgeführt ist , als sei es eine Münze aus gediegenem Silber und mit dem Grab: stichel des Graveurs das Relief geschaffen. Professor Rudolf Meyer, der Ciseleur par excellence, hat das Stück geschaffen. Da ist ein Thorgitter für die großherzogliche Residenz in Baden, nach einem Entwurfe von Direktor Göt, ausgeführt von Hammer in Karlsruhe , das wohl auch in späteren Jahrhunderten Zeugnis tragen wird von dem Wiederemporblühen der Schmiedeeisenkunst in unserer Zeit. Da ist von demselben ein riesiges Wirts hausschild mit gemaltem Landsknecht, an dem wohl so leicht fein heutiger deutscher Landsknecht der großen Reichsarmee vorübergehen kann, ohne dem alten Zechgesellen Bewunde: rung zu zollen und seiner Lockung Folge zu leisten. Dann sehe man die entzückende Wanduhr von Reinhold Kirsch in München. Ein kleines Erkerlein ist's , mit schindelbedecktem Dache, darüber, wie an einer Kapelle , die erhöhte Glockenstube, von wo die Stundenschläge helltönend erklingen. Oben darauf dreht sich der Wetterhahn. Doch nun endlich last not least fommen wir an die Blume par excellence , an die höchste Kunstblüte der Ausstellung, an die einfache Tafel mit den zwei genial hinge= worfenen Ranken, denen der zweite Preis ge= worden ist, denen die meisten den ersten hätten zuerkennen mögen (S. 547). Das ist die richtige, echteste Kunstschmiedearbeit; aus einem einzigen Klot find alle die Blätter , Akanthusranken und Knospen losgelöst, und nur die Feuergluten, Hammer, Zange und Amboß, sind dem Meister Gehilfen gewesen. Das plumpe, derbe, harte Metall , hier hat es all seine Schwere Gotische Thüre, nach einem Entwurf von Direktor Effenwein, ausgeführt von Gustav Frey (S. 551) . verloren, man meint der Lufthauch müsse diese Rosenblätter bewegen, der leichte Blütenstiel biege sich von selbst unter der Last des Lobsprüchen ergangen , habe plößlich der eine | meine Arbeit ist's, ich bin der Franz BrechenRelches, und erst die tastende Berührung führt von ihnen einen fräftig schweren Schlag auf macher aus Frankfurt am M. !" Da gab es zur Wirklichkeit zurück. Da hat wohl Vulfan der Schulter verspürt. Wie er sich erschrocken denn manch freudig derben Handschlag. Auf selber am Amboß gestanden und unter dem umdreht , steht neben ihm ein kleines Männ die Frage, ob ihm ein Geselle nach seiner 24
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Agostino Depretis. 557
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Anleitung geholfen habe, rief er aus : „Nein, | nischer Vollendung. Im XIX. Jahrhundert | Korrespondenz gestanden hatte._,, Er wird einich bin Meister und Geselle zugleich, so etwas lag die Schmiedekunst danieder bis zu dem mal verhängnisvoll für das Land und die hat man nur in den eigenen Fingern, nur selbst großen Aufschwung des Kunstgewerbes in der Monarchie werden," sagte Cavour von ihm kann man es machen !" aus. Auch König Viktor Emanuel mißtraute gegenwärtigen Epoche." Schon verschiedenemal , während wir in Wer dieſen neuen Aufſchwung nun noch ihm lange Zeit. Nur zögernd entschloß sich der Halle herumgingen , wurde das lärmende näher verfolgen will, dem ist auch dazu volle die Regierung dazu, ihn als Vicediktator nach Gespräch der Schaulustigen übertönt von fröh- Gelegenheit geboten , durch Aufstellung von Sizilien zu schicken , als die Insel von den lichen Trompetenstößen , jedesmal war's ein | Entwürfen und Plänen aus den verschiedenen | Bourbonen gesäubert wurde, doch wollte man volles Lied, und kaum verstummt , fing es Gewerbeschulen von Berlin, Frankfurt, Dres- dem Diktator Garibaldi nicht widersprechen, wieder von neuem an. Defters sahen wir den , Iserlohn , Mainz , Nürnberg , Kaisers als er Depretis verlangte. Im Jahre 1862, uns um nach der Ursache dieſer hübschen Musik, | lautern und Karlsruhe. Ja, hier erst kann als der Verstorbene als einfacher Abgeordne= ohne sie entdecken zu können ; jest nahe dem man so recht den Segen solcher Fachschulen be- ter Stradellas nach Turin wieder zurückgekehrt Ausgange , stehen wir auf einmal vor einem greifen lernen, und mit großer Freude und Be: war , ernannte man ihn zum Minister der reizenden Uhrgehäuse aus braunem Holz mit wunderung liest man unter so manchem künst- öffentlichen Arbeiten, da Rattazzi, welcher das farbenprächtigen Malereien und geschmiedeten | lerisch schönen Entwurf die Worte : „ Schüler- | Kabinett präſidierte , ihm wohlgesinnt war, Einlagen. Nach einem Entwurfe des Direktorarbeit aus dem 1. , 2. oder 3. Halbjahr." doch mußte er nach der traurigen Katastrophe Hermann Göt ist sie von verschiedenen KarlsInteressant auch ist's , die verschiedenen von Aspromonte nach neun Monaten das ruher Gewerbeleuten zusammen als Pracht Richtungen all dieser einzelnen Gewerbeschulen Portefeuille niederlegen. Ein ähnlicher Unund Schauſtück für dieſe Ausstellung verfertigt | zu beobachten genau lassen sie sich von stern waltete, als er im Jahre 1866 das Porteworden. Ei, welche Ueberraschung ! das ist einander unterſcheiden, die einen ſind natura- | feuille der Marine inne hatte, welches er allerdings nur auf ja der Trompeter von Säkkingen ! da oben liſtiſcher, die anderen lieben mehr ſtreng klaſſiſche das Drängen lugt er zum Dachfensterlein heraus und bläst Formen, aber sie ergänzen sich stets und wirken seiner Freunde ſein Lied immer wieder von neuem in die fördernd die eine auf die andere. angenommen, weite Kunstschmiede-Ausstellung hinein , wäh So möge ihr edles Streben denn auch δα er selber rend auf dem mittleren Feld die schöne Mar- ferner Segen bringend zu guten Zielen führen . seine Inkompegareta ihre allerersten Uebungen auf dem und möge auch der Erfolg dieser kleinen werttenz in Maverführerischen Instrumente versucht. Unten vollen Sonderausstellung den edlen Männern, rine- und Miaber ſchaut Hidigeigei grübelnd aus dem Uhr- die sich in uneigennütigſter Weiſe der Mühe litärangelegen kasten heraus , beide Pfoten hat er auf die ihres Zustandekommens unterzogen haben, ein heiten kannte. Holzverzierung gelegt und macht ein Gesicht, dankenswerter sein , und ihnen der einzige Die unglückdas deutlich genug sagt, wenn es auch drunter Lohn, den sie sich zu erwerben trachteten , in liche Schlacht nicht geschrieben stünde : vollstem Maße zu teil werden : das Bewußtsein, bei Lissa ereig„ Dulde, tapf'res Katerherze , das so vieles der Schmiedeeisenkunst auch in unserem engeren nete sich unter Heimatland Baden zu immer höherem Aufschon geduldet, schwung geholfen zu haben. Dann wird der seiner RegieDuld auch dieser Jungfrau Blaſen !“ s o Depreti Agostin . rung. Bald Hat man sie einmal gelesen , dann tönen Spruch, unter deſſen Devise die Ausstellung darauf zu seimit den immer von neuem sich wiederholen steht, zur schönen Wahrheit : nem Deputiertensis zurückgekehrt , hielt er denn jeder Besucher den Trompetenſtößen Dem geringsten der Metalle. jahrelang mit Rattazzi zusammen das Banner zieht an dem Schnürlein auch diese Worte Ist geöffnet dieſe Halle. der Linkspartei aufrecht und wurde , als legdumpfer Resignation immer wieder an unsere Doch die Arbeit macht es würdig, terer starb , der Führer derselben. Und so Ohren. Selbst dem Golde ebenbürtig. erhielt er, als drei Jahre später die regierende Und das ist gut , denn noch lange find Großes wird vollbracht im kleinen, Rechtspartei fiel, von König Viktor Emanuel ist doch zu wir nicht fertig mit Beschauen Wo sich Kunst und Handwerk einen. den Auftrag , ein neues Kabinett zu bilden. Nuh und Frommen aller Laien der Ausstel= Seit jener Zeit bis zu seinem Tode war lung ein kleines technisches Kabinett beigefügt, Agostino Depretis mit kurzen Unterbrechungen wo man kurz und überſichtlich über Geschichte, faſt immer als Miniſterpräsident und zugleich Werkzeuge und den in verschiedenen Epochen Agostino Depretis . bald als Minister des Inneren, der Finanzen, vorherrschenden Stil der Schmiedekunſt beIntereſſe im manchen Auszug wiederholt softino Depretis, Cavaliere della Annun- bald des Auswärtigen, oder als Minister bert Lehrt wird.ſein, es Es hier möchte wohl von ziata, italienischer Ministerpräsident und öffentlichen Arbeiten am Ruder. Oft regierte Miniſter des Auswärtigen, welcher am 29. Juli er zu gleicher Zeit verschiedene Ministerien . zu finden . „Jahrtausende schon war das Eisen be- d . J. in Stradella (Provinz Pavia) starb, Große Ereignisse haben sich unter seiner lang= kannt, die Verwendung entwickelte sich aber wurde am 31. Januar 1813 in Mezjana- jährigen Regierung nicht zugetragen, doch ist erst mit dem Fortschritte der Civiliſation . Corti Bottarone, einem Dörfchen im Kreise ihm f das hohe Verdienst zuzuschreiben , das Die Römer hatten es in der Schmiedekunst Boghera , zwischen den Apenninen und dem Land Italien vor jeglicher Unruhe, die ihm schon ziemlich weit gebracht , dann ging fie | Po gelegen, als der Sohn eines Gutspächters von Socialisten und Anarchisten drohte , be: wieder verloren, und erst im XI. Jahrhundert geboren. Seine erste Erziehung leitete der wahrt zu haben. Die Allianz mit Desterreich begegnet man wieder den frühesten Beiſpielen. Pfarrer des Dorses , bis er fähig war, das und Deutschland wurde unter seinem Regime Es sind dies Thüren , deren Bretter durch Gymnasium und dann die Universität zu ausgeführt. Den Namen „ Cunctator" hatte eiserne Bänder verbunden wurden. Das war Pavia zu besuchen. Ein außerordentliches Ge- man ihm beigelegt , da er wie jener Römer der Ausgangspunkt für die Entwickelung der dächtnis und ein höchst praktischer Sinn zeich Maximus die Schwierigkeiten lieber umging, Schmiedeeisentechnik man findet Bänder, neten ihn schon in der Jugend aus. Nach als ihnen die Stirn bot. Unbestreitbar ist Thürangeln, kleine Gitter u . dergl., nur Ham- | beendeter Univerſitätszeit war er als Advokat | er der geschickteste Parlamentarier in ganz mer, 3ange und Amboß sind Gehilfen , die in Stradella thätig , bis er an der liberalen Europa gewesen, der es verstand, zwölfmal Feile kommt erst später. Im XIII. Jahr: piemontesischen Bewegung des Jahres 1848 Minister zu werden und sich achtmal als hundert nimmt das Eisen eine hervorragende teilnahm . Kaum war das erste subalpine Ministerpräsident zu behaupten. Stelle in der Architektur ein ; in der Technik Parlament inauguriert, als Depretis als VerUngemein einfach war die Lebensweise ändert sich die Richtung ; das bisher übliche treter des Kreises Broni ins Abgeordneten- Agostino Depretis . Vor seiner Verheiratung, Schweißen wird durch die Nietung verdrängt. haus gesandt wurde, wo er , ohne radikal zu die erst in seinem 63. Jahre erfolgte , beGesenk und Grabstichel kommen in Anwendung. sein, in der Oppoſitionspartei ſaß. Während | wohnte er stets ein einziges schlicht möbliertes Im XIV. Jahrhundert macht die Treibkunst dieser Zeit gründete er in Turin , als Jour- Zimmer, in dem er Könige und Fürsten emgroße Fortschritte. Die Anfertigung von Eisen- nalist thätig , die Zeitung „ Il Progresso ", pfing. Donna Amalia Flarer , seine junge, furzwaren gewinnt nördlich der Alpen große dem bald der Diritto " folgte, der noch heute schöne Gattin und zu gleicher Zeit sein Mündel, Bedeutung. Im XV. Jahrhundert beginnen in Rom als eines der angesehensten Blätter war die Witwe eines Ingenieurs mit Namen die Arbeiten mit Grabstichel und Meißel, die mit Italiens besteht. Graſſi , der nach kurzer Ehe starb. Auch sie dem Hammer gefertigten zu verdrängen. Im Der große italienische Staatsmann Camillo teilte die einfache Gesinnung ihres zweiten Zeitalter der Renaissance weist die Kunst- Cavour hatte keine besondere Vorliebe für Gemahls , dessen Pflege sie sich gänzlich hin= schmiedetechnik die verschiedensten Schöpfungen den Deputierten Bronis , nicht nur weil legs gab, nachdem sie ihn noch mit einem Sohn auf. In technischer Beziehung wird dieselbe terer ihn stets bekämpfte, sondern hauptsächlich, beschenkt hatte, welcher die Freude seines Alters M. Numbauer. durch die Barock- und Rokokoepoche übertroffen. weil Agostino früher mit dem in ganz Europa wurde. Das Rokoko zeigt Arbeiten von höchster tech- mächtigen Republikaner Mazzini in lebhafter
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Der Sammler
leine Echwierigkeit, sobald man ein wenig Geduld hat | natürliche Verfahren die Pflanze zwang, nach oben zu Von der Hautpflege. und sich so weit überwinden kann, jede Mißhandlung der wachsen, um Luft und Licht zu empfangen ; dadurch starb Gnädige Frau! Sie hatten neulich die Güte, mir leidenden Hautpartie zu unterlassen. Sie, gnädige Frau, sie nach 20 oder wenig mehr Jahren ab. Durch das nachfolgende , vom Verfaſſer dieſer Zeilen hassen es gleich mir und jedem Gebildeten , wenn solche den Artikel einer Kollegin in der Schriftstellerei vorzulesen, | deſſen Ausführungen Sie zur Erhaltung Ihres Teints nach Patienten unermüdlich in ihrem Gesicht herumgreifen und der Natur abgelauschte, ebenso einfache wie billige Verzukommen gedachten. Meinen Beifall betrachteten Sie mit drücken , und das ist es, was vor allem zu unterbleiben fahren tann die Spargelpflanze in den Gartenbeeten ebenso einem gewissen Mißtrauen T er galt, wie ich Ihnen aus hat. Statt dessen ist das Geſicht abends mit lauem Wasser alt werden , wie die von Rechnungsrat Schwabe seiner der Entfernung mutig gestche , lediglich der Kunſt Ihres und centrifugierter Thymolseife zu bestreichen, | Zeit bei Deſſau wild wachſend gefundene, 150 Jahre alte Vorlesens, nicht dem Inhalte. deren Schaum man eintrocknen läßt : am anderen Morgen | Pflanze, und wird von Jahr zu Jahr größere Erträge Weil eine hohe Dame, die sich angeblich nur mit ist es mit Voraywasser und leichtem Frottierstoff zu reinigen, geben , weil sie mit den Jahren groß , sehr groß wird . eiskaltem Wasser wäscht, einen guten Teint hat, sollen alles Ausdrüden oder Neiben aber zu vermeiden. Nach | Wir müſſen deshalb der Pflanze viel Raum geben , der alle Damen ebenso handeln das war der Kern jener mehrwöchentlicher Anwendung dieser Methode kann dann aber in den ersten 15 bis 20 Jahren durch Zwischen, Abhandlung . Würden Sie dieser grauen Theorie fols die Haut als gesund betrachtet und in der zuerst genannten pflanzungen ausgenugt werden kann . gen, so dürfte Ihr Gesicht bald ebenso grau sein, denn Weise behandelt werden . Bei empfindlicher Haut ist ein Auf lockerem jandigen , aber möglichst nahrhaftem n eines schickt sich nicht ม für alle" ", und jene Schriftstellerin dauernder Gebrauch von Lanolin- oder Lanolin- Cremcseife Boden teilen wir die für die Spargelanlage bestimmte " hat das obgleich mit dem weit zu Unrecht vertauscht. zu empfehlen ; bei hartnäckigen Hautteiden eines der zahl Fläche durch Abschmiren von geraden Linien , am besten Solche Logik könnte uns zum Alloholmißbrauch führen, reichen medizinischen Präparate aus centrifugierter von Süd nach Nord damit die Mittagssonne auch auf weil einmal ein Säufer alt geworden ist , oder zur Ver. Seife nach ärztlicher Auswahl. Die lehteren sind in den die Zwischenpflanzungen fallen kann , in Streifen von meidung jeder Zahnpflege raten, weil es Leute mit schönen Apotheken zu erhalten ; die einfachen Toiletteseifen werden 2,5 m Breite ein , werfen auf jeder Linie einen Graben Zähnen gibt, welche dieselben nie puten. Nein, so leicht auch mit einer Anzahl von Parfums in den Handel ge- von 30 cm Breite und 28 cm Tiefe auf , ſehen zur Bes ist der Geist der Medizin und Hygieine denn doch nicht zu bracht, welche sich bei der durchaus neutralen Beschaffen zeichnung der Pflanzsteuen dicht an beiden Grabenrändern fassen. Die Hautpflege muß in ihren Vorschriften auf heit der Seife unbeschränkt lange erhalten. Kurz - Sic | Stäbe ein im Verband und 50 cm weit auseinander, erdie zarte Haut und auf den zur Unreinheit neigenden sehen, ich habe etwas gefunden, dem ich in dieser Richtung richten von der ausgeworfenen Erde an jedem Stabe einen Teint Rücksicht nehmen, nicht auf den unzerstörbaren Glanz eine richaltslose Anerkennung zolle. Dr. O. D. Hügel von 15 cm Höhe und ſetzen (am besten im Ollober) mancher Bevorzugten. darauf den Wurzelstock einer Spargelpflanze , breiten die Damit könnte ich eigentlich schließen, denn auch Sie Wurzeln, wenn solche vorhanden , gleichmäßig aus und gehören zu dieſen aber der Gedanke, daß mein Brief deden die Pflanze, welche mit dem Wurzelhalse dicht am vielleicht statt jenes Artilels von Ihnen verlesen werden Stabe liegt, mit gutem Kompoſt oder mit der ausgeworfenen Der Spargel . Tönnte, veranlaßt mich, weiter zu schreiben. Erde, wenn sie genügend fruchtbar und locker ist, damit Die Oberfläche der Haut ist, mikroskopisch betrachtet, Von die bald ausbrechenden jungen Wurzeln möglichst wenig rauh. Die zahllosen Vorsprünge und Einsenkungen laſſen Widerstand finden. Beim Pflanzen im Frühjahr iſt mehr Staub und Unreines haften ; der leise Fetthauch, welcher Sorgfalt nötig, damit die D. Hüttig. darauf liegt, hält das Fremde fest, bis es mit der natürbereits vorhandenen junlichen Abstoßung der obersten Hautschicht verschwindet. Die Spargelpflanze (Asparagus officinalis L. gen Wurzeln von Licht Das zu begünstigen, ohne die Haut durch zu weitgehende Fig. 1), ein Mitglied der Familie Smilaceae und der und Luft nicht Schaden Entfernung zu reizen, ist der Zweck der Hautpflege. Das Ordnung Liliaeflora, d. h. der Lilienblütigen , besteht in | ; auch muß man sie zu dient in erster Linie Weichheit des Wassers, und der Erde aus einem Wurzelstock (Rhizom), der seitlich , leiden angießen , was bei der diese erzeugt man künstlich durch Zusatz einer Messerspitze also nach vorn wächst und hinten allmählich abstirbi . Pflanzung im Herbst nicht voll Boraxpulvers zum Waschwasser. Nach oben bilden sich im Winkel der verkümmerten troden nötig ist. Der Graben Zu diesem Waſchwaſſer, deſſen Temperatur nie unter | häutigen Blätter Knojpen , welche, aus der Erde her wird demnächst mit der zehn Grad herabgehen sollte, gehört lediglich eine gute austretend, unsere Eßspargel liefern und später wie wir noch vorhandenen Erde Seife, um eine gesunde Haut dauernd rein und klar schon in der Wochenschrift Deutscher Garten" (Perlin 1878) ausgefüllt , und die Anzu erhalten. „ Sonst nid,ts?" werden Sie mir einwerfen, beschrieben, und nach ihm in unserem nBredows Gartens lage ist fertig. Die Stäbe aber hier liegt eben der Hase im Pfeffer. Haben Sie freund ", 2. illustrierte Ausgabe (Berlin 1886), im Juu, des einen fertigen Veetes eine Ahnung , womit Sie Ihre Haut einzuseifen pflegen? strierten Gartenbuch" (Stuttgart 1886) und im " Grundriß fönnen bei größeren AnNirgends steht die Verfälschung mehr in Blüte, als in der Lehre vom Gartenbau" (Leipzig 1886) 3u äftigen das zweite, der Fabritation selbst der teuersten Seifen. Ich will Stengeln und schuppenförmigen kleinen Blättern werden, in lagen u.für f. w . Beet benuht Fig. 1. Asparagus. nicht bestreiten, daß man zufällig auch einmal hierin einen deren Winkeln sich Bhiten und Früchte entwideln. An dem dritte kleinen Anwerden ; bei guten auf macht, aber im allgemeinen würde man eine Wurzelstock entstehen nach unten , oder eigentlich mehr | lagen läßt man Gänsehaut bekommen, wenn man das betreffende Rezept | seitlich, die Neben. (Adventiv-) Wurzeln in großer Menge und beftet spätersiediestehen Blütenstengel an sie an läse. Eine bemerkenswerte Schilderung hat davon der schon im Herbst (werhalb die Herbstpflanzung auch hier zur Stüße gegen denjungen Sturm , der sie zuweilen , aber Berliner Professor Liebreich gegeben. Ich verzichte auf jeder anderen vorzuziehen ist) und werden schließlich zu langen selten ersten Jahre abdreht -, wenigstens deren Wiedergabe und freue mich, Ihnen statt abschrecken Fasern ; sie bilden sich aus den Reservestoffen des WurzelPflanzung auf jeder Seite Wir erhielten durch diese im der Berichte eine erfreuliche Thatsache mitteilen zu können, stodes, entnehmen der Erde das Wasser mit den Mincrat der abgeschnürten Linien ein 15 cm , zusammen 30 em daß nämlich ein von eben jenem Liebreich im Verein mit stoffen und Eticstofffalzen also die hauptsächlichſte | breites Bect mit zwei Reihen Spargelpflanzen und Zwischen. dem Fabrikanten G. Heine in Charlottenburg bei Berlin | Nahrung —, das auch durch die Verdunſtung der Blätter | räumen von 2,2 m Breite. Die Spargelpflanze braucht ausgebildetes Verfahren zur Herstellung von Seifen mittels nach oben geführt wird. Bei jedem Jahreswachstum | viel Nahrung, wenn ſie „ Stangen “ in der Zaribeit und Centrifugierverfahrens uns Seifen liefert, wie wir sie in bilden sich neue Wurzeln , welche die Ernährung der Stärke entwickeln soll, mit denen wir sie auf der Tafel solcher gleichartiger, vorzüglicher Beschaffenheit noch nicht Pflanze übernehmen, während die alten , inzwischen hohl genannt haben; wir legen den dazu nötigen Dünger aber gekannt haben. Dieselben sind überall unter dem Namen geworden, noch eine Zeitlang sitzen bleiben, aber ohne auf nicht, wie beim alten Verfahren, unter die Pflanzen, wo"Heines centrifugierte Eeifen" zu haben. Für den gewöhn die Ernährung der Pflanze irgend einen Einfluß auszu hin die Wurzeln niemals sich verirren , sondern neben lichen Gebrauch zum Waschen des Gesichtes empfehle ich üben. Im Herbst kann man also den Wurzelstock oder dieselben, dort , wohin die Wurzeln wachsen. Wir die Toilette-Haushaltseife (à Stile 20 Pf.) und die Tois bei älteren Pflanzen einen Teil desselben ohne die alten breiten nach vollendeter Pflanzung den Dünger beim erstenLette- ettseife (à 25 Pf.). Es ist besonders wichtig, Wurzeln pflanzen, wie dies ja auch bei den echten Zwies mat in doppelter Schicht in den Zwischenräumen diese leicht schäumenden und sparsamen Seifen abends | beln geſchicht. aus, wo er durch zwei Spatenſtiche hintereinander genügend vor dem Schlafengehen anzuwenden . Morgens genligt Norddeutschen genießen den Sparget am liebsten | tief untergebracht wird. Hier , in den Zwischenräumen, dann fast flets das Waschwasser mit Borax ohne Seife, in denWir möglichst langen Blütenstengeln, " Stängen“ (Fig. 2), | wird jährlich , wenn auch nur einfach , aber immerhin welches die Haut vorzüglich glättet. die zum Zweck des Bleichens bis an ihr oberstes Eude mit stark gedingt. Handelt es sich nun darum, eine tranke Gesichtshant Erde bedeckt waren, weshalb man früher den Wurzelstock zweiten Frühjahr nach der Anpflanzung wird zu heilen, Mitesser und Pusteln zu vertreiben, só hat das | möglichst tief in die Erde vergrub und durch dieses un- man Im mit der Ernte beginnen können , weil , wenn bei
Schlagende Wetter in Kohlengruben.
Bilder aus Kroatien.
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563 564 der Anlage starke Pflanzen verwendet wurden , dieselben | Gattung Mamestra angehören und mit zunehmender | von 0,95 mm Dicke entzündete das Gemisch 1:14 schon bei sich außerordentlich schnell entwickeln . Um aber lange, Gefräßigkeit an Gartengewächsen erst im Juli, August und 11700; Platindrahtnek zündete weit leichter als alle einbis an die Spike gebleichte Stangen zu erhalten , muß September schädlich werden, nämlich Mamestra cheno- fachen Drähte. Im ganzen zündeten glühende Drähte bis man Boden aus den Zwischenräumen her podii V., pisi L. und oleracea L., außerdem die zu gewisser Grenze um so leichter, je größer ihre Oberanz • den en und dadurch das Beet 30 bis 35 cm Raupe von Xylina exoleta L. , die schon im Mai, fläche war, um so größer war aber dann auch der Einerhöhen. Das soll aber nicht eher geschehen , als bis Juni und Juli auftritt. Alle sind sie sechzehnfüßig, fluß der Geschwindigkeit des Gasstromes ; größere Gedie ersten Spargelköpfe an der Bodenoberfläche sichtbar walzenförmig , nach hinten etwas verdict, mit einzelnen | schwindigkeit bedingte stets eine höhere Zündungstemperageworden sind. Bei diesem Verfahren wird man die Ernte feinen härchen auf Punktwarzen und mit kleinem runden tur. Eisendraht zündete schwieriger als Platindraht, und 14 Tage früher beginnen konnen, als wenn die Pflanzen Kopf verschen. Ausgewachſen find die drei ersten 32 mm, zwar bei dünneren Drähten meist erst beim Durchbrennen. hoch mit Erde bedeckt wären, weil Sonne, d. h. das Licht, Exoleta aber 52 bis 65 mm lang. Die Raupen fressen Sehr dünne Drähte brannten durch, ohne zu zünden. und die Wärme der Luft das Wachstum der nur wenig die Blätter und Stengel auch der Spargelpflanze und müſſen mit Erde bedeckten Pflanzen früh wecken, besonders wenn sorgfältig abgelesen, beziehungsweise getötet werden. das Beet durch eine Mist , Laub- oder Reingdecke gegen Von Käfern ist zu nennen der Spargelkäfer Bilder aus Kroatien. das allzu tiefe Einfrieren des Bodens geschützt war. (Lema asparagi L.) von 15 mm Länge, schwarzgrüner Ende Juni hört das erste Wachstum und damit die Farbe, rotem Halsschilde, gelben Flügeldecken, schwarzer Als am 9. November 1880 die Kunde von dem ErdJahresernie des Spargels auf, und bis dahin müssen die Naht und drei schwarzen Flecken auf derselben. Die in den Zwischenräumen angebauten Gemüse verbraucht spindelförmige sechsfüßige , runzlige und einzeln behaarte beben in Agram in die Welt hinausdrang, dann Schlag auf Schlag noch weitere Erschütterungen erfolgten , da fein, weil Ende Juni hier frischer Dung ausgebreitet, farbene Larve hat einen schwarzen Kopf und eben solche wandte sich die Aufmerksamkeit Europas dem halbvergesziemlich flach untergegraben wird um die Spargel Veine, ist 5 mm lang, entblättert im Sommer und Herbst senen Lande Kroatien zu , die Zeitungen sandten ihre wurzeln nicht zu schädigen und mit der Erde bededt, die Stengel des Spargels und nagt jogar die Rinde der mit der man im Frühjahr die Beete erhöhte. Die Pflanzen Sticle ab. Sehr ähnlich ist die gleichfalls am Spargel Spezialberichterstatter und Zeichner nachn Agram. Viele dieser Herren scheinen jedoch Wippchens " Beimüssen nämlich, ihrer Natur angemessen, von der Erd- lebende Larve von Lema duodecim punctata , deren dede befreit werden , durch welche die Etangen ge- Käfer aber rot ist und eben solche, aber hellere Flügel- piet gefolgt zu sein und fandten Berichte und Zeichnungen vom ersten Tramwayhaltepunkte ein ; anders konnte bleicht wurden , welche aber die mit Blättern versehenen decken mit sechs schwarzen Punkten hat. Einziges Ver . gleich nicht sein, das bewies der Inhalt der Auffäße und die Blütenstengel in ihrer Entwickelung und damit in der An- tilgungsmittel ist eifriges Absuchen während des Sommers es Art der Bilder. sammlung von Reservestoffen während der Zeit des zweiten und Verbrennen des Krautes im Herbst. Auf einem der letzteren welches damals in einem Wachstums hindern würde. Auf diese Weise wird die Eine schädliche Fliege , sogenannte Zweiflüglerlarve, Ernte in jedem Jahre besser und mehr lohnend. it Ortalis fulminans M. (Platyparea poeciloptca bedeutenden Blatte erschien sah man unter den Mauern Die Epargelpflanze gehört zu den Gewächsen, welche Löw). Die jußlose Larve lebt von Mai bis Ende August Agrams stattliche Segelkähne sich auf der Save schaufeln . ein Tiefpflanzen und eine starke Bedeckung der Wurzel2 im Stengel des Spargels, mit dem Kopfe nach unten, ab. Nun fließt aber dieser Strom etwa eine halbe Stunde und ist auch dort nur für kleine (des Wurzelstodes) nicht vertragen können ; deshalb jähr wärts bis in die Wurzel bohrend. Sie verwandelt sich von der Stadt entfernt sogenannte Zillen schiffbar ; durch) liches Auffüllen im Frühjahr zum Bleichen der Stangen, Ende August meist am Wurzelstock in eine lichtbraune Flachschiffe Agram windetsich der Medveschtschak (Medveštak), ein Bach Puppe mit dunkeln Mundteilen, nachdem vorher die Larve und jährliches Abräumen der Beete Ende Juni vor Beginn zweiten Triebes , der bis zum Herbst stehen ein Schlupfloch in der Stengelwandung vorbereitet, indem gerade wasserreich genug, um die kleinen Holzstücke mit bleibt.desDie Zwischenräume können im Frühjahr mit sie diese bis auf die äußerste bleibende Haut rundlich aus Papiersegeln, welche Schuljungen auf demselben von Stapel weiter zu führen. kurzlebigen Gemüsen , wie Karotten , Radieschen , Kohl nagt. Nach der Ueberwinterung erscheint die Fliege im lassen,Schon seiner ethnographischen Zuſammensetzung wegen rabi, Kövisalat u. dal. , Ende Juni, nach der Düngung, Frühjahr. Die bewohnten Stengel find Anfang September → mit Kopftohl, Blumenkohl u. s. w . bebaut werden. Die entweder ganz abgestorben oder blattlos, also nadte ist die österreichisch ungarische Monarchie der interessanStaat, den ich kenne, abgesehen von seiner so ereigniss Zwischenräume werden durch die Ausbreitung der Spargel Strunke zwischen den noch grünen Etengeln , auch durch teste reichen Geschichte , welche dramatisch belebt ist wie nicht pflanzen von Jahr zu Jahr schmäler , die Beete mit den ihre vergilbten Blätter leicht zu erkennen. Wenn bei die eines Landes. AuchOfthaltes landschaftlich ist schwachen Ruce dicje soStengel leicht über | sobald ernte ergiebiger, breiter; Epargelpflanzen dem Wurzelſtođe und dasdamit Bebauen wirdderauchZwischenräume aužgehen, die Spargel | einem die Puppe hat man faſt und ſtets dicht dieſes weite Reich,anderen besonders aber deſſen so über. aus schön, daß ich fest überzeugt bin , der Zug der Touin dem herausgerissenen Teile. Diese Stengel müssen hört mit der Zeit ganz auf. Auch die Spargelpflanzen sterben aufgesucht und verbrannt werden , wie überhaupt , wir risten, die sich an oft durchwanderten Gegenden satt gewerde in Kürze seine Dichtung oftwärts nehmen. nicht nach wiederholen dies, das ganze Spargelkraut , welches in je- sehen,Von Wien über Steinbrück und aus Süddeutſchland 20 oder 25 dem Herbst abgeschnitten werden muß. auf den gegen Laibach zu ausmündenden tirolisch - kärntJahren Daß die gewöhnlichen Plagegeister des Gemüsegärtners nerischen Eisenbahnlinien gelangt man heute bequem und auch beim Spargelbau nicht schlen , darf als selbstver ab, jons über die Grenze Kroatiens und nach dessen Hauptdern leben ständlich angenommen werden. Es sind dies die Enger schnell ſtadt Agram , welche nach den Zerstörungen, die das Erdlinge, dieLarven des Mailäfers (Melolontha vulgaris L.), jede wie andere Schnecken, Maulwurfsgrille (Gryllotarpa vulgaris L.) beben vom 9. November 1880 verursachte, sich schöner erStaude u. f. w. Ueber die Mittel zu ihrer Vertilgung denten hebt, als sie vordem gewesen, n und neues Leben erblüht aus den Ruinen " . Die Universität, daß schöne National ruhig wir demnächst ausführlich zu sprechen. Man versteht heute ganz vorzüglich , im Frühjahr museum am Zrinyiplake und vieles andere mehr belehren weiter. Verfafier frisch gestochenen Spargel auf Jahre hinaus wie frischung, 17 daß da weit unten , wo die Völker aufeinander hat ihre aufzubewahren, entweder durch Trodnen in einer der vielen schlagen ", sich auch tüchtiges geistiges Leben regt, allgemeine Lebens- Einrichtungen zum Dörren des Obstes oder durch Ein- Anstrengungen gemacht werden, Versäumtes nachzuholen, datter kochen in Blechbüchsen , die, nachdem sie mit Spargel um bald einen würdigen Plah unter den Kulturvölkern wohl stangen gefüllt werden , durch einen Deckel verschlossen einzunehmen ; solches Streben soll aber immerhin angewerden. Der Deckel muß festgelötet , aber durchlöchert eifert und sympathisch begrüßt sein. viele, nicht in der Stadt wollen wir weiten , nicht aber nicht sein, damit der Dampf des erwärmten Spargels entweichen über Doch südslawische Litteratur und die Gesänge der Kroaten 150Jahre kann. Die Blechbuchsen werden in kochendes Wasser ge uns ergehen das auch wäre sondern lang ver- jetzt und so lange darin behalten , bis der Spargel in unsere Wanderschsoaftverlockend fortsetzen, um Land und Leute kennen folgt ; ſeinem eigenen Dampf weich gekocht ist. Dann wird die zu lernen. Büchse herausgenominen und deren Dedel luftdicht verz aber die Zu den landschaftlich schönsten, in einzelnen Partien Mahr. schlossen , indem man die Löcher verlötet oder auch nur überraschendßten Teilen Kroatiens gehört die Strecke längs scheinlich mit Siegellack verschließt. der Luisenstraße, neben welcher her jetzt die Eisenbahn feit von Marlstadt nach Fiume läuft; auch wenn wir die spricht das Hauptlinie verlassen, rechts und links abschweifen, finden für , da rvir ſlets Neucs ," immer lohnende Partien und hiſtoriſch Spargel Schlagende Wetter in Kohlendenkwürdige Punkte. Zu den letzteren gehört : becte, nach die. Ozalj¹), daš unser erstes Vild darstellt. Im Agramer gruben. sem so Komitate, anderthalb Stunden von Karlstadt entfernt, erFig. 2. Slangenspargeln ( Schmidt in Erfurt). cinfachen Die furchtbaren Unfälle durch Entzündung schla. | hebt ſich auf einem hohen Hügel , dessen Fuß die Kulpa Verjah gender Wetter in den Kohlengruben , welche trok bespült, die ziemlich wohlerhaltene Burg (S.565) . Wer ren angelegt und gepflegt, wohl das Alter der von Echwabe aller vorgeschlagenen Sicherheitsmaßregeln immer noch dieselbe erbaute, ist unbekannt ; doch muß ihr Alter ein sehr eintreten, haben die vreußische Regierung veranlaßt , eine hohes sein, denn historisch festgestellt ist, daß sie im 13. Jahrgefundenen Pflanze erreichen und übertreffen werden. Wir schließen hicran die Mitteilung, daß wir dieses Schlagwetter - Kommission zu ernennen , um die Ursache hundert den Grafen von Gorica2), Babonić, gehörte. Im unser eigenes Verfahren in der Aulage und Pflege der der Grubengasexplosionen mehr und mehr klar zu stellen Jahre 1826 fam Ozalj in den Besitz des Königs von Spargelbeele zuerst im Jahre 1862 an der landwirtschaft- und Mittel zu ersinnen, diesen schredlichen Ereignissen vor- Ungarn und Kroatien, der das Schloß samt dazu gehöriger lichen Hochschule Ainary (Schweden) ausgeführt haben, zubeugen. Die genannte Kommission hat run auch die Länderei 1898 an Nikolaus Frangepan Graf von Veglia, und zwar zu cigener_vergleichender Beobachtung und zur Entzündbarkeit explosibler Grubengasmischungen durch Zeugg und Modruš um 42000 Dutaten verlaufte. In Händen des so mächtigen Grafengeschlechts derer von Belehrung der dort studierenden Jünglinge , welche , wie elektrische Funken und glühende Drähte studiert und ist den Frangepan (Frankopan franz, der Herr - von diesem auch die zum mehrwöchentlichen Unterricht im Gartenbau zu folgenden bemerkenswerten Resultaten gelangt. Was zunächst den elektrischen Funken anbetrifft , so kroatischen Namen wurde das Frangepan und das noch um uns versammelten Schullehrer u . a ., dasselbe über das ganze Land verbreitet baben , weshalb es in einigen neuen zündeten die Oeffnungsfunken cines galvanischen Stromes mehr italienisch klingende Frangipani, wie man es auch deutschen Gartenbüchern „ Die schwedische Methode" oft , aber nicht immer, wenn die Stromstärke 15 Amp. in Urkunden findet, abgeleitet) blieb dann die Burg durch genannt wird, aber ohne unseren Namen, den Namen des betrug, immer bei 18 Amp. Bei Eisendrähten crſolgte zwei Jahrhunderte, bis sie im Jahre 1577 nach dem Tode Erfinders, zu nennen, obwohl wir sie in Schweden 1870 die Entzündung schon früher ; waren die Drähte heiß, des Grafen Stephan Frangevan durch Erbschaft in den in "Göteborgs och Bohuslöns Hushållnings-Säls- so schon bei 8 Amp. Schwieriger erfolgte Entzündung Besitz der Familie Subic Grafen von Brinj gelangte. kaps Förbandingar" und 1878 in Deutschland a , wie bei Gazkohle, sicher erst mit 20 Amp., selbst ein kleiner Nach dem Tode des Grafen Peter Zrinyi (Zrinj), welcher oben angedeutet wurde, im か Deutschen Garten Nr. 38 Lichtbogen bis zu 10 Amp: konnte ohne Explosion unter in die Verschwörung gegen Leopold I. verwickelt war und halten werden. Aehnlich erfolgte die Zündung durch die 1671 auf dem Blutgerilste seinen patriotischen Nebereifer veröffentlicht haben. Diese, namentlich für den Großbetrieb durchaus be Funken einer Leydener Flasche erst beim Ueberschreilen büßen mußte, tonfiszierte die Hammer mit anderen Gütern währte Methode würde der Liebhaber so ungefähr einer bestimmten Schlagweite (bei 2000 qem Belegung bei Zrinyis auch Ozalj und verlaufte es 1710 an den Grafen Funken von über 0,5 mm Länge) ; eine Influenzmaschine Haimund de Billana-Perlas ; von dieser Familie erwarben schrieben wir in unserem P Illustrierten Gartenbuch" dem nur wenig Raum für Spargelbau zur Verfügung ohne Flasche konnte erst bei Funken über 5 mm Zündung es die ungarischen Grafen Batthyány , die es noch heute besitzen. steht, dahin abändern können, daß er sein Beet auf 1,5 m bewirken. Welche historische Erinnerungen knüpfen sich an diese Durch galvanische Ströme glühend gemachte Drähte Breite beschränkt, aber auf jeden Zwischenraum verzichtet. An der Spargelpflanze leben verhältnismäßig wenig in den explosiblen Gemischen lehrten folgendes : Schmel alten Mauern ! Die Nádasdy-Zrinyi- Cattenbachsche Ver. schwörung, welche in Ungarn und Kroatien weit verzweigt Silberdraht entzündete fein Grubengasgemisch . Insekten, und doch lönnen diese recht empfindlichen Schaden zender anrichten, wenn man ihrem Wirken nicht rechtzeitig Ein- Kupferdraht zündete höchstens im Moment des Durchder Aussprache dieses Namens sei beBezüglich 1) schmelzens. Platindrähte von verschiedener Dice ergaben halt thut. Wir nennen deshalb, in der Hauptsache nach wie das sanfte s eben im unserem " Wredows Gartenfreund ", zweite illustrierte Auf- Zündungen verschiedener Gemische bei verschiedenen Tents merkt, daß das 3 im ;Kroatischen sanft lautet lj aber zuſammengejogen wie das (l lage (Berlin 1886 , Siegfr. Cronbach), von den gefäht peraturch; so 3. B. zündete ein Draht von 0,5 mm Worte cuillère. Worte französischen im Dide ein Gemenge 1:14 bei langsamem Strome bei lichsten folgende : 2) Sprich Goriha; c wie tsch; s wie sch. Zuerst die Schmetterlingsraupen , die der 1180 ° ; ein Gemisch 1:10 aber erst bei 17009 ; ein Draht
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H. Umselmann. 565
war, und welcher der letzte Besitzer Ozaljs aus dem Hause Zrinyi zum Opfer fiel, wurde dadurch hervorgerufen, daß nach dem Siege von Sankt Gotthard , den Montecuccoli gegen seinen eigenen und des Hoffriegsrats Willen durch das Ungestüm der ungarischen und fremden Hilfstruppen erfocht, um drei Tage später der Friede zu Vasvar mit den Türken geschlossen wurde , und zwar unter solchen Bedingungen, wie sie nicht ärger hätten sein können, wenn die letzteren Sieger und nicht Geschlagene geblieben wären. Der Friede aber wurde so rasch geschlossen , um Ungarn und Kroaten, welche die Wiener Camarilla fürchteten, in der Zwidmühle zwischen Osmanen und Kaiserlichen zu halten ... Im Sommer des Jahres 1881 wurde der letzte Rest der provinzialisierten Militärgrenze dem Mutterlande wieder einverleibt, und damit fiel endgültig eine Institution, welche, als sie ihrem ursprünglichen Zwecke, der Grenz verteidigung gegen die Osmanen , nicht mehr zu dienen hatte, ein Werkzeug in den Händen der Reaktion war; darum wurden auch so viele Krokodilthränen " um die Grenze" vergosjen. Nun ist das Volk dieser herrlichen, an Naturschätzen so reichen Gegend sich und seinem Vater lande wiedergegeben. Das ehemalige Ogulin Slunjer Grenzgebiet hat nach der 1880er Volkszählung eine Bevölkerung von 149 950 Seelen. Slunj (Sluin ), welcher Ort dem Distrikte den Namen gab, ist zwar nur ein un bedeutender Marktsleden, dagegen in landwirtschaftlicher Hinsicht einer der schönsten Punkte des ganzen Grenzgebietes und von einer Romantit, wie wir sie selten finden (S. 567). Aus der modernen Zeit, oder doch der halbvergans genen, der ja die Grenzinstitution angehörte, führt uns das dritte Bild ins römisch-vannonische Zeitalter. Toplice bei Varasd (Warasdin-Töplik) gehörte nach der politisch militärischen Einteilung Konstantins d. Gr. zu Unterpannonien , der Regio savensis , führte den Namen „Aquae Jasiae, " Thermae Jassae" und später dieBenennung ,Thermae Constantianae". Kaiser Konstantin d. Gr. ließ zu Anfang des vierten Jahrhun derts christlicher Zeitrechnung den durch Feuersbrunst zer störten Badeort mit allen Säulenhallen und der vollen Pracht, wie er ehedem bestand, wiederherstellen und bestimmte den Sonntag zur Abhaltung von Märkten. Eine vor mehreren Jahren ausgegrabene, jezt über dem Schloßportal angebrachte Tafel bejagt hierüber:
Charakter und Handschrift. 567 = 566 stellt, sprudelt | Fuße , zum Teil am untersten Plateau und dem Geauf derunteren hänge eines das schöne Bednjathal gegen Norden abEsplanade der schließenden Hügels erbaut , auf dessen Gipfel die Villa parfartigen Tonimir steht. Das Gebiet , in welchem das Bad WaAnlage her rasdin-Töplitz liegt, gehört zum Kalnifer Gebirgszug. vor. Sie ist Das Interessanteste in geognostischer Hinsicht, was mit antifen Toplice auszuweisen hat, find die neogenen Bildungen römischen, vor aus Kaltsinter, Kalltuff und Schwefelsedimenten. mehreren JahDie neueste Periode dieses Badeortes datiert vom ren aus An Jahre 1822 , da an dessen Wiederherstellung begonnen lag von Fund wurde ; denn im Laufe der Türkenkriege und der vielen aushebungen inneren Wirren litt ebenso wie alles andere auch dieser aufgefunde Kurort. nen , mit sehr Soweit es eben in einem furzen, stizzenhaften Artikel gut erhaltenen möglich ist, habe ich den Leser mit mehreren interes Relieffiguren fanten Punkten Kroatiens bekannt gemacht ; ich könnte geziertenMar aber ein ganzes illustriertes Werk anfüllen mit all dem imorplatten Schönen , was sich von der steirischen Grenze bis an die eingefaßt. Drau- und Savemündungen, von Zagorien, der jogenannten Diese hochgele- Kroatischen Schweiz", bis an die Adria und in den Gegene Quelle hängen der Fruska Gora" bietet. speist durch Die Touristen und Studienreisenden sollten eben Stohrleitungen diesen nahen Orten mehr Aufmerksamkeit schenken ; sie den Haupt- würden sich hierfür reichlich belohnt sehen. rezipienten, Hedsch. die Abküh lungsrefer voirs und von dort alle Bä. der. Um den Charakter und Handschri ft. Kurbrunnen herum bildet Von jich Schwefelschlamm H. Amfelmann. in bedeutenX. dem Umfang In Artifel V unserer Reihe bemerkten wir, dağ und großer Tiefe; doch gleichmäßig gerade Linien auf Energie und Entschlossenheit des Schreibers hindeuten. Zu der That ist die Richwird zum eigentlichen tung der Linien von nicht zu unterschätzender graphoBadgebrauche logischer Bedeutung. Weit mehr als die ganz geraden jener von Linien fallen die von der gedachten Geraden nach oben a KB XA Guschcevet oder unten merkbar abfallenden Zeilen auf. Es ist ein (Guscevec) leicht zu beobachtendes Faktum, daß unternehmende, leb= genommen, hafte, von starkem Mut und starken Hoffnungen getragene Djali (S. 564). wosichin einer Menschen aufsteigende Zeilen schreiben. Das Aufstrebende Schlucht große ihres Wesens drüdt sich als gleichsam in der Richtung Mengen davon ihrer Schrift aus. Nach dem graphologischen Grundsatze, angesammelt daß die entgegengesetzte Schrifterscheinung auch auf gegen haben. teilige psychologische Züge schließen lasse , würde die Die Quelle fallende Linie auf Schwäche, Mutlosigkeit, Wiedergeschlagengibt innerhalb 24 Stunden ca. 75 000 Eimer Wasser heit hinweisen. Wiewohl sich dies so verhält, so darf eine von einer Temperatur von +45 bis 460 Réaumur, ge- Bemerkung nicht zurüdgehalten werden : gleichmäßig und eine überhaupt nicht hört also zu den heißesten Thermen. Das frisch ge- in gerader Linie fallende Zeilen schöpfte Wasser ist flar 1) und farblos. Der Geruch nach häufige Erscheinung, denn sie gehen im allgemeinen sehr Hydrothion ist start, der Geschmack fade, laugenartig. In gegen die Hand - entspringen wohl auch gewissen Angewöhnungen des Schreibenden. So hat sich Alexander tausend Teilen des Wassers sind enthalten : Firer Rückstand 0,7933. Eisenoxydul . 0,0036. v. Humboldt auf seiner großen Forschungsreise in SüdSchwefelsäure 0,1775. amerika angewöhnt (weil ihm eine andere Unterlage in 0,1337. Ralferde Chlor 0,0772. Magnesia . 0,0450. der Regel nicht zur hand war), auf den Knieen und in0,0203. folgedessen in start abwärts ridenden Linien seine AufSchwefelwasserstoff 0,0075. Kali 0,1311. jeichnungen zu machen. Es wäre also hier und in ähn= 0,4729. Natron . Kohlensäure Kupfersäure 0,0484. Spuren von organischen lichen Fällen nicht am Plate , eine graphologische Vedeutung suchen zu wollen, wo nur der Zwang äußerer Thonerde 0.0013. Substanzen. Bei gichtischen-rheumatischen Leiden, chronischen Haut- Umstände zur Annahme einer unter veränderten Verfrankheiten, Metaldyskrafien 2c. be währte sich Toplice jederzeit ganz aus gezeichnet. Der Bade ort liegt im Warakdiner Komitat 14 Stunden von der gleich namigen Stadt entfernt und ist von der Eisenbahn itation Tscha fatún (Cakovec , Csáktornya) mittels Stell wagen am leichtesten zugänglich. Der Marktsleden Toplice zählt etwas über 1000 Einwoh ner, ist am W
IMP. CAES. FL. CONSTANTINVS. PIVS. FELIX MAXIMVS. AVG. AQVAS . TASA. OLIM VI. IG. NIS CONSVMPTAS CVM PORTICIBUS . ET. OMNIBVS ORNAMENTIS . AD PRISTINAM. FACIEM RESTITVIT. PROVISIONE ETIAM, PIETATIS. SVE NVNDINAS. DIE SOLIS. PERPETI. ANNO, CONSTITVIT. CVRANTE VAL. CATULLINO, VP. P. P. P. P. SVPER .
Slunj (S. 565).
1) Die Schwefeltherme hältnissen gleichwohl beibehaltenen Gewohnheit führte. Die Hauptquelle dieses in der Neuzeit wieder start be. | Toplice von Dr. Alesis Ratovec. Wien 1863, Hofbuch . Nr. 68 zeigt eine gerade, ohne Linienblatt geschriebene fuchten Badeortes, welche unsere 3llustration (S. 570) dar- handlung von Wilhelm Braumüller. Zeile, Nr. 61 eine steigende, Nr. 65 eine sinkende.
£. v. Pröpper.
568 Abweichend von der wagerechten, von der aufsteigenden und der sinkenden Linie, deren Basis bei allen dreien eine Gerade ist, erscheint die Schlangenlinie , deren Basis, wie die Bezeichnung sie ausdrückt , eine (und zwar einIn
allfeing als Zeitschrift. Fig. 63. fach oder mehrfach) gebogene ist. Erklärung und Deutung find, wie die Erfahrung lehrt , doppelte. Einmal ist es bie Schwäche, welche sich außer stande sieht , eine gerade Linie inne zu halten; andererseits brüdt sich eine gewisse
Fig. 6 .
Beweglichkeit und Schmiegsamkeit des Geistes in dieser Form aus. Wenn sich in einer Schrift die Zeichen der Güte, der mangelnden Energie mit der gebogenen Linie zu sammenfinden, so erscheint die letztere als ein entschiedenes
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Fig. 65. Moment der Schwäche; tritt dagegen zu dieser gebogenen Linie das Zeichen der Verschwiegenheit, der Lift hinzu, so haben wir dieselbe zweifellos als die Fähigkeit auszulegen, fich den gegebenen Verhältnissen flüglich zu fügen und zu schmiegen. Nr. 66 zeigt einige Schlangenlinien; die Schrift zeigt die Zeichen der Güte. Wie man sich aus dem Vorhergehenden leicht zurecht Legen fann, zieht der Graphologe unliniiertes Pavier dem liniierten vor. Es läßt sich zwar nicht selten fonstatieren, daß energische Leute, die in aufsteigender Linie schreiben, sich nicht an die gezogene Linie halten, sondern sehr bald
Aus Küche und Haus. 569 570 mit vertikaler Schrift weniger reizbar, weniger lebhaft, | trauen, wenig goût aristocratique. Gegensätze des in Folge dessen auch gleichmäßiger und ausdauernder sind, esens sind unverkennbar. Ein gewiffer origineller, ge= als solche mit schiefer Schrift. Wenn diese Leute nun suchter, oder wenigstens bewußter Zug bei einfachem Wesen. Mehr Phantasie als scharfer Verstand. Toni in B. Nachlässig und zerfahren , Geschmad besetzte und Feingefühlauffallend. nicht sehr Schärfe, entwickeltaber , daher Gitelfeit Men unangenehm feinedie Energie; lebt gerne gut und verschwendet leicht. ... Philadelphia. Als graphologischen bis dato de Wegleiter empfehle ich 3hnen : Traité pratique de Graphologie par J. Crépieux-Jamin, Paris, Marpon et Flammarion, Rue Racine 26. Freilich ist, wenn auch weitschweifiger, bedeutend flarer: Jean-Hippolyte Michon : 1 ) Système de Graphologie, 2) Méthode pratique de Graphologie , Paris. Seien Sie mit den graphologischen Urteilen , die Sie in befr. Fällen gerne Fig. 68. anwenden würden , ja vorsichtig und lassen Sie längere und sorgfältige llebungen in der Handschriftendeutung sehr selten eine steigende oder sinkende oder eine geschlän vorausgehen. Sie sind lebhaft, nicht ohne Phantasie, gelte Linie aufweisen , so erklärt sich das aus ihrer größeren doch sind Sie fein produktiver Kopf. Praktisches GeRuhe und Gleichmäßigkeit. Auch der Abstand der ein- schid , eigentümliche Mischung von Güte und Strenge, zelnen ausgesprochenes Billigkeitsgefühl , etwas mißtrauisch. Zeilen ist Selbstbewußtsein, namentlich in geistiger Beziehung. Sollfür den ten Sie nicht auch hie und da ein bißchen flunkern ? Grapho ., . P.-H., M. K.-H. Proben Ch. logen von zu flein. Wichtig Anna T., Stettin. 1) Sie: Klar , einfach , be teit. Grund Klare scheiden, etwas fühl oder doch zurückhaltend. Leicht lentſ Köpfe bar, leicht den Stimmungen unterworfen, Sinn für Ordnung. 2) Er: Geschäftshand , die wenig erkennen läßt. Lassen in Rasch und etwas flüchtig , nicht ganz offen , praktisch), der Re- Widerspruchsgeist. gel unbe , St. M- cz. Die Schrift ist zu falligraphisch), wußt natürlich, denn die Schrist ist überhaupt ein un- um B. sich recht zur Beurteilung zu eignen. Gut, Sinn bewußter Ausdrud der Individualität , so großen Raum für Kunst ; Ehrgeiz und Eitelkeit. zwischen den einzelnen Zeilen , daß sich die Bestand C. Br. in München. Einfach , flar und gleich. teile derselben nicht berühren, d. h. die unteren Bestande mäßig, wenig Phantasie, etwas pedantisch. Etwas nervös teile der ersten Zeile nicht in die oberen Teile der zweiten schwächlich. Vorsichtig, etwas eigensinnig. hineingreifen. Wenn dies jedoch geschieht, so ist immer und Otto M., Greiz. Geschäftshand, aber nicht ohne noch zweierlei möglich entweder seht der Schreiber vor charakteristische Merkmale. Praktisch, sieht auf Geld, dem herunterragenden Teil der ersten Zeile ab und fährt Energie nicht lange , eigensinnig , keine Phanerst hinter demselben wieder fort, er weicht ihm also mit tafie, nichtern, etwasvorhaltend materialistisch . anderen Worten aus, oder aber, er schreibt durch den R. Barmen. Arth., Intelligen t , aber sehr geselben hindurch weiter, als ob er völlig leeres Papier sucht und eitel, etwas flüchtig und ein bißchen zu Uebervor sich hätte. Sobald dieses Zeichen mehrfach vorkommt, treibungen geneigt. Mehr Phantasie als scharfer Verdeutet es auf Untlarheit, Konfusion. stand, ungleichmäßig. Ein ungewöhnlicher , auffallend großer Abstand der Wiesbaden, feiner Beziehung P. St., H. H. In Zeilen deutet hervorragende oder ausgeprägte Individualität, tlar und noch auf einen gleichmäßig, Schrift zu sehr ad hoc geschrieben . speziellen Cha= Crus. Gr. , Prag. Lebhaft , der Stimmung sehr rafterzug, nam unterworfen, flar, schlagfertig. Lehrer- oder Kaufmanns. getr lich auf sehr ein Nervös, sehr aufgeregt, etwas scharf. agen starkes Selbstge= hand.Lolo, Hamburg. Intelligent , flar, energisch, fühl. Wir finden felbstbewußt, lebhaft. Neigung zur Despotie. Eigenes aber blog bei finnig, unter Umständen zurückhaltend. Einn für Stunit hervorragend begabten Menschen , und da wirklich als einziges Zeichen dieser Eigenschaft. Wir erklären dics oder Wissenschaft. Sinn für Auftreten und Repräsen dahin , daß wirklich bedeutende Menschen ein zu hohes tation. P. F. in Büchenb. Eine Schrift, welche neben sehr Gefühl und einen zu klaren Verstand haben, als daß sie großem persönlichem Selbstbewußtsein Materialismus, her die tleinliche Eitelkeit aber auch Phantasie bei geringer Gemütstiefe gewöhnlic Egoismus Köpfe und ihre Zeichen in der Schrift wie im Leben befäßen : das auf die erwähnte verrät. Ein, gewisser Zug des Gesuchten macht sich geltend. hl Weise zu Tage tretende Selbstgefü bezieht sich eben nur
Wri
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Probe vorzuten . bitte notcherlen
Ichocha mchtErbscheidung meter .
Fig. 66. von derselben nach aufwärts abweichen, während die jenigen, die in finfenden Linien schreiben, nicht leicht unter die gezogene Gerade fallen. Aber nach einer häufig gemachten Erfahrung schreiben schwache, unselbständige Personen mit Vorliebe auf liniiertes Papier und halten fich dann sorgfältig an die gezogene Linie , wogegen sie auf unliniiertem Papier in einer einfachen oder sogar mehrfachen Bogenlinie schreiben . Aus diesem Grunde sicht , wie gesagt, der Graphologe nicht nur unliniiertes Papier lieber , er legt sich auch die Frage vor , ob bei liniiertem extra ein Liniierblatt angewendet worden sei, eine Frage, die sich nicht nur aus dem Charakter der Echrift leicht beantworten läßt, sondern auch aus der
aujourd'hui
Je
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Ide fours Fig. 67.
Betrachtung der Zeilenabstände ; eine vollständige Beobach tung immer gleichen Abstandes lägt sich ohne Linienblatt nicht erreichen. Wir konstatirten in einem früheren Artikel, daß Leute
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Fig. 69.
auf den geistigen Wert, auf die geistigen Schöpfungen des Betreffenden. Die gewöhnliche Eitelkeit zeigt sich durch große und überladene Buchstaben, durch Schnörkel, das neistige Selbstbewußtsein, das nach außen mit großer Bescheidenheit verbunden sein kann , wählt nichts Auffallendes. Nr. 67 zeigt uns verschiedene Male, wie die folgende Zeile vor dem herunterreichenden Teile der vorhergehen den absetzt, 3. B. vor dem I machen jours und ilRaum, d. h. sie rahmen es ein; wegen i in aujourd'hui be ginnt die zweite Zeile später. Nr. 68 zeigt einige Fälle, wo ineinander geschrieben ist ( vielbejehtedes "). Fig. 69 zeigt die sehr großen Abstände in der Schrift eines berühmten Gelehrten. Zur Beurteilung eingegangener C Handschriften. O. 2. in Nottenh. 6. Sch. Intelligent und gutmütig, aber etwas sinnlich und derb, steht leicht unter der Herr. schaft seiner Stimmun gen, daher Energie ungleich. Offen und ehrlich. Wenig Mig-
Bus Küche und Haus. Von 1. von Pröpper. November. Muschel.Suppe. Man schneide eine Zwiebel und Wurzelwerk in kleine Würfel , röste es in Butter und füge eine Flasche Weißwein, Pfeffer und Salz hinzu, und wenndies focht, fünfzig aufs sauberste gewaschene Muscheln; toche sie unter häufigem Umschwenken so lange, bis sie völlig geöffnet sind , schütte sie auf ein Sieb und nehme sie aus den Schalen , beputze sie sorgfältig und stelle sie beiseite. Mache nun eine weiße Einbrenn (Mehlichwitc), gieße die Duschelbrühe und noch Bouillon daran, lasse bies langsam an der Seite des Feuers eine Stunde fochen,
Hauptquelle in Toplice (S. 565).
3
Die Orthographie. Für unsere Hausfrauen. Der gestirnte Himmel. – Die Kunstbeilagen . Opfer der Berge. 572 571 573 kürzester Zeit bereitet werden. Derselbe wird in folgen= schäume und entfette sie und ziehe sie mit vier Eidottern Für unsere Hausfrauen . geliefert : und 1/4 1 Rahm ab , gebe sie durch ein feines Sieb und Eierwärmer von Fayence. Mit Hilfe des neben- den Größen die Muscheln hinein. für 1-2 3-5 4-10 8-20 Eier u . f . 10 . Jüs-Pastetchen. Man nehine 12 kg Rindfleisch, stehend abgebildeten Eierwärmapparates ist es möglich, Preis 1.75 2.50 3.50 10 f. 1/2 kg Kalbfleisch und 1 kg Schinten ohne Fett, alles in gefochte Eier auf der Tafel warm zu erhalten. Eier Diesich befinden in Sämtliche Neuheiten vorrätig bei Karl Hirſch & Co., kleine Stücke geschnitten, und dämpfe sie in 1 kg Butter einem geschlos= Berlin W., Leipzigerstr. 2 . gelb ; gebe Sellerie, Petersilienwurzel und Möhren , von Raume senen jedem zwei Stücke, vier Gewürznelken, ein Stüdchen Muss und sind vor Der geßirnte Himmel im Monat tatblüte und gute Bouillon daran und lasse_ez_kochen, der äußeren bis das Fleisch weich und die Brühe auf 3%18 1 eingefocht November. Temperatur ist, und presse sie durch ein Sieb. Verklopfe nun zwölf geschützt ; man In diesem Monate fulminieren um Mitternacht im Eidotter, gieße die Jüs dazu und die Mischung dann durch außer fann der östliche Teil des Widders und der westliche ein Haarsteb; bestreiche Taffen mit frischer Butter , fülle dem noch et= Süden sie halbvoll und setze sie in kochendes Wasser, einen Dedel des Stiers ; beim Zenith der Perseus und unter dem Pol was warmes der kleine Bär, Drache und Herkules. Von den Planeten init Kohlen darauf, bis die Pastetchen fest sind und sich Wasserhinein ist Merkur gegen Ende des Monats als Morgenstern kurz stürzen lassen ; stürze sie, bestreue fie oben stark mit magerem gießen und vor Sonnenaufgang zu sehen. Venus erscheint als hell . gefochten Schinken und Petersilie, beides fein gehadt, und dadurch zu glänzender Sehr fein und doch kräftig. serviere gleich . Morgenstern und ist schon 4 Stunden vor verlässig cin Sonnenaufgang zu sehen . Mars geht gegen 1 Uhr morein schönes, habe Man . Ungarisches Rindfleisch Erfalten ver= gens auf und tommt am 10. gegen 9 Uhr abends in Kons wohl durchwachsenes Stück Rindfleisch, entferne aber das hüten. Jedes junttion mit dem Monde. Jupiter tommt am 9. in Koncigentliche Fett und alles Häutige und schneide es der Ei liegt in junttion mit der Sonne und ist deshalb unsichtbar. SaFaser nach zu großen, recht dünnen Scheiben , die man einer besonde turn wird immer besser sichtbar, schon um 9 Uhr geht er auf mit dem Fleischhammer noch dünner klopft und dann der Schale, sound tommt um 5 1hr früh in den Meridian. Am 8. ren Quere nach in zwei bis drei Teile schneidet. Hat man daß Aneinans tritt das letzte Viertel ein, am 15. der Neumond am 21 . 3 kg Fleisch genommen, so stelle man einen Eklöffel Salz , derschlagen das erste Viertel, am 30. der Vollmond. In den Nächten einen gehäuften Theelöffel gestoßenen weißen Pfeffer, einen und Zersprin des 11. bis 15. finden , aus dem Sternbilde des großen Theelöffel ganz fein gestoßenen Kümmet, vier mittelgroße gen der Eier Löwen ausstrahlend, Eternschnuppenfälle statt, ebenso um Zwiebeln und drei Zehen Knoblauch , beides fein gehadt, ausgeschlossen die Zeit des 24., vom Sternbilde der Andromeda ausgehend. zurecht und belege nun eine nicht zu weite Form mit ist ; auch liedünnen Schinkenscheiben und gebe eine Lage von den NindEierwärmer. gen sie dadurch fleischscheiben hinein, cine dicht neben die andere gepaßt, stets iroden. Die Kunstbeilagen daß es wie ein einziges Stück erscheint ; darauf sircue man von den bereitgestellten Zuthaten, lasse eine Lage Fleisch Die Menage ist aus Fayence hergestellt, dekoriert und dieses Heſtes bieten cinc glückliche Auswahl der verſchiedengeschlossenem Zustande stellt einen Stoß Teller vor, die sten Stoffe, aber in in jedem einzelnen Blatt dokumentiert ver; folgen und fahre so fort, bis alles Fleisch darin iſt schließe die Form mit einem ganz passenden Deckel , setze übereinandergestellt zu sein scheinen. Preis für 8 Eier sich ein bedeutendes können und jedes fesselt in seiner 7 Mt. 50 Pf. und für 12 Eier 12 Mt. fie in gut geheiztem Backofen (Röhre) auf einen niedrigen Weise. Lieblich und anmutig tritt uns П Das Röslevo m Vernickelter Hebelkorkzieher. Einen einfachen, aber Schwarzwald" entgegen, in dessen Augen Paul ThuDreifuß, dämpfe die Masse vorerst im eigenen Safte und gieße hernach etwas Bouillon daran . Währenddessen zwedmäßigen Kortzieher zu schaffen, der ein leichtes Handsmann eine solche Wärme und Tiefe der Empfindung geröste man einen Eklöffel feinstes Mehl in 60 g Butter haben mit Solidität und geschmackvoller Ausführung vers legt hat, daß sie den Beschauer immer von neuem reizen, dunkelgelb, verrühre es mit 4 1 Bouillon und thue c seinen Blick auf sie zu wenden . Allerdings dürfte dicſes Nösle zu den Fleische . Nach zwei Stunden wird es fertig sein, das einzige seiner Art im Schwarzwald jein, aber um so Ъ mehr freuen wir uns , c3 zu jedermanns Augenweide herſtellen und man legt dann einen Teller fest auf das Fleisch, läßt zu können. Albert Ricgers „ Eine Schredensdie Sauce ablaufen , die man sogleich wieder heiß ſtelt, nacht" bringt eine padende Scene aus dem Reiche der nimmt und flürzt das Fleisch auf eine erwärmte Schüssel, die Schinkenscheiben ab, garniert das Fleisch mit Citronengewaltigen Natur mit unwiderstehlicher Kraft zur An= scheiben und einem dichten Kranz von gebratenen Karschauung. Der Vorgang selbst findet ſeine Erklärung in töffelchen und serviere die wohl abgefettete Sauce in einer der gleichnamigen Novellette des Marinepfarrers Heims Sauciere dazu. auf S. 180 dieſes Heftes. Der Franzose H. Motte wählte Die Kartöffelchen steche man, in Wallnußgröße, aus für sein Bild einen Vorwurf aus dem Kultus des Vaal, großen Kartoffeln aus, wasche sie und trodne sic auf einem jencs Gottes, der besonders in Babylon und Phönizien Tuche; gebe dann, zehn Minuten vor dem Anrichten, abverchrt wird. Die Phönizier ſtellten ihn in menschlicher Hebellortzieher. geklärte Butter in eine flache Pfanne (Sautierpfanne), Geſtalt dar, in Kriegstracht, die Tiara mit Etterhörnern Lasse sie heiß werden und thue die Kartöffelchen ' hinein, geschmidt. Auch machte inan von ihm ein gräßliches schwinge sie oft und lasse sie goldgelbe Farbe nehmen, Bild in Erz, stierköpfig , die Arme ausgestrect , um die aber nicht zu rasch braten , damit sie nicht etwa braun Menſchenopfer zu empfangen, die ihm dargebracht wurden werden Schütte sie auf einen Seiher , bestreue sie mit und die dadurch , daß man die hohle Figur zum Glühen brachte , verbrannten. Einen ähnlichen Vorgang will feinem Salz und richte an. Sauerkraut mit Kramtsvögeln . Man brate Molte auf ſeinem Bilde darſtellen. Nur liegt hier das a Kramtsvögel, drei auf die Person gerechnet , in gewöhnOpfer auf dem Schoße des Gottes , zu deſſen Füßen licher Weise , mit Butter , Wacholderbeeren und Rotwein zwei Löwen Wacht halten , um die Unglüdlichen von Ein Bild voll Leben recht saftig, löse dann gleich die Brüstchen aus und stelle bindet, gehörte schon lange zu den Hauptaufgaben unserer dem Herabspringen abzuhalten . fie, mit gebuttertem Papier bedeckt, beiseite. Alles übrige Industrie, und freuen wir uns, endlich einem Apparate und Bewegung ist Boutignys „ Ein heißer Tag ". mit Ausnahme des Magens wird im Mörser gestoßen, begegnet zu sein, der alle diese Vorzüge in sich vereinigt das eine Episode aus dem Ariege von 1870/71 darstellt. nebst der Sauce der Vögel und etwas Bouillon oder Not: und dessen verhältnisz | Es handelt sich um die Erſtürmung einer von Deutschen wein durch ein Sieb getrieben und zu einer kurzen Sauce mäßig billiger Preis befeßten Höhe durch die Franzosen, und wenn auch) dem (2 Mr. 50 Pf. per Anschein nach die letteren über die ersteren ſiegen, so kann aufgekocht, in der man, aber vor dem Anrichten, die Brüftchen gut heiß werden läßt. Stüd) die Anschaffung man doch dem Künſtler das Zeugnis nicht verjagen , tein Nun habe man recht fein bereitetes , kurz und weich jedem Haushalte iögs Tendenzbild_gemalt zu haben und bei der Verteilung von gedämpftes Sauerkraut , drüde es fest in eine drei Queré lich macht. Die Hands Licht und Schätten gerechter geweſen zu sein, als die meiſten finger hohe Ringform (Moule à bordure), stürze es auf habung ergibt sich deutz | seiner statt des Pinjels die Feder führenden Landsleute, lich aus der Skizze. Der eine erwärmte Schüssel, hebe nach einer Minute die Form Kleine Apparat ist fein ab und richte das Kramtsvögelfalmy gehäuft darin an. Opfer der Berge. vernickelt , also hauptWildschweinschlegel auf französische Art. sächlich zur Benutzung May lege ihn einige Tage in weißen Wein , wende ihn Die Unglücksfälle bei Vergbeſteigungen in der Schweiz öfters um und brate ihn dann mit Butter und Speck bei Tische bestimmt, und haben sich in diesem Sommer in geradezu schredenerregender auf beiden Seiten goldgelb ; gieße von dem Wein, worin außerdem zusammen- Weise gemehrt. Dem furchtbaren Ereignis auf der Zunga er gelegen, etwas Rotwein und eine halbe Taſſe Bouillon ALOWES legbar , ſo daß er auch | frau, das ſechs Menſchen_beim Abſtieg von der Spize des daran und füge eine zu Scheiben geschnittene Zwiebel, PATEN in der Tasche, alſo als Verges nach dem Roththaljattel das Leben kostete, ſind sowohl einige Schalotten und ein Sträußchen Petersilie hinzu, lasje Taschenkortzicher Ver- andere Unglücsfälle vorausgegangen wie gefolgt. Eine Zuihn so zwei bis drei Stunden dämpfen und ziche , eben wendung finden kann. | jammenstellung , die bis in die erste Hälfte des Auguſt vor dem Anrichten, die Sauce mit einem halben Eßlöffel Neuer patentier. | reicht, neunt 23 verunglüdte Touristen, von denen 18 tot Mehl und ein wenig Bouillon ab . — Originalrezept ter Schneeschlagappa- | aufgefunden wurden . Die Toten verteilen sich auf die aus Montmédy , 1871 , mitgebracht vom Nome rat. Die erfinderische einzelnen Dertlichkeiten wie folgt : Sungfrau (Bern) 6. mandanten von Montmédy , Hauptmann v. P. Fabrikation hat uns Fallnis 3, Morteratschgletscher (Graubünden) , Molejā. Brennender Früchte - Pudding (Vejuv). Màn Häufig schon derartige (Waadt), Gantriſt (Vern) , Leißigergrat (Bern) , Säntis gieße über zwei bis drei geriebene Weißbrötchen 1/1 füßen Apparate geliefert, (Appenzell), Kaiſered (Freiburg), Dent de Corjan (Waadt), Nahm und füge 60 g abgezogene, fein gestoßene Mandeln welche uns die Arbeit | Schächenthal (Uri), Diablerets (Wallis), je 1 Toter. Daß und 60 g gestoßenen Zuder hinzu ; laffe es auf gelindem des Schneeschlagens er diese Unglücksliste allen Unberufenen und Leichtsinnigen Feuer zu einem seinen Teig abdämpfen und dann abs leichtern sollten; doch eine Warnung würde! bedurfte man hierzu fühlen. Unterdessen rühre man 60 g Butter zu Schaum immer noch eines beund, nach und nach , zwei Eier und drei Eidolter hinein, Die Brthographie sonderen Gefäßes, und hierauf den Weißbrotteig und rühre es kräftig ; schneide Succade , eingemachte Nilſſe , eingemachte Reineclauden, häufig eines in der ist heute in Deutschland ein wunderliches und vielgeſtaltetes eingemachte Kirschen und Datteln (von jedem 15 g) zú Form passenden Ges Ding, und mancher , der glaubt, sich mit ihr der besten Würfeln, gebe es zu der Maſſe und zuletzt den festen fäßes , weil sonst der Beziehungen rühmen zu dürfen, begeht in dem Verhältnis Schnee nicht gelingen zu ihr , wenn sie offiziell auftritt , Verstoß auf Verstoß. Schnee von drei Eiweiß; bestreiche nun eine glatte Pudding. wollte. Der hier ab. Aber dem Manne kann geholfen werden, und zwar durch form, welche in der Mitte einen dicen Zapfen hat , mit Butter und füllte die Puddingmaſſe hinein , koché sie eine gebildete Apparat ver- | das vorzügliche Wörterbuch der deutschen Sprache Stunde und stürze den Pudding, gieße heißen Num in den einigt nun Gefäß und von Kourad Duden , welches eben jetzt in dritter vermehrter Schneeschlagapparat. leeren Raum und lege einige Stücke Zucker hinein, zünde Schneeschläger in einem Auflage im Bibliographischen Institut in Leipzig erschienen den Num mit einem langen Fidibus an und serviere gleich. Stüd , das Eiweiß wird oben in die Blechbüchse gethan, | iſt. Es enthält an 45000 Worte, die es nicht nur nach) orter- Bowle. Man schneide zwei Citronen in der siebartige Kolben hineingesteckt und die Büchse vers Schreibung, Artikel und Pluralbildung feststellt , sondern ganz dünne Scheiben und lege sie, nachdem die Kerne ent- mittelst des Deckels_verſchloſſen; sodann führe man die | oft auch mit Sacherklärungen, und wenn es sich um Fremdfernt worden, in die Bowle, streue etwas Muskatnuß , Kolbenstange , welche oben am Holzknopf angefaßt wird, worte handelt, mit Verdeutſchungen versteht. Das Buch) eine Prise gestoßenen Ingwer und eine Priſe Salz darüber wiederholt schnell auf und nieder. Der ſiebartige Kolben ist seit ſeinem ersten Erscheinen ein unentbehrlicher , viel und übergieße sie mit ½ 1 Sherry und 11 Porter, ſtelle | zerteilt auf diese Weise das Eiweiß binnen einer Minute | benutter, immer dienstbereiter Freund gewesen, den wir je es talt und mische im Augenblick des Servierens zwei zu festem Schnee, resp. Schaum ; in gleicher Weise kann | dem, der überhaupt schreiben muß, angelegentlich empfehlen. Flaschen Champagner darunter. in dem Apparat Schlagsahne , sowie auch Butter in
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Geographisches Rätsel. In jedem der nachstehenden Sprüche in Reimen" von Goethe ist der Name eines Flusses enthalten. Die Anfangsbuchstaben dieser Namen geben, richtig ge= ordnet, einen Frauennamen. 1. Laß nur die Sorge sein, Das gibt sich alles schon, und fällt der Himmel ein, Kommt doch eine Lerche davon. 2. Willst du dir aber das Beste thun, So bleib nicht auf dir selber ruhn, Sondern folg' eines Meisters Sinn; Mit ihm zu irren ist dir Gewinn . 3. Thu nur das Rechte in deinen Sachen; Das andre wird sich von selber machen. 4. Aus tiefem Gemüt, aus der Mutter Schoß Will manches dem Tage entgegen ; Doch soll das leine je werden groß, So muß es sich rühren und regen, 5. Geht's in der Welt dir endlich schlecht, 3. Thu was du willst, nur habe nicht recht.
Bweihlbiges Rätsel. Ach, er hat mein 1. gestohlen ! Eigentlich gebührt ihm 2. Doch ich fürcht' ihn nicht! Gestehet , daß ich sehr das Ganze sei!
Homonym. Fehlt es auf der Meeresflut, Wird's die Fahrt erschweren. Sie fönnt' ich zu Lande gut entbehren! Dwie gut!
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Rätsel-Sonelt. Zum Ersten unsre Ahnen sind gezogen Mit frohgeschwellter Brust und ohne Zagen, Denn wenn sie fielen, wurden sie getragen Von Götterjungfrau'n, daß der Schmerz verflogen. Mein Zweites ist ein Raum, darin betrogen Wird oftmals schwarze Nacht durch helles Tagen Bei frohem Zechgelag, daß inöchte fragen Man oft, ob noch genug nicht ward der Luft gesogen. Mein Ganzes droben in den Himmelsräumen Einst zu erlangen, war der Krieger Streben, Um dort zu sein, wo ew'ge Götter thronen. Und auch der Donau blaue Wellen schäumen. Am Fuß des Berges, drauf zu ew'gem Leben Ein Fürst mich schuf, um das Verdienst zu lohnen. E. &.
DOPEN
Wir sind zu unserem Bedauern genötigt , die im vorigen Hefte versprochene Verlosung von Breisen für die Löser des Preisrätsels zurückzuziehen , da ein seitdem publiziertes Erkenntnis des Reichs. gerichts darthut, daß solche Verlosungen Lotterien gleichzuachten und daher strafbar sind. Die Redaktion.
Lösung von Nr. 39. Kf4 - e5 : 1....... 1. Dal - h1 Sf2 -h1: 2. Se5 - d3 . 2. Dh1 - h2 . Lf - d5: 1 ........ 1 ......... Sf2 - g4 : 2. Dhi - e4 . 2. Se5 - g6 . 1....... beliebig. 2. Dhi - h2 : R Lösung von Nr. XXXI. Kd6 - c5 : 1........ Sd5 -e7 1. Tc2 - c5 2. Des - d7 : Sd5 zieht 2. Des - b8 + Kd6 - c5 : Zweiflbig. 3. Dbs - b6 . 3. d2 d4 . Sa7 - c6 1....... Die Erste, merket, ist nur ein 1...... beliebig. furzes Wort, 2. Tc5 - d5 + Kd6 - c7 2. De8 -e5 - e5 + beliebig. Das gern mit einem längern fid) 3. Td5 - d7:. 3. Tc5 - d5 :, De5 - d5 : . verbindet; Eingelaufene Lösungen. Die Zweite entfernet immer von dem Ort, Nr. 37 wurde gelöst von Emil de Lemos , Felig An welchem man gerade sich be- Caspary in Berlin, C. Spit in Freiburg i . B., G. Weiler findet; in Vernaun, Ant. Sahrholz in Lorch, S. Lo bl in München. Das Ganze wirddir oft die Köchin XXIX wurde gelöst von Felix Caspary in Berlin, reichen, S. Loibl in München, Ant. Sahrholz in Lorch, G. Weiler K Erscheint's in der Straße, mußt in Vernaun. du entweichen! 3. XXX wurde gelöst von G. Weiler in Vernaun, S. Loibl in München. K Nr. 38 wurde gelöst von S. Loibl in München, Buchstabenrätsel. Fürchtegott Mitschilen in Nufringen. K Vier Zeichen nennen dir eine Stadt Im Deutschen Reiche, schön gelegen ; Skat- Aufgabe Nr. 25. B Ein Zeichen noch und oft in mir B (Mittelhand) tourniert mit den folgenden Karten : stedt Pique-Bube, Coeur-Bube, Treff-10, Treff-Dame, Pique-10, Des Geldes ungezählter Regen. Pique-König, Coeur-10, Coeur-Dame, Carreau 10, Car 3. reau-Dame. B tourniert Treff-Aß, nimmt als zweite Karte PiqueAbrich -Rätsel. Aß auf und legt Coeur- 10, Carreau- 10. Joachim. Moderato . Bellini. Nanini. Dorpat. Die Karten sitzen so ungünstig , daß die Gegner Viotti. Nimm von jedem der vorstehenden Wörter eine 74 Points erhalten, che B an den Stich tommt. Einer der Silbe , so erhältst du eine berühmte Sängerin der Gegen beiden Gegner hat viermal, der andere zweimal Atout. art, A (Vorhand) hat in seinen zehn Karten 9 Points 3. P. mehr als C (Hinterhand). Rätsel. Wie saßen und wie fielen die Karten? it auch die Erste dein Leid, blid' auf mit freudiger Zweiten! Siche, die Hoffnung wehrt, daß du dem Ganzen verfänst! Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 24. B (Mittelhand) hat: Zwei Buben , viermal Pique und viermal Coeur. Schach-Aufgabe Nr. 40. Chat: Zwei Buben, sechsmal Treff und zweimal Von J. Drtina in Hnevjině. Carreau. ABCDEFGH Im Stat liegt zweimal Carreau (Dame und Sieben) . Erster Stich: Pique-Aß, Pique-7, Carreau-Bube. Zweiter Stich: Treff-7, Treff- Aß, Coeur-Bube. 8 8 Dritter Stich: Coeur-7, Treff-Bube, Coeur-König. Vierter Stich: Treff-10, Carreau-König , Coeur-Dame. 77 Fünfter Stich: Treff-König , Pique- König , PiqueDame. Sechster Stich : Treff- Dame, Carreau 10, Pique-9. 6 6 Siebenter Stich: Treff-9, Coeur-10, Coeur 9. Achter Stich: Treff-8, Pique-10, Coeur-8. 5 Neunter Stich: Carreau-8, Carreau- Aß, Pique-Bube. 5 Zehnter Stich: Pique-8, Carreau-9, Coeur-Af oder 4 4 Achter Stich : Treff-8, Coeur-Aß, Pique-8. Neunter Stich: Carreau-8, Carreau- AB, Pique-Bube. 3 Zehnter Stich: Coeur-8, Carreau-9, Pique-10 3 oder Achter Stich: Treff 8, Carreau . AB, Pique - 8 resp. 2 2 Coeur-8. Neunter Stich: Garreau-8, beliebig, Coeur-8. Zehnter Carreau-9, Stich: beliebig, Pique-Bube. 1 1 Anmerkung: In einem Fall wird der Spieler nicht schwarz ; wenn er nämlich die Farbe, die im Talon A B C D E F G H liegt (hier also Carreau), anzieht , dann erhält er auf Garreau den letzten zehnten Stich und wird nur Schneider. Weiß. Weiß zieht an und setzt in drei Zügen matt. Auflösungen zu Heft 1 , s. 280-82. Homonym: Spitz, Rausch, Hund, Cigarrenspitze. Schach-Aufgabe in Typen XXXII. Akrostichon : Aller Anfang ist schwer!" Von Eugen Eberhard in Göttingen. Ameise Leid Laster Ewald Rece Aar Nadel Frost Weiß: Ke7. Db8. Tb5. Ld2. Sc5, e5. Bb4, e6. Aida Nacht Grad Jokrates Schwarz: Kd4. La2. Sf2. Stand Tauber Sturm Culm Weiß zieht an und setzt in zwei Zügen matt. Детов Wolga Erebus Rast. Geographisches Zahlenrätsel : Detmold, Rebus. Hanau, Siegen, Heidelberg, Memel, Hamburg, Koburg, Bayreuth, Torgau. (Magdeburg.) Windmühlenrätsel: Charade: Zucht E haus. Zweisilbige S Charade: MannA weib. Arithmo H gryph: Ivanhoe, ELLE + EBER Titeleines Romans B von Walter Scott. E Anton Rubinstein, I berühmterVirtuoje EYSHEH L und Komponist. Ende gut, alles gut, befanntes deutsches Sprichwort. Adelina Patti, gefeierte Sängerin. Andersjon, Sieger in vielen Schlachten auf dem Schachbrett. Erster deutscher Statfongreß im August dieses Jahres in Altenburg. Togogryph. Mein Anblid macht dich traurig, Du wendest dich ab von mir; Dreh mich um, und was schaurig Erschien noch soeben dir, Gs tritt vor deine Augen In mildestem Farbenschein, Als Lager nun willst du's brauchen Und legst dich vergnügt hinein. J.
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Verantwortlicher Herausgeber: W. Spemann in Stuttgart. Redakteur: Joseph Kürschner ebenda. Drud von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Nachdrud, auch im einzelnen, wird strafrechtlich verfolgf. Uebersetzungsrecht vorbehalten.
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Nt. F. Von O. Hübners statistische Tafel ist der Jahrgang 1887 bereits erschicnen (50 Pf.) und weist eine sehr bedeutende Umarbeitung auf. Sie gibt nach streng amtlichen Mitteilungen über tausen derlei den ganzen Erdball umfassende Dinge Auskunft. Die Tafel ist daher jedem Zeltungsleser zur Anschaffung sehr zu empfehlen, denn sie bringt die neuesten Zahlen nicht allein über Industrie und Handel, sondern auch über die Heeres , Bevöllerungs- und Münzverhältnisse zc. aller Länder. Frau G. B. in Frankfurt aM. Ihre beiden Lösungen der Skataufgabe Nr. 22 find nicht richtig. B darf in Pique nicht schnei den. Bei seiner Karte muß er sehen, sobald als möglich an den Stich zu kommen. Hinsichtlich der richtigen Verteilung der Kar ten zc. verweisen . wir auf unsere Auflösung. Wenn es übrigens bei einer Skataufgabe heißt: " Die Karten sihen für B so ungünflig, daß er Schneider wird, " so ist damit gesagt , B muß Schneider werden, wie er auch spielen mag, und wenn auch mit offenen Karten gespielt würde. Nichtige Lösungen sandten uns : cand. jur. Franz G. in Göttingen. Werner F. in Leipzig.Gustav Bl. und Frik H. in Berlin. Norddeutscher Punsch . Wien. Den gewünschten Rezepten wird vorausgeschickt, daß Punsch sehr häufig aus Punschsirup (Arrak Punschsirup oder Num-Punschsirup) bereitet wird, indem man etwa ein Drittel davon mit zwei Drittel kochendem Wasser oder heißem weißen Weine vermischt, und es ist der Punschsirup von dem Königlich Preußischen Hoflieferanten Sellner in Düsseldorf besonders zu empfehlen. Doch wird, namentlich von den Herren, der selbstgemachte Punsch im allgemeinen doch vor. gezogen, und es folgen denn hier ein paar vielfach bewährte Rezepte : 1) Man mische 3 Flaschen Moselwein, 1 Flasche Wasser, 12 kg 3uder in Stüden und den Saft von 2 Citronen und stelle es aufs Feuer, füge, wenn es aufwallt, 1½ 1 Arrat hinzu und lasse es noch einmal aufwallen, kann nach Belieben auch Notwein nehmen. 2) Man gebe 7 kg 3uder in Stücken mit dem vierten Teil der sehr fein abges schälten Schale einer Citrone und den Saft von 4 recht friſchen , saftigen Citronen in eine Terrine und gieße 2½ 1 kochendes Wasjer darüber, dede es zu und rühre, wenn der Zuder gefchmotzen ist, eine Flasche feinen Num gut hindurch. 3) Man nehme auf 2 1 Wasser den Saft von 3 Citronen, ein biz anderthalb Flaschen Sauterne oder guten Rheinwein, 3/8 bis 1½ kg Zuder in Stücken und eine Flasche Arrak, bringe es zu Feuer und füge, wenn es den Siedepunkt erreicht hat, eine Tasse starken Thee hinzu. Man kann ihn warm oder falt geben, doch ist er besser kalt am besten frappiert. 4) Berliner Jagdpunsch . Man übergieße 500 g Zucker, an dem das Gelbe einer Citrone und einer Orange abgerieben. worden ist, mit einer halben Flasche Arrak, zünde ihn an und lasse ihn so lange brennen, bis der Zucker geschmolzen ist ; füge nun eine Flasche weißen Wein, eine halbe Flasche Sherry und eine halbe Flasche Champagner hinzu und serviere heiß. Als Beigabe zu allen Sorten von Punsch sind auf dem Roste geröstete Weißbrotschnitten zu empfehlen, mit sehr frischer ungesalzener Buttër beſtrichen und mitseinem Salz S. in Berlin. Das Neueste in der Z.bestreut. Laroclitteratur ist das soeben bei Hartleben in Wien erschienene Tarocbuch " von S. Ulmann, welches allen an ein Lehrbuch zu | stellenden Anforderungen in vollem Maße entspricht. Das reiche Material ist mit großer Sachkenntnis verarbeitet und der Stoff so geschicht angeordnet, daß sich diese Publikation von allen vorliegenden Erzeugnissen auf dem gleichen Gebiete vorteilhaft abhebt. Recht interessant sind die in der Einleitung gegebene genetische Darstellung des Tarods, vom Ursprunge desselben bis auf unsere Zeit, sowie die im 2. Teile enthaltenen 33 Probleme. Eine Neuerung, der „ Tarockodey", hilft dem allgemein sich fühlbar machenden Bedürfnisse nach endgültigen Entscheidungen in Bezug auf Gesetze und Usancen des Tarocs in anerkennenswerter Weise ab. Das elegant in Leinwand gebundene Buch dürfte auch im Familienkreise freundliche Aufnahme finden. G. K. in C. Neber T. Combe ver. mögen wir eine Auskunft, wie Sie sie wüns schen , nicht zu geben, glauben aber, daß unser Mitarbeiter nicht identisch mit jenem Herrn iſt.
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1. Die Billette nach Rumpenheim abgeben" rief der Schaffner. Niemand in dem halbdunkeln S Wagen regte sich. Der Beamte aber blieb vor einem Fahrgaste mit schwerem Pelzrocke stehen und ließ den Schein seiner Laterne auf ihn fallen , indem er wieder holte: Rumpenheim ! " Dieser fuhr wie aus tiefem Sinnen empor, griff hastig nach der Tasche und reichte dem Manne seine Karte. Der so plöglich aus seinen Gedanken Aufgeschreckte denn geschlafen hatte er nicht mochte zwischen dem dreißigsten und vierzigſten Lebensjahre stchen, und als er nun seine Reisemüße abnahm, kam ein bleiches, fein geschnittenes Gelchrtenantlig von unverkennbar orientalischem Typus zum Vorschein. Dasselbe zeigte die müden, traurigen Augen, die dem Volke Israel eigen sind, das so viele Jahrtausende länger als alle anderen Völker diefes Erdenelend mit angesehen hat. Welliges braunes Haar, durch das bereits etliche Silberfäden spiclten, beschatteten reich die gewölbte Stirne und die markierten, bartlosen Züge. Es war etwas Totes in diesem Gesichte; ein starrer Ausdruck, als ob dieses Antlig nie geweint und nie gelacht habe. Während die übrigen Reisenden zu schlafen fortfuhren, nahm der Reisende seinen Reisesack von der Wand. Es war eine elegante Tasche von russischem Leder, und auf der kleinen Stahlplatte stand der Name Isaak Hennegauer" . Als er die selbe öffnete, um die Reisemüße hinein zu thun, fielen zwei Briefe heraus , die er auf den leeren Sih neben sich legte. Nachdem er mit seinen Verrichtungen zu Ende war, nahm er die Papiere, um sie zu sich zu stecken, sein Auge blieb aber auf dem einen mit trüber Teilnahme haften. Die Handschrift des zierlichen Blatts deutete auf eine Dame. Da der Besizer die Worte fast auswendig wußte, vermochte er sie auch bei dem schwachen Scheine der Waggonlampe zu entziffern. „ Gelingt es Ihnen nicht , Siegmund aufzuheitern," hieß es auf der Seite, die sich ihm zuerst darbot, so bleibt nach meiner Meinung nichts übrig, als ihn einer Anstalt anzuvertrauen, che das Uebel un heilbar geworden ist. Ich hoffe aber noch immer,daß Siegmunds Niedergeschlagenheit ſich mit Gründen wird überwinden lassen, da fie auf falschen Vorstellungen beruht und nicht auf körperlichen Leiden. Sie haben stets
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so großen Einfluß auf meines Mannes | das uns der große Prophet des JahrhunDenkweise und seine Stimmung gehabt, derts offenbarte, den wird nichts Frdisches daß ich den Tag segne, an dem Sie die mehr anfechten. Hinter all den täuschenhiesige Stelle annahmen , denn ich weiß, den Schleiern und Spielen der Endlichdaß Sie Siegmund und mich auch jetzt keit sehe ich überall die abſolute Wurst hindurchscheinen. Alles ist Wurst, das ist nicht verlassen werden. " Der Reisende steckte den Brief mecha- | die Formel der neuen Zeit. “ Wie angeekelt nisch ein , und den Dampfwolfen nach steckte der Reisende das Blatt wieder beiſchauend, die am dunkeln Fenster dahin- seite . „ Das also ist das Ende deincz jagten, überließ er sich den Erinnerungen, schönen Idealismus ! Fade Scherze, mit die diese Zeilen in ihm wach riefen. denen es ihm selbst nicht Ernſt iſt, und Seine Hand sollte alsó jezt jenen im Hintergrunde hoffnungsarmes Entsagen, schwachen Mann stügen, dem die Geliebte wenn nicht der Wahnsinn dort nistet. seiner Jugend sich anvertraut, dieselbe Keine angenehme Aufgabe, die meiner da Hand, die die Briefstellerin einst zurück- wartet, und doch gibt es mir das Gefühl gewiesen, als er sie ihr angeboten. Und der Heimat, daß hier Menschen auf mich der Reisende schaute finster dem Dampfe warten, denen ich nötig bin." der Maschine nach, der draußen so geschäftig Der grelle Pfiff der Lokomotive machte sich hervorstürzte und dann ohnmächtig seinen Träumen ein Ende. Der Zug hielt verwehte wie die Träume von Glück und an, und auf dem leeren Perron der landZukunft, mit denen die qualmende Phan- gräflichen Haupt- und Reſidenzſtadt stiegen tafie des jungen jüdischen Arztes vor Zeiten die wenigen Reisenden aus, die der Nachtdas eigene heiße Herz getäuscht hatte. zug gebracht hatte . Es hatte geregnet und Ein bitterer Zug legte sich um seinen die Lichter der Laternen spiegelten sich in feingeschnittenen Mund, denn seit jener großen Pfüßen. Dem hellen Bahnhofverhängnisvollen Stunde war er in die ausgang gegenüber ließen sich einige GastEinsamkeit seiner eigenen Seele verbannt hofwagen in dem unerfreulichen Wintergewesen bis auf den heutigen Tag. Ja nebel erkennen, und der Portier des Rumheute gerade fühlte er sich doppelt allein, penheimer Hofs trat wie ein Mann, der wenn er, der Familienlose, so durch die seiner Sache ganz sicher ist, nachlässig an Nacht dahingeschleppt wurde, an hellen den Herrn im Pelzrock heran und fragte : Fenstern vorüber, hinter denen glückliche Haben Sie noch Gepäck?" Eltern zwischen rotwangigen Kindern saßen, "Ich fahre nach dem Roten Turme, " an erleuchteten Thüren vorbei, in denen erwiderte der Reisende zum großen ErLiebespaare sich traulich umschlungen hielten staunen des vornehmen Thürhüters und und dann wieder durch das weite dunkle gab dem bescheiden zurückſtehenden HausBlachfeld, auf dem nur der verwehende knechte des zweiten Gasthauses seine TaRauchseine zerfließenden Ringe abzeichnete, schen und Schirme . „Herr Geheimerat Hennegauer? " fragte die sich zu dämonischen Fraßen verzogen, länger und länger würden und dann höh der Mann . nisch auseinanderflossen . Der Angeredete nickte. Wieder griff er in die Tasche und nahm . „ Es ist alles bereit , Herr Direktor, " den anderen Brief vor sich. Er war von sagte der Diener. Er geleitete den Angejenem Siegmund, dessen Zustand seine junge kommenen zu dem Wagen, und mühſäm Frau so ergreifend schilderte. Fahrige, zwängte sich derselbe mit seinen umfangnachlässige Schriftzüge, die deutlich aus reichen Hüllen durch die enge Thüre des sahen und doch kaum zu entziffern waren ! ärmlichen Gasthofwagens. Da wäre ich lieber nicht Hofrat, wenn , Charakterlos , wie alles , was von ihm herrührt, " dachte der Jude, und wieder ich so billig logieren müßte, " spottete der spielte der harte, bittere Ausdruck um abgewiesene Thürhüter des Rumpenheimer feinen Mund. Hofes. „ Aber natürlich , Jude bleibt Jude!" Der Brief, mit dem ihm Siegmund Und mit einem höhnischen Lachen schwang entgegen kam, wollte heiter sein, aber dieser er sich auf den Bock neben den Kutscher, gesuchte Wit täuschte Hennegauer nicht. knallte energisch mit der Peitsche und ließ Wenn ich den Gott dieser Welt anbeten seinen leeren Prachtwagen den Rückzug wollte, " hieß es da, !! würde ich ihn abbil- antreten. Der fremde Arzt rückte indessen fröden unter der Gestalt einer großen Wurst. Wer sich durchdrungen hat mit diesem stelnd auf den harten, abgescheuerten TuchGefühle der abfolüten , Wurschtigkeit , polſtern des alten Gasthofwagens vor dem 78
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B. Rottmann . Isaak Hennegauer. 1732
1733 1734 blinden Spiegel hin und her, bis sein Ge- | Glaze_cines eleganten Herrn erkennen, lieber nicht wieder erkennt. „ Die Geschichte päck aufgeladen war. der besser gekleidet war als die anderen. mit den gestohlenen Papieren meinen Sie,' Die kam Endlich ging es vorwärts in die spär// Sie haben ihn noch lange nicht genug hörte er ihn jet antworten. lich beleuchtete Stadt, über die mit Back- gezaust, " hörte Hennegauer im Vorbeigehen mir so des Morgens im Bett, während ich steinen gepflasterten Straßen, bei dem den Pfarrer zu dem bleichen Jüngling das Kopfweh verdämmerte, das dieser gebetäubenden Geräusche der losen Wagen- sagen. Ich kenne ihn von seinen Stu schwefelte Wein mir meistens macht . Sind fenster, die klirrten, rappelten und schütz | dienjahren her ; der Dünkel ist seine her; die anderen Geistesthätigkeiten gedämpft , Sic so ist die Phantasie um so thätiger. " terten, daß die gesündesten Nerven davon vorragendste Charaktereigenschaft. angegriffen werden konnten. müssen Spizkugeln nehmen wie unser verSo ist die ganze Behauptung ein Nach einer Weile hielt der Marter- chrter Volksfreund , um diesen Panzer Phantasiestück ? " rief der Pfarrer enttäuscht. fasten in einem dunkeln Thorweg, und zu durchdringen. " „ Ich dachte Sie hätten Zeugen ?" noch halb betäubt von dem Ohrenschmause, Ich muß sänftlich fahren mit dem Zeugen, nein, " erwiderte die rauhe den er überstanden, stieg der Fremde aus. Knaben Absalon, " erwiderte der Kleine Stimme gelassen , aber der Kerl hatte dem nach Stube eine Geben Sie mir mit einer Stimme, die verriet , daß der mich_geärgert. Markte," jagte er zu dem geschäftig her- junge Mann noch nicht völlig mutiert Eine kleine Pause zeigte, daß die anzueilenden Wirte, "/ und lassen Sie gleich hatte. Er hat seine Hand in allen gro- deren Herren über diesen Aufschluß doch einheizen, ich will einstweilen im Speise Ben Zeitungen und könnte mir übel mit etwas betreten waren. zimmer zu Abend essen. " Mit den Räuin- spielen. " "/ Mir thut die hübsche junge Frau lichkeiten wohl bekannt, schritt er nach der "/Was ? Sie werden sich doch nicht leid," nahm jest der elegante Schmidt am Ende des Ganges liegenden Thüre fürchten, Säugling ? " erwiderte der Mann mit der schönen runden Glaze das Wort. Wischt er Ihnen eines , Sie nimmt sich die Sache sehr zu Herund trat in die warme Stube, in der ein in der Joppe. verschlafen aussehender Kellner ungeschickt aus, so schreiben Sie: , Gut gebrüllt, Löwe', zen. Ich sprach sie neulich bei Direktor die Gasflammen anzündete. Endlich fam oder : Wer lacht da' , das ist nicht mehr Sauerampfer, und fic flagte, daß wir ihrem Meine Gnädige', er damit zustande, und der Anköminling ganz neu, aber die Leute sehen doch, daß Manne so schadeten. ließ einen freundlichen Blick durch das Herr Johannes Brüll Haare auf den sagte ich ihr, glauben Sie einem alten leere Zimmer gehen. Es war noch fast Zähnen hat oder doch nächstens welche Journalisten : Wirklich geschadet haben mir so eingerichtet wie vor fünfzehn Jahren, bekommen wird ! Wissen Sie aber gar immer nur die Zeitungsartikel , die ich als der junge jüdische Doktor in Rumpen nichts zu erwidern, nun so thut ein Aus- selbst geschrieben hatte. Das tröstete sie heim sein medizinisches Examen ablegte. rufungszeichen oder ein sie in Klammer merkwürdig , und sie lachte unter ihren Nur Thränen und rief: Ach, Herr Schmidt, Hier hingen noch die alten Delbilder auch schon eine schöne Wirkung. des hochseligen Landgrafen und der höchst nicht bang, mein Kleiner ! " wenn nur Siegmund ebenso dächte."" Bei dem Namen Siegmund fuhr der Der jugendliche Vertreter der öffentseligen Landgräfin. Dort war noch der gute Stich der Königin Luise und das lichen Meinung mochte sich aber bei den Zuhörer in der Nebenstube wieder auf. gewaltige Jagdbild, das die Anwesenheit guten Ratschlägen seiner älteren Kollegen ,Thränen hin, Thränen her", rief alsbald Friedrich Wilhelms III. bei der Rumpen schon öfter die Finger verbrannt haben, die brutale Stimme des Herrn Baßkezer.. heimer Saujagd verewigte. Freilich war denn er erwiderte mißmutig : "/ Angenehmi , Es war das famoseste Kesseltreiben, das alles grauer, rauchiger und schmuhiger ist das doch nicht, so gedroschen zu werden . " wir seit lange gehabt haben, und ich bin „ Du lieber Himmel ! " lachte der Jop: dem Anzeiger und Verkündiger dankbar geworden . Die Tapeten waren schlecht gehalten, und das Wachstuch, das die penträger mit seiner breiten , brutalen für ihre Mitwirkung. " Mein Zion nicht zu vergessen, " Tischdecke erfette , war brüchig und un- Stimme. „ Das macht Sie ja am schnellfauber. ſten berühmt. Können Sie sich aber gar sagte der Pfarrer, und Hennegauer hörte, Der Ankömmling schüttelte bedenklich nicht überwinden , nun so unterzeichnen wie die Verbündeten mit den Gläsern andas Haupt. „ Ein Haus, das man einst Sie sich Au. W. oder A. D. Wer wird stießen. Das Beste war, " ließ sich die dünne sauber und nett gekannt, so wiederzufinden , " dann auf Herrn Johannes Brüll raten ? " „ Versteht sich, " bestätigte der Pfarrer. Stimme des journalistischen Säuglings dachte er, ist nicht viel erfreulicher, als einem flotten Studiengenossen unter herab- Der Pfeil sist doch, und Sie fingen im dann wieder vernehmen, daß der gute gekommenen Schnapsbrüdern zu begegnen. sicheren Versteck : 2h wie gut , daß nie Herr so unverdrossen antwortete ; so konnte Hätte ich das geahnt, so wäre ich dem mand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß'." man ihn immer aufs neuc erlegen. Wäre „ Rumpelstilzchen ist gut," lachte der er still gewesen, so hätte sich die Sache stolzen Thürhüter des Rumpenheimer Hofes gefolgt." Unmutig öffnete er alle Fenster, Elegante, den die anderen Schmidt nann von selbst verblutet. " // Mir hat diese Hah mindestens zwandenn seine feinen Organe vermochten noch ten. „ Der Name paßt für den Kleinen. den Inhalt der heutigen Speisekarte aus Aber wie haben Sie nur die Geschichte zig neue Abonnenten eingetragen," nahm der Stubenluft zu analysieren , und seine mit dem Massenplagiat aufgetrieben, Herr nun Herr Baßkeher wieder das Wort. „ Den ansehnliche Naſe konstatierte mit Mißbilli- | Baßkezer ? " segte er dann hinzu, indem er Fall müssen Sie sich merken, Säugling ; an gung, daß die Köchin zum Geflügel altes sich an den Joppenträger wendete. Braun ihm können Sie lernen, wie man aus Aufsoll halb verrückt geworden sein, als er sehen und Sensation Thaler und Groscheit Fett genommen hatte. Von dem Fenster zurückkehrend gewahrte Ihren Artikel las ." schlägt. Neuigkeiten um jeden Preis , das er, daß in der anstoßenden Stube noch Bei dem Namen Baßkezer legte Henne- muß Ihr Prinzip werden. Kein Thema zu einige späte Gäste beisammen saßen , die gauer die Zeitung wieder nieder, die er lang ausspinnen, sondern die Platte abihn neugierig anftarrten, als er ihre Thüre foeben ergriffen hatte und horchte hoch tragen, ehe das Publikum ganz satt ist ! Um paſſierte, dann aber die überlaute Unter auf. Seine feinen, geistigen Züge röteten fo länger wird es davon reden. Heute haltung fortsetten, die sie sehr zu interes- sich vor Aufregung, ein leiser Laut der traktieren Sie die Jesuiten, morgen die fieren schien. Hennegauer hatte im Vor- Ueberraschung drang durch die schmalen, neue Kammersängerin , dann wieder die beigehen einen Pfarrer mit weißer Binde sonst festgeschlossenen Lippen . Er erkannte Spiritisten und Wucherer und dann wieder unterschieden, der mit salbungsvoller Be- plötzlich die rauhe , breite Stimme, die den bekannten betrunkenen Feldwebel, die redſamkeit auf einen bleichen jungen Men- vorhin gesprochen hatte. Leise erhob er landgräflichen Diakonissen und die Tierschen hineinredete, welcher aufgeregt an sich, und unter dem Vorwand, die Fenster quälerei der Pferdebahn. Jeder Geschmack seinen Nägeln kaute. Zwei andere kehrten wieder zu schließen, passierte er nochmals muß seine Rechnung bei uns finden und der offenen Thüre den Rücken. Der Ge- die Thüre und warf einen Blick auf den von diesem Grundsaß dürfen weder Drohunheimerat konnte nur die breiten Schultern Redner. Er hatte sich nicht geirrt . Der gen mit der Reitpeitsche noch die scharfen und den struppigen Kopf eines Soppen- als „ Baßkcher" Angeredete war ein alter Nägel der schönen Kammersängerin Sie · trägers und die wohlabgezirkelte kreisrunde Bekannter, aber einer von denen, die man abwendig machen . "
سلام B. Rottmann.
Isaak Hennegauer.
1735
1736
1737
„ Ich höre aber, Herr Braun wolle flagen, " erwiderte der junge Mensch: Verklagen sie uns, um so besser, dann macht das Blatt erst recht Geschäfte. In diesem Falle lasse ich die Verhandlungen Wort für Wort nachdrucken, das entleidet dem Nächsten das Klagen , bis ein unerfahrener Gimpel der sittlichen Entrüstung wieder hineinfällt . Sie werden es erleben, daß Braun schon nach der ersten Ver handlung seine Klage zurückzieht, weil wir ihm bis dahin so viele Malicen eingepumpt. haben, daß er fühlt, zum zweiten mal würde er diesen Schwedentrunk nicht aushalten. " Ein allgemeines Gelächter belohnte dieses cynische Geständnis . Inzwischen trat der Kellner mit dem Abendessen ein, und über dem Klirren der Teller und der beflissenen Unterhaltung des dienstbaren Geistes , der dadurch die große Angelegenheit seines Trinkgelds zu fördern meinte , verlor Hennegauer den Rest des Gespräches . Es sind die Herren von den hiesigen Zeitungen, " belehrte der Aufwärter den fremden Arzt. Man sieht sie sonst nicht leicht beisammen, da sie gewöhnlich sich in den Haaren liegen, heute aber beraten sie eine gemeinsame Erhöhung der Einrückungsgebühren und Taren, da müssen sie schon dergleichen thun, als ob sie gute Freunde wären. " Als der Kellner endlich abgeräumt
Sein Freund Siegmund Braun , mit der idealen Burschenphysiognomie, den langen, blonden Haaren, dem schwärmerischen blauen Auge und dem steten Wechsel der Farbe, je nachdem ihm die Erregung das Blut in die zarten mädchenhaften Wangen trieb oder ihm vor Entrüstung der Puls stockte. Verdarb ihm doch sein geistlicher Tisch genosse mit dem Scheitel in der Mitte des Hauptes und den geschmacklos angeklebten semmelblonden Haaren gründlich die Erholungsstunden zwischen der theologischen Prüfung. Hatten nicht er und sein Mit examinand jahrelang fast alle ihre Studien gemeinsam getrieben , waren sie nicht zu denselben Ansichten gelangt, und nun wollte der Halunke in den letzten sechs Wochen por dem Examen durch ganz besondere innere Heilserfahrungen zur Erkenntnis der Wahrheit alles dessen gekommen sein, was er noch gestern für Täuschung gehalten. ,,Siegmund, du machst dich krank für die Nachmittagsarbeiten !" hatte er mehr als einmal dem erregten Freunde zugerufen, aber die Entrüstung des jugendlichen Schwärmers hörte auf keine Mahnung. Er war schon krank vor Zorn und konnte kaum essen vor Aufregung, während sein dürrer theologischer Nachbar, Graus hieß das Subjekt, mit größter Gemütsruhe eine Schüssel nach der anderen leerte.
deutschtümlich und burschenschaftlich aus dem weit ausgeschnittenen Talare hervorragte, das Schein und Schaugebet und blätterte in der aufgelegten Bibel nach seinem Texte. Des Superintendenten Augen schossen Blige, und er begann diesen jungen Menschen zu haffen. Siegmund aber warf seine blonden Locken mit einer burschikosen Bewegung des Kopfes zurück und verlas mit heller wohllautender Stimme seinen Text, und sein gemütvoller herzlicher Ton machte einen guten Eindruck. Es wurde stiller in den Reihen der Zuhörer, als es bei den früheren Predigern gewesen war. „ Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte , sagt unser Tert ," so begann der junge Mann mit seinem sympathischen Vortrage . „Die erste Frage , meine Freunde , die dieses Wort uns stellt, ist die : Hast du auch ein ganzes Herz , lieber Christ ? Mit halbem Herzen thun wir, was wir thun. " ´Nachdem der jugendliche Redner diesen Gedanken ausgeführt , hob er dann aufs neue an : Haben wir so des Herzens zu wenig , so haben wir der Seele zu viel . Zwei Seelen wohnen, ach ! in unserer Brust" - weiter kam der blonde Kandidat nicht , denn der Superintendent begann gewaltig zu poltern und winkte dem Redner, sofort herabzuAlles schaute betroffen den kommen. zornigen Kirchenfürsten an, der dem Kommilitonen schon Schweigen auferlegte, noch ehe er recht begonnen. Auch durfte für heute kein Kandidat mehr die Kanzel betreten. Vielmehr erhob sich der Superintendent, um nun über die vernommenen Predigten sein Urteil abzugeben. Dieses Urteil schien dem unbeteiligten Gaste überaus mild zu sein. Die eine Predigt hatte den alten Herrn wahrhaft erquickt , die andere sehr gestärkt, die dritte fand er sehr gesalbt und ganz schriftgemäß. Zulet wendete er sich an Siegmund Braun, der glühend vor Entrüstung an einer Säule Was Sie betrifft, Herr Braun," lehnte. sagte der Superintendent mit einem durchbohrenden Blicke, Sic muß ich ersuchen, sich für Ihre Predigten fünftighin aus der heiligen Schrift vorzubereiten und nicht aus den Romanen von Friedrich Spielhagen oder Paul Heyse, oder wo Sie sonst diese sentimentalen Phrasen aufgelesen haben. Von Ihrem Eingang kann ich mir das Schlimmste sagen , was man von einer Predigt fagen kann , er war nicht schrift= gemäß. " Damit gab er dem Kandidaten sein Manuskript zurück. Der Jude sah noch das fromin boshafte Lächeln des Herrn Graus im Hintergrunde, dann schob er seinen Arm in den seines aufgeregten Freundes und führte ihn aus der Kirche. Ich reise ab , ich gehe, " sagte dieser mit finsterer Stimme und zitternd vor Entrüstung. „ Du wirst kein Narr sein, " erwiderte der Mediziner. "/ Damit sie sagen , du seist durchgebrannt . Morgen um zwölf Uhr ist ja ohnehin der ganze Schnack zu Ende. Wir wollen doch sehen , ob der Herr den Mut hat , dich durchfallen zu lassen !"
hatte, waren auch die Gäste im Neben zimmer aufgebrochen, und der Geheimerat faß allein in der öden Wirtsstube. Leidenschaftlich erregt von dem Gehörten sprang er auf. So also sieht die öffentliche Meinung meiner Heimat aus ! " rief er. Das also ist der Windschlauch des Aeolus, der den Himmel der Landgrafschaft klärt oder ver düstert. An diesen platten Gesellen hängt mein künftiger guter oder schlechter Ruf und das Lebensglück eines Mannes wie Siegmund, eines Weibes wie Angelika ! Was sie nur mit Siegmund gehabt haben mögen ?" Und sich in einen Lehnstuhl werfend, den Kopf in die magere weiße Hand gestüßt, versant er in tiefes Nachdenken. Wic seltsam, daß er gleich am ersten Abend wieder dieselben Leute hier traf, mit denen er vor fünfzehn Jahren in diesen Räumen verkehrt hatte. Er und Baskeßer schwißten damals im medizinischen Examen, sein Freund Siegmund dagegen saß mit dem Pfarrer , der eben weggegangen , in der theologischen Prüfung, und hier an diesem Tische fanden sie sich Mittag für Mittag zusammen. Er hatte die Stimme des faulen, aber amüsanten Baßkezer noch in den Ohren, wie er ihn täglich anflehte : Nicht wahr, Hennegauer, Heute legen Sie Ihre Arbeit so , daß ich hineinschen kann. Ich bin in der Arznei mittellehre so schwach, die vielen Namen verwechsele ich immer, bitte, liebes, liebes Doktorchen, lassen Sie mich nicht im Stich ! Nicht wahr, Herzensdoktor, ich thue Ihnen auch wieder einen Gefallen. Gegenüber aber , welch anderes Bild !
