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German Pages 301 [304] Year 1999
Vom Calculus zum Chaos von David Acheson
Oldenbourg Verlag München Wien
Autorisierte Übersetzung der englischsprachigen Originalausgabe, erschienen im Verlag Oxford University Press, Great Clarendon Street, Oxford 0X2 6DP, unter dem Titel From Calculus to Chaos, An Introduction to Dynamics. © 1997 David Acheson Übersetzung von Martin Reck
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Acheson, David: Vom Calculus zum Chaos / von David Acheson. [Übers, von Martin Reck], - Autoris. Übers. - München ; Wien : Oldenbourg, 1999 Einheitssacht.: From calculus to chaos ISBN 3-486-24833-2
© 1999 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Martin Reck Herstellung: Rainer Hartl Umschlagkonzeption: Kraxenberger Kommunikationshaus, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München
ν
Vorwort Dieses Buch ist eine Einführung in einige der interessantesten Anwendungen des Calculus (das heißt der Differentialrechnung, d. Ü.), die seit Newton in der Physik gemacht wurden. Im wesentlichen handelt es sich dabei um Probleme aus der Dynamik, also um Fragen danach, wie und warum sich Dinge mit der Zeit ändern. Der neuartige Zugang wird, so hoffe ich, das Thema für eine breite Leserschaft interessant machen, •
für Studierende der Mathematik und anderer Naturwissenschaften,
•
für naturwissenschaftlich interessierte Schüler der Oberstufe,
•
für Lehrende aus dem Bereich Mathematik und Naturwissenschaften und
•
ganz allgemein für alle Leserinnen oder Leser, die sich durch ein paar Formeln nicht abschrecken lassen.
Voraussetzung sind lediglich Grundkenntnisse in der Differentialrechnung. Mit diesem Buch möchte ich Menschen helfen, einige wirklich bemerkenswerte Anwendungen der Mathematik zu verstehen und an der Problematik Spaß zu finden. Dazu werde ich mit einfachen Beispielen in aufregende Entdeckungen und Ergebnisse einführen, ohne die dahinterstehenden zentralen Ideen in einer Flut von Details untergehen zu lassen. So werden wir zügig von den ersten Grundüberlegungen zur Forschungsspitze gelangen. Ebenfalls neu ist die Art und Weise, wie der Computer zum Verständnis der Materie eingesetzt wird. Selbstverständlich kann man alle Ergebnisse, die im Buch vorgestellt werden, einfach so hinnehmen. Das Buch eröffnet jedoch jedem, der Zugang zu einem PC hat, die Chance, auch ohne Vorkenntnisse in Programmierung die Dynamik mittels PC zu erkunden. Ermöglicht wird das durch eine praxisnahe Programmieranleitung und viele Programmbeispiele. Während ich an diesem Buch arbeitete, erhielt ich viele hilfreiche Ratschläge von potentiellen Lesern und Leserinnen, sowohl von Lehrenden als auch von Studierenden aus dem Schul- und Hochschulbereich. Insbesondere möchte ich folgenden Personen danken: Julian Addison, Ian Aitchison, Arthur Barnes, Andrew Bassom, Peter Clifford, Stephen Cox, David Crighton, Tom Evans, John Gittins, Sarah Hennell, Raymond Hide, David Hughes, Mark Mathieson, Janet Mills, Tom Mullin, Paul Newton, Howell
VI Peregrine, John Roe, Helen Sansom und Dan Waterhouse, sie gaben mir wertvolle Hinweise zu einzelnen Kapiteln und zum ganzen Buch. Mein besonderer Dank geht an die Studierenden des Jesus College und Keble College, die die vielen Entwürfe testeten und mich mit Vorschlägen und Ermutigungen unterstützten.