}
Mit Sorge sah der junge Doktor der Medizin , wie der Freund täglich aufgeregter und fieberhafter erschien , während sein durch eine Prüfung kurzer Tage bekehrter Genosse sich von Stunde zu Stunde behaglicher fühlte . // Heute abend predigt Braun , " sagte gegen Ende der Woche der fromme Graus mit einem hochmütig demütigen Lächeln zu den beiden Medizinern . „ Darf ein Jude auch beiwohnen ?" fragte Hennegauer. Natur! " erwiderte Baskeßer, während Graus gemessen schwieg . Ich möchte meinen besten Freund doch auch einmal als Prediger hören," fügte Hennegauer entschuldigend bei , und als die Stunde kam, saß er mitten zivischen den anderen Kandidaten in der alten, weißgetünchten Dominikanerkirche, wo die Eramenpredigten abgenommen wurden . Der Superintendent , ein stattlicher alter Herr mit schönen weißen Haaren, ließ der Reihe nach die Kandidaten die Kanzel betreten . Sie sagten ein Stück ihrer Predigt her , bis der Examinator mit dem Fuße stampfte und winkte, zum Zeichen , daß es genug sei. Dem Jüden mißfiel , daß die jungen Leute , ganz als ob sie sich einer Gemeinde gegenüber befänden , sich feierlich in stillem Gebete stärkten, während doch sicher keiner etwas anderes betete als : "/ Licber Gott mache, daß ich nicht stecken bleibe!" Nur Braun ging kerzengerade auf die Kanzel, als ob er eine Rednerbühne beträte. Der Superintendent richtete sich mißbilligend auf und warf einen strengen Blick auf den jungen Menschen. Oben angekommen , unterließ der blonde Siegmund, dessen langer Hals
} B. Rottmann . 1738
P
Isaak Hennegauer. 1739
1740
„Den Mut hat er, “ ſagte der plößlich | Turme zurück, um sich noch einmal gründlich | Augen und eine schlanke, liebe Gestalt gcKleinmütig gewordene Schwärmer. Ja ! zu betrinken. Am anderen Morgen machte worben , und er hatte gehofft , nicht verSo war er immer gewesen, ein Kind, mit er bei seinen glücklicheren Examengenossen geblich . Angelika hatte ihm die größten allen liebenswürdigen und allen schwachen noch eine lezte Anleihe und zog dann, Beweise ihres Vertrauens gegeben. Hatte Seiten eines Sanguinikers , und sofort dem Doktorchen" den Segen Abrahams, er doch als Arzt ihre Eltern voll Aufbereit, bei dem ersten Widerstande, dem er Isaaks und Jakobs wünschend , zu Fuß opferung gepflegt, wie das seine Gewohn begegnete, die Flinte ins Korn zu werfen. aus der Stadt. Das Felleisen auf dem heit war , und hatte beide gerettet , wie Aber den Plan, zu verschwinden , ließ er Rücken, in dem er alle seine Habe unter das auch seine Gewohnheit war. Natürlich sich schließlich ausreden . Am folgenden gebracht haite, ging er die Landstraße weiter, war sie da voll Dankbarkeit und EntgegenMittag wurde dann das Ergebnis der wohin , wußte niemand , er selbst am kommen , vielleicht hatte sie auch eine Weile den Gedanken erwogen , ihn zu heiraten, Prüfung sowohl Medizinern wie Theologen wenigsten . verkündet. Welches war nun das Resultat Bon da ab war er Hennegauer aus den aber als die entscheidende Stunde kam , dieser denkwürdigen Woche ? Der dicke Augen gekommen. Bekannte meinten, er hatte jie ein seltsamer Schauder ergriffen ; Baßkezer war natürlich durchgefallen . Seine habe sich irgendwo als Barbier und Dorf- fie schäße ihn , sagte sie mit heißen schriftlichen Arbeiten waren zwar , dank chirurg niedergelassen, andere erzählten, der Thränen , aber sein Weib könne fie nicht seinen Sperberaugen und Hennegauers kleine Gnom, der einstens die Studenten werden. "/ Ein "/ Natürlich! " sagte er. deutlicher Handschrift, befriedigend ausge kommerse erheiterte, indem er als Bauch- heimlicher , sonderbarer Ekel bleibt ihnen fallen, denn er hatte das Erspähte so ge- redner auftrat und auf einer imaginären fa doch vor uns . Sei es Rassengefühl, schickt redigiert, daß keiner der würdigen Maultrommel spielte, ziehe jetzt auf Grund fei es Wirkung einer tausendjährigen Sanitätsräte auf den Gedanken geriet , das dieser Fertigkeiten von Miesse zu Messe Scheidung, cines durch Generationen verEigentum des Nachbars nur in anderer und habe nun auch gelernt, Degenklingen erbten Aberglaubens ! Vielleicht bilden sie Fassung vor sich zu haben . Dieses Licht zu verschlingen und Feuer zu speisen. sich ein, unter den Kleidern seien wir mit ging ihnen erst auf, als bei dem mündlichen Schade, daß die Wunderdoktoren auf den hebräischen Buchstaben tätowiert oder sähen Examen neben einigen Dämmerungs- Jahrmärkten nicht mehr geduldet werden," aus wie Hauffs Engländer unter der crscheinungen auf populäreren Gebieten pflegte Hennegauer dann zu sagen; "/ zu Krawatte. Als Werkzeuge sind wir ihnen nur eine bodenlose Finsternis in der Haupt- dem Berufe, Theriakbüchsen auszuschreien, gut genug , wenn es hoch kommt , als sache zum Vorschein kam, so daß das Re- hätte sich Freund Baßkeher vortrefflich ge- Freunde machen wir aber Ernst mit ſultat nicht zweifelhaft sein konnte . eignet." Das alles ging dem einsamen der Gleichheit, dann sind sie wieder unverDiese Zurückweisung schien indessen die Gaste jest durch den Kopf, als er so un- sehens die reine Kaste und wir die Parias ." zufriedene Stimmung des vollblütigen vermutet den alten Genossen wieder cut- Was half es ihm , daß sie ihn bat , ihr Freund zu bleiben , daß sie versicherte, fleinen Mannes kaum zu trüben, denn er deckic. „ Also Redakteur eines Lokalblattes ist niemand auf Erden höher zu schäßen war auf dieselbe vollkommen gefaßt ge= wesen. Freilich war diese Fassung um er geworden ! " rief er aus . // Volksfreund , als ihn, er hörte aus dem allem doch nur so merkwürdiger , als eine arme Mutter wenn ich recht hörte ! Im Gründe begreift das Eine heraus : Ich kann dir alles sein, und zwei als „ Stüßen der Hausfrau “ in ſich das . Die Natur wird etwas der Art nur nicht dein Weib, ich respektiere deinen deine Seele, der Welt umhergestoßene Schwestern von mit ihm vorgehabt haben, als sie ihn mit Charakter, aber ich verwerfe #1 ihm Erlösung aus ihrer übeln Lage er diesem dicken Felle begabte und ihm diesen weil du ein Jude biſt. Dem Zauber der blauen Augen Siegwarteten. Sie hatten auch alles Recht großen Mund von einem Ohre zum anderen dazu , da sie ihr kleines Vermögen seiner durch das plumpe Gesicht schmierte. Wenn munds freilich , der Jugendlichkeit dieses Ausbildung zum Opfer gebracht hatten. der mit Graus gemeinsam ein Kessel ewigen Studenten , seinem ritterlichen Den durchgefallenen Kandidaten aber schien treiben auf den früheren Schulkameraden Werben schenkte sich das junge Herz, das das nicht sehr anzufechten. Er ging un veranstaltete, ist mir Angelifas Brieffreilich sich von dem Juden ängstlich zurückgezogen. mittelbar von der Kanzlei , wo ihm der verständlich. Bei seiner Reizbarkeit und Sie schalt Siegmund, crzog ihn, war unPräsident des landgräflichen Sanitäts- seinem empfindlichen Ehrgefühle mußte glücklich über seine Launen, aber ihn konnte follegiums sein trauriges Schicksal ver: Siegmund im Kampfe mit diesen Leuten sie lieben, und die Eltern , die den strebsamen jungen Arzt abgewiesen, dem sie so fündigt hatte, strammen Schrittes in den notwendig den fürzeren ziehen. " Und wieder sah er seinen blonden Freund viel verdankten, willigten schließlich in die Roten Turm und bestellte einen Wagen mit vier Pferden. Bis dieselben angespannt vor sich, wie er ihm mit fliegendem Atem Verlobung ihrer Tochter mit dem zerwaren, goß er zwei Flaschen Wein in sich, und glühend von Entrüstung mitteilte, fahrenen Kandidaten , der sich allen ihren stopfte sich eine kurze Pfeife , holte eine der Superintendent habe ihm den väter Forderungen unterwarf. Hennegauer hatte rote Studentenmüße aus seinem Koffer lichen Rat erteilt , cr solle, obwohl er im ihm darauf freundlich geschrieben. Es war Examen bestanden sei, mit seinen unreifen ihm so doch noch immer lieber, als wenn und sette sie auf sein breites Haupt. Wie sehe ich aus im schwarzrotgoldenen Ansichten noch nicht in das Amt treten, sie mit einem fremden Namen in die Ferne Lüfter ?" fragte das kleine plumpe Geschöpf sondern erst in einem längeren Kandidaten gezogen wäre. Mit Kopfschütteln aber hörte er dann; den zufällig eintretenden Hennegauer. und Hauslehrerleben sich reichere Erfah"/ Wie ein Stiefelknecht in Abendsonnen- rungen sammeln . Der Nat war gar nicht Siegmund habe, um raschheiraten zu können, beleuchtung , " erwiderte der Jude trocken, schlecht gewesen. Siegmund machte Glück eine Patronatspfarre zu Laubheim angedenn er begriff nicht, wie man in Baßfeßers in der großen Welt, und nachdem er sich nommen. ,,Wenn dieser radikale Theoretiker Lage noch die Stimmung zu ſtudentischen den Doktortitel verschafft hatte, wurde er je ein brauchbarer Pfarrer werden soll, Possen haben könne. Dieser aber schritt von einer vornehmen Familie nach der müßte ihn seine Frau doch gänzlich um dröhnenden Ganges durch die Flur, schwang anderen weiter empfohlen . Er war bereits geschaffen haben , " sagte der Doktor bei sich auf den Wagen, und selbstkutschierend seinem dreißigsten Geburtstage nahe , als dieser überraschenden Nachricht. fuhr er mit seiner Quadriga unter Peitschen- er, zum legtenmal, wie er sagte, eine Stelle Hennegauer hatte das junge Ehepaar Inall und Hallo durch alle Straßen der in dem Hause cines wohlhabenden Gutsbe- dann auf der Pfarrei in Laubheim besucht. Haupt- und Residenzstadt Rumpenheim, sigers annahm . Der medizinische Freund war ,, Das bringt auch nur ein Jude fertig, knallte vor den Häusern der Herren Era es selbst gewesen , der die Stellung ihm dachte Siegmund bei sich, da wieder zu minatoren , denen er vor vierzehn Tagen vermittelt hatte. Das Angesicht des ein erscheinen, wo er sich einen Korb geholt. " de und wehmütig seine Anfwartung ge- samen Gelehrten in der Gaststube wurde Er hatte keine Ahnung von der Treue, macht hatte, und nachdem er dreimal trüber , cin troßiger Zug trat um Mund die diese dankbare Seele an alle band, die mit Juchhe und Hurra um das Amts- und Kinn hervor, als er an diese Episode ihm Freundschaft erwiesen, von der Glut gebäude des löblichen Sanitätskollegiums in ihrem gemeinsamen Leben dachte. Er der Sympathie in diesem heißen Blute, gefahren war , kehrte er nach dem Roten selbst hatte in jenem Hause um blaue wo sie Entgegenkommen gefunden, einer
B. Rottmann. 1741
Isaak Hennegauer. 1742
1743
Treue, die den jugendlichen Alexanderkopf | pfarrer vom Lande berufen werden sollte, unter der Aufschrift : „ Die Lage ", cin ReSiegmunds ebenso liebend in ihrer Er hatten sich die beiden jungen Leute schwer- daktionsartikel des Herrn Baßkezer, in den innerung trug und hegte , wie die zarte lich recht flar gemacht. Hätte er nur erst der Arzt sich sofort vertiefte. Es muß Psychegestalt Angelikas . Auch hielt er sich einen Verleger," dachte der welterfahrene eine Wonne sein , sich so in Wörtern zu gut bei diesem Besuche , wie selbst Sieg- Freund, // auf den Ruf wird er noch immer wälzen," dachte der Mediziner , als er eine Spalte gelesen hatte. Der Herenmund zugestehen mußte. Sein trockener lang genug warten müssen . " Humor hatte keine Befangenheit aufkommen Er selbst war dann rasch von einer kessel in Varzin hat einen Riß bekomLassen zwischen sich und Angelika. Sie Stelle nach der anderen gewandert. Von men," begann die geschmackvolle Kundhatten sich als gute Kameraden genommen, Siegmund hatte er keine Nachrichten mehr gebung des Rumpenheimer Volfstribunen. und wurden es dann auch. Hennegauers erhalten. Ziemlich spät erst hörte er, Braun ,Von dem Schlage , den unser Leitartikel Verehrung für die unvergessene Geliebte habe seine Pfarre niedergelegt und die Re- vom 12. Dezember ihm beibrachte, hat sich wuchs noch, als er sah, wie sie ihren auf- daktion eines liberalen Blattes in Rumpen der große Staatsmann nicht wieder geregten, unpraktischen Gatten gleich einer heim übernommen. Jetzt erst, da Henne erholt. Während sonst jede seiner Ausjungen Mutter hütete , tröstete und auf- gauer die Stelle an dem Spitale in Rumpen lassungen von der Janitscharenmusik der munterte. Dagegen hatte seine gute heim angenommen , war ihm Angelikas Servilen und dem Tamtam der MameMeinung von Siegmund damals einen Brief als erster Freundesgruß von dort Lucken begleitet wurde, begegnet seine neueſte starken Stoß erhalten. Ohne ein ernst entgegengekommen, aber es lag ein Trauer- Rede nur jenem allgemeinen Schütteln des haftes Gefühl der Verantwortlichkeit für flor über diesem Willkommen, das sie ihm Kopfes , das den Antworten des Kandidaten die Zustände in seiner Gemeinde saß der schickte. Ihr Brief stellte ihm nicht ihre Hieronymi Jobses im Examen zu folgen junge Pfarrer in seiner Studierstube, wo Hilfe an dem neuen Orte in Aussicht, son- pflegte. " Das Examen liegt ihm alſo er an einem sprachwissenschaftlichen Werke dern streckte ihm selbst hilfeflehende Hände | doch noch in den Gliedern, " lachte Hennearbeitete, von dem er Berufung nach einer entgegen. Ihn hatte das tief bewegt. Was gauer vor sich hin. Hierauf las er den Seine Predigten ihn zum Arzte gemacht hatte , war ein Artikel mit geringschäßigem Kräufeln seiner Universität erhoffte . schüttelte er aus dem Aermel , bald toll natürlicher Trieb, auf der anderen Leben Lippen zu Ende. Mit wie wenig Gehirn= radikal , so daß er seine Pfarrkinder in erlösend einzuwirken, denn der Druck einer schmalz dergleichen doch hergestellt wird, " ihren Ueberzeugungen irre machte , bald eigenen schweren Jugend hatte in ihm nur sagte er dann unmutig. "/Was muß das wieder sich ihren Vorstellungen so derb die Neigung gewirkt, recht vielen ähnliches für ein Publikum sein , dem man deranschließend , daß denkende Zuhörer sich Leid zu ersparen. Passiv fonnte er über gleichen vorschen darf. Aber diese guten fragen mußten, ob er denn wirklich glaube, haupt nicht lieben. Es war alles Thätig- Pfahlbürger sehen es wohl selbst gern, was er da sage. Anliegen aus der Ge- keit an ihm, rastlose Unruhe. Wo er zu wenn der Rumpenheimer Frosch sich zum meinde wies er meist als lästige Störungen lieben begonnen , hatte er auch zu helfen europäischen Ochsen aufbläht." Und an ab, und wäre nicht die thatkräftige und angefangen. Hier aber kam ein weiterer | seiner Zigarre ziehend, die keine Luft hatte, gescheite junge Frau überall vermittelnd Grund dem natürlichen Impulse zu Hilfe. las er das Blatt weiter. Plöglich aber eingetreten, so wäre seine ganze Stellung Er wußte , daß die Liebe zu dieser Frau | lachte er laut auf: „ Der Horcher an der in kürzester Frist unhaltbar geworden. ihn durch das Leben begleiten würde, wenn | Wand! " rief er da lese ich nun meine " Ich stelle mir vor, " sagte Hennegauer er auch ihre Farbe nicht wie ein Ritter eigene Schande. " Ein Artikel , der den eines Tages dem Freunde , um ihn auf am Helme trug , sondern wie der Jude Ton tiefster Fachkenntnis glücklich nachseine Versäumnisse aufmerksam zu machen, seinen Gebetsriemen, aller Augen verborgen ahmte, beklagte die Berufung des jüdischen daß du in der Schule deine beste Wirk als den seinen . Seit einer Stunde kannte | Arztes Hennegauer zu der wichtigen Vorfamkeit findest. Das Predigen mag man er nun auch die Drachen und Ungeheuer, standsstelle an dent großartigen Rumpenmit der Zeit genug bekommen , aber der gegen die er die Dame seines Herzens beheimer Hospital : „ Ganz mit Unrecht habe Unterricht muß eine unerschöpfliche Quelle schüßen sollte. In dem Zwinger nebenan man die besten ansässigen Kräfte überder Freuden sein. " hatte er vorhin etliche der plumpen Ge- gangen, und werde nun zum Schaden der "/Gch mir mit der Schule ! " erwiderte schöpfe gesehen. „ Was Siegmund nur mit Anstalt erfahren, wie lange der Rumpender junge Pfarrer lachend. * Ich hatte ihnen gehabt haben mag ?" wiederholte er heim völlig fremd gewordene Akademiker Aber darüber brauche, um sich in Verhältnissen zurecht damit begonnen , den Kindern alle ratio- | sich bei seinem Grübeln. nalen Beweise für das Dasein Gottes müssen ja die Zeitungen Auskunft geben, " zu finden, über die solche Leute meist hocheinzuprägen, und was war das Resultat? sagte er rasch, indem er die auf dem Tische fahrend aburteilen , ohne ihnen doch je daß des Schulzen Junge , wie mir seine schön nebeneinander gesteckten Blätter über- völlig auf den Grund zu schauen. Daß der Mutter schaudernd erzählte , zu seinem schaute. !! Da stehen sie ja säuberlich neben- Neuberufene Jude sei , mache ihm der Schwesterchen sagte : Da müßt' i' aber einander, die Behältnisse der Rumpenheimer , Volksfreund' natürlich nicht zum Vorwurf, doch lach'n, wenn's gar kein' lich'n Gott Weisheit. Von allen Seiten ist unserer aber die legten Artikel des Kirchenblattes gäb! Seit ich diese Frucht meines ratio- Schwachheit zu Hilfe gekommen: Der zeigten doch, daß ein Israelite hier mehr nalen Unterrichts vernahm , habe ich keinen Volksfreund' , der , Staatsanzeiger ' , der Schwierigkeiten als andere zu überwinden Fuß mehr in die Schulstube gefeßt. " ‚Anzeiger schlechtweg, und ,Zion' . Nicht habe, und Herrn Hennegauer speziell gehe Hennegauer schwieg auf diese seltsame weniger als vier politische Organe besißt der Ruf großer Rücksichtslosigkeit und einer Aeußerung. Was sollte er, der Jude, sich dieses Nest also, in dem sie es noch nicht Neigung zu gewaltthätigem Durchgreifen in die Amtsgeschäfte des evangelischen einmal zu einem ordentlichen Straßen voraus , die alle emporgekommenen Leute Pfarrers mischen ! Aber in einer vertrau- pflaster gebracht haben. Nun bin ich aber dieser Art kennzeichnen." Der so unerlichen Unterredung mit Angelika verschwieg doch begierig , welche Sorte von Volks- wartet Angegriffene lächelte spöttisch. „ Das er nicht , daß ihm diese Stellung ihres freund mein würdiger Examengenosse ge kommt davon," sagte er, daß ich meinem Gatten unhaltbar erscheine. Siegmund worden ist! " Er rückte seinen Stuhl würdigen Eramengenossen in der Prüfung werde auf diesem Wege ein unglücklicher bequem zum Tisch und begann mit der nicht besser eingeblasen habe , nun hat er Mensch. Lektüre des Baßfeßerschen Blattes. gar kein Zutrauen mehr zu meiner Fähig Zunächst stand da cine lange Warnung keit, den Verhältnissen auf den Grund zu Sie glauben nicht, " antwortete diese, wie ich mich sehne, daß sein Buch endlich vor Ankaufsehr geschickt nachgeähmter ruffi- | sehen. Uebrigens ersehe ich aus diesen fertig wird , dann erhält er doch sicher scher Pfandbriefe. "/Hm , " sagte Henne- Worten, daß auch der würdige Graus mich einen Ruf , und bis dahin muß ich eben gauer, so weit ist also Rumpenheim bereits ganz in der Stille vernichtet hat. Zum die Leute bei guter Stimmung erhalten. " in der Kultur fortgeschritten , daß es als | Glück liest sein Weltblatt Zion ' fein Hemnegauer hätte nicht den Mut gehabt, Markt für Fälscher und Hochstapler dient. Mensch , also was thut's , wenn sie mir die Zuversicht der jungen Frau 1 zu er Und ich dachte, hier so idyllisch zu hausen. “ im Dunkeln die Zunge herausstrecken ? schüttern. Wohin freilich ein Patronats- | Auf diese amtliche Bekanntmachung folgte Ihnen erleichtert es das Herz, und mir
B. Rottmann. 1744
Isaak Hennegauer. 1745
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hat es nicht geschadet. " In bester Laune Privatangelegenheit , kein Familienschmerz sigenden , dem Hauptpastor Graus , hatte nahmer den „ Anzeiger" zur Hand : ,, Schleich ist sicher davor, von diesen Subjekten auf die Landgräfin eine starke Stüße für ihre maiersche Offizin, verantwortlicher Redak die Gasse gebracht zu werden; macht aber Pläne, und auch außer ihm standen einige ,,Das ist ja wohl das der Angegriffene Miene , den anonymen Mitglieder auf seiten des Hofes . Den teur Herr Brüll ! " kleine Alräunchen , dem Baßkeher vorhin Schühen ans Licht zu ziehen, mit welcher Pastor traf Hennegauer nicht zu Hause. die Elemente der journalistischen Wissen sittlichen Entrüstung schreien sie dann alle Nach dem , was er am vorangegangenen schaft einbläute ! Hier scheinen die persön über das saubere Geschäft des Korrespon- Abende im Roten Turme von ihm geschen lichen Erklärungen vorzuherrschen. Auch dentenerratens ' ! " Er war aufgesprungen und gehört, & konnte er das kaum bedauern. eine der segensreichen Wirkungen unserer und riß das Fenster auf. Sein Blut zu Siegmund Braun wollte er erst gehen, "/ Was ich am Mittwoch abend wallte wieder heiß auf bei dem Gedanken wenn er die Arme so weit frei hatte, um Preffe ! " in der Wirtschaft zum Schwarzen Bären an all die entrüstenden Erfahrungen, die sich den Angelegenheiten des Freundes über Frau Konrad geäußert, ist eine grobe er auf diesem Gebiete schon gemacht hatte. ernstlich widmen zu können ; für jezt nahm Ist die Ucbernahme des Spitals seine Zeit Armer Siegismund , " rief er. Verleumdung und hätte nicht in die Zeitung gesezt werden sollen. Es war eine das das Ende deines idealen Strebens ? völlig in Anspruch. Als er durch das rechte Gemeinheit von mir, und bitte ich Da schlägt er sich mit diesem Pack herum, turmartige Stadtthor in die Anlagen hindeshalb hiermit öffentlich um Verzeihung. " während seine Begabung jeder Aufgabe austrat , stand es ihm lebhaft vor der Das war das Schema für eine ganze gewachsen wäre. Über freilich , es fehlte Seele , wie er bei seinem Abschiede vor Reihe von Abbitten , die der Geheimerat immer an Eisen in seinem Blute und an 14 Jahren von hier aus zurückgeblickt Doch für hatte nach den hohen Pappeln, bei denen lächelnd überlas . Als Autistrophe standen Stahl in seinem Charakter. ihnen zahllose geharnischte Erklärungen heute habe ich genug," sagte er dann. Er der Weg zum Spitale abbog . Noch cr= gegenüber , die entweder mit den Worten flingelte und befahl dem Kellner, ihn nach innerte er sich deutlich der blendenden begannen : // Dem anonymen Briefschreiber seinem Zimmer zu führen. Man hatte ihm Julisonne, die damals auf dem staubigen diene zur Nachricht ..." oder den kräfti- die beste Stube des Hauses zugewiesen, aber Wege lag, auf den er einen Abschiedsblick gerenEinganghatten : „ Der, Staatsanzeiger eine häßliche, überheizte Moderluft schlug warf, da er denselben nie wieder zurückDer Mensch sollte nicht Ich büße kehren würde. des Herrn Schmidt macht heute wieder seinem ihm aus derselben entgegen. Namen alle Ehre. " Der Arzt las weiter die Sentimentalität , in demselben Gast niemals sagen , " dachte er bei sich selbst. Unversteckte hofe wohnen zu wollen wie als Student. " Aber wie konnte ich auch erwarten, daß und runzelte die Stirnc. Einladungen zum Stelldichein , " sagte er. Mit diesem bußfertigen Bekenntnis öffnete ich cinst als Direktor derselben Anstalt Welcher Kuppler würde für ein so Geer die Fenster und schaute nach dem Markte hier wieder erscheinen würde, aus der sie ringes das saubere Geschäft vermitteln ? unten, den zwei Lampen an beiden Enden den Assistenzarzt als unbequemen jüdischen Geheimmittel, die Gesundheit zu zerrütten, sparsam beleuchteten. Dann musterte er Störcfried ausgetrieben hatten ! " Jezt tauchte hinter den kahlen Pappeln schändliche Bücher das alles weiß der das Zimmer. Kannte er doch die Geheimunter den das weiß getünchte, kasernenartige Gebäude die sich schon, Betten dieser nisse Herausgeber natürlich, aber für 50 Pfennig Die Spitaluhr geht falsch, kein steht seinBlatt jedem Laster zur Verfügung. staubigen Gardinen bargen. Eine hoch hervor. beinige Bettstelle , nur mit Lebensgefahr gutes Zeichen , " sagte er hastig , aus den Pfui, über diese Menschen ! " Verstimmt wollte er das Blatt aus zu erflimmen, dann ein Federsack, in den träumerischen Erinnerungen sofort zu den der Hand legen, als ihm unter der Rubrik : man wie im Meere versank, um auf dem Pflichten der Gegenwart zurückversetzt . Mit „ Briefkasten der Redaktion “ der Name seines Grunde dennoch tückisch aufzuschlagen ; be- Wohlgefallen streifte dann sein Auge die Freundes doch noch in das Auge fiel. Herr seitigte man aber dieses klebende Feder dem Spitale gegenüberliegende Villa, die Doktor Braun, " hieß es, macht sich heute meer, so lag man auf einem runden Stroh- fauber aus dem Garten hervorglänzte. Sie wieder an das saubere Geschäft des Korre- sack , von dem man bald nach der kalten war der Stolz von Rumpenheim, das diese spondentenerratens . Wenn wir ihn ver- Wand , bald nach der scharfen Bettkante herrliche Dienstwohnung dem Juden bereits sicherten , daß er auch dieses Mal wieder abgleitete . Auch fand der Fremdling für mißgönnte, und in der That sah sie aristogründlich hineingefallen ist , so würde er gut, die Decke aufzuheben und sein Lager kratisch genug aus zwischen ihren dunkeln morgenwieder einen anderen unsererFreunde einer scharfen Revision zu unterwerfen. Tannen und immergrünen Büschen , vor beleidigen. Wir sagen also gar nichts . " Es „Wenn diese tapferen Bürger von Rumpen- denen weite Rasenflächen sich hinbreiteten. war der Schluß des Blattes . Die früheren heim nur den Fortschritt auch auf die hinter ihr dehnten sich kahle , winterliche Schade," sagte der Betten und die Reinlichkeit erstrecken wollten Felder aus, bis ein hochstämmiger KiefernNummern fehlten. Das einfame Gast. Hier wäre also eine Spur, und die Vertreibung der Wanzen ebenso wald den Gesichtskreis abschloß. und nun reißt der Faden alsbald wieder eifrig betrieben , wie die Vertreibung der also , " sagte der Ankömmling , „ ist der Aber in Park, in dem mein Vorgänger seine fentiab. Eines freilich ist sicher : Wir scheinen Jesuiten ," grollte der Arzt. hier recht angenehme Preßzustände zu be- Sachen des Schmußes , sehe ich , sind sie mentale Gartenkultur mit Trauerefchen, fizen. Und leider nicht bloß hier. Das sehr konservativ. " Damit versenkte er sich Thränenweiden und Lebensbäumen trieb, Ende dieser Preßwirtschaft kann dochschließ- in das unergründliche Federmeer, und ein während die Leiden seiner Patienten ihn lich nur die absolute Gleichgültigkeit gegen tiefer traumloser Schlaf erlöste ihn von völlig kalt ließen. Merkwürdig , daß ich die öffentliche Meinung sein , das heißt der Verstimmung des ersten Abends in so gar kein Verständnis habe für diese cmpfindsame Gefühlswelt. Was nicht zur gegen die Meinung der Herren Maier, feiner neuen Heimat . Schlosser, Schulze u. s. w., die ihr Urteil That zu werden vermag , erscheint mir nur als verschwendete Kraft ; sie nennen über uns täglich von dem Zeitungsaus2. Am folgenden Tage machte Henne- das freilich ungemütlich. " Troß dieser Läufer zugestellt erhalten. Bei allem dem ist das eine recht ernste Sache ; denn der gauer zunächst seine Besuche . Er erfuhr Selbstkritik ließ aber auch er einen Blick Beifall der Mitbürger war einst eine bei denselben nur , was er schon wußte, des Wohlgefallens über seine künftige daß man ihn , den Juden , gerade darum Heimstätte hinschweifen, bis der Pförtner, Haupttricbfeder zu großen Thaten habe, um den kirchlichen Umtrieben ein blaunäfiger alter Kanzleidiener mit berufen das an wieder sich macht Braun Herr saubere Geschäft des Korrespondentener der Landgräfin ein Ende zu machen. Die abgetretenen Stiefeln und weißem SchnauzSagen Sie ratens, " wiederholte er dann, indem er hohe Dame hatte sich nämlich in den Kopf bart die Thüre aufthat. feine Zigarre zornig weg warf. „ Ob es gesetzt, das städtische Spital, zu dem der dem Hausmeister, er solle die Uhr richtig einer späteren Zeit auch so selbstverständ- Hof keinen Heller beitrug , in cin Kloster stellen ," war das erste Wort des neuen lich erscheinen wird , daß ein Journalist zu verwandeln, mit dessen Leitung sie ihre Direktors . Der Diener schaute ihn veralles und jedes an die Deffentlichkeit zerrt müßigen Stunden auszufüllen gedachte. dugt an , dann sagte er militärisch : „ Zu mit Ausnahme seines cigenen werten Die Mehrheit des Verwaltungsrates war Befehl, Herr Direktor ! " Namens ? Keine Amtshandlung , keine diesem Treiben abhold, aber in dem VorDer fängt gut an , " lachte der Alte
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vor sich hin , als Hennegauer raschen | genommen . Nun ist es ein wahres Glück, | Trauermarsch vor sich hinpfeifend , begab Schrittes die Treppe hinaufstieg. Kann daß ihre landgräfliche Gnaden und ihre er sich an den Eintrag seiner Rechnungen. hier nicht schaden , wenn die Kujone da Geziertheit das gnädige Fräulein von Inzwischen hatte Fräulein von Maueroben erfahren, was die Uhr geschlagen hat. " Mauerschneck das ganze Personal durch- schneck den Rundgang begonnen , den der Der Arzt atmete mit Mißbehagen die einandergerüttelt und alle zur Seelsorge neue Direktor so unhöflich gewesen war, cigentümlich beklemmende Spitalluft , die ungeeigneten Subjekte entlassen haben. Es ihr aufzutragen . Die Oberin von Beihm schon auf der Treppe die schlechte soll dem Herrn doch schwer werden , die thesda , welche sich so plöhlich zur BeVentilation der Krankenzimmer verriet. Als Taschen zu finden, in die die Ueberschüsse schließerin eines Bürgerhospitals erniedrigt er das Bureau betrat, fand er den Buch geflossen sind . Unser Schäflein haben wir sah , war eine graziöse , alte Dame , die halter gerüstet und bereit, dem neuen Vor- ohnehin im Trockenen, und wenn die große bei Hof noch immer eine gute Figur gesezten Sand in die Augen zu streuen, Ueberraschung kommt, wird von den Ba- machte. Sie hatte ein bewegtes Leben oder, wie das in der amtlichen Sprache gatellen hier nicht mehr die Rede sein. " hinter sich, aus deſſen Stürmen sie sich in hieß , ihm die Akten und Rechnungsbücher Er fing an , cine melancholische Melodie den stillen Hafen dieser kleinen Residenz der Anstalt zu unterbreiten. Der kleine vor sich hinzuſummen und versank dann gerettet hatte. Seit die Zeit der Erobewohlgenährte Alte mit kurzgeschorenem , in tiefes Brüten. rungen für sie vorüber war, war Fräulein Bald darauf hörte er die Thüre drüben von Mauerschneck außerordentlich gemeinfugelrundem Kopfe und unruhigen , lauernden Augen war etwas betreten , als der sich öffnen und Fräulein von Mauerschneck nütig geworden. Sie gehörte unter die neue Direktor , nach Vorlage der sauber mit einer Mischung von gespreizter Würde zahlreichen Damen , die das ganze Jahr geschriebenen Bücher , ihm gegenüber an und süßester Verbindlichkeit sagen : „Ich mit fremdem Gelde wohlthätig sind. Zu dem Pulte Plaz nahm und zu jedem Buche wiederhole, Herr Geheimerat, daß es nicht Betreff ihrer eigenen Beiträge licß sic die Belege befahl. Langsam nahm er die zu den Geschäften der Oberin von Bethesda weislich die linke Hand nicht wissen, was Aftenbündel aus den Gestellen , zuweilen gehört, die Kücheneinkäufe zu überwachen, die rechte nicht that, aber die Tasche voll feine Nase mit den Resten des Tabaks aber um Ihre Ermittelungen zu fördern, Sammellisten , benutzte sie jede Gelegen// heit, durch vehemente Menschenfreundlicherlabend, der in seinem schmalen Schnurrs will ich ausnahmsweise ... Gewiß," unterbrach der Direktor die keit Aufsehen zu erregen, und da sie eine bart, einer sogenannten Beamtenfliege, hängen geblieben war. Aber der neue alte Dame ungeduldig , ist das keine hochbejahrte Tante hatte, die sie nicht beVorgesezte klopfte ungeduldig mit der Stelle für Sie; da aber das Statut keine crben konnte, indem zu diesem Behuf unHand und zwang ihn, das Tempo rascher Oberin kennt, sondern eine Hausmeisterin passenderweise zahlreiche Kinder und Enkel zu nehmen. Seine Unbehaglichkeit stieg oder Beschließerin, und kein Stift Bethesda, vorhanden waren , beutete sie die Altersdurch die kurzen Fragen, die der Geheime sondern ein Rumpenheimer Bürgerſpital schwäche der rührbaren Greifin nach Kräften rat jeweils an ihn richtete. mit selbständiger Verwaltung unter Ver- für ihre Zwecke aus. „ Wir thun so viel, “ 1)Wie viele Betten waren im Dezember antwortung des Direktors, so bitte ich Sie, pflegte sie dann mit Salbung zu sagen, belegt ?" diese Woche zu thun, wie ich sagte , bis die Tante allein hat tausend Mark ge// Geben Sie mir das Küchenbuch für die Stellung wieder in regelmäßiger Weise geben ". Auch hatten die Notleidenden in den "Dezember. " besetzt ist." Theegesellschaften und Komitecsigungen keine „Wo ist das Dienstbuch über den VerDarauf ward die Thüre rasch und hart cifrigere Fürsprecherin als sie. Sie arrankauf der Abgänge?" geschlossen. Das gnädige Fräulein schien gierte Bälle zum Besten der Abgebrannten, "/ Geben Sie mir die Quittungen der indessen noch auf dem Gange zu verweilen . und Bazarz zu Gunsten der UeberschwemmKaufleute für den Jahresschluß . " Erst nach einer Pause hörte der Buchhalter ten. Sie präsidierte dem Frauenverein mit Immer leiser trat der alte Mann auf, fic etwas murmeln. Es klang wie „ Flegel". unübertrefflicher Würde , sie führte die immer bleicher sah er auf den Goldstift Boshaft lächelte der Alte vor sich hin, als Haupstimme in Komitee des Kindergartens, des Geheimerats , der raftlos über die kleinen sich die Schritte draußen außerordentlich war Aufsichtsdame des Lesevercins, RechBlätter seines Notizbuches dahinfuhr. End- rasch entfernten . Wenn die die Küche nerin des Suppenvereins , Vorsteherin des lich wagte er schüchtern zu fragen : Fin- kontrolliert, hat Frau Hahn wenig zu be- Lokalkomitees für Verteilung von Wäsche, den der Herr Geheinterat irgend einen An- forgen, " sagte der kleine Mann, indem er und des Sparvereins für Schulkinder, und stand ?" Aber statt der Antwort befahl sich durch eine Prise stärkte. Was weiß trug in Anerkennung ihrer aufgeregten der Direktor neue Akten . Endlich klappte dieser Kleiderstock , wie viel ein Pfund Armenpflege und geräuschvollen Menschencr sein Notizbuch zu , steckte es ein und Kalbfleisch kostet ? Nötigenfalls läßt man liebe eine Sammlung von Ehrenkreuzen begab sich , ohne ein Wort zu sagen , in sie Schwarzwurzeln als Vanille und grüne und Gedächtniszeichen an ihrer Schultersein gegenüberliegendes Geschäftszimmer. Erbsen als Kapern aufschreiben. Frau schleife, die jedem kommandierenden GeneDer Buchhalter fuhr nervös zusammen, Hahn wird das schon besorgen . " rale Ehre gemacht hätte. als die Glocke gezogen wurde. „ Jezt Nach einer Weile sah er dann die Die Landgräfin , cine kinderlose und schickt er nach der Polizei , " raunte fein Oberin, gefolgt vom Hausmeister, über den freudlose Dame, der die Natur eine zwergböses Gewissen ihm zu . Dann hörte er Hof gehen. Jeßt sieht sie gar nach den hafte Gestalt und einen kleinen Verdruß den Diener wieder herauskommen . Ställen , " höhnte der Buchhalter. "} Sie auf dem Rücken ins Leben mitgegeben, Wen sollen Sie holen, Herr Maier ?" wird sich wohl überzeugen wollen, ob die hatte sich bei ihrem Mangel an jeder anflüsterte er dem biederen Schnauzbart auf Schweine schon gemolken sind , und wie deren Beschäftigung ganz der Wohlthätigdem Gange in die Ohren. viel Butter die Kühe legen ? ... Gerechter keit gewidmet. Ihr Gemahl freilich meinte, Die Öberin, " erwiderte der alte Sol Gott, nun hat er schon wieder zu schellen, " daß allzuviel Rührung ihrem Verstande dat furz, denn er konnte den Gleisner nicht fuhr der kleine Mann dann nervös herum, nachteilig gewesen sei, und ihr alter Leibleiden , der bald geschmeidig war wie ein und wieder huschte er zur Thüre: Was arzt, Hennegauers Vorgänger am Hospital, Ohrwürmchen , bald aufgeblasen wie ein ist's , Herr Maier? " war sogar der Ansicht, ihr ganzes, kleines Puter. Ein Seufzer der Erleichterung Der Assistenzarzt soll kommen, er will Gehirn habe sich mit der Zeit in eine schwellte bei der Antwort des Pförtners die Krankensäle visitieren , " sagte der große Thränendrüse umgewandelt , da sie die Brust des kleinen Graukopfes, der nun Diener. nur noch von armen Leuten, Krankenbetten ruhiger an sein Pult zurückkehrte, und in „Er muß seine Nase auch in alles und verwachsenen Kindern träume. Zum dessen Mausaugen bei der Antwort des stecken," murrte der Kleine, indem er ver- Unglück für seine Anstalt erschöpfte fich Dieners sogar ein schadenfrohes Lächeln drießlich mit der Hand die kurzgeschorenen aber die Thatkraft dieses alten Mediziners aufleuchtete. Doch ließ er die Thüre an- weißen Haare fraute. Nun, wenn er in solchen grimmigen Bemerkungen, die er gelehnt, um zu hören, was draußen vor drüben sicht , wie die Kranken verpflegt über seine goldene Tabaksdose hinweg zuSo oder so ," sagte er resigniert, werden, wird er meine Bücher vielleicht um verlässigen Freunden ins Ohr flüsterte. gehe. hätte das fchöne Geschäft doch ein Ende so bälder in Frieden lassen. " Und einen Thatsächlich hatte er geduldet, daß die un-
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verständige hohe Dame die Leitung der diese Zahlen für Transport immer größer | gewogen . Die Kleie ist nur , damit fie Stiftung völlig an sich brachte , obwohl wurden. „Ja ," sagte sie endlich, [/ wenn nicht zerbrechen." das Hospital aus eigenen Mitteln existierte der Transport allein so viel kostet , wird Fräulein von Mauerschneck hatte aber und nach dem Hofe nicht zu fragen brauchte. man das Ganze nicht anfechten können ; bereits den Korb ergriffen, um sich selbst zu überzeugen , wieviel Eicr fie finden Die Landgräfin taufte die Anstalt Bethesda, aber teuer iſt es . " d. h. Haus der Barmherzigkeit, wie Herr Sehr teuer, gnädige Frau, " bestätigte werde. In diesem Augenblicke meldete der Diener : „ Der Herr Hofmarschall wünschen Oberpfarrer Graus in einer salbungsvollen der Buchhalter. Ansprache den Kranken eröffnete, sie klei„ Nun, “ erwiderte Fräulein von Mauer- das gnädige Fräulein zu sprechen. Ihre dete das Personal in eine selbsterfundene schneck mit Würde, ich werde selbst nach- landgräfliche Gnaden werden um vier Ühr Ordenstracht , und als die wohlbezahlte sehen , ob das alles wirklich in die Küche das Spital selbst inspizieren . " Stelle einer Hausmeisterin frei ward, zwang gebracht wird, was hier verzeichnet steht. " Alsbald rief Frau Hahn den Mägden sie den Aufsichtsrat , dieselbe unter dem Damit begab sie sich hinab in das untere zu : Bußt das Geschirr rasch. Wie ist die Fleischbrühe ? Die wird immer verTitel einer Oberin der Vorſizenden ihres | Stockwerk. Frauenvereins zu übertragen. So war Jumitten ihrer Kessel und Pfannen sucht. Hole noch ein Stück Ochsenfleisch Fräulein von Mauerschneck Oberin gewors waltete dort Frau Hahn, die beleibte Ober- im Fliegenschranke. " Einem Besuche der den, und da ihre eigenen Mittel sehr schmal köchin, über ihre grau, wie Beguinen ge- Landgräfin trug auch Frau Hahn Rechwaren , fand das alte Fräulein doch für kleideten Mägde und die blütenweißen nung, das war ein Rest von Loyalität, angezeigt , wenigstens einen Versuch zu Küchenjungen. Frau Hahn gehörte zur dessen auchsie sich noch nicht entledigt hatte. machen , ob sie sich nicht auch unter dem Autonomistenpartei , die behauptete , die Aber im gleichen Augenblicke rief einschriller neuen Direktor werde halten können. Aus Landgräfin habe im Spitale nichts zu Schrei der Eierfrau sie von ihrem Felddiesem Grunde hatte sie des Juden Besuchen , das Spital existiere aus eigenen herrnposten ab. Fräulein von Mauerschneck, fehle gehorsam entgegengenommen , und so Mitteln und gehe niemand etwas an. die den Hofmarschall nicht wollte warten schwebte denn das schlanke , graziöse , alte Sie haßte die weißen Hauben der Dia- lassen, hatte den Korb, den sie in der Hand Fräulein , zu einer Zeit , in der sie sonst konissen , die breiten Kragen der Küchen- hielt, um schneller zum Ziele zu kommen, gewöhnt war , ihr Gabelfrühstück aus der mägde , sie haßte die Oberschwestern und wie einen Apfelkorb eingeleert und schaute Spitalküche zu sich zu nehmen, im Tänzer Unterschwestern, und vor allem die Oberin, nun entfest auf den gelben Kleienkuchen, ht. schritte, ein Ballettlächeln auf den Lippen , die ihr gerade in diesem Augenblicke besonders den sie in der Schüssel zustandegebrac wie ein Drache von Stall zu Stall und notierte die Zahl ungelegen kam. Es war die Stunde, da Alsbald schoß die Oberköchin Dame los : "/ Die Eier der Ochsen, der Schweine, der Gänse, der den Dienstleuten ihr Essen verabreicht ward, auf die unglückliche bezahlen," schrie neue Direktor der nur soll bei Mühe hatte Fräulein gnädige das und Enten und der Hühner. //Eine reizende Laufen, das hier herrschte, sie wütend. // Warum schickt er jemand in Beschäftigung, " sagte sie zuweilen vor sich dem Lärmen und Ich möchte die Küche, der nicht weiß, daß die Hühner hin. Ihre landgräfliche Gnaden werden sich vernehmlich zu machen. thatsächlich keine Kieselsteine legen. , heute was aufschreiben alles erstaunen, wenn sie hören , wozu dieser Sie sagten ja, die Kleie sei, damit sie in die Küche gebracht wurde ," sagte die Jude die Oberin von Bethesda zu ver nicht zerbrechen , " stammelte das ärmste Bücher." Ihre mir Sie Geben Oberin, wenden gedenkt . Er kann ja den Zugang Ich habe es selbst noch nicht aufge- Fräulein , das ganz bleich geworden war und Abgang selbst kontrollieren . RidiIch über dem Unglück , das sie angerichtet. " sagte Frau Hahn grob. schrieben, füles Individuum ! " Der Rundgang der Oberin erregte auch habe mehr zu thun als solche neue Als nun aber das ganze Personal gleich= zeitig auf sie hineinschrie, gewann sie ihre das allgemeinſte Aufsehen in dem Spitale. Faren. “ Die Oberin schaute sie streng an , aber Haltung wieder. Sic warf sich in ihre An den Fenstern famen hier und dort die Häupter der Diakonissinnen mit den großen Frau Hahn sagte nur um so barscher: Hofdamenpositur und bedeutete mit einer Flügelhauben zum Vorschein, und die gleich- Lassen Sie Ihre Diakonissen kochen, wenn gebieterischen Handbewegung den schreienden falls klösterlich gekleideten Stallmägde steck- Sie mir nicht trauen ," und damit kehrte Mägden : „ Sic können den Dotter mit Löften die Köpfe zusammen, was das heißen sie dem gnädigen Fräulein den Rücken . feln herausnehmen , " und straff sich aufſolle ? Es war auch recht spassig anzu- Sie war vollkommen ehrlich diese grobe richtend, schritt sie zur Thüre, wo sie sich zusehen, wie die langen, grauen Locken in Frau Hahn, das heißt , was eine Köchin dem Oberhofmarschall gegenüberfah, dessen den Lüften schwankten , wenn die schlanke ehrlich nennt, und fühlte sich beleidigt durch Gruß sie mit zwei tiefen Menucttfnigen Dame, die Röcke hoch aufgenommen, mit die neue Zumutung. In diesem Augen erwiderte. Als Hennegauer einen Augenunleugbarer Geschicklichkeit über eine Enten- blicke , in welchem Fräulein von Mauer- blick darauf an der Küche vorüberging , pfüße sette, oder wie sie , den Kopf weit schneck sich etwas überflüssig erschien, trat sah er zwei junge Küchenmägde hinter der vorgestreckt , und die Nase mit der Hand eine Bauernfrau durch die Thüre und setzte Hofdame her diese tiefen Komplimente nachschüßend , in das Innere eines Schwein ihren Korb mit Eiern auf einen Stuhl. ahmen, wobei sich ihre grauen Röcke rechts ſtalles spähte , in dessen Claireobscure sie Eine der Mägde brachte eine große Schüssel, und lins an den Schößen weit auseinander zerrten und sich niederließen , so tief, daß die verzeichnete Anzahl von Ferkeln nicht in die die Eier gelegt werden sollten. ihre Küchenschürzen den Boden berührten. „Das werde ich sofort kontrollieren, " sofort zu entdecken vermochte. Endlich war Aus der Küche aber erscholl ein fröhliches das schlimme Geschäft beendet , und das dachte Fräulein von Mauerschneck, während Beifallsgelächter, dem Frau Hahn, mit ihrer Frau Hahn mit giftiger Micne herzutrat, gnädige Fräulein kehrte in dem Hochgeerbost, daß die alte Zierpuppe noch immer eigenen Heiterkeit kämpfend, vergeblich zu fühl, heute einmal praktisch" gewesen zu steuern suchte. sein, nach dem Hause zurück. Ihr nächster ihre Küche nicht geräumt habe. Als die ausgelassenen jungen Dirnen „ Wozu ist die viele Kleie ? " fragte FräuWeg war zum Bureau. des Direktors ansichtig wurden, liefen sie „ Die gnädige Frau befehlen , " sagte lein von Mauerschneck, mißtrauisch in den eilig in die Küche zurück. Sie meinten der kleine Buchhalter mit seinem unter Eierkorb schauend, in dem sie viel Spreu aber, das bleiche Gesicht des neuen Herrn sah und wenig Eier. würfigsten Lächeln. damit der Korb mehr wiegt, habe gar nicht böse ausgesehen, sondern iſt, Das " Woche. vorigen der Küchenbuch Das "/ !! gnädiges Fräulein , " sagte Frau Hahn spöt er habe ' nur lächelnd gewinkt , sie sollten Der Buchhalter legte es vor. Possen lassen. Das müssen Sie dem Neuen an die Poſſen Mark," tisch. ,,Neunhundertdreiundfünfzig Hennegauer kam von seinem ersten zeigen. Es ist der reine Betrug, nicht wahr rief die Dame mit einem leisen Schrei. nge im Spitale zurück, als ihn ein Rundga „Ja , das Leben ist schön , " sagte der Grete ? " zum Zeugen machte, welcher VerZufall Das Freifräulein stand sprachlos Sie . .' kostspielig aber Buchhalter, ehrung sich die Oberin in der Küche erwußte nicht, was sie denken Aber . sollte Hatlos starrte das Fräulein in alle die freue. Auch er war inzwischen nicht müßig Zahlen. Am meisten fiel ihr auf, daß über die Eierfrau bemerkte gutmütig : ,,Frau Hahn gewesen. Während Fräulein von Mauermacht Späße. werden Eier gezählt, nicht jeder Seite stand „ Transport “ , und daß
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schneck seinen Befehl ausführte, den Be- nur die Patienten unnötig. Es muß ja , glänzend auf die schneeweißen Betten, den stand in den Ställen und an Küchenvorräten doch alles umgeordnet werden. So toll Patienten zur Pein, aber wie schön sah zu notieren, hatte er sich in Begleitung hatte ich mir den Zuſtand nicht vorgestellt, es aus . Die Blumensträuße strahlten in des zweiten Arztes nach den Krankensälen obwohl ich auf vieles gefaßt war. Da fröhlichen Farben und erfüllten die Stube begeben . mit verließ er leise den letten Saal und, mit betäubendem Duft. Der Wind spielte Er fand die Räume dort hell und um die Kranken nicht durch wiederholtes mit den Gardinen und erfrischte die Atmoschön, aber schlecht gelüftet und die Betten Erscheinen zu stören , kehrte er durch den sphäre. Hie und da schlug eine Thüre unzweckmäßig gestellt. Der arme Mann unteren Stock, an der Küche vorüber, nach von dem Durchzug, und die Kranken schrasieht ja in das Licht, " sagte er der Dia- feinem Zimmer zurück, wider Willen erheiken zusammen, als ob sie einen Kanonenkoniſſin beim Anblick des ersten Patienten. tert , als er im Vorbeigehen die Szene schuß gehört hätten. Die Oberschwester „ Bringen Sie eine Schuhwand, bis wir zwischen der Mauerschneck und dem Küchen- aber schritt an der Spiße ihrer dienenden ihn anders betten. “ Die Schwester ent- personal ansah. Geister in die nächste Stube, um dort ihr fernte sich zögernd, und es währte geraume Hennegauer hatte aber die Kranken- furchtbares Werk aufs neue zu beginnen . Zeit, bis sie das Verlangte brachte. säle kaum verlassen , als plötzlich zwei Endlich kehrte sie wieder, und aufatmend „ Der Patient hat den Typhus ; wie robuste Schwestern durch die vordere Thüre sagte sie : "/ So , jezt sind wir fertig. " Wir haben noch immer kein Mittag= können Sie ihn hier lassen ? " fragte der stürzten, die eine einen Kübel heißen WasDirektor dann mißbilligend den Assistenz- | sers, die andere zwei Schrippen schleppend . essen, " weinte der kleine Knabe mit dem arzt bei dem nächsten Bette. Die Landgräfin fommt in einer Stunde, " geschindelten Fuße. // Die Kranken liegen alle verkehrt, " | riefen sie mit lauter Stimme der dienenBringe ihm Fleischbrühe, “ sagte die gab dieser ruhig zur Antwort. // Die Frau den Schwester zu,,, geschwind gelüftet, die Oberschwester zu der Diakonissin, „aber Landgräfin befahl die Sonderung nach Betten frisch überzogen ! Vorwärts , an sorge, daß er die frische Decke nicht beKonfessionen, damit jedes Bekenntnis für die Arbeit ! " Die schlummernden Kranken fleckt. " Dann fiel ihr ein, daß die Absich Gottesdienst haben könne und der alte fuhren bei dem lauten Rufen vom Kissen wesenheit aller Arzneien der Landgräfin Hofrat hat sich dem zu meinem Bedauern empor. Der Typhusfranke rief: [/Feuer, auffallen könnte, und daß wahrscheinlich unterworfen. " Feuer! " Der Asthmatische bekam einen Er "/der Neue" ihr das Geleit geben dürfte. Eine Landgräfin hat das Privilegium, stickungsanfall, aber die Weiber rannten "Holt die Medizinen wieder," lautete ihr zu glauben , daß Keßerei ansteckender sei wie besessen nach den Fenstern und machten Kommandoruf, und stellt jedem Kranken als Typhus , " sagte Hennegauer scharf, Durchzug ; Staubwirbel flogen auf, daß ein Glas mit frischem Wasser hin. Bringt aber mein Vorgänger hätte das nicht die Kranken im Chore husteten, und nun auch, was der Neue ordiniert hat. " Nach dulden dürfen. Legen Sie Ihre große begann ein Laufen, Lärmen und Scheuern, einer Weile erschien eine Magd mit MeHaube ab, " fuhr er dann die Schwester daß die Patienten zum Teil zu weinen dizinkolben , Pulvern und Schachteln, die an . Sie sehen ja, wie der Kranke Sie begannen vor Pein und Entrüstung. End- die Schwester nach den Nummern auf die anstarrt. Sie machen ihm Delirien mit lich wurden die Thüren und Fenster wie- Tische verteilte. Auch das Wasser_ward Ihren Engelsflügeln . " der geschlossen. Aber die Prüfungen der gebracht. Dann kam eine Magd"mit dem Die Diakonissin sah den Direktor an, Kranken waren noch nicht zu Ende. Die Senfteig und dem Rhabarber und rief : als begreife sie nicht, was er meine. Beschließerin erschien und hinter ihr sämmt: „ Die Landgräfin ist schon auf der Treppe „ Diese Haube follen Sie abthun, " | liche Mägde mit frischem Linnen, wie es und der Neue begleitet sic. Als die Obersagte jest Hennegauer zornig, indem er gestern aus der Wäsche gekomnien war. schwester hörte, daß der Direktor gleichfalls den gewaltigen Kopfpuß der Schwester von Den Kranken wurden die Kissen und Tücher komme, rief ſie rasch : Senfteig auflegen hinten zurückzog wie eine Kapuze. Wir unweigerlich unter dem Leibe hinwegge- Nr. 5, Rhabarber eingeben Nr. 6. Die brauchen hier Krankenwärterinnen , keine zogen und frische Wäsche übergelegt. Der Aufregung über das Nähen der Landgräfin Nonnen. " Typhuskranke sprang aus dem Bett und hatte ihr aber alle Besonnenheit geraubt, Die Schwester fuhr wütend nach ihrer wollte wie wütend sich aus dem Fenster so daß sie die Nummern verwechselte. Che Haube, aber als der Direktor die Hand stürzen. Um so besser. Die Oberschwester er sich's versah , hatte der schlummernde erhob, als wolle er ihr die Thüre weisen, hielt ihn fest, während die Mägde sein Asthmatische den Rhabarber im Leibe und legte sie, wenn auch glühend vor Entrü Bett frisch überzogen, in das er dann der Knabe mit dem verstauchten Fuße schluchzte jämmerlich unter dem brennenden stung, ihren Heiligenschein nieder. zurückgezwängt ward. „ Der Mann hier muß einen Senfteig "Ich habe so kalte Füße, " klagte ein Senfteig. Aber es war keine Zeit zu Reklahaben und sogleich, damit die ersten Wege Kranker. mationen. Der Portier riß die Thüre weit frei werden." Er tröstete den Patienten. So stecken Sie sie unter die Arme, " auf und herein schoß, wie von einer inneren freundlich. Es hat nichts zu bedeuten. crwiderte die Schwester grob. Unruhe gehest, cine Dame, die kaum mehr Die Beängstigungen werden sofort weichen , Wo bleibt mein Senfteig?" stöhnte als vier Fuß hoch war, und deren bleiche guter Freund, sobald der Gegenreiz ein- der Asthmatische. „ Jezt ist keine Zeit zu Wangen zwischen den breiten hellblauen tritt. " "/ Wo fehlt es, mein Junge, " redete Senfteig," antwortete die Diakonissin, | Atlasbändern ihres Hutes nur um so er dann einen fiebernden Knaben an und „ die Landgräfin kommt. “ welfer herabhingen. In nervöser Hast untersuchte seinen Zustand. Geben Sic „Wasser, Wasser ! " bat ein anderer. eilte sie nach der Mitte des Zimmers , wo ihm Rhabarbertinktur, einen tüchtigen Löf- Warten " , war der Bescheid. Da brachte sic, unsicher um sich blickend, sich zu orien ! ein Mädchen ein Brett mit Blumensträußen, tieren suchte. Hinter ihr trippelte cilfertig fel " sagte er dem Aſſiſtenzarzt. Ein noch kleinerer Knabe lag im Ver- um an jedes Bett Blumen zu stellen, der Kammerherr. Er hatte das eigentümliche Los , daß bande wegen eines vertretenen Füßes . Der damit die hohe Frau sich des Anblicks Es wird erfreue. Der Patient, der um Wasser ge- die Leute ihn schon nicht leiden konnten, Direktor schindelte ihn fester. wch thun, mein Kind, aber es ist gleich beten, warf die Blumen zur Erde und wenn sie ihn zum erstenmal durch die vorüber. " Der Knabe verbiß seinen Schmerz, trank das Glas mit gierigen Zügen leer. Thüre hereinkommen sahen. Das kam und der Direktor lobte ihn für seine // Sie Unverschämter ! " schrie die Schwe- daher, daß er sein Gesicht mit der goldeTapferkeit. ster. „Können Sie nicht warten, bis Ihr nen Lorgnette und seinem gleich poliertem Dann betrat er die folgenden Säle, Wasser kommt ?" und hob scheltend die Marmor spiegelnden kahlen Schädel so ordinierend, rügend, bessernd und die Dinge Blumen vom Boden wieder auf. Dann gänseartig vorausstreckte, und daß er so fo vorläufig zurechtstellend . „ Ich muß mit | ließ sie einen Blick des Wohlgefallens über | stolz schien auf seinen wohlgepflegten dem Bauplane in der Hand meine Dis die Stube hingehen. Die Kranken waren | Backenbart. Hinter ihm kam die Oberin positionen machen, " sagte er dann, als er alle wieder mit dem Gesichte gegen das von Mauerschneck mit ihrer Nichte, einer die legten Zimmer durchschritten hatte. Licht gelegt, damit die Landgräfin sie hochgewachsenen Hofdame von üppigen „ Mit kleincn Aenderungen beunruhige ich leichter anreden könne. Die Sonne schien Formen und keck blickenden, großzen braunen 74
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1756
Isaak Henneganer.
1757
1758
Augen. Die zwerghafte Landgräfin hielt |flammend, um jeden Heliodor aus dem Glas in das Auge und schaute aufmerksam durch das Fenster, durch das der Kranke eine Weile an, und während ihr bleiches Tempel zu werfen. Gesicht mit den schlaffen welken Wangen Die kleine bleiche Landgräfin richtete hinausgesprungen war. Nur das jüngere sich mühte , ein Lächeln hervorzubringen sich majestätisch auf. Ein derartiges Be- Fräulein von Mauerschneck schien sich höchund die blaßblauen Augen nervös nach nehmen war ihr in ihrem ganzen Leben lich über diese Situation zu belustigen und allen Seiten gingen, sagte sie mit einem noch nicht vorgekommen. Ich dächte, erlaubte sich eine ungezogene Miene hinter hysterischen Seufzer: "/Wie friedlich ist es wenn ich hier bin, " sagte sie hastig, //habe ihrem Fächer. hier; welch schöne Blumen , wie rein ! ich zu befehlen, wer zu bleiben und wer Plöglich aber sprang auch der gequälte Man möchte fast selbst wünschen , hier zu gehen hat. Schwester Maria ist eine Asthmatische aus dem Bette und lief aus Retten Sie ihn , retten der besten Pflegerinnen. Ich kenne fie dem Zimmer. frank zu sein." Sie ihn," rief die Landgräfin dem HofUnd zu Fräulein von Mauerschneck nicht erst seit heute. " sich wendend, fügte sie in gütigem Tone „Um so schlimmer für das Spital, | marschall zu , der den Mann auch vor der hinzu : " Dieser Anblick hat meinem Her dann werden nicht viele von den gegen Thüre einfing. Nach einer Weile kehrte er zen wohlgethan. Das Spital hat sehr wärtigen Wärterinnen übrig bleiben, er jedoch zurück, und sagte mit einem bedeugewonnen, seit Sie die Leitung übernom- widerte der Jude mit einem Hohne, der tungsvollen Lächeln : !!Es ist nichts , Homen. " Fräulein von Mauerschneck zog die Landgräfin entrüstetc. //Pflegerinnen, heit!" Fräulein Wanda kicherte hörbar, eine beglückte Micne und machte eine ihrer die so pflichtvergessen sind, die Medikamente die Landgräfin aber wendete sich entrüstet zur Nachahmung reizenden Verbeugungen. zu verwechseln, gehören wegen fahrlässiger um und rauschte nach der Thürc. Auf Die Wärterinnen aber standen in alles Körperbeschädigung vor den Richter. " der Treppe begegnete sie dem Direktor, vergessender Andacht und wagten kaum, Die Landgräfin zitterte an Händen der den Typhuskranken mit gebrochenem einen Schatten zu werfen , während die und Knicen por Empörung. Endlich faßte Beine nach der chirurgischen Stube schaf= Landgräfin von Bett zu Bett ging. "Sie sie sich und sagte streng: Ich werde das fen ließ. Hat er sich verlegt ? " fragte der HofAber sind wohl sehr gern hier, " sagte die hohe alles dem Landgrafen melden." Frau dann zu dem Aſthmatiſchen, der mit Hennegauer hatte sich vorgenommen, der marschall. und Wadenbein und den den Wirkungen des eingeschütteten Rha- kleinen Dame cin für allemal die Besuche in seiner Anstalt zu entleiden. Darum rechten Oberarm hat er gebrochen," rief barbers kämpfte. Hennegauers Augen waren inzwischen erwiderte er mit beleidigender Kälte : "/ Das Hennegauer wütend. Da sehen Sie, was zornig funkelnd in dem Saale umherge Hospital steht nicht unter Aufsicht der Sie mit Ihren Spitalbesuchen anrichten. " gangen. Er sah, daß man die Kranken landgräflichen Regierung, " und damit trat | Die Landgräfin that, als habe sie nicht wieder unbarmherzig der Blendung aus er an das Bett des Asthmatischen und gehört. Unter der Thüre aber murmelte gesezt hatte, um einen schönen Lichteffekt fragte : „ Die Rhabarbertinktur haben am fie: Noch heute muß er aus meinen für den hohen Besuch herzustellen, daß Ende gar Sie erhalten ?" Der Kranke Landen." Der Abend war bereits hereingebrochen, inan gescheuert , daß man die Betten nickte mit dem Kopfe und krümmte sich frisch überzogen, daß man die Luft mit in unnennbaren Qualen. // Ich bitte Euere bis Hennegauer damit zu stande gekomHyacinthen und Veilchensträußen aus dem Hoheit, diesen Saal zu verlassen," sagte men war , dem Verwundeten Verbände Treibhause vergiftet hatte. Den Zustand Hennegauer nun, der Mann muß auf- anzulegen, wie dessen Zustand sie ertrug, und die dringendsten Aenderungen in den des Asthmatischen konnte er sich nicht deu- stchen. " Dann „ Es scheint, Sie wollen auch mir die Krankensälen zu bewerkstelligen. ten. Er sagte nur kurz : „ Der Mann hat Atmungsbeschwerden , Hoheit , und darf Thüre weisen" erwiderte die Land- entlicß er die Wärterin, die statt auf die jezt nicht sprechen. " Dann aber fiel sein gräfin voll Entrüstung. Aber in diesem Kranken nach dem Besuche der hohen Frau Blick auf den geschindelten Knaben, der Augenblicke rief cine Stimme : Nr. 2 geht geschaut hatte . Als er hierauf nach dem ihn mit thränenden Augen ansah, indem durch." Und mit Entseßen sahen die An- Bureau zurückkam, trat ihm der Bucher auf den Bausch auf seinem Leibe wesenden, wie sich der Typhusfranke, auf- halter unter vielen Bücklingen entgegen, Alsbald war Hennegauer an geregt durch die vielen fremden Personen um nach seinen Befehlen zu fragen. Er deutete. seinem Lager. Zornig riß er dem Kinde und das laute Reden , zum Fenster stürzte glich jenen Spannraupen, die so organifiert sind, daß sie sich nur unter fortgeden Senfteig von der Brust, die schon und durch dasselbe verschwand. Blasen zeigte, so lange hatte man ihm "/ Da haben Sie die Folgen Ihrer Be- seztem Kaßenbuckeln vorwärts bewegen das Pflaster auf der Haut gelassen, das suche," donnerte Hennegauer die verdußte können. Bei Hennegauer erreichte er freifür den Asthmatischen bestimmt gewesen Landgräfin an. Er flammte auf, als ob lich das Gegenteil seiner Absicht mit dieser war. Die Landgräfin hatte die Mahnung, man ihn mit dem Streichholze angezündet Unterwürfigkeit . Ich bin nun einmal mit dieſent nicht zu sprechen , nur mit hätte. Der ganze Eifergeist seines semi- im Zuge, " dachte der neue Direktor, „ ich einem Stirnrunzeln beantwortet und ruhig tischen Blutes wallte in ihm empor. 3or will gleich ganze Arbeit machen . " Ihr weiter gefragt: // Wo habt Ihr Schmerzen, nig faßte er die ruhig dastehende Ober- Kontrakt, " sagte er dem Beamten kalt, licber Mann?" Die Wärterin stieß den schwester am Arme, schüttelte sie heraus , lautet auf monatliche Kündigung. WolPatienten kräftig in den Rücken, um ihn aus ihrer Indolenz, und sie gegen die len Sie sich also bis zum ersten April zu einer Verbeugung zu zwingen , aber Thüre stoßend, rief er : Helfen Sie doch um eine andere Stelle umthun. " der Mann gab hartnäckig keine Antwort. wenigstens den Mann wieder herauftragen.' Der Buchhalter erbleichte. Dann schickte Statt dessen rief Hennegauer mit sehr un- Damit eilte er selbst aus dem Saale, und er einen tückischen Blick nach dem Arzte. ehrerbietiger Entrüstung : Zum Henker, die Diakonissin, deren Gewissen sich regte, „ Darf ich auch wissen, warum mir gewer hat denn diesem Kinde den Eenfteig stürzte ihm nach. Die Landgräfin stand kündigt wird ? " fragte er giftig . aufgelegt, der für Nr. 6 beſtimmt war ?" starr und ratlos in Mitten des KrankenSie haben eine Menge unberechtig = Alles schwieg , aber der Knabe deutete faals , während die Patienten, ermutigt ter Forderungen gebucht," erwiderte der weinend auf die Oberschwester : Sie be durch das rücksichtslose Vorgehen ihres Direktor. Direktors , sic mit finsteren Blicken anDer Herr Geheimerat werden wissen, fahl es." „ Dann gehen Sie, " donnerte Henne- starrten als Urheberin all des Uebels, das daß ich die Rechnungen nicht zu prüfen gauer die verdugte Diakonissin an, und ihr Besuch ihnen bereitet hatte. Der vom habe. Ist ihre Richtigkeit vom Hausverlassen noch heute das Spital." Sein Senfteig rotgebeizte Junge aber verbargmeister oder der Oberin bescheinigt , so heißes Blut hatte ihn überwältigt, und er sein Gesicht unter der Bettdecke, um sein habe ich sie zu registrieren . " fah aus wie Judas Makkabäus im Frack, Lachen zu verstecken . Selbst der HofDas weiß ich allerdings ;" erwiderte als er mit geballten Fäusten hart vor die marschall machte ein Gesicht, wie jemand, Hennegauer trocken. Wenn Ihnen aber pflichtvergessene Oberschwester hintrat und der gern niesen möchte, aber nicht kann. in einem Monat allein 30 Mark für ihr einen Zornesblick zusendete, hinlänglich In seiner Verlegenheit klemmte er sein Scheuerlumpen verrechnet wurden, so muß-
B. Rottmann. 1759
Isaak Hennegauer. 1760
1761
ten Sie darauf aufmerksam werden , daß der Hausmeister die Anstalt betrügt und mußten es zur Anzeige bringen. " Und der Hausmeister und Fräulein von Mauerschneck ... ? " fragte der Buchhalter lauernd.
sage , muß das tiefste Geheimnis bleiben. | Spital empfängt und sich von ihr abholen Seine Krankheit kam zu der Krisis , die läßt nach dem Roten Turme. " Mit ich lange fürchtete. Er wollte sich töten. " einem höhnischen Zischen schlug er die Der Arzt erhob mitleidig seine Hände. Thüre zu und nahm seine Arbeit wieder "/ Wie schmerzlich ich Sie den ganzen Tag auf, die darin bestand , falsche Zahlen in erwartet habe," schluchzte die junge Frau. die Bücher zu schreiben . Angelita und ... werden gleichfalls ' gehen , unbe- Ich zählte die Stunden. Schließlich Hennegauer eilten inzwischen die Treppe schadet der Ansprüche auf Rückersaß, die mahnte ich Siegmund, wir wollten Ihrem hinab und wendeten sich rasch nach dem der Verwaltungsrat, wie ich hoffe, erheben Besuche zuvorkommen. Aber er weigerte Stadtthor. Die schöne junge Frau drängte wird. " sich und bat mich, ohne ihn etwas an die sich wie hilfesuchend an den festen, ruhigen Der Buchhalter zuckte die Achseln. „ Der Luft zu gehen. Mir war das unheimlich, | Mann und beschrieb ihm in erregten Worten Herr Geheimerat werden einsehen ," sagte denn ich fand ihn düster und aufgeregt, den Zustand des Verwundeten. er dann mit seiner sanftesten Stimme, so daß mich die Furcht anwandelte , er „ Nach Ihrer Schilderung, " sagteHenne„daß wenn alle Vorgesezten fünfe gerade wolle mich nur entfernen. So sette ich gauer , kann die Gefahr nicht groß sein. sein lassen , unsereiner nichts sagen darf ; mich in das Nebenzimmer , immer Ihren Er wollte das Herz treffen und durchbohrte aber wollten der Herr Direktor es nicht Besuch ersehnend . Als ich nach einer statt dessen die Spitze der Lunge ; das hat Weile an der Thürspalte lauschte , hatte keine Gefahr. Auch die Aufregung wird wenigstens einmal mit mir versuchen ? " „ Nein , " erwiderte Hennegauer schroff er das Gesicht über eine Zeitung gebückt sich geben. Nach der Krisis sind diese und verließ das Zimmer. Der Buchhalter und las zum zehntenmal einen Artikel, Patienten meist ergeben und folgsam wie ballte hinter ihm die Faust und schnitt eine den er schon neunmal gelesen hatte, und ein Lamm. Ich glaube, Sie brauchen sich Grimasse gleich einem gereizten Affen. „ Na, schien noch immer sich zu zergrübeln , wer nicht zu ängstigen. " das Artikelchen, " sagte er dann, "/ das ich ihn geschrieben haben könne ? Später, als „ Ach , daß es aber überhaupt dahin in den Volksfreund schreiben werde , das ich wieder kam, saß er zusammengefunken kommen konnte, " crwiderte sie, und trocksteckt er mir nicht an den Spiegel. " Dieser auf seinem Stuhle, und die Augen gleichnete sich wieder die Augen . Warum Gedanke schien ihn sogar über seine Entsam auf etwas Körperloses geheftet , sah mußte ich ihn auch allein lassen !" Ich will hier in der Apotheke noch lassung einigermaßen zu trösten. Obgleich er starr vor sich hin. Ich redete ihn an, die Bureaustunden schon vorbei waren, aber er verharrte in seinem Schweigen. einige Arzneimittel mitnehmen, " unterbrach zündete er sich noch die Lampe an. Der Es mag eine Stunde her sein , als mich sie Hennegauer. Es wird weniger aufWüterich soll sehen , wie fleißig ich bin, " ein seltsames Geräusch aufschreckte. Ich fallen, als wenn Sie schicken." So trat sagte er mit einem ironischen Lächeln. trat ein und fand Siegmund noch in der er in eine helle Thüre, während Angelika Galt es doch die letten Tage noch zu be- selben Stellung, wie vorhin, aber röchelnd angstvoll und ungeduldig auf ihn wartete. nuhen , um die Spuren der begangenen und Blut vor dem Munde. Er hatte sich Das Licht von innen bestrahlte ihre rührenUnterschleife möglichst unfindbar zu machen. ein Stilett in die Brust gestoßen. " den, schmerzensreichen Züge und mehr als Hier wurde ein Blatt aus den Akten ge= Die junge Frau mußte in ihrem ein Vorübergehender schaute befremdet nach rissen , dort eine Rechnung umgeschrieben, Schmerze nach Atem ringen, aber sie faßte der jungen Frau mit den schönen blonden dort ein Nachweis anders geheftet. "/ Für sich rasch wieder und erzählte hastig weiter: Haaren, die mit einem solchen Ausdruck einen Gelehrten hat er eine verdammte Jch trug ihn mit Aufgebot aller meiner innerer Qual beobachtete, was ihr BeBegabung zu den Geschäften , " murmelte Kräfte nach seinem Bette. Da liegt er gleiter drinnen in der Apotheke sich reichen Natür jetzt. Der Magd sagte ich, der Herr habe ließ . Endlich kam er wieder , und nun er dabei zwischen den Zähnen. lich - ein Jude, cin Jude !" cinen Blutsturz gehabt. Bitte, lassen Sie schritten sie cilig in der dunkeln Straße es bei dieser Bezeichnung der Krankheit weiter . Bei einem der uniformen Bürger3. und kommen Sie gleich. Ich suchte Sie häuser, die alle in einer Front lagen und Der Abend war hereingebrochen und im Hotel, der Portier wies mich nach dem eines aussah wie das andere, hielt AngeHennegauer saß noch immer über seinem Roten Turme , von dort kam ich hierher. lika inne. Leise öffnete sie die Thüre und Plane der Neueinteilung der Spitalräume, Es ist fast cine Stunde verloren !" Das der Arzt folgte ihr in die Parterrewohals es leise an seiner Stube flopste. Er alles sagte sie mit fliegendem Atem; sie nung , wo eine rotbäckige Magd sie mit öffnete die Thüre selbst, da er einen Bett- selbst hielt sich kaum aufrecht. der Botschaft empfing , der Herr sei ganz ler oder dergleichen vermutete , aber cin Der Arzt fühlte nach seiner Tasche, ob ruhig gewesen, nur höre man ihn seltsam zartes , von Erregung gerötetes Frauen- er seine Instrumente bei sich habe. Dann atmen. angesicht drängte sich ihm entgegen. Che nahm er rasch aus einem Koffer einige Der Arzt legte seinen schweren Pelz er zurücktreten konnte, fühlte der Arzt sich Arzneimittel, und nachdem er den Belz cilig ab und ergriff die Lampe. Sie gingen von weichen Armen umfaßt, und ein zarter angezogen hatte, reichte er der erschöpften durch ein Zimmer, in dem zwei KinderKörper lag an ihm , durch den ein konjungen Frau schweigend den Arm. Auf betten standen, in deren einem ein blonvulsivisches Weinen zitterte. dem Gange fanden sie noch immer den der Mädchenkopf vergraben war, während Angelika ! " rief Hennegauer betreten Buchhalter , der desgleichen that , als ob aus dem anderen ein frisches Knabenaus . // Um des Himmels willen, was ist er nach dem Diener suche . Ich bin zu antlig aus halbgeöffneten Augen blinzte. Ihnen ? ... Fassen Sie sich, " sagte er dann einem Kranken gerufen, " sprach der Arzt. Hennegauer warf den glücklichen Schläfern rasch, denn von der gegenüber sich öffnenSollte jemand nach mir fragen, so schicken einen freundlichen Blick zu. Wenn es den Thüre fiel jezt ein Lichtstrahl auf den Sie ihn ... " Ein Druck von Angelikas | drinnen schlimm steht," dachte er , „ wie an seiner Schulfer lehnenden blondenKopf, Arm machte ihn aufmerksam, daß es besser gerne wollte ich . für euch sorgen und ener und er gewährte den kleinen Buchhalter, sei, den Namen nicht zu nennen. Deshalb | Vater sein. " Damit trat er in die Krankendessen Augen höhnisch funkelten, und der fügte er etwas zögernd hinzu : }} * • in stube. Der Verwundete lag entkleidet in ein freches Gesicht schnitt. Die junge den Roten Turm . " Der Buchhalter machte seinem Bette, das Haupt zurückgeworfen, Frau ging nun hastig einige Schritte vor eine ironische Verbeugung und sah den mit einer finsteren Falte über den gewärts . beiden spöttisch nach. schlossenen Augen. An der Brust zeigte „ Sie müssen gleich mit mir kommen," Die schöne Doktorin meint, ich kenne die Wäsche rote Flecke und ein blutiger flüsterte fie, indem sie mit einem sichtbaren sie nicht," lachte er hämisch, „ D, ich ver- Schaum stand vor dem röchelnden Munde. Ausdruck von Angst die Thüre hinter sich stehe mich auch auf solche Krankenbesuche Behutsam schloß Hennegauer die Thüre, schloß. zwischen Licht und Dunkel. Man-könnte damit kein unberufener Zeuge sich ein"I Siegmund liegt auf den Tod verwun das dem Herrn Pfarrer Graus und den dränge. det, und ich wagte es nicht, einen der hie anderen Aufsichtsräten dienstlich melden, „Wer ist hier?" fragte der Kranke unsigen Aerzte zuzuziehen. Was ich Ihnen daß der neue Direktor seine Liebste immutig aus seiner dunkeln Ece.
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1
B. Rottmann. 1762
Isaak Hennegauer. 1763
1764
// Ein_Freund , " crwiderte Hennegauer | obachtet, schüttelte er mißmutig das Haupt : Arzt für sich. „Wie viel könnte sie leisten ruhigen Tones . „ Er verdient nichts, und die Eltern sind an der Seite eines tüchtigen Mannes und " Ich habe keine Freunde , " erwiderte es müde, ihn zu erhalten, " so lautete seine hat sich nun weggeworfen an diesen Braun zornig . Diagnose. "/ Das also ist das Glück, das | Schwächling. " „ Das wäre schlimm, Siegmund, " er sie bei dem schönen Manne gefunden . “ Wenige leise Worte miteinander tauwiderte der Arzt. „ Schäme dich , so zu Nach einer Weile erschien Angelika schend , nahmen sie ihren Thee, und bald reden und mehr noch so zu handeln," wieder und nahm still neben ihm Play. begann Angelika in gedämpftem Tone zu ſette er dann ernst hinzu. " Und nun Jeht erst fand auch sie Zeit, das Aussehen erzählen. Sie hatte sich jest wieder ganz Laß sehen! " Er untersuchte die Wunde des Freundes näher ins Auge zu fassen. in der Gewalt , denn je schmerzlicher ihr genau , richtete den Kranken auf und be- Die Lampe beleuchtete sein tiefgefurchtes Leben gewesen war, um so mehr hatte sie Horchte seinen Atem, dann sagte er streng : jüdiſches Antlik, das nach der angestrengten gelernt, sich zu beherrschen. Sie vergoß So, Siegmund, höre mich jest ruhig an! Arbeit fahl und alt erschien. Aber dics keine Thräne mehr , aber ein Ausdruck Sterben kannst du nicht an dieser Schramme. bleiche Gesicht hatte einen milden Aus- tiefer Trauer lag in ihrer Stimme, wähAber wenn du dich nicht ruhig hältst, druck , der anderen das Gefühl erweckte, rend sie berichtete . Seit Sie uns in kannst du dir ein Siechtum zuziehen, das daß er Anteil an ihnen nehme, und die Laubheim besucht," sagte sie leise, // haben dich und deine arme Frau durch viele sanften dunkeln Araberaugen sprachen uns wir wenig gute Tage gesehen. Wir wurJahre quält und peinigt . Du hast kein verkennbar die aufrichtige Teilnahme aus , den viel beneidet um unsere idyllische Recht, sie noch unglücklicher zu machen als die er für jedes fremde Leid empfand. Es Pfarre, und was könnte es auch Schöneres sie ist . Hat dir deine Leidenschaft und war der Ton eines alten Hausarztes , in geben, als eine brave Gemeinde zu leiten, Verwirrung noch eine Erinnerung übrig dem er väterlich zu Angelika sagte : „ Und die Kinder zu unterrichten , die Jungen gelaſſen, wie viel du deiner trefflichen Gattin nun beichten Sic ! Was trieb Siegmund, unter Aufsicht zu halten und den Alten mit Rat und That beizustehen. Allein dankſt, ſo wirst du ruhig hier die Heilung den Tod zu suchen? " deiner Wunde abwarten. In acht Tagen „ Es kurz zu sagen , " erwiderte Ange: Siegmund paßte nicht zum Pfarrer. Um kannst du gesund sein, und dann werde ich lika errötend , // die abscheulichen Angriffe | start auf andere zu wirken, bedarf es vor deine Angelegenheiten ordnen. Die Maul in der Presse. " Ueber den feinen Mund allem der Einheit mit sich selbst. Was wurfshügel , die du für unübersteiglich des Arztes glitt der Schimmer eines Lächelns, aber sollten die guten Leute in Laubheim hieltest , imponieren mir gar nicht. " Der als ob er nicht begreifen könne, wie man damit, wenn Siegmund ihnen vortrug, Kranke wollte trogig erwidern , aber der wegen ungezogener Rezensionen gleich zum welche Thorheit es von ihm gewesen sei, Dolche greife. Theologie zu studieren, und wie er so viel Arzt minkte gebieterisch : „ Still, du redest jezt kein Wort,“ und Die junge Frau ahnte solche Gedanken lieber in der Stadt wäre als bei ihnen auf nachdem er sich von Angelika einen Löffel hinter den großen dunkeln Augen , die so dem Lande. Stets saß er bei seinen Büchern, hatte reichen lassen , gab er ihm von der gerade auf sie gerichtet waren , und sagte und was ihn interessierte, waren neue Entmitgebrachten Medizin , die der Patient, mit einer leisen Regung von Unwillen : deckungen, scharfsinnige Hypothesen, schla= wie Hennegauer vorhergesagt, ohne jedes , Sie müssen die Sache durchaus nicht gende Repliken, vernichtende Rezensionen ; Widerstreben, folgsam cinnahm. Mit einem | komisch finden. Es war schlimmer als Sie seine Amtsgeschäfte waren ihm immer nur leisen Lächeln über diese rasche Wendung denken. Man hat ihn nicht bekämpft wie eine Last und Störung. Mir aber that in der Stimmung des Lebensmüden ver einen Gegner , sondern gehegt wie ein es weh , daß er dann doch große Worte machen mußte, wo sein Herz nur halb und ließ der Arzt mit Angelika das Zimmer, wildes Tier, an dem niemand frevelt. " dessen Thüre er hinter sich offen ließ. Doch Der Jude nichte nur unmerklich mit oft gar nicht bei der Sache war. Es ist stellte er die Lampe so , daß der Schein dem Haupte , aber diese Bewegung schien gewiß schön, den Menschen zu bieten, was den Kranken nicht störte. "/ So sieht er unsere zu sagen: "/ Erzähle dein Leid von Anbe ihnen das Höchste sein soll, aber nur, wenn Schatten und hört unsere Stimmen, " sagte ginn ; an meiner Hilfsbereitschaft darfst du es uns selbst das Höchste ist, und bei ihm war die Religion nicht das Höchste, sondern er leise. Ich habe immer gefunden, daß nicht zweifeln. " beides dem Kranken ein Gefühl der BeDas Mädchen kam leise mit demAbend Kunst und Wissenschaft. Man kann nicht ruhigung gibt. Sie sehen, daß jemand für brote, und die junge Hausfrau begann, den die Wahrheit verleugnen, ohne Schaden zu sie wacht, und genießen allmählich das Be Thee zu bereiten. Jetzt erst sah der Freund, nehmen an seiner Seele. Freilich sah ich hagen der Krankenstube, die sie von allen wie schön die schlanke Gestalt, die er einst auch bei den anderen geistlichen Herren in Pflichten losspricht. " Damit ließ Henne in dem einsamen Pfarrhause auf dem der Nachbarschaft , daß es ihnen schwer gauer sich in einem Stuhle nieder und Walde gesehen , seitdem zum blühenden ward, im Einklang mit ihrer eigenen Besagte : "Ich bleibe hier, bis ich ganz sicher Weibe gereift war. Sie mochte nunmehr redsamkeit zu leben . Aber sie waren derbin , daß der Paroxysmus nicht wieder dem dreißigsten Lebensjahre nahe sein, aber bere Naturen. Es verlegte mich bei ihnen tehrt. Uebrigens wird das Opium dafür ihr wundervolles blondes Haar fiel noch weniger , wenn das beste Bier und das so reich wie ehedem auf den runden Nacken. | Kegel- und Kartenspiel eine größere Beschon sorgen. " Während Angelifa hinausging , um Ihre frühere zarte Psychegestalt war jest deutung für sie hatte, als man nach ihren Thee und Abendbrot zu bestellen , ließ voller geworden, aber noch immer schlank Predigten hätte vermuten sollen, während Hennegauer sein Auge durch die Stube und anmutig in jeder Bewegung. Alles mir der Widerspruch zwischen Siegmunds gehen. Dort hing die Kuckucsuhr, die er zeigte auf die Erzichung in der Welt des Gesinnung und seinen Predigten immer selbst in den neuen Haushalt gestiftet, da- Geschmacks und der reichen Bildung , in mehr zur unerträglichsten Pein ward. Ich mit bei ihrem fröhlichen Schlage die junge der sie aufgewachsen war, und die sie ihrer hatte diesen Schmerz lang in mir ver Frau zuweilen des zurückgewiesenen Juden Liebe zu einem armen Kandidaten aufge- schlossen, um Siegmund nicht zu kränken ; gedenke. Ein kleiner Arbeitstiſch am Fenster opfert hatte, einem Manne, der alle Gaben da fiel mir das Wort eines Tages wie mit geschnittem Stuhle und Schemel er des Geistes und Körpers besaß, nur daß eine reife Frucht ganz von selbst von den innerte an die vornehme Jugendzeit der er leider kein Mann war. Aber kein Zei Lippen. Er schien stolz auf eine Predigt, Herrin auf dem Gute. Die solid gearbei- chen von Verbitterung war auf dem schönen, weil er sich zu einer gewissen rednerischen teten eichenen Schränke und Tische kannte zart geröteten Antlik zu lesen. Ihre Erhizung gesteigert hatte. Das reizte mich, er noch aus der Pfarre von Laubheim. Augen blickten traurig und milde, ein Zug und als ich nur erst im Zuge war, sagte Aber wunderlich stimmten dazu die schlechten sanfter Resignation um den Mund zeigte, ich ihm, daß ich seine ganze Thätigkeit für Stühle und so manche kleinere Geräte daß sie viel geduldig hingenommen, und ein Unrecht ansehe, das er sich, seiner Gejüngsten Datums , die zeigten , wie sehr daß sie jest schon wieder lächeln konnte, meinde und einer schönen und heiligen man jetzt auf das Sparen bedacht sei und war ein Beweis, daß ein glückliches Tem Sache anthue. Was Sie ihm cinst ge= dennoch Stufe für Stufe zurückgehe. Nach perament ihrem guten Herzen zu Hilfe kam. sagt, als Sie uns in Laubheim besuchten, // Ein engelgleiches Gemüt, " dachte der eben das sei nachgerade auch meine Meidem der Arzt all diese Symptome be-
B. Rottmann.
1765
Isaak Hemnegauer . 1766
1767
nung und statt immer nur thatlos auf Er- | dazu gehören , täglich eine gute Nummer | es Siegmund ging. In kurzer Zeit war lösung zu harren, sei es seine Pflicht, den zu machen, gingen Siegmund aber gänzlich er völlig isoliert. Mit Anspannung aller ersten Schritt zu thun. Ich hatte die ab. Den einen Tag schrieb er bis in die Kräfte brachte er es schließlich fertig, das Meinung, ihm einen Dolch ins Herz zu Nacht und füllte sein Blatt mit einem Blatt fast allein zu schreiben oder zusammenstoßen. Er aber fiel mir um den Hals Leitartikel, den er mit seinem Herzblut ge- zustellen. Aber als er dieses Ziel eben und sagte: Wenn du so denkst, dann sind schrieben hatte , den aber der Besizer der erreicht hatte , kündigte ihm der Besizer. wir einig. Sobald ich etwas anderes finde, Zeitung viel zu lang fand. Daran hatte Die Hälfte der Abonnenten war an den mache ich mich frei . Nur Rücksicht auf er sich dann meist krank gearbeitet, und nun , Staatsanzeiger verloren gegangen , weil dich und die Kinder war es , daß ich Amt mußte er die nächsten Nummern mit Reichs- der „ Volksfreund ' zu langweilig und einund Brot nicht aufzugeben wagte. Ich tagsberichten und Kammerreden ausfüllen, tönig geworden sei. Eine Weile zeichnete küßte ihn und sagte, ich wolle lieber darben die die Leser langweilten. Den Korrespon der Besizer selbst als Redakteur, die Leials sehen , daß er ein Amt verwalte , an denten, die freilich keineKirchenlichter waren, tung aber besorgte der Agent eines Ausdem er nur mit halbem Herzen beteiligt sondern unzufriedene Schulmeister, Vikare, kunftsbureaus , der , in allen Stadtklatsch sei. Nach wenigen Tagen lasen wir, daß Pensionäre, schrieb er grobe Briefe. Die eingeweiht , ein Marktschreier von Prodie Stelle eines Redakteurs bei dem hiesigen Berichterstatter, die das Blatt mit Nach- fession ist und nun auch öffentlich das freisinnigen Blatte ausgeschrieben werde. richten versorgten, behandelte er abstoßend, Blatt vertritt. " „Herr Baßfeher?" schaltete HenneSiegmund meldete sich und erhielt sie. So und sein ganzer Ehrgeiz bestand darin, sich fing dies Leiden an. Er konnte schon nach von dieser ganzen Gesellschaft unabhängig gauer ein. Sie kennen ihn, " sagte Angelika bitter, einigen Wochen seine Abschiedspredigt hal zu machen. Als er diesen Leuten sein ten, die mir leider wieder einen traurigen Blatt verschloß, schrieben sie natürlich gegen „ da werden Sie wissen, was es heißt , von Eindruck machte, weil er den armen Leuten ihn in die anderen. Feinde ringsum , hieß Herrn Baßkezer gestürzt zu werden und sagte, er gehe, da er den Glauben an die es nun plöglich in der Presse. Aus allen ihn zum Gegner zu haben. Mit der jourKirche verloren habe. Was sollte das Ecken, auch wo er es gar nicht erwartete, nalistischen Laufbahn war es also auch nügen ? Er stellte dadurch in Frage, was wurde von diesen anonymen Schüßen nach wieder zu Ende. Wir lebten von dem, cr in den vier Jahren etwa Gutes gewirkt ihm geschossen . Das wäre nun völlig was meine Eltern uns gaben , und Sieghatte, und warf einen Schatten auf seinen gleichgültig gewesen, wenn nur Siegmund mund suchte durch Rezensionen und TheaterNachfolger. Da es nun einmal geschehent, nicht immer darüber gebrütet hätte, von kritiken noch etwas zu verdienen . Unterverbarg ich meinen Groll, ich habe es aber wem die Angriffe ausgingen ! Schließlich richtsstunden oder irgend eine Anstellung bei meinen lehten Besuchen deutlich em verdarb ihm das alle seine Beziehungen fand er nicht. Die Institute warnte Herr pfunden , wie wir in der Schäzung der zu den Leuten. Ich fragte ihn zuweilen Oberpastor Graus vor uns , indem er guten Leute gesunken waren, dadurch, daß ganz überrascht: ,Warum grüßest du Schmidt sagte, Braun ist kein Christ, und Baßkczer . Siegmund ihnen zum Abschied gesagt hatte, nicht mehr , ihr standet ja sonst ganz gut bestätigte im Volksfreund' : Braun ist ein er glaube nun ſelbſt nicht mehr an das, was miteinander ? ,Der hat den infamen Artikel Narr, und Herr Bovista sagte nach jeder er ihnen jahrelang gepredigt. Denn anders vom ersten Mai gegen mich geschrieben. ' Theaterkritik, die mein Mann geschrieben : fonnten sie seine Worte nicht auffassen. Aber gestern meintest du doch, er sei von , Der Mensch ist ein vollkommener Kretin." Er freilich fühlte sich wie neugeboren. " Bovista , crwiderte ich. Der könnte ihn Täglich drohte der große Mime , einen Angelika schwieg einen Augenblick und auch geschrieben haben , darum grüße ich Ruf an das Stadttheater in Hamburg sah in die Lampe, als vergegenwärtige sie ihn auch nicht. Am folgenden Morgen anzunehmen , falls man diesem gewiſſensich heitere Stunden einer halbvergessenen aber machte er dann dem Hofrat Sauer losen Patron nicht das Handwerk lege. Zeit. Ein anmutiges Lächeln verklärte ampfer ein wütendes Gesicht , weil ihm So hat denn gestern die Redaktion des ihre feinen zarten Züge und mit der über Nacht eingefallen war, am Ende habe , Staatsanzeigers Siegmund wirklich geschmalen weißen Hand ihre blonden Haare dieser alte Pedant den Angriff verfaßt kündigt, weil Bovista einige Einwürfe gezurückstreichend, fuhr sie fort : „ Er war so oder durch einen seiner Lehrer schreiben gen seine Auffassung des Hamlet für einen liebenswürdig in seiner Jugendlichkeit, die lassen , die er nun auch alle nicht mehr schmachvollen Angriff auf seine Dienstehre sich mit der Befreiung von dem lästigen grüßte. So hatte der eine Artikel ihn mit erklärte . " „Ich las seine Erklärung, “ ſagte HenneZwange wieder bei ihm einstellte. Wie einem halben Dugend Menschen auseinein Student freute er sich an dem blonden andergebracht, die jest wirklich seine Feinde gauer. „Wer ist der Narr eigentlich ?" Barte , den er sich nun wachsen lassen wurden, während sie es zuvor gewiß nicht Ein Schwabe mit Namen Niklas Schwämmle . Auf dem Theaterzettel nennt konnte. Wir lagen in stetem Hader darüber, gewesen waren.' Das eben ist das Teuflische, " unter er sich aber Nikolo Bovista. Er hält das daß er seine schwarzen , geistlichen Röcke gar nicht mehr auftragen wollte, und wenn brach Hennegauer die junge Frau , „ an für italienisch. “ ich seinen Hauptfeind , den Schauspieler diesem anonymen Treiben , daß es das „Also diese alberne Erklärung und die Bovista , ausnehme , so trug niemand in Vertrauen zwischen Beteiligten und Un- Kündigung des , Staatsanzeigers' iſt die Urder ganzen Stadt so auffällige Farben und beteiligten zerstört und ganz ohne Not die sache des traurigen Ereignisses ? " ſagte fleine Hütchen wie er. Ohne gelbe Hand- Leute verfeindet. Da niemand seine Gegner Henneganer kopfschüttelnd. schuhe und Spazierstöckchen ging er gar kennt , traut er schließlich niemand , er // Nur der lehte Anstoß, wie ich fürchte. nicht mehr aus, so sehr ich ihn neckte und gräbt Gegenminen , wo gar keine Minen Siegmund meinte, er könne in den ,Staatsoft auch zankte über die kindische Freude, find, schlägt auf harmlose Zuschauer , die anzeiger nun überhaupt nicht mehr schreidie er über sich selbst als „säkularisiertes ihn gar nicht angegriffen, und vertraut ben, und damit verliere er die Hälfte seiner Kirchengut , wie er sich nannte, empfand. sich dafür vielleicht gar noch denen an, Einnahmen. Die Sache hätte ihn aber Leider war der Jubel von kurzer Dauer. die das Gift gemischt haben. Anonyme schwerlich so heftig aufgeregt, wenn nicht eine Er mußte bald empfinden , daß auch der Angriffe müßten gebrandmarkt sein wie ganz abscheuliche Geschichte daneben spielte. " Weg eines Redakteurs nicht bloß mit Rosen anonyme Briefe , sind sie doch noch viel Der Geheimerat blickte auf. „Noch bestreut ist . Es dauerte nicht lang , so schändlicher, da sie allen alles preisgeben, eine Geschichte ? " sagte er mir : Um täglich ein Blatt bis nur nicht die eigene Haut. “ „Ja, die schlimmste , " sagte Angelika . Angelika nickte mehrmals nachdenklich ,,Sie wissen, welche Hoffnungen Siegmund zu einer bestimmten Nachmittagsstunde fertig zu stellen , muß man Nerven be- mit ihrem blonden Haupte wie jemand, auf seine Studien über keltische Ortsfizen wie Herr Baßkezer, oder eine Ge- der nur allzuviel von solchen Erfahrungen namen gefeßt hatte. Durch viele Jahre wissenlosigkeit wie Herr Schmidt, und man zu erzählen wüßte , dann aber machte sie waren diese Forschungen sein einziger Gemuß auch im Halbschlaf noch tönende eine Gebärde , als ob sie alle diese Er- danke, mit dem er umging vom Morgen Den keltischen OrtsWorte von sich geben können wie der große innerungen wegweisen wolle , und fuhr bis zum Abend . Nikolo Bovista. Diese Eigenschaften, die fort : Sie können sich nun denken , wie namen wurde unser Plauderstündchen, die }
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; B. Rottmann. 1768 Spaziergänge mit den Kindern und leider oft auch die Vorbereitung zu den Predigten geopfert. Endlich wurde das Buch fertig und Brockmann übernahm den Ver : lag unter recht günstigen Bedingungen. Siegmund war glücklich wie ein Bräutigam . Jeden Druckbogen mußte ich lesen. Als ob es sein Kind wäre , überzeugte er sich täglich, wie viel das Buch gewachsen und wie dick es geworden sei. Als es endlich fertig war , legte er es sogar bei dem Mittagessen neben sich , um es stets vor Augen zu haben und es zu streicheln. Da kam die erste Besprechung in der Zeit schrift für Sprachvergleichung von dem alten Rabe, der in jedem neuen Buche eine Konkurrenz für ſeinen talentlosen Sohn fürchtet. Die Besprechung war denn ganz abscheulich; die Dinge aus dem Zusammenhang gerissen, falsch citiert, mit Zusäßen und Auslassungen, ohne jeden guten Willen, die Meinung Siegmunds zu verstehen und wiederzugeben. Einiges geradezu unwahr. " Hennegauer schüttelte den Kopf und sah teilnehmend in das zarte Antlig der jungen Frau, das von Entrüstung glühte . Man soll niemand schlimme Motive unterschieben , aber unser Freund Maienthal schrieb uns als sicher, daß Rabe Siegmund nur darum , wie sie es nennen, abgeschlachtet habe, weil er fürchte , man werde ihn an Büchtemanns Stelle nach Göttingen ziehen , wohin er seinen Sohn zu bringen suche, was ihm nachher doch nicht gelungen ist. “ !!Aber wie konnte Sicgmund sich einen so alltäglichen Vorgang so sehr zu Herzen nehmen?" sagte der Arzt mit Teilnahme. „Hören Sie nur weiter , " fuhr die junge Frau eifrig fort . Die Sache war damit nicht zu Ende , sondern jest erst betrat Herr Baßkeher die Bühne. Er citierte die boshaftesten Stellen der Rezension, indem er sie nochmals vergiftete, und das in dem Blatte, das mein Mann vor kurzer Zeit selbst redigiert hatte, um den Lesern zu zeigen , welchen gelehrten Redakteur ſie verloren hätten. Siegmund war so unklug, aufgeregt und leidenschaftlich zu antworten , und das war eben Wasser auf Baßkezers Mühle. Der von dem alten Rabe angeschlagene Ton , wie das so geht, klang auch in anderen Blät tern weiter , und Herr Baßkezer sorgte dann immer für vergiftete Auszüge , die er mit allerlei Possen und Schnurren auftischte, so daß er stets die Lacher auf seiner Seite hatte. Darüber geriet denn Siegmund in eine Aufregung, die an Geisteskrankheit grenzte. Es war ganz vergeblich, ihm vorzustellen, daß niemand den alten Rabe und den unwissenden Baßteher beauftragt habe, ihm das Urteil der deutschen Wissenschaft über sein Buch zu bestellen . Er gab das zu , aber er blieb in dem Zustand völliger geistiger Zer schmetterung und schwor , er werde keine Feder mehr anrühren. Da kam ganz unerwartete Hilfe. In den Jahrbüchern ' erschien eine eingehende Besprechung von Fleischer. Der alte Herr wies manche Meinung Siegmunds ab, aber in durchaus
Isaak Hennegauer. 1769
| achtungsvoller Weise ; dann zeigte er, wo | das Buch Siegmunds cinen Fortschritt der Forschung darstelle und schloß mit der anzüglichen Bemerkung, Siegmunds , Studien enthielten eine Reihe von Keimen, die außerordentlich fruchtbar werden könn ten , was die oberflächliche Betrachtung, die man bis jezt der Arbeit zugewendet habe , völlig übersehe. Nun waren die Herren still. Fleischer hatte Siegmund ge lobt , damit war für sie die Sache entschieden. Aber gerade nun sollten wir das Schönste erleben. Siegmund war zu den sprachwissenschaftlichen Studien , wie Sie wissen , durch Büchtemann angeregt worden, der vor zwei Jahren starb. Ich besuchte Tante Büchtemann, als Siegmund bereits an seinem ersten Bogen korrigierte. Dort erfuhr ich, daß der Onkel ein Manuskript hinterlassen habe, Wanderungen im alten Keltenlande , und daß unser Buchhändler Schleichmaier den Verlag übernehme. Ich wunderte mich , daß die
1770 offiziell nichts davon zu wissen. Ich packte also das Manuskript wieder in seinen Einschlag, worauf stand, daß es 2000 Mark Wert habe und auf dem Wege nach dem Roten Turm gab es Siegmund auf Schleichmaiers Comptoir ab. Schleichmaier war soeben weggegangen und nur der Bureaudiener, der das Comptoir fegte und aufräumte , war noch anwesend. So legte er das Paket auf Schleichmaiers Pult und sagte dem Diener, er laſſe bitten, den Empfang des Manuskripts Frau Büchtemann anzuzeigen. Darüber verstrichen ungefähr 14 Tage , bis Siegmund den Buchhändler begegnete und ihn fragte, wann er mit dem Drucke beginne? / .Sobald ich das Manuskript erhalte,ʻ war die sonderbare Antwort. „Siegmund erschraf und fragte : „Hat Ihnen der Diener nicht gesagt , daß ich das Manuskript auf Ihren Pult gelegt habe ? ,,Nichts habe ich erhalten, erwiderte
Herausgeber die Schrift in Rumpenheim Schleichmaier unwirsch . Siegmund, zum erscheinen ließen und nicht in Leipzig, aber Tode erschrocken, will sofort mit ihm gehen Schleichmaier hatte Honorar angeboten, und suchen helfen , Schleichmaier meinte wozu sich kein anderer verstehen wollte. aber gleichgültig, cs werde sich schon finden. Siegmund , dem ich davon schrieb , redete Aber meinem Manne ließ die Sache keine Schleichmaier im Roten Turm darauf an, Ruhe , er stürmte am anderen Morgen der fromme Mann zog aber ein sehr saueres fofort nach dem Comptoir, wo ihn SchleichGesicht, als Siegmund ihm mitteilte, daß maier grob und mürrisch empfing. Der er ganz über dasselbe Thema bei Brod Hausdiener bezeugte zwar , mein Mann mann gleichfalls ein Buch von doppeltem habe ein Paket vor vierzehn Tagen oder Umfange, unter der Presse habe. Er drei Wochen gebracht, ob er es aber wiemurrte damals : ‚ Dann können Brockmann der mitgenommen oder dagelassen habe, und ich uns beide gratulieren. Siegmund könne er nicht mehr mit Bestimmtheit meinte gutmütig, einem Buche von Büchte- sagen. Wir hörten nachher durch einen mann bleibe doch jedenfalls sein Wert. Kommis , Schleichmaier habe eine halbe , Dem Buche bleibt sein Wert , knurrte Stunde vorher mit dem Diener gezankt der kleine Herr wütend, und dem Verleger und ihm gesagt: Was könnt Ihr denn bleibt sein Schaden. Damit trank er sein nach drei Wochen noch wissen, ob der sein Bier aus und ging weg. Wir haben Patet liegen ließ oder wieder mitnahm ? später oft von seinem seltsamen Benehmen Bringt Ihr mich in Ungelegenheiten mit gesprochen, denn leider wurde das Buch Euerem altersschwachen Geschwäge, so sucht des Onkel Büchtemann für uns ein wahres Euch einen anderen Dienst. Kalfakterer Verhängnis . Ich war damals, wie gesagt, wie Euch kann ich nicht brauchen . Kurz gerade in Göttingen. Die Tante hatte und gut, Schleichmaier blieb dabei , ent ihr Paket an Schleichmaier für die Post weder Siegmund habe das Paket wieder fertig gemacht und als Wertangabe das an sich genommen, oder es sei gestohlen Honorar von 2000 Mark darauf geschrieben. worden. Auch in diesem Fall sei aber Als sie dann hörte , für die 2000 Mark mein Mann der schuldige Teil , denn müsse sie der Post Provision zahlen, brachte Pakete, auf denen stehe : , Wert 2000 Mark sie das Paket zu mir. Siegmund würde lege man nicht in eine offene Stube. Jm es doch interessieren, das Manuskript noch Roten Turm aber machte er Anspielungen, lesen zu können , ehe er sein Buch fertig das Verschwinden einer Konkurrenzarbeit drucke , ich solle es also mitnehmen und sei für Herrn Doktor Braun gerade fein Alsbald bemächtigte sich der Siegmund könne es dann Schleichmaier Unglück. zustellen. Leider nahm ich den Auftrag würdige Baßkezer der Sache. Eines Abends , an und brachte die verhängnisvollen Blätter als ich den Volksfreund' zur Hand nahm, in unsere Wohnung. Mein Mann war fand ich einen Artikel : Die verlorene auch recht gespannt und begann gleich am Handschrift . In demselben erzählte BaßMittag meiner Ankunft in dem Manu fezer in der romanhaftesten Weise das skripte zu lesen. Aber beim Thee schon rätselhafte Verschwinden des Hauptwerks äußerte er , er könne nicht leugnen , daß des großen Büchtemann , an das dieſer die Arbeit schwach sei, und er in Büchte Forscher seinen ganzen Lebensabend ge= manns Interesse wünschte, sie würde gar seht habe. „ Der Name Siegmunds war nicht ge= nicht gedruckt. Später machte er sich einige Notizen. Als er aber fertig war, nannt , sondern es war immer nur von sagte er : „Ich berücksichtige deines Onkels einem jungen Manne die Rede , der bald Buch lieber gar nicht. Ich müßte nur darauf die Welt durch ein Buch über den gegen ihn polemisieren , und da es erst gleichen. Gegenstand überraschte. Ich unternach dem meinen erscheint, brauche ich ja schlug Siegmund das Blatt, da ich wußte,
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2 K. Stelter. 1771 wie diese Verleumdung ihn aufregen würde, und beriet in aller Stille einen Advokaten, ob wir darauf Herrn Baßkezer verklagen fönnten. Der las den Artikel und lachte mitunverhohlener Schadenfreude :, Geschickt gemacht, fainos .' 11) Geschickt, sagte ich, abscheulich." ( " Das kommt auf den Standpunkt an, sagte der Advokat spöttisch. Jedenfalls ist nichts zu machen." „Ich ging nach Hause und bereits am folgenden Tage schickte der Advokat einen Sportelzettel : Für eine juristische Konsultation in Sachen eines 1 Angriffs im Volksfreund Mark 10. Leider kam der selbe in Siegmunds Hände. Nun mußte ich ihm das Blatt ausliefern, er hätte es ja doch irgendwo noch gefunden , und Siegmund war außer sich. Der elende Advokat aber hatte im Roten Turm seinem Freunde Baßfeher alsbald vermeldet, wie er mich habe ablaufen lassen." Das zarte Antlig der Erzählerin hatte bei ihrer wachsenden Erregung ein lebhaftes Rot übergossen , und, ohne es zu bemerken, sprach sie lauter : „Nun hatte mein Eingreifen zum zweitenmal Schaden gestiftet , denn durch mein Gespräch mit dem Advokaten war es für die Herren eine Art von Sport geworden , wer auf Siegmund schlagen könne, ohne dem Richter eine Blöße zu geben. So kam denn am gleichen Tage ein weiterer Artikel , in dem das verlorene Buch Büchtemanns und das dem Publikum so unerwartet bescherte Buch Brauns in Parallele gestellt wurden. Gesteht, dieser Büchtemann starb auch sehr gelegen, schloß der unwürdige Angriff. Als Siegmund schwieg, folgte schließlich die unverblümte Aufforderung, er solle sich von dem Verdachte reinigen, daß die von Fleischer gelobten guten Ideen seines Buches , die fruchtbaren Keime' aus dem verlorenen Werke Büchtemanns bezogen seien , das durch des Autors Hände ging , um dann spurlos zu verschwinden. Aber als Siegmund nunmehr eine Erklärung einschickte, nahm sie Herr Baßtezer gar nicht auf, da niemand verpflichtet sei, sich in seinem eigenen Blatte ohrfeigen zu lassen, und der Staatsanzeiger gab sie nur verstümmelt und mit boshaften Glossen wieder. “ Wer redigiert das Blatt? " schaltete Hennegauer ein . „ Der Redakteur heißt Schmidt, " antwortete die junge Frau, "/ da aber sehr viele Leute so heißen , nennt man ihn schlecht weg Bunimelschmidt , worin denn eine Charakteristik der ganzen Persönlichkeit liegt. " Der Arzt nickte mit dem Kopfe. Auch diesen Feind kannte er ja schon vom gestrigen Abende. Durch all diese Aufregungen, " fuhr Angelika fort , „ war Siegmund in einen Zustand geraten, der ihn zu jeder Abwehr
Im flockenwirbel . 1772
So bestimmte ich Maienthal, sich meines Mannes anzunehmen, und der schrieb auch eine Abwehr, in der er darthat, daß Siegmunds Buch mit Büchtemanns übrigen Publikationen in einem fundamentalen Widerspruch stehe und zum Teil Auffäße benuhe, die Büchtemann gar nicht mehr erlebt habe. Herr Baßkeher aber antwortete, daß Herr Doktor Braun auch andere Schriftsteller ,benuke ' , beweise nicht , daß er Büchtemann nicht benugt habe, sondern daß er die Gewohnheit habe, andere zu benußen '. Herr Braun könne also rufen : Gott beschüße mich vor meinen ( Freunden , denn was der Volksfreund ' nur vermutet , das habe sein Verteidiger nunmehr erwiesen. Das öffentliche Urteil in dieser Sache stehe fest, und die Silbenstechereien guter Freunde würden daran nicht das Geringste ändern. „ Ich kann Ihnen nicht beschreiben , in welchen Gemütszustand Siegmund nun geriet. Man konnte ihn nicht mehr allein lassen, aus Furcht, er werde sich etwas zu leide thun. Ich aber that den dritten falschen Schritt in dieser Sache , ich ließ die Leute das wissen , in der Meinung, sie würden gegen einen Leidenden großmütig sein. Über als die elenden Menschen hörten , Siegmund sei kampfunfähig, verdoppelten sie ihre Schmähungen. Und wenn sie sich noch begnügt hätten , die Schändlichkeiten zu schreiben, aber sieschickten sie dem kranken Manne in das Haus, oft in zwei Exemplaren, eines an mich, cines an ihn. Ist das nicht empörend ?" Empörend gewiß , aber leider sehr gewöhnlich, " sagte der Arzt. Den Glattzüngigsten und Schlechtesten im ganzen Lande ," fuhr die junge Frau entrüstet fort , „ eben jenen Schmidt , traf ich einst bei einem Besuche bei Direktor Sauerampfer. Ich redete ihn geradezu an: Was wollten Sie mit der gestrigen Zusendung ? Wollten Sie einen franken Mann töten ? Wollten Sie sich bei Herrn Pfarrer Graus empfehlen ?" // Er aber ergriff seinen Hut und strebte der Thür zu , indem er spottete : Was wolltest du mit dem Dolche, sprich! Dann fagte er mit fadem Lächeln , als er die Thüre bereits in der Hand hatte : Ich bin kein solches Scheufal , Madame, wie Sie meinen. Ich wollte niemand zu Tode heßen und niemand wahnsinnig machen, ich wollte einfach eine Mark verdienen, denn ich lebe von meiner Feder. Damit verbeugte er sich bis zur Erde und verließ das Zimmer. Was soll man nun mit So also solchen Menschen anfangen ? lagen die Dinge, als ich Ihnen schrich. Gott allein weiß , wie schulich ich auf Ihre Ankunft harrte. Da kan gestern noch die Kündigung des Staatsanzeigers ', die Siegmund die Rezensionen und Theaterkritiken abnahm. Ohne ein Wort zu sprechen , legte er den Brief vor mich auf den Arbeitstisch. Nun, sagte ich, da
1773 sagte er in einem schneidenden Tone,, cs frägt sich nur, wovon wir dann leben ? //} Von den Eltern, ' erwiderte ich. ,,,Das heißt vom Bettel , war seine Antwort und damit ging er in sein Ziminer. Die Nacht that er kein Auge zu, und ich schlief nur , weil ich alle meine Hoffnung auf Sie gesezt hatte, und weil ich fühlte, daß ich gesund bleiben müſſe für die Kinder und für ihn. Ich könnte es auch, weil ich weiß , daß Sie Siegmund nicht verlassen." Bei diesen Worten traten der jungen Frau Thränen in ihre schönen blauen Augen , und sie wendete sich tief bewegt dem Arzte zu und streckte ihm ihre kleinen durchsichtigen Hände entgegen. Aber der Geheimerat sprang mit einem Ausdruck plöglichen Entsehens auf. „ Siegmund , " rief er , willst du dich mit Gewalt zum Krüppel machen ?" Erschrocken schaute die junge Frau zurück nach der Thüre. Da stand wie ein Gespenst ihr Mann mit einem blutbefleckten weißen Gewande , die Augen geisterhaft aufgerissen , bitteren Hohn um die blutlosen Lippen. " So ! " rief er mit einer hohlen Stimme, "/ verlasse auch du mich . Was mir Baßkeher noch ließ , nimmt mir dieser treue # Freund meiner Jugend. Ha, ha, ha ... Eine gellende Lache folgte, dann schoß ein Blutstrom aus dem Munde des Kranken und bleich sank er an die Wand, wo der Arzt ihn auffing . (Fortsetzung folgt.)
t Im
Flockenwirbel.
Don Karl Stelter.
Verwirrend wirkt der Flocken wirbelnd Fliegen Von windbewegten schneebelad’nen Zweigen Auf jene, die in winterlichem Schweigen sich draußen hoffend aneinander schmiegen.
Denn so verworren vor der Seele liegen Die Lebensbahnen , und wie Gaukler zeigen Die Flocken sich im Neigen und im Steigen , Als, spielten fie Bekriegen und Besiegen.
Mag das Zukünft'ge so sich auch geftalten, wenn Frühling, Sommer , Herbst im Wechſelwalten Wenn Frühling, Sommer, Herbst im Wechselwallen Dem Alter nur den Liebeslenz erhalten ! Bis dahin , wenn auch Winterflürme tofen, hat Ingend Zeit ihr Glück sich zu erlofen,
unfähig machte. Seit Wochen hatte er schreibst du die Theaterkritiken eben nicht Denn Frühling bringt ja Veilchen - Sommer : nicht geschlafen, er war in ständigem Fic- mehr, dieses Geschäft war doch deiner kaum Rosen! ber und mir wurde ganz ängstlich, wenn ich | würdig.' seine überwachten flirrenden Augen ansah. Ich schreibe überhaupt nichts mehr,'
}
Herm. J. Klein .
1774
Tromben und Tornados. 1775
Trümmerfeld des Tornabo von St. Cloud April 1896) ( . 1782).
Tromben und Tornados.
Don Herm. J. Klein.
edermann kennt die kleinen Luftwirbel, welche bisweilen an stillen Tagen auf Kreuzwegen entstehen, leichte Gegenstände, Staub und Blätter mit emporführen, und schnell von dannen eilen und verschwinden. Das sind die harmlojen Verwandten einer Klasse von Naturersa;einungen, die in den Tromben oder Wettersäulen oft großartig
und gefährlich, in den Tornados aber geradezu verheerend und vernichtend auf treten. Die Wettersäulen oder Tromben zeigen sich aus der Ferne als dunkle Schläuche ( S. 1780) oder Trichter (S. 1782) die aus den Wolken herabhängen . Ziehen sie über das Land hinweg, so wirbeln sie Gegenstände vom Boden empor, besonders
1776
Staub und Sand, und man pflegt sie dann als Sandhose zu bezeichnen ; auf Flüssen oder dem Meere wird das Wasser emporgezogen ( S. 1782), recht eigentlichaufgesaugt, und diese Erscheinung führt den Namen Wasserhose. Die mechanische Gewalt dieser Tromben ist oft sehr bedeutend, und ihr entsprechend sind die Verheerungen, welche sie bisweilen anrichten. Lampadius hat eine Trombe beschrieben, welche am 23. April 1800 das Städtchen Hainichen im sächsischen Erzgebirge verheerte. An demselben Tage wechselte der Wind häufig seine Richtung, mehrere Gewitterwolfen waren schon vorübergezogen, als um etwa 4 Uhr nachmittags ungefähr eine halbe Meile vom genannten Orte aus einer dicken Wolfe ein langer, nebelartiger Schlauch herabhing, der sich bald bis zur Erde herabließ, bald wieder zur Wolke hinaufgezogen wurde. Dabei bewegte sich die Wolfe, der Schlauch senkte sich wieder bis zur Erde und strich mit unglaublicher Schnelligkeit, von Staub und Verwüstung begleitet, in einer Breite von etwa 60 Schritt binnen 7 bis 8 Minuten über eine Strecke von ungefähr einer deutschen Meile fort. Alles, was der Wirbel auf seiner Bahn traf, ward zerstört, während an seiner Grenze vollkommene Windstille herrschte ; denn unter anderem sah eine Bäuerin zu Dittersdorf aus ihrem Fenster eine benachbarte Scheuer mit Geprassel einstürzen, ohne etwas vom Winde zu empfinden. In Arensdorf, in dessen Feldern die Zerstörung durch Niedersinken des Schlauches den Anfang nahm, wurden die Häuser oder deren Dächer weggerissen, gewaltsamer aber wirkte das Meteor zu Dittersdorf, zerstörte das vor sechs Jahren neu erbaute Philippische Gut, streute die Scheune in Stücken umher, verrückte die Stallungen und zertrümmerte selbst das massive Wohnhaus , mit Ausnahme des linken Flügels, den es jedoch um 3 Ellen weit fortschob. Das Dach und die Fruchtböden mit Getreide wurden in einen nahen Teich geschleudert, das Mauerwerk zerrissen, und selbst die Gewölbe widerstanden der Gewalt nicht, mit Ausnahme der Küche, wo die Bewohner einen Zufluchtsort und ihre Rettung fanden. Das Federvieh wurde in der Luft umhergeworfen und dadurch getötet, doch fand man an den Federn keine Spur von Versengung. Auf dem nächstfolgenden Gute riß der Wirbel drei Seitengebäude und zwei einzelne Häuser nieder und brach sich dann gewaltsam eine Bahn durch den wenig entfernten Wald. In einer Breite von 60 Schritt blieb kein Baum, kein Strauch verschont, sie wurden ausgerissen oder abgebrochen, und in einem Augenblicke war eine Allee durch den Wald hergestellt. Mehrere Bäumefanden sich bis andie Spitzen abgeschält, einige etliche hundert Schritte über den Strigisfluß fortgeschleudert. Auch über Eßdorf, unweit des Städtchens Roßwein, erstreckte sich die Verheerung, indem einige Häuser niedergerissen, andere abgedeckt, mehrere in der Strecke stehende Bäume, unter anderen Eichen und Linden,
„ Helft! - Rettet!" Don R. Morion .
Herm. J. Klein. 1777
Tromben und Tornados. 1778
1779
ausgerissen oder zerbrochen wurden. Eine , eine Höhe von 1700 Fuß für die Trombe |mosphäre hat man sich in folgender Weise sehr instruktive Beschreibung einer Wasser gibt. Das Wasser an der Basis kochte vorzustellen. An windstillen , sonnigen hose hat Napier gegeben. Die Erscheinung mit einem weißen Rauche, wovon ein Tagen wird von dem erwärmten Boden wurde von ihm auf dem Meere am Teil nach außen hin zu einem gewissen aus den unteren Luftschichten ganz allmäh 6. September 1814 beobachtet bei schwü- Umfange gestoßen wurde, ein anderer Teil lich eine höhere Temperatur erteilt, so daß ler, dunstiger Luft und veränderlichem als ein dicker dunkler Dunst aufstieg, der sie sich langsam ausdehnen. Bei unruhiger Winde. Um 2 Uhr nachmittags bemerkte sich allmählich in dünne Streifen ordnete, Luft oder auf ungünstigem Terrain würde man, daß sich etwa 360 Faden rechts vom sowie er den Wolken näher kam, bis sich sehr bald diese erwärmte Luft sich, ähnlich Schiffe eine außerordentliche Art von alles zerstreute und ein heftiger Regenguß wie die Dampfblasen in kochendem Wasser, Wirbelwind bildete. Er hob das Wasser ausbrach. Kurz zuvor , ehe die Trombe in fleineren oder größeren Massen vom in cylindrischer Gestalt und vom Durch sich auflöste, sah man zwei andere im Boden ablösen und aufsteigen , während messer eines Wasserfasses, anscheinend im Süden, die jedoch kleiner waren und nur an anderen Stellen die kältere Luft herabsinkt und sich über dem Boden ausbreitet ; Zustande von Rauch und Dunst in die kurze Zeit dauerten. Höhe. Dieser Fuß der Trombe zog in Auf Tromben zu schießen, ist ein alter durch derartige Bewegungen erklärt man südlicher Richtung nach dem herabhängen Brauch bei den Seeleuten, ob der Schuß ja das Zittern der Luft über Defen , erden Gewölfe, indem er an Höhe und Um jedoch einen Erfolg hat , ist fraglich ; in higten Kieswegen u. dgl . Aber unter günfang zunahm , mit schraubenförmiger, manchen Fällen wurde die Trombe zwar stigen Verhältnissen können die untersten schneller Bewegung, bis er mit dem einen durchschnitten, doch vereinigten sich die Luftschichten örtlich so stark erwärmt wer Ende der Wolfe in Berührung kam, welche Enden gewöhnlich bald wieder zu einem den, daß sie troß des auf ihnen lastenden auch ihrerseits herabsant, um mit ihm zu Ganzen. größeren Luftdruckes sogar spezifisch leichter sammenzutreffen. Etwa eine Seemeile vom Wirbelnde Säulen von Rauch und werden als die über ihnen befindlichen Schiffe blieb die Wasserhose einige Minu Dampf, nicht Tromben , bilden sich auch Luftschichten. Beweis hierfür sind die ten an derselben Stelle unverrückt stehen ; bei großen Waldbränden , wie solche be- trügerischen Luftspiegelungen in den Sandan ihrem Fuße kochte und dampfte das fonders in Nordamerika nicht selten vor- wüsten, nicht selten wenige Minuten bevor Wasser und entlud sich rauschend und kommen (S. 1783). der gefürchtete Wüstensturm sich erhebt. zischend in die über ihr hängende Wolke, Nach Reye, welcher sich sehr eingehend Bei einer zufälligen, vielleicht durch einen während es selbst eine schnelle, spiralförmige mit der Erscheinung der Tromben beschäftigt Reiter oder den Schatten einer Wolfe herBewegung hatte und sich bog oder gerade hat , ist deren Ursache in vertikalen Licht vorgerufenen Störung des Gleichgewichts streckte , je nachdem die veränderlichen strömungen zu suchen , welche die warme setzt sich dann allmählich angesammelte Winde dies mit sich brachten, die nun und feuchte Luft von der Erdoberfläche Wärmemenge plöglich in Bewegung um, abwechselnd aus allen Strichen des Kom- strudelnd emporführen oder auch kalte Luft und die Luft reißt in heftigem Auftriebe passes wehten. Bald darauf kehrte die von oben zu ihr herabbringen. Reye denkt wirbelnde Säulen von Sand hoch mit sich Trombe nach Norden, in gerade entgegen dabei an ein gewisses unstätes Gleichge- empor. Diefrüher vielfach beliebte Meinung, gesetter Richtung des Windes, welcher wicht der Luft, das den Tromben vorauf die Tromben seien elektrische Meteore ist um das Schiff herrschte, zurück, und ging geht, und daß durch lettere die gewaltsame unzulässig, für sie sprach auchfrüher eigentgerade auf den Steuerbordbaum desselben Umwälzung der Luftschichten geschehe, mit lich nichts anderes als die Manie, alles was los . Man suchte derselben durch ver- welcher das stabile Gleichgewicht sich wieder man nicht erklären konnte, auf gut Glück änderte Richtung des Schiffes auszuweichen, herstellt. Die Entstehung jenes unstätigen der Elektrizität in die Schuhe zu schieben ." Von den Tromben zu den Tornados allein sie kam so nahe, daß man das üb- oder labilen Gleichgewichts in ruhiger Atliche Mittel wählte , auf sie zu schießen. Nachdem mehrere Schüsse geschehen waren und vorzüglich eine Kugel gerade in dem Abstande eines Drittels von ihrer Basis durch sie gegangen war, erschien sie eine Minute lang wie in zwei Stücke horizontal durchschnitten, und beide Teile schwankten in verschiedenen Richtungen hin und her, als würden sie von entgegengesetzten Winden bewegt , bis sie sich wieder vereinigten. Einige Zeit nachher zerstreute sich das Ganze in eine ungeheure schwarze Wolke, aus der es in großen schwarzen Tropfen auf das Verdeck des Schiffes regnete, bis die Wolfe erschöpft war. Zu der Zeit, als der Schuß oder die Erschütterung der Luft durch die Schüsse die Wasserhose in zwei Teile teilte , war ihr Fuß weniger als eine halbe Seemeile vom Schiffe entfernt und bedeckte eine Fläche Wasser, welche volle 300 Fuß im Durchmesser hatte , von einem Rande der kochenden Stelle bis zum entgegengesetzten gerechnet. Wo der Schlauch am dünnsten war, etwa in zwei Dritteln ihrer Länge aufwärts, schien er 6 Fuß im Durchmesser zu haben ; die scheinbare Höhe des Halses der Wolfe, in welche die Hose das Wasser auslud, betrug 40 ° , die Wolke selbst aber erstredte sich über den Scheitelpunkt des Schiffes hinaus und ringsumher in bedeutende Weite. Napier setzt ihre damalige Entfernung auf 3 Seemeile, was Durch einen Tornado umgestoßene Eisenbahnwagen. 75
1780 gibt es allmählich Uebergänge. Der eigent liche Tornado ist ein Wirbelsturm von geringem Durchmesser, aber von gewaltiger Heftigkeit, der mit großer Schnelligkeit selbst bis zu 100 km in der Stunde fortschreitet und nicht selten einen Weg von mehr als 100 englischen Meilen durchläuft . Die heftigsten Tornados kommen in Nordamerika vor , besonders in den Monaten April bis Juli , und ihre Gewalt ist so groß, daß ihm fast nichts zu widerstehen vermag . Von älteren Beschreibungen mögen einige hier ihre Stelle finden. Den 25. Juli 1838 wurde ein Teil des Distrikts Alleghany von einem Tornado heimgesucht. Der Tag war heiß und die Luft schwül , die Windrichtung von Nordwest nach Südost. Anfangs zeigte er sich in Ruschford als bloßer Gewittersturm, nahm aber bald an
Herm . J. Klein . Tromben und Tornados. 1781
{
1782
falls schwül, und es schien ein Gewitter zu nahen, welches sich in West bildete, während der Wind aus Südost blies , dann nach Süd herumlief, und demnächst mit Heftigkeit aus West tobte , begleitet von einem starken Getöse in der Luft. Olmsted betrachtete ſelbſt die von ihm verursachten Zerstörungen und verglich die Nachrichten mehrerer Eine Wassertrombe (S. 1776). Augenzeugen . Alle Bäume auf seinem Zuge waren abgebrochen oder ausgerissen , die Häuser | Diese beiden Abbildungen geben nur und Scheunen umgestürzt oder abgedeckt das Aussehen der Tornadowolke wieder. Die Abbildungen S. 1778 , 1793 , 1795, und die Früchte auf den Feldern nieder1797-1803 Lassen dagegen die Verheegedrückt . Die Länge der verheerten Strecke be- rungen erkennen , welche von einzelnen trug übrigens nur 4 englische Meilen und Tornados angerichtet wurden ; man muß die Breite etwa 60 Faden . Die Augen- gestehen , daß die Wirkungen eines Erdzeugen beschrieben den Sturm als eine bebens nicht schrecklicher sein können. — weiße Schneewolke mit innerer Bewegung, Die Abbildung S. 1774, welche nach einer die sich, über die Hügel herabkommend, in Photographie angefertigt ist, zeigt ein undie Ebene stürzte ; die umgeworfenen Bäume geheures Trümmerfeld , aus dent nur die Lagen nach der Mitte hin gerichtet, die in Bäume, zwar ihrer Aeste und Blätter feilder Mitte selbst nach der Richtung des weise beraubt, aber in den Stämmen doch Sturmes, und eben nach dieser Mitte hin noch aufrecht emporragen. Diese Widerlagen die Bruchstücke der zerstörten Häuser ; standsfähigkeit großer Bäume wird auch nur selten waren einige Gegenstände nach durch dieAbbild . S. 1793 beſtätigt, welche ein allen Seiten hin zerstreut. Als Einzel- anderes Bild der Umgebung von St. Cloud heiten werden erwähnt, daß Hühner ihrer in Minnesota vorführt , nach demselben Federn beraubt waren; ein Schuppen wurde Tornado vom 15. April 1886. Die meisten zerstört , und ein darin stehender Wagen Tornados treten in Nordamerika unter weit fortgeschleudert, dochschien dieser unddie dem 40. ° n. Br., vorzugsweise im Staate fortgetragenen Bäume mit Heftigkeit gegen Kansas auf, besonders, wie schon erwähnt, die Erde gestoßen worden zu sein. Die Beine in den Sommermonaten und in den Nachder Tische und die Flügel der Thüren lagen mittagsstunden. Ihr Vorübergang über nach verschiedenen Seiten hingeworfen, in einen gegebenen Ort ist rasch , er dauert einem einzigen Falle aber schienen die bisweilen kaum eine Minute, ausnahmsWände einer Scheune sämtlich nach außen weise aber auch bis zu einer halben Stunde. Ein Staubwirbel (S. 1775). gedrückt zu sein. Diese lettere Eigentüm- Schwüle, drückende Luft, auch starke Gelichkeit wird auch gelegentlich anderer Tor- witter pflegen dem Tornado voraufzugehen. Heftigkeit sehr zu und riß alles mit sich nados berichtet , und sie hat früher Ver- Die Richtung der Fortbewegung ist meist fort , was ihm im Wege stand. Einige anlassung gegeben , an eine Art von Er von Südwest nach Nordost. Fragen wir Distrikte auf seinem Zuge traf er weniger, plosion im Zentrum dieser Meteore zu nach der Entstehungsursache dieser verderbandere dagegen so stark , daß Waldungen denken. Wir werden aber gleich sehen, lichen Kreiselstürme, so betreten wir ein gänzlich zerstört wurden, wobei er sprung- daß die richtige Erklärung der Erscheinung Gebiet, auf dem zur Zeit noch vieles dunkel ist. Früher glaubte man, die Elektrizität weise sich bald zu erheben, bald gegen die eine ganz andere ist. Besser als jede Schilderung durchWorte spiele bei der Bildung der Tornados cine Erde zu stürzen schien . In der Stadt Belfast ging er über vermöchte , zeigen unsere Abbildungen die vorwiegende Rolle, allein diese Ansicht ist den Fluß Genesee in der Breite von 1 bis Wirkungen von Tornados . S. 1786 zeigt sicher ganz irrig, vielmehr sind es kräftig 1,5 englische Meilen , indem er in seiner das Aussehen der TorMitte in einer Breite von ungefähr 0,75 nadowolfe , welche am Meilen die stärksten Eichen buchstäblich ab- 6. Juni 1887 in der Nähe brach und die Häuser gänzlich zerstörte, von Jamestown in Daan den Seiten aber lettere bloß abdeckte . kotow gesehen wurde, nach ފއވ An einigen Stellen waren die Bäume in einer von C. 2. Fudd einer Höhe von 20--30 Fuß abgebrochen , aufgenommenen Momentan anderen mit der Wurzel ausgerissen, photographie. Der Torund dieses schien durch eine wirbelnde Be- nado war damals 18 engwegung geschehen zu sein . Manche Gegen- | lische Meilen entfernt. Als stände wurden vom Wirbelwinde in die der aus den Wolfen herabHöhe gehoben, wie denn unter anderen ein hängende Schlauch , den ** Mann und seine Pferde nebst dem Wagen man in der Abbildung aufgehoben und nach verschiedenen Rich rechts sieht , über einen Eine Bandtrombe (S. 1775), tungen umhergeschleudert wurden. Am kleinen See hinwegschritt, 31. Juli 1839 beobachtete Olmsted einen wurde das Wasser des letTornado zu New Haren, und untersuchte teren völlig aufgefogen. S. 1790 ist einer aufsteigende Luftströme , die in der Höhe nachher die durch ihn angerichteten Ver- zweiten Aufnahme nachgebildet , als der ihre Wasserdämpfe verdichten, die den Torheerungen genauer. Der Tag war gleich Tornado sich noch weiter entfernt hatte. nado erzeugen. Ferrel, der berühmte nord-
Herrmann Dogt. Jm Mittelpunkte des deutschen Geldverkehrs. 1785 1784 1783 amerikanische Meteorologe, dem die Wissen gegen das Einströmen der äußeren Luft, | größernd, und so entstehen die Hagelstürme. schaft wohl das meiste über die Mechanik so daß im Innern die heftig wirbelnde Unter Umständen können die Hagelförner der Wirbelstürme verdankt, sagt in dieser Bewegung einen starken Zug der aufstei von dem im Innern stattfindenden Zuge Beziehung : „Tornados sind einfach kleine genden Luft erzeugt. Die feuchte Luft wieder in die Höhe gerissen , oben lange Wirbelstürme (Cyklonen), die sich über ein wird gleichfalls heftig in die Höhe ge- schwebend erhalten werden, so daß sie Geso geringes Gebiet erstrecken, daß die Wir- wirbelt , kondensiert sich sehr bald , wird legenheit haben , sehr ungewöhnliche Difung der Erdrotation keinen merklichen oben durch die Zentrifugalkraft fortge mensionen anzunehmen , bevor sie auf die Einfluß hat, und die Kreisbewegungen entschleudert, und man sieht ein großes Ge Erde fallen. " Die schrecklichen Verwüstungen, welche stehen nur von einer Störung der Atmo biet der Erdoberfläche mit schweren Wolken sphäre , in welcher der Tornado auftritt, bedeckt. Der Zug nach oben im Zentrum | die Tornados anrichten, erklären sich durch die es der Luft unmöglich macht, von allen des Tornado ist so groß, daß selbst schwere die ungeheuer raschen Drehungen der LuftSeiten nach dem Zentrum zu fließen, ohne Gegenstände nach oben auf große Ent masse. Infolge der schnellen Drehungen in Drehungen um das Zentrum zu stürzen. fernungen fortgeführt werden. Zuweilen nach dem Zentrum eines Tornado, sagt Es verhält sich ebenso wie ein Wasser- ist der aufsteigende Strom so stark , daß Ferrel , muß dort nahezu ein luftleerer behälter mit einem Loch in der Mitte des er einen schweren Körper in der Luft Raum entstehen. Wenn ein Tornado über Bodens , durch welches das Wasser nur schwebend erhält , bis der Tornado einige ein Gebäude hinwegschreitet , so hört der Meilen sich fortbewegt äußere Druck plöglich fast völlig auf, von hat ; erst wenn seine Hef innen aber wirkt er mit einer Kraft von tigkeit nachgelassen , fällt mehr als 10000 kg auf den Quadrater dann zur Erde. Die zentimeter, und es ist deshalb nicht verWasserhosen sind nur be- wunderlich , daß hierdurch Zerstörungen sondere Fälle der Torna- entstehen , die denjenigen einer Explosion dos , wie die Tornados be- vergleichbar sind . sondere Fälle von Cyklonen sind. Wo die Luft an der Erdoberfläche in einem. Tornado nicht nahezu mit Im Mittelpunkte des Feuchtigkeit gesättigt ist, muß sie am äußeren Rande deutschen Geldverkehrs. des Tornado höher steiVon gen, bevor Wolkenbildung eintritt , und auch das Herrmann Vogt. nahezu horizontale Einfließen und die Wirbelbewegungen unten müssen sich dem Zentrumn stark nähern , bevor die Wolke entsteht, und je näher die Erdoberfläche, desto mehr muß die Luft sich dem Zentrum nähern. Daher nimmt die Wolkenbasis Rauchwirbel bei einem Waldbrande (S. 1778). oben eine Trichtergestalt an bei größter Ruhe radienförmig von allen | mit einem langen, spiß zulaufenden Stamm, Seiten zuströmen und ruhig ausflicßen welcher bis zur Erde oder zum Meere wird, während die geringste Drehbewegung herabreicht (S. 1789) . Eine Wasserhose im Anfange , selbst wenn diese ganz un ist somit einfach die Wolfe , welche bis merklich ist, das Wasser zu heftigen Wirbel- zur Erde herniedergebracht wird durch die bewegungen veranlaßt. Eine Wirkung der schnellen Kreisbewegungen in der Nähe Reibung ist bei den Tornados wegen ihres eines Tornadozentrums . Wie ein Tornado geringen Querdurchmessers im Vergleich zu schwere Gegenstände in der Luft schwebend ihrer Höhe viel weniger vorhanden als erhalten kann , so wird auch Regenwasser bei den Cyklonen ; es werden daher hier in dem Zentrum des Tornado in großen auch die Drehungen weniger verspürt, und Massen angehäuft, die sich dann mit großer sie müssen nach den mechanischen Prinzipien Gewalt in Wolkenbrüchen zur Erde entdieser Bewegungen nahe dem Zentrum sehr laden. Am leichtesten treten die Wolkengroß sein. Tornados treten auf, wenn brüche in Gebirgen auf, weil ein Tornado, die Luft aus irgend einer Ursache in dem der ein Gebirge trifft , meist in seiner bereits besprochenen unbeständigen Gleich- Macht gebrochen wird und das bis dahin gewichtszustande sich befindet. Dies kann schwebend gehaltene Wasser niederstürzen in der Nähe der Erde eintreten , aber läßt. passiert viel gewöhnlicher oben in der „ Durch die Zentrifugalkraft der TorNähe der Wolken. Aber wie in dem er- nados werden kondensierte Wolkenmassen wähnten Falle des Wassergefäßes wird der zur Erde gebracht und erzeugen die WasserAusgleich bei Abwesenheit jeder weiteren Hosen; aus noch höheren Schichten wird Störung langfam erfolgen; es muß das so verdünnte und kalte Luft herniedergeher zur Entstehung des Tornados noch führt, daß die Dämpfe zu Schnee und die eine andere Bedingung, welche Kreisbewe- Wassertropfen zu Eis gefrieren , selbst gungen erzeugt , zugegen sein. Beginnt mitten im Sommer. An den Stellen , wo die Wirbelbewegung oben , so pflanzt sie der Zug nach oben schwächer ist , fallen sich schnell bis zur Erde fort ; die Zentri- diese zu Boden, sich auf ihrem Wege durch fugalkraft der Wirbel wirkt als Barriere | die kondensierten Wolken immer mehr ver-
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Dor etwas mehr als Jahresfrist besuchte ich zum erstenmal nach jahrzehntelanger Abwesenheit wieder Berlin und durchfuhr abends die aus Anlaß des kaiserlichen Geburtsfestes prächtig und feierlich erleuchteten Straßen der Stadt. Unter den im glänzenden Lichterschmuck prangenden öffentlichen Gebäuden fiel mir be sonders ein in der Jägerstraße gelegener, in roten Backsteinen aufgeführter zweistöckiger Palast auf, den ich noch nicht gesehen hatte. Auf der Attika des flachen Daches befanden sich große Schalen auf antikem Dreifuß , jede gehalten von zwei Greifen , und aus ihnen hervor foderten in düsterer Pracht, gleich riesigen Fackeln, mächtige Gasfeuer zum dunkeln Nachthimmel empor. Das war die an Stelle der früheren Preußischen Bank erbaute Deutsche Reichsbank, ein Wahrzeichen der mit Eisen und Blut gewonnenen deutschen Einheit . Der von deutschen Künstlern geplante und von deutschen Meistern durchgeführte Bau dehnt sich über eine Fläche von mehr als hundert Ar aus. Die Einförmigkeit der eine Front von neunzehn Fenstern darstellenden Hauptfassade wird im Mittelbau des zweiten Stocks unterbrochen durch echt korinthische Säulen und überragt durch figürlichen Schmuck : Die in schlesischem Sandstein ausgeführte Gestalt der Germania, umgeben von den allegorischen Figu= ren des Handels und der Induſtrie , des Ackerbanes und der Schiffahrt. Die Fensterbrüstungen sind mit den Wappen der deutschen Bundesstaaten geschmückt. Das im Jahre 1876 seiner Bestimmung übergebene
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Herrmann Vogt. 1786
Im Mittelpunkte des deutschen Geldverkehrs. 1787
ANOPEAS Ter Tornado von Jamestown am 6. Juni 1887 (S. 1781).
Gebäude ruft auf den Beschauer den Eindruck harmonisch ruhiger Gliederung hervor, und bietet in seinem Innern alle für die glatte Abwickelung des bedeutenden Verfehrs nur irgend wünschenswerte Einrichtungen. Baurat Hitig , der geniale Er bauer des der jüngsten Weltstadt zum würdigen Schmucke gereichenden Hauses, hat bei seinen Anordnungen bedeutende äußerliche Schwierigkeiten mit großem Geschick überwunden. Während der ganzen Bauzeit nämlich durfte die geschäftliche Thätigkeit der Bank nicht unterbrochen werden. Die Bureaus und Kassen blieben in dem alten Gebäude, bis sie dann nach und nach gewissermaßen über Nacht in die neuen , inzwischen fertiggestellten Räume übergeführt werden konnten. Das geschah aber alles so prompt und zweifelsohne, daß das Publikum kaum etwas von dieser Veränderung, gewiß aber keine Störung im Betriebe bemerkte. Leider komme ich nicht in die Verlegenheit, ein in Wertpapieren angelegtes Vermögen der Bank zur Aufbewahrung in ihren Schatkammern zu übergeben , und
Die Reichsbank führt ihren Ursprung auf eine alte preußische Institution , die Preußische Bank, zurück. Sie ist auch auf demselben Plate erbaut , den früher der kurfürstliche, dann königliche Jägerhof einnahm, und den Friedrich der Große der von ihm gegründeten Bank zum Eigentum anwies . Ueber die Preußische Bank finden sich in einem vor zwanzig Jahren geschriebenen und damals in einer gelesenen Wochenschrift abgedruckten Artikel aus fachkundiger Feder wertvolle Mitteilungen. Die Banken selbst," heißt es dort, sind italienischen Ursprungs , aber jahrhunderte lang blieb das Institut auf das engere Vaterland beschränkt. Die Amsterdamer (1609) war die erste außerhalb Italiens gegründete , dann folgten die Hamburger, Rotterdamer , Nürnberger, die Englische, aber noch waren die Schwindelprojekte, die Lawschen u. a. m. so herrschend und führten zu so allgemeiner Zerrüttung der Verhältnisse, daß sie in Preußen keine Stätte finden konnten, und bis in die ökonomisch so wohlgeordnete Regierung Friedrich Wil helms I. hatten wir hier keine Bank. Mit
ebensowenig rechne ich unter die soliden Geschäftsleute", die nach den für den Bankverkehr erlassenen allgemeinen Grundsäßen mit der Deutschen Reichsbank in Geschäftsverkehr treten fönnen, schon aus dem ein fachen Grunde nicht, weil ich überhaupt fein Geschäftsmann bin. Aber alles , was ich über die Einrichtungen und das Geschäftsgebaren der Reichsbank in Erfah rung brachte, reizte mein Interesse in hohem Grade, und ich hoffe den Wünschen mancher Leser entgegenzukommen , wenn ich in nachstehendem eine kurze Darstellung von den Anfängen, der Entwickelung und der gegenwärtigen Geschäftsausdehnung dieses Instituts bringe, das den Mittelpunkt des gesamten Geldverkehrs im Deutschen Reiche bildet.
dem jungen Könige aber tauchten Projektenmacher aller Art auf, Happermann, Graumann , v. Cocceji , und der bedeu tendste v. Calzafigi, der durch den Major v . Quintus Jcilius dem Könige empfohlen worden, nachdem er in Frankreich als Finanzmann eine Rolle gespielt und dort mit dem bekannten Casanova di Seingalt ein Lotto di Genova errichtet hatte. Aber trotz aller Mühe konnten diese Männer, denen sich auch die Münzpächter Ephraim und Jig anschlossen, kein Geld und feine Subskriptionen für ihre Bankprojekte zu sammenbringen . Auch der bekannte Kaufmann Gogłowski wurde hineingezogen, aber das Projekt zerfiel , die Gründer kamen in Ungnade , wurden bestraft , und nach einem Plane, an dem Quintus Jcilius
1788
wieder beteiligt war , erschien am 17. Juni 1765 das Edikt und Reglement der königlichen Giro- und Lehenkonto" ; am 20. Juli desselben Jahres wurde sie in dem noch) heute der Bank gehörigen, oben erwähnten Gebäude in der Jägerstraße eröffnet, unter die Verwaltung des geheimen Kommerzienrats Wurmle gestellt, und diesen Tag also haben wir als den Gründungstag dieses jezt so gewaltigen Instituts zu betrachten. ,,Die Bank begann ohne alle eigenen Mittel ; die 8 Millionen, welche sie nach dem Grundgesetz vom Juni 1765 als einen aus Staatsfonds zu gewährenden Betriebsfonds erhalten sollte, sind ihr nie gegeben worden ; 400 000 Thaler wurden ihr gegeben und auch von diesen ein großer Teil wieder fortgenommen , der Rest war nur Vorschuß, dazu kamen Verluste, so daß die Bilanz der ersten sieben Jahre nur ein Defizit aufweist. Selbst die beinahe 9 Millionen. Thaler, welche Friedrich der Große ihr als Reservefonds anvertraute , waren So kam es, daß nicht ihr Eigentum. ihr ganzes eigenes Vermögen noch im Jahre 1806 nur aus 700 000 Thaler bestand, und auch diese gehörten eigentlich nicht ihr , sondern hätten zur königlichen Dispositionskasse abgeführt werden müssen. Nun brach das Unglück des Jahres 1806 ein, die Bank wurde von dem ganzen Unheil mit betroffen, das über den preußischen Staat verhängt war. Ein Teil ihrer Kassen wurde vom Feind geraubt , die fürchterlichsten Verluste entwerteten ihren Rest ; die Provinzen, zu deren Hebung sie fast 10 Millionen hatte hergeben müssen, wurden zu einem feindlichen Staat gebildet ; zwar wird der Besit jener 10 Millionen ihr vom Eroberer durch die feierlichsten Versicherungen garantiert, aber mit Verhöhnung feiner Versprechungen raubt er sie ; die Bank dient als Generalstabskasse , muß Vorschüsse leisten , welche der ruinierte Staat ihr nicht erstatten kann , die Bank ist faktisch ruiniert. 1818 begann die Reorganisation mit einer Aktivmasse , unter welcher über 15 Millionen unverzinsliche und unsichere, zum Teil ganz uneinziehbare Forderungen figurierten und mit einem Defizit von über 7 Millionen. Und aus dieser Not hat sie sich herausgearbeitet aus eigener Kraft, welche besonders seit dem Jahre 1856, wo das neue Bankgesetz ins Leben trat , sich frei entfalten konnte, so daß der vor kurzem veröffentlichte Bankausweis über das Jahr 1866 staunenswerte Dimensionen des Geschäftes aufweist. Die Gesamtumsäge der Bank betrugen über 2000 Millionen Thaler, über 30 Millionen mehr als im vorigen Jahre; also in der bösen Zeit des Jahres 1866 ist der Verkehr der Bank so sehr gestiegen ! Der Betriebsfonds der Bant bestand, mit Ausschluß der Noten, aus etwa 40Millionen. So war ihr Vermögen durch die umsich
Herrmann Vogt. 1789
Jm Mittelpunkte des deutschen Geldverkehrs . 1790
1791
tige Verwaltung seit dem Jahre 1818 , also in noch nicht fünfzig Jahren, gestiegen . Der Bantnotenumlauf betrug durchschnittlich 122 Millionen. Disfontiert wurden etwa für 250 Millionen Wechsel; 93 Millionen Thaler wurden im Lombardgeschäft als Darlehen ausgeliehen, der Gewinn bei diesem Geschäfte betrug über 6 Millionen. Das ist in gedrängtester Kürze ein Bild von dem Umfange des Betriebes der Bank in einem Jahre dieses Instituts , welches Gelder und Pretiosen in Verwahrung nimmt, Kapitalien verwaltet, auf Effekten und Waren Darlehen gibt, Wechsel diskontiert und somit in jede Branche des Geschäftslebens eingreift , jede fördert , jede unterstüßt , und weil nicht der Gewinn ihr erstes und oberstes Prinzip ist, zu jeder Zeit in Krisen segensreich wirkt ANDREIAL doppelt und das in seiner imDer Tornabo von Jamestown am 6. Juni 1887 beim Abstehen (S. 1781). posanten Ruhe unerreicht dasteht. Ehre seinen Leitern!" Mit vollem Rechte konnte der Ver- | stitut vorgingen und unter Führung eines | Bitte , es zurückzunehmen ! Ein solches fasser der Leitung der Preußischen Bank bewährten Feldherrn auf diesem Gebiete, Zeugnis unerschütterlichen Vertrauens ist solches Lob spenden, an deren Spize schon des berühmtesten Mannes , den die Geld ohnegleichen in der neueren Finanzgeschichte, damals derselbe Mann stand, der jetzt als aristokratie aufzuweisen hat, einen Sturm zumal in einem Kriege , der ein VernichReichsbankpräsident sein fünfzigjähriges gegen die Bank unternahmen. Von allen tungskrieg sein sollte!" Als dann aus den siegreichen Kämpfen Dienstjubiläum gefeiert hat, und dem bei Seiten wurden Rimessen eingeschickt und dieser Gelegenheit von seinem Kaiser be- Barzahlungen gefordert , welche, wie man des Jahres 1870/71 das neugeeinte Deutsche zeugt ward, daß es seiner Umsicht und hoffte, die Bank zur Einstellung derselben Reich erstand, da wurde der Wunsch laut, Thatkraft gelungen sei, vorzugsweise im zwingen, d. h. den öffentlichen Kredit unter die segensreiche Wirksamkeit einer StaatsInteresse von Handel und Industrie mit graben, die herrlich aufblühende Industrie bank auch dem neuen Gesamtstaatswesen reichem Segen zu wirken". Derselbe Mann, Preußens zu Grunde richten sollte, und der zu verschaffen. Eine Resolution des Reichsder auch der Deutschen Reichsbank binnen Staat Friedrich des Großen wäre finan tages vom 20. Mai 1873 forderte den der kurzen Zeit ihres Bestehens zu einem ziell ruiniert gewesen, wie man ihn poli- Reichskanzler zur Vorlage eines Gesetzes ungeahnten Aufschwung verholfen hat ! In tisch zu vernichten gehofft. Aber man über das Bankwesen auf; im Januar 1875 jenem Jahre 1866 aber hatte Herr von hatte auch auf diesem Gebiete nicht solcher fand die dreimalige Lesung und Annahme Dechend unter schwierigen politischen Ver- Energie, so kluger umsichtiger Leitung zu des aus den Arbeiten der betreffenden hervorgegangenen hältnissen einem ernsten gegen die Lebens- begegnen erwartet. Mit allerdings großen Reichstagskommission fähigkeit der Preußischen Bank unternom Opfern faufte die Bank überall, nament Entwurfes statt ; am 14. März desselben menen Angriff erfolgreich zu widerstehen lich aus England , Silber ; über 40 Mil Jahres erhielt das Bankgesetz" die kaiserverstanden. Die ersten Feinde waren, " lionen wurden vorrätig herbeigeschafft, Tag liche Genehmigung, und am 1. Januar so erzählt Th. Coßmann, die süddeutschen und Nacht kamen die Sendungen an, Tag 1876 trat die Deutsche Reichsbank ins Geldmänner und Geldmächte , welche im und Nacht waren die Beamten unermüd- Leben. Die für den Geschäftsbetrieb der Bank Frühjahr plötzlich aggressiv gegen das In- lich auf dem Posten , die weiten Keller der Bank reichten nicht aus, notwendigen Gelder wurden, und darin die Ställe und Wagenremisen besteht ein grundlegender Gegensatz zu den des Präsidenten, die Höfe selbst Staatsbanken anderer Länder, lediglich aus waren mit Silber belegt, immer Privatmitteln zusammengebracht. Vierzignicht Aktien, denn neue Massen wurden herange- tausend Anteilscheine fahren, immer neue Räume mit die Reichsbank ist keine Aktiengesellschaft dem edeln Metall gefüllt - im eigentlichen Sinne des Worts und den und als der Sturm begann, bezüglichen Geseßen über derartige Gesell40 000 An wurde er siegreich abgeschlagen schaften nicht unterworfen und nicht die geringste Stok teilscheine zu je 3000 Mark bilden mit insfung trat ein, nicht eine noch gesamt 120 Mill . Mark das Grundkapital Diese Anteilscheine sind auf so kleine Zögerung ; mit der der Bank. größten foulantesten Bereit den Namen des Besizers ausgestellt und willigkeit wurde jeder Anspruch in den Stammbüchern der Reichshauptbefriedigt. Das war großartig bank eingetragen. Sie werden bei einem und das imponierte der Menge Verkauf durch das Giro des augenblickso sehr und beruhigte sie so lichen Inhabers auf der Rückseite weitergänzlich , daß viele , die heute begeben, und jeder Wechsel im Besit muß ihr Geld von der Bank zurück bei den Stammbüchern angemeldet und Ende 1885 begeholt, es morgen schon wieder dort vermerkt werden. GEN brachten , mit der dringenden fanden sich die Anteilscheine in den Händen Jbealer Durchschnitt durch einen Tornado (S. 1784).
Herrmann Vogt.
Im Mittelpunkte des deutschen Geldverkehrs.
1792
1793 Die von 7630 Eigentümern, unter ihnen 1483 | Reichsbankdirektorium übertragen. Ausländer. Besitzer der Anteilscheine gewinnen eine Beim Uebergang der Preußischen Bank gewisse Beteiligung an der Bankverwaltung in die Reichsbank verzichtete der größte durch die Generalversammlung, durch den deutsche Bundesstaat auf alle seine Rechte, Zentralausschuß und durch dessen drei erhielt dafür sein Einschußkapital von etwa Deputierte. 6 Mill. Mark zurück, ferner die Hälfte des Alljährlich findet eine ordentliche Geaufgesammelten Reservefonds mit 9 Mill . neralversammlung statt , in welcher der Mark und eine Entschädigungssumme in Reichskanzler oder in dessen Behinderung Höhe von rund 15 Mill. Mark. Die der Reichsbankpräsident den Vorsitz führt. Reichsbank übernahm die vorhandenen Die Generalversammlung, welche übrigens Grundstücke im Werte von 122 Mill. auch jederzeit als außerordentliche berufen Mark, überhaupt sämtliche Rechte und werden kann, nimmt den Verwaltungsbericht Pflichten der bisherigen Preußischen Bank, entgegen, wählt die Mitglieder des Zentralund hat namentlich an den preußischen ausschusses und entscheidet über wichtige Staat für dessen Staatsanleihe von 1856 Fragen, falls diese bei der Einberufung bis zum Jahre 1925 jährlich in halbjähr ausdrücklich mitgeteilt sind. Einen größeren lichen Raten 1865 730 Mark zu zahlen . Einfluß zur Vertretung der Interessen der Bis zum Jahre 1875 besaßen nicht weniger als 33 Banken das Recht zur Ausgabe von Banknoten , und die meisten mach ten von dieser Befugnis den weitgehendsten Gebrauch. Eine Reform in dieser Beziehung war drin gend geboten, denn der ganze deutsche Markt , vor allen Dingen auch der Kleinverkehr, war mit diesen papierenen Zahlungsmitteln überschwemmt. Das neue Bankgeset verfolgte deshalb als einen Hauptzweck die Einschränkung des übermäßigen Banknoten umlaufs , die Regelung des Banknoten wesens überhaupt. Dazu sollte zunächst die Bestimmung dienen, nach welcher nicht mehr als 385 Mill. Mark ungedeckter Noten zirkulieren durften. Den bestehenden Zettelbanken wurde ferner die Verbreitung ihrer Noten außerhalb des Bundesstaates , der ihnen die Konzession erteilt hatte, durch ganz Deutschland nur dann fernerweit gestattet, wenn sie sich ganz bestimmten einschränkenden Regeln unter warfen . Infolgedessen verzichteten sofort nach Erlaß des Bankgesetes 15 Banten auf das Recht der Notenausgabe, und das damit in Wegfall kommende Notenrecht wuchs der Reichsbank zu . So ist es dieser gestattet , statt der ihr ursprünglich zugewiesenen 250 Mill. Mark deren 273 Mill. an ungedeckten Noten auszugeben. Gegen wärtig besigen noch 17 Banken außer der Reichsbank das Recht der Notenausgabe. Die dem Reiche über die Geschäftsgebarung der Reichsbank zustehende Aufficht wird durch das vom Kaiser und dem Bundesrat zu ernennende Kuratorium aus Die Leitung der Bank ist dem geübt. Reichskanzler und unter diesem dem
Verwüstungen bei St. Cloud (April 1986) ( S. 1782). Anteilseigner gegenüber der Verwaltung gewinnt der Zentralausschuß, der monatlich mindestens einmal unter dem Vorsitz des Reichsbankpräsidenten zusammentritt und dessen drei aus seiner Mitte gewählte Deputierte berechtigt sind, allen Sigungen des Reichsbankdirektoriums mit beratender Stimme beizuwohnen, wie in den Geschäftsstunden vomGange des Geschäfts sichzu überzeugen, die Bücher einzusehen und bei den Revisionen zugegen zu sein. Eine direkte Einwirkung auf die Leitung der Bank haben, wie aus dem Gesagten hervorgeht , die Anteilseigner nicht. Diese liegt vielmehr lediglich in den Händen des Reichsbant direktoriums , dessen Präsident und Mit glieder vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt werden. Das Reichsbankdirektorium faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit, hat aber allen Anordnungen des Reichskanzlers , soweit sie sich in gesetzmäßigen Schranken bewegen , unbedingt Folge zu leisten. Im übrigen hat sich das Reich vor behalten , vom 1. Januar 1891 ab von zehn zu zehn Jahren mit vorausgehender einjähriger Kündigungsfrist die Reichsbank aufzuheben und ihre Grundstücke nach dem
1794 Sachwerte zu erwerben oder aber die Anteilscheine zum Nennwerte aufzukaufen. Der Zentralsitz der Reichsbank ist die Reichshauptstadt; das Reichsgebiet ist für die Geschäftsführung in sogenannte Verwaltungsbezirke geteilt. In jedem derselben befindet sich eine Reichsbankhauptstelle oder eine Reichsbankstelle. Das sind selbständige, gleichgestellte und dem Reichsbankdirektorium unmittelbar untergeordnete Bankanstalten . Sie werden von je zwei verantwortlichen Vorstandsmitgliedern geleitet , denen als juristischer Beistand ein vom Kaiser ernannter Kommissar oder ein vom Reichsbankpräsidenten bestellter Justitiar zur Seite steht, und bei denen sogenannte Beigeordnete der Bezirksausschüsse mit ähnlichen Befugnissen, wie die Depu tierten bei der Reichsbank , ihres Amtes als Vertreter der Anteilseigner walten. Im Bereiche eines jeden Verwaltungsbezirks finden sichwieder von der Reichsbankhauptstelle oderder Reichsbankstelle abhängige Anstalten, sogenannte Reichsbankkommanditen, Reichsbanknebenstellen und Warendepots . Sie werden von Bankbeamten oder von im Orte an sässigen , geeigne ten Persönlichkeiten geleitet. Zur Zeit bestehen 221 solche , mittelbar oder unmittelbar vom Reichsbankdirektorium in Berlin abhängige Zweiganstalten, darunter 61 selbständige Hauptstellen und Bankstellen . Die Hauptpunkte , welche die Reichsbank für ihren Geschäftsbetrieb in das Auge faßt, erstrecken sich auf die Diskontierung von Wechseln und Effekten , auf das Lombardgeschäft , den Giroverkehr , den Einund Auszahlungsverkehr , das Einziehungsgeschäft , das Effektenkommissionsgeschäft, und endlich auf die Verwahrung und Verwaltung von Wertgegenständen. Durch die Art, wie die Reichsbank dem treditsuchenden Handel bei der Diskontierung seiner Wechsel entgegenkommt , hat sie von Anfang ihres Bestehens auf die volkswirtschaftliche Entwickelung unseres Vaterlandes sehr wohlthätig eingewirkt. Die Bank kauft Wechsel auf deutsche Bankpläße so gut, wie auf ausländische Handelspläße von Bedeutung und erstrect ihre Ankäufe in gleicher Weise auch auf Schuldverschreibungen des Deutschen Reiches und der deutschen Bundesstaaten oder inländischer kommunaler Korporationen , welche innerhalb drei Monaten mit ihrem Nennwert fällig sind , seien sie gekündigt oder
Herrmann Vogt.
1795
Im Mittelpunkte des deutschen Geldverkehrs. 1796
Wirtung eines Tornado bei Rochester (August 1883).
ausgelost". Zu dieser Kategorie werden auch die Steuererportbonifikationen für Zucker, Spiritus u. dgl. gezählt, welche sogar unter erleichternden Bedingungen genommen werden. Von dem Umfange dieses Geschäftszweiges kann man sich einen uns gefähren Begriff machen durch die ziffer mäßige Angabe, nach welcher im Laufe des Jahres 1885 nicht weniger als 578 617 Stück Wechsel im Betrage von 1 146 604 291 Mark mit einem Gewinn von 6263 670 Mark für die Bank disfontiert wurden. Neben Wertpapieren , welche sich besonders zur Hinterlegung als Pfand eignen und je nach dem Grade ihrer Sicherheit zum halben bis zu drei Vierteln ihres Nennwertes lombardiert werden, beleiht die Reichsbank auch die oben erwähnten Steuerscheine, sowie edle Metalle, Wechsel, wenn fie nicht über drei Monate laufen und mindestens zwei gute Unterschriften tragen", und Waren von guter Beschaffenheit , die in der Nähe des Bankortes lagern und dem Verderben nicht so leicht ausgesetzt sind. Dabei sucht die Bank einen Einfluß darauf auszuüben, daß die deutschen Kapitalisten ihr Geld mehr und mehr in deutschen Papieren anlegen, indem sie die Darlehen auf solche unter dem offiziellen Lombardzinsfuß gewährt. Im Jahre 1885 wurden im Lombard ausgeliehen, auf 10279 verschiedene Posten, 880 122 040 Mark, und die aus diesem Geschäfte aufgekommenen Zinsen betrugen 2603 209 Mark. Der hauptsächlichste Verkehr der Reichsbank jedoch entwickelt sich in immer zunehmendem Maße mit dem sogenannten Girogeschäft. Darunter versteht man ,,den Kreisverkehr des Geldes zwischen bestimmten Kaufleuten und Banten, welche sich dahin geeinigt , durch Ab- und Zuschreiben auf ihre Konti bei einer Zentralstelle den Zeitaufwand und die Kosten zu verringern, die unvermeidlich mit
dem Umsatz und der wirklichen baren Auszahlung größerer Beträge verbunden sind". Die Reichsbank traf in richtiger Würdigung der auf dem deutschen Markte herrschenden Verhältnisse Vorkehrungen , um jedermann auf dessen Wunsch ein Girokonto zu eröffnen . Durchdiese in keinem anderen Lande der Welt bestehende Einrichtung ist das ganze Reich ein Giroplatz geworden, auf welchem zwi jchen den Girofunden der Reichsbank die Zahlungen durch bloße Ueberschreibungen auf den Konti ausgeglichen werden. Natürlich muß man ein Guthaben in entsprechender Höhe bei der Bank haben, wenn man derartige Ueberschreibungen vornehmen lassen will, doch geschehen alle Uebertragungen spesenfrei , und die Bank hält sich für die ihr aus diesem Verfahren erwachsenden Kosten und Mühen schadlos dadurch, daß sie die Gelder nicht verzinst. Um über sein Guthaben Ver-
1797
fügung zu treffen, bedient sich der KontoDie inhaber weißer und roter Checks . legteren dienen zu Uebertragungen auf andere Konti , sei dies am Wohnort oder auf anderen Pläßen ; die weißen werden. bei Barabhebungen von der Bank benutzt. Die Bank besorgt für ihre Girofunden auch andere damit in Verbindung stehende Geschäfte , namentlich das Einziehen von Wechseln und Rechnungen , und gestattet Nichtkontoinhabern die Einzahlung auf andere Girokonti gegen eine geringe Provision. Diese lettere Maßregel bietet viel Vorteil für den Kleinverkehr, und so darf es denn bei den unendlichen mit dem Giroverfahren verbundenen Erleichterungen für den gesamten Handel und Wandel nicht wunder nehmen, daß gerade der Giroverfehr sich zu ungeahnterHöhe aufgeschwungen hat. Im Jahre 1876 betrug der tägliche Durchschnittssaldo aller Konti etwa 70 Millionen Mark und war nach neun Jahren bis zu einem durchschnittlichen Guthaben von täglich 162 469 000 Mark gegen 155 213 000 Mark im Jahre 1884 angewachsen. Der Gesamtumsatz im Giroverfehr aber betrug im Jahre 1885 mit Einschluß der Ein- und Auszahlungenfür Rechnung des Reichs und von Bundesstaaten mehr als 56 Milliarden. Dem gegenüber verliert das Ein- und Auszahlungsgeschäft fortwährend an Bedeutung. Denn während 1876 mehr als 17000 Zahlungsanweisungen über rund 197 Millionen Mark ausgefertigt wurden, waren 1885 nur 4870 Stück über nicht ganz 40 Millionen Mark erteilt. Das Girogeschäft verdrängt diese Zahlungsweise immer mehr , da die Bank für eine kleine Provision auch an Nichtkontoinhaber in anderen Plätzen mit Vermeidung der
Wirkung eines Tornado su St. Charles.
Herrmann Vogt.
Im Mittelpunkte des deutschen Geldverkehrs .
1798
1799 1800 nicht unerheblichen Portobeträge jeden Be- | 3427 verschiedenen Werten 1522 389 618 Marf. trag zur Auszahlung bringt. Wenn auch die Reichsbank die meisten An Zinsen und Dividenden Inve geschäftlichen Transaktionen betreibt , die wurden im Laufe des Jahman im gewöhnlichen Leben als Bankiers- res 1885 an den depogeschäfte bezeichnet , so hat sie doch , um nierten Effekten eingezogen den Verdacht einer unangemessenen Kon fast 60 Millionen Mark. Von der bedeutsamen kurrenz mit dem Privatkapital zu vermei den, die Bedingungen erschwert, unter denen Stellung, welche die Deutfie den gewinnbringenden kommissionsweisen sche Reichsbank im WeltverAn- und Verkauf von Wertpapieren über- fehr einnimmt , legen benimmt. Dagegen zieht sie fremde Rech redtes Zeugnis ab einige nungen , Wechsel und Wertpapiere ein, weitere dem Verwaltungswenn diese an einem Bankplate zahlbar sind. berichte des Jahres 1885 Wer seine Wertpapiere der Reichshaupt entlehnte Ziffern, die hier bank in Berlin zur Aufbewahrung und ihren Plaß finden mögen, Verwaltung übergibt , der erhält darüber auf die Gefahr hin , die einen auf den Namen lautenden Depot- Geduld der Leser zu erschein. Die Bank haftet in diesem Falle müden. Aus ihnen wird nicht nur für die sichere Aufbewahrung auch erkennbar , daß das offenen Depots ", sondern über- Reich mit der ihm gebüh dieses nimmt auch die Bürgschaft für deren sach- renden Hälfte vom Reingemäße Verwaltung, zieht die fälligen Kou- gewinn kein schlechtes Gepons ein , besorgt die neuen Zinsbogen, schäft macht, ebensowenig überwacht die Verlosungen , besorgt die wie die Anteilseigner mit durch Verkauf, durch Tausch oder Ziehung der anderen Hälfte. nötig werdenden Anordnungen und bringt Die Gesamtumfäße der dafür nur 30 Pfennig per 1000 Mark in Reichsbank haben in dem Jahre 1885 die Höhe von Zerstörung eines Gebäudes burch einen Tornabo zu Rochester ( August 1883). Anrechnung. Sogenannte , verschlossene Depots ", ver- 73 199 039 000 Mark ersiegelte uns mit Namen versehene Pakete, reicht. Der Gesamtgewinn belief sich auf bestand von fast 1400 Millionen Mark werden von jeder Bankanstalt entgegen 19328 182 Mark. Nach Abzug der Ver- nach. Die der Bank gehörigen Grundgenommen und in ihren Gewölben auf waltungskosten, von zweifelhaften Wechsel- stücke standen mit rund 20 Millionen Mark bewahrt. Die Reichsbank haftet für den forderungen und Verlusten , von den für zu Buche. etwaigen Verlust, bis zur Höhe von 5000 die 42 prozentige Verzinsung der AnteilNur der vorsichtigen und dabei doch Mark selbst bei Paketen ohne Wertangabe, scheine und die Abschreibungen zum Re- fühnen Leitung des Reichsbankpräsidenten gegen eine jährliche Entschädigung. servefonds nötigen Summen blieben etwas ist es möglich geworden , das ihm anverSolche verschlossene Depots waren am über 4 Millionen übrig, von denen 2 Mil- traute Institut zu so stolzer Höhe empor1. Januar 1886 4663 Stück vorhanden. lionen an das Reich abgeführt wurden ; zuführen . Von vornherein stellten sich der Sie werden hinterlegt von Personen , die der Rest ward auf die Anteilscheine ver- Entwickelung der Reichsbank manche Schwiedritten keinen Einblick in ihre Verhältnisse teilt, deren Besitzer damit außer der Ver- rigkeiten in den Weg. Nicht allein wurden gestatten wollen , wenn die Bankbeamten zinsung ihres Geldes eine Dividende von ihr bei der Gründung durch die Zurückauch zu unbedingter Verschwiegenheit ver- über 6 Prozent genossen. Die Vermögens- erstattungen an Preußen sehr bedeutende pflichtet sind. Solche argwöhnische Ge- bilanz der Reichsbank vom 31. Dezember flüssige Mittel entzogen , sondern sie vermuter befinden sich aber stark in der Min 1885 wies einen Bestand an Gold in lor auch das Privilegium der Preußischen derheit , denn zum gleichen Zeitpunkt be- Barren oder ausländischen Münzen von Bank, nach welchem gerichtliche Depositentrugen die 138935 offenen Depots in mehr als 193 Millionen, und einen Kassen gelder bei letterer belegt wurden. Ja, sie mußte diese letteren mit 96 Millionen bar herauszahlen ; erhielt endlich nur das Recht zur beschränk ten Notenemission und war deshalb anfangs auf verhältnismäßig sehr bescheidene Summen angewiesen. Aber mit geschickter Hand sind alle Klippen umschifft, und heute ist die Reichsbank imstande , allen an sie herantretenden Ansprüchen zu genügen. Sie bietet der aufstrebenden deutschen Judustrie einen kräftigen Rückhalt und verdient im vollen Umfange das Vertrauen , das die Nation ihr in reichem Maße entgegenbringt . W 8W di In jenem roten Hause an der s Jägerstraße aber vollzieht sich die, man möchte sagen geheimnisvolle Thätigkeit, als deren Ausfluß reichliche Zahlmittel die gesamte Gewerbsthätigkeit unseres deutschen Vaterlandes gleich wie mit einem Goldregen befruchten. Schon auf Vernichtung eines Eisenbahnzuges durch einen Tornado zu Saut Rapibs (April 1886). der Schwelle wird man befangen
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Herrmann Vogt.
1801
Im Mittelpunkte des deutschen Geldverkehrs. 1802
von der Stille , die in den weiten Räu- Sizbänke und an den Wänden ziehen sich men herrscht , im Gegensatz zu dem Lär- etwa zwanzig Kassen und Zahlstellen her, men und Treiben auf der verkehrsreichen unter ihnen die Reichshauptkasse denn Gasse. Ruhig, gemessen, fast lautlos wer- die Reichsbank besorgt auch unentgeltlich die den hier alle Geschäfte abgewickelt. Aus Geschäfte des Reiches und hat im Jahre 1885 der Vorhalle, die den Eintretenden zunächst für Rechnung desselben und der Bundesaufgenommen , gelangt dieser einige Stu- staaten eingenommen wie ausgezahlt mehr fen hinauf durch eine Glasthür in einen breiten , das Gebäude der ganzen Frontausdehnung nach durchziehenden Korridor. An ihm liegen die verschiedenen Bureaus verteilt. Eine zweite Glasthür führt in einen weiten , hohen, durchOberlicht erhellten, abends aber auf elektrischem Wege erleuchteten Raum, dessen mit den umsturs eines Eisenbahnzuges Wappen des Reichs und burcheinen Tornado zu Grinnell (Juni 1882). der vier deutschen Königreiche wie mit medaillonartig gehaltenen Reliefdarstellungen als 1 Milliarde und 400 Millionen, wähdes deutschen und des preußischen Aars ge- rend an Guthaben der Staaten etwas mehr schmückte Wände in spiegelblankem Stuck als 22 Millionen in der Bank verblieben. marmor gehalten sind , und dessen FußIn der Abteilung für die verschlossenen boden mit farbigen Marmorfliesen belegt Depots find an einem Seitenforridore kleine ist. Von hier aus führt eine breite Doppel- Kabinen mit verschließbaren Thüren eintreppe, deren Stufen aus bayrischem Granit, gerichtet, in denen jeder Eigentümer seinem deren Geländer aus weißem Marmor, hin- Besige entnehmen oder hinzufügen kann, auf in das obere Stockwerk. Ueberall was er will. Die Schränke versinken dann herrscht Licht und Luft, und doch durch in die Tiefe und befinden sich dort in den strömt zur Winterszeit eine angenehme Gewölben der Reichsbank in der denkbar Wärme, von der kunstvollen Wasserheizung größten Sicherheit gegen Feuers- und ausgehend , die sämtlichen ausgedehnten Diebesgefahr . Die sämtlichen Tresors sind Räume. innerhalb eines großen, von breiten KorriZu beiden Seiten dieses prächtigen doren und einer Anzahl von BeamtenwohTreppenveſtibüls liegen noch zwei geräu- nungen umgebenen Würfels gelegen . Die mige Lichthöfe, deren einer dem Comptoir vier Fuß dicken Wände sind nicht massiv, für die Wertpapiere zugewiesen ist , wäh- sondern durch doppelt eingelegte Schienen rend in dem zweiten die nach dem Muster gegen das Durchbrechen noch sicherer gedes Londoner Clearing-house arbeitende macht , und der aus Zement und SandAbrechnungsstelle eingerichtet wurde . Zu stein fest gefügte Boden liegt unter dem bestimmter Stunde am Vormittage kommen tiefsten Stande des Grundwassers. Die hier täglich die Vertreter der größten Ber- Fenster sind mit starken Eisengittern verliner Firmen zusammen und verrechnen sehen und werden außerdem durch feuerihre gegenseitigen Forderungen und Versichere Eisendecken verschlossen. Ein ganzes, pflichtungen. Nachdem zu Haus diese Ab von wissenschaftlicher Autorität konstruiertes rechnungen geprüft und anerkannt sind, Neß von Blizableitein ist bestimmt, den Blig erscheinen die Herren abermals auf ihren strahl abzuhalten, und zuverlässige Männer bestimmten Plägen, erhalten die betreffen versehen tagaus tagein ihr Wächteramt . den Anweisungen und übergeben sie, wenn auf ein Formular zusammengestellt , dem anwesenden Bankbeamten . Dieser vergleicht die Summe der Forderungen mit der Höhe der Zahlungsanweisungen und verabschiedet die Anwesenden , wenn er alles in Ordnung findet. Eher darf niemand das Zimmer verlassen. Auch in anderen großen deutschen Städten sind derartige Abrechnungsstellen nach und nach in das Leben gerufen. Zur Zeit bestehen deren im ganzen neun, und die bei ihnen während des Jahres 1885 abgerechneten Gesamtbeträge bezifferten sich auf mehr als 1212 Milliarden. Im Weiterschreiten nach der Rückseite des Gebäudes fommt man in den hohen und hellen Kassensaal, der über 50 m lang, gegen tausend Menschen fassen kann. In umfturs eines Solsbaufes durch einen dem freien Raum der Mitte befinden sich Tornobo ju St. Cloud (April 1886).
1803-
| Auch in dem Comptoir für den Giroverkehr und für offene Depositen sind zweckmäßige Sicherheitsvorrichtungen getroffen . Vor den Depotschränken senkt sich bei Feuersgefahr ein Schuhvorhang aus Wellblech herab, der zwischen sich und den Schränken noch einen Luftraum läßt , so daß die letzteren nicht glühend werden können , und an den Zahltischen machen weitvorspringende Gitter, sogenannte Bores, ein diebisches Hinübergreifen zur Unmöglichkeit. Zu den Tresors und Zählkassen erhält das Publikum keinen Zutritt. Dort lagert im Schoße der Erde hinter Thüren , die sich nur den zugleich angewendeten drei Schlüsseln deren Beamten öffnen , das Edelmetall in Barren oder gemünzt . Hier wird das eingehende Papiergeld geprüft und meistens die Nachahmung schon durch das Gefühl erkannt ; wird in besonderen Räumen das Nickel, Silber und das Gold auf seinen Gehalt geprüft, gewogen- letteres auf einer selbstthätigen Wage , die ein Manko von 1/1000 g richtig anzeigt, ein Gewicht das kaum zu sehen und nur mit einer Pincette zu erfassen ist; und in Rollen oder Beuteln gezählt , wobei es einzelne Angestellte zu einer außerordent lichen Fertigkeit bringen. Aus den zu ebener Erde gelegenen Räumlichkeiten führt die prächtige Marmortreppe den Besucher hinauf in das erste Stockwerk, von dessen Galerie der Blick sich weiden kann an den großartigen Verhältnissen und der bequemen, behaglichen möchte man sagen, Einteilung des Ganzen. Hier oben liegen , sämtlich gewölbt , außer der Wohnung des Reichsbankpräsidenten , der von seinem Arbeitstische aus mittels einer Tafel, welche auf eingesteckten Knöpfen die Namen der weit über tausend Reichsbankbeamten in allen Bankanstalten mit daneben vermerkten Geheimzeichen enthält, auf sinnreiche Art die Thätigkeit eines jeden einzelnen seiner Untergebenen übersieht und überwacht, die Bibliothek, die Hauptbuchhalterei , wo die Abrechnungen von allen 221 Bankstellen zusammenlaufen, und die beiden Sigungssäle. Der kleinere, für die Versammlungen des Reichsbankdirektoriums bestimmt , ist in Stuckmarmor gehalten, mit Wand- und Deckenmalereien versehen
ぐし
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Adalbert Schroeter.
1804
Zu Byrons 100. Geburtstag. 1805
und macht einen würdigen, aber immerhin Und die Kopien , mehr die lyrischen als einen einfachen Eindruck. Größer und die epischen, sind leidlich gelungen. Durch reicher erscheint der auch zu festlichen Ver- diese Herrschaft, welche Lord Byron über die litterarische Epoche seiner Folgezeit ausübte, sammlungen benußte Sihungssaal des Zen- bliebe ihm ein erster Nang in der Geschichte tralausschusses. Zehn Wandgemälde Meister der Weltlitteratur gesichert, wenn er auch Geselschaps bringen die größten Bankstellen nicht durch seine Meisterschaft in der höchsten des Reiches allegorisch zur Darstellung, Kunst der poetischen Satire unmittelbar neben und vier über lebensgroße Bronzefiguren , Aristophanes und Cervantes träte ; hier aller Krieg und Frieden, Arbeit und Reichtum dings gebricht es an kopisten; und das Ta veranschaulichend , vervollständigen den lentlein verzagt vor dieser vulkanischen Gewalt. Es ist der „ Don Juan ", in welchem Lord künstlerischen Schmuck dieses Raumes . Als herrlichste Zier dient ihm aber das Byrons dichterisches Wesen zu seiner eigenartigsten, machtvollsten Offenbarung gelangt ; an der Längswand befestigte, von Professor jenes Wert , welches selbst Goethe als eine Bülow gemalte Bildnis des Kaisers . Unter Schöpfung grenzenloser Genialität " bezeich dieſem Bildnis nahm der Kaiser Auf- nete. Und in der That , alle Kräfte seiner stellung, als er am 18. Februar 1877 in eminenten dichterischen Begabung kommen in feierlicher Weise die Reichsbank eröffnete, dieser einzigen Dichtung zum klassischen Ausund von hieraus erwiderte er die An- druck. Die Kollektion Spemann bietet nunmehr sprache des Präsidenten , welcher betonte, auch sie , wie die übrigen hervorragendsten Werke Lordbiographische Byrons, in meiner Uebersehung. daß die Bank in dem Geiste , in dem sie Auch eine Skizze des Dichters gegründet , auch weiter verwaltet werden findet sich dort vorausgeschickt ; ohne nähere folle , um einen festen Halt in schlimmen Kenntnis seines Lebensganges ist seine Kunst Zeiten, cin Bollwerk gegen alle unlauteren so wenig zu verstehen wie die Dichtung Goethes und unsoliden Elemente zu bilden. ohne die äußeren Triebfedern, die sein Leben „ Für Ihre herzlichen Worte, " erwiderte bewegten. Eingehendere Biographien, Byrons der Monarch, sage ich Ihnen meinen Dank, haben Eberty und K. Elze geschrieben , und ich nenne nur die indem ich zugleich der zuversichtlichen Hoff unsere besten Essayisten v. Julian Treitschke, Hermann Grimm v . Gott: Schmidt schallund nung Ausdruckt gebe, daß die Verwaltung Namen die,kometen—haben der Bank auch fernerhin den Fußstapfen hafte Erscheinung dieses unvergleichlichen Geihrer würdigen Vorgänger folgen werde. nies in liebevoll eindringenden Charakteristiken Wenn Sie dann vorhin den Gedanken und feinen Analysen nicht nur das deutsche aussprachen , daß wir die Erstarkung der Publikum verstehen gelehrt . Selbst Byronsche Bank im geeinigten deutschen Vaterlande Dramen ziehen heute effektvoll über die Bühnen. den siegreichen Waffen unserer braven deut: König Ludwig II. ließ den „ Manfred", der schen Armee mit zu verdanken haben , so theaterkundige Herzog Georg von Meiningen kann ich dies nur freudig anerkennen ; doch "Marino Faliero" inszenieren. So lebt der kann ich dies nur freudig anerkennen ; doch größte Dichter der Romantik wie ein Gegendürfen wir dabei nicht vergessen, was uns wärtiger in dem Deutschland der Bismarckschen geleitet hat , und das müssen wir immer era, wie er in der Gestalt des Goetheschen vor Augen haben . “ Euphorion verewigt wurde in der deutschen Poesie. So feiert Deutſchland seinen hundert: jährigen Geburtstag wie denjenigen eines ihrer Söhne , denn der Einfluß seines Geistes beBu Byrons 100. Geburtstag. herrschte eine Stufenreihe in unserer litterarischen Entwickelung . Ob England mit uns Von in gleicher Wärme das Fest begehen wird, das steht dahin ; denn der britischen Orthodoxie Adalbert Schroeter. und Faſhion lebt im „ Don Juan" ein Richter fort, dessen Unerbittlichkeit die heuchlerische er 22. Januar 1888 ist Lord Byrons hun- Moral des Highlife in ihrer ganzen Nackt: D dertjähriger Geburtstag. Sechs Dezennien heit dem Spott der Welt preisgibt. Wohl sind bereits vergangen, seit sich in Missolunghi aber werden in Griechenland die Herzen beſeine Augen schlossen, und die europäische wegter schlagen, wenn es den hundertjährigen Litteratur ſteht zum Teil noch immer unter Geburtstag des Helden zu feiern gilt , der ſeinem Einfluß. Die versifizierte Novelle hat mit seinem weltberühmten Namen sich an die um keine Linie ſich über die Grenze erweitert, Spihe der hellenischen Erhebung stellte und innerhalb deren ihr Lord Byron bei aller sein erlauchtes Leben in der Blüte seiner Jahre Souveränität in der kompositionellen Behand der Freiheit eines fremden Volkes zum Opfer lung das klaſſiſche Gepräge aufdrückte, und die | brachte. Vor mir liegt die Trauerrede, welche gesamte Weltanschauung der Byronschen Poesie Spiridion Tricoupi an des Dichters Leiche hielt. empfing erst in unseren Tagen ihre syste „ Ja, " heißt es dort, „ in der geweihten Stunde matische philosophische Gestaltung. Unsere Lyrik unserer Freiheit wird der Erzbischof seine hat sich erst mit dem frohmütigen Scheffel und heilige Rechte ausstrecken und den Segen aus: dem klaſſizierenden Geibel aus den düsteren sprechen über sein ruhmreiches Grab. Der junge Schatten der Byronschen Melancholie befreit ; Krieger, welcher die vom Blute seiner Tyrannen Heine und Lenau ſind völlig undenkbar ohne gerötete Klinge in die Scheide steckt, wird es das englische Modell , und selbst Freiligrath mit Lorbeer umkränzen ; der Staatsmann wird verdankt ihm nahezu ſein Beſtes . Keineswegs es durch seine Reden weihen, und der Dichter, aber war es die deutsche Poesie allein, deren auf dem Marmorsteine sigend , doppelte Bebeste Talente an dem unerschöpflichen Zauber: geisterung empfinden. DieJungfrauenGriechen : bronnen des Byronschen Genies bis zur Scheffel- lands, deren Schönheit der erlauchte Tote in schen Epoche und über sie hinaus (man vergl. so vielen seiner Gedichte gefeiert hat, werden z. B. des Prinzen Carolath - Schönaich „ Lie- dann ohne Furcht vor den räuberischen Händen der an eine Verlorene" ) sich zusammenfanden : unserer Unterdrücker ihre Locken mit Blumen die Lyrik Rußlands , Ungarns , Frankreichs , bekränzen und, den Reigen um das Grabmal Italiens folgt genau demselben helldunkeln tanzend, die Schönheit des Vaterlandes besingen, welche der heimgegangene Dichter so wunderStern.
Sprüche.
1806 voll besungen hat." So wird des Lords Gedächtnis auch in Griechenland zu neuem Leben sich verjüngen und man bei der Feier seines hundertjährigen Geburtstages in dem Dichter auch den Helden und Befreier ehren. Denn Lord Byron gehört zu den wenigen Auserwählten , um deren Namen eine doppelte Aureole ihren Glanz ergießt : diejenige hochfliegender, weltbewegender Sangeskunst und sieggewissen Heldentums .
Sprüche. Don
Edlita. i I. Ist auch das Leben nicht, So ist die Welt doch schön, mußt drum mit off'nem Aug' Zu deinem Grabe gehn.
II . Kannst stemmen du dich dem Sturm entgegen, Kannst jauchzen du im strömenden Regen und fingen ein Lied im Sonnenbrand Dann wandere keck durch alle Land' ! III. Ungesehn die schönste Blume verblüht, ungehört verklingt das füßeste Lied, Unverstanden auch ein herz verglüht Sür den, der nicht fühlt, nicht hört noch sieht. IV. Grün sind die Blätter von Baum und Strauch, und grün ist die Farbe der Hoffnung aud) : Doch Blätter welken und fallen ab Drum wohl der Hoffnung die Farbe man gabs V. Wer nie geliebt , der hat nur halb gelebt, Drum weint nicht , wenn man ihn begråbt. VI. Leere Tasche in manchen Lagen Ist schwerer zu tragen Als leerer Magen . VII. Das Leben ernst und heiter die Kunsts Salsch dùnkt mich der Spruch mit eurer Vergunst ! Stets heiter sei und froh unser.Leben, Doch Ernst durchdring' unser künstlerisch Streben. VIII. Vergänglichkeit, sie ist Lin böses altes Weib : Es hängt das graue Gewand Ihr schlotternd am dürren Leib, Doch rüstig schreitet sie Und rasch dahin auf Erden, Hohnlächelnd allem Sein Und hoffnungsfrohem Werden . IX. wer hoffnungslose Lieb' im Herzen trägt, Sür den erst dann des Glückes Stunde ſchlägt, wenn er sich hin zum Sterben legt. 1 X. Wie ich's mit meinen Sprüchen beginn'ş Sürwahr, zu sagen weiß ich's kaum ! Urplötzlich sind sie mir im Sinn, Wie reife Srucht auch fällt vom Baum1 .
A. von der Elbe.
1807
1808:
Ein Sohn . 1809
Waldemar fuhr nach dem Telegraphenamt, das er eben noch vor Schluß erreichte. Nach Abgang der Depeschen bestellte er wegen Krankhein der Braut das Hochzeits1 Ein Sohn . diner ab. Auch ordnete er an, daß die für morgen nach dem Sternberge Geladenen Von aus dem angeführten Grunde eine Absage erhielten. Alle diese notwendigen ErleA. von der Elbe. digungen wurden seinem Zartgefühle unsäglich schwer. (Schluß.) Bald nach neun Uhr langte Waldemar wieder daheim an. Er fand feinen Vater in großer Unruhe , Veronika hatte ihre Ein Blick auf die Unterschrift ließ den geld geben ! " Es war doch etwas, wenn Zimmerthür abgeschlossen und auf mehrjungen Offizier erblassen . Seine Rechte, die Schmehlingsche Hauptforderung ihm faches Klopfen und Rufen nicht geantin der er das Blatt hielt, zitterte, er sah vom Halse geschafft wurde. Warum sollte wortet. Es war allerdings möglich , daß 1 sich an einem Abgrunde. Mit krampf- er sich zieren , die ganze Sache war einmal sie sich in die dahinter licgende Schlafſtube haftem Bemühen sich zusammenraffend, las faul und verfahren. Sternbergs würden zurückgezogen und nichts gehört hatte. Alles er die Zeilen durch. "/ Die Verschreibung über dies Anhängsel der Trennung nicht Laute, Gewaltsame war dem Kammerherrn der Möbel ist unwahr ! " rief er heiser, reden, das wußte er sicher. Er schlug mit zuwider, jedenfalls hatte er erst die Rückund dann, sich beherrschend und ins Rechts- etwas wie Mut und Fassung die Augen kehr des Sohnes abwarten wollen , bevor gefühl hineinredend , erzählte er den Her zu dem traurig vor ihm Stehenden empor. er weiter vorging. Nachdem der Vater gang bei Schmehlings Besuch und wie die Haben Sie Ihren Entschluß gefaßt, diesen Sachverhalt furz geschildert , fragte Behauptung, er habe ihm die Sachen als Arthur? " fragte Waldemar mild ; er schämte er beklommen : Und was hast du ausPfand geboten, eine rachsüchtige Lüge des sich fast, als Versucher den Schwachen zu gerichtet ? Nahm er an ?" von ihm Bedrohten sei. Waldemar nickte bedrückt. „ Es ist alles bedrängen, welchem er doch die Hilfe gern „Es freut mich, daß dieser eine Punkt zuwenden wollte. Auch hatte er die große geordnet, ich depeschierte nach Berlin und etwas günstiger liegt, " sagte Waldemar Aehnlichkeit des Bruders mit Silvia nie sagte die Festlichkeit ab. " mit dem vorigen Ernst. "/ Sie werden in deutlicher erkannt, als während die Not des Der alte Herr ließ sich mit einem des begreifen, Herr von Müller, daß mein Augenblicks den Ausdruck des Uebermuts Scufzer - war's Erleichterung, war's BeVater, dem Sie die Versicherung gegeben, und Leichtsinns in des jungen Offiziers schämung in seinen Stuhl fallen . E3 Sie seien ohne Schulden, tief verlegt ist. Antlig verschleierte. wird nicht nötig sein , " sprach er müde, Er will , wie der Agent fordert , diesen Arthur erhob sich . [/ Sie sind immer unserem armen Kinde auch noch diese Wechsel telegraphisch anweisen , wünscht freundschaftlich gütig gegen mich gewesen, schmähliche Angelegenheit auf die Seele aber alsdann eine gütliche Uebereinkunft Waldemar, bitte, entziehen Sie mir wegen zu laden , sie wird nach dem abscheulichen dieses bedauernswerten Bruches meiner Vorgange am Wasser selbst Trennung zur Lösung der Verlobung. " So nahe sich Arthur auch in den letzten Verlobung nicht Ihr Wohlwollen. Ich wollen. " Stunden dieser Entscheidung gefühlt hatte, nehme den Vorschlag Jhres Herrn Vaters In diesem Augenblicke öffnete sich die traf ihn doch der harte Ausspruch wie ein an. Fern sei es von mir , einen Play Thür und Veronika trat langsam ein ; ihre Schlag. Und nun gar auf Wunsch des behaupten zu wollen , auf dem man mich Augen waren gerötet und geschwollen , das alten Herrn, der in seinem Kreise so hoch nicht mehr gern sieht. Auch muß ich offen ohnehin blaffe Gesicht farblos, aber ruhig. stand. Es war furchtbar ! „ Nicht gut gestehen , daß Fräulein von Sternbergs Ich komme mit einer Bitte , lieber genug befunden! " grollte es in ihm. Er Benehmen diesen Nachmittag mich tief ver- Vater," ſagte ſie leiſe. Meine arme Tochter ! " der Vater spürte ein Schwächegefühl in den Knieen leht hat. " Bei diesen Worten streifte er und setzte sich, ohne zu wissen , was er mit der Miene eines Gefränkten den Ring sprang auf, umfing die Schwankende und that , auf den Rand seines Bettes , neben vom Finger, welchen Veronika ihm gegeben. führte sie zum Sofa. dem er eben stand. Gedanken, kaum schon „ Und so darf ich die Angelegenheit in „ Ihr wißt , was vorgefallen , " sprach die bestimmte Form der Ueberlegung an- Berlin ordnen ? " fragte Waldemar gepreßt, sie mit einem unsäglich traurigen Blick auf nehmend , wirbelten ihm durch das Hirn. indem er den Ring zu sich steckte. beide. // Ich bin so beschämt, all dies UnIn diesem schweren Augenblicke, in dem Arthur errötete und wich dem Blick des angenehme , dies Aufsehenerregende über ſeine Eitelkeit tief gedemütigt am Boden Fragenden aus : „ Es ist vielleicht der kür euch bringen zu müssen . Aber mit einem lag, sank seine Selbstbeschönigung in nichts zeste Weg, peinliche Weiterungen auch für herzlosen Manne, den die Todesnot seines Nächsten kalt läßt, kann ich nicht leben. — zusammen. Er sah klar und begann zu Sie rasch zu beseitigen. “ berechnen . Er wußte, Veronika werde ihn Sternberg verneigte sich und wandte O, ich habe ihn so sehr geliebt ! - Wie doch verwerfen, wenn er auch Sternbergs sich der Thür zu. Er brachte in diesem war's möglich, daß ich mich völlig in ihm Gebot weit von sich wies. So verwundet Augenblicke kein Wort über die Lippen . täuschte ?" Sic sank wie zerbrochen zu"/Waldemar , " rief Arthur und streckte sammen. er sich von jener Szene am Ufer fühltc, sie war's noch mehr. Ihre Grundver dem Scheidenden mit theatralischem AnSeine Außenseite ist ja auch liebensschiedenheit war zu Tage getreten. Eine stande die Hand hin , lassen Sie uns wert , mein Kind," erwiderte der Vater herzliche Gemeinschaft, wenn es eine solche nicht unfreundlich auseinander gehen ! " beschwichtigend. Mehr oder weniger sind überhaupt je gegeben , war nicht mehr Der Abgewandte folgte dem Ruf, er wir alle davon getäuscht worden. So unmöglich. Der Bruch hatte Zeugen gehabt ; mußte an Silvia denken, um es zu können ; erfreulich für uns dieser Bruch in letter schon dieser Leute wegen konnten beide kühl legte er die Spigen seiner Finger in Stunde sein mag, so danke ich doch Gott, Teile kaum an eine Versöhnung denken. die ausgestreckte Rechte , von der er seine daß die rechte Erkenntnis noch zeitig genug Unter jenem zu Tage liegenden Grunde Hand krampfhaft umschlossen fühlte. Noch eintritt. Verknüpfte euch schon das heilige wurde der seiner Wechselschuld verdeckt. eins ," sagte er geschäftsmäßig , lassen | Band der Ehe, läge die ganze Angelegenheit Lehnte er ab, war er wieder lediglich auf Sie uns angeben , daß meine Schwester viel schwieriger. " Du hast recht ; o wie gut du biſt ! daß wir aus diesem Grunde die Mittel der Mutter angewiesen, die er erkrankt ist Und auch du willst mir nicht böse sein, die Hochzeit zu verschieben denken. “ seiner selbst wegen schonen mußte. "/ Hoffentlich wird sich das gnädige Waldemar ? " bat sie, dem Bruder die Hand " Den Teufel auch, " bliste es durch feinen Kopf, der reiche Mann kann mir Fräulein bald erholen, " erwiderte Arthur, hinstreckend. für alle diese Scherereien ein Schmerzens- die Stirn - neigend. Er setzte sich neben sie und küßte sie #
A. von der Elbe.
1810
Ein Sohn .
1811
innig. „ Sei ganz ruhig , wir begreifen | Bedrängnisse würde seine Frau wohl aus dich und sind einverstanden. Sorge dich um derselben Quelle beseitigt haben. Und nichts , wir wollen alles auf uns nehmen wenn er dann einmal schuldenfrei war, und dir jeden peinlichen Auftritt aus dem hätte man sich schon eingerichtet. Wege räumen. " Das galt nun alles nicht mehr ; was Am anderen Morgen erst brachte Wal- gab es dafür an die Stelle zu schieben ? demar seiner Schwester den Ring ; er fand Daß er seine Mutter nicht zu sehr plünsie fiebernd , bat sie, sich wieder niederzu- dern dürfe, war ihm längst klar geworden. legen, und ließ den Arzt holen. Der Aus- Woher sollte sie seine notwendigen Zuspruch des alten Schulz bestätigte, daß die schüsse nehmen, wenn er das Kapital verBraut frank und ein Aufschub der Hochzeit zehrte ? "/ Man schlachtet nicht die Henne, erwünscht sei. Die Aufregung , vielleicht deren Eier man braucht ," sagte er sich. auch die Näſſe am Flußufer hatten Vero- | Und endlich, wenn einmal alles schief ging, nika ein Unwohlsein zugezogen, das unter mußte doch noch etwas da sein , worauf den obwaltenden Umständen allen Teilen er greifen konnte. Hätte sie den Stand nicht ganz unerwünscht fam. der Dinge besser durchschaut, ihm härteren Arthur vermochte es, nachdem Walde- Widerstand entgegengesett , würde er sich mar ihn verlassen, nicht über sich, zu den vielleicht ein Vergnügen daraus gemacht Damen zu gehen. Er saß und dachte nach, haben, sie zu besiegen ; so aber kam es ihm sprang auf, schritt zwecklos hin und her vor , als greife er in eine offene Börse, und setzte sich wieder. Vielleicht hatte er die feinen eigenen Reservefonds enthielt. noch nie seine Lage so ernstlich ins Auge Augenblicklich allerdings konnte er sie nicht gefaßt wie eben jezt. ganz verschonen, ohne Extrazuschuß durfte Daß er sich von Veronika ohne großen er den Manichäern in Berlin nicht ent Schmerz losjage , fühlte er mit aller Be- gegentreten . Als er eben in seiner Ueberlegung so stimmtheit. Er war sehr gereizt durch ihr Verhalten am Nachmittage und meinte, weit gediehen war , störte ihn ein leises sie hätte ihm schon viele gute Worte geben Anpochen. Gleich darauf schaute das müssen , um ihn zu versöhnen. Er ließ lächelnde Gesicht seiner Mutter herein. nicht über sich verfügen, ließ sich nicht wie „ Nun, mein Sohn, alles applaniert ?” ein Junge über Thun und Lassen zurecht fragte sie und sehte sich zu ihm . sehen ! Derartiges durfte sie keinem Manne // Im Gegenteil," sagte er verdrießlich, bieten. Er fühlte sich im vollen Recht, alles aus . " ihr den Rücken gewandt zu haben. Unmöglich ! " fie sank im Stuhl zurück Und was die andere Angelegenheit und erblaßte. "/ Bitte, scherze nicht, Arthur, betrafpah , davon wußte niemand in solcher Sache. " Ich weiß nicht , wie ich mich ernst davon brauchte niemand etwas zu erfahren ! Recht erleichternd war es doch, von diesem hafter und bestimmter ausdrücken soll. Blutsauger, diesem Schmehling, befreit zu Sich her, mein Ring ist fort, Waldemar fein. Von Waldemar war er ja auch ganz nahm ihn mit. " freundschaftlich geschieden, der Biedere erEin lauter Schrei Entsetzlich !" fannte ihm offenbar das Recht der Ent- war's der stets Gefaßten , welche zugleich die Hände vors Gesicht schlug. schädigung zu. Daß er nicht zu heiraten brauchte, war "Ja , diese Sternbergs sind Pedanten, ihm eigentlich erleichternd. Die Kameraden Haarspalter , die jede Kleinigkeit auf die würden staunen, ihn necken ; vielleicht half | Spike treiben. Ich bin mir's ſelbſt ſchuldig, er sich da am besten, wenn er den Senti nicht um gut Wetter zu bitten, mich ihnen mentalen spielte ; und seinen Vorgesetzten nicht aufzudrängen. Mag's aus sein ! gegenüber die beste Form zu finden, würden Mag das verzogene Dämchen versuchen, ihm Sternbergs schon helfen . Es war einen fügsameren Galan zu finden. Ich doch nicht das erste Mal , daß eine Ver- war diesen Bruch meiner Manneswürde lobung zurückging , ohne die Ehre des schuldig. einen oder anderen Teils in Frage zu Hättest du nicht etwas gütiger und ſtellen. Man hatte sich eben gezankt, das versöhnlicher sein können, mein Liebling ? " war alles . Auch noch Vorwürfe von dir?" Wenn er an die stilvolle Einrichtung "O nein, nein ! Ich bin ja fest überdachte , die er nun nicht länger benußen zeugt, daß man dich beleidigt daß du würde , beschlich ihn ein Bedauern , indes berechtigt bist zu allem. Aber der Eklat Veronika Sternberg war ja nicht das ein- die neuen Sorgen ! " sie begann zu weinen . zige reiche Mädchen. Er hatte es gleich „ Natürlich , die Folgen sind schwergesagt, daß sich in Berlin vermutlich reichere wiegend. Die Unkosten, die Wohnung am finden ließen. Schönberger Ufer ..." Er wußte, daß Wie aber mit seinen anderen Gläu- Sternbergs alles auf sich nehmen wür bigern fertig werden ? Ohne sich's recht den. Ich muß leider Opfer bringen, klar zu machen, auf welche Art er sich eine weitere Anleihe bei dir ist nicht zu rangieren wolle, hatte er auf die Hochzeit vermeiden. " als den Endpunkt seiner Verlegenheiten Sie überlegten die neugeschaffene peingesehen. Da war doch wohl die Hoffnung liche Lage noch lange Zeit hin und her. auf des Schwiegervaters Börje im Spiel Arthur wollte Bleiden unter jeder Begewesen. Daß man für die Hochzeitsreise dingung morgen verlassen. Ihm war's tausend Thaler zur Verfügung stellte, hatte zuwider, als Zielpunkt des Klatsches da Waldemar ihm mitgeteilt. Weitere kleine zustehen ; in Berlin ging ihn alles hiesige
1812 Geschwäß nichts mehr an . Neue dreitausend Mark waren ihm von der Mutter | zugestanden und aus dem Blechkasten im oberen Sekretär eingehändigt. Dann holte die allezeit Sorgliche ihm Thee und Zubehör herüber , da er es ablehnte , heute | abend die Schwestern noch zu sehen . Als Mutter und Sohn nun so , anscheinend ganz behaglich, an einem kleinen runden Tisch beim Thee saßen, begann er, ein neuer Gedanke, wie er sich endlich schuldenfrei machen könne, dränge sich ihm auf. „ Du hast mir gesagt, daß Brammer ernstlich um unsere Kleine wirbt ; er hat recht , sie ist reizend geworden und cin Weibchen, das der reiche Mann bei seiner ganz fertigen Einrichtung ohne Mitgift nehmen kann. Mache deine Einwilligung von seinem Verzicht auf die großmütterlichen 6000 Mark abhängig. Sage Brammer offen, ich sei durch die zurückgegangene Heirat in Verlegenheiten geraten. Deine Lage verbiete dir , Kapital anzugreifen doch das weißt du alles viel geschickter einzufädeln , als ich's vorschlagen kann. Lisbeth ist ein gutes Lämmchen, das seinem einzigen Bruder gern helfen wird . Ich hoffe wirklich von diesem Einfall den besten Erfolg ! " Der allezeit empfängliche und jedem Hilfsmittel zugeneigte Sinn Wilhelminens ergriff des Sohnes Vorschlag mit Eifer. Im nächsten Monat war ja die arme Ernestine ein halbes Jahr tot, dann konnte sie eine neue Anfrage des reichen Bewerbers um ihre Jüngste erwarten. Brammer wußte nichts von ihren außerordentlichen Zuschüssen an den Sohn , er würde es ganz begreiflich finden, daß Arthur zu der bevorstehenden Vermählung Vorbereitungen getroffen und dadurch Unkosten gehabt habe. Der reiche Mann hatte seine großmütigen Anwandlungen, sie zweifelte nicht, daß sie ihn so stimmen könne, wie sie ihn zu haben wünschte. Nachdem Mutter und Sohn diesen neuen Lichtpunkt von allen Seiten ins Auge gefaßt und sich beiderseits aneinander aufgerichtet hatten , schieden sie ziem lich getröstet. Die Beleidigung, welche Veronika ihrem Liebling zugefügt, nahm Frau Wilhelmine derart gegen die gewesene Braut ein, daß ihr die Entlobung fast wie ein Gewinn erschien. So ging sie, von sittlicher Entrüstung erfüllt und etwas von „ treulofem Wesen" vor sich hinmurmelnd , zu ihren Töchtern hinüber. Die Mädchen hatten sich nun, als sie allein waren , dahin verständigt , eine Lösung von Arthurs Verhältnis für sehr wahrscheinlich zu erklären. Sie bedauerten Veronika herzlich und wagten gegen Arthurs Betragen manchen Ladel. Herr von Sternberg brachte die Nachricht von der Erkrankung seiner Schwester," fagte die Mutter, in das Eßzimmer zurückkehrend. Sie hat sich ja schon diesen Nachmittag fieberhaft exaltiert benommen . Danken wir Gott, daß Arthurs Besonnenheit ihn nicht verlassen. Des geliebten Sohnes Leben sollte preisgegeben werden ;
1813-
Kine
welch ein Himmelssegen , daß er mir erhalten blieb ! " Antonie blickte bei dieser Auffassung der Mutter vor sich hin, Lisbeth sperrte Augen und Mäulchen auf, Silvia aber rief eifrig : „ Und Waldemar hat doch ge= konnt, was Arthur weigerte!" Wie ein Blik fuhr es aus der Mutter sanften Augen auf die Vorwitzige : „ Euer teurer, tief gekränkter Bruder wird morgen mit dem Frühzuge abreisen ; ich denke, ihr folgt ihm gegen Mittag. Es wird jegt am besten sein, daß wir uns zur Ruhe begeben. " ! Wand an Wand mit dem Schlafzimmer der Mutter wagten die Schwestern sich beim Auskleiden nicht laut zu unterhalten. Der Bescheid , daß sie morgen Mittag wieder nach Berlin zurückkehren sollten, hatte sie schwer getroffen. Alle Festlich feiten , auf die sie sich so sehr gefreut, derentwillen Antonie Opfer gebracht, fanden nun nicht statt. Die Verwandtschaft mit der geliebten Veronika war aus, der Verkehr mit Sternbergs gewiß ein für allemal abgeschnitten . Dies alles ging den beiden sehr zu Herzen , aber sie schwiegen , denn für das Aergste, die Auffassung der Mutter und ihr hartes Hinausweisen der Töchter, hatten die Mädchen noch keine Worte gefunden. Als sie nun in den nebeneinander stehenden Betten lagen, hörte Antonie die Schwester leise weinen. Es war stürmisch geworden, der Tauwind fuhr ums Haus , durch das hellge streifte Rouleau des einzigen Fensters warf der volle Mond , je nachdem die Wolken vor demselben hingejagt wurden , weiß liches Licht oder schattige Gebilde. Antonie richtete sich etwas empor und tastete nach Silvias Hand , sie sah den blonden Kopf mit den langen Haarflechten im Kissen vergraben ; dachte die Schluchzende ſo jeden Ton zu ersticken ? "} Sprich zu mir, mein Herzchen, " flü= ſterte die Aeltere. „ Ach, gutes Tonchen, wie ist dies alles schrecklich, " zitterte es von den Lippen der Betrübten. Wie kann Mama so sein ? Uns fortzuschicken. Ich glaube, wir sind ihr gleichgültig. Du hast doch auch lange gewußt, daß Arthur ihr Liebling ist. " Aber sein greuliches Benehmen zu rechtfertigen ! " Sie hat von jeher alles gut und schön gefunden , was er that ; und es reizte sie unsäglich , daß du den Bruder tadeltest. " Soll ich Waldemar nicht anerkennen ? " rief die Kleine fast laut und fuhr in die Höhe. „ Still , still ; Mamas Licht schimmert noch durchs Schlüsselloch. Wenn Arthur ihr Sorgen macht , kann sie halbe Nächte lang nicht schlafen, dann liest sie und hört jeden Ton. Sie hat Lisbeth hinauf quartiert, um ungestört zu sein. " " Ich sehe immer , wie Waldemar bereitwillig war , wie er ernst und tüchtig zugriff. Sage mir, Toni, findest du ihn nicht auch herrlich ?"
A. von der Elbe. 1814
Ein Sohn . 1815
„Ja, Silvia, das ist er ! " pflichtete die hervorhob, und es war eine Lust, zu sehen, Aeltere mit warmem Händedruck bei . Ich wie munter und behende sie hier und da= dachte früher, mein Schmetterling, er liebe hin flog, sich bückte, und mit welch sanftem dich, " setzte sie noch leiser hinzu, er werde Lächeln sie dann , ihre Veilchen in der Hand, herangelaufen kam. um dich werben." n Steck mir ' mal so en blauen Hocher hat's ja getha ! ach „Ach Aber ich war so kindisch, so dumm und zeitsstrauß ins Knopfloch , seute Popp, " ſagte Brammer und zog das Mädchen zu wollte durchaus nach Berlin. “ du, sich heran , während seine kleinen , verEr hat's gethan ! Und du schwommenen Augen verliebt funkelten. Silvia ?" Lisbeth warf ihrer Mutter einen hilfe"Ich sagte, ich wolle nichts als tanzen, er folle mir helfen , daß ich fortkomme. suchenden Blick zu , that aber , als diese Ich wußte, Mama ließ mich nicht , wenn ermunternd nickte, des alten Herrn Willen ; sie noch hoffen konnte , daß er um mich dieser umfaßte dabei die Schlanke und küßte sie. Tief errötend und mit einer Miene werben würde. " Und er ?" des Schreckens wand das Mädchen sich Er hat dann auf mein Bitten und los und lief davon. Wir müßten nun bald Ernst mit der Betteln zugestimmt, als Mama von Berlin sprach. Jeht fühle ich, wie furchtbar gut Geschichte machen, Frau Gevatterin , " sagte Brammer vergnügt. „Ne hübsche Frau das war. Kind, Kind, was gehört ' mal in die Villa , und ich wüßte Eine Pause folgte. hast du dir angerichtet ! " seufzte Antonie. weit und breit keine nettere als die „Na, wenn ich eine berühmte Tänzerin Deeren da. " „Das Herz ist mir noch wund von den werde, ist's auch gut. " Sie schüttelte trogig Es das Köpfchen , warf ihren schweren Zopf Erlebnissen meines armen Sohnes. zurück und legte sich nieder. Es währte sind mit hartem Griff vicle feine, unsicht= nicht lange, so hörte Antonie, die sinnend bare Fäden entzweigerissen . Seine Bewach blieb , die gleichmäßigen Atemzüge drängnisse, seine Sorgen sind die meinen . der schlafenden Schwester. Auch den Bru- Solange Arthur schwer kämpft, kann, darf der hörte sie nebenan schnarchen ; das Licht ich meine Scele keinem Sonnenschein neuen der Mutter schimmerte jedoch immer noch, Mutterglückes erschließen. “ „Ich werde Ihnen doch nicht so mitals auch ihr die Augen zufielen . Die Hochzeitsgäste waren unverrichteter | spielen ivie die hochmütigen Sternbergs ! " Sache abgereist. Frau Wilhelmine befand Da sci Gott vor , daß ich solches sich mit ihrer Jüngsten und dem Dienst glauben könnte, Sie treuer Freund ! " rief mädchen wieder allein in dem kleinen Wilhelmine nachdrucksvoll. Um des Elternhause. Ihre Hauptsorge war jcht, Himinels willen kein Mißverständnis ! für Arthur gegen Sternbergs Stimmung Meiner natürlichen Offenheit genügen ohnezu gewinnen . Die Erschütterten hielten hin keine Andeutungen , ich wollte schon fich gänzlich zurück, wurden kaum in Blei- längst Ihren Rat erbitten. Arthur- der den gesehen, so machte die geschickte Frau arme Großmütige ist, wie Sie denken es wirklich möglich , in verschiedenen ver- können , durch die mancherlei Anforderungen trauten Plauderſtündchen eine Partei für seines Verhältnisses , eine teure Familienihren trefflichen , arg mißhandelten Sohn wohnung, die er genommen und anderes, zu bilden. in Bedrängnisse geraten, welche — " Hab's immer gedacht , daß sich der Charlotte wurde mit bestimmter Zurückweisung zum Schweigen gebracht und Forsche Bengel 'mal in Schulden stürzte! " ihr das Versprechen abgenommen , nicht Bitte , keine Härte gegen den Gegegen den eigenen Neffen zu zeugen. beugten, an seinem schweren Geschick UnAnfänglich war das Ereignis der geschuldigen ! Lange schon kämpfte ich mit lösten Verlobung und der Streit des mir, wie ihm beistehen ? Als gewissenhafte Brautpaares am Elbufer der interessanteste Vormünderin wagte ich Ihnen bisher nicht Gesprächsgegenstand der ganzen Umgegend mit der Bitte zu nahen, von meines seligewesen , nach und nach hatte man den gen Mannes Vermögen nehmen zu dürfen ; Stoff verbraucht und mochte nichts mehr da wir nun aber so darauf kommen -" davon hören. Dank der gewandten Mutter Das ist ja ' ne verfluchte Geschichte stand aber in vielen Familien die Ansicht eigentlich darf ich's absolut nicht zugeben, fest , daß Veronika von Sternberg sich daß Sie Kapital angreifen , beste Frau herausfordernd und verlegend gegen ihren Hauptmann. " „ Ja aber was dann ? Soll ich den Verlobten benommen , und daß er recht gethan , sich dergleichen nicht gefallen zu Unglücklichen in Wucherers Hände fallen Lassen ?" Laſſen. „ Ne, ne ; wie viel is es denn ? “ Als man sechs Wochen älter geworden Könnte meiner Lisbeth Freier auf das war und schöne Frühlingstage kamen, sah man Frau von Müller mit Lisbeth manch- Aussteuerkapital des Mädchens verzichten, mal in Brammers Garten Veilchen suchen. wäre Arthur geholfen - " Das lehtere Schmunzelnd ging der dicke Herr mit den wurde mehr geflüstert als gesprochen. Damen in seinen Anlagen spazieren. LisAha , dachte der reiche Mann , dahinbeth hatte einen hellen Strohhut mit blauem | aus soll's ! Na meinetwegen , das Ding Aufpug bekommen, der ihr vortrefflich stand ; ist auch ohne Geld was wert. Laut äußerte fie trug dabei ein knappes Jäckchen , das er dann : „ Also die 6000 Mark wollen Sie ihre schlank aufgeschossene Gestalt hübsch mir abzwäcken ?"
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sich die Erlaubnis , nach dem Heiſterbusch Das Besuchzimmer wurde aufgeschlof= hinausgehen zu dürfen ; die Mutter willigte sen und Charlotte trat hinein. Eine Weile lächelnd ein, sie war sich ihrer vollen Ueber sah sie vorn am Fenster nach den Heimlegenheit , auch der Schwester gegenüber, kehrenden aus, dann wurde ihr's unbehagbewußt. lich in Hut und Tuch, sie schlug die PorLisbeth fand Charlotte, als sie gegen tieren zurück, welche die offene Thür des durch seinen Sinn ; mag's also sein ! Ich Mittag bei ihr anlangte, in einer großen Eßzimmers deckte , trat hier ein , legte ab habe nichts dagegen, daß Liese, wenn sie Frühjahrswäsche. Zwischen den eben grü- und setzte sich in den alten , bequemen meine Frau wird, ihrem Bruder das Geld nenden Bäumen vor dem Hause flatterten Lehnstuhl am Ofen. Sie war den ganzen schenkt. Machen Sie die Geschichte mit auf Leinen schneeweiße Tücher, Charlotte Tag meist in der Luft eifrig beschäftigt dem lütjen Tierchen man fertig ; es ist war dabei beschäftigt, sie kam indes ihrer gewesen, hatte erregten Gemüts den Gang noch so höllisch zipp und ſtur gegen mich. " Nichte mit freundlicher Bereitwilligkeit ent- über den Deich hierher gemacht, jezt stellte Frau Wilhelmine drückte ihrem Ge- gegen und erschrak sehr, als sie in das be- | sich Erschlaffung ein, die Augen fielen ihr fährten die Hand, nannte ihn ein edel und trübte, verweinte Gesichtchen blickte. Sic zu , und sie überließ sich einem sanften groß empfindendes Herz und versprach, legte den Arm um die feine Gestalt des Schlummer. ihm bald die Braut zuzuführen . Mädchens und führte die Zitternde in ihr Stimmen in ihrer Nähe weckten sie, Ich war länger als acht Tage es war Dämmerung im Zimmer , durch Nun ging für die schüchterne Lisbeth Zimmer. eine schwere, bange Zeit an. Sie fürchtete nicht bei euch, ist seitdem ein Unglück ge- die Spalte zwischen dem geschlossenen Thürvorhang schimmerte Lichtschein aus der sich im Grunde vor niemand so sehr schehen ?" fragte sie erschrocken. ivic vor ihrer eigenen Mutter. Ihr schlichLisbeth nickte und erzählte, als habe sie Vorderstube , in welcher laut und lebhaft tes , reines Empfinden wurde von Frau alles auswendig gelernt, mit raschen, lei- gesprochen wurde. Sie meinte, noch halb schläfrig , ihren Namen zu hören , wollte Wilhelminens künstlichen Beweisgründen sen Worten den Sachverhalt . derart über den Haufen geworfen, daß ſie Du hast recht, Lieschen , " erwiderte nicht lauschen , griff zur Seite nach Hut nicht mehr aus und ein wußte. Antonie Charlotte empört , "/ das kann wenigstens und Tuch , erhob sich leise und legte die hatte stets aus Klugheit , mit innerlichem ein Unglück geben. Ich begreife deine Hand auf den Drücker der Flurthür. DieAchselzucken geschwiegen, Silvia sich lustig Mutter nicht ; wie mag sie eine solch uns selbe war von außen verschlossen . Sie aufgelehnt, Lisbeths bescheiden fromme Seele passende Partie befürworten. " mochte keinen Lärm machen und stand, lag hilflos am Boden . Sowie die Mut„ Mama sagt, sie wolle nur mein Glück, " ihre Mißempfindung bekämpfend , einen Augenblick still. Die Schwester hatte ja ter von ihren Sorgen und den Pflichten verteidigte das Kind. eines braven , guten Kindes gegen seine " Ich werde heute noch mit Wilhelmine im Grunde keine Geheimnisse vor ihr, sie Gegen Abend komme ich zu fürchtete auch kaum zu stören, sie wollte Eltern sprach, knickte alle Gegenwehr in sprechen . Lisbeth zusammen . Gehorsam war stets euch , sage aber nichts davon , möglicher sich nur ein wenig besinnen und dann ruhig ihr Lebenselement gewesen, man hatte sie weise gibt es eine Verhinderung , und ich zu Wilhelmine eintreten. Charlotte erkannte jest , daß es Herselbst als kleines Mädchen nie unartig ge- mag mich nicht vergeblich erwarten lassen. fehen. Ist es nicht heute, komme ich morgen früh mann Aschenberg sei , der so lebhaft mit ihrer Schwester sprach. Und was haben Die ungeheure Zumutung, die ihr erst gewiß. " allmählich aus der Mutter Worten klar Lisbeth schied getröstet, die gute Tante Sie denn an ihr auszusehen ? " fragte er wurde, sich dem alten Manne, der ihr so würde ihr schon helfen, nun war doch wie- eben in seiner gereizten Weise. "/Wie peinlich, teurer Freund, daß Sie sehr zuwider war, zu verbinden , regte zum der ein Hoffnungsschimmer in ihr. Charlotte blieb verstört zurück ; sie so in mich dringen, Ihnen meine innigste erstenmal etwas wie Abwehr in dem fügsamen Wesen auf. Freilich fand sie vor- wußte, daß Wilhelmine längst an Bram Herzensmeinung über die eigene Schwester läufig keine andere Form für ihr „ Nein “ mer als Gatten für eine ihrer Töchter ge- darzulegen. Allein nach dem eben Gesagals die unter strömenden Thränen vorge- dacht hatte ; dies zarte , faum 16jährige ten kann ich kaum zurück. Wir sind nun brachte Bitte um Frist — um Aufschub des Wesen war jedenfalls die allerunpassendste. einmal grundverschieden. Sie ist voll prak bindenden Abschlusses. So tapfer und bereitwillig Charlotte auch tischer Einsicht, aber es fehlt ihr jede IdeaAcht Tage gestand Frau Wilhelmine ihre Hilfe zugesagt , so wurde ihr doch, lität. Sic vertieft sich nie in Gedanken, der Tochter zu . Arthurs wegen durfte als sie an die bevorstehende Auseinander lebt nicht in der Welt der Ideen , nüchsie nicht länger warten, er hatte brieflich sehung mit der Schwester dachte , mehr tern, real durch und durch, gehört sie dieSie schon mehrfach an ihr Abkommen erinnert und mehr unheimlich zu Mut. Sie wußte, ser Welt und ihrem Inhalte an. und um Geld gemahnt. Nach veröffent: daß mit Wilhelmine schlecht zu reden sieht die Dinge in absoluter Nacktheit, es lichter Verlobung dachte sie das Kapital war ; sie hatte sich noch jedesmal nicht ist für sie kein Schmelz , kein Duft darwelches als persönlicher Besitz der Mi- allein besiegt , auch beschämt zurückziehen über. Ist sie auch achtsam bei tieferen norennen sich nicht in ihrer Hand befand müssen. Immerhin wollte sie aber das Gesprächen , Wärme hat sie für keines , ohne Schwierigkeit von Brammer, wenn Wagnis bestehen , an ihr sollte es nicht Wärme für nichts und niemand ; nur auch vielleicht vorschußweise , erhalten zu liegen , wenn dies liebliche Geschöpf hin- der Eigennut regiert sie. " können . Die Hochzeit sollte auch , ihrer geopfert wurde. $3 war ihr heißer Die unfreiwillige Zuhörerin hätte aufWunsch, dem armen Kinde zu helfen. schreien mögen bei solchem harten Urteil, Meinung nach, bald stattfinden. Lisbeth begann ihre hilflose Seele um Gegend Abend machte sich Charlotte, das, von ihrer Schwester an diesen Mann einen rettenden Gedanken zu martern . Sie innerlich gerüstet und zusammengefaßt, nach gerichtet , sie doppelt verwundete. Indes wurde mit jedem Tage, der verrann, blas- Bleiden auf den Weg ; sie dachte mit der sie bezwang sich, atemlos lauschte sie, wie ser und trostloser. Die Mutter sah's , Schwester Thee zu trinken, nach demselben Hermann Wilhelminens Ausspruch aufdachte aber , das wird sich alles geben, konnte sich Lisbeth zurückziehen, dann hatte nehmen werde. Ihre Meinung ist mir sehr interes wenn sie erst eine reiche Frau ist, ich kann sie Wilhelmine für sich und würde den Kampf aufnehmen. Sauke sollte, wie das sant, verehrte Frau, " sagte er nach kurzer nicht besser für das Kind sorgen. Das Abkommen zwischen Mutter und schon öfter geschehen, gegen zehn mit sei Pause im Ton der Ueberlegung ; wenn Tochter war am Sonnabend getroffen worner Stocklaterne kommen, sie abzuholen. selbst die Schwester bei Charlotte Herz den, am Sonntag über acht Tage wollte Als Charlotte im Hause ihrer Schwe- vermißt, wer sollte es dann finden? Ja, Brammer ein Diner geben und bei dieser ster anlangte, trat ihr das Dienstmädchen ja , hier liegt der Mangel , der wunde Gelegenheit seine Verlobung bekannt ma- mit der Nachricht entgegen , die Damen Puntt. Diese starkgeistigen Frauen , die chen. Am Mittwoch hatte Lisbeth endlich wären ausgegangen. Sie riet , Fräulein sich vortrefflich durchs Leben zu schlagen einen tröstlichen Entschluß gefaßt, sie wollte solle doch man ' en büschen warten und hier wissen , sind durchweg kühl empfindende Tante Charlotte zu Hilfe rufen und erbat in der besten Stube so lange sizen gehen. Egoiſtinnen . "
O nein, welch hartes Wort ! Ich belettes Kind gern bei mir. Es A halte mein bleibt immer ein schwerer Entschluß , sie von mir zu geben !" Scheint zurückzuziehen , wenn ich ihr den Willen nicht thue, fuhr es wieder
X? A. von der Elbe. Ein Sohn .
1819 Vielleicht nicht alle in dem Grade. Wie schwer habe ich von jeher unter Charlottens anspruchsvollem Wesen gelitten ! Wie starr hat sie sich immer gegen meine und der Meinen kleine Bedrängnisse verschlossen ! " !! Sie haben recht, ich darf nicht daran denken, jemals einen Jugendplan — Charlotte fuhr empor , sie wollte kein Wort weiter hören , beschämt und noch mehr in Sorge, die anderen zu beschämen, begann sie vorsichtig am Thürschloß zu drehen. Alsbald wurde von außen geöffnet, und Lisbeth stand vor ihr. Char lotte trat auf die Flur hinaus . „ Gute Tante , so bist du doch gekommen?" "Ja, Kind aber ich möchte #1 gehen. Wie blaß du bist ! " Es wird mir zu viel, heute noch mit Mama zu sprechen, auch bleibt der Landrat gewiß zum Thee. " "Ich glaube wohl , Line muß eben seinen gewöhnten Zwieback holen. " Sage deiner Mutter nicht , daß ich hier war. Morgen in aller Frühe komme ich wieder. Schärfe auch Line ein , daß fie meines Besuchs nicht erwähnt . “ Es mag ebensogut sein , daß Mama gar nicht daran denkt, du wolltest für mich bitten. " Gute Nacht, Kind, und behalte Mut ! " Während Charlotte unter dem dämme rigen Abendhimmel ihrer Heimat zustrebte, stürmte es arg in ihrer verwundeten Seele. Allmählich sich sammelnd , kam sie zum Ueberlegen. So weit und immer noch trieb also Wilhelmine ihr altes Spiel ? Sie kannte die Schwester genau genug, um überzeugt zu sein, daß diese sich nicht von einer Stimmung oder Abneigung habe hinreißen lassen. Wie oft hatte Wilhel mine ihr den Grundsah gepredigt , man dürfe kein ungünstiges Urteil über Familienglieder fällen , dürfe sich nicht gegen seitig bloßstellen . Verwandte feien solidarisch verbunden. Die Schwester hatte auch stets durch die That bewiesen , daß sie diese Regel zu achten wisse. Was mochte nun die Schlaue veranlassen, in solch auffälliger Weise ihrem Prinzip untreu zu werden ?
Ihre Absicht war nicht schwer zu er raten ; allein weshalb hegte sie dieselbe ? Hermann hatte auf eine Verbindung mit ihr hingedeutet, und Wilhelmine trachtete, diese zu hindern. Noch einmal : weshalb, weshalb ? Nur wegen der fernen Aussicht auf ihr, der Tante, Erbe ? Wo die Schwester alle ihre Kinder glänzend zu versorgen meinte ? Wie oft hatte sie seit der Auflösung von Arthurs Verlobung ihr im Vertrauen gesagt : it Veronika ist Längst nicht so reich, wie wir gedacht, mein Sohn kann in Berlin ganz andere Partien machen!" Nein, bei solchen Ansprüchen , folch' ausgeprägtem Glückshöffen Lohnte es nicht, auf weit hinaus ihren bescheidenen Besit festhalten zu wollen. Halt, das war's Antonie ! Ja, Antonic als Pugmacherin zu sehen, blieb ein
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Dorn in der Mutter Gemüt. Hatte sie doch bei verschiedenen Gelegenheiten übersich doch nie wieder überwinden können, zeugt, wie leicht ein Mißton von damals von Antoniens Beruf und Plänen zu herüberklang , wie scharf er sie zu necken sprechen . Kürzlich war Wilhelmine aber vermochte. Fort mit allen noch so leiſen der Ausruf entschlüpft : „ Wir werden die Wünschen ! Sie waren beide nicht mehr tüchtige, praktische Toni auch noch gut ver- dieselben wie damals . Das harte Schickheiraten, sie paßt in das Haus eines Wit- | sal ihrer Trennung, die verschiedene Schule, wers welche sie nachdem durchlaufen, hatten ihr Deshalb also , deshalb ! Und hatte Wesen verwandelt. Es verband sie nichts denn ihre Schwester nicht recht mit diesem mehr als die unauslöschliche Erinnerung ; Einfall ? War nicht jeder Mann , jedes vielleicht das Verlangen, wieder jung und Haus wohl aufgehoben mit der Trefflichen ? frisch zu empfinden wie sonst ein ver War ihr ein sicheres, reich gefülltes Heim, gebliches Hoffen ! ein großer, schöner Wirkungskreis nicht Charlotte erkannte es plöhlich als eine von Herzen zu wünschen ? Charlotte be- günstige Fügung , daß sie, rechtzeitig wach jahte sich diese Frage aus vollem , war gerüttelt , jcht zur ernsten Selbstprüfung mem Herzen. Antonie hatte immer eine geschritten. Mit Beschämung wurde sie besondere Teilnahme für Aschenberg gesinne, daß sie sich, seit sie damals bei ihm äußert , sie hatte seine Schroffheit , seine haus gehalten, in gewiſſe unklare Träume Absonderlichkeiten stets zu entschuldigen gewiegt . Bei ihrem chrlichen Wunsch, das gewußt. Wie deutlich stand Charlotte Leben verständig zu erfassen, ihrem reifen | plöhlich der Augenblick vor der Seele, wo Alter, wie tadelnswert ! am Tage von Ernestinens Tode , sie zu Das sollte nun ein für allemal vorbei der Schwester gekommen , Toni erregter sein, und fast erleichtert atmete sie auf. als sonst ihrer Wirksamkeit in Aschenbergs Sie fühlte sich frei von dem Weh , mit zerfahrener Häuslichkeit zugestimmt und dem sie eben aus der Schwester Haus ge= die Mutter, das Mädchen mit einem langen, schieden, und wußte, daß ſie, falls er Anprüfenden Blick betrachtend , offenbar den tonie wählen sollte , neidlosen Herzens ersten Keim eines Planes empfangen hatte. beiden alles denkbare Glück erflehen werde. Fehlte ihr auch eine freundliche , gleich Sann Charlotte länger über alles Geschehene nach, wunderte sie nichts mehr, empfindende Seele, so wußte sich doch, daß ja sic kam so weit , Wilhelmine kaum es kein Menschenlos gab , dem sich nicht noch zu zürnen . Hatte sie je Verständnis etwas hinzufügen ließ. Sie wollte nicht ihres Wesens , Anerkennung , Zuneigung unbescheiden sein. Welche herzliche Freude von der Schwester erwartet oder erfahren? hatte sie wieder in diesen Frühlingstagen War dies eben Erlebte nicht geringfügig über Saufes völlige Herstellung, das Gegegen Früheres ? Wilhelmine blich sich deihen ihrer jungen Anpflanzungen , das selbst treu, sie warf jedes Bedenken beiseite Fortschreiten aller ihrer Unternehmungen für ihren oder ihrer Kinder Vorteil , ihr empfunden. D gewiß , ihr blieb immer ganzes Sein war im Berechnen und Ränke mehr zu danken als zu wünschen ! schmieden begründet. Sie hatte damit anVersöhnter und heiterer als Charlotte gefangen, fie aus den Herzen der Eltern es gestern für möglich gehalten , ging sie zu verdrängen , jest konnte sie vielleicht heute der ernsten und aussichtslosen Zwiekaum anders , als so weiter gehen. Ein sprache mit ihrer Schwester entgegen . Wilfranzösisches Sprichwort fiel ihr ein. „ Tout helmine begrüßte sie wie immer mit uncomprendre c'est tout pardonner," flü befangener Herzlichkeit und flagte, daß sie sterte sie vor sich hin. sich so selten sehen lasse. Nun aber er. Wie konnte er sich mit Man war allein , und Charlotte kam wenigen Worten einreden lassen , daß sie sogleich auf Lisbeths Angelegenheit. Sie herzlos sei ? Sic, deren ganzes , heißes, sprach offen aus, das Kind sei totunglückliebeerfülltes Herz dereinst offen vor ihni lich, und auch ihr erscheine der Plan dieser gelegen. War denn ein tüchtiges Erfassen Verbindung unerhört und unglaublich. des Lebens , Freude an rührigem Thun, Wilhelmine möge doch ernstlich überlegen, das Bedürfnis , mit anderen zu arbeiten, was sie thue. Sie werde das zarte Gefür andere zu sorgen und mochten dies schöpf, wenn sie diese unpassende Heirat auch bescheidene, ungebildete Leute sein erzwinge, zu Grunde richten . Zeichen von selbstsüchtiger Kälte ? - Der Die Mutter lächelte überlegen : „ Ich Mißtrauische, Verbitterte , welcher schwer sollte dir zürnen, gute Lolo , daß du mir unter der Fessel einer unglücklichen Che ein solch arges Mißverstehen meiner heiliggelitten , war allzu empfänglich für jede sten Pflichten zutraust. Was könnte mich unfreundliche Hindeutung. Wilhelmine anderes bewegen als die tief gewurzelté hatte sich ihm als opferfähige Freundin Ueberzeugung, meines füßen Töchterchens einzuschmeicheln gewußt, die selbst der eige- Glück auf fester Basis zu gründen? Ist nen Schwester nicht achte, wenn es gelte, Brammer nicht ein Ehrenmann ? In der ihm zu nüßen; nun führte sie den Miß- nahen Beziehung, in welcher ich zu ihm gestimmten am Bande seiner eigenen arg als Mitvormund meiner Kinder stehe, habe wöhnischen Laune. ich Gelegenheit gefunden , seine soliden, Und hatte Wilhelmine denn im Grunde vortrefflichen Gesinnungen fennen und nicht recht , daß Antonic besser für ihn schäßen zu lernen . Er ist die Güte selbst. passe als sie ? War der thörichte Gedanke, Dente an seine Art, mit der armen Ernedaß ihr Jugendglück nen erstehen könne, stine umzugehen ! Kann man etwas Herzwirklich in ihr gewesen ? Sie hatte sich licheres und Generöseres sehen als sein
U. von der Elbe.
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1824
Verhalten gegen die bekümmerte Truhlsen und gegen die drei Aschenbergschen Knaben? Du wirst mir vielleicht einwenden , daß seine Außenseite wenig geeignet erscheint, eines Mädchens Herz zu gewinnen . Nun ja , hübsch und jung ist der brave Mann nicht mehr ; soll ich aber als Mutter nicht auf das Gediegene sehen und mein Kind darauf hinweisen ? Wehe der Erziehung, die äußerliche und oberflächliche Dinge voranstellt! " „ Ich will nichts gegen das Lob sagen, das du Herrn Brammer spendest , allein der große Altersunterschied Gewiß, obwohl sich keinerlei Hinfälligkeit bei dem frischen Fünfziger findet. Ich behaupte nicht, daß man diese Partie eine Liebesheirat nennen soll. Was ist Liebe ? Wir haben eben in meines armen Sohnes trauriger Angelegenheit gesehen, wie Fräulein Veronikas große Leidenschaft imHand umdrehen verflog. Mag Lisbeth eine Vernunftsheirat thun. Sie erkennt, daß die selbe den achtbaren Namen verdient und daß sie mir eine große Beruhigung gewährt , wenn sie ihr Geschick diesem Zuverlässigen anvertraut. " „ Das arme kleine Ding wird die schreckliche Zumutung dieser Heirat nicht überstehen ! " rief Charlotte bekümmert. Ich kenne mein Kind besser , es ist durchaus folgsam geartet. Einen Kampf mit den Forderungen des Lebens, wie ihn die beiden Aelteren kühn gewagt haben, würde Lisbeth nicht auf sich nehmen können ; an die ihr bestimmte Lage wird sie sich bald gewöhnen und glücklich sein , indem sie Glück bereitet. " Charlotte erhob sich ; was sollte sie dieser ſer Selbstgewissen noch einwenden ? Sie ging ; auf der Flur wartete ihrer die bange Lisbeth , sie wagte bei der Tante betrübtem Gesichtsausdruck kaum , eine Frage zu stammeln. „ Vergeblich, armes Lieschen, " flüsterte Charlotte. In diesem Augenblicke Schritte im Eßzimmer , das Mädchen glaubte, die Mutter komme, und stob mit einem leisen Schreckensruf die Treppe hinauf, Charlotte verließ sorgenschweren Gemütes das Haus. Der Donnerstag und halbe Freitag vergingen der angstgefolterten Lisbeth unter unsäglichen Qualen. Kaum zwei Tage noch, dann war sie elend für imnter ! Lange schon hatte sie geahnt , wer ihr vielleicht Hilfe bringen , wer für sie bei Brammer sprechen könne; aber wie zu ihm gelangen , wie ihre Not klagen ? Am Freitagmittag faßte sie den Entschluß, zu schreiben, und saß , während die Mutter nach Tische ruhte, oben in ihrem Giebelstübchen mit glühendem Gesicht über einen Briefbogen geneigt. Nach langem, ängst lichem Bedenken schrieb sie: Lieber Theodor ! Du hast mich gebeten , ich sollte ein wenig nett mit Deinem Onkel Brammer sein. Das bin ich auch immer gewesen. Nun sagt mir aber Mama, er wollte mich heiraten, und es wäre sehr vernünftig von mir, wenn ich es thäte, und sie wollte es durchaus , und ich sollte doch wie bisher
ihr gutes Kind sein. Ich will nun gewiß nicht ungehorsam und schlecht werden, aber es ist doch gar zu schrecklich, daß ich Herrn Brammer heiraten soll. Sonntag will er ein großes Diner geben ; Mama hat mir ein schönes rosa Kleid geschenkt, worüber ich mich aber gar nicht freue. Ich soll das Sonntag anziehen und Herrn Brammer seine Braut werden. Habe ich einmal ja gesagt, so muß ich ihn heiraten ; denn wenn eine Verlobung auseinander geht, das ist sehr unrecht. Herr Brammer ist diese Woche gar nicht hergekommen ; Mama sagt , das wäre aus Zartgefühl, und ich habe ihr versprechen müssen, dem guten Herrn Brammer ja nicht zu sagen, daß ich ihn nicht leiden mag. Ich weiß nun gar nicht, lieber Theodor , was ich anfangen soll ; Onkel Brammer ist ja im mer so gut gegen Dich und thut Dir alles zu Gefallen. Willst Du ihm wohl schrei ben, ich möchte ihn nicht heiraten, und er sollte es doch laſſen, dann thut er es viel leicht. Nimm mir diese Bitte ja nicht übel, ich wußte mir gar nicht mehr anders zu helfen und grüße Dich als Deine furchtbar traurige Lisbeth ." Viele Thränen waren während dem Schreiben auf das Blatt gefallen . Endlich steckte der Brief, adressiert : // An den Herrn stud. med. Theodor Aschenberg , Göttingen", in des Mädchens Tasche, als sie wie immer gegen vier Uhr hinunterging , der Mutter den Kaffee zu besorgen. Während sie allen ihren kleinen Obliegenheiten nachkam , zermarterte sie sich den Kopf, wie sie ihren Brief in den Postkasten oder gar nach dem Bahnhof schaffen könne ; es war so gar nichts von Verschlagenheit in ihr. Zum Glück brauchte die Mutter gegen Abend etwas Nähseide, das Dienstmädchen arbeitete im Garten, und Lisbeth bekam den Auftrag, auszu gehen . Sie flog, die Doppelbesorgung auszurichten , und kam erleichtert nach Hause; nun hatte sie ihr Geschick in sichere Hände gelegt. Während des Sonnabends erschien Lisbeth ruhiger, die Mutter triumphierte, fie hatte immer gewußt, daß ihre Jüngste feine große Widerstandskraft befiße, der Kampf war aus , jest würde sich alles Weitere ganz von selbst entwickeln. Lisbeth legte sich mit der Zuversicht schlafen , daß ihr Freund für sie sorge; wenn Theodor an Brammer schrieb und für sie bat, war ihr geholfen. Bevor sie volle Ruhe fand, kreuzten allerlei Gedanken über nicht angekommene Briefe , zu spät eingetroffene Rettungen ihren Kopf, aber ihr Vertrauen stand zu fest, und die Ermüdung nach mehreren peinvoll durch wachten Nächten war zu groß ; so sank sie baldin ihren alten sanften Kinderschlummer. In aller Morgenfrühe erwachte sie von einem ungewohnten Geräusch; die Sonne schien eben aufgegangen, die Vögel zwitscherten in der großen Linde. Da wieder , schien's nicht ein leichter Schlag an ihr Fenster ? Sie fuhr empor. Jeht sah sie's , ein Steinchen kam von unten
geflogen puck da war's , den Ton hatte sie schon öfter gehört. Sie sprang aus dem Bette und stieß ihr Fenster auf. Himmel , was sah sie ! Theodor stand unten am Stamm des Baumes, blickte empor und holte eben aus, wieder einen kleinen Kiesel hinaufzuwerfen. Jezt ließ er den Arm sinken , schwenkte seine bunte Müge und lachte sie an. Und er konnte nicht anders als sie anlachen , wie lieblich sie aussah ! Sie stand im hohen weißen Nachtkleide , das blonde Haar um die vom Schlaf geröteten Wangen zusammenfallend, strahlenden Auges da. „Mein süßes Lieschen ! " rief er gedämpften Tones, //komm so rasch du kannst herunter. " Sie nichte, fuhr vom Fenster zurück, steckte ihr Haar in ein Net , das Gesicht in die Waschschüssel und schlüpfte behende in die Kleider. Dann ging fie mit leiſen Schritten die knarrende Stiege hinab . Alles morgenstill im Hause, es mußte noch sehr früh sein ; sie schloß die Thür, welche aus der Küche in den Hof führte, auf, und da stand er und streckte ihr die Hand entgegen. Es war der erste Sonntag im Mai und ein linder, köstlicher Morgen . Er hielt ihre Hand, die sie ihm gegeben, gleich fest, und so gingen fie miteinander, in den zart grünenden Garten. Einige Bäume begannen zu blühen , die Primeln am Wegesrand schimmerten in bunten Farben, am Gebüsch entlang stand eine Reihe duftender Narzissen . Helle Tautropfen erglänzten, von den Sonnenstrahlen getroffen, und die Vögel piepten und schmetterten vor Freude , daß nun ihre beste Zeit angebrochen sei. Sie hatten zuerst alle beide vergessen, weshalb er da war. Es konnte doch nichts Schöneres geben , als so unerwartet sich wiederzusehen und Hand in Hand sich des Lebens und köstlichen Morgens zu freuen . Dann erzählte er, während sie den großen Weg hinunterschlenderten, wann er gestern ihren Brief erhalten, daß er, sehr erschrocken, gleich die nächste Gelegenheit benugt habe und hier mit dem Hamburger Nachtzuge um zwölf Uhr angekommen sei . „ Auf Schleichwegen gelangte ich in meines Vaters Haus ," lachte er , # und tappte mich nach der Kammer , die mir gehört. Viele Ruhe fand ich nicht, und so dachte ich, es sei das Beste , dich zu sprechen , ehe andere Menschen aus den Federn sind. Arme Liese, was wollen fie dir anthun ! Ist das ein riesiger Unsinn. Na , ich denke, Onkel Brammer ist nicht ganz verrannt, und ich bringe ihn wieder zu sich. Es kann doch gar kein Gedanke daran sein, daß du den heiratest. Es ist rein zum Lachen." „ Ach, ich habe schon genug darüber geweint, Theodor! " Warum meldetest du dich nicht gleich. bei mir ? Du mußt doch wissen, daß ich. dich nicht im Stiche lasse. " // Ich war so sehr bange ich mochte es gar nicht thun - aber zuletzt wußte ich mir nicht anders zu helfen. "
Der Armen Heimkehr.