VII
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
1 1.1 1.2
Einleitung Die Anfänge der Mechanik Vom Calculus zum Chaos
1 1 5
2 2.1 2.2 2.3 2.4
Ein kurzer Überblick über die Infinitesimalrechnung Einführung Einige elementare Ergebnisse Taylor-Reihen Die Funktion e* und log* Übungen
11 11 12 14 17 21
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Gewöhnliche Differentialgleichungen Einführung Lineare Differentialgleichungen erster Ordnung Nicht-lineare Differentialgleichungen erster Ordnung Lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung Nicht-lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung Phasenraum Übungen
23 23 26 27 31 34 37 38
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Numerische Verfahren Einführung Eulersches Verfahren Computerprogramm für das Eulersche Verfahren Differentialgleichungssysteme Verbesserte numerische Verfahren Übungen
41 41 42 44 49 52 56
5 5.1 5.2 5.3 5.4
Klassische Schwingungen Einführung Der lineare Oszillator Mehrfache Schwingungsmoden Gekoppelte Oszillatoren
59 59 60 64 67
VIII
Inhaltsverzeichnis
5.5
Nicht-lineare Oszillationen Übungen
69 74
6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8
Planetenbewegung Einführung Bewegungsgleichungen bei einer Zentralkraft Erhaltung der Flächengeschwindigkeit Differentialgleichung der Planetenbahn Planetenbahnen Ein numerischer Ansatz Das Zweikörperproblem Das Dreikörperproblem Übungen
77 77 80 82 84 85 88 90 92 98
7 7.1 7.2 7.3
Wellen und Diffusion Einführung Wellen Diffusion Übungen
101 101 102 107 114
8 8.1 8.2 8.3 8.4
Die bestmögliche Welt? Einführung Das Konzept der Wirkung Variationsrechnung Die Lagrange-Gleichungen der Bewegung Übungen
117 117 118 121 124 128
9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5
Hydrodynamik Einführung Die Geometrie der Strömung Die Gleichungen für viskose Strömung Hochviskose Strömungen Der Fall kleiner Viskosität Übungen
131 131 132 134 138 140 145
10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6
Instabilität und Katastrophe Einführung Lineare Stabilitätsanalyse Mehrfachlösungen, Bifurkation Plötzliche Zustandsänderungen Einfluß von Asymmetrien und Katastrophe Instabilität der Bewegung Übungen
147 147 150 152 155 157 161 164
Inhaltsverzeichnis
IX
11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7
Nicht-lineare Oszillationen und Chaos Einführung Grenzzyklen, der Van-der-Pol-Oszillator Bedingungen für Chaos Die Lorenz-Gleichungen Chaotisches Mischen: Streckung und Faltung Ein Weg ins Chaos: Periodenverdopplung Mehrfachlösungen und 'Sprünge' Übungen
167 167 168 171 173 176 177 179 181
12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5
Das verkehrte Pendel Einführung Historische Pendelversuche Ein vibrierendes Pendel Chaotische Pendel Nicht ganz der Indische Seiltrick Übungen
185 185 187 190 193 195 202
Weiterführende Literatur
205
A A.l A.2 A.3 A.4 A.5
Grundlagen der Programmierung in QBasic Einführung Wie man loslegt Variablen, Operationen und Funktionen Programmschleifen Graphik
213 213 214 217 219 221
Β
Zehn Programme zur Erkundung der Mechanik
223
C
Lösungen zu den Übungen
255
Index
289
1
1 Einleitung 1.1 Die Anfänge der Mechanik Im August 1684 reiste der Astronom Edmund Halley nach Cambridge. Er hoffte, in einem Gespräch mit Newton wichtige Impulse zur Lösung der Planetenbewegung zu erhalten - einem zentralen wissenschaftlichen Problem der damaligen Zeit. Man wußte bereits, daß sich jeder Planet auf einer Ellipse um die Sonne bewegt. Man vermutete weiterhin, daß die Sonne eine Schwerkraft auf die Planeten ausübt, die proportional zu 1 / r 2 ist, wobei r den Abstand zwischen Planet und Sonne bezeichnet. Offen war allerdings, ob sich die Form der Planetenbahnen aus der Form der Schwerkraft herleiten läßt. Ein Zeitgenosse berichtete über das Treffen zwischen Dr. Halley und Newton wie folgt: ... nachdem Sie eine Zeitlang zusammen waren, fragte der Doktor ihn, wie wohl die Bahn eines Planeten aussehen würde, vorausgesetzt, er würde eine Kraft in Richtung Sonne erfahren, die umgekehrt proportional zum Quadrat seiner Entfernung zu ihr ist. Herr Isaac antwortete darauf, es wäre eine Ellipse. Der Doktor war erstaunt und erfreut und fragte, woher er das wisse. ,Nun', sagte er, ,ich habe es ausgerechnet...' Diese Erkenntnis sollte sich als einer der großen Fortschritte in der Wissenschaft erweisen.
Abbildung 1.1: Eine Skizze zur Planetenbewegung aus Newtons unveröffentlichtem Manuskript De Motu Corpurem in gyrum (1684). Der sich bewegende Punkt Ρ steht für einen Planeten, der feste Punkt S für die Sonne (Cambridge University Library).
2
1 Einleitung
Abbildung 1.2: Isaac Newton (1642- 1727).
Bevor wir tiefer einsteigen, wollen wir uns an einem einfachen Beispiel anschauen, wie ein Problem der Mechanik heute typischerweise gelöst wird. Wir nehmen an, eine Kugel der Masse m wird in der Höhe h mit einer Geschwindigkeit ν horizontal abgeschossen (siehe Abbildung 1.3). Die Schwerkraft wird die Kugel von ihrer geraden Bahn ablenken. Gefragt wird nun nach der sich daraus ergebenden Bewegung. Wir spannen ein Koordinatensystem (x,y) auf und zerlegen das Grundgesetz der Mechanik Kraft = Masse χ Beschleunigung
(1.1)
in eine x- und eine ^-Komponente. Wenn wir die Luftreibung vernachlässigen, sind in diesem Fall die Komponenten der Kraft gleich 0 und —mg. Die Komponenten der
Abbildung 1.3: Vereinfacht dargestellte Flugbahn eines Geschosses.
1.1 Die Anfänge der Mechanik
3
Beschleunigung sind d 2 jc/dt 2 und d 2 ;y/di 2 . Wir erhalten also als Differentialgleichung der Bewegung d2* W
d^
d2y = 0
m
'
^
= -mg·