1825
A. von der Elbe. Ein Sohn. 1826
1827
Sie plauderten hin und her, und Lis- | sich in die Brust werfend , keine Frech | Saat geschossen und hat braune Haare. Jung und blond muß sie sein , sagte der beth stärkte sich recht an ihres Freundes heiten ! " Zuversicht. Dann meinte er , da Onkel „Onkel Brammier, " sagte der Student Dekorateur. Ich hätte alles anders machen Brammer früh aufstehe , sei's am besten, | jeßt ernst , faſt feierlich, „du bist ein viel lassen ohne Frau. In der Kinderſtube daß er ihn gleich beim Kaffee abfaffe , er zu guter Kerl , um einen Menschen un habe ich ja vorläufig Vatern seine Nike, habe auch selbst tüchtigen Hunger und glücklich machen zu wollen , und doch bist aber das alte Fell , die Truhlsen , paßt wolle dem Alten, während sie frühstückten, du im Begriff, es zu thun. Liese Müller nich' in das blaue Boudoir. " Der Student lachte. Nein," sagte er, ist in Verzweiflung. Daß dies sechzehnkolossal die Leviten lesen . Als sie miteinander über den Hof jährige Ding einen Fünfziger , und wenn // da hast du recht ; aber hübsch gefüllt hast zurück gingen, hörten sie, wie das Feder er noch so nett ist, nicht gern nimmt, solltest du dir doch dein neues Haus. Mir scheint, dir geht nichts ab . Wer weiß , ob´´eine vieh unruhig flatterte und gackerte. Die du dir denken können. " sind ebenso hungrig wie du," meinte Lis„ Die Hauptmännin versichert, Lisbeth junge Frau dir immer bequem wäre. Sie beth, sie betteln, hinausgelassen zu werden, freue sich auf die Villa, und daß sie einen ist doch schließlich auch ein Mensch , der 'mal dies oder das möchte , oder änderte, tomm, wir wollen ihnen aufmachen. " Sie so guten Mann kriege. " Theodor antwortete mit einem Achsel was dir nicht paßt . Ganz kleine Kinder thaten's ; die Herrin streute ihnen Futter ; als jezt aber das Dienstmädchen erstaunt zucken und fuhr fort : „ Und nicht allein schreien gräßlich ; mit meinen Brüdern und schläfrig die Küchenthür aufriß , ent- das Mädchen würdest du unglücklich machen, brauchst du lange die Umstände nicht zu auch dich und mich, " ein heißes Erröten machen wie mit eben geborenen . Selbst rann Theodor mit kurzem Gruß. Der Student hatte richtig gerechnet, begleitete diese Erklärung. Der Alte sah wenn ich gar nicht beteiligt wäre , würde ich dir raten, laß alles beim alten. Hab' Herr Julius Brammer trat eben, als der seinen Neffen erstaunt an. Neffe das Gitterthor der Villa erreicht, „Ja, Önkel, wie könntest du wohl zu ich erst eine hübsche, blonde Frau, will ich auf seine Veranda heraus , wo ein wohl frieden sein , wenn deine junge Frau sich sie dir oft in den blauen Salon bringen. " „ Das is ' ja so ganz vernünftig, " meinte besetter Frühstückstisch seiner wartete. Er die Augen aus dem Kopf weinte ? Dann liebte es , alter Gewohnheit zufolge, dabei wäre sie dir keine angenehme Gesellschaft, Brammer nachdenklich, ich habe mich auch ungestört zu bleiben und hatte angeordnet, kein Schmuck deiner hübschen Stuben. Und schon vor allerlei , was dabei sein mag, daß die Knaben, die heute, am Sonntag , was mich betrifft, mit dem Mädchen wäre gegrault ; wäre nur nicht die Schnakerei ausschliefen , mit der Truhlsen Kaffee mir mein bestes Lebensglück genommen. " vom Verlobungsdiner. Ich konnte so thun, "Junge , du kiekindiewelt , du denkst als würd' ich frank , aber der Steinbutt tranken. Nichtsdestoweniger freute sich der und die Poularden , es wäre schade !" Onkel über des jungen Mannes unerwar: doch nicht „Wenn du durchaus heute ein Verteten Besuch. Das war ihm durchaus "Ich denke sehr stark, daß man in den keine unbequeme Störung , sein ältester Zwanzigern beſſer heiratet als in den Fünf- | lobungsdiner geben willst, Onkel Brammer, " Neffe hatte einmal bei ihm einen Steinzigern. " sagte der Jüngling zögernd, so wüßte ich im Brett. „ Ne, nu' seh' einer ! " Das Erstaunen wohl wen - der- " „ Sich , sieh , mein Junge ! " rief er des alten Herrn war groß und ehrlich. „I, richtig, du Schlauberger ! - Wen, vergnügt. Ist das ' ne famose Ueber- Er hätte nie für möglich gehalten, daß er der sich gern verloben ließe, und das biſt raschung ; komm 'rein, The'dor ! " er flingelte in dem Jüngling einen Nebenbuhler finden du , du Halunke ! " Theodor nickte vergnügt : „ Es wäre und befahl Tasse und Zubehör. „Na seg' könne. Offenbar ergött fuhr er fort : „ Laß dich, du Laban, bist jedesmal größer und bloß 'mal hören , wie du dir eine Stu doch gar nichts Unerhörtes , wenn ein Herrenmäßiger ; ja, ja, aus Kindern werden dentenehe denkst ? Da ist wohl reichlich guter Onkel seinem Neffen solche Fete Leute!" gäbe. " auf Onkels Geldbeutel spekuliert ?" „ Sieh ' mal , meinst du ? Na , überDurchaus nicht. Ich bin im fünften „Ich bin ja auch zweiundzwanzig ge= worden, Onkel " erwiderte der Student und Semester. In der inneren Klinik fühle ich legen ließe sich's . Ich bin man bloß zupfte an seinem Schnurrbärtchen. mich zu Hause , ein Nichtverstehen kommt bange, was die Hauptmännin sagt. Sie Während sie ihren ersten Hunger stillten, kaum mehr vor. Chirurgie ist mir nicht hat so was an sich , wobei einem nich' gut begann Brammer von einem Diner zu ganz so vertraut. Bin ich noch drei Semester zu Mute wird. “ "/ Wir gehen zu ihr , und du gibst ihr erzählen , das er heute gebe , und ob der auf einer anderen Universität gewesen, habe das halbe Jahr in klar und bestimmt, als Mann, deinen verBengel vielleicht den Braten gerochen ? meine sechs Monate als Militär änderten Entschluß fund . Sie hat gezögert, Ein seltsam scharfer Blick aus des jungen der Truppe ist erledigt Mannes Augen machte indes den Alten arzt absolviert und dann, während ich die fest seid ihr also beide nicht. Wenn du plöglich verstummen. Bedenken stiegen in Arbeiten für das Staatsexamen mache, in mir und meiner Lebenslage ein bißchen ihm auf, ob Theodors Beſuch vielleicht einigen Hospitälern als Assistent fungiert, das Wort redest , wird sie sich wohl begar mit seinen Absichten im Zusammen so will ich mich hier als rechte Hand des quemen , den Bräutigamstausch gut zu hang stehe; er sollte nicht lange in Un- alten Schulz niederlassen ; er ist durchaus heißen. Du mußt immer bedenken , du gewißheit bleiben. damit einverstanden . Geht alles , wie ich thust es für deine Delikatessen. " „ E'n Deubelsjung', " lachte Brammer, Ich hörte , Onkel Brammer , " sagte denke, hoffe ich von heute ab in vier Jahren der Student , die Tasse zurückschiebend, heiraten zu können und auch eine Frau zu mein Diner soll dir wohl schmecken ! " „daß du heute einen Wig loslassen ernähren. Sie ist dann zwanzig , ich bin Sie verständigten sich nach und nach immer willst. Ich weiß auch, was du dabei vor sechsundzwanzig, das ist für uns beide das besser. Der reiche Mann fühlte ordentlich etwas wie Herzenserleichterung, als er sich hast. Daß mich dieser Einfall furchtbar rechte Alter. "/Und einig seid ihr auch wohl schon ? " von der eingebildeten Verpflichtung , eine wundert, kannst du dir wohl denken. Ich bin von Kindheit an mit der Lütjen, füßen " Das nicht gerade - wir wissen aber junge Frau zu nehmen, durch des Neffens Zureden befreit sah. Theodors Vorschläge Liese höllisch gut gewesen , und der Ge- beide , daß wir uns sehr lieb haben , " danke , daß du die mir zur Tante geben er wurde noch einmal rot. waren entschieden vernünftig , er wollte nimm's nicht übelwillst, kommt mir „HmHm , “ brummte der alte Herr seinen !! kleinen Doktor" schon herausganz verrückt vor. " und strich sich seinen grau gesprenkelten | streichen, die Frau Hauptmann würde sich An die Tantenschaft habe ich just Backenbart. // Da werde ich natürlich kein wohl entschließen, zuzugreifen. nicht gedacht, " stammelte Brammer, sichtlich Untier sein und meinem Jung' seine Deeren Ganz befriedigt und von Tapferkeit verlegen. wegfischen. Aber was machen . was erfüllt , sagte der Onkel , als sie an das „ Natürlich ist dir das nicht die Haupt- machen ? Dummes Zeug, daß ichso mit 'em Müllersche Haus kamen: „Nu geh du sache, aber du siehst daran, daß du einen Baumpfahl von 'ner Verlobung gewinkt man in 'nen Garten, The'dor, mach's mit sonderbaren Streich vor hast. " habe ! Denn The'dor, wo find' ich gleich | deiner Liese fertig, wenn ihr wirklich noch „Bitte, mein Sohn, " knurrte Brammer, 'ne andere ? Die Spellerbergen ist in nicht einig seid, und tretet wie in 'ner 77
+ 1828
A. von der , Elbe . 1829
Ein Sohn . 1830
Komödie zur rechten Zeit herein. Ich ehrteste , lassen Sie uns in den Garten du mußt natürlich mit, lütje Deeren, bist will doch mal sehen, ob ich die Alte nich' gehen , ich denke , da finden wir unser | ja die Hauptperson — was, Morgenrock Pärchen." Er stürmte hinaus. Sie mußte junge Bräute sind immer hübsch! " 'rum friege. " Nachdem Brammer der Hauptmännin Frau Wilhelmine fand, der Bräutigam notgedrungen folgen. Im großen Mitteleingeschärft, ja Punkt zwei Uhr zum Verkomme etwas früh , immerhin war die wege des Gartens wartete er auf sie. Ungeduld begreiflich. Ich werde Lisbeth Brammer hastete neben Frau Wilhel- lobungsdiner bei ihm zu seiner könne gleich rufen lassen , " sagte sie artig, # das mine her, er hörte offenbar nicht auf das, es ebensowenig leiden wie seine HausMädchen ist bereit , ihr Glück gebührend was sie sagte , sondern spähte hier und hälterin , wenn das Essen verschmore dort hin. Wie sollte sie auf das kommen, zog er , kaum auf ein Wort der Erwidezu empfinden. " „ Halt, Liebwerteste, " fiel Brammer ein, was ihr als die Hauptsache erschien ? was rung hörend , mit dem Brautpaare von ich will's man gleich sagen , es is was sie auch an den neuen Abschluß als Be- dannen. Die Mutter blickte ihnen sinnend nach. Sazwischen gekommen . Unser The'dor is dingung knüpfen mußte. zugereist. Er hat Wind von der Geschichte „Ach , da sind sie ja ! " rief ihr Be- | Also bei Tisch, dann würde sie ohne Frage getricgt und vertraut mir nu' an, daß er gleiter und bog in den Seitenweg ein, neben dem Hausherrn siten, bei Tisch sollte die Kleine liebt, daß er sie mir nich' gönnt. der zur Bleiche "1 führte, „ nu' kuck einer, is es fest gemacht werden, daß die Bedingung des Verzichtes auf das Aussteuerkapital Was soll’en dabei machen ? Ich denke, Sie das nüdlich ! nehmen auch Vernunft an und geben Ihre Er hatte recht, ein liebliches Bild bot zu Gunsten des Bruders vom Onkel auf sich den Nahenden. In der Wildenwein- den Neffen überging. Liese dem anderen Bräutigam.' Außer den Sternbergs , die sich von Die Mutter erstarrte, eine so plötzliche laube , die eben ihre bräunlichen SchößAenderung fand sie gänzlich ungerüstet. linge trieb, saß in zärtlicher Umschlingung jedem Verkehr in Bleiden zurückzogen, dem aussichtslosen Stu- das gesuchte Pärchen. Sie hielten sich waren zu dem Verlobungsschmaus des " Dem Knaben denten?" stammelte sic. // Eine seltsame kosend ancinandergeschmiegt, beide lachend, reichen Hamburgers alle seine hiesigen Bestrahlend, zu gleicher Zeit plaudernd und kannten versammelt . Das Gerücht seiner Idee ! " „Ne, ne, aussichtslos gar nicht. Er hat so vertieft, daß sie nichts vom Heran- bevorstehenden Verbindung mit der jüngsten Müller hatte sich verbreitet und war schon alles am Schnürchen , und ich bin doch kommen der Beobachter merkten . Wir hätten auf euch bis Nachmittag viel und ungünstig besprochen worden . auch noch da. In vier Jahren hat er sich hier bescht und ist Schulz's Assistent, dann warten können, ihr verliebtes Volk ! " rief Das Erstaunen der Gäste, ein ganz anfann er heiraten. Wo's etwa fehlt, schieß' Brammer die beiden an. Sie fuhren er deres als das erwartete Brautpaar und ich zu . Der Junge hat ja auch nettes schrocken empor und sprangen der Mutter zwar durch den Landrat angekündigt zu Geld von seiner Mutter geerbt. Er ist und dem Onkel unter Dankesstammeln hören , war groß, rief aber allseitige Befriedigung hervor. Diese Liebe hatte man keine schlechte Partie. Wenn Sie man entgegen . "/Na ja, nehmt unseren Segen, wenn's ja lange gekannt. Etwas sonderbar, jezt, für alle drei gleich so eine hätten ! Denken Sie wie angenehm , den Schwiegersohn am nich' anders sein kann, " sagte der alte Herr so früh , so plöglich das junge Volk zu der wahre Zusammenhang der Plaze! Und die Verwandtschaft ist doch und war sehr erstaunt, daß Lisbeth ihm verloben plöglich von selbst mit einem: ,, du bester Dinge ließ sich ahnen immerhin aber auch nicht übel. " doch eine ganz passende Partie. Der klugen Frau waren alle diese Onkel ! " herzlich um den Hals fiel. Nächst den beiden Hauptpersonen war Gründe einleuchtend , sie hatte sich früher Theodor zog die Hand der Schwiegerschon die Dinge ähnlich zurechtgelegt ; jest mutter an die Lippen ; diese neigte sich, niemand froher als Charlotte; nun hatte Es sich all das unsägliche Elend , das sie für erschien ihr nur die Aenderung als Störung einen Kuß hauchend auf seine Stirn. näherer Pläne. Sie versuchte eine Gegen ist ein großes , vielleicht vorzeitiges Ver- ihr Lieschen vorausgesehen , in Lust und wehr, nicht um mit Brammer zu streiten - trauen , welches ich dir gewähre, " sagte Freude verwandelt. die beiden Liebhaber hatten ja unter sich Wilhelmine zurückhaltend, indes werde Theodors Stiefvater hatte anfänglich alles schon viel zu fest beschlossen - sondern ich mich hoffentlich bald mit diesem Schritt die frühe Verlobung einen "/ Dummenjungensstreich" genannt , dann aber , als um den alten Freund angenehm zu be- ausgesöhnt finden . " rühren und für ihre Wünsche geschmeidig Als dies alles geſagt und gethan war, man ihm zugeredet, gemeint, es möge doch zu ´stimmen . Mit ihrem wchmütig sanften und Brammer sich in Scherzreden gegen ganz gut und schön sein. Jeder solle sich) Lächeln sagte sie: Sie denken gar nicht das jugendliche. Brautpaar erging, kam es freuen, dem nichts zwischen seine Jugendan meinen Schmerz , die gehofften nahen der Mutter erst zum Bewußtsein, daß sich liebe komme ; nachher werde man krittelig Beziehungen zu einem gediegenen , treff die Angelegenheit zu rasch und eigentlich und bedenklich. Engel gäbe es 'mal nicht lichen Manne hinopfern zu müssen. Es ohne ihr Zuthun entwickelt habe. Es war unter den Weibern, Theodor solle sich das ist dasselbe melancholische , leidgesättigte ihr keine Zeit geblieben, Bedingungen zu von seiner Liefe nur auch nicht einbilden, Losreißen, das ich eben für meinen Arthur stellen . Warum hatte sie ihren eigent obwohl er an dem Kinde nicht viel auszudurchgerungen. Bis ins Mark getroffen lichen Gesichtspunkt bei der Sache nicht sehen wisse und es ganz geri als Tochter stehe ich noch einmal ! " geltend gemacht, warum sich das Heft aus annehme. So war denn der mißmutige stand ich und Na, na , " besänftigte er , wir sind der Hand nehmen lassen ? Doch es war Herr auch bewogen, zuzustimmen, und als "/ ja gar nich' böse zusammen und denn gewiß noch manches zu crringen, und sie er dann an der wohlbeschten Tafel mit das müssen Sie niemals vergessen ver wollte unter allen Umständen ihr mög- dem Glase in der Hand die Verlobung lobt war ich ja noch nicht mit IhrerLiese, lichstes thun, dem armen Arthur zu helfen . seines Aeltesten in wohlgefeßten Worten ein Wort ist nicht gebrochen, und Herzen Während sie durch den Garten schritten, tund gab, blickte er so heiter , wie man gelang es Wilhelmine nicht , Brammers ihn kaum jemals gesehen , über die aufsind's ebensowenig. " „Welch herbe Männlichkeit ! Wie kann Ohr zu gewinnen. Er gab sich einem horchenden Gesichter der Umsigenden hin . eine Persönlichkeit voller Herzensadel so lustigen Treiben mit seinen Schüßlingen rauh mit den zartesten Empfindungen zweier hin, fühlte sich dabei bräutigamsselig , fand die Zufriedenheit der Angehörigen , die es viel ergößlicher , der Dritte im Bunde sich lange schon freundschaftlich nahe geweichgeschaffenen Frauenseelen spielen ? " Ihm wurde unheimlich bei diesen Er zu sein, als dem sonst so verlegenen Wesen standen , wirkte ansteckend auf die Gäste ; güssen , er blickte nach der Thür , ob das schwerfällig allein gegenüberzustehen bei ausgesuchten Speisen und trefflichen junge Paar nicht eintrete. Was sollte er kurz in diesem Taumel eines ganz neuen Weinen herrschte bald die größte Fröhlichkeit . Brammer, stets ein behaglich freigebiger der Frau antworten , was wollte sie von Vergnügens verlor er alle Rücksichten für Mütter " aus den Augen. Auf dem Hofe Wirt und dankbarer Gaſt am eigenen Tische, ihm ? Arthurs Schulden und Lisbeths Kapital hatte er augenblicklich ganz ver- angekommen rief er : Nu' mal rasch, that nach allen Seiten sein möglichstes geffen. Ungeduldig sprang er aus der Kinder, nach dem Amte. Was wird Vater und ließ es nicht am Zureden und an Sofaecke empor. Kommen Sie , Ver- sagen ? Ist das eine spaßhaftige Geschichte ! derben Scherzen fehlen. Als Wilhelmine
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1831 einmal verſuchte, von dem Aussteuerkapital zu beginnen, das er ihr zugesagt, hielt er sich die Ohren zu und schrie: „ Bitte, Verehrteste , bei Tisch keine Geschäfte ! " Die besorgte Mutter wollte aber heute noch darüber ins klare kommen, ob ihr Arthur auch gesichert sei. Nachdem man den Kaffee eingenommen, lockte der schöne Abend ins Freie. In zwanglofen Gruppen erging man sich im Garten. Endlich glückte es Wilhelmine, den Hausherrn abzusondern und für sich zu gewinnen, fie hatte sehr geschickt ma növriert; jest spazierten fie felbander einen noch etwas kahlen Laubengang hinunter. Er mit der Wonne des guten Bewußtseins und des wohlversorgten Magens, eine feine Cigarre rauchend , sorglos und arglos, kaum wissend , wie er da an ihre Seite gekommen. Sie unter ihrem rot gefütterten Sonnenschirm jugendlich angestrahlt , die Taubenaugen mit blißschnellem Aufleuchten ihm zuwendend. „Nicht wahr, lieber Freund, auf unser Abkommen darf ich mich verlassen?" sagte sie so mild sie konnte, ich möchte meinem armen, geängstigten Sohn mitteilen , daß sein gutes Schwesterchen ihn aus der Verlegenheit befreien wird ?" Er blieb stehen und sah sie an, als rede sie eine Sprache , die ihm fremd sei. In der That mußte er sich auf die dumme Geschichte besinnen. Ach so, " sagte er grämlich und wider willig aus seinem Behagen aufgestört. Des Herrn Lieutenants Schulden. Die be= gleichen Sie man gefälligst selbst aus der eigenen Tasche, Frau Base. Ich habe als
A. von der Elbe. 1832
Ein Sohn . 1833
Er hatte sich ja damals gegen Veronika , der liebe Brief von der Mutter mit der recht unliebenswürdig benommen, aber wenn Nachricht von Liesbeths Verlobung , und er sie nur einmal wieder besuchen wollte, würden sie ihm nichts mehr nachtragen. Des gewesenen Bräutigams Lage war durch Sternbergs große 3artheit und Rücksichtnahme sehr erleichtert worden. Der Verwalter Peinemann, der in Berlin Bescheid wußte , hatte hier alle Angelegen heiten so glatt wie möglich geordnet. Als Arthur bei seinem Kommandeur die Lösung der Verbindung meldete es war ein schwerer Gang für ihn — wurde er besser empfangen, als er gedacht. "/ Baron von Sternberg hat mir die traurige Angelegenheit bereits mitgeteilt, " sagte der | Oberst, und ich bedaure alle Beteiligten. " Das war anständig und dankenswert von Sternberg ; Arthur fand es nun doch sehr schade, die Beziehungen zu dem will fährigen Manne gelöst zu haben. Der junge Offizier wohnte jest wieder in möblierten Zimmern und lenkte in die alten Geleise und Gewohnheiten ein, wobei er sich im Grunde recht wohl fühlte. Nur hatte er sich immer noch nicht entschließen können, wieder zu den Schwestern zu gehen . Ihm ahnte etwas von Vorwürfen ; vielleicht war es auch ein vor sich selbst verleugnetes Gefühl der Be schämung, da sie doch bei dem Bruch zu gegen und offenbar nicht auf seiner Seite gewesen waren. „ Laß sie zappeln, " dachte er, um so freundlicher kommen sie mir nachher entgegen. " Seine Geldangelegenheiten fingen nun jedoch an , ihm immer unbequemer daß zu werden. Er hatte gar nicht geglaubt,
gewissenhafter Vormund natürlichkein Recht, er noch so viel schuldig sei; da würden über der Minorennen Kapital zu ihren Un die 6000 Mark, welche seine Mutter nach gunsten zu verfügen . Die jungen Leutchen ihrem Abkommen mit Brammer freudig in können dereinst dies Aussteuergeld auch Aussicht stellte, auch nur ein Tropfen auf ganz gut gebrauchen. Ja , meiner Frau den heißen Stein sein. Welch niederträch hätte ich solche generöse Schenkung gestattet, tiges Pech , so in der Patsche zu stecken ! jekt ist das etwas anderes . " Die kleinen Hauptschreier hatte er mit den 3000 Mark von der Mutter nur eben beSie nehmen Ihr Wort zurück ? " " Umstände verändern die Sache ; werde friedigt. Immerhin hoffte er , sich mit nie ein gewissenloser Vormund sein. " Er Lisbeths kleinem Kapital eine Zeitlang wandte sich kurz und schritt den Neben hoch zu halten. Aber noch hatte er's leider weg entlang, einer anderen Gruppe zu. nicht in der Hand. Na , die acht Tage Frau Wilhelmine hatte mit dem Fehl- bis zu jener Verlobung würden ja auch schlagen ihrer Hoffnung fertig zu werden. einmal herumgehen! Was würde Arthur sagen? Gewiß beWährend er so hoffte und wartete, schuldigte er sie des Ungeschicks . Aber traf ein Brief seiner Mutter mit der Nach was hätte sie thun sollen? Wie konnte richt ein, daß Lisbeth dem Jugendgespielen sie annehmen, daß die schüchterne Lisbeth verlobt und an das Aussteuergeld jezt nicht sich so thatkräftig zur Wehr sehen werde ? | zu kommen sei . Nun, das Kind war sehr glücklich ; wic Welch harte Enttäuschung ! Was war dankbar es die Mutter während des Mit denn in die vernünftige Frau gefahren , tags angeblickt ! Vielleicht söhnte sich auch die hübsche Liese so billig wegzugeben ? Arthur dadurch mit der Sachlage aus. "1 Das ist ja ein pyramidaler Unsinn, cine Immerhin wurde es der gewandten Frau enorme Gedankenblödigkeit! " murrte cr. schwer, als sie den Tag mit brieflichen | „ Ein scheußlicher Ausfall für mich , was Verlobungsanzeigen an die Kinder in Berlin machen ? Vielleicht im Jeu?" beschloß , dem Sohn ihre Niederlage zu Das Bedürfnis , sich bei den einzigen Bekennen. auszusprechen , welche die Verhältnisse Die Schwestern waren nach ihrem ab kannten, trieb ihn dazu, sich auf den mor gekürzten Ausflüge zu der Mutter gedrückten genden Abend wieder bei den Schwestern Gemüts in die alten Verhältnisse zurück anzumelden . gekehrt. Da Arthur sich lange nicht bei Die Hoffnung auf Arthurs endlichen ihnen sehen ließ, verflog ihr Verdruß und Besuch erfüllte die Mädchen mit Freude. machte einem Herzlichen Mitleiden Plaz. Nun kam wohl alles Gute zugleich. Erst
jezt das Wiedersehen mit dem lang entbehrten Bruder. Der Säumige wurde, als er in seiner Verkleidung bei den Mädchen eintrat , mit herzlicher Liebe empfangen. Kein Wort des Vorwurfs über sein Ausbleiben . Sie wußten ja , der Verzogene vertrug keinen Tadel. Sie thaten das Ihrige, ihn zu er heitern , er aber ließ sich in seinem Verdruß über Lisbeths frühe Verlobung unbekümmert gehen. Die Mädchen dachten : der Arme ist verbittert , weil sein Glück ein so rasches Ende genommen , fassen wir ihn so zart wie möglich an ! Sie thaten's , Silvia schmeichelte mit all ihrem | herzerquickenden Liebreiz um ihn her, und Antonie übertraf sich selbst in der Bewirtung des Verwöhnten. Das hatte nun alles dem Bruder so gut gefallen, daß er von jezt an wieder öfter zu kommen versprad). Lormiers bisherige Mißerfolge waren nicht imstande gewesen , seinen Eifer für die reizende Schußbefohlene abzukühlen . Das Jnteresse , welches das schöne und zurückhaltende Mädchen in gewiſſen Kreiſen erregte , ließ nicht nach ; wo der Tänzer erschien , wurde er nach Mlle. Meunière gefragt, seine Eitelkeit, seine Gönnerwürde fühlten sich dadurch geschmeichelt , und er sah immer wieder ein, wie recht er gehabt habe, sich durch sie zu heben, und daß er fie unter keiner Bedingung loslassen dürfe . Endlich war es nun seinem unausgesetzten Mühen , seinem Bohren und Intrigieren Anfang Juni trat er strahlenden Ge zu erringen. sichts bei den Halbverzagten ein. Während der wundervollsten Pirouette hielt er ein Papier hoch und rief : „ Mein ist der Sieg ! " "/ Ein Gastspielvertrag ?" rief Silvia atemlos vor Spannung. // Allerdings, meine Jöttin ! Sie haben Ihr Geschick treuen und starken Händen anvertraut. Bringt einer Sie durch, so ist's nur Auguste Vormier ; Verbindungen muß man haben. Estimiert muß man sein. Alternativen muß man jewandt zu stellen wissen. " „Tausend Dank , aber jo geben Sie doch. Was besagt Ihr Kontraft?" Antonie hatte die Schwester in heller Mitfreude umarmt ; jezt standen beide und Lauschten auf seinen Vortrag. Das Schreiben der Intendanz enthielt ein endliches Gastspielengagement für drei Abende auf der Bühne des Opernhauses , welches Ende dieses Monats beginnen und vor den Theaterferien erledigt werden sollte . Eine nähere Bestimmung über die zu wählenden Rollen blich vorbehalten. Das Honorar für jedesmaliges Auftreten deuchte den Bescheidenen sehr reich bemeſſen , und die hinzugefügte Wendung , man hoffe , daß ein definitiver Engagementsvertrag sich an das Gastspiel knüpfen werde , ließ ihre Herzen in Siegeswonnen flopfen. Sie strömten beide über in Dank für den hilfreichen Freund, der nicht aufhören
A. von der Elbe. 1834 konnte, zu berichten , wie ausgezeichnet er , sich benommen. In das einförmige Dasein der Schweſtern war nun wieder Leben und Reiz gekommen , die erste Stufe zu glücklichem Gelingen erſtiegen, alles Weitere würde sich gewiß finden .
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ja alles abgeschnitten ; daß er sie aber , wandte , glaubte ich wahrzunehmen , daß liebte , sich mit ungeschwächter Kraft zu blondes , militärisch verschnittenes Haar ihr hingezogen fühlte, das hatte er wäh- über dem Rockfragen hervorsah. Auch rend der Trennung immer empfunden. Er das Gesicht meinte ich bei der Gelegenwollte nun aber so oder so mit der Sache heit zu erkennen , cs erinnerte mich an abschließen, mußte heimkehren, dies Zögern den hübschen Lieutenant von Müller , der und Warten war nicht mehr zu ertragen. mit Baron Alexander in einem Regimente Unverzüglich begab Viktor sich zu sei steht. " nem Chef und bat um Urlaub. Familien„ Und dieser Offizier , mutmaßest du, Wider ihre Gewohnheit hatte Gräfin rücksichten und Anordnungen auf seinen sei zu den jungen Damen geschlichen ? " Wertheim noch immer in Berlin ausge- Gütern forderten dringend seine Anwesen- fragte Viktor, mit äußerster Anstrengung halten. Es war auf Viktors Wunsch ge- heit. Dem reichen Standesherrn war diese seine ungeheure Erregung zurückdrängend. schehen , der täglich auf seine Heimkehr Angabe zu glauben und die Bitte nicht "/ Es kann ja auch der Kumpan irgend eines der Herren da oben gewesen sein. " hoffte und sie bat , noch in der Stadt zu wohl abzuschlagen. sein , wenn er dahin zurückkomme. Die So rasch wie möglich brach der Un- Die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme Gräfin hatte es längst bereut, den Anlaß geduldige alle Bezichungen in London ab fing an , den Aufwallenden zu beruhigen. " Ich meinte die Schritte nur bis in zu Viktors Versehung gegeben zu haben. und langte , zur freudigen Ueberraschung Um wie viel schöne Stunden in seiner | seiner Mutter, wenige Tage später wieder den zweiten Stock zu hören. Weil ich aber lieben Nähe war sie dadurch betrogen ! in Berlin an. Schon in der ersten Stunde noch nichts beschwören kann, wollte ich mir Und hindern konnte sie es ja doch nicht, fragte er mit heißer Sorge nach Silvia . eben nicht erlauben - " „ Nun, so paß auf - paß genau auf, wenn er bei seiner Neigung für die reizende Ob sie etwas Besonderes von den Schwe= kleine Meuniere beharren sollte. Eine Zu- stern wisse ? Ob sie dieselben kürzlich ge- daß nichts Ungeheuerliches, Unglaubliches rückberufung ließ sich schwer bewerkstelligen, sehen habe? Die Gräfin verneinte. Nun dir unbewiesen über die Lippen schlüpft. " Zornig drehte Viktor sich um und es gab noch immer gewisse Geschäfte zu so möge sie ihm die Freude machen, das erledigen, und ihr vielvermögender Bruder schöne Mädchen baldmöglichst einzuladen ! ging. So bestimmt er den Verdacht abge= hatte erklärt , sich nun nicht weiter ein Er brenne darauf, sie wieder zu sehen, sie wehrt, so unwahrscheinlich es ihm im ersten mischen zu wollen. So war denn ihr zu sprechen. lieber Sohn bis in den Sommer hinein Scufzend gestand die Mutter zu ; so Augenblicke erschienen , daß Silvia , die in London geblichen. Viktor hatte seiner war denn offenbar die Trennung ganz nicht einmal zarte Artigkeiten angenommen, diesem Lieutenant sogar gestatten sollte, rücksichtsvollen Gewohnheit nach regel vergeblich gewesen . mäßig geschrieben und immer eine lebhafte Als Viktor den Salon verlassen, winkte sie abends verkleidet zu besuchen , so war Erkundigung nach der schönen Hausgenossin er Fuchs und trat mit ihm in das Eß doch etwas von dem mißtrauischen Gehinzugefügt. Die Gräfin wurde schwer zimmer. „ Nun Alter, ich denke, du hast danken des alten Dieners bei ihm haften bedruckt von dem Gedanken , daß sie auf meinen Auftrag im Auge behalten ?" fragte geblieben. Er hatte die Geliebte so lange nicht gesehen , er kannte die Welt und ein Erlöschen seiner Neigung noch nicht er gespannt. Natürlich, Herr Graf, was ich thun wußte , wie selten ein Mädchen von Silhoffen dürfe. vias Beruf rein durch alle Anfechtungen Ebenso rege wie mit seiner Mutter fonnte, ist geschehen. " Und du hast keinerlei Veränderung ging . hatte der junge Gefandschaftsattaché mit Und nun gar dieser -Lieutenant von dem Vetter korrespondiert. Alexander gab in der Lebensweise der Damen wahrgeMüller! Ein verlebter Schuldenmacher, von allen Tagesereigniſſen in furzer, lau- nommen ?" dessen Verlobung mit Viktors Kousine im das nicht gerade." „Nein niger Weise Kunde und wußte immer ihre Mutter war mit Nun und was denn sonst ?" fuhr zweiten Gliede einiges von der entzückenden Blondine, seinem Vater Geschwisterkind geweſen · dem kleinen Meerwunder an kühler Zurück Viktor hißig auf. "/ Es verkehren so mancherlei Leute hier | kürzlich zurückgegangen . Sollte es wirklich haltung, der künftigen Perle des Opernhauses hinzuzufügen . Wie pochte das Herz im Hause. Ich bin wirklich meiner Sache denkbar sein, daß die frische, reizende Silvia sich aus der Schar ihrer entzückten VerViktors vor heißer Sehnsucht , wenn er noch nicht ganz gewiß." Silvia anerkennend erwähnen hörte. Ja, Viktor fann nach . Nicht wahr , im ehrer den faden Menschen ausgesucht ? Aber er wollte nun endlich versuchen , sich hier dritten Stock gibt es Chambregarnisten ? " Veronika Sternberg hatte ihn ja auch ge= „Ja , einen Maler , einen Lehrer und liebt , wie ihm Waldemar auf seinen dazu lösen , wo eben die Saison ihre geselligen Wogen schlug und ihn in ihre zwei Kommis , die alle Besuch bekommen . maligen Glückwunsch geschrieben ; es schien ermüdend leeren Strudel zog, um so leerer Außerdem die //Herren , die zu Monsieur ihm unbegreiflich. Allein er wollte doch diese Verirrung und ermüdender, als sein Herz ungerührt Cormier gehen . " Und auf welche Persönlichkeit bezog noch nicht als möglich annehmen. Der blieb, wenn er den schönen Ladys gegensich dein vorhin angedeuteter Argwohn ? " alte mißtrauische Diener glaubte wohl gar überſtand. Ein Brief des Vetters , den er eben „Ich bemerkte schon , Herr Graf, daß im Interesse seiner Herrin zu handeln, empfangen , bestärkte Viktor in seinem ich mich irren kann , daß ich noch nicht wenn er die junge Tänzerin verdächtigte. Wunsch. Alexander schrieb , tros allem ganz sicher bin. " Viktor wollte und mußte die Langentbehrte Diplomatisieren und Intrigieren sei er sprich, was du dachtest ! bald wiedersehen, dann würde sich vor dem 1/ Sprich von der Gegenpartei überlistet und Mlle. Es soll auch nicht das Stäubchen einer Eindruck ihres unberührten Wesens jeder eifersüchtige Gedanke verlieren ! Meunière nun doch zu einem kleinen Gast- Mutmaßung hängen bleiben . " Der Sohn ließ seiner Mutter keine spielcyklus im Opernhause engagiert . Wolle // Wenn der Herr Graf befehlen , " zögerte Ruhe; wenige Tage nach der Heimkehr der Cousin den voraussichtlichen Triumph der Diener. der angehenden Diva mitgenießen , oder Mache mich nicht ungeduldig ! " rief mußte sie seinen Bitten nachgeben und die gar Vorhand halten, so möge er schleunigst Viktor mit aufwallender Heftigkeit. beiden Hausgenofsinnen einladen. zu den schmollenden Penaten heimkehren. Fuchs verneigte sich . Ich habe in Silvia wurde von der Aussicht auf Nun würde sie sich also doch in der den letzten Wochen manchmal abends einen das Ziel ihrer Wünsche außerordentlich Deffentlichkeit zeigen, nun doch den großen jungen Mann hinauf gehen sehen, der bei gehoben. Ihr erstes Gastspiel sollte in Schritt thun , nach welchem es ihm viel dem schäbigen Zivilpaletot Militärbein der nächsten Woche stattfinden ; nie war schwerer fallen mußte, sie in seinen Kreis kleider, feine Stiefel, einmal sogar Sporen sie so anmutig belebt , so schelmisch_und zu führen. Indes, wollte er das wirklich ? trug. Sein großer dunkler Bart machte freudeverklärt gewesen wie heute. D, er Er war immer noch nicht ganz mit sich mir den Eindruck, als sei er falsch. Beim hatte sie sich in seinen Gedanken doch noch darüber im klaren. Die Versehung hatte Treppenabsah , als der Mann den Kopf lange nicht so schön , so hinreißend lieblich
A. von der Elbe.
1837 vorgestellt, wie er sie nun fand ! Sie oder Der Entschluß bekam immer neue feine ! Nahrung, wurde immer fester in ihm. Mutter , ist sie nicht entzückend ? " drang es ihm aus übervoller Brust , als er die Mädchen hinausgeleitet und wieder zur Gräfin in den Salon zurückkam. "Ihr ganzes Wesen moussierte , leuchtete und schillerte, als ob die Sonne auf einen hervorspringenden Bergquell schiene ! " // Du hast recht, Viktor, " erwiderte die alte Dame gepreßt. Das Fräulein ist sehr hübsch , aber genügt dir denn eine schöne Außenseite ?“ "/ Es ist mehr da als diese ! Schaffe mir nur Gelegenheit, sie zu sehen, ihr noch etwas näher zu treten. Noch eine kleine Gewißheit , dann leide ich es nicht , daß sie sich auf der Bühne zeigt , dann wird fie mein!" An dem in seine Seele geworfenen Argwohn trug Viktor einen Wurm mit sich umher , der ihm keine Ruhe ließ. Dabei interessierte es ihn, jenen Lieutenant von Müller wiederzusehen, zu beobachten, und er suchte mit Alexander die Restaurants und Cafés auf , wo er erwarten durfte, den Offizier zu treffen . Wenn der junge Graf zu seiner Mutter ging, fuhr sein hastiger Blick prüfend über des alten Fuchs Gesicht. Sollte sich unter den in ehrerbietige Fältchen gelegten Zügen doch vielleicht ein Unheil verheißender befinden ? Eine fieberhafte Spannung hatte sich Viktors bemächtigt. Der Tag kam immer näher heran, an welchem Silvia im Opern hause auftreten sollte. Er hätte dies um jeden Preis verhindern mögen ; und doch, konnte er jegt um sie werben , wo jene peinliche Ungewißheit in seiner Seele brannte und bohrte ? Wenn sich doch irgendwo ein Lichtstrahl, eine Entscheidung fände ! Drei Tage nach dem Frühstück mit der Geliebten hatte Fuchs auf die halblaut hervorgestoßene Frage seines jungen Herrn : ob er etwas Besonderes wahrgenommen ? „ Nichts , Herr Graf," geantwortet. Am vierten jedoch zuckte der Alte die Achseln. Wertheim fuhr auf: "/ Was soll die stumme Beschuldigung , sprich ! " „ Verzeihen der Herr Graf, aber der mit dem falschen Bart ist wieder da ge= wesen. Ich wollte gerade unser Gas an ſtecken , da ging er dicht an mir vorbei , und ich möchte jezt ganz fest behaupten, es war der Lieutenant von Müller. Ich hielt mich noch unten an der Treppe auf und da hörte ich, daß er im zweiten Stock Klingelte, daß ihm geöffnet wurde und daß er eintrat. Ob nun aber bei Monsieur Lormier oder bei den Damen, das will ich nicht beschwören, die beiden Glocken haben einen gleichen Klang." Diese Mitteilung fuhr wie ein Dolch stoß in Viktors Herz. Also doch ! Aber es gab noch andere Möglichkeiten, vielleicht eine seltsame Aehnlichkeit — oder wenn es doch der Lieutenant gewesen , wer konnte wissen, welche Geschäfte der bei dem Tänzer hatte.
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Ein Sohn.
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Als sein junger Herr nichts erwiderte Kreise junger Offiziere, unter denen sie sound so merkwürdig starr und bleich dastand, fort den Gesuchten erkannt hatten. Wertwagte Fuchs zu bemerken : „ Die Frau heim setzte sich nicht zu ihm, aber so, daß er den Lieutenant ohne aufzufallen beob Gräfin haben Besuch. " Der Graf nickte wie abwesend und ging achten konnte. Man trank Eispunsch und an der Salonthür vorbei in das Speise- plauderte. Graf Viktor wurde angeregt, zimmer. Nachdenklich schritt er auf und ab. von seinem legten Aufenthalt in England Wie ihm plöglich dieses Spionieren, zu erzählen , er fühlte sich zum Sprechen diese Vertraulichkeit und Heimlichkeit mit aufgelegt und willfahrte mit Lebhaftigkeit. dem Diener zuwider ward, wie er sich selbst Der Punsch erfrischte ihn , die Kälte ließ dieses Verfahrens schämte ! Gab es denn den starken Zusaß an Arrak kaum bemerken . keinen anderen , offeneren Weg ? Ueber- Während er von der interessanten Jagdmorgen fand Silvias erstes Auftreten statt. einladung auf dem prächtigen Landſig eines Wie hatte er nur bis jetzt zögern können ? der reichsten Lords , von dem fieberhaften Er wollte dieser Qual der Ungewißheit geselligen Treiben der Londoner Season ein Ende machen. Ob er ihr heute noch berichtete, vergaß er nicht sein Gegenüber schrieb ? Nein, seine Mutter sollte die zu beobachten. Mädchen zu morgen mittag cinladen. Dann Der junge Offizier sah heute noch mißbat er Silvia um eine Unterredung, sagte vergnügter und gelangweilter aus als geihr alles , den Verdacht , welchen er hege, wöhnlich. Nicht daß er teilnahmlos dawie heiß er sie vom Anbeginn ihrer Be- gesessen , er gab sich Mühe hier und da kanntschaft geliebt und — falls ſie offen und zuzuhören, zu lachen, wie einer, der eifrig bestimmt erklärte : Lieutenant von Müller nach Unterhaltung sucht, fiel aber sogleich) kommt nicht zu mir ! ja dann wollte er wieder in die vorige grübelnde Zerstreutihr seine Hand anbieten. Sie konnte heit. Jezt löffelte er ohne zu genießen in nicht lügen , wenn sie die schönen Augen seinem Punsch, jest stürzte er die kaum zerfrei zu ihm aufschlug ; glaubte er ihr, gangene Flüssigkeit in einem Guß hinunter dann war alles gut , dann mochte Fuchs und bestellte hastig ein neues Glas . War noch so tolle Dinge berichten, nichts sollte es denn möglich, daß der begünstigte Liebhaber eines so reizenden Geschöpfes wie ihn mehr anfechten. Gehoben von diesen Entschlüssen , die Silvia Meuniere sich mit dieser Uebelseiner offenen, heißblütigen Art besser ent- laune trug ? Das Verhältnis konnte auch sprachen als zweifelndes Abwarten , trat noch nicht lange bestehen , Müllers Verer, nachdem der Besuch seine Mutter verlobung war öffentlich) bekannt gewesen ; lassen , zu dieser ein. So sehr die alte sollte ein Mädchen wie Silvia ſich dem Dame es ablehnte , die Tänzerin schon Bräutigam einer anderen hingeben ? Viktor wieder bei sich zu sehen, es gelang der mochte nichts von alledem glauben. Indes , stürmischen Liebenswürdigkeit des Sohnes , ein hübscher Mensch war dieser Lieutenant welcher die Mutter nie zu widerstehen vers von Müller doch, wie seine schön gebaute, mochte, ihre Abneigung zu besiegen. Nach schlanke Gestalt günstig hervortrat, als er dem man heiter miteinander gefrühstückt, sich erhob ; auch die Augen bekamen Glanz wurde der erstaunte Fuchs , der seinen und Ausdruck , als er eben einer Frage Ohren nicht trauen wollte, abgeschickt, die Rede stand . Viktor fand sich jetzt sogar Einladung von seiten der Frau Gräfin von seinen Zügen angesprochen. Langsam und nun wieder mit derselben verdrießlichen an die Damen Meunière auszurichten . Die Spannung wegen der morgenden Miene steckte der junge Offizier seinen Entscheidung verfolgte Graf Viktor den Degen an , nahm die Müze und schickte ganzen Tag auf das quälendste. Nach sich an, das Café zu verlaſſen. Ein Gedanke fuhr durch Viktors Kopf. einer Abendgesellschaft im Verwandtenkreise, der er nicht zu entrinnen vermocht , nahm Die Aufregung der lehten Zeit, das morer seines treuen Alexander Arm und bat: gende Vorhaben und der eben genossene Komm mit mir , laß uns sehen , ob wir starke Punsch ließen seinem lebhaften Geiste ihn irgendwo treffen. Ungewöhnliches als anwendbar und hilfDer Better wußte schon , daß Viktor reich erscheinen. Er wollte seinem Nebenfeit einiger Zeit ein seltsames Interesse buhler folgen, wollte offen mit ihm sprechen. für seinen Kameraden von Müller an den So gut wie von ihr, konnte er auch verTag legte ; zu rücksichtsvoll und zartfüh- suchen, von ihm die gewünschte Auskunft lend , um nachzufragen , da er den Ernst zu erlangen. Und dann traf die Entund die Aufregung Viktors erkannte, heim- scheidung so viel früher ein, er meinte in lich auf richtiger Spur, lieh er den Wün- diesem Augenblicke keine Stunde länger in schen des Freundes willige Hilfe. der Ungewißheit ausdauern zu können . Sie schritten miteinander durch die Rasch flüsterte er Alexander zu, er wolle heißen, hell erleuchteten Straßen, in denen allein gehen, verabschiedete sich flüchtig von troß der späten Abendstunde immer noch dem schon etwas gelichteten Kreise und reges Leben herrschte. Alexander wußte trat auf die Potsdamerstraße hinaus . Umherspähend sah er in geringer Entungefähr, wo er die Kameraden zu suchen hatte . Sic traten in das Café an der fernung den Lieutenant dahin schlendern. Potsdamer Brücke. Obgleich Mitternacht Denselben bald einholend , redete er ihn herannahte , war der Saal noch ziemlich an: Es freut mich, Sie allein zu treffen, gefüllt . Lesende und lebhaft plaudernde Herr von Müller, ich suche Ihr Vertrauen und will damit beginnen , Ihnen das meine Gruppen saßen hier und da. Die Ankömmlinge geſellten sich zu einem ' zu geben. "
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A. von der Elbe. 1841
Ein Sohn . 1842
Schr schmeichelhaft ," erwiderte der haben , da kam der Bescheid , sein Name Ist mir ganz schnuppe ," stammelte junge Offizier, berührte mit leichter Ver- genüge doch nicht - Müller" laute zu der eben Erwachte und dehnte sich. „ Großartig gedacht, bist immer schnei} neigung seine Mühe und warf einen er gewöhnlich , und das „ von “ werde dabei staunten Seitenblick auf den Diplomaten, leicht übersehen. digerKer!! Grünheim soll allein an zwanzigArthur wetterte und fluchte über solch tausend Mark von dir haben, und der Filz welchen man als zurückhaltend kannte. Wertheim fuhr rasch fort : // Erinnern gemeines Pech, er hatte das unbedeutende läßt nicht locker. " Arthur saß jezt aufrecht und fing an Sie sich noch, daß wir im Herbst beide Gänschen fanatisch poussiert, er hatte ohne zugleich das schöne Fräulein Meunière im Frage Eindruck gemacht und war nun doch zu begreifen. Eine Angstempfindung, ein Theater bewundcrten ? “ abgefallen ! Die Erinnerung an jenen Ver- Gefühl der Verzweiflung kam für Augen„ Ich entsinne mich dunkel des Abends. " druß wurde jetzt bei seiner drängenden blicke so stark über ihn, daß er hätte laut " Trog meiner längeren Abwesenheit | Geldnot wieder lebendig. Warum hatte hinausschreien mögen. Dann siegte doch habe ich die Dame nicht aus den Augen ihm nicht der Goldfisch angebissen, wo sollte wieder sein Leichtsinn , so oder so mußte Wann denkst verloren. Ich würde mich mit aller Ent- | er jezt rasch Ersaß finden? Es war geradezu | sich alles machen lassen. du, daß ich zahlen muß ? Man hat doch schiedenheit um ihre Gunst bewerben, aber eine Schandwirtschaft ! Von der übelsten Laune erfüllt , hatte nicht das ganze Spind voll Banknoten Fama bezeichnet Sie als den Begünstigten . " " Mich? " es war ein natürlicher Laut Arthur heute den ganzen Tag nicht mit liegen." // Drei Tage gibt er dir wohl. Soll des Erstaunens , der das fein unterscheidende sich hin gewußt. Nachdem er sich bis jetzt Ohr Viktors wohlthuend berührte. Auf im Café gelangweilt, fuchte er das Offizier ich vermitteln? Du weißt, es find Ehrenatmend fuhr er fort : // Sie sollen der Einzige kasino auf. Einige lustige Brüder würden | schulden , die man nicht abschüttelt. Ich sein, dessen Besuche das Fräulein annimmt. " dort wohl noch anzutreffen sein. Es war meine es gut mit dir. " Der Bedrängte war jest in der Laune, „ Da muß ein Jrrtum , eine Verwechs- wie er gedacht. Fünf junge Herren saßen bei einer Erdbeerbowle, zwei trafen noch allem zuzustimmen , was Reichmann vorlung vorliegen. " schlug ; dieser ging als Bevollmächtigter " Sie sind also nicht der Bevorzugte nach ihm ein. Die Karten her , machen wir ein davon. Arthur kleidete sich langsam an, Silvia Meunieres ? " fragte der Graf, seine Schritte anhaltend, mit leiser vorBewegung Jeuchen! " hieß es. Gesagt, gethan ! 19 Tout frühstückte und begann nun , seine Lage ,Coupe qui veut, et gagne näher ins Auge zu fassen. bebender Stimme. „ Verzeihen Sie meine est fait! fait ! " Nirgends sah er einen Lichtpunkt. Selbst Indiskretion , aber Sie sehen wohl , daß qui peut ! * mir viel , sehr viel an der vollen WahrDas Spiel begann . Arthur war nur der Blechkasten mit dem bereits in Angriff mit wenigen Mitteln versehen , aber er genommenen Familienvermögen konnte ihn heit liegt. " „ Ich stehe Ihnen mit Vergnügen Rede, gewann und wurde warm. Der Gedanke nicht retten, denn geseht er reiste hin, entHerr Graf, besonders da ich es mit völlig bligte ihm durch den Kopf, durch erheb- rang seiner Mutter alles, woher sollte er freiem Gewissen thun kann. Die Meunière lichen Spielgewinn sich aus seinen Ver- fernerhin seinen Zuschuß beziehen ? Er ist nicht meine Geliebte. " legenheiten zu befreien. Es befanden sich durfte sich nicht selbst der letten Daseins"/ Wirklich nicht?" es war ein heller einige sehr reiche Leute unter den Kameraden, möglichkeit berauben . Und sie? - das weitere die man getrost anzapfen konnte. Die Bowle Leben der alten Frau ? Nein, es war eine Freudenlaut. wurde noch einmal und mit kräftigerem verfluchte Geschichte ! "/ Auf mein Ehrenwort, nein." In einer Ece seines Zimmers klebten Viktor reichte seinem Begleiter in freu Stoff gefüllt. Der jungen Männer Köpfe diger Aufwallning die Hand. Sie glauben fingen an zu glühen. Da alle nicht so verschiedene Karten an der Wand mit herausnicht, wie mich das beglückt, " flüsterte er, viel Geld bei sich hatten, wie sie nach und geschossenem Aß, daneben hing ein Paar „nun vielen Dank und gute Nacht," er nach geneigt wurden einzusetzen , schaffte zierlicher Taschenpistolen. Im Hin- und Herlüftete den Hut und bog in die Bellevue man mittels Tinte und Feder Rat. Checks schreiten nahm Arthur eine derselben , er straße ein. Das Bedürfnis allein zu sein mit Namensunterschrift , über bestimmte prüfte die Waffe , sie war geladen , nachtrieb ihn von dannen . Summen lautend, wurden eilig hingeworfen dem er das Schloß wieder in Ruhe gestellt , murmelte er : „so dumm werde ich Da hat die Kleine ja eine famose Erobe- und in Umlauf gesetzt. rung gemacht, dachte Arthur, seinen Weg Die Größe des Wagens reizte und regte doch nicht sein . " verfolgend. Ihren Liebhaber wird sie doch immer mehr an. Auch Arthur schrieb nach Besaß er denn gar keine reichen Freunde ? 'mal haben. Wertheim ist einer unserer und nach verschiedene Anweisungen, er wußte Ein plöglicher Rettungsgedanke ! Graf Wertheim liebte seine Schwester, reichsten Magnaten, sie soll sich nicht zieren | selbst nicht, wie viele Tausend er in UmSilvia und zugreifen. Natürlich wird es dann lauf sette. Als man bei hereinbrechendem der Mann galt als Millionär. immer undenkbarer, mich zu ihr zu bekennen. Tageslicht aufhörte, sah er nur , daß die war nicht imstande, dem Bruder etwas Die Möglichkeit, daß der Graf, der gewiß Münzen, welche er mitgebracht, und seine abzuschlagen. Zu ihr ! Sie mochte drei unter den ersten Töchtern des Landes wählen Checks dazu , sich in anderen Händen be- Tage brauchen, sich soweit mit dem Grafen konnte, ernste Absichten für die namenlose fanden. Er taumelte wirr , verzweifelnd zu verständigen, Zeit durfte also nicht ver Tänzerin hege, kam ihm nicht in den Sinn. in den jungen Morgen hinaus ; selbst das loren werden. Die Weiber sind ängstlich, Außerdem beschäftigten ihn eigene Ange- Geld für seine Nachtdroschke mußte er sich ich drohe , mich vor ihren Augen zu er schießen, wenn sie nicht will, und er licß Tegenheiten so drängend, daß er bald nicht von einem der Kameraden leihen. mehr an Silvias Verehrer dachte. Eine dumpfe Ahnung, daß es nun mit das kleine Pistol in die Tasche gleiten . Arthurs Finanzlage war immer drücken- ihm zu Ende gehe, daß er sich nicht mehr Daß er weder in Uniform noch bei Tage der geworden, heute hatte es wieder eine ab halten könne , beschlich ihn . Als er zu zu den Schwestern gehen wollte, fiel ihm scheuliche Szene gegeben, sogar die Drohung Hause angekommen , überwog indes die bei seiner großen Erregung augenblicklich war gefallen, man wolle sich an das Regi körperliche Müdigkeit, er warf sich wie er gar nicht ein. Erst als er von ferne Graf mentskommando wenden. Es würde ihm war auf sein Bett und schlief traumlos Wertheim aufseinem hochrädrigenKavalierwagen in entgegengesetter Richtung fahren nun doch nichts übrig bleiben , als die bis in den Tag hinein. Lieutenant von Reichmann, sein nächster sah, kam ihm der Gedanke : gut, daß der Mutter wieder in Anspruch zu nehmen, allein diesmal mußte er eine viel größere Freund und Teilnehmer an der nächtlichen jest nicht zu seiner Mutter geht, er dürfte Summe fordern . Partie, saß plößlich vor Arthurs Bett und mich unter keiner Bedingung in dem Hause In der letzten Zeit hatte der Bedrängte sprach von gestern, nur mühsam konnte sich sehen. " Allein bis zur Dunkelheit zu warten, auch noch einmal versucht, durch vorsichtige der Schlaftrunkene auf das Vorgefallene war Arthur nicht aufgelegt. Es hatte eben zwölf Uhr geschlagen, Vermittelung eine reiche Partie zu finden. befinnen. „Ich bin noch so mit dem blauen Auge und die Schwestern bereiteten sich vor, der Der vorbereitende Schritt war gethan und er in einer Gesellschaft mit der Erbin zu davon gekommen, " sagte der Freund, aber Gräfin Einladung zum Frühstück, um halb fammengetroffen. Er glaubte, gefallen zu du hast 'ne höllische Menge Moneten verjeut. " ein Uhr , zu folgen. Silvia war bereits
+ 1843 angekleidet, Antonie bügelte in der Küche, die im Flügel lag, ihr Musselinkleid aus . Daher ging Silvia, als geklingelt wurde, die Flurthür zu öffnen. Erschreckt starrte sie ihren Bruder an, der in Uniform vor ihr stand. Du darfst ja so nicht zu uns kommen, " stammelte fie. Ein Blick in sein verstörtes Gesicht ließ ihr Herz stillstehen sollte die Mutter ?
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Er trat rasch ein , in ihrem Bangen vergaß sie die Flurthür zu schließen ; nun stand sie mit ihm im Zimmer. Er stüßte die Hand auf den Sofatisch und blickte sie an : // Silvia , liebst du deinen Bruder?" // Welche Frage, Arthur , was ist ge= schehen ?" "Ich befinde mich in Bedrängnis nur du kannst mir helfen ich brauche rasch eine große Summe. " " Ich? " Sie dachte an die Gage für ihr Gastspiel. Es dauert leider noch ein paar Wochen , bis ich mein Honorar befomine. " Er zuckte geringschäßig die Achseln, „ du weißt so gut wie ich, daß Graf Wertheim dich liebt, er hat mich gestern abend ins Vertrauen gezogen, er ist närrisch vor Leiden schaft , du kannst alles von ihm haben. Er ist sehr reich , für eine kleine Gunstbezeigung stellt er dir Tausende zur Verfügung, er ist auch ein schöner Mann, es wird dir also nicht schwer fallen" Wie sonderbar du bist , Arthur von einem fremden Manne Geld leihen" sagte sie, sich halb abwendend , verschämt und entrüstet zugleich. 1 "/ Spiele nicht das Landgänschen , ich habe keine Zeit übrig. Du, eine Tänzerin in Berlin, weißt genau was ich meine. " „ Arthur ! " es war wie ein Zornesschrei . //Wenn meine Schwester mich nicht retten will, so bleibt mir nur eins übrig. '
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Er zog fein Pistol, ließ den Hahn spielen und setzte sich die Mündung vor die Stirn. Sie fiel ihm in den Arm , er mußte die Waffe auf den Tisch legen , sie zog ihn bebend , mit scheuem Blick zur Seite an das Fenster. das nicht // Um Gotteswillen lieber Bruder das nicht , Arthur was ist dir denn geschehen ? Laß uns doch ruhig überlegenes werden sich Mittel Mama ist ja so gut gegen dich. " finden Sie hielt ihn umklammert , fie ließ ihn nicht aus dem Bann ihres licbkosenden Zuredens. Graf Wertheim hatte, von seiner Sehnsucht der Entscheidung entgegen getrieben, die Spazierfahrt abgekürzt , den Wagen fortgeschickt und betrat nun in frohem Hoffen die Wohnung der Mutter. Als er Fuchs seinen Hut hinreichte, sagte dieser mit bedenklichem Gesicht: Eben , Herr Graf, ist er nun gar in Uniform gekommen, ich bin ein paar Schritt hinterher und fah, wie das schöne Fräulein ihn hereinließ. " Wertheim erstarrte. Wer, Mensch ? " knirschte er , seinen Ohren nicht trauend. „ Lieutenant von Müller, " erwiderte der Alte mit leisem Triumph.
A. von der Elbe. Ein Sohn. 1844
1845
Der Graf wollte kein Wort mehr , Fräulein Becker, half die noch immer halb hören, er brauchte nichts mehr. Rasender Besinnungslose entkleiden, aufs Bett brin= Zorn erfüllte ihn ganz ; einen Handschuh gen und ihre Wunde mit kaltem Waſſer riß er mitten durch, den andern ballte er behandeln. Der Schuß war durch die in der Faust ; wild , seiner selbst nicht linke Schulter gedrungen, indes die Blumächtig , stob er die Treppe hinan . Er tung wurde jest bald geſtillt. ziehung, Rücksicht , gute Form , alles lag Silvia fam wieder zu sich , sie weinte weit hinter ihm , er fühlte sich belogen, einen Thränenstrom an der Schwester Brust getreten und lechzte Rache. Die Flurthür und wollte nun von dem Geschehenen war offen, er merkte es kaum, jede Schranke sprechen, aber Antonie, die Fieberröte aufhätte er eingerannt. Die kosende Stimme glühen sah, gebot Ruhe, ihr Liebling werde Silvias leitete ihn, er stürzte ins Zimmer. noch genug Zeit finden, alles Vorgefallenc Und da stand wirklich das Paar in zu berichten. Der von Lormier herbeigerufene Arzt zärtlicher Umschlingung am Fenster. "/ Ehrloser Lügner! " schäumte der Graf, traf zuerst ein ; bald darauf der Sanitätsseine Augen traten fast aus den Höhlen, rat der Gräfin. Beide erklärten Ruhe und die Worte tönten wie ein Gebrüll, er hob Schonung für notwendig , die Lunge sei den Arm, vielleicht hemmte das Uebermaß leicht gestreift, bei guter Behandlung Gevon Wut seine Schritte, er schleuderte fahr nicht zu besorgen. Viktor hatte währenddem der Mutter seinen zusammengeballten Handschuh dem Offizier ins Gesicht. sein verzweiflungsvolles Herz ausgeschüttet. Eine dunkle Flamme fuhr über Arthurs Nur von des Gehaßten Forderung hatte Züge , der zugleich als Zeugen seiner er aus Schonung für die schmerzlich beSchmach den erstaunten Tänzer in der megte alte Dame nichts crwähnt.´Mit Stubenthür erscheinen fah . Silvia ab- ungetrübtem Gerechtigkeitsgefühl erkannte schüttelnd, riß der Lieutenant den Degen er an, daß Silvia gegen ihn schuldlos sei ; heraus und schrie : „ Das fordert Genug sie war frei , sie hatte ihm nichts versprochen, sie konnte angehören wem sie thuung ! " Dieser Anblick steigerte Wertheims sinn wollte und für sein Verbrechen, sie zu verlosen Zorn , er sah sich nach einer Wehr lezen, fand er nirgends eine Entschuldigung. um, ein Stuhl, irgend ein schwerer Gegen- Er war trostlos über sich selbst und über stand, gleichviel was ! Da, wie für ihn seine unheilvolle That. Als nun gar der hingelegt, das Pistol. Wie einen tollen Sanitätsrat herunter kam und mit wichHund wollte er den Lügner niederschießen, tigem Achselzucken erklärte : eine Verwuner hob den Arm, er drückte los. dung der Lunge sei nie ganz gefahrlos, Silvia hatte sich in diesem Augenblick da ging Viktor in stummem Schmerz von wieder vor den Bruder geworfen ; ein heller dannen, er ertrugs nicht mehr, er brauchte Schrei, und das Mädchen brach blutüber- Sammlung. Als er in seiner Wohnung anlangte, strömt neben dem Umklammerten zusammen . Das brachte Wertheim wieder zu sich, er fand er schon den Sekundanten des Lieutestürzte sich über sie , riß sie empor , trug nants von Müller, Lieutenant von Reichmann, seiner wartend. Dieser wollte eine sie zum Sofa. Ich werde Ihnen meinen Sekundanten Forderung auf Pistolen , 15 Schritt Dischicken, " knirschte der Lieutenant und ver- | stanz , zweimaliger Kugelwechsel , überlicß das Ziminer , um alles in der Welt morgen früh 6 Uhr an einem näher zu wollte er jegt keine Entdeckung, er wollte vereinbarenden Ort, überbringen, der Herr nicht der Tänzerin Bruder sein, das hätte Graf möge gefälligst seinen Sekundanten seine angefochtene Kavaliersehre ganz zer- bezeichnen. Wertheim nannte Vetter Alexander, stört. Antonie eilte, während er hinausging , aus dem Nebenzimmer herein , die welchen Reichmann alsbald aufsuchte; Alelauten Stimmen, der Schuß , hatten sie gander kam eilig und sehr bedrückt zu Viktor. „Ich habe etwas derartiges vorausherbeigerufen . Die Schwester blutend, mit Ohnmacht geschen," meinte er , du hattest längst Um Gotteswillen , Herr unsern Müller aufs Korn genommen, leider kämpfend Graf, was ist geschehen ?" ist er ein famoser Pistolenschüße." Man " Meine Thatich Unseliger !" sprach hin und her über die Sache. Viktor Wertheim rang die Hände und lag auf berichtete in großer Erregung die Einzelden Knieen neben dem Sofa. heiten, über welche er indes strenges Still„ Gehen Sie, Lormier, schaffen Sie so schweigen erbat . Er hatte bei seiner Mutter, rasch Sie können einen Arzt. " zur Schonung Silvias , zarteſte Behand"Hoffentlich ist's nicht schlimm -es lung der Sache empfohlen. Ihm war wäre ein Jammer ums Jastspiel ! " Er ver todestraurig zu Mut, das füße Kind schwer verletzt zu haben, gereichte ihm zur größten schwand . . Auch Sie, Herr Graf, bitte ich, uns | Qual. Dem Lügner die Ehre der Satiszu verlassen ich muß nach meiner armen faktion zu gönnen , deuchte ihn allerdings Schwester Wunde sehen. " zu viel, allein er sehnte sich danach, dem „Ich will sogleich den Arzt meiner Räuber seines Glücks mit der Waffe in Mutter holen lassen und die Becker herauf der Hand gegenüber zu treten , und so schicken , Ihnen beizustehen. Flehen Sie kam ihm das Duell ganz erwünscht. Auch Arthur befand sich gerade in der für mich um Silvias Berzeihung - " er stürzte fort. Stimmung , den Zweikampf willkommen Wenige Augenblicke später erschien zu heißen. Er glaubte noch immer den
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Am andern Morgen bald nach fieben | fragte Alexander zögernd . Viktor bat Schlag von des Grafen Handschuh auf seiner Wange zu fühlen . Das ihm ! Zor | Uhr es war ein milder Regentag und dringend um Auskunft und jener fuhr nige Rachsucht glühte in ihm auf, sobald die Stegligerstraße schimmerte feucht - fort : "/ Müller ist unversehrt geblieben ; als er daran dachte. Außerdem beneidete er hielt eine Droschke, mit zugezogenen blauen den reichen Mann , der ihm so leicht hätte Gardinen vor den Fenstern , an der Ecke er dich anscheinend tot zusammenbrechen helfen können, falls nur Silvia sich weniger Stegliter- und Flottwellstraße. Ein Offi- sah, cilte er nach seinem Wagen ; wie fich einfältig benommen . Es geschah ihr ganz zierbursche saß neben dem Kutscher, sprang später herausstellte, fuhr er geradeswegs recht, wenn er ihr den Millionen-Liebhaber herunter und öffnete die Wagenthür. In zum Bahnhof um durchzugehn. Das Rewegschoß ! Er war ernstlich böse auf sie, dem bläulich-dämmerigen Raume befanden gimentskommando ließ jedoch, als Müller der Denkzettel , den sie davongetragen , sich drei Männer ; einer derselben war fahl im Begriff war ins Koupee zu steigen, -konnte ihr nicht schaden. Cormier hatte bleich , er lehnte mit verbundener Stirn ihn verhaften. Bei dem ersten ehrengericht ihm Nachricht gebracht , daß es mit der und geschlossenen Augen schlaff in den lichen Verhör als dein Sekundant zugeVerwundung nicht viel auf sich habe ; so Armen des neben ihm sigenden Arztes . zogen, hielt ich es für meine Pflicht, die sorgte sich Arthur neben den drängenden | Vom Rückſik sprang Alexander auf und Nichtswürdigkeit des gebrochenen Ehreneignen Angelegenheiten kaum weiter um verließ den Wagen, er trug einen Paletot worts , von der du mir erzählt, als Grund die Schwester . loſe über die Uniform gehängt und gebot eures Zerwürfnisses anzugeben. Um sich vor Er sah jezt klar , daß er des Kaisers dem Burschen noch eine Weile hier zu dem Schicksal zu retten, infam kassiert zu Rock nicht länger tragen werde. Seine warten , und dann die Droschke langsam werden , kam nun der in die Enge Getriebene damit heraus , daß Silvia MeuSchulden mußten ihm den Hals brechen. folgen zu laſſen. Bekümmerten Gesichts erreichte dernière - seine Schwester sei und daß" Kam noch eine Strafe für das Duell dazu , Scine Schwester ! " rief der Kranke war's ihm gleichvicl, es ging in einem hin rasch Zuschreitende in wenigen Minuten und vielleicht gelang es ihm auch, zu ent- die Wohnung seiner Tante , der Gräfin dunkel erglühend und hoch emporfahrend . kommen. Seine Gläubiger freilich würden, Wertheim . Fuchs erschrak, als er den jungen „Ja seine richtige, wirkliche Schwester, das Fräulein von Müller , die Tochter wenn ſie Wind von der Geschichte bekämen, Baron so früh eintreten sah. „Frau Gräfin schon aufgestanden ? " eines Offiziers . Er hatte aus der alleraufpaſſen wie die Schießhunde und nicht leiden , daß er durchbrenne. Und nach stieß der Kommende hervor. dings entschuldbaren Regung von Stan= dem Eflat , den die dumme Silvia angeFrau Gräfin fißen eben , mit Fräu- desbewußtsein die Tänzerin mit ihrem richtet, da auch der Tänzer und Wertheims lein Becker im Erker beim Frühstück ; darf Künstlernamen verläugnet, aber verkleidet und heimlich seine Schwester besucht. " Leute davon wußten , mußte er sehr be- ich den Herrn Baron melden ?" fürchten „ Danke ! " und Alexander eilte , nur „Welche Offenbarung ! Und Silvia, Auf alle Fälle wollte er sicher gehen , seinen nassen Paletot in den Händen des rein wie das Sonnenlicht, ohne Liebhaber, daß seine Mutter sich nicht überrumpeln Dieners zurücklassend, in den Salon. von guter Familie und wie ich höre auf ließ und keinen Groschen in das bodenlose Die Gräfin fuhr schreckensbleich bei Besserung. D Alexander , diese Freude Faß warf , er hatte dereinst ihr Geld seinem Eintritt empor , zitternd that sie wird mich rasch gesund machen ! " Eifrig nötiger. Er beschloß ihr zu schreiben, ihm einen Schritt entgegen und streckte, forschte er was weiter mit Arthur von nicht gerade einen zärtlichen Abschiedsbrief wie vor etwas Entseßlichem, die Hände Müller geschehen, ſein Gefühl für ihn, als auf den Fall seines Todes, nein , einfach | abwehrend aus . „ Viktor" stammelte sie. Bruder Silvias, war ein verwandeltes. den Stand der Dinge und VerhaltungsAlexander zuckte die Achseln. // Er hat Alexander küßte ihre bebende Rechte maßregeln. Daß etwas von seinem Aerger teilnahmsvoll und führte sie wieder zu ein halbes Jahr Festung bekommen und soll, über Silvia mit einfloß -die ihn durch ihrem Sih. Eine leichte Verwundung, wie ich hörte , in nächster Zeit nach dem ihre Liebschaft mit dem Grafen in scheuß- gnädigste Tante ja keine unnötige Chrenbreitstein abgehen. Häßliche Schulliche Händel verstrickt habe und an seinem Sorgen er wünschte zu dir gebracht zu den, welche seine Mutter zu zahlen weigert, ganzen formidablen Pech schuld sei werden wir haben ihn unten in der scheinen auch vorzuliegen, so wird er schwerlich später im Dienst bleiben können. Nun, geschah fast unwillkürlich. Es war einmal | Droschke" sein eigenstes Bedürfen , sich außer VerWo, wo? O nur rasch herauf ! Legt fürs Regiment ist's kein Verlust , wenn antwortung zu sehen , die Mutter hatte ihn mir aufs Sofa. Dann lassen Sie es den Windbeutel_los_wird. “ Diese Mitteilungen , so befreiend fie ihm so oft Entschuldigungen in den Mund im blauen Zimmer ein Bett aufschlagen gelegt. Becker, dort ist bessere Luft als hinten ! " auch für das Gemüt gewirkt, waren doch Diesen Brief beförderte er gegen Abend ; „ Ich bitte recht ruhig zu sein, " mahnte allzu aufregend für den in der Genesung Erneutes Fieber er berücksichtigte nicht, daß er seine Mutter, Alexander, er ist schwach , etwas ohn Begriffenen gewesen. stellte sich ein , und er mußte seine Unwenn sie vorher von dem Duell erfuhr, mächtig, nicht ganz bei sich." in die peinlichste Unruhe stürzen mußte, Die Männer trugen der Besinnungs- geduld mit Silvia wieder anzuknüpfen, er wollte nur sicher gehen , daß sie seine losen die Treppe herauf, er hatte die noch eine Weile zügeln . Die Schwestern hatten eine schlimme Anordnungen wirklich erhielt. Er wußte, Kugel vor die Stirne bekommen, doch war fie konnte sich hinter ihre vormundschaft- ihr Lauf schräg gewesen und hatte den Zeit hinter sich. Da war nicht allein lichen Pflichten für die minorennen Ge- Knochen nicht durchschlagen , der Arzt Silvias Verwundung, die allerdings eine schwister stecken, auch gehörte ihm bei den hoffte also des Verwundeten Leben zu er- Wendung zum Guten nahm , auch die Lebzeiten der Mutter ja noch nichts , sie halten. Sorge um Arthurs Geschick beängstigte sie, hatte ihm das oft gesagt. Sollte er verEs geschah alles was die liebevollste und dazu kam, vor allen Dingen, ein Brief wundet werden , vielleicht besinnungslos Pflege ersinnen und darbieten konnte, drei mit Vorwürfen von ihrer Mutter. liegen , so mochte seine Mutter sich zu Tage indes schwebte doch Graf Viktors Antonie konnte feinen Fehl in der überflüssigen Opfern verleiten lassen, das Leben, bei andauernder Besinnungslosigkeit, Schwester Betragen finden; fie wußte ja mußte er auf jeden Fall verhindern. So in Gefahr. Endlich siegte die gute Natur nun um alles Geschehene und begriff Armit glaubte er alles gethan zu haben, des Kranken und die Kunst des Arztes . thurs Anschuldigungen , von denen die was er konnte. Mit Mühe raffte er noch Die Besinnung kehrte zurück , Viktor be- Mutter schrieb, durchaus nicht, indes wußte soviel bares Geld zusammen , wie er zur grüßte liebevollen Blicks seine Mutter, fie aus wiederholter Erfahrung, daß Arthur Eisenbahnfahrt nach Bleiden brauchte, erkannte Alexander und war einige Tage immer recht bekam . Als nun Silvia fich hütete sich aber wohl, dasselbe schon ein später so weit , den Vetter nach dem so weit erholt hatte , daß der Arzt Luftzustecken, als er wie immer in die abend- | Schicksal seines Widersachers fragen zn veränderung und Landaufenthalt für notkönnen. lichen Vergnügungslokale ging. wendig erklärte, als die Kranke unter Thrä„ Darfst du wirklich alles anhören, was nen im Auge jammerte : „ O dieſe Steins * ich dir Merkwürdiges zu berichten habe ? " massen , Steinmassen überall ! " wagte es
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Am nächsten Morgen schritten zwei Antonie der Mutter zu schreiben und um Liebe und Rückſichtnahme hättet behandeln Aufnahme zu bitten. Die umgehende Ant sollen, " sagte sie unter Thränen der Er- junge Männer mit Veronika den Pfad wort schnitt dem Mädchen ins Herz . Frau regung , da wird er durch Silvias ko- durch die Wiesen nach dem Heisterbusch Wilhelmine schrieb : kettes Treiben in diesen Konflikt gestürzt ! dahin. Der eine von diesen war der gestern "Ich würde es als eine Gemütlosigkeit Ich weiß nicht wie du ein Wort der Ent von Berlin angekommene Graf Wertheim, ansehen, Silvia, welche durch leichtfertige schuldigung finden kannst, wo die schreck welcher sich den Geschwistern angeschloſſen. Liebschaften ihren Bruder in lebensgefährliche Thatsache redet , daß Arthur durch Er trug noch eine schwarze Binde um die liche Händel verwickelt , und Ursache ist, euch das süße Recht der Freiheit verloren. Stirn, die Wunde von Arthurs Kugel zu daß er ein halbes Jahr lang sein Leben Das Bedauern und die Klagen über eine verhüllen , sein Haar war kurz geschoren, auf der Festung vertrauern muß, gewisser solche Möglichkeit werden mich bis an das sein Gesicht schmal und blaß geworden, aber in seinen Augen brannten Ungeduld maßen zur Belohnung an meine mütter Grab begleiten . Es war auch ganz vergeblich , daß und Leidenschaft. Er hatte Waldemar liche Brust zu ziehen . Nein vorläufig bleibt mein Haus diesem Kinde ver Antonie eine Verteidigung versuchte. Der seine Liebe zu Silvia anvertraut, ihm ge= schlossen! " Sohn hatte gesprochen und dagegen kam sagt, daß er ihre Vergebung erflehen und um sie werben wolle. Was nun? Die Mittel Antoniens niemand zu Wort. Nachdem Antonie die bräutliche LisIn seiner großen Gemütsbewegung reichten nicht, mit der bleichen Schwester cinen Badeort aufzusuchen, auch überwog beth begrüßt, kehrte sie bedrückten Gemütes hatte er den erschütternden Eindruck nicht bemerkt, welchen seine Mitteilung auf den der Kranken Sehnsucht nach Bleiden , sie nach dem Heisterbusch zurück. wollte von keinem anderen Orte hören . So sehr Frau Wilhelmine auch litt, Vetter gemacht. Auch jest sprach er mit Da entschloß sich Antonie an Tante Char- wußte sie nach außen stets ihr sanftes der ihm eigenen Lebhaftigkeit offen von Lotte zu schreiben; sie kannte die beschränkten Lächeln zu bewahren und sich in alter Ge- seiner Hoffnung, seiner unbesieglichen LeiRäume der alten Försterei , aber sie hoffte wandtheit dem Gegebenen anzupassen. Sie denschaft für das reizende Geschöpf, das er doch, die Gute würde es möglich machen, erzählte in ihrem Bleidener Kreise , die in seinem blinden Zorn so grausam verlegt . Die Geschwister hörten ihn mit tiefer fie aufzunehmen. In einem langen Briefe arme Silvia sei etwas brustleidend gelegte sie noch einmal den ganzen Sach- worden und gebrauche draußen bei der Bewegung zu . Der beiden lieben Mädchen Leben und Verhalten in Berlin_trat in verhalt dar, über welchen zuvor schon die guten Tante eine Milchkur. teilnehmende Pauline mit der Freundin Mit überraschender Wärme waren dieser Schilderung noch einmal mit voller forrespondiert hatte. Sternbergs den Schwestern entgegenge- Klarheit und Reinheit vor ihre Seelen . Als Veronika zu dem Sofa heranCharlotte antwortete bald und herzlich kommen . Gleich nach ihrer Ankunft hatten zustimmend. In meinem Schlafzimmer sie eine Erkundigung geschickt , wie die kam, auf dem Silvia ruhte, und ihr sagte, stehen zwei Betten," schrieb sic in ihrer Kranke die Reise überstanden. Veronika Graf Wertheim sei da, er lasse bitten sie sachgemäßen Weise , "/ das eine bekommt fragte am nächsten Tage selbst nach Sil- sprechen zu dürfen, erschrak die Kranke bis nachts die Kranke, während du mit meinem vias Befinden, während Waldemar draußen ins Herz hinein . Eine glühende Röte großen Sofa in der Stube fürlieb nimmst, auf Nachricht wartete. „ Darf er morgen flutete über ihr zartes Gesicht. Sie hatte am Tage.kann Silvia da ruhen. Kommt mit hereinkommen dich zu sehen , meine ihn seit jener entsetzlichen Stunde ihrer sobald ihr könnt , es ist hier wie immer arme Sylphe ?" fragte Veronika beim Verwundung nicht gesehen, sie wußte, daß Scheiden. er von ihrem Bruder zusammengeschossen. wunderschön ! " Silvia nickte errötend und Antonic ging wie tot auf dem Plage gelegen . Das klang gleich einer Sphärennuſik Muß ich ihn empfangen , Antonie ?" in der Mädchen Ohren, ja, die gute Char- mit vor das Haus, Sternberg zu begrüßen fragte sie erbebend. Wenn es sein soll, lotte hatte ein Herz für ihre Leiden ! Ez und für die Teilnahme zu danken . schien als sei Silvia von neuem Mute wie gut, Tante Charlotte, " meinte darfst du mich nicht verlassen . " " Bei ihrem sichtlichen Erschrecken regte durchſtrömt, sogar ein Schimmer von Rot die Kranke , daß sie uns Arthurs Verzeigte sich wieder auf ihren Wangen und halten und allen Kummer jener Zeit gar sich etwas wie freudiges Hoffen für ihren Waldemar in Veronikas Brust. dieser hoffnungsvolle Anblick belebte Antonie nicht nachtragen ! “ Antonic redete der Erregten beschwich= zu den größten Anstrengungen . Schon Ja , die Sternbergs find trefflich , " am andern Morgen konnten sic abreisen . | crwiderte Charlotte mit voller Ueber- tigend zu , so entschloß sie sich den Grafen Lormier, der sich über die Verhinderung zeugung. in der Schwester Beisein wieder zu sehen. Mit heißem, leidenschaftlichem Flehen Am andern Tage kam nun doch Waldedes mühsam errungenen Gastspiels gar nicht beruhigen konnte, und Pauline Klein- mar nicht mit. Veronika erzählte , ein lag Viktor auf seinen Knieen neben dem schmidt gaben ihren Schüßlingen wieder Vetter sei , unerwartet und etwas ange- Ruhebette der Gelichten ; die Stunde, wo das Geleit. griffen von der Reise, bei ihnen eingetroffen , er in Berlin gleich nach der That ebenso Mir ist als sollten wir Sie nicht der Bruder könne denselben nicht gut vergelegen , stand allen dreien lebhaft vor Augen. Silvia saß aufrecht und ließ ihm wiedersehen , " sagte die gutmütige Put lassen . macherin, ich fürchte, Sie kehren unserem Heute gab es nun unter den Mädchen ihre Hand, die er mit Küſſen bedeckte, sie reizenden Berlin jar zu jerne den Rücken ! " zum erstenmale eine offene , ernste Aus- verzich ihm bereitwillig und völlig , was Silvia nickte lebhaft, Antonie gab eine sprache über Arthurs Wesen und Verhalten . er ihr zugefügt, war es doch unabsichtlich herzliche Erwiderung und dankte wirklich Sie hatten alle schmerzlich darunter ge- gewesen. Beglückt von ihren gütigen Worgerührt für viele genossene Freundlichkeiten . litten. Niemand wagte einen harten Tadel, ten forderte er mehr, er begehrte ihre Liebe Nun waren sie im Heisterbusch ange- aber sie verstanden sich mit jedem Worte und bot ihr seine Hand. kommen und fühlten sich in Charlottens und fühlten sich , als so die Teilnahme nein , Herr Graf, das nicht , anObhut wohl geborgen. der einen für die andere Ausdruck fand, gehören kann ich Ihnen niemals, " stam Antonie empfand es als erste Pflicht, einander näher denn je. Wenn auch Vero melte sie leise. Dringen Sie nicht in andern Tages zur Mutter zu gehen. Kühl nika , die Autoniens Brief an Charlotte mich, zürnen Sie mir nich mein Herz trat ihr dieselbe entgegen. Wie auffallend gelesen , der Schwestern Schicksal kannte, ist nicht mehr frei, " fügte sie , als er jie war die bisher noch jugendliche Frau seit so ergänzten die mündlichen Andeutungen auflchte, fast unhörbar hinzu. Werden Sie glücklich, Er erhob sich. dem März gealtert! Die Tochter fand, doch noch manches . avie sie vorausgesehen , einen harten Stand Er ist von jeher Mamas Abgott Silvia. O, ich hätte Sie auf den Händen bei der Erzürnten, ja diese hatte sich viel gewesen, " sagte Antonie , "/ eine rücksichts- durchs Leben tragen mögen !" Leicht nie so rückhaltlos crbittert ausge- lose Selbstliebe ist ihm anerzogen und mit Er war fort , bebend, die Augen mit sprochen wie jeßt. ihm groß geworden , man sollte ihn be- Thränen gefüllt , trat er draußen zu den "/ Wo ihr den Bruder , der hier eben dauern, wenn er durch sein Thun nur Geschwistern. Ich kann euch nichts verhehlen ſie liebt einen anderen. “ die schwere Kränkung durchlitten, mit aller nicht so tief がverlehen könnte . " 78
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Stumm schritten sie nach dem Stern= ; Wenn ich deine Liebe nicht verwirkt Werke der Barmherzigkeit , nach denen du dich schnst , gar bald an deinem eigenen berge zurück, aller Herzen waren übervoll habe , du Herrlicher ?" von den verschiedensten Empfindungen. „ Das war nicht möglich ! " Er zog sie an Vater zu üben bekommen . Wolltest du Einmal drückte Veronika in stiller Zuver- sich und küßte sie schonend, wie man etwas meine Pflege fremden Händen überlassen ?" Onein, nein ! Ich dachte, Silvia -" sicht, als sie eben dicht nebeneinander dahin sehr Zartes vorsichtig berührt . schritten , die Hand des Bruders. Die junge Frau hat andere Pflichten „ du Bester, wie soll ich dir jemals Früh am nächsten Tage reiste Graf genug danken ? " hauchte sie , sich seinen zu erfüllen. Ich fühle, daß du mir näher Wertheim ab , er schien ein anderer , als Liebkosungen seligen Gefühls überlassend. stehst. Als nach einiger Zeit die rücksichtsVeronika umarmte ihren Vater , es da er gekommen, ein müder, gleichgültiger Mann; sein heißestes Schnen , das , was vollen Schwestern wieder vor die Thür that ihr wohl, daß er nicht ohne sie bleiben ihm seit einem halben Jahre Herz und traten, fanden sie das Paar mit strahlen- mochte, und sie versprach, ihn nie zu verSinn erfüllte , war unwiederbringlich in den Augen, in voller Einigkeit und schöner lassen. Nichts zerronnen. Gewißheit ihrer Zukunft. Auch Charlotte Eine ähnliche Auseinandersetzung fand Und Waldemar begann zu hoffen. Er kam herbei und freute sich des Glückes der wenige Tage nach der Hochzeit im Heisterbusch statt. Antonie sprach von ihrer wurde von Veronika bestärkt, die des treuen beiden lieben Menschen. Bruders Herzensgeheimnis lange schon Am Nachmittage langte der alte Herr Rückkehr nach Berlin zum Eintritt in das durchschaute und nun auch die geläuterte von Sternberg im Heisterbusch an und Putzgeschäft , in welchem Pauline KleinSilvia , die ernster und sinniger Gewor- beeilte sich, seine reizende junge Schwieger schmidt ihr, nachdem sie die Lehrzeit überdene, seiner würdig fand. So machten tochter herzlich zu begrüßen. Wenn er auch standen , eine Stelle mit kleinem Gehalt sie sich unverzüglich auf den Weg nach nach den peinlichen Vorfällen mit Arthur angeboten. dem Heisterbusch . lieber gesehen haben würde, daß sein Sohn Laß mich dir noch einmal den VorEs war ein köstlicher Morgen , als sich aus einer anderen Familie die Gattin schlag wiederholen, meine treue Gefährtin Silvia, zum erstenmal nach ihrer Ankunft, erwählt hätte, so empfand er doch zu ge- und Gehilfin zu werden , liebe Antonie, " vor dem Hause unter den Bäumen saß recht, um Silvia des Bruders Fehler nach- sagte Charlotte herzlich. Ich kann jezt und mit frohem Genießen die Blicke über zutragen. War er doch auch lange daran schon übersehen, daß ich weiter komme und das heimische Bild schweifen ließ ; Antonie gewöhnt, Waldemars Neigung diese Rich- immer zu thun habe. Manch neuer Plan saß neben ihr , während Charlotte ihren tung einschlagen zu sehen. Zu seiner feinen, regt sich in mir. Welche Lust und Freude häuslichen Pflichten nachging. ruhigen Weise that er allen wohl und ver- wäre es, wenn wir gemeinschaftlich arbeiten Wie schön ist es doch hier ," sprach sprach, so lange der Braut Gesellschaft zu könnten ! Ist deine Vorliebe für den erdie Genesende. " Mir ist , als hätte ich leisten , bis Waldemar von Bleiden zurück griffenen Beruf nicht zu groß, so laß ihn das früher nie gesehen. Ich wollte , ich sein werde , wohin er doch nun vor allen fahren und werde Landwirtin , wie ich.“ , wie glücklich du mich machst, meine brauchte gar nicht nach Berlin zurück ! " Dingen fahren müsse, um sich das Jawort Herzenstante ! " rief Antonie lebhaft. „ Du Sie errötete, indem sie dieſen Wunsch aus der Mutter zu holen. Waldemar hatte seit dem Märzabende, weißt , daß ich mich in Berlin nicht sehr sprach , und fügte bescheiden hinzu : „Ich weiß ja , daß mir nichts anderes übrig an welchem er mit Arthur von Müller wohl gefühlt habe, ja daß die Erinnerung bleiben wird, als in einigen Wochen nach abrechnete , das kleine Haus nicht wieder an die legte Zeit mich mit Grauen erfüllt. zusuchen , ob mir das aufgegebene Gast- betreten , und er empfand es in diesem Bin ich dir keine Last , so sei überzeugt, spiel beim Wiederanfang des Theaters zu Augenblicke schmerzlich, daß er gerade hier daß ich unendlich gern bei dir bleibe." teil werden kann. “ Charlotte reichte der geliebten Nichte sich sein Glück suchen müsse. Die gewandte Erst mußt du dich völlig erholen, " Frau machte ihm indes seine Aufgabe leicht . die Hand. Also treue Gemeinschaft fo erwiderte Antonie tröstend , wie dürftest Sie erkannte in der Bewerbung einen Licht lange, bis einer kommt, der dich mir entdu jest wohl tanzen ? Auch weiß ich be- strahl , der auch Arthurs Pfad noch der führt. " „ Das wird nie geschehen , " sagte Anstimmt , daß Tante Charlotte uns gern einst erhellen konnte. Die Begegnung war, noch bei sich behält." wenn auch von der Mutter Seite wort tonie ernst. //Ich wüßte wohl einen Mann , dem Während sie so miteinander plauderten, reich, doch kurz, sie versprach, morgen der kamen eben die beiden Sternbergs von franken Lochter ihren Segen zu bringen. du einen schönen Ersatz bieten könnteſt – Silvia erholte sich von nun an rasch ; Hermann Aschenberg." der Wiese über den Deichpfad auf das Haus zu. Der ?" fragte Antonie , die Tante für den wohleingerichteten Sternberg beMit stummem Gruß reichte Waldemar durfte es keiner Ausstattung , und schon groß ansehend . „Ich glaubte, dein Interesse neige sich Silvia die Hand , hatte er sie doch seit sechs Wochen nach der Rückkehr von Berlin ihrer Heimkehr noch nicht wiedergesehen. wurde sie mit Waldemar von Sternberg in ihm zu ?" Nur beinetwegen habe ich immer an Sie fühlten sich beide so tief ergriffen, daß der Kirche zu Bleiden ehelich verbunden. fie fein Wort zu sagen vermochten. Er Sie hatte gebeten : „ Nur keine Hochzeits- ihm teil genommen. Ihm angehören könnte nahm Antoniens Stuhl und rückte dicht reise ! Wo könnte es schöner sein als hier ich nicht. Gibt es irgend einen Mann, den ich von jeher warm verehrt, so ist das zu der halb Liegenden heran, die treuen bei euch!" Schwestern hatten das Paar sogleich allein Und so bezog denn das junge Paar mein Schwager Waldemar . Da ich aber voll tiefster Herzensbefriedigung die wohn- Silvia über alles liebe , mischt sich kein gelaſſen. Sie haben gelitten , meine acme lichen Gemächer des alten Herrenhauses , Stäubchen eines unreinen Gedankens in Sylphe, " flüsterte er, sich zu ihr neigend. welche der Vater und Veronika für fie meine warme Freude an ihrem jungen erspart ! Aber Sie wollten es nicht anders . Ist denn nun Ihre Lust an dem bunten Treiben noch immer nicht erschöpft ?" Ich weiß lange, daß Sie recht hatten. Wie oft habe ich an unsere Unterredung in der Weinlaube gedacht ! Aber ich war noch so ein unverständiges Kind. D, Sie find viel flüger und besser als ich !" „ Solltest du denn jetzt endlich dich meiner Führung ganz anvertrauen wollen, Silvia ?" fragte er zärtlich und legte den Arm um sie.
Schon einige Tage vor dem Einzuge Heisterbusch noch doppelt so lieb, und willst der jungen Frau hatte Veronika ihren du mich wirklich für alle Zeit hier behalten, Vater gebeten , da er ja nun eine andere | so weiß ich, daß ich mich nirgends so wohl Tochter befominen, fie fort zu lassen, damit fühlen werde wie bei dir. " sie ihrer alten Neigung folge und DiakoSo ward auch dies Bündnis zu beidernissin werde. Der Kammerherr erschrak. seitiger Zufriedenheit geschlossen, und bald // mir deucht , mein Kind, " sagte er, ich waren sie so sehr eins geworden , daß sie brauche dich mehr denn je. Waldemar nicht mehr begriffen , wie sie je ohne ein- S wendet sich naturgemäß seiner jungen Frau ander hatten leben können . zu, ich würde ohne dich ganz verlassen sein. Die Zeit ging hin , Frau Wilhelmine Und da das Alter auch mir seine Be- hatte die Hochzeit mitgemacht und zeigte schwerden bringen wird , könntest du die sich äußerlich den Töchtern versöhnt. Auch
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A. von der Elbe.
1855 Lisbeth war manchmal auf dem Sternberge ; die fleine Harmlose ging in einer besonderen Wolke von Unberührtheit , fie schrieb an ihren Theodor , besuchte den lieben Onkel Brammer oder den Schwiegerpapa Landrat mit seiner guten Tante Lucie. Sie litt wenig unter den Kämpfen und Launen der Mutter, weil sie in ihrer Arglosigkeit nichts davon gewahrte, und so kamen die beiden immer gut zusammen aus. Mit dem Spätherbste wiederholten sich die Besuche des Landrats bei den Bewoh nerinnen des Heisterbusches öfter. Char lotte bemerkte es mit Sorge, der Gedanke bekümmerte sie, daß Hermann vergeblich um Antonie werbe, fie fonnte des Gefühls, schwesterlich beratend zu ihm stehen zu müssen, noch immer nicht Herr werden und hätte ihn gern gewarnt, wenn es ohne unbescheidenen Eingriff möglich gewesen wäre. Auch waren Antonie oder Lucie immer zugegen , und so blieb ihr nichts übrig, als die Dinge gehen zu lassen. DerNovember war herangekommen ; Antonie wanderte durch den ersten, leise herabrieselnden Schnee nach dem Sternberge hinüber, Charlotte saß mit ihrer Handarbeit bei der eben angezündeten Lampe, da nahten rasche Schritte , die Hausthür wurde geöffnet, festes Anpochen, und der Landrat stand der Aufblickenden gegenüber. Charlotte begrüßte ihn herzlich : Sie find ja fast ein Schneemann, Aschenberg ! Ihrer Schwester war das Wetter wohl zu schlecht ? Wollen Sie noch einen warmen Kaffee?" Danke, danke, ich will heute nur Sie, und zwar allein , ich hörte , daß Fräulein Toni ausgehe." Er legte seinen Paletot ab und setzte sich neben sie aufs Sofa : Wie gut und frisch Sie aussehen ; ich habe mich lange dagegen gewehrt , Sie gelten zu lassen, aber Sie sind und bleiben doch ein treffliches Mädchen. " Die derbe offene Ehrlichkeit stand ihm sonderbar, Charlotte lächelte, das Sprichwort fiel ihr ein: Wer die Tochter haben will, macht der Mutter den Hof" ; leider wußte sie, daß sie nicht nach seinem Sinn Es über die Tochter verfügen konnte. scheint ja, Herr Landrat, als ob Sie einen endlichen Frieden mit mir machen wollen. Zum Trost kann ich Ihnen sagen , daß ich Neckereien gut vertrage und an Ihrer Kritik nicht zu Grunde gehen würde." „ Ich muß mich selbst anklagen und Ihnen etwas abbitten. Lange Zeit hielt ich Sie für herzlos , ja noch etwas Aergeres für berechnend. Ich fand kein Verständnis für die ruhige Sachlichkeit Ihres Wesens , etwas Besonderes an einer Frau. Als ich aber sah, wie liebevoll Sie die beiden armen Dinger aufuahmen , die das Meer der großen Stadt auf den Sand geworfen, fing ich doch wieder an, Respekt vor Ihnen zu bekommen. Ich wußte recht gut, wie die Sachen in Wirklichkeit standen, und daß die schönredende Frau Mama nichts von den Mädchen wissen wollte, die fie doch selbst hinausgeschickt. Sie aber thaten Herz und Thür weit auf und frochen mit den Kindern bescheiden hier in Ihrem
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Ein Sohn. 1857
Nest zusammen . Dann hatten Sie das | Frau gemacht, aber wenn's nicht sein soll, Glück, den hübschen Schmetterling bald mag's meinetwegen auch so gehen. Die Beste bleiben Sie doch ! " Und er schlug anzubringen , die andere Will nicht heiraten, Aschenberg. " fest in ihre ausgestreckte Hand. * Mir ganz egal, soll's bleiben lassen ! Der Rotkopf kann Ihren Kram hier weiter Als das neue Jahr anbrach , bemächführen , an dem Sie nun doch einmal hängen, wenn Siena Charlotte - wenn tigte sich Wilhelminens eine verzehrende Unruhe. Jest waren die sechs Monate Sie endlich meine Frau werden. " Charlotte erschraf, da sollte es hinaus, Festung , welche ihr Arthur zu verbüßen er rechnete doch noch auf sie? Es war hatte, bald abgelaufen, dann wollte er zu ihr tief schmerzlich , ihm abweisend ant ihr kommen und mit ihr gemeinschaftlich worten zu müssen , ihm , dem schon Ver- einen neuen Zukunftsplan besprechen . Ihre bitterten , eine neue Enttäuschung zu be- Unruhe, ihre Schlaflosigkeit nahmen derart reifen, und doch fühlte sie sich jest so sicher zu , daß der Arzt ihr Mittel dagegen geben und befriedigt in ihren Lebensverhältnissen, mußte, und daß ihre ohnehin angegriffene daß sie nicht anders zu handeln vermochte. Gesundheit schweren Schaden litt. Endlich die Nachricht , daß er überZu spät ! Was sich vor einem Jahre neu in ihr geregt , war jest überwunden und morgen am fünfzehnten gegen Abend einkonnte in der alten Kraft nicht wieder treffen werde. Sie hatte schon längst ge= aufleben. sonnen , wie sie es ihm am bequemsten „ Schlagen Sie ein , Charlotte , alte machen könne. Aus dem kleinen Zimmer Liebe rostet nicht; wir zwei sind doch ein links, das er im März bewohnt, war das Bett entfernt und der Raum möglichst mal für einander bestimmt. " Ich glaube nicht , Aschenberg , " er zierlich und behaglich eingerichtet. In der widerte sie zögernd, mit abwehrender Be Kammer daneben, die an ihre eigene grenzte, wegung. Ich danke Ihnen , daß Sie damals den Schwestern gehörig , sollte er endlich zu Ihrer früheren guten Meinung schlafen. Sie hoffte, bis man eine passende von mir zurückgekehrt sind , allein es ist Stelle für ihn gefunden , vielleicht recht jezt kein Heil mehr für uns in einer Ver- lange , den Liebling bei sich zu behalten ; einigung zu finden. Wenn man einen ge- das sollten gute Tage werden , in denen wissen- Punkt im Leben erreicht hat, bleiben sie sich gewiß erholen würde . In ihrem Bekanntenkreise hatte sie ausgroße Veränderungen ausgeschlossen. Jung hätten wir uns miteinander einleben können, gesprochen, daß die ungerechte Behandlung, jetzt sind wir zu fest in unserer Eigenart welche er durch seine Verhaftung erlitten, geworden. Unsere Ecken würden immer zu ihn derart aufgebracht habe , daß er nur sammenstoßen. Zwei harte Steine mahlen aus dem Grunde seinen Abschied genommen. schlecht. Ich bitte Sie herzlich , zürnen Manche hatten sich daran gewöhnt , der Sie mir nicht — ” flugen Frau blind zu glauben, sie wußte "/ Den Teufel auch ! Sie haben gut nun schon lange die Meinung in dem kleinen reden , wenn einem das beste Hoffen zu Ort geschicht zu beeinflussen ; andere lächelten Grunde geht ! " jedoch hinter ihrem Rücken über die alles „D, wie soll ich die rechten Worte entschuldigende Mutterliebe und flüsterten finden, Sie zu besänftigen und Ihnen mein sich zu, der Abschied des flotten , jungen. Herz voll warmer Freundschaft und Teil- Lieutenants werde wohl seine besonderen nahme darzulegen ?" Ursachen haben. Wenn man aber mit der "/ Geben Sie es mir , das wäre doch Hauptmännin sprach , bedauerte man den ein Beweis . " liebenswürdigen Offizier und schalt auf die Nein , nein ! Eine neue The würde | Härte der Geseze gegen das Duell, welches nicht zu Ihrem Besten ausschlagen. Sie doch aus dem Leben eines Kavaliers und sind bei Ihrer sanften Lucie vortrefflich Ehrenmannes nicht ganz gestrichen werden. aufgehoben, Sie haben schon viel von der konnte. früheren Bitterkeit und Unzufriedenheit verEndlich bei klingendem Frost und loren und sehen, so wie Ihre Verhältnisse hohem Schnee – langte er abends in ihrem sich gestalteten, ein schönes wohlgeordnetes Hause an. Stück Leben vor sich ; weshalb das ErSie war nach der Erwartung und Aufrungene, Sichere wieder in Frage stellen ? regung der lezten Tage so von Zittern Brammer behält die drei unbändigsten und Schwindel benommen , daß sie ihm Jungen gern , sie würden Lucie zu viel fast bewußtlos in die Arme sank und erst werden, an Philipp und den beiden kleinen Besinnung fand , sein geliebtes Angesicht Mädchen können Sie manche Freude er recht zu sehen, als er neben ihr im Eßleben ." zimmer in dem weiten Diwan saß. Er „Hätte nicht gedacht einen Korb " war blaß, schien um mehrere Jahre älter, ein verdrießlicher , ja desperater Zug lag murrte er. // Seien Sie darüber nicht böse, " fuhr auf der sonst so heiteren Stirn, und was sie freundlich und beschwichtigend fort. Ich der Mutter am meisten in die Augen fiel, sche klarer als Sie und erkenne was jest ihr ganzes Mitleid erregte , sein sonst so für uns am besten taugt . Auf treue, ver- wohlgepflegtes Aeußerc sah vernachlässigt trauensvolle Freundschaft schlage ich gern aus. Er trug ein etwas unsauberes Civil mit Ihnen ein. " Jest war sie es, die ihm ohne allen Schmuck und seine dunklen Handihre Hand hinstreckte. schuhe, die er neben sich geworfen , waren „Hätte Sie herzlich gern noch zu meiner zerrissen.
C
}
1858
A. von der Elbe. Ein Sohn. 1859
1860
Raschen Griffs entleerte er noch ein Lisbeth wagte ihre scheuen Blicke kaum | weißt, daß ich zu allem bereit sein würde, auf den Bruder zu heften, hatte er sie sonst wenn mir nur nicht durch meinen Vor- zweites Pulver in den Löffel und warf die in Verlegenheit gefeht , so fühlte sie icht mundschaftseid die Hände gebunden wären. " Papierhülse hinter die Kommode. Nun etwas wie Furcht vor ihm , er sah auch Der Regulator über dem kleinen Sofa goß er Wasser auf die Arznei und gab ſie gar zu finster aus . schlug halb elf Uhr. Arthur schien zu der Mutter. " Von dir gereicht bekommt mir's doppelt Die Mutter fand in ihrer überquellen- gähnen und klagte über Müdigkeit. " Natürlich bist du fatigiert, mein armes gut, " sprach sie dankbaren Blicks. den Liebe bald Worte genug ihn zu be Ein Frösteln überlief ihn . Er sagte grüßen , zu bedauern , ihn mit leichter Kind , " sagte die Mutter und erhob sich. Plauderei anzuregen. Die Gegenwart seiner // Ach, mich flieht der Schlaf, aber in meiner ihr noch einmal gute Nacht , nahm auf Schwester verbot jedes nähere Eingehen . Freude an dir will ich nicht rücksichtslos | ihren Wunsch die Lampe fort und verließ sie. Nun verhielt er sich ganz ruhig. Er Er blieb wortkarg, welche Dinge man auch sein. Gute Nacht, mein Liebling, träume berühren mochte, sie enthielten alle ihren füß in der Heimat. " Sie füßte ihn innig, saß dem Regulator gegenüber und beob Stachel und wiesen immer wieder auf seine zündete sich ein Licht an und ging durch achtete den langsam fortrückenden Zeiger. seine Kammer in die ihre. Seine schwere goldene Uhr war mit den demütigende Lage hin. Nachdem man zu Abend gegessen, sagte Als sie hinaus war, spreng er empor, anderen Sachen in Berlin von den GläuFrau Wilhelmine der Tochter gute Nacht ihm wurde beklommen in dem kleinen , über- bigern in Beschlag genommen . Wie er sich und begab sich mit Arthur in sein Zimmer. heizten Raum. Er öffnete die Thür seiner danach sehnte wie sonst ausgestattet zu Es drängte sie ohne Zeugen mit ihm zu | Schlafſtube und ging mit starken Schritten sein und zu den alten Gewohnheiten zurücksprechen. Er steckte sich eine Cigarre andurch beide Zimmer auf und ab. zukehren . sie hatte ein Kästchen für ihn auf den Tisch Sollte er's ertragen, allen dieſen BleiDer Mensch kann nicht gegen die geſtellt — und ließ sich dann mit einem un dener Leuten entgegenzutreten , über die eigenste Natur ," sprach er zu sich selbst. zufriedenen Seufzer in den Lehnstuhl fallen. Achsel angesehen zu werden, sich von Stern- ,,Das Hundeleben halt ein anderer aus! Seine Augen flackerten unruhig und kein bergs nichtachtend behandeln zu lassen ? Es ist ganz berechtigt, daß man ringt wieZug von Behagen erschien in seinem Gesichte. Und dann die Zukunft , was bot sie ihm der auf einen grünen Zweig zu kommen." „Ich habe den Landrat, Brammer und hier ? Nein, der Boden brannte ihm unter Eben schlug es halb zwölf Uhr. "Sic vor allen Dingen deinen Schwager Stern den Füßen ! Und in Hamburg die gute muß jezt schlafen; um Zwölf geht der berg für dich interessiert, " sagte sie trösten Gelegenheit ! Abscheulich, daß ihm dies | 3ug kann nicht länger warten ." den Tons. Es finden so viele abgegangene Feilschen mit dem plumpen Brammer bevor Er erhob sich, nahm die Lampe und Offiziere passende Stellen, warum du nicht stand , um das was sein war, sollte schlich sich wieder in die Kammer der Mutter. mit deinen glänzenden Gaben ?" er sich wirklich dem aussehen ? Er sann, Ein Blick zur Seite belehrte ihn, daß sie Herumkriechen in der Misère fann ich überlegte , kämpfte und wanderte dabei ruhig daliege. Er setzte die Lampe nieder mechanisch auf und ab. und trat an den Nachttisch, auf dem wie nicht, " murrte er . Da rief ja noch einmal seine Mutter: immer ihr Schlüsselkorb stand. Das Bund „ Es ist dir wahrlich nicht zu verdenken, wenn du dich augenblicklich herabgestimmt ,, Bitte, lieber Arthur! " mit dem wohlbekannten Sekretärschlüſſel Er beeilte sich zu ihr einzutreten. Sie lag oben auf. Er nahm's und ging zu fühlst, allein das vergeht. Du wirst dich in meiner Pflege erholen. Du bist jung, lag im Bette, die Lampe brannte auf dem dem alten Schranke. Die Thür des Aufkleinen Nachttischchen, sie hielt ein offenes sates kreischte heiser in ihren Angeln. Scheu gesund, derselbe wie immer.' Ich fühle mich nicht mutlos ! " rief Buch in der Linken und sah ihn , als er blickte er sich nach dem Bette um. Dafuhr die Schlaftrunkene hastig empor, er aufflammenden Blicks im Gegenteil ! näher trat, liebevoll an. Wie sie bleich und gealtert war , er entsegten Blicks starrte sie ihn an, die Ich weiß, daß ich neu anfangen muß und ich will's. Doch nicht als Schuhputer. hatte das vorhin gar nicht beachtet, ein Ge- Lippen bewegten sich wie nach Worten Vor allen Dingen muß ich nach Hamburg fühl von Zärtlichkeit überkam ihn, er küßte ringend. Taumelnd sank sie jest wieder in die Kissen . fahren und mich in ein anständiges Civil ihre Hand, die sie ihm entgegenstreckte. Sein Körper wurde von einem Beben „Ich hörte deine Schritte und möchte sehen , ich kann mich ja so hier vor den Grauens und der Gewissensangst überdes noch einen fleinen Dienst von dir erbitten. " lassen. sehen nicht Leuten Möchtest du dich nicht erst einige Tage Es ist heute keine Hoffnung für mich zum rieselt. Als die Mutter sich nicht weiter in aller Zurückgezogenheit bei mir aus Einschlafen ohne Nachhilfe. Schulz hat rührte, hob cin Seufzer der Erleichterung ruhen? Es herrscht augenblicklich die strenge mir Morphiumpulver gegeben , die ich in seine Brust. Arthur nahm das Blechkästchen mit solchen Fällen nehme. Bitte , reiche mir Kälte." Sag 'mal, eins , das Schächtelchen steht neben der den Wertpapieren heraus . Der Schlüssel „ Nein, ich fahre morgen. liebe Altsche ," er ergriff freundlich ihre Wasserflasche auf der Kommode, der Löffel zu demselben befand sich mit am Schlüffelbunde, er öffnete den Behälter und hatte. Hand , // wieviel kannst du mir noch von liegt dabei." nun das kleine Familienvermögen vor sich. " ? sicher Zeug solches wirkt Und sich versteht unserem Vermögen geben ? Es Er wollte nur sein Erbe , wollte nur doch von selbst, daß ich zu jeglichem UnterJa sehr , gewöhnlich schlafe ich nach das nehmen , was ihm zukam. Wieviel einer halben Stunde. " nehmen Kapital brauche. " 7 DieKommode stand zwischen den beiden mochte dies in Wahrheit sein ? Mit wenigen „Leider ist das nicht mehr viel. Nechne ich ab was du erhalten , so hast du an Fenstern, der Spiegel hing darüber. Arthur Tausenden konnte er jenseits das Ozeans Das Geld meinem Gelde dereinst noch neuntausend trat heran und schüttete ein Pulver in kein neues Leben beginnen! was dann ? · Wie Mark gut. Ich würde mich , wenn du den Löffel, sein Blick fiel in den Spiegel, zerrann so leicht , nicht anders kannst, dessen entäußern, aber er konnte die Ruhende sehen, sie beachtete würde er es einst bereuen , daß er hier Sollte er es wagen ? an deines Papas Vermögen , lieber Arthur, ihn nicht und blätterte in ihrem Buche. nicht zugegriffen ! Wenn er jezt die Gabe verdoppelte ? zuckte DieMutter besaß ja das Haus, ihre Witwenkönnen wir leider noch nicht kommen. " vormund- es in ihm auf, würde ihr das auch nicht pension , die Schwestern waren geborgen. „Ich weiß — ich weiß schaftliche Schikanen und dergleichen ! Die schaden? Pah , ein etwas tieferer, etwas Nur kein Zaudern, der Uebergriff ging in Schwestern sind im Grunde alle drei brillant längerer Schlaf ! Das war's ja was er einem hin und sicherte ihm die Zukunft! Blitzschnell war dies alles durch seinen versorgt , sie brauchen deine Hilfe wenig. brauchte. Nahm er sein Erbe ohne sie zu Du könntest die Zinsen meines väterlichen fragen , fielen alle ihre Gewissenszweifel Kopf gefahren. Während er noch so dachte, er im hatten die Hände schon unwillkürlich zu= Anteils entbehren. So hätte es doch gar zusammen , sie war unschuldig nichts auf sich, mir meinen Teil von dem Recht. D und er konnte noch die treff gefaßt. Eins der großen Couverts nach liche Gelegenheit benutzen, konnte fort, dem andern verschwand in seinen Taschen. Gelde zukommen zu laſſen. " Wir müssen das in nächster Zeit mit brauchte den Philistern hier nicht vor die Das Kästchen war geleert . Etwas wie Mitleid für die bang stöhnende Frau überBrammer überlegen , lieber Sohn . Du Augen zu treten !
1861kam ihn plöglich. Er riß von einem der Umschläge einen Fehen . ab und schrieb mit tem zur Hand liegenden Bleistift ein paar Worte darauf. Dann verschloß er das Kästchen, stellte es an seinen Plaz, schloß auch den Sekretär ab, legte die Schlüssel wieder in den Korb und eilte, ohne daß er's über sich vermocht hätte , noch einen Blick auf seine Mutter zu werfen, aus dem Schlafzimmer. Wenige Minuten darauf verließ er vorsichtigen Schrittes das Haus und wandte sich dem Bahnhofe zu. * * * Lisbeth war am andern Morgen schon mehreremale in der Mutter Schlafstube gewesen , ohne daß diese erwacht wäre. Welch ein herrlicher Schlummer , heute konnte sich Mama wirklich nicht beklagen ! Aber wo mochte Arthur sein? Das Bett unberührt. Ob er gleich wieder abgereist mar? Er hatte gesagt ihm fehle mancherlei , mas er sich nächstens in Hamburg besorgen wolle. Auch die Hausthür war offen gewesen , wie Line berichtet , gewiß hatte Mama ihn so nicht sehen mögen und gleich zum Einkaufen netterer Kleider weggeschickt. Nach Mittag fuhr Wilhelmine plöglich mit furchtbarem Angstgefühl aus festem Schlafempor. Die kalte Winterfonne schien herein , daher wußte sie , daß es spät sei. Mit dumpfer Betäubung ringend saß sie aufrecht und suchte sich zu besinnen. Der gestrige Abend stand „ Arthur . “ flar vor ihrer Seele und dann ein furchtbarer Traum . Unmöglich ! Welch ein Gedanke , welch ein Verdacht !" Gepackt von Entseßen sprang sie aus Sie mußte sich überzeugen, daß sie geträumt habe. Die Schlüssel an der richtigen Stelle da gottlob! auch der Blechkasten. Aber wie leicht leer ! Sie taumelte zur Seite. Ein Zettel ſeine Handschrift: „ Verzeih, liebe Mutter, bald Näheres von deinem Arthur. " //Furchtbar nur jest nicht zusammenschützen ihn !" brechen , verbergen Sie schob das Kästchen an seine Stelle, schloß ab, wollte zum Bette zurückwanken , brach aber plöglich zusammen und stürzte mit einem gellenden Schrei flach auf die Erde. Lisbeth eilte herbei und brachte mit dem Mädchen die Mutter wieder ins Bett. Aus der fest zusammengeballten Hand mußte sie das Schlüſſelbund lösen. Line wurde sogleich zum Arzt geschickt. Der alte Schulz zuckte die Achseln. Ein böser. Nervenzufall ; etwas halbseitige Lähmung zurückgeblieben. Hüten Sie die Mama gut vor jeder Aufregung , mein Kind. " Er verschrieb etwas und ging. Lisbeth schickte zu den Schwestern , Mama sei erkrankt , sie kamen beide noch abends in Sternbergs Wagen ; Antonie wollte die Nacht dableiben. Die Kranke, welche ſtill und teilnamlos lag und nur selten ein Wort äußerte , lehnte ab , sie möchten alle gehen, sie brauche nur Ruhe. Arthur sei auf ihren Wunsch nach Hamburg, sich etwas auszustatten, es sei nicht |
A. von der Elbe. 1862
Ein Sohn .
1863
So hatte sie denn nicht geirrt , er das geringste Unangenehme zwiſchen ihnen wollte ersehen, er ging seinem Glücke entvorgefallen . R Und dann war die unglückliche Frau gegen, trot allem sollte ihr Vertrauen auf wieder allein, ihren fürchterlichen Gedanken | den Sohn und seinen Stern nicht wanken . überlassen. Wie war das Geschehene mög- Sie verbarg die zurückgesandten Papierc lich gewesen ? Hatte sie ihm zu hart sein in ihrem Nachttische, behielt aber Arthurs Erbe geweigert ? War, als er das Seine Brief bei sich im Bette , um ihn wieder gewollt , die Versuchung übermächtig ge- und wieder zu lesen. Wenn sie hergestellt worden ? Ob sie ihn nie wiedersehen würde ? war , würden ihrem erfinderischen Geiſte und wie sollte sie seine entsegliche That | schon Mittel cinfallen, das Geschehene zu verheimlichen, ihn verteidigen, sein teures verdecken . Bild vor der Welt rein erhalten ? Sie erschien heute den Töchtern heiterer Das Ringen ihrer Seele, ihn zu ent- und erzählte, Arthur habe ein vorteilhaftes schuldigen , und einen Ausweg aus aller | Anerbieten erhalten und mache eine Reise. Not zu finden , ließ ihr Tag und Nacht Seit Jahren schickte Brammer jeden nicht Ruhe. // Großer Gott , wie hat er Morgen, nachdem er sie gelesen, der Hauptmir gelohnt ! " stieg es mit schneidendem männin die,,Hamburger Nachrichten". Heute, Schmerz in ihr auf. Aber sie wehrte sich als Lisbeth ihr das Blatt brachte , griff dagegen, er war und blich doch ihr Arthur, die Mutter besonders cifrig danach. Sie ihr Abgott , dem die Welt so übel mit suchte Notizen über ein- und abgegangene gespielt, daß er in seiner Not zu diesem Schiffe , vielleicht las fic etwas von der „ Cimbria". Da fiel ihr Blick auf ein TeleAeußersten gedrängt worden. Fast kam sie so weit , sich zu freuen, gramm, es lautete : „Hamburg den 20. daß er nun so wohl versehen sei . Er mußte Januar. Die , Cimbria ist infolge einer wieder cmporkommen und würde gewiß Kollision mit einem englischen Dampfer einst als reicher Mann ersetzen , was er in bei Borkum gesunken. Niemand gerettet. " der schweren Bedrängnis genommen. Er Ein furchtbarer Schrei , der die dret hatte ja geschrieben, sie solle Näheres von | Töchter herbeirief, welche eben zusammen ihm hören. Leider war der Zettel im auf der Flur ſtanden , sie fanden die Blechkasten geblieben und sie fühlte sich Mutter totenbleich , zurückgebogen, schwer außer stande aufzustehen, um ihn zu holen. röchelnd. In der Hand hielt sie das zuVielleicht klärte sich alles noch ganz anders | sammengeballte Zeitungsblatt. Als der auf, o wenn sie nur erst erfahren würde, Arzt kam , war ihr Leben schon entflohen, ein Nervenschlag hatte ihrem Dasein ein was er beabsichtigte! Am vierten Tage brachte Lisbeth hoch Ende gemacht. erfreut einen dicken Brief mit der AufDie Aufklärung für die Leiden der schrift von Arthurs Hand, an der Mutter Verstorbenen fanden sich bei Ordnung der Bett. Diese griff hastig danach und schickte | Verhältnisse, der leere Blechkaſten mit Arthurs Zettel, sein Brief und die Zeitungsdie Tochter hinaus . Er schrieb : Das Unglück der „ Cimbria “ " Hamburg, an Bord der ‚ Cimbria nachricht bestätigte sich, das Schiff war zu Grunde Liebe Mutter ! gegangen, von 490 Menschen nur 56 geWenn Du diese Zeilen empfängst, rettet, unter denen Arthur von Müller sich befinde ich mich auf offener See und nicht befand. So ruhte er mit seinem dampfe der Neuen Welt zu. Man hat Raube auf dem Grunde des Meeres . mich schlecht behandelt, das erträgt ein Die Töchter waren fast mittellos , Kavalier nicht ! Verzeih' meinen Eingriff, Antonic blieb bei ihrer Tante und Lises blich mir nichts anderes übrig . Pa- beth ging einstweilen zu ihrem Schwiegerrole d'honneur , daß ich Dir alles er- vater, dem Landrat. * * seze, sobald ich reich geworden bin ! Es glückt drüben so vielen , warum sollte es mir nicht auch glücken? Goldene Vier Jahre sind vergangen. Der Kum= Pforten thun sich mir für das Leben mer jener schweren Erfahrung ist von den auf. Ich bin noch genußfähig und will Schwestern überstanden , die Wunde vergenießen ! Ich habe mich nie so frei harscht. Antonic fühlt sich in der Gemeinund ungebunden gefühlt wie jest , da schaft mit der trefflichen Charlotte vollauf ich den Schritt hinauswage, hinaus aus befriedigt. Die wirtschaftlichen Unterneh unsern beengenden, verrotteten Zustän- mungen der beiden sind gediehen, nächſtens den , in die rechte Luft des Daseins . soll die alte Försterei ausgebaut werden . Es war eine emprunt forcé , Mama, Silvia hat ihrem Waldemar zwei wie große Herren sie machen , warum frische, liebliche Knaben geschenkt, die auch hast Du mich zu einem solchen erzogen ? des alten Herrn und Veronikas ganzé Du weißt, daß ich mich nicht kleinlich Freude sind. Auf dem Sternberge herrbeschränken und herumdrücken kann und schen volle Zufriedenheit und reines Glück. wirst mich wie immer verstehen. Theodor hielt seinen Lebensplan inne, Einliegend die Dokumente einer am ersten Sonntage im Mai 1886 iſt Privathypothek und andere Papiere , die seine und Lisbeths Hochzeit mit vieler für mich keinen Wert haben. Freude auf dem Landratsamte in Bleiden Du sichst mich als gemachten Mann gefeiert; dann zog das junge Paar in das oder gar nicht wieder. Stets in treuer kleine Doktorhaus, welches Brammer für Liebe Dein Arthur. " seinen Neffen von den Erben kaufte.
iv
Kurt Laßwitz.
1864Aus der Welt der Atome.
Don I
Kurt Takwik.
}
Aus der Welt der Atome. 1865
Der künstliche Gleichgewichtsbau des Krystalls stürzt zusammen . Die Moleküle kehren nicht mehr in ihre Gleichgewichtslage zurück , wie die Tanzenden bei einer Françaiſe , ſie beschreiben jest ungeregelte Bahnen umeinander, ähnlich den Paaren , wenn die eintretende Pause das Gesetz des Reigens löst. Das Eis
1866 vergrößern, aber ziehen wir uns vorher vorsichtig in die nötige Entfernung zurück. Denn im Nu ist es zu einer Kugel von 10 km Durchmesser herangewachsen . In dieſem Naume schwirren etwa 50 000 Billionen Schrotkörner mit der Geschwindigkeit von Büchsenkugeln durcheinander, denn jedes Luftmolekül hat jezt
Wir treten hinaus in die schweigende Winter: hat sich in Wasser verwandelt. In den Flüssig einen Durchmesser von 3 mm bekommen . Wenn nacht, fernab vom Gewühl der Städte, feiten bewegen sich die Moleküle nach allen diese Körnchen sich in ihrem Laufe einander zur einsamen Ruhe der Natur . Nichts um Richtungen durcheinander , aber noch können nähern, so machen sie eine blißschnelle Wenuns scheint sich zu regen, über uns die Stille sie sich nicht beliebig weit voneinander ent- dung und sehen ihren Lauf ungeschwächt in der Sterne, unter uns die weiche Schneedecke fernen die Gesellschaft ist noch im Tanz anderer Richtung fort, sei es, daß sie von: des Bodens, nirgends ein Ton, nirgends eine faal eingeschlossen, d . h. die Bewegungen der einander abgeprallt sind, oder daß sie, wie 1 Bewegung. Und doch wissen wir , daß dies Flüssigkeitsteilchen sind noch nicht stark genug, die Kometen in der Sonnennähe, sich mit eine Täuschung ist. Jene hellen Lichtpunkte den Druck zu überwinden , welcher durch die rasender Geschwindigkeit herumschwingen und am dunkeln Firmament sind Sonnensysteme, umgebenden Körper auf die Flüssigkeit aus ihre Bahn zurückgehen. Durchschnittlich stößt die den Naum durchraſen , 200mal geschwin geübt wird. Ueber dem Wasser, wenn es sich ein Teilchen schon, nachdem es 1 m weit der als eine Kanonenkugel, und unter auch in einem offenen Gefäße befindet, lastet geflogen ist, auf ein anderes, und wiederholt unſeren Füßen die zarten Eiskrystalle sind die Luft, und die Luftteilchen stoßen mit großer dies in der Minute fünfmilliardenmal. Wir Atomgruppen , deren Teilchen viele Billionen | Gewalt auf die Wassermoleküle , fie zwingen begreifen nicht, wie wir in diesem Schauer Schwingungen in der Sekunde ausführen . | fie, in ihrer geschloffenen Gesellschaft zu bleiben. von Geschossen leben konnten, ohne zermalmt Die äußeren Formen der feinen Schneesternchen Das hindert nicht , daß nicht hie und da ein zu werden. Aber wir haben nur vergessen, verändern sich nicht für unseren Blick, so wenig günstig situiertes Wasserteilchen zwischen die den Vergrößerungszauber auf uns selbst an= wie jene Sternbilder im Himmelsraume. Aber Luftteilchen eindringt und mit ihnen sich um zuwenden. Holen wir das nach, und sofort von ihren Flächen dringt ein bleiches Licht in hertummelt das Wasser verdunstet. Steigt wachsen wir zu einem Riesen aus, deſſen ſtattunser Auge , zersett den Sehpurpur unserer aber die Temperatur so hoch , d . h. werden liche Länge über 2000 geographische Meilen Neshaut und erregt unsere Nerven ein die Bewegungen der Wassermoleküle so kräftig, beträgt. Unser rechter Fuß bedeckt gerade Zeichen, daß auch hier Thätigkeit herrscht ; daß sie es mit dem Drucke der Luft aufnehmen das ganze Deutsche Reich von Straßburg bis und im Raum gibt es nur eine Wirksamkeit : können, ſo tritt das ein, was wir das Sieden nach Memel, und unseren linken sehen wir ohne des Waſſers nennen ; sämtliche Wasserteilchen Anstrengung hinüber auf New York, indem durch Bewegung . Die Teilchen , welche die Eiskryftalle zu- | fliegen aufs raſcheſte durcheinander, sie bleiben wir den ganzen Atlantischen Ozean überspan = ſammenseten , ruhen nicht starr aneinander nicht mehr aneinandergedrängt, sondern treiben nen. Es sei nun die ganze Atmosphäre in wie die Steine einer Mauer ; sie stehen in die Luftteilchen auseinander und zerstreuen gleicher Weise vergrößert, so leuchtet ein, daß unausgesetter Wechselwirkung mit den übrigen sich, das Wasser verdampft , wir haben nicht einem solchen Kolosse, dessen Haut jest eine Körpern durch Vermittelung der Teilchen eines mehr flüssiges , sondern gasförmiges Wasser. Dicke von 3 bis 4 Meilen besikt, der Hagel äußerst feinen Stoffes , den wir Weltäther In einem Gase, wie z . B. in der Luft , der der Schrotkörner nicht anders bemerkbar wird, nennen. Er ist der Träger der Bewegungen, Kohlensäure u dgl., sind die Moleküle in so wie uns der Lufthauch, der unsere Wangen deren Wirkungen wir als Licht, Wärme, Elek lebhafter Bewegung, daß sie nach allen Rich- streichelt. Diese Vorstellung , welche wir uns von tricität , chemische Verwandtschaft bezeichnen ; tungen durcheinanderschwirren . Ueber diese er trennt auch die Teilchen der Schneekrystalle Bewegungen, ja über die Größe der Moleküle, der Konstitution der Körper machen, ist kein voneinander , hält sie durch seine Spannung sind wir nun ziemlich genau unterrichtet, meil willkürliches Phantasiegebilde, sondern ein im gegenseitigen Gleichgewicht und reguliert die man aus den Betrachtungen über Druck, Rei- notwendiger, durch die Mathematik begrünSchwingungen, welche die Teilchen fortwährend bung und Wärmeleitung dieselben berechnen deter Schluß, den die Physik ziehen muß, um die Erscheinungen der Natur einheitlich zu erum ihre Gleichgewichtslage ausführen . Diese kann . Schwingungen nennen wir die mechanische UrDie Luft, die uns umgibt, ist ein Gewühl klären. Noch einen Schritt weiter aber hat die sache der Wärme, weil wir wissen , daß eine zahlloser, rasch durcheinander sausender kleiner Chemie zu gehen, wenn sie die Verbindung Erhöhung unserer persönlichen Wärmeempfin: | feſter Körperchen, deren Stöße ſo ſchnell hinter- | und Zersehung der Stoffe begreiflich machen dung sich als eine Verstärkung der Schwingun : einander erfolgen , daß wir sie als den be: will Dann müssen wir annehmen , daß die gen der Körperteilchen darstellt , wenn wir kannten Druck und Widerstand der Luft em Moleküle teine unzertrennlichen Körper sind, unſeren Körper selbst als einen Gegenstand pfinden . Die Masse der Luftmoleküle nimmt sondern ihrerseits aus kleineren Körperchen, der naturwissenschaftlichen Untersuchung be: nur etwa den 3000. Teil des Raumes wirk: den Atomen , bestehen . So sind in einem lich ein , den die Luft erfüllt ; sie schwirren Wassermolekül zwei Wasserstoffatome mit trachten Diese Teilchen , aus welchen die Körper aber in der zur Verfügung stehenden Leere einem Sauerstoffatome verbunden ; die chemibestehen, nennt die Physik bekanntlich Moleküle. mit einer Geschwindigkeit von durchschnitt: schen Prozesse bestehen darin, daß die Atome In den festen Körpern, wie in den Krystallen lich 450 m , d . i . der Geschwindigkeit einer zweier oder mehrerer Moleküle verschiedener des Eises , sind sie nach Abstand und Lage Büchsenkugel, umher, und von diesen kleinen Stoffe fich trennen und sich zu neuen Grupgegenseitig gefesselt und nur zu regelmäßigen Geschossen treffen in jeder Sekunde mehrere pen zusammenschließen. L Will man sich nun ein Bild von der Art Schwingungen um diese mittlere Lage fähig. Milliarden jede Stelle unserer Haut. Denn und Weise machen, welcher in die Atome zu Nun lassen wir die Sonne auf den Schnee ihre Anzahl ist so groß, daß. in 1 Kubikzentischeinen. Das bedeutet physikalisch , von der meter nicht weniger als 21 Trillionen der den festen Gruppen der Moleküle verbunden Sonne gehen regelmäßige Anstöße auf dieselben enthalten sind ; das gilt von allen Gasen. find, so muß man sich dieselben als ein System Atome des Weltäthers aus , welche sich nach Dafür sind sie aber so klein, daß das einzelne | denken, dessen Teile durch regelmäßige Beallen Seiten fortpflanzen . In der Sekunde sich jeder sinnlichen Wahrnehmung entzieht. wegung ein selbständiges Ganzes bilden. Wir erfolgen 400 bis 800 Billionen solcher Stöße Die kleinste Größe , die wir mit Hilfe der haben dazu in unserer Erfahrung einen Vörund bilden dadurch eine Wellenbewegung, die feinsten Mikroskope noch sehen können, beträgt gang im großen, der am besten geeignet ist, mit einer Geschwindigkeit von 40 000 Meilen etwa den 10 000. Teil eines Millimeters ; unseren Vorstellungen von den Molekülen eine pro Sekunde , d . h . in 8 Minuten, von der ein Sauerstoffmolekül aber ist noch 300mal | anschauliche Unterlage zu geben . Es sind dies Sonne zur Erde gelangt. Treffen die Aether- | kleiner , und wieder noch kleiner ist das des die Planetensysteme . Die Planeten bilden mit der Sonne ein stabiles System, ähnlich wie wellen unsere Sehnerven , so empfinden wir | Wasserstoffs. Um uns von diesem Zustande der Luft, die Atome eines Moleküls ein solches darstellen. Licht , treffen sie unsere Haut , so empfinden wir Wärme, treffen sie den Schnee , so sehen welche wir atmen, von diesem Sturm jagen: Mehr noch wie unser System, bei welchem sie seine Moleküle wie den Aether zwischen der kleiner Welten, den wir mühelos durch die Massen der Planeten der Sonne gegenüber denselben in Bewegung. Die Schwingungen schreiten, ein verständliches Bild zu machen, sehr klein sind, dürften solche Weltsysteme der Moleküle verstärken sich, ihre Ausschläge leihen wir uns den Zauberſtab zweier mäch unseren Molekülen gleichen, wie wir sie in den werden größer der Schnee erwärmt sich. tiger Geisterfürsten, der Rechenkunst und der Doppelsternen kennen, bei denen sich zwei ziemDie Teilchen müssen auseinanderrücken , weil Phantasie, um die Gasmoleküle zu vergrößern lich gleichwertige Massen um ihren gemeinsamen sie zu ihren erweiterten Schwingungen mehr und sie in Muße betrachten zu können. In Schwerpunkt bewegen. Diese Parallele zwischen Planeten und die Wärme dehnt die dem Wasserglase auf unserem Tische hat sich Play gebrauchen Körper aus. Nun erreichen die Schwingungen ein Luftbläschen angesezt, es hat 1 min im Atomen, Molekülen und Sonnensystemen erberühren wir es mit unserem öffnet uns eine neue und überraschende Persolche Energie, daß sich die Teilchen in ihren Durchmesser gegenseitigen Bewegungen zu stören anfangen . Stabe, um es auf das Zehnmillionenfache zu spektive in die räumliche Gruppierung der
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Kurt Laßwitz.
1867
Aus der Welt der Atome. 1868
1869
Welt; mag sie auch phantaſtiſch erſcheinen, so | könnte auf einem Atome mit derselben Be- , kes, die Dynastieen ihrer Herrscher, die Ruhhat sie doch das Gute, uns gewisse physika- quemlichkeit leben , wie ein Mensch auf der meskronen ihrer Denker und Dichter zählen, lische Verhältnisse anschaulich zu machen und Erde. Wenn es z . B. zehntausendtrillionenmal ehe das Wasserglas mit dem Luftbläschen, in uns zugleich über sie zu erheben . Bekanntlich (das ist eine 1 mit 22 Nullen) so schnell em: welchem ihr Planet ein verschwindendes Atom bildet unsere Sonne mit der Mehrzahl der uns | pfände wie wir , ſo würde es in der Zeit, iſt, von Menschenhand ergriffen und Billionen sichtbaren Firsterne einen großen Sternhaufen, welche eine Lichtschwingung dauert, das heißt von Welten von Menschenlippen eingesogen dessen Durchmesser hunderte, wenn nicht tau im 500billionsten Teile einer Sekunde, soviel werden. ſende Billionen von Meilen beträgt ; und durchleben, wie wir in 8 Monaten ; das Atom, Welche Fülle des Lebens offenbart sich } solche Sternhaufen gibt es sehr viele, welche auf dem es wohnt, wäre seine Erde, das Mo- uns ! Nicht genug, daß rings im Raume unihrerseits wieder ein größeres System zu lekül , zu dem es gehört, sein Sonnensystem, zählige uns gleichgeordnete Welten_kreiſen, ſammenſehen, dem wir selbst angehören, und und nach dem Umlauf seines Atomes könnte auch innerhalb derselben können wir neues deffen Umrisse wir als Milchstraße hernieder- es seine Tage oder Jahre zählen . So weit Leben denken auf den Atomen , die als selb= ſchimmern sehen. Wie sich aber solche Milch- unser Atombewohner sich umschaut , er sähe ständige Welten in unendlicher Abstufung in straßensysteme immer weiter und weiter ins nur ähnliche weit entfernte Welten wie die einander geschachtelt auftreten . Und nun P derselbe Schritt nach oben! do Unendliche aufbauen, das wiſſen wir nicht ; denn seine, die Moleküle , welche vielleicht alle nur das Licht dringt nur aus begrenzten Fernen zu zu einem winzigen Luftbläschen gehören, über Denken wir unsere Erde als Atom, die Sonne uns durch den Raum ; was jenseits der äußer das er so wenig hinausblicken kann , wie wir mit ihren Planeten als Molekül. Welchen sten schwachen Lichtnebel ist, von denen bis über unseren Sternenhimmel. höheren Körper mag sie mit den übrigen Eine zehntausendtrillionenfache Vergröße: Sternhaufen, die wir in der Milchstraße ſchimzu uns das Licht 12000 Jahre braucht, bleibt dem menschlichen Auge verschleiert. Aber wie rung würde das Luftbläschen , von dem wir mern sehen , zusammensehen ? Was für eine hier nach oben, so finden wir in den Mole- oben sprachen , etwa zu der Größe des uns Riesenwelt mag dies sein, welche Wesen mögen fülen und Atomen nach unten System in sichtbaren Sternenhimmels ausdehnen. Aber darauf leben ? Gleicht unser Weltall, von der System geschachtelt, und es ist kein Ende ab wie dicht uns das Gewimmel der Sterne er Milchstraße umspannt, einem verlorenen Nebelzusehen. Wir können mit dieser Konstruktion scheint , unendlich viel dichter wären unserem bläschen, das irgendwo auf jener Welt in einso weit gehen, als es irgend das Bedürfnis Atombewohner die Firſternsonnen gefäet ; denn famer Wolkenhöhe umherschwebt ? Oder beder Naturerklärung erheischt; Körperatome während wir mit den größten Teleskopen nicht deutet etwa unser Sternenhimmel in der sollte viel mehr als 20 Millionen Sterne zu sehen | Chemie jener Riesenwelt das Molekül einer mögen aus Aetheratomen beſtehen diese Hypotheſe für die Naturforschung not vermögen , enthielte das Luftbläschen deren komplizierten Verbindung , wie unserer orgawendig werden , so wäre kein Grund, sie zu 50 000 Billionen. Freilich will es uns nicht nischen Substanzen, vielleicht gar eine Nervenbezweifeln und die Reihe der Systeme abzu recht in den Kopf , daß dem Atombewohner zelle in einem Riesenorganismus, vielleicht ein die Moleküle eines Gases wie Fixsterne er Gehirnteilchen in einem Weltriesen , dessen brechen. Schwingen wir nun noch einmal unseren scheinen sollen, da wir wissen, daß jene 5 Mil Füße auf einem unbegreiflich fernen Boden vergrößernden Zauberſtab, daß ein Atom bis liarden Zusammenstöße in der Sekunde er stehen ? Denn der Riese müßte , wenn sein eine trillio- | fahren . zur Größe der Erde anwächst Indessen müssen wir uns diese Körper dem unseren proportioniert wäre, etwa nenfache Vergrößerung dürfte dazu genügen. Zusammenstöße nur als sehr rasche Aende eine Größe von einer Billion Siriusweiten Jeht stellen die Atome eines Moleküls ein rungen der Bahnrichtungen vorstellen , denn besitzen. Welche Gefühle , welche Gedanken Planetensystem dar , die Moleküle eines die Moleküle bleiben ja dabei unverändert und mögen jenen Riesen durchzucken, wenn in sei Gases verhalten sich zu einander wie die Fir unverlegt , und die Häufigkeit derselben ver- nen Gehirnzellen unsere Sonnen zu Weltsterne, welche ihre uns unbekannten Bahnen liert ihren verwirrenden Charakter, wenn wir bränden zusammenstürzen , welche Vorstellung umeinander beschreiben, und jenes Luftbläs- bedenken , daß wir auch Lebens- und Wahr= | mag den Umschwung unserer Erde begleiten? chen im Wasserglase wird ein Sternhaufen, nehmungszeit unseres Atombewohners um das Wie langsam muß der Mann nach unseren wie der, in welchem unsere Sonne steht ; der Zehntausendtrillionenfache verkürzt haben . In Begriffen denken ! Und jene Riesen , deren Kranz von Bläschen rings am Rande des dieser kurzen Zeit müssen ihm die Lagen der Körper , deren Planeten aus Firsternhaufen Glases mag eine Ansammlung solcher Stern- Nachbarmoleküle ebenso unveränderlich , ihre zusammengesetzt sind , welchen Sternenhimmel haufen darstellen, wie wir sie in der Milch Bahnen den Atomastronomen ebenso gerad mögen sie über sich erblicken ? Auf den Atostraße vor uns sehen. Die Milchstraße im linig erscheinen , wie es uns mit den Firmen , die in unserem Gehirn schwingen , in Wasserglase ! Wo steht das Glas, in welchem sternen geht. Was ist denn die Spanne Zeit, unserem Blute umtreiben, mögen Völkerschickunser Sternhimmel sich abgesezt hat ? Wer die wir von dem Leben der Erde kennen, sale sich abspielen , Völkerschicksale ' auf den trinkt daraus ? Wir wissen es nicht, wir gegenüber jenen Zeiten , welche vergehen, ehe Planeten, die wieder nur Atome einer höheren sehen nicht über unser Bläschen hinaus, und sich zwei Firſterne so weit nähern , daß sie Welt sind , Völkerschicksale in der Niesenwelt, schon um zu verstehen, daß wir nicht darüber rasche Aenderungen ihrer Bahnrichtung er die sich zu uns verhält, wie wir zu den Atohinaussehen können, schon dazu gehört eine leiden ? Unsere Nachrichten über die Mensch- | men und keiner sieht etwas von denen der nicht unbeträchtliche Einsicht. heit reichen auf wenige Jahrtausende zurück, anderen, jeder hat unter sich den festen Boden , Es lohnt sich, in der vergrößerten Atom- und vom Alter der Erde wiſſen wir nur, daß über sich die Nuhe der Sterne , in sich den welt weitere Umschau zu halten. Wir leben es über die Hunderttausende von Jahren hin: Gott, dem er gehorcht. Deshalb dürfen wir uns trösten, wenn der auf der Erde, aber was berechtigt uns , eine ausgeht ; die Bahnen der Firſterne kennen wir Grenze anzunehmen in den Bildungen der un- nicht, nur von wenigen wissen wir , daß ihre Gedanke uns schwindeln macht, daß dieſe ganze endlichen Almacht und die Stufenreihe der relativen Geschwindigkeiten mehr denn hun- Welt nur ein Atom ſein mag in Ricjenwelten. Wesen abzubrechen ? Könnten wir entsprechend dertmal größer sind als die unserer Moleküle. Die Riesen haben vor uns so wenig voraus, verkleinert auf eines der Atome hinabsteigen, Der Atombewohner befände sich somit in wie wir vor den Atomzwergen ! Sterne über das sich mit seinen Nebenatomen zu einem gleicher Lage. Das Leben der ganzen Mensch- | sich, Körper unter sich das ist ihre Welt Moleküle gruppiert, würden wir nicht vielleicht heit , soweit geschichtliche Erinnerung in die wie die unsere. Daß wir gerade auf der in ihm cine andere Erde entdecken ? Die Welt, Jahrtausende zurückreicht , würde bei zehn Erde ſtehen, ist gleichgültig ; wo wir auch lebten, in welcher ein bewußtes Wesen sich befindet, tausendtrillionenfacher Verkürzung auf den immer studierten unsere Astronomen den hängt von der Art dieses Bewußtseins und hunderttauſendmillionsten Teil einer Sekunde Sternenhimmel, immer müßten unsere Naturder Natur seiner finnlichen Empfindungen ab. zusammenschrumpfen , würde also immer erst forscher die Körper in Moleküle und Atome Andere Sinne und Empfindungen können wir den zwanzigsten Teil der Zeit erfüllen, welcher zerlegen. Immer wieder beschrieben die Sonnen uns nicht vorstellen, weil wir über uns selbst zwischen den Zusammenstößen zweier Gas wie die Atome ihre Bahnen nach denselben nicht hinausreichen, aber wir können uns eine moleküle durchschnittlich verfließt. Zeit ge- Gefeßen der Mechanik, immer wieder wären Welt denken, in welcher ähnliche Empfindun- nug , damit inzwischen auf einem Atom tau im Dreieck zwei Seiten größer als die dritte gen wie die unseren unendlich viel rascher ab sende und abertausende von Generationen und zweimal zwei Sekunden wären vier. Das Laufen, wir können ein Wesen begreifen, wel- lebender Wesen entstehen, blühen und vergehen ist das Gesch , dem Riesen wie Zwerge geches in einer Sekunde , in der wir nur etwa können , che sie eine merkliche Veränderung horchen, und über das wir nie und nimmer zehn gesonderte sinnliche Vorstellungen haben, an der Konstellation ihres Fixsternhimmels hinauskommen. Denn es ist das Gesez des deren tausend, Millionen oder Villionen um beobachten . Verstandes und der Sinne , das Gesetz, Es bleibt der Phantasie überlassen sich welches die Bedingung ist dafür , daß es faßt. Das heißt dann , daß es in dem taufendsten, millionsten oder billionsten Teile der auszumalen, wie jene Atombewohner ihre Welt Welten gibt , das Gesez des Bewußtseins, Zeit, in welcher wir leben, dasselbe erlebt und für die allein kultivierte und begnadete halten, welches im Al regiert. Es ist das Geset erfährt wie wir , daß es ein Zeitmaß besißt, da sie von anderen so wenig wissen, wie wir unseres eigenen Bewußtseins, das wir überall welches , verglichen mit dem unseren , außer- Millionen ihrer Jahre mögen vergehen , nach in der Natur, in Sternen und Atomen wiederordentlich viel kleiner wäre. Ein solches Wesen | Tausenden mögen die Großthaten ihres Vol : [ finden müßten, weil die Natur nichts anderes
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Franz Krichler.
1870
Die Jagd mit falken. 1871
ist als der Ausdruck der Geseßlichkeit unseres den Künstlern gezählt ; Fürsten und Edle Denkens und Empfindens, welche allein Welt erschienen überall, selbst in der Kirche mit existenz und Wirklichkeit verbürgt. Darum dem Falken auf der Faust , ja Kaiser fönnen wir wohl staunen über die Unermeß- Heinrich III. nahm den Falken in das lichkeit der Welten , die sich vor uns aufrollt, aber was uns daran imponiert, das ist nicht Reichsfiegel auf. Heute ist die Falkenjagd faſt vollständig die Größe der Riesenwelten , das ist nicht die Vielheit der Atomenvölker es ist die welt: verschwunden ; nur noch in England und schöpferische Macht des Geistes , die sich Schottland finden wir Reste dieses alten in ihnen offenbart , es ist die Tiefe unseres ritterlichen Jagdbetriebes. Gleichwohl sei eigenen Ich, das sich in den Ergebnissen der es mir vergönnt , einen kleinen Rückblick auf Forschung uns enthüllt. die mittelalterliche Beizjagd " zu werfen ; Und darum bleiben wir die Herren der Welt , und unser Geist der Geist, der darin knüpfen sich doch an dieselbe Rückerinnewaltet. Was wir hineinlegen in die Fernen rungen poesievollster Art. Was der Falkenbeize einen so sehr und die Nähen des Alls, das schöpfen wir aus unserer eigenen Erfahrung als der einzigen großen Reiz verlieh , war vor allem der Quelle, die uns fließt, und was da lebt und webt, Umstand , daß diefelbe das einzige Ver: das lebt und webt in uns , weil wir es begnügen bildete, an welchem sich auch Frauen greifen, und dient dazu, die Fülle des Lebens öffentlich beteiligen konnten ; im übrigen zu erweitern, deren wir uns erfreuen. Diese war ja auch im Mittelalter die AbsonJülle des Lebensbewußtse aber, die uns als derung der Frauen von den Männern noch Welt der Gefühle durchfluins angesichts des tet Sternenhimmels , der über uns leuchtet , an ziemlich streng durchgeführt . Was Wunder, wenn in jener an Frauenvergnügungen so gesichts der Atomwirbel, die in uns zucken jie drängt uns hin auf die höchste Frage, die armen Zeit die Falkenbeize zu so hohem der Menschengeist zu stellen vermag: Ist alles Werte stieg. Zur Beize engagierte man, Wertvolle des Menschendaseins, sind wir selbst wie heute zum Tanze, und wer den besten nur das Produkt jener schwingenden, rasenden Falten hatte, war der liebste Ritter, indem Weltsysteme, ein Etwas , welches durch einen die Dame von ihren Gespielinnen beneidet glücklichen Zufall auf ihnen und aus ihnen wurde, welche am glücklichsten beizte. Seiner hervorgewuchert ist oder ist der Mensch Selbstzweck , ist dieses Weltgeschehen , sind Angebeteten einen gut abgerichteten Falken all die unermeßlichen Sonnen und Atome nur zu bringen, war daher für den Deutschen ein Mittel und eine Schöpfung , weil etwas der höchste Grad von Galanterie, und leicht da sein soll , das Lust heißt und Schmerz ; eroberte man dadurch manch sprödes Herz . Glauben und Glück, Liebe, Schönheit, SittlichDie Falknerei kam aus dem Oriente Die Sterne schweigen über uns, die zu uns . Bis zu der Zeit, in welcher den teit ? Schneekrystalle ruhen, und die Stille der Nacht Abendländern der Verkehr mit den afia gibt keine Antwort. Aber in uns , in dem lebendigen Menschenherzen ruft eine heilige tischen Völkern eröffnet und ihnen dadurch Stimme: Es soll ! Es soll! Das Gute, die Kenntnis der Vogelbeize aus eigener das Echöne, das Göttliche ist die Macht, um Anschauung ermöglicht wurde , war mehr derentwillen Welten freifen und Atome der Vogelfang am Herde oder in Schlingen schwingen, und das Bewußtsein des Menschen üblich. Seit jener Zeit indes verzichtete ist das belebende Zentrum, um das die Dinge der Edle fast vollständig auf diesen letteren sich ordnen ", Welten wie Atome! Jagdbetrieb , indem er sich ausschließlich mit der Falkenbeize beschäftigte. Diese entsprach mehr seinem ritterlichen , unter nehmenden Geiste. Die Edelleute richteten Die Jagd mit Falken. ihre Falken selbst ab und wurden darin von frühester Jugend an unterrichtet. Der Von Ritter sette eine Ehre darein, den Falken, Franz Krichler. mit welchem er zur Beizjagd auszog, selbst groß zu ziehen , abzutragen , zu dressieren und denselben dann dem Nachbarn vorzuJenn wir, n wi r, von der zweifellos richtigen arbeiten . Wen Voraussetzung ausgehend , daß die Anfänglich gebrauchte man am meisten besten Maler stets bemüht waren, den Cha- den Habicht , den Sperber , den Lerchenrafter ihrer Zeit wahrheitsgetreu zum Aus- falken und den Wanderfalken zur Beize, drucke zu bringen, eine Durchmusterung der da diese Raubvogelarten alle in Deutsch berühmtesten Bildwerke des Mittelalters land vorkommen. Später indes wurde vornehmen, so werden wir finden, daß zu fast ausschließlich der Jagdfalk falco dieser Zeit sich kaum eine Persönlichkeit von islandicus (S. 1897) dreffiert, neben die Distinktion öffentlich zeigte , ohne einen sem der Würgfalke falco laniarius Jagdfalken zu tragen. Beschauen wir ( S.1892) . Für alle Falkenarten und nament Andrea Orcagnas Meisterwerk im Campo lich für den weißen Jagdfalken war Norsanto zu Pija, welches den Triumph des wegen schon seit alten Zeiten die HauptTodes und Weltgerichtes darstellt, so finden bezugsquelle. Kommt doch schon im Parwir, daß dort eine der Hauptfiguren, der zival die Stelle vor: berühmte Feldherr Castruccio Castracane, Von Norwaega über se | Ein kouf schif und deheinez an daz ze Parmenie den Falken ebenso trägt , wie der behagliche Mynheer auf den Gemälden Wouwerkam ... Då waeren valken veile / Und andre schoene vederspil. " mans , wie das Edelfräulein , als kühne Der Hauptstapelplatz für Beizvögel war Amazone auf stolzem Zelter dargestellt von Elias Ridinger. indes in Deutschland Marienburg, im heuDer Falkner wurde im Mittelalter zutigen Regierungsbezirke Danzig , von wo
1872 aus der deutsche Orden einen ausgedehnten Handel mit Falken betrieb. Auch der Johanniterorden in Rhodus lieferte viele Beizvögel und namentlich die Würgfalken wurden von demselben bezogen. Manche Orte waren zur Lieferung von Falken verpflichtet, so z . B. die Stadt Lübeck, welche deren zwölf in jedem Jahre dem Kaiser zu senden hatte. Karl IV. trat diese Berechtigung dem Erzbischofe Wilhelm von Köln ab. Wie hoch namentlich die weißen Jagdfalken im Werte standen, können wir mehreren historischen Daten entnehmen. So überließ z. B. Kaiser Karl V. den Johannitern die Insel Malta gegen das bloße Versprechen, ihm jährlich einen Jagdfalken zu verschaffen. Bajazed I., jener kriegerische Sultan des 14. Jahrhunderts , gegen welchen unter König Sigismund von Ungarn, dem nachmaligen deutschen Kaiser , auch viele französische und burgundische Edelleute kämpften , hatte jedes Lösegeld für den in der Schlacht bei Nikropolis gefangenen Grafen von Navarra ausgeschlagen ; als ihm aber der Herzog von Burgund zwölf weiße isländische Falken schickte, entließ er jenen sofort aus der Gefangenschaft. Freilich war bei diesem Regenten die Liebe für Falknerei so sehr ausgeartet, daß er sich wenn wir dem Berichte des Grafen von Navarra glauben dürfen — 7000 Falkner hielt. Der Preis dieser Jagdfalken betrug meist 100 Thaler für das Paar, ein Kaufgeld, welches für die damalige Zeit enorm hoch war. Diesem hohen Werte entsprechend wurden selbstredend die Falken denn auch ausgezeichnet behandelt. Zu ihrem Aufent halte diente eine geräumige , helle und trockene Falkenkammer, in welcher die Vögel auf Sißstangen in Mannshöhe vom Boden; dem sogenannten hohen Rick", angefesselt saßen (S. 1882) . Zu ihrer Wartung gab es eigene Falkoniere. Am französischen Hofe waren diese von der Jägerei streng getrennt, und zwischen Jägern und Falknern bestand ewiger Streit, da jeder seine Jagdmethode für die bessere hielt. Zulegt hatte man sich gewissermaßen dahin geeinigt, daß man im Sommer der Jagd mit den Hunden , im Winter derjenigen mit Beizvögeln den Vorzug gab. Infolgedessen kamen im Mai die Jäger des königlichen Hauses , grau gekleidet , mit Jagdhörnern und Parforcehunden und trieben mit grünbelaubtenRuten die Falkoniere vom Jägerhofe. Sobald aber der Winter eintrat, famen diese wieder und vertrieben mit großem Geschrei die Jäger , welche dann ihre Hunde wieder in die Zwinger sperren mußten. Ihre höchste Blüte in Deutschland er langte die Beize zur Zeit des unglücklichen Kaisers Friedrich II. , welcher ein großes Werk " De arte venandi cum avibus " schrieb . Obschon in diesem Werke viele der arabischen Falknerei entlehnte Regeln vorfindlich sind, und die Arbeit daher kein genaues Bild des damaligen Standes der Vogelbeize in Deutschland gibt , so bietet
Defilee.
Don Amberg.
Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin.
Franz Krichler.
1873
Die Jagd mit falken. 1874
dieselbe doch außer einem großen jagdlichen Werte auch ein hervorragendes kulturhistorisches Interesse, da seit Kaiser Friedrich II. wohl kaum ein V Mitglied eines königlichen Hauses sich mit der Abfafsung eines jagdlichen Lehrbuches befaßt haben dürfte. Der genannte Monarch schien ein Gelübde gethan zu haben , jeden Tag zu beizen , denn nichts konnte ihn davon abhalten. Als er in dem langwierigen lombardischen Kriege Parma belagerte, hatte er die Stadt mit vieler Mühe mit einem verschanzten Lager umgeben. Die Belagerten warte5.E.Lodge. del et Se ten nun, bis der Kaiser mit ausgeden Falten zur Jagd rückt war und überfielen dann die Mann zu thun ') , welches eurer schaften Friedrichs so heftig, daß diese ihr Tapferkeit würdig ist. Es ganzes Feldgerät verloren , die Belage ist dieses , wie ihr wißt, rung aufheben und die Stadt verlassen das schlechteste und furchtmußten. samste unter allen Tieren, Die Falkonierkunst war damals zu einem denn es fürchtet sich vor seiunglaublich hohen Grad von Vollkommen nem eigenen Schatten, da heit gestiegen, und sie entwickelte sich höch- rum gebe ich es hier dem stens in Frankreich im 16. Jahrhundert Feigsten unter allen Menunter Franz I., dem „ père de la vénérie", jchen!" Hiermit reichte er zu noch größerer Blüte. den Reiher König Eduard Es ist eine falsche Ansicht , daß der hin , um diesen der FeigReiher der Hauptgegenstand der Beize ge- heit zu zeihen, weil er seine wesen sei. Es steht vielmehr fest , daß Ansprüche auf die Krone auch anderes Wild, namentlich aber Enten Frankreichs nicht geltend mache. Der König , vor und letztere weit öfter, wie Reiher mit Falken gejagt wurden. Der Reiher Wut außer sich, legte über trat erst in den Vordergrund , als ihm dem Reiher das Gelübde wegen seiner Menschenschen nach der Ein- ab, zu beweisen , daß er führung der Schußwaffen bei der Jagd nicht seige sei, und daß er nur noch schwer beizukommen war. Sein binnen Jahr und Tag auf Tod und Wildbret wurde allerdings für eine Deli- Leben mit Philipp um die Krone Frank katesse gehalten. reichs fämpfen wolle. Nunmehr legte Interessant ist ein altfranzösisches Ge- auch der Graf von Salisbury sein Gedicht aus dem Jahre 1338, betitelt ,,Das lübde ab. Er bat seine Geliebte, ein FräuReihergelübde". Der kurze Inhalt des lein von Erbey die später Veranlassung selben ist folgender. zur Stiftung des Hosenbandordens gab Als Robert von Artois aus Frankreich sie möge ihm, während er sein Gelübde verbannt wurde, ging er nach England, ausspreche , einen Finger auf sein rechtes wo er freundliche Aufnahme fand. Häufig Auge legen , welches er nicht eher wieder ging er zu seiner Zerstreuung auf die Jagd, öffnen wolle, bis er eine französische Armee da er vortreffliche Beizvögel hatte. Als geschlagen habe (er hielt dies Versprechen er einst einen Reiher gebeizt hat, faßte er auch)), wogegen das Fräulein ebenfalls über den Entschluß, mit Hilfe dieser Beute sich dem Reiher schwor , wenn dies geschehen Gelegenheit zu verschaffen , an Frankreich sei , wolle sie seine Liebe erhören. Alle Rache zu nehmen. Er wollte nämlich den Ritter folgten und schworen über dem König Eduard III. von England, welcher Reiher, Eduards Rechte auf die Krone durch seine Gemahlin Ansprüche auf den Frankreichs bis in den Tod verteidigen zu französischen Thron hatte, aufreizen, Frank wollen und das war die Ursache und reich mit Krieg zu überziehen. der Eingang zu den Kriegen, welche Frank Er ließ also den Reiher rupfen und reich beinahe in die Hand Englands geliefert braten, legte ihn auf eine silberne Schüssel hätten , da es doch nur durch ein halbes In diesem und trug ihn mit großem Gepränge, be- Wunder gerettet wurde. gleitet von zwei Geigenspielern, zwei Zither Kriege jagte Eduard in Frankreich überall, spielern und zwei Sängerinnen in den wohin auch seine Eroberungen ihn führen Palast des Königs , indem er alle Ritter mochten ; er hatte , sagt Froissard , Fahraufforderte , ihm zu folgen. Als er mit zeuge von gefochten Fellen zur Fischerei seinem Zuge vor dem Könige angekommen bei sich , mit denen er fischte , wo es sich war , hielt er dann an die ganze VerJägerei häufig im 1 ) Es war bei der damaligen sammlung folgende Ansprache: „ Ich lade Gebrauche, über dem erlegten Tiere eine Gelübde zu thun, euch ein, über diesem Reiher ein Gelübde welches unverbrüchlich gehalten wurde.
1875
Hoch in den Lüften (S, 1880).
thun ließ; dreißig Falkner zu Pferde trugen die Beizvögel und 60 Koppeln Windhunde folgten dem Könige überall hin. Dadurch brachte er die französischen Barone gegen sich auf, welche alle ihre Jagden durch die fremden Krieger vernichtet sahen. Wir mögen eine eingehende Geschichte des Mittelalters aufschlagen, wo wir wollen, überall werden wir finden, daß die Beizjagd eine das ganze Privatleben der Ritter beherrschende noble Passion war. Mit der Zeit geriet die Falknerei mehr In Deutschland und mehr in Verfall. und Frankreich wurde ihr vollständiges Eingehen hervorgerufen durch die große Revolution und die Kriege Napoleons I. Merkwürdigerweise machte indes im Jahre 1861 die Kaiserin Eugenie nochmals den Versuch , die Vogelbeize wieder zu Ehren zu bringen. Im Vereine mit Michel Ney, dem Fürsten von der Moskwa und mit Baron De Pierre ließ sie einen vollstän digen Falkenhof in Motte-Beuvron einrichten, ohne daß indes dieser Versuch weitere Folgen für die Hebung der Falfnerei gehabt hätte. Heute ist die Jagd mit Falken auf England, Frland und Schottland beschränkt, woselbst einige Lords dem Falkensport huldigen. Uebrigens aber gibt es in den genannten Ländern auch noch Falfoniere, 79
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Franz Krichler. 1876 welche diesen Jagdbetrieb als Professionisten ausüben. Wenn ich nicht irre, waren einige derselben gelegentlich der Jagdausstellung in Cleve im Jahre 1880 nach Deutschland gekommen und hatten in Cleve eine regel rechte Beize veranstaltet. Die Erziehung und Abrichtung der zur Beize zu benutzenden Falken ist ein schwie riges Stück Arbeit , ebensowohl für den Falten, als den Dresseur. Die Abrichtung der Falken ist unendlich schwieriger, als die jenige der Hunde . Lehtere sind weit. höher veranlagt und von Natur schon viel mehr an den Menschen gewöhnt, als die Raub vögel , deren scheues Wesen die Dressur ungemein erschwert. Den isländischen Jagdfalken benutzt man heute faum noch zur Beize. Am häufigsten findet man den Habicht astur palumbarius (S. 1880) , den Wanderfalken falco peregrinus (S. 1874) und für die Beize der kleineren Vögel den Sperber astur nisus (S. 1888) .
Die Jagd mit falken. 1877-
sogenannte Wildfänge" , sich bedeutend | endlich läßt man während des Abtragens schwieriger dressieren lassen. von anderen einen ungewöhnlichen Lärm Ist der junge Falk (wie ich die zur durch Trommelschlagen oder dergleichen Beize zu benutzenden Raubvögel kurzweg verursachen. nennen will) hinlänglich stark geworden, Ist der Falke hierin vollkommen ferm, so gewöhnt man ihn zunächst daran, daß so geht man zum zweiten und schwieer angefesselt ruhig auf der Stange sigt, rigsten Teile des Abtragens über , welohne mit den Flügeln zu schlagen. Um cher darin besteht , daß der Falke auf dies zu erreichen, befestigt man an seinen den Ruf herangeflogen kommt (,,beiFängen (Beinen) einen aus weichem, zähem reitet "). Hiermit verbunden ist die Uebung Leder meist Hundeleder hergestellten des Falken im Stoßen nach Federwild. Riemen, welchen man mittels eines Ringes In früherer Zeit und zuweilen auch noch an dem bogenförmigen Sitholze befestigt heute benutte man hierzu ein Instrument, (S. 1880) . Das Sitholz ist bogenförmig, welches das Federspiel " oder das „ Luder". damit der Vogel , welcher später auf der heißt. Letteres dürfte sich wohl aus dem Faust siten muß, gleich von Anfang lernt, französischen leurre " gebildet haben, mit auf einem möglichst fleinen Raume, welcher welchem Worte der französische " fauconcine seitliche Bewegung nicht gestattet, zu nier " ebendasselbe Instrument bezeichnete. verharren. In die Oeffnung des Bogens Dasselbe besteht aus einem mit Leder überist eine Leinwand eingespannt , damit der zogenen und mit einem Ringe versehenen Falte nicht unter der Sißstange durch kleinen Stücke Holz, an dessen beiden Seiten in der Regel friechen und sich durch mehrmalige Wieder zwei mittelgroße Flügel holung dieses Experimentes mit der Fessel von Tauben angebracht sind . An dem
Ferner zieht man es vor , die Jagdfalken verwickeln kann. Bleibt der Vogel ruhig dem Neste zu entnehmen, da ältere Vögel, siten , so geht man dazu über , ihn zu lehren , daß er auch dann ruhig siten bleibt , wenn er auf der Faust getragen wird. Der Falke wird zunächst verkappt, das heißt es wird ihm eine Kappe auf den Kopf gesetzt, welche ihn verhindert zu sehen. Die Kappe besteht aus weichem Leder, hat vorn eine Deffnung für den Schnabel und wird am Halse durch einen leichten Riemen zugebunden. Als Zierde ist auf derselben ein kleiner bunter Federbusch angebracht (S. 1883) . Der Falkner zieht nun einen starken Lederhandschuh an die linke Hand, nimmt den Falken an die Kurzfessel und setzt ihn auf die Faust. Bleibt der Vogel hier ruhig sizen, so macht der Falkner an einem ruhigen Orte anfangs kleinere, später größere Bewegungen und Gänge, bis der Vogel nicht mehr mit den Flügeln schlägt, sondern ruhig sizen bleibt (S. 1876) . Als dann wird dieselbe llebung vorgenommen, ohne daß der Falke verkappt ist. Die Atzung erhält der Vogel während die ser Zeit nur währenddem er auf der Faust des Dresseurs sigt. Ist nun der Falke auf der Faust vollständig vertraut geworden, so geht man mit demselben auch an solche Orte, an welchen Menschen verkehren,
GE.Lodge del, et Se
1878
Ringe befindet sich ein ziemlich langer Riemen, auf dem Holze zwischen den beiden Flügeln ein kleiner Haken, welch letz terer zur Befestigung des Azes dient. Der Vogel erhält nunmehr seine Nahrung nur mehr auf dem Federspiel, von welchem er dieselbe abkröpfen muß , damit er jede Scheu vor diesem Instrumente verliert. Sobald der Dresseur sich dem Falken mit dem beföderten Federspiele nähert, hat er einen bestimmten , stets beizubehaltenden Ruf zu gebrauchen, z . B.: Komm, mein Falf!" oder „,,Hol's , mein Falk ! " Hat der Vogel seine anfängliche Scheu vor dem Federspiele verloren, so hält man ihm dasselbe nicht mehr vor, sondern wirst es vor ihn hin unter Anwendung des dem Vogel bekannten Rufes . Der Falke weiß , daß der Ruf und das Federspiel für ihn stets eine Agung bedeuten, und er wird nach dem Federspiele fliegen, um die auf dasselbe festgehakte Nahrung zu kröpfen. Nach und nach ruft man dem Falken, auch ohne ihm das Federspiel zu zeigen. Der Falke lernt auf diese Weise auf die Faust seines Herrn zu fliegen , wenn dieser ihm ruft, oder aber der Ruf unterbleibt und wird durch das Schwenken des Federspieles ersetzt, da es später bei der praktischen Jagdausübung häufig vorkommt, daß der Falke so weit entfernt ist , daß er das Rufen nicht hören , wohl aber das geschwenkte Federspiel sehen kann. Unsere Illustration (S. 1890) stellt einen Vorgang aus diesem Stadium der Dressur vor. Zwei falco laniarius- , welche Würgfalken später gemeinsam jagen sollen , und die daher auch gemeinsam abgetragen werden, find so weit gebracht , daß sie dem Rufe des Falkners Folge leisten und erhalten, nachdem sie gehorsam beigeritten " sind, eine lebende Drossel zur Belohnung. Gleichzeitig hiermit wird auch dem Fallen das Stoßen nach kleineren und größeren ihm gezeigten Vögeln beigeGaltner trägt Beizvögel ab bracht , indem man statt des (S. 1877).
Wiener Feuilletonisten. 1879
1880
1881
Um kleinere Vögel zu beizen, gebraucht vorgeworfenen Federspieles einen Leben denbusche dort unten droht. Birgt jener den Vogel nimmt, dem indes anfangs die doch den Falkner mit seinem streitbaren man den Sperber, jenen blutgierigen kleinen -Eben fliegen die Krähen dicht Räuber, dessen blißartige Bewegungen uns Flügel zusammengebunden sind , damit er Gehilfen ! den jungen Falfen durch Flattern nicht er über das Verstec des Falkners hin , da in Erstaunen setzen . Als ich noch Forstschrecken kann. Auch begießt man den vor ertönt der Ruf: Ho hoch , mein Falk ! " lehrling war, hatte ich zum erstenmal Gegeworfenen Vogel wohl mit Blut, um den und der entfesselte Würgfalke schießt her- legenheit, die Jagd dieses Raubvogels zu Uebergang von der bisherigen Fleischahung vor , sich in schnellem Fluge über den beobachten. Ich befand mich am Waldzu dem lebenden Vogel möglichst allmäh- Krähenschwarm erhebend. Jezt hat er eine rande auf dem Taubenanstande, als plößlich zu machen. der äußersten zum Ziele erforen, und wie lich durch das verwachsene Unterholz zwei Hatte man während all dieser Uebun- ein Pfeil stößt er auf dieselbe hinab. Aber Vögel in sausendem Fluge dicht an mir gen den Falken noch an der Langfessel, so blitzschnell schlägt die Krähe einen Haken vorbeischossen. Wegen der rapiden Schnel geht die Dressur jest wieder einen Schritt und mit den zum Greifen geöffneten Fän- ligkeit , mit welcher sich dieselben an mir weiter, indem der Falke gelehrt wird, auch gen schießt der Falke hart an derselben vor- vorbeibewegten , fonnte ich sie nicht erda , wie ein Windstoß, kamen ungefesselt auf den Zuruf des Herrn bei bei - er hat sein Ziel verfehlt. Doch kennen zureiten. Diese Uebung nimmt man zuerst so leicht gibt er die Beute nicht verloren ; sie zurück ; ins dichteste Dornengeäst flüchim Zimmer , dann im Freien vor , hier ehe noch die geängstigte Krähe über den tete die geheßte Amsel ; ihr nach mit kurzer, zuerst wieder an sehr langer Fessel, dann Verbleib des Verfolgers orientiert ist, hat blißartiger Wendung der Verfolger ein ohne diese. dieser sich schon , fast ohne Flügelschlag, Sperber ( S. 1888). Nach kaum einer SeMan wird mir in der Behauptung über sein Opfer erhoben und wagt den kunde hielt er sie in den Fängen. Aber recht geben, daß dieses Abtragen" des zweiten Stoß. Nochmals versucht die über- hier kam die Lehre vom Stärkeren zur Falken eine sehr mühselige Arbeit ist. Der praktischen Anwendung; als der Räuber Falkner wird aber auch später durch die die für ihn schwere Beute langsam fliegend Leistungen seines Schülers und durch den wegtragen wollte , holte ihn mein Schuß hohen Reiz, welchen die Vogelbeize bietet, herunter. reichlich entschädigt. Bei der praktischen Jagdausübung muß Der Weidmann nur allein versteht den man naturgemäß wieder logisch vorgehen, hohen Genuß voll und ganz zu würdigen, um dem Falken seinen wirklichen Zweck den uns jede Art der Jagdausübung bietet - und wie wenig ist heute von der wirkallmählich begreiflich zu machen . Zuerst läßt man einen eingefangenen kleineren lichen Jagd geblieben ! Die Falkenbeize Vogel , eine Drossel ist erloschen, wie vie oder eine Turtelles andere, und die taube , steigen und Zeit wird nicht mehr wirft nach dieser den ferne sein, in der enthaubten Falken wir uns von der prakunter Anwendung tischen Anwendung des bekannten Zuderselben kaum noch spruchs. Der Falte eine Vorstellung mawirdsofort den Vogel chen können. Mit verfolgen und nach Recht sagt von ihr ihm stoßen, um ihn Ernst von Domzu fangen. Der Falkbrowski: Sie ist ner hat der „ Beize", eine Ruine, aber diese wie diese Verfolgung Ruine starrt nicht des Federwildes wüst und öde auf durch den Falken uns herab , sondern umwunden von ei= heißt, sofort möglichst GE Lodge del etSe schnell zu folgen, um Junger und alter Habicht, am Sisholze angefesselt (S. 1876). nem üppigen Kranze den Falken gleich tiefempfundenen wieder beireiten zu lassen. Die erbeutete rumpelte Krähe ihr Heil in der FluchtSingens und Sagens ; darum soll ihr AnDrossel gibt man ihm zu Lohne preis. zu spät ! Federn stieben in der Luft , in denken nicht verfallen , darum sollen ihre Später läßt man das Wild von Hun langem Streifen den Weg bezeichnend, den Ueberlieferungen in der grünen Gilde hochden aufsuchen und den Falken danach die Krähe mit ihrem aufgezwungenen Reiter gehalten werden als das Vermächtnis einer fliegen, oder man zeigt dem Falken das in nimmt (S. 1892) ; ohnmächtig, mit den Flü glanzvollen Vergangenheit. " der Luft ziehende Flugwild und läßt ihn geln schlagend, muß sie ihn zur Erde tragen, danach steigen. Auf wehrbare Vögel kann wo der Falkner seinem Jagdkumpanen zu man natürlich nur einen gewandten und Hilfe eilt. starken Falken gebrauchen, da sich zwischen Wiener Feuilletonisten . Auch auf Säugetiere wendet man dendem verfolgten Vogel und dem Falten Beizvogel an. In der mittelalterlichen häufig in der Luft ein Kampf entspinnt, Jagdlitteratur findet man sogar Mitteiicht alles, was unter dem Strich" steht, ist bei welchemder Falke seine ganze Kraft und lungen , nach denen Gemsen , Rehe und schreiben Feuilleton, schonkann, ein vermag nicht jeder, der Feuilleauchund ein richtiges Gewandtheit entwickeln muß, um Sieger Füchse gebeizt wurden. Beim heutigen ton zu schreiben. Dieses zarte Geschöpf , das zu bleiben. Oft genug wird er freilich Falkensport werden nur noch Hasen gebeizt. mit schimmernden Florflügelchen im Garten besiegt. Man verwendet dazu meistens den Habicht, der Litteratur umherflattert, aus jedem Relche Ist dann endlich der Falke so weit, welcher im Schlagen des auf der Erde den Honig des Gedankens saugt, von der Libelle daß man sich auf seine Beiztüchtigkeit ver- flüchtigen Wildes fast unübertroffen ist. die Anmut , von der Biene den Stachel und lassen kann, dann ist's aber auch ein Ver- Wie mag dem gehesten Lampe " zu Mute von der Nachtigall die Stimme leiht, muß gar gnügen, mit dem beflügelten Jagdgesellen sein, als ihm die scharfen Fänge des Ver- fein und behutsam angefaßt werden, soll es die Bewohner der Lüfte zu verfolgen. folgers jede Flucht unmöglich machen nicht all den Reiz verlieren , der es zu einer Erscheinung Krächzend zieht der Schwarm ( S. 1895) - das lustige Geraffel der Falk so schon oft versucht hat eigenartigen dem KäfigMan , es in stempelt. der Krähen durch die Luft , nicht ahnend die nerschelle, welche der Habicht trägt, ist das kritischen Definition einzufangen , aber das Gefahr, welche ihm aus dem kleinen Wei- Totengeläute des armen Schelms. lustige Ding ist immer wieder durch die Gitter-
1882
Wiener feuilletonisten . 1883
1884
stäbe entschlüpft. Was sich über das Feuilleton | Beispiele ist es zum großen Teile zu danken, tät oder einem schauspielerischen Debüt im sagen läßt, ist alsobald erschöpft, trozdem sein wenn nunmehr die meisten Blätter Norddeutsch- Burgtheater in der Neuen freien Presse" Stoffgebiet gerade so weit reicht als das mensch lands die Zeitereignisse sofern sie nicht bringt, sind so ziemlich entscheidend, da er den liche Bewußtsein. Es knüpft bald an den Tag, streng politischer Natur sind in jener leich Empfindungen des Wiener Publikums fast bald an die Ewigkeit an, behandelt alles und ten, anregenden und eleganten Weise besprechen, immer den präzisesten Ausdruck gibt. Dieser nichts, tändelt mit Seifenblasen und zergliedert durch welche sich der Zeitungsstil vom Buch- Einfluß auf das öffentliche Urteil ist durchaus fein unberech weltgeschicht tigter. Sein liche Pro glänzender bleme, ruftdie Stil, die überErinnerung und die An= zeugende Sachlichkeit schauung, die seiner AusPhantasie führungen, und die inder pracht: tellektuelle volle Lakonis: Erkenntnis mus feiner zu Hilfe, und Sprache, die was nur in Entschieden den Gesichtsheit seines freis der Zeit Denkens und tritt, was auf vor allem die der Bildfläche vornehme des Lebens Ruhe seines erscheint, unAuftretens tersteht seihaben ihm die nem Zepter. Macht, die er Für die ästheunbestritten tische Bestim ausübt, er: mung des worben. Feuilletons Speidel stellt ist es daher sehr hohe An= ganz belangforderungen los, ob darin an den Künstvon fünftler, hält aber lichen Edelsonst weise steinen oder Maß in Lob. von Sarah und Tadel, Bernhardt, wobei er aller von dem dings mit Montblanc einem einzi oder vom gen Worte Weihnachtsbesser zu ver baum , Don wunden weiß, den Fortals andere schritten der durchspalten: Gesundheitslange Tira pflege oder den. Wie fei von Hans ner versteht er Makart die die Kunst, Rede ist, denn Liebenswür das einzige digkeiten zu Kriterium sagen, die, ge hier bleibt nau besehen, immer die arge Boshei Form. Diese sind, und ten strenge Ge eine kritische bundenheit Justifikation an die Gesetze in Glacé: der Form, sei handschuhen dieselbe noch auszuführen . so mannigfach Leider hat er und nüaneinmal den ciert, legi Ausspruch timiert das gethan: ,,Sich Feuilleton selten zeigen, als künstle erhöht das rische ArAnsehen; es G.E.Lodge . delet Sc. beit und ist die Politik weist ihm den Gottes, un vornehmsten Falten auf dem hohen "1Ric" (S. 1872). sichtbar zu Play in dem Es sein." großen Bestil vornehmlich unterscheidet . Es dürfte daher | scheint auch die Politik Speidels zu sein, da er reiche des journalistischen Schaffens an. Diese Form ist ein nationales Eigentum der für unsere Leser von Interesse sein, über die sich in den Spalten seines Blattes nur selten Franzosen, von denen die Deutschen die In- hervorragendsten Repräsentanten des Wiener zeigt, obwohl es sein Ansehen sicher nicht verstitution des Feuilletons überkommen haben . Feuilletons , die wir heute im Bilde bringen, mindern würde, wenn er öfter erschiene . Das Theater ist auch die Domäne FriedBei der Verpflanzung auf heimischen Boden einiges zu erfahren. rich Uhls, der in der offiziellen Wiener Mit Fug und Recht Lud darf man bei te de iens uten fe ner Verd bede Pref hat sich die Wie Zeitung" und in der Wiener Abendpost" das erworben. Das Wiener Feuilleton hat Schule wig Speidel , dem Großmeister der Kritik kritische Zepter schwingt. Von dem bekannten theatralischen in Dingen, Die beginnen. we gemacht , wie das Münchener Genrebild oder Humoristen Saphir dem Journalismus in die der Londoner Gouvernantenroman, und seinem nigen Zeilen, die er jedesmal nach einer Novi |
1885
Arme geführt , hat er troßdem seinen schön geistigen und belletristischen Neigungen nie entsagt, wie seine Romane : „ Das Haus Fragstein", „ Die Botschafterin " und andere erzäh lende Schriften bezeugen. Zur Bühne steht er in viel engeren Beziehungen als Speidel, da er nicht nur als Uebersezer und Bearbeiter fremder Produkte thätig, sondern auch ein sehr gesuchter Regisseur ist. Uhl besikt einen bewunderungswürdigen Geschmack für die Miseen-scène, für die Umsetzung des geschriebenen Worts in bewegtes , farbenreiches , dramatisch wirksames Leben. Wie sehr er das Auge zu bezaubern weiß , wird man aus den beiden Balletten : Der Rattenfänger von Hameln" und „Melusine", welche er für die Wiener Hofoper geschrieben , inne. Geschrieben ist eigentlich nicht die richtige Bezeichnung ; man muß gedichtet sagen, denn jedes der beiden Ballette ist ein echtes und rechtes Tanzpoem voll inneren Zaubers , voll Märchendust und reinster künstlerischer Empfindung. Ueberdies besist Uhl ein äußerst scharfes Verständnis für Schauspielerische Individualitäten . Es ist eine sehr seltene kritische Fähigkeit, das Spiel eines Bühnenkünstlers derart zu schildern , daß wir sofort dessen Besonderheit zu erkennen und ihm auch in die technischen Details seiner Rolle zu folgen vermögen. Diese Fähigkeit ist in Friedrich hl im hohen Grade entwickelt und macht die Lektüre seiner Rezensionen sehr lehrreich. Josef Bayer, der Schauspielreferent der Presse" , ist zugleich Professor der Aesthetik am Wiener Polytechnikum und läßt dies auch in seinen Artikeln deutlich merken. Seine Feuilletons , mögen sie nun ein Problem der Architektur, ein Drama oder ein anderes Gebilde der Poesie zum Vorwurf haben , impo: } nieren durch ihre Gründlichkeit , sowie durch die Fülle kunstwissenschaftlicher Gesichtspunkte, die sie enthalten. Etwas doktrinär im Grund : ton, sind seine Arbeiten dennoch stets echt feuille tonistisch, weil ihnen Eleganz des Ausdrucks, Gemeinverständlichkeit und jene graziöse Kühnheit zu eigen ist, welche die Zeitungskritik erfordert. Im geraden • Gegensage zu Bayer steht Sigmund Schlesinger vom Neuen Wiener Tagblatt" , dem populärsten Lokalblatte der österreichischen Hauptstadt. Ohne jeden Anflug von schulmeisterlicher Weisheit, stets sprung fertig und von seltener journalistischer Schnell: kraft , zeichnen sich seine Rezensionen durch überaus große Lebendigkeit, Schärfe des Wiges und Reichtum an Pointen aus . Er kennt das Theater wie wenige, da er seit zwei Dezennien für dasselbe thätig ist. Schon in den Sechziger jahren schrieb er im Vereine mit Franz Nissel ein Drama , das im Theater an der Wien aufgeführt wurde , und seit dieser Zeit eine Reihe reizender kleiner Lustspiele, wie : Mit der Feder“, „ Die Gustel von Blasewitz “ , „ Mein Sohn “ , „ Der Hausspion" und mehrere andere, die mit vielem Erfolge über die deutschen Büh nen gingen. Schlesinger würde als Dramatiker gewiß eine weit größere Produktivität ent: wickeln , wenn ihn sein journalistischer Beruf nicht so sehr absorbieren + würde. Er ist wohi der fleißigste Feuilletonist Wiens, der kein intereffantes Ereignis in der Politik, in der Kunst und in der Gesellschaft vorüberziehen läßt , ohne es aphoristisch zu beleuchten und ihm einen satirischen Geleitsbrief auszustellen. Seine Schreibweise , welche durch ungewöhn liche Wortzusammenziehungen und langatmige, fich selbst überkletternde Säge auffält , darf man sich freilich nur erlauben , wenn man so viel zu sagen hat wie Schlesinger. Gewiß die markanteste Persönlichkeit unter allen Wiener Journalisten und eine der eigen artigsten in der deutschen Litteratenwelt über haupt ist Friedrich Schlögl , der sich durch ¡
Wiener Feuilletonisten. 1886
1887
seine in // Wiener Blut“ und „ Wiener Luft" anonym erschienene Roman „ Carrara“ große gesammelten Kleinen Kulturbilder aus der Aufmerksamkeit erregte — in kurzen ZwischenKaiserstadt an der Donau " einen Namen weit pausen folgte. Seit 1869 steht Nordmann über die Grenzen seiner lokalen Wirkungs- | im Verbande der „ Neuen freien Presse", wosphäre hinaus gemacht hat. Auf gründlichster selbst er jedoch nur dann sein Visier lüftet, Kenntnis des Bodens , den sie schildern , be- wenn er in seine geliebten Alpen pilgert und ruhend, voll treffender Beobachtung des Volks- von dort einen seiner bekannten unterwegs " lebens , voll unverfälschten , aus dem Herzen betitelten Artikel einsendet. quellenden Humors und getragen von dem Auch Johannes Ziegler , der vortreffErnste seiner Aufgabe, ſind die Artikel Schlögls liche Feuilletonist der Wiener Allgemeinen für Wien das geworden , was jene Nestor Zeitung" ist häufig unterwegs" , und seine Roqueplans für Paris und Boy für London, Reiseberichte und Landschaftsbilder zählen zu und Ferdinand Kürnberger, der Allzermalmer, den auserwählten Leckerbissen für litterarische übertreibt keineswegs , wenn er sie die beste Feinschmecker. Ziegler ist ein Hamburger und Studie auf dem Gebiete der belletristischen gehörte durch mehrere Jahre der österreichischen Ethnographie" nennt. Schlögl, der schon im Kriegsmarine an. • Nach seinem Austritte aus Vormärz litterarisch thätig gewesen und in den dem Dienst begründete er das „ Archiv für damaligen Zeitschriften und Almanachen ein Seewesen" (jest ,,Marine-Zeitung "), und nachhäufig gesehener Gast war, glänzte durch ein dem er die Redaktion desselben niedergelegt, ganzes Jahrzehnt als Star" des Neuen begann er die See, ihre Wunder und GeWiener Tagblatts" und ist gegenwärtig der fahren belletristisch zu schildern. Später wurde Sonntagsfeuilletonist der ,,Deutschen Zeitung" . er auch zur Landratte , und gegenwärtig iſt Ein ganz anderer Humor als bei Schlögl, in er wohl der beliebteste Tourist unter allen deffen Schriften Liebe und Satire in holdem Wiener Feuilletonisten. In der That versteht Gleichmaß stehen, waltet bei Daniel Spiker, er es vorzüglich, den Reiz einer schönen Gegend von dessen berühmten ,,Wiener Spaziergängen" und einer wohlbesezten Tafel ( denn auch das schon mehrere Sammlungen erschienen sind. gehört zur Reiselust) anschaulich zu machen. Mit einem nie fehlenden Blicke für menschliche Ziegler ist ein Meister der Detailmalerei und Schwächen und Lächerlichkeiten geht er rein würzt seine Darstellung mit jenem feinen perstandsmäßig vor und seht mit den Waffen Humor, welcher der hervorstechendste Zug seider Fronie, der Persiflage und des beißendsten ner harmonisch gestimmten Individualität ist. Spottes seinen Opfern zu, bis sie vernichtet Eine der intereſſanteſten Erscheinungen der find. Er braucht keineswegs lange dazu ; jein Wiener Zeitungswelt ist Hugo Wittmann. haarfein geschliffener Stil , der in tausend Ein Schwabe von Geburt, der frühzeitig nach Facetten blitt und leuchtet , kondensiert den Paris gekommen war, woselbst er bei einigen Wit, so daß seine !! Spaziergänge" nie mehr angesehenen Blättern als Muſikreferent funktioals hundert bis höchstens hundertfünfzig Zeilen nierte, weiß erfranzösischen Esprit und deutschen umfaffen. Um so weiter und sicherer fliegt Ernst vortrefflich zu verschmelzen. Doch schlägt der Pfeil, den er losdrückt . "/ Er trifft immer die Pariser Schule in seinen heutigen Arbeiten den Nagel auf den stopf und dabei manchen noch immer kräftig durch, so daß man ihn Kopf auf dessen Nagel" , sagte Adolf Glaß nicht mit Unrecht einen geistreichen Neverbrenner von ihm , und der hat sich gewiß seber seiner französischen Gedanken" genannt darauf verstanden. Den Hauptcffekt erzielt hat. Seit längeren Jahren bei der Neuen Spizer durch Anwendung landläufiger, aus freien Bresse" thätig, deren Feuilleton er im dem alltäglichen Leben herübergenommener Vereine mit Speidel redigiert, pflegt er mit Redensarten auf ungewöhnliche Dinge. So Vorliebe das Gebiet des litterarhistorischen schrieb er z . B. von einer eben geadelten Genres, wenn man so sagen darf, indem er Börsengröße, die „ Behörde habe dem Herrn die Charakterköpfe der zahlreichen LitteraturKommerzienrat die öffentliche Ausübung der und Kunstgrößen Frankreichs , ihre Thaten Aristokratie gestattet" . Spiger begann , wie und Schicksale mit leichter Feder skizziert Speidel, als Lyriker, trat dann mit einigen und allerlei anekdotische Glasbläsereien hincinnationalökonomiſchen Arbeiten auf, bis er verwebt. Auch in der Novellette und der endlich sein wahres Talent entdeckte und in der gesellschaftlichen Plauderei hat er viel ReizPreffe", später in der // Deutschen Zeitung" volles geſchaffen, und da fein Stil an Glätte und gegenwärtig in der Reuen freien Presse" und formeller Vollendung nichts zu wünschen die luftigen Spaziergänge" veröffentlichte, übrig läßt, zählt er zu den Lieblingen der die stets , wenn sie erscheinen , das Tages geistigen Elite im Publikum . gespräch der Wiener Gesellschaft bilden. Eine Wittmann in mancher Beziehung verJohannes Nordmann , der Präsident wandte Natur ist Ferdinand Groß, der der Wiener , Konkordia", iſt ') eine in Schrift: | sich auch als Dramatiker und Lyriker erfolg stellerkreisen sehr bekannte Persönlichkeit. Das reich bethätigt hat ; nur daß bei jenom die Vertrauen seiner Kollegen, die ihn zu wieder- Pariser und bei diesem eine spezifisch wieneholten Malen an die Spiße ihrer Vereinigung rische Schattierung vorherrscht. Groß ist eben berufen haben , ist ein wohlverdientes, denn ein Wiener Kind, und die ganze WarmherzigNordmann ist zu einer Zeit, wo das freie feit und Leichtblütigkeit seiner Landsleute tritt Wort in Oesterreich noch geknechtet war, für in seinen Feuilletons zu Tage. Was uns an Recht und Aufklärung energisch eingetreten diesen fesselt, ist die Unmittelbarkeit und Nrund hat in den verschiedenen Zeitschriften, die sprünglichkeit, mit der da alles hingeschrieben, er in den Jahren 1853-1873 redigierte, der flotte Ton, mit dem alles crzählt ist. Ei jungen Talenten stets väterlich Obdach ge: beginnt ein Feuilleton mit der Sorglosigkeit, geben. Eine feinsinnige, poetische Natur, hat mit der man etwa "1 Guten Morgen " sagt, er seine Feder nicht nur im Dienste des Tages, wenn man bei einer Dame cintritt. Da die sondern auch im Dienste der Musen geführt . Dame hübsch ist, knüpft er ein Gespräch an, Bereits im Jahre 1846 publizierte er einen ein Wort gibt das andere, und die Kauſerie Band Gedichte, denen eine längere Reihe er ist fertig . Groß ist ein sehr angenehmer unter welchen der Plauderer, hat jedoch auch ernste Studien zählender Dichtungen getrieben und sich eine gründliche Kennt1) Leider muß es jezt heißen „ war“, denn Nordmann | nis der romaniſchen Litteraturen erworben , ist tot. Dieser Artikel wurde bereits vor seinem Tode ge- wovon seine Arbeiten in großen deutschen chrieben und wir haben absichtlich darandas nichts geändert um einheitlichen Zug , der durch Ganze geht,, Blättern und in der Wiener allgemeinen nicht zu verwischen. D. R. Zeitung", deren Feuilletonredakteur er zur
Eine Waldblüte.
Bret Harte. 1888
1889 ner allgemeinen Zeitung", der sich durch seinen vornehmen Geschmack , seine glänzende Federführung, die Entschiedenheit seines Urteils und die niederschmetternde Wucht seines Tadels eine Speidel fast ebenbürtige Stellung erworben hat; so Fedor Mamert , Siegmund Feldmann, Emil Granichstädten und mehrere andere, die sich unter den Jüngern hervorzuthun verstanden. Aber da man ihren Namen und Leistungen häufig in der deutschen Presse begegnet, mögen sie diesmal selbst für sich X. X. sprechen.
del a Stt.
Zeit ist , glänzendes Zeugnis ablegen. Von all den heute Genannten haben Schlesinger und Groß am meisten journalistisches Blut in sich, und die Titel seiner Sammlungen : ,,Kleine Münze ",,,Nichtig und flüchtig " ,,, Mit dem Bleistift",,,Heut und gestern" und 11 Aus meiner Bücherei" thun dar, daß er sich vor wiegend als Journalist, als Mensch der Aktualität fühlt. Wir haben in dieser Liste noch keineswegs alle feuilletonistischen Talente Wiens genannt. Aber das Babel an der Donau ist so reich an journalistischen Begabungen, die unter dem Strich" arbeiten, daß wir notgedrungen innehalten und uns mit dieser Auswahl begnügen müssen. Wir wissen sehr wohl , daß wir so manchem nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt haben . So vor allem Rudolf Valdut, dem Schauspielreferenten der ,,Wie-
1890
ge
G&Lod
Eine Waldblüte .
Von Bret Harte. Beigerittene Würgfalten erhalten die Agung (S. 1878).
(Schluß.)
us dem Versuch entstand ein A abscheuliches Zerrbild es war weder Mintys statuenartige Gestalt, noch Luise Macys zierliche Er scheinung. Minty war nicht blind ; ihrem Scharfblic wurde es plöt lich flar , wie viel die langsame Dressur der äußeren Formen vermag und ersparte ihr nichts von ihrer trost losen Entdeckung. Sie mußte die bittere Wahrheit erkennen; riß den Plunder von den Schultern, und sich in ein Tuch hüllend , warf sie sich ärgerlich aufs Bett. Doch war Unthätig feit nicht Mintys Sache; sie stand wieder auf, nahm ein altes Arbeitskästchen aus ihrer Truhe und wühlte darin. Es enthielt ihre sämtlichen Kostbarkeiten, ein abscheulicher Ring mit einer Kamee, ein Besitz der seligen Mrs. Sharpe , fehlte darin. Wieder durchforschte sie den Inhalt, und einer plöglichen Eingebung fol gend, stürzte sie in ihres Bruders Schlafzimmer. Der galante , zehnjährige Abenteurer war, allen Gefühlen zum Trok, dem groben Materialismus ju gendlichen Schlafes erlegen. Auf einem Feldbett, unter den Klei dungsstücken , die er sorglos und schnell abgeworfen, halb verborgen, lag Richelieu. Am Zeigefinger seiner klei nen, schmuzigen Hand
G &Lodge des Amfel von einem Sperber verfolgt (S. 1876 )
prangte noch schuldbewußt der vermißte Reif. Mit aufbrausender Entrüstung eilte Minty an das Lager und hob schon die Hand nach der jugendlichen Wange, die sich verlockend auf dem Kissen darbot. Sie hielt plöglich inne. Hundertmal hatte sie ihn vorher so da liegen sehen. Auf dem Kissen neben ihm eine undeutliche Masse goldenen Felles ein hilfloses Eichhörnchen, das an das Bett angefettelt war; zu seinen Füßen eine Kaße mit runden Augen, die mit der ihrer Rasse eigenen Langmut die tyrannischen Launen ihres Herrn ertrug; auf dem Brett über ihm eine ekelhafte Sammlung von Fliegen und Taranteln in trüben, grünen Flaschen ; ein Bissen Pfefferkuchen zu gelegentlicher , nächtlicher Erquicung und ihre eigene Büchse Bärenfettpomade. Vielleicht war es der wehrlose , findliche vielleicht auch noch eine NachSchlaf empfindung der väterlichen Liebkosung ; als sie aber sinnend auf ihn herabblickte, wurde der jugendliche Missethäter in ihren Augen wieder das hilflose Kind , das sie noch vor kurzem in den schwachen Armen gehalten, damals, als die mütterliche Verantwortung zugleich mit den schlecht passenden, mütterlichen Kleidern aufdie schlanke, schmächtige Mädchengestalt übergegangen und schlaff sant ihre Hand herab. war Der Schläfer bewegte sich und erwachte. Im selben Moment , wie durch Sympathie, leuchteten zwei lustige Augen aus dem Fell und die Kate recte die Glieder. Richelieus unstäte Augen wanderten vom Licht auf die Schwester und schnell verschwand die schuldbewußte Hand unter der Decke. „ Es hat nichts auf sich, mein Junge," sagte Minty, es war Mamas Ring und du kannst ihn tragen, wenn du willst, nur bitte darum." Richelieu glaubte noch zu träumen ! Diese unerwartete Milde - das unerklär liche Zittern in seiner Schwester Stimme, das war wohl sichtlich der Einfluß der Nacht vielleicht die Furcht vor Geistern!
Bret Harte.
1891
Eine Waldblüte. 1892
Das mußte er sich für künftige Gelegenheiten merken ; aber augenblicklich befremdete es ihn wohlthuend. Du brauchst doch nichts, Minty," fragte er zärtlich, einen Eimer Wasser aus wirklich der Quelle nichts ?" Er machte eine Bewegung, als wolle er aufstehen, doch zögernd genug, um einer Annahme seines großmütigen Anerbietens nicht zuvorzukommen. ,,Nein, mein Junge," sagte sie, ihn noch immer unverwandt betrachtend. Richelieu empfand einen leisen Schauer unter diesem Blick. 11 Wie groß deine Augen bei Nacht sind, Minty ! " sagte er. Er wollte hinzufügen: ,, undwie schön", G. E. Lodge del. et Sc. aber sie war seine Schwester und er hielt es für brüderWürgfalte schlägt eine Krähe liche Pflicht, die angeborene Eitelkeit ihres Geschlechtes nicht anzu- auszudehnen. Die schwarzen Baumstümpfe fachen. Du brauchst wirklich gar nichts, des verkohlten Waldes hoben sich hart Minty?" und finster, zertrümmerten eisernen Säulen Jest nicht, mein Junge. " Sie war gleich, vom Himmel ab. Die Höhlung in tete einen Augenblick und sagte dann: "„! Es der Klippe, in welcher Richelieu gegraben würde dir wohl nichts machen, gleich nach hatte, war ein tiefblauer Abgrund , über Sonnenaufgang aufzustehen und für mich dem ein glühender Dunst zu schweben im Look-out etwas zu bestellen ?" schien. Wie oft hatte Minty das alles Richelieus Augen glänzten so plöglich, gesehen, und doch war es ihr noch nie so du hältst öde und eintönig vorgekommen ; sie nahm daß es sogar Minty auffiel ; dich aber nicht auf und schwaßest auch es hin, wie sie es bisher gethan hatte. du sagst einfach , daß es mir unnicht Sie wandte sich ab , entkleidete sich möglich sei wieder hinzukommen, wegen - mechanisch und ging zu Bett. Sie em " wegen pfand deutlich, wie kindisch sie gewesen Wichtiger Geschäfte, " sezte Richelieu war, und daß sie leicht hätte noch kindi hinzu, so sagt man." scher sein können. Die Vorsehung mochte Wenn du willst. " dabei die Hand im Spiel gehabt haben, Sie beugte sich über ihn und berührte aber auch ihr Vater , ihr kleiner Bruder, mit ihren Lippen seine Stirn und seine ihre tote Mutter, deren Kleidung fie un Augen. Gib acht auf Nip , das Eich vernünftig zerschnitten hatte. Daß sie aber hörnchen, " seßte er praktisch hinzu. Einen je die Bitterkeit der Entsagung kosten und Augenblick vermischten sich ihre Locken auf ihren Glorienschein erringen würde - wie dem Kissen. es die Poeten von ihren Heldinnen er " Jezt schlaf," sagte sie kurz. zählen das fiel dem Schmiedetöchter Richelieu hatte sie in seiner ungestümen lein selbst im Traum nicht ein. Knabenweise fest um den Hals gefaßt: Kapitel IV. ,,Darf ich meine gute Hose anziehen ?" "Ja. " Kurz nach Tagesanbruch am nächsten Und den Ring tragen?" Tag erwachte Mainwairing zum erstenmal im Look- out nach einer ruhelosen Nacht. " Ja," sagte sie ein wenig traurig. ,,Dann kannst du dich auf mich ver- Er war so fieberig und rastlos , daß er Lassen , und weißt du," hier sank seine bei Sonnenaufgang aufstand, sich ankleiStimme zum vertraulichen Flüstern herab, dete und vorsichtig auf die noch stille „ vielleicht verdantst du mir eines Tages Veranda hinaustrat. Die Stühle, die er eine Menge wirklichen, echten Schmuckes . " und Luise Macy am Vorabend innege Sie ging langsam in ihr Stübchen habt hatten, schienen ihm noch verdächtig zurück , und das Fenster öffnend, sah sie nahe zusammen zu stehen , und er rückte in die Nacht hinaus. Derselbe Mond, der sie sorgfältig auseinander; als er aber der Landschaft von Look-out so unbeschreib- hinab in die Schlucht blickte, fand er die liche Anmut verliehen hatte , schien hier Landschaft sonderbar verändert. Ein leichter feine Aufgabe verfehlt zu haben ; es gelang Duftschleier hob sich aus dem Thal, als ihm nicht besser wie Minty , die von der wäre es der letzte Traum des vergangenen Natur gezogenen Grenzen oder die harten Abends ; die ersten Sonnenstrahlen schieBanden der Gewohnheit zu durchbrechen. nen hartnäckig auch die kleinste Spalte Unter seinen Strahlen schien sich die beleuchten zu wollen, und die frischeMordunkle Granitwand in ihrer Blöße noch genluft wirkte so ernüchternd, daß er sich
1893
(S. 1871 ). ärgerte.
Ein leichter Tritt auf der Ve-
randa zwang ihn umzublicken . Es war die sonderbare Erscheinung eines kleinen Jungen in auffallender Kleidung, von unverkennbarer Aehnlichkeit mit Miß Minty Sharpe. Keck auf die Seite gestülpt , saß ihm ein flotter, mit roten Bändern verzierter Matrosenhut auf den blonden Locken. Hier aber hatte die Seemannstracht ein jähes Ende , fast wie der einstige Wunsch Seeräuber zu werden, der sie hervorgerufen hatte. Ein rotes Hemd, ein weißer Kragen mit gelber Krawatte , die gleichfalls an Minty Sharpe erinnerte , ließ eine Bergmannstracht vermuten. Kurze , schwarze , samtene Kniehosen, niedrige Stiefel vervollständigten das abenteuerliche Aussehen. Mainwairing, der mit Kindern oder Untergebenen stets vertraulich und freundlich verkehrte , lächelte ihm ermutigend zu. Richelieu , denn er war es, kam näher und streckte ernsthaft die beringte Hand aus . Mainwairing, gleichfalls ernst bleibend, schüttelte sie herzhaft und zog den Hut. Richelieu that das Gleiche. " Ist Jim Bradley schon aus ?" fragte Richelieu leichthin. „ Nein, ich glaube nicht. Aber ich bin Frank Mainwairing. Kann ich es beforgen ?" Richelieu lächelte. Die Grübchen, die weißen Zähne , die schwarzen lachenden Augen sie glichen denen Mintys auf ein Haar. Ich bin Richelieu, " antwortete er mit gleicher Offenheit . Richelieu?" Sie wissen ja, der französische „Ja Kardinal. Mutter sah ihn in St. Louis ermorden. " Ermorden?" " Ja , im Theater. " Mainwairing suchte seine etwas verwirrten Begriffe zwischen dem großen Kardinal und dem aufgepußten Jungen vor
Bret Harte. 1894
Eine Waldblüte. 1895
ihm in Einklang zu bringen. Aber Riche | Stufen der Veranda, um ein kleines , blaues, lieu half ihm, indem er hinzusezte : Riche zusammengebundenes Taschentuch aufzu lieu Sharpe. " nehmen, das augenscheinlich etwas Schweres „ Oh , das ist Ihr Name! " rief Main enthielt, und kam dann zurück. Was ? haben Sie da drin Ihre Schäße, wairing heiter. Dann sind Sie ja Miß Mintys Bruder. Ich kenne sie. Das freut Richelieu?" mich. " Steinarten!" sagte Richelieu kurz und Beide schüttelten abermals die Hände. verschwand. Nun, Gleich darauf kam er wieder. Richelieu, der wohl empfand, daß sein Auftrag nicht zu seinem freundschaftlichen Ver- Kardinal , haben Sie jemand gefunden ? " tehr mit diesem Fremden passe, sah unsicher fragte Mainwairing. nach dem Hause. Mrs. Bradley ; Jim ist schon in der Nun, " sagte Mainwairing, wenn Sie Mühle. Ich gehe dorthin. " so eilig sind, müssen Sie hineingehen und Haben Sie Miß Macy gesehen?" fuhr anklopfen. Ich höre jemanden in der Mainwairing leicht fort. Küche." "Coo ?" Richelieu nickte, ging aber erst zu den „ Loo - Nun ja!" " Nein , fie philandert (ein in Amerika gebräuchlicher Ausdruck für Kokettieren) mit Kapitän Greyson. " „ Philandert? Mit Kapitän Greyson ? " gab Mainwairing erstaunt zurück. "Ja, zu Pferde, bei den Felsen." " Du meinst wohl, daß sie mit Mr. — mit Kapitän Greyson ausgeritten ist ?" "Ja, sie reitet und philandert, " bestand Richelieu. Und was nennst du philandern?" Nun ich denke, das sollten Sie und das Fräulein am besten wissen, " lautete des Knaben vorlaute Antwort.
GE.Lodge del et So
1896 Richelieu nahm seine Steine zusammen und verschwand mit der Ueberzeugung, daß der Fremde ein durch und durch falscher Mensch sei. Es war beinahe acht Uhr , als Mrs. Bradley die Veranda betrat. Sie bat etwas
zerstreut wegen der Verspätung im Haushalt um Entschuldigung. 17 Mr. Bradley blieb die Nacht in der Mühle und wird nicht vor dem Frühstück wieder hier sein, wo er dann auch Ihren Freund, Mr. Richardson, mitbringt. " Mainmairing unterdrückte mühsam seine Ungeduld.- ,, Schade, daß Miß Sharpe heute nicht kommen kann. Mainwairing übersah die Förmlichkeit, mit welcher Mrs. Bradley Mintys Namen betonte , und sagte leichthin : „ Oh , deswegen kam ihr Bruder so zeitig?" Haben Sie ihn gesehen? " fragte Mrs. Bradley betroffen. "Ja ! der kleine Kerl ist amüsant genug; aber, mir scheint , er teilt die Vorliebe seiner Schwester für Mr. Bradley; er verließ mich, um ihn in der Mühle aufzusuchen. " 11 Luise wird Ihnen Gesellschaft leisten, sobald sie sich umgekleidet hat, " fuhr Mrs. Bradley fort. Sie ritt heute morgen zeitig mit einem Freunde aus . Sie liebt solche Morgenritte. " Und das Philandern auch, dachte Main„ Gewiß, " sagte Mainwairing mit schwachem wairing. Es war ganz natürlich, daß Miß Lächeln. Macy nach der Landessitte so zeitig nicht allein ausritt aber warum hatte der Richelieu glich wirklich Minty völlig. Es entstand eine lange Pause. Der junge Schlingel auf dem Philandern bestanden? Engländer war entschieden recht lang Er hatte ganz deutlich gesagt : „ und phiweilig. Richelieu merkte, daß er hier weder Landert " . Es war Dummheit von ihm. Unterhaltung noch sonst etwas heraus- Jeder andere als Mainwairing konnte das schlagen konnte, und daß er nußlos seine Wort völlig mißverstehen. Vielleicht sollte er sie warnen, aber nein er durfte doch Zeit verlor. Ich gehe," sagte er. ,,Guten Morgen," erwiderte Mainmai- die unbedachten Worte eines Kindes dem Bruder einer unter ihr Stehenden, nicht ring, ohne aufzublicken. wiederholen. Stand denn Minty unter ihr? Sollte sie mit Minty von diesem Greyson gesprochen haben? Jedenfalls würde es nur die Ungeschicklichkeit des vorigen Abends wieder wachrufen, und er beschloß über die Sache zu schweigen. Ein halb fragender, halb vertraulicher Blick Luisens , die jetzt die Veranda betrat, belohnte ihn. Sie habe ganz vergessen, ihm gestern abend von der beabsichtigten Partie zu erzählen, ja sie habe den ganzen Plan vergessen. Früher sei sie gar gern mit Kapitän Greyson geritten , in letter Zeit sei es nicht mehr dazu gekommen. Sie glaube, sie sei nicht mehr geritten, seit seit "1 Seit wann?" fragte Mainwairing. ,,Nun, seitdem Sie frank waren," antwortete sie offenherzig. Helle Freude spiegelte sich in Mainwairings Antlig. Aber Luisens hübsche Augen senkten sich nicht und ihre Wangen färbten sich nicht tiefer. Schon wartete das Hafe vom Habicht gebeizt (S. 1880).
Bret Harte. 1897
Frühstück , als Richardson allein anfam. Er erzählte, eine wichtige Angelegenheit halte Mr. Bradley zurück, die seine Abwesenheit entschuldigen müsse. Mainwairing war es nicht ungelegen, daß sein aufmerksamer , beobachtender Wirt der Begegnung nicht beiwohnte. Luise Macy merkte sofort die Verschiedenheit im Benehmen der beiden Landsleute. Richardsons wichtigthuende Art , den Beschützer der Damen zu spielen , und seine falifornische Vertraulichkeit veränderte sich in gezwungene Unterwürfigkeit gegen Mainwairing , während die etwas steife , gesuchte Freundlichkeit des jüngeren Mannes einer gewissen, unbewußten Herzlichkeit nicht entbehrte . Es entging Luise nicht, daß diese beiden Männer, die gesellschaftlich weiter getrennt waren , als je zwei ihrer Landsleute, doch durch eine unerklärliche Sympathie enger verbunden waren als zwei völlig gleichberechtigte Mintys proAmerikaner. phetisches Wort in Bezug Richardsons auf die beiden Frauen, traf bei Mrs. Bradley ein. Der Bankier - eine breite, massive Gestalt -war schnell von der sittsamen, einfachen Anmut der jungen Frau bestrickt und trug eine oftentative Galanterie zur Schau, die Mainwairing unangenehm berührte. Als die beiden Männer allein auf der Veranda saßen, welche ihnen die Frauen überlassen hatten, sagte Richardson: „ Merkwür dig, daß ich nicht früher von Bradleys Gattin hörte. Sie scheint eine frische, behagliche, fleine Frau. Geradezu weggeworfen mit ihm in dieser Einöde. " Mainwairing erwiderte falt, sie sei die schätzenswerte Gattin eines sehr schätzensdoch ge= werten Mannes dachte er ungern dabei ihrer früheren Geständnisse "1 Sie sind unendlich gut und sorgsam für mich gewesen ; meine leiblichen Geschwister hätten nicht mehr thun fönnen und gewiß nicht auf taktvollere Weise , " be tonte er. Gewiß , gewiß ," sagte Richardson eilig, ich benachrichtigte Lady Mainwairing, daß Sie bei grundehrlichen Leuten vortreff: lich verpflegt würden; und daß -" Lady Mainwairing weiß bereits, was ich von den Leuten halte , und was sie
Eine Waldblüte.
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G.E. Lodge, del , et Se Jagdfalt (Falco islandicus, 6. 1871).
ihrer Güte verdankt, " unterbrach ihn Main stehen . Er scheint ein guter Gesellschafter recht unterhaltend, nicht?" wairing trocken . Mainwairing hatte die Gabe, diehöheren " Jawohl , jawohl , " entschuldigte Richardson. "7 Selbstverständlich müssen Sie Ständen eigen ist , durch höfliches Stillin nahen Verkehr mit ihnen getreten sein. schweigen zu verblüffen . Unbehaglich rückte Ich kenne Bradley nur geschäftlich. Er Richardson auf seinem Sitz , fügte aber versuchte es, die Bank dafür zu gewinnen, mit erkünftelter Sorglosigkeit hinzu : Nein, ihm bei der Anlage neuer Mühlen behilf ich wußte nur von der Cousine, Miß Macy, lich zu sein; wir aber wollten nicht versie hatte Freunde in Menlo Park voriges 80
Bret Harte. 1900
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Das ist durchaus nicht nötig , " ver- herzige Schwester zu Ende ist, werden Sie Jahr besucht. Ein recht anziehendes Mädchen. Es heißt, Colonel Johnson von Sa- sicherte Mainwairing ruhig, „ Sie würden sich mit gutem Gewissen den Freuden des eine gute sie nur in ihren häuslichen Beschäftigungen Lebens wieder hingeben können ," sagte cramento habe sie sehr verehrt stören. Ich werde die Damen benachrich- Mainwairing mit erkünfteltem Lächeln. Partie wäre es gewesen, er ist sehr reich aber irgendwie ging die Sache auseinander. tigen. Hut und Stock finden Sie im Gang ,,Dann können Sie ihren Morgenritt wieder Dann jagt man , sie hätte gern einen und Sie können die Veranda über diese aufnehmen , dem der Pflegling im Wege Spanier, den jungen Pico vom Amador Stufen verlassen. Nebenbei senden Sie stand." Ohne Bitterkeit , ohne Vorwurf , ja Rancho geheiratet ; doch gab es seine mir jemand vom Summit, der mein GeFamilie nicht zu. Sie hat entschieden Pech) . päck morgen nach Sacramento schafft. Ich ohne Staunen erhob Luise ihre klaren Vielleicht macht es sich mit dem Kapitän werde ein Transportmittel, ein Pferd oder Augen zu ihm. Ihm war, als sei ihm Greyson, mit dem sie heute morgen ausritt." sonst etwas für mich brauchen , denn für eine absichtliche Beleidigung mißglückt. "/Weiß meine Cousine, daß Sie so bald Hielt die Bank Bradleys Mühle nicht die nächste Zeit habe ich Fußzwanderungen für ein gutes Unternehmen?" fragte Main aufgegeben; doch, das können wir heute fortgehen ?" fragte Luise endlich. abend besprechen . Kommen Sie zeitig. Nein, ich wußte es selbst nicht. Es wairing ruhig, als Richardson schwieg. ist " fügte er schnell hinzu, und die Lüge „Nicht mit ihm darin; er ist kein Ge- Guten Morgen ! " Er gab seinem völlig willenlosen Lands- | trieb ihm das ehrliche Blut in die Wangen, schäftsmann. " „Ich hielt ihn dafür. Er scheint mir mann das Geleit, der, weit entfernt davon,,,weilmichunangenehmeGeschäftsangelegen = ein energischer Mann, der seine Arbeit ver- seinen Standpunkt behaupten zu wollen, heiten unerwartet schnell nach England steht und sich nicht fürchtet , selbst Hand sich jetzt in seiner Fügsamkeit viel freier zurückrufen." # und wohler zu fühlen schien ; er brachte „Mir scheint , Ihre Gesundheit sollte anzulegen. Gerade das ist's. Er hat ganz merk ihn bis an das Ende der Veranda und Ihnen wichtiger sein , als die Geschäfte, würdige Ansichten, will mit seinen Arbeitern sah ihm nach. Als er sich umwendete, meinte Luise, //damit will ich nicht sagen, arbeiten , alles langsam und in kleinem sah er Luisens hübsche Gestalt am Thor daß sie hier bleiben sollten , " lachte sie Maßstabe fertig bringen. Hier wäre das lehnend. Wie zierlich und vornehm sah schnell, aber schade wäre es gerade jest, einzig Richtige, den ganzen Landstrich anzu sie aus in dem einfachen Morgenkleid! wo Sie sich so viel wohler fühlen, nicht faufen, die Ansiedler herauszuwerfen, alle Kein Wunder, daß sie umworben wurde in gleicher Weise ruhig und vorsichtig weiter übrigen Mühlen kalt zu stellen und die von Greyson , Johnson und von jenem zu leben. " Wie gern hätte Mainwairing gestanden, Sache einer tüchtigen Aktiengesellschaft von Spanier ! - doch nein ! letteren hatte sie daß ihm seit einer halben Stunde Leben San Francisco zu übergeben . Nur so gern heiraten wollen ! "/ Warum haben Sie Mr. Richardson und Sterben ganz gleichgültig geworden ; würden wir uns damit befassen .“ " Aber das Unternehmen selbst erscheint fortgeschicht ?" fragte das junge Mädchen doch bezweifelte er die Wahrheit oder Wirkung dieser abgenußten Heldensprache. Er Ihnen doch von seinem Standpunkt aus halb vorwurfsvoll, halb schelmisch. "Ich packte ihn ein , weil ich es für fühlte , daß jeder Grund, den er angeben nicht schlecht?" „Vielleicht nicht. " Sie und Mrs. Bradley zu angreifend fand, mochte, nur eine leere Ausflucht sei. Und wie sollte er sie bitten, diesen Grund aufohne Hilfe zu unterhalten ." ihn Und Sie lehnen " cs ab, nur weil es }} Da er aber unser Gast war, konnten zuklären ? Er fühlte, daß er sich in immer nicht wichtig genug für die Bank ist ?" Sie das uns überlassen ," meinte Miß neue Lügen verstricken mußte, und so ver"/ Allerdings . " suchte er auf anderes überzugehen; er sagte Mainwairing stand langsam auf, steckte Macy . " Daran habe ich wahrhaftig noch nicht ruhig: Richardson meint, Sie schon früher die Hände in die Hosentaschen und blickte in Menlo Park, irre getroffen zu haben mit gelassener Ueberlegenheit auf den gedacht ! " rief Mainwairing verdugt aus. Bankier herab . nicht. ich und „Bitte, Miß Macy, verzeihen Sie Ueber die plögliche Bemerkung beich kannte den Mann, so konnte Richardson , ich wollte , Sie nähmen dann fremdet, sagte Luise kalt, sie erinnere fich sagen, " es Sie aber nicht ? ich die Sache für mich in die Hand, ich möchte „ Nun denn , ich will verzeihen , weil seiner nicht . Mr. Bradleys Güte nicht unerwidert lassen, Ich glaube , es war bei einem Mr. Sie so zerschmettert aussehen, " lachte Luise. möchte ihm helfen - nachseiner Art helfen – on- oder mit einem Mr. JohnJohns Sie verstehen mich? Ich wünsche das und „Aber ich weiß nicht, wie es Jenny aufoder vielleicht in so einem spaniglaube, mein Vater wünscht es auch. Ist nehmen wird , daß Sie so über ihre Er- son es Ihnen lieb , daß er Ihnen selbst dar oberung verfügten. " Sie stockte und sah schen Rancho - mir ist , als habe er ihn aufmerksamer an. Brachte er Ihnen einen Namen wie Pico erwähnt !" über Staunend blickte ihn Luise an und Durchaus nicht, das ist ganz unnötig, " schlechte Nachrichten ? Ist dem so, so ist es " erwiderte Richardson , ebenso schnell in seine schade, daß Sie ihn nicht früher fortschickten. brach in ein herzliches , unwiderstehliches Lachen aus , das ihrem zarten und doch insularische Unterwürfigkeit zurückfallend. Er verpfuscht uns ganz unsere Kur. " Mainwairing empfand es bitter, daß festen Gesichtchen die ganze Farbe zurück„Ich werde mich ganz Ihren Wünschen fügen. Es ist kein schlechtes Unternehmen, dem so war. "/ Eine Kur ist es wirklich, gab, die er vorhin vermißt hatte. Durch Mr. Mainwairing, und, wie Sie richtig be- Miß Macy, " sagte er mit einem Versuch ihre Unbefangenheit zum Teil beruhigt merkten, eine ganz passende Art, das Em- fröhlich zu scheinen, und da es eine Kur und doch gekränkt , versuchte er auch zu pfangene zu erwidern. Und da ich eben ist, läßt sich mein ferneres Hierbleiben nicht | lachen . „Also gerade heraus gesagt , " sprach hier bin, läßt sich die Sache leicht wieder mehr entschuldigen. Ich habe Vorkehrungen Luise und wischte die jest feuchten Augen, getroffen, morgen weiter zu reisen. " aufnehmen . " „ Sic geben mir zu verstehen, daß Sie sich So bald ?" bitte, Richardson. " "/ Und "Finden Sie es so bald, Miß Macy ?" nicht die Mühe nahmen, richtig zuzuhören. Sie wünschen ?" mir scheint das ein hübsches, " Da die Damen, wie- Sie wissen, mit fragte Mainwairing unwillkürlich er- Ich denke englisches Kompliment zu sein. " dem Dienstperſonal etwas knapp gestellt blassend . "Ich denke , das würden Sie nicht „ Ich vergaß, Sie sind ja nur als Jufind, ist es vielleicht besser, Sie bleiben nicht nennen ?" ,philandern ange die verdanken wir , und hier valide dem zu Tisch hier, sondern Sie gehen nach „ Ganz gewiß nicht, denn ich weiß gar Summit House -es liegt nur ein paar nehmen Wochen ja nur Ihrem Unfall. " Ihre Worte flangen gesucht, doch meinte nicht, was philandern heißt. " da können Sie am Abend Meilen weiter Mainwairing konnte nicht, wie es RiBis dahin bedarf ich er, ihre Wangen seien rosig und ihre Augen wieder kommen. ruhig wie immer. Hätte er Mintys Urteil chelieu gethan, antworten : „ Sie sollten es Ihrer nicht. " „Gewiß!" stammelte Richardson. „ Ich vernommen , so würde er den organischen | wissen, " noch wagte er zu sagen, wie und will mich nur von den Damen verab Fehler, den sie feststellte , bestätigt haben. wo er das Wort gelernt hatte. Luiſe löste unschuldig die Schwierigkeit . „ Und jezt, wo Ihr Beruf als barmschieden. "
Bret Harte.
Eine Waldblüte.
1905 1903 ; genügte ihm das, Wochen drei kaum seit | Familienals sie werden und ich, wie gut | das ſingen, Einst hörte ich Minty ein Lied seinem dreihundertmit auch sie mußte so begrüßen. glied so anfing: Die ernste Ueberzeugung, mit welcher jährigen Stammbaum zufrieden sein und Komm, Philander, laß uns suchen Jedes sein Liebchen unter den Buchen ! diese scheinbar konventionellen Worte ge- das schlichtete jede Unregelmäßigkeit. Als aber eine Stunde verstrich und Wähle dein Liebchen jekt oder nimmer sprochen wurden und die Sicherheit im weder auf Benehmen des jungen Mannes ließen die Luise nicht wieder erſchien Haben Sie ihr auch zugehört ?" der Veranda, noch im kleinen Wohnzimmer, „Nein," sagte Mainwairing , einem Augen der beiden Frauen aufleuchten. plöglichen Entschluß folgend , aber ich bin Eine Reise nach England überstiege wurde Mainwairing unruhig. Vielleicht unter den Buchen und vielleicht muß ich unsere kühnsten Träume, " sagte Mrs. Brad brachte ihn ein leiser Verdacht über ihre wählen, ‚jekt oder nimmer . Wollen Sie ley heiter, aber nur ein Windbruch, ein ausweichende Antwort außer Fassung ; doch schrich er dies - eingebildet wie er war unerivartetes Steigen der Holzpreise oder mir helfen, Miß Macy ?" Er näherte sich ihr. Er war ganz blaß die verpönte Hotelspekulation könnte sie er- mehr seiner eiligen , unterbrochenen Werbung zu . Er hatte in der That nur die geworden, aber männliche Entschlossenheit möglichen . " "/ Und doch werde ich mir erlauben, Hälfte von dem gesagt , was er sagen sprach aus seinen Zügen. Luise war tief bewegt. Leise wendete sie sich ab , und heute abend Mr. Bradley die Reise so wollte , und sie konnte es als eine fon= als suche sie eine Stüße , legte sie beide praktisch darzustellen , daß er sich über ventionelle Artigkeit der gegenwärtigen zeugen lassen muß," sagte Mainwairing Lage aufgefaßt haben , oder der GeHände auf die Stuhllehne. Meine Rede," fügte danke war schrecklich ! hatte sie etwa Wo gedenken Sie Ihr Suchen zu noch immer ernst. beginnen ? " fragte sie, den Stuhl vor sich er leichter hinzu , soll Ihnen beweisen, den gewohnten leichten Ton amerikanischer hin und her schaukelnd. " Oder sind Sie wie völlig meine Lungen wiederhergestellt Huldigung herausgehört? Vielleicht stellte sie ihn schon jezt auf gleiche Stufe mit über die Lokalität so im unklaren wie sonst ? sind ! “ Und Sie werden Mr. Bradley so Greyson und das erklärte ihre sonderbare Ist es bei einem Mr. Johnson oder Mr. ungläubig finden, daß Sie Ihre Abreise Ruhe eine Ruhe, die wirklich auffallend Pico, oder ja, es fonnte auch Hochmut sein. Hm," unterbrach er sie unerschrocken. noch verschieben werden ," triumphierte war " Sie sollten wirklich meine Cousine Mrs. Bradley. Komm, Luise, wir dürfen Letterer Gedanke fachte seine gewohnte Gebenachrichtigen, daß Sie uns morgen ver- das leibliche Wohl Mr. Mainwairings nicht wissenhaftigkeit an ; schnell ging er auf der Laffen, " sagte sie und versuchte zu lächeln, vergessen. Minty hat uns schnöde im Veranda auf und ab, trat plöhlich in sein es ist gar so kurz anberaumt. Sie ist Stich gelassen , und die letzten Tage, die Zimmer, nahm cin Blatt Papier und bedort." Sie wies mit dem hübschen Kopf unser Gast bei uns verweilt , sollen ihm gann zu schreiben : Wollen Sie mir wenige Augenblicke nicht durch Entbehrungen erinnerlich sein. " nach der Flur, ohne aufzublicken. Mit einem fast schadenfrohen Gefühl „ Vielleicht eilt es nicht so , " sagte allein mit Ihnen gewähren ? Der Gedanke quält mich, Sie könnten die Worte, mütterlichen Besites führte sie Luise hinMainmairing. die ich zu Ihnen sprach, als wir unters „Oh, so ist es auch mit dem , Suchen weg und abermals blieb Mainwairing allein brochen wurden, nicht auffaſſen, wie ſie nicht so wichtig," meinte Luise und blickte auf der Veranda zurück. gemeint waren. Glauben Sie mir, daß Es war geschehen ! Sie mußte ihn mit einem unruhigen aber echt weiblichen Instinkt nach der Thür. verstanden haben und es blieb ihm nichts ich aus innerster Ueberzeugung gesprochen, und gehen Sie nicht leicht darüber hinUnd richtig ; die Thür öffnete sich und anderes übrig, als Bradley am Abend mit weg. Bitte , sagen Sie , daß ich Sie lächelnd erschien Mrs. Bradley. seiner Absicht bekannt zu machen und von sprechen darf. F. M. " "/ Eben wollte Mr. Mainwairing nach ihr am Morgen eine endgültige Antwort Aber wie sollte er Luise diese Zeilen dir suchen," sagte Luise , zum erstenmal zu erlangen. Dann würde es nicht undie Augen zu ihm aufhebend . „ Er schickte zart sein , sie um eine Unterredung unter zukommen lassen ? Es widerstrebte ihm , nicht allein Mr. Richardson fort, er geht vier Augen zu bitten. Ohne eingebildet sie ihr hinter Mrs. Bradleys Rücken zu#1 zu sein, zweifelte er nicht an der Antwort. zustecken und doch war er nicht geschickt auch selbst morgen. Staunend blickte Mrs. Bradley vom Seine Unsicherheit , ſein plöglicher Ent- genug , sie ihr anders in die Hände zu einen zum anderen. Mainwairing warf schluß , sie zu verlassen , beruhte nur auf spielen. Der Chinese kam ihm in den einen bittenden Blick auf Luise, der den den Zweifeln an seinen eigenen Ge Sinn ; doch , außer auf der Bühne gewünschten Erfolg hatte. Trocken und fühlen , nur darauf, ob seine Bewerbung diesem Spiegel unserer Sitten zögert geschäftlich erklärte das junge Mädchen, auch passend sei, nur auf der Möglichkeit, der ehrliche Mann, Untergebene zu bedaß Richardson ihrem Pflegling wichtige daß er durch ihre früheren Erfahrungen stechen oder ihnen das Geheimnis einer Frau preiszugeben. Er erinnerte sich, daß Nachrichten gebracht habe, die leider seinen kompromittiert werden möchte. Aufenthalt in Amerika verkürzen würden Luisens unbefangenes Benehmen , so- Luisens Zimmer am äußeren Ende des und ihn sogar nötigten , The Look-out wie ihre Gleichgültigkeit Richardsons Hauses lag , und daß es ein niederes früher als er beabsichtigt — vielleicht mor: Anklagen gegenüber hatten das unbcab- Fenster nach der Veranda hatte. Weiß zu verlassen. Mainwairing dankte sichtigte Geständnis hervorgerufen. In und blaue Vorhänge gestatteten den Eingen ihr mit einem Blick und sich dann zu der Sicherheit , die ihm seine gesellschaft blick in das blaßblaue Gemach. MainMrs. Bradley wendend , sagte er mit liche Stellung gab, glaubte er, obwohl er wairing überlegte, daß das Fensterbrett, ruhiger Bestimmtheit : „Ob ich morgen Luisens Reize nicht unterschähte , und das sich von der Veranda aus leicht er oder später reise , so hoffe ich doch , Sic ohne eitel zu sein , keinen anderen als reichen ließ, ein trefflicher Briefkasten sein bald hier oder daheim in England wieder sich selbst befragen zu müssen. Sogar würde, der der lieblichen Bewohnerin ſozu sehen. Ich weiß nicht, " fügte er feier- die leise . Unruhe , die ihn befangen hielt, fort beim Eintritt in die Augen_fallen lich hinzu, ob Sie davon überzeugt sind, rührte mehr von seiner gewohnten Ge- mußte. Langsam ging er am Fenster daß Sie bereits den Meinigen nicht mehr wissenhaftigkeit her, als von der Befürch- vorbei ; das Zimmer war leer, der Augenfremd sind, und daß" - hier blickte er bc tung, daß seine Gefühle nicht völlig und blick günstig . Ein leichter Wind hob den deutungsvoll auf Luise - "/ Ihre Aufnahme ganz erwidert würden. Und allerdings Vorhang ; das Briefchen mußte beschwert bei uns zu jeder Zeit gesichert ist. Diöglich war ihm , nach seinem hergebrachten werden. Der junge Mann ging über die ist es, unser Kreis sagt Ihnen wenig zu; Begriff weiblicher Zurückhaltung, Luisens Veranda nach den Stufen, wo er einen unser Oberhaupt ist auf dem Wege , ein ruhige Gelassenheit ein Beweis ihrer Ueber kleinen , ungleichen Stein bemerkt hatte, alter Herr zu werden vielleicht zu alt legenheit ; wäre sie übermäßig errötet, der sicherlich aus Richelieus Schatz stammte, für junge Amerikanerinnen aber Sie hätte sie geweint oder sich ihm in die ohne daß ihn dieser scharfsinnige Sprößwerden den Meinigen gefallen und das Arme geworfen , so würde er das Ver- ling vermißt hatte. Der Stein war schön muß Ihnen genügen. Meine Mutter und nünftige einer so leichten Errungenschaft blau und mußte schon an sich ihre Aufmeine Schwestern kennen Miß Macy so angezweifelt haben. Allerdings kannte èr ſie merksamkeit auf sich ziehen. Bald lag der 1904-
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Zettel auf dem Fensterbrett , der Stein in einem weiten Bogen flatterte dieser darauf, und mit einem Gefühl der Er- hinab in den Abgrund. leichterung schritt Mainwairing von dannen. Als Mainwairing aus dem Garten Eine halbe Stunde verstrich. Er hörte zurückkam, ging er leise nach dem Fenster. die Stimmen der beiden Frauen in der Das Verschwinden des Briefes und des Küche und im Speisezimmer. Nach einer Steines befriedigte ihn, und auf drei StunWeile wurde es still und er vernahm das den fand er seine Ruhe wieder. Als er Oeffnen einer Thür. Die Veranda war aber jetzt keine Antwort von Luise erhielt, für eine vertrauliche Zusammenkunft Stö- kehrte seine Besorgnis zurück. War sie berungen zu sehr ausgesetzt, und so beschloß | leidigt — oder zum erstenmal kam ihm er, über die Stufen nach dem Garten am der Gedanke , sie könnte ihn abweisen ! Küchenfenster vorbeizugehen , damit ihn Plötzlich überkam ihn ein unerklärliches Luise sche und ihm dahin folgen könne. Gefühl von Scham. Da wurde sein Name Dort drohte ihnen keine Unterbrechung. an der Treppe gerufen , er wendete sich Kaum hatte er die Veranda verlassen, um Minty stand vor ihm. so schlich Richelieu, der Mainwairings EntIhre dunkeln Augen leuchteten und ein fernung abgewartet , verstohlen aus dem fröhliches Lächeln ließ ihre weißen Zähne Garten herbei. Er hatte seinen Verlust sehen. Sie reichte ihm die Hand , die er entdeckt, als er dem freundlichen Bradley halb enttäuscht, halb verlegen nahm . seine Feuerproben " zu späterer Besich Sie wundern sich, warum ich hier bin, tigung übergab , und Schritt für Schritt da ich heute morgen absagen ließ. Zwischen hatte er seinen Weg suchend zurück damals und jetzt ist etwas geschehen. Raten gemacht, freilich mit der faulen, hoffnungs- Sie was . Väterchen weiß nicht, ob er auf losen Beharrlichkeit und der ganzen Miß- dem Kopfe oder den Beinen steht, und ich achtung für Zeit und Beschäftigung , die gestehe, eine Zeitlang wußt' ich den eigenen dem Knaben eigen waren. Er erinnerte Namen nicht mehr. Als ich aber richtig sich, sein zusammengebundenes Bündel auf die ganze Sache im Kopfe hatte, da sagte die Veranda gelegt zu haben ; jest zog er ich mir : Minty Sharpe, sagte ich, vor allem Leise seine schweren Stiefel aus , schlich an nimm Hut und Mantel und lauf hinüber der Hauswand entlang , aufmerksam am zu Zim Bradley und hilf dem WeiberBoden suchend; dabei verließ ihn seine volk für sich und den kranken Fremden gewohnte, gesuchte Nachlässigkeit nicht ; eine Mittagessen kochen. Und," fügte Minty Hand in der Tasche, spiste er seinen kleinen hinzu, indem sie sich auf einen Stuhl warf Mund zu einem leiſen, faſt toulosen Pfeifen und das glühende Gesicht mit der Schürze Richelieus ganz besondere Fertigkeit. fächelte, hier bin ich ". Doch kein Stein war da . Wie die meiſten „Aber Sie sagten mir noch nicht, was seiner Art war er abergläubisch, und leise sich zugetragen hat , " sagte Mainwairing murmelte er eine kabalistische Formel : mit gezwungenem Lächeln und unruhig nach „ Verloren und suchen finden und be- dem Hause blickend. halten , " die sich in solchen Fällen als „ Das ist so , " lachte Minty hell auf, außerordentlich wirksam erwiesen hatte. Er " rein vergessen habe ich die Hauptsache. war am Ende der Veranda, als er Luisens | Nun denn wir sind jest reiche Leute geöffnetes Fenster bemerkte und es für dort oben am Barren Ledge. Mein leibPflicht hielt hineinzublicken . Da stand licher Bruder — Nichelieu — brachte von nun Richelieu Sharpe cinen Moment be seinen Steinen zu Jim Bradley , um sie stürzt, verwirrt über diesen unumstößlichen untersuchen zu lassen . Und um dem Kinde Beweis der Schändlichkeit , der cfelerre- eine Freude zu machen, nimmt sie Bradley genden Schlechtigkeit der Menschen. wirklich ; da kommt Bradley vor kaum einer Da lag sein Stein — sein - Niche Stunde spornstreichs zu Väterchen angelieus eigener Fund, sorgsam von ihm selbst rannt und bringt ihm die Kunde der gesucht und nun gestohlen, entwendet, Abhang, auf dem die Schmiede steht , sei gemaust, gediebt von diesem verworfenen , eine Silber und Kupfermine. Im Nu stinkenden , langbeinigen , sperrbeinigen, wimmelte es von Leuten vom Summit, rohlachenden, negerbezahnten , hochnasigen von der Mühle. Richardson— der Fremde, Kerl ! ´Und, schlimmer denn alles, er sollte der Sie kennt kam auch mit Bradley jezt zu einem Liebeszeichen herabgewürdigt und er behauptet : ist Jims Versuch richtig, werden! eine Süßholzraspel! - ein so steht unsere Werkstatt auf mehr als Philanderkaſten ! für ſein , Richelieus Mäd- | hunderttausend Dollars ! " So muß ich Ihnen wohl gratulieren, denn Luise gehörte zu jenem unchen schuldigen Harem von Richelieus knaben- Miß Sharpe," sagte Mainwairing mit er um ihn auf einen heucheltem Interesse, während er den Blick haften Träumen Brief zu legen ! Und solchen Schimpf konnte auf die Thür gerichtet hielt. die Vorsehung zulassen ! Minty entging das nicht, und in ihren Hilfesuchend blickte er nach dem Him- Augen blißte es finster, als sie sagte : „D, mel empor. Und da die Vorschung die wissen schon alles ! Ich kam durch die nicht allsogleich einschritt- streckte er den Küche und Jim hat es ihnen geschrieben . eigenen , dünnen Arm ins Fenster , faßte Aber Ihnen wollte ich es selbst sagen. sein Kleinod und floh behende. Besonders da Sie morgen fortgehen. ' Verhängnisvolle Stille folgte. Leise „Wer sagte , daß ich morgen gehe ?" bewegte sich der Vorhang hin und her, fragte Mainwairing ängstlich . „Loo Macy. " und als hätte der Wind Richelieus Flehen vernommen hob er den Zettel auf und „ Ah - that sie das ? Und doch werde 1
1908 | ich vielleicht noch anderen Sinnes , " lächelte cr trübe. Minty schüttelte die Locken . „ Ich denke, sie wird es wohl wissen, " sagte sie trocken. // Was die sagt, hat Hand und Fuß. Da kommt sie. Fragen Sie sie nur. Loo ! laſſen Sie hören," fügte sie hinzu, als die beiden Frauen mit übertriebener Lebhaftigkeit in der Thür erschienen , „hat Ihnen Sir Francis nicht gesagt, daß er morgen fort wolle? " „ Ich habe es wenigstens so verstanden," erwiderte Luise mit kaltem Erstaunen, die klaren, gleichgültigen Augen fest auf Mainwairing gerichtet. Ich wüßte nicht, daß sich seine Absichten geändert hätten. " „Außer wenn Miß Sharpes Zureden die jest eine große Kapitalistin ist hilft, " sezte Mrs. Bradley mit sauersüßem Lächeln hinzu . Ich weiß nur , daß Minty Sharpe dieselbe ist und bleibt, die sie immer war," antwortete Minty mit ehrlicher Selbst= schäzung. „ Aber ich kam zum Tagelohn hierher , ihr Frauen , und ich denke, wir gehen hinein und arbeiten, anstatt hier zu komplimentieren und ihn vom Einpacken abzuhalten. Außer“ hier hielt sie inne und blickte in dem unbehaglichen und unsympathischen Kreise umheraußer, wenn ich im Wege bin, " sezte sie mit zitternden Lippen, die ihre mutigen, schwarzen Augen Lügen straften, hinzu. Die beiden Frauen sprangen eifrig widersprechend auf, und Mainwairing, dessen ehrlicher Sinn die eigene Unzufriedenheit durchbrach, sette schnell hinzu : „ Sehen Sie, Miß Sharpe, wenn Sie nur daran denken, jezt fortzulaufen, nachdem Sie den weiten Weg nicht scheuten, uns von Ihrem Glück zu erzählen, dann wahrhaftig gehe ich mit Ihnen zurück. " Jeht aber eilten die beiden Frauen, Minty den Gefahren einer, ihrer Meinung nach, zu warmen Teilnahme zu entziehen, und bald hörte der junge Mann ihr fröhliches Lachen wie früher aus der Küche. schallen . Und als folge er unbewußt den lehten Worten , die sich auf ihn bezogen, ging er auf sein Zimmer, wo er mürriſch) einzupacken begann. Mainwairing sah Luise nicht wieder allein. Beim Frühstück sprach man ausschließlich von der Entdeckung der Sharpes, von ihrer Wichtigkeit und dem Einfluß, den sie möglicherweise auf die ganze Gegend haben würde. Mainwairing bemerkte, daß sowohl Mrs. Bradley wie ihre Cousine dem Wert der ganzen Sache wenig Glauben schenkten . Ihn berührte das wenig, doch that es ihm leid, daß Mintys Freude so gedämpft wurde , und ihn selbst verlegte es, daß diese rein lokale Begebenheit seine nahe Abreise ganz in den Hintergrund drängte. Und doch , je mehr er sich da von überzeugte , daß alles vorüber seiwenn überhaupt zwischen ihm und Luise etwas gewesen war kam ihm der Zwischenfall gelegen , der jede Auseinanderschung unmöglich machte. Ein gewisser Mangel an Aufrichtigkeit von Luise oder seiner Seite bedrückte ihn, und so that ihm Mintys
Bret Harte.
1909 herzhafte Offenheit unendlich wohl. Es war ihm, als sei mit ihr die klare, frische Waldluft eingezogen und als leuchte aus ihren Augen die reinste Wahrheit. Inwieweit diese Empfindung standgehalten, wenn er in Luisens cbenso hübschen Augen auch nur einen Schimmer von Zärtlichkeit und Selbstvergessenheit wahrgenommen hätte das überlasse ich dem Urteil meiner feinfühlenden Leserin. Es war schon spät, als Bradley endlich heimkam und Genaueres über Sharpes Glücksfall berichtete. Vom Pine Flat und dem Summit waren bereits Sachverständige eingetroffen ; nachdem diese ihr Gutachten abgegeben , hatte sich Richardson angeboten, als Teilhaber dem neuen Unternehmen beizutreten , wodurch es dem Schmied möglich wurde, sofort die Ausbeutung seiner Mine ins Werk zu sehen. „ Es sollte mich nicht wundern , Mainwairing," fügte Bradley heiter hinzu, wenn er Sie mit dahineinsteckte und Ihnen ein ganzes Vermögen sicherte. " Schade , dich umschwirren die gebras tenen Tauben von allen Seiten und doch kannst du keine fangen, " sagte Mrs. Brad ley, und ein harter Zug lag auf ihrem Gesicht. Ich bin kein Goldgräber, liebe Frau, " erwiderte Bradley wohlgemut. „ Auch kein Goldfinder," entgegnete die Gattin und rümpfte das feine Näschen
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kokette üble Laune der hübschen jungen Frau und Luisens zerstreute Gleichgültigkeit wurden so fühlbar, daß sogar Mintys Mrs. Bradley Beredsamkeit versiegte. begrüßte den Fremden freundlich, und er verfiel schnell in seine vorherige, zudringliche Galanterie ; übrigens zeigte sein selbstbewußtes Wesen so viel Entschlossenheit, daß es die drei Frauen angenehm berührte, wir müssen das gestehen - Brad die leys und Mainwairings ernstere Gespräche ein klein wenig langweilten. Jetzt erhob sich Mainwairing, warf Richardson einen bedeutungsvollen Blick zu , der diesen an die beabsichtigte Besprechung mit Bradley mahnen sollte, und verließ das Zimmer. Er mußte an Luise vorüber ; da bemerkte er einen Gegenstand in ihrer Hand , mit dem sie achtlos spielte : es war der Stein, den er als Briefbeschwerer benügt hatte. Da der junge Mann nicht zugegen gewesen, als Bradley kam, wußte er nicht, daß das verhängnisvolle Stück von seinem Wirt heimgebracht worden war ; dieser hatte es von Richelieu erhalten und in die Tasche gesteckt, um den Seinigen die Geschichte der Entdeckung damit zu befräftigen. Jezt erschien Mainwairing Luisens gleichgültige Weise, sein kindisches Unternehmen zur Schau zu tragen, fast absichtlich grausam zu sein. Nichtsdestoweniger blieb er stehen und sah sie an. „ Das ist ein merkwürdiger Stein, den
nicht ohne Grausamkeit , aber die ganze Sie da haben , " sagte er in einem Ton, Nacht kannst du in der dummen Mühle den sie für kalt und absichtlich ſteif hielt. arbeiten und dann" fügte sie leise hin"Ja ," erwiderte sie, ohne aufzublicken, zu, um von Minty nicht gehört zu wer- es ist der Auswurf jener Mine. " Sie den dann setzest du den ganzen fol- reichte den Stein hin, als wolle sie damit genden Tag daran , der Entdeckung eines jede weitere Bemerkung vermeiden . "/ Ich Knaben nachzugehen , dessen eigene Ver- glaubte , Sie hätten ihn schon früher gewandte zu faul und zu dumm waren, umsehen ?" Der Auswurf, " wiederholte er trocken. sie verstehen und ausbeuten zu können. Es ist wohl die Nächstens wirst du noch auf der andern die - die Andeutung Seite des Canyon cinen passenden Platz oder das Zeichen von Wichtigem, das dar ausfindig machen , wo ein anderer cin unter liegt oder ist dem nicht so ?" Luise zuckte mit den Schultern. Hotel bauen kann und deine eigenen VorDas teile wegschnappt. " ist nicht die notwendige Folge. Solche Ein schmerzlicher Zug trübte Bradleys Schlacken können ebensowohl Schutt und Blick J nicht zum ersten und nicht zum Plunder decken." leztenmal, denn sichtlich licßen solche Worte "Ich danke," sagte er mit gemessener eine Traurigkeit in dem intelligenten Auge Höflichkeit und ruhig schritt er weiter. Der Mond war bereits aufgegangen, zurück, die sich nicht leicht verwischen ließ. Doch im nächsten Augenblick wandte er sich als Bradley , die Holzpfeife im Munde, freundlich zu Mainwairing und bedauerté Richardson nach der Veranda voranging. dessen eiligen Aufbruch, den ihm Richard- Letterer warf seine massige Gestalt in fon mit triftigen Gründen mitgeteilt hatte . Luisens Schaukelstuhl, der am Rande des Ich hoffe, mein junger Freund, Sie Abgrundes stand , Bradley schaukelte sich vergessen es nicht, daß Ihre Hauptpflicht | nach Landessitte im eigenen Stuhl an der jezt die ist, für Ihre Gesundheit zu sorgen ; Hauswand und wartete , bis der andere mahnt Sie das Andenken an unsern Look sprechen würde. Mainwairings Abwesen out später hieran, so weiß ich , daß das heit und Mr. Bradleys Zuvorkommenheit Wenige , was ich für Sie thun könnte, hatten bei dem Bankier eine herablassende Vertraulichkeit aufkommen lassen , die reichlich vergolten ist. " Mainmairing stußte ein wenig bei dieser Bradley halb belustigt, halb ironisch hinWiederholung von Luisens Ermahnung, nahm. doch erwiderte er den Händedruck seines „ Eine Sache, über die ich noch gern Freundes mit warmer Jnnigkeit . Er er mit Ihnen sprechen wollte , Bradley , ist sehnte Richardsons Rückkehr, um mit ihm die alte Geschichte Ihrer früheren Andie feinem Wirt zugedachte finanzielle Hilfe frage an die Bank. Damals konnten wir vollends geschäftlich abzumachen . das Unternehmen nicht ganz klar über Der Bankier kam an , als eben das sehen auch jest und offen gestanden Gespräch ins Stocken geriet ; die etwas ist es keine reine Geschäftssache ; kürzlich
1911 wurde sie mir jedoch so dargestellt , daß Sic sich die Anleihe doch machen ließe verstehen mich wohl ? Es verhält sich nämlich so : Sir Robert Mainwairing , der Vater des jungen Menschen, den Sie im Hause haben, ist einer unserer Direktoren und Hauptteilhaber. Auch das will ich Ihnen sagen wenn Sie es nicht bereits ahnen Sie haben Glück — verteufeltes gerade ihm gefällig geGlück gehabt wesen zu sein. Er ist einstiger Erbe der bedeutendsten Ländereien seiner Grafschaft, gehört einer der ältesten Familien Englands an und ihm fällt dereinst der Titel zu. Doch doch, " er hüstelte mit Gönnermiene , "/ das wissen Sie ja alles ! Nicht ? Nun , so weiß es wenigstens Ihre liebreizende Frau , denn sie sprach schon daBradley , Frauen spüren von. Was so etwas gleich heraus nicht ?" Das Licht in Bradleys Blicken erlosch langsam und auch seine Pfeife ging aus. So ist denn die Anleihe so gut wie abgeschlossen. Sie verstehen mich es ist Sir Roberts Wunsch der Wunſch des jungen Menschen und wollen Sie nächste Woche auf die Bank kommen, so ist alles für Sie in Ordnung. Sie geben wohl zu, daß die Leute reichlich vergelten , was Sie gethan haben. Und darum, " hier dämpfte er die Stimme und wurde noch vertraulicher, „darum werden Sie einsehen, Bradley, daß es hiernach Ihre Schuldigkeit ist schließlich zu thun, was in Ihren Kräften hier rückte er näher steht" ,,um umum diese andere Tollheit fallen zu lassen." „Ich glaube, ich verstehe Sie nicht ganz recht," sagte Bradley. „Verstehen Sie mich nicht, so verſteht mich doch Ihre Frau, " erwiderte Richardson unumwunden; "} ich meine die alberne Tändelei zwischen Luise Macy und Mainwairing , die völlig abgeschmackt ist. Es kann ja zu nichts führen und die Sache sollte keine Stunde geduldet werden . Was ist er und was ist sie? Als praktischer Mann sollten Sie das einsehen — " „ Nur eines sehe ich ein," unterbrach ihn Bradley, unheimlich jedes Wort betonend, und das ist, daß Sie hier gefährlich dicht am Abgrund sisen. Und, verlassen Sie nicht sofort bei Gott meinen Stuhl und mein Haus , so stehe ich nicht für die Folgen ! " "/ Einen Augenblick , wenn ich bitten . darf! " tönte jest Mainvairings Stimme aus dem Fenster. Die Männer wandten sich um. Ein langes Bein schwang sich über die Brüstung, ein zweites folgte und jezt ſtand Mainwairing , die Hände in den Hosentaschen, vor ihnen. ‚ Nicht so laut, “ bat er, nach dem Hauſe zeigend. "} Der Mann soll gehen, " preßte Bradley heraus , „ Sie und ich , sprechen dann weiter, Mainwairing. ” Der Mann bleibt, bis er gehört hat , was ich zu sagenhabe, " sagte Mainwairing zwischen die beiden tretend. Blaß und ernst, aber gelassen stand der
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junge Mann , vom Mondlicht übergossen, | frohen Lebensmutes hierher gekommen und verfahren. Diese hatte es auf das Schafott, da. „Ich habe alles angehört ; in meinem sich in der klaren Bergluft ein friedliches, jene in erniedrigende Aemter getrieben, Auftrage fam er ja her, um Ihnen einen sonniges Heim gründete. Was er weiter einzelne in Armut gestürzt , die späteren Dienst zu erweisen. Weiter trug ich ihm dachte, wird wohl verborgen bleiben , es Nachkommen mit Gicht und Gebrechlichkeit nichts auf, Bradley. Die faule Geschichte sei denn , eine keckere Feder wagt es , die verfolgt. Dagegen durfte sich das Schloß eines Gegendienstes hat der Gauner selbst Mißverständniſſe aufzudecken, die so leicht mit der fraglichen Unsterblichkeit einer crfunden. Beim ersten Wort davon hätte ihre grauen Fäden zwischen einem geraden, Ahnengalerie brüsten , aus welcher die er verdient, daß ihm das Hirn ausgeblasen ritterlichen Charakter und dem lieblichen, einstigen Herren mit versteinertem , unwürde. Da er es noch im Kopfe hat, soll ganz unberechenbaren , zarteren Geschlecht wandelbarem Gleichmut herab auf die Nachwelt starrten. Noch standen ihre nuer vernehmen , ehe er davongcht , daß ich spinnen. bereits Miß Macy meinen Antrag machte, Als der Mann in das Haus kam , sagte | losen Harnische und Waffen da; in Marmor und daß sie mich abgewiesen hat. Bei er freundlich zu seiner Frau : Ich durchE eingegraben , las man ihre Namen am der geringsten Ermutigung ihrerseits würde dachte soeben wieder deinen Hotelplan und Altar, oder sieselbst ruhten in der Kirche in ich es Ihnen, Bradley, schon früher mit schreibe noch heute nach Sacramento , um kreuzbeiniger Lage; noch heute, im Tode geteilt haben. Ferner glaube ich, trotz den Vorschlag des dortigen Kapitaliſten wie im Leben, standen sie zwischen der lauschenden Gemeinde und der ewigen Wahrdieses Mannes alberner Rederei , behaup anzunehmen." heit , die hier gelehrt wurde. Dank dem ten können, daß kein anderer als Miß Kapitel V. Althergebrachten durfte solch steinerner, Macy und ich von dem , was geschehen, unterrichtet ist. ” Die Sonne ging auf. Zweimal hatte nasenloser Kreuzfahrer vom Hause Olden„Ich hatte ja keine Ahnung davon, fie die Erde umkreist , und heute beschien hurst dafür , daß er zweimal im heiligen daß irgend etwas vorgefallen sei, das Sie sie dort , wo sich sonst das kleine Haus Lande gewesen, die schön gemalten Sprüche oder die junge Dame irgendwie kompro wie ein Schwalbennest an den Felsen den Blicken der Betenden auf den unteren Auch eines bildermittieren fonnte , " sprach Richardson in schmiegte, ein mächtiges Hotel mit vielen Bänken verdecken . Galerien. An Stelle der einsamen Schmiede stürmenden Bischofs der Reformationszeit sichtlicher Ucbereilung. „ Ich wüßte nicht, daß Sie überhaupt ragte jezt ein Dußend geschwärzter Schorn- konnte sich Oldenhurst rühmen, obwohl er sich selbst an Stelle des gestürzten Bildes hiervon eine Ahnung zu haben brauchten, " steine von der öden Anhöhe auf. erwiderte Mainmairing streng ; weiß auch Mit besonderem Wohlgefallen mochte erhoben. Kein Wunder daher , daß die nicht, wie Sie es wagen können, nachdem die ewig gleiche Licht- und Wärmespenderin Unterthanen von Oldenhurst, die nur geSie diesen Herrn und mich beleidigten, einige Stunden früher auf die Zinnen und legentlich am Sonntag einen Blick auf ihre uns noch länger hier zu belästigen . Der Giebel von Oldenhurst herabgeblickt haben, Herrschaft werfen durften, sich allmählich Weg wurde Ihnen bereits gewiesen . Ich denn tief, auf festem Grunde, auf der un daran gewöhnt hatten, Oldenhurst in ihren bedarf Ihrer nicht weiter und werde meine umstößlichen Tradition einer englischen Begriffen mit der Ewigkeit zu verschmelzen Grafschaft, ruhten die Mauern des prunken- und die Erkenntnis eines höheren Wesens übrigen Geschäfte selbst besorgen. " den Baues . Fünf Jahrhunderte hindurch auf den Zeitpunkt verschoben , wo sie zu " Ich verstehe , Mr. Mainairing dochseien Sie versichert, daß ich mir die erste hatte die aufgehende Sonne Oldenhurst am dem langen Schlaf unter dem weichen Gelegenheit nicht entgehen lasse, Sir Robert felben Fleck gefunden und den schweren Grase des schönen, äußeren Friedhofs ge= von dem Geschehenen zu benachrichtigen, " Steinaltan am vergessenen Wall beschienen, bettet werden sollten . Aber sogar hier , wo jeder Stein von. sagte Richardson, und würdevoll schritt er wo einst eine römische Schildwache hin und her schritt; dort stand auch noch das Oldenhurst, wo jeder Baum seines dichten hinaus . kleine Gitter am Kreuzgang, wo der Ci- Parkes so viel von Eitelkeit , Selbstsucht Einen Augenblick blieb alles still. „ Seien Sie dem Menschen nicht zu stercienserbruder die Morgenspende verteilte. und Ungerechtigkeit erzählen konnte, hatte böse, Bradley, " sagte der junge Mann, als Tagtäglich hatte die Sonne dieſes allmäh- die gütige , üppige Natur mit einem besein Freund düster und regungslos im liche Werden des Alters , diesen weichen, zaubernden Kuß allem die Lippen geschlossen, Schatten blieb. „Das ist eine traurige malerischen Pinselstrich beobachtet, den die und sprachlos stand auch der Mensch vor Vergeltung all Ihrer Güte, aber ich kann Zeit allein aufzulegen vermag ; lächelnd ihren Werfen. Leise verbündet wirkten schwören, an so etwas habe ich nic nie hatte sie die anmaßende, und doch so feine, | Erde , Luft und Moder und deckten , verunverkennbare Spur begrüßt , die Macht schmolzen die Spalten und Nisse , die die gedacht. " Und doch unaufhaltsame , zerstörende Gewalt der Ich auch nicht, " sagte Bradley bitter. und Gewohnheit aufdrücken. " Das weiß ich und das eben bringt zogen ganze Generationen von Besitzern Zeiten eingenagt hatte ; harmonisch vermir die Höllenqualen. Können Sie mir unbeachtet an ihr vorüber : die Männer, webten sich Farben und Formen zu liebGedenken Sie meiner, alter die das Schloß erbaut , die Männer , die lichen Behängen , wie sie keine Menschenverzeihen ? Freund , als des größten Esels , den Sie es mit Gut und Blut verteidigten, andere, hand zu spannen vermag. Der einstige je gesehen, aber nicht als des erbärmlichsten die mit Lug und Trug darum stritten, der Kerferturm mit seinem finstern Burgverließ Feiglings , zu dem mich dieser Mensch König, der es einer Favoritin schenkte, die war zu einer dichten Epheulaube geworden . wenigen edlen Herzen , die für ihr stolzes Die grausigen Geschichten seiner Mauern, machte. Heim in der Verbannung starben, und auch Mord und Totschlag ruhten jest in feinem Mainwairing trat mit ausgestreckter Hand zu Bradley und dieser erfaßte sie auf solche hatte die Sonne geleuchtet, die Einband, als reizende Ballade von einem mit schnödem Gelde den alten Bau ge- Familienbarden der Neuzeit besungen. mit Wärme. Danke , mein Freund , danke ! Und kauft und bezahlt hatten. Diese alle und Sogar der düstere Aberglaube der KlosterBradley - bitte, erwähnen Sie nichts viele mehr hatte Oldenhurst verschlungen, mauern war durch die geborstenen Sparren hiervon gegen Ihre Frau, ich glaube nicht, bis es sich eine Vergangenheit geschaffen, und Wände entflohen, nur die durchbrochene daß sie davon weiß. Und dann - Bradley - die in seine Mauern, seine Büsche , ja in Blumenkrone am Hauptportal , das hohe vor dem Menschen mochte ich nicht offen | seine Blumen überging. Auch das Herz- Bogenfenster mit dem großen Kreuzstock sprechen aber Ihnen kann ich es ge- blut der umliegenden Hütten und Dörfer waren zurückgeblieben. Aus allen Landen stehen jetzt , wo alles vorüber ist ich hatte das ehrwürdige Herrenhaus aufge- strömten Pilger herzu , die stolzen , alten. glaube , Luise Miß Macy hat mich sogen gegen einen Ersatz seiner Art : nug- Mauern zu sehen ; über das Meer kamen lose Gartenhäuser , zierliche , unpraktische Lernbegierige, diese Linien zu studieren und auch nicht ganz verstanden. Noch einmal schüttelten sie sich die Hand, Spitäler und Schulen und Kirchen, wo sie auf ihrem jüngeren Boden in Holz und die unermeßlichen Segnungen der göttlichen Stuck nachzuahmen. Auch Politiker der · ehe sie sich trennten . verschiedensten Richtungen wiesen auf den Bradley stand noch lange allein und Lehre ausgestreut würden. Auch mit den adligen Inhabern seiner Bau als auf einen schlagenden Beweis ihrer blickte gedankenvoll in die dunkle Schlucht. Er gedachte der Zeit, wo er so voll frischen, Mauern war Oldenhurst nicht glimpflicher widerstreitenden Grundsäße, und alle hatte
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Oldenhurst überlebt. Dieser Glaube an die verschiedene Ausflüge für den Tag ent- | Thäten sie das , so hätte sie Canterbridge ewige Beständigkeit war seine Stärke, aber worfen und sie wohlüberlegt den Lieb- gewiß schon auf Buckenthorpe empfangen.' auch zugleich seine Schwäche. Und niemals habereien seiner verschiedenen Gäste ange"Ich wüßte gern, ob je etwas hinter möchte dieser Glaube fester gewesen sein paßt, wandte er sich zu Lady Mainwairing : Franks Bewunderung dieser Miß Macy als an diesem schönen Augustmorgen, wo !! Vergiß nicht , daß jemand die Bradleys gewesenist, " sagte Lady Mainwairing wenige Schloß und Gut am Rande der Vernich an der Bahn abhole. Frank schreibt aus Minuten später neben ihrem Gatten in tung standen. St. Morih, daß sie heute eintreffen . " seinem Studierzimmer stehend. Eine Depesche, die Sir Robert Main„ Das weiß ich wirklich nicht, " erwi= Lady Mainmairings Blick streifte rasch wairing gereicht wurde, hatte soeben Olden- ihren Gatten und sotto voce sagte sie : derte Sir Robert zerstreut ; „scine Briefc hurst in allen Fugen so tief erschüttert, Glaubst du, daß sie doch kommen ? Wahr- | waren ihres Lobes voll, und Richardſon meinte als hätte sich aus dem braunen Umschlag scheinlich wissen sie schon von allem . " selbst der volle elektrische Strom entladen. Nicht von dem , was mich betrifft, " „Bitte , erwähne den Namen dieses Sir Robert Mainwairing, dessen Familie erwiderte Sir Robert in gleichem Lou, Mannes nicht wieder , " bat Lady Mainseit drei Jahrhunderten Öldenhurst besaß , "/ und damit sie nicht glauben, daß Franks wairing ; es war seit der Hiobspost die wurde von seinem finanziellen Untergang Aufenthalt bei ihnen Richardson beein erste Gefühlsäußerung, die sie zeigte. „ Ich benachrichtigt, und der stolze Bau, der den flußte , die Bank in dieses unglückliche könnte ihm nicht trauen . " Aber warum fragst du ?" erwiderte wiederholten Schlägen von Aberglauben, Unternehmen zu verwickeln , müssen wir Kriegsnot, Intrigue und sogar des Fort auf ihren Besuch ganz besonders bestehen. " der Gatte. schritts Widerstand geleistet , erlag jezt „ Bradley, " wiederholte the Hon . KapiLady Mainwairing schwieg einen Augeneinem Feinde, den seine Gründer und Betän Fit Harry , der eben von einem blick. Ich glaube , sie ist sehr reich , " sizer stolz übersehen und stets Händlern Fouragegang nach dem Büffett mit einem sagte sie langsam. Wenigstens schreibt Frank, er habe von einem ihrer Nachbarn, und Juden überlassen hatten. Geld war Stück Geflügel zurückkehrte, "Bradley ! in Oldenhurst nur durch Plünderung, Gabe, da war eine verteufelt hübsche Amerika- den er im Engadin traf , erfahren , ſic königliche Huld oder als ererbtes Gut be nerin in Biarritz sie reiste mit einer |hätten den Plak jenes albernen Landhauses, fannt. Der jezige , verarmte Herr des Cousine , ciner Miß Mason oder Macy. wo er frank lag , für eine Riesensumme Schlosses , das er , wie bereits erwähnt, als unveräußerliches Gut ansah , hatte Spekuliert , um seine Stellung auch ferner behaupten zu können. Seine Einkünfte waren durch das verarmte Land und den herabgekommenen Handel, den er und seine Vorfahren so schnöde verachtet hatten, mehr und mehr geschmolzen . Sir Robert hatte bedeutende Summen in kalifornische Bergwerke gesteckt und war Hauptteilhaber ciner Bank in San Francisco geworden. Die Minen erwiesen sich als wertlos und an diesem Morgen stellte die Bank ihre ZahLungen ein, was sie dem Fehlschlagen eines großen Land- und Holzankaufes in den Sierras verdankte, ein Unternehmen , auf das sie leichtsinnig eingegangen war. Der Strahl , der Oldenhurst vernichtete , war von der neuen Telegraphenstation im Hotel über dem Great Canyon abgefeuert worden. Viele Gäste weilten an dem Morgen in Oldenhurst. Die Mainwairings trugen von jeher Niederlagen gelassen und ihres stolzen Blutes würdig. Eine Eigenheit ihrer zart, fast weiblich besaiteten Rasse war | es gewesen, kindliche Unvernunft mit Festigfeit und Seelenstärke zu paaren . An den Kleinsten, nichtigsten Dingen hingen sie treu ; feierliche, sonderbare Bekenntnisse, über die wir herzlich lachen würden, hatten sie einst unterschrieben und ließen Gut und Blut dafür. Die unschuldige Dummheit , die flare Offenheit , die aus all den Blicken auf der gemalten Leinwand leuchteten, retteten diese schönen , leeren Gesichter vor Monotonie und Vergessenheit. Sir Per cival links das zweite Bild in der Bibliothek zu Fuß, auf fernem Moorland, von wenigen Getreuen umgeben, für einen liebenswürdigen Prinzen und eine erbärm liche Ursache zu Tode geheßt, war kaum ein größerer Held als der verarmite, doch makellose achtzigjährige Mann, der jezt, wenige Stunden später, das Frühstückszimmer betrat. So gewandt , wie es sein Podagra gestattete , machte er die Honneurs seines zusammenstürzenden Hauses . Nachdem er
Sic wissen schon solche Leute mit einer verfauft. “ Gefährtin so hübsch , wie sie selber sind: Liebe Geraldine," sagte der alte Herr was die eine nicht vermag , bringt die liebevoll , indem er die Hand ſeiner Gattin andere fertig man kennt das schon ! in die feinige nahm, die jest zum erstenKolossal geschickt, alle beide und kaum mal zitterte, baust du irgend eine Hoffetwas Accent. " nung auf das , was du eben dachtest, so „Mr. Bradley war ein lieber Freund schlage es dir ganz aus dem Sinn . Du Franks, der ihm viel verdankt, " sagte Lady vergissest, daß uns Paget gesagt hat, daß Mainwairing ernst. er, tros der besten Pflege, nicht für Franks Wußte nicht, daß ein Mr. Bradley völlige Genesung steht. Selbst wenn ihn wirklich vorhanden ist. Er trat nicht in den Gott in seiner Gnade erhält, um einst an Vordergrund , " sagte der Kapitän unvermeine Stelle zu treten , welches Mädchen froren . Verteufelt schwer ist's , diesen sollte sich dazu verstehen, mit ihm Krankamerikanischen Chemännern auf die Spur heit und Armut zu teilen ? Schwerlich das zu kommen ! " junge Geschöpf, von dem du sprichst, liebe //Und ihre Frauen würden sich nicht Frau ." eben bedanken, wenn Sie das versuchte:,' Lady Canterbridge erwies sich als ein warf Lady Griselda Armiger süß lächelnd wahrer Prophet. Mrs. Bradley und Misz ein. „ Wie es scheint, ist der reichen Mrs. Macy kamen nicht ; bedauernd schüßten sie Scatterby Gatte nur ein Versprechen vor, das sie schon früher Mein liebes Kind , " unterbrach Lady | auf dem Kontinent dem Duke of NorthMainwairing freundlich abwehrend. foreland und dem Marquis of Dungeneß Ich wiederhole nur, was Lady Sorrel, gegeben ; dagegen kam der unerwartete ihre Landsmännin , sagt ," meinte Lady und angezweifelte Gatte richtig an. In Griselda unschuldig . seiner schlichten Weise berichtete er : „ ch " Ja , aber du weißt , die Amerikaner selbst sah meine Frau und meine Cousine fallen abscheulich übereinander her, wenn sie nicht seit meinem Besuch bei Ihrem Sohn auswärts sind, " sagte Robert Mainwairing. in der Schweiz. Es freut mich, daß sie "/ Sie müssen sich nächstens ebenso vor ein sich allein unterhalten konnten, ohne in ander fürchten , wie wir uns vor ihnen. " cinem Londoner Hotel auf mich zu warten, „ Ist es die Mrs. Bradley , die ich obwohl ich sie gern hier getroffen hätte. " meine ," sprach Lady Canterbury vom Sir Robert und Lady Mainwairing waren. unteren Ende des Tisches von ihrem Briefe höflich, aber etwas befangen. Lady Canteraufblickend , "/ die ein wenig Mrs. Sum bridge, die aus reiner Neugier an den mertrec ähnlich ist und eine hübsche Cou- | Bahnhof gekommen war , hob ihre klaren fine bei sich hat mit besonders hübschen blauen Augen zu ihm auf. Durchaus Kleidern, so befürchte ich, Sie werden sie nicht wie ein Strohmann , noch wie ein nicht hierher erlangen. Auf sechs Wochen gefälliger , neumodischer, cynischer Gatte hinaus ist die schon vergeben ; sie und ihre sah dieser gut gekleidete , gewandte, aber Cousine machten das Rennen in Grisby ruhige Mann mit dem prüfenden Blick Royal mit und die andere amerikanische aus. Traute er wirklich seiner egoiſtiſchen Schönheit ist aus Northforelands bonnes Frau ? War das volles Vertrauen , oder graces ganz verdrängt . Sie hat ihn ge- war das sonderbares , überseeisches Geradezu in Beschlag genommen und es ist baren ? Sie verstand ihn nicht. Gelangerbärmlich, wie er vor ihr kriecht. Glaus weilt wandte sie daher die Augen ab. ben Sie mir, Liebste, die gehen zu keinem, Bradley verlegte , er wußte selbst nicht der nicht wenigstens den Fürstentitel trägt. warum, der prüfende Blick dieser großen,
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schönen, männlich aussehenden Frau , diep Bradley hielt Wort ; mit Hilfe einiger | legen , als Lady Canterbridge sich eines tros ihrer breiten Schultern und schmalen anderer Millionäre , denen der Reichtum Tages auf dem Rückwege vom See plögLippen allen äußeren Linien zum Troß der Lofalitäten so viel Sicherheit gewährte lich zu ihm wandte und ihm zu Luisens echte edle Weiblichkeit besaß. Er wandte wie ihre augenblicklichen Mittel , konnte Verlobung Glück wünschte. sich leichthin zu Sir Robert. Lady Canter- die Katastrophe aufgehalten werden, bis die Vielleicht liegt Ihnen wenig an meiner bridge , Franks Cousine, " erläuterte Sir Ländereien in den Sierras und das Holz- Gratulation, " sagte sie, als er nicht sofort Robert zögernd , als wäre er sich einer unternehmen näher untersucht und in eine darauf einging, und Sie haben so wenig Ungeschicklichkeit bewußt. Bradley und neue Phase treten würde. Fünf Monate damit zu thun, wie mit dem anderen ; Lady Canterbridge verneigten sich beidewährte diese Zwischenzeit, in welcher Sir das sind Frauengeschäfte." # Welchem anderen? " fragte Bradley . vielleicht war der Gruß der letteren der Robert Mainvairings Kredit durch das männlichere — und offenbar ihre Gegenwart Geheimhalten seiner Berluste nicht gefährdet Lady Canterbridge wandte ihren schönen vergeſſend, vertiefte sich Bradley in einen wurde; in diesem Zeitraum war Bradley Kopf zu ihm , kerzengerade neben ihm hereingehenden, ernsten und intelligenten Be ein häufiger und stets willkommener Gast schreitend. Sagen Sie mir, wie Sie es richt über den Zustand , in welchem er auf Oldenhurst. Abgesehen von seiner anfangen , um stets so völlig unbefangen seinen jungen Freund in St. Morig an- eigentümlichen, ritterlichen Freundschaft für zu bleiben. Glauben Sie, daß man es in getroffen. Erst hörte der alte Mann fast die Mainwairings die Sir Robert so Oldenhurst nicht erfuhr, daß sich Frank mit nachlässiger Höflichkeit und unsicherer unfaßlich war , wie Sir Roberts erzen da drüben mit Miß Macy sehr komproZurückhaltung zu ; als aber Bradley ebenso trische Spekulation à la Don Quichotte mittiert hat ?" „ Da drüben hat man das wirklich zurückhaltend wurde und sie an den Thoren Bradley unfaßlich war - zog es ihn wie mit vorfuhren , wurde er unerwartet wärmer cinem Zauberbann nach dem alten Herren- nicht gewußt, " sagte Bradley artig. Seien Sie mir nicht böse. " und hieß ihn mit wenigen Worten freund- sit. Ein Dulder im großartigen Londoner Solch ein Ersuchen von der großen, lich willkommen. Fast unbewußt lächelnd , Haufe , das er seiner Gattin und deren blickte Bradley auf und traf Lady Canter Cousine zulieb eingerichtet, entging er gern gleichgültigen Frau an seiner Seite, die sich der Einsamkeit seiner herbstlichen Verlassen- jeden Urteils so weit überhoben dünkte, bridges beobachtende Augen. Am folgenden Morgen nahm Bradley heit und seiner noch größeren Einsamkeit, mußte er belächeln . einen Augenblick wahr, wo er mit seinem wenn seine Gattin ihre gesellschaftlichen Ich wollte Ihnen nur Glück wünschen, Wirt allein blieb , um diesem mit taft Triumphe feierte. Der schöne Mann mit setzte sie achtlos hinzu; „Dunshunner ist voller Teilnahme offen zu sagen , daß er der Denkerstirn , der zuweilen am unteren kein übler Mann und hat dereinst schönes von dem Unglück der Bank Kenntnis habe; Ende des Tisches seiner Frau erschien, oder Besißtum zu erwarten. Und dann ist die auf die wohlthuendſte Weise bat er , in der, wie ein wohlerzogener Geist, aus der Gesellschaft jezt so launenhaft , daß die jeder Hinsicht ganz über ihn zu verfügen. öden Leere ihrer rauschenden Empfangs- Cousine Ihrer Frau recht hat, ihren Vor" Entschuldigen Sie," sagte er, "wenn ich abende verschwand, weckte nur bei wenigen teil wahrzunehmen, solange es geht. Jest zu Ihnen spreche, wie ich mit Ihrem Sohn eine matte Teilnahme. Eine hervorragende ist sie in der Mode, aber nächstes Jahr sprechen würde ; meine Freundschaft für Persönlichkeit, die bekannt dafür war, daß Da sie sah , daß Bradley weiter schwieg, ihn rechtfertigt meine Offenheit, doch würde sie mit feinem Taft die von anderen verließ sie den Sah unbeendet und fragte in ich mich nicht in Ihr Vertrauen drängen, gessenen covenances beobachtete , hatte ihrer abgebrochenen Weise : Kennen Sie glaubte ich nicht , daß meine Kenntnisse es sich zur Pflicht gemacht, diesen seltenen eine Miß Araminta Eulalie Sharpe?" der Sachlage Ihnen von Nugen sein Mann zuzuziehen; es entstand daraus Bradley stuzte. War die ehrliche Minty könnten. Obwohl ich nicht mein Stück gegenseitige wahre Achtung, aber keine An- wirklich in dem hochtrabenden und doch fo Land an Richardson verkaufte , auch mit näherung. Der Vereinsamte hatte eine plebejischen Namen, den ihr die Lady zulegte, seinem Anschlag nicht einverstanden war," Woche in Buckenthorpe zugebracht , mit zu erkennen? Es blizte in seinen Augen. eine gute Freundin, Lady sprach er weiter , "/so befürchte ich, daß Canterbridge gejagt, mit Lady Canterbridge //Sie ist mir /1 cine Aeußerung meinerseits ihn verleitete, gelesen und geplaudert. Ernster war er Canterbridge. in vergrößertem Maßstabe auf das un heimgekehrt ; eine Zeitlang erschien er öfter }}Das trifft sich herrlich . Es wird Sie heilbringende Unternehmen einzugehen. So daheim und eindringlicher als bisher verfreuen, durch mich von ihr zu hören. Sie müssen Sie einsehen," fügte er leicht hin- suchte er es , seine Gattin zur Rückkehr ist der aufgehende Stern. Man sagt, fie zu , ich habe ein Recht, Ihnen meine nach Amerika mit ihm zu bestimmen . sei sehr reich , aber ganz aus dem Volk: 11Du wirst nie anderwärts glücklich sein kurz und gut , sie macht kein Geheimnis Dienste anzutragen . " Bradleys bescheidene, intelligente Art, als drüben in Kalifornien zwischen den ge- daraus , daß ihr Vater Schmied gewesen. sich klar auszusprechen, rührte Sir Robert, meinen Leuten, " crwiderte sie, "/und wähist und überallhin nimmt sie den lieben rend ich bereit war, dort deine Armut zu alten Mann mit. Fit Harry ist ganz ecig der jegt ebenso offen sprach. Die Darlegung des kalifornischen Unter- teilen," segte sie bitter hinzu, „ ziche ich es mit ihr und ist entzückt von ihrem naiven nehmens eine ganz leere und hirnver vor , deinen Reichtum unter zivilisierten Wesen. Sie ist schon in einigen der besten brannte Spekulation - bewegte Bradley Herren und Damen zu genießen. Uebrigens Kreise aufgenommen . Lady Dungeness ist tief, weil er hier die naivste Geschäfts- kommt auch Luise in Betracht. Sie ist ihr Schußgeist und Northforeland wartet anschauung, die kindlichste Vertrauensselig mit Lord Dunshunner so gut wie verlobt nur auf die Verlobung Ihrer Cousine, um feit des alten Lebemannes in Berührung und ich mag nicht, daß du ihre Aussichten anständigerweise zu ihr überzugehen . Soll mit einer geriebenen , unehrlichen Gesell hier über den Haufen wirfit , wie du es ich sie nach Buckenthorpe auffordern ? Soll ich das als Sühne für meine raschen schaft gebracht fah. Ein gläubiges Kind in Kalifornien gethan hast." in dieser neuen aufgeregten Welt , hatte Es war das erste Mal , daß er von Worte gegen Ihre Cousine ?" Sie war es keine noch so gewagte , noch so tolle Lord Dunshunners Werbung hörte , das icht trotz ihres steifen Kragens, troh ihrer Spekulation vermocht, sein Mißtrauen zu erste Mal, daß sie Luije mit Mainwairing geraden Haltung ganz weiblich und lächelnd stand sie da. Plöglich wurde sie ernst und wecken. Während Bradley halb betäubt, erwähnte. halb belächelnd den ernſten Viſionen dieſes Leise fielen die Herbstblätter auf die atmete schnell. Sie hatte auf Bradleys alten Enthuſiaſten lauschte, gedachte er des Terrasse von Oldenhurst und wenig hatte sonst so ernstem Gesicht ein Aufleuchten Sohnes unverdorbener Einfachheit ; was sich im alten Herrensig verändert. Unter wahrgenommen. er für knabenhafte Unreise gehalten , er den Weihnachtsgästen war Lady Canter„Ich danke," sagte er lächelnd und doch fannte er als einen Tropfen des völlig bridge, deren Gatte in Dunshunners Ge- etwas zögernd, denn er gedachte des Lookunpraktischen Blutes der Mainwairings. sellschaft noch in Homburg weilte; auch out, Araminta Eulalie Sharpes und verAuf Kosten dieses und ganz ähnlichen Bradley war hier, während seine Frau und suchte diese mit der Dame vor ihm in EinBlutes war Oldenhurst seit Jahrhunderten ihre Cousine sich nicht vom Kontinent flang zu sehen. Ich würde mich sehr . trennen konnten. Er wurde leicht ver- darüber freuen. " gewachsen und fett geworden .
"
Studienkopf.
Don Leonardo da Vinci.
Bret Harte. 1921
Eine Waldblüte. 1922
1923
1/ So kennen Sie Miß Sharpe seit | mahnten sie an das einst vergossene Blut | zeitig durch den Kopf. Rasch trat Lady längerer Zeit? " fuhr Lady Canterbridge der Krieger von Oldenhurst; "staunend Canterbridge zurück, Bradley mit sich in fort, indem sie weiter gingen. sollten die Dorfbewohner in all dem die Fensterbrüstung ziehend . Die Falten. // Sie war unsere nächste Nachbarin im Glanz und Reichtum die unendliche Güte des Vorhanges schlugen zusammen und Look-out. " ihres Schöpfers gegen die Herren von entzogen sie allen Blicken . Die Thür war vom Diener geöffnet „ Ihre Frau wird nichts dagegen haben, Oldenhurst und ihre Freunde erkennen. wenn Sie sie in meinem Hause wieder Sir Robert, ein wenig von der Gicht ge- worden ; er führte einen breitschultrigen sehen ? " fragte Lady Canterbridge, die ihre plagt, blieb daheim , und Bradley , den Mann herein , der Reisesack und Regengewohnte Sicherheit wieder gefunden hatte. Sharpes Anmeldung etwas beunruhigte, schirm in der Hand trug. Sich dicht vor „O, durchaus nichts ! " erwiderteBradley. schritt gedankenvoll in der langen Biblio- dem Vorhang auf einen Lehnstuhl niederSie hatten den niederen Seiteneingang thek auf und ab. Am unteren Ende der- lassend, wehrte er den Diener ab , der es durch das normännische Thor erreicht . Als selben lag der achteckige Erker eines alten abermals versuchte, dem Fremden das GeBradley die schwere eichene Thür für sie Turmes , der mit seinem lanzenförmigen päck abzunehmen. Sie lassen mir diesen Sack, wo er iſt, öffnete, fragte sie leichthin : // Sie kommen Fenster in der dicken Mauer und dem noch nicht mit herein?" schweren Vorhang, der den Raum abschloß, junger Mann, und sagen Sir Robert Main„Nein; ich will noch etwas gehen . “ für ernſte, stille Arbeit besonders geeignet wairing, daß ihn Mr. Demander Sharpe war. Zerstreut blickte Bradley in die me- aus Kalifornien geschäftlich zu sprechen "Ist mir alles vergeben ?" " Ich danke Ihnen sehr herzlich," sagte lancholischen Augen Sir Percivals , dessen wünscht hören Sie wohl — geschäfter und lächelte sie freundlich an. Sie Bild die Wand schmückte , als er das lich ? Betonen Sie das Wort , geschäftschlug die Augen nieder und verschwand Rauſchen eines Kleides vernahm . Lady lich ! mehr werden Sie sich wohl nicht im dunkeln Gang. Canterbridge stand neben ihm , von Kopf merken können und dieser Sack bleibt, Mintys Triumphe wurden auch von zu Fuß steif und fest in Schwarz zuge wo er ist. " Bradley wollte rasch vortreten ; Lady Sir Robert bestätigt, der im Laufe des knöpft, den weißen Kragen um den Hals, Abends Bradley in sein Studierzimmer das Gebetbuch und die Handschuhe in der Canterbridge, sehr blaß, aber gefaßt, hielt bitten ließ. Frank schreibt aus Nizza, Hand . Das Blut schoß in Bradleys Wan- ihn mit einer warnenden Bewegung zurück. daß erdortdie BekanntschaftfrühererFreunde gen ; der betäubende Duft des Weihnachts- Jett kam Sir Robert mit seinem Stocke Ihres Hauses erneuerte ein Mr. und Miß schmuckes an Wand und Decke , die be- über den Gang und trat in das Zimmer. Sharpe, und Lady Canterbridge sagt mir, rauschende Nähe der Frau neben ihm ver- Seiner artigen einfachen Begrüßung folgte sie seien in unsern Londoner Kreisen wohl wirrten ihn. Ihm war , als sei er hier sofort ein neuer Anschlag auf die Reisebekannt ; ich wüßte gern durch Sie von den im schwach erleuchteten Raum plößlich in tasche , die vom Fremden abermals verLeuten. Lady Mainmairing wollte sie die Lebzeiten jenes gemalten Ahnherrn der teidigt wurde. "/ Nein, Sir Robert, " sagte die Stimme eben hierher bitten , als ich einen Brief schönen Frau versezt. Nur mühsam bevon Mir. Sharpe erhielt, der mich um eine sann er sich und fragte: „ Sie gehen zur kurz und bündig , das ist eine rein geschäftliche Unterredung, und bis die vorüber geschäftliche Unterredung ersucht . Bitte, Kirche ? " ver ist dieser Sharpe ?" „Ich kann die übrigen auch auf dem ist bitte ich sehr daß wir bleiben, wie Sie sagen, er wünsche Sie geschäft Heimweg treffen , das bleibt sich gleich . wir jezt sind. Ich bin Demander Sharpe lich zu sprechen ?" Gefällt Ihnen der ?" fragte sie schnell auf aus Kalifornien ; ich und meine Tochter " Ja. " das Bild zeigend, „ ich glaubte, an solchen Minty hatten einst das Vergnügen, Ihren Bradley zauderte einen Augenblick und Leuten sei Ihnen nicht viel gelegen . " Jungen da drüben kennen zu lernen ; neu"/ Ein Mann wie dieſer muß vor seinem lich trafen wir ihn wieder in Nizza . “ sagte dann ruhig : „ Vielleicht berechtigt mich "/ Soviel ich weiß , " sagte jest Sir die Beantwortung Ihrer Frage dazu, das, Tode die Unzulänglichkeit seines Opfers was er mir anvertraute, preiszugeben. Er erkannt haben, und das wiegt alles auf, " Roberts weiche Stimme, "sind das nicht die einzigen Anrechte , die Sie an mich ist der Mann, der sämtliche Verpflichtungen erwiderte Bradley gedankenvoll. So halten Sie ihn nicht für einen haben. Vor wenigen Tagen erfuhr ich der Sierra-Land- und Bauholzgesellschaft aufkaufte , damit die Bank zahlungsfähig Narren? Bob meint , er habe Titel und durch Mr. Bradley, wie ich die Rettung blieb. Doch that er es unter der Be Stelle leicht erlangt und durch seinen Tod meines Vermögens in Kalifornien Ihrer dingung , daß Sie es nie erfahren würden. sei er dem Gericht und der Einziehung selbstlosen Großmut verdanke. " Laut wurde ein Stuhl beiseite gestoßen , Im übrigen ist er ein reich gewordener seiner Güter entgangen." Bradley antein Fuß stampfte auf und mit dem wohlSchmied, wie es Ihnen Lady Canterbridge wortete nicht . wohl sagte." „ Ich zerstöre abermals Ihre Illuſionen. bekannten Schelten des Schmiedes erhob Wie merkwürdig wie freundlich, Und doch gefallen mir diese. Ich glaube, Mr. Sharpe jezt seine Stimme: wollte ich sagen ! Gern wäre ich ihm nur Sie würden eines Opfers ganz fähig seinAlso der ist-da geweſen , der eingebildete um Franks willen artig entgegengekommen . " vielleicht wissen Sie bereits, was das heißt. " Patron war es wieder, der mir zuvorkam! Er fühlte ihre Blicke ; fühlte auch, daß Der Mensch wirft sich auf , als wäre er So würde ich ihn erst geschäftlich em pfangen und dann freundschaftlich. " Mit er nicht mit einer bloßen Nedensart er der Erzengel Gabriel und Daniel Webſter zugleich. Ich glaube , die hoch fliegende gewohntem Ernst nahm Sir Robert des widern konnte . So schwieg er still. Amerikaners einfache Anschauung der Ich habe Sic wieder gekränkt , Mr. Elster rechnete darauf, Sie und mich, mein Dinge hin. Bradley, " sagte fic. Seien Sie ein Christ | Mädel und Ihren Jungen vorzuspannen , „ Nein, wir sollten sie zu Weihnachten und vergeben Sie mir. Es sind ja jezt und oben von seinem hohen Sit will er einladen. Seine Tochter ist ?" Tage christlicher Liebe und Verträglichkeit." uns alle an der Nase herumführen. Warum wäh = Araminta Eulalic Sharpe," sagte Dabei richtete sie die blauen Augen auf kehrt der nicht vor der eigenen Thür Bradley und dachte mit leiseni Hohn an den Weihnachtsschmuck, der sie umgab. rend er Jenny Bradley und 200 Macy KöniLady Canterbridge. Zwischen den Fensterbehängen hing ein gen und Königinnen und überhaupt hochSir Robert erschrak sichtlich. Ich baue Zweig der Mistelstaude herab. Ihre Blicke gestellten Menschen aufhängt , philandert Jim Bradley er mit eines andern stark auf Sie, lieber Freund, damit sich trafen sich. die Fremden bei uns wohl fühlen, " sagte er. Lady Canterbridges schmale weiße Hand Weib ; und dieser andere schindet sich beim Weihnachten kam, aber keine Minty. ruhte in der Bradleys . Da ließen sich Pharao in Monaco ab, für seine Frau ein Das Fest führte eine reiche Gesellschaft Stimmen im Vorplas vernehmen und die chrliches Stück Brot zu verdienen. Und von Oldenhurst nach der hübschen alten ihnen gegenüber liegende Thür wurde rasch der Mann mengt sich in meine Sachen ! Kirche, alle wollten die grün univundenen geöffnet. Das Bewußtsein ihrer schein Was ? Gibt es einen Menschen, " hier Säulen und die mit roten Beeren ge- baren Abgeschiedenheit , ihre halb kompro- dämpfte sich die Stimme in hoffnungsloser schmückten Wände sehen ; war es doch, als mittierende Stellung schoß beiden gleich- Ueberzeugung , einen Menschen , den ich $1
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1924
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Leonhard-Ensrud. Elektrische Beleuchtung aus Zentralstationen. 1925
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Man mußte daher nach Mitteln suchen, ſo iſt es dieser flatter | Ihnen einen englischen Jim Bradley zu moralisch mißachte finden. Können Sie es nicht zugeben, daß welche es ermöglichen, das elektrische Licht auch hafte Jim Bradley. " "/ Sie mißverstehen mich ganz , mein sich meine Tochter aufopfert, Ihren Sohn solchen Etablissements zugänglich zu machen, werter Herr, " sagte Sir Robert bestürzt ; zu heiraten, so kann ich es nicht zugeben, welche über keine Antriebskraft für die stromerzeugenden Lichtmaschinen verfügen und sich " er sagte mir , er habe Ihnen Schweigen daß sie ihre Liebe opfert und ihn nicht eine solche anzuschaffen nicht in der Lage sind. ich unsere Unter- Nun liegen wohl diese Mittel , wenn es sich gelobt und brach es nur, um mir zu erheiratet. Und somit sehe "1 bloß um die physische Möglichkeit der Lichtklären, warum Sie mich zu sehen wünschten. " redung als beendet an .' Ein halb beschwichtigtes Grunzen ließ „ Ich fürchte , Mr. Sharpe , wir sind lieferung handelt , auf der Hand ; denn der sich vernehmen, dann sprach Sharpe ruhiger beide alte Narren ; aber wir besprechen elektrische Strom läßt sich bekanntlich auf prakweiter : „Nun denn, um auf das Geschäft die Sache noch mit Lady Mainwairing. tisch unbegrenzte Distanzen fortleiten. Allein ein überaus gewichtiges Hindernis liegt in den liche zurückzukommen : Sie haben einen | Erlauben Sie ganz unerschwingenormen, unter Umständen Kampflichen Kosten des Leitungsmaterials , wenn über leichter Offenbar entſtand jezt ein Tocheine ich habe Jungen, Francis, und hinausgegangen Entfernungen wird. gewisse erhob sich Stühl. Da ter, Araminta. Die sind einander gut und um etwas dicht am einen Augen die Stimme des Baronets eindringlich: möchten heiraten . Halt Das Problem der elektrischen ZentralbeNein, „Ich muß wirklich darauf bestehen, Ihnen leuchtung ist eigentlich eine Leitungskostenes war nicht immer so. blic "1 mein Herr, damals , als meine Araminta Gepäck und Schirm abzunehmen . frage, und wir müssen daher , um dieselbe zu „ So lassen Sie mich Minty ja tele- lösen , suchen , die Kosten möglichst zu redu Ihren Jungen zum erstenmal in Kalifornien sah, da war sie arm und rechnete graphieren, dann ist mir auch das einerlei. " zieren. Wir wollen uns mit dieser Frage einIm Zimmer war es wieder still. Leise gehender beschäftigen. nicht darauf, bescheiden, wie sie erzogen, in Um eine elektrische Lampe zum Leuchten eine gute Familie zu heiraten. Da wurde traten Lady Canterbridge und Jim Brad Menge elektrischer bringen, ist ist eine eine gewisse zu elektriſcher gewiſſe Menge bringen, u trennten und vor Vorhang dem hinter ley arm; wurden Herr, mein Sic, und ſie reich Energie erforderlich. Diese Energie ist das bitte, einen Augenblick ! mein sich an der Thür, ohne ein Wort zu wechseln . und dann Produkt zweier Faktoren, einesteils der StromMädel gibt zu, daß auch jest wenig AusIn Oldenhurst und Nizza wurde ein stärke, oder genauer Strommenge , die pro ſicht für die beiden ist, ein Paar zu wer- fröhliches Weihnachtsfest gefeiert. Ob Sekunde durch die Leitung fließt, andernteils den , denn es soll durchaus nicht heißen, Mintys Liebesopfer angenommen wurde der Stromspannung, mit welcher der Strom daß sie Ihren Sohn heiratete , um eines oder nicht, ob sie je als Lady Mainwairing dem Widerstande der Leitung entgegenwirkt. regierte oder als schlichte, titellose Witwe Das Maß der Stromstärke ist das Ampère, Tages Lady Mainwairing zu werden. " die Spannung das Volt und für den //Mr. Sharpe, gestatten Sie," bat der lebte, das kann ich nicht sagen. Da aber für Widerstand das Ohm. Diese Maße wurden alte Herr ernst , der Grund Ihres Be- Oldenhurst noch in Macht und Pracht be- 1884 auf dem Kongreffe zu Paris festgesett juches, den ich jetzt zu verstehen glaube, steht , ist wohl anzunehmen , daß die Ge- und nach Naturforschern benannt, welche sich ist für mich schmeichelhaft , zugleich aber fahr, die seinen Stammbaum bedrohte, ab- besonders um die Elektrizität verdient gemacht betrübend. Ich ahne, was diese Annähe gewendet wurde ; fand sich nicht eine andere haben. Die elektrischen Maße sind auf die rung meines Sohnes nach sich ziehen kann; Heldin, die es wert war, in einen Rahmen Fundamentaleinheiten Zentimeter, Gramm und doch fagte Ihnen dieser sicherlich selbst, wie der Ahnengalerie zu treten, so zeigte es sich Sekunden zurückgeführt, so daß alle Werte Raum, Maße und Zeit ausgedrückt werernstlich seine Stellung und seine Gesund heute wie in alten Tagen, daß Entjagung durch den können . heit gefährdet sind .“ und Hingebung bei den Herren von OldenMan kann sich den Zusammenhang zwi„Ich bat ja noch um einen Augenblick, " hurst noch nicht erstorben sind . schen Stromstärke, Spannung und Widerstand fiel die zänkische Stimme des Schmiedes durch Vergleiche mit Wasserkräften verdeutlichen. Die Stromstärke ist dann identisch wieder ein , „ das ist es ja eben , worauf der Wassermenge , die Spannung der Geich kommen wollte. Ersteres weiß ich sehr wohl aus meiner eigenen Tasche, letteres Elektrische Beleuchtung aus fällhöhe und endlich der Widerstand identisch dem durch die Leitungsröhren der Bewegun vernahm Minty aus seinem Munde und des Wassers hervorgerufenen Widerstand. Bentralstationen . von seinen Aerzten, die sie aufsuchte. Da Das Bild der Wasserkräfte wollen wir beisagte sie zu mir ,Papachen, sagte meine Don behalten , um die verschiedenen Arten der Minty , er hat ja weiter keine Aussichten Schaltungen zu erklären . Teonhard - Ensrud. X im Leben als seinen Titel, und wer weiß, Man unterscheidet hintereinander geschaltete Lamob er den je erlangt drum scheint mir, pen von parallel geschalPapachen , du kannst ruhig und klar, wie a Lampen. Das Schema bedeutenden Fortschritte, welche auf dem tetenersteren ein ehrlicher Mann, vor seinen Vater treten DieGebiete stellt Fig. 1 dar, der elektrischen Beleuchtungstechnik der und ihn bitten, mir den Sohn zu geben .' wobei A, B, C Lampen B Das sind die eigenen Worte meiner Minty , in verhältnismäßig kurzer Zeit gemacht wur sind, welche in den die beiSir Robert, und da eine Million Dollars den, haben ein allgemein gefühltes Bedürfnis nach Zentralstationen wachgerüfen, von welchen den Punkte X und Y verdahinter steckten, werden Sie einsehen, daß aus das elektrische Licht. den einzelnen Kon bindenden Leitungsdraht ge= C mein Kind nicht zum Spaß gesprochen hat. " sumenten auch auf größere Entfernungen zu schaltet sind . Ist bei AusWußte Francis , daß Sie hierher geführt werden könne. Dieses Bedürfnis ist nuhung des ArbeitsvermöFig. 1. Hinter einanderschallung. kommen ?" ein ganz naturgemäßes , denn nur durch die gens des Waſſers die An[/ Gott bewahre , er weiß auch nicht, Zentralstationen kann die elektrische Beleuch ordnung so getroffen , daß, daß sie ihn haben will. So weit fam es tung das werden , wozu eine jede Errungen wie Fig. 2 angibt, das Wasser nach und nach nicht er hat auch nicht um sie angeschaft der realen Wissenschaften berufen ist, sämtliche Wasserräder A, B, C durchfließt, so halten ! Sie hat sogar das vermieden, bis nämlich zu einem Gemeingute der Menschheit. steht jedem Daß aber die elektrische Beleuchtung sich das sie Ihrer ist . "sie noch nicht verlobt ?" Anrecht auf dieses Epitheton bisher noch nicht Wasserach sind Demnsicher rade errungen hatte, läßt sich keinenfalls bestreiten ; !! Natürlich nicht. Erst wollte ich die denn wenn es ihr auch gelungen ist, die engen nur ein 3. Sache mit Ihnen glatt haben ! " Deutlich Grenzen des Lurus zu überschreiten und in Teil h', war jest der hinkende Schritt des alten zahlreichen industriellen Etablissements als praf h2, h3 Herrn zu vernehmen ; er trat neben Sharpe . tisch bewährtes und ebenso angenehmes als dergan„ Lieber Mr. Sharpe, " sagte er beun- billiges Beleuchtungsmittel willkommene Auf- zen Gefäll= nahme zu finden, so blieb sie doch ihrer Natur ruhigt, solch ein Opfer kann ich nicht zuzufolge auf einen genau und verhältnismäßig |_ höhe, Fig . 2. intereinanberschaltung, geben. Das ist zuzu groß !" eng begrenzten Kreis beschränkt , da es nicht dagegen So fürchte ich , wir müssen ohne Ihre jedem vergönnt ist, die Kosten einer Maschinen- die gesamte Waffermenge zur Verfügung . Es Erlaubnis fertig werden," sagte Sharpe anlage und die Auslagen für Wartung und ist dies gleichbedeutend dem elektrischen Vorärgerlich. " Ich hatte nicht erwartet , in Erhaltung einer solchen Anlage zu bestreiten . gange in Fig. 1 , wobei auf jede Lampe
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Leonhard-Ensrud .
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Elektrische Beleuchtung aus Zentralstationen . =1928
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auch nur ein Teil der gesamten Spannung | wirkender Ausschalter vorgebeugt werden, als | sparnis des Leitungsmaterials von 25 Prozent kommt. Bei der hintereinanderschaltung muß Glühlichter vorhanden sind , eine ebenso kost dadurch herbei, daß sie je 2 Dynamomaſchinen also der Strom alle Lampen passieren, wobei spielige, wie bezüglich sicheren Wirkens unzu- und je 2 Lampen hintereinander schalten und ſeine Stärke konstant bleibt und verlässige und verwickelte Anordnung . In 3 Leitungsstränge benuhen , wie in Fig. 5 X zwar unabhängig von der AnAnbetracht dieser und vieler anderer Umstände schematisch angedeutet ist. Um I zahl der brennenden Lampen, kann füglich die Hintereinanderschaltung von zu vermeiden , daß das Er1 während seine Spannung entGlühlampen in größerem Maßstabe als über- | löschen einer Lampe das der sprechend den Widerständen der wundener Standpunkt betrachtet werden. anderen zur Folge hat, sind die ад Später hatte man das Problem einer öko- einzelnen Lampenpaare durch einzelnen Lampen mit der wachsenden Anzahl derselben zunehnomischen Fortleitung des elektrischen Stromes , einen Draht A B miteinander men muß. Man arbeitet also insbesondere für Straßenbeleuchtung, durch die verbunden . Falls nun etwa hierbei mit geringer Strom sogenannte Gruppenschaltung zu lösen versucht, die Lampe a verlöschen sollte, stärke und hoher Spanwonach mehrere Gruppen parallel geschalteter so würde die mit a hinternung. Glühlampen in die Hauptleitung hintereineinander geschaltete Lampe b Das Schema der zweiten ander geschaltet sind, wie z . B. in Temeswar. | ruhig weiterglühen, denn durch Art der Elektrizitätsverteilung, Fig. 3. Parallel- Allein bei diesem Systeme sind die geschil : den Strang AB ist ein ge= der Parallelschaltung, zeigtFig.3 . fchaltung. derten Nachteile der Hintereinanderschaltung schlossener Stromkreis ge= Der von X ausgehende Strom nur abgeschwächt , keinenfalls aber beseitigt. sichert. Jedoch würden die teilt sich hier in so viele Zweige, als Lampen (A, Ueberdies läßt sich dieses Systent wegen der auf der linken Seite noch B, C) im Betriebe sind. Der Vergleich mit hiermit verbundenen hohen Spannungen für glühenden Lampen 1 , 2, 4 der Hydraulik macht den Vorgang deutlicher. Hausbeleuchtung nicht anwenden , da für be- und 5 zusammen einen er= 1 田 I Bei der Anord- | wohnte oder dem Publikum zugängliche Räume | höhten Widerſtand repräſenFig. 5. Dreileiter. nung in Fig. 4 keine Leitungen mit höherer als der erfah- tieren, da nur 4 Kohlenfäden system (Edison. Hopkinson). ſteht jedem Was rungsgemäß gefahrlosen Spannung von 200 zum Durchgang des Stromes a 3 ferrade A, B, C bis 250 Volts , entsprechend 2 bis 3 Glüh- dienen. Die links befindlichen zwar die ganze | lampen, gestattet ſind . Lampen würden mithin stärker beansprucht, Gefällhöhe h, je: Schließlich ist man zu der Ueberzeugung wir würden ungleich hell brennende Lampen Fig. 4. Parallelschaltung, doch nur ein Teil gelangt , daß für eine allgemeine Zentralbe haben. Dieser Uebelstand wird nun wiederdes in D befindleuchtung die Parallelschaltung das einzige um dadurch vermieden , daß 2 Dynamolichen Wassers zur Verfügung, was dem Vor- entsprechende System sei . Bei diesem Systeme maschinen hintereinander verwendet werden, gange in Fig. 3 entspricht, indem hierbei für ist der Betrieb der zflässigen niedrigen Span- und die Drahtstränge I und II mit den jede Lampe die ganze Spannung , aber nur nung wegen absolut gefahrlos , jede Lampe freien Polen der Dynamomaschinen__ver= ein Teil der gesamten Stromstärke zur Ver- | funktioniert unabhängig von den anderen, und | bunden sind , während der dritte Drahtſtrang wendung gelangt. Der ganze Strom braucht es können Bogenlampen wie Glühlampen von zu den miteinander verbundenen Polen der deshalb nur die zur Ueberwindung des Wider- jeder beliebigen Stärke in denselben Strom- Dynamomaschinen führt. Welches nun auch standes einer einzigen Lampe erforderliche kreis geschaltet werden . Da man nun bei der elektriſche Zuſtand dieſes dritten Leiters Spannung , während die Stromstärke ent- der Parallelschaltung bei konstanter niedrigster sein mag , der Unterschied zwischen ihm und sprechend dem Verbrauche der einzelnen Lam Spannung arbeitet , muß wie oben erwähnt, dem Leiter I wird nur durch die an den Polen pen zunehmen muß. ▸ Man arbeitet also bei die Stromstärke der Lampenzahl entsprechend der Dynamomaschine I herrschende Spannung der Parallelschaltung mit geringer zunehmen. Hieraus folgt, daß auch die Leitungs- bedingt, und ebenso wird die elektromotorische Spannung und hoher Stromstärke. querschnitte wachsen müssen. Wie rapid aber Kraft der Maschine II den SpannungsunterNun sind nach den phyſikaliſchen Grund- unter solchen Verhältnissen mit der Zahl der schied zwischen den Drähten III und II be= gesehen der Elektrizitätsverteilung für den Lichter und ihrer Entfernung von der Elek stimmen. Werden nun die elektromotorischen Querschnitt der Leitung zwei Faktoren maß- | trizitätsquelle sich die Kosten der Leitung ver- | Kräfte beider Maschinen genau je nach Vegebend , nämlich die Stromstärke und die größern, mag ein Beispiel zeigen. darf, d. h. nach der Zahl der gerade brennenDie Aktiengesellschaft ,,Helios" hat berechnet, den Lampen variiert, so wird dadurch erreicht Distanz, auf welche der Strom fortgeleitet Stadt der einen Teil Weise solche auf werden soll, und zwar ist der Querschnitt der daß, um werden , daß jede Lampe stets die richtige Leitung der Stromstärke direkt proportional. Barmen innerhalb eines Kreises von nur 900 m Stromnenge erhält und die geforderte An= Es wäre demnach die hintereinanderschaltung | größter Entfernung von der Zentralstation | zahl Kerzenstärken ergibt. Die durch das Dreidas geeignetſte Mittel, um die Leitungsquer mit 21 000 Glühlampen nach dem Gülcher: leitersystem erzielte Ersparnis war jedoch zu schnitte und mit diesen die Leitungskosten nach schen System zu beleuchten, nicht weniger als gering, um sich damit begnügen zu können . Man verließ nun das Feld der direkten - Belieben zu reduzieren . Thatsächlich iſt dieſe 14 739 500 Mark für die Hauptleitung er Schaltung auch das älteste Verfahren, welches forderlich wären . Rechnet man nun hiervon Stromverteilung , indem man hochgespannte für größere Beleuchtungsanlagen ursprünglich 10 Prozent Zinsen und Amortisation auf Ströme durch Leitungen von geringerem Querin Aussicht genommen wurde. Allein zu Er- 21000 Lampen von je 800 Brennstunden schnitte in die Nähe der Verbrauchsorte führte gebniſſen praktischer Bedeutung konnte man pro Jahr , so hätte jede Lampe pro Stunde und dort mit Hilfe sogenannter Sekundärauf diesem Wege bis dahin vornehmlich_des- | allein an Amortisationsquote für die Leitung generatoren und Transformatoren in halb nicht gelangen, weil sich der Verwendung 8/10 Pfennig kosten müssen. Wollte man Ströme von geringer Spannung itmwandelte. von hochgespannten Strömen die gewichtig die Leitungen noch auf die übrigen Stadtteile Diese praktikabeln und für die Lampen vorſten Bedenken entgegenstellten. Hochgespannte ausdehnen, so müßten die Kosten ins Unge: teilhaft verwendbaren Ströme leitete man in Ströme bergen nicht nur eine stete Gefahr | messene steigen. Um das Syſtem der direkten die Häuser und Wohnungen. Zuerst bediente für Leib und Leben derjenigen Personen, welche Stromverteilung in Anwendung bringen zu man sich der Sekundärgeneratoren oder Ak= damit zu hantieren haben oder durch irgend können , müßte man von einer Zentralanlage | kumulatoren, die eigentlich nichts anderes sind, einen Zufall in ihren Bereich kommen , son- ganz abſchen. Es wäre nötig, die ganze Stadt | als die allbekannten galvanischen Batterien, dern bieten auch hinsichtlich ihrer Nußbar in kleine Bezirke zu teilen und jedem Bezirke deren man sich vor Erfindung der heutigen machung die größten technischen Schwierigkeiten eine eigene Betriebsanlage zu geben. Hier Dynamomaschinen bediente, wenn man bei bedar. So z. B. kann das Glühlicht auf die durch steigen aber die Beschaffungskosten für | ſonderen Gelegenheiten elektriſches Licht erDauer keine höhere Spannung als 5000 Volts | Grundstücke, Gebäude, Kefsel und Maschinen, zeugen wollte. Während man bei diesen Elemit befriedigendem Resultate vertragen . Wenn ebenso wie die Betriebskosten , weil jede An : menten teure Materialion, meiſtens Zink und Salpetersäure , gebrauchte , die sich allmählich wir nun aber 100voltige Glühlampen benuten eigene Wartung erfordert. Es ist wollten, könnten wir mit der genannten hor- lage eine auflöften und eine Erneuerung bedingten, wonicht einzusehen , weder wie ein derartiges renden Spannung erst bloß 50 Lampen von durch sie enorme Kosten verursachten, so wird Werk rentieren, noch mit Sicherheit betrieben bei den Alkumulatoren immer dasselbe Maeiner Maschine in Betrieb sehen. Neberdies werden könnte. Die notwendige Folge war , daß sich die terial benußt , welches nach seiner Zerschung darf nicht noch ein anderer Umstand übersehen werden, daß nämlich bei diesem Systeme säit ganze Frage der Elektrizitätslieferung , wie durch den Strom einer Dynamomaschine rez riche Lampen voneinander abhängig sind, also bereits angedeutet, immer mehr zu einer Lei- generiert wird . Die meisten Akkumulatoren bestehen im das Erlöschen aller Lampen bei dem Versagen tungsfrage zuspißte, auf deren Löſung ſich das } einer einzigen nach sich zicht , welches etwa eifrigste Bestreben der Elektrotechniker richtete. Prinzipe aus einer Platte von metallischem infolge Durchbrennens des Kohlenfadens leicht | Von einigem Erfolge in dieser Beziehung war Blei und einer Platte von Bleisuperoxyd oder eintreten kann. Diesem Uebelstande kann erst zuerst das Dreileitersystem von Edison- | Mennige , einer höheren Drydationsstufe des durch Anbringung ebenso vieler selbstthätig Hopkinson. Diese Erfinder führen eine Er- Bleies, beide in verdünnter Schwefelsäure lie-
Leonhard-Ensrud .
Elektrische Beleuchtung aus Zentralstationen.
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1931 1932 gend. Bei der Stromabgabe zersetzt sich das | Doppelte der Gaskosten bezahlten , bankrots | entgegengesette Richtung, der DeffnungsnebenWaffer in seine Bestandteile Waſſerſtoff und tieren müssen . strom aber dieselbe Richtung. Durch das. Sauerstoff, welch ersterer die Mennigplatte in Es soll mit dem Vorhergehenden nicht ge: Deffnen und Schließen des primären Stromes eine niedrigere Orydationsstufe des Bleies all: sagt sein, daß die Akkumulatoren keinen Wert werden somit in der ſekundären Leitung Ströme mählich verwandelt, während der Sauerstoff für das praktische Leben hätten . Dieselben von abwechselnder Richtung, Wechselströme, die metalliſche Bleiplatte orydiert. Die Strom- haben im Gegenteil noch eine große Zukunft erzeugt. abgabe erfolgt so lange , bis endlich beide im Dienſte des Transportwesens zur BeleuchAuf den genannten Erscheinungen beruht Platten gleiche Beschaffenheit zeigen. Wird tung von Eisenbahnwagen und ferner zur das Ruhmkorffsche Induktorium. Das Schema nun in das erschöpfte Element ein elektrischer Fortbewegung von Eisenbahnzügen , wo Dampf- eines solchen stellt Fig. 6 dar. A ist eine Strom in entgegengeseßter Richtung des vorher | lokomotiven aus gewissen Gründen ausge- mit überſponnenem Drahte be: vom Akkumulator selbst gelieferten Stromes | schloffen sind. wickelte Holzgeführt, so werden die gleichen Platten wieder Gerade zur rechten Zeit wurde das StromW in verschiedene Zustände übergeführt : die eine verteilungssystem mittels Transformatoren spule. Durchden wird wieder zu metallischem Blei und die | erfunden . Lektere sind Apparate von sehr | Draht geht der andere zu Blciſuperoxyd . Die Benuzung des | hohem Nußeffekte, welche durchaus keiner War- von einer Bat: Apparates als Stromerzeuger kann dann von tung bedürfen und ihres geringen Raumbedarfes terie B erzeugte B G neuem beginnen. Die Akkumulatoren liefern wegen als Zubehör der Hauptleitung unter Strom (dessen immer einen den betreffenden Lampen ent- dem Straßendamm placiert werden können. Spannung so ge= sprechenden Strom und können mit einem Sie wandeln (transformieren) Ströme von ring ist, daß man, Strome von beliebiger Spannung regeneriert hoher Spannung und geringer Stromstärke diePolklemme des oder sozusagen geladen werden. Deshalb kann der dünnen Hauptleitung automatisch und pro- Elementes berühman zu leyterem Zwecke sehr hochgespannte portional dem Lichtbedarfe in einen niedrig n rend, absolut M und daher leicht auf größere Entfernung ver- gespannten Strom von großer Stärke um, nichts fühlt) auf F | mittelst verhältnismäßig schwacher Drähte fort- und geſtatten demnach vermittelſt ganz dünner | dem Wege B m & zuleitende Ströme benußen, dagegen beim Ent- Drähte die elektrische Energie auf beliebige n o p q r s t B. Fig. 6. Ruhmlorffſcher Indultions. apparat. laden die Spannung ganz nach Bedürfnis Entfernungen zum Zwecke der Beleuchtung zu | In der Spirale herabmindern . Denn beim Laden schaltet man übertragen . Durch Vermeidung der schweren A befindet sich sämtliche Akkumulatoren hintereinander und Hauptleitung, welche die direkte Stromvertei- ein Eisendrahtbündel D, welches, umkreist vom beim Entladen in Gruppen parallel, die wieder lung erfordert , findet hierbei eine derartige Strome in der Spirale A, sofort magnetiſch hintereinander geschaltet werden. Durch pas- | Reduktion der Anlagekosten statt, daß die Lei- wird . In die Leitung ist noch der Untersende Kombination kann man jede Spannung tungsfrage in ökonomischer Beziehung als voll- brecher E eingeführt, welcher aus einem mit Quecksilber gefüllten Gefäß besteht. In dieses erzielen. · Ueberdies kann die Ladung dieser kommen gelöst gelten darf. Apparate während der vollen 24 Stunden des Das Prinzip dieſer Apparate ist das dem Quecksilber taucht einerseits der stromleitende Tages erfolgen , wogegen die Entnahme sich bekannten Ruhmkorffschen Induktions- Draht m, andernteils eine Platindrahtspike y, je nach der beabsichtigten Verwendung in der apparate zu Grunde liegende, nur mit dem die von einer am Säulchen F festgemachten Regel auf einen größeren oder kleineren Bruch- Unterschiede, daß es sich bei dem lekten Ap- Feder gehalten wird , auf welcher das Klößteil dieser Zeit beschränkt. Hierdurch ist man parate darum handelt, elektrische Energie von chen n befestigt ist. wieder im stande , die Abmessungen der Lei geringer Spannung und verhältnismäßig großer Dieses Klöschen n wird, sobald der Drahttungen und damit auch deren Kosten zu ver- Intensität , wie sie eine galvanische Batterie bündel D magnetisch wird , von diesem angemindern. Dabei ist auch nicht zu vergessen, liefert , in solche von hoher Spannung und zogen, wodurch die Platindrahtſpiße aus dem daß man viel kleinere Dynamomaschinen sowie geringer Stromstärke zu verwandeln, während | Quecksilber gehoben wird. Sowie dies ge= Dampfmaschinen zum Laden der Affumula es bei Transformatoren darauf ankommt, um schieht, wird der Batteriestrom unterbrochen, toren benuhen kann, so daß auch dadurch eine |gekehrt Elektrizität von hoher Spannung in D wird wieder unmagnetiſch , n fällt zurück und damit auch die Platinspige, welche wieder Reduktion des Anlagekapitals erreicht wird. solche von niedriger Spannung umzusetzen. So verlockend die Akkumulatoren anfangs Man versteht unter Induktionselektrizität in das Quecksilber taucht. Dadurch ist aber schienen, und so sehr auch durch die jüngsten diejenige Elektrizität , welche in geschloffenen der Strom wieder hergestellt , der sofort auf Ausstellungen die allgemeine Aufmerksamkeit | Drähten entweder durch einen elektrischen die beschriebene Weise seine Selbſtunterbrechung auf dieſen Gegenstand gelenkt worden war, so Strom eines benachbarten Leiters oder durch neuerdings veranlaßt. sind die ersteren von ihrer Glanzhöhe herab- einen Magneten erzeugt wird . Ein elektrischer Die Drahtspirale A , welche die primäre gesetzt worden, nachdem sie anfangs mystische Strom ist nur vermögend, in den Augenblicken heißt , wird umgeben von einer zweiten , der und schließlich ernüchternde Reſultate lieferten . seines Entstehens und feines Aufhörens einen | sekundären Drahtrolle C , in welcher , solange Man stößt auch hier auf finanzielle Schwierig elektrischen Strom hervorzubringen. Die so das obige Spiel dauert, ein Deffnungs- oder keiten. An Stelle der kostspieligen Leitungen | erzeugten elektriſchen Ströme dauern nur einen | Schließungsstrom entsteht , je nachdem das tritt ein anderer kostspieliger Bestandteil der Augenblick; es kann daher ein lang andauern- | Klöschen n von D angezogen wird , oder Einrichtung, welcher den Vorteil wieder frag der Strom nur dadurch hervorgerufen werden, niederfällt. Die in C entstehenden in rascher lich macht : nämlich die Akkumulatoren ſelbſt. | daß man eine Menge solcher momentaner | Aufeinanderfolge alternierenden entgegenge= Dieser Umstand ist um so wichtiger, weil die Ströme so schnell aufeinander folgen läßt, setten Ströme (Wechselströme) sind solche hoher Abnuzung der Akkumulatoren eine ziemlich ra- daß sie sich gleichsam unmittelbar aneinander Spannung und verhältnismäßig geringer Inpide ist, so daß mindestens 25 bis 30 Prozent | schließen . tensität. Sie können durch eine an den Drahtder Anschaffungskosten jährlich in Rechnung Diejenige Leitung , welche eine Störungenden von C angebrachte Leitung uv wx ihrer zu sehen ist. Dieser Umstand erhöht selbst- des elektrischen Gleichgewichts in einer zweiten Verwendung zugeführt werden, indem man in perſtändlich in außerordentlichem Maße die Leitung verursacht, heißt die primäre, wäh- diese Leitung , z . B. bei G, den Körper einKosten des Betriebes und verringert sehr die rend die andere die sekundäre heißt. Den schaltet , welcher der Einwirkung der IndukRentabilität. Außerdem werden die Betriebs- Strom in der primären Leitung nennt man tionsströme ausgesetzt werden soll. koſten dadurch noch wesentlich erhöht, daß die den primären oder den induzierenden Es lag nun nahe, den im Ruhmkorffschen Akkumulatoren einen Nußeffekt von nur höch: Strom , auch den Hauptstrom , und den in | Induktionsapparate auftretenden Vorgang umstens 60 Prozent geben. der sekundären Leitung den sekundären oder zukehren. Wählt man die Anordnung nämlich Es bildeten sich nun , durch die angeprie- induzierten Strom , auch den Nebenstrom. so , daß man durch die ſekundäre (in dieſem fenen Vorteile verlockt, nach der jüngsten Pa- | Insofern der primäre Strom die Herstellung Falle nun primäre") Spirale eines solchen riser Elektrizitätsausstellung innerhalb Jahres- des sekundären Stromes durch Schließung Apparates Wechselströme leitet, d . h. Ströme, frist namentlich in England eine ganze Reihe einer Leitung begleitet , nennt man ihn auch die infolge der Konstruktion der Maschine, von Aktiengesellschaften mit einem Gesamt: Schließungsstrom , während der das Auf welche sie erzeugen , in rasch aufeinander folfapitale von vielen Millionen zu dein Zwecke, | hören des ſekundären Stromes begleitende In- | genden Zeitteilchen ihre Richtungen stets wechAkkumulatoren für Zentralbeleuchtungen zu duktionsstrom der Deffnungsstrom heißt. feln, so werden in der primären (jekt „ſekunverwerten. Inzwischen haben aber die GesellDer Sefundärstrom hat immer die ent- dären ") Spirale Sekundärströme induziert, schaften entweder ein klägliches Ende genommen gegengesetzte Richtung des Primärstromes, welche bei richtiger Wahl der Drahtdicke und oder sich noch nur mit den größten Opfern wogegen der beim Verschwinden des Primär- Länge als Ströme von niedriger Spanhalten können. So z . B. hat die Aktiengesellstromes auftretende Deffnungsstrom der sekunnung und großer Intensität auftreten, schaft der Zentralstation zu Colchester , trot dären Leitung dieselbe Richtung des Primär- wenn der Primärstrom von hoher Spannung der großen Anzahl der Konsumenten und trot stromes einnimmt. Es hat also der Schließungs- und geringer Intensität war. dem dieselben für das elektrische Licht das nebenstrom in bezug auf den Hauptstrom die Der Amerikaner Füller war der erste,
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Leonhard-Ensrud. Elektrische Beleuchtung aus Zentralstationen. 1935 1934 1933 ht ten hte m ip und wird dieser erhal durch in wünsc , je nach der Stromder es versuc , auf dieses Prinz ein Syste ; nung , die man zu der Stromverteilung zu basieren. Doch die Verschiebung des Schlittens s entweder eben stärke mehr oder weniger angezogen . Wird ersten praktischen Erfolge erzielten Gaulard falls alle nacheinander oder in Gruppen nun durch Einschaltung mehrerer Sekundärund Gibbs , die auf der internationalen Tu- parallel geschaltet . Letteres geschieht , wenn generatoren die Stromstärke verringert, ſo zieht riner Elektrizitätsausstellung im Jahre 1884 man stärkere Ströme von geringer Spannung das Gegengewicht D das andere Ende des mit Hilfe dieser Vorrichtung von einer zu haben will. Bei der Klemme h tritt der se: Hebels herunter ; ſomit sinkt der an demselben Ende angebrachte Eisencylinder tiefer in ein Turin selbst aufgestellten Wechselstrommaſchine | kundäre Strom aus . In dem Hohlcylinder, der durch die Kreis- | Holzgefäß F , welches mit Quecksilber gefüllt aus sowohl dort, als auch gleichzeitig auf der 40 km antfernten Station Lanzo unter Be- ausschnitte der aufeinander liegenden Scheiben ist , und bringt den Quecksilberspiegel zum nukung eines nur 33/4 mm starken Leitungs- gebildet wird , befindet sich ein aus dünnen , Steigen . In dieses Gefäß münden in verdrahtes von Siliciumbronze vermittelst Ströme sowohl voneinander , als auch von dem Me- schiedenen Höhen viele Enden der zur Ervon 2000 Volts Spannung größere Gruppen talle der Spiralen isolierten Eisendrähten be regung der Magnete an der Dynamomaſchine von Bogen- und Glühlichtern ganz unabhängig stehender Kern K, der dazu dient , die Zn dienenden Leitungsdrähte. Es werden nun voneinander in befriedigendster Weise speisten . duktionswirkung zu verstärken. Da eine solche mit der wachsenden Höhe des Quecksilberſpiegels Die große Wichtigkeit der neuen Erfindung nur im merklichen Grade auf die in unmittel- mehr Drähte miteinander verbunden , so daß ist unter anderem auch dadurch anerkannt wor: barer Nähe des Kernes befindlichen Windungen mehr Strom zur Erregung der Magnete durchden, daß den Herren Gaulard und Gibbs für ausgeübt wird , kann man durch höhere oder geleitet wird und somit eine Zunahme der ihre Erfindung der Sekundärgeneratoren und tiefere Stellung des Kernes die an den Klemmen Stärke des Stromes in der Hauptleitung stattdem darauf basierenden Elektrizitätsverteilungs- der sekundären Spirale auftretende elektro- finden muß. Wie leicht zu verfolgen , findet system bei Gelegenheit der Turiner Ausstellung motorische Kraft in ziemlich weiten Grenzen bei einer Zunahme der Intensität des Hauptaußer der goldenen Medaille noch ein Ehren- verändern und dem jeweiligen Bedarfe genau stromes genau der entgegengesette Vorgang preis von 10000 Franken zuerkannt worden anpassen . Neuerdings ist noch eine selbst im Regulierapparate statt. Gaulard und Gibbs haben ſomit ein Elekist, welcher seitens der italienischen Regierung thätige Reguliervorrichtung angebracht , die und der Behörden der Stadt Lurin für den aus in einem Nebenstrom angebrachten Sotrizitätsverteilungssystem geschaffen , welches wichtigsten Fortschritt auf dem Gebiete der lenoiden besteht , die als Gegengewicht des allen Bedürfnissen der Praxis vollständig entindustriellen Verwertung der Elektrizität aus- | Kernes dienen und denselben in höhere oder spricht. Denn man ist hiermit im stande, die tiefere Stellung bringen , je nachdem ein elektrische Energie vermittelst dünner und gesetzt worden war. Bei den Induktionsapparaten von Gau- schwächerer oder stärkerer Strom gefordert billiger Leitungen auf beliebige Entfernungen lard und Gibbs werden die sekundäre und wird . Da der Höhenstand des Kernes dem zu übertragen . Auch ist man nicht allein verprimäre Spule nicht wie bei den Ruhmkorff Verbrauche an elektrischer Energie entspricht, mögend , von einer Zentrale aus ganze Städte schen Apparaten durch umsponnene Kupfer kann man diesen sehr leicht messen, indem man zur Beleuchtung oder Kraftübertragung mit drähte, die zu Spiralen aufgewickelt sind, ge- einen Stift, welcher an dem Kerne angebracht dem elektrischen Strome zu verschen, sondern bildet , sondern an die Stelle der einzelnen ist, auf einem von einem Uhrwerke bewegten man kann auch das Arbeitsvermögen der in Windungen sind Kupferscheiben von der Form Papierstreifen markieren läßt. Ein Hebel c entlegenen Gegenden fern von volksreichen eines flachen Kreisausschnittes mit zwei vor dient dazu, den Apparat aus der Leitung aus- | Städten und Induſtriezentren befindlichen bisstehenden Ohren getreten . Die Fig. 7 und 8 | zuschalten . Die Kupferspiralen werden zwischen | her unnügen Wasserfälle zum Dienste der zwei Platten, die durch Säulen f miteinander Menschheit heranziehen . Ein großer Vorzug verbunden sind, gehalten . liegt auch in der abſoluten Gefahrlosigkeit derDie Verteilung der elektriſchen Energie ist | jenigen Ströme , welche in den Bereich der nun eine derartige, daß die primären Spiralen | Konsumenten kommen , da die mit hoher Spanfämtlicher an den räumlich getrennten Ent- nung behaftete Maschinenanlage denselben fern nahmeorten aufgestellten Sekundärgeneratoren | bleibt und die Hauptleitung unterirdisch gevom Hauptstrome durchflossen werden , wobei führt wird, ebenso wie die Sekundärgeneratoren die einzelnen Induktionsapparate hintereinan : dem Publikum unzugänglich sind. Fig. S. der geschaltet sind. Je nach der oben bereits Auf diesem Systeme beruhend ist in Lon : . Fig. 7. erwähnten Schaltung der diesekundären Spulen don schon eine großartige Zentralstation in Sekundärgenerator von Gaulard und Gibbs . bildenden Spirallängen kann nun an den sekun: Thätigkeit , deren Maschinen in einem unterzeigen diese Kupferscheiben im Grundriß und dären Polklemmen der Apparate eine Span: irdischen Raume unter der Grosvenor Gallery in der Ansicht. Die Kupferscheiben sind in nungsdifferenz von 50 bis 100 Volts , auch aufgestellt sind. Auch mehrere umfangreiche der Weise miteinander verlötet, daß der An- | mehr oder weniger , erhalten werden . Jeder Stadtbeleuchtungen nach dieſem Systeme sind sat p des einen Ringes mit dem Ansat p einzelne Abnehmer kann daher dasjenige Lampen in der Ausführung begriffen, so z . B. in Turin des anderen zusammenfällt und so fort, so system wählen , welches ihm für seine Zwecke und Rom. Auf deutschem Boden ist seit zwei daß eine Spirale aus dünnenr Kupferblech ent: am geeignetsten erscheint, ohne im mindesten Jahren eine umfängliche derartige Installation steht . Zwischen je zwei Scheiben der primären durch Rückſichten auf die übrigen Abnehmer in den Kaliwerken zu Aschersleben im Betriebe. Das gleiche Prinzip zu Grunde legend, Spirale liegt eine Scheibe der sekundären mit beschränkt zu ſein. Die von der Jury in Turin mit den Se: | haben die österreichischen Ingenieure Ziperden Ohren's und s₁ , welche ebenso wie dicjenigen der ersteren | kundärgeneratoren angestellten Versuche er nowsky , Déri und Blathy ein von der die Verbindung mit | gaben einen Nugeffekt dieser Apparate von Firma Ganz & Co. in Budapeſt ausgeführtes den folgenden Schei- | 85-90 Prozent. Stromverteilungssystem erfunden, welches an b ben herstellen . Die Bei dieser Art der Stromverteilung ent- und für sich viel einfacher iſt, keiner RegulierIsolation der beiden wickelt sich in der Hauptleitung eine von der vorrichtungen bedarf und einen noch höheren Spiralen voneinander Leistung des Sekundärgenerators abhängige | Nußeffekt erzielt. Dieses System hat durch wird durch dazwischen | elektromotorische Gegenkraft , welche mit der große Installationen aufder Budapester Landesgelegte , mit Schellack Zunahme der eingeschalteten Induktionsappa- ausstellung, der Erfindungsausstellung in Longetränkte Papierstrei rate die Stromstärke verringern müßte, wenn don und der Weltausstellung in Antwerpen. fen erreicht. Zusam: nicht selbstthätig wirkende Reguliervorrich glänzend bewiesen, daß es in seiner großen Einfachheit und hohen Leistungsfähigkeit allen mengestellt bilden beide tungen angebracht wäSpirale eine Art dop- | ren . Eine solche Vorberechtigten Anforderungen in höchſt vollkommener Weise genügt. pelgängiger Schrau- richtung , wie auch auf Wir wollen zuerst die Transformatoren ben. In Fig . 9 ist der | der Turiner Ausstellung betrachten , welche durch ihre außerordentliche ganzeSekundärgenera- in Betrieb zu sehen war, for dargestellt. Sämt- | zeigt Figur 10. Ein folEinfachheit überraschen. Dieselben sind hier liche Windungen der cher Apparat beſteht zu = parallel geschaltet, damit die Funktion jedes primären Spirale wer- nächst aus einem dop : einzelnen die übrigen nicht beeinfluſſen kann. Es fallen deshalb Reguliervorrichtungen qls den für gewöhnlich pelarmigen, wagerechten Fig. 10. Spannungs, nacheinander von dem Hebel A, an deſſen einem regulator bon Gaulard unnötig fort. Die Fig. 11 und 12 stellen die Fig. 9. Sekundärgenerator und Gibbs. von der Wechselstrom : | Ende ein aus isolierten von Gaulard und Gibbs. Transformatoren im Aufriß und im Schnitt dar. Der Apparat beſteht zunächſt aus einer maschine gelieferten | Eiſenſtäben hergestellter Strome durchflossen , der an der Klemme a Kern B aufgehängt ist. Der Kern B steckt aus vielen dünnen Drahtwindungen herge = seinen Eintritt hat. Die Windungen der se in dem Hohlraume einer von dem Haupt- stellten Spule 1 , welche zwischen zwei aus tundären Spirale werden je nach der Span: | strome durchflossenen Elektromagnetspule Clwenigen und groben Drahtwindungen ver-
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1936
Ernst Saffe. Das Zahlengeſetz in der Weltgeschichte. 1937
1938
fertigten Spule s liegt. Der Hauptstrom titt durch die Klemme b in die Spule p ein und erzeugt nun in den beiden Spulen s einen Ström von geringer Spannung und großer
| fach Anwendung gefunden , besonders in der Artikel über die Krisen des Welthandels Schweiz und in Norditalien. Der gebirgige seit 1800 in Jahrg. 1886/87 , I. Bd . , S. 683 Charakter dieser Länder enthält reichliche Wasser- dieser Zeitschrift nachzuweisen versucht, daß kräfte, die früher unbenußbar waren und welche auch die Geschichtsforschung die zweite und nun, in elektrische Energie verwandelt , den bevölkerten Teilen zugeführt werden. So 3. z . 3. B. dritte Erkenntnisstufe der Wissenschaft er wurde im vorigen Jahre die Zentralstation steigen kann , daß auch in der Weltgeschichte P in Thorenberg eröffnet, von wo der elektrische bestimmte Zahlengeseße herrschen, und daß Strom ungefähr 5 km weit nach Luzern ge- eine theoretische Erklärung dieser erfahleitet wird. Ein Wasserfall von 600 Pferde rungsgemäßen Zahlengefeße nicht unmög= 12. Fig. ſtärken wird von zwei Turbinen ausgenußt, lich erscheint. welche sechs Dynamomaſchinen treiben. Die Fig. 11 So mannigfach auch der Inhalt der zur Leitung nach Luzern dienenden Kupfer Weltgeschichte erscheinen mag , so einfach Transformator von Zipernowsky , Déri und Blathy. drähte haben einen Durchmesser von nur 6 mm . Intensität. Zur Verstärkung der Induktions: Weiter hat die italienische Edison- Gesellschaft ist die Form derselben. Irgend eine wirkung sind noch die drei Spulen mit Eisen- in Mailand eine Zentralstation nach dem Naturthätigkeit kann auf einem bestimmten draht d umwickelt. Durch diese polfreie Kon- System Zipernowsky eingerichtet. Der Betrieb Raum nur steigen oder sinken. Auch die struktion entstehen keine schädlichen Nebenströme, bezweckt jest die Beleuchtung des Teatro dal Weltgeschichte ist eine Reihenfolge von Thaweshalb der Nukeffekt außerordentlich hoch ist, Verme, welches 1200 m von der Zentralstation ten, in denensich die abwechselnd steigende und nämlich 95-97 Prozent. Durch die Wahl entfernt liegt. Es ist jedoch eine Vergröße : sinkende Regsamkeit des menschlichen Geiſtes des Verhältnisses der beiden Drahtdicken und rung der Anlage in Aussicht genommen, um mehr oder minder deutlich ausprägt. Die der Längen der Windungen der primären und 12 000 Glühlampen speisen zu können . Die ſekundären Spule kann man mit Leichtigkeit Gasgesellschaft in Rom hat auf ihrem Etabliffe: Form der Weltgeschichte ist heute genau ment eine Zentralstation errichtet , un viele dieselbe wie vor Jahrtausenden und wird die gewünschte Spannung erzielen. Außerdem befinden sich an dem Apparate mehrere Pol- öffentliche wie private Gebäude auf eine maxi- auch immer die gleiche bleiben. Die Aſtroflemmen a, aus welchen man verschieden hohe male Entfernung von 3 km mit 18 000 Glühlogie, diese statistische Urwissenschaft, scheiSpannungen entnehmen kann. Die Gesamt: lampen zu beleuchten Die Zentralstation in terte darum vollständig, weil sie den Inanordnung ist höchst kompendiös und gestattet Gerona versieht 180 Glüh- und Bogenlampen halt der Geschichte nicht von der Form mit Elektrizität. Die Dynamomaschinen wer zu trennen verstand , und weil ihr die eine besonders bequeme Aufstellung. DieWechselstrommaschine von Zipernowsky , den durch Wasserkraft mit Hilfe von Turbinen statistische Methode der Mittelzahlen und Déri und Blàthy ist eine sehr einfache ; sie bedarf angetrieben. Das neue Beleuchtungssystem nicht wie alle übrigen Dynamomaschinen dieser findet ferner noch Anwendung in Verona, Bar: der mathematische Begriff der Wahrscheinlichkeit fehlten. Art einer beſonderen Dynamomaſchine zur Er- | celona, Augsburg 2c . Das unausgesetzte Steigen und Sinken regung der Magnete ; denn es wird hier ein der weltgeschichtlichen Thätigkeit auf allen Teil des erzeugten Wechselstromes durch einen eigentümlich eingerichteten Kommutator in Lebensgebieten wird verursacht durch die einen gleich gerichteten Strom verwandelt. Das Zahlengesek in der stetige Arbeit von Kräften . Arbeit ist Dieſer ſo erzeugte Gleichstrom durchfließt die Ueberwindung eines Widerstandes auf einer Spulen der Elektromagnete der Dynamobestimmten Raum- und Zeitlänge, also ein Weltgeschichte . maschine und dient ſo zur Erregung des MagKampf. So stellt das Bild der weltgeDon netismus derselben. schichtlichen Ebbe und Flut zugleich den Wir wollen nun ein Beispiel anführen, Ernst Saffe. allgemeinen Kampf ums Dasein dar, welcher welches einem Auffage des Professors Rühlsich unaufhörlich im Bereich der Sprachen mann in der Zeitschrift des Vereines deut Religionen, Rechte, Sitten, Wissenschaften scher Ingenieure" entnommen ist und welches den Vorteil des neuen Verteilungsſyſtems klar Die allgemeine Aufgabe der Wissenschaft u . f. w . vollzieht, und welcher namentlich macht. Es wird vorausgeseßt, daß die Kabel besteht in der Ersteigung der fol- auf politischem und sozialem Gebiet in den der Hauptleitungen einer Zentrale für 6000 genden Erkenntnisstufen . inneren und äußeren Kriegen der Völker Lampen einen Kapitalaufwand von 450000 Mark Die beobachtende Wissenschaft hat zu eine räumlich und zeitlich meßbare Form erfordert hätten. Wenn angenommen wird, daß bei dem neuen Verteilungssystem Ströme nächst Thatsachen zu sammeln, zu beschreiben, annimmt. Die geschichtlichen Leistungen der Völker von einer 30mal höheren Spannung fortge zu messen, überhaupt den wissenschaftlichen zeigen ein einfaches säkulares Wellenspiel . leitet würden , so fönnte man Leitungen an- Rohstoff zu liefern . wenden, welche nur den 30. Teil des DuerDie rechnende Wissenschaft hat den Roh- Da diese Leistungen durch Vermittelung schnittes befäßen. Die Kosten des neuen Lei- stoff zu verarbeiten , die nach Raum und des Willens oder des Geistes zustandetungssystemies würden jedoch nicht den 30. Teil Zeit meßbaren Thatsachen zu ordnen und kommen , da wir vom menschlichen Geiste des alten beanspruchen, einmal, weil die Lei- miteinander zu vergleichen. Wenn auf noch wenig wissen, und da derselbe sich zu= tung länger ausfallen würde, dann aber auch, irgend einen Gebiet der Natur die That- nächst in der Thätigkeit des Nervensystemes weil für höhere Spannung eine wesentlich geltend macht , so wollen wir der bequeſorgſamere Isolation erforderlich ist. Es wird sachen vollkommen willkürlich wären , so angenommen , daß mit Rücksicht hierauf die hätte die Forschung keine weitere Aufgabe meren Redeweise wegen von der steigenden und sinkenden Nervenreizbarkeit oder ReizUnkosten der Haupleitung nicht den 30., fon als die bloße Naturbeschreibung . dern den 15. Teil betragen. Bei Gebrauch Wenn dagegen bestimmte Gruppen von barkeit schlechthin sprechen . Die Reizbarvon Induktionsapparaten würde alsdann die Zustandsänderungen gesetzmäßig sind , so keit der Bewohner eines bestimmten ErdHauptleitung nur 30 000 Mark gekostet haben. müssen diese aufgefundenen Erfahrungs- strichs steigt nun Jahrhunderte hindurch Für Transformatoren sind 120 000 Mark in geseze vernunftgemäß erklärt und auf einen und damit die Thätigkeit eines Volkes Berechnung eingeſekt worden. die Es würde ſomit einent Kapitalaufwande von 450000 Mart lehten nicht weiter zu erklärenden Grund oder einer Völkergruppe auf allen Lebensfür die Hauptleitungen beim älteren Ver: zurückgeführt werden . gebieten . Die Bevölkerung wächst. Lebhafte oder innere Kriege brechen aus. äußere sogenannte die Völker, der Geschichte Die teilungssysteme ein entsprechender Aufwand von 30 000+ 120 000 = 150 000 Mark gegen: Weltgeschichte , befindet sich noch auf der Meist überschreitet das erregte Volk erüberstehen . ersten Entwickelungsstufe und wird sogar obernd die Landesgrenzen und fügt größere Etwas minder stellt sich die Rechnung, von vielen Forschern nicht zur Natur- Reiche zusammen . Es erstehen zahlreiche wenn man die Betriebskosten berücksichtigt . wissenschaft gerechnet, vielmehr dieser als großeStaatsmänner und Feldherren, Dichter Die bei den älteren Systemen verwendeten völlig fremd gegenübergestellt . Verfasser und Denker, Künstler und Forscher. HanGleichstrommaschinen verwandeln die aufge: hat dagegen schon in der Zeitschrift des del und Gewerbefleiß erblühen . Gewisse nommene mechanische Energie mit etwa 20 Pro: tönigl. preuß. statistischen Bureaus, Seuchen , für welche gesteigerte Nervenzent Verlust in elektrische Energie um, während der Verlust bei der Wechselstrommaschine etwa Jahrgang 1879 , Seite 21 , ferner im reizbarkeit empfänglich macht, treten häufi Zahlengefeß der Völkerreizbarkeit ger auf. Dann sinkt die Reizbarkeit wieder 30 Prozent beträgt. Das neue Verteilungssystem hat schon viel- (bei Rt . Eiſenſchmidt, Berlin) und in dem Jahrhunderte hindurch, und die entgegen-
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Ernſt Saffe .. Das Zahlengeſetz in der Weltgeſchichte. 1940
1939
1941
WestEuropa
Europa
AWest - sien und Aegypten
Zentral Aften
Ost -Asien
Germanen
Römer
Narthager
Makedonier
Griechen
Babylonier
Perser
$110
Assyrer
gesetzten Symptome stellen sich ein : Ab- | rückte stetig von Ost nach West fort und der Eroberung von Konſtantinopel nahe nahme der Bevölkerung und der Leistungs- brauchte etwa 600 Jahre, um von West- waren. Leicht meßbar sind die Völkerwellen auf fähigkeit, Zerfall der Reiche und eine mehr asien nach Westeuropa zu gelangen. Die Seuchen passive politische Rolle. Zur Prüfung der Frage , wie lange dem Westasien und Aegypten umfassen1 aktiven Charakters verschwinden auf Jahr- das aktive Verhalten der Völker auf be- den Meridianstreifen. Der hohen Blüte hunderte, und andere Epidemien erscheinen, stimmten Räumen der Erdoberfläche dauert Acgyptens vor 2000 v. Chr. folgte der für welche eine verminderte Nervenreizbar- und nach welcher Zeit dann eine neue Niedergang unter der Herrschaft der Hyksos teit disponiert. Die Weltgeschichte bietet Welle folgt , sind die Bewohner größerer oder Hirtenkönige, bis um 1400 v. Chr. bis jest kein Beispiel, daß hohe Regsam- Meridianstreifen versuchsweise zusammen- Aegypten sich wieder erhob und Vorderfeit und Leistungsfähigkeit in gewissen gefaßt worden, indem Tafel 2 die östliche asien und selbst Teile von Europa an sich Landstrichen beharrt. Die Erregung wan- Erdhälfte in fünf solcher Streifen teilt . riß. Nach längerer relativer Ruhe wallten dert vielmehr von Land zu Land, von Volk Von Ostasien , von China, fennt die Vorderasien und Aegypten um 600 v . Chr. zu Volk. Geschichte die folgenden Blütezeiten . Der wieder auf. Große Reiche entstanden daDie Symptome der Erregung sind nach Schwerpunkt des zum Teil noch sagen selbst nacheinander, und den Wellengipfel den mannigfachen örtlichen Verhältnissen haften goldenen Zeitalters der Chinesen ist | bezeichnet die Glanzzeit Persiens , welches bei verschiedenen Völkern auch verschieden . auf etwa 2000 v . Chr. angenommen . Auf um 500 v. Chr. ganz Vorderasien, NordDie Bewohner der Polar- und der Aequa- lange Zerrüttungen und vielfache Teilungen weft-Indien, Acgypten, Makedonien und torialgegenden können aus naheliegenden des großen Reichs folgen um 250 v. Chr. Thrakien umfaßte, und dessen Heere erst in Gründen überhaupt keine hervorragenden Wiedervereinigungen , ausgedehnte Erobe- Hellas zurückgeworfen wurden. Nach jahrgeschichtlichen Arbeiten leisten, und nur rungszüge und bedeutende Leistungen auf hundertelangem passiven Verhalten regten die Bewohner der gemäßigten Zonen sind allen Gebieten der menschlichen Thätigkeit . sich die Völker auf diesem Meridianſtreifen Das Neu-Perserreich die eigentlichen Träger höheren Kultur- Nach Wiederzcrfall des Reichs um etwa wieder lebhafter. Lebens . Auch bei dieſen treten im Stande | 200 n. Chr. und nach langem Sinken wird wurde gegründet , bedrohte unaufhörlich dasselbe von 900-1200 n. Chr. Tafel 1. Tafel 2. wieder zusammengeballt . Hohe Blüte Die Völkerwellen der Weltgeschichte. Uebersicht der vorchristlichen Geschichte. der Kunst und Wissenschaft fennVölkerwelle der Wellenzentrum 1 zeichnet auch diese Aufwallung , bis China eine Beute der Mongolen BeitBeit- wird. Ob die in der Neuzeit ge= Zeitmaß Zeitmaß maß таб steigerte Thätigkeit der Chinesen und Japanesen eine neue Erregung von 1 2 5 || 6 3 4 5 Ostasien verkündet, muß die Zukunft v. Chr. b. Chr. erst lehren. 2000 2000 700 700 Von den aus Zentralasien. 1500 1500 600 600 hervorbrechenden Wellen der Mongolen sind die beiden erſten nur un1000 1000 500 500 ficher, die beiden letzten genau meß500 500 400 bar. Die chinesische Geschichte deutet 400 zuerst um 1600 v . Chr. auf cin Chr. Geb. Chr. Ceb 300 300 kräftiges Andrängen der Nachbar500 500 200 völker. Mongolischer Abkunft was 200 1000 ren mutmaßlich die Skythen, welche 1000 100 100 jahrhundertelang Vorderasien und 1500 1500 Griechenland beunruhigten, um 640 0 0 2000 2000 v . Chr. sogar eine längere Herrschaft der Erregung bald alle, bald nur einzelne in Vorderasien gründeten und nach der aufgeführten Anzeichen auf. Die Auf- 515 v. Chr. eine große Unternehmung der das Byzantinische Reich, eroberte 616 ſelbſt wallung eines Nomadenvolkes , wie der Perser herausforderten . Nach längererRuhe Acgypten, bis die stärkste Welle, die WeſtMongolen oder der Araber , zeigt einen werden um den Beginn unserer Zeitrech asien entsandte, aus Arabien ihren Lauf wesentlich anderen Charakter als der Auf- nung die Angriffe der Mongolen so leb- begann . Persien, Nordwest- Indien, Acgypschwung eines schon seßhaften Kulturvolks, haft, daß die Chinesen sich ihrer durch den ten, Nordafrika , Spanien, S. dfrankreich wie der Hellenen. Nur in der gesteigerten Bau einer Riefenmauer zu erwehren suchten, und Sizilien wurden eine Beute der AraKriegslust stimmen nach den bisherigen und daß die Hunnen um 375 n. Chr. den ber. Arabische Streiffcharen plünderten Erfahrungen der Weltgeschichte alle erreg- Anstoß zu einer bedeutenden geschichtlichen | 846 ſelbſt Rom. Konstantinopel vermochte ten Völker überein. Bewegung in Europa gaben. Auf kurze sich nur mit äußerster Kraftanstrengung Um die Dauer und die Wanderung Zeit wurde ein gewaltiges Hunnenreich gegen die Araber zu behaupten. Nach der gesteigerten Nervenreizbarkeit bei ver- zusammengerafft und die mongolische Völ- längerer Ebbe ergoß sich aus Westasien schiedenen Völkern übersichtlich darzustellen, kerwelle rollte 451 bis zu den Katalauni- der Strom der Türken, welcher wiederholt kann man die Zeiten erhöhter geschichtlicher schen Feldern in Gallien und bis zur Haupt- bis vor die Wälle Wiens rollte und sich Jahrhunderte hindurch erst seit einem Jahrhundert allmählich Leistungen als dunkle Bänder in Tabellen stadt Italiens . oder Spektra eintragen,welche mit einem Zeit gingen dann von Zentralasien keine Er wieder zurückzicht. Als die ersten bekannten Ausbrüche maßstab versehen sind, wie dies auf Tafel 1 schütterungen aus , bis wieder um 1200 für die Schaupläge der vorchristlichen alten die gesteigerte Reizbarkeit der Mongolen Osteuropas sind wohl die sagenhaften Geschichte angedeutet ist . Im Anfang des sich in kraftvollen Ausbrüchen verkündete. Züge der Argonauten um 1250 v . Chr. betrachteten Zeitraums waren die Völker China, Judien, Vorderasien und Rußland und der Zug gegen Troja um 1190 v . Chr. Dann wurden unterworfen. In Europa brach zu betrachten. Eine zweite Welle beginnt Vorderafiens besonders lebhaft. wurden die Bewohner der Balkanhalbinsel, sich diese neue Welle der Mongolen erst mit den glücklichen Kriegen der Griechen. die Griechen und Makedonier unruhig. 1241 bei Liegniz . gegen die Perser und endet mit dem ZuEndlich zeigten die Bewohner des nächſtIn Asien dagegen hemmten die Mon- sammenbruch der makedonischen Weltherrwestlichen Erdstrichs , die Römer, Karthager golen noch 1402 durch die Riesenschlacht schaft. Wiederum nach Jahrhunderten war und Germanen, Symptome hoher Reiz- bei Angora auf einige Zeit den Sieges in Osteuropa das griechische Kaisertum . barkeit. Die weltgeschichtliche Bewegung | lauf der Osmanen , welche damals schon ! lange der Mittelpunkt des damaligen
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• Ernst Sasse. 1942
Das Jahlengesetz in der Weltgeschichte. 1943
1944
Maßstab 0Jahr =,5mm
Kulturlebens, Es widerstand nicht nur des Orients mit seiner uralten hohen Kul- | der Gäa , S. 364 , glaubt Verfasser aus den Persern, Arabern und Slawen, son- tur aus ihren wohl mehrere Jahrtausende dem Gesetz in den Wellen der festen Oberdern entwickelte zeitweise cine kräftige ak- umfassenden Chroniken den Glauben an fläche nachgewiesen zu haben, daß die ältere tive Politik, zerstörte 534 das Vandalen ein 1000jähriges Reich schöpften , an die Annahme eines glutflüssigen Erdkerns eine reich, machte 555 Italien zur griechischen regelmäßige Wiederkehr gewisser geschicht wohlbegründete sein dürfte. Wenn nun Provinz und eroberte selbst Teile von licher Vorgänge nach etwa je 1000 Jahren ? auch das Erdinnere noch so dickflüssig ist, Nach dem Ausspruche des weisen Rabbi so kann doch der ganze Erdball nicht so Spanien, bis es allmählich wieder zerfiel. m Akiba gibt es nichts Neues unter der genau gleichmäßig rotieren wie ein starrer ben auf Ein neues Wellenzentru bildete sich dem Meridianstreifen von Osteuropa, als Sonne. Und was Verfasser nach dem Körper. Durch die Anziehung der Sonne Rußland 1480 die Herrschaft der Mon- heutigen Stande der Geschichtswissenschaft und des Mondes wird der flüssige Erdgolen abwarf und in wenigen Jahrhun- als etwas Neues betrachten darf, das haben fern gleichsam ebbend und flutend gegen die chaldäischen und ägyptischen Welt die feste Rinde gepreßt und in seiner Stoderten ein mächtiges Weltreich eroberte. Die erste Welle in der die Bewegung weisen vielleicht schon vor Jahrtausenden tation gegen die Rinde um ein außerordentlich Kleines verlangsamt, so daß der Kern von Westeuropa darstellenden Spalte gewußt. Da das Wesen unserer ganzen Denk langsam von Ost nach West zurückweicht, der Tafel 2 bedeutet die erste römische Weltherrschaft. Das zweite dunkle Band thätigkeit im Vergleichen beruht, so müssen und daß eine innere Welle in dieser Richtung den Erdball umkreist. stellt die Glanzzeit des PapstTafel 3. Wechselnde Pressungen bedingen tums dar, gleichſam der zweiten nun wechselnde MolekularschwinKriege Frankreichs seit 1500 . römischen Weltherrschaft, welche gungen der Teilchen des ErdzuWesteuropa die Kraft von Aeußere Striege Gesamtbild der Kriege alz Wellen= Innere Innern. Da nun die Schwerbeim Grund. Kriege z u= sammenfaßte und in den KreuzLängen und Aufriß oder jondern sammen riß oder kraftstrahlen allen Bewegungen zügen gegen den Orient warf. e resides Revolu= mit DeutWellenlini Spek gez ale ale tionen der sie entsendenden Teilchen schen nominen trum Wenn man erwägt , daß im folgen müssen, so sind auch die Kinderkreuzzuge viele Tausende Schwerkraftstrahlen des Erd0 il wehr- und hilfloser kleiner Wesen 150 1510 periodisch mehr oder minder kerns 1520 aufgeboten und nuhlos geopfert 1530 stark bewegt und erregen auch wurden, so kann man sich heute 1540 die an ihnen hängenden Erd1 kaum eine Vorstellung machen 1550 1500 bewohner demgemäß in höherem 1570 von dem Erregungsgrade der oder niedererem Grade. Wenn westeuropäischen Völker in den 1580 1590 vorstehenden Schlüsse richtig. die Jahrhunderten der Kreuzzüge. 1000 sind, so würde der Erdkern nach) 1610 Die begonnene dritte Welle be1620 Tafel 2 zu einem vollständigen 1030 zeichnet endlich das neuzeitliche 1640 Umlauf etwa 2000 Jahre nötig Aufblühen der westeuropäischen 1650 haben. Die Bewegung des ErdLänder , welches sich sowohl in 1660 kerns ist indes nicht überall eine 1670 hohenwissenschaftlichen und künst1650 gleichmäßige. In dem angezoLerischen Leistungen, als auch in 1600 1700 genen Artikel der Gäa hat Verbedeutenden Kriegen und Revo- 1710 zu skizzieren versucht, wie fasser 1720 lutionen verkündet hat . 1730 verwickelt die unterirdischen WelDie Weltgeschichte umfaßt 1740 lensysteme namentlich unter dem 1750 leider einen noch zu kurzen Zeit1760 europäischen Kontinent sind. Die raum , eine zu geringe Zahl von 1770 weitere Verfolgung dieser Wellen 1780 bekannten Völkerwellen und ge= 1790 und deren Vergleich mit gestattet somit noch keine zuverläſſi1800 schichtlichen Nebenperioden in den 1810 gen Schlüsse auf das Zahlen1820 Hauptperioden würde hier zu gesetz in den säkularen Perioden 1830 1840 weit führen. der Reizbarkeit der Erdbewoh 1850 Innerhalb dieser säkularen 1860 ner. Namentlich ist die Geschichte 1870 örtlichen Berioden gibt es der westlichen Erdhalbfugel zu 1850 nun allgemeine Perioden in kurz und gestattet nicht eine der Reizbarkeit sämtlicher Erdweitere Verfolgung dieser Erregungswellen . Von den 20 in Tafel 2 dar- wir die Wanderungen der Nervenreizbar | bewohner. Schon in dem Artikel über gestellten Wellen fallen zudem mindestens keit mit den Wanderungen anderer irdischer die Krisen des Welthandels in Jahrg. 5 als sagenhaft und unbestimmt aus. Den- | Naturthätigkeiten vergleichen. Es ändern 1886/87, I. Bd . , S. 683 dieser Zeitschrift noch ist es wohl kein Zufall, das 15 sol- sich in der That an ein und demselben sind diese allgemeinen Wellen für unser cher Völkerwellen eine so regelmäßige Lage Ort die Erscheinungen der Erdwärme, der Jahrhundert graphisch dargestellt. Das und Länge haben. Die Erregung der vulkanischen Thätigkeit und des Erdmag- am meisten in die Augen fallende und Völker, also auch die Ursache dieser Er- netismus . Während man indes die Wan- fast nie fehlende Symptom gesteigerter regung, schreitet anscheinend von Dst nach derungen der Nervenreizbarkeit der Völker Nervenreizbarkeit der Erdbewohner sind die West fort und braucht etwa 1000 Jahre, für einen großen Teil des Erdballs wäh Kriege. Soll nun untersucht werden, ob um von China nach Westeuropa zu ge- rend dreier Jahrtausende mit befriedigender die Kriege und somit auch die Ursachen langen und einen halben Breitentreis des Sicherheit kennt , sind die Wanderungen der Kriege gesetzmäßige oder vollkommen Erdballs zurückzulegen. Nach durchschnitt- des Vulkanismus und des Erdmagnetis regellose Erscheinungen sind, so müssen zu lich 1000 Jahren folgt auf einem bemus noch zu wenig erforscht. Dennoch dem Zweck wiederum die Kriege als Spekstimmten Eröstrich eine neue Welle, so daß kann man sich ein ungefähres Bild von tralbänder in Spektra oder Tabellenspalten es scheint, als ob die unbekannte Ursache den Ursachen aller dieser Wanderungen mit Zeitmaßstab eingetragen werden . Es müssen solche Spektra mit daneben geschrieder Erregung sich) wie die Ebbe und Flüt machen. des Meeres verhält , also zwei einander Die Wanderungen des Vulkanismus benen Geschichtstabellen in möglichst großem entgegengesette Flutwellen hat und zu und Magnetismus wären wohl nicht mög- Maßstab zunächst für die einzelnen Völker einem vollständigen Kreislauf um den lich , wenn der Erdkern fest wäre , wie entworfen werden , wie dies Verfasser im ganzen Erdball etwa 2000 Jahre braucht. mehrere Forscher neuerdings glauben an- Zahlengeset der Völkerrcizbarkeit Ist es nicht beachtenswert, daß die Priester | nchmen zu müssen. Im Jahrgang 1886 für die neuere Geschichte Frankreichs in
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Ernst Saſſe.
1945
Das Zahlengeſetz in der Weltgeschichte." 1946
1947
Raum und Zweck dieser Zeitschrift ver- handen sein und allen Bewegungen der sie Plakatform gethan hat. Die Einzelspektra | sind dann zur Vergleichung nebeneinander bietet es, ähnliche Spektra für alle Völker aussendenden Stoffteilchen folgen . Mehr zu zeichnen und auch zu einem Gesamt- und alle Zeiten aufzustellen und zu einem oder minder stark bewegte Körperteilchen spektrum für die ganze Weltgeschichte zu Gesamtbild der bekannten Weltgeschichte müssen notwendig mehr oder minder stark } summieren. Wenn es auch wohl kein Jahr zu vereinigen . In der Zeitschrift des königl. bewegte Schwerkraftstrahlen ausgeben, und : gibt , in welchem nicht auf irgend einem preuß. statistischen Bureaus hat Verfasser quantitativ sonst gleiche Strahlen können Punkt unseres Erdballs Krieg geführt wird, an der wiederholt citierten Stelle mehrere qualitativ verschieden sein und auch auf und wenn es auch keinen für alle Zeiten solcher bildlichen Darstellungen gebracht die ergriffenen Körper verschieden wirken . und örtlichen Verhältnisse gültigen Maß- und konnte dort wie hier nur anregen und Es würde den Rahmen dieser Arbeit überstab für die Größe der Kriege gibt, so ist den Gegenstand nicht erschöpfen . Verfasser schreiten, auf das innere Wesen der Schwerein regelmäßiger Pulsschlag des Völker- hält sich nach seinen ausgedehnten Unter- kraft hier näher einzugehen, was Verfaſſer Lebens doch unverkennbar. Die Beteiligung fuchungen mit einer Wahrscheinlichkeit von in diesen Jahrgängen der deutschen der Völker an den Kriegen ist nach Maß etwa 85 Prozent zu der Behauptung be- Chemikerzeitung und der Gäa , S. 622, gabe ihres Temperaments eine verschiedene. rechtigt , daß in der bis jetzt bekannten durch Anwendung des Gesetzes der KraftVon wahrhaft verblüffender Regelmäßig weltgeschichtlichen Thätigkeit der Völker, erhaltung auf die Empfindung versucht hat. feit sind die friegerischen Ausbrüche der namentlich in den Kriegen, eine etwa zehn Hier dürften zunächst die folgenden Verso ungemein reizbaren Franzosen , welche jährige Periodizität herrscht. Während die gleiche zur Verdeutlichung des Zusammenhier als Beispiel näher betrachtet werden betrachteten, etwa 20 örtlichen Perioden hangs aller Weltkörper durch die Schwerfollen und in Tafel 3 bildlich dargestellt der geschichtlichen Erregung noch keine hin- | kraftstrahlen genügen . Wie der Erdball mit seinem glutflüssind. Dieses Bild ist gleichsam l'histoire reichend zuverlässigen Schlüsse gestatten, sans phrase , Geschichte ohne Geschwät, sprechen etwa 250 allgemeine Perioden sigen Innern sich nicht wie ein starrer eine unparteiische Geschichte ohne Lob und für ein bestimmtes Zahlengesetz in der Körper in allen Teilen gleichmäßig bewegt, wie der Erdkern eine gewisse, wenn Tadel , niemand zuliebe , niemand zuleid. Weltgeschichte der letzten 2500 Jahre. Diese allgemeinen, durchschnittlich etwa auch ungemein langsame selbständige BeEin solches Bild ohne Worte sagt mehr als manche umfassenden Geschichtswerke. zehnjährigen Perioden sind nicht alle gleich wegung hat und ungleichmäßige kreisende Verfasser würde dieses Bild auch am liebsten wertig. Auf ein paar Jahrzehnte, in denen Pressungen gegen die Erdrinde ausübt, ohne Worte lassen, wenn die Freunde der die Zahlen der kriegführenden Mächte, der wic endlich die periodisch mehr oder minder Wissenschaft mit dieser einfachen Methode Kriege und der Schlachten groß sind, folgen stark gepreßten und innerlich bewegten der Darstellung schon mehr vertraut wären. immer wieder ein paar Jahrzehnte, in denen Teilchen auch periodisch mehr oder minder Spalte 1 der Tafel 3 gibt den Maß die kriegerische Bewegung verhältnismäßig stark erregte und erregende Schwerkraftstab, in welchem ein Jahr durch ein halbes geringer ist. Eine Vergleichung der ganzen strahlen aussenden : so bewegt sich auch Millimeter dargestellt wird . In Spalte 2 bekannten Weltgeschichte ergibt , daß die der Sonnenball nicht wie ein fest zuſammender Tabelle sind die inneren Kriege und zehnjährigen Wellen etwa alle sechzig Jahre hängender Körper . Vielmehr erleidet auch Revolutionen der Franzosen eingetragen . stärker anschwellen, wie dies auch in dem der Sonnenkern periodische erzentrische kreiSpalte 3 zeigt die uns besonders inter- Spektrum der Kriege Frankreichs anzu: sende Pressungen durch die periodisch vereffierenden KriegeFrankreichs gegen deutsche deuten versucht ist . Es scheint somit, daß änderlichen Zugrichtungen und Zugstärken Mächte. In Spalte 4 sind alle äußeren außer der zehnjährigen Periode noch eine der Planeten. Diesen periodischen Prefund in Spalte 5 alle äußeren und inne zwölfjährige wirksam ist , so daß nach je fungen entsprechen ebenfalls periodische ren Kriege summiert. Ju Spalte 6 ist sechs Wellen der ersten und nach je fünf Störungen der Sonnenteilchen und der der Versuch gemacht , die steigende und Wellen der zweiten Periode immer wieder von ihnen ausgehenden , auch den ganzen sinkende Nervenreizbarkeit der Franzosen dasselbe Schwingungsstadium eintritt . Auch Erdball haltenden Schwerkraftſtrahlen. Während der Kreislauf der inneren. durch eine Wellenlinie darzustellen, welche diese etwa sechzigjährigen Hauptwellen der in einer bestimmten Höhe durch dunkle, Weltgeschichte werden mehrfach gestört und | irdischen Massen noch unbekannt ist und die kriegerischen Aufwallungen charakteri verschoben , verlängert oder verkürzt , und erst aus den Wanderungen des VulkanisL sierende Gipfel gekrönt ist. Spalte 7 zeigt deuten auf das Dasein von noch anderen mus, des Erdmagnetismus und der Nervendas reale Spektrum dieser Wellengipfel. Perioden , welche noch näher zu unter- reizbarkeit erschlossen werden muß , kennt ƒ man den Kreislauf der himmlischen Massen, Um zu untersuchen, wie sich diese wirklichen suchen sind. Während die Ursachen der Wanderung namentlich der Planeten, sehr genau. Die Wellen zu idealen regelmäßigen Wellen ver- ! halten, hat Verfasser in Spalte 8 schließlich | der Nervenreizbarkeit von einem Volke zum Planeten umlaufen die Sonne wie Körper, noch ein Spektrum mit gleich langen Wellen anderen offenbar irdische sind, müssen die welche man mittelst eines Fadens im Kreise von nahe zehn Jahren Länge hinzugefügt. Ursachen der allgemeinen Perioden der herumschwingt. Es besteht nur der UnterVon den in Spalte 6 und 7 bezeich- Reizbarkeit, welche alle Bewohner des Erd- schied, daß die Fäden für uns sinnlich neten 37 Wellen sind 34 bestimmt . be- balls zeigen, auch allgemeine kosmische sein nicht wahrnehmbar sind , und daß ferner grenzt. Dagegen könnten Meinungsver- und stets gleichzeitig den ganzen Erdball die Bahnen der Planeten nicht genau schiedenheiten darüber bestehen, ob nicht in erfassen. Wir sind auch in betreff der Kreise , sondern Ellipsen sind . Wie aber den breiten Bändern des Dreißigjährigen allgemeinen weltgeschichtlichen Perioden ein an einem Faden im Kreise geschwun Krieges , der Revolutionskriege und der lediglich wiederum darauf hingewiesen, zu gener Stein auf die ihn haltende Hand Kriege in Algier je zwei Wellen zu je vergleichen, ob es nicht Kräfte gibt, welche einen bestimmten Zug ausübt, welcher der einer zusammengezogen werden müßten, gleichzeitig den ganzen Erdball ergreifen Masse des Steines und dem Quadrat so daß drei Wellen als fehlerhaft oder und in deren Thätigkeit mindestens eine seiner Geschwindigkeit direkt , dem Halbdoch zweifelhaft angenommen werden kön etwa zehnjährige und eine zwölfjährige messer der Kreisbahn umgekehrt proportel . Von den 40 idealen Wellen der Hauptperiode nachweisbar ist. Es ist nun tional ist, so üben auch Sonne und PlaSpalte 8 stimmen 34 mit den realen Wellen schon hervorgehoben worden, daß alle Erd- neten wechselseitig aufeinander beſtimmte der Spalte 7 befriedigend überein . bewohner an den Schwerkraftstrahlen des Zugwirkungen aus , welche für jeden ZeitDagegen zeigt Spalte 7 zwei Versager Erdballs hängen. Der ganze Erdball mit punkt aus den bekannten Massen , Geund vier derartig von der regelmäßigen allen seinen Bewohnern hängt nun wie schwindigkeiten und Abständen der Planeten Lage abweichende Wellen , daß man sich derum an den Schwerkraftstrahlen des zu berechnen sind. Die äußersten, nur • auf einen Fehler von etwa 15 Prozent Sonnenballs. Wie auch immer diese in noch schwach wirkenden Planeten Uranus gefaßt machen müßte, wenn man etwa auf ihrem Wesen völlig unbekannten und un- und Neptun wollen wir weglassen und Grund der idealen regelmäßigen Welle in begreiflichen Strahlen der Urkraft der uns mit denjenigen schon früher bekannten { Spalte 8 kriegerische Ausbrüche der Fran- Schwere beſchaffen sein mögen, diese Schwer- | Planeten behelfen , mit welchen auch die kraftstrahlen müssen eben unbedingt vor alten Astrologen auskommen mußten. Zur 30sen vorhersagen wollte. 82
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Ernst Saffe.
Das Zahlengeſetz in der Weltgeschichte.1949 1950 Vermeidung großer Zahlen wollen wir als , Störungen des Gewichts und des Lichts | sten Maximums der Nervenreizbarkeit der der Sonne verhalten sich wie die allge- Rachegedanke die Franzosen zum Kriege Zugeinheit eine Trillion, also : 1000 000 000 000000000 kg meinen periodischen Störungen in der ge- gegen Deutschland fortreißen wird , ob annehmen, da es ja der Sonne selbst und schichtlichen Thätigkeit der Erdbewohner. etwa Algier, Tunis , Tonking und Madauns für diese Untersuchung auf ein paar Doch wird niemand voraussetzen, daß diese gaskar unsere westlichen Nachbarn vollauf Millionen Kilogramm mehr oder weniger beiden Störungsarten stets auf das ge- beschäftigen werden, oder ob die zur Feier gar nicht ankommen kann. Für die Zug- naueste zusammenfallen müssen. Die reale, des hundertjährigen Jubiläums der ersten Iräfte der Planeten ergibt sich dann fol- durch örtliche Einflüsse und Stürme oft französischen Revolution geplante Weltvielfach gestörte und verspätete Ebbe und ausstellung durch innere Parteikämpfe und gende kleine Tabelle : Flut des Miceres weicht von der idealen Revolutionen gestört werden wird . Wir Zug in der Sonnenregelmäßigen , durch die Anziehung der vermögen nur den allgemeinen Pulsschlag, Nähe Ferne 1. Merkur 255 Trill. kg 95 Trill . kg Sonne und des Mondes erregten Ebbe nur die Form und nicht den Inhalt der 515 und Flut erheblich ab , und dennoch be- Weltgeschichte vorauszuberechnen. 490 2. Venus "/ Die von dem Verfasser entwickelte eins 285 305 3. Erde zweifelt niemand, daß die Schwere der "/ Sonne und des Mondes wirklich die Ur fache Methode der Darstellung der Kriege 20 14 4. Mars "/ sache dieser Störung des Meeres ist. So macht es wahrscheinlich , daß die Kriege 3380 5. Jupiter 4090 "/ "/ 300 darf es auch nicht überraschen , wenn die niemals aufhören werden , und daß die 6. Saturn 375 Diese Wandelſterne, welchen einst die größte Störungen der Sonne und die erst durch | Selbstkenntnis auf geschichtlichem Gebiet Hochachtung gezollt wurde, erfahren heute Vermittelung des menschlichen Willens nicht zur Selbstbeherrschung führen wird. nur noch mitleidigen Spott und werden zustande kommenden Störungen der Welt- Das Wellenspiel der Weltgeschichte wird als harmlose Himmelsbummler betrachtet. geschichte nicht genau mit der Bewegung immer dasselbe bleiben , und der Ge= schichtsunterricht wird jedenfalls vereinfacht Die nackten Zahlen der Tabelle lehren der Planeten Taft halten. Die neuere Statiſtik hat ganze Reihen werden, indem nur die allgemeinen Naturdagegen , mit welchen Riefenfräften die Planeten an der Sonne herumzerren . Wenn anorganischer und organischer Erscheinun- gefeße des Völkerlebens behandelt werden die genannten Planeten alle in ihren be gen mit der Periodizität der Sonnenflecken und nicht wie jetzt endlose Reihen von züglichen Sonnennähen stehen , so hat die verglichen, und auch Verfasser hat in den Namen, Zahlen und Daten, welche Lehrer Sonne einen um fast 1000 Trill . Kilogr. bereits wiederholt angeführten Zeitschriften und Schüler bald nicht mehr bewältigen stärkeren Zug auszuhalten, als wenn alle sein Scherflein zu diesen Untersuchungen können. Geschichte und Politik werden diese Trabanten in ihren Sonnenfernen beizutragen versucht. Wohl haben sich be- mehr und mehr den Charakter einer erakweilen. Je nachdem ferner die Planeten deutende Männer , wie Dove, noch vor ten Wissenschaft annehmen. Manche Ideale in einer Richtung zusammenwirten oder Jahrzehnten ablehnend gegen die Hypothese dieser noch jugendlichen Wissenschaften allseitig um die Sonne verteilt sind , ist von der Einwirkung der Sonnenflecken auf wird eine streng mathematische Methode auch der Zug der Sonne ein einseitiger irdische Vorgänge verhalten. Auch der zerstören. oder allseitiger. Gegenüber der gewaltigen Direktor der Berliner Sternwarte , ProWenn auch in der Sterndeutung wie Zugkraft des Jupiter können freilich die fessor Dr. Förster, warnte noch vor eini- auf anderen Gebieten der Wissenschaft einanderen fünf genannten Planeten selbst gen Jahren vor Uebertreibungen auf die fache Naturwahrheiten durch die abenteuervereint nur wenig ausrichten. Namentlich fem Gebiet, vor Sonnenfleckenfanatismus , lichsten theosophischen und philosophischen macht der von den Sterndeutern einst so wie er es nannte. Immerhin wird ein Systeme umnebelt wurden , so waren die gefürchtete Planet Mars in der Tabelle gewisser Einfluß der Sonnenflecken auf alten Astrologen im Prinzip auf dem einen recht harmlosen Eindruck. Die an den Erdball auch in hervorragenden wissen richtigen Wege. So fagt J. A. M. Menziehende Wirkung der Venus ist dagegen schaftlichen Kreisen nicht mehr bestritten. siga, Seite 34, Heft 140 der Sammlung am Sternhimmel wie auf Erden nicht zu Schwankt doch selbst das Meridianinstru- gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorunterschätzen. Da indes die Zeitdauer des ment der Berliner Sternwarte in Perio- träge, herausgegeben von Rudolf Virchow Zusammenwirkens eines Planeten mit Juden, welche mit der Frequenz der Sonnen- und Fr. v. Holzendorff, ganz treffend : piter einen wesentlichen Einfluß auf die flecken zusammenfallen. // Ungeheuerlichkeiten enthielt die Astrologie Wenn auch die Wissenschaft in erster eigentlich gar keine. Solche fanden sich einseitige Störung der Sonne ausübt, so wirkt der langsam freisende Saturn nach Linie nur ihrer selbst und der Wahrheit vielmehr in anderen Wissenschaften. Nahaltiger als die schnell umlaufenden inneren willen betrieben werden soll, so wird man mentlich fanden die Mediziner sie zahlreich Planeten. auch hier fragen, ob die gewonnenen ge- in ihren Pharmakopöen . Im Vergleich Der Planet Jupiter allein würde der schichtstheoretischen Erkenntnisse nicht von mit dieser samt Physiologie und Nosologie Thätigkeit der Sonne und somit des ganzen irgend welcher praktischen Bedeutung sind, war die Astrologie engelrein" . Sonnensystems eine seiner Umlaufszeit ob man nicht bestimmte weltgeschichtliche In gleicher Weise urteilt die neuere von Sonnennähe zu Sonnennähe ent- Ereignisse im allgemeinen oder z . B. im Wissenschaft schon vorsichtiger über die altent sprechende, nahezu zwölfjährige Períodizität besonderen aus Tafel 3 die nächsten Kriegs- Alchimisten, indem man mit Recht bezweiNahezu alle zehn Jahre wirkt ausbrüche der Franzosen vorhersagen kann. felt , ob die sogenannten Elemente auch geben. Saturn mit Jupiter zusammen oder ihm Wir können indes weiter nichts vorherbe wirklich unzerschbar sind. Wir stehen vor der Wiedererhebung entgegen und verursacht ſomit neue Maxima stimmen , als daß z. V. 1890 die Reizin der Störung oder in der einseitigen barkeit der Erdbewohner eine erheblich der seit lange so tief verachteten WissenZugwirkung der Sonne. Im Mittel wird größere sein wird als zur Zeit, und daß schaften der Astrologie und Alchimie in hierdurch die Periode der Sonnenflecken ein so ungemein reizbares Volk wie die geläuterten Auferstehungs-Formen. In oder Sonnenausbrüche eine etwa elfjährige. Franzosen um 1890 eine besonders leb- schweren Kämpfen werden sich freilich diese Die Periode der Sonnenaufwallungen verhafte politische Thätigkeit entfalten wird. uralten Wissenschaften erst wieder Anerkenkürzt sich zuweilen bis acht Jahre und Nur die allgemeine, tiefer liegende Ursache nung erringen müssen. Wenn es im allgeverlängert sich manchmal bis auf sechzehn der geschichtlichen Ausbrüche, nicht die be meinen zu beklagen ist, daß neuc Entdeckungen Jahre. Durch die Interferenz der zwölf- sondere, recht oberflächliche Veranlassung, und Erfindungensich so schwer Bahn brechen, und zehnjährigen Perioden schwellen die welche die Spannung auslöst , können so ist es in diesem besonderen Fall viel Sonnenstörungen durchschnittlich alle sechzig wir vorhersagen. Denn wenn es auch leicht ein Glück , daß die menschliche GeJahre stärker an. Alle diese Perioden er an sich keinen Zufall gibt, so bleiben sellschaft den bevorstehenden durchgreifenleiden wiederum Störungen durch die den viele Ereignisse für uns Zufall, weil die den Umwälzungen ahnungslos und sorgenübrigen Planeten entsprechenden Perioden Zahl der Ursachen und Veranlassungen frei entgegeneilt. und durch örtliche Einflüsse auf der Sonne unübersehbar und unberechenbar ist. Wir selbst. Kurz und gut , die periodischen | wissen nicht, ob schon während des näch
1948
1
1951
Ernst von Hesse-Wartegg. Karnevalstage in Yukatan. 1952
Snowherqutte in progreso.
Karnevalstage in Hukatan.
Von Ernst von Helle- Wartegg.
reinste Zufall führte mich auf Weißen, Städte , Dörfer und Farmen zer Deer meinen Streifzügen durch Meriko und störend. So liegt beispielsweise die Stadt Zentralamerika gerade zur Karnevalszeit Valladolid, früher reich und blühend, heute nach Yukatan. Ich hatte die merkwürdigen in Ruinen dank der gefährlichen Nachbar merikanischen Ruinenstädte in Chiapas und schaft dieser Wilden. Alljährlich hört man Tabosco besucht , war lange nur auf die die haarsträubendsten Geschichten über ihre Gesellschaft der Indianer angewiesen, und Unthaten, und es ist deshalb nicht zu vernun endlich, das Zelt mit dem Dampfer wundern, daß man in Campeche, Progreso vertauschend , segelte ich über Campeche und und in Merida, der Hauptstadt des Lan Progreso nach Yukatan, um auch die dor des , eine heillose Angst vor diesen tigen Ruinenstädte, vornehmlich Urmal zu letzten Nachkommen der wilden Karaisehen. Während wir durch die wie bleiern ben hat. Jahr für Jahr drohen sie daliegende, ungewöhnlich ruhige Campeche Merida dem Erdboden gleich zu mabai, in Sonnenschein gebadet, dahinfuhren, chen und die Einwohner niederzuunterhielten sich einige Passagiere über den megeln, aber mit der den Tropen eigen bevorstehenden Karneval in Merida , der tümlichen Indolenz geschieht nichts, Hauptstadt von Yukaton. um diesen unsicheren Zuständen ein Ein Karneval in Yukatan ! Verlockend Ende zu machen. Unter solchen Verhältnissen und flang dies eben nicht , denn zunächst ist Yukatan, dieses heißeste der Backofenländer in einem solchen Lande ein Karneval? Es klang dies zu merkwürdig, um Zentralamerikas, überhaupt nicht verlockend, und dazu wird diese Halbinsel von einzelnen den Kompaß nicht für ein paar Tage Indianerstämmen bewohnt, welche seit der an den Nagel zu hängen und den ersten Besetzung des Landes durch die Spaß in Merida mitzumachen. Yukatan zeigte sich uns bei unSpanier 1527 die schlechte Gewohnheit bewahrt haben , alle Weißen , welcher sie serer Landung in Progreso , dem habhaft werden konnten, in Stücke zu Haupthafen des Landes , nicht von hauen. Sie bewohnen heute, immer noch der anziehendsten Seite. Die See ist zwischen fünf und siebentausend Mann hier zu seicht, um das Landen zu gestark, das südöstliche Viertel der Halbinsel, statten, und unser Dampfer blieb ein teilweise auch das Gebiet von Britisch paar Meilen von der niedrigen, flachen, Honduras , und unternehmen zeitweilig sandigen Küste liegen, die nur an einem Expeditionen nach den Ansiedelungen der Punkte eine spärliche Palmengruppe
1953
zeigt. In ihrem Schatten liegen die wenigen Häuser von Progreso. - Kleine Segelboote holten uns vom Dampfer nach dem elenden Neste , wo wir die Nacht in dem ersten und einzigen Hotel zubrachten. Das " Wie" wird eine kurze Schilderung des Hotels erklären : Vier niedrige Steinmauern mit einem hohen Strohdach umschließen einen Maultierstall ; eine Leiter führt zur finsteren, fensterlosen Dachkammer empor, in welcher vier Hängematten aufgehängt sind. In einer Ede steht ein Wassertrog zum Waschen. Als wir nach unserer gemeinschaftlichen Schlafstube emporkletterten, raschelte es in der Strohdecke über uns, durchaus kein angenehmes Geräusch in diesem Lande der Spinnen und Skorpionen . Lessing hat recht -man wandelt nicht ungestraft unter den Palmen! Am nächsten Morgen fuhren wir per Eisenbahn nach der fünfundzwanzig englische Meilen landeinwärts gelegenen Staatshauptstadt Merida. Die zahllosen Indianer, welche auf den Plantagen längs der Bahn zusammenliefen , um das schwarze eiserne Wunder , die Lokomotive , anzustaunen, hatten darin so unrecht nicht ; auch Weiße müssen hier darüber staunen , daß es in Yukatan bereits eine Eisenbahn gibt ! Sie entstand allerdings nicht des Personenverkehrs wegen, sondern nur um die folos salen Massen von Henequin oder Sisalhanf (agave sisalensis, f. unten), das Hauptproduft Yukatans , aus dem Inneren nach Progreso zu befördern. Wie in Mexiko Kaktus und Aloe, so ist in Yukatan das Henequin die verbreitetste Pflanze, ausgedehnte Länderstrecken bedeckend. Längs der Bahn liegen große ummauerte Henequinplantagen mit den von Palmen überschatteten Pflanzenhäusern in der Mitte. Die unabsehbaren Reihen dieses eigentümlichen Stachelgewächses gewähren einen merkwürdigen Anblick jede einzelne Pflanze einem Strauß von zwanzig bis dreißig Bajonetten gleichend , deren jedes fünf bis acht Fuß lang ist. Diese bajonettartigen Blätter werden zur Erntezeit abgeschnitten und
Die Henequinbflanze (f. oben).
Ernst von Hesse-Wartegg. Karnevalstage in Yukatan. 1956 1955 1954 Punkten noch) verschiedenen an das , neses Pro-, fünfzehn von mittels einfachen Maschinen von der flei- | gebräuchlichen Diskonto Plazas , jede mit einer andere fünfzehn schigen Hülle befreit, so daß nur die hanf zent anzurechnen. Merida zur Karnevalszeit scheint das Kirche , enthält. Die Gotteshäuser sind artigen Fasern übrig bleiben. Welch hohe Wichtigkeit die Henequinpflanze für Yukatan Urbild des Friedens und der Glückseligkeit jest verfallen, die Klöster stehen leer oder besitzt, geht schon daraus hervor, daß heute zu sein, und wer weiß, ob es in unserer, liegen in Ruinen, und die Straßen, welche jährlich etwa hunderttausend Ballen im alle Klimate , alle Entfernungen nivellie früher die Namen aller Heiligen der spaWerte von drei bis vier Millionen Dollars renden Zeit nicht vielleicht bald zu einem nischen Litanei führten, haben ihre Namen die einzige Neuerung in dreinach den Vereinigten Staaten expediert beliebten Nizza der Newyorker geworden gewechselt den Be- sein wird? Heute freilich ist es noch eine hundert Jahren. werden. Für den Yukateco Einzelne Hauptstraßen waren nach ist die Pflanze un der entlegensten , abgeschiedensten Städte wohner Yukatans entbehrlich geworden, denn ihre Faser liefert der Neuen Welt, die sich unter ihren mo- Tieren benannt, und da die große Mehrihm Kleidungsstücke, Matten, Seile, Schnüre dernen, großartigen, glänzenden Schwester- heit der Bevölkerung des Lesens nicht und vor allem die Hängematten, deren man städten im Golf von Meriko, wie Havanna, mächtig ist, malte man diese Tiere riesensich in Yukatan an Stelle der Betten fast Matanzas , New Orleans u . s. w., ausnimmt groß an die Straßenecken. So zeigt man ausschließlich bedient. Indianer wie die wie eine altspanische Großmutter. Merida noch heute einen Elefanten an einer, und Weißen bringen ihr halbes Leben in Sisal hat seit seiner ersten Blütezeit vor drei einen Flamingo an einer anderen StraßenHammocks ) zu , ja ich kam in Yuka hundert Jahren keine weiteren Fortschritte ecke. Glücklicherweise herrscht in Merida tan in Städte , in welchen Betten nach gemacht, keine Zuwanderung erhalten, und das vernünftige Geseß, daß die Häuser des unserer Art vollständig unbekannte Dinge die Sitten und Gebräuche der altansässigen brennenden Sonnenlichtes wegen nicht weiß Spanier, der Mestizen und der Indianer, angestrichen werden dürfen, und so wählten waren. welch lettere den größten Teil der fünfzig die Besizer alle Farben des Regenbogens . Endlich fuhr unser Zug durch die engen sind dieselben Die Häuser sind meist einstöckig und nach belebten Straßen von Merida in die neue tausend Einwohner bilden, geblieben, wie sie im spanischen Mutter spanisch-maurischem Muster im Viereck geStation auf der Plaza de la mejorada ein , aber vergeblich sieht man sich hier lande zur Zeit des Don Miguel Cervantes baut. Mein Zimmer öffnete sich auf eine weite Bogenhalle , welche rings um den nach Hotelbediensteten, Dolmetschern u. dgl. de Saavedra gewesen sein mochten.. Merida ist ganz nach dem Muster der viereckigen inneren Hofraum herumlief um, was um so empfindlicher ist, als ein Bädeker für Yukatantouristen noch im anderen merikanischen Städte angelegt, die und mit den herrlichsten Topfblumen und Schoße der Zukunft ruht. Merida , ob einander gleichen wie Eier. Es hat seinen Schlingpflanzen geschmückt war. Papageien schon die Hauptstadt eines Staates und großen Hauptplatz mit der von zwei Tür und Singvögel machten in ihren Käfigen über fünfzigtausend Einwohner zählend, men überhöhten Kathedrale, mit der Casa einen Heidenspektakel . Der Hof selbst bilhatte zur Zeit weder ein Hotel, noch eine municipal, und auf der Südseite des Plages dete einen üppigen Blumengarten , von Posada, noch eine Fonda, und der Fremde die einstige Residenz des ersten Gouverneurs schlanken Kokospalmen , großblätterigen muß deshalb die Gastfreundschaft der Be- von Yukatan, gleichzeitig das älteste Haus Bananen und Orangen überschattet. Die wohner in Anspruch nehmen. Glücklicher von Merida (S. 1958) , 1549 erbaut. Die Fenster , soweit deren überhaupt welche weise war es mir nicht schwer , bei dem Fassade dieses interessanten Hauses zeigt vorhanden waren, zeigten ebensowenig wie Besitzer des Bankhauses , auf welchen mein die Figuren zweier Spanier in voller die übrigen in ganz Merida oder ganz Kreditbrief ausgestellt war, Unterkunft zu Rüstung, welche auf blutenden Indianer Yukatan Glasscheiben, sondern nur eiserne eine Erinnerung an Gitterverstäbung , die bei den auf die finden, obschon auch sein Haus mit Gästen föpfen herumtreten , von Merida , bei Straße mündenden Fenstern um einen Schlacht große erste die aus der Provinz überfüllt war. Die aus nach außen geschweift waren. giebigste Gastfreundschaft ist eine der Haupt- welcher gerade an dieser Stelle zweihundert guten Fuß Häuser von europäisch- moderner Bauart tugenden der Yukatecos , zumal meines Spanier mit echt spanischer Uebertreibung fennt man nicht in Yukatan, wo sie auch freundlichen Wirtes , der sich dadurch in vierzigtausend Indianer erschlagen haben ganz zwecklos wären. Die Mauern der dessen nicht behindert fand , mir für die jollen. Die Plaza major bildet ganz nach Häuser bestehen aus zwei dicken SteinAuszahlung meines Kreditbriefs den hier merikanischer Schablone den Mittelpunkt wänden, mit einer Schuttfüllung zwischen des sich rechtwinkelig schneidenden Straßen beiden , so daß sie eine Stärke von fünf 1) Hängematten. bis acht Fuß erreichen. Die Zimmer sind groß, hoch und dunkel wie Kirchen, dabei ohne jede Verzierung oder Malerei auf den weißgetünchten Wänden. Die Fußböden sind mit Zement überzogen, und das einzige zur Verwendung gelangende Holz steckt in den Fensterrahmen und Thüren. Dem Fremden scheinen diese kalten, dunkeln, harten Räume in der ersten Zeit unheimlich , er lernt sie aber bald schäßen , denn in ihnen bietet sich kein Schlupfwinkel für Spinnen, Tausendfüßler, Skorpionen und andere ,,Haustiere" der Tropen. Auch die Einrichtung der Zimmer ist die denkbar einfachste. In meiner Stube bestand sie aus einem Tisch , einem Stuhle, Henequinmatten auf dem Fußboden, und der unvermeidlichen Hamaca (Hänge matte) an Stelle des Bettes . Eine Wohnung ist in diesen Länfolche C . J.H dern des ewigen Sommers mehr als hinreichend. Man bringt ja doch die Wellaston größte Zeit des Tages im Freien zu, Ein Zichbrunnen in Dulatan.
1957
Ernst von Hesse-Wartegg. Karnevalstage in Yukatan. 1958
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des Morgens auf Spaziergängen oder in den Geschäftslokalen, nachmittags mit Besuchen in befreun deten Häusern , abends in einem der Meridatlubs , die hier im gesellschaftlichen Leben die wichtigste Rolle spielen, oder endlich im Theater, wo zeitweilig wandernde italienische Operntruppen Vorstellungen geben. Mein Diener war ein Vollblut= indianer, aber selbstverständlich nicht vom Stamme der wilden Karaiben, deren ich eingangs Erwähnung that. Die Indianer von Merida sind im Gegensatz zu den ersteren. die gutmütigsten , bescheidensten, willigsten Geschöpfe , die man sich nur wünschen kann , und besigen dabei einen in den heißen Klimaten ganz besonderen Vorzug , den der Reinlichkeit. Ihre Kleidung ist noch die althergebrachte Tracht der Mayas, ihrer Vorfahren , aus einem blendend weißen Hemde, dem Uipil , und weißleinenen weiten Beinkleidern bestehend , welche sie Oberkleid bei der Arbeit häufig bis hoch über die Kniee heraufschlagen. Das Uipil tragen heißt Uipil. Bei den die Vornehmeren zumeist in die Beinkleider gesteckt, die große Mehrzahl läßt es jedoch wohlhabendeüber die Beinkleider fallen . Die Bevöl ren Mestizos ferung Yukatans spaziert also im wahren sind diese beiSinne des Wortes im Hemde herum. Bei den mit dem der Feldarbeit oder beim Tragen schwerer Unterrock und Lasten verringert sich diese ohnehin schon Hemd der Eumehr als spärliche Kleidung auf ein schma- ropäerinnen Les Lendentuch , während die Knaben bis vergleichbaren zum sechsten oder achten Jahre auch dieses Kleidungsstücke mit Yuals überflüssig aufgeben. Die Toilette der Indianer- und Me- katanspißen stizenfrauen ist merkwürdigerweise bis auf reich besetzt. HAYRON'S Zuweilen die kleinsten Details dieselbe wie bei den sie werfen Das Abelautado, das älteste Haus von Merida (S. 1955). Beduinenstämmen Nordafrikas oder Arabiens , weshalb man geneigt wäre , anzu wohl auch ei nehmen , die Spanier hätten diese mauri- nen Spitzenschen Moden mit nach Amerika gebracht. reboso über den Kopf, unter welchem das seines Standes" . Vor sich hat er nun Aber anderseits wird wieder behauptet, reiche schwarze Haar, zu einem losen Knoten die herrlichsten Früchte des Südens , die die Spanier hätten bei ihren Eroberungs- gebunden , hervorquillt. Die wenigsten Ananas , Mangos , Aguacates , Bananas zügen in Yukatan die Mayafrauen schon tragen irgend eine Beschuhung , und nur u . f. w. , in Haufen aufgeschichtet. Um hier so gekleidet gefunden. Wem ist da zu die spanischen Damen in den Städten handelseinig zu werden, muß man vorher glauben? Wie bei den Beduinen , so ist gönnen sich den Lurus von Schuhen und genau die Mysterien des Yukataner Münzwesens fennen: die Medios, Cuartillos , auch hier bei den Yukatecos das Kostüm Strümpfen. unschön und wenig geeignet , den Wuchs In Merida wie in dem benachbarten Chicas und Veintes (die letteren kleine der Trägerin zu zeigen oder profanen zamal ( S. 1964) war mir der große bleierne Münzen vom beiläufigen Werte Blicken auch nur das Geringste zu enthüllen, Marktplatz die geeignetste Stelle , derlei eines Pfennigs) . Aber auch Kakaobohnen obschon sie ihrer weitbekannten Formen Studien anzustellen , denn hier kommen werden unter dem Landvolke noch als schönheit wegen alle Ursache hätten, sich da täglich viele Hunderte von Indianern mit Münze verwendet. Am späten Morgen mit etwas freigebiger zu zeigen (S. 1960) . ihren Frauen aus der Umgebung zusammen, nehmen Käufer und Verkäufer ihre MahlUnterkleider nach Form und Schnitt um ihre Farmprodukte und Früchte an den zeiten in den sogenannten Medioreſtauunserer europäischen Damen sind bei der Mann zu bringen. Mit Ausnahme des rants ein, in denen sie für einen Medio tropischen Hige vollständig überflüssig Fleisches liegen alle Marktartikel ohne (25 Pfennig) ein ganz vortreffliches Menü, ein Strumpfband hat wohl nie das Bein Unterschied auf dem Boden ausgebreitet. aus Fleisch, Pfefferfalat, Tomatojuppe und einer Yukatanerin umspannt, und ihr Busen Markthallen wie bei uns oder Bazars wie Tortillas zusammengesett , erhalten. Eßkennt die engen Miedersessel nicht. 3hre in dem, Yukatan sehr verwandten Orient bestecke und Teller sind ihnen noch unbeganze Toilette besteht aus zwei Kleidungs- kennt man hier nicht. Der Indianer steckt kannte Dinge. Als Schüsseln dienen die stücken: einem bis an die Knöchel fallen einen etwa acht Fuß langen Stock in den halben Hüllen der Ficarafrucht, als Löffel den weißleinenen Unterrock, Pic genannt, Boden und befestigt ein einfaches Holz- die Tortillas (zähe Pfannkuchen) , als und einem zweiten Unterrock von ähnlichem frenz horizontal darüber, welches als Unter- Gabeln die Finger und als Messer die Schnitt, nur eine Etage höher , an den lage für eine Sisalmatte dient. Dieser Zähne. Man muß sich zu helfen wissen! Schultern , befestigt . Dieses bis an die primitive Sonnenschirm und allenfalls ein Am Tage nach meiner Ankunft in MeKniee fallende , gleichfalls blendend weiße niedriger Stuhl sind die ganze Einrichtung rida trug die Stadt festliches Gepränge,
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Herren von Merida bietet sich zur Karnevalszeit, denn so eifersüchtig die alten Damen die ihrer Obhut anvertrau Mäd ten chen auchbehüten, es geht doch nicht an, mit den jungen Paaren als Dritte im Ballsaalmit herumzutanzen, so gerne sie es vielleicht auch thun möchten. Es mag sein, daß die Chen gewöhnlich im Himmel Frauengestalten in Dufatan (S. 1957)
denn der gewöhnlich vier Tage dauernde Karneval hatte begonnen. Nicht daß er bei den Kreolen und Mestizen etwa in anderer Weise gefeiert würde, als in unseren rheinischen oder in den italienischen Städten, er hat hier nur eine viel größere Bedeu tung und wird von den holden Kreolinnen Monate vorher herbeigesehnt. Was man auch von der Tugend der Südländerinnen, und vornehmlich der Merikanerin halten mag, lange Reifen in Zentralamerika und fortwährender Kontakt mit allen Gesellschaftsklassen hat meine Ueberzeugung nicht zu erschüttern vermocht , daß die Kreolinnen und Mestizen in diesen Ländern nicht nur viel besser sind, als ihr Ruf, sondern auch viel besser, als so manche als tugendhast verschrieene Tochter Evas in unseren europäischen Hauptstädten. Wie die Haremsschönen im fernen Orient, so verleben auch die Yukatecas Kindheit, Jugend und Alter fast unter ebenso strenger Aufsicht in ihren Häusern, nur daß hier irgend eine Großmama oder Tante die in gar mancher Hinsicht beneidenswerte Stelle des Eunuchen vertritt. Niemals wird man in Yukatan oder überhaupt in Meriko Mädchen oder selbst verheiratete Frauen der besseren Stände ohne Begleitung auf der Straße finden , sei es um in den flinken Volantes spazieren zu fahren , oder Besuche und Einkäufe zu machen. Geschähe dies dennoch, so wäre es um den guten Ruf der Betreffenden bald geschehen. Nur aus nahmsweise dürfen die Damen Herrenbesuche empfangen, es sei denn von nahe stehenden Familiengliedern, oder in deren Begleitung Spaziergänge oder Ausfahrten unternehmen. Die einzige Gelegenheit zum ungchinderten Verkehr mit den jungen
geschlossen werden. In Merida aber
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ist dieser Himmel der Tanzsaal zur Karnevalszeit. Ferner munterer Gesang und die Klänge eines Musikkorps riefen mich am ersten Karnevalstage schon am frühen Morgen aus meiner Hängematte. Banden von 9: Indianern in ihrer alt angestammten Tracht durchzogen die Straßen, nicht in Waffen zur Eroberung von Merida, sondern friedlich mit Gesang und Tanz , Männer und spanischen Estudiantina, und ganz nach Frauen zusammen. Einige Musikanten mit der Art der Studenten von Salamanca hatten sie Löffel, Messer, Gabel und Korkzieher auf ihren Hüten stecken. Auch an Perfiflagen der Regierungsbeamten und des Militärs fehlte es nicht. Eine Anzahl Studenten hatte sich als yukatanische Soldaten verkleidet , andere wieder als Indianer, und bei den Scheinfämpfen, die sie auf den Plätzen aufführten, gelang es gewöhnlich einem einzigen waffenMusikinstrumente der Dutatecos (f. unten). losen Indianer, die ganze Soldatenschar in die Flucht zu schlagen. Gegen Mittag den einheimischen einfachen Instrumenten wurde es der großen Februarhige wegen (f . oben) zogen ihnen voraus , und die etwas stiller, aber desto lebhafter war das Weisen, die sie spielten, erinnerten lebhaft Leben am späten Nachmittag, zur Zeit des an altspanische Melodien. Eine davon, ge- Karnevalskorso , an welchem sich die elenannt Toro , klang zu hübsch, um sie nicht gante Welt von Merida vollzählig bean dieser Stelle wiederzugeben (siehe neben teiligte. Hunderte von einheimischen Castehende Musiknoten) . lezas (S. 1970) oder von eleganten cubaBald wurde es in den Straßen lebendig, nischen Volantes waren in den Straßen, und beinahe schien es, als sei die ganze Be- gefüllt mit den reizendsten Frauengestalten. völkerung , diesmal ausnahmsweise auch Die Calezas sind eigentümliche , nur in die Frauen und Kinder, außer Hause. Die Yukatan gebräuchliche Equipagen, auf zwei Kaufläden blieben geschlossen, der geschäft Rädern sigend, und mit einem Maultiere. liche Verkehr stand augenscheinlich voll bespannt, auf welchem der Kutscher reitet. kommen still. Alles wollte sich Karnevals- Jedesmal wenn die Damen Bekannten befreuden hingeben. Den Indianern folgten gegneten, wurden in äußerst graziöser Weise die Umzüge der Studenten im echten Fast- Grüße gewechselt, indem sie die Hand bis nachtskostüm mit Musik und Gesang. Ein in die Nähe der Augen hoben und lang= Trupp Studenten war in der Tracht der sam schwenkten, als würden sie zur An-
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näherung einladen. Ich wußte niemals recht, ob dies Grüße oder nur Erkennungszeichen waren. Wahrscheinlich gaben in solchen zweifelhaften Fällen die Augen den erforderlichen weiteren Kommentar. Und was für Augen! Groß, schwarz, sprechend, leidenschaftlich beglückend oder verdammend, aber kein Mittelding zwischen beiden. Wie viele Sprachen diese reizenden Geschöpfe doch zu sprechen verstehen ! Die Sprache des Mundes , der Hände , der Fächer, der Augen. Aber nur die erste ist spanisch, die drei anderen sind Universal sprachen , eine Art Volapük, die jeder zu verstehen vermag! Das fonnte man weniger beim Korso wahrnehmen, wo die elegante Welt in mehr oder minder reichen Volantes oder Calezas rasch an dem Beobachter vorbeirollten, als später am Abend bei den Bällen. Jeder der Klubs von Merida, und es gibt deren eine ganze Anzahl , veranstaltet zur Karnevalszeit mehrere 11 Baile" oder Bälle, und dank der Vermittelung meines Gast herrn wurden mir mehrere Einladungsfarten zugesandt. Ich hätte mir niemals träumen lassen, in Yukatan, diesem wildesten und unbekanntesten Staate Zentralamerikas, so viel Anstand und gute Sitten, um nicht zu sagen aristokratischeVornehmheitzufinden! Wahr haftig, den reichen Proßen von New York und Chicago könnte es nur zum Vorteil gereichen, wenn sie bei den Yukatecos ein wenig in die Schule gingen. Der Hofraum des vornehmsten Klubs war durch Lichterreihen, chinesische Laternen und Dellampen Gas und Elektrizität sind hier noch unbekannte Dinge - so glänzend als nur möglich erleuchtet ; und zahlreiche Pärchen wandelten zwischen den Bananen , Palmengruppen und Blumenpyramiden auf und nieder, oder saßen vor den Fenstern des Ballsaales auf Stühlen im Freien, um die milde, köstliche Februarluft zu genießen, denn im Saale selbst war es erdrückend heiß. Treten wir ein. An einem Ende des langen, etwas niedrigen Raumes befand sich das Orchester in begreiflicher und verzeihlicher Nähe des Buffetts , an welchem die köstlichsten und erfrischendsten Fruchtwässer und Früchte 2c. verabreicht wurden. Ja sogar bekannte Champagnermarken wie Perrier-Jouet oder Pomerey standen hier in einladenden Batterien nebeneinan Den Saalwänden entlang der.
waren Bänke aufgestellt, und auf diesen ruhten die Tänzerinnen, die reizendsten, üppigsten , graziösesten Gestalten, die selbst eine vernagelte Kanone zum Enthusiasmus hingerissen hätten. Einzelne Blumen dieses herrlichen Damenbouquets waren in bunten Fastnachtskostümen, andere in allerdings etwas altmodische und zumeist duntle Toiletten gekleidet , aber das war leicht zu übersehen, denn Anmut, Grazie, Schönheit und Frohsinn sind die besten ewig modernen Toiletten, reizender Mund , Perlenzähne und
| prächtige Augen die kostbarsten Juwelen einer Frau. Der Ball begann vernünftigerweise schon um neun Uhr, und eine Stunde nach Mitternacht waren die glänzenden Räume wieder still und dunkel , um erst am folgenden Abend wieder die gleiche Gesell schaft zum gleichen Tanzvergnügen zu empfangen. Die Tänze waren durchwegs nach Art der Quadrillen und Menuetts , langsam, gemessen, eher einem Spaziergang ähnlich , aber dafür nur desto reizvoller. Die alten Damen saßen außerhalb an den Fenstern und beobachteten die Tanzenden oder besuchten die benachbarten Klubs. Dieselbe Tagesordnung herrscht in Yukatan während der ganzen Karnevalszeit und ich zog es deshalb vor, am nächsten Morgen einen Ausflug nach dem unfernen Städt chen Izamal (S. 1964) zu unternehmen, da dort die Indianer zur Zeit des Karnevals noch manche Zeremonien und Tänze ihrer heidnischenVorfahren aufzuführen pflegen. Ueberdies stand für den nächsten Tag dort ein Stierkampf in Aussicht . Um 4 Uhr morgens saß oder lag ich vielmehr schon, begleitet von einem Freunde und meinem Diener, in dem Reisewagen, denn die frühen Morgenstunden
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sind die einzigen, die man der großen Tageshite wegen in Yukatan zum Reisen benutzen kann. Die hierzulande gebräuchlichen Reisewagen mögen in Yukatan wohl als praktisch und bequem angesehen werden , aber in Europa würden sie als wahre Marterfasten gelten. Dessen wurde ich mir schon bewußt , kaum daß wir Merida verlassen hatten, und auf den elendesten, holprigen, mit Steintrümmern besäeten Wegen dahintollerten. Zahlreiche Indianer , Männer wie Frauen, der empfindlichen Nachtfühle wegen in ihre Sarapes (Wolldecken) gehüllt, kamen des Weges daher, um ihre Farmprodukte, Hühner, Eier, Früchte, nach Merida auf den Markt zu bringen, und fast glaubte ich, in den Augen eines jeden etwas von Spott und Schadenfreude zu erblicken, als sie uns ihre Grüße zuwarfen.
Die Hauptstraße von Jamal (S. 1958).
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Der Mönchspalaft und das Zwergenhaus in Urmal (S. 1972). Das zweiräderige Folterwerkzeug , in | Verkehr , daß es noch viel ursprünglicher welchem ich hilflos dalag , ist den fuba- und deshalb malerischer ist als Merida. nischen Volantes nicht unähnlich und Die Einwohner sind fast durchwegs Inheißt auch hier Volan. Aber an Stelle dianer oder Mestizen , und meinem Wirt der Sitzbänke ruht auf der Achse des yufa machte es mit der den Yukatecos eigen tanischen Volans ein hölzerner Rahmen, tümlichen ausgiebigsten Gastfreundschaft über welchen Gurten gespannt sind. Auf und Aufopferung dem Fremden gegenüber diesen ruht eine Matraße und ein Kissen, offenbar vielen Spaß, mich in die Mysterien
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wöchentlichen Bazars in Nordafrika. Aber während dort die maurischen Städte auf dem Schutt der altrömischen Städte stehen un aus den Trümmern der letzteren gebaut wur den, liegt in Izamal eine ganz andere, fremdartige , rätselhafte Kultur , jene der Toltefen , unter den Bauten der Gegenwart begraben. Ganz Yukatan ist mit Ruinen dieses zentralamerikanischen Urvolkes so sehr übersäet, daß nahezu jedes Dorf auf den Trümmern großer Städte ruht, Städte, die heute mit wenigen Ausnahmen kaum mehr dem Namen nach bekannt sind, durch die vorhandenen Palastruinen, Skulpturen, Kolonnaden und großartigen Pyramiden jedoch Zeugenschaft von ihrem einstigen Glanze ablegen. So ragen auch in Izamal um den Hauptplatz der Stadt vier gewaltige Toltekenpyramiden , die höchste darunter bis auf 150 Fuß empor , aber die Gößenaltäre und Tempel auf ihren Spigen sind verschwunden, ja die Pyramide auf der Südseite der Plaza trägt heute ein dem Christengotte geweihtes Kloster. Wie in Merida der Karneval hauptsächlich durch Kreolen gefeiert wurde , so war zamal augenblicklich der Schauplag eines Indianerfarnevals, viel eigentümlicher und fremdartiger als jener in Merida , denn obschon die Indianer dem Namen und äußeren Kultus nach die
Raum genug für zwei Menschen bietend, der Indianervergnügungen einzuführen. katholische Religion angenommen haben, die zwar nebeneinander liegen , aber nicht Wie höflich er sich dabei zeigte, ging schon sind sie doch Heiden geblieben , die mit sigen können. Ein Schutzdach aus weißer aus seiner ersten Antwort hervor. Zwei eigener Zähigkeit an den Gebräuchen ihrer Leinwand überdeckt den Wagen. In die gejattelte Maultiere standen an der Ein- antespanischen Vorfahren, der Mayas, festunverhältnismäßig lange Gabeldeichsel sind fahrt, um uns nach dem großen Tanzplatz halten. drei Maultiere mittels Seilen gespannt, des Indianerfarnevals zu bringen. 1/ Sind Unser erster Stitt durch die belebten, die sich alle Augenblicke auf ganz unbe- das Euere Tiere ?" frug ich ihn. Ja, Herr, dichtgedrängten Straßen war der Plaza greifliche Weise zu gordischem Knoten ver- und auch Euere." Ebenso versicherte er de Toros gewidmet, wo für heute ein Stierwickeln. Die Maultiere selbst sind klein mir, seinHaus und schmächtig von Statur , aber dieser wäre meines Defekt wird durch die ungewöhnliche Länge und seine Haihrer Ohren wieder hereingebracht. Durch cienda wäre lautes Hallo und Hu! Hi! untermengt auch die meine. mit den abscheulichsten Flüchen und zeit Ein Wunder, weiligen Steinwürfen von seiten des Kut: daß er nicht fchers angetrieben , eilen die Tiere flink auch , als ich dahin über Stock und Stein, so daß man seiner reizenin erbärmlicher Weise zusammengerüttelt den Frau vorwird. Nach vierstündiger Fahrt machten gestellt wurde, wir in der großen Hacienda von Uayalfe die Worte beifür kurze Zeit Halt und kamen endlich spät fügte: „ Y de abends in Jamal an. Auch hier war usted tamalles des Karnevals wegen überfüllt, und bien ". J3aich mußte in Gesellschaft meines Reise- mal erinnerte gefährten mit einer einzigen Hängematte mich viel leb vorlieb nehmen, die am Ende eines Maul hafter als ir gend eine tierſtalles an den Deckbalken aufgehängt war. In Yukatan ist das Schlafen zu zweien merikanische in einer Hängematte allgemein gebräuchlich, Stadt an die aber man muß die Kunst, dieses schwan Städte von kende Lager zu zweien zu besteigen , erst Marokko oder mit langer Uebung erlernen und mit man Tunis. Die chem blauen und grünen Fleck am Leibe Bauart ist bezahlen. Die Yutatecos schlafen in den ganz dieselbe Hammocks mit dem Kopf zu den Füßen und selbst der des anderen, etwa wie Delsardinen liegend, große Markt 24 ein Geschmack , der mir selbst bei allem mit dem regen . schuldigen Respekt für meinen Schlaf- Verkehr und genossen etwas zweifelhaft vorkam. Man den verschie liegt Männern nicht gerne zu Füßen. denen Waren Weftfaffabe bes Mönchspalastes in urmat (S. 1972). Izamal liegt so abgelegen von allem ähnelt den
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fampf in Aussicht stand. Hunderte, festlich geschmückte Indianer eilten von Frauen und Kindern begleitet und Feldstühle tragend, dem Kampfplag zu , denn in der Arena muß sich jeder seine Site selbst besorgen. Die Plaza de Toros besteht hier aus doppelten im Kreise errichteten Palissadenreihen , welche ein höchst einfaches , aus Palmenblättern bestehendes Flugdachtragen. Der konzentrische Raum zwischen den Palissaden ist in Logen abgeteilt, in welchen sich bereits eine solche Anzahl von Zusehern drängte, daß es uns schwer war, noch ein Plätzchen zu erobern. Kaum hatten wir zwischen einigen Indianerinnen Sellung gefaßt , als auch schon ein kleiner anscheinend recht zahmer Stier zaghaft die Arena betrat . Sofort stürzte eine Anzahl fräftiger Indianer , mit Federschmuck in den Haaren und nur mit einem Lendenschurz bekleidet, auf das Tier los, um es 23 mit einem Henequinsack , der wohl das rote Tuch der spanischen Stierkämpfer vertreten sollte, zu reizen. Indessen das Tier Unsere Galeza (S. 1962). bewahrte eine Würde und Kaltblütigkeit, wie sie einem Senatspräsidenten in Frankreich nicht besser stehen könnte. Das fremd- den Haufen, riß mit seinen scharfen Hörnern | aber trugen dafür die fürchterlichsten Masartige Publikum in den Logen wurde end- einem derselben den Leib auf, und war ken auf ihren Gesichtern, verzerrte Fragen lich ungeduldig und rief nach den Re- nahe daran , seinem Nachbarn das gleiche aller möglichen Untiere und Kobolde , so joneros. Zu den Matadoren in der Arena Schicksal zu bereiten, als die geschickte Hand daß es uns beinahe unheimlich zu Mute gesellten sich nun eine Anzahl Indianer, eines Vacquero das Lasso um die Hörner wurde. In den Haaren staken große furze Speere mit scharfen Eisenspitzen des vollständig wild gewordenen Stieres Federn , an den Hälsen hingen Schnüre warf , um ihn aus der Arena und Korallen , Tierklauen , Schnäbel oder zu zerren. Ein zweiter Stier Glasperlen, die beim Tanze laut klapperten. stürzte unmittelbar darauf herein, In der Rechten hielt jeder Tänzer cine und das blutige Schauspiel Klapper, aus einer hohlen Kalabasse bewiederholte sich auch bei diesem, stehend, in welcher sich wahrscheinlich Steinwobei uns Zuseher die Kühnchen oder Bohnen befanden; in der Linken heit und gleichgültige Todes trugen sie große Fächer aus Truthahnverachtung der Indianer viel federn, oder gar einen ganzen. Truthahnmehr überraschte, als deren Ge- flügel. Im Mittelpunkte der in einem schicklichkeit. Sie schienen den großen Kreise aufgestellten Tänzer stand Tod oder doch die Verwundung der Häuptling in schrecklicher Hokuspokusbeinahe zu suchen, und der tra- Verbrämung, eine Krone aus hoch emporgische Ernst, den sie zur Schau ragenden Pfauenfedern auf dem Kopfe. trugen , bestätigte nur die Auf- Auf seiner Brust trug er eine weiße Tafel, flärungen, die mir mein Gast auf welcher eine Sonne mit einem von wirt über diese Stierkämpfe gab. einem Dreieck umgebenen Auge gemalt Die kämpfenden Indianer waren war. Neben ihm fauerte ein alter Mann, hier nicht auf das Handwerk ge- der eine weiße Fahne mit einem ähnlichen übte und bezahlte Toreros und Sonnenbildnis aufrecht hielt. Rings um Picadores wie in Spanien, son- diesen befand sich das indianische Musikdern Freiwillige, welche Gefahr forps mit primitiven Instrumenten in Form und Tod suchen , um ein ihren und Gebrauchsweise vollständig jenen gleich, Göttern gegebenes Gelübde zu wie sie in Zentralafrika gefunden werden. erfüllen , oder sich diesen zu Als wir zu dem Mummenschanze kamen, opfern wie man sieht ein hatte der Tanz bereits begonnen. Der grausames Ueberbleibsel der alt- Häuptling sang in der alten Mayasprache angestammten blutigen Maya- einige seltsam flingende Strophen, worauf gebräuche. die Musik mit ihren hölzernen Trommeln, Interessanter noch war der Pfeifen und Ratteln einfiel, und die Thorweg im Mönchspalast. Indianermaskenball , dem wir Tänzer den Gesang des Häuptlings wieder am Abende beiwohnten und der holten, gleichzeitig wie toll umberspringend. tragend , welche wohl hier die Stelle der auch viel mehr einer heidnischen Zere- Dazu schwenkten sie ihre Fächer und schlugen spanischen Banderillos vertraten. Mit un monie als einem Fastnachtsscherz glich. ihre Ratteln aneinander. Dieser Tanz währte die ganze Nacht glaublicher Geschicklichkeit und Tollkühn Eine phantastischer geschmückte , seltsamere heit traten sie dem nunmehr aufgeheßten Volksmenge als jene, welche sich zu diesem hindurch und die Thatsache allein, daß er und wild umherspringenden Stier entgegen augenscheinlich der Sonnenanbetung gewid- heute in einer von Merida nur zehn deutsche und stießen ihm den Rejon hinter die meten Karnevalstanze versammelt hatte, Meilen entfernten Stadt überhaupt noch Schulter, um ihn zu töten. Aber obschon kann man sich kaum vorstellen. Die Teil aufgeführt wird, spricht nicht sehr für die das zähe Tier aus vielen Wunden blutete, nehmer , durchwegs Indianer mit ihren seit 400 Jahren fortgesetzten Bekehrungswarf es doch mehrere der Rejoneros über Frauen , waren nur notdürftig bekleidet, versuche der spanischen Missionare. Aber 83
} Richard Voß. 1972 der Sonnentanz hat noch eine viel tiefere | Bedeutung, denn die symbolischen Abzeichen erinnern an ein althergebrachtes indianisches | Freimaurertum , während die Instrumente, die hier im Gebrauch stehen , schon vor Jahrtausenden von den alten Acgyptern gebraucht wurden. Die Rattel ist nichts anderes als das heilige Siſtrum , und die dreischwänzige Geißel, mit welcher sich die indianischen Tänzer schlugen, nichts anderes als das Flagellum des Osiris . Welcher Zuſammenhang beſteht zwischen den Aegyptern und den Abkömmlingen der alten Mayas von Yukatan ? Wer vermag dieses Rätsel heute zu lösen? Ebenso wunderbar, wie die heute noch bestehenden Gebräuche der Mayas , von welchen der geschilderte Tanz nur ein kleines Beispiel ist , sind auch die großartigen Ruinen ihrer alten Städte. Guatemala und das südliche Mexiko besigen deren die merkwürdigsten, aber auch Yukatan iſt, wie bereits bemerkt , mit den Trümmern einer vergessenen, einst hoch entwickelten Zivilisation bedeckt, deren hervorragendstes ueberbleibsel heute die Ruinen von Urmal sind . Die wenigen Reisenden , welche sich ail jährlich in Merida aufhalten, unternehmen stets die interessante Reise nach der nur etwa zehn deutsche Meilen in südlicher Richtung von Merida entfernten Ruinenstadt, wo sie in einer gastlichen Hacienda Unterkunft finden , denn der Unternehmungsgeist der Yankees ist noch nicht bis hierher gedrungen und noch kein Hotel nimmt die Touriſten auf. Uebrigens reicht für den oberflächlichen Besuch der Ruinen ein Tag vollständig hin, denn der Tourist begnügt sich in der Regel mit der Besteigung der hohen , aus Erdziegeln auf geführten Pyramide, welche das Zwergenhaus trägt und dem Besuch der Casa de las Monjas, deren kolossale, mit Hieroglyphen kunstvoll ornamentierte Mauern noch heute die Einteilung der einzelnen Räume, ja sogar noch Stuckverzierungen und die ver schiedenen Farben zeigen , mit welchen die Mauern bemalt waren . Die Abbildungen (S. 1966 , 1967 u. 1969) geben über die Bauart und Anlage der Ruinen besseren Aufschluß , als es hier eine Schilderung auf so beschränktem Raum zu thun vermag. Vielleicht bietet sich später einmal hier für Gelegenheit.
Der Sohn der Marchesa.
Von Richard Doß .
ir waren junge Eheleute, als die Ge: Wir schichte mit dem Sohn der Marchesa fich begab, und wir durch den schneidenden Gegensatz jenes Dramas zu unserem eigenen Leben aus unserem Traum von Glück Doch auch sonst aufgeschreckt wurden. verdient das kleine Ereignis erzählt zu werden.
Der Sohn der Marchesa… 1973
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An einem strahlenden Apriltage besuchte | Pracht gewesen sein mußte. Die Gärten ich von Rom aus Frascati. Ich kam von waren geradezu eine Sehenswürdigkeit . Tuskulum , hatte den wilden herrlichen Ich zählte fünf Terrassen , eine über der Ruinenberg durchklettert und darauf den anderen ; jede mit mächtigen Substruktionen, Rückweg durch das Thal von Algidum jede cine Blumenwildnis, jede, wie die erste und über Grottaferrata genommen. Die init zerstörten oder unbenußten WasserSonne war untergegangen, rasch brach die werken , mit trümmerhaften Antiken , mit Dämmerung herein. In dem fahlen Licht verfallenden Nischen, Hallen und Grotten, gewannen alle Dinge ein fantastisches, un- deren Wände zur Zeit ihres Glanzes mit irdisches Aussehen. Ich trat in einen schimmernder Glasmosaik und wertvollen Wald deutscher Eichen , voll tiefer , ge- Fresken bedeckt waren . heimnisvoller Schatten. Niemals glaubte Die Roſe ſchien die Blume des Ortes ich mächtigere Stämme gesehen zu haben, zu sein. Rosen umrankten die Mauern, und sicher sah ich niemals Bäume in Rosen türmten sich am Wege zu wahren solchem Schmuck von Ranken und Reben ; Bollwerken auf, Rosen überfluteten , von denn bis zu den Wipfeln hinauf waren Rosen leuchtete alles . Ich kam in einen Hain von SteinStamm und Zweige mit Ephcu umzogen . An dem dunkeln Geäſt hafteten die jungen eichen, der wie ein düsterer Zauber dalag ; frühlingsgrünen Blättchen gleich leuchten- ich verirrte mich in einem künstlichen Labyrinth von hohem Buchs und Lorbeer, den Blütenflocken. Ein goldiger Schimmer durchstrahlte darin alte Inschriften und Cyppen aufden ganzen Wald ; dicht über dem Boden, gestellt waren . Ich gelangte zu einer überall zwischen den gewaltigen , von Zitronenpflanzung und durch eine Wüstenei Göttin Natur geschmückten Säulen dieses seltener Sträucher auf eine Insel , ringsgroßen Festsaales strahlte es auf. Es um von einem Teich umschlossen , dessen war wilder Slühender Goldregen . Breite Ufer Geranienbüsche umfäumten. In der Purpurstreifen säumten die Pfade. Cy- Mitte des kleinen Eilands erhob sich ein klamen , alles Cyflamen ! Welche Fülle hoher knorriger Erdbeerbaum , darunter weißer und blauer Anemonen am Wege ! stand eine Marmorbank und hinter dieser, Und ein Chor von Nachtigallen schlug. auf einer Grabstele, die Büste der MamIch kam an Höhlen und Grotten vor- mäa , der strengen Mutter des Alexander über , vor deren Eingängen Heckenrosen Severus. Die Einsamkeit, Verlassenheit und Verund Caprifolium als natürliche Teppiche herabhingen ; wo diese sich auseinander wilderung des Ortes machten einen tiefen thaten, schaute ich in zerklüftete Tufffelsen Eindruck auf mich. Es war im nämlichen Jahre im Oktohincin, darin üppigster Pflanzenwuchs emporstrebte. Dann , bei einem kleinen ber, als das Landhaus in Frascati von Marienheiligtum, das welke Blumen unt einem jungen deutschen Ehepaar bezogen fränzten, trat ich ins Freie : Frascati mit wurde. Die Rosen, die im Frühling geseinen Nebengefilden und Palästen , die blüht hatten , trugen neue Knospen ; sie . Campagna mit dem Sabinergebirge , die hielten das ganze Haus wie mit Zauberwänden umschlossen , rankten sich um alle Meeresfüste und Rom lagen vor mir. Und unmittelbar vor mir, weit offen, Wege , auf denen die beiden Glücklichen das Gitterthor eines Portales . Ich blickte schritten , schienen unendlich im Blühen in eine lange Allee, darin es bereits dun- und unverwelklich zu sein . Und wir blieben ; nicht Wochen und felte. Am Eingang hielten zertrümmerte Antiken Wache : es waren die Hermen Monate , sondern Jahre ; Jahre wohnten wir in dem alten Zauberpalast , in dent griechischer Heroen. Das Düſtere und Geheimnisvolle des der lezte Nachkomme eines großen Königs lebte und starb ; Jahre verbrachten wir in Ortes reizten mich ; ich trat ein . Der Gang , von einem hohen Laub- Gemeinschaft mit den stillen, schönen Gegewölbe aus Lorbeer und Steineichen gestalten von der Hand eines Unsterblichen, bildet , endigte auf einer weiten verwil welche die Decken unserer Zimmer schmückderten Gartenterrasse voll von wasserlecren ten. Und beinahe den größten Teil dieser Brunnenbecken , antiken Sarkophagen , die Zeit waren wir mit unseren Dienstboten nun als Blumenbehälter dienten , Säulen die einzigen Bewohner des großen , selbst und Statuen. Dahinter erhob sich ein noch in seinem Verfall herrlichen Besißmächtiges , altertümliches Gebäude von tums. Denn nur zuweilen kam aus Rom die großen und vornehmen Verhältnissen; aber mit unfertig gebliebener, monumental ge- Herrin : die Marchesa F ...., um einige. Frühlings- oder Herbsttage in ihrer tusdachter Fassade die Villa. Sie schien gänzlich unbewohnt zu sein, kulanischen Villa zu verbringen. Obgleich . sämtliche Fenster waren mit unförmlichen die Dame einen ganzen Troß von DienerLäden verschlossen , nirgends ließ sich ein schaft mit sich führte , störte uns in dem Mensch sehen . Die einzigen lebenden weitläufigen Gebäude ihre Anwesenheit Wesen , die ich zu entdecken vermochte, wenig. Sie bewohnte das untere Geschoß, waren ein Schwarm weißer Tauben, welche das , wic. die beiden oberen Stockwerke, um die Altane flatterten und auf den eine lange Flucht von Gemächern enthielt, deren Ausstattung hauptsächlich aus kostrosenumrankten Brüstungen hockten . Bei anbrechender Nacht umschritt ich baren Marmortischen und zahllosen Diwans das einsame Haus , das , im sechzehnten und Ottomanen bestand. Die Vergoldungen Jahrhundert gebaut, einstmals von großer sämtlicher Geräte waren verblaßt und ab-
} Richard Voß.
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Der Sohn der Marchesa. 1976
1977
geblättert , die samtenen und, seidenen | ziges Kind, einen prächtigen zwölfjährigen Preise schließlich bis auf die Hälfte heruntergegangen war , und da ich troßdem das Bezüge vollständig farblos oder gar zer Knaben. rissen, im besten Fall durch möglichst bunte, Da kam der Marchesino in den Saal Gefühl nicht los werden konnte , wie ein möglichst geschmacklose Kattunüberzüge er gestürmt. Er hatte im Turm des Garten- Schulbube überteuert worden zu sein, fiel fest. Ziegelstein der Fußboden ; giallo hauses zwei Eulennester mit flüggen Jungen meine Begrüßung des wie gesagt sehr verde oder giallo antico die Einfassung entdeckt und natürlich gleich ausgenommen : hübschen und sehr eleganten Mannes ziemder Kamine. Kein Fenster, keine Thüre vier Vögel ! Jeder der armen Gefangenen lich förmlich aus. schloß. An den vor einem halben Jahr- trug eine Schnur ums Bein gebunden, Für einen Beamten der Marchesa be= hundert zum letztenmal getünchten Wänden und das ganze lebendige Bündel ward nahm sich Herr Antonio C .... etwas unhingen die Bildnisse von Prälaten , Bi- unerbittlich bald hoch über den Kopf des geniert. Er warf sich in einen Seſſel, schöfen, Kardinälen, Vorfahren des jüngst jungen Helden geschwungen, bald wurden peitschte mit seinem blizenden Stußerverstorbenen Beſizers . Auch ein Papst damit am Boden allerlei hübsche Späße stöckchen bald seine zierlichen Stiefeletten, bild befand sich darunter. aufgeführt. Es war ein Hauptvergnügen, bald die unschuldige Luft, lachte unbändig Merkwürdig L war die Menge von An- an dem auch die Marchesa aus vollem über die in Todesangst zappelnden Eulen tiken: Büsten , Reliefs und Inschrifts- Herzen teilnahm. War dann das arme und schwaste in einer unausstehlichen, gentil tafeln , mit denen das ganze große Haus Gevögel genug gequält , so wurde es ge- nachlässigen Manier das dummste Zeug . Aber ein bildschöner Bursche war er, überreichlich ausgestattet war und welche braten : nichts Delikateres , als ein Fritto wenn auch in seinem schmalen wachsbleichen sämtlich in dem zur Villa gehörigen Grund von jungen Eulen. Daß der Sohn der Marchesa die Tiere Gesicht fein Tropfen Blutes zu pulsieren und Boden aufgefunden worden waren. Uebrigens war das meiste mittelmäßige quälte , war für einen Italiener ganz in schien ; und was seine Frisur, sowie seinen oder gar schlechte Arbeit aus der spätesten der Ordnung, und es war troßdem wirk Schnurrbart anbetraf, so mußte man entZeit. lich ein prachtvoller Junge : eine schlanke, schieden die größte Hochachtung vor ihnen Als die Marchesa - sie war seit drei anmutige Gestalt , ein zartes , vornehmes haben ; von dem schneeweißen , steif wie Jahren Witwe das erstemal während Gesicht mit großen, dunkeln, von Jugend- Pappe gestärkten Stehkragen , von seiner unserer Anwesenheit ihre Villa bezog, lust und Leben leuchtenden Augen , von gelb und golden gestreiften Krawatte und machten wir der Dame unseren Besuch. einem Wirrwarr heller Locken umstrahlt. den glänzenden Manschetten gar nicht zu Wir wurden in den Staatssaal geführt, Dabei dieses gerade zusprühende Tempera- reden . Es lag sicher nur an mir und an meiwo uns die Marchesa , umgeben von den ment ! Selbst vor den Fremden hielt Büsten römischer Kaiser und den Bild- er seine leidenschaftliche Zärtlichkeit für nem Vorurteil, daß mir der Herr, trok nissen ihrer Ahnen, empfing. seine hübsche Mutter nicht im Zügel. Von aller seiner einem jeden sofort in die Augen Die Marchesa F .... war eine hübsche sämtlichen Eulchen umflattert und um fallenden Vorzüge , recht herzlich widerDreißigerin, mit sehr dunklem natürlichem zappelt , warf er sich ihr in die Arme, wärtig war, eine Antipathic, welche zu Haar und sehr heller, künstlicher Gesichts- lachend und jubelnd , ein herrlicher Knabe, meiner Freude der Sohn der Marchesa zu teilen schien, und mit einer Offenheit und farbe. Wie wir erwartet hatten , befand dem mein Herz zuflog. sie sich es war später Nachmittag Ich sprach das der Mutter aus . Da Heftigkeit zeigte, die mich bei einem so noch im Schlafrock , der überaus elegant , ging ein heller Glanz über das sonst ziem jungen Menschen in Erstaunen sette. aber von mäßiger Sauberkeit war. Dafür lich ausdruckslose, etwas puppenhafte schöne Denn als der feine , wunderhübsche Herr hatte das Kleid eine meterlange Schleppe , Gesicht der Witwe , so daß auch sie mir plößlich darauf verfiel, mit seinem Stöddie in den Gemächern der Marchesa die plötzlich gefiel. chen die Eulen zu bearbeiten , da kam es Stelle des Besens vertreten mochte ; wcIch vergaß zu erwähnen , daß der zu einem für uns überaus peinlichen Aufnigstens war sie sicher der hauptsächlichste Knabe von seinem Erzicher begleitet wurde. tritt. Wie von der Tarantel gestochen, Gegenstand, der dort den Fußboden fegte. Das war selbstredend ein Geistlicher, ein mit bleichem Gesicht und flammenden Wir wurden sehr liebenswürdig auf jugendlicher, behäbiger, angehender Kano- Augen fuhr das Kind , am ganzen Leibe genommen. Mit einer Höflichkeit und nifus mit breitem , gutmütigem Gesicht. bebend, auf das Stöckchen los, ergriff und einem Organ, die beide echt römisch waren, Es mochte ein sehr menschenfreundlicher zerbrach es und schien nicht übel Lust zu versicherte uns die schöne Frau , daß wir Herr sein, und jedenfalls war er ein über- haben, die Stücke seinem Eigentümer ins von allem , was ihr gehörte , die Herren aus gläubiger und überaus gottesfürch- Gesicht zu werfen. Wir blieben natürlich stumm , und wären . Wir sprachen unser Entzücken über tiger Herr und überdies ein wahrer Chriſt, den schönen Wohnort aus und wie glücklich aber an dem Eulenspaß hatte auch er stumm blieb - was nicht so ganz natürlich war der geistliche Mentor des kleinen wir seien, daselbst leben zu dürfen. Dabei seine Freude. bemerkten wir zwei Dinge. Erstens : wie Auf einmal ging mit dem Knaben eine Wilden , während Herr Antonio den Verdie Dame gar keine Ahnung davon hatte, seltsame Veränderung vor ; er verstummte, such machte, die Sache spaßhaft zu neh= daß ihr Landsiz schön sei ; und zweitens : crblaßte und zog seinen Arm mit einem men, wenigstens verzog er seinen hübschen wie sie nicht imstande war, sich vorzu- jähen Ruck von dem Hals seiner Mutter Mund zu einem Lachen, aber als ich den stellen , daß jemand , der sich im vollen zurück. Ich konnte gar nicht anders, als Blick bemerkte, den er dabei dem Kinde Besiz seiner fünf Sinne befand, aus Lieb- diese auffällige Wandlung mit dem Er zuwarf, da hatte ich das Gefühl, als haberei lange Zeit in einer solchen Ab- scheinen eines jungen , sehr hübschen und müßte ich den Knaben in meine Arme geschlossenheit zu leben vermochte , ohne | sehr eleganten Herrn in Verbindung bringen, reißen, um ihn vor den Blicken des eledie Karnevalsfestlichkeiten und die Hof- der socben eingetreten und uns als Herr ganten Herrleins zu ſchüßen. Ich sah auch die Frau Marchesa an. bälle , ohne die tägliche Korsofahrt über Antonio C .... vorgestellt wurde. Diefen den Pincio, ohne die Loge im Apollo oder Herrn Antonio C .... kannte ich bereits Sie war in die Höhe gesprungen und Teatro Valle . aus Briefen. Er war der Advokat_derstand da , mit einem Ausdruck in ihrem Die Marchesa F .... besaß in Rom , Marchesa, mit dem ich wegen unserer Woh- Gesicht, an den ich oft habe zurückdenken in der Gegend von Torre di Nono , einen nung in Unterhandlung gestanden und der müssen ; es war eine seltsame, unbeſchreibPalast und im Albanergebirg das Land- dieses Geschäft in einer Weise geführt liche, mir damals unerklärliche Miene. Haus , dessen Vignen und Oliveten sie hatte , als ob die Abmietung einer Villa Darauf that sie eine Bewegung, als ob standesgemäß ernährten. Den Sommer der Handel um eine Korallenschnur wäre, sie sich dem Herrn Antonio ich kann brachte sie nach den Regeln vornehmen die mir ein listiger Sorrentiner auf der es nicht anders nennen um den Hals römischen Lebens in einem Meerbade zu : Piazza di Spagna aufschwindeln wollte. werfen wollte, um ihn für den Wutausin Viareggio oder Porto d'Anzio , und Da der Herr mich auf jede Antwort bruch ihres Sohnes zu entschädigen , und nur im Herbst hielt sie eine flüchtige Vil- wochenlang hatte warten lassen, da er von den Beleidigten für die Unart des Knaben leggiatur in Frascati . Sie hatte ein ein- dem zuerst geforderten, unverschämt hohen um Verzeihung zu bitten. Doch dann
Richard Voß.
1978
Der Sohn der Marchesa. 1979
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brach sie, ohne sich um unsere Gegenwart , unterlag, Anwandlungen, die einen immer | was es ist, aber es thut mir so furchtbar zu kümmern, in einen Strom von Thrä ernsteren Charakter anzunehmen schienen. weh. Das Herz zerspringt mir. " nen aus . In solchen Stunden mied das Kind die Damit der arme Knabe sich nur endAls der kleine Uebelthäter das sah, Menschen , ließ seine liebsten Spiele und lich beruhigen sollte , that ich , als wäre geriet er außer sich, wie ich niemals ein verkroch sich gleich einem verwundeten Tier ich ganz überzeugt, daß er nur seine Mutter Kind gesehen. Er stürzte auf seine Mutter an irgend einen Ort, wo ihn so leicht „ recht herzlich“ zu bitten brauchte , damit zu , wollte sie umfassen , wollte sie um niemand aufzufinden vermochte. Einmal alles gut würde. Da ich jedoch wußte, Verzeihung bitten, wurde jedoch von der hielt ich mich in jenem künstlichen Laby- wie die Sachen standen, und daß bei der Leidenschaftlichen Frau fortgedrängt. Als rinth von Lorbeer und Buchsbaum auf, Marchesa keine Bitten helfen würden , so der Knabe die Hand seiner Mutter an als ich ein ersticktes Schluchzen vernahm . machte ich den Versuch, das Kind freundseiner Brust fühlte, stieß er einen Weh- Ich durchsuchte die Frrgänge und stieß lich gegen den verhaßten Menschen zu ruf aus, der mir durchs Herz ging. auf den Knaben, der, das Gesicht auf die stimmen. Aber da war alle Mühe verDer geistliche Herr führte das Kind Erde gedrückt, am Boden lag, und dessen gebens . Das Gemüt meines bedauernsaus dem Zimmer. Ohne uns von der Körper von Schauern geschüttelt wurde. werten kleinen Freundes war so durch- · Marchesa verabschieden zu können, gingen Neben ihm niederknieend, wollte ich ihn drungen von Widerwillen gegen den schönen mir. aufrichten ; aber er sträubte sich heftig und eleganten Herrn , daß an gar keine MilWir wußten sehr bald , was für eine wand sich aus meinen Armen. Ich redete derung oder gar Wandlung seiner EmBewandtnis cs mit dem jungen, eleganten ihm zu, frug, was ihm fehlte, bat ihn , pfindungen zu denken war. Mit schwerem Herrn im Hauſe der Märchesa hatte; sich zu beruhigen, schalt ihn und nannte Herzen sah ich den Sohn von mir fort jedermann wußte es. Nun, uns ging die schließlich, als nichts helfen wollte, den zu seiner Mutter gehen, um dieſe zu bitten cz aus Sache nichts an. Aber der Knabe, der Namen seiner Mutter. Da brach es recht, recht herzlich! Mir fiel auf, daß ich Gino am andearme Knabe ! An den Knaben mußten wir ihm : Liebe, Haß, Schmerz , Qual, Verdenken . ren Tag nicht sah , ebensowenig am darzweiflung . So kam es, daß ich mich im Geiste ม Sie liebt ihn mehr als mich, viel, auffolgenden; es war , als hielte er sich viel mit dem jungen Sohn der Marchesa viel mehr ! Warum hätte sie ihn sonst vor mir versteckt. Am Abend des dritten beschäftigte. Ich sah ihn jedesmal, wenn immer bei sich, warum wäre sie sonst Tages gewahrte ich ihn im entlegenſten er mit seiner Mutter das Landhaus be immer so freundlich gegen ihn ? Er ist Teil der Villa , wo er mit einem Buche suchte, dessen Herr er einstmals sein sollte. doch nur unser Diener; aber er thut, als unter einem Baume saß. Ich ging auf Ich gewann ihn lieb, denn dieses junge ob er meiner Mutter befehlen könnte. ihn zu ; doch er , sobald er mich kommen Menschenkind nahm die Herzen im Sturm Sie soll ihn fortſchicken ! Fortjagen soll sie sah , stand hastig auf, als wollte er vor ein. Die Dienerschaft vergötterte ihren ihn wie einen Hund, oder ich töte mich ! mir die Flucht ergreifen. Ich rief ihn „ Signorino ", und ich bin überzeugt, daß Das thue ich ; vor ihren Augen töte ich an ; da ging er langsam auf mich zu, mit die Leute hauptsächlich um des Kindes mich ! Dann wird sie mich wohl lieb einem so blassen, abgehärmten Gesicht, als willen den eleganten jungen Herrn Antonio haben, lieber als den anderen, wenn sie wäre er lange Zeit schwer krank gewesen. Als bemerkte ich gar nichts Auffälliges haßten, den sie sonst wahrscheinlich gelassen mich beweinen muß, und sie mich begraben hingenommen hätten . Es war aber auch in der Kapelle bei meinem Vater. Ach, an ihm , redete ich ihn mit möglichster ein geradezu unwiderstehlicher Knabe, das mein Vater, mein lieber, lieber Vater !" Heiterkeit an : „Wo hast du denn gestern liebenswürdigste , innigste Gemüt , dabei Thränen und Schluchzen erstickten seine und vorgestern den ganzen Tag gesteckt ? von einem leidenschaftlichen Verlangen er Stimme ; als er wieder zu Atem gekommen, Ich wäre gern mit dir nach Tuskulum füllt, alle Menschen zu lieben und von fuhr er fort : „ Er haßt mich auch. Das gegangen. In der Nähe des griechischen allen Menschen geliebt zu werden, voll ist recht, das freut mich ; er soll mich Theaters bei der antiken Brunnenkammer heißer Sehnsucht, seine Umgebung glück haffen. Er soll mich nicht ausstehen kön weiß ich einen Fuchsbau. Wollen wir lich zu sehen, sie, wenn das ihm möglich nen. Meiner Mutter macht es Kummer, morgen hinauf?" Ein schwacher Glanz kam in seine war, glücklich zu machen. Immer von daß ich ihn nicht leiden kann; fie will, ich ncuem fezte mich die Gewalt der Empfin- soll ihn lieb haben , sie bittet mich alle Augen. Aber er schüttelte den#1 Kopf. Morgen lieber noch nicht." dung in dieser jungen Seele in Erstau- Tage, alle Tage weint sie und schilt mich. Dann am Sonntag. —— Was lieſeſt nen, immer von neuem mußte ich bewun Aber was kann ich dafür, was geht sie dern, mit welcher elementaren Kraft er der Mensch an, was kümmern wir uns du denn ?" alle seine Gefühle zu äußern verstand. um ihn ? Er ist so gemein ! Wenn er auch Schweigend reichte er mir das Buch. Freilich bemerkte ich auch, daß er unter anders thut, ich weiß es doch, ich weiß, Manzonis , Verlobte" , für die reifere dieser übergroßen Empfänglichkeit litt. daß er gemein ist. Und so feig ! Wäre Jugend bearbeitet. „ Gefällt es dir ?“ Sprach ich indessen mit dem geistlichen er nicht feige, so ließe er sich nicht von " Es ist wunderschön ! Der Renzo ist Herrn über die mich beunruhigende Leiden- | mir ins Gesicht sagen, daß ich ihn hasse. schaftlichkeit seines Zöglings, so begegnete Und wie frech er ist! Wenn mein Vater prächtig ; aber am liebsten ist mir doch ich einer wohlmeinenden, aber entschiedenen noch am Leben wäre, mein Vater würde der große Unbekannte. Das ist ein Held!' Ablehnung . Ich lachte und begann ihn wegen seiner ihn mit der Reitpeitsche schlagen. Ach, Ich sehe ihn noch, den kleinen Burschen, mein Vater ! Warum bist du gestorben ? Begeisterung für jene dunkle Persönlichkeit zu necken ; aber das Kind sah so unglückwie er in ungebändigtem Lebensdrang die Mein lieber, lieber Vater!" Allmählich weinte er sich ruhig. Ganz lich aus, daß ich bald still ward und wir Wildnisse der Villa durchstreifte, auf den Terrassen seinen Pony tummelte, in dem matt erhob er sich, das liebe, schöne Ge- nun beide stumm dastanden. Dann trieb Steineichenhain und in dem Lorbeergang, sicht von Seelenqual entstellt. Die Thrä- mich meine Liebe zu dem Knaben , meine darin auch am strahlendsten Tage Dämnen von den Wangen wischend und den Sorge um ihn ; ich faßte seine Hand und merung herrschte, mit seiner Miniatur Mund noch zuckend vor Weh, meinte er : sprach mit unterdrückter Stimme eindringflinte nach Amseln und Nachtigallen Ich will meine Mutter bitten, ihn fort fort- lich in ihn hinein: Bist du krank, Gino? fahndete; ich höre noch von der hellen zuschicken ; wenn ich sie recht herzlich darum Geh zu deiner Mutter, die dich so herzlich Knabenstimme meinen Namen rufen, höre angehe, thut sic es gewiß . Meinen Sie lieb hat, und sage ihr, was dir fehlt. Sie noch in Haus und Garten den kindlichen nicht auch? Meine Mutter erfüllt mir wird sogleich zum Arzt schicken und dich Jubel, wenn mein Liebling mit seiner ja sonst alles , um was ich sie bitte ; pflegen, und du wirst wieder gesund werden. Mutter eben aus Rom angekommen war. ich brauche nur recht zu schmeicheln , und Denke, welchen Kummer es deiner Mutter Aber mehr und mehr beobachtete ich, ich bekomm's . Sie ist so gut, meine machen würde, wenn du ernstlich erfrankteſt. Sagtest du etwas ?" wie das Gemüt des Knaben Anfällen von Mutter, ich habe sie so schrecklich lieb, und ich weiß nicht, Aber er hatte nichts gesagt. Seine tiefer Traurigkeit, von heftiger Schwermutes thut mir so weh
Richard Voß. 1981
Der Sohn der Marchesa. 1982
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Lippen zuchten so , daß er nicht sprechen | es ! Sie sprechen davon, sie lachen darüber,, hafter , ängstlich besorgter Erzieher war konnte. Ich schlang meinen Arm um ihn und wenn sie mich sehen, sind sie still und er auch er machte sich zuweilen über - und zog ihn an mich; da stammelte er : flüstern zusammen. Was ist es nur, ach, den Knaben schwere Gedanken. Denn er fürchtete , der einstige Erbe eines großen Ich habe meine Mutter gebeten ; aber was ist es nur ?" aber Niemals hatte ich ein Kind von Leiden | Namens und ansehnlichen Vermögens Die Stimme brach ihm. so ganz durchwühlt gesehen , niemals bei werde schwerlich ein frommer Christ werNicht doch, Gino ; nicht doch, mein einem Kinde eine solche Verzweiflung für den. (Das mit einem tiefen Seufzer ! ) Liebling! Beruhige dich, weine nicht . Deine möglich gehalten. Gino war gänzlich verstockt , jeder guten dir zu= Mutter wird es gewiß thun Ehe wir uns trennten , zeigte er mir Einwirkung unzugänglich. Ob er wohl Liebe, mein Junge. " um ein Beispiel zu nennen zu die Photographie seines Vaters , die er Er schluchzte: Sie war böse mit mir, seit zwei Tagen bei sich trug , damit ich seinem ehrwürdigen Erzieher Zutrauen gewie noch niemals . Sie schickt ihn nicht sie sehen sollte . faßt hätte ? Bewahre ! Man sollte es nicht fort, fie behält ihn bei sich, sie hat ihn // Das war mein Vater !" glauben, aber es war so . lieber , viel, viel lieber als mich. " Mit welchem Stolz der Knabe das Das gab ich zu . Dann , nach einem Ich rief: Nein, nein, gewiß nicht ! Du fagte ! Das Bild stellte allerdings eine längeren , teilnahmsvollen Schweigen, erbist ihr lieber , lieber Sohn , ihr einziger, ganz andere Gattung von Männern vor, laubte ich mir die Bemerkung : " Ist es füßer Knabe. Alles andere bildest du dir als die war , zu welcher der schöne junge Ihnen nicht aufgefallen , daß der Knabe ein ; es ist alles gar nicht so , wie du meinst. Römer gehörte. Der verstorbene Marchese von einer merkwürdigen , geradezu frankSignor Antonio ist deiner Mutter ein war bedeutend älter gewesen , als seine haften Erregtheit und Reizbarkeit ist ? sehr nüßlicher Beamter, er führt alle ihre Frau : ein vornehmes Gesicht , mit groß- So zum Beispiel finde ich es wirklich Geschäfte, führt sie vortrefflich, deine Mutter artigen , etwas strengen Zügen, die statt- im höchsten Grade besorgniserregend , mit ist sehr zufrieden mit ihm. Das mußt du liche Gestalt zeigte viel Haltung. welcher Leidenschaftlichkeit seine Sympadoch einsehen. Wirklich , Gino , du bist Während ich das Bild mit großer Teil- thien sowohl wie seine Antipathien sich alt genug, um begreifen zu können , daßnahme betrachtete , vertraute mir Gino: äußern. Oder irre ich mich ?“ deine Mutter deiner thörichten Eifersucht , Es gehört meiner Mutter ; ich habe es Nein , ich irrte mich nicht , ganz und wegen ihren besten Beamten nicht fort ihr fortgenommen. Denke dir: sie hat gar nicht ! Leider war es so. Diese schicken kann. Nicht wahr, du begreifft es ?" es gar nicht vermißt. In unserem Hause Charaktereigentümlichkeit des jungen MarAber er begriff es nicht. Er sagte in Rom hängt von meinem Vater ein Del- chese war seinem besorgten Erzicher längst und zwar in einem Ton, wie ich ihn noch bild. Das ist schön ! Wenn ich das nur aufgefallen. Was war dagegen zu thun? nie bei einem so jungen Menschen gehört : auch stehlen könnte ; meine Mutter würde Es war eben das Böse in der Seele des Ich habe meiner Mutter gesagt, daß es gewiß auch nicht bemerken . Aber es Knaben , welches sein Lehrer unablässig 1 ich mich töten würde, wenn sie ihn lieber ist zu groß . Nun ſieht das Bild immer, bekämpfte : mit allen Mitteln der Religion ! hätte, als mich. " wie meine Mutter und der andere bei Es war alles versucht worden , die sünAber Gino, welcher Unsinn !" ſammen sind, und wie sie freundlich gegen dige Natur des Knaben in ein gutes Er wiederholte : „ Ich habe es meiner den anderen ist. Ich wollte : das Bild Menschen- und Christentum umzuwandeln : Mutter gefagt, und ich werde thun, fiele herab und schlüge ihn tot. " alles vergebens , vollkommen vergebens ! Dics aus dem Munde von Ginos was ich gesagt habe. Lachen Sie mich nur Seine Augen funkelten , er ballte die aus . " Hände. Mentor hören zu müssen , schmerzte mich Ich lachte aber nicht ; ich dachte gar Dann verbarg er die Photographie tief. Der Knabe erschien mir wirklich unum nur ein Beinicht daran, die Sache lächerlich zu finden ; sorgfältig. Ich schloß ihn in meine Arme, begreiflich ! Da war ich nahm sie sehr ernst. küßte ihn und ging mit ihm nach der ſpiel anzuführen — dieſer Herr Antonio Gino schaute mir spähend ins Gesicht, Villa. (mein geduldiger Zuhörer machte eine unund als er darin den Ausdruck tiefster Ich konnte den Knaben, seinen leiden- ruhige Bewegung ) . Kein Mensch würde Teilnahme und Sorge gewahrte , drängte schaftlichen Schmerz und sein verstörtes | leugnen können, daß dieser Herr Antonio er sich leidenschaftlich an mich , mir zu Wesen nicht aus dem Sinn bekommen ; ein überaus einnehmender junger Mann (mein teilnahmsvoller Gefährte flüsternd : Denke dir, meine Mutter hat ich beschäftigte mich viel mit dem Kinde sei mich ausgelacht. Sie glaubt mir nicht. " und überlegte hin und her , wie ihm zu nickte beiſtimmend). Wirklich, dieſer Herr Wie kann sie so etwas glauben? Sei helfen sei. Nach langen Erwägungen ent- Antonio war ein ungemein wohlerzogener, doch vernünftig , Gino , und bedenke es schloß ich mich , mit Ginos Erzieher über außerordentlich manierlicher und gesitteter felbft. " den Gemütszustand des jungen Marchese junger Mann ; dabei der Frau Marchesa Er hörte nicht darauf. Meinen Hals zu reden. Es war eine delikate An- auf das wärmste attachiert , eine zuverumschlingend, gestand er mir: „ Dann hat gelegenheit, lässige, seiner Gebieterin treuergebene Persie mich darum gebeten , so sehr wie noch Also ich sprach mit dem ehrwürdigen | sönlichkeit. — Mein vortrefflicher Gönner nie. " Herrn , wobei ich , um auf gute Manier schaltete hier mit Lebhaftigkeit ein : „ Das "/ Um was hat dich deine Mutter ge- zur Sache zu kommen , die größten Um ist er ! Sie haben recht ! Eine Persönlichbeten ?" wege machte , allmählich dem Ziele zu feit von großer Bedeutung für die GeAber ſchäfte der Frau Marchesa.“ Daß ich ihn lieb haben möchte. Denke | strebend. "/ Gino ist ein in jeder Beziehung uns (auf der Stirn des Ehrwürdigen zeigte doch! Ich habe ihr geantwortet : Was sich eine Falte) — aber es war doch nun wohl mein Vater dazu sagen würde, wenn gewöhnliches Kind. " War er das ? Der geistliche Herr hatte einmal so , nämlich daß der Sohn der ich den anderen lieb hätte ? Da hat sie Laut aufgeschrieen und hat mich drei Tage nichts Außergewöhnliches an dem Knaben Frau Marchesa diesen einnehmenden, wohlLang nicht sehen wollen. Kannst du das bemerkt. Er faßte schwer, war träge, un erzogenen , im höchsten Grade achtungsverstehen? " gehorsam , unbändig , heftig. Dabei von werten jungen Mann nicht leiden fonnte ; „ Du hast sie cben sehr betrübt. " so fündhaftem Eigensinn ! Was er sich ja , der Knabe hatte einen instinktiven " Das ist es nicht , das ist es gewiß einmal in den Kopf gesezt hatte , das Widerwillen gegen den trefflichen Beamten nicht ! Es ist etwas anderes , ich weiß führte er aus. Kein Mensch konnte etwas seiner Mutter. Es war eine Empfindung, nur nicht was. Kannst du es mir nicht mit ihm anfangen. Die Frau Marchesa die das Kind unsäglich quälte, die es nicht geriet über den Charakter ihres Sohnes allein unglücklich, sondern auch böse machte ſagen ? Bitte, bitte, ſage es mir. “ Ach, Gino , was sollte ich dir wohl oft geradezu in Verzweiflung. Und was (der Chrwürdige gab das zu) . Alle schlimüber deine Mutter sagen können ! " für eine liebevolle, zärtlich besorgte Mutter men Regungen und Leidenschaften des der Ehrwürdige Knaben wurden durch diesen Haß geschürt; Aber die anderen wissen es doch," sie war ! Aber auch er und was für ein gewissen das konnte keiner so gut beobachten , nierief der unglückliche Knabe , alle wissen | nämlich
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mand in seiner ganzen Tragweite so gut | behielt. Nein, nein ! Der Knabe mußte Bewohner der Villa . Jene Ereignisse verstehen , wie der tägliche Gefährte des sein Unrecht einsehen , mußte seine Ab hatten im Frühling stattgefunden ; es ward jungen Menschen. ( Ja , ja ! Leider ! Oneigung überwinden, mußte aufhören, seiner Sommer, und die Zeit kam , wo die MarGott! ") Aber auch für die Frau Marchesa Mutter unablässig dieſen Kummer zu be- chesa ein Meerbad zu besuchen pflegte. mußte das schlechte Verhältnis , welches reiten und dem ganzen Hause ein fort- Welche Ueberraschung , als plöglich Gino zwischen ihrem einzigen Sohne und ihrem währendes Aergernis zu geben. Wie sollten und sein Erzieher eintrafen, und zwar zu ersten , verdienstvollen Beamten bestand, die Dienstleute das Faktotum der Frau einem langeren Aufenthalt : die Marchesa eine Quelle der Sorge und des Kunimers Marchesa achten können, wenn der eigene würde auch später nicht nachkommen. Wir sein. ( „ Schr wahr. Die arme Frau ! Sohn für diesen Herrn eine solche Ber- hörten , daß der Knabe kränkelte, daß die Aber was soll sie thun ?" ) Das war es achtung zur Schau trug ? Was sollten Aerzte ihm die Bäder von Lucca verordnet, eben : was sollte die Frau Marchesa thun ? die Freunde der Frau Marchesa davon daß er indessen leidenschaftlich nach seinem Das war der Punkt, um den es sich han halten, auf welche Gedanken würde dadurch geliebten Frascati begehrt hatte. Leider delte, um dieſen allein ! Ob denn er , der die Welt kommen ? gestattete das Befinden der Frau Marchesa Ehrwürdige , durch seine intime Stellung Und die Frau Marchesa war eine so ihr nicht , für dieses Jahr den Gebrauch im Hause, durch seine persönliche innige gute, eine so fromme Frau ! Die Seelen- der Meerbäder aufzugeben ; die Dame beTeilnahme an der Familie , durch seinen messen, die sie für ihren verstorbenen Ge- fand sich also wieder mit ihrer gewöhngeistlichen J Einfluß auf die Frau Marchesa mahl lesen ließ, machten ein Kapital aus, lichen Begleitung in Viareggio . Wie freuten wir uns , daß wir den lieben dem Uebel nicht abhelfen könnte ? ( Hm, die Almosen , die sie spendete, waren er hm ! Schwerlich — kaum ; indeſſen -") staunlich ; und auch sonst in allem Knaben nun längere Zeit täglich sehen Eben das war es er würde sich die Sache übrigen sollten, wie glückselig war auch er darüber ! indessen gewiß in Ueberlegung ziehen , er Leider sah ich mich genötigt, den , treuen Es kam indessen anders, als wir erwartet würde zu der Einsicht kommen, daß etwas Freund des Hauses , den gewissenhaften hatten : der Erzieher hütete den Knaben geschehen müßte und das umgehend ; er Erzieher und würdigen Geistlichen gerade vor uns. Dann hatten wir einen großen Schmerz : würde mit der Frau Marchesa reden und bei dieser schönen Stelle zu unterbrechen . der Dame alles auf das eindringlichste „ Ohne mich auf Näheres_einzulaſſen, Gino wurde scheu gegen uns, mißtrauisch vorstellen ; es der Mutter Ginos rund will ich Ihnen nur sagen, daß wenn Sie, und fremd. Einmal machte ich den Verheraussagen , daß von dem Bleiben oder Verehrtester, nicht helfen wollen, das Leben such , das alte Verhältnis zwischen uns Gehen des Herrn Antonio das Glück, Jhres Zöglings von diesem Herrn Antonio wieder herzustellen ; dabei brach es aus vielleicht das Leben ihres Sohnes abhinge. zu befreien , Sie dazu beitragen werden, ihm hervor : Ob es wahr fei , daß wir Es würde dem Freunde, dem Geistlichen, an dem Kinde ein Verbrechen zu begehen. keine Christen wären ? Was sollte ich dem Erzieher sicherlich nur ein Wort Wie gesagt : Sie erlassen mir wohl jede ihm darauf erwidern ? Ich konnte doch kosten nähere Erklärung. Doch dürfen Sie mich den Mann, dem der Knabe vertrauen, den Aber darin irrte ich mich , darin irrte zu Rede sehen : was mich die Sache über er verehren sollte, nicht als Lügner beich mich gänzlich. Der Freund , der Geist- haupt angeht ? Nichts , als daß ich den zeichnen ! Also bemühte ich mich, ihm liche , der Erzieher spielte bei den Ent prächtigen Knaben lieb habe. Aber das auseinanderzusehen, daß auch wir, obschon schließungen der Frau Marchesa gar keine haben Sie ja wohl auch ? Und sicher nicht von seinem Glauben, unseren GlauRolle, seine Meinung galt nichts im Hause, | fühlen Sie als Geistlicher die hohe Ver- ben hätten. Er verstand mich nicht ganz ; ſeine Stellung zur Familie räumte ihm antwortung , die Ihnen auferlegt worden aber er umarmte und füßte mich mit durchaus keinen Einfluß ein. Er hatte ist ; denn die Seele des Knaben liegt in Heftigkeit , unter den leidenschaftlichsten das oft genug zu seiner großen Bekümmer Ihren Händen. Sie haben übrigens recht, Versicherungen seiner Liebe. Den nächsten nis erfahren ; jezt hatte er sich darein er auf mich erzürnt zu sein : wie die Sachen Tag tam er zu uns in aller Heimlichkeit. geben, jest war es sein Grundsak gewor- stehen, erweist sich jede Einmischung eines Natürlich mußten wir ihm sagen, daß er den, sich in nichts mehr einzumischen Fremden als vollkommen überflüssig. Ver- das nicht wieder thun dürfte. Er war es hätte ja doch zu nichts geführt! Die zeihen Sie mir." sehr niedergeschlagen und fing an zu weiDamit entfernte ich mich. nen; dann erzählte er uns, daß er jeden Verhältnisse waren traurig, das mußte er zugeben ; aber sie waren hoffnungslos . Er Am nächsten Tag sah ich Gino nicht, Tag seiner Mutter schriebe , daß er sich hatte bereits daran gedacht, seine Verbin: hörte , daß er krank wäre und das Bett schrecklich nach ihr sehnte, daß er aber -Aber er verstummte . dung mit der Familie zu lösen ; denn in hütete ; es wurde nach einem Arzt geschickt einem Hause, wo das Wort des Geistlichen und dieser verschrieb Chinin. Der Knabe Zum Herbst wurde die Marchesa ernichts galt, konnte auch das Wort Gottes fieberte also . Die Frau Marchesa sollte wartet , denn im Herbst war der Sterbeteine Heimstätte finden , und wo dieses sehr besorgt sein. Der Patient wurde tag des Marchese , dessen Leiche in der nicht heimisch war , durfte auch seines kränker. Plöglich die Nachricht : Herr An- Kapelle der Villa beigesezt war. Der Bleibens nicht länger sein. Er wollte tonio sei abgereist. schmerzliche Gedenktag ward von der. Witwe nochmals die Sache reiflichst überlegen Sogleich besserte es sich mit dem Knaben. jedes Jahr mit großem Pomp gefeiert ; und dann dann zu einem Entschluß Tags darauf kein Fieber mehr ! Er stand die Kapelle wurde mit schwarzem Tuch fommen. auf und wollte mich sehen ; aber der Arzt ausgeschlagen , die Gruft füllten Kerzen Uebrigens um die Dinge auch von hielt für besser, noch keinen Fremden zu und Blumen , es wurden Messen gelesen, einer anderen Seite anzuschen — das mußte ihm zu lassen. Das war an einem Freitag Almosen ausgeteilt, eine Marmorbüste des er sagen: um der Laune eines Kindes gewesen ; am Montag Vormittag erblickte Verstorbenen aufgestellt. Bereits Wochen vorher befand sich willen einen verdienstvollen Beamten zu ich ihn im Garten in Gesellschaft seiner entfernen - Es war wirklich der Frau Mutter und seines Erziehers ; er schien Gino in fieberhafter Erregung; wieder Marchesa etwas viel zugemutet. Wo hätte noch recht matt, aber sehr glücklich zu sein. schlich er sich zu mir und vertraute mir : sie so schnell einen so redlichen und des Ich zweifelte nicht, daß er nach mir aus - Meine Mutter hat mir geschrieben : in ganz allein, Vertrauens so würdigen Mann finden spähte, aber ich wußte auch, daß es besser acht Tagen kommit sie sollen , dem sie die Leitung ihrer vielen für ihn war, wenn ich nicht zu ihm ging. nur mit der Kammerfrau ! Ich freue mich komplizierten Geschäfte , die Verwaltung Er entdeckte mich am Fenster, nickte mir so, ich bin so glücklich ! Und nicht wahr, ihres ganzen ansehnlichen Vermögens hätte zu und umarmte mit Heftigkeit seine auch mein Vater freut sich, wenn er im übertragen können ? Man mußte auch ge- Mutter : Das mußte ich verstehen ! An Himmel sieht, daß wir seinen Sterbetag recht sein. Jeder billig Denkende konnte demselben Abend brach die Marchesa nach heilig halten und meine Mutter um ihn es der Frau Marchesa nicht verargen, Rom auf ; Gino und sein Erzieher reisten | trauert , ohne ohne daß der andere dabei ist. " wenn sie ihrem Sohne dieses eine Mal nicht natürlich mit. seinen Willen that und ihren Beamten Lange Zeit blieben wir die einzigen Die Marchesa traf ein . Wir erfuhren,
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Hermine Diemer. Tobias flunger. 1988
1989
ohne den anderen ! (Das hatte seine daß die Dame sehr niedergeschlagen war : Tobias Flunger. sie hatte sich mit ihrem Geschäftsführer | Mutter ihm fest versprochen . ) Was für Ein Lebensbild von überivorfen . schöne Sonntage das werden würden : Er ५ Die düstere Feier verlief programm mit seiner Mutter in der Villa ! Ja in Mon- Hermine Diemer, geb. von Hillern. mäßig; unsere Dienstleute waren in heller dragone wären so viele Knaben, weit über Begeisterung : welche Menge von Blumen, zweihundert. Das sollte eine Lust geben ! er würdeundetant dann wäre, kalt ehte der Wintersturm über den groß er er ' zöge Kränzen und Kerzen, welche prachtvollen Soldat, Und wenn Krieg, in den dann fleinen Kirchhof von Oberammergau. In Schleifen! Und die Totenmesse, von den höchsten Geistlichen Frascatis und Grotta- aus dem Krieg käme er als General zu demantner Pracht strahlte die Schneekrone auf ferratas celebriert ! Und die Marchesa in rück. Dann würde seine Mutter stolz auf dem Haupt des ehrwürdigen Kofeleis umstarrt blickten die hochragenden Bergesgipfel dem neuen Trauergewande mit langer ihn sein! auf das stille Dorf unter seiner Schneenieder Aber heute war sie so traurig. Und decke. In Schleppe und langem , langem Schleier. den Sonnenstrahlen , die vom wolkenUnd wie der Marchesino geschluchzt hatte ! der fleine, prächtige Bursche verfiel sogleich Losen blauen Himmel niederglitten , gleißten Abend Am des nächsten Lages befand ich selber wieder in Schwermut. Eine Weile und funkelten Millionen winziger Eiskristalle, mich im Garten, als Gino mich aufsuchte : hielt er es noch aus ; dann meinte er, er die die Luft verdichteten und wie das zer Wir wollten stäubende Wasser eines Springquells eine ob er eine Stunde bei uns bleiben dürfe ? müßte nun wieder fort. Sein Erzieher mache den Kamaldulensern ihn nicht zurückhalten ; so ließen wir ihn leuchtende Säule im Sonnenglanz bildeten . Durch diese kalte gleißende Winterpracht auf Tuskulum einen Besuch , und seine denn gehen. Ich begleitete ihn . Unterzog cin ernster, schwarzer Mutter fäße im Labyrinth und hätte ihm wegs bat er mich, recht still zu sein, er des Neujahrmorgens 30g Zug über die beschneiten Gräber - ein schlichter, erlaubt, zu uns zu kommen. Sie sei sehr wollte seine Mutter überraschen . hölzerner Sarg war es, dem das Trauergeleite traurig, seine liebe, liebe Mutter - um Wir kamen an das Labyrinth. Nie folgte. Frosterstarrt stand man in dem fußden Vater. werde ich die Schönheit dieſes Abends ver- tiefen Schnee um das offene Grab frostig Ich brachte Gino zu meiner Frau, die gessen ! Alle Gebüsche, golden durchglüht klang die Trauermusik aus den eingefrorenen frostig die Rede des alten auf der Terrasse saß , auf welche unsere von den Strahlen der untergehenden Sonne, Instrumenten Wohnung mündete. Es war ein herrlicher die Rosen in voller Blütenpracht , die Benefiziaten - dann vernahm man das Plat, auf der einen Seite die Villa , auf Wipfel tönend von dem Nachtgesang der schürfende, polternde Geräusch des in die hartgefrorene Erde hinabgelassenen Sarges , der anderen durch die Schatten eines hoch Amseln und Droffeln. paar Tropfen Weihwasser in das offene stämmigen Lorbeerhaines der Ausblick auf Ich sah die beiden zuerst. Sie saßen ein Grab , die im Niederfallen schon zu Eis er: die von Blumendidichten durchleuchteten, auf der kleinen Insel unter dem Erdbeer- starrten, und das frierende Geleite ging ausverwilderten Gärten und auf die gewalti baum neben dem antiken Grabstein, welcher einander. gen Gipfel des dahinterliegenden Eich den Manen einer gewissen Matidia , „der Das war das schlichte Begräbnis eines waldes ; vor uns eine niedrige, mit Anti- zärtlichen Gattin " des Senators Appius Mannes, dessen Leben in der Einsamkeit ſeiner fen geschmückte Brüstung, über die hinaus Valerius gewidmet ist. So heftig erschrak | Berge verrauscht ist wie der funkelnde Quell, sich das Bild der herbstlichen, von Abend- ich, daß meine Glieder schwer wurden und der einmal an seinem Ursprung oder an einer besonders malerischen Stelle das Auge des fonne erfüllten Campagna in weiten, ich mich einen Augenblick völlig gelähmt Wanderers entzückt und dann in einem eingroßen Linien entfaltete , von den Sabiner fühlte. The ich den ärmsten Knaben zu samen Felsspalt an steiler Wand lautlos und bergen bis zur Meeresküste , von den rückhalten , ehe ich ihn fortzichen konnte, ungesehen versichert. Keine Ehrenzeichen_im etrurischen Hügelketten bis zu den Reben hatte auch er das Paar unter dem Erd- Leben, keine schwungvolle Grabrede im Tod beerbaum gesehen , hatte er gesehen , wie haben seine Verdienste gelohnt. Rauh und frostig, gefilden Frascatis . Zuerst wollte Gino wegen der trauri- seine Mutter den Antonio mit beiden Ar- wie die eisumstarrte Natur, war ihm sein gen Stimmung seiner Mutter gar nicht men umfing , wie jener Mensch seine Mutter | Schicksal gewesen , und wie der Schnee sein Grab deckt, so ist auch ihm unter dem Winter: froh werden ; doch dann gelang es meiner füßte. Frau, ihn aufzuheitern, so daß wir schließEr stieß einen Schrei aus , einen gel- schnee der Entsagung so manche Blüte er lich recht vergnügt zusammen waren. Ienden, furchtbaren Schrei, daß die beiden storben, deren sein armes Leben wohl nicht vicle hatte . Einen aufgehäuften Teller einer gewissen entsetzt auseinanderfuhren, daß ich glaubte, Und doch war es ein Herz, das warm und Art deutschen Gebäckes, das er sehr liebte, der Knabe würde bewußtlos hinsinken. ernst für die Ideale glühte, J und doch hat verzehrte unser kleiner Freund, und nicht Aber das geschah nicht. Einen Augenblick sein Haupt einst eine Krone getragen war lange, so kam der alte unbändige Gino stand er wie entgeistert ; dann stürzte er fort. es auch nur die Dornenkrone des Christus zum Vorschein. Im tollsten Uebermut Ich lief ihm nach. Aber die künft auf der Oberammergauer Passtonsbühne. Es war im Jahr 1850, als Eduard Devrient schwang er sich auf die Brüstung, um dem lichen Frrgänge hielten mich auf, ich fand überlebensgroßen Haupt eines Germanicus nicht sogleich den Ausgang , und als ich jenen berühmten Auffat schrieb , der damals Aufmerksamkeit aller Kreise auf das Pasein Stück deutschen Kuchens in den Mund draußen war, konnte ich ihn nirgends mehr die ſionsſpiel zu Oberammergau lenkte. Damals zu stecken, sich dabei weit überbicgend, so erblicken. schrieb er Worte hoher Anerkennung über den Ich ward von einer furchtbaren Angst Darsteller des Christus daß meine Frau mit einem Schrei auf, den Zeichenlehrer sprang und zu dem Knaben hinstürzte, gepackt, von einer wahren Todesangst. Tobias Flunger, dessen edle, würdevolle Haldenn die Terrasse lag im zweiten Stock Ohne mich um die beiden zu kümmern, tung, die Schönheit und das Ebenmaß seiner werk der Villa , hoch über einem mit stürzte ich dem Hause zu, um die Dienſt- Bewegungen, verbunden mit einer wunderbar Marmorquadern belegten. Plaz , auf den leute zu rufen , damit sie mit mir nach typischen Christuserscheinung, ihn, wie so viele andere mit ihm , in hohem Grade entzückte die Kapelle mündete. Gino lachte herzlich dem Knaben suchten. und begeisterte. Zu Tausenden_ſtrömten über unsere Angst, kam aber folgsam zuin Sie hatten ihn aber schon gefunden, jenem Sommer Menschen aller Nationen herrück, uns versichernd , daß der Kuchen dem in seinem Blute schwimmend , mit zer bei , immer mehr stieg der Zudrang zu dem Germanicus trefflich geschmeckt hätte ; er schnietterten Gliedern. Von der Terrasse, Passionsspiel , welches von jenem Jahre ab Lasse um das Rezept bitten . auf welcher er vor wenigen Augenblicken das Gemeingut der ganzen Welt geworden Dann berichtete er uns eine große mit uns gesessen, hatte er sich hinabgestürzt . war. Alle aber , die das Passionsspiel mit Neuigkeit: sein geistlicher Mentor ging ab ; Nach dem Begräbnis verließen auch ansahen, waren wunderbar ergriffen von der er bekam jedoch keinen neuen Erzieher, wir die Villa. Als wir nach einem Jahre rührenden Erscheinung des Heilands in der sondern sollte in einem Institut unterge zurückkehrten , konnten wir die Wohnung Gestalt des Zeichenlehrers Tobias Flunger. Jeht noch, nach 40 Jahren, erbracht werden . Das war sehr traurig, der Marchesa beziehen ; die Dame sezte zählen alte Leute vonbeinahe der Würde und Hoheit denn er mußte sich von seiner Mutter keinen Fuß mehr auf ihren Besit. Flungerschen Christus. trennen. Zum Glück kam er nach MonAber die Gattin des Advokaten An- des Das ist der Mann, deſſen Leiche man am dragone bei Frascati und jeden Sonntag tonio C ... war die Marchesa F ... Neujahrsmorge n dieses Jahres der Erde überkam seine Mutter von Rom nach der Villä nicht geworden . geben hat. Tobias Flunger ist geboren den {
1990
Hermine Diemer. Tobias flunger. 1991
1992
16. Sanuar 1816. Auf den jungen Mann, und saubern Gemach saß er an seinem Schniß- | gerngesehener Gast in dem Haus , das Wilder schon 1830 als Sänger in Paſſionsspiel | tisch, obgleich die alten , auffallend edel ge- helmine von Hillern sich in Oberammergau mitwirkte und früh ein hervorragendes Zeichen- | formten , aber von vieler Arbeit gekrümmten gebaut hat. Aus den Mitteilungen dieses seltalent zeigte , wurde der damals zufällig an: Finger den Dienst in den lezten Jahren fast tenen Mannes , dieses echten , alten Ammerweſende Univerſitätsprofeſſor Heinrich Thiersch ganz versagten. Aber Beschäftigung war ihm gauers, schöpfte sie so manchen Gedanken für aufmerksam und verschaffte ihm Mittel und noch in seinem hohen Alter Bedürfnis . Dies das Werk, an dem sie eben arbeitet. Gelegenheit, die Akademie der bildenden Künste enge Stübchen war der Hafen, in den er sich Sie war es auch , welche als Stellvertrein München zu besuchen. Nach erfolgreichem und seine Erinnerung gerettet , und das er terin einer Welt, welche das schlichte ChriftusStudium widmete er sich längere Zeit der selten mehr verließ. bild in den fernen Bergen lang vergessen hatte, praktiſchen Ausbildung, zu der ihm durch BeDa lebte das alte Paar wunschlos und bei unserem leßten Besuch im Austragstübchen ſchäftigung an den Bauten König Ludwigs I. genügsam. Zwei Töchter sind fern von der am 29. Dezember 1887 weinend an der Leiche Gelegenheit geboten wurde. Aber die Sehn: Heimat verheiratet , eine dritte war bei den des einst so gefeierten Mannes ſtand. Da lag er aufgebahrt in dem altgewohnten sucht nach seinem Heimatdörfchen, die ja allen Eltern geblieben und die Pflegerin ihrer alten Vergbewohnern angeboren ist, ließ ihn selbst | Tage bis zum Tod geworden . Zimmer, ein Schlaganfall hatte ihn rasch und Das auf eine schöne Künstlerlaufbahn oder eine Welch ein weltüberwindender Friede lebte schmerzlos in der Nacht hinweggerafft. sichere Anstellung in München verzichten. Er in dem Herzen dieses alten Paares. Das Glück Haupt etwas zurückgeneigt , die Hände über wollte wieder zurück in die Heimat , und so und die Ehren , die sie genossen, haben sie dem Bild des Gekreuzigten gefaltet, die Majeübertrug ihm die Regierung das Amt eines nicht eitel, das Unglück sie nicht bitter gemacht. stät des Todes auf der edeln Stirn, schien er Zeichen-und Modellierlehrers in Oberammergau, 's is auch ' rüber gangen, " war der Schluß mit dem feinen, scharf hervortretenden Profil mit dem selbst für die damalige Zeit geringen sat, mit dem der alte Flunger jede Erzählung und in der Verklärung, die auf seinem Antliße Gehalt von 60 Gulden jährlich. tieſſchmerzlicher Ereignisse seines Lebens schloß. lag und die Furchen des Alters geglättet hatte, So hat er, in jeder Hinsicht gebunden und Wie manche Stunde haben wir in dem wahrhaftig ein Abbild des Gekreuzigten , wie eingeengt von den kleinen und armseligen Ver- Austragſtübchen zugebracht und uns erfreut es die großen Meiſter des Mittelalters in ihren hältnissen, in der Gemeinde als Lehrer gewirkt an der Lebensweisheit der alten Leute. Da Grablegungen nicht schöner gemalt haben. Der bis zum Jahr 1867 . erzählte er uns aus den Erinnerungen seines Schein der rötlichflackernden Kerze in dem Wer hat es geahnt, was der schlichte Mann | langen Lebens, und die schönen, dunkeln Augen mit dunklem Tuch ausgeschlagenen Raum goß mit der echten Künstlerseele in seinem engen leuchteten noch in jugendlichem Feuer , wenn ein wunderbares Licht über das abgezehrte, Kreis der Kunst und dem Ideale für Opfer er sich vertiefte in Fragen der Kunst oder in marmorbleiche Gesicht , und über die Stirn bringen mußte , Opfer an Lebenskraft, an der Geist seines heiligen Spieles . Er mußte zitterte ein Schatten, wie von einer Dornenäußeren Gütern , ohne Hoffnung auf Aner- fesselnd, oft humoristisch, ja geradezu geistvoll krone, kennung oder auf den Ruhm , der in der Welt zu erzählen, und er war sich dessen so wenig Er ist dahingegangen, wie schon so mancher draußen doch noch als bleiches Gestirn dem bewußt , wie er sich der feinen und doch im heimliche Märtyrer des Jdeals in dem Ammerwinkt, der sein Alles an eine Idee gefeßt. poſanten Schönheit ſeines Weſens bewußt war. | gauer Paſſionsdorf. Unweit des Grabes des Hungern und Darben für ein Ideal , wo Er hatte ein tiefes künstlerisches Verständnis, edlen Pfarrers Daisenberger , des Wiederher- + es niemand sah , wo keine Ehren den Ent- und rührend war es zu sehen, wie er sich die stellers und Erneuerers des trefflichen Passionssagenden lohnten, und das alles ganz selbst | Stunden abgedarbt hatte, die er zu seiner Er- tertes von Pater Ottmar Weiß, ruht seine verständlich finden, das ist das ſtille Helden: holung dem künstlerischen Schaffen widmete. Leiche. tum gewesen , das der arme Ammergauer Ganze Mappen reizender Aquarelle , Skizzen Was Flunger war in der Paſſionstragödie, Zeichenlehrer geübt hat. Aber noch ein und Zeichnungen, die er in seinen Mußestunden ist ersekt worden ; Joseph Mayr ſoll an Daranderes ſtand ihm bevor. und auf Spaziergängen entworfen, zeugen von stellungstalent, nach der Aussage von Leuten, Das Jahr 1850 übergab ihm , wie schon dem Eifer und der liebenden Hingabe än seine die beide sahen , seinen großen Vorgänger erwähnt, die Rolle des Chriſtus, die er seiner | Kunst . noch übertreffen , und unaufhaltsam sproßt ganzen idealen Anlage entsprechend durchführte. Am 12. März vorigen Jahres starb seine das Talent aus dem Boden Ammergaus, In den folgenden Jahrzehnten 60 und 70–71 | Frau , die heitere, liebenswürdige Greiſin mit | immer wieder verjüngt ſich das Bildnis des spielte cr den Pilatus und zuleht Anno 80 | dem ſtarken , klugen Geist. Der Verlust er- Herrn mit der neu heranwachsenden Geneden Apostel Matthäus. Noch suchte so mancher, schütterte den alten Mann furchtbar, er hatte ration , vielleicht sogar das alte übertreffend . der zum Passionsspiel kam , den früheren unendlich glücklich mit ihr gelebt, aber : ,,'s is Aber was schwer, was vielleicht nie zu erseßen Chriſtus auf, und während der Dauer des auch ' rüber gangen," ſagte er mit seiner ge- ist , das ist der alte , demütige , ernste und für ihn hatte der Tod schlichte Ammergauer Geiſt, der in dem Alten Spieles wurde das Häuschen nie leer von wohnten Resignation, wird der wieder auferstehen Besuchern, die ihn und seine schönen Töchter, keine Schrecken mehr. Er sprach in seiner ob zu Grabe ging von denen die eine im Jahre 1870 vortrefflich jektiven, abgeklärten Weise oftmals über Leben in der heranwachsenden Generation ? Wird die Maria spielte , bewunderten und ihrem und Sterben, und das Ergebnis ſeiner Lebens- den Söhnen noch heilig sein , für was die und Väter Opfer brachten ? Möchten die AmmerEnthusiasmus begeistert Ausdruck verliehen. philoſophie war das alte Bibelwort : Aber wenn das Paſſionsſpiel zu Ende war, ist es köstlich gewesen , so ist es Mühe und gauer nie vergessen den schlichten Sinn , der sie zufrieden - den heiligen Ernst, der sie dann erlosch auch der Glorienschimmer , den Arbeit gewesen ." die Bewunderung um sein Haupt gewoben, Sein Herz hing nicht mehr am Irdischen, groß - die Einheit, die sie stark gemacht hat. wie die lehte Abendröte am Himmel erlischt, | aber er behandelte es mit der Achtung , mit Möchten aber auch alle, die mit unberufener und es fam die lange Nacht der zwischen jedem der man ein geliehenes Gut behandelt , das | Hand an einer geheiligten Tradition rütteln und aus der Verständnislosigkeit einseitiger Spiel liegenden neun Jahre , dann war er man wieder zurückgeben muß. Es ist oft einem Menschen vorbehalten, die Stubengelehrtheit heraus in die naive Seele wieder nichts mehr als der arme im Schweiße ·seines Angesichts sich mühende Mann, der sich Fehler einer ganzen Generation an einzelnen echter Volkspoesie eingreifen wollen, zu schanden werden vor dem Bild stiller Größe und neben seinem Lehrerberuf noch mit Schnißen, Mitmenschen gutzumachen . in dem er es bis zur höchsten Vollendung Von all den Tausenden , die vor Jahr- Hoheit , wie sie uns das Leben des alten brachte — ſeine Tierstücke haben in der ganzen zehnten das Ebenbild ihres Heilands in dem Flunger zeigt. Gegend geradezu eine Berühmtheit erlangt alten Mann gesehen, ist keiner ihm gefolgt bis ſich ſein Brot verdiente und nebenbei mit ſeiner | in das ſtille Austragſtübchen, in dem er seine fleißigen Frau das kleine Anwesen bewirt | Tage beschloß. Arm und unbeachtet iſt er da» Laub im Winter. schaftete, dessen Erträgnisse ihn und seine fünf | hingegangen. Er selbst hat es in seiner bescheidenen Seele nie empfunden, den GegenKinder kümmerlich nährte. Dazwischen kamen schwere Schicksalsschläge : sak zwischen damals und jest, er forderte Kränkungen und Zurückseßungen, Krankheit nichts von der Welt und hielt sie zu nichts ver: Purpurnes Laub im weißen Schnee, und Tod eine schöne , begabte Tochter pflichtet. Aber das Gerechtigkeitsgefühl meiner Schau' ich dich an, mir wird so wel ! wurde ihm in der Blüte der Jahre nach Mutter, die ſelbſt durch das Paſſionsſpiel einen langen, schweren Leiden entriſſen. Auch die so tiefen und nachhaltigen Eindruck empfangen, Da noch ein Blatt dem andern glich, treue Gefährtin seines Lebens , seine brave empfand es schmerzlich für ihn, und unwill : Durchdrangen tausend Blüten dich . 1 kürlich suchte sie dem alten Mann mit der Frau, wurde vor ihm abgerufen. Als wir den Alten im Jahr 1884 kennen Liebe und Ehrfurcht zu lohnen, die eine vor- Jetzt, da du trägst ein brennend Rot, lernten, da hatte er sich mit seiner lebhaften, ausgegangene Generation für ihn hätte haben Bist du vergangen schon und tot. Eugen Frau bereits ins Austragstübchen zurück- müssen. gezogen und das Anwesen dem Sohn überSo war der alte Flunger , so selten er M. Greif. geben. In dem ärmlichen aber gemütlichen sonst sein Haus verließ, doch ein häufiger und ¦
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Der Sammler
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Daturanstalten in der Häuslichkeit . Don
eine aufzuschiebende Thür haben, und um die Unreinlich | wie die schon erwähnten Kaninchen und Meerschweinchen feiten von dem Blechboden , vermittelst einer Metalharle und andere, geeignet. Als Bedingungen des Wohlgedeihens aller dieſer Tiere oder eines alten Tischmessers, abtrahen und entfernen zu können, muß an der unteren Hälfte der anderen Schmal wolle man nur immer folgende festhalten : Zunächſt muß ſeite gleichfalls eine solche , aber größere Schiebthür be- | der Käfig und ebenso der Schlaflaſten ihrer Größe entfindlich sein , durch diese lehtere muß sich auch der Sieb- sprechend geräumig genug sein . Sodann hat man durchboden unschwer herausheben lassen. Obwohl der Schlaf- und | aus den besonderen Eigentümlichkeiten und der Lebensweiſe Nistkasten von den meisten Nagetieren selber im allgemeinen jeder Tierart im Freien Rechnung zu tragen , also nicht recht sauber gehalten wird , so ist es doch ratjam , daß allein den Schlaffasten naturgemäß einzurichten , sondern man seinen Fußboden schwach schräg einrichte und von den Tieren auch jedesmal die Stoffe zu bieten, welche sie einer Ede aus ein Blechrohr hinab durch den Siebboden in der freien Natur suchen und in ihre Heimstätte einin die unterste Schublade leite. In diesem letzteren Fall | tragen . Ferner darf man in jedem solchen Häuschen darf die Schublade im Nistkasten fortbleiben, was insofern durchaus nur ein Paar oder eine Familie von der betreffer. ratsam ist, als durch das Herausziehen , Reinigen und den Tierart halten, weil sie sonst einander meistens griminig Wiederhineinschieben derselben immerhin eine Unruhe bei beschden und wohl gar fressen. Schließlich muß man auch ſelbſtverſtändlich für die entsprechende naturgemäße Ernährung sorgen.
Dr. Karl Ruk. Meerschweinchen und Kaninchen, weiße Mäuse und weiße Ratten , selbst ein Eichkätzchen , also die gemeinsten unserer Haustiere unter den Nagern, würden bei weitem mehr beliebt und verbreitet sein, wenn sie nicht eine außer ordentlich üble Eigentumlichkeit hätten, nämlich die, daß der Kampf mit ihrer Schmußerei ein nur zu beschwerlicher ist. Ohne weiteres die niedlichen Meerschweinchen oder Kaninchen in einer Wohnstube zu halten, auch nur in der Gesindestube oder in der Küche, iſt gar nicht möglich, eben des scheußlichen Gestantes wegen , den ihre Entleerungen verbreiten. Dennoch finden wir hier und da bei einem Liebhaber , bezüglich Züchter , eine ganze Anzahl ſolcher und Tiere, freilich nur im besonderen Nagerhäuschen Charakter und Handſchrift. dieses eben will_ich_beschreiben. Das Gestell unseres Nagetierhauses (ſiehe die AbDon bildung) ist ganz von Metall und zwar entweder aus Gußeisen oder verzinntem Eisenblech angefertigt ; die H. Amfelmann. Hinterwand besteht gleichfalls aus Blech , doch am besten aus schwarzem Eisenblech , mit einem Anstrich von ErdXIII. wachs, Asphalt oder auch Ladfarbe. Die übrigen drei Bevor wir zu einem neuen Abſchnitt übergehen, ſei Wände sind von Glas. Auf dieſem Kaſten, ſteht ein feſt-ย uns eine lleine Abjchweifung geſtaltet. In Heit 2 des schließender, doch leicht abzuhebender Deckel, dessen geschmac Jahrgangs 1887/88 von „ Vom Fels zum Meer " hat Her= voll hergerichtetes Gestellt gleichfalls aus Metall mit Füllung manu Cohn in seinem außerordentlich intereſſanten you Drahtgaze besteht. Der Sodel ist wiederum aus und lehrreichen Auffäße : „Das Auge und die Handſchrift“ Metall angefertigt und zwar als ein fester, auf vier Löwenauf Seite 360 folgendes geschrieben : „Man ſchrich bis flauen ruhender Kasten mit Schublade, welch letztere sehr zum Ende des vorigen Jahrhunderts überhaupt nur fentsorgfältig gearbeitet sein, gut schließen muß und möglichst recht Nicht allein im germanischen Muſeum zu Nürnhoch mit Sand gefüllt wird. Oberhalb der Schublade berg, sondern auch in allen größeren Bibliotheken findet befindet sich ein Boden aus rohem, schwarzem Eiſenblech, 30+ འon_tun_ མསྶ་ man Urkunden und Vriese genug , die nur senkrechte welcher ebenfalls mit Erdwachs- oder Vacanstrich versehen Grundstriche APMPANIENA zeigen. Erst im Jahre 1809 führte der ‚FORU ' sein kann , aber in der Weise durchlöchert ist , daß die Kalligraph Heinrich) %K inKrefeld die ſchräge Schrift ein, Löcher so groß wie möglich , doch nicht so weit sind , um und ſie verbreitete ſich besonders schnell, da man vielleicht es einem Bewohner des Hauses zu gestatten , daß er die envas rajcher schräg als senkrecht schreibt. " - Diese BeSchnauze bis auf den Boden Hinabſteden könne ; auch hauptung, daß man bis zum Ende des vorigen Jahrdürfen die Löcher keinenfalls scharfe Ränder haben. Auf hunderts nur mit senkrechten Grundstrichen geſchrieben Nagetierhaus diesem durchlöcherten Boden befindet sich, in einigen Löchern. habe, ist nicht richtig. Schiefe Schriften finden wir verjeſtgeſtedt, ein entsprechender, aufrechtſtehender , weitvereinzelt in Deutschland schon im 16. Jahrhundert , in zweigter , frischer Aſt , am besten von einem Obſtbaum, jür die kletternden Bewohner. An der Hinterwand ist der Bewohnerschaft verursacht werden fann , welche doch romanischen Ländern noch früher. Im 18. Jahrhundert ist die schiefe SchriftP wenigstens in der zweiten Hälfte sodann der Schlaf- oder Nistkasten angebracht, welcher in stets, insbesondere aber bei der Zucht, sorgsam vermieden des Jahrhunderts - bei den Gebildeten Deutschlands einem Häuschen mit schrägem Dach besteht , so daß die werden sollte. Halten wir nun bei der geschilderten Einrichtung die sogar die vorwiegende. Goethe z . B. schrieb von Jugend Bewohnerschaft nicht auf dem letteren siten und es vers in der an schief, ebenso Schiller und vor diesen Leſſing. Man unreinigen kann. Je nach der Größe der Nagetiere, die Schublade des Häuschens äußerst sorgfältig rein, heißem nehme z . B. die Biographie der Karoline Neüber von daß wir sie an jedem Morgen entleeren, mit Weise, sein, eingerichtet man hält, muß auch der Schlafkasten Sand hinein. Reden-Esveck vor sich und betrachte die sechzehn auf einer doch wolle man immer daran festhalten, daß es auch bei Wasser ausbrühen und frischen, staubtrodenen Seite vereinigten Handschriftproven : nicht eine senkrechte iſt wöchentlich wenigstens oft, Sichfußboden den auch geben, ihm , wie bei jeder derartigen Herbergs- und Niststätte lassen dabei ; die bekannte Neuber selbst schrieb schon in ihrem überhaupt, heißen muß: je weiter, räumlicher, desto besser. zweimal, herausnehmen , abbrühen und abscheuern fünfzehnten Lebensjahre - 1712 eine schiefe Schrift. Nist. und Schlaf im Reinlichkeit nötige die für auch und Er wird aus starten Brettern von härtestem Holz und Bedenken dies Nagetier. Je mehr die Menschen schrieben und zu schreiben gezwun= nur im Notfall von Blech hergestellt. Auch er hat eine kasten sorgen, so dürfen wir ohne gen waren , desto mehr löste sich die vom Schublade von Metall , um Schmutzereien entfernen zu häuschen in jedem Zimmer, ja sogar in einer Wohnstube Charakter der gedruckten Buchstaben. Handschrift Allerdings find tönnen, und eine Thür, um von Zeit zu Zeit, nach Auf- | aufstellen. Urkunden bis in unser Jahrhundert hinein meist nur Bei solcher Einrichtung kann uns das Häuschen , in zucht von Jungen u. f. w., das alte Stroh und derGröße , für ein Pärchen einheimischer oder mit senkrechten . Buchstäben geschrieben ; aber die offizielle, gleichen herauszunehmen und neues hineinzugeben. Das ausreichender ein solches der zahlreich eingeführten fremdländischen | schöne Schrift bestrebt sich eben, womöglich den vollſtändig Echlupfloch wird am besten hoch oben an einer Seite auch Eichhörnchen dienen; ferner fönnen wir darin, nächst | regelmäßigen und gleichmäßigen Charakter der Drudschrijft + (und nicht wie auf dem Bilde angegeben , in der Mitte) | weißen Ratten und weißen Mäusen , auch alle anzunehmen . Bekanntlich gibt es genug Kanzlisten und angebracht. Da viele von diesen Nagern, selbst Männchen übrigen Arien dieser Nager : Wander- oder Haus Kalligraphen, die Diplome, Attenstüde, Urkunden mit der und Weibchen im zusammengehörigen Paar , unfriedlich ratic , Hausund Feldmaus , Haselmaus, senkrechten Schrift schreiben, resp. malen, für ihren Hausmiteinander leben, so teilt man den Kasten wohl durch Zieselmaus , selbst Hamster u. a. m. beherbergen. gebrauch aber bedienen sie sich der schiefen Schrift. eine Wand in der Mitte und bringt dann natürlich zwei Und wenn wir, wie für Es ist für den Graphologen wichtig , dieses zu tonlehteren, den Schlaf- und Echlupflöcher, je eines am äußersten Ende , an. Um zu | Nistkasten unten auf demden anbringen , so ist statieren. der Schublade und Thür des Schlafkastens zu gelangen, das Häuschen auch für alle Fußböden Wir suchten bisher aus der Schrift solche menschliche Nager, welche nicht flettern, muß das Häuschen an der einen Schmalseite in der Mitte 84
O. Hüttig. Sumpf- und Wasserpflanzen. 1996 Eigenschaften herauszufinden , die man als Charakter eigenschaften bezeichnet, z. B. Härte, Weichheit, Festigkeit, Echwäche, Bescheidenheit, Eitelkeit u. f. w. Wir gehen nun daju über, zwei Eigenschaften graphologisch zu eruie ren, die speziell zu denjenigen des Intellekts gehören. Es find dies Intuition und Deduktion. Intuition heißt wörtlich) Anschauung, bezeichnet aber mehr als die deutsche Uebersetzung und reiht sich unter jene Fremdwörter, die sich nicht ausrotten lassen , weil jie eben mehr besagen, als in der Uebersetzung liegt, und weil die deutsche Sprache kein der weiteren Bedeutung entsprechendes Wort aufzuweisen hat. Man versteht unter Intuition diejenige Geistesanlage, fraft welcher der Mensch seine Gedanken, Urteile und Begriffe durch unmittelbare, bligartige innere Anschauung bildet; der intuitive Mensch ist schöpferisch, neigt jum Idealismus, zur Theorie, zum Dogma: er urteilt und schließt mehr nach dem Gefühl als nach streng logischer Ueberlegung Deduktion beigt Folgerung, ein logischer Schluß, wobei man vom Algemeinen zum Besonderen gelangt, im weiteren Sinne, als Gegensah zur Intuition, die Fähigkeit, durch folgerechtes Tenten die Dinge zu erkennen und zu beurteilen. Der deduktive Mensch ist Logiter, Praktiker, er untersucht und folgert, er sett meistens die Ideen der Intuitiven ins Praktische um. Der Intuitive hat 3. B. einen schöpferi. schen Gedanken , der Deduktive wird ihm die praktisch verwertbare Gestalt geben. Man braucht bloß die Geschichte der Erfindungen zu durchgehen , um die Wechselwirkung und das Verhältnis zwischen intuitiven und deduktiven Köpfen zu erkennen: fast ohne Ausnahme sind die Gedanken und Intentionen aller großen Erfindungen chon vor den eigentlichen Erfindern dagewesen : aber diese haben dieselben verwirklicht.
1997 Fanny v. d. E. , St ...... Klar , einfach, ziemlich gutmütig. Noch fein ausgebildeter Charakter. A. .. Riga. Intelligent, flar, scharf, ausge sprochener Eigensinn. Offen bis zur Derbheit; mehr Verstandes- als Gefühlsnatur. B. v. End ..., Riga. Intelligent, logischer Kopf, reizbar, eigensinnig, offen. Schreiber oder Schrei berin dieser Schrift scheint mit dem Schreiber (oder Schreie berin) der Schrift A. H. verwandt zu sein. F. Alex. , Linz a. D. Flüchtig, unbedeutend, wenig Bildung. Selbstbewußt. H. Häft . , Bremen. Nicht ohne Intelligenz, aber flüchtig und zerfahren, fritische, frittlige Natur, ziemlich scharf. R. Ruhm . , Hannover. Die vier Proben zu flein. C Mos . Linz zu falligraphisch. Marietta. Nicht ohne Intelligenz , aber flüchtig und oberflächlich. Eitel und gerne repräsentierend . Gibt gerne aus, im ganzen gut und offen , envas naiv. Befiehlt gern.
1998
Sumpf- und Wasserpflanzen. Don
D. Hüttig. Ein ehrlicher Berichterstatter muß nicht allein das Schönste aus der Natur und Garten dem geneigten Leser vorführen , sondern auch zuweilen einiges des Neuesten, soweit es sich im feinen Biergarten , im 3immer. garten oder im Gewächs mom ne hauje bewährt hat. Wir gestatten uns, vorpoumom ne riler erst unseren Lesern einige Sumpf- und Wassers pflanzen zu zeigen, die Die Zeichen für Intuition und Deduktion sind von im Sommer am Ufer des Sees oder anderen Wassers dem Michon gefunden worden und so einfach und einleuchtend, Blumenliebhaber große Freude machen werden ; sie werden daß man sich , wie bei vielen Entdeckungen , wenn sie aber sämtlich im falten Gewächshaus überwintert, nach einmal da sind, darüber wundert, daß man sie nicht dem sie im Herbst in Töpfe gesetzt worden waren. Wir früher gefunden hat: der Deduktive verbindet die einzelnen nennen zuerst eine zur Familie der Gentianeen (Enzian) Buchstaben eines Wortes unter sich, der Intuitive setzt gehörende Wasserpflanze : Villarsia Humboldtiana Hort. jeden Buchstaben besonders, ohne Verbindungsstrich. Es (Fig. 1) mit Blättern wie die unserer schönen Niren. fommt bei Deduktiven sogar vor, daß eine Anzahl von blume oder Seerose (Nymphaea alba) und sehr schönen Wörtern unter sich verbunden sind, wie Fig. 76 zeigt . weißen, start gewimperten Blumen. Die Pflanze lägt Fig. 76 zeigt eine deduttive Schrift, Fig. 77 eine intui sich leicht durch Stodteilung vermehren. Andere , doch tive. Man beachte, daß in Fig . 76 nicht nur die Wörter mehr Sumpf- als Wasserpflanzen , sind das gefüllt blü les , poumons , ne durch Haarstriche verbunden sind, hende japanische Pfeiltraut (Sagittaria japonica fl. pl., Fg.2) und das Pfeil e m fraut aus am Monte de gr вечер video (Sagittaria montefondern daß auch vidensis Hort., Fig. 3). Das Geschlecht der Sagittarien der Bunft über gehört zur Familie der Froschlöffel (Alismaceae) . 3hr chaque T dem i in ni be- Kelch ist dreiteilig , die Blumenfrone dreiblätterig , die Fig. 77. nukt wird, die Staubgefäße sind zahlreich , und auf einem fugel Verbindung mit förmigen Fruchtboden bilden sich viele Früchtchen. les herzustellen . In Fig. 77 sind nicht nur fast alle ein. Die Blätter sind meist grundständig , langgestielt und a Inen Buchstaben getrennt, u, n, m erscheinen selbst in tief pfeilförmig , also von elegantester Form. Bei Jaihre Bestandteile zerlegt, ebenjo h und a in chaque. ponica fl. pl. find die Blüten rein weiß und dicht Zu den oben versuchten theoretischen Auseinander gefüllt, wie gefüllte Hirschblüten, bei Montevidensis find fehungen und den graphologischen Zeichen müssen wir eine jie einfach, aber sehr groß und rein weiß, mit drei tief Reihe von Zusätzen und Einschränkungen anbringen , die fastanienbraunen Fleden. Weiteres ersehen wir aus den Abbildungen. Außer diesen Sagittarien gibt es noch vor der praktischen Verwertung erwogen sein mögen. Arten , die an geeignetem Plak an Schönheit den Zur Beurteilung eingegangener Handschriften ältere neueren Arten nicht nachstehen, so 3. B. die bei uns ein R. Mart ... Kapstadt. Ziemlich tlar und ener- heimische Art Sagittaefolia L. , deren Blätter tiefpfeilgisch, intelligent. Sinn für Erwerb und Geld. Damit förmig sind ; die Blumen sind weiß, am Stengel purpur fontraflirt eine gewisse Neigung zur Grübelei. Offen und rot und stehen rijpenartig am einfachen Stengel . Chiziemlich gleichmäßig. In der angedeuteten Biegung von nensis Sims. mit dreifach geteilten Blättern und tund i erblide ich Anlage zum Nachgeben, wie Sie denn generierten Lappen , einem äftigen , fnotigen Stengel und anchr pedantisch als eigensinnig sind. Das & mit zeitweilig weißen , großen Blumen . Diese Art eignet sich für den ausgeschweiftem Endstrich deutet auf etwas Phantasie, wie Wasserbehälter im Zimmer, weil sie nicht allzusehr wuchert, auch andere Buchstaben. cbenso Cordifolia Laur. mit langgestielten, herznierenDie F. Et., Hannover. 3m ganzen faufmännischer förmigen Blättern , Natans Hort. u. a. m. Duttus der Schrift, tulant. Gutmütig und offen. Leicht stärkemehlhaltigen Wurzelfnollen können , nach Leunis' affiziert, doch nicht sehr tief. Synopsis der Pflanzenfunde", zubereitet gegessen werden. Jettm . , kolin. Klarer verstandesmäßiger Kopf. Auch werden die größeren nollen mehrerer ausländischer Gleichmäßig. Sinn für Kunst oder Wissenschaft. Spar Arten , namentlich von Chinensis in China und von Obtusa W. in Nordamerita häufig als Speise benut. sam und geordnet. Etwas eitel Schwäche. Marie Jett. Ein wenig scharf ! citel ; etwas ober Von den Wasser und Sumpfpflanzen gehen wir über flächlich und den Stimmungen leicht anheimgegeben. Nicht zu den einjährigen Landpflanzen, von denen eine Schling. sehr bedeutend. pflanze , die schon vor nahezu fünfzig Jahren in den Schwiegermama (L. ), Wien. Es freut europäischen Gärten bekannt war, jetzt erst wieder hervor. mich , daß unsere Beurteilung Ihrer Handschrift in allen gezogen und als eine der herrlichsten Lianen erkannt Tunften richtig war. Das angeheftete Brieffragment: worden ist , trotzdem sie eben so leicht Samen trägt und intelligent, unter Umständen nicht offen, sinnlich, materia reift, wie ihre Berwandten. Wir meinen Mina lobata de listisch. Reine feine Natur. la Llave et Lex (Quamweit Mina Don, Fig. 4), ) ein MitLustiges Kränzchen neugieriger Mädels. glied der Familie der Windengewächse (Convolonlaceae) . 1) Rohen: Intelligent, flarer, beweglicher Geiit. Sinn Loudon, der englische Geschichtsschreiber des Gartenbaues, für Wissenschaft und stunst. Einfach und ziemlich gerade. gibt das Jahr 1841 als das der Einführung an. GeOffen. Neigung, das Zepter zu führen. Goût aristo- blüht hat jie jedenfalls 1812 im Garten der fgl . Garten: cratique. 2) Carin : Echr eitel, doch gut, start vor. baugesellschaft in London , nach welcher Pflanze die Ab= wiegend Gefühlsmensch. Blumenseele, tann auch etwas bildung im botanischen Register in demselben Jahre anheftig werden. Schwach. 3) Felicitas : Bestimmt und gefertigt worden ist . Vermutlich hat die Pflanze in entschieden. Beansprucht Geltung. Offen, llar. Etwas England feine reifen Samen ausgebildet und ist auf robuit. Kein Geishals. Verträgt den Widerspruch nicht diese Weise wieder aus jenem Garten verschwunden , der Selbstbewußt. 4) Ludmilla: Phantasie und Gefühl, allein diese herrliche Pflanze besessen hatte. Das ist leider gutmütig, bodh nicht immer fenfjam mit noch vielen anderen Zierpflanzen der Fall, die in den
Fig. 1. Villarsia Humboldtiana , dreißiger und anfangs der vierziger Jahre in den Gärten gezogen wurden; sie sind zum Teil spurlos verschwunden und nur mit wenigen ist es gelungen, sie aus dem Vaterlande wieder einzuführen. Dies ist mit unserer Mina lobata vor zwei Jahren der Fall gewesen. Beschäftigen wir uns deshalb ein wenig ausführlich wieder mit dieser herrlichen Pflanze und folgen wir darin den Ausführun gen der Herren Haage & Schmidt in Erfurt, den Einführern derselben. Die Gattung Mina , genannt nach Don Francisco Xavier Mina, merikanischem Minister, gehört zur Familie der Spomöen (Convoloulaceae , f. o.) und ist mehre ren Arten dieser Familie in Wachstum und Belaubung jehr ähnlich. Lektere ist herzförmig, dreilappig und tief ausgebuchtet. Gänzlich abweichend sind aber die Blüten, welche in gabelförmigen, aus dem Laube herausdrängenden und nach aufwärts strebenden Rispen erscheinen, und die sowohl durch ihre Form wie durch ihre Färbung von hochrot als Knospe, orangegelb turz vor dem Ausbrechen und gelblichweig in voller Blüte, einen außerordentlich fesseln den Anblid gewähren. Eine eigentümliche Schönheit dieser Pflanze besteht darin , daß sie die zuerst erscheinenden Blütenrispen während der ganzen Blütezeit behält, indem in steter Reihenfolge an deren Spiken neue Knospen entstehen ; auf diese Weise sind die Pflanzen von unten bis oben fortwährend mit Blütenrispen übersät. Die ältesten erreichen bis September eine Länge von 40-50 cm und an jeder Gabel bilden sich 30-40 Blüten aus, von denen 6-10 zu gleicher Zeit in Blüte, bezw. in farbiger nospe stehen. Die Blumen fitzen beinahe im rechten Winkel an den aufrechtstehenden Stengeln und sind, wenn ausgebildet , 2 cm lang, während die oberste farbige Knospe nur 5 mm lang ist. Das Wachstum unserer Mina ist sehr start. Die anfangs März warm ausgesäten Samen feimen schnell , die Sämlinge setzt man einzeln in Töpfe und beginnen schon nach sechs Wochen u blühen ; Mitte Mai pflanzt man sie in etwas geschütter Lage ins Freie , wo sie von Mitte Juni an sehr raidh wachsen, so daß man noch vor Ende Juli aus drei nebeneinander gesetzten Pflanzen eine über 6 m hohe Pyramide gebildet haben kann , indem die windenden Stengel ein elegant eingerichtetes Gestell dicht befleiden, zahlreiche Blätter entwickeln , zwischen denen die Blumen in leuchtenden Farben hervorsehen. An Spalieren und Wohnhäusern wird unsere Mina leicht zwei Stodwerke hoch und erlangt eine bedeutende Entwickelung in die Breite, weshalb man, damit das Ganze nicht allzu wild ausfehe, die Stengel mit Wollfäden am Spalier oder an einzelnen Nägeln befestigen muß. Eine schöne Staude ist Cavanilles Lobelie (Lobelia Cavanillesi Roem. et Schult., Fig. 5) , die
Fla. 2. Japanisches Pfeiltraut
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Litterarischer Jahresbericht. — 2000 1999 2001 schon vor fünfzig und mehr Jahren aus Neu-Spanien | sehen erregte bei ihrem Erscheinen „ Syſtematik der Koch- , für die Biblio= in Europa eingeführt wurde , aber fälschlich als Warm- | kunſt (illustriert) von Dr. 2. Naumann, zweite Auf- thet von Schulhauspflanze gezogen wurde, weshalb sie bald wieder ver- lage (G. Schönfeld , Dresden) , welche auch wirklich in vorständen, Lehloren ging . Wenn man aber die Pflanze im Freien umfassendster, pünktlichſter Weise das Beste bietet , aber rern und Eltern, zicht , in Töpfen oder ausgepflanzt , wie bei anderen Lo- in der Anordnung auf je ein Normalrezept hinzu durch und durch) belien oder krautartigen Pflanzen , sie läßt sich sogar recht weisen ein förmliches Studium zu verlangen scheint magvoll, ein= gut als einjährige Pflanze behandeln, denn die im Februar und daher für den „ beschränkten Unterthanenverstand der sichtig und ausgesäten Samen haben Pflanzen gebracht, die anfangs meisten Köchinnen wohl zu hoch sein möchte , und dann wohlwol August blühen und noch sehr gut reifen Samen bringen. | ſind vielfach Extrakt- und Gewürztompoſitionen angegeben, | lend geha:Die Blüte der als Sommergewächs oder als Staude über- welche für viele Küchen zu lostspielig sein dürften und inten, und Derz winterten Pflanze wird im nächsten Jahre früher er- anderen nicht beliebt sind . Endlich sind soeben erschienen scheinen und vollkommener erscheinen als die der im „ Das Hauswesen“ von L. v Pröpper , für einfache spricht eine Februar angesäten Eämlinge , welch letztere doch durch Verhältnisse bearbeitet, mit dem Motto , welches Viktor wi späte Aussaat zu prächtigen Winterblühern sich verwan v. Scheffel einem jungen Blaustrumpf ins Album ſchrieb : Uebe früh dich, hauszuhalten sentdeln lassen . Was diese , Lobelie ganz besonders auszeich Und tüchtig in der Küche zu schalten ; net , ist die herrliche und in dieser Gattung bisher unbeEin gut Gericht Lannte Farbe der Blumen, ein helles, leuchtendes EcharIst auch ein Gedicht. ladrot mit orangegelber Lippe. In die bisher schon zahlreichen Spielarten und Sorten der Lobelia (Englin & Laiblin , Reutlingen) und „ Sparſame Küche, cardinalis , fulgens und syphilitica fommt mit dieser mit besonderer Berücksichtigung der Reste", von 2. Einführung eine ganz neue, auffallende Form und Farbe, v . Pröpper (Anton Puftet, Salzburg), beide hübſch_ausdie eine große Bereicherung der Spielarten in nahe Ausgestattet und von der Presse schon mehrmals lobend erwähnt. sicht stellt. Die Pflanze eignet sich sehr zur Topfkultur Hausfrauen wird sich als müßlich erweisen das bei als Markt- und Zierpflanze für alle Zwecke , sowie auch Edler & Krische in Hamm erschienene דKochbuch zum zu schönen Blumengruppen ; die zierliche, hellgrüne Bez Eintragen bewährter Kochrezepte ", ein stattlicher Halblaubung und das weithin leuchtende Gelb und Rot der Franzband mit allgemeinen Regeln zur Kochkunst , zumn Blumen werden sie für solche Zwede sehr beliebt machen. Hauptteil aber mit leeren Blättern zur Eintragung irgend-Eämtliche hier genannte Pflanzen sind als solche oder wo in Erfahrung gebrachter Kochrezepte , über die ein in Samen bei Haage & Schmidt in Erfurt vorrätig, Sachregiſter anzulegen, praktische Gelegenheit geboten ist. ebenso das verbesserte Alpenvergißmeinnicht Vit. Zu den mancherlei Hausfrauenbüchern gejcllt sich ein neues : toria von niedrigem , gedrungenem und beinahe kugels P Hausfrauen-Brevier “ von B. Klarent (Straßburg, förmigem Wuchs, großen, himmelblauen Blumen in dicht. Schulz & Ko . ) , das viele praktische Winte enthält. gedrängten Dolden und mit eigentümlichen, zum Teil gefülten Mittelblumen. Die Pflanzen erreichen eine Höhe Gesundheitspflege. liche von nur 12-15 cm und einen Umfang von 40-50 cm, und Die Zahl der auf dieſen Gebieten im Laufe des lehten | För. bilden schöne Rosetten mit 20-30 Blütenstengeln , deren leider derung Jahres erschienenen Schriften ist eine sehr große gewinnt der Leser in gar vielen Fällen den Eindruck, daß der bis nicht Erfahrung , Darstellungsgabe und ideale Rückſichten | her weden Plan zu dem Werke gründeten, sondern lediglich)_da? | nig] (rs Bedürfnis des Verfaſſers , ſeinen Namen bekannt werden folgreichen zu sehen und ein oft genug sicher recht kärgliches Honorar Bestrebun einzuheimsen. Vielfach scheinen auch wirklich die Ansichten gen auf die noch dahin zu gehen, als ob dem Laien mit einer Beschreibung jem Boden . von Krankheiten und mit der Angabe von Heilmethoden Eine durch) gedient ſei, während jedem Arzte die einfache Ueberlegung | Kürze, Deuts Fig. 4. Mina Lobata . fagt und die tägliche Erfahrung bestätigt, daß mit ersterem lichkeit und Richnur Irrtümer , Berkennung wirklicher und Vermutung tigkeit wertvolle von Wert die nicht vorhandener Krankheiten, mit letterem lediglich die Zusammenstellung einschlägigen ArKurpfuscherei und ähnliche Schäden gefördert werden. Vor der „ Grundsäge beiten von dem Studium solcher Krankheits- und Kurierbücher kann für die Pflege des Boas, „Diät Kindes im ersten nicht eindringlich genug gewarnt werden . und WegUm so erfreulicher berühren manche der Schriften, Lebensjahr gibt in weiser für Magenwelche es sich zum Zwecke gesetzt haben, über die Bedin- seiner so betitelten, nur fraufe * (Berlin, gungen des Lebens , über die Pflanzung und Erhaltung | 16 Seiten zählenden Steinitz , 1887) der Gesundheit zu belehren . Eine durch Gehalt und Form Schrift Dr. Custer (Zürich) , und Berger , hervorragende Darstellung der chemischen Vorgänge unseres Schröter & Meyer , dritte 19 Diät und förperlichen Lebens, z. B. bei der Atmung, der Ernährung, Auflage, 1887 ). Das Heftchen Wegweiser bietet Johnstons Chemie des täglichen Lebens“ in der follie auf dem Tische teiner jungen für Blutzweiten Auflage der Neubearbeitung durch Dr. Fr. Dorne Mutter fehlen! Für die Kost der arme bluth (Stuttgart, Carl Krabbe, 1887) ; eine solche Lehre Erwachsenen erteilt Reitlechner (im glei= vom Leben -arbeitet der Geſundheitspflege auf Schritt_und | in „ Unſere Nahrungsmittel“ (Wien, chen Tritt bestens in die Hände. Der letzteren direkt widmet Faesh, 1887, 72 Seiten) ſchäkbare Winke; Verlage) ; sich Kaftans „ Gesundheitspflege (Verlin, J. Seine, für bestimmte Gruppen von Kranken sind Patienten 1887) , die auf 263 Seiten die bekannten Lehren der Hybeide Werkchen sind sehr geeignet , Arzt und Fig. 3. Pfeiltraut aus Montevideo. gicine in angenehmer Form zusammenstellt , ohne Neues gemeinsam zu dienen. Ebenso wollen enger abgegrenzten Zweden folgende 3zu bringen , aber mit sorgfältiger Benutzung auch der jeder einzelner sich wieder mehrfach verzweigt. Sie Sie eignet eignet neueren Litteratur , besonders in der Ernährungslehre . Schriften dienen : Keibel , „Wie sollen wir rauchen ?Beeten, Einfassung, und zur Verwendung Weit höher stehen die „Vorlesungen über Gesundheits. (Berlin, Hampel , 1887) und Huperz , Lungengymna eigenenten sich Teppichbee bei zu . Pflege von Prof. Rosenthal (Erlangen, Eduard - Be- | stik" (Berlin, Heuser, 1887), während Angerstein und fold, 1887 ; an 600 Seiten). Sie sind rein wissenschafts | Edler , Hausgymnaſtik für Gesunde und Kranke" lich gehalten und zum akademischen Studium bestimmt, (Berlin, Th . Enslin, 1887) eine höchst schätzenswerte Beauch wie kein zweites der vorhandenen Lehrbücher für reicherung der Litteratur über diesen noch längst nicht ent Litterarischer Jahresbericht. diesen Zweck geeignet, aber sie empfehlen sich durch die sprechend seiner Vedeutung für das öffentliche und pers (Schluß ) lichtvolle und fesselnde Darstellung jedem wahrhaft Gersönliche Wohl gefchätzten Gegenstand bringen. Körperübung bildeten, der sich eine ernsthafte und erschöpfende Belehrung und Reinlichkeit vergleiche hierzu Laffars Schriſtchen Hauswirtschaft. in dieſem hochwichtigen Fách verschaffen will. Jedes &a- Ueber Volksbäder“ (Braunschweig, Vieweg u. Sohn) spielen in Deutschland noch lange nicht die Rolle, welche Von der so vielfach thätigen Frau Lina Morgens pitel des sie in manchen auderen Ländern schon seit Jahrzehnten slern haben wir ein Univerſalkochbuch“ (Hermann, Werkes ist zum Vorteile des Volkswohlstandes einnehmen. Berlin) und von Frau Ottilie Ebmeyer Die gute | von hohem Kilche ", zweite Auflage (Velhagen & Klaſing, Bielefeld), Intereſſe. "„Warnungstafel und Wegweiser zugleich auf dem beide sehr reichhaltig und ersteres, ähnlich dem Davidis | Unter den immer dornenvoller ſich geſtaltenden Wege des Menſchen geiſtes durch die Kämpfe des Lebens ist „Die Diätetik des schen, die einfachsten Rezepte (teilweise aus der von der Schriften, Geistes ย von Dr. Fr. Scholz , Direktor der KrankenVerfasserin geleiteten Berliner Vollsküche), sowie die fein welche ein. ften enthaltend, ferner viele Originalrezepte fremdländischer | zelne Teile und Irrenanſtalt zu Bremen (Leipzig, E. H. Meyer, 1887 ) Küchen und einen sehr wertvollen Artikel über „ Ernährung des großen Der geiſtvolli Verfaſſer betrachtet nacheinander die Ursachen des Menschen auf den verschiedenen Lebensstufen“ . Bei Frau Gebietes und Erscheinungsforinen der Nervosität unserer Zeit und behandelt die bedeutsamen Fragen der Hebung und VerEbmeyer ist noch der überaus praktische Küchenkalender, der Hygicine mit Angabe, was jeder Monat an -Lebensmitteln liefert, behandelu, meidung diefer Leiden, wie ſie durch Veächtung der Verund je mit einem netten, plattdeutschen Verse eingeleitet, steht obenan erbungsgejeke, durch Ausbildung des Körpers, Erziehung Engelhervorzuheben. Dagegen bringt Frau Christiane Stein von Charakter, Verſtand und Fertigkeiten und Selbstzuchi brecher in ihrem „Nenen Koch- und Wirtſchaftsbuche“ horns geschehen kann. Die Geſundheitspflege des Geiſtes, welche in diesem Buche gelehrt wird , verdient das Studium der 12 Schul. (Otto Spamer, Leipzig) neben vielen guten Rezepten für Denkenden ! Nüche und Haushalt und einem Müchenkalender für Speiſe. gesund. heitskammer und Keller, einen täglichen, dreifachen Speisezettel Zu den Zeichen der geistigen Ueberreiztheit unferer für große, mittlere und einfache Haushaltungen. Ein recht pflege“ Zeit gehört zweifellos die recht allgemein verbreitete Dieposition für den Hypnotismus . Wer sich über dieſe Veraumütendes, nützliches Werk ist „Deutſches Hausfrauens | (Stuttgart, Carl hältnisse in historischer und praktischer Richtung genauer buch von E. Tafel (Julius Joost, Langenberg), und bei den Kapiteln : „Die Gäſte des Hauses , Vorbereitung Krabbe, zu orientieren wünſcht, als es die Auffäße dieser Zeitſchrift zu Gesellschaften , Deden des Tisches , Servieren , Trans 1887, 181 gestatten, findet eine erschöpfende, durch eine Anzahl guter Seiten). fchieren (illustriert) , Abnehmen , Verwenden von Neften Abbildungen , zum Teil Photographien , ſehr verſtändlich und Abfällen“ köunten ſelbſt erfahrene Hausfrauen wohl Dies Buch gemachte Ueberſicht in Geßmanns „Magnetismus und noch lernen. Auch „ Die Heimat der Frau. Ein Brautz | deß verdienHypnotismus“ (Band 35 der Elektrotechniſchen Vibliothek, geschenk für Deutschlands Töchter" von Klavd ten würt. Dr. O. D. Wien, Hartleven) . Schott (Leopold Müller, Zeit) enthält viel Gutes, und tembergis Botanik und Gartenbau. unter anderem ein sehr verständiges Wort über Hochzeitsi | schen Oberreifen “, welches aber, wie ja leider die meisten verstän- amtsarztes A. Engler , Profeſſor und Direktor des votanischen Gartens in Breslau , and R Prantt, Professor der Fig 4. Cavanilles Lobelte. digen Worte, wohl unbeachtet bleiben wird. Großes Auf- | iſteine Perte
Litterarischer Jahresbericht. Trinkſpruch. 2004 2003 Botanik an der Forstlehranſtalt Aschaffenburg, mit zahl. | Bleichen und Färben von Gräsern, Blumen und Blättern, I obstkultur und Verwertung des Beerenobstes zur Weinberei. reichen hervorragenden Fachgelehrten : 1 Die natürlichen auch deren Verwendung zur Anfertigung von Kränzen, tung u. s. w . " Mit Anhang : n Die Kultur des WeinPflanzenfamilien mit ihren Gattungen unda wich. Blumensträußen, Blumentissen und jeder Art von Bin stockes in Bergen , Gärten und Spalierwänden". Mit tigeren Arten, insbesondere der Nuspflanzen. Das derci" . Nebst einem Anhange : Der Obstbaum und Weins 51 Abbildungen. Oranienburg, 1887. Verlag von Ed. FreyMit der beinahe vollständigen Wiedergabe des Wert, welches bei Wilhelm Engelmann in Leipzig in diesem stock in Töpfen. Mit einem Titelbilde ( Wintergarten") hoff. Jahre zu erscheinen begonnen hat, wird 300-330 Bogen und 112 in den Text gedruckten Abbildungen . Haupts Titels wäre über das Buch eigentlich genug gesagt, denn Ler - 80 groß und verteilt sich in Lieferungen von je 3 Bogen sächlich für den Liebhaber bearbeitet, herausgegeben Oraniens fie gibt den verständig geschriebenen Zuhalt genügend an. Stärke; in jedem Jahre erscheinen ungefähr 50 Vogen. burg 1886 von Ed. Freyhoff. Aber der Herr Verfasser ist wahrscheinlich noch sehr jung D. Hüttig, Grundriß der Lehre vom Garten und versteigt sich für seinen Zweck : die Ausbreitung der Das Werk wird ein Gesamtbild der Pflanzenwelt in systema tischer und doch allgemein verſtändlicher Weise zur Darstellung bau" . Drei Teile. Leipzig, 1886. Karl Scholtes Verlag. Anpflanzung von Beerensträuchern und Verwertung ihrer bringen. Die Abbildungen, welche genau bis ins Innerste Der erste Teil mit 21 in den Tert gedruckten Abbildungen Früchte, zu Behauptungen , die er in einer zweiten Aufder Pflanze die Zellen, Blüten. Samen, Knospen, Blätter, | enthält : „ Allgemeines" , d. H. Erklärung der Abtür Lage, wenn er sie erlebt, sicher streichen wird . So z . B. die Härchen u. f. w. in feinster Weise darstellen , begünstigen zung im Buche vorkommenderAutorennamen . Die Haupt- Seite 2, daß die Franzosen zwischen ihren Weinstöcen ganz besonders das Studium jedes einzelnen Gewächses, gruppen der Pflanzen : Blüten- und Geschlechts Johannis- und Gichtbeeren bauen, während im Gegenteil weshalb man erwarten darf, daß ſowohl Botaniter von pflanzen, Blütenpflanzen, blütenlose Pflanzen u. a. Die jeder Weinbauer dafür sorgt, daß die Sonne die fahle Fach. wie einigermaßen vorgebildete Laien (Schullehrer Organe der Pflanzen : Zelle , Wurzel , Stamm, Bodenfläche zwischen den Weinstöcken bescheine , wodurch ganz besonders), Apotheker, Aerzte, Gärtner, Forsts und Stengel oder Sproß , das Blatt , die Haare , die Blüte ; allein dieWahrscheinlichkeit gewonnen wird, daß die Trauben Landwirte , wiſſenſchaftliche Reiſende und Ansiedler eine Befruchtung , die Frucht, der Same. Die Ernährung genügend groß und reif werden, auch ihrem Weine „ die Fülle von Anregung und Belehrung finden werden. der Pflanzen: Aufnahme der Nahrungsmittel , die Blume" nicht fehle. Ein erfahrener Gärtner würde auch Die Einteilung des Wertes ist folgende : I. Krypto- Grundstoffe, die Nahrungsmittel, das Wachsen der Pflan- beim Tiefgraben (Rigolen) die Einteilung der Fläche (S. 15) Vär zen. Die Vermehrung : geschlechtliche und ungeschlecht- | so machen, daß auch der letzte Spatenstich in die erste Grube Schachtelhalme, Farue, Moose, Algen, Pilze, gamen : lappe u. s. w. zuſammengestellt von K. Prantl. - II. Pha- liche Vermehrung der Pflanzen durch Stecklinge, Schnitt- geworfen werden kann, ohne den Karren anzuwenden ; das nerogamen: Gymnospermen, z. B. Gingto , und ein- linge, Beredeln. Die Anlage des Gartens : Lage, versteht selbst die einfachste Berliner Gartenarbeiterin. janenlappige Angiospermen, bei denen die Samentnospen Klima, Boden, der Regenwurm , das Wasser, der Schuh. Der S. 39 gemachte Vorschlag, die Wirkung der Sonnenin einem Fruchtknoten eingeschlossen sind . Wir nehmen Die Einteilung des Gartens : der Plan, Wohn- wärme durch vergleichende Versuche festzustellen , scheint an, daß die hohen Ziele, welche die Herausgeber sich ge- haus und Ziergarten, Rasen, Park, Gemüsegarten, Spargel, überflüssig, denn solche Versuche haben schon seit einem steckt, auch erreicht werden, obwohl altgewohnte Familien , mit Pflanzung und Pflege nach eigener naturgemäßer, Menschenalter stattgefunden, und deren Erfolge sind leicht Abteilungs- und andere Namen anderen, doch wohl neueren billiger Art und Weise. Der Obstgarten. Die Pflege nachzuweisen. Die Worte zur verkehrten Zeit" find in haben Plaß machen müssen, weshalb einem das Studium des Gartens : Blumengarten, Park ; Gemüsegarten ; Schriften ebensowenig gebräuchlich wie der Name Tendes Wertes , soweit es erschienen ist , etwas erschwert | Wechselwirtſchaft u. s . w . Obstgarten : Beschneiden , thredo Ribo ſtatt Fidonia wawaria L. für die Johanniswird ; wir wünschen ihm trotzdem den besten Erfolg. Ein Bewässern, Düngen u . s. w . Der Weinstod im Garbeerraupe (Schmetterling) oder Geometra Grossulariata fleines He then, in welchem die botanischen Kunstausdrücke ten : der Bau und die Pflege, Bewässern, Düngen, schäd- für Zerene grossulariata L. für den Stachelbeerspanner. verſtändlich erklärt ſind, iſt dem Werke kostenlos beigelegt. liche Tiere. Den Hinweis auf zahlreiche Druckschler wie S. 93 u. a. Rieses R Wohnungsgärtnerei " . Leichtfaßliche An = | Zweiter Teil: Die Kultur der Topf- und glauben wir dem Drucker ersparen zu sollen. leitung, Blumen und Blattpflanzen mit Erfolg ohne Kübelpflanzen Thomas Nievers : „ Die Obstbaumzucht´in wie auch das Treiben der Nutumständliche und kostspielige Einrichtungen in unseren und Ziergewächse mit den Gewächshäusern de bo- Töpfen oder Kübeln" (Topforangerie). Dritte ver= Wohnräumen zu halten , zu pflegen und zu ziehen. tanischen Gartens in Kopenhagen als Titelbild und 53 in Auflage von J. Hartwig , großherzoglich sächbesserte Mit 216 Abbildungen, darunter einige Originale. Berlin . den Text gedruckten Abbildungen : Gewächshäuser, Mist- fischem Garteninspektor Weimar. Verlag von C. F. Voigt Berlag von Paul Parey. 1887. Den Zweck des Buches : beet , Talusmauer u . a. Näume zum Treiben der in Weimar. Gr. 89. in M. 1.dem Laien das Ziehen und Pflegen von Zimmerblumen | Nuß- und Zierpflanzen , wie auch zur Pflege der= Died: Preisverzeichnis der Baumschulen Dr. zu erleichtern, und den guten Willen des Verfassers, diesen selben. Erwärmung , Luftwechsel und Feuchtigkeitsgehalt des Ritterguis Zöschen bei Merseburg ", der größten Zweck zu erreichen , ersicht man aus dem Titel, den wir Gewächshäuser. Zur Kultur der Topf- und Gehölzsammlung (über 5000 Arten und Spielarten) der deshalb vollständig wiedergegeben haben. Jedes von den der Kübelpflanzen. Das Treiben und Zurückhalten Welt, ein wiſſenſchaftliches Werk mit genau bestimmten zahlreichen Gartenbüchern, die im Laufe der Zeit im Buch von und Blattpflanzen , die Angewöh. botanischen und deutschen Namen , Autoren, Angabe der handel erschienen sind, hat ein mehr oder weniger großes nung. BlütenDas Treiben von Gemüse und Obst , auch der Familie und der Dauerhaftigkeit in unserem Klima, ein Kapitel über Zimmerkulturen , und wir können von dem , welches weder ein Landschaftsgärtner vorliegenden Buche eigentlich nicht sagen, daß es uns etwas Ananas, Dritter Teil : Der Schulgarten mit einem aus Nachschlagebuch (Gartenkünstler) noch ein Gehölzzüchter wird entbehren Neues bringt, oder daß es auf seinen ungefähr 310 Seiten führlichen Gartenkalender , d. h. Erinnerung an die | können. Abgabe kostenlos (gratis) . -die Pflege unserer Zimmerpflanzen erleichtert , denn es Arbeiten jedes Monats im Zimmer , Zier-, Gemüse- und Professor Dr. B. Frank: 1 Die jezt herrschende mischt Sommerblumen, Stauden, Kalthaus- und Warm- Obstgarten. Ueber den Nutzen und die Notwendigkeit von Krankheit der Süßkirschen im Altenlände" . Berlin, haus- (Zimmer-) Gewächſe allzu oft durcheinander, während Schulgärten , besonders auf dem Lande. Unterricht im Parcy . ein eigenes Kapitel dieselben Pflanzen gerade nach den Gartenbau für bereits angestellte Schullehrer. Anlage, bei P. Jäger und L. Beißner : „ Die Ziergehölze 3. Wärmegraden der Ueberwinterungsräume ordnet, so daß Einrichtung und Pflege des Schulgartenz. Der Garten Garten- und Parkaulagen” . Alphabetisch geordnete man mehr verwirrt als belehrt wird. Neu ist und einen kalender, ein ſelbſtändiges Lehrbuch der Blumens, Gemüse- der Verwendung aller bis jeht näher Wegweiser in der Pflege der Palmen gibt die Einteilung und Obstzucht. Mit dem eigenen Plane eines Schulgartens Beschreibung, Kultur und und ihrer Abarten , welche in derselben in Meeresstrand- , Ufer , Wald- , Land- und als Titelbild und 24 in den Text gedruckten Abbildungen. | bekannten Holzpflanzen und Ländern von gleichem Klima im Freien Gebirgspalmen. Die Einrichtung der warmen , mäßig O. Hüttig: Der Weinbau im Garten" . Leipz Deutschland können, nebst Bemerkungen über ihre Be= werden gezogen warmen und frostfreien Wohnräume wieder Keller u . s . w.ist zig, 1887. Karl Scholkes Verlag. Mit einem Titelbild: und mit einem Anhange über ausführlich beſchrieben. Im übrigen hätten wir viele Fremd Ein wachsendes Stück des Weinstocks und 41, meist nach nutzung zu anderen Zwecken und Aktlimatisation der Gehölze. Einwörter (z. B. Drosophor oder Refraichisseur statt Taus der Natur gezeichneten, in den Tert gedruckten Abbildungen Anzucht, Pflanzung Baumschulen- und spender, Etiquettes und Etikettes statt Namentafeln , en Das Buch gibt eine durchaus wissenschaftlich gehaltene ausgezeichnetes Handbuch für Gärtner, Gartenbesitzer, Forstmänner u. s. w. Zweite vermehrte miniature u. v. a.), ebenso viele Drudfehler (Farren statt Beschreibung des Weinstocks, seine Vermehrung, Pflanzung Farue oder Farn, Convalaria statt Convallaria, Ver- und weitere Erziehung, und das Ganze ist so gehalten, und verbesserte Auflage . Gr. 80. Verlag von C. F. Võigt bena triphylles statt V. triphylla u. v. m ) gern vermißt, daß das cine naturgemäß aus dem anderen folgt , als in Weimar. F. Sander in St. Albank, England, und wiſſenebenso die S. 52 als Zimmerpflanzen aufgeführten Arten von fönne es nicht anders sein. Verfasser hat sich wohl während P Nadelhölzern . Schließlich noch die Bemerkung, daß in 40 Jahren mit dem Weinstock beschäftigt und zuletzt außer schaftliche Autoritäten : П Reichenbachia. Chromolitho graphische Abbildung , Beschreibung und Kulturs einem Buche des Jahres 1887 Angaben nach Fuß, Zou ordentliche Erfolge erzielt. Das Buch enthält auch aus und Lot recht komisch erscheinen . Das Buch zeichnet sich führliche Abhandlungen über die Krankheiten und Schade- anweisung der schönsten Orchideen". Berlin, Paul Verlag . durch gutes Papier, schönen Drud und prächtige Ausstiere (Reblaus u. f. w .) des Weinstocks , schließlich auch Pareys Karl Weichardt , Architekt in Leipzig : „Motive stattung aus. Möchte es recht viele Lejer finden ! Anweisung zum Treiben im Hause, Kasten u. s. w , auch H. Jäger, großherzoglicher Hofgartenizspettor in zum Zuridhalten, um frühe Trauben zu erhalten. zu Gartenarchitekturen , Eingängen , Veranden, Eisenach, Ernst Benary, Samenhändler und Pflanzen Besonders hervorzuheben ist die Gewohnheit des Verfassers, Brunnen, Pavillons, Bädern, Brücken, Ruheplägen, züchter in Erfurt: „ Die Erziehung der Pflanzen aus deutsche Worte anstatt der beim Weinbau im Garten Terrassen, Freitreppen u. f. 1. 25 Blatt, enthaltend Samen". Ein Handbuch für Gartenfreunde, Gärtner und noch allzuviel gebrauchten Fremdwörter zu gebrauchen 20 Vorschläge und etwa 100 flüchtige Entwürfe und 6 TaEinzelnes . Verlag von C. F. Voigt in Weimar. Samenhändler. Leipzig und Berlin. Kommissionsverlag Das billige (2,40 M. ) und doch so wissenschaftlich be- feln Friedr. Hud in Erfurt: „ Unsere Honig, und von Otto Spamer. 1887. Dies Buch mit dem Zwecke, die arbeitete wie praktische Buch ist jedem Weinzüchter, auch Bienenpflanzen , deren Nugen, Kulturbeschreibung Erziehung_der_Pflanzen aus Samen zu lehren, ist dem. dem Winzer, ein guter Ratgeber. Die Ausstattung fämt u. s. w . “ Oranienburg, 1887. Ed. Freyhoffs Verlag. jenigen , der sich mit Gartenbau beschäftigt , sicher sehr licher Bücher von D. Hüttig ist eine durchaus zeitgemäße. willkommen , weil gerade hierin viel Unkenntnis herrscht, H. Jäger , „ Gartenkunst und Gärten sonst und trohdem daß jedes Lehrbuch die hierher gehörenden Rats fett" . Berlin 1887. Paul Parey . In zwölf Lieferungen, H. Gühler: „Anweisungen für den Imker". ſchläge enthält, auch wohl noch mehr als in diesem Buche | je ungefähr vier Bogen in Leriton 80. Es ist dics Buch geschehen, neuere Methoden, überhaupt neuere Erfahrungen eine Geschichte des Gartenbaues mitBeschreibungen, Plänen Lehr- und Handbuch zum nußbringenden Betriebe der Bienenzucht in den erprobtesten Korb- und Kastenwohnung enthält. Aber unser Buch spricht ausführlicher über die und Ansichten der berühmtesten Gärten aus der Sagen Aussaat, als jene anderen , die nur wenige Seiten für zeit (das alte Aegypten und das alte Griechenland) biz gen , wie zur vernunftgemäßen Vermehrung der Völker, jedes Kapitel übrig haben ; es bringt auch die notwendig zur Neuzeit , etwa bis 1870 und einige Jahre später. | Behandlung der Honigstöcke und Erzielung eines hohen sten Regeln über die weitere Pflege der Sämlinge, stellen- Jäger teilt die Gärten ein in solche der Alten Zeit, der Reingewinnes. Mit einem Anhang : Verzeichnis der seit weiſe in übersichtlicher Tabellenform, aber keine über An- italienischen Nenaiſſance , des Barockstils , des regel- 1865 erschienenen bienenwirtschaftlichen Litteratur. Zweite zucht der Samen, teine über die Erzeugung neuer Sorten mäßigen und des englischen Gartenstils , sowie moderne neubearbeitete Auflage. Mit 33 Abbildungen. Oraniendurch künstliche Befruchtung . Interessant und nützlich sind Gärten ; sämtliche Arten aus aller Herren Länder , denn burg, 1887. Ed . Frehhoffs Verlag . die, wenn auch kurzen Ratschläge für die Behandlung von selbst alte Gärten" hat Jäger nicht bloß in Acgypten und If „Deutscher Geschichtskalender" für das Jahr 1887 sondern auch imRömischen Reich, in Spanien, Gehölz (darunter Obst- und Nadelholz-) Samen , ebenso Griechenland, die tabellarische Zusammenstellung der vorher behandelten England und Frankreich in seinen Quellen aufgefunden. nennt sich ein im 2. Jahrgang in Leipzig bei Grunow Pflanzen mit ihren Namen (ohne Autor), Familien, Zahl | Das Buch ist vom höchsten Interesse und außerordentlich erschienenes zweibändiges Wert von Dr. Karl Wippers der Samen in 1 g oder 100 g, deren Gewicht in 1 1, Dauer lehrreich, namentlich für den Landschaftsgärtner ( Garten mann , daß in chronologischer Reihenfolge die geschicht| der Heinzeit und der Heimkraft. Wir empfehlen das Buchtünstler" nach der Dresdener Versammlung) ; Jägers be lichen Vorkommnisse im Deutschen Reich (1. Bd. ) und in auf das wärmste allen denen zum Studium, die im Garten kannte anregende Schreibweise erhöht den Wert desselben, den außerdeutschen Staaten (2. Bd.) in ausführlicher? zu thun haben : es ist ein Nachschlagebuch , aber ebenso | obwohl Sätze wie ein sehr Gärten liebendes und pflegen Weise registriert. Dies Wert wird insbesondere allen gut ein Lehrbuch , wie man es von dem berühmten Gärtner des Volt" leicht zu0 ändern gewesen wären, und Quellen, Historikern hochwillkommen sein. Eine etwas stärkere Bes und Schriftsteller Herrn Jäger und dem ebenso berühmten wie Nomane u. dergl., bei Geschichtswerken wenig gebräuch, tonung des Netrologs und größere Ausführlichkeit des Samen und Pflanzenzüchter Herrn E. Benary wohl verlich sind. Das Buch liest sich leicht und gut und wird Registers wäre für die folgenden Bände des vortrefflichen langen kann. Die Ausstattung ist eine vorzügliche, wie zweifellos das Intereffe für den Gartenbau in allen Schich. Unternehmens zu wünschen. man sie von der Verlagshandlung Otto Spamer seit ten des gebildeten Volkes bedeutend erhöhen. Papier und Druc sind gut, einzelne Abbildungen, wie die der langer Zeit gewöhnt_iſt. „ gricchischen Wohnung “ (S. 32) und Grotte einer römis O. Hüttig, Illustrierte Zimmerflora “, enthält | schen Villa“ (S. 40) ſogar reizend . Trinkspruch . praktische Winke zur Anzucht und Pflege von Pflanzen, Trockner Wiß vermähle Johannes Boettner, Handelsgärtner : „ Lehre der besonders der Blumen im Zimmer, in der Veranda als Sich mit feuchter Kehle. Wintergarten und im Freien, nebst Anweisung zum Trocknen, Obstkultur und Obſtverwertung " . IIÏ. Teil. „ Die Veeren2002
Rebus.
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Rätsel. steht's dir mit Recht wohl zu, Vereint Wenn Unrecht dir geschehen, und Ehre du und guten Ruf Willst hergestellet sehen. Getrennt thut's öfters sich hervor Durch lobenswerte Kilrze, Und birgt doch edles Geistesforn, E. N. Voll Wahrheit und voll Würze ! Togogryph. Laß mich dir, o Mädchen, reichen Meiner Liebe blühend Zeichen: Deine Schwester, deinesgleichen Kann dich an Reiz doch nie erreichen. Verset' ich nun das lekte Zeichen, Steb' ich unter eines Gottes Zeichen; Läßt du dich von ihm erweichen, Werd' ich bald mein Ziel erreichen. v. H.
Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 27. B hatte: Treff-Bube, Coeur-Bube, CarreauBube, Pique-8, Pique-7, Coeur Dame, Carreau10, Carreau 9, Garreau-8, Carreau- 7. Erster Stich: Pique-9, Pique-7, Treff-7. Zweiter Stich: Pique- Dame, Carreau- Bube, Treff-König. Dritter Stich: Coeur Dame, Coeur - Aß. Coeur 7. Vierter Stich: Treff Dame, Treff- Aß, Pique-8. Fünfter Stich: Carreau-7, Carreau-Dame, Coeur-8. Sechster Stich : Coeur- 10 , Coeur -König, Carreau 10. Siebenter Stich : Treff-9, Pique-10, Coeur-Bube. Achter Stich: Treff-Bube, Garreau-Aß, Pique-Bube. A hat nun Rest , abec incl. Sfat nur 29 Points. Gibt A im fünften Stich nicht Coeur-8, sondern Pique-Aß, so verliert er zwar das Spiel, wird aber nicht Schneider.
A
Jarle
Rätsel. Ach bin fein Kaiser und fein Chan, Doch alles ist mir unterthan; Auch beisch ich pünktlichen Tribut, Wer ihn verweigert, sei auf der gut; Ich heisch Honorierung, hab' eigenes Recht, Wer mein nicht achtet, dem geht es schlecht.
7
b c a d efgh Rätsel. Weiß. Un Stel Woran du reich wie Krösus bist, Weiß zieht an und setzt in zwei Zügen matt. Worin du gleich den Grazien bist; Was mich dir zu Füßen zwang, Sflave dir mein lebenlang Schachaufgabe in Typen Nr. XXXVII. Das wollt' ich längst dir schon gesteh'n, Von Paul Hasse in Berlin. Doch wollt's nicht recht von statten geh'n : Weiß: Kal. De1. Tbs. Sf4, h5. Bd3, f5, h3 . Denn eh' ich noch ' ne Silbe sprach, Schwarz: Kg5 . Lf7. Bh6 . 3u enden mir's daran gebrach. D. H. T H Weiß zieht an und setzt in zwei Zügen matt. V A N Lösung von Nr. 44. Rätselhafte Inschrift. N 1. I Sd3 S- b4 Lb1 - c2: 1........... Lbi - a? A Db5c4 beliebig 2. 2. Tc2 -a2: + Kal - b1. A I V 3. Dc4 - d4 :, a2, c1 . 3. Db5 - fl . E L. T 1 beliebig A 2. Te2 -a2 + Lb1 - a2: C 3. Sb4 - c2 . Lösung von Nr. XXXVI. e7 -e6 1. Des - c1 Kd6 - e6 1. 2. Del - a3 . 2. Dc1 - h6 . 1. S beliebig 2. Dcl - c6 . N Eingelaufene Lösungen. Nr. 43 wurde gelöst von Dr. Friedrich in Berlin, R. Miltik in Querfurt, Paul Renner in Leipzig. -Nr. XXXVvon G. 2 ... r, S ...n in Meran, R. Miltik in Querfurt.
H Buchstabenrätsel . Drei Zeichen hat mein Wort Und ist oft inhaltschwer; Ein Zeichen noch hinzu Nennt eine Stadt am Meer.
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LI C
Charade und Homonym. Vom Ganzen ereilt sant er hin Schnell labi' man ihn mit dem Ganzen Und der Hoffnung das Erste erstand, Man könnt ihn retten annoch. Doch flugs die Letzten ihm nah'n, 3hn umkreisen die Schatten des Tods Und da er fröstelnd erbebt hat ihn sein Schidjal ereilt. v. H.
MV SA .
Rätsel. 3ft dein Geschic mit mir verbunden, Wird mancher Streich dir wohl gespielt ; Mit mir ist deine Ruh' geschwunden, Denn Bangigkeit dein Herz dann stiehlt. Bringst du mit Mut mich in Verbindung, Die Laune steht dir übel an; Mit Recht fehlt mir zwar die Begründung, Doch fomm' ich oft damit voran. Du weis'st mich wohl mit Dank zurüde, Troßdem mach' ich damit mich breit; Ich bin nur hindernd deinem Glüde Und störe die Gemütlichleit! E. N.
Rätsel. Ich war ein glüdlich Wesen, ich thronte sicherin Türmen, Doch war ich auch immer zu finden, wo Mut sich zeigte in Stürmen. Und war dir etwas teuer, und war dir etwas wert, 3ch durfte dabei nicht fehlen, es wurde meiner begehrt. 3u deinem Eigentume ge= hört' ich allezeit, Bei deinem Erbteil war auch einPlätzchen für mich bereit. Undjetzt? Verbannt,beseitigt, n beschränktin meinenRechten, Muß ich bald hierentfliehen, balddort michlafſentnechten. Dochsollte auch mein Schidsalnoch langeschwankend bleiben, So fann mich aus dem himmel fein Sterblicher vertreiben l
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Gai haup
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Schachaufgabe Nr. 45. Von Friz Müller v. d. Werra in Leipzig. Schwarz. a b c d e f g h
Rätsel. Die Erste ist ein Fluß, die 3weite oft ne gier; Nimm mich ins Ganze nur, ich hab' Vertrau'n zu dir.
W
Homonym. Wenn's gilt, zu wehren und zu schützen, Richt' ich den Kurs auf hohe See ; Doch weiß ich auch daheim zu nützen, Sobald ich noch im Kurse steh'. Dort lauf' ich ein und fahr hinaus, Hier geh' ich ein und halte haus ! Und haltet ihr mich brav zusammen, Thut sich auch auf der Oper Thor Hellstrahlend in des Gases Flaminen Und lieblich tönet Chor um Chor, Wenn, falls es auf dem Zettel steht, Mein Meisterwerk in Ezene geht.
Kopf - Berbrechen.
DC BO
3um
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Bes
Rätsel. Ich weiß ein Wort, mein lieber Rater, Ich bin nicht dein, wohl aber du! Du kommst auf diesem Welttheater Recht weit damit : es schafft dir Ruh! Hast du's und willst du mit ihm suchen, Du findest gar der Weisen Stein, Und doch wollt diesem Worte fluchen Der Deutschen Größter ! Nimmst du sein. Herz ihm und Mark; mit einem Worte Ein Wort, das wieder ist wie du, Hast du den Schlüssel jeder Porte, Kein Riegel schiebt sich mehr dir zu. Es ist der Nerv von allen Dingen, An jedem Bogen Sehn' und Pfeil; Du kannst das Glück damit erringen, Und jeder hält dir alles feil! Das erste Wort fann dir erwerben Das Zweite so nach Jahr und Tag; Das Zweite fannst du leicht erwerben, Wenn 's Erste nur drauf warten mag! Das Erste wird nicht übertragen, Das Zweite geht von Hand zu hand; Mit diesem fannst du alles wagen, Der beste Bürg' ist's, bestes Pfand! Zu Einem nur ist's nicht zu brauchen; Es hat nicht, und es gibt nicht Geist, Zum Rätselraten wird's nicht taugen Schieb du hinein, das hilft zumeist ! A. F.
Auflösungen zu Heft 6, S. 1713-1716. Rätsel-Sonett: Heimatglocken. - Mathematische Scherz aufgaben : I. a) Die drei Zahlen x, y, z find 1, 5, 7. Denn 2 (7-5) := 5-1 und 72-52 = 52 - 12. b) Die drei Zahlen m, p, q find 1, 169, 239. Denn 1 + 169 100 1 + 239 169 2392 169 1692-12 und 1712128561 = 28561-1. oder II. Das gesuchte Wort, welches durch Versetzung der zehn Buchstaben des Namens Palmerston sich bilden läßt, ist .Alpenstrom". - Homonyme Rätselfragen : 1. Effen effen, 2. Trachten trachten, 3. Erlangen erlangen, 4. Lieb lieb, 5. Fasten fasten, 6. Mangel Mangel, 7. haft hast, 8. Weile weile, 9. Fest fest, 10. Bergen bergen, 11. Preis preis , 12. Schnitte schnitte. - Rätselhafte Inschrift: noch nicht gelöst. - Homonym: Einsatz. Quadrat rätsel: Da tritt's herein , gehüllt in cinen Mantel , jeht seh' ich Männerkleidung , o, er ist's , dein Geliebter . Hieroglyphen-Rebus: Noch nicht gelöst. Arithme tische Aufgabe: Der Gefragte war 24 Jahre alt. Er war also 36 Jahre unter 60. Wäre er viermal so alt, also 96 Jahre gewesen, so würde er 36 Jahre über 60 ge wesen sein, Charade: Sommersprossen. Rätsel: Namen, Manen, Amen.
I Das Malen 1mit Neue Erfindungen . 2009 welche sich leicht durch die Knopflöcher des Kragens und Hemdes hindurchschieben läßt. Sobald jedoch die Platten E durch die Trösung er Knopflöcher hindurchgedrungen sind, werden gleichzeitig durch die Knopflochränder die Federn D zusammengedrückt und hierdurch die Enden der letzteren derartig verschoben, daß eine Drehung der Platten E (Fig. 4) statt오 1 3 4 5 findet und eine scheibenartige Vorlage gebildet wird , die das Zurückgehen der Mechanik verhindert. Um den Schlips zu entfernen , genügt ein teilweises Zurückziehen, so daß die Federn D frei werden und hierdurch das Umschlagen der Schließplatten in Fig. 1 bewirkt wird. Die EinIstot richtung läßt sich in gleicher 10 8 6 Weise für Manschettenknöpfe 2c . verwenden. Kl. 3 , Nr. 39 185. Richard Cahn in Leipzig. Zerlegbarer Knäuelhalter (Fig. 5). Beim Stricken, Häkeln und ähnlichen 1 Handarbeiten wird die fleißige Künstlerin sehr oft durch das Herabfallen des Knäuels gestört , und wenn der Flüchtling gar unter den Tisch 14 11 12 15 13 und das Sofa verfolgt werden. muß , so gehört das sanfte Gemit einer Dame dazu, um nicht in gerechten Zorn über die often Wiederholungen der Treulosig keit auszubrechen. Um nun vor diesen Störungen sicher zu sein, darf man den Knäuel nur auf die Spindel D des Halters auf 79 stecken und ohne Střite wird er 18 17 16 seinerHerrin bis zu Ende dienen . Der Halter , welcher mittels der Auflzfang des Zegeſpiels auf S. 1700, federnden Teile A und B am Tischblatt festgeklemmt wird, ist in sechs Teile bequem zerlegbar, so daß er auf einen geringen Raum zusammengelegt , in Neue Erfindungen. einem Etui aufbewahrt und leicht transportiert werden Träger für Plaids , Schultaschen , Pakete 2c. fann . Al. 33 , Nr. 39457. Lekar Unger in Leipzig. Tabakspfcife (Fig. 6). (Fig. 1 u. 2) . Zur Reisejaiſon wird eine Vorrichtung von Nuhen sein , welche zum bequemen Tragen von Gegen | Die schädlichen Einflüsse, ständen geeignet ist. Dieselbe beſteht aus dem rechtwink denen ein Raucher ausgescht E ligen Nahmen A, in welchem der Bügel B in Nichtung | iſt, beruhen bekanntlich darder Pfeile drehbar ist. Das zum Tragen verwendete | auf, daß mit dem Rauche Nikotin und Unreinigkeiten inden Mund gelangen. Um den B Tabatrauch möglichst E A W vollständig zu reini W gen, wird in das d ein Rohr A Fig . Mechanismus zur Ve n Rohr aus poröjer Kohle S festigung von Eclipsen 2c. eingesetzt, welches S Material sehr geeignet ist , die Unreinig keiten aufzusaugen . Dieses Rohr ist oben geschlossen und mit dem cylindrischen Teil a versehen, welcher eine Anzahl radialer Löcher b enthält und mit ctwas Spielraum in das umschließende Pfeifengehäuse cingepakt ist, so daß der Rauch vom Pfeifentopf oder Ab guß, da das Nohr bis dicht an den Boden des Auflösung des Legespiels . 2008
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Fig 2. Fig. 1. Träger für Pleics, Schultaschen , Pakete zt. Vand oder der Riemen wird durch Schlike s des Nahmens A und zwischen den Winkeln w des Bügels (Fig. 2) hindurchgestedt und dann durch Umlegen desselben von unten nach oben , bis die Nasen n den oberen Teil des Rahmens umfassen, an seinen Kanten festgehalten. Das Mt. 33, Band ist bei s'am Rahmen befestigt. Nr. 39 133. Joseph J. Wolff in Stettin. (Fig. 3 Schlipsen von Befestigen zum Mechanik u.4). Die Befestigung des Schlipses an den Kragenknopf durch eine Gummischnurſchleife ist zwar eine bequeme, solange die Schleife an dem Schlipse hält, eine absolut sichere ist dieselbe aber nicht. Die hier (Fig.3) empfohlene Mechanit erwirkt oder erseht den Kra. gentnopf und bietetem selbst. thätiges Befestigen und Loeines guten Verschlusses. sen B D Die am Schlips angebrachte A Platte A ist mit dem röhrenFig. 3. Mechanit zur Befesti artigen Teil B ausgestattet, in welchem sich die Doppelgung von Schlipsen. Feder D befindet. Die gebogenen Teile der Feder ragen zu beiden Seiten aus der Nöhre B heraus und stehen mit ihren freien Enden mit den drehbaren Schließplatten E in Verbindung . Lettere bilden im gewöhnlichen Zuſtande (Fig. 3) eine Epite,
a b
schmelzbaren Glasfarben. 2010 Einrichtung dieser Lampe sucht die Uebelstände zu vermeiden . Aus dem Behälter A fließt durch die Röhre B das Petroleum erst in den Wärmeraum a, wo die Dampfentwickelung größtenteils schon erfolgt , während in der A backofenähnlichen Retorte r, zu welcher der Zutritt durch die Schraube e geregelt wird, der Dampf auf hohe Teme peratur gebracht wird. Dieses Gas strömt dann durch den Kanal d zur Dise 1, von wo die Flamme in den Injektor g eintritt und durch die Löcher i direkt unter der Retorte sich außbreitet. Zur bequemen Reinigung und Einstellung ist der Injektor z durch die Schraube m feststellbar. Die Schraube t des leinen Näpfchens b , in welches am Anfang etwas Epiritus zum Er. wärmen des Brenners gegossen und entzündet wird , ist zugleich die Verschlußschraube für den Raum e, in welchen sich etwaige Unreinigkeiten des Petroleums absehen können. RI. 4, Nr. 39539. D. Marwih in Lugano (Paradiso, Schweiz). Elektrische Bürste (Fig. 8 u . 9). Die B Bürste dient zur Haarund Hautm pflege und ist mit einem Elektrizität crzeugenden Apparat,z . B. Fig. 7. Neuerung an Lampen. cinem Elektrophor, verbunden, so daß diefelbe beim Gebrauch selbstthätig eine Reihe von Entladungen erfolgen läßt. Der Elektrophor istzu diesem Zweck so mit den Vorsten oder dem reibenden Teil der Bürste verbunden, daß ein elektrischer Strom entweder aus
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Fig. 8. Elektrische Bürste. der Bürste nach dem Haar, bezw . der Haut dez ſie Handhabenden fließt oder ungekehrt. Der reibende Teil der Birste besteht aus den bekannten Borsten oder Drahtbündeln in dem Block F, auf welchem der metallene Teller H
Fig. 9. Elektrische Bürste. des Kuchens Cliegt ; Block F und Kuchen C_ſind aus Hartgummi hergestellt. Die Rüdenplatte A ist um den Metallstift f beweglich und endigt in einem hohlen Stiel. Die Metallstifte e und a , die Metallplättchen´s und der Konduktor D geben die Pole für die Funkenbildung ab. Die Größe der Drehbewegung wird durch den mit Gummi überzogenen Stift i geregelt. Nachdem die Kuchenplatte mit Elektrizität gefüllt ist, wobei durch Herausziehen des Etiftes f die beiden Teile gelöst worden sind , kann die Bürste gebraucht werden , wodurch die beiden drehbaren , Teile sich aufeinanderlegen und die Entladung durch die Borsten stattfindet. Kl . 30 , Nr. 37967. William Hart Miles jun. und James Cornellus Aiken i New York (V. St. A.) .
Das Malen mit schmelzbaren Glasfarben. Vorliegende Anleitung soll dazu dienen , dem Laien d auf türzestem Wege die Möglichkeit zu geben , ein Glasfenster oder Fenstervorscher in schmelzbaren, dauerhaften Farben herzustellen. Das Verfahren ist einfach und be. Fig. 5. Zerlegbarer Knäuelhalter. quem auszuführen . Als Materiale verwende man : Die Glasscheibe, welche bemalt werden soll, rheinisches oder bellekteren reicht, durch das Rohr Agisches Glas, Größe ca. 0,30 Quadrat. Eine zweite Glasund die Löchher b in das Mundscheibe von 0,40 Quadrat, die auf der einen Seite gestile der Pfeife gelangt, wie in der blasen , d. h. matt sein muß , als Unterlage. Bier bis Fig. 6 durch Pfeile angedeutet ist. sechs teine, matte Glasläfelchen als Paletten, einen GlasDie Kohle verändert sich in der reiber, um die Farben zu zerkleinern , einige Haarpinsel, Hiße nicht und läßt sich durch Aus einen weichen Vorstenpinsel , ca. 3 cm lang und 1 cm fochen oder Ausbrennen über Feuer start, einen Vertreiber aus Dachshaar, eine Radiernadel, leicht reinigen. -- Kl. 14, 44. Nr. 37980. 37 980 . | in Ermangelung deren man auch eine gewöhnliche StopfFig. 6. Tabatspfeife. Handlung Hermann Jacoby jun. | nadel benützen tann , und einen Zirtel mit Zichiedereinin Berlin. sah, sowie eine Richfeder, lektere Instrumente jind wohl Neuerung an Lampen, die automatischPetroleum. schon überall vorhanden . Farben : Man fordere transpa. dampf- und Was erzeugen (Fig. 7). Die bisher be rente Glosfarben : Schwarz, Silbergelb, Dunkelblay, Blaufannt gewordenen Gaslampen , welche ihr Leuchtgas sich Ziegelrol, Purpur, je 10 gr. Etwas venezianischen selbst herstellen , leiden vielfach an dem Uebelstande , daß; grün, Terpentin und ein Fläschchen mit Terpentinöl , gelöſlen das Petroleum nicht genügend erhitzt wird und die Ver Gummi arabicum und einen fleinen Hornspatel , um die dampfung nur teilweise geschicht , wodurch sich ein unan Farben zu mischen . Die ganzen hierfür zu verwendenden genehmer Geruch und Rauch beim Brennen bildet. Die | Äuslagen betragen etwa 3 bis 1 Mart.
D
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Unsere Kunstbeilagen. Silberglänzende Wolken . Das Schachspielerdorf. — Alexander, Salonmagie. 2013 2011 2012 Vorm Beginn der Arbeit reinige man die zu be- | Auf der Sternwarte zu Moskau traten sie Mitte Juni bes , welche A und B enthalten, werden zur gegebenen Zeit bis malende Seite der Echeibe mit etwas Kreide und Wasser sonders im Norden und Nordosten auf in Gestalt eines zur Hälfte, das Glas, welches C enthält, ganz mit Wasser oder Salmiafgeist , lege die zu malende Vorlage unter Segmentes, dessen größte Helligkeit in der Richtung war, angefüllt. Wird nun aus letterem ein Teil zu dem Glaje dieselbe und hefte sie mit etwas Wacht oder Gummi fest. in welcher die Sonne unter dem Horizont stand. Ammit A geſchüttet, ſo erscheint augenblicklich eine schöne rote, Man mische jetzt eine gute Messerspike voll Schwarz mit 26. Juni 1886 tonnten diese Wolkenschleier sogar photo- dem Glaje mit B hinzugefügt, eine prachtvolle blaue Farbe. Auf den mit den verschiedenen Farben beschriebenen ebensoviel venezianischem Terpentin und einigen Tropfen | graphiert werden. Die Astronomen in Moskau haben Terpentinöl , zerreibe mit dem Glasreiber die Farbe, bis sich bemüht , die Höhe dieser Wolken über der Erdover Karten liegen oben auf sechs mit rot beschriebene , zu fie eine gleichmäßige Masse bildet, und verdünne dieselbe fläche zu messen und fanden, daß sie nicht geringer war unterst sechs mit blau beschriebene Karten , so daß man dann so, daß sie, in eine Stahlfeder gefült, einen schwarzen, als 66 km. Unsere gewöhnlichen Wolfen schweben nur leicht von oben oder unten die betreffenden Karten ziehen gleichmäßigen Strich gibt. Nun ziehe man sämtliche 2 oder 3 km hoch und selbst die höchsten Cirruswolken lassen, aber auch die in der Mitte gelegenen verſchiedenen skonturen der Vorlage nach , nach deren Beendigung man ziehen schwerlich in größern Höhen als 15 km dahin. Die Farben zeigen kann. die Scheibe an einem staubfreien Ort ca. 24 Stunden obigen silberglänzenden Wolken sind daher höchſt_mcrk- Eine gezogene Karte in überraschender Weise troduen läßt. würdige Phänomene und treiben sich in Höhen herum, an eine Thüre zu nageln. Schwarz in derselben Menge wie das erste Mal wird die weit über den gewöhnlichen Schauplatz der meteorolo Zur Vorbereitung entnim aus einem Kartenspiele auf eine andere Platte mit Wasser und einem oder zwei gischen Erscheinungen hinaus liegen. Im letzten Monat Tropfen Gummi zu einer nicht zu stärken Farbe zu Juni traten diese Wolken wiederum sehr augenfällig auf. Sie eine Karte und laß den Rest der Karten von einem Buchsaminengericben , benuße jekt den Borstpinsel und über wurden am 20. in Brüssel beobachtet und am 27. und 28. binder, der Länge nach, um einen Millimeter kürzer schneistreiche die ganze Fläche mit dieser Mischung, nehme nun in Berlin. Dort beobachtete sie Hr. Robert von Helmholtz den. Dadurch erreichst du, daß, wenn die zurüdbehaltene den Vertreiber und bearbeite schnell und gleichmäßig die und schäßte ihre Höhe auf 75 Kilometer. Derselbe bes Karte wieder in das Spiel gesteckt wird , dieselbe etwas merkte, daß das eigentümliche , jedem Laien auffallende länger und durch das Gefühl leicht zu erkennen ist. Durch Fläche. Der Ton muß wie Nebel darüber liegen. Da nach fünf Minuten der Auftrag troden ist, kann jener Wolken darin bestehe , daß sie mitten auf dem sonst ein auf diese Weise vorbereitetes Kartenspiel laſſen ſich eine die Arbeit für den ersten Brand vollendet werden. Man rötlich gefärbten Abendhimmel, sowie die ganze Nacht hin- Reihe höchst überraschender und amüsanter Kunststücke ausstelle die geblasene matte Scheibe gegen das Fenster und durch in der # Farbe “ des Tageslichts leuchten. Die Sub führen. Zunächst sei folgendes unseren jungen Lejern mitlege die Arbeit darauf. Mit einem alten Delmalpinsel, stanz jener Wolken müsse einen äußerst hohen Grad von geteilt. Nachdem das Spiel gemischt worden , besich unbeden man kurz und spiß geschnitten hat , zeichne man die Feinheit besitzen, welcher rotes Licht ungehindert hindurch) Lichter ein, als wenn man mit weißer Kreide Lichter auf gehen läßt. Genaueres über die Herkunft und das Wesen merkt die unter der langen liegende Karte. Laß alsdann Tonpapier aufsetzt; dadurch hebt man den grauen Ton dieser seltsamen Bewohner der allerhöchsten Luftschichten von einem anderen das ganze Spiel auf den Tisch legen, hebe bei der langen Karte ab und lasse die darauf folgende, fort. Die Echatten in der Zeichnung werden mit der zuerst | müssen fernere Beobachtungen ergeben. die bereits bekannte Karte , besichtigen , wieder in das benußten terpentingemischten Farbe , welche durch TerSpiel stecken und mischen. Durchblättere das Spiel , un pentin ganz verdünnt wird, mit breitem Etrich eingemalt. Ist die Scheibe trocken, drehe inan sie um und male die betreffende Karte wieder aufzufinden, und lege sie unDas Schachspielerdorf, bemerkt öben auf das Spiel. In deinem Besik befindet auf der Rüdseite sämtliche Stellen , die gelb , grün und sich nun ein kleiner, fünf bis sechs Millimeter langer, mit rot werden sollen , mit Silbergelb zu. Die letzte Farbe Im Negierungsbezirk Magdeburg, Kreis Halberstadt, flachem Kopfe und guter Epike versehener Nagel, den du reibe man mit ebensoviel venezianiſchem Terpentin und liegt das fleine Dorf Ströbed , dessen Einwohner seit einigen Tropfen Del, wie das erste Schwarz an. Eilber, alter Zeit als Schachspieler berühmt sind. Vom Pfarrer jo durch die Mitte der Karte drücst , daß der Kopf auf gelb muß stets vollständig decken, darf aber nicht zu stark und Bürgermeister abwärts bis zum gewöhnlichen Bauer der Bild , die Spike auf der Rückseite der Karte sich be Wirfit duWeise jetzt ,das ganze flach, so in aufgetragen werden, weil es sonst fledig, noch stärker pflegt bort ein jeder das Schachspiel und setzt eine Ehre findet. schiebender gegen die Kartenspiel Thür oder Wand, braun wird. Nun gebe man die leicht Tafel zum Brand. darein, sich nicht so leicht schlagen zu lassen. Selbst das etwas Nach zwei male Wirtshaus führt ein man male ist derselbe vollendet ,, man zwei Tagen ist Schachbrett im Schilde, und in der wird das Gewicht des Spieles die Karte in einer Weise nun auch diejenigen Stellen, welche farbig werden sollen, Schule wird alljährlich zur Osterprüfung ein Wettspiel festnageln, daß derNagel nur vermittelst einer Zange wieder་ auf derselben Seite, wo man das Gelb auftrug, fertig. veranstaltet, wobei sechs Schachbretter als Preise ausgesetzt herausgezogen werden kann. Die übrigen Karten, mit Aulās sich indes nicht vermischen und ineins Die Farben dürfen der gezogenen, fallen natürlich zu Boden. Wie tommt nun das bescheidene Dörschen zu dieser nahme Solltest Karte doppelt besiten , so du die betreffende anderlaufen. Ob man die Farbe mit Terpentin oder find. eigentümlichen Liebhaberei ? Dasselbe gehört zum Dom fannst kannst du dir das Kunststück ehr erleichtern, daß Kunſtſtück dadurch sehr Wasser und Gummi miſcht, ist hierbei gleich. tapitel in Halberitadt, und man erzählt, ein Domkapitular du dieselbe vorher mit dem Nagel versichst und sie mit Zum gleichmäßigen Vertreiben der Flächen kann man einmal vor Zeiten dahin verwiesen worden . Da habe der herausgezogenen obenauf liegenden Karte verwechselst, einen kleinen Stupfpinsel anwenden. Selbstredend wird sei einmal um sich vor Langeweile zu schützen , die Bewohner was nicht schwer halien wird , da du zur Ausführung nun Purpur auf den gelb unterlegten Flächen, Blau auf er, Schach gelehrt, und als er später Bischof geworden, des Kunststüdes ja aufzustehen und dich im Zimmer zu Gelb, sowie Blaugriin auf Gelb aufgetragen , bis es die habe erspielen sich dankbar desjen erinnert und den Bauern bewegen hast. richtige Wirkung hat. Freiheiten erwirkt. Thatsache ist, daß Friedrich Bezugsquellen für Pinsel, Dele 2c.: Jede gute Zeichen mancherleiKurfürst von Brandenburg, das Dorf aus diesem Eine in Gedanken genommene Karte zu erraten. materialwarenhandlung. Farben werden nur in den großen Wilhelm, Grunde besuchte, mit den Bauern Echach spielte und ihnen Wenngleich dies Kunststück schon älteren Datums als Handlungen zu haben sein: Berlin , Haase & Brandt. beim Abschied Schachbreit zum Andenken die vorhergehenden ein ist , so bleibt dasselbe doch immerhin Das zu malende Glas fause man aber stets in den schenkte , nebst einemkostbares Spiele Silber von und einem von eines der schönsten und überraschendſten Kartenkunſtſtücke. Glasereien, deren Besitzer selbst brennen lassen. Für Elfenbein. Das Brett mit eingegrabener Widmung und welches vorher gemischt Brand und Bleifassung hat man denn auch eine gewisse dem einem Zähle von Datum des 13. Mai 1651 wurde wie ein Heiligtum wurde, eine beliebigeKartenspicle, Anzahl auf den Tisch und ersuche Garantie: Berlin, Zippel & Brock, Wallstraße. nehmen, sich aber. Vorlagen, die leicht sofort zum Pausen KabinettglasGedanken geeignet sind : des in eine davon jemand, aufbewahrt und kundig ist nochsind, vorhanden. Leser, welche Schachspiels dürftebeim übrigens es Für noch von gleichzeitig zu merken, die wievielstezuKarte Spiele es war. Lege Interesse sein, daß die Ströbecker fast durch. Oskar Hülder, Berlin SO. Vorlagen für alsdann Karten Reihenfol derselben die in ge wieder auf malerei mit Anleitung, 16 Blatt 6 M. gehends folgenden an festhalten Regeln ziehen sie drei das Spiel und bringe dasselbe unter den Tisch : 1) oder hinter In der umstehenden Vorlage fann der Grund gelb, Bauern und die Königin zu gleicher Zeit aus; 2) lassen den Rücken. Hier legst du alsdann die oberite karte in der Fußboden grünlich, die Rüstung des Ritters und des sie den Bauer, jene beim Ausziehen abgerechnet, stets nur deine rechte Hand und zählst dabei zwei ; darauf die Pferdes Schritt 4) lassen blau und rot oder blau und weiß , ebenso die Turniers | einen sie eine neue Königin erſt dann gelten, wenn die | folgende Karte, indem du drei zählſt u. s. to . , bis du Ostar Hülder. slange gehalten werden. eine höhere Anzahl erreicht hast, wie du ursprünglich auf in die feindliche Offizierreihe gekommene Figur n drei den Tisch gezählt hattest. Lege die Karten in dieser Ördnung Freudensprünge gethan hat", d. h. sie muß drei Felder nur wieder auf das Spiel zurück und ersuche den, der sich wieder zurück und noch einmal den Weg machen, bevor eine Karte in den Sinn genommen der Zahl seiner Unsere Kunftbeilagen. ſie als Königin gilt. Dadurch wird dem Partner der Karte anfangend , bis zu der Zahl, von zu zählen , die du Th. W. Diesen Hefte liegen 5 Kunstblätter bei , einschließlich | Kampf allerdings beträchtlich erleichtert. vorhin in der Hand umgewechselt, und er wird in dieser des bereits im vorigen angekündigten „ Defilee" von die gedachte Karte finden ; z. B. du zähltest zehn Karten Amberg , welches durch ein Versehen nicht mit einauf. Davon jei die fünfte (z . B. Karo-Bube) gedacht ; geheftet wurde. Der kalten Jahreszeit am meisten ents nunt legst du die Karten wieder auf das Spiel und wechselst Solonmagie. sprechend ist E. Hergers ein frisches , frohes Leben athinter deinem Rüden dieselben in der angeführten Weise Von bis zwölf V also zwei Karten mehr als du aufgezählt mendes Blatt " Winterfreuden". Den Jungen muß Somit zählst du also bei der ersten starte hattest . diese Schlittenluft das Herz aufgehen machen und den Alexander. . wecken Alten selige Erinnerungen an die eigene Jugendzeit zwei , bei der darauffolgenden drei u . f. w . bis zwölf Trauriger stimmt 17 Der Armen Heimkehr“ . Weit ab legst und die in dieser Weise geordneten Karten auf das Die magischen Farben. vom heimatlichen Herd hat sie in Mühe und Last den Spiel zurüd. Fängt nun der Betreffende von der Zahl Auf dem Tische steht eine Kriſtallflasche mit Harem | seiner Karte , also der fünften , an weiter fargen Lohn errungen und nun es Abend geworden, kehrt zu zählen, sie heim zur ärmlichen Hütte. Aber auch dieses schwere Wasser nebst einigen leeren Gläsern. Der Künstler schenti indem er die oben aufliegende als sechste , die folgende Leben vergoldet ein echter herzerwärmender Sonnenstrahl : etwas von dem Waſſer in ein Glas , trinkt davon , zum als siebente u. s. w . bezeichnet , so wird er, wenn er zur die Mutterlicbe. Als ihr bei der Heimkehr der kleine Beweise, daß es nicht chemiſch vorbereitet ist, und verspricht, | zwölften Karte gelangt, hier die gedachte Karte (Karo-Buve) Bursche entgegengelaufen kam , der das einzige ist , was daraus jede beliebige Farbe zum Vorschein bringen zu vorfinden. der früh verstorbene Gatte ihr hinterlassen , da hat sie wollen. Zu diesem Zweck hat er die Namen der verErscheint auch das Kunststück aufänglich etwas kome keine Last und Sorge mehr empfunden , da ist auch das schiedenen Farben auf tleine Karten geschrieben und läßt pliziert , so vereinfacht sich dasselbe jedoch sofort , wenn diesen von ziehen. zwei Alsdann füllt zwei er von den und Freude eitel in aufgegangen Gedrückten iman das Verfahren verstanden, und ist dasselbe alsdant Herz dieser Wonne. Marlows packendes H Helft ! Rettet ! “ führt | Gläsern zur Hälfte, ein drittes ganz mit Wasser an, zeigt im höchsten Grade überraschend. den Veser mitten hinaus in die brandende Sec. An dee jedoch vorher durch Umkehren der Gläser, daß dieselben de zu erraten , die jemand Mastes Spitze klammern sich die Schiffbrüchigen , dem leer waren. Nachdem auf seine Anfrage die zuerst ges Eine Anzahl Geldſtü in der Hand hält. Tode näher als der Hoffnung auf das Leben, aus heisern zogene Farbe kundgegeben wird , schüttet er aus dem Nehlen tönt ihr erschütterndes „ §elft ! Nettet ! “ aber wird | vollen Glaſe etwas Waſſer dem halb angefüllten Glaſe Lege eine Anzahl Rechenpfennige oder dergleichen fie der vorbeifahrende Dampfer bemerken, wird er halten und hinzu und im selben Augenblice zeigt sich die gewünschte Gegenstände auf den Tisch, Laß jemand eine Anzahl davon fie aufnehmen , wenn ihre Stimme au sein Ohr schlägt ? Farbe mit lebhafter Frische. In gleicher Weise läßt er nehmen, sich umdrehen und zählen, wieviel es sind. Er. Bange Frage, von der Tod und Leben abhängt, und die durch das Zusammenschütten des Restes aus dem vollen suche ihn, einstweiten in dieser Stellung zu verbleiden. erst jüngst verneinende Beantwortung fand , indem cin Glase mit dem Gehalte des noch_halb angefüllten Glases | Dann nimmst auch du eine Anzahl von den Gegenständen . wobei du jedoch zu beachten hast , daß dieselbe größer ist Kapitän ein hilfeflehendes Schiff versinlen ließ, ohne ihm die andere gänzlich verschiedene Farbe entstehen. Erforderlich sind zur Bewerkstelligung dieses Kunst- als die feinige , und daß du deren Anzahl weißt. Gescht Rettung zu bringen! Das vierte Bild ist ein „Studienkopf von dem Meister, dessen Name teines schmückenden | stückes drei konzentrierte Auflösungen nachfolgender Salze den Fall, du habest 11 Stück in deiner Hand, so frage ihn Aschwefelsaures Kupfer (Kupfervitriol) ; B schwefelsaures | nun , wieviel er bedürfe , um diese Zahl voll zu machen. Beiworts bedarf, Leonardo da Vinci, Eisen (Eisenvitriol); C Eisenchantalium (gelbes Blutlaugen Antwortet er z. B. fünf. so zählst du diese von den deifalz) . Zu den Löſungen nimmt man am besten deſtilliertes | nigen auf den Tiſch und zeigst ihm die Anzahl der in oder Regenwasser und selbstverständlich separate Fläschchen. deiner Hand gehaltenen Gegenstände , welche genau mit Silberglänzende Wolken. Nun schüttelt man einige Tropfen der Lösung A in ein der in seiner Hand befindlichen Anzahl korrespondieren Seit dem Jahre 1885 haben sich wiederholt in gewissen leeres Glas, schwenkt dasselbe um und gießt den Ueberfluß wird , so daß du also die Zahl anscheinend erraten hast. Nächten eigentümlich glänzende Wollen gezeigt, die völlig | fort. In gleicher Weise verfährt man mit der Lösung B Die Sache ist natürlich höchſt einfach und folgerichtig, verschieden sind von den gewöhnlichen Wölten unserer und C, für jede ein separates Glas. Was von den Flüss weshalb du bestrebt sein mußt, nicht bemerkbar werden zu Atmosphäre. Jene merkwürdigen Wolkenschleier erschienen sigkeiten an den Wandungen der Gläser hängen bleibt, lassen , daß du die von dir entnommene Partie Marken nicht nur im mittleren Europa, sondern auch in Rußland, genügt zur Ausführung des Experimentes. Die Gläser, gezählt hast. 4
. v. Pröpper. Aus Küche und Haus. 20142015 2016 Einen Nagel durch den Finger zu schlagen. Will man diese sehr schmackhafte Speise an einem rubend , von jemand abwickeln , und zum Erstaunen der Das würde allenfalls ein jeder fertig bringen, wenn Anwesenden wird zuletzt in der Mitte des Balles der Ring Fleischtage geben, so kann man noch 70 g ganz fein ge nicht die Bedingung dabei gestellt wäre , daß es nicht zum Vorschein kommen. (Griechische Küche. ) schnittenen Schinken beifügen. schmerzen dürfe, und das wollen wir bewerkstelligen. Fisch mit Spreewaldsauce. Man gieße für Verschaffe dir zwei gleiche vieredige Nägel, 6-7 cm 2 kg Fisch in eine Fischkasserolle 11 Wasser und thue lang, dem einen derselben lasse von dem Schlosser - 2 cm Aus Küche und Haus. 2 Eglöffel Salz, 2 in Scheiben geschnittene Zwiebeln, Lorbeerblätter und Gewürzförner und , wenn das Wasser unterhalb des Kopfes ein Stück von ungefähr 8 mm Von Länge herausschneiden. Den so erhaltenen oberen und focht , 125 g Butter dazu ; lege dann den nicht in zu unteren Teil des Nagels lasse, tleine Stüde geschnittenen Fisch) (Hecht, Schleie, Aal . 1. von Pröpper. je nahe wie möglich an der Karpfen oder dergleichen) hinein und lasse ihn fräftig Schwäbische Flädlein - Suppe. Man riihre durchkochen ; gebe hierauf 3 % 1 dicen, fauren Rahm daran abgeschnittenen Stelle , fein durchbohren, um hier einen 4 Eglöffel Mehl, 11 Mild) und 4 Gier zu einem leicht und foche den Fisch noch 10 Minuten. Kurz vor dem Draht aufzunehmen, der dazu fließenden Teig und gieße 1 Löffel davon in die heiße, Anrichten quirle man nun 1 Eglöffel Weizenmehl in bestimmt ist, die beiden Enden mit einer Spedschwarte ausgericbene Pfanne und das einer Tasse sauren Rahm tlar, gieße dies in die Brühe, அ bogenförmig zuvereinigen (siehe nur übrige , was nicht hängen geblieben, wieder heraus , daß und wenn sie noch einmal aufgefocht hat, so nehme man Figur). Die Länge diejes nur ein ganz dünner Suchen bleibt, der auf beiden Seiten den Fisch heraus und lege ihn in eine runde, tiefe Schüssel, Drahtes von dem oberen zu dem unteren Ende beträgt gelb gebaden wird, und wenn man die zur Suppe nötige rühre noch 125 g zerlassener Butter in die Sauce , gebe ungefähr 4 cm. Zwedmäßig ist es, das untere Glied des Portion hat , so schneide man sie kleinfingerbreit wie sie über den Fisch und garniere die Schüssel mit Petersilie Zeigefingers im Umfange zu messen und davon die Hälfte Nudeln und gebe sie in die Suppenterrine, gieße tochend und gefochten Giern. zu nehmen, sowie später den Draht an den bezeichneten heiße, fräftige Fleischbrühe darüber und serviere gleich. (Wie cine meiner Bekannten, der ich auch dasRezept Stellen mit 3inn festzulöten. Wenn nun der Nagel in BerDiese Flädlein sind auch eine sehr gute Mehlspeise; verdanke, mir sagte, so wird diese sehr wohlschmeckende, bindung mit dem Drahtedie in der Figur angegebene Gestalt man rollt sie dann zusammen, legt sie nebeneinander auf fräftige Speise allen vorgesetzt, die in dem schönen Spreewalde, dem deutschen Wald - Venedig , früherer erhalten hat, jo kann man zur Ausführung des Kunststüdes cine Schüssel und eine zweite Lage quer darauf. schreiten. Während man den so zubereiteten Nagel aufdem Feiner Heringsalat. Man nehme 6 schöne Sik der Wenden fürsten , einfehren, die ZubeSchoße liegen hat, zeigt man vorab. reitung aber im allgemeinen ge= das andere gute Eremplar, mit dem heimgehalten.) man, begleitet von einigen obligaten Bovesen mit Pflaumen. Rebensarten, einigemal eine BeMan schneide frische Milchbrötchen wegung macht, als ob man den= in dünne Scheiben , lege sie auf selben durch den Finger klopfen eine flache Schüssel und übergieße oder drüden wollte. Das ist der sie mit Milch oder süßem Rahm, Zeitpunkt, wo man den auf dem Lasse sie gut durchziehen und thue Echoße liegenden zubereiteten Nagel dann die Hälfte derselben auf ein mit diesem vertauscht und ihn so mit Butter bestrichenes Badblech, hält , daß der daran befindliche aber nicht zu dicht aneinander, Drahtbogen von den Fingern ver belege fie mit eingemachten blauen dedt wird, so daß es scheint, als ob Pflaumen (3wetschen) , die jedoch man einen ganzen Nagel in der gar feinen Sait haben dürfen, und dede cine andere Scheibe dar Hand hielte. Denselben bringt man nun unter die linke Hand, über; verrühre 125 g Butter mit 4 Eidottern zu Schaum , streiche seht dessen Kopf auf den Tisch und mit einem Messer von dieser Mi schiebt, von einer raschen Beweschung eine dünne Lage auf jedes gung begleitet, die Spitze zwischen den Fingern durch und umflamBrötchen , bestreue sie did mit mert mit dem Drahtbogen den Zuder und badesie im Ofen (Röhre) Zeigefinger (fiche Figur). Mit dem goldgelb. Im Herbst nimmt man frische Pflaumen, die man entfernt, folgenden Finger verdedt man möglichst den oberhalb des Finmit Zuder bestebt und so eine Weile zugededt stehen läßt. gers bemerkbaren Draht. Der ge= (Wiener Küche. ) ehrte Leser wird zweifelsohne die Blaue Pflaumen (3wet. weiter geeigneten Manipulationen zur Ausführung und Beendigung fchen) einzumachen. Man schäle recht reife Pflaumen und des Kunststüdes leicht ausfindig machen (siehe Figur). schneide sie an der Seite so viel auf, daß man die kerne heraus. Der bezauberte Wollenball. nehmen fann , läutere dann zu Lasse von dem Klempner eine jedem 1½ kg Früchte 3 kg 3uder fleine , an beiden Seiten offene und gebe die Pflaumen nebst der vieredige Blechhülje verfertigen, Schale einer Zitrone, 30 g Succade die ungefähr 9 cm und 30 g candierte Pomeranzen». hod), 2,5 cm breit und schale, alles klein geschnitten , hin im Innern ungefähr ein; schäume, so wie sie zu kochen. 1 cm weit ist. Auf beginnen , sehr sorgsam ab , und das eine Ende dieser wenn sie eine Zeitlang gefocht ha ben, so legt man sie mit einem jil. Blechhülje wickle eine Portion farbigen bernen Löffel vorsichtig in eine Ter Wollgarnes auf, jo rine, läßt sie bis den anderen Tag daß du dadurch allstehen und focht sie dann noch einmal und etwas stärker. mählich einen runden Beson Wollball von 5-6 cm Durch ders gut als Fülle sowohl in die Bovesen als in Torten, Sräpf messer erhältst , aus welchem der obere Teil der Blechhülje alsdann chen und Berliner Pfannkuchen. hervorsteht (siehe Figur). Ferner befestige auf den Zipfel eines weißen Taschentuches in der Der gellirnte Himmel Weise einen Fingerring , daß du ein Stückchen weißes Zeug darüber im Monat März. Legit und dasselbe rings um den Ring festnähst, so daß der Ring In diesem Monate ſicht man Vorlage zur Glasmaleret. nach 9 Uhr abends tief im Westen also in dem Zipfel des Tuches das Sternbild des Orion mehr im verborgen ist. Etwa überflüssiges Zeug schneide hinweg. Zur Ausführung des Kunststüdes | Milchnerheringe, die man abends vor dem Gebrauche gut Untergange, nordwärts neben ihm den Stier mit dem roten verfahre nun wie folgt: einwässert, 1 1 fauren Rahm , 1/8 1 feines Del , e 1 Aldebaran. Jin Südosten, nicht gar hoch über dem Hori.. Erbitte einen Ring , der nicht zu breit und möglichst Rapern, Zwiebel und Essig nach Geschmackt, und Kartoffeln. zont, funkelt der Sirius, über ihm der helle Procyon, einfach ist , am besten einen sogen. Trauring , lege den. Die Heringe werden am anderen Tage abgezogen , aus. Darüber das Sternbild der Zwillinge mit Kastor und selben auf den Zipfel des Tuches, auf welchem der andere genommen und in fleine Würfel geschnitten, Zwiebel eben- Pollur. Am Südhimmel, nahe in halber Höhe bis zum Ring eingenäht ist , bewege diesen unter das Tuch und falls fein geschnitten, die Milch mit Eijig verquirlt, Scheitelpunkt , steht der strebs mit dem Sternhaufen der überreiche den eingenähten Ring statt des angeliehenen, durch ein Sieb gegeben und mit den angegebenen Ingres 27 Strippe" , östlich davon der große Löwe mit dem Stern welch letzteren du in deiner Hand zurückbehältst. Alsdann dienzien zu einer cremeartigen Sauce gerührt ; dann 1. Größe Regulus. Am Osthimmel, tief unten ist Arttur hole ein Trinkglas herbei und benutze diese Gelegenheit, schneidet man mit der Schale gelochte , rajch abgezogene, zu sehen und noch tiefer, im Nordosten , dicht unter dem den in deiner Hand befindlichen Ring durch die Blechhülje noch warme Kartoffeln auch tleinwürfelig und mengt so horizont, steht die Krone. Was die Planeten anbelangt, so ist Merkur so nahe bei der Sonne, daß er nicht gesehen in den Wollball fallen zu lassen. Die Hülse ziehst du als viel davon unter die Sauce als diese annimmt. dann heraus , so daß der Ring in dem Balle verbleibt. Spinat mit Giertoasts. Man foche den rein werden fann. Venus ist Morgenstern, hat aber noch immer Zugleich drücst du die vorhandene Oeffnung an dem geputzten und gewaschenen Spinat einige Minuten in einen sehr tiefen Stand füdlich vom Himmelsäquotor. Balle etwas zusammen, so daß dieselbe nicht mehr bemert siedendem Wasser, gieße ihn dann auf ein Sieb und schneide Mars steht im Meridian gegen 2 Uhr morgens , Jupiter bar ist, was bei der Elastizität des Wollgarnes leicht ihn, sowie er völlig abgetrovft ist, ganz fein ; gebe nun zu fommt erst gegen 412 Uhr früh in den Meridian und steht thunlich ist. Sche nun das Glas auf den Tischund ver- einem gehäuften Teller voll Spinat 125g Butter, einige GB sehr tief am südlichen Himmel. Saturn dagegen ist sehr juche, den Ring vollständig in das Tuch einzuwideln und löffel geriebenes Weißbrot, 2 Eglöffel geriebenen Zwiebel, schön zu sehen , gegen 82 Uhr glänzt er im Süden hoch) lekteres so in das Glas zu steden, daß ein beliebiger Zipfel Salz, Pfeffer, Mustatnuß und 4 Eier, vermische dies wohl, am Himmel , etwas unter dem Hauptstern der Zwillinge hervorragt. Lege mun den Wollball in ein anderes Glas und rühre es recht glatt, fülle es in eine mit Butter bestrichene stehend. Am 20. März, morgens 5 1hr tritt die Sonne befiehl , daß der Ring aus dem Tuche in den Wollball und mit Weißbrot bestreute Form und bade es im Ofen in das Zeichen des Widders und nimmt astronomisch der spaziere. Nimm alsdann den aus dem Glaje hervorragen (Röhre) ; stürze den Kuchen, schneide ihn in Stüde, richte Frühling seinen Anfang. Das letzte Monbviertel tritt den Zipfel des Tuches in die Hand , ziehe dasselbe rasch ihn gehäuft an und garniere ihn mit dünnen , gerösteten, ein am 5., der Neumond am 12., die Erdferne des Mondes empor und zeige, daß der Ring verschwunden ist. Er mit Butter bestrichenen Weißbrotschnitten (Toasts) , auf am 16., das erste Viertel am 20., der Vollmond am 27. und die Erdnähe des Mondes am 28. März. fajje den Endfaden des Balles , lasje ihn, im Glaje deren jede man cin verlorenes Ei legt. Drud von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Verantwortlicher Herausgeber : W. Spemann in Stuttgart. Redakteur : Joseph Kürschner ebenda. Nachbruc, auch im einzelnen, wird strafrechtlich verfolgt. Uebersehungsrecht vorbehalten.
Inseraten-Anhang zu „ Dom fels zum Meer". VII. Jahrgang, Heft 6 .
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Th. V. Gern machen wir auf nachfolgenden Aufruf aufmerksam und hoffen dem dankenswerten Unternehmen dadurch Unters stüßung zuzuführen : Friedrich Fröbel , der Begründer der Kindergärten , der Apostel der Frauenwelt, mit seinem bekannten Lebensgrundsake : n kommt , laßt uns den Kindern leben !" hat nicht nur in Deutschland an vielen Orten Verkündiger seiner Ideen gez funden, auch in andere Länder Europas, ja , in außereuropäische Länder hat sich der Geist seiner Ideen fortgepflanzt. Die im Jahre 1885 in Oberweißbach in Thüringen gebildete Sektion zum Thüringerwald-Verein erachtet és als eine Pflicht , die Gefühle der Dankbarkeit gegen den Wohlthäter und Freund der Kinder auch zu verkörpern und ihm auf dem hinter seinem Geburtshauſe ſich erhebenden Kirchberge, den Fröbel nach seinen eigenen Aussagen und nach Aussagen seiner noch in Hamburg lebenden Witwe Louise Fröbel oft bestiegen, hier manchen Morgen gelagert,, dabei den herrlichen Blick in die eingeschnittenen Thäler genossen und die besten Eindrüde gewonnen , zu Ehren einen ſleinernen Turm zu errichten , der seinen Namen tragen soll . Wie sehr es dem Verein mit dem Unternehmen Ernst ist , geht darauß hervor, daß er seit ganz kurzer Zeit schon über 1200 Mart gesammelt, intl . eines Geschenkes von 100 Mart von Herrn Thiem in Glasgow. Wer den Kirchberg kennt, wird ihn zu den besuchenswertesten Bergen Thüringens rechnen und dem Unternehmen, das von Dankbarkeit und Heimatliebe getragen, ein Glückauf" wünschen. Das Bewußtsein , durch Errichtung eines Fröbelturmes der Dankbarkeit Rechnung zu tragen und einen bis jetzt vernachlässigten Aus. jichtspunkt zur vollen Geltung zu bringen, läßt es die Sektion des Thüringerwald-Vereins wagen , an alle , welche den Namen Friedrich Fröbel hoch halten , sich die Liebe zur Natur bewahrt und schöne Punkte im Thüringerlande zu schäßen wissen , die Bitte ergehen zu lassen, das Unternehmen durch Beiträge gütigst zu unterstützen, und lektere gefälligst senden zu wollen an den Vorstand des Thüringerwald - Vereins, Sektion Oberweißbach in Thuringen. Hr. Dekonomierat Sp. in R. Sie haben ganz recht mit Ihrer Behauptung : Wir sind in nichts weniger als liebenswürdiger Weise aufs Glatteis geführt worden. und ſind dabei gefallen . Die im Oktoberheft abgebildete und beschriebene Rose „ Gelbe Malmaison" war nicht Eigentum der Herren Gebr. Schultheis in Steinfurth, sondern der Firma L. Späth in Berlin - Rigdorf, welche sie mit allen Vorräten von Herrn Vollert in Lübeck erworben und vorigen Herbst unter dem Namen „Kronprins sessin Vittoria" in den Handel gegeben hat; sie ist ein Sport" von der bekannten und allgemein beliebten Sorte Souvenir dė la Malmaison. O. Hüttig. J. Sch. Das iſt ja eine tragische Geschichte von dem Liebhaber , der ging und der Geliebten beim Abschied zurief : Ich denke dein zu jeder Stunde, ind weilt' ich auf dem fernsten Meer ; Doch fühlst du einst geheimes Sehnen, Und drohet dir ein Unheil schwer: Dann schreibe drei Wörtdhen nur, wenn es noch so frommt : Die Taube rufi ! “ und der Falle kommt. Der Falle hat aber die Taube allmählich doch vergessen und nachdem verschie dene Täuberiche den Versuch gemacht haben, bei der Taube glücklich zu werden : Da kann sie nicht mehr länger zaudern : Die Taube ruft, behüt dich Gott !'" Es heulen die Winde so schaurig und hohl : H Leb wohl, mein Schaß, leb ewig wohl ! Und sich! nach ſtürm'scher Nacht am Strande Da vuht er nun, so stumm und fall! Sie fann nicht klagen, tann nicht weinen, Sie koft ihn nur mit Wehgewalt. Die wilden Welten flüstern nun zahm : Die Taube rief, und der Falle tam ! Wer könnte sich wohl der Wehgewalt der hohlen Winde und zahmen Wellen entzichen ? 3. G. H. in 6. Sie scheinen um Reime sehrverlegen, denn anders vermögen wir unsin Ihrem Gedichte Sonnengruß " die Ans wandlung zur Malerei nicht zu erklären. Sie fragen : Warf heute mir zum letztenmal Die Sonne ihre Strahlen ? und seufzen dann : Ach dürft' ich sie noch tausendmal Begrüßen oder malen. Gegen die Grüße haben wir nichts ein. zuwenden , aber die Malerei laffen Sie gefälligst ebenso wie die Dichterei unterwegs.
